Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht [1 ed.] 9783428541713, 9783428141715

Die Dissertation beschäftigt sich mit einem der schwersten Verbrechen gegen die menschliche Würde, das sexuelle Selbstbe

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Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht [1 ed.]
 9783428541713, 9783428141715

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Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Band 56

Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht Von Alexandra Adams

Duncker & Humblot · Berlin

ALEXANDRA ADAMS

Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Herausgegeben von C l a u s K r e ß, C o r n e l iu s Ne s t l e r Jü r g e n S e i e r, M i c h a e l Wa l t e r S u s a n n e Wa l t h e r, T h o m a s We i g e n d Professoren an der Universität zu Köln

Band 56

Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht Von Alexandra Adams

Duncker & Humblot · Berlin

Die Hohe Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Wintersemester 2011/2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0936-2711 ISBN 978-3-428-14171-5 (Print) ISBN 978-3-428-54171-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-84171-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2011/2012 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Die ursprüngliche Fassung wurde gründlich überarbeitet, so dass die aktuelle Literatur und Rechtsprechung bis März 2013 berücksichtigt werden konnten. Mein aufrichtiger Dank gilt zunächst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Thomas Weigend für seine langjährige Betreuung der Arbeit. Er hat die Arbeit stets durch wertvolle wissenschaftliche und sprachliche Anregungen gefördert und mir die notwendige Freiheit zu wissenschaftlicher Arbeit gegeben. Vor allem habe ich es seiner Geduld zu verdanken, dass die Arbeit letztlich zu einem Abschluss gelangt ist. Außerdem danke ich ihm für die Aufnahme der Arbeit in die Kölner Kriminalwissenschaftlichen Schriften und seine intensive Erstbegutachtung. Mein weiterer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Claus Kreß für seine Anregung, über den Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht zu schreiben, seine ermutigenden Worte während der Entstehungsphase sowie die zügige Erstellung des konstruktiven Zweitgutachtens. Ich danke ganz herzlich Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Volkmar Mehle für die sprachliche Überarbeitung meiner Dissertation. Tatkräftige Unterstützung bei der Überarbeitung des Literaturverzeichnisses habe ich ferner von Herrn Stefan Mastroianni erhalten. Ich möchte auch den Bibliothekaren des Internationalen Strafgerichtshofes für das frühere Jugoslawien – ganz besonders der früheren Bibliothekarin Eva Knutsson-Hall – meinen Dank für den freien Zugang zur Hausbibliothek und die Unterstützung bei der umfangreichen Recherche zu meiner Arbeit aussprechen. Weiter möchte ich die Hilfsbereitschaft und Sachkunde der Bibliothekare des Friedenspalasts in Den Haag, den verschiedenen Kölner Universitätsbibliotheken und des Max-Planck-Instituts in Freiburg anerkennend hervorheben. Das Gelingen einer internationalen und rechtsvergleichenden Untersuchung hängt entscheidend vom Bestand der international ausgerichteten Bibliotheken ab. Meinem Ehemann, Antoine Oueiss, danke ich, dass er stets an mich geglaubt hat. Mein ganz besonderer Dank geht an meine Eltern, Gudrun und Dr. Johannes Adams, denen die Arbeit gewidmet ist. Ohne ihre finanzielle Unterstützung und ihren fortwährenden Zuspruch wäre diese Arbeit nicht zustandegekommen. Beirut, März 2013

Alexandra Adams

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Einleitung

17

I. Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

II. Anlass der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

Zweites Kapitel Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg

24

I. Die Natur der Angriffe auf Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

II. Die Auswirkungen auf die Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Physische Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Psychologische Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschaftliche Zerstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 39 42 44 45

Drittes Kapitel Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

47

I. Grundlagen des Völkerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Begriff des Völkerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchsetzungsmechanismen des Völkerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Indirect Enforcement Model“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Direct Enforcement Model“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 47 52 52 56

II. Die Rechtsfindungsmethode im Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlüsse der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Staatliche Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Militärhandbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58 62 69 73 77 77 77 81

10

Inhaltsverzeichnis 2. Allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung . . . . . . . . . . . .

91

1. Strafbarkeit der Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

a) Multilaterale Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 aa) Haager Konventionen von 1907 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Genfer Konventionen von 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 cc) Zusatzprotokoll I zu den Genfer Konventionen von 1977 . . . . . . . . . . 114 dd) Zusatzprotokoll II zu den Genfer Abkommen von 1977 . . . . . . . . . . . 118

ee) Völkermordkonvention von 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Gerichtsstatuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Statut des Internationalen Militärgerichtshofs Nürnberg von 1945 . . 134 bb) Kontrollratsgesetz Nr. 10 von 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 cc) Statut des Internationalen Militärgerichtshofs für den Fernen Osten, Tokio von 1946 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 dd) Statut des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien von 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 ee) Statut des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda von 1994 . . . 163 ff) Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 . . 170 gg) Statut des speziellen Gerichtshofs für Sierra Leone von 2002 . . . . . . 199 c) Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Entscheidungen des IMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 bb) Entscheidungen der Besatzungsgerichte nach Kontrollratsgesetz Nr. 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 cc) Entscheidungen des IMGFO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 dd) Entscheidungen alliierter Militärgerichte in Asien . . . . . . . . . . . . . . . . 212 ee) Entscheidungen des JStGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (1) Vergewaltigung als „schwere Verletzung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (a) Art. 2 b) JStGH-Statut: Folter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (b) Art. 2 b) JStGH-Statut: Unmenschliche Behandlung . . . . . . 228 (c) Art. 2 c) JStGH-Statut: Vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (2) Vergewaltigung als Verstoß gegen die Kriegsgesetze und -gebräuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (a) Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen: Folter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (b) Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen: Grausame Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Inhaltsverzeichnis

11

(c) Art. 3 JStGH-Statut: Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen: Beeinträchtigung der persönlichen Würde . . . . . . . . . . . (3) Vergewaltigung als Völkermord – Art. 4 Abs. 2 b): Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit . . . . . (a) Art. 5 c) JStGH-Statut: Versklavung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Art. 5 f) JStGH-Statut: Folter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Art. 5 g) JStGH-Statut: Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Art. 5 h) JStGH-Statut: Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Art. 5 i) JStGH-Statut: Andere unmenschliche Handlungen (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Entscheidungen des RStGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vergewaltigung als Völkermord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Art. 2 Abs. 2 b) RStGH-Statut: Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Art. 2 Abs. 2 c) RStGH-Statut: Vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Art. 2 Abs. 2 d) RStGH-Statut: Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit . . . . . (a) Art. 3 f) RStGH-Statut: Folter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Art. 3 g) RStGH-Statut: Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Art. 3 h) RStGH-Statut: Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vergewaltigung als Verstoß gegen die Kriegsgesetze und -gebräuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Art. 4 a) RStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen und Art. 4 Abs. 2 a) Zusatzprotokoll II . . . . . . . . . . (b) Art. 4 e) RStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen und Art. 4 Abs. 2 e) Zusatzprotokoll II . . . . . . . . . . (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Strafbarkeit der Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkermord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbrechen gegen die Menschlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

238 239

242 245 245 247 248 249 259 260 265 267

267

273

274 275 275 276 280 281 281 283 284 287 289 291 296

12

Inhaltsverzeichnis c) Kriegsverbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 3. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Viertes Kapitel Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

308

I. Der Bestimmtheitsgrundsatz im Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definitionen der Vergewaltigung der Ad-hoc-Tribunale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbrechenselemente des IStGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Täter/Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwangselement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exkurs: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung im Völkerstrafgesetzbuch von Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

312 312 326 329 330 330 332 336

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswahl der Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Tatbestandsaufbau des „Common Laws“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Objektiver Tatbestand der Vergewaltigung in den sechs staatlichen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzestexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) New York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Kalifornien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sexuelle Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vaginaler Geschlechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ähnliche sexuelle Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Umgekehrte Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sexuelle Penetration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Umgekehrte Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Andere sexuelle Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

347 347 355

337

357 357 357 358 359 360 363 370 381 381 382 383 391 392 393 394 396 398

Inhaltsverzeichnis cc) Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vaginaler Geschlechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Oraler und analer Geschlechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Einführen von Objekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Einführen von Körperteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Umgekehrte Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vaginaler, analer und oraler Geschlechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . (2) Umgekehrte Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Einführen von Körperteilen und Objekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Andere sexuelle Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) New York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kriminelle sexuelle Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schwerer sexueller Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Sexuelles Fehlverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Kalifornien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Analverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Oralverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Sexuelle Penetration mit fremden Objekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Übereinstimmungen und Abweichung der sechs Rechtsordnungen bzgl. der sexuellen Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Nötigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Nötigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ausnutzung einer schutzlosen Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 398 399 400 401 401 403 404 405 405 406 407 408 409 410 411 412 413 413 414 415 416 416 416 417 417 425 428 429 429 429 430 433 435 441 441 442 443 445 445

14

Inhaltsverzeichnis (2) Drohung mit einem Übel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Drohung mit Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) New York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Kalifornien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Qualifizierte Gewalt und Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Drohung mit einer Körperverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zukünftige Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gemeinschaftliche Begehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Drohung mit einer Verhaftung oder Auslieferung . . . . . . . . . . . . . gg) Übereinstimmungen und Abweichung der sechs Rechtsordnungen bzgl. der Nötigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ausnutzung einer schutzlosen Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fehlendes Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unwiderlegbare Vermutung eines fehlenden Einverständnisses . (2) Widerlegbare Vermutung eines fehlenden Einverständnisses . . . (3) Allgemeines Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) New York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kalifornien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Übereinstimmungen und Abweichungen der vier Rechtsordnungen bzgl. des fehlenden Einverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gewalt und Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Körperliche und geistige Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bewusstlosigkeit und Schlaf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Gefangenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Auswertung der beiden Tatbestandsalternativen: Nötigungshandlung versus fehlendes Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

447 449 449 450 451 452 456 458 458 458 459 460 461 462 462 462 462 464 467 468 469 470 470 472 474 476 479 483 491 501 501 502 503 503 504 506 508 509

Inhaltsverzeichnis

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Höherer Unrechts- und Schuldgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweislage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitreichender Opferschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systematische Trennung zwischen Nötigungs- und Missbrauchstatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Überprüfung anhand der Fälle im Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . gg) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ergebnis der Rechtsvergleichung zum objektiven Tatbestand der Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Subjektiver Tatbestand der Vergewaltigung in den sechs staatlichen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) New York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Kalifornien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Übereinstimmungen und Abweichungen bzgl. des Vorsatzes in den sechs Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) New York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Kalifornien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Übereinstimmungen und Abweichungen in den sechs Rechtsordnungen zum Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis der Rechtsvergleichung zum subjektiven Tatbestand der Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Tauglichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis der Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

510 512 514 518

aa) bb) cc) dd) ee)

521 523 526 527 528 528 528 530 531 531 534 536 539 541 542 543 544 544 547 551 554 559 559 562

IV. Ergebnis des vierten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563

Fünftes Kapitel Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

566

I. Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der ermittelten Definitionen . . . . . . . . . 567 1. Sexuelle Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567

16

Inhaltsverzeichnis 2. 3. 4. 5. 6.

Täter/Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nötigungshandlung und/oder fehlendes Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

569 569 579 582 582

II. Kriminalpolitische Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 III. Fazit der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 Annex I: Tabellarische Übersichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 Annex II: Nationale Straftatbestände der Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729

Erstes Kapitel

Einleitung I. Ziel der Arbeit Das Ziel der hiesigen Untersuchung ist, einen Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht nachzuweisen. Das Völkerstrafrecht hat sich seit den 1990iger Jahren erheblich weiterentwickelt. Seitdem legten die Staaten ihr Augenmerk nicht mehr auf die dogmatische Fortbildung des materiellen Völkerstrafrechts, sondern vielmehr auf die Durchsetzungsmechanismen dieser Rechtsmaterie. Die Arbeiten an einem Völkerstrafgesetzbuch, das durch ein Abkommen zwischen den Mitgliedern der Völkergemeinschaft verbindlich gemacht werden sollte, wurden beiseite gelegt.1 Dafür wurde auf die Errichtung internationaler oder semi-internationaler Gerichte gesetzt. Mittlerweile existieren im Völkerrecht ein permanenter Internationaler Strafgerichtshof (IStGH), zwei Ad-hoc-Tribunale für Ex-Jugoslawien (JStGH) und Ruanda (RStGH) sowie weitere semi-internationale Ad-hoc-Gerichte (Regulation 64 Panels in Kosovo, War Crimes Chamber in Bosnia and Herzegovina, War Crimes Chamber of the Belgrade District Court in Serbia, Special Court for Sierra Leone, Special Panel for Serious Crimes in East Timor, Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia, Iraqi High Tribunal and the Special Tribunal for Lebanon), die sich mit der Aburteilung völkerrechtlicher Verbrechen beschäftigen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, dass nationale Gerichte sich der Verurteilung völkerrechtlicher Straftaten annehmen. Die Statuten der internationalen Gerichte führen zwar die Tatbestände auf, welche auf bestehendes Völkergewohnheitsrecht zurückzuführen sind (Kriegsverbrechen, Menschlichkeitsverbrechen und Völkermord). Unter diesen Rahmenverbrechen finden sich wiederum Einzeltatbestände wie Mord, Folter, Vergewaltigung, etc. Diese Einzelstraftaten sind jedoch nur selten in Tatbestandsmerkmale aufgegliedert.2 Den meisten internationalen Instrumenten fehlt es an einer Defi1 Der letzte Entwurf zu einem Völkerstrafgesetzbuch wurde von der ILC 1996 vorgelegt. Die Arbeiten an diesem noch sehr umstrittenen Entwurf kamen aber seit der Erarbeitung des IStGH-Statuts zum Erliegen. Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung der wissenschaftlichen Arbeiten bzgl. eines Völkerstrafgesetzbuches: Ahlbrecht, Geschichte, S. 211 ff. 2 Eine Ausnahme stellt Art. 7 Abs. 2 IStGH-Statut dar, welcher die Einzeltaten der Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert.

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1. Kap.: Einleitung

nition; das Verbrechen wird lediglich beim Namen genannt.3 Es sind für den Rechtsanwender aus der Statutenvorschrift weder Inhalt noch Grenzen der Norm ersichtlich. Folge dieser Situation ist, dass der Rechtsanwender den konkreten Tatbestand erst noch ermitteln muss. Der nationale Jurist steht vor dem gleichen Problem. Auch wenn das Völkerstrafrecht in das nationale Recht transferiert wurde und somit staatliche Strafnormen existieren, muss doch der Inhalt des Tatbestands auf Völkerstrafrecht beruhen und dieser daher bekannt sein. Denn der in das Strafgesetzbuch eines Staates integrierte Tatbestand basiert materiell-rechtlich auf allgemeingültigem Völkerstrafrecht. Dass der Regelungsinhalt der materiell völkerrechtlichen Strafnorm vor Begehung der Tat im Einzelnen feststehen muss, ist auf den allgemein anerkannten Gesetzlichkeitsgrundsatz („nullum crimen sine lege“) zurückzuführen, der eine der Grundmauern eines gerechten Strafrechts bildet.4 Genauso wie im staatlichen Strafrecht müssen auch im Völkerstrafrecht die Normen, die ein Verhalten zu einer Straftat erklären so bestimmt sein, dass jeder Leser vorhersehen kann, welches Verhalten Strafe nach sich zieht. Nur wer weiß, dass für ein bestimmtes Verhalten Strafe droht, kann sich in einem Staat bzw. der Staatengemeinschaft sicher vor willkürlichen Bestrafungen fühlen (Rechtssicherheit).5 Nur wer weiß, dass er bestraft wird, lässt sich von einer Tat abbringen (Abschreckung). Nur wenn ein bestimmtes Verhalten nach dem Gesetz strafbar ist, können alle Menschen gleich behandelt werden (gleichmäßige Anwendung), was zur allgemeinen Achtung der Norm führt (positive Generalprävention).6 Eine völkerrechtliche Straftat kann somit nur verfolgt werden, wenn sie nach den Völkerrechtsquellen anerkannt ist und ihre einzelnen Verbrechensmerkmale feststehen. Im Hinblick auf die obige Zielsetzung bedingt der undogmatische Entstehungsprozess völkerrechtlicher Tatbestände, dass die Fragestellung wie folgt zergliedert werden muss:

3 Lediglich das IStGH-Statut wurde nachträglich um Verbrechenselemente (EOC) ergänzt. Diese Verbrechenselemente sind nach Ansicht der Literatur unverbindlich, weil sie nicht auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruhen wie das Statut selbst, sondern von einer Kommission im Auftrag der Mitgliedsstaaten entwickelt wurde. Der IStGH dagegen scheint den EOC den Status von Vertragsrecht einzuräumen. Vgl. zu diesem Rechtsstreit: Fn. 495 f. 4 Siehe dazu die Ausführungen: 3. Kapitel III. 5 Jescheck/Weigend, AT, S. 128 f. 6 Die völkerrechtliche Strafe sollte zum Zweck der Vergeltung für das an den häufig über lange Zeit rechtlos gestellten Opfer begangene Unrecht, der Abschreckung zukünftiger Täter, aber vor allem wegen seiner rechtsbewusstseinsbildenden und normwiederherstellenden Kraft genutzt werden. Vgl. dazu: Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 190 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 94–98; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 228 ff.

II. Anlass der Arbeit

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– Existiert ein Verbrechen der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht? – Und wenn ja, welche Tatbestandsmerkmale umfasst es?

II. Anlass der Arbeit Am 10.12.1998 verkündete die Strafkammer des Jugoslawiengerichtshofes (JStGH) gegen den Angeklagten Furundzˇija folgende Schlussfolgerung: No definition of rape can be found in international law. . . . This Trial Chamber notes that no elements other than those emphasised may be drawn from international treaty or customary law, nor is resort to general principles of international criminal law or to general principles of international law of any avail. The Trial Chamber therefore considers that, to arrive at an accurate definition of rape based on the criminal law principle of specificity (Bestimmtheitsgrundsatz, also referred to by the maxim „nullum crimen sine lege stricta“), it is necessary to look for principles of criminal law common to the major legal systems of the world. These principles may be derived, with all due caution, from national laws.7

Das Gericht stand vor dem Problem, dass es weder im Völkervertragsrecht noch im Völkergewohnheitsrecht eine Definition der Vergewaltigung finden konnte, andererseits aber eine solche finden musste, um den Angeklagten verurteilen zu können. Es fand die Lösung in Rechtsprinzipien, die aus den nationalen Strafnormen der Hauptrechtssysteme der Welt abgeleitet werden, also in der subsidiären Rechtsquelle des Völkerrechts gemäß Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut. Die Kammer führte dazu eine Rechtsvergleichung anhand nationaler Vergewaltigungstatbestände durch. Sie stellte fest, welche Gemeinsamkeiten die Rechtssysteme der Welt hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsmerkmale aufwiesen, übertrug die so gewonnenen Prinzipien auf das Völkerstrafrecht und verurteilte den Angeklagten auf der Basis eines konkreten Tatbestands. Die vorliegende Arbeit will die Methode und das Ergebnis der Rechtsfindung der Furundzˇija-Kammer überprüfen. Dazu besteht aus mehreren Gründen Anlass. Inzwischen haben sich weitere Strafkammern der beiden Ad-hoc-Tribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda mit dem Tatbestand der Vergewaltigung auseinandergesetzt und sind dabei nicht immer zu übereinstimmenden Definitionen der Vergewaltigung gelangt. Auch wird sich in Zukunft der IStGH mit dem Tatbestand der Vergewaltigung auseinandersetzen müssen. Die von den Auslegungen der Ad-hoc-Tribunale abweichenden Verbrechenselemente zum IStGH-Statut (EOC) enthalten eine neue Definition der Vergewaltigung, die sich möglicherweise zu Völkergewohnheitsrecht entwickeln wird. Wie nun heute der allgemein7

Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 175, 177.

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1. Kap.: Einleitung

verbindliche Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht lautet, ist somit nicht direkt ersichtlich. Außerdem haben mehrere nationale Gesetzgeber das IStGH-Statut nach ihrem Verständnis und ihrer Rechtsdogmatik in staatliches Recht umgesetzt (so z. B. das deutsche VStGB8; die französischen Art. 211-1–213-5 Code Pénal9; die spanischen Art. 607–616 bis Cdigo Penal10; der niederländische International Crimes Act11; The United Kingdom International Criminal Court Act 200112). Damit werden auch nationale Gerichte in die Lage versetzt, einen auf Völkerrecht basierenden Tatbestand der Vergewaltigung anzuwenden. Sowohl die Umsetzung des Völkerrechts ins nationale Recht durch die Legislative als auch die Anwendung des Rechts durch die Judikative eines Staates liefern weitere Bausteine zur Entstehung eines völkergewohnheitsrechtlichen Tatbestands der Vergewaltigung.13 Zudem besteht die – zurzeit wohl eher nur theoretische – Möglichkeit, dass sich die Weltgemeinschaft doch zu einer Kodifizierung des materiellen Völkerstrafrechts in einem völkerrechtlichen Vertrag durchringt. Weiterhin zeigen diese unterschiedlichen Strömungen in der Rechtsprechung internationaler Gerichte, der Verbrechenselemente zum IStGH-Statut (EOC) und der nationalen Strafgesetze, dass sich der Tatbestand der Vergewaltigung stets im Fluss befindet. Er kann sich aus Völkervertrag, Völkergewohnheitsrecht sowie aus dem staatlichen Recht mittels einer prinzipiengewinnenden Rechtsvergleichung weiterentwickeln. Aufgrund der offensichtlichen Divergenzen bei der Definition des Tatbestands ist es das Hauptziel der Arbeit, einen völkerrechtlich verbindlichen Tatbestand der Vergewaltigung herauszuarbeiten, wozu der Nachweis übereinstimmenden nationalen Rechts genügt. Es wäre aber kurzsichtig, die hier zu ermittelnde Vergewaltigungsdefinition nicht den bereits aufkommenden anderen Tendenzen im Völkerstrafrecht gegenüberzustellen. Indem die einzelnen Vergewaltigungsdefinitionen nicht nur hinsichtlich ihrer Wertigkeit im Völkerstrafrecht, d. h. nach ihrer Rechtswirkung aufgeführt werden, sondern auch sachlich miteinander verglichen werden, kann überprüft werden, ob die hier aus der Rechtsvergleichung ermittelte Definition auch sachlich überzeugt. Auch wenn es letztlich den Staaten überlassen bleibt, welchen Tatbestand der Vergewaltigung sie in internationalen und nationalen Urteilen, Gesetzen oder völkerrechtlichen Verträgen zur Anwendung bringen wollen, so könnte doch eine materiell-rechtliche Abwägung der einzel8 Völkerstrafgesetzbuch vom 26. Juni 2002 (BGBl. I S. 2254), einsehbar auf: www. gesetze-im-internet.de/vstgb/BJNR225410002.html; in Englisch: www.iccnow.org/docu ments/GermanCodeOfInternation4C1.pdf. 9 www.legifrance.gouv.fr/html/codes_traduits/code_penal_textan.htm. 10 www.iccnow.org/documents/Spain_ImplementingLegislation_Aug05.pdf. 11 www.iccnow.org/documents/NL.IntCrAct.pdf. 12 www.iccnow.org/documents/UK.iccAct.crimes.pdf. 13 Siehe zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht die Ausführungen zur Rechtsfindungsmethode: 3. Kapitel II. 1.

II. Anlass der Arbeit

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nen Tatbestandsmerkmale die Staatengemeinschaft dazu veranlassen, den hier ermittelten Vergewaltigungstatbestand in Zukunft zu favorisieren. Ferner bietet die Auseinandersetzung mit dem Vergewaltigungstatbestand ein Beispiel für die Methodik der Rechtsfindung im Völkerstrafrecht. Die Furundzˇija-Kammer hat eine Methode der Rechtsfindung im Völker(straf-)recht aufgezeigt, die für viele Straftaten und auch andere Bereiche des Strafrechts (wie z. B. bei Lücken im Allgemeinen Teil und im Strafprozessrecht) relevant ist. Es kann mit dieser Untersuchung beispielhaft gezeigt werden, wie man bei fehlenden oder unpräzisen Regelungen im Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht anhand der subsidiären Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze eine Lücke schließen kann. Ein weiterer Anreiz dazu, sich mit dem Verbrechen der Vergewaltigung zu beschäftigen, ist, dass dieses Verbrechen tabuisiert wurde und deshalb im Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht noch nicht verfestigt ist. Erst mit der Errichtung der beiden Ad-hoc-Tribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda in den 1990iger Jahren ist die Wahrheit über die Massivität und Häufigkeit von Vergewaltigungen im Krieg und die zerstörenden Auswirkungen auf die Betroffenen und die gesamte Gesellschaft ans Licht gekommen. Zuvor hatten sich weder Politiker, Richter und Staatsanwälte, noch Journalisten oder Historiker dem Thema sexueller Gewalt im Krieg gewidmet, obwohl genügend Beweise für Sexualverbrechen – zumindest in den beiden Weltkriegen – vorgelegen hatten. Es schien, dass nur die massenhaften (illegalen) Tötungen und Misshandlungen in Kriegen die Aufmerksamkeit der betroffenen Berufsgruppen verdienten, während die Vergewaltigungen als ein unwichtiges Nebenprodukt eines Krieges und damit als unvermeidbar erachtet wurden. Die Urteile der beiden Ad-hoc-Tribunale für ExJugoslawien und Ruanda sowie die zahlreichen Berichte der Medien über Massenvergewaltigungen in Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Ruanda haben gezeigt, dass die Vergewaltigung ein ebenso häufig begangenes Verbrechen im Krieg ist wie Tötungen und Misshandlungen und genauso schwere, wenn nicht sogar längerfristige Folgen als die nicht-sexuellen Misshandlungen für die Opfer und die Gesellschaft bewirkt.14 Die Arbeit versucht daher auch sexueller Gewalt gegenüber Frauen in Konfliktsituationen entgegenzuwirken, indem sie einen präzisen Tatbestand des Verbrechens erarbeitet. Nur so ist eine effektive Bekämpfung dieser Kriminalitätsform vor internationalen und nationalen Gerichten sicherzustellen.

14 Grund für die Enttabuisierung und Fortentwicklung des Verbrechens der Vergewaltigung seit den 1990iger Jahren ist die Beteiligung von Frauen in Entscheidungspositionen in allen Bereichen (Politikerinnen, Journalistinnen, NGO-Delegierte, Richterinnen, Staatsanwältinnen und Professorinnen. Siehe stellvertretend für viele andere: Askin, AJIL 93, 1999, S. 98 f.; Halley, MJIL 30, 2008, S. 1–123 m.w. N.; Grewal, AFLJ 33, 2010, S. 63.

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1. Kap.: Einleitung

III. Gang der Untersuchung Die Untersuchung beschäftigt sich mit einem der schwersten Verbrechen gegen die menschliche Würde, das sexuelle Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Unversehrtheit. Die Bekämpfung der Vergewaltigung sowie anderer Sexualverbrechen und die Aufklärung über deren Auswirkungen auf die Opfer wurden in den nationalen Rechten und, ganz besonders im Völkerstrafrecht, bisher vernachlässigt, so dass im Bewusstsein der meisten Menschen Klischees über die Tathandlung und die weitreichenden Folgeschäden einer Vergewaltigung vorherrschen. Um den besonderen Unrechtsgehalt dieses tabuisierten Verbrechens verständlich zu machen, wird an den Anfang der Untersuchung eine kurze Darstellung der Besonderheiten der Vergewaltigung im Krieg gestellt. Dabei wird auf Aussagen von Vergewaltigungsopfern aus vier verschiedenen Kriegssituationen – insbesondere Ex-Jugoslawien und Ruanda – zurückgegriffen. Heute sind im Völkerstrafrecht neben der Vergewaltigung auch die sexuelle Sklaverei, die Nötigung zur Prostitution, die erzwungene Schwangerschaft, die Zwangssterilisation und jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere als Verbrechen anerkannt (siehe Art. 7 IStGH-Statut). Die vorliegende Arbeit beschränkt sich jedoch auf das Verbrechen der Vergewaltigung. Diese Einschränkung ermöglichte eine intensive Analyse der internationalen und nationalen Rechtssätze. Die Vergewaltigung ist neben der sexuellen Gewalt meist in den anderen Tatbeständen aller weiteren Sexualverbrechen enthalten oder stellt eine mögliche Tatbegehungsform dar. Im dritten Kapitel wird geprüft, ob im Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht das Verbrechen der Vergewaltigung existiert. Vorangestellt wird ein Überblick über die Rechtsquellen und die Rechtsfindungsmethode des Völkerstrafrechts im Allgemeinen. Dann werden alle relevanten internationalen Instrumente des Völkerstrafrechts nach Normen hinsichtlich der Vergewaltigung durchsucht (horizontale Analyse). Diese Analyse ergibt, dass zwar eine Strafbarkeit der Vergewaltigung existiert, aber keine verbindliche Definition der Vergewaltigung im Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht vorhanden ist. Im vierten Kapitel folgt eine Rechtsvergleichung der Vergewaltigungstatbestände der wichtigsten Staaten der Welt; aus ihr werden allgemeine Rechtsgrundsätze abgeleitet, die auf die Ebene des Völkerstrafrechts übertragen werden sollen. Vorab werden die bereits vorhandenen Interpretationen des Vergewaltigungstatbestandes durch die Ad-hoc-Tribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda, in den Verbrechenselementen des IStGH (EOC) sowie im deutschen VStGB erörtert. Das Hauptanliegen des vierten Kapitels ist es dann, die Tatbestandsmerkmale anhand einer Vergleichung der Vergewaltigungstatbestände in sechs repräsentativen Rechtsordnungen zu ermitteln. Die aus der Rechtsvergleichung gewonnenen Rechtsprinzipien können, wenn sie nicht gegen Grundsätze des Völker(straf)rechts verstoßen, auf die Ebene des Völkerstrafrechts übertragen werden und so-

III. Gang der Untersuchung

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mit Völkerstrafrecht begründen (vertikale Analyse). Das vierte Kapitel endet mit einer Definition der Vergewaltigung, die aus der Rechtsvergleichung gewonnen wurde und die dem Völkerstrafrecht verbindlich zugrunde gelegt werden kann. Im fünften Kapitel wird das gewonnene Ergebnis den verschiedenen internationalen und nationalen Definitionen der Vergewaltigung gegenübergestellt. Es zeigt sich dabei, dass die Interpretationen der Ad-hoc-Tribunale mittlerweile aufgrund von innerstaatlichen Reformen zeitlich überholt sind und sachlich relevante Fallkonstellationen außer Acht lassen. Die EOC wiederum formulieren das Zwangsmoment unnötig weit und lassen damit Raum für abweichende Auslegungen anstatt sich an in allen Rechtsordnungen bekannte Nötigungsmittel wie Gewalt und Drohung zu halten. Ferner ist die Vermischung des Vergewaltigungstatbestands mit einem Missbrauchstatbestand dogmatisch als unglücklich zu bewerten. Das Fazit der Arbeit ist daher, dass der aus der Rechtsvergleichung gewonnene Tatbestand der Vergewaltigung nicht nur formal (vom Status der Rechtsquelle), sondern auch sachlich gegenüber anderen völkerrechtlichen Tendenzen der Tatbestandsformulierung überzeugt.

Zweites Kapitel

Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg Rape in peace to rape in war is what Anti-Semitism is to the Holocaust. Catharine MacKinnon15

In jedem bewaffneten Konflikt hat es Vergewaltigungen gegeben.16 Berichtet wurde darüber weder von Historikern, noch von Journalisten, Soziologen oder Politikern.17 Sogar die Internationalen Militärtribunale in Nürnberg und Tokio 15

MacKinnon, in: Stiglmayer, Mass Rape, S. 186–187. Massenvergewaltigungen in kriegerischen Konflikten lassen sich bereits bis in die Antike belegen, wo Frauen als Kriegstrophäe übergeben wurden. Im Mittelalter hatte der Soldat während der Belagerung eine „Lizenz zum Vergewaltigen“. Im 1. Weltkrieg vergewaltigten massenhaft deutsche Soldaten die Zivilbevölkerung beim Einmarsch in Belgien und Frankreich, um Schrecken zu verbreiten. Im 2. Weltkrieg sind in Europa sowie in Asien zahlreiche Vergewaltigungen von den verschiedensten Kriegsparteien begangen wurden. 1971 vergewaltigten pakistanische Soldaten mindestens 200.000 bengalische Frauen im Unabhängigkeitskrieg. Im Vietnamkrieg wurden eine große Anzahl Vietnamesinnen von US-Soldaten vergewaltigt und verstümmelt. Massenvergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt sind in den letzten Jahren in El Salvador, Guatemala, Kolumbien, Liberia, Kuwait, Angola, Sudan, Ruanda, Uganda, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Myanmar, Sierra Leone, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Kosovo, East Timor und Afghanistan zu verzeichnen gewesen. Im 20. Jahrhundert allein wurden hunderttausende Frauen vergewaltigt. Siehe zur weiteren Auseinandersetzung mit Vergewaltigungen im bewaffneten Konflikt in der Vergangenheit: Brownmiller, Against our Will; Glueck, War Criminals, Their Prosecution and Punishment; Ehrenburg/Grossman, The Black Book; Ryan, The Last Battle; Walzer, Just and Unjust Wars, S. 105, 133–134; Stiglmayer, Massenvergewaltigung; Stiglmayer, Mass Rape; Askin, War Crimes Against Women, S. 1–2, 49–95; Allen, Rape Warfare; Vranic´, Breaking the Wall of Silence; CID, Ich flehte um meinen Tod; Engle, AJIL 99, 2005, S. 778 ff.; Bassiouni/ McCormick, Sexual Violence; Niarchos, HRQ 17, 1995, S. 649–668; Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 845–852; Aydelott, EILR 7, 1993, S. 585–596; Chinkin, EJIL 5, 1994, S. 326–329; Pilch, JLS US-AFA 9, 1998/1999, S. 100–102; Chesterman, YJIL 22, 1997, S. 324–331; Gardam/Charlesworth, HRQ 22, 2000, S. 152–158; Swiss/Giller, JAMA 270, 1993, S. 612–615, 612; Möller, in: Hasse/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, S. 281 ff.; Haskell, B.C. Third World L.J. 29, 2009, S. 46 ff., 49 ff.; Aswad, GLJ 84, 1996, S. 1913; Healey, BJIL 21, 1995, S. 329–330; von Welser, Am Ende wünschst du dir nur noch den Tod, S. 147 f.; Möller, Völkerstrafrecht, S. 357 ff.; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 62 ff.; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 27 ff., 154 ff.; Schreck, Penn.St.I.L.R 28, 2009, S. 87 ff.; Sharlach, in: Totten/Bartop, The Genocide Reader, S. 180; McDougall, UNDOC, Final Report E/CN.4/Sub.2/1998/13, Updated Report E/CN.4/Sub.2/2000/21. 17 Niarchos, HRQ 17, 1995, S. 650–651; Gardam/Charlesworth, HRQ 22, 2000, S. 152–158; MacKinnon, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 13 ff.; Haf16

2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg

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haben zu diesem Verbrechen geschwiegen bzw. sich geweigert, es beim Namen zu nennen.18 Unaussprechliche Sexualverbrechen, die in aller Welt begangen wurden, sind ungesühnt geblieben. Erst Anfang der 1990iger Jahre hat das große Ausmaß an Vergewaltigungen während des bewaffneten Konflikts in Bosnien-Herzegowina mit 20.000 bis 50.000 bosnisch-muslimischen Opfern zu einem Interesse der Medien geführt.19 In Jugoslawien strebten serbische Nationalisten ein „Großserbien“ an. Serbische Intellektuelle und Kleriker unterstützten die Idee propagandistisch und schürten Hass gegen die anderen ethnischen Gruppen, die in Jugoslawien lebten.20 Als einzelne Teile Jugoslawiens nach und nach ihre Unabhängigkeit erklärten, ging die Belgrader Zentralregierung mit militärischen Mitteln gegen diese Bestrebungen vor. Das serbische Militär praktizierte in Kroatien, Bosnien-Herzefajee, Harv. J.L. & Gender 29, 2006, S. 201 ff.; Kohn, GGULR 24, 1994, S. 204–205; Brownmiller, in: Stiglmayer: Mass Rape, S. 182: „When the military history is written, when the glorious battles for independence become legend, the stories are glossed over, discounted as exaggerations, deemed not serious enough for inclusion in scholarly works. And the women are left with their shame.“ 18 IMT-DOCS, Vol. VI, S. 404–405: Der französische Ankläger äußerte sich in den Nürnberger Prozessen wie folgt, als es darum ging, Vergewaltigungen zu verhandeln: „The Tribunal will forgive me if I avoid citing the atrocious details . . .“, obwohl er keine Scheu hatte, andere Gewaltverbrechen im Detail zu schildern. Ferner enthielt das Beweisstück Nr. 51, die sog. „Molotow-Note“, des sowjetischen Anklägers zahlreiche Fälle von Vergewaltigung, Zwangsprostitution, sexueller Verstümmelung und sexuell geprägten Mordes. Trotzdem kam es zu keiner ausdrücklichen Verurteilung wegen Vergewaltigung im Prozess. In Tokio wurden zumindest einige hohe Offiziere/Politiker für weitreichende Vergewaltigungen als Verletzungen des Kriegsrechts schuldig gesprochen. Siehe dazu auch: Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 850; Möller, Sexuelle Gewalt im Krieg, in: Hasse/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, S. 286; Bassiouni/ McCormick, Sexual Violence, S. 4; McDonald, CJTL 39, 2000, S. 10; Derechin, GILJ 11, 1996, S. 822; Askin, in: Askin/Koenig, Women I, S. 52; Askin, BJIL 21, 2003, S. 300 ff. 19 Pietilä/Vickers, Making Women Matter, S. 146; Vranic ´, Breaking the Wall of Silence, S. 234; Carlton, JILP 6, 1997, S. 104 f.; Coomaraswamy, in: Askin/Koenig, Women I, S. 213; Cleiren/Tijssen, CLF 5, 1994, S. 471; Möller, Völkerstrafrecht, S. 363 f.; Möller, Sexuelle Gewalt im Krieg, in: Hasse/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, S. 280, 288; Sharlach, in: Totten/Bartop, The Genocide Reader, S. 184 ff.; Cryer, ICL, S. 245. 20 Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 35 ff.: Hintergrundsinformationen zum Konflikt; Allen, Rape Warfare, S. 43, 46 ff., 56, 61; Commission of Experts, Final Report, UN-DOC, S/1994/674 of 27 May 1994, Para. 130–131: „Ethnic cleansing . . . is carried out in the name of misguided nationalism, historic grievances, and a powerful driving sense of revenge. The political doctrine consists of a complex mixture of historical claims, grievances, and fears and nationalistic aspirations and expectations, as well as religious and psychological elements. . . . The doctrine is essentially based on ethnic and religious exclusivity and the dominance of Serbs over other groups in certain historically claimed areas. . . . This doctrine breeds intolerance and suspicion of other ethnic and religious groups and is conducive to violence when it is politically manipulated, as it has been the case.“

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2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg

gowina und später im Kosovo sog. „ethnische Säuberungen“; alle Nichtserben sollten aus den überwiegend serbisch besiedelten Teilen des früheren Jugoslawiens vertrieben oder liquidiert werden.21 Da dieses Ziel mit den üblichen Waffen allein nicht erreicht werden konnte, wurde die Taktik des Terrors und der Gewalt durch Massenvergewaltigungen an der Zivilbevölkerung als Teil der offiziellen Kriegsstrategie22 wirkungsvoll verstärkt.23 21 MacKinnon, in: Stiglmayer, Mass Rape, S. 73: „Ethnic cleansing is an euphemism for Genocide.“; desw. in: MacKinnon, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 14; MacKinnon, in: Stiglmayer, Mass Rape, S. 186; siehe auch die Resolution der VN-Gerneralversammlung, die zur gleichen Schlussfolgerung kommt: Resolution 47/ 121 adopted by General Assembly, New York, 18.12.1992: „. . . ,ethnic cleansing‘ . . . is a form of genocide.“; siehe ferner in der Literatur: Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 210 ff., der darauf hinweist, dass es sich beim Begriff „ethnische Säuberung“ nicht um ein Synonym des Völkermords handelt, sondern dass die verschiedenen Handlungen unter mehrere völkerrechtliche Tatbestände wie Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord einzuordnen sind. Vranic´, Breaking the Wall of Silence, S. 26, 267 f., 310 ff., Kulenovic´, in: Vranic´, Breaking the Wall of Silence, S. 181 f., 195; International Human Rights Law Group, No Justice, No Peace, S. 1–4; Askin, War Crimes Against Women, S. 272, 296; Bosnien-Herzegowina gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, ICJ 3 (08.04.1993) Para. 52 A(2): Massenvergewaltigungen fallen unter die Definition des Völkermords; Salzman, HRQ 20, 1998, S. 354 f.; Engle, AJIL 99, 2005, S. 778 ff. m.w. N. zur feministischen Literatur. Sie zeigt besonders den Streit zwischen zwei Lagern in der feministischen Literatur auf. Die eine Gruppe sieht die Vergewaltigungen der muslimischen Frauen durch serbische Soldaten als Völkermord an, während das andere Lager eine Verurteilung von Vergewaltigungen als Völkermord ablehnt, weil sie befürchten, die Vergewaltigung an sich könnte im Völkerrecht wieder unsichtbar werden, wenn sie denn nicht den Völkermordtatbestand erfüllt. Vgl. ferner zu den unterschiedlichen, feministischen Ansichten der Behandlung sexueller Gewalt im Völkerstrafrecht: Halley, MJIL 30, 2008, S. 1–123. 22 MacKinnon, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 14–15 m.w. N.; Stiglmayer, in: Stiglmayer, Massenvergewaltigung, S. 48 und Vergewaltigungen in Bosnien-Herzegowina, S. 133: In manchen Dörfern wurde fast jede Frau vergewaltigt, was auf eine systematische Vorgehensweise schließen läßt; S. 196 ff.: Täter gaben an, auf Befehl vergewaltigt zu haben. Vranic´, Breaking the Wall of Silence, S. 250 ff., 165 f., 304; Mazowiecki, Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, UN-DOC, E/CN.4/1993/50, Annex II, Para. 48, 62; Commission of Experts, Final Report UNDOC. S/1994/674, 27.05.1994, Para. 142–143, 248–250: Das überall gleiche Verhaltensmuster bei den Vergewaltigungen weist auf eine systematische Vergewaltigungstaktik der Serben hin und wurde als Mittel zur Durchsetzung der Politik „Ethnische Säuberung“ eingesetzt; EC Investigative Commission’s Report: Rape and Abuse of Women in Bosnia-Herzegovina; Amnesty International, Bosnia-Herzegovina, Rape and Sexual Abuse by Armed Forces, EUR 63/01/93, S. 4; Human Rights Watch Helsinki, War Crimes in Bosnia-Herzegovina 2, 1993; Human Rights Watch Kosovo: Rape as a Weapon of „Ethnic Cleansing“, S. 11 ff.; Bassiouni/McCormick, Sexual Violence, S. 15–19, 21–23: Die Auswertung der vielen Vergewaltigungsfälle in Ex-Jugoslawien deutet stark auf die Anwendung einer systematischen Kriegsstrategie hin. Sie geschahen über einen längeren Zeitraum und über eine Entfernung von 1000 km nach einem gleichen Vorgehensmuster. Sie endeten kurz nachdem die Medien ihren Höhepunkt der Berichterstattung über Vergewaltigungen in Bosnien erreicht hatten. Salzman, HRQ 20, 1998, S. 355 f.: Nach einem Zeitungsartikel der Ljubljana Zeitung DELO habe der RAM Plan Massentötungen und Massenvergewaltigungen als psychologische Kriegswaffe vorgesehen. Das Psychologische Operationsbüro der Jugoslawischen Armee habe

2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg

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Vergewaltigungen in Jugoslawien geschahen nachweislich kontrolliert und auf Befehl mit dem Ziel, die betroffene Bevölkerungsgruppe aus ihrem Wohngebiet zu vertreiben und dafür zu sorgen, dass sie nie wieder zurückkehrt. Durch die Vergewaltigungen muslimischer Frauen wurde das zentrale Element des muslimischen Lebens, nämlich die Trennung der Geschlechterrollen und die Heiligkeit der weiblichen Sexualität, angegriffen.24 In der muslimischen Kultur wird der Angriff auf die Frau als ein Angriff gegen die ganze Familie angesehen. Eine Frau, die – selbst aufgrund der Vergewaltigung – nicht mehr Jungfrau ist, kann nicht mehr heiraten; eine verheiratete Frau, die vergewaltigt wurde, wird von ihrem Ehemann nicht mehr akzeptiert.25 So wurde effektiv verhindert, dass von den vergewaltigten Frauen noch Kinder in die muslimische Volksgruppe geboren wurden. Im Jugoslawien-Konflikt wurden viele Frauen in der Absicht vergewaltigt, sie zu schwängern und auf diese Weise „Tschetnik“-Babys zu produzieren. Die Frauen wurden dann oft während der Zeit der Schwangerschaft in Gefangenschaft gehalten, um eine Abtreibung zu verhindern.26 das muslimische Verhalten analysiert und Vergewaltigungen sowie Tötungen der Muslime innerhalb ihrer religiösen Einrichtungen als das einfachere Mittel befunden, sie zu zerbrechen. Allen, Rape Warfare, S. 41–50, 56–78 u. a. mit Hinwies auf den RAM-Plan als erstes offizielles serbisches Dokument, das die ethnische Säuberung als militärische Strategie erwähne. Weiterhin zitiert Allen Auszüge des geheimen Memorandum der serbischen Akademie der Künste und der Wissenschaft von 1986, in dem sie bereits Anzeichen einer militärischen Aggression und des Völkermords an den Nichtserben zu erkennen meint. Siehe auch: Chinkin, EJIL 5, 1994, S. 328–329; Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 866–868; Aydelott, EILR 7, 1993, S. 602 ff.; Zülch, in: CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 29 ff.; Pilch, JLS US-AFA 9, 1998/1999, S. 102; Sungi, EJLR 9, 2007, S. 117 f.; von Welser, Am Ende wünschst du dir nur noch den Tod, S. 149 f.: 40 Frauen im Dorf Brezovo Polje bei Brcko gaben an, dass die sie vergewaltigenden, einheimischen Männer äußerten, auf Befehl zu handeln; sie nahmen weiße stimulierende Pillen ein und versuchten dann die Mädchen vor Vergewaltigungen besonders grausamer, irregulärer Streitkräfte zu schützen, indem sie äußerten: ,Keine Sorge, die Mädchen sind schon vergewaltigt worden‘. Siehe dazu auch Gutman, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 35–37; Gutman, Mass Rape – Muslim Recall Serb Attack, Newsday, 23.08.1992, Gutman, in: Stiglmayer: Mass Rape, S. x; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 44 ff. 23 Kulenovic ´ , in: Vranic´, Breaking the Wall of Silence, S. 197–199; Siber, in: Vranic´, Breaking the Wall of Silence, S. 210 ff.; Bassiouni/McCormick, Sexual Violence, S. 5 f. 24 Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 866–868; Hunt, in: CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 68; Salzman, HRQ 20, 1998, S. 366 ff.; Kohn, GGULR 24, 1994, S. 204; Askin, War Crimes Against Women, S. 267 ff.; Engle, AJIL 99, 2005, S. 790. 25 McDougall, UN-DOC, Updated Report E/CN.4/Sub.2/2000/ 21, Para. 15 „Kosovo“; Aydelott, EILR 7, 1993, S. 602 ff.; Healey, BJIL 21, 1995, S. 339–340; als weitere Beispiele für die Viktimisierung vergewaltigter Frauen auf der zweiten Ebene, nämlich die Verachtung durch die Familie und Gesellschaft, sind die „Comfort Women“ in Asien, Frauen in Bangladesch und Ruanda zu nennen. 26 Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 866–868; Commission of Experts, Final Report, UN-DOC, S/1994/674 of 27 May 1994, Para. 250; Askin, War Crimes Against Women, S. 273 ff.; Engle, AJIL 99, 2005, S. 792 f.

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2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg

Kurz darauf rückten die Vergewaltigungen im Konflikt zwischen zwei Bevölkerungsgruppen in Ruanda in das Blickfeld der Medien. Es wird geschätzt, dass im Jahre 1994 dort 250.000 bis 500.000 Menschen auf bestialische Weise vergewaltigt wurden.27 Als die Völkermordkampagne der Hutu-Führung in Ruanda im April 1994 begann, wurden Tutsi-Frauen massenhaft vergewaltigt.28 In der HutuPropaganda wurden die Frauen der Tutsi als schöner und begehrenswerter als Hutu-Frauen dargestellt. Tutsi-Frauen seien arrogant und würden Hutu-Männer als hässlich und minderwertig ansehen. Außerdem seien sie Spione der Tutsi-Armee (RPF), weil sie sich Weißen und Hutu-Männern gegenüber gut zu präsentieren wüssten. Da die Hutu-Miliz „Interahamwe“ hauptsächlich aus Männern aus den ärmeren und ungebildeten Bevölkerungsschichten bestand, war es leicht, sie gegen die sozial überlegene Gruppe der Tutsi aufzuhetzen.29 So wurden die Vergewaltigungen in den Köpfen der Hutu-Miliz programmiert und systematisch als Instrument des Völkermords genutzt. Frauen haben in dem streng katholischen Ruanda nur Wert in der Rolle der Mutter. Vergewaltigte Frauen werden in der ruandischen Gesellschaft als Schande angesehen, verstümmelte Frauen sind nicht mehr gebärfähig, mehrfach vergewaltigte Frauen können keinen Geschlechtsverkehr mehr ertragen, entjungferte Frauen sind nicht heiratsfähig, Kinder des Vergewaltigers gehören nach dortiger Ansicht seiner ethnischen Gruppe an und werden von der Tutsi-Bevölkerung verstoßen, Witwen werden aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.30 Diejenigen, die die Massenvergewaltigungen planten, nutzten diese patriarchalischen Auffassungen der Bevölkerung aus31 und zielten bewusst auf das Aussterben der Gruppe der Tutsi ab. Diese neue und nachweislich wirkungsvolle Kriegstaktik der ethnischen Säuberung oder des Völkermords durch die Vergewaltigungen von Mitgliedern der 27 Richter-Lyonette, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 102–103; Degni-Ségui, Special Rapporteur on Ruanda, UN-DOC, E/CN.4/1996/68; Sharlach, in: Totten/Bartop, The Genocide Reader, S. 186 ff. 28 Schätzungen geben 250.000 bis 500.000 Vergewaltigungen an. Vgl. dazu: RichterLyonette, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 102–103; Degni-Ségui, Special Rapporteur on Ruanda UN-DOC, E/CN.4/1996/68: „Rape was systematic and was used as a ,weapon‘ by the perpetrators of the massacres. This can be estimated from the number and nature of the victims as well as from the forms of rape. According to consistent and reliable testimony, many women were raped; rape was the rule and its absence the exception.“ 29 Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 16–19: Äußerungen der Vergewaltiger lauteten: „We want to see if a Tutsi woman is like a Hutu woman“; „You Tutsi women think that you are too good for us“; or „If there is peace, you would never accept me.“ Siehe auch: Miller, Penn.St.L.R. 108, 2003, S. 356. 30 Siehe dazu: Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 34–36, 72–87; Inyumba, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 49; Muhayeyezu, in: RichterLyonette, In the Aftermath of Rape, S. 52. 31 Vergleiche dazu: Askin, ICLR 1, 2001, S. 19–20: Das Beispiel der ,Comfort Women‘ zeigt das gnadenlose Verhalten der Gesellschaft gegenüber den Opfern und das Leben in Schande mehr als 50 Jahre nach den begangenen Verbrechen.

2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg

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gegnerischen Bevölkerungsgruppe machte deutlich, dass die strafrechtliche Verfolgung dieses Verbrechens ebenso wichtig ist, wie die Bestrafung von Tötungen, Folter und anderen körperlichen Misshandlungen. Die internationale Gemeinschaft reagierte auf die Tötungen und insbesondere auf die Massenvergewaltigungen in beiden Konflikten mit der Errichtung der internationalen Straftribunale für das frühere Jugoslawien (JStGH) in Den Haag und für Ruanda (RStGH) in Arusha. Beide Gerichte widmeten den sexuellen Verbrechen besondere Aufmerksamkeit. Es ist dem JStGH und dem RStGH zu verdanken, dass erstmals eine beachtliche Rechtsprechung zur Vergewaltigung und anderen sexuellen Verbrechen entstanden ist und dass das Schweigen zur sexuellen Gewalt im Krieg gebrochen wurde.32 Im Jahre 2002 ist das Statut für einen ständigen Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Kraft getreten. Danach können Sexualverbrechen in aller Welt als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder auch als Handlungen des Völkermords strafrechtlich verfolgt werden. Vergewaltigung ist nicht mehr ein hinzunehmendes Nebenprodukt des Krieges, sondern ein Kriegsverbrechen. Den meisten Menschen ist allerdings nicht bekannt, wie sich eine Vergewaltigung in der Situation eines militärischen Konflikts abspielt und welche physischen und psychischen Auswirkungen sie für das konkrete Opfer, seine Familie und seine Bevölkerungsgruppe hat.33 Vergewaltigungen im bewaffneten Konflikt sind nicht mit Vergewaltigungen in Friedenszeiten zu vergleichen. Nach McKinnon verhält sich Vergewaltigung im Frieden zur Vergewaltigung im Krieg sowie Antisemitismus zum Holocaust. Das eine ist das unvermeidbare Ergebnis des anderen, doch unterscheidet sich das Ausmaß des Horrors ganz wesentlich.34 Das Verständnis der Besonderheit von Vergewaltigungen im Krieg ist auch wichtig, um eine angemessene rechtliche Antwort zu finden. Soll das strafwürdige Verhalten in einem Tatbestand zutreffend erfasst werden, so ist es notwendig, sich zunächst über das Unrecht, d. h. über Ausmaß und Form der Rechtsgutsverletzung ein klares Bild zu verschaffen. Dazu bedarf es der genauen Kenntnis über die Handlungsweise des Täters, aber auch über die Auswirkungen der Tat für das Opfer und dessen soziales Umfeld. 32 Vgl. Askin, AJIL 93, 1999, S. 97 ff., Askin, LJIL 12, 1999, S. 935–955; die einen Überblick über die anfänglichen Entscheidungen mit den geschlechtsspezifischen Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung vor den beiden Ad-hoc-Tribunalen liefert. 33 Die fehlende Sachkenntnis bezieht sich nicht nur auf die Vergewaltigung in Konfliktsituationen, sondern wird aus dem nationalen Verständnis einer Vergewaltigung in Friedenszeiten auf die internationale Ebene übertragen. Insofern treffen die hier aufgezeigten Informationen zu einer Vergewaltigung im Krieg auch auf Vergewaltigungen im Frieden zu. Siehe stellvertretend für viele andere die Zusammenfassung zu den verfälschten Vorstellungen in der Gesellschaft über eine Vergewaltigung: Morris, in: Clarkson/Keating, Criminal Law, S. 629 ff. 34 MacKinnon, in Stiglmayer: Mass Rape, S. 186–187; Niarchos, HRQ 17, 1995, S. 651.

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2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg

In diesem Abschnitt soll daher ein Überblick über die Besonderheiten der Vergewaltigung im Krieg gegeben werden. Es werden Beispiele aus dem Zweiten Weltkrieg in Europa und Asien sowie aus den Konflikten in Jugoslawien und Ruanda in den 1990iger Jahren herausgegriffen. Dabei sollen nicht statistische Zahlen und abstrakte Fakten präsentiert werden. Da bei jeder Vergewaltigung ein individuelles Opfer leidet, soll die individuelle Erfahrung nicht in der abstrakten Zusammenfassung von Vergewaltigungsszenarien untergehen, sondern die Fakten des Verbrechens sollen durch eine subjektive Erzählung des Opfers über sein individuelles Erlebnis vermittelt werden.35 Nur wenn die Fakten bis ins schrecklichste und unangenehmste Detail aus der Sicht des Opfers dargestellt werden, kann das volle Ausmaß des weiblichen Leidens zu einer männlich dominierten Rechtskultur begreiflich gemacht werden.36 Mit anderen Worten, der Leser soll durch die Einzelschicksale geschockt werden, um das Leiden des Opfers nachempfinden und jegliche Schuldvorwürfe an das Opfer sowie andere Klischees über den Grund und die Durchführung der Tat, welche in unseren Gesellschaften noch stets existieren, aus seinem Bewusstsein streichen zu können. Nur die subjektive Schilderung kann eine objektive Bewertung der Tat garantieren.

35 Birckenbach, in: Stiglmayer, Massenvergewaltigung, S. 230: Die Genauigkeit der Tatsachenbeschreibung ist eine Bedingung für die Empathie mit den Opfern. Es muss das primäre Ziel sein, die Würde der Opfer zu wahren, indem die Aufmerksamkeit auf das Leiden der Opfer gelenkt wird und nicht auf die Verbrecher. 36 Niarchos, HRQ 17, 1995, S. 654; West, The Difference in Women’s Hedonic Lives, S. 85; Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 852–853, wo Beispiele für die ungleiche Stellung der Frau in allen Gesellschaften aufgezeigt werden; MacKinnon, in: Stiglmayer, Mass Rape, S. 184: „In the record of human rights violations they [atrocities against women] are overlooked entirely, because the victims are women and what is done to them smells of sex.“; MacKinnon, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 17: Männer besitzen die Macht in der Gesellschaft und beschützen sich gegenseitig. Kein Staat garantiert Frauen effektiv ihre Menschenrechte. Die meisten Menschenrechte können nur von Staaten gegen andere Staaten und nicht von Individuen geltend gemacht werden. Die Macht gegen Verletzungen der Menschenrechte durch einen öffentlichen Akt vorzugehen, ist damit denen überlassen, die sie begehen. International betrachtet bedeutet dies, dass kein von Männern dominierter Staat den anderen Staat bzgl. Gewalt gegen Frauen an den Pranger stellen wird. Brunet/Rousseau, Reconnaître les violations, S. 3–4: „Car la marginalisation des droits des femmes ne peut que refléter la position d’infériorité que les femmes occupent et ce dans tous les pays, toutes les sociétés et dans toutes les communautés.“; McDougall, UN-DOC, Final Report E/ CN.4/Sub.2/1998/13, Para. 13, Kohn, GGULR 24, 1994, S. 201, 212 ff. m.w. N.; Derechin, GILJ 11, 1996, S. 821 ff.: „Male domination is an inherent part of our national consciousness. This plays out in many ways . . . One can characterize the history of America as male-defined, with the right of rape constituting a large part of definition for freedom.“; Carlton, JILP 6, 1997, S. 106; zur weiteren Vertiefung der Benachteiligung von Frauen und ihren Menschenrechten: Askin/Koenig, Women I–III, New York 1998.

I. Die Natur der Angriffe auf Frauen

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I. Die Natur der Angriffe auf Frauen Auch wenn Männer im Krieg sexuell missbraucht werden37, so sind doch die Opfer in weit überragender Zahl Frauen. Vergewaltigungen richten sich gegen jede Frau oder jedes Mädchen, egal welchen Alters, ob Jungfrau, schwanger oder krank. Die Täter sind Männer aller Nationalitäten, Altersgruppen und Gesellschaftsschichten. Die Ausführung der Tat kennt keine Grenzen. Die folgenden Schilderungen der Opfer stellen eine faktische Zusammenfassung dessen dar, wie Frauen im bewaffneten Konflikt sexuell missbraucht werden. Diese sind zwar einzelne Beispiele aus verschiedenen Konflikten dieser Erde, sollen aber nicht den Eindruck erwecken, dass es sich um vereinzelte Schreckensgeschichten, Ausschreitungen einzelner Soldaten handelt. Sie wurden aus einer Fülle solcher Taten ausgewählt, repräsentieren daher den Alltag für Frauen im Krieg und sind hier nach einem beobachteten Vorgehensmuster der Täter gegliedert. Die Zeiten, die Kriegssituationen, die politischen Interessen und die kulturellen Hintergründe mögen noch so verschieden sein, die Vergewaltigungen geschehen massenhaft, systematisch und äußerst grausam. – Die meisten Vergewaltigungen im bewaffneten Konflikt geschehen als Gruppen-Vergewaltigungen durch mehrere Männer und als mehrfache Übergriffe auf dieselbe Frau („gang rape“). In einem Haus in Bosnien-Herzegowina, in das Bosnierinnen von Serben verschleppt wurden: „Einige Tschetniks legten mich sofort auf ein Bett und zogen mich aus. Ich blieb nackt liegen. Ich weinte und flehte sie an, sie waren dann noch schlimmer zu mir. Ich musste klein beigeben, und 15, 20 Männer stellten sich der Reihe nach auf, um mich zu vergewaltigen. Das dauerte (von der Abendessenszeit) bis Mitternacht . . . Der Letzte, der sich noch an mir austobte, kam mit einem Messer auf mich zu. Er fragte mich: ,Welcher Busen ist Dir lieber?‘ Daraufhin sagte der Montenegriner ,Tolja‘: 37 Es liegen z. B. im Balkankonflikt Beweise vor, dass Männer gezwungen wurden, andere Männer zu verstümmeln, indem sie die Hoden abbeißen und herunterschlucken mussten, sie wurden anal vergewaltigt oder gezwungen, mit anderen Männern oder nahen Angehörigen Geschlechtsverkehr bzw. Oralverkehr in der Öffentlichkeit zu vollziehen (Vater mit Tochter, Vater mit Sohn, Mann mit Ehefrau, Sohn mit Mutter). Siehe dazu: Commission of Experts, Final Report, UN-DOC. S/1994/674 of 27.05.1994, Para. 247, 250 d; Amnesty International, Bosnia-Herzegovina, Rape and Sexual Abuse by Armed Forces, EUR 63/01/93, S. 5; Human Rights Watch Helsinki, War Crimes in Bosnia-Herzegovina: Bosanski Samac, 6, 1994, 5, S. 12; Stiglmayer, in: Stiglmayer, Massenvergewaltigung, S. 119; Vranic´, Breaking the Wall of Silence, S. 63 ff., 292: Siehe dort die Aussage eines jungen Mannes, der oral und anal vergewaltigt und dem dann ein Pfahl in den Anus gerammt wurde. International Human Rights Law Group, No Justice, No Peace, S. 4; Gutman, A Witness to Genocide, S. 27; Gutman, in: Stiglmayer, Mass Rape, S. x, Askin, War Crimes Against Women, S. 266, 271, Fn. 893; McDonald, CJTL 39, 2000, S. 14; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 47; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 33 ff., 427; Prosecutor v. Music´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 1066.

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2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg ,Lass sie in Ruhe. Es ist ein sehr gutes Mädchen.‘ . . . Bei ihnen war auch ein verwundeter Tschetnik, . . . ,Gaga‘ befahl mir, da er eine Bauchwunde hatte, ihn oral zu befriedigen. Jure Radovic von Brod, ein Schulkamerad meiner nächsten Verwandten war auch dabei. Ich kannte ihn gut. Er sagte zu mir: ,Ich würde dich retten, wie ich meine Schwester retten würde.‘ Er log. Er war schlimmer als zehn andere Tschetniks. Er hockte ununterbrochen auf mir drauf . . . er . . . brachte noch drei andere Tschetniks mit. Ein Tschetnik war auf der einen Seite von mir, der zweite auf der anderen, der dritte misshandelte mich oral, und er Jure, dazu. Es war schrecklich! Das kann ich nie vergessen! Diese Wunde trage ich bis an mein Lebensende in mir.“38

Während des Völkermords in Ruanda wurde die damals 20-jährige Perpetue mehrmals von mehreren Milizmännern vergewaltigt und ihre Vagina schließlich verstümmelt. „For two days, myself and eight other young women were held and raped by Interahamwe, one after another. Perhaps as many as twenty of them. I knew three of them . . . All the young women killed at that river were raped before being thrown in. . . . On the third day, one Interahamwe saw that I was not able to walk anymore. He told me that I had already died and could go. I tried to leave but I could barely walk. There was blood everywhere . . .“

Sie konnte sich in eine Kirche flüchten, sah auf dem Weg verbrannte Körper liegen. Ungefähr einen Monat später fand sie die Interahamwe in der Kirche. Die Soldaten äußerten, dass die Flüchtlinge nun an der Reihe seien verbrannt zu werden. Ein Interahamwe nahm sie aus der Gruppe von Flüchtlingen heraus, vergewaltigte sie vor der Kirche und brachte sie dann zur vorgesehenen Verbrennung zurück. „The next day, two Interahamwe were complaining they were feeling tired from all the killing. Then one of them sharpened the end of the stick of a hoe. They held open my legs and pushed the stick into me. I was screaming. They did it three times until I was bleeding everywhere. Then they told me to leave. I tried to stand up, but I kept falling down. Finally I crawled outside. I was naked crawling on the ground covered in blood.“

Sie flüchtete sich in den Busch, verließ schließlich die Heimatgegend, um nicht als Tutsi erkannt zu werden, wurde aber dennoch erkannt und von der Interahamwe zu einem Massengrab gebracht. Dort musste sie ihre Kleidung abgeben und wurde von der Aufseherin direkt mit einem Messer in die Kniekehle geschnitten. Ein Interahamwe nahm sie und vier andere Frauen beiseite und versprach sie zu beschützen. „He took me to the lake. There, he raped me. I cried out because I was still wounded from before and he was opening all the wounds again. He beat me for crying and gagged my mouth. He told me that I was forbidden to cry because Tutsi had no rights at that moment. . . . I was left alone and naked. I decided to try to escape. I

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CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 151–162, 155–156.

I. Die Natur der Angriffe auf Frauen

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could not walk properly and so I was on all fours. When people passed me, I sat down and stopped walking so they would not know that I had been raped because I was ashamed. I crawled like that for two days in the bush. When I urinated, it came blood. Black, coagulated blood kept coming out of my vagina.“39

– Vergewaltigungen gehen meist einher mit weiteren Erniedrigungen (z. B. Penetration mit Objekten), Grausamkeiten, Verstümmelungen und enden oft mit dem Tod des Opfers. Besonders in Polen und der Sowjetunion vergewaltigten die deutschen Soldaten in den von ihnen besetzten Gebieten Frauen und kleine Mädchen vor den Augen ihrer Angehörigen, folterten, verstümmelten und ermordeten sie danach. Hier nur ein kurzer Auszug aus eidesstattlichen Versicherungen, die der sowjetische Staatsanwalt dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg vorlegte: „Near the town of Borissov in Byelorussia, 75 women and girls fell into their hands. The Germans first raped and then savagely murdered 36 of their number. By order of a German officer named Hummer, the soldiers marched L. I. Melchukova, a 16-yearold girl, into the forest, where they raped her. Later other women taken into the forest saw some boards bear the trees and the dying Melchukova nailed to the boards. The Germans had cut off her breasts in the presences of these other women, among whom were V. I. Alferenko and V. M. Bereznikova.“40

Ebenso wurde im Tokioter Prozess fortlaufend über grausame sexuelle Angriffe auf Frauen mit tödlichem Ausgang durch japanische Soldaten berichtet.41 Den Serben/Tschetniks diente im Besonderen die muslimische Kultur als Anreiz zu weiteren Demütigungen.42 Eine Lagerinsassin der Fabrik Keraterm in Bosnien-Herzegowina schildert: „Er schlug mich zu Boden, verprügelte mich und riss mir die Kleidung herunter, bis ich nackt dalag. . . . Er versetzte mir einen kräftigen Schlag gegen den Kopf. Ich war halb bewusstlos, hilflos in der Dunkelheit. Er zog seine Kleidung aus, ging wie ein Wilder auf mich los und vergewaltigte mich äußerst brutal. Ich hatte damals meine 39

Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 43–45. Glueck, War Criminals, their Prosecution and Punishment, S. 57–58; IMT-DOCS, Vol. VII, S. 456–457; Brownmiller, Against our Will, S. 55: bekannt als „The Molotov Note“; Askin, War Crimes Against Women, S. 54–57, 52 mit Angaben zu den Fundstellen im Nürnberger Prozess, die Vergewaltigungen dokumentieren; Niarchos, HRQ 17, 1995, S. 664–665; siehe auch die weiteren Beispiele sexueller Verbrechen von Deutschen an osteuropäischen Frauen im 2. Weltkrieg in: Ehrenburg/Grossman, The Black Book, u. a. S. 170. 41 Brownmiller, Against our Will, S. 58 ff.; IMTFE-DOC, Vol. II, S. 4464–4476; Askin, War Crimes Against Women, S. 62–71 sowie mit dem Hinweis auf alle Dokumente des Prozesses, die sexuelle Verbrechen beinhalten. 42 CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 133–138, 135: Siehe dazu auch das Beispiel einer Bosniakin, die von einem „Tschetnik“ unter Prügeln und der Drohung, sie zu zerstückeln, gezwungen wurde, nackt zu beten. Danach wurde sie grob vergewaltigt und er schnitt ihr mit seinem Messer ein Kreuz in den ganzen Rücken als Symbol ihrer Taufe zur Serbin. 40

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2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg Tage und blutete stark. Unter mir spürte ich eine Blutpfütze und ich fühlte auch, wie mein Kopf blutete. Einen Augenblick glaubte ich das Bewusstsein zu verlieren, doch das Untier war dabei noch weiter seine krankhaften Gelüste zu befriedigen. Er fluchte und fragte mich, ob ich es auch so genießen würde. Die Schmerzen waren unerträglich und ich musste brechen, er versetzte mir aber einen kräftigen Schlag auf den Kopf, von dem ich ohnmächtig wurde. . . . (Zwei Tage später) . . . begann Zoran Sikirica meinen Rock herunterzuziehen. Ich erschrak heftig und vor Angst bekam ich Blutungen. . . . er war bereit für eine neue Orgie . . . Doch wurde er von dem Blut, das er spürte, abgehalten, er sprang zurück und stand schreiend von mir auf, brüllte: ,Pfui, du Scheiß-Bali, du ekelst mich an.‘ . . . Er guckte mich kurz an und begann, mir die Flasche in die Vagina zu schieben, dabei wie verrückt schreiend. Die Flasche schob er mit all seiner Kraft hinein, mir unerträgliche Schmerzen zufügend. Ich schrie und wurde wieder ohnmächtig . . . Ich kam wieder zu Bewusstsein als es schon heller Tag war . . . Ich war ganz nass vor Blut . . . neben mir lag die blutige Flasche. Der Raum war offen und Tschetniks kamen in Gruppen, um die nackte Bosniakin zu sehen, doch wichen sie zurück mit Worten wie: ,Pfui, du Sau, du ekelst uns an‘. Sie traten mich und spuckten auf mich herunter, während ich reglos auf dem Fußboden lag.“43

Besonders in Ruanda wurden Frauen neben der Vergewaltigung auch noch an den Geschlechtsorganen verstümmelt. Ihre Vagina wurde mit kochendem Wasser oder sogar mit Säure überschüttet, fremde Gegenstände wie Stöcke, Waffen, Flaschen, Essen wurde ihnen in die Vagina eingeführt, Schwangeren wurden die Bäuche aufgeschnitten, um das ungeborene Kind herauszuschneiden, Brüste wurden abgeschnitten, die Beckengegend sowie die Vagina wurde zer- bzw. herausgeschnitten. Denise, 25, wurde in ihrem Haus von der Miliz geschlagen, dann vergewaltigte sie ein Mann: „He said: ,. . . You Tutsi, we are going to exterminate you. You won’t own anything.‘ When he finished, he took me inside and put me on a bed. He held one leg of mine open and another one held the other leg. He called everyone who was outside and said: ,You come and see how Tutsi are on the inside. . . . You Tutsikazi, you think you are the only beautiful women in the world.‘ Then he cut out the inside of my vagina. He took the flesh outside, took a small stick and put what he had cut on the top. He stuck the stick in the ground outside the door and was shouting, ,Everyone who comes past here will see how Tutsikazi look.‘“

Er kam dann zurück und schlug wieder auf sie ein. Bis heute leidet sie unter großen Schmerzen, wenn sie ihre Periode hat und kann sich nicht leisten, zum Arzt zu gehen.44 – Sexuelle Quälereien sind eine stete sadistische Freude, Ansporn und Belohnung für die Soldaten.

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CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 91–98, 93. Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 63–64.

I. Die Natur der Angriffe auf Frauen

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Deutsche Soldaten lebten ihre Perversion an jüdischen Mädchen aus und wetteiferten miteinander, wer die genialste Folteridee entwickelte: „The German soldiers herded several dozens of Jewish girls to their orgy; forced them to strip naked, dance, and sing songs. Many of these unfortunate girls were raped right there and then taken out in the yard to be shot. Captain Bach surpassed everyone with his invention. He broke off the seat cushions of two chairs and replaced them with sheets of tin. Two girls, students . . . were tied to the chairs and seated opposite each other. Two lighted Primus stoves were brought and placed under the seats. The officers really liked this sport. They joined hands and danced in a ring around the two martyrs. The girls writhed in the torment, but their hands and feet were tightly bound to the chairs; and when they tried to shout, their mouths were gagged with dirty rags. The room filled with the nauseating smell of burning human flesh. The German officers just laughed, merrily doing their circle dance.“ 45

Die japanischen Soldaten dachten sich ebenfalls immer neue Methoden aus, um Frauen zu quälen. Sie ließen sie nackt, während ihrer Menstruation, über einen Holzkohleofen sitzen.46 – Vergewaltigungen finden oft vor den Augen der Familie, Nachbarn oder Dorfbewohner statt oder Familienmitglieder sowie Lagerinsassen werden gezwungen, miteinander sexuelle Handlungen zu vollziehen. Eine Chinesin sagte vor dem Tokio Tribunal aus: „. . . As we were proceeding to the refugee camp . . . we were met by twelve Japanese soldiers, including some officers . . . (one officer) grasped my sister-in-law and raped and then killed her in the presence of her husband and children (aged 5 and 2), who were killed at the same time.“ 47

In Bosanski Samac wurde ein Ehepaar im eigenen Haus von zwei Tschetniks überfallen und zum Geschlechtsverkehr miteinander gezwungen: „Wir mussten uns nackt ausziehen, während sie lachten. Mein Mann legte sich auf mich, und ich schrie und heulte. Da begann auch mein Mann zu weinen. Gedemütigt und hilflos weinten wir, die Tschetniks lachten laut. Diese schreckliche Quälerei dauerte 10–15 Minuten, dann richteten sie meinen Mann auf und erlaubten ihm nicht, sich anzuziehen. Sveto (Crnogorac) sagte zu ihm: ,Jetzt wirst Du sehen, wie ein Orthodoxer, ein Montenegriner, eine Muslimin bumst.‘ Ich sprang vom Fußboden auf, doch versetzte er mir einen heftigen Faustschlag gegen den Kiefer und schlug mich zu Boden. Der Serbe legte ein Messer an die Kehle meines Mannes und ich musste mich entspannen. Sveto Crnogorac vergewaltigte mich auf jede nur mögliche Art, dann wechselten sie sich ab. Er hielt das Messer an den Hals meines Mannes, und 45 Ehrenburg/Grossman, The Black Book, S. 302; franz. Version: Le Livre Noir, S. 730–731; Askin, War Crimes Against Women, S. 54; siehe auch das weitere Beispiel der 18-jährigen Etta Kuznetsova in: Ehrenburg/Grossman, The Black Book, S. 254– 255; franz. Version: Le Livre Noir, S. 446; Brownmiller, Against our Will, S. 51; Askin, War Crimes Against Women, S. 56. 46 IMTFE-DOC, Vol. II, S. 4642; Askin, War Crimes Against Women, S. 67. 47 IMTFE-DOC, Vol. II, S. 4506 f.; Brownmiller, Against our Will, S. 59.

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2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg der Serbe vergewaltigte mich. Die Orgie des Serben und des Montenegriners dauerte fast bis Mitternacht, als sie frohlockend und Tschetnik-Lieder singend weggingen und uns zwei beschämt und beschmutzt zurückließen. Mein Mann weinte und tröstete mich.“ 48

– Frauen werden in Konzentrationslagern, Ghettos, Flüchtlingslagern fortlaufend vergewaltigt. In den Judenghettos führten die Deutschen stets Kontrollen durch und vergewaltigten dabei die jungen Frauen.49 In Konzentrationslagern wurden Bordelle für die SS und die männlichen Gefangenen des Wachpersonals, die sog. „Kapos“, eingerichtet.50 In Bosnien Herzegowina wurden nicht nur Konzentrationslager eingerichtet, sondern reine Vergewaltigungslager.51 Eine Aussage betrifft die Zustände im Lager Omarska: „Jede Nacht wurden Frauen weggeführt und vergewaltigt, sie befriedigten ihre krankhaften Triebe an ihnen, egal wie alt die Frauen waren, an Minderjährigen, aber auch an Alten. Manchmal dauerte es bis zum Tagesanbruch und am Morgen begann dann wieder die anstrengende tägliche Schwerstarbeit . . . Viele Mädchen verschwanden einfach, sie haben sie umgebracht.“ 52 „Jeder Serbe, Tschetnik, hatte das Recht, uns zu verprügeln, zu schlagen, zu vergewaltigen, wann immer er wollte, bei Tag und Nacht . . . Mlado Radic hat mich und viele andere Frauen herausgeführt und öffentlich am helllichten Tage im Lager vor aller Augen vergewaltigt.“ 53

– Frauen werden in Zwangsbordelle verschleppt und über längere Zeiträume Tag und Nacht vergewaltigt sowie untereinander verkauft (sexuelle Versklavung). Deutsche Militärbefehlshaber eröffneten während des zweiten Weltkriegs in den besetzten Gebieten Bordelle, in das sie Hunderte junge Mädchen und Frauen einsperrten und vergewaltigten.54 48

CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 197–201, 200. Ehrenburg/Grossman, The Black Book, S. 255; franz. Version: Le Livre Noir, S. 445–446; Brownmiller, Against our Will, S. 52; Askin, War Crimes Against Women, S. 57. 50 Sprecher, Inside the Nuremberg Trial I, S. 576–577: Aussage der ehemaligen Gefangenen von Auschwitz Vaillant-Couturier; IMT-DOCS, Vol. VI, S. 213–214. 51 Amnesty International, Bosnia-Herzegovina, Rape and Sexual Abuse by Armed Forces, EUR 63/01/93, S. 4–5, 10 ff.; Allen, Rape Warfare, S. 47, 62 ff.; Commission of Experts, Final Report, UN-DOC. S/1994/674 of 27.05.1994, Para. 252. 52 CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 91–98, 96. 53 CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 91–98, 96; siehe auch die Aussage, die die Zustände in Focˇa, einem der grausamsten Vergewaltigungslager der Serben, wiedergibt: CID, Ich flehte um meinen Tod, S.105–111. 54 Glueck, War Criminals, Their Prosecution and Punishment, S. 57–58; Brownmiller, Against our Will, S. 55, 63 f.; Askin, War Crimes Against Women, S. 54–55; IMTDOCS, Vol. VII, S. 456–457. 49

I. Die Natur der Angriffe auf Frauen

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Erst kürzlich gab die japanische Regierung unter der Last der Beweise zu, aber ohne Anerkennung von Schuld und Schadensersatzansprüchen, dass 80.000 bis 200.000 Koreanerinnen, Chinesinnen, Philippininnen, Indonesierinnen, Niederländerinnen und Japanerinnen während des zweiten Weltkriegs in sexuelle Versklavung gezwungen worden waren, um dem japanischen Militär sexuelle Dienste zu leisten.55 Sie mussten, eingesperrt in ehemalige Hotels, Bungalows etc., fern von ihrem Heimatland, im Durchschnitt 10–40 „Freier“ sexuell befriedigen. Das Alter der sog. „Comfort Women“ variierte von 13 bis Mitte 20. Weniger als 30 % dieser Frauen haben den Krieg überlebt.56 In Bosnien-Herzegowina handelten Tschetniks mit bosnischen Frauen. Sie sperrten sie in Häuser ein und verlangten Geld für Geschlechtsverkehr mit ihnen, verkauften sie untereinander oder an ihre Familien im Ausland. So geriet eine Bosniakin mit 15 Jahren in die Gefangenschaft der Tschetniks, wurde als Jungfrau vergewaltigt und verkauft, bekam zwei Kinder von ihrem Erwerber und konnte erst 6 Jahre später mit beiden Kindern fliehen.57 In Ruanda hielten sich Hutu-Männer mehrere Tutsi-Frauen eingezäunt auf einem Gelände in kollektiver sexueller Sklaverei, um sie jederzeit und über einen längeren Zeitraum vergewaltigen zu können.58 – Frauen werden ohne direkte Gewaltanwendung in einer hilflosen Lage, z. B. als Gefangene und/oder als Opfer einer Entführung der nächsten Verwandten vergewaltigt. Beweise liegen vor, dass selbst die, die eigentlich als Beschützer in das Land Bosnien-Herzegowina geschickt wurden, ihre Machtposition missbrauchten und gefangene Frauen, deren Familienangehörige in der Hand der Serben waren, vergewaltigten. So beschreibt eine bosnische Zeugin wie sie vom General der VN-Friedenstruppe UNPROFOR MacKenzie in einer Berghütte vergewaltigt wurde: „Gegen 22.30 Uhr . . . kam ein ausländischer Offizier mit zwei Begleitern ins Zimmer. Ich erkannte den kanadischen General, Luis MacKenzie, der mit ausgestrecktem Arm auf mich zuging und mich mit ,Miss‘ anredete. In der anderen hielt er eine rote Rosenknospe, die er mir, erschrocken und unvorbereitet wie ich war, in die Hand ,drückte‘. Währenddessen gingen seine Begleiter aus dem Zimmer und verschlossen die Tür. . . . MacKenzie auf Englisch sagte: ,Fräulein, sie sprechen sehr gut Englisch und verstehen alles. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen – das ist in Ihrem Interesse. Und Sie sind hier, um mir zu helfen – das ist in meinem Interesse. Eine von Interes55 IMTFE-DOC, Vol. II, S. 4464–4476; Askin, War Crimes Against Women, S. 73– 87; Askin, ICLR 1, 2001, S. 5–32 m.w. N.; Chinkin, AJIL 95, 2001, 2, S. 335–341. 56 Boling, CJTL 32, 1995, S. 541–542. 57 CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 79–87. 58 Siehe dazu das Beispiel von Marie in: Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 53–54.

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2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg sen geleitete Liebe ist die stärkste Liebe.‘ . . . Eingesperrt, von meinem neun Monate alten Baby getrennt. . . . Jeder Widerstand war Wahnsinn. Ich hätte mich widersetzt, wenn ich allein gewesen wäre, wenn niemand von mir abhängen würde. So aber dachte ich an meinen Sohn und ich war bereit, Leid, Demütigung, körperlichen und seelischen Schmerz hinzunehmen, nur um ihn wiederzusehen, sei es auch in Gefangenschaft und in der durch Gefangenschaft bedingten Unsicherheit. Vor dem Hintergrund serbischer Schmalzmusik befriedigte der General sein Verlangen und ich beschützte mein eingesperrtes Baby. Mit zusammengebissenen Zähnen, gefühlskalt . . . Das zog sich, mit kürzeren Unterbrechungen, über mehr als 20 Tage hin. Der General besuchte mich sieben, acht Mal. Ich bat ihn auf die Tschetniks einzureden, dass sie mir mein Baby zurückgäben und es freiließen. Jedes Mal sagte er: ,Morgen, morgen, sei geduldig . . .‘ . . . General MacKenzie hat mich nicht mit Fäusten zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Er hat mich nicht zusammengeschlagen. Ich habe mich selbst hingelegt . . ., doch hatte er mich als eine hilflose Gefangene. Während er den Gentleman mit einer Rose spielte, war das Zimmer verschlossen, um das Haus herum waren Wachposten, Tschetniks, Soldaten.“ 59

Ebenso ließ sich der englische General Michael Rose, Oberbefehlshaber der VN-Soldaten in Bosnien-Herzegowina, von dem serbischen Minister Ostojic eine gefangene Bosnierin in einem Haus in der Nähe von Tjentiste zuführen: „Gegen 22.30 Uhr hielten zwei Wagen vor dem Haus . . . Nach einigen Minuten erschien der englische General im Zimmer. . . . So blieb ich allein mit dem englischen Offizier . . . Ich durfte mich nicht wehren, ich durfte keinen Widerstand leisten. Ich versuchte, mich selbst zu überwinden, mich mit dem Kommenden abzufinden, mich zu opfern. Ich dachte nur daran, in was für einer Lage ich mich selbst befand, und mein Schwager, meine Schwester und ihre Kinder, meine Familie . . . Der General wandte keine Gewalt mir gegenüber an, es war ja auch nicht nötig, mich zu verletzen. Der General nahm mich, er gebrauchte mich, er befriedigte seinen sexuellen Trieb. Hat er mich dann überhaupt vergewaltigt? Hat General Rose mich sexuell misshandelt? Ja, er hat mich wie eine Sklavin geschändet und gedemütigt. Ich konnte mich nicht widersetzen. Ich wurde vergewaltigt, allein dadurch, weil ich eine Gefangene war, eine Lagerinsassin ohne Rechte, ohne irgendein menschliches Recht . . .“ 60

59 CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 181–186, 186; siehe dazu die weiteren Beweise und Fundstellen über den sexuellen Missbrauch des Generals MacKenzie und der VNTruppen in Bosnien-Herzegowina: MacKinnon, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 16; Allen, Rape Warfare, S. 66–68: Der bereits zu Tode verurteilte serbische Vergewaltiger Borislav Herak sagte aus, dass UNPROFOR-Soldaten sich an Massenvergewaltigungen im Vergewaltigungs-/Todeslager in Vogosca beteiligt hätten. Seine Aussage wurde durch den bosnisch-serbischen Kommandanten des Kamps Branislav Vlaco bestätigt. Ebenso gaben Zeugen an, dass VN-Soldaten das Park Hotel in Vogosca, in dem Frauen zur Vergewaltigung gefangen gehalten wurden, besucht hätten. Gutman, A Witness to Genocide, S. 7; Derechin, GILJ 11, 1996, S. 822. 60 CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 277–284, 283.

II. Die Auswirkungen auf die Opfer

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In Ruanda wurden viele Frauen in „erzwungenen Ehen“ gehalten. Einige Milizanhänger suchten sich eine Frau aus, sperrten sie ein und vergewaltigten sie, beschützten sie aber vor dem Tod und Vergewaltigungen anderer. Diese Frauen leiden besonders unter einem Schuldkomplex überlebt zu haben, weil meist der Rest der Familie getötet wurde und die anderen Überlebenden Tutsis sie als Kollaborateure der Hutu-Miliz behandelten.61 Um diesen Anschuldigungen zu entgehen, bezeichneten sie die Täter als ihre Ehemänner, obwohl ihnen bewusst war, dass sie jederzeit von ihnen hätten getötet werden können.62

II. Die Auswirkungen auf die Opfer Vergewaltigungen im Krieg sind gerade wegen ihrer Folgen für das Opfer nicht mit Vergewaltigungen im Frieden gleichzusetzen. Die körperlichen Schäden sind oft schmerzhafter und irreparabel, welches zu einer verstärkten seelischen Belastung führt. Die Gesellschaft zerbricht aufgrund ihres Umgangs mit den Opfern daran. 1. Physische Verletzungen Um der verbreiteten Auffassung entgegenzutreten, dass eine Vergewaltigung, abgesehen vom psychologischen Schaden, ähnlich dem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr sei, sollen kurz die durch eine Vergewaltigung herbeigeführten physischen Verletzungen erläutert werden.63 Vergewaltigungen können im nicht-genitalen Bereich gebrochene Knochen, Kopfverletzungen bis allgemeine Wunden verursachen. Oft findet man Blutergüsse am Hals, Nacken, Brüsten, Oberschenkeln, Beinen und Armen. Zusätzliche Symptome sind schwere Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Magenschmerzen und Essstörungen.64 Die genitalen Verletzungen sind gravierend. Bei einem erzwungenen Geschlechtsverkehr ist die für den Geschlechtsverkehr vorgesehene Feuchtigkeit der

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Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 56. Siehe dazu die Aussage von Ancille in: Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 57. 63 Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 856–857: Der Mythos der Männer, Frauen „wollen es und können immer“ muss durch die Aufklärung aus der Sicht des Opfers betrieben werden, um ein realistischeres Verständnis von der Bedeutung und den Auswirkungen der Vergewaltigung zu bewirken. Erst dann kann objektiv über dieses Verbrechen in allen Facetten diskutiert werden. 64 Siehe die ausführliche Liste der körperlichen und psychischen Folgen sexueller Gewalt bei: Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 90 f.; ferner: Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 856 m.w. N.; Swiss/Giller, JAMA 270, 1993, S. 613. 62

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2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg

Vagina nicht gegeben. Da sich das Opfer meist in einem traumatisierten Zustand befindet, sind die Muskeln am Eingang der Vagina nicht entspannt. Die Penetration kann nicht leicht oder direkt erfolgen. Dadurch schlägt der Vergewaltiger mit seinem Penis gegen die sehr empfindliche Gegend außerhalb der Vagina und zerreißt das Gewebe, welches zu bluten beginnt. Wenn durch die wiederholte Stoßkraft der Penis in die Vagina eindringt, geschieht dies meist nur wenige Zentimeter. Wiederum wird das Gewebe, diesmal das Innere der Vagina, mit jedem Stoß zerschnitten und aufgerissen.65 Man mag sich nun vorstellen, wie die Verletzungen bei mehrfachen Vergewaltigungen aussehen. Die Zahl der Vergewaltigungen besonders in Lagern, Zwangsbordellen rangiert von 10 bis 30 Mal am Tag über mehrere Wochen, Monate, sogar Jahre. Manche Frauen wurden bis zu 20.000 Mal vergewaltigt.66 Frauen weisen oft Langzeitkomplikationen auf. Noch Tage nach der Vergewaltigung erfuhren Frauen vaginale Irritationen wie Juckreiz, Schmerzen beim Urinieren, chronische Infektionen, vaginale oder rektum-vaginale Fisteln, Gebärmutterprobleme und Narben der Scheidengegend, die die Möglichkeit, ein normales Geschlechtsleben zu führen oder Kinder zu bekommen, beeinträchtigen und zur Inkontinenz führen.67 Frauen, die zu Oralsex gezwungen wurden, haben Halsirri65 Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 857 Zitate aus einem anonymen Brief eines Vergewaltigungsopfers, siehe dazu auch Willis, GTLJ 80, 1992, S. 2212. 66 Brownmiller, Against our Will; Stiglmayer, in: Stiglmayer, Massenvergewaltigung, S. 113–218; Askin, War Crimes Against Women, S. 1–2, 49–95; Askin, ICLR 1, 2001, S. 19. 67 Die Schilderung von Perpetue, deren Aussage zu den erlittenen Vergewaltigungen bereits oben aufgeführt ist, zeigt am einfachsten den Unterschied zwischen einer Vergewaltigung im Kriegszustand und in Friedenszeiten auf: „When they gave me underwear, it was so painful that I could not even put it on. I was given medical care from June to December 1994. I had to sit in medical baths every day. . . . Since the war has ended, I have not had my monthly period. My stomach sometimes swells up and is painful. I think about what has happened to me all the time and at night I cannot sleep. I even see some of the Interahamwe who did these things to me and others around here. When I see them, I think about committing suicide.“ Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 43–45. Maria, eine junge Hutu-Frau, ist ein weiteres Beispiel für die bleibenden Schäden bedingt durch Vergewaltigungen. Sie leidet noch heute unter dem Trauma der Vergewaltigung. Sie hat Halluzinationen und Weinanfälle. Ihre Vagina wurde mit Messern zerschnitten. Als sie nach der Vergewaltigung und der Verstümmelung im Kigali Krankenhaus versorgt wurde, hatte sie Blutungen, weil die Verstümmelung die Wand zwischen ihrer Vagina und Rektum zerstört hatte. In Belgien entdeckten die sie versorgenden Ärzte dann eine Infektion des Unterleibs und mussten ihre Gebärmutter entfernen. Sie stellten fest, dass die Rektal/Vaginalwand und der anale Schließmuskel irreparable zerstört wurden. Trotz wiederaufbauender chirurgischer Maßnahmen wird Maria nie wieder in ihrem Leben in der Lage sein, sexuell aktiv zu sein. Zusätzlich wurde sie noch mit dem Aidsvirus infiziert. Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 67– 68, 75; Schreck, Penn.St.ILR 28, 2009, S. 91: Oft werden Gegenstände wie Stöcke, Flaschen, Bayonette, Gewehrkolben in die Vagina eingeführt oder Teile der Vagina herausgeschnitten oder in die Vagina geschossen, ohne das Opfer dabei zu töten. Chinkin, EJIL 5, 1994, S. 330; Sharlach, in: Totten/Bartop, The Genocide Reader, S. 183.

II. Die Auswirkungen auf die Opfer

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tationen. Meist wurden Frauen in Lagern über Wochen oder Monate beim Oralverkehr gewürgt, um sie zu zwingen, eine große Menge Urine und Sperma zu schlucken.68 Diejenigen, die anal missbraucht wurden, leiden an langanhaltenden rektalen Blutungen und Schmerzen.69 Die Wahrscheinlichkeit, mit einer Geschlechtskrankheit wie z. B. Syphilis, Gonorrhöe, Vaginitis bis hin zum tödlichen Aidsvirus70 infiziert zu werden, ist bei einer Vergewaltigung im Krieg stets sehr viel höher, weil die Frau meist von mehreren und bei mehreren Gelegenheiten vergewaltigt wird, von einem Täter, der sich bereits zuvor an Massenvergewaltigungen beteiligt hat. Weiterhin besteht für die Frau immer die Gefahr, schwanger zu werden. Für junge Mädchen stellt die Geburt eines Kindes ein großes Gesundheitsrisiko dar. Wird einem Vergewaltigungsopfer zur Vorbeugung gegen mehrere Geschlechtskrankheiten Penicillin sowie schwangerschaftsverhindernde Medikamente mit zahlreichen Nebenwirkungen verabreicht, so bedeutet diese Behandlung einen weiteren körperlichen wie seelischen Eingriff.71 In einem Kriegsgebiet besteht aber meist gar kein Zugang zu solchen Medikamenten und einer medizinischen Behandlung, was ein noch größeres Gesundheitsrisiko für das Opfer zur Folge hat, weil eine Geschlechtskrankheit unbehandelt zu schweren Beschwerden oder zum Tod führen kann und eine Schwangerschaft ausgetragen oder unprofessionell beendet werden muss.72 Hinzu kommt, dass in den meisten Krisengebieten dieser Welt die Abtreibung gegen das Gesetz, die Religion und/oder die Tradition verstößt. Daher führen Vergewaltigungsopfer oft eine Abtreibung selbst durch. Selbstdurchgeführte Abtreibungen bergen besonders in den letzten Monaten der Schwangerschaft ein hohes Gesundheitsrisiko für die Frau. Viele Abtreibungen verursachten Gebärmutterinfektionen, die Zerstörung der Gebärmutter, Blutungen und andere gynäkologische Komplikationen.73

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Allen, Rape Warfare, S. 79. Burgess/Holmstrom, in: Temkin, Rape and the Criminal Justice System, S. 4–5, desw. in: Burgess/Holmstrom, AJP 131, 1974, S. 981–986. 70 Gerade in afrikanischen Ländern, in denen die Aidsrate sehr hoch ist, wie z. B. in Ruanda bei 25 % in der Zivilbevölkerung und bei 30 % im Militärbereich, ist eine Ansteckung vorgegeben. Siehe dazu: Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 75; Inyumba, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 49; Schreck, Penn.St.ILR 28, 2009, S. 91; Haskell, B.C. Third World L.J. 29, 2009, S. 53; Sharlach, in: Totten/ Bartop, The Genocide Reader, S. 183, 187. 71 Burgess/Holmstrom, in: Temkin, Rape and the Criminal Justice System, S. 4, desw. in: Burgess/Holmstrom, AJP 131, 1974, S. 981–986; Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 857. 72 McDougall, UN-DOC, Final Report E/CN.4/Sub.2/1998/13, Para. 12, 13; Swiss/ Giller, JAMA 270, 1993, S. 612; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 31 ff.; Marino, BUILJ 27, 2009, S. 220. 73 Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 76–78; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 33. 69

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2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg

2. Psychologische Verletzungen Die psychologischen Auswirkungen der Vergewaltigung setzen sich lange nach dem (den) konkreten Angriff(en) fort, meist bis zum Ende des Lebens. Sie sind komplex und verbunden mit dem sozialen und kulturellen Hintergrund, in dem die Vergewaltigung geschieht. Die geschlechtsspezifische Angst bleibt noch lange Zeit danach. Nicht nur das konkrete Opfer lebt in der ständigen Angst, sondern auch Frauen, die Vergewaltigungen gesehen haben und sich darüber im Klaren waren, dass dies jederzeit auch ihnen hätte passieren können.74 Der Medizin ist bekannt, dass Frauen während der Vergewaltigung Gefühle wie Schock, Angst vor Verletzungen und Tod und tiefen Kontrollverlust über ihr Leben empfinden.75 Nach der Tat wurde bei Opfern von Kriegsvergewaltigungen eine sog. posttraumatische Stressstörung („post-traumatic stress disorder“ = PTSD) festgestellt, dessen Intensität von der Persönlichkeitsstruktur, früheren sexuellen Erfahrungen, soziokulturellen und religiösen Prägung des Opfers, der Art der Vergewaltigung (vor allem die Anzahl der Vergewaltiger, öffentlich und/ oder vor Familienangehörigen), von der emotionalen Beziehung zum Täter, den Folgen der Vergewaltigung (Schwangerschaft), von der Haltung der Familie und der Gemeinschaft und von der angewandten Therapie abhängt.76 Zusätzliche Traumatisierungen können die Stresssymptome einer Vergewaltigung erheblich verstärken (z. B.: Lageraufenthalt, der Tod von Angehörigen, Folter, Verlusts des Heimes und der Gemeinschaft, kriegsbezogene Verletzungen und unbehandelte Krankheiten).77 Die Stresssymptome sind Angstzustände, innere Unruhe, Schlafstörungen, Alpträume, Interessenlosigkeit, Gedächtnisschwierigkeiten, Verlust des Selbstvertrauens und Niedergeschlagenheit. Häufig kommt es zu einem Verlust vitaler Antriebe bis hin zu Todeswünschen (besonders bei Schwangeren). Auch greifen viele Opfer zu Drogen, um die negativen Gefühle zu verdrängen.78 Die meisten Frauen können nach einer Vergewaltigung keine sexuelle Beziehung mehr aufbauen, selbst zu Männern, die sie vorher kannten und liebten.79

74 Chinkin, EJIL 5, 1994, S. 329; Folnegovic ´ -Smale, in: Stiglmayer, Massenvergewaltigung, S. 221–224. 75 Burgess/Holmstrom, in: Temkin, Rape and the Criminal Justice System, S. 3–8, desw. in: AJP 131, 1974, S. 981–986; Swiss/Giller, JAMA 270, 1993, S. 612–615, 614. 76 Folnegovic ´-Smale, in: Stiglmayer, Massenvergewaltigung, S. 221; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 88 ff.; Schreck, Penn.St.I.L.R. 28, 2009, S. 92; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 48. 77 Vergleiche dazu die Untersuchung von Kilpatrick/Saunders, Behavior Therapy 20, 1989, S. 199–214; desw. in: Temkin, Rape and the Criminal Justice System, S. 21: Es konnte festgestellt werden, dass das Zusammenkommen von Vergewaltigung mit erlebter Lebensbedrohung sowie physischen Verletzungen die Ausbildung des PTSD immens erhöht. 78 Schreck, Penn.St.I.L.R 28, 2009, S. 92.

II. Die Auswirkungen auf die Opfer

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Das psychische Leiden macht sich häufig auch psychosomatisch bemerkbar. Die Opfer klagen über Gastritis, schwere Kopfschmerzen, dauerhafte Magenschmerzen, Herzrasen, Atemstörungen, Paroxysmus und Lähmungen.80 Nach einer Abtreibung konnte im früheren Jugoslawien vermehrt ein Wandel der Depression in Aggressivität und dem Wunsch nach Rache beobachtet werden.81 Nur wenige hatten jedoch die Wahl der Abtreibung; sie mussten ein ungewolltes Kind austragen. Viele Frauen wurden von den Serben bis zur Geburt gefangen gehalten, damit sie „Tschetniks“ zur Welt bringen oder sie lebten in Gemeinden mit religiösen Verboten oder Gesetzen, die den Zugang zu einer Abtreibung unmöglich machten.82 Diese Frauen leugneten die Vergewaltigung, hatten schwerste Depressionen, vernachlässigten ihr Kind oder wiesen es nach der Geburt zurück. Vergewaltigungen tragen ein Stigma wie es kein anderes Verbrechen tut. Vergewaltigte Frauen fühlen sich isoliert, von der Gemeinschaft ausgeschlossen und besitzen keinen Status mehr in der Gesellschaft. Das Schamgefühl ist unsagbar.83 Aus Angst vor Entdeckung, was ihnen angetan wurde, gehen viele Frauen nicht zum Arzt und verschlimmern damit noch ihre Gesundheitsprobleme.84 Opfer äu79 Ein Opfer schilderte fünf Monate nach der Vergewaltigung: „There are times I get hysterical with my boyfriend. I don’t want him near me; I get panicked. Sex is ok, but I still feel like screaming.“ Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 859 m.w. N. 80 Schreck, Penn.St.I.L.R. 28, 2009, S. 92 m.w. N. 81 Folnegovic ´-Smale, in: Stiglmayer, Massenvergewaltigung, S. 223–224; Swiss/Giller, JAMA 270, 1993, S. 612–615, 614; Burgess/Holmstrom, AJP 131, 1974, S. 981– 986; desw. in: Temkin, Rape and the Criminal Justice System, S. 3–8, International Human Rights Law Group, No Justice, No Peace, S. 24–26; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 90 ff.; Schreck, Penn.St.I.L.R. 28, 2009, S. 92; Denno, FLR 63, 1994, S. 125, 131 mit Bezug auf die empirische Studie über Vergewaltigungsopfer in den USA „The National Women’s Study“ in Report to a Nation „Rape in Amerika“ 23.04.1992. 82 Swiss/Giller, JAMA 270, 1993, S. 614; International Human Rights Law Group, No Justice, No Peace, S. 37–38; Human Rights Watch Kosovo: Rape as a Weapon of „Ethnic Cleansing“, S. 23 ff.; auch in Ruanda hatten Frauen häufig keinen Zugang zur Abtreibung, siehe dazu: Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 72; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 47. 83 Askin, ICLR 1, 2001, S. 5–32; Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 73–74; International Human Rights Law Group, No Justice, No Peace, S. 23–24; Richter-Lyonette, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 104; Kulenovic´, in: Vranic´, Breaking the Wall of Silence, S. 191; Bassiouni/McCormick, Sexual Violence, S. 25 f.; Niarchos, HRQ 17, 1995, S. 667; Denno, FLR 63, 1994, S. 125, 131; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 89. 84 Siehe die Reaktion der vergewaltigten Frauen in Ruanda, Bosnien-Herzegowina, Kosovo und vor allem Asien, wo die sog. „Comfort Women“ erst 50 Jahre nach den Verbrechen ihr Schweigen brachen und von der Japanischen Regierung ein Schuldanerkenntnis forderten. Denno, FLR 63, 1994, S. 131, 134 mit Bezug auf die empirische Studie über Vergewaltigungsopfer in den USA „The National Women’s Study“ in Report to a Nation „Rape in Amerika“ 23.04.1992: Auch bei Vergewaltigungen in Friedenszeiten in den USA war die größte Sorge der Opfer, dass andere von der Vergewalti-

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2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg

ßern oft die Angst nicht (wieder) heiraten zu können. Der Verlust der Jungfräulichkeit macht die Frau in manchen Gesellschaften heiratsunfähig. In patriarchalischen Gesellschaften, wo Frauen nur Wert als Ehefrau und Mutter haben, ist die Ehe für die Frauen die einzige Möglichkeit, wirtschaftliche Sicherheit und Schutz zu erlangen.85 In afrikanischen Staaten wie Ruanda kommt hinzu, dass viele annehmen, dass Vergewaltigungsopfer Geschlechtskrankheiten wie Aids übertragen. Anschuldigungen von der eigenen Familie oder der Gemeinschaft, mit dem Feind kollaboriert zu haben, verschlimmern noch das Schamgefühl und die Isolation.86 Viele Frauen waren unfähig die Scham zu bewältigen und flüchteten sich in Selbstmord.87 3. Gesellschaftliche Zerstörung Vergewaltigungen im Krieg zerstören nicht nur das konkrete Opfer, sondern auch soziale und gesellschaftliche Bindungen. Frauen, die Vergewaltigungen für sich behalten, entfremden sich von anderen Menschen. Sie haben Angst, von ihren Partnern, Familien oder der Gemeinschaft zurückgewiesen zu werden.88 So wie das konkrete Opfer mit einem Stigma versehen wird, wird gleichzeitig auch die Familie „gebrandmarkt“, weil sie die gleigung erfahren könnten bzw., was andere oder die Familie denken würden, wenn sie von der Vergewaltigung wüssten. Viele Vergewaltigungen wurden nie angezeigt; Allen, Rape Warfare, S. 92: Nicht die Geschlechtspolitik in der muslimischen Gemeinschaft führt zu einem Schweigen der Opfer, sondern das sie entehrende Verbrechen selbst. Sowohl muslimische, katholische als auch orthodoxe Frauen in Ex-Jugoslawien zögerten, die an ihnen begangenen Verbrechen auszusprechen; Mazowiecki, Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, UN-DOC, E/CN.4/1993/50; Annex II, Para. 48 (a); Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 72. 85 Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 72; Richter-Lyonette, in: RichterLyonette, In the Aftermath of Rape, S. 104–105; Askin, ICLR 1, 2001, S. 24: Nicht heiratsfähige Frauen (aufgrund der sexuellen Versklavung) in Asien waren gezwungen, sich mit Prostitution am Leben zu erhalten. 86 Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 74–75: In Ruanda werden die Überlebenden des Genozids von den zurückkehrenden Flüchtlingen beschuldigt, mit dem Feind zusammengearbeitet zu haben. Es wird generell unterstellt, dass die Frauen vergewaltigt wurden und darum überlebt hätten. So auch: Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 89. 87 Chinkin, EJIL 5, 1994, S. 330; Ryan, The Last Battle, S. 382–389: Als die Russen am Ende des 2. Weltkriegs in Berlin vergewaltigten und plünderten, nahm die Zahl der Selbstmorde – meist von Frauen – überall zu. Ryan berichtet über Vergewaltigungen durch die Rote Armee in Schutzkellern, auf der Straße, sowie Selbstmorden von Frauen und Morden an denjenigen, die sich den sowjetischen Soldaten verweigerten; Inyumba, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 49: Auch während des Genozids in Ruanda flüchteten sich viele Frauen, nach dem sie vergewaltigt worden waren, in Selbstmord. Human Rights Watch Africa, Shattered Lives, S. 74–75: Viele vergewaltigte Frauen baten während des Völkermords getötet zu werden, jedoch lehnten dies die Interahamwe mit den Worten ab: „You will die of sadness!“; Askin, ICLR 1, 2001, S. 22. 88 Siehe zur Vertiefung: Giller, War, Women, Rape.

II. Die Auswirkungen auf die Opfer

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che Scham und Schande empfindet. Es bleibt nur noch die Flucht aus der Heimat.89 Öffentliche Vergewaltigungen verstärken noch diese Angst. Sie terrorisieren und traumatisieren die Zivilbevölkerung. Sie unterwandern das Wohlbefinden und die sichere Existenz der Gemeinschaft.90 Das kulturelle Umfeld, indem die Vergewaltigung geschieht, ist entscheidend dafür, wie tief die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert wird. So werden in patriarchalischen, muslimischen und streng katholischen Kulturen die vergewaltigten Frauen von ihren Ehemännern zurückgewiesen, der Vater bestimmt die ethnische Zugehörigkeit des Kindes. Die Geburt eines Kindes von einem Vergewaltiger wird als zusätzliche Verunreinigung des Blutes verstanden.91 Die ganze Gesellschaft leidet immense Traumata. In den Kulturen, in denen die weibliche „Unschuld“ eine große Rolle spielt, führt die Vergewaltigung zu einer Entehrung der Frau und des nationalen Kollektivs der Frau.92 Seifert hebt hervor, dass Vergewaltigungen die kulturelle Verbundenheit und das kulturelle Verständnis der Menschen vernichten, indem sie die Frau physisch und psychisch zerstören, welche in Kriegszeiten die Quelle der kulturellen Verbundenheit ist. Die feindliche Gemeinschaft soll beschmutzt, verseucht und ethnisch gesäubert werden. Das trifft den Überlebenswillen der Gemeinschaft. Durch den Angriff auf den Körper der Frau, in vielen Kulturen oft als symbolisches Bild des Volkes oder der Nation verehrt, wird der Körper der Nation zerstört und wird zum Symbol der Unterwerfung des gesamten Volkes.93 4. Zusammenfassung Natürlich können auch bei Vergewaltigungsopfern in Friedenszeiten schwere körperliche wie seelische Gesundheitsbeeinträchtigungen beobachtet werden. 89 Folnegovic ´-Smale, in: Stiglmayer, Massenvergewaltigung, S. 221–222. Um der Etikettierung, Vergewaltigungsopfer zu sein, zu entgehen, werden viele Vergewaltigungen gar nicht erst gemeldet und wenn, dann meist anonym; International Human Rights Law Group, No Justice, No Peace, S. 23; Niarchos, HRQ 17, 1995, S. 667; Kohn, GGULR 24, 1994, S. 199, 203, 204. 90 Chinkin, EJIL 5, 1994, S. 329–330; Folnegovic ´ -Smale, in: Stiglmayer, Massenvergewaltigung, S. 221; Askin, War Crimes Against Women, S. 265; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 89; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 34. 91 Seifert, in: CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 436–437: So prahlten die Serben, dass nun „kleine Tschetniks“ gezeugt würden, nach deren perverser Logik das Erbgut des Vergewaltigers zur Beschädigung bei den Bosniaken führe. Seifert, in: Stiglmayer, Massenvergewaltigung, S. 94; Askin, War Crimes Against Women, S. 267 ff. 92 Pilch, JLS US-AFA 9, 1998/1999, S. 102; Niarchos, HRQ 17, 1995, S. 667; Askin, War Crimes Against Women, S. 267 ff.; Seifert, in: CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 436–437; Richter-Lyonette, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 104– 105; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 34. 93 Seifert, in: CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 436–437; Seifert, in: Stiglmayer, Massenvergewaltigung, S. 99 ff.; Seifert, in: Gestrich, Violence in War, S. 280 ff.

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2. Kap.: Faktischer Hintergrund – Vergewaltigungen im Krieg

Der Unterschied liegt aber bei einer Vergewaltigung im Krieg darin, dass das Opfer meist von mehreren Tätern und/oder über einen längeren Zeitraum vergewaltigt wird und durch die Kriegsumstände ein viel größerer Kontrollverlust als in Friedenszeiten eintritt. Meist ist das Opfer eingesperrt, die Täter sind schwer bewaffnet, müssen keine Sanktionen befürchten bzw. werden noch zur Vergewaltigung von ihren Vorgesetzten ermutigt. Aufgrund der fehlenden Ordnung in Kriegssituationen ufert die angewandte Gewalt über das zur Überwindung eines Gegenwillens notwendige Maß erheblich aus. Sie geht oft mit schwersten Körperverletzungen bis hin zu Verstümmelungen einher. Das Opfer wird nicht nur selbst vergewaltigt, sondern muss ständig mitansehen, dass andere Frauen ebenfalls vergewaltigt werden. Die ständige Angst, vergewaltigt werden zu können, wann immer es dem Gegner beliebt, ohne dass eine Flucht- oder Verteidigungsmöglichkeit besteht, führt zu einer sehr viel stärkeren psychischen Belastung. Die Vergewaltigung geschieht meist öffentlich vor Familienangehörigen oder Nachbarn, um eine noch größere Demütigung des Opfers zu erreichen, während in Friedenszeiten die Vergewaltigung im Geheimen durchgeführt wird, um nicht strafrechtlich verfolgt werden zu können. Mitunter wird die Vergewaltigung als Kriegsstrategie eingesetzt, welches das Opfer vor einem bewaffneten und zur Vergewaltigung aufgehetzten feindlichen Militär besonders hilflos stellt. Auch besteht für das Opfer nach einer Vergewaltigung im Krieg selten eine Möglichkeit medizinische Hilfe bzw. eine Therapie zu erlangen oder, wenn nötig, eine professionelle Abtreibung durchzuführen. Oft werden die Sittlichkeitsvorstellungen der Gesellschaft absichtlich ausgenutzt, um die Mädchen und Frauen durch den öffentlichen Geschlechtsverkehr aus ihrer Bevölkerungsgruppe auszustoßen; eine Strategie, die bei Vergewaltigungen in Friedenszeiten nicht eingesetzt wird. Der entscheidende Unterschied zwischen Massenvergewaltigungen durch das feindliche Militär und vereinzelten Vergewaltigungen in Friedenszeiten durch einen oder mehrere zivile Täter ist die Akkumulation von Traumatisierungen des Opfers und die zielgerichtete Ausbeutung bestimmter sozialer und moralische Kontexte in Kriegszeiten, denen das Opfer unterliegt. Die physische und psychologische Schädigung eines Vergewaltigungsopfers sowie seiner Bevölkerungsgruppe in Kriegszeiten ist daher um ein vielfaches höher als in Friedenszeiten.

Drittes Kapitel

Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht Im zweiten Kapitel wurden die in bewaffneten Konflikten auftretenden Vergewaltigungen mit ihren Auswirkungen auf die Opfer geschildert, um den Unrechtsgehalt der Tat aufzuzeigen. Das dritte Kapitel wendet sich nun der ersten rechtlichen Teilfrage zu: – Existiert ein Verbrechen der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht? Die Untersuchung beginnt im ersten Abschnitt mit einer Darstellung der wesentlichen Grundlagen des Rechtsgebiets. Im zweiten Abschnitt wird die Methode der Rechtsfindung im Völkerstrafrecht erörtert. Im dritten Abschnitt wird die Auswertung der völkerrechtlich relevanten Instrumente vorgenommen, um zu zeigen, dass das Verbrechen der Vergewaltigung völkergewohnheitsrechtlich strafbar ist.

I. Grundlagen des Völkerstrafrechts 1. Zum Begriff des Völkerstrafrechts Wer sich heute mit dem Völkerstrafrecht beschäftigt, findet inzwischen ein gefestigtes Teilgebiet des Völkerrechts vor.94 Völkerstrafrecht, wie schon der Begriff deutlich macht, stellt eine Synthese aus Strafrecht und Völkerrecht dar, ein Strafrecht auf internationaler Ebene. Formell umfasst das Völkerstrafrecht die aus Völkerrechtsquellen gewonnenen Normen, die materiell die Strafbarkeit von Individuen wegen der Verletzung international geschützter Rechtsgüter festlegen.95 Gegenstand des Völkerstrafrechts ist somit das völkerrechtliche Verbrechen. 94 Zur geschichtlichen Entwicklung des Völkerstrafrechts und der völkerrechtlichen Anerkennung der einzelnen Verbrechen: Ahlbrecht, Geschichte; Bassiouni, ICL I, 1999; Ambos, AT; Jescheck, Verantwortlichkeit; Triffterer, Dogmatische Untersuchungen; Triffterer, in: Hankel/Stuby, Strafgerichte, S. 169 ff.; Becker, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 12–44; Cassese, International Criminal Law, S. 27 ff.; Cassese, International Law, S. 22 ff.; Kimminich/Hobe, Völkerrecht, S. 260 ff.; Cryer, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 114 ff.; Satzger, Internationales Strafrecht, § 12; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 65 ff.; Kugler, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 23 ff. 95 Siehe verschiedene Definitionsansätze in der Literatur: Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 8 f.; Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 34, 215: „Völkerstrafrecht im formellen Sinn ist die Gesamtheit aller völkerrechtlicher Normen strafrechtlicher Natur,

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Unter einem völkerrechtlichen Verbrechen („international crime“) versteht man eine Verletzung höchster Werte der Völkergemeinschaft durch Individuen, die unmittelbar nach Völkerrecht zu bestrafen sind.96 Dagegen werden Verletzungen des Völkerrechts durch Völkerrechtssubjekte als völkerrechtliches Delikt („international delict“) bezeichnet. Es handelt sich dabei um ein haftungsbegründendes Verhalten, meist eines Staates gegenüber einem anderen, jedoch nicht um kriminelles Unrecht einer natürlichen Person.97 Etwas größere Verständnisschwierigkeiten bereitet die Unterscheidung zwischen dem völkerrechtlichen Verbrechen im engeren Sinn und dem völkerrechtlichen Verbrechen im weiteren Sinn.98 Beide Verbrechensformen beziehen sich auf ein kriminelles Verhalten eines Individuums. Ein völkerrechtliches Verbrechen im weiteren Sinn beeinträchtigt mindestens zwei Staaten in ihren Interessen und erhält somit einen transnationalen Charakter. Es erfordert die Zusammenarbeit von Staaten zur erfolgreichen Bekämpfung dieser Kriminalitätsform (z. B.: grenzüberschreitender Drogenhandel, Terrorismus, Flugzeugentführung, Piraterie, individuelle Handlungen der Folter, Sklaverei.).99 Der entscheidende Unterschied

die an ein bestimmtes Verhalten – das internationale Verbrechen – bestimmte, typischerweise dem Strafrecht vorbehaltene Rechtsfolgen knüpfen und die als solche unmittelbar anwendbar sind.“; dagegen: Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 2, 995: „Unter materiellem internationalem Strafrecht (Völkerstrafrecht) sind diejenigen Delikte zu verstehen, die nach Herkommen oder besonderen Abmachungen juristisch derart bestimmt sind, dass sie gegen Rechtsgüter sich richten, an deren Erhaltung die Menschheit ein allgemeines Interesse hat. Dabei können sich nach gewisser Rechtspraxis und Lehre die Tatbestände und ihre Rechtsfolgen unmittelbar aus dem ungeschriebenen Völkerrecht ergeben, während die nationalen Gerichte nach einer Art Weltrechtspflegeprinzip zur Aburteilung berufen sein sollen.“ Siehe auch: Kimminich/Hobe, Völkerrecht, S. 257; Gardocki, ZStW 98, 1986, S. 703 ff.; Vitzthum, Völkerrecht, S. 596, 7. Abschn., Rn. 38 ff.; Jescheck/Weigend, AT, S. 119; Ipsen, Völkerrecht, § 38, Rn. 1, S. 577; Barboza, International Criminal Law, S. 24 f.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 9; Ambos, AT, S. 40; Cryer, International Law, S. 1 f.; Cryer, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 107 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 81 m.w. N.; Satzger, Internationales Strafrecht, § 11, Rn. 1; Bantekas/Nash, ICL, S. 1; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 52 ff.; Möller, Völkerstrafrecht, S. 5 ff.; Eichhofer, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 1 f.; Stuckenberg, GA 2007, S. 80. 96 Triffterer, ZfRV 1989, S. 96; Gardocki, ZfRV 30, 1989, S. 145; Jescheck/Weigend, AT, S. 123; Nill-Theobald, Defences, S. 23; Barboza, International Criminal Law, S. 26; Ahlbrecht, Geschichte, S. 8 f.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 83 ff.; Kreß, ZStW 114, 2002, S. 829; Cryer, International Law, S. 2 f. 97 Satzger, Internationales Strafrecht, § 11, Rn. 10; Ahlbrecht, Geschichte, S. 8 f. 98 In der Literatur findet man auch die Begriffe „Weltverbrechen“, „delicta juris gentium“, „transnational crime“ oder „crimes of international character“. Ascensio/ Decaux/Pellet, Droit International Pénal, S. 249, 333; Ahlbrecht, Geschichte, S. 8 f.; Nill-Theobald, Defences, S. 24; Kreß, ZStW 114, 2002, S. 829; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 83–85; Cryer, International Law, S. 2 ff.; Stuckenberg, GA 2007, S. 81. 99 Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 55; Yarnold, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 130 f.; Cryer, International Law, S. 2: Terrorismus, Drogenhandel und Folter werden als angebracht angesehen, in der Zukunft unter die sachlichen Zuständigkeitsvorschrif-

I. Grundlagen des Völkerstrafrechts

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zwischen diesen beiden Verbrechensformen liegt aber darin, dass das Verbrechen im weiteren Sinn nicht aufgrund einer allgemein anerkannten völkerrechtlichen Norm strafbar ist. Das Völker(vertrags)recht verpflichtet lediglich die Staaten zur Strafbarkeitserklärung in ihren Rechtsordnungen.100 Die Bestrafung erfolgt auf der Grundlage des staatlichen Strafrechts. Beim völkerrechtlichen Verbrechen im engeren Sinn resultiert die Strafbarkeit jedoch aus dem Völkerrecht selbst, auch wenn es durch ein nationales Gericht vollstreckt werden sollte (s. dazu unten 2.).101 In der Literatur findet man daher auch die vereinzelte Meinung, dass nur die Verbrechen Gegenstand des Völkerstrafrechts sind, deren Verfolgbarkeit unabhängig von staatlicher Gesetzgebung und Strafbereitschaft bereits unmittelbar möglich ist. Es handele sich nicht um Völkerstrafrecht im eigentlichen Sinn, wenn die Umsetzung von der staatlichen Strafgesetzgebung abhänge, weil es letztlich staatliches Strafrecht sei.102 Heute sind unstreitig als völkerrechtliche Verbrechen im engeren Sinn anerkannt: – Kriegsverbrechen, – Völkermord, – Verbrechen gegen die Menschlichkeit und – Angriffskrieg.103 Viele Kriegsverbrechen sind nach heute überwiegender Auffassung nicht nur dann nach Völkerrecht strafbar, wenn sie in einem internationalen bewaffneten Konflikt begangen werden, sondern auch dann, wenn sie im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt verübt werden.104 Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind losgelöst von einem bewaffneten Konflikt strafbar.105 ten des IStGH aufgenommen zu werden. Sie können dann zu völkerrechtlichen Verbrechen im engeren Sinne aufsteigen. 100 Z. B.: Art. 4 Abs. 1 der VN-Folter-Konvention (BGBl., 1990 II, S. 246). 101 Nill-Theobald, Defences, S. 24; Zahar/Sluiter, International Criminal Law, S. 496 ff. Das Völkerstrafrecht enwickelt sich rasant weiter, so dass es mittlerweile umstritten ist, ob auch weitere, über die hier genannten Kernverbrechen hinausgehende Straftaten direkt nach Völkerstrafrecht strafbar sind: Siehe dazu: Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 83–85; Gaeta/Jeßberger, JICJ 4, 2006, 891 ff. 102 Zu enge Auslegung: Vitzthum, Völkerrecht, S. 598 f., 7. Abschn., Rn. 40 f. 103 Vgl. Cassese, International Criminal Law, S. 12, der noch Folter und extreme Formen des Terrorismus als allgemein anerkannte völkerrechtliche Verbrechen nennt. Deren Anerkennung ist nicht ganz unstreitig. A. A.: Cryer, ICL, S. 2; Cryer, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 108 ff.; Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 129 ff.; Satzger, Internationales Strafrecht, § 11, Rn. 3; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 16. 104 Prosecutor v. Tadic ´ , IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 86 ff.; Kreß, IYBHR 30, 2001, S. 103–177 m.w. N.; Ambos, Internationales Strafrecht, S. 96, Rn. 16. 105 Diese Verbrechen bildeten sich vornehmlich nach dem zweiten Weltkrieg heraus. Beweise für eine völkerrechtliche Anerkennung sind die Statuten und die Rechtspre-

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Rahmenverbrechen („chapeau-crimes“) innerhalb derer einzelne Begehungsformen („acts“) wie Mord oder Folter die eigentliche Tathandlung ausmachen. Auch die Vergewaltigung ist eine solche Begehungsform der Kriegsverbrechen wie auch der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Unter gewissen Voraussetzungen kann sie auch eine Begehungsform des Völkermords darstellen. Die Vergewaltigung ist also keine eigenständige völkerrechtliche Straftat, sondern nur dann nach Völkerrecht strafbar, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen eines der Rahmenverbrechen erfüllt sind, wie z. B. der ausgedehnte oder systematische Angriff auf eine Zivilbevölkerung bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit.106 Auf diese Rahmenbedingungen wird jedoch im Folgenden nicht näher eingegangen, weil sich die Untersuchung auf die spezifischen Voraussetzungen der Begehungsform der Vergewaltigung konzentriert. Die besonderen Bedingungen der Rahmenverbrechen grenzen allerdings den völkerstrafrechtlichen Tatbestand der Vergewaltigung von den entsprechenden Straftatbeständen in den nationalen Rechtsordnungen ab. Die Vergewaltigung als völkerstrafrechtlicher Tatbestand ist Teil der „Makrokriminalität“ oder „staats-

chung der Militärgerichte in Nürnberg und Tokio, das Kontrollratgesetz Nr. 10, die Völkermordkonvention und Genfer Konventionen sowie die Statuten und die Rechtssprechung der internationalen Straftribunale für das frühere Jugoslawien und Ruanda sowie das Statut des ständigen internationalen Strafgerichtshofs. Vgl. hierzu u. a.: Ambos, AT, S. 52 m.w. N.; Alhbrecht, Geschichte; Askin, in: Askin/Koenig, Women I, S. 44; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 141; Art. 6–8 IStGH-Statut; Kreß, Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuches, S. 6; ferner: Kreß, ZStW 114, 2002, S. 832 ff., der die Anwendung des Weltrechtspflegeprinzips für die hier genannten Kernverbrechen in der Staatenpraxis nachweist. Sehr ausführlich für den Völkermord: Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 159 ff. 106 Es finden sich mittlerweile einige Ansätze in der Literatur, dem Verbrechen der Vergewaltigung den Status von Jus Cogens zuzusprechen, um somit eine Strafverfolgung separat, ohne dass die Voraussetzungen der Rahmenverbrechen erfüllt sein müssen, zu ermöglichen. Dies wird für wichtig erachtet, weil bis heute sexuelle Gewalt noch immer nicht angemessen im Völkerstrafrecht vefolgt wird. Mit einer Anerkennung der Vergewaltigung als eine der hochrangigsten, unveränderbaren Normen des Völkerstrafrechts werde ein Zeichen gesetzt, dass sexuelle Gewalt von den einzelnen Staaten zu verhindern bzw. strafrechtlich strengstens zu verfolgen sei. Askin, War Crimes against Women, S. 242; Askin, BJIL 21, 2003, S. 346 ff.; Viseur-Sellers, Case Western Res. IL 34, 2002, S. 287 ff.; Mitchell, DJCIL 15, 2005, S. 219 ff.; Sungi, EJLR 9, 2007, S. 113 f. Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Vergewaltigung (genauso wie Mord) wurde bisher nur als Einzeltat unter den hier behandelten Rahmenverbrechen verurteilt bzw. unter Strafe gestellt. Es gibt keine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Vergewaltigung als eigenständiges völkerrechtliches Verbrechen. Ferner existieren keine Konventionen zu diesem Verbrechen wie z. B. für die Verbrechen Folter und Versklavung. Dass Vergewaltigung in nationalen Rechtsordnungen ein eigenständiges Verbrechen darstellt, erlaubt nicht, den Schluss zu ziehen, dass es sich um ein allgemeines Prinzip handelt, dass zu einer Begründung eines völkerrechtlichen Verbrechens führt. Die Strafbarkeit muss sich aus Völkergewohnheitsrecht und nicht der subsidiären Quelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze der wichtigsten Staaten dieser Welt ergeben.

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verstärkten Kriminalität“.107 Dabei handelt es sich um „systemkonforme und situationsangepasste Verhaltensweisen innerhalb eines Organisationsgefüges, Machtapparates oder sonstigen kollektiven Aktionszusammenhangs, kriegs- und völkerrechtsrelevante Makrogeschehnisse“.108 Ein völkerrechtliches Rahmenverbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen kann nur begangen werden, wenn der Staat oder eine sonstige mächtige Organisation die Straftat auf irgendeine Weise begünstigt.109 „Erst diese Abhängigkeit der individuellen Handlung von den Geschehnissen der Makroebene bewirkt jenen Qualitätsumschlag, der den eigentlichen Unterschied von anderen Straftaten ausmacht.“ 110 Das Strafrecht ist eine Möglichkeit, die Beachtung von völkerrechtlichen Normen zu garantieren. Jedoch ist das nationale Strafrecht 107 Naucke hat den Begriff der staatsverstärkten Kriminalität geprägt. Er hat den Unterschied zwischen der einfachen und der staatsverstärkten Kriminalität in der Ungleichheit der Stärke der sich Gegenüberstehenden erkannt. Bei der einfachen Kriminalität treten sich ein Täter und ein Opfer gegenüber, bei der staatsverstärkten Kriminalität hingegen ein politisch staatsverstärkter Täter und ein Opfer. „Es ist die Stärke der staatlichen Organisation, die eingesetzt wird, erkennbar an Uniformen; an Titeln; an Befehlssträngen; an technischer Ausrüstung; an Verwaltungsorganisation; an Möglichkeiten, große Menschenmassen in Bewegung zu setzen.“ Auch wenn es heutzutage bei den Rahmenverbrechen nicht auf eine Involvierung des Staates ankommt, sondern massenhafte, systematische oder mit einer Zerstörungsabsicht begangene Straftaten genügen, können diese Rahmenbedingungen nur mit Hilfe einer staatsähnlichen Organisation oder eines sonstigen Machtapparats erfüllt werden. Siehe: Naucke, Staatsverstärkte Kriminalität, S. 20 f. 108 Ambos, AT, S. 50; siehe auch: Jäger, in Lüderssen, Kriminalpolitik III, S. 122 f.; Jäger, StV 1988, S. 172, Jäger, Makrokriminalität, S. 11 ff.; Jäger, in: Hankel/Stuby, Strafgerichte, S. 327; Naucke, Staatsverstärkte Kriminalität, S. 19; Möller, Völkerstrafrecht, S. 240 ff. 109 Andere internationale Verbrechen wie Folter, Terrorismus, internationaler Drogenhandel – wenn man sie denn bereits als völkerrechtliche Verbrechen anerkennt (str.), bedürfen nicht unbedingt der Involvierung des Staates oder eines ähnlichen Machtgefüges, so dass sich der Begriff der Makrokriminalität nicht mehr als Abgrenzungskriterium eignen wird. Entscheidender ist der Apekt, dass Völkerstrafrecht die schwersten Verbrechen, die die Weltgemeinschaft als Ganzes betreffen, unterbinden will, welche das Potential haben den Frieden, die Sicherheit und das Wohlbefinden der Welt zu bedrohen. Siehe dazu auch: Satzger, Internationales Strafrecht, § 11, Rn. 2; Cryer, International Law, S. 4; Ambos, AT, S. 51 ff., bezeichnet internationale Verbrechen, die von nicht-staatlichen Gruppen begangen werden, als Makrokriminalität im weiteren Sinne, weil auch bei diesen internationalen Verbrechen das nationale Strafrecht versagt und die Opfer ansonsten straflos gestellt würden. 110 Die Auswirkungen der Makroverbrechen reichen viel weiter als bei einem einfachen Verbrechen, weil sie nicht nur das konkret angegriffene Opfer in seinen Rechten verletzen, sondern ganze Gesellschaften zerstören. Sie säen über Generationen Hass und Misstrauen zwischen Völkern, wodurch sie den Frieden der Weltgemeinschaft bedrohen oder tatsächlich beeinträchtigen. Ihre grenzenlos grausamen Begehungsformen schockieren das Bewusstsein der Menschheit und lassen sie jeden Respekt voreinander verlieren, wodurch ein Zusammenleben unerträglich wird. Siehe zum Begriff der Makrokriminalität: Jäger, in: Hankel/Stuby, Strafgerichte, S. 327; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 90 ff. m.w. N.; Cryer, International Law, S. 4; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 109 ff.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

keine Option, weil sich der Täter nicht selbst bestrafen wird. Selbst einem Nachfolgestaat fehlt es meist an der nötigen Objektivität, seine Bürger zur Verantwortung zu ziehen.111 Es muss eine dem Staat übergeordnete objektive Strafverfolgung zur Verfügung stehen. Diese kann logischerweise nur von anderen Staaten oder durch internationale Strafgerichte bewerkstelligt werden. Die Funktion des Völkerstrafrechts ist es daher, die Einhaltung der grundlegendsten Rechte einer Völkergemeinschaft und dadurch den Schutz der Menschheit und den Frieden sicherzustellen.112 2. Durchsetzungsmechanismen des Völkerstrafrechts Der völkerrechtliche Tatbestand der Vergewaltigung kann sowohl von nationalen als auch von internationalen Gerichten angewandt werden. Die Art der Vollstreckung gibt die Aufgabenstellung vor. Wird die Vergewaltigung in Zukunft nur noch vom IStGH allein verurteilt werden, so würde es ausreichen, die Untersuchung auf die materiellen Bestimmungen des IStGH-Statuts zu beschränken und diese zu interpretieren. Wird aber die Vergewaltigung (auch) von nationalen Gerichten unterschiedlicher Länder oder Ad-hoc-Tribunalen verfolgt werden, könnte die Rechtsgrundlage mangels eines universellen Strafgesetzbuchs nur eine völkergewohnheitsrechtliche Strafbestimmung sein. Der Untersuchungsumfang wäre folglich ein ganz anderer, je nachdem für welches Gericht der Tatbestand der Vergewaltigung zu ermitteln wäre. a) „Indirect Enforcement Model“ Da sich die Staaten der Welt bis vor kurzem nicht dazu durchringen konnten, auf ihre Strafgewalt als ein Stück ihrer Souveränität zugunsten einer internationalen Gerichtsbarkeit zu verzichten, haben sie sich darauf beschränkt, sich in mehreren völkerrechtlichen Verträgen zur Vollstreckung zur nationalen Verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen zu verpflichten.113 Um die völkerrechtlichen Verbrechen vor nationalen Gerichten aburteilen zu können, bedarf es der Übernahme der völkerstrafrechtlichen Tatbestände in das staatliche Recht. Gemäß den unter111 Beispiele einer gescheiterten Strafverfolgung eigener Staatsbürger sind die Leipziger Kriegsverbrecherprozesse nach dem Ersten Weltkrieg. Siehe dazu: Ahlbrecht, Geschichte, S. 41 ff. 112 Tomuschat, in: Dinstein/Tabory, War Crimes in International Law, S. 42. Zutreffend weist Triffterer, in: Hankel/Stuby, Strafgerichte, S. 200, darauf hin, dass Sanktionsmechanismen wie z. B. Resolutionen der VN und Menschenrechtskonventionen „ohne Biss“ waren, um die Wahrung der Menschenrechte sicherzustellen. Daher verspricht ein Völkerstrafrecht mehr Durchsetzungskraft. 113 Siehe dazu die Vollstreckungsregelungen einiger völkerrechtlicher Abkommen, die aufgrund eines fehlenden IStGH den nationalen Gerichten die Gerichtsbarkeit zusprechen: Art. 146 IV. Genfer Konventionen, Art. 6 Völkermordkonvention, Art. 85 Zusatzprotokoll I, Art. 4 Zusatzprotokoll II.

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schiedlichen Vorgaben der staatlichen Verfassungen haben sich zwei Arten der dezentralen oder indirekten Durchsetzung von Völkerstrafrecht herausgebildet.114 In den Rechtssystemen, die im englischen „Common Law“-Rechtssystem wurzeln, werden die völkerrechtlichen Vorschriften unmittelbar durch die nationalen Gerichte angewandt, ohne dass es noch einer Transformation in das staatliche Recht bedarf. Die völkerrechtlichen Abkommen und das Völkergewohnheitsrecht werden unmittelbar in nationales Recht übernommen.115 In den „Civil Law“-Rechtsystemen, die auf der kontinentaleuropäischen Rechtstradition beruhen, müssen die völkerstrafrechtlichen Normen zunächst in das staatliche Recht transformiert werden, bevor sie von nationalen Gerichten angewandt werden können. Dies kann sich aus dem Verfassungsrecht des Staates und/oder aus gesetzlichen Garantien ergeben, die eine präzise gesetzliche Normierung von Strafvorschriften verlangen (Gesetzlichkeitsgrundsatz „nullum crimen sine lege“).116 114

Eingeführt wurden die Begriffe des „indirect or direct enforcement model“ von Bassiouni. Er verwendet den Begriff des „direct enforcement model“ für eine rein völkerrechtliche Verurteilung und Strafvollstreckung, ohne nationales Recht heranziehen zu müssen. Da aber selbst die Ad-hoc-Tribunale und der IStGH für die Strafvollstrekkung auf staatliche Hilfe angewiesen sind, ist ein solches Modell eigentlich Utopie. Das „indirect enforcement model“ beschreibt er als staatliche Strafverfolgung einer völkerrechtlichen Verpflichtung nach dem Grundsatz aut dedere, aut judicare. Siehe: Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 37, 110 ff.; Bassiouni, Case W.Res.J.I.L. 15, 1983, S. 29; so auch: Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 217 ff.; Satzger, Internationales Strafrecht, § 11, Rn. 7 ff.; Eichhofer, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 2; Bantekas/ Nash, ICL, S. 9 f.; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 59 f. 115 Nill-Theobald, Defences, S. 36, 38; Triffterer, ÖJZ 1994, 826; Gardocki, ZfRV 30, 1989, S. 130; Wilkitzki, RIDP 60, 1989, S. 264 ff., 267. Als Beispiel des anglo-amerikanischen Rechtskreises wird auf die USA verwiesen. Sowohl das Völkervertragsrecht gemäß Art. VI Section 2 der US-Constitution als auch das Völkergewohnheitsrecht gelten in den USA unmittelbar (Adoptionstheorie). Ohne dass es eines Transformierungsaktes bedarf, stellen sie einfaches Bundesrecht dar. Siehe Ipsen, Völkerrecht, § 73, Rn. 3; The Paquete Habana, 175 U.S. 677, 700; 20 S. Ct. 290 (1900). England (und andere englischsprachige, afrikanische Staaten wie Ghana, Uganda, Nigeria, Tanzania) besitzen keine staatliche Regelung bzgl. der Implementierung von Völkervertragsrecht. Es gilt das Ad-hoc-Prinzip. 116 In Deutschland gilt für das Völkervertragsrecht Art. 59 II GG. Danach bedarf dieses bei Gegenständen der Bundesgesetzgebung, worunter das Strafrecht fällt, zur Geltung in der BRD eines Zustimmungsgesetzes. Art. 25 II GG ist auf das Völkergewohnheitsrecht anwendbar und weist ihm eine Zwischenstellung zwischen Verfassungsrecht und Bundesrecht zu (Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 120). Nach Art. 103 GG und § 1 StGB sind aber nur geschriebene Strafgesetze ausreichende Grundlage für eine strafrechtliche Verurteilung. Daher bedürfen völkerstrafrechtliche Normen der vorherigen Aufnahme in das deutsche Recht. Siehe auch: Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 1031; Bremer, Nationale Strafverfolgung, S. 151 ff.; Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 136; Kreß, Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuches, S. 10; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 60. In Frankreich gehen völkervertragliche Vorschriften den gewöhnlichen, aber nicht den verfassungsrechtlichen Normen vor, wenn sie gemäß Art. 55 der französischen Ver-

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Damit ein Staat ein völkerrechtliches Verbrechen vor seinem nationalen Gericht aburteilen kann, muss er neben einer innerstaatlich ausreichenden rechtlichen Grundlage auch die (völkerrechtliche) Zuständigkeit („jurisdiction“) für die Tat und den Beschuldigten haben. Soweit die Tat auf dem Gebiet des jeweiligen Staates begangen wurde oder der Beschuldigte die Staatsangehörigkeit des Staates besitzt, ist damit ein hinreichender Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit gegeben.117 Dasselbe gilt nach heute herrschender Auffassung, wenn das Opfer die Nationalität des betreffenden Staates besitzt.118 Wenn keiner dieser Anknüpfungspunkte gegeben ist, es sich also um eine reine Auslandstat handelt, kann ein Staat seine Zuständigkeit allenfalls auf den Weltrechtsgrundsatz stützen.119 Das Weltrechtsprinzip gestattet die Verfolgung international als strafwürdig anerkannter Taten unabhängig von Tatort und Staatsangehörigkeit des Täters oder Opfers.120 Die Ahndung dieser Straftaten erfolgt dann nicht im eigenen staatlichen Interesse, sondern im Interesse der Staatengemeinschaft. Daneben kann sich die Zuständigkeit zur Aburteilung von Auslandstaten auch aus dem Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege ergeben. Dieser Grundsatz verleiht dem Staat keine originäre Kompetenz zur Strafverfolgung, sondern erlaubt es nur, einen Beschuldigten abzuurteilen, der in einem anderen Staat eine Straftat begangen hat, aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht an diesen Staat ausgeliefert werden kann. In manchen internationalen Verträgen wird der Grundsatz aufgestellt, dass ein Staat verpflichtet ist, einen Tatverdächtigen auszuliefern oder ihn selbst abzuurteilen („aut dedere aut judicare“).121 fassung rechtmäßig ratifiziert und angenommen wurden. Verstößt allerdings eine Vorschrift gegen das Verfassungsrecht, wird eine Verfassungsänderung notwendig wie für die Implementierung des IStGH-Statuts, Art. 53 franz. Verfassung. Das Völkergewohnheitsrecht ist direkt anwendbar. Allerdings müssen Strafvorschriften schriftlich fixiert sein, so dass es ebenfalls einer Transformierung des Völkerstrafrechts in das staatliche Recht bedarf. In Spanien setzt Art. 96 Abs. 1 der spanischen Verfassung fest, dass offiziell veröffentlichtes Völkervertragsrecht Teil der nationalen Rechtsordnung darstellt. Aber auch in Spanien sind nur geschriebene Strafgesetze zulässig, so dass ein Transformationsakt ins staatliche Recht von Nöten ist, Art. 25 spanische Verfassung i.V. m. Art. 1 und 2 Código Penal. Eine generelle Übersicht zur Implementierung von Völkervertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht in nationale Rechtsordnungen bietet: Cassese, International Law, S. 224 ff. 117 Ambos, Internationales Strafrecht, S. 24 ff., 36 ff., Rn. 4–8, 39–41. 118 Ambos, Internationales Strafrecht, S. 46 ff., Rn. 68–75. 119 Auch in diesem Fall wendet der Staat, der Gerichtsbarkeit ausübt, grundsätzlich sein eigenes (nationales) Strafrecht an; es besteht grundsätzlich nicht die Möglichkeit, eine Tat mit Auslandsbezug nach ausländischem Recht abzuurteilen. Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 25, 27 f. 120 Ambos, Internationales Strafrecht, S. 52 f., Rn. 93; Kreß, ZStW 114, 2002, S. 829; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 21. Siehe zu den einzelnen Strafansprüchen: Ambos, Internationales Strafrecht, S. 24 ff.; Satzger, Internationales Strafrecht, S. 41 ff.

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In der englischsprachigen Literatur wird die Strafverfolgung der internationalen Verbrechen im weiteren Sinne ebenfalls auf das Weltrechtspflegeprinzip gestützt.122 Dies ist jedoch nicht korrekt, denn den Verbrechen, für die in völkerrechtlichen Verträgen das Prinzip „aut dedere aut judicare“ aufgestellt wird, fehlt häufig das für das Weltrechtspflegeprinzip wesentliche Merkmal, dass die Staatengemeinschaft insgesamt betroffen ist. Die extraterritoriale Strafverfolgung beruht in diesen Fällen vielmehr auf dem eigenen Interesse des jeweiligen Staates an der Erfüllung seiner vertraglichen Verbindlichkeiten.123 Die stellvertretende Rechtspflege leitet sich aus der primären Zuständigkeit eines anderen Staates ab, das Weltrechtsprinzip hingegen begründet eine originäre Kompetenz aufgrund der Verteidigung universell anerkannter Werte. Daher erfolgt eine Aburteilung nach dem Weltrechtsprinzip typischerweise gerade in Fällen, in denen der Tatortstaat und der Täterstaat an der Aburteilung des Beschuldigten kein Interesse haben.124 Problematisch und umstritten ist allerdings die Frage, für welche Straftaten und unter welchen Umständen das Weltrechtsprinzip gelten soll. Da die Vergewaltigung nur als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder 121 Ambos, Internationales Strafrecht, S. 65 f., Rn. 116–119; MK-Ambos, vor §§ 3–7, Rn. 51; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 33, 36 f.; Bassiouni/Wise, Aut Dedere Aut Judicare, S. 3 ff. Der Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege ist allerdings im anglo-amerikanischen Rechtskreis nicht anerkannt. Er wird teilweise mit dem Weltrechtsprinzip gleichgesetzt. 122 Siehe z. B.: Bantekas/Nash, ICL, S. 185 f. 123 Kreß, ZStW 114, 2002, S. 829, hat die Begriffskonfusion der völkerrechtlichen Verbrechen im engeren und im weiteren Sinne genau aufgezeigt. Eine saubere Unterscheidung zwischen den Verbrechen im engeren Sinne und dem Weltrechtsprinzip sowie dem Verbrechen im weiteren Sinne und den „extra-territorialen Strafverfolgungskompetenzen“ nach den diversen deliktsspezifischen Übereinkommen findet sich im gemeinsamen Sondervotum Higgins, Kooijmans und Buergenthal, Nr. 41 des IGH-Haftbefehlsfall, Demokratische Republik Kongo gegen Belgien, 14.02.2002, einsehbar auf: www.icj-cij.org. Siehe auch zur Unterscheidung zwischen Verbrechen im engeren und weiteren Sinne: 3. Kapitel I. 1. Ferner zur Darstellung des Haftbefehlsfalls: Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 61, die zwischen der vertikalen Strafhoheit eines internationalen Gerichtshofes und der horizontalen, rein zwischenstaatlichen Ebene unterscheidet: „Die Abgrenzung der Jurisdiktionsbereiche zwischen Staaten und die Abgrenzung der Zuständigkeit eines internationalen Gerichts gegenüber den Staaten folgen nicht den gleichen Regeln. Dass ein internationales Strafgericht dafür zuständig sein soll, Individuen für die Begehung internationaler Verbrechen zu verfolgen, heißt nicht, dass diese Staaten im horizontalen Verhältnis automatisch die gleichen Rechte besitzen. . . . sieht das Statut eines internationalen Spruchkörpers die Aufhebung der Immunität vor, bedeutet das nicht, dass dieselben Personen sich vor den Gerichten eines anderen Staates nicht auf den Grundsatz der Immunität berufen können.“ MK-Ambos, § 1 VStGB, Rn. 12 f., 17: Die Anwendung eines echten Weltrechtsprinzips kann den Staaten nicht verwehrt werden, wenn sie gewisse Sicherheitsstandards beachten: Immunitäten von Amtsträgern, Vorrang des Territorialstaates, Strafverfolgung durch von der Exekutive unabhängige Organe und Beschränkung der Strafverfolgung auf die abscheulichsten Verbrechen innerhalb der Weltgemeinschaft. 124 Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 58.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

als Tathandlung des Völkermords verfolgt werden kann und diese drei Rahmenverbrechen völkerrechtliche Verbrechen im engeren Sinn darstellen, deren Begehung die Staatengemeinschaft insgesamt betrifft (Makrokriminalität), kann grundsätzlich von einer Strafgewalt nach dem Weltrechtsprinzip ausgegangen werden.125 Konkret wird aber weiter unten beim Nachweis einer Strafbarkeit der Vergewaltigung darauf eingegangen, ob das Weltrechtsprinzip für die Vergewaltigung in den einzelnen internationalen Instrumenten vereinbart wurde. b) „Direct Enforcement Model“ Seit dem 01.07.2002 ist es möglich, völkerrechtliche Verbrechen vor einem internationalen Strafgerichtshof (IStGH) abzuurteilen. Damit verfügt die Staatengemeinschaft über einen permanenten zentralen und direkten Mechanismus zur Durchsetzung völkerstrafrechtlicher Strafvorschriften ohne die Hilfe des staatlichen Rechts.126 Weitere Beispiele für einen direkten Durchsetzungsmechanismus, allerdings auf einen bestimmten Zeitraum und Territorium beschränkt, sind die sog. Ad-hoc-Tribunale (z. B. IMG, IMGFO, JStGH, RStGH). Mit der Schaffung des IStGH werden jedoch die nationalen Mechanismen zur Durchsetzung des Völkerstrafrechts keineswegs überflüssig. Aufgrund des Komplementaritätsprinzips (Art. 17 IStGH-Statut) fördert das Statut des IStGH sogar die Aktivität der nationalen Gerichte, indem es den nationalen Gerichten den Vorrang der Gerichtsbarkeit einräumt, während der IStGH seine Gerichtsbarkeit nur subsidiär ausübt, soweit die zunächst berufenen nationalen Gerichte hierzu nicht fähig oder nicht willens sind.127 Ferner ist zu berücksichtigen, dass wesent125 Ipsen, Völkerrecht, § 38 Rn. 5–8; Bassiouni/Wise, Aut Dedere Aut Judicare, S. 3; Zahar/Sluiter, International Criminal Law, S. 171 ff. m.w. N.; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 21 ff., 36; Kreß, JICJ 7, 2009, S. 791 ff., 796 bzgl. der unstreitigen Anwendung des Weltrechtsprinzips auf die schweren Verletzungen der Genfer Konventionen. Ähnlich Ambos, Internationales Strafrecht, S. 54 f., Rn. 95 f., der das Weltrechtsprinzip auf die Verbrechen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Piraterie für anwendbar hält. Siehe außerdem zum Streit über die Weltrechtspflege von Völkerstraftaten in absentia: Kreß, ZStW 114, 2002, S. 818 ff. m.w. N. 126 Bassiouni, Case W.Res.J.I.L. 15, 1983, S. 32; Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999 S. 37, 110 ff.; Bassiouni, Draft International Criminal Code, S. 67 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 217 ff.; Triffterer, ÖJZ 1994, S. 826; Gardocki, ZfRV 30, 1989, S. 130; Nill-Theobald, Defences, S. 39; Satzger, Internationales Strafrecht, § 11, Rn. 9; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 60. 127 Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 227 f.; Werle/Jeßberger, CLF 13, S. 193; Kaul, HuV 1998, S. 138 ff.; Kaul/Kreß, YIHL 2, 1999, S. 145 ff.; Fastenrath, JuS 1999, S. 634; Satzger, Internationales Strafrecht, § 13, Rn. 17 ff.; MK-Ambos, § 1 VStGB, Rn. 21; Clapham, in: Sands, From Nuremberg to The Hague, S. 63 ff. und Sands, in: Sands, From Nuremberg to The Hague, S. 74 f.; Roggemann, NJW 1998, S. 505, 509; Kreß, Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuches, S. 7; Kreß, JICJ 7, 2009, S. 790; Ahlbrecht, Geschichte, S. 383; Barboza, International Criminal Law, S. 27; Gerding, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 284 ff.; Volkmann, Strafverfolgung des Völ-

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liche, bevölkerungsreiche Staaten (USA, Volksrepublik China, Russland) dem IStGH bisher nicht beigetreten sind. Der IStGH ist aber nicht generell zuständig, sondern nach Art. 12 Abs. 2 IStGH-Statut nur unter der Bedingung, dass entweder der Staat, auf dessen Territorium das Verbrechen begangen wurde (Tatortstaat), oder der Staat, dessen Angehöriger der mutmaßliche Täter ist (Täterstaat),128 Vertragspartei des IStGH-Statuts ist.129 Im Übrigen kommt seine Zuständigkeit in solchen Fällen in Betracht, die ihm vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen überwiesen werden (Art. 13 b) IStGH-Statut).130 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der IStGH bei seinen Ermittlungen auf die Zusammenarbeit der betroffenen Staaten, insbesondere des Tatortstaates, angewiesen ist.131 Die Mitgliedstaaten sind zwar rechtlich zur Unterstützung des IStGH verpflichtet. Wenn aber ein Staat nicht wirklich bereit ist, an der Aufkläkermords, S. 339 ff.; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 2-63–2-65; Cryer, ICL, S. 127 ff. Nach Art. 17 IStGH-Statut ist der IStGH erst befugt ein Verfahren an sich zu ziehen, wenn diejenigen Staaten, denen eine Gerichtsbarkeit zustünde, nicht in der Lage sind oder sich weigern, die Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen. Die komplementäre und damit einschränkende Gerichtsbarkeit des IStGH wurde aus politischen Gründen gewählt, um ein Zustandekommen des Gerichts zu gewährleisten und auch weitere Staaten zu motivieren, sich dem Statut anzuschließen. So konnte den Staaten die Sicherheit gegeben werden, dass sie es selbst in der Hand haben, verdächtige Staatsangehörige selbst zu verurteilen. Weitere Gründe sind darin zu sehen, dass die nationalen Gerichte oft in der besseren Lage sind, Zeugen und andere Beweismittel zu beschaffen, wenn sich die Tat in ihrem Land ereignet hat. Ferner sollte die menschliche und finanzielle Belastung der Ausübung der Strafverfolgung nicht gebündelt in Den Haag getragen werden, sondern verteilt über die ganze Welt. 128 Eine Zuständigkeit nach dem passiven Personalitätsprinzip (bei Ratifizierung des Statuts durch den „Opferstaat“) oder gar nach dem Weltrechtsprinzip zu begründen, wurde auf der Staatenkonferenz abgelehnt. Siehe dazu Kaul, HuV 1998, S. 139; Fastenrath, JuS 1999, S. 634; Ahlbrecht, Geschichte, S. 383 f.; Satzger, Internationales Strafrecht, § 13, Rn. 9 f.; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 349 ff.; Gerding, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 272 ff. 129 In Art. 124 ist eine Übergangsregel für Kriegsverbrechen zu dieser Zuständigkeitsvorschrift vereinbart. Bis zu 7 Jahre nach Inkrafttreten des Statuts ist es beigetretenen Staaten möglich, die Strafverfolgung auszuschließen. 130 Eine solche Überweisung ist allerdings nur möglich, wenn keiner der fünf ständigen Mitgliedstaaten mit Veto-Recht gegen die Überweisung stimmt. Ein Beispiel für das Leerlaufen der Zuständigkeit des IStGH ist die prekäre Situation im Israel-Palästina-Konflikt, in dem Palästina das Statut des IStGH nicht ratifizieren kann, weil es keine Staatsqualität besitzt, Israel sich weigert, dem Statut beizutreten und die USA als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates und Freund Israels sein Vetorecht gegenüber einer Zuständigkeitszuweisung an den IStGH ausüben würde. 131 Es existiert weder eine internationale Polizeieinheit, noch eine Vollzugseinheit. Um eine Strafverfolgung vor dem IStGH gewährleisten zu können, müssen die Staaten z. B. Verdächtige ausfindig machen und ausliefern, Ermittler ins Land einreisen, Zeugenaussagen aufnehmen und Zeugen ausreisen und Dokumente einsehen lassen und den Verurteilten schließlich in eine Haftanstalt aufnehmen. Siehe dazu: Cassese, EJIL 9, 1998, S. 10 ff., sowie die Erfahrungen der Chefanklägerin des JStGH Carla del Ponte in: Tolmein, Welt Macht Recht, S. 92 ff.; Art. 29 JStGH-Statut, Regeln 55, 59 bis Rules of Procedure and Evidence; Teil 9, Art. 86 ff. IStGH-Statut.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

rung mitzuwirken, kann er die Tätigkeit des Gerichtshofs faktisch lahm legen. Solange keine allumfassende internationale Gerichtsbarkeit existiert, muss also die nationale Strafverfolgung nach dem Weltrechtsprinzip aufrechterhalten bleiben, wenn man eben diejenigen Täter zur Verantwortung ziehen will, die sich wegen ihrer Machtposition der Zuständigkeit des IStGH entziehen können. Der IStGH wird auch faktisch nie in der Lage sein, alle völkerrechtlichen Verbrechen, die auf der Welt begangen werden, abzuurteilen. Selbst wenn seine Strafverfolgungskompetenz weiter ausgedehnt worden wäre, müsste er sich auf die Verfolgung der „großen Fische“ beschränken.132 Zu hoffen ist allerdings, dass die Errichtung des IStGH die Staaten verstärkt zur Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen auf nationaler Ebene motiviert. Die Staaten können auf diese Weise die Strafverfolgung ihrer Staatsangehörigen durch den IStGH verhindern; außerdem sinkt das Risiko, dass die Verfolgung ausländischer Tatverdächtiger zu Spannungen mit deren Heimatstaaten führt, soweit in solchen Fällen der IStGH von seiner subsidiären Gerichtsbarkeit Gebrauch machen könnte. Das Völkerstrafrecht wird sich zukünftig parallel durch die Rechtsprechung des IStGH und durch diejenige staatlicher Gerichte weiterentwickeln.133 Demzufolge bleibt es notwendig, den Tatbestand der Vergewaltigung nicht allein für die Anwendung durch den IStGH zu bestimmen, sondern für jedes Gericht, das Völkerstrafrecht anwenden will.

II. Die Rechtsfindungsmethode im Völkerstrafrecht Ein zentrales Problem des Völkerstrafrechts stellt die Methode der Rechtsfindung dar. Dies liegt hauptsächlich daran, dass es im Völker(straf)recht an einem Gesetzgeber wie im nationalen Recht fehlt und kein verbindlicher Rechtsentstehungsprozess existiert.134 Der Blick richtet sich zwar in diesem Zusammenhang 132 Meron, AJIL 92, 1998, S. 468; Kreß, Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuches, S. 7. So auch die Arbeitsweise der Tribunale für Ruanda und Jugoslawien, die ihre Anklagen auf Täter der Befehlsebene beschränken. Siehe dazu das Gespräch mit der Chefanklägerin Carla del Ponte in: Tolmein, Welt Macht Recht, S. 94. 133 Gleicher Ansicht: Meron, EJIL 9, 1998, S. 30 f.; Green, ICLQ 29, 1980, S. 569, Schindler, in: FS für Bernhardt, S. 210 f.; Roggemann, NJW 1994, S. 1436–1439, 1438; Kreß, Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuches, S. 8; Werle/Jeßberger, CLF 13, S. 193 f.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 226, der in der direkten Strafgerichtsbarkeit durch den IStGH die Ausnahme sieht. Ebenso vertritt Sands, From Nuremberg to The Hague, S. 68 ff., 89, die Meinung, dass die internationale Gemeinschaft die staatliche Gerichtsbarkeit über völkerrechtliche Verbrechen bevorzugt und den IStGH als einen „Court of last resort“ betrachtet; ähnlich: Cryer, ICL, S. 447 ff., der den Schluss zieht, dass die Ära der Errichtung von Ad-hoc-Tribunalen zu einem Ende gekommen ist. 134 Siehe dazu: Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 124, der kritisiert, dass völkerrechtliche Normen meist politisch motiviert auf einer Ad-hoc-Basis ins Leben ge-

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auf die Rechtsfindung bzw. Rechtsanwendung, nicht auf die Rechtserzeugung. Jedoch wenn man den Tatbestand der Vergewaltigung aus bestehenden völkerstrafrechtlichen Rechtssätzen erkennen will, um ihn anwenden zu können, führt dies logischerweise zu der Frage nach den Entstehungsvoraussetzungen dieser Art der Rechtssätze, der Rechtsquelle. Denn nur wenn man die Entstehungsvoraussetzungen der anwendbaren Rechtsquellen kennt, kann man überprüfen, ob der behauptete Rechtssatz auch tatsächlich wirksam entstanden ist. Diese Überlegung scheint auf den ersten Blick eigenartig, weil einem eine Verbindung der Entstehung einer Norm mit dessen Erkennen und Anwenden nicht gleich in den Sinn kommt. Schließlich unterliegen die Anwendung und die Auslegung von Gesetzen im nationalen Recht anderen Methoden als der Prozess der Rechtsentstehung des Gesetzes. Dies resultiert ganz einfach aus der Gewaltenteilung.135 Im Völkerrecht hingegen, in dem es eine solche Gewaltenteilung nicht gibt, sind die Fragen, ob eine Norm des Völkergewohnheitsrechts besteht und wie Völkergewohnheitsrecht entsteht, eng mit einander verbunden.136 Die Entstehungsvoraussetzungen der Rechtsquelle liefern den Nachweis einer Norm.

rufen und von Diplomaten ausgehandelt wurden, die nicht über die erforderliche Sachkenntnis verfügten. Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 10 f., der diese Entwicklung des Völkerrechts speziell auf das Völkergewohnheitsrecht bezogen, beschreibt; Triffterer, in: Hankel/Stuby, Strafgerichte, S. 175; Müller/Wildhaber, Praxis des Völkerrechts, S. 9; Kimminich/Hobe, Völkerrecht, S. 178 f.; Berber, Völkerrecht, S. 16, 32; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 2-6; Zahar/Sluiter, International Criminal Law, S. 92 ff., die behaupten, dass es keine existierende Rechtsfindungsmethode im Völkerstrafrecht gibt. Ihre These versuchen sie zu beweisen, indem sie hauptsächlich die Arbeitsweise der Ad-hoc-Tribunale hinsichtlich des Nachweises von Völkergewohnheitsrecht unter die Lupe nehmen. Die Kritik an der Vorgehensweise der Ad-hoc-Tribunale kann letztlich nicht überzeugen. Sie scheitert an der eigenen unsystematischen, dogmatisch verfehlten Einordnung der Rechtsquellen und der verschiedenen Instrumente, die als Nachweis einer Staatenpraxis aufgeführt werden. (Z. B. werden GV-Deklarationen als Staatenpraxis und nicht wie eigentlich richtig als Rechtsüberzeugung behandelt, S. 92. Ferner werden die allgemeinen Rechtsgrundsätze, welche die Furundzˇija-Kammer mittels einer Rechtsvergleichung ermittelt hat, als Staatenpraxis in Form von nationalen Rechtsnormen eingestuft: „The Chamber did not claim that the resulting definition of rape was the customary law-definition, althought probably it should be understood as that“, S. 94 f.). 135 Doch ist dieser Gedankengang auch dem innerstaatlichen Recht nicht ganz fremd. Zumindest kann aus verfassungsrechtlichen Gründen nachgeprüft werden, ob ein behaupteter Rechtssatz Gesetzeskraft erlangt hat. Zur Überprüfung wird auf die formelle Rechtmäßigkeit abgestellt, welche sich daraus ergibt, dass die tatsächliche Entstehung des Rechtssatzes mit den für dieses Gesetz (Rechtsquelle) entwickelten Entstehungsvoraussetzungen übereinstimmt. Vergleiche zu diesem Denkansatz die Dissertation Kirchners, Völkergewohnheitsrecht, S. 13. 136 Vgl. dazu: auch Simma, in: FS für Zemanek, S. 97, der es bzgl. des Völkergewohnheitsrechts gerade nicht für nötig hält, zwischen der Entstehung und dem Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm zu unterscheiden; ferner: Zemanek, in: FS für Bernhardt, S. 291; Jennings, SchwJBIR 37, 1981, S. 60; Fastenrath, Lücken, S. 156 ff.; Fastenrath, EJIL 4, 1993, S. 316 ff.; Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 33 ff.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Da somit die Rechtsfindung einer Norm des Völker(straf)rechts mit den Entstehungsvoraussetzungen der Rechtsquelle gekoppelt ist, muss eine jede Rechtsfindung ihren Ausgang von den Rechtsquellen her nehmen. Einigkeit herrscht darüber, dass das Völkerstrafrecht aus den Rechtsquellen des Völkerrechts entsteht137, weil das Völkerstrafrecht zwar Strafrecht zum Gegenstand hat, formell aber ein Teilgebiet des Völkerrechts ist.138 Als Rechtsquellen des Völker(straf)rechts werden von Praxis und Lehre die in Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut aufgeführten Quellen anerkannt.139 Primäre Rechtsquellen des Völker(straf)rechts sind danach das Völkervertragsrecht, das Völkergewohnheitsrecht und die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze. Dagegen werden die Rechtsprechung und Völkerrechtslehre im IGH-Statut nur als sekundäre Rechtsquellen aufgeführt, die dem Rechtsanwender als Hilfsmittel zur Rechtsfindung dienen sollen.140

137 Diesem Verständnis der Anwendung der Völkerrechtsquellen auf das Völkerstrafrecht steht auch nicht der strafrechtliche Einwand des Gesetzlichkeitsgrundsatzes, der einen geschriebenen Straftatbestand zum Zeitpunkt der Tatbegehung fordert, im Wege. Einhellig wird davon ausgegangen, dass der Gesetzlichkeitsgrundsatz aufgrund des gewohnheitsrechtlichen Entstehungscharakters des Völkerstrafrechts nicht geschriebenes Recht erfordert, sondern nur eine Norm überhaupt, die den Eingriff in die Freiheitsrechte eines Individuums rechtfertigt. Siehe dazu die ausführliche Analyse bei Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 35 ff., 92–129; Triffterer, in: Hankel/Stuby, Strafgerichte, S. 218 f.; vgl. desw.: Triffterer-Broomhall, ICC-Commentary, Art. 22 Rn. 25; Ambos, StV 1997, S. 39 ff.; siehe ferner zur Anerkennung der völkerrechtlichen Quellen im Völkerstrafrecht: Simma/Paulus, in: Ascensio/Decaux/Pellet, Droit International Pénal, S. 55; Ambos, AT, S. 41; Kreß, ZStW 111, 1999, S. 599 ff. 138 Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 34; Ipsen, Völkerrecht, § 42, Rn. 1; Ambos, AT, S. 40; Ambos, Internationales Strafrecht, S. 81 f.; Nill-Theobald, Defences, S. 21; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 6 f.; Stuckenberg, GA 2007, S. 80–83. 139 Die völkervertragliche Norm, die die Rechtsquellen bestimmt, auf die der IGH seine Rechtsprechung zu gründen hat, hat unstreitig völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung gefunden. Vgl. Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 35; Fastenrath, Lücken, S. 88 ff., der zwar bemerkt, dass Tendenzen zu einer Erweiterung der Quellentrias zu verzeichnen sind, und damit die Möglichkeit bei der Staatengemeinschaft besteht, andere oder zusätzliche Rechtsquellen festzulegen. Diese Änderung hat sich aber noch nicht vollzogen. Kreß, ZStW 111, 1999, S. 599, der zutreffend Art. 38 I IGH-Statut als Ausgangs- und Orientierungsnorm zur Rechtsfindung im Völkerrecht bezeichnet; ebenso: Jennings, SchwJBIR 37, 1981, S. 60; Nill-Theobald, Defences, S. 25; siehe auch den Versuch Stuckenbergs, GA 2007, S. 80 ff., der internationalen Rechtsprechung einen größeren Stellenwert bei der Rechtsentstehung zuzugestehen. 140 Art 38 Abs. 1 des IGH-Statut nennt die Rechtsquellen des Völkerrechts wörtlich: 1. Internationale Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur, in denen von den streitenden Staaten ausdrücklich anerkannte Regeln festgelegt sind; 2. Das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung; 3. Die von den „Kulturvölkern“ anerkannten Rechtsgrundsätze; 4. Richterliche Entscheidungen und 5. Die Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen.

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Art. 38 IGH-Statut selbst legt keine Hierarchie zwischen den Rechtsquellen fest. Grundsätzlich gelten alle drei Rechtsquellen gleichwertig nebeneinander. Zwischen Völkerrechtsverträgen und Völkergewohnheitsrecht gilt ansonsten das Prioritätsprinzip für die jüngste Rechtsquelle. Danach kann der Vertrag das Völkergewohnheitsrecht konkretisieren und gilt als späteres Recht zwischen den Vertragsparteien vorrangig. Umgekehrt kann eine dem Vertrag folgende, spätere von einer Rechtsüberzeugung getragene Praxis den Inhalt des Vertrages verändern. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze wurden stets nachrangig nach der Auswertung der beiden vorher genannten Rechtsquellen herangezogen.141 Daraus hat sich eine Subsidiarität dieser Rechtsquelle gegenüber den beiden ersten Rechtsquellen ergeben, welche sich darauf zurückführen lässt, dass die allgemeinen Rechtsgrundsätze aus dem nationalen Recht und nicht wie die beiden anderen Quellen aus dem Völkerrecht direkt hergeleitet werden. Doch kommt ihnen aufgrund des rudimentären Regelungsgehalts des Völkerstrafrechts oft die wesentliche Aufgabe zu, die vorhandenen Lücken zu schließen. Es bietet sich zwar an, den völkerrechtlichen Vertrag an erster Stelle zur Rechtsfindung zu Rate zu ziehen, weil er aufgrund seiner schriftlichen Form gegenüber dem ungeschriebenen Völkergewohnheitsrecht meist speziellere und präzisere Regelungen einer Rechtsmaterie enthält. Zu denken ist hier besonders an die von fast allen Staaten der Welt ratifizierten multilateralen Abkommen im humanitären Völkerrecht wie z. B. die Genfer Konventionen. Doch birgt der völkerrechtliche Vertrag einen erheblichen Nachteil speziell für das Untersuchungsziel dieser Arbeit, einen allgemein anerkannten Tatbestand der Vergewaltigung zu finden: Der hier gesuchte Tatbestand soll für jeden Täter, egal welcher Staatsangehörigkeit, bindend sein. Eine alle Staaten (und damit jeden Täter) dieser Welt bindende Wirkung kommt, selbst wenn die multilateralen Verträge eine Quasi-Universalität erreichen, nur dem universellen Völkergewohnheitsrecht zu.142 Die Stärke des Völkergewohnheitsrechts liegt eben darin, auch 141 Vgl. dazu: Brownlie, Principles of Public International Law, S. 3, 15; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I, S. 63; Ipsen, Völkerrecht, § 9 Rn. 2; Kimminich/Hobe, Völkerrecht, S. 197; Bleckmann, Völkerrecht, § 5, Rn. 235–237; Pellet, in: Cassese/ Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 1076 f.; Vitzthum, Völkerrecht, S. 77 f., 1. Abschn., Rn. 154 ff.; Cassese, International Criminal Law, S. 14 f.; Cassese, International Law, S. 188 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 146 f.; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 6 f.; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 2-6–2-15; Eichhofer, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 8; vgl. auch die in Art. 21 Abs. 1 b) und c) IStGH-Statut kodifizierte Hierarchie der Rechtsquellen: 1. Vertragsregeln; 2. Völkergewohnheitsrecht; 3. Allgemeine Prinzipien des Völkerstrafrechts oder allgemeine Prinzipien des Völkerrechts; 4. Allgemeine Prinzipien des Strafrechts, abgeleitet aus den nationalen Rechtsordnungen der Welt. 142 Vgl. dazu: Art. 34 WVK; Ipsen, Völkerrecht § 12, Rn. 23; §16, Rn. 1; Meron, Humanitarian Norms, S. 3 f.

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Staaten zu binden, die sich von multilateralen Verträgen von vornherein fernhalten oder sich im Nachhinein wieder der Vertragsbindung entziehen und somit eine allgemeine Anerkennung einer vertraglichen Norm verhindern können.143 Bisher konnte sich die Staatengemeinschaft noch nicht auf ein universell geltendes völkerrechtliches Abkommen für ein Völkerstrafgesetzbuch einigen, so dass allgemeinverbindliche völkerrechtliche Straftatbestände nur auf universelles Völkergewohnheitsrecht gestützt werden können.144 Insofern sind die völkerrechtlichen Verträge nicht als eigenständige Rechtsquelle heranzuziehen, sondern vielmehr in der Funktion, Völkergewohnheitsrecht nachzuweisen. Ebenso sind die Hilfsquellen der Rechtsprechung und der Völkerrechtslehre unter dem Aspekt der Relevanz für den Nachweis des Völkergewohnheitsrechts zu diskutieren. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Kulturvölker gemäß Art. 38 Abs. 1 c) IGH-Statut hingegen sind für den Nachweis bestehenden Völkergewohnheitsrechts ungeeignet, weil sie weder dem Völkerrecht noch aus einer das Völkerrecht betreffenden Handlung eines Staates (Staatenpraxis) entnommen werden. Sie stellen aber eine primäre Rechtsquelle dar, die wie das Völkergewohnheitsrecht die Völkergemeinschaft universell binden. Da sie nur im Falle einer lückenhaften Regelung nach den zwei anderen Primärquellen zur Anwendung gebracht werden sollen, stehen sie in dieser Untersuchung als subsidiäre Rechtsquelle zur Verfügung. Sie sollen daher erst erörtert werden, wenn sich aus dem Völkergewohnheitsrecht keine Lösung ergibt.145 1. Völkergewohnheitsrecht Art. 38 Abs. 1 b) IGH-Statut stellt die einzige autoritative Definition des Völkergewohnheitsrechts dar und spricht von einer „allgemeinen, als Recht anerkannten Übung“. Eine vergleichbare Regelung wie in Art. 2 WVK zum Entstehungstatbestand eines völkerrechtlichen Vertrags146 ist nicht aufzufinden.147 Das 143 Für ein solches Staatsvorgehen seien hier beispielsweise die USA genannt, die vielen humanitären Zwecken dienenden Abkommen fern geblieben sind, so unter anderem auch dem IStGH-Statut oder Vorbehalte haben einräumen lassen. So konnte sich der IGH im Nicaragua-Fall nicht auf die Genfer Konventionen als völkerrechtliche Verträge berufen, sondern durfte sie nur als deklaratorisches Völkergewohnheitsrecht berücksichtigen, ICJ Rep. 1986, S.113 ff.; auch zitiert bei: Meron, Humanitarian Norms, S. 25 ff. 144 Glaser, ZStW 76, 1964, S. 517. 145 Eichhofer, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 8; ähnlich: Bantekas/ Nash, ICL, S. 6, Fn. 17, die ein internationales Verbrechen nur auf der Basis von Völkervertrags- oder Völkergewohnheitsrecht anerkennen. 146 Siehe die Ausführungen unten zum völkerrechtlichen Vertrag. 147 Vgl. dazu Fastenrath, EJIL 4, 1993, S. 316 ff.; Jennings, SchwJBIR 37, 1981, S. 67 f. Die Literatur hat diesen Mangel zwar erkannt und in zahlreichen Theorien versucht, die Entstehungsvoraussetzungen und den Geltungsgrund des Völkergewohnheitsrechts zu bestimmen. Sie hat sich aber bedingt durch die unterschiedlichen Ansätze,

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Gewohnheitsrecht entsteht aus einem objektiven und einem subjektiven Element: eine allgemeine, dauerhafte und einheitliche Übung von Völkerrechtssubjekten und die Anerkennung der Übung als Recht („opinio juris sive necessitatis“). Die für die Rechtsfindung interessierenden Fragen, wie und durch wen diese Entstehungsmerkmale erfüllt werden können und welches Gewicht einzelnen Handlungen oder Dokumenten beigemessen werden soll, werden durch diese klassischen Merkmale nicht beantwortet. Sie lassen die Annahme einer rechtmäßigen Normentstehung im Einzelfall eher willkürlich erscheinen.148 Solange sich die Völkerpositivistische Schule und Naturrechtslehre, nicht auf eine Entstehungstheorie einigen können, so dass eine Analyse der einzelnen Theorien zu keiner Feststellung eines Entstehungstatbestands beitragen kann. Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 13–52, hat die unterschiedlichen Ansätze zur Geltung und Entstehung des Völkergewohnheitsrechts in der Literatur diskutiert und kommt auf S. 53–59 zum Ergebnis, dass eine allgemein akzeptierte Theorie des Völkergewohnheitsrechts nicht existiere und eine solche Untersuchung aufgrund der unterschiedlichen rechtstheoretischen Ansätze unweigerlich in eine Sackgasse führen müsse. Stattdessen seien die Theorien auf einen Mindestkonsens hin zu untersuchen, den er in den folgenden dargestellten Komponenten der Übung und der Rechtsüberzeugung erreicht sieht. Siehe zum Theorienstreit auch Fastenrath, Lücken, S. 96 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 551; Bleckmann, Methodenlehre, S. 19 ff. 148 Diese Uneinigkeit in der Entstehung des Völkergewohnheitsrechts hat zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen hinsichtlich der zu verlangenden Nachweise in der Literatur geführt. Zum Teil wird die Rechtsüberzeugung als das entscheidende Kriterium der Entstehungsvoraussetzungen des Völkergewohnheitsrechts angesehen, zum Teil der Staatenpraxis ein höheres Gewicht eingeräumt. Gerade im Völkerstrafrecht ist eine Diskussion entstanden, ob allein auf die „opinio juris“ bzw. „Verbalpraxis“ beim Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Strafnorm abgestellt werden kann, weil die meisten Staaten sich zwar verbal zu einer völkerstrafrechtlichen Norm bekennen, sich aber bei der tatsächlichen staatlichen Durchsetzung der Norm eher zurückhalten oder sie gar brechen. Nach der modernen Auffassung ist es unerheblich, ob sich über eine Verbalpraxis hinaus überhaupt ein faktisches Staatshandeln feststellen lässt. Die „opinio juris“ kompensiert sozusagen die fehlende bzw. gegenläufige Praxis auf diesem Rechtsgebiet. Dies würde den Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Strafnorm erheblich erleichtern. (Vgl. dazu: Meron, AJIL 90, 1996, S. 240; Meron, Humanitarian Norms, S. 41, 113 f., 131 f.; Akehurst, BYBIL 47, 1974/75, S. 1–8; Jennings, SchwJBIR 37, 1981, S. 70; Baxter, BYBIL 41, 1965/66, S. 275, 300; D’Amato, Concept of Custom, S. 74–87; Cheng, IJIL 5, 1965, S. 23 ff.; Bleckmann, Völkerrecht, § 5, Rn. 205; Zemanek, in: FS für Bernhardt, S. 291 ff.; Cassese/Weiler-Meron-Cassese-Brownlie-Suy, Change and Stability; Zahar/Sluiter, International Criminal Law, S. 92 f.; Bantekas/ Nash, ICL, S. 3; eher befürwortend, aber offengelassen: Kreß, ZStW 111, 1999, S. 602; Kreß, EuGRZ 1996, S. 646; ferner: Süd-West Afrika-Fälle, Dissenting Opinion of Judge Tanaka, ICJ Rep. 1966, No. 4, S. 291; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 99.) Es lassen sich erhebliche Argumente gegen eine Priorität der Verbalpraxis bei nicht ergiebiger tatsächlicher Praxis anführen. Es handelt sich bei Äußerungen der Staaten eben nicht um Taten, sondern nur um Worte. Dogmatisch gesehen fehlt ein wichtiges Element des ungeschriebenen Völkergewohnheitsrechts, nämlich die Gewohnheit an sich, die diese Rechtsquelle von einem Vertrag oder einem allgemeinem Rechtsgrundsatz abgrenzt. Selbst wenn es der heutigen Vorgehensweise der Regierungen entspricht, sich auf internationalen Konferenzen anzunähern, so geschieht dies gerade, weil sich die Regierungen sicher sind, dass was immer sie auf Konferenzen sagen, es sie nicht zur

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

gemeinschaft aber nicht auf einen eindeutigen Entstehungstatbestand des Völkergewohnheitsrechts geeinigt hat, bleibt nichts anderes übrig, als die Mindestanforderungen auszulegen und zu versuchen, die dem Völkerstrafrecht zur Verfügung stehenden Dokumente nach den beiden Entstehungselementen zu klassifizieren. Unproblematisch ist, dass die Übung auch heute noch als Staatenpraxis149 zu verstehen ist und dass sie von allen Staatsgewalten gesetzt werden kann. Es ist Einhaltung der geäußerten Verhaltensprinzipien rechtlich verpflichten kann. Der normale Prozess, bindendes Recht ohne eine Praxis zu erzeugen, ist der Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags. Wenn man sich gerade auf einer internationalen Konferenz mit der naheliegenden Möglichkeit, einen bindenden Völkervertrag abzuschließen, entzieht, beweist das eher, dass ein bindender Konsens der Staaten nicht vorgelegen hat. Hinzu kommt noch, dass sich die Delegierten sicher sind, dass den Äußerungen keine sofortige Bindungswirkung aus nationalen verfassungsrechtlichen Gründen zu Teil wird und sie auch einem Beschluss einer internationalen Konferenz oft zustimmen, nicht weil sie mit dem Inhalt übereinstimmen, sondern, weil es nicht schadet, dafür zu sein, wenn ihm sowieso keine Wirkung zukommt, was natürlich den vordergründig erscheinenden Konsens der Staaten aufgrund des anderweitigen Motivs in Frage stellt. Dass die Staatsäußerungen nicht mit der Praxis gleich zu stellen sind, beweist schon, dass nicht jede Staatsäußerung durch eine folgende Praxis bestätigt wird. Ein weiterer Nachteil ist, dass wenn den Staatsäußerungen zu viel Wert beigemessen wird, dass dies zu einem in Zukunft zurückhaltenden Verhalten der Staaten führen würde, solche Äußerungen überhaupt zu machen, welches wiederum den Rechtserzeugungsprozess erlahmen ließe. So hat auch der IGH im Süd-West-Afrika-Fall sich eindeutig erklärt, dass humanitäre Erwägungen die Grundlage von Rechtsnormen sein können, sie aber erst dann zu Recht werden, wenn sie einen ausreichenden Ausdruck in einer Rechtsform finden. Wie schon eingangs erwähnt, muss eine Rechtsnorm einen bestimmten Rechtserzeugungsprozess durchlaufen, um zu positivem Recht zu werden und die Befolgung dieses Rechtserzeugungsprozess ist zur Rechtsfindung nachzuweisen. Humanitäre Gründe dürfen nicht dazu führen, dass dieser Prozess umgangen wird. Daher geht die h. M. davon aus, dass eine Verbalpraxis allein ohne einen Nachweis der Staatenpraxis nicht ausreicht. (Danilenko, Law-Making in the International Community, S. 91; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, § 566; Cassese/Weiler-Arangio-Ruiz, Change and Stability, S. 108, 132; Cassese/Weiler-Weiler, Change and Stability, S. 122; Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 34–39; Herdegen, Völkerrecht, § 16, Rn. 6, § 20 Rn. 1; Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 59; Bassiouni/Wise, Aut Dedere Aut Judicare, S. 46–48; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 139, 142; Nicaragua-Fall, ICJ Rep. 1986, S. 98; Süd-West AfrikaFall, ICJ Rep. 1966, S. 34.) Dieser Ansicht steht aber nicht entgegen, der „opinio juris“ eine erhöhte Bedeutung beim Rechtsentstehungsprozess einer völkergewohnheitsrechtlichen Strafnorm beizumessen als der tatsächlichen Staatenpraxis. 149 In den letzten Jahren hat sich eine Veränderung in der Kommunikation der Staaten miteinander vollzogen. Die Foren internationaler Organisationen und internationaler Konferenzen haben dazu geführt, dass sich alle Staaten zu einer Rechtsfrage äußern und so zu einem Konsens in der Gemeinschaft in kürzester Zeit beitragen können. Daraus haben einige Autoren und auch Staaten (siehe z. B. die Position Liberias und Äthiopiens im Süd-West-Afrika Fall, zitiert bei Danilenko) die Schlussfolgerung gezogen, dass nicht nur Staaten eine zur Gewohnheit werdende Übung setzen könnten, sondern dass auch den Völkerrechtssubjekten der Internationalen Organisationen, im besonderen der VN-Generalversammlung, mittels Beschlüssen rechtssetzende Befugnis zustehe. Dies wird aber von der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung, insbesondere des IGH, entschieden verworfen. Zu Recht weisen ihre Vertreter daraufhin, dass die VN-Charta die GV ausdrücklich nicht mit einer über den organisationsinternen Bereich hinausge-

II. Die Rechtsfindungsmethode im Völkerstrafrecht

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zwar zu bedenken, dass mit einer Staatenpraxis eine Verpflichtung auf internationaler Ebene geschaffen werden soll und grundsätzlich die Organe, die für die internationalen Beziehungen zuständig sind (wie etwa das Außenministerium), die zugewiesene Aufgabe haben, eine bestimmte Rechtsposition im Völkerrecht gut zu heißen. Jedoch können faktisch gesehen alle Staatsgewalten zu einer Entstehung einer international bedeutsamen Rechtsposition eines Staates beitragen.150 Diese Auffassung wird auch vom IGH bestätigt, der zur Feststellung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts nicht nur Akte der Exekutive, sondern auch Akte der Legislative (Gesetze) und vor allem Akte der Judikative (Urteile nationaler Gerichte) herangezogen hat.151 Weder aus der völkerrechtlichen Rechtsprechung noch aus den Lehrmeinungen ergibt sich eine klare Linie, welche Verhaltensweisen der verschiedenen Staatsorgane eine Übung begründen können. Letztlich entscheidendes Kriterium für die Frage, ob ein Staatsverhalten

henden Gesetzgebungskompetenz ausgestattet hat. Beschlüssen der GV wurde nur der Rechtscharakter einer Empfehlung zugestanden (Art. 10–14 VN-Charta). Ebenso besitzen auch andere internationale Organisationen aufgrund ihrer Verfassung keine generelle Normsetzungsbefugnis. Sie sind nach ihren Verfassungen nur zu organisationsinternen einzelnen konkreten Anordnungen befugt (vergleichbar mit einer Art Anstaltsrecht). Um der VN-GV nachträglich eine gesetzgebende Funktion einzuräumen, bedürfte es einer förmlichen Satzungsänderung der VN-Charta (Art. 108 f) oder eines formlosen Staatenkonsens. In beiden Situationen müssten der Änderung zwei Drittel der Mitgliedsstaaten einschließlich aller ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates zustimmen oder sich ihr widerspruchslos fügen. Da diese Voraussetzungen einer Verfassungsänderung der VN-Charta bisher nicht vorlagen, kann den Beschlüssen auch nicht entgegen der bestehenden Verfassung eine solche Rechtssetzungsgewalt zugesprochen werden. Damit soll aber nicht die beschleunigende Wirkung des sog. „soft laws“, speziell der mit überwältigender Mehrheit angenommenen VN-GV Resolutionen, auf den Normerzeugungsprozess heruntergespielt werden. Der Frage, inwieweit diese Beschlüsse helfen können, den Nachweis einer Rechtsüberzeugung zu erbringen, ist an späterer Stelle nachzugehen. Festzuhalten ist hier lediglich, dass solchen Beschlüssen Internationaler Organisationen keine quasi-legislative Wirkung zukommt, sondern allein die Staaten die Akteure des Völkergewohnheitsrechts sind. Vgl. dazu: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 634 ff. m.w. N.; Simma, in: Bernhardt/Delbrück/Münch/Rudolf, Fünftes deutsch-polnisches Juristenkolloquium, S. 48 ff.; Skubiszewski, in: Bernhardt/Delbrück/ Münch/Rudolf, Fünftes deutsch-polnisches Juristenkolloquium, S. 14 f. Bleckmann, Völkerrecht, § 5 Rn. 225 f.; Ipsen, Völkerrecht, § 18, Rn. 18 ff.; Herdegen, Völkerrecht, § 14, Rn. 4; § 20 Rn. 1; Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 175 m.w. N.; Danilenko, Law-Making in the International Community, S. 88 ff.; Tammes, RdC 94, 1958 II, S. 337 ff.; Nill-Theobald, Defences, S. 29 f. 150 Vgl. dazu: Brownlie, Principles of Public International Law, S. 5; Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 6; Bleckmann, Völkerrecht, § 5, Rn. 198; Danilenko, Law-Making in the International Community, S. 84; Zemanek, in: FS für Bernhardt, S. 291 ff., 299 ff.; Stuckenberg, GA 2007, S. 85 f. 151 Fangfischerei-Fall, ICJ Rep. 1951, S. 134: Der Gerichtshof berief sich nicht nur auf Verhalten der für auswärtige Beziehungen zuständigen Organe, sondern auch auf Akte der Legislative und Judikative; Lotus-Fall, PCIJ Ser. A 1927, No. 10, S. 23, 28– 31; Danilenko, Law-Making in the International Community, S. 84; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 622; Bos, Methodology, S. 228 ff., insbes. S. 234–236.

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zur Begründung einer Übung geeignet ist, kann nicht die Handlungsweise an sich, sondern muss der Bezug des Staatsverhaltens zum Völker(straf)recht sein. Denn bezieht sich das Staatsverhalten nicht auf ein völkerrechtliches Problem, so kann aus dem Staatsverhalten auch kein Völkergewohnheitsrecht entstehen.152 Damit kann festgehalten werden, dass jedes Tun, Dulden und Unterlassen153 aller drei Staatsgewalten eine Übung begründen kann, sofern dieses mit einer völkerrechtlichen Problemstellung verknüpft ist. Die Staatenpraxis kann aber nach dem Wortverständnis nur zu einer Gewohnheit werden, wenn sie „allgemein, dauerhaft und einheitlich“ ausgeübt wurde.154 Allgemein ist eine Übung, wenn sie in der Staatengemeinschaft verbreiteten Anklang gefunden hat, also nicht nur zwischen den streitenden Völkerrechtssubjekten anerkannt ist. Somit steht zwar fest, dass sich nicht alle Staaten der Welt an der fraglichen Übung beteiligt haben müssen, wie viele Staaten aber nun notwendig sind, um von einer allgemeinen Übung ausgehen zu können, ist damit nicht geklärt. Entscheidend für das erforderliche Maß der Verbreitung sind die Umstände des Einzelfalls. Die herrschende Meinung sowie die Rechtsprechung internationaler Gerichtshöfe gehen davon aus, dass eine geringe Anzahl von Staaten (nicht mehr als 10 Staaten) zur Begründung einer allgemeinen Übung ausreicht und, dass das Merkmal der Allgemeinheit dann zu bejahen ist, wenn diejenigen Staaten sich beteiligt haben, deren Interessen berührt sind sowie solche, die verschiedene sozio-politische Systeme repräsentieren.155 Ferner ist in diesem 152

So auch: Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 141. Eine internationale Gewohnheit kann auch in einem Unterlassen liegen, wenn in einer konkreten Situation ein aktives Handeln von einem Staat erwartet werden konnte, weil seine Rechte oder Interessen betroffen waren. Im Völkerstrafrecht könnte es sich um ein Unterlassen einer Staatsgewalt handeln, wenn z. B. kein Strafverfahren durchgeführt bzw. der Täter nicht ausgeliefert wird, obwohl der Staat die Strafgewalt inne hat und der Täter sich auf seinem Gebiet aufhält. Auch kann ein fehlender Widerspruch eines Staates zur Strafverfolgung seines Staatsangehörigen in einem anderen Staat als ein Unterlassen gewertet werden. Ferner kann das Unterlassen von bestimmten Handlungen wie z. B. der Einsatz bestimmter Waffen, ein Verbot begründen. Es reicht aber nicht, wenn der Staat aus Indifferenz oder Unkenntnis untätig bleibt. Oft bleiben Staaten aus Courtoisie oder Zweckmäßigkeit untätig. Im Lotus-Fall, PCIJ Ser. A, 1927, No. 10, S. 28, wehrte sich Frankreich gegen eine türkische Strafverfolgung seines Staatsangehörigen mit der Begründung, dass keine Gewohnheit bestehe, eine Strafgewalt über einen fremden Staatsangehörigen auszuüben. Das Gericht war allerdings anderer Meinung und bewertete die häufig unterlassene Strafverfolgung nicht als ein Unterlassen der Staaten, weil die Staaten sich nicht verpflichtet gefühlt hätten, von einer Strafverfolgung abzusehen, sondern dies vielmehr aus Courtoisie bzw. Zweckmäßigkeit getan hätten. Siehe dazu: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 58; Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 19. 154 Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 4 ff.; Stuckenberg, GA 2007, S. 86. 155 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 556 ff.; Bleckmann, Völkerrecht, § 5, Rn. 198; Bleckmann, ZaöRV 36, 1976, S. 394 ff.; Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 11; Bos, Methodology, S. 231 ff.; Herdegen, Völkerrecht, § 16, Rn. 3; Archbold, Internatio153

II. Die Rechtsfindungsmethode im Völkerstrafrecht

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Zusammenhang zu berücksichtigen, ob sich Staaten gegen eine solche Übung gewehrt haben.156 Überträgt man diese völkerrechtliche Interpretation auf das Völkerstrafrecht, so spielt bei der Frage der Allgemeinheit eine Rolle, ob sich Staaten verschiedener Rechtskreise (wie des „Civil Law“ und des „Common Law“-Rechtskreises) einer Übung angeschlossen haben. Auch kommt besonderes Augenmerk dem Verhalten der Staaten zu, die mit einem völkerrechtlichen Verbrechen konfrontiert werden; außerdem spielt die Frage eine Rolle, ob sich Staaten gegen die jeweilige Regelung ausgesprochen haben. An die Dauer der Übung werden heutzutage keine so hohen Anforderungen mehr gestellt wie früher, dennoch kann nicht ganz auf sie verzichtet werden, weil sie das entscheidende Anzeichen für den Übergang von einer singulären Staatshandlung zu einer Gewohnheit ist. Gewohnheitsrecht wurde früher ungeschrieben und unbewusst durch ein Aneinanderreihen von Ereignissen in Gang gebracht. Der Entstehungsprozess war dementsprechend langwierig bis sich mehrere Staaten zu einer Rechtsfrage äußern oder sich durch eine Handlung offenbaren konnten. Heute werden auf internationalen Konferenzen in kürzester Zeit Stellungnahmen sowie Reaktionen auf die Beschlüsse der Konferenzen einer Vielzahl von Staaten ersichtlich. Die Gewohnheit wird sozusagen förmlich auf diesen internationalen Foren eingeleitet und in gesetzesähnlichen Formulierungen festgehalten.157 Grund dafür ist, dass die Globalisierung sich auch im Völkerrecht bemerkbar macht. Schnelllebigkeit und das Bedürfnis im humanitären Völkerrecht, von einem Tag zum anderen reagieren zu müssen, haben dazu geführt, dass keine hohen Anforderungen mehr an die Dauer gestellt werden.158 Eine präzise Zeitangabe zur Entstehungsphase kann jedoch nicht gemacht werden. Die Entstehungszeit muss in Verbindung mit den anderen Kriterien des Gewohnheitsrechts bewertet werden. Eine äußerst kurze Dauer wird durchaus als ausreichend angesehen, wenn die Übung von einer starken Rechtsüberzeugung begleitet wird.159 Einheitlich ist eine Übung, wenn sich eine für die Völkergemeinschaft repräsentative Zahl von Staaten übereinstimmend zu einem Rechtsproblem verhalten hat. Einzelne Abweichungen sind für die Einheitlichkeit des Staatenverhaltens

nal Criminal Courts, Rn. 2-11; Nordsee-Festlandsockel-Fall, ICJ Rep. 1969, S. 42 f. A. A.: D’Amato, Concept of Custom, S. 42; Suy, Les actes juridiques, S. 249 f., 260 ff., die nur einige Staaten bzw. einen Staat für eine Übung genügen lassen. 156 Advisory Opinion on the Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ. Rep. 1996, S. 226, Para. 254-5; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 2-12; Eichhofer, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 6; siehe auch Bleckmann, ZaöRV 36, 1976, S. 374 ff. zur Überwindung von Widersprüchen in der Staatenpraxis. 157 Cassese/Weiler-Stein, Change and Stability, S. 13; Cassese/Weiler-Cassese, Change and Stability, S. 166. 158 Herdegen, Völkerrecht, § 16, Rn. 4. 159 Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 8 f.; Bernhardt, ZAöRV 1976, S. 66; Nordsee-Festlandsockel-Fall, ICJ Rep. 1969, S. 43.

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unschädlich; sie sind eher als Verletzungen der völkergewohnheitsrechtlichen Norm zu verstehen.160 Es ist offensichtlich, dass alle drei Merkmale, die eine Übung zur Gewohnheit werden lassen, relativ zu betrachten sind. Sie lassen sich nicht abstrakt erfassen. Vielmehr hängt die Bewertung dieser Kriterien von der Problemstellung ab.161 Sie sollte aber stets so durchgeführt werden, dass alle drei Merkmale zusammen mit dem subjektiven Element bewertet werden.162 Denn kann festgestellt werden, dass ein Merkmal der Übung im überwiegenden Maße erfüllt wird oder aber von einer intensiven Rechtsüberzeugung getragen wird, sind die Anforderungen an ein anderes Merkmal zu senken. Das subjektive Entstehungselement des Gewohnheitsrechts, die Rechtsüberzeugung („opinio juris“), dient dazu, die tatsächliche Staatenpraxis von reiner Courtoisie abzugrenzen.163 Unter der „opinio juris“ versteht man, dass der Staat bei seinem Handeln davon ausging, dazu rechtlich verpflichtet zu sein; er wollte sich somit rechtsgetreu verhalten. Genauso wie die Staatenpraxis muss die Rechtsüberzeugung nicht von jedem Staat der Völkergemeinschaft geteilt werden. Es genügt, wenn sie allgemein vorliegt.164 Aufzufinden ist eine Rechtsüberzeugung in jeder Staatsäußerung wie Berichten, diplomatischen Korrespondenzen, offiziellen Erklärungen, gleichgültig welcher Form. Sie kann aber auch aus einem Staatsverhalten selbst entnommen werden, wenn z. B. in einem Urteil oder einem staatlichen Gesetz die fragliche Rechtsansicht zum Tragen kommt.165 Im materiellen Völkerstrafrecht haben internationale Dokumente wie völkerrechtliche Verträge, Resolutionen des Sicherheitsrates bzw. der Generalversammlung, Entwürfe und Berichte der Völkerrechtskommission und anderer privater Institutionen und die internationale Rechtsprechung zum Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm Bedeutung erlangt. Auch nationale Gerichtsurteile, 160 Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 10; Nicaragua-Fall, ICJ Rep. 1986, S. 98. Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 67, sieht in der Gleichförmigkeit das eigentliche Problem des Nachweises des Völkergewohnheitsrechts. Denn die „zunehmende Heterogenität einer ständig wachsenden Staatengemeinschaft {führt} dazu, dass der ohnehin diffizile Nachweis einer gleichförmigen Verhaltensweise immer schwerer fallen muss.“ 161 Handelt es sich um einen Sachverhalt, der nur wenige Staaten berührt, kann keine Reaktion zahlreicher Staaten gefordert werden. 162 Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 63 f. m.w. N. 163 Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 12 ff.; Nordsee-Festlandsockel-Fall, IJC Rep. 1969, S. 44; Stuckenberg, GA 2007, S. 86. 164 Lotus-Fall, PCIJ Ser. A, 1927, No. 10; Asyl-Fall, ICJ Rep. 1950, S. 266; Fischerei-Fall, ICJ Rep. 1951, S. 116; Nottebohm-Fall, ICJ Rep. 1955, S. 4; Nordsee-Festlandsockel-Fall, IJC Rep. 1969, S. 3; zit. in: Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 15; Bleckmann, ZaöRV 36, 1976, S. 394. 165 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 355; Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 62 f. m.w. N.; Bos, Methodology, S. 273 ff., 241; Bleckmann, ZaöRV 36, 1976, S. 383.

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die staatliche Gesetzgebung und Militärhandbücher haben dabei Berücksichtigung gefunden.166 Diese im Völkerstrafrecht relevanten Instrumente müssen nach den zwei Elementen des Völkergewohnheitsrechts bewertet werden. Es ist möglich, dass sich einem Dokument sowohl eine Staatenpraxis als auch eine Rechtsüberzeugung entnehmen lassen. Ferner ist zu beachten, dass den zu untersuchenden Instrumenten eine Doppelfunktion bei der Rechtsfindung zu Teil werden kann. Nicht nur, dass sie unter einen der Entstehungstatbestände des Völkergewohnheitsrecht subsumiert werden können, somit also die Geltung der Norm begründen, zum anderen können sie auch bei der Feststellung des Inhalts der Norm behilflich sein.167 Es soll im Folgenden die Wirkung dieser Instrumente für den Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm bewertet werden. a) Völkerrechtliche Verträge Die Entstehungsvoraussetzungen eines völkerrechtlichen Vertrages sind in Art. 2 Abs. 1 a) der Wiener Vertragskonvention (WVK) fixiert.168 Die Art. 31– 33 WVK enthalten die dazugehörigen Interpretationsregeln.169 Da die meisten 166 Vgl. die Prüfungsliste für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht in: Prosecutor v. Krstic´, IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 541 ff.; siehe auch die Liste der wichtigsten Rechtsquellen und Rechtserkenntnisquellen des Völkerstrafrechts in: Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 141, 143 ff. 167 Die Unterscheidung bei der Rechtsfindung zwischen dem Nachweis der Geltung und dem Nachweis des Inhalts einer Norm macht besonders Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 163, deutlich, der darauf hinweist, dass ein völkerrechtlicher Vertrag zum einen eine „opinio juris“ darstellen kann, zum anderen den Inhalt der völkergewohnheitsrechtlichen Norm durch die inhaltlichen Formulierungen vorgeben kann. 168 Ein gleichlautender Artikel existiert auch für Verträge zwischen Staaten und Internationalen Organisationen oder zwischen Internationalen Organisationen in Art. 2 Abs. 1 a) WVKIO. 169 Die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags nach Art. 31 Abs. 1 WVK geht vom Wortsinn aus (grammatische Auslegung) und zieht als ergänzendes Kriterium den historischen Willen der Vertragsparteien (historische Auslegung) hinzu. Daneben sind der Textzusammenhang, in dem eine Vertragsbestimmung steht sowie alle weiteren anwendbaren Völkerrechtssätze zwischen den Parteien zu beachten (systematische Auslegung). Art. 31 Abs. 2 und 3 benennen die Urkunden, die im Wege der auf den systematischen Zusammenhang abstellenden Auslegung neben dem Vertragstext heranzuziehen sind. Zudem ist der Sinn und Zweck des gesamten Vertragswerks (teleologische Auslegung) zu berücksichtigen. Die Auslegungsregeln der WVK bieten aber kein abgeschlossenes System und das Verhältnis der verschiedenen Auslegungskriterien ist unklar. Sollten die unterschiedlichen Auslegungsregeln verschiedene Ergebnisse erzielen, soll es gemäß Art. 31 Abs. 1 WVK entscheidend auf den objektiven Parteiwillen, wie er im Vertragstext erscheint, ankommen. Daneben berücksichtigt die Praxis einige Vermutungsregeln. So wird bei multilateralen Verträgen, die auf eine langfristige Zusammenarbeit in einem Bereich angelegt sind (z. B. Menschenrechtsverträge, Konventionen zum humanitären Völkerrecht, die gerade für diese Arbeit interessieren), die Auslegung besonders auf das gemeinsame Vertragsziel und dessen dauernder Förderung abzustellen haben. Eingehend dazu: Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge; Bernhardt, GYIL 42, 2000, S. 11 ff.; Ipsen, Völkerrecht, § 11; Herdegen, Völkerrecht, § 15,

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Vorschriften der WVK, so auch die Auslegungsgrundsätze, kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht darstellen, erlangen sie über die Vertragsstaaten hinaus universelle Geltung.170 Bei einem Vertrag handelt es sich um eine eigenständige Rechtsquelle, die vom Gewohnheitsrecht zu unterscheiden ist und deren Verbindlichkeit zwischen den beteiligten Parteien keine direkte Auswirkung auf das Völkergewohnheitsrecht hat.171 Beide Rechtsquellen entstehen jedoch nicht völlig losgelöst von einander, sondern beeinflussen sich gegenseitig. So ist das materielle Völker(straf)recht zwar nach seiner Entstehungsart Gewohnheitsrecht. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat jedoch ein Prozess der Kodifizierung des Völkergewohnheitsrechts eingesetzt und bestehendes Völkergewohnheitsrecht in völkerrechtlichen Verträgen schriftlich fixiert. Seit einigen Jahren hat sich das Verhältnis zwischen Vertrag und Gewohnheitsrecht verändert. Heute ist häufig der erste Schritt ein völkerrechtlicher Vertrag, dessen beinhaltende Verhaltensprinzipien von den Staaten befolgt werden und so eine Übung entstehen lassen.172 Aus diesem einander beeinflussenden Verhältnis sind drei Wirkungen des Vertrags auf das Gewohnheitsrecht festzuhalten.173 Der völkerrechtliche Vertrag kann bereits bestehendes Völkergewohnheitsrecht deklarieren („lex lata“).174 In dieser Fall-

Rn. 4–5, 28–33 m.w. N.; Bleckmann, Methodenlehre, S. 9 ff. m.w. N.; Fastenrath, Lücken, S. 200 ff.; Ambos, AT, S. 378 ff.; Vitzthum, Völkerrecht, S. 62 f., 1. Abschn. Rn. 123 f.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 171 ff.; Satzger, Internationales Strafrecht, S. 253 ff. 170 Bernhardt, GYIL 42, 2000, S. 11; Herdegen, Völkerrecht, § 15, Rn. 4, 29; Cassese, International Criminal Law, S. 17; Cassese, International Law, S. 179; ÖlplattformFall, ICJ Rep. 1996, Nr. 23, S. 803, 812. 171 Es ist stets zwischen der Vertragsnorm und der völkergewohnheitsrechtlichen Norm zu trennen. Nur die völkergewohnheitsrechtliche Norm bewirkt wohlgemerkt die universelle Bindung der Weltgemeinschaft. Nicht zu unterschätzen ist allerdings, dass einer Norm ein erhöhter moralischer Wert zur Befolgung beigemessen wird, die sowohl auf einem multilateralen Vertrag als auch auf Gewohnheitsrecht basiert. Schließlich hängt die Befolgung des Völker(straf-)rechts wegen seiner schwierigen Durchsetzbarkeit hauptsächlich von der Moral der Staaten ab. So auch: Iranischer Geiselnahme-Fall, ICJ Rep. 1980, Nr. 3, S. 31: „. . . merely contractual . . . but also obligations under general international law.“ 172 Vgl. dazu: Herdegen, Völkerrecht, § 16, Rn. 1, der das Völkergewohnheitsrecht als „Urgestein der Völkerrechtsordnung“ beschreibt; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 549 m.w. N., 589 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 19–26 zur Entwicklung des Völkerstrafrechts vor und nach dem 19. Jahrhundert. 173 Aréchaga, BYIL 58, 1987, 1, S. 32 ff.; Cassese/Weiler-Aréchaga, Change and Stability, S. 3 f., 167; Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 155 m.N. der Rechtsprechung des IGH, 162 f., 172 f.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 137 f.; Villiger, Customary International Law and Treaties, S. 117 ff.; Nordsee-Festlandsockel-Fall, ICJ Rep. 1969, S. 37 ff. 174 Z. B. kodifizierten bereits die Haager Abkommen von 1899 und 1907 bestehendes Völkergewohnheitsrecht. Auch Teile der Genfer Abkommen von 1949 und des Zusatzprotokolls I von 1977 stellten bei Vertragsschluss bestehendes Völkergewohnheitsrecht

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konstellation wird bereits anerkanntes Völkergewohnheitsrecht inhaltsgleich in einem Vertrag vereinbart. Weiter kann der Vertrag entstehendes Recht („in statu nascendi“) kristallisieren, indem die Staaten durch ihre Zustimmung im Vertrag der entstehenden Norm die noch erforderliche Anerkennung zukommen lassen.175 Ferner kann der Vertrag den Ausgangspunkt für die zukünftige Entwicklung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm („lege ferenda“) liefern, wenn der Inhalt des Vertrags von einer nachfolgenden Staatenpraxis bestätigt wird.176 In allen drei Fallkonstellationen liefert der Vertrag schriftliche Formulierungen, welche die Ermittlung des Inhalts der völkergewohnheitsrechtlichen Norm erleichtern. Anstatt aus einem Praxisverhalten der Staaten eine Norm abstrahieren und formulieren zu müssen, kann hier bei der Ermittlung der Staatenpraxis auf die Formulierungen des Vertragstextes zurückgegriffen werden. Neben dem Nachweis des Inhalts kann mit der Vertragsvorschrift auch der Nachweis der Geltung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm erbracht werden. Offensichtlich halten die unterzeichnenden Staaten mit dem Vertragstext schriftlich ihre Rechtsauffassung zu einem Thema fest. Der völkerrechtliche Vertrag kann somit Ausdruck einer völkergewohnheitsrechtlichen „opinio juris“ der Vertragsstaaten sein.177 Will man sauber zwischen Vertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht trennen, darf die Überzeugung der Staaten, zu einem Verhalten verpflichtet zu sein, nicht auf der vertraglichen Verpflichtung beruhen. Vielmehr muss sich die Rechtsüberzeugung auf eine über die beteiligten Staaten hinaus bindende, also allgemeine Rechtsverpflichtung beziehen. Das heißt, die Staaten müssen der Überzeugung sein, dass der Inhalt der vertraglichen Norm auch völkergewohnheitsrechtliche Rechte und Pflichten begründet.178 Insofern kann ein völkerrechtlicher Vertrag, der Ausgangspunkt einer darauf folgenden Staatenpraxis ist (3. Fallkonstellation), schlecht als Nachweis einer bestehenden „opinio juris“ herangezogen werden. Denn erst mit der sich an den Vertrag anschließen-

dar. Vgl. dazu: Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 49, sowie die hiesigen Ausführungen zu den Genfer Abkommen und dem Zusatzprotokoll. 175 Als Beispiel kann die Völkermordkonvention von 1948 aufgeführt werden. Mit der Ratifikation des Vertrags, d. h. der weitreichenden Umsetzung in nationales Recht entwickelte sich der Völkermord zu einem völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Verbrechen (siehe dazu: Fn. 467). 176 Z. B.: Das VN-Seerechtsübereinkommen von 1982 verkörperte neues Völkerrecht; so auch: Herdegen, Völkerrecht, § 16, Rn. 12; Cassese/Weiler-Hazard, Change and Stability, S. 6 f. 177 Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 22, 37; Bassiouni/Wise, Aut Dedere Aut Judicare, S. 47; Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 164 f.; Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/ 1-T, 10.12.1998, Para. 227; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 142; Nicaragua-Fall, ICJ Rep. 1986, S. 97; Nordsee-Festlandsockel-Fall, ICJ Rep. 1969, S. 41. 178 Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 165 f.; Cheng, Future, S. 532, der zwischen einer ,opinio obligationis conventionalis‘ und einer ,opinio iuris generalis‘ unterscheidet.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

den Staatenpraxis entsteht die Übung, welche ab diesem Zeitpunkt auch erst als Recht anerkannt werden kann. Die Rechtsüberzeugung kann somit nur im Anschluss an den Vertragsschluss entstehen.179 Lediglich Verträge, die bestehendes Völkergewohnheitsrecht deklarieren oder im Entstehen befindliches Gewohnheitsrecht kristallisieren (1. und 2. Fallkonstellation), können als Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen „opinio juris“ in Erwägung gezogen werden. Diese lässt sich aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, dem Ziel oder der Systematik ableiten. Will man also nachweisen, dass eine völkergewohnheitsrechtliche Überzeugung bestand, zu einem Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein, folgt daraus logischerweise, dass aus dem Vertrag hervorgehen muss, dass die Vertragsnorm Völkergewohnheitsrecht deklariert bzw. kristallisiert. Beinhaltet die vertragliche Norm eine neue Regelung, kann sie keine völkergewohnheitsrechtliche, sondern nur eine vertragliche „opinio juris“ zum Ausdruck bringen.180 Der völkerrechtliche Vertrag kann für sich allein jedoch keine Staatenpraxis darstellen. Eine völkergewohnheitsrechtliche Norm setzt eine tatsächliche, wiederholte Übung neben ihrer Anerkennung als Recht voraus, während für einen völkerrechtlichen Vertrag allein die Äußerung eines Rechtsbindungswillens genügt. Die Staatenpraxis muss also eine Regelung durch ein tatsächliches Verhalten ausfüllen. Wenn ein völkerrechtlicher Vertrag lediglich die Äußerung eines Rechtsbindungswillens der Vertragsparteien darstellt, mit der gleichzeitig die allgemeine Rechtsüberzeugung zum Ausdruck gebracht wird, dass auch Nichtvertragsparteien zu dem im Vertrag festgelegten Verhalten verpflichtet sind, kann in dem Vertragsschluss aber nicht selbst die Ausführung des Vertragsinhalts gesehen werden. Erst wenn sich auch vertragsfremde Staaten an die Gebote oder Verbote eines Völkervertrags halten und überzeugt sind, dazu rechtlich verpflichtet zu sein, kann der Vertragsinhalt gewohnheitsrechtliche Geltung erlangen.181

179 „Denn bildet ein Vertrag erst das auslösende Moment einer nachfolgenden Gewohnheit, so stellt er in aller Regel auch lediglich das auslösende Moment einer sich nachträglich entwickelnden ,opinio iuris‘ dar.“ Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 165. 180 Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 165 ff., weist daraufhin, dass eine völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung selten in Verträgen klar zum Ausdruck gebracht wird. Er nennt Art. 1 Völkermordkonvention als einziges Beispiel, in dem bereits der Wortlaut (bestätigen, dass Völkermord . . . ein Verbrechen gemäß internationalem Recht ist . . .“) die völkergewohnheitsrechtliche Bedeutung der Norm zu erkennen gibt. 181 Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 165; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 223; Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 22; Baxter, Treaties and Custom, S. 55; Bos, GYIL 25, 1982, S. 23 f.; Bassiouni/Wise, Aut Dedere Aut Judicare, S. 47 f.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 142; Libyen-Malta-Festlandsockel-Fall, ICJ Rep. 1985, S. 38. A. A.: Zahar/Sluiter, International Criminal Law, S. 92; Akehurst, BYIL 47, 1974/75, S. 42 ff.; D’Amato, Concept of Custom, S. 74–90, 160; v. Hoof, Rethinking the Sources, S. 109.

II. Die Rechtsfindungsmethode im Völkerstrafrecht

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b) Beschlüsse der Vereinten Nationen Seitdem Staaten auf internationalen Konferenzen und Foren internationaler Organisationen wie den Vereinten Nationen regelmäßig zusammentreffen, hat sich der Umgang der Staaten miteinander verändert. Rechtspositionen einer Vielzahl von Staaten werden mit einem Akt in Resolutionen oder Deklarationen zum Ausdruck gebracht, sog. „soft laws“.182 Von besonderer Bedeutung sind die Beschlüsse der Generalversammlung, welche die Rechtsposition aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu einer Rechtsfrage wiedergeben. Aufgrund dieser neu entdeckten Möglichkeit, einen Konsens ohne langwierige Vertragsverhandlungen erzielen zu können, variieren die Meinungen zur Rechtswirkung dieser Beschlüsse auf den Normentstehungsprozess erheblich.183 Teilweise wird diesen Beschlüssen eine legislative Wirkung zugesprochen. In dem Fall würde den Beschlüssen internationaler Organisationen der Status einer formellen Rechtsquelle besonderer Art gewährt werden, womit z. B. die VN-Generalversammlung selbst Völkerrecht schaffen könnte. Dies würde die bisher anerkannte Quellentrias des Art. 38 IGH-Statut um eine Rechtsquelle erweitern.184

182 Danilenko, Law-Making in the International Community, S. 88 f. m.w. N.; siehe zum Begriff des „soft laws“: Sloan, Resolutions, S. 50. 183 Die Gründe der Staatengemeinschaft, eine unverbindliche Resolution einem verbindlichen Vertrag vorzuziehen, sind politische. Themen wie die Umwelt, der Weltraum, Wirtschaftsbeziehungen und Menschenrechtsverletzungen stoßen auf höchst kontroverse Positionen und führen zur Uneinigkeit in der Staatengemeinschaft, mit der Folge, dass eine Kodifizierung des Gebiets oder eine Gewohnheitsrecht bildende Staatenpraxis trotz Regelungsbedarfs in weite Ferne rückt. Politiker haben daher oft den losen Weg der Resolutionen gewählt, denn Einigkeit lässt sich leichter erzielen, wenn man sich nicht fest binden muss. Vgl. dazu: Cassese/Weiler-Cassese, Change and Stability, S. 173; Cassese/Weiler-Brownlie, Change and Stability, S. 92. 184 Sloan, Resolutions, S. 23 f.; Schachter, in: MacDonald/Johnston, The Structure and Process of International Law, S. 787 ff.; Simma, Fortentwicklung, S. 79 ff., 97 ff., 120, 127 ff.; Simma, in: Bernhardt/Delbrück/Münch/Rudolf, Fünftes deutsch-polnisches Juristenkolloquium, S. 57 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 518 ff.; Skubiszewski, in: Bernhardt/Delbrück/Münch/Rudolf, Fünftes deutsch-polnisches Juristenkolloquium, S. 14 ff.; Ambos, AT, S. 43 f.; Ambos, Internationales Strafrecht, S. 86, Rn. 7: Die oft fehlende Staatenpraxis soll durch eine Gesamtbetrachtung des internationalen „soft laws“ ersetzt werden, welche einen allgemeinen Rechtsgrundsatz begründet, also eine Art allgemeine Rechtsüberzeugung ohne entsprechende Staatenpraxis. Diese Meinung hat hauptsächlich bei Entwicklungsländern Anklang gefunden. Es ermöglicht ihnen am Rechtserzeugungsprozess teilzunehmen, was ihnen zuvor durch die mangelnde wirtschaftliche und politische Macht zur Einflussnahme durch Verhaltensweisen in internationalen Beziehungen verweigert war. Vgl. dazu: Danilenko, Law-Making in the International Community, S. 88 f. mit Beispielen einiger befürwortender Länder. Ähnlich: Bantikas/Nash, ICL, S. 3, die hervorheben, dass sich weniger entwickelte Länder ohne die Anerkennung von einvernehmlichen Deklarationen der VN-Generalversammlung als Gewohnheitsrecht nicht an der Bildung von Gewohnheitsrecht beteiligen könnten, weil sie aus meist ökonomischen Gründen auf gewissen Gebieten (Weltraum, Ausbeutung von Ölvorkommen in der Tiefsee) nicht mitwirken können. Skubiszewski,

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Dieser Ansicht steht schon der Wortlaut der Charta der Vereinten Nationen entgegen. Nach Art. 13 der VN-Charta haben Beschlüsse der Generalversammlung lediglich empfehlenden Charakter. Eine Bindungswirkung war von der Völkergemeinschaft gerade abgelehnt worden. Auch anderen internationalen Organisationen steht nur eine Zuständigkeit zur Regelung interner Angelegenheiten zu.185 Weiter zeigt das tatsächliche Verhalten der Delegierten der Generalversammlung, dass sie selbst von einer Unverbindlichkeit dieser Beschlüsse ausgehen. Sie holen meist keine Ermächtigungen von ihren zuständigen Außenministerien ein, womit ihnen bereits im Innenverhältnis die Macht fehlt, ihren Staat rechtlich zu binden.186 Die wohl herrschende Meinung räumt den Beschlüssen der Generalversammlung und anderer Organe der Vereinten Nationen eine zwar beschleunigende, aber keine Recht setzende Wirkung ein.187 Aufgrund ihrer normativen Textfassung könne Beschlüssen der Generalversammlung oder anderen internationalen Organisationen die gleichen Effekte auf die völkergewohnheitsrechtliche Normbildung nachgesagt werden wie den völkerrechtlichen Verträgen.188 Resolutionen schaffen nicht per se Recht, sondern sie bilden einen Baustein im Rechtsbil-

in: Bernhardt/Delbrück/Münch/Rudolf, Fünftes deutsch-polnisches Juristenkolloquium, S. 26. 185 Vgl. die Ausführungen oben Fn. 149. 186 Cassese/Weiler-Gaja, Change and Stability, S. 52. 187 Herdegen, Völkerrecht, § 16, Rn. 6; § 20 Rn. 1, 2; Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 23; Fastenrath, Lücken, S. 115 ff.; Nill-Theobald, Defences, S. 29; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 69 f., 72; Eichhofer, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 10; Stuckenberg, GA 2007, S. 87 m.w. N. 188 Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 23; Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 176; Cassese/Weiler-Cassese, Change and Stability, S. 24 f., 171; Cassese/Weiler-Aréchaga, Change and Stability, S. 28; Cassese/Weiler-Abi-Saab, Change and Stability, S. 50 f. Dass Beschlüsse einen erheblichen Anteil am Normentstehungsprozess des Völkergewohnheitsrechts haben, zeigt auch, dass sich nicht nur Politiker der Herbeiführung von „soft laws“ zugewandt haben, sondern, dass in den letzten Jahren ein wachsender Zugriff auf Resolutionen internationaler Organisationen durch Delegierte, Juristen und Gerichte zum Nachweis einer behaupteten Norm zu verzeichnen ist. Durch die ständige Verwendung dieser Beschlüsse werden sie faktische so relevant, dass man sich in einer Rechtsdiskussion nicht mehr trauen würde, sie nicht zu erwähnen. Jennings, SchwJBIR 37, 1981, S. 70; Schreuer, GYBIL, 20, 1977, S. 103: „International practice, however shows a constant reliance on the recommendations type of decisions of international organisations. State organs, including domestic courts, international judicial bodies and political international organs frequently rely on them and apply them to specific situations. Furthermore, there is evident reluctance openly to contravene recommendations such as resolutions of the UN-GA. . . . Comparison with other types of international prescription sometimes suggests that the effectiveness of some recommendations does fall short of certain treaty provisions or customary rules.“) Selbst wenn man also einer Resolution keine rechtserzeugende Kraft zugesteht, so ergibt sich aus dieser Wertschätzung zumindest, dass wenn ein Staat sich konform zu einer Resolution verhält, man ihm nicht einen Verstoß gegen das Völkerrecht vorwerfen kann. Siehe: Jennings, SchwJBIR 37, 1981, S. 70; Bleckmann, Grundprobleme, S. 340; Sloan, BYIL 58, 1987, S. 109 ff.

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dungsprozess.189 Die Rechtsauffassungen der Staaten, die in den Beschlüssen zum Ausdruck kommen, wiederholen zum Teil bestehendes Gewohnheitsrecht und verleihen der Regel weiteren Nachdruck.190 Andere Beschlüsse haben einer im Geburtsstadium befindlichen Norm zur Entstehung verholfen, also entstehendes Völkergewohnheitsrecht kristallisiert.191 Und wieder andere Beschlüsse haben den Ausgangspunkt zur Entstehung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm gelegt, indem sie ein Verhaltensmodell in einem Beschluss aufgestellt haben, dass dann von Staaten befolgt wurde und somit eine völkergewohnheitsrechtliche Übung hat entstehen lassen.192 Allein dem VN-Sicherheitsrat wurde zugebilligt, zum Schutz des Friedens und der Menschheit für alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen bindende Beschlüsse zu erlassen (Art. 25 VN-Charta). Der Sicherheitsrat leitet somit seine Kompetenz zur verbindlichen Beschlussfassung aus dem multilateralen Vertrag der VN-Charta ab. Diese Beschlüsse sind daher der Rechtsquellenkategorie der völkerrechtlichen Verträge zu zuordnen und nicht als formelle Rechtsquelle eigener Art zu beurteilen.193 Da aber bereits zuvor hinsichtlich der völkerrechtlichen Verträge – selbst bei denen, die durch ihre hohe Teilnehmerzahl eine Quasi-Universalität erreichen – festgestellt wurde, dass eben nicht dem Vertragsrecht, sondern nur dem Völkergewohnheitsrecht das Privileg zukommt, die absolute Universalität einer Norm herbeizuführen, muss diese Schlussfolgerung erst recht bei

189 Vgl. dazu: Cassese/Weiler-Meron, Change and Stability, S. 26: Meron weist darauf hin, dass der Normbildungsprozess ein gradueller ist und eine Norm daher nicht durch einen einzigen Akt einer Regierung entsteht. Es sei deshalb das Ensemble von Positionen einer Regierung zu berücksichtigen. So auch: Stuckenberg, GA 2007, S. 98. 190 Beispiel hierzu ist die Deklaration der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten, die damit bereits bestehendes Völkergewohnheitsrecht deklariert hat. 191 Cassese/Weiler-Cassese, Change and Stability, S. 24; ein weiteres Beispiel bei Cassese/Weiler-Aréchaga, Change and Stability, S. 48: Die Resolution zur Freiheit des Weltraums, die dem Vertrag vorausging und die Freiheit des Weltraums herauskristallisierte. Cassese/Weiler-Brownlie, Change and Stability, S. 92. 192 Cassese/Weiler-Aréchaga, Change and Stability, S. 48 f.: Die Staaten sind dem Verhaltenscodex der Resolution 1514 zur Legitimität der Kolonialherrschaft mit ihrer Praxis gefolgt und haben damit eine völkergewohnheitsrechtliche Norm entstehen lassen. So führt Aréchaga (S. 28 f.) ferner an, dass der IGH im isländischen Fischerei-Fall sich zum Nachweis von Völkergewohnheitsrecht auf einen Konventionsvorschlag zu Fischereizonen berief, der an einer Stimme auf der VN-Konferenz zum Recht der Meere scheiterte, also nur den auf der Konferenz erzielten Staatenkonsens als Nachweis ausreichen ließ. Gleicher Ansicht: Cassese/Weiler-Cassese, Change and Stability, S. 24 f., 171; Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 23; Cassese/Weiler-Abi-Saab, Change and Stability, S. 50. 193 So ist wohl auch Cassese, International Criminal Law, S. 15 f., zu verstehen, wenn er die Resolutionen des Sicherheitsrates als rechtlich verbindlich und als sekundäre internationale Gesetzgebung bezeichnet: „They constitute ,secondary‘ international legislation (in that they were adopted by virtue of provisions contained in a treaty, the UN-Charter).“ Ebenso: Cassese, International Law, S. 186.

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einem Instrument zum Tragen kommen, dass seine Verbindlichkeit aus dem völkerrechtlichen Vertrag ableitet, also in Abhängigkeit zum Vertragsrecht steht. Für die Ermittlung des Inhalts einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm bedeutet dies, dass die Beschlüsse internationaler Organisationen genauso wie völkerrechtliche Verträge inhaltliche Formulierungen vorgeben und somit dem Rechtsanwender bei der Feststellung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm behilflich sind.194 Die Beschlüsse sollten aufgrund ihrer ähnlichen Struktur mit einem völkerrechtlichen Vertrag sowie ihrer Herkunft (sie basieren schließlich auf dem Medium der VN-Charta) nach den Auslegungsgrundsätzen der WVK ausgelegt werden.195 Im Bezug auf die Geltung der Norm kann für die Beschlüsse internationaler Organisationen nichts anderes gelten als für die völkerrechtlichen Verträge.196 Sie können sehr wohl eine Rechtsüberzeugung der beteiligten Regierungen zum Ausdruck bringen, aber nicht auch für sich genommen als Staatenpraxis bewertet werden. Es gelten hier dieselben Einschränkungen für den Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen „opinio juris“ wie bei den völkerrechtlichen Verträgen.197 Nur die Beschlüsse, die bereits bestehendes oder entstehendes Völkergewohnheitsrecht wiedergeben, können ein Verhaltensmodell als Völkergewohnheitsrecht anerkennen.198 194 Die Literatur misst den sehr unterschiedlich gestalteten Empfehlungen einer internationalen Organisation unterschiedliches Gewicht im Nachweis des Völkergewohnheitsrechts zu. So komme nach Aréchaga besonders den Resolutionen höhere Aussagekraft zu, die meist mit „Deklaration“ überschrieben seien und bestimmte Verhaltensprinzipien für Mitgliedstaaten zu einem Rechtsgebiet beinhalten (Cassese/WeilerAréchaga, Change and Stability, S. 28 ff.). Suy stellt entscheidend auf eine übereinstimmende Annahme des Beschlusses und, ob an dessen Wortlaut gefeilt wurde, ab (Cassese/Weiler-Suy, Change and Stability, S. 86). Brownlie fügt die Beobachtung hinzu, dass besonders die Deklarationen erfolgreich zu bindenden Recht geworden seien, die Interessen aller berücksichtigt hätten, durchdacht, in einem normativen Charakter gefasst, strukturiert und von Juristen entworfen worden wären (Cassese/Weiler-Brownlie, Change and Stability, S. 92). 195 Cassese, International Criminal Law, S. 16; Cassese, International Law, S. 187 f.; Fastenrath, Lücken, S. 206 ff. Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 71–93; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-A, 15.07.1999, Para. 282–286 und 287–305. Siehe zu den Auslegungsgrundsätzen nach der WVK die Ausführungen oben zu den völkerrechtlichen Verträgen, 3. Kapitel II. 1. a). 196 Es sei auf die Argumentation beim völkerrechtlichen Vertrag verwiesen, 3. Kapitel II. 1. a). 197 Wurde bisher nicht anerkanntes Recht im Beschluss aufgenommen, kann sich in diesem keine Rechtsauffassung manifestieren, zu dem im Beschluss aufgestellten Verhaltensmodell völkergewohnheitsrechtlich verpflichtet zu sein. Es müsste in dem Fall eine anderweitig nachvollziehbare Rechtsüberzeugung sowie Staatenpraxis zu der Beschlussregelung hinzutreten. Vgl. dazu: Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 23. 198 Allerdings ist der Beweiswert einer aus einer empfehlenden (unverbindlichen) Resolution gewonnenen Rechtsüberzeugung geringer einzustufen, als diejenige, die aus einem völkerrechtlichen Vertrag abgeleitet wird. Denn Beschlüsse z. B. der Generalversammlung sind eben nicht auf eine Rechtsverbindlichkeit für die teilnehmenden Staaten

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c) Staatliche Gesetzgebung Staatliche Gesetze, die sich mit der Regelung eines völkerrechtlichen Problems auseinandersetzen, können als Staatenpraxis bewertet werden.199 Soweit sie einen Rechtsbindungswillen zu erkennen geben, der die Anerkennung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm zum Ausdruck bringt, kann man dem Gesetz die „opinio juris“ des betreffenden Staates entnehmen. So stellt die Umsetzung der Genfer Konventionen, der Völkermordkonvention und des Statuts des IStGH in nationale Strafgesetze einen wichtigen Beitrag zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht dar, weil sie die beiden Elemente des Völkergewohnheitsrechts erkennen lassen.200 Gleichzeitig bieten sie eine legislative Textfassung des Inhalts der völkerrechtlichen Norm. d) Militärhandbücher Ebenso können die Militärhandbücher, welche Verhaltensregeln der Streitkräfte im Kriegsfall festlegen, als Ausdruck einer Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung behandelt werden. Diese Verhaltensregeln des Militärs werden von der Exekutive eines Staates erlassen. Sie drücken meist nicht nur die staatliche Rechtsauffassung, sondern auch die Überzeugung von der Geltung einer völkergewohnheitsrechtlichen Regelung aus.201 Da diese Militärvorschriften schriftlich niedergelegt sind, dokumentieren sie zudem den Inhalt der völkergewohnheitsrechtlichen Norm. e) Rechtsprechung Gerichtsentscheidungen internationaler sowie nationaler Gerichte, die sich mit völkerrechtlichen Fragen auseinandersetzen, werden nach Art. 38 Abs. 1 d) IGHStatut als Rechtserkenntnisquelle und nicht als Rechtsquelle angesehen. Wenn Gerichte allgemeinverbindliches Recht anwenden wollen, stellen sie in ihren Urteilen fest, welche Norm völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ist und legen sie aus. Damit dienen sie eindeutig zum Nachweis des Inhalts bestehenden Völkergewohnheitsrechts. gerichtet. Gerade bei einer Resolution, die mit einer großen Mehrheit auf einer multilateralen Konferenz verabschiedet wurde, ist Skepsis angezeigt, weil die Staaten die nahe liegende Möglichkeit, sich in einem völkerrechtlichen Vertrag zu binden, ausgeschlagen haben. Die Entscheidung eine unverbindliche Form des Konsenses herbeizuführen, beweist eher die Absicht der Staaten den Beschlussinhalt nicht als Recht anerkennen zu wollen. Siehe dazu: Kirchner, Völkergewohnheitsrecht, S. 177. 199 Zemanek, in: FS für Bernhardt, S. 294. 200 Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 169; Prosecutor v. Tadic ´ , IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 132. 201 Vgl. dazu: Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 170; Green, CYIL 27, 1989, S. 180 f.; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 83, 130 ff.

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Trotz der Bezeichnung als Hilfsquelle gemäß Art. 38 Abs.1 d) IGH-Statut können Gerichtsentscheidungen eine Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung zum Ausdruck bringen. Nationale Urteile sind Akte der Judikative eines Staates. Sie repräsentieren damit unbestreitbar eine Staatenpraxis. Relevant für das Völkerstrafrecht können natürlich nur Urteile sein, die materielles Völkerstrafrecht zum Gegenstand haben202, ansonsten wären sie lediglich ein interner Staatsakt und völlig belanglos für die Erzeugung von Völkergewohnheitsrecht. Da hier die Judikative des Staates in ihrem Urteil ihre Ansicht mitteilt, was sie als das bestehende Recht ansieht, kann aus der Entscheidung zu einem völkerrechtlichen Problem auch eine völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung des Staates hervortreten. Entscheidungen nationaler Gerichte haben somit trotz des entgegenstehenden Wortlauts des Art. 38 IGH-Statuts eine Doppelfunktion für die Rechtsfindung im Völkerstrafrecht. Sie können zum einen den Inhalt des Völkergewohnheitsrechts bestimmen helfen, zum anderen können sie die Geltung der völkergewohnheitsrechtlichen Norm nachweisen.203 Die Frage, ob auch internationale Gerichtsentscheidungen die Kriterien des Völkergewohnheitsrechts erfüllen können, ist dagegen zu verneinen. Die ganz herrschende Meinung weist zu Recht darauf hin, dass internationale Gerichtshöfe keine Völkerrechtssubjekte sind und deshalb nicht die Kompetenz haben, Völkergewohnheitsrecht zu erzeugen.204 Sie können allein die Streitparteien bzw. im Strafverfahren den Angeklagten binden. Selbst wenn der Gerichtshof von einem Völkerrechtssubjekt wie den Vereinten Nationen errichtet wird, stellt der Gerichtshof ein unabhängiges Organ der Vereinten Nationen dar. Die Rechtspre-

202 Das Gericht wird zwar meist formal nationales Recht anwenden, weil der Gesetzlichkeitsgrundsatz eine schriftlich fixierte Strafnorm, also eine Transformierung in staatliches Strafrecht, erfordert. Dennoch liegt der nationalen Rechtsprechung materiell Völkerstrafrecht zugrunde, wenn Gegenstand der Rechtsprechung ein völkerrechtliches Verbrechen ist. 203 Zemanek, in: FS für Bernhardt, S. 294; Fastenrath, Lücken, S. 108, 121 ff.; Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 6; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 167; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 2-21; Stuckenberg, GA 2007, S. 99; ablehnend: Zahar/Sluiter, International Criminal Law, S. 94, die die nationale Rechtsprechung für nicht wirklich hilfreiche Staatenpraxis ansehen, weil sie nur schwer zugänglich (fremde Sprache, unbekanntes Rechtssystem, nationale Materialen) und damit hoch selektiv sei. 204 Danilenko, Law-Making in the International Community, S. 83 ff.; Fastenrath, Lücken, S. 108; 121 ff.; Cassese, International Criminal Law, S. 17 ff.; Cassese, International Law, S. 194 f.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 162; Ambos, AT, S. 48 f.; Nill-Theobald, Defences, S. 28 f.; Prosecutor v. Kupreskic´, IT-95-16-T, 14.01.2000, Para. 537– 542; Prosecutor v. Krstic´, IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 541; Prosecutor v. Aleksovski, IT-95-14/1-A, 24.03.2000, Para. 113; Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-A, 20.02.2001, Para. 24; Prosecutor v. Kordic´, IT-95-14/2-T, 26.02.2001, Para. 163; a. A. Eichhofer, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 10, der sich auf Kelsen beruft, wonach auch Entscheidungen internationaler Gerichte eine Rechtsquelle des Völkerrechts darstellen sollen, weil sie eine Norm konkretisieren und damit eine Norm erzeugen.

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chung des Strafgerichts kann nicht als eine Handlung und/oder eine Rechtsüberzeugung des Völkerrechtssubjekts zugerechnet werden. Vereinzelt wird zwar der Versuch unternommen, internationale Urteile als eine Staatenpraxis und „opinio juris“ mehrerer Staaten auszulegen. Danach sollen Urteile internationaler Gerichte einen essentiellen Teil der Gemeinschaftspraxis darstellen und die Erwartungen und Ansichten einer Vielzahl von Staaten der Völkergemeinschaft reflektieren.205 Dieser Ansatz ist insofern wünschenswert, als dass internationale Gerichte mit völkerstrafrechtlich spezialisiertem Personal ausgestattet sind und daher eine qualifizierte und nicht von staatlichen Interessen bzw. Rechtsansichten verfärbte Rechtsprechung praktizieren. Auch ist die internationale oft die einzig auffindbare Rechtsprechung hinsichtlich der Verurteilung völkerrechtlicher Verbrechen, weil sich nationale Gerichte in der Vergangenheit meist zurückgehalten haben, das Weltrechtsprinzip auszuüben. Jedoch ist diese Rechtsauffassung juristisch unhaltbar. Selbst wenn man argumentiert, dass die Staaten sich zur Verurteilung völkerrechtlicher Verbrechen lediglich eines internationalen Gerichts anstelle ihrer eigenen nationalen Gerichte bedienen, um so unparteiische und qualifizierte Gerichtsentscheidungen sicherzustellen, können die Urteile dieser Gerichte nicht als ein Handeln der Judikative mehrerer Staaten bewertet werden. Denn man kommt nicht über die Tatsache hinweg, dass ein internationales Gericht eben nicht in den Gerichtsaufbau eines Staates integriert ist, um ein tatsächliches Handeln einer Staatsgewalt verkörpern zu können. Das einem Staat zuzurechnende Verhalten liegt vielmehr in der Errichtung des Gerichtshofes durch eine Resolution oder einen völkerrechtlichen Vertrag. Daher können nur diese Resolutionen oder Verträge überprüft werden, ob sie die Elemente des Völkergewohnheitsrechts erfüllen, aber nicht die daran anschließende Rechtsprechung des etablierten internationalen Spruchkörpers, die unabhängig und ohne jedwede Einflussmöglichkeit von den Staaten bewerkstelligt wird. Der internationalen Rechtsprechung ist demzufolge lediglich der Rang einer Hilfsquelle (Rechtserkenntnisquelle) zu gewähren, während ein nationales Urteil die Entstehungselemente des Völkergewohnheitsrechts erfüllt.206 Der internationalen Rechtsprechung ist aber als Rechtserkenntnisquelle ein höherer Stellenwert einzuräumen als einem nationalen Urteil. Gerade internationale Gerichtsentscheidungen wie die des IMG, IMGFE, JStGH und RStGH werden von völkerstrafrechtlich qualifizierten Richtern gefällt, die reines Völkerstraf205

Bleckmann, Völkerrecht, § 5, Rn. 198. Eine denkbare Möglichkeit, internationalen Gerichten eine eigene Rechtssetzungsfunktion zu gewähren, wäre die Anerkennung einer formellen Präjudizienbindung nach dem Vorbild der englischen Rechtstheorie der „stare decisis“. Danach hat ein Gericht die Autorität, einen neuen Rechtssatz zu schaffen, der von anderen in der Hierarchie niedrigeren Gerichten in einem gleichgelagerten Fall befolgt werden muss. Eine solche Bindungswirkung setzt jedoch eine gewisse Hierarchie im Gerichtsaufbau voraus, welche im Völkerrecht unstreitig nicht existiert. 206

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recht anwenden, im Gegensatz zu nationalen Urteilen, die meist auf staatlichem Recht und staatlicher Rechtsdogmatik beruhen.207 Faktisch ist nicht zu leugnen, dass internationalen Gerichten oft die Aufgabe zufällt, widersprüchliche Staatenpraxis aufzuklären. Gerade wenn eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung einer Norm bedenklich ist, ist es die Rechtsbehauptung des internationalen Gerichts, welche für die Völkergemeinschaft die Entscheidung über die Anerkennung trifft. Wenn diese Rechtsbehauptung durch die Staatengemeinschaft positiv aufgenommen wird bzw. nicht auf Widerspruch stößt, kann die Normentstehung nicht mehr bestritten werden.208 Weiterhin zeigt die Praxis, dass internationale Gerichte sich selbst auf frühere eigene Entscheidungen bzw. der anderer Gerichte berufen. Auch ohne eine formelle Bindung an Präjudizien entwickelt sich eine ständige Spruchpraxis, die so über den Einzelfall hinaus wirkt. Die Staaten werden in ihrem Verhalten nicht einfach über die Spruchpraxis eminenter Völkerstrafrechtler hinwegsehen können. Sie werden ihr Verhalten danach ausrichten, auch wenn sie dazu nicht rechtlich verpflichtet sind. Dafür, dass gerade internationalen Gerichtsentscheidungen besondere Beachtung beim Nachweis völkergewohnheitsrechtlicher Normen zuzugestehen ist, spricht auch der strafrechtliche Aspekt des Völkerstrafrechts. Sollten Probleme im Völkerrecht zwischen einzelnen Staaten aufkommen, werden sie meist auf diplomatischer Ebene, d. h. außergerichtlich geregelt. Dementsprechend ist die Praxis nicht unbedingt in Urteilen zu finden, sondern in Verhaltensweisen der Exekutive. Im Völkerstrafrecht dagegen kann die verwertbare Staatenpraxis bei der Frage, ob die Strafbarkeit eines Verhaltens völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ist, entweder aus einer Kodifizierung eines völkerrechtlichen Rechtssatzes (Legislative) oder aus der Verurteilung wegen eines völkerrechtlichen Verbrechens (Judikative) entnommen werden. Auf das Verhalten offizieller Streitkräfte eines Staates oder gar eines Volksheers im Kriegsfall als Nachweis einer Anerkennung einer völkerstrafrechtlichen Norm abzustellen209, wäre genauso unsinnig, wie im staatlichen Strafrecht die Anerkennung eines Strafgesetzes mit dem rechtsgetreuen Verhalten seiner Staatsbürger beweisen zu wollen. Dieser Ansatz würde das Strafrecht von vornherein überflüssig machen. Da aber das Strafrecht gerade von einem Normbruch ausgeht, um zur Anwendung zu kommen, kann 207 Fastenrath, Lücken, S. 108, 121 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 161; Prosecutor v. Kupreskic´, IT-95-16-T, 14.01.2000, Para. 542; siehe auch: Cassese, International Criminal Law, S. 17 ff.; Cassese, International Law, S. 195 sowie S. 222, der die Schwäche der nationalen Gerichtsentscheidungen erwähnt, dass die Verurteilung völkerrechtlicher Verbrechen auf der Anwendung staatlichen Strafrechts beruht. 208 Nach Fastenrath, Lücken, S. 121 ff., geben die Feststellungen eines internationalen Gerichts den Ausschlag über den Streit des Bestehens oder Nichtbestehens einer Norm. 209 Vgl. zu dieser Argumentation: Prosecutor v. Tadic ´ , IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 99.

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nicht das Verhalten der Soldaten im Krisenfall ausschlaggebend für ein Staatsverhalten sein. Vielmehr schafft die Reaktion auf den Normbruch die Bestätigung der Normgeltung. Diese liegt im Strafrecht nun mal vornehmlich in der Verurteilung eines Normbrechers. Da aber die Verurteilung völkerrechtlicher Verbrechen aufgrund der zurückhaltenden Staatenpraxis hauptsächlich durch internationale Gerichte durchgeführt wurde, ist es gerade diese internationale Rechtsprechung, die sich mit dem Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm auseinandergesetzt hat und nun für den Rechtsanwender die entscheidende Erkenntnisquelle des Völkerstrafrechts verkörpert. Daher soll hier der internationalen Rechtsprechung zwar nicht die Doppelfunktion wie nationalen Urteilen eingeräumt werden, dass sie sowohl den Inhalt des Völkergewohnheitsrechts wiedergeben als auch eine Übung samt einer völkergewohnheitsrechtlichen Rechtsüberzeugung darstellen kann. Jedoch rechtfertigt das hohe Maß an faktischem Einfluss auf die Völkergemeinschaft, internationalen Gerichtsentscheidungen einen besonderen Stellenwert bei der Feststellung und Auslegung bestehenden Völkergewohnheitsrechts zu gewähren.210 f) Rechtswissenschaft Offensichtlich ist, dass die Rechtswissenschaft die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung einer Norm bestätigen oder widerlegen, somit die Rechtssituation hinsichtlich bestehenden Völkergewohnheitsrechts erhellen kann. Denn auch die „Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler“ sind in Art. 38 Abs. 1 d) IGHStatut als Erkenntnisquelle aufgeführt.211 Ihre eigentliche Wirkung liegt aber – wie Fastenrath darlegt – im Verborgenen.212 Jeder Rechtsanwender orientiert sich zu einem Rechtsproblem zuerst in 210 Den hohen Stellenwert von internationalen Gerichtsurteilen zeigt sich auch daran, dass sich die meisten Autoren zum Nachweis eines völkerrechtlich anerkannten Verbrechens auf die Spruchpraxis der beiden Ad-hoc-Tribunale beziehen. Siehe beispielsweise für viele andere: Die weitreichende Urteilsanalyse bei: Ambos, AT, S. 78–375; ferner: MK-Werle/Burchards, § 7 VStGB, Rn. 78–81; MK-Zimmermann/Geiß, § 8 VStGB, Rn. 142–143, 145; Askin, War Crimes against Women, S. 129–203, 298–375; MacKinnon, CJTL 44, 2006, S. 940 ff.; McHenry, VJTL 35, 2002, S. 1283 ff.; Miller, Penn.St.L.R. 108, 2003, S. 349 ff.; Cole, ICLR 8, 2008, S. 55 ff.; Seibert-Fohr, in: Hankel, Die Macht und das Recht, S. 164 ff.; Saha, JEAIL 2, 2009, S. 497 ff.; Sungi, EJLR 9, 2007, S. 130 ff. 211 Berber beschreibt die Völkerrechtslehre als ein Nachschlagewerk. Sie sei ein technisches Hilfsmittel zur Auffindung des geltenden Völkerrechts. Vgl. auch: Simma/ Paulus, in: Ascensio/Decaux/Pellet, Droit International Pénal, S. 66 ff.; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, § 623–625, S. 439 f.; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, S. 134, Rn. 522; Ambos, AT, S. 49; Nill-Theobald, Defences, S. 29; Eichhofer, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 10 f.; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 2-22. 212 Fastenrath, Lücken, S. 123 f.

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der Völkerrechtsliteratur. Die Literatur ist der Ausgangspunkt und nimmt damit den stärksten Einfluss bei der Bildung einer Rechtsmeinung. Lehrmeinungen beschränken sich jedoch nicht nur auf eine Bestandsaufnahme bestehenden Rechts, sondern gehen oft dazu über neue Rechtssätze vorzuschlagen, wenn sie eine Regelungslücke vorfinden oder kriminalpolitische Bedürfnisse dies erfordern. Sie tun dies, indem sie zu einem Rechtsproblem Argumente, Denkansätze und Lösungen liefern und aus der Staatenpraxis und Staatenäußerungen sowie aus dem Vergleich mit dem nationalen Recht neue Rechtssätze formen (Anstoß zur Rechtsentstehung).213 Die Auseinandersetzung mit einem bestehenden Rechtssatz sowie die Weiterführung eines Rechtsgedankens zur Schließung einer Lücke gehen fließend in einander über, womit man schnell von der Auslegung zur Analogie gelangt. An diesen neuen Lösungsansätzen der Wissenschaft orientieren sich auch Staatsvertreter wie Richter, Parlamentsabgeordnete, Delegierte, Minister und andere Beamte der Exekutive bei ihrem Handeln. Allerdings kann die Rechtswissenschaft noch so überzeugend und einheitlich zu einem Sachproblem Stellung nehmen, sie hat letztlich nicht die Macht, eine neue Gewohnheit einzuleiten. Entscheidend für die Entstehung von Gewohnheitsrecht sind die tatsächlichen Handlungen der Staaten, unabhängig davon, ob die Lehre den Denkanstoß gegeben und durch ihre Argumentation den Weg zu einem bestimmten Staatenverhalten geebnet hat. Sie bleibt eine Hilfsquelle zur Feststellung von Völkergewohnheitsrecht. Da sich die Lehre aber die Freiheit nimmt, sich nicht nur auf die Wiedergabe bestehenden Völkergewohnheitsrechts zu beschränken, sondern darüber hinaus die Fortbildung des Rechts zu betreiben, ist dieser Erkenntnisquelle gegenüber der Rechtsprechung, welche sich grundsätzlich an die Anwendung existierenden Rechts zu halten hat, mit Vorsicht zum Nachweis von Völkergewohnheitsrecht heranzuziehen.214 Zu der völkerrechtlichen Lehre zählen auch die Arbeiten verschiedenerer Juristenkommissionen, die auf die Kodifikation und Förderung des Völkerstrafrechts spezialisiert sind. Gerade den Entwürfen der Völkerrechtskommission (ILC) der Vereinten Nationen zum Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind von 1991 und 1996 kommt große Beachtung zu, weil die eminentesten Rechtswissenschaftler der Hauptrechtssysteme der Welt diesem Gremium angehören. Als weitere renommierte private Expertenkommissionen sind das Institut de Droit International (IDI) und die International Law Association (ILA) zu nennen.215

213 Fastenrath, Lücken, S. 123; ähnlich auch: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 623–625, S. 439 f.; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, S. 134, Rn. 522; NillTheobald, Defences, S. 29. 214 Fastenrath, Lücken, S. 123. 215 Herdegen, Völkerrecht, § 21, Rn. 2; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 149, 165 f.; NillTheobald, Defences, S. 30–32 m.w. N.

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Es ist zwar richtig, dass es sich gerade beim Entwurf der ILC zu einem Völkerstrafgesetzbuch um ein maßgebendes Instrument handelt, dass „depending upon the specific question at issue, may constitute (i) evidence of customary law or (ii) shed light on customary rules which are of uncertain contents or are in the process of formation, or at the very least, (iii) be indicative of the legal views of eminent publicists representing the major legal systems of the world.“ 216

Jedoch ist auch hier zu betonen, dass die Entwürfe nicht nur bestehendes Völkergewohnheitsrecht feststellen und damit einen Nachweis des Inhalts einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm erbringen, sondern dieses auch fortzubilden versuchen. Unstreitig ist aber, dass die Entscheidungsgewalt zur Schaffung neuen Völkerstrafrechts bei den Staaten und nicht bei den Sachverständigen der Kommission liegt. Obwohl die ILC in das System der Vereinten Nationen eingegliedert ist, besteht sie nicht aus einer Gruppe von Staatsdelegierten. Erst die Zustimmung der Staaten zum Entwurf der Völkerrechtskommission lässt den ausgearbeiteten Text verbindlich werden und bringt unter Umständen die Rechtsüberzeugung der zustimmenden Regierungen zum Ausdruck.217 Selbst wenn der Einfluss der Expertenkommission durch den Respekt, den die Experten bei den Staatsdelegierten genießen, groß ist, tragen die Arbeiten dieser Kommission genauso wie die Äußerungen einzelner Autoren nur indirekt zur Fortbildung des Völkerstrafrechts bei, nämlich dann, wenn ihre Vorschläge von den Staaten aufgegriffen und umgesetzt werden. Sie können aber keinesfalls den Nachweis der Geltung (z. B. als „opinio juris“) einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm erbringen. 2. Allgemeine Rechtsgrundsätze Die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze sind in Art. 38 Abs. 1 c) IGH-Statut als dritte Rechtsquelle genannt.218 Damit gemeint 216

Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 227. Nill-Theobald, Defences, S. 30–32 m.w. N. 218 Nicht zu verwechseln sind die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Völkerrechts oder des Strafrechts. Es ist allgemeine Ansicht, dass sich das Völkerstrafrecht auch der nicht in Art. 38 IGH-Statut aufgeführten Rechtsquellen der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Strafrechts und des Völkerrechts bedienen kann (ausdrücklich in Art. 21 IStGH-Statut erwähnt). Bei den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Strafrechts handelt es sich um Rechtssätze, die selbst in den nationalen Rechten einen Grundsatz des jeweiligen Strafrechtssystems darstellen (z. B. Gesetzlichkeitsgrundsatz, Bestimmtheitsgrundsatz, Rückwirkungsverbot, Analogieverbot, Unschuldsvermutung, Waffengleichheit) und durch die regelmäßige Anwendung dieser Prinzipien auf internationaler Ebene sich zu einem allgemein anerkannten Prinzip im Völkerstrafrecht entwickelt haben. Allgemeine Grund217

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sind, „Grundsätze des Rechts, die in den Rechten mehr oder weniger aller Nationen übereinstimmend anerkannt sind“.219 Bestandteil des Völkerstrafrechts werden nicht die übereinstimmenden Rechtsnormen mehrerer staatlicher Rechtsordnungen selbst, sondern nur die diesen Rechtssätzen zugrundeliegenden Prinzipien.220 Es besteht heute Einigkeit darüber, dass es sich bei den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zwar um eine Primärquelle und nicht eine reine Auslegungshilfe des Vertrags- und Gewohnheitsrechts handelt, dass sie aber subsidiär zu den beiden vorangestellten Rechtsquellen ist, weil sie ihre Wurzeln im nationalen Recht hat.221 Nur wenn die anderen Rechtsquellen keine Lösung des Rechtsproblems bieten, kann auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden. Dass diese Rechtsauffassung noch immer Geltung hat, zeigt das IStGH-Statut. Gemäß Art. 21 Abs. 1 c) wurde dem Gerichtshof diese Rechtsquelle lediglich als „ultima ratio“ zur Verfügung gestellt.222 Jedoch schmälert diese Reservestellung der allsätze des Völkerrechts (z. B. Grundsatz des Respekts der Würde des Menschen) sind Prinzipien, die dem Völkerrecht innewohnen und somit der Rechtsquelle des Völkergewohnheitsrechts zuzuordnen sind (Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 43). Sie können aus einer Verallgemeinerung und Induktion der Hauptmerkmale der völkerrechtlichen Rechtsordnung abgeleitet werden (Cassese, International Criminal Law, S. 21; Cassese, International Law, S. 46 ff., 188 f.). Da es sich aber um grundlegende Prinzipien der Strafrechts- und Völkerrechtsdisziplinen handelt, die auf die völkerstrafrechtliche Ebene übertragen wurden, können aus ihnen schlecht konkrete Tatbestände hergeleitet werden. Deshalb wurde verzichtet, auf diese zusätzliche Rechtsquelle einzugehen, weil sie keine Bedeutung bei der hiesigen Untersuchung eines Problems des Besonderen Teils erlangen kann. 219 Dahm/Dellbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 64. 220 Die Unterscheidung zwischen Normen und Rechtsgrundsätzen wurde auch vom IGH im Gentini-Fall herbvorgehoben, Gentini-Fall, X Reports of International Arbitral Awards, S. 551, 556, zit. in: Cheng, Principles, S. 24. Siehe ferner: Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 146; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 602; Dahm/Dellbrück/ Wolfrum, Völkerrecht, S. 64; Kimminich/Hobe, Völkerrecht, S. 197; Bleckmann, Methodenlehre, S. 26 f.; Nill-Theobald, Defences, S. 27; Vogler, in: Bassiouni/Nanda, S. 633, Cassese, International Criminal Law, S. 22 ff.; Cassese, International Law, S. 189 f.; Triffterer-McAuliffe de Guzman, ICC-Commentary, Art. 21 Rn. 14–19. 221 Vgl: Nill-Theobald, Defences, S. 28, die den Streit in der Literatur erwähnt, dass einige Autoren die Übernahme des nationalen Rechts als eine primäre Rechtsquelle des Völkerrechts ablehnten und ihr nur die Aufgabe der Rechtserkenntnis im Sinne einer Auslegung des Vertrags- und Gewohnheitsrechts zuwiesen. Siehe auch die Auslegung des JStGH, der die allgemeinen Rechtsgrundsätze als anerkannte Rechtsquelle des Völkerstrafrechts beschreibt, sie jedoch erst anwendet, wenn die Konsultation der beiden anderen Rechtsquellen, das Vertrags- und das Völkergewohnheitsrecht, fruchtlos geblieben ist, Prosecutor v. Kupresˇkic´, IT-95-16-T, 14.01.2000, Para. 677: „It is now clear to fill possible gaps in international customary and treaty law, international and national criminal courts may draw upon general principles of criminal law as they derive from the convergence of the principal penal systems of the world. Where necessary, the Trial Chamber shall use such principles to fill any lacunae in the Statute of the International Tribunal and in customary law.“ Stuckenberg, GA 2007, S. 89. 222 Die Regelung stellt einen Kompromiss zwischen den Staatsvertretern dar, die jede Bezugnahme zum nationalen Recht unterbinden und denjenigen, die nationale

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gemeinen Rechtsgrundsätze nicht unbedingt ihre Bedeutung in der Quellentrias. Wegen des immer noch rudimentären Zustands des geschriebenen und ungeschriebenen Völkerstrafrechts bleibt einem Rechtsanwender meist nur diese letzte Rechtsquelle, um zur Lösung eines juristischen Problems zu gelangen.223 Um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu einem Sachproblem nachzuweisen, ist es erforderlich zu zeigen, dass dieser Rechtsgrundsatz in mehreren nationalen Rechtsordnungen anerkannt ist. Erst die Übereinstimmung ermittelter Rechtsprinzipien mehrerer nationaler Rechtsordnungen führt zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz im Völkerstrafrecht. Daher ist nur die Vergleichung nationaler Rechtsordnungen das Mittel der Rechtsfindung.224 Aus dem nationalen Recht ist die traditionelle normativ-deskriptive Rechtsvergleichung bekannt, bei der das nationale Recht des Rechtssuchenden samt seiner Dogmatik als Ausgangspunkt genommen wird und sodann andere Rechtssysteme nach ähnlichen Regelungen und Rechtsinstituten untersucht werden. Solch eine vom eigenen Rechtssystem ausgehende Methodik schürt nicht nur die Voreingenommenheit des Forschers gegenüber einem ihm fremden Rechtssystem und damit die unbewusste Ablehnung des ausländischen Rechtssatzes225, sondern widerspricht dem Gedanken des Völkerrechts, das von der Gleichwertigkeit der Staaten ausgeht und die Normbildung vom Konsens aller Staaten abhängig macht. Der Nachweis eines Grundsatzes darf daher nicht auf einer Rechtsvergleichung beruhen, die ein Rechtssystem bevorzugt, sondern kann nur durch eine vom eigenen Rechtssystem des Rechtsanwenders losgelöste, allein am Sachproblem orientierte Rechtsvergleichung erbracht werden, bei der sich alle Rechtssysteme gleichwertig gegenüberstehen (moderne funktional-empirische Rechtsvergleichung).226

übereinstimmende Rechtssätze direkt anwenden wollten. Vgl. Triffterer-McAuliffe de Guzman, ICC-Commentary, Art. 21 Rn. 15; Cassese, International Criminal Law, S. 22; Cassese, International Law, S. 188. 223 Dies beweist auch die Rechtsprechung der beiden Ad-hoc-Tribunale, die in zahlreichen Fällen auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze zurückgreifen mussten, um eine Rechtsfrage zu entscheiden. Siehe die Beispiele bei: Cassese, International Criminal Law, S. 23 ff.; Cassese, International Law, S. 188 f. Bereits die Juristenkommission des Völkerbunds, die das Statut des IGH entworfen hatte, war sich sicher, dass ohne diese Übertragungsmöglichkeit von nationalen Rechtsgedanken ins Völkerrecht in vielen Fällen das Gericht sich vor einer „Non-liquet“-Situation wiederfinden würde. Siehe auch: Dahm/Dellbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 63; Triffterer-McAuliffe de Guzman, ICCCommentary, Art. 21 Rn. 16; Ambos, AT, S. 44; Schabas, Introduction to the ICC, S. 194 f.; Lagodny, ZStW 113, 2001, S. 817. 224 Nill-Theobald, Defences, S. 27; Vogler, in: Bassiouni/Nanda, S. 633; Cassese, International Criminal Law, S. 22 Cassese, International Law, S. 192 f. 225 Ambos, AT, S. 44 f.; Eser, in: FS für Kaiser, S. 1521; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 33 ff.; Vogel, JZ 1995, S. 337 f.; Weigend, ZStW 105, 1993, S. 787 f. 226 Ambos, AT, S. 45.

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Häufig bieten mehrere Rechtssysteme unterschiedliche Lösungen für ein Sachproblem, so dass es an einer scheinbaren Kongruenz der ermittelten nationalen Prinzipien fehlt. Eine Rechtsvergleichung in dem Sinne, dass die Rechtsgrundsätze favorisiert werden, die für das Sachproblem die beste Lösung anbieten bzw. die Rechtsgrundsätze vernachlässigt werden, die in der Sache als ungeeignet erscheinen, könnte eine Antwort auf das Problem sein.227 Da es im Völkerstrafrecht generell um eine Maximierung des Menschenrechtsschutzes und speziell bei der Vergewaltigung um den Schutz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts geht, ist die beste Lösung, diejenige, die optimal diesen Schutz sicherstellt.228 Zudem besteht die Möglichkeit innerhalb einer Rechtsordnung verschiedene Ansichten abzuwägen und wenn nötig zu kritisieren, um einen Lösungsansatz zu verwerfen, mit der Folge, dass eine Übereinstimmung von Regelungen in anderen Rechtsordnungen erreicht wird. Da das Ziel der Untersuchung ist, stets das hinter der Rechtsnorm stehende Prinzip aufzuspüren, was eine genaue Untersuchung des Rechtsgebiets, der Rolle und Funktion der fraglichen Norm innerhalb des Normenkomplexes sowie der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ansichten in Literatur und Rechtsprechung voraussetzt, scheint eine innerhalb der nationalen Rechtsordnung vorzunehmende Wertung nicht dem Grundgedanken des Völkerstrafrechts entgegen zu stehen.229 Die Methode der Rechtsvergleichung hat somit funktional, problemorientiert und innerhalb der Rechtsordnung wertend zu erfolgen. Lediglich wenn trotz dieser Wertungen keine Gemeinsamkeit in den untersuchten Rechtsordnungen hervortritt, handelt es sich um eine „Non-liquet“-Situation.230 Die Rechtsfrage bleibt aufgrund einer Lücke im Normensystem unbeantwortet. 227 Zweigert, RabelsZ 28, 1964, S. 611: „Allgemeiner Rechtsgrundsatz ist . . ., was sich bei einer kritischen Analyse der Lösungen, die sich nach einer rechtsvergleichenden Umschau ergeben, als die beste Lösung darstellt.“ 228 Aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht ist die wertende Rechtsvergleichung bekannt, die der Lösung den Vorzug gibt, die den besten Grundrechtsschutz entfaltet. Siehe dazu: Ambos, AT, S. 45 m.w. N. 229 Siehe das Beispiel bei: Kreß, ZStW 111, 1999, S. 611 f. Er weist den Grundsatz eines Strafausschlusses nach, wenn für den Täter keine Handlungsalternative bestand. Es findet sich zwar in der Rechtsprechung eine Ausnahme hinsichtlich der Tötung zu dieser Regel, wonach ein Strafausschluss bei Totschlag nicht zulässig wäre. Allerdings ließe sich diese Ausnahme nicht auf einen begründeten Rechtsgrundsatz zurückführen, sondern vielmehr auf eine Hemmung der Gerichte, einen Strafausschluss für die Tötung ohne die Beteiligung des Gesetzgebers zu schaffen. Insofern könne kein Rechtsprinzip, das einen Strafausschluss bei Tötungen verneint, aus dem englischen Recht entnommen werden. Siehe ferner: Ambos, AT, S. 47; Triffterer-McAuliffe de Guzman, ICC-Commentary, Art. 21 Rn. 16 f.; Simma/Paulus, in: Ascensio/Decaux/Pellet, Droit International Pénal, S. 63; Perron, ZStW 109, 1997, S. 299; Stuckenberg, GA 2007, S. 94 f. 230 Siehe zur Problematik einer „Non-liquet“-Situation im Völkerstrafrecht: Stuckenberg, GA 2007, S. 100 ff m.w. N. Stuckenberg schlägt im Falle einer Normenlosigkeit die unausweichliche Rechtsfortentwicklung durch die internationale Rechtsprechung vor. S. 104: „Ließen sich mangels sonstiger Quellen wegen der geringen Übereinstim-

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Ein weiteres Problem des Nachweises dieser Rechtsquelle ist, zu entscheiden, welche und wie viele Länder in die Rechtsvergleichung aufzunehmen sind. Art. 38 Abs. 1 c) IGH-Statut spricht von Kulturvölkern, womit zur damaligen Zeit die entwickelten Länder gemeint waren. Art. 21 Abs. 1 c) IStGH-Statut macht keinen Unterschied mehr zwischen dem Entwicklungsstand eines Staates, enthält somit keinen Anhaltspunkt für die Auswahl und Anzahl der zu bewertenden Rechtsordnungen. Feststeht, dass nicht alle Nationen dieser Erde miteinander verglichen werden können, denn dies würde die Rechtsquelle impraktikabel machen. Es ist also eine Begrenzung auf die wesentlichen Rechtsordnungen vorzunehmen.231 Unklar ist nur, auf welche Auswahlkriterien abgestellt werden soll. Es bietet sich an, Rechtsordnungen in Gruppen einzuteilen, um dann einen oder zwei Repräsentanten einer Gruppe stellvertretend für alle anderen Rechtsordnungen, die eine ähnliche Struktur haben und ähnlichen Rechtsgrundsätzen folgen, auszuwählen. Damit ließe sich die Zahl der zu vergleichenden Länder erheblich vermindern und dennoch die Rechtsauffassungen vieler Länder durch eine stellvertretende Rechtsanalyse ermitteln. Die Rechtsordnungen lassen sich aufgrund gemeinsamer Struktur und Dogmatik nach Rechtskreisen oder -systemen einordnen. Heute sind als die wichtigsten Rechtssysteme der Welt das angloamerikanische „Common Law-System“ und das kontinentaleuropäische „Civil Law-System“ anerkannt. Außerdem verkörpert das islamische Recht „Sharia Islamiya“ ein von der westlichen Welt abweichendes Rechtssystem, dass seiner eigenen Dogmatik, Systematik und seinen Wertvorstellungen folgt. Allerdings ist der Zugang zu diesem religiösen Recht aufgrund der sprachlichen Barrieren für einen westlichen Rechtsanwender erschwert. Teilweise wird noch von einem asiatischen und einem afrikanischen Rechtskreis gesprochen.232 Allerdings weisen die einzelnen Rechtsordnungen dieser mung der nationalen Strafrechte nur sehr wenige Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe herleiten, so wäre das Völkerstrafrecht nicht im technischen Sinn lückenhaft, sondern nur unterentwickelt. Ohne Rechtsfortbildung müsste das Völkerstrafrecht ein sehr primitives Strafrecht bleiben, weil viele Zurechnungsdifferenzierungen nur im trüben Auffangbecken der Strafzumessung, dem Reservat der Kadijustiz, möglich wären.‘ 231 Besonders das Jugoslawientribunal hat den Begriff der „major legal systems of the world“ geprägt. Vgl. Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-A, 15.07.1999, Para. 225; Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 177 f.; Prosecutor v. Kupresˇkic´, IT95-16-T, 14.01.2000, Para. 677 ff.; a. A.: Stuckenberg, GA 2007, S. 90, der eine solche Gruppierung zumindest ,ex ante‘ abzulehnen scheint: „denn jede Beschränkung auf bestimmte ,Rechtskreise‘ oder ,Rechtsfamilien‘ wie Civil Law oder Common Law, deren ,Mutterordnungen‘ oder irgendeine Auswahl ,repäsentativer‘ Rechtsordnungen ginge darüber hinweg, dass solche Rechtskreise in sich heterogen sind, Tochterrechte aus der Art schlagen und ,untypische‘ Regelungen aufweisen können, . . .“ 232 Cassese, International Criminal Law, S. 22 ff., hält es heute für nicht mehr vertretbar, andere Rechtsordnungen als die der westlichen Welt aus einer Rechtsvergleichung auszuschließen. Es sei zwar richtig, dass das Völkerstrafrecht vornehmlich durch das „Common Law“ und später – besonders das IStGH-Statut – durch das „Civil Law“

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beiden Kontinente weder eine übereinstimmende, noch eine vom „Common Law“ „Civil Law“ oder „Sharia Islamiya“ abweichende Systematik oder Dogmatik auf. Vielmehr haben die asiatischen und afrikanischen Rechtsordnungen ihre Wurzeln im europäischen oder islamischen Recht und können entsprechend der früheren Kolonialmacht des Staates entweder dem „Common Law“-, dem „Civil Law“-System oder entsprechend der Ausbreitung des Islams dem Islamischen Recht zugeordnet werden.233 Grundsätzlich spricht aber nichts dagegen asiatische und afrikanische Staaten als Repräsentanten der drei Rechtskreise in eine Rechtsvergleichung aufzunehmen. Die Forderung sich in einer Rechtsvergleichung nicht auf die westliche Welt zu beschränken, entspricht dem Gedanken der Gleichheit aller Staaten im völkerrechtlichen Rechtsbildungsprozess. Es können daher insgesamt lediglich drei Rechtssysteme identifiziert werden.234 Es macht Sinn, mindestens zwei Vertreter dieser drei Rechtssysteme, um ein notwendiges Korrektiv innerhalb eines Rechtskreises anzubieten, auszuwählen und wertend gegenüberzustellen.235 Welche Staaten wiederum aus diesen europäischer Staaten geprägt wurde, dennoch bestünden andere Rechtskulturen, die sogar älteren Ursprungs seien als das westliche Recht wie das islamische Recht und die Rechtsordnungen einiger asiatischer Länder wie China und Japan. Der gleichen Ansicht: Gordeley, ZEPR 3, 1993, S. 498 ff.; Glenn, RIDC 45, 1993, S. 599 ff. Ähnlich: Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 178: „(i) unless indicated by an international rule, reference should not be made to one national legal system only, say that of common-law or that of civil-law States. Rather, international courts must draw upon the general concepts and legal institutions common to all the major legal systems of the world . . .“ 233 Bleckmann, Methodenlehre, S. 26; Herdegen, Völkerrecht, § 17, Rn. 1. 234 Ambos, AT, S. 46, vertritt in seiner eingehenden Untersuchung des Allgemeinen Teils des Völkerstrafrechts, in der er gerade wegen der lückenhaften Regelung des Vertrags- und Gewohnheitsrechts in dieser Rechtsmaterie besonders auf die Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze angewiesen war, die Meinung, dass eine Rechtsvergleichung einiger Länder des „Common Law“- und des „Civil Law“-Systems genüge, um eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung eines Rechtsgrundsatzes zu bieten. Damit propagiert er eine Konzentrierung auf das westliche Recht und eine Vernachlässigung anderer Rechtskreise. Seine Begründung lautet, dass eine Einbeziehung anderer Rechtssysteme als der westlichen Länder sprachliche Probleme aufwirft. 235 Nicht überzeugend ist zum Beispiel die einseitige Rechtsvergleichung anhand von lediglich zwei Staaten – den USA und Deutschland in: Nill-Theobald, Defences, S. 11, 389 ff.; Nill-Theobald, ZStW 1997, S. 968 ff. Erst eine gewisse Anzahl an Rechtsordnungen könnte eine Gemeinsamkeit bzw. eine Diskrepanz herausstellen. Sollten zwei Rechtsordnungen das gleiche Rechtsprinzip zu Grunde legen, ließe sich damit lediglich eine Gemeinsamkeit der beiden Ländern beweisen, aber keine repräsentative Darstellung der Rechtsgrundsätze der Völkergemeinschaft. Die Übereinstimmung könnte schlichter Zufall sein, während eine weitreichende Recherche mehrerer Ländern vielleicht ein ganz anderes Bild ergeben hätte. Ganz zu Recht verwirft Kreß diesen Ansatz der Rechtsvergleichung mit der Begründung, dass ein auf diese Weise ermittelter allgemeiner Rechtsgrundsatz die Gefahr berge, „auf eine Ebene jenseits der durch die Völkerrechtsquellen gesetzten normativen Bindung zu geraten“ (Kreß, ZStW 111, 1999, S. 609 f.; Ambos, AT, S. 48). Dogmatisch ebenfalls unangemessen ist die nur nebensächliche Erwähnung staatlicher Rechtsordnungen zum Nachweis eines Tatbestands der

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Rechtskreisen ausgewählt werden, hängt von der Bedeutung des Landes in der Weltgemeinschaft ab. Denn nur die bedeutendste Rechtsordnung sollte einen Rechtskreis repräsentieren. Auf Länder mit niedrigen Einwohnerzahlen und/oder geringem wirtschaftlichen und (sicherheits-)politischen Einfluss sollte verzichtet werden, weil ihr Einfluss auf den Normsetzungsprozess im Völkerstrafrecht als ebenfalls gering eingestuft werden muss. Sollte nach der wertenden Rechtsvergleichung eine Übereinstimmung mehrerer Rechtsordnungen zu einem Sachproblem zu verzeichnen sein, muss der so ermittelte Rechtsgrundsatz nach herrschender Meinung noch einer sog. „Tauglichkeitsprüfung“ unterzogen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht einfach nationales Recht auf die Ebene des Völker(straf)rechts erhoben wird, ohne die Besonderheiten der letzteren Rechtsdisziplin zu beachten. Der ermittelte Rechtsgrundsatz ist nur auf die völkerrechtliche Ebene übertragbar, wenn er in keinem Widerspruch zur Völkerrechtsordnung und seinen Rechtsgrundsätzen steht.236 3. Ergebnis Die Arbeit muss sich, um eine allgemeinverbindliche Strafnorm gegen Vergewaltigung nachzuweisen, auf die Quellen des Völkerrechts berufen, welche eine solche Verbindlichkeit erzeugen können. Dies sind zum einen das Völkergewohnheitsrecht, zum anderen die aus verschiedenen nationalen Rechtssystemen hergeleiteten allgemeinen Rechtsgrundsätze. Letztere Rechtsquelle ist allerdings nur im Falle einer Lücke der ersten Rechtsquelle heranzuziehen. Das Völkervertragsrecht gilt nicht universell, so dass es nur zum Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm herangezogen werden kann. Dies bedeutet, dass der Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Dissertation: Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 139 ff. 236 Cassese, International Criminal Law, S. 23 f.; Cassese, International Law, S. 194; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 146; Verdross/Simma, Universelles Völkerstrafrecht, § 602; Ipsen, Völkerrecht, § 17, Rn. 1; Kreß, ZStW 111, 1999, S. 597, 609, 613; Nill-Theobald, Defences, S. 11, 27, 389 ff.; Nill-Theobald, ZStW 1997, S. 968 ff., stellt ebenfalls auf eine Tauglichkeitsprüfung ab, nimmt diese allerdings vor der Rechtsvergleichung vor (modifizierte Ansatz der Rechtsvergleichung im Völkerstrafrecht). Ebenso warnte das Jugoslawientribunal vor der einfachen Übernahme nationaler Prinzipien ins Völkerstrafrecht, wenn diese nicht mit den speziellen Merkmalen des Völkerrechtssystems im Einklang stünden, Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 178: „Whenever international criminal rules do not define a notion of criminal law, reliance upon national legislation is justified, subject to the following conditions: (i) . . . international courts must draw upon the general concepts and legal institutions common to all the major legal systems of the world [not only common-law or civil-law States] . . . (ii) . . . account must be taken of the specifity of international criminal proceedings when utilising national law notions. In this way a mechanical importation or transposition from national law into international criminal proceedings is avoided.“

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Schwerpunkt des Nachweises einer Strafbarkeit der Vergewaltigung auf der Rechtsquelle des Völkergewohnheitsrechts liegen wird. Da diese Rechtsquelle eine Staatenpraxis getragen von einer Rechtsüberzeugung voraussetzt, müssen die in Frage kommenden internationalen Instrumente nach diesen beiden Elementen untersucht werden. Das jeweilige Instrument kann entweder eine Übung und/oder völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung begründen oder, falls dies nicht der Fall ist, kann es möglicherweise zur Feststellung des Inhalts des Völkergewohnheitsrechts taugen. Durch die in der Lehre und Rechtsprechung in der Vergangenheit zum Nachweis von Völkergewohnheitsrecht herangezogenen Instrumente, wurde eine Liste von Instrumenten an die Hand gegeben, die für das Völkerstrafrecht generell relevant sind. Eine Einteilung dieser Instrumente in die Elemente einer Übung und einer Rechtsüberzeugung wurde mit folgendem Ergebnis vorgenommen: Nachweis der Geltung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm: „Opinio juris“:

Staatenpraxis:

• Völkerrechtlicher Vertrag • Resolution des Sicherheitsrats • Resolution der Generalversammlung • Nationales Strafgesetz

• Nationales Strafgesetz

• Militärhandbuch

• Militärhandbuch

• Nationales Urteil

• Nationales Urteil

Nachweis des Inhalts einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm: • Völkerrechtlicher Vertrag • Resolution des Sicherheitsrats • Resolution der Generalversammlung • Nationales Strafgesetz • Militärhandbuch • Nationales Urteil • Internationales Urteil • Lehrmeinungen • Entwürfe der Völkerrechtskommission oder anderer privater Expertenkommissionen

Falls sich bei der Untersuchung einzelner Instrumente, die sich zum Thema der Vergewaltigung äußern, zeigt, dass eine völkergewohnheitsrechtliche Norm

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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nicht lückenlos nachzuweisen ist, hat die Rechtsfindung zum Nachweis der allgemeinen Rechtsgrundsätze überzugehen. Der Nachweis einer Norm aus dieser Rechtsquelle ist aus der erwähnten funktional wertenden Rechtsvergleichung zu gewinnen. Nur wenn auch aus der Rechtsvergleichung keine übereinstimmenden Rechtsgrundsätze ermittelt werden können oder aber diese Grundsätze den Normen bzw. Grundsätzen des Völkerrechts widersprechen, bestünde eine „Non-liquet“-Situation. Dann müsste die Problemlösung der Staatengemeinschaft überlassen werden.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung Der dritte Abschnitt des dritten Kapitels behandelt die Frage, ob die Vergewaltigung nach Völkergewohnheitsrecht strafbar ist. Der strafrechtliche Charakter dieser Rechtsdisziplin erfordert, dass sich aus der völkerrechtlichen Verbotsnorm auch eine individuelle Strafbarkeit237 ableiten lässt. Denn nach dem allgemein anerkannten Strafrechtsgrundsatz „nullum crimen sine lege“ (Gesetzlichkeitsgrundsatz) ist eine Bestrafung einer Person nur zulässig, wenn eine strafbarkeitsbegründende Norm vor der Tatbegehung vorlag.238 Von einem völkerrechtlichen 237 Strafbarkeit bedeutet, dass eine natürliche Person für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen wird, indem ihr ein Übel (Strafe) zugefügt wird. Vgl. Barboza, International Criminal Law, S. 24 f.; Triffterer, in: Hankel/Stuby, Strafgerichte, S. 176; Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 134 f.; Triffterer, ICC-Commentary, Part 1 Rn. 25; Herdegen, Völkerrecht, § 61; Vogel, ZStW 114, 2002, S. 403; Bantekas/Nash, ICL, S. 6 ff. 238 Auch im Völkerstrafrecht hat sich der Grundsatz „nullum crimen sine lege“ als Orientierung der Rechtsdisziplin durchgesetzt, welcher in Art. 7 I Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 99 der III. Genfer Konvention, Art. 65 der IV. Genfer Konvention, Art. 11 der Allgemeine Menschenrechtserklärung der VN, Art. 15 IPbpR niedergelegt ist. Der Strafvorschrift kommt die Garantiefunktion zu, bereits vor der Tatbegehung die Strafbarkeit eines Verhaltens festzulegen, um so den Einzelnen vor Willkürakten einer Strafgewalt zu schützen und Rechtssicherheit zu gewähren. Schließlich stellt die Strafe einen schwerwiegenden Eingriff in die auch im Völkerrecht garantierten Freiheitsrechte des Einzelnen dar. Der Grundsatz „nullum crimen sine lege“ umfasst insgesamt vier Aspekte: das Gesetzlichkeits- und Bestimmtheitsgebot, das Rückwirkungs- und das Analogieverbot. Da das Völkerrecht aus der Rechtsquelle des Gewohnheitsrechts entstanden ist, wird dem Gesetzlichkeitsgrundsatz auch genüge getan, wenn die Strafnorm ungeschrieben ist. Ebenso ist das Bestimmtheitsgebot der ungeschriebenen Rechtsquelle dieser Rechtsdisziplin anzupassen und kann daher nicht einen jedes Merkmal umfassenden Tatbestand bieten wie es im deutschen Strafrecht Voraussetzung für die Strafbarkeit ist. Das Rückwirkungsverbot und Analogieverbot hingegen bedurften keiner Anpassung der neuen Rechtsdisziplin. Ferner wirken sich die Rechtsquellen des Völkerrechts auch auf die Rechtsfolge („nulla poena sine lege“) aus. Es kann im Gewohnheitsrecht keine Bestimmtheit der Strafandrohung i. S. v. engen Strafrahmen wie beispielsweise im deutschen Recht verlangt werden; es genügt vielmehr eine allgemeine Strafandrohung. Zu einer Vertiefung dieses allgemeinen Strafrechtsgrundsatzes kann insbesondere auf die Ausführungen bei Triffterer verwiesen werden.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Verbrechen der Vergewaltigung kann somit nur gesprochen werden, wenn die völkerrechtliche Norm die Tat nicht nur für rechtswidrig, sondern auch für strafbar erklärt.239 Ob die völkerrechtliche Norm auch eine Strafnorm ist, ist jedoch nicht so leicht zu bestimmen. Der Grund dafür ist offensichtlich. Es existiert im Völkerstrafrecht weder ein Strafgesetzbuch noch ein bindendes Fallrecht, welche bestimmte Straftaten normieren.240 Das Völkerstrafrecht ist nicht wie das nationale Er untersucht im Detail die Auswirkungen des Grundsatzes „nullum crimen, nulla poena sine lege“ auf die Strafbarkeit sowie die Strafandrohung im Völkerstrafrecht. Es ist an dieser Stelle nur von Belang, dass eben der Gesetzlichkeitsgrundsatz verlangt, dass das Verbrechen der Vergewaltigung auf eine völker-(gewohnheits-)rechtliche Strafnorm zurückzuführen ist und damit den hiesigen Aufbau der Arbeit bestimmt, den Kriminalisierungsprozess der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht darzustellen. Vgl. dazu: Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 63 ff., 134 f.; ferner: Quaritsch, Carl Schmitt, S. 17 ff.; Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 33 ff.; Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 73 ff.; Boot, Nullum Crimen; Jescheck/Weigend, AT, S. 133; Bremer, Nationale Strafverfolgung, S. 59 ff.; Lamb, in Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 749 ff.; Cassese, International Criminal Law, S. 36 ff.; Cassese, International Law, S. 193; Triffterer-Broomhall, ICC-Commentary, Art. 22 Rn. 15; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 135; Ambos, AT, S. 292; Schüller, in: Kühne/ Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 197 ff.; Cryer, ICL, S. 13 ff. 239 Es ist deshalb so wichtig zu betonen, dass es neben der Rechtswidrigkeit auch auf eine Strafbarkeit der Vergewaltigung ankommt, weil viele Autoren dazu neigen, lediglich auf ein Verbot der Vergewaltigung im Völkerrecht hinzuweisen. Ob die völkerrechtliche Verbotsnorm auch eine Strafbarkeit festlegt, wird nicht weiter behandelt oder findet nur am Rande Erwähnung. Da aber nicht jedes Verbot einem Verbrechenstatbestand gleichkommt, kann nicht einfach aus einer verbietenden Norm auf eine völkerrechtliche Strafbarkeit als Rechtsgrundlage für eine Verurteilung geschlossen werden. Z. B. schreibt McHenry, VJTL 35, 2002, S. 1278, dass in Art. 27, IV. Genfer Konvention das erste Mal Vergewaltigung als ein Verbrechen betrachtet wurde. Es scheint zumindest, dass er Art. 27 die gleiche Bedeutung bzgl. der Strafbarkeit zumisst wie den schweren Verletzungen; Khushalani, Dignity, interessiert sich in ihrer Arbeit nur für den Aspekt, dass Vergewaltigung im Völkerrecht verboten ist, auf eine Strafbarkeit der Tat kommt es ihr nicht an. Askin, War Crimes against Women, arbeitet ebenfalls nicht klar heraus, welche völkerrechtlichen Normen neben dem Verbot der Vergewaltigung auch eine individuelle Strafbarkeit begründen. Bis heute findet sich diese Tendenz, einfach nur Vorschriften zu nennen, die Vergewaltigung enthalten, anstatt zwischen Verbot und Strafbarkeit der Norm zu unterscheiden: Saha, Journal of East Asian and International Law 2, 2009, S. 503–505; vgl. ferner: Cassese, International Criminal Law, S. 1 ff.; Cassese, International Law, S. 50, der darauf aufmerksam macht, dass früher die simplifizierte Ansicht vertreten wurde, dass es für ein völkerrechtliches Verbrechen ausreiche, wenn die Tat gegen Völkerrecht verstoße. Auf die Strafbarkeit der Tat käme es anders als im nationalen Strafrecht nicht an. Bassiouni, Crimes against Humanity, S. 113, wählt deutlichere Worte: „it is a well established truism in international law that if a given conduct is permitted by general or particular international law, that permissibility deprives the conduct of its criminal character under international law. But if a given conduct is prohibited by general or particular international criminal law it does not mean that it is criminal ipso iure. The problem thus lies in distinguishing between prohibited conduct which falls within the legally defined criminal category and that which does not.“ 240 Das staatliche Strafrecht verfügt über Strafgesetze und eine Strafrechtsdogmatik, welche ein Prüfungsschema liefert, um die individuelle Strafbarkeit für eine Handlung

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Strafrecht als eigenständige, in sich kohärente Rechtsdisziplin konzipiert worden. Vielmehr hat es sich aus dem humanitären Völkerrecht und teilweise aus den Menschenrechten entwickelt241; Rechtsdisziplinen, deren Adressat vorerst allein Staaten und nicht Individuen waren. Die Kriminalisierung dieser öffentlich-rechtlichen Rechtsdisziplinen hat sich stufenweise vollzogen, womit jedem völkerrechtlichen Verbrechen eine eigene Entwicklungsgeschichte zugrunde liegt.242 Der Inkriminierungsprozess folgte dabei weder einer Systematik, noch kam er der Bestimmtheit innerstaatlicher Strafgesetze nahe.243 Bassiouni, der wohl die umfangreichste Recherche zu den Merkmalen einer Strafbarkeit in multilateralen Abkommen durchgeführt hat244, belegte, dass im konventionellen Völkerstrafrecht kein Standardtyp von Strafrechtsnormen existiert. Er erkannte aber wiederkehrende Kriterien, die eine Strafbarkeit signalisierten, wie die Anerkennung ei-

zu identifizieren. In modernen Gesellschaften ergibt sich die Strafbarkeit einer Handlung aus dem Strafgesetz. Im Common Law können neben Gesetzen (sog.: „criminal acts“) auch die obersten Gerichte („stare-decisis-doctrine“ – Präjudiziensystem) eine Handlung für strafbar erklären. Jescheck/Weigend, AT, S. 49; Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 230 ff.; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 18 ff.; Bernstorff, Einführung, S. 193; Cipolat, Rape before the ICTY, S. 51. 241 Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 901 ff., betont, dass das Kriegsvölkerstrafrecht als akzessorische Rechtsmaterie zum humanitären Völkerrecht zu verstehen sei. Auch könnten einige Verletzungen der Menschenrechte strafrechtlich verfolgt werden. In dem Fall seien die Menschenrechte durch die Strafandrohung mit dem höchsten Schutz der internationalen Rechtsordnung ausgestattet (Rn. 121). Damit beschreibt Werle das Völkerstrafrecht nicht als autonome, sondern von einem anderen Rechtsgebiet abhängige Rechtsmaterie. Siehe zum Einfluss der Menschenrechte auf das Völkerstrafrecht auch: Bantekas/Nash, ICL, S. 18 f. 242 Zuerst existierten nur Kriegsverbrechen (19. Jhd.), später traten die neuen Kategorien Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Aggression (1945) und Völkermord (1948) hinzu, gefolgt von Folter in den 80iger Jahren und kürzlich internationaler Terrorismus. Siehe auch: Triffterer, ICC-Commentary, Part 1, Rn. 30 ff. 243 Ergebnis einer solchen Entwicklung sind vereinzelte völkerrechtliche Normen, die ein Verhalten wie z. B. Mord verbieten, bzw. positiv formuliert, einen Schutz von Rechten gebieten, ohne das rechtswidrige Verhalten genau zu definieren. Vgl. stellvertretend für viele andere: Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 33 ff.; Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 3 ff., 16 ff.; McDonald/Swaak-Goldman, Substantive and Procedural Aspects I, S. xiii. 244 Er fand 10 verschiedene Merkmale in Konventionen, die eine Strafbarkeit eines verbotenen Verhaltens indizierten. Darunter falle: (1) explicit recognition of proscribed conduct as constituting an international crime, or a crime under international law, or as a crime; (2) implicit recognition of the penal nature of the act by establishing a duty to prohibit, prevent, prosecute, punish, or the like; (3) criminalisation of the proscribed conduct; (4) duty or right to prosecute; (5) duty or right to punish the proscribed conduct; (6) duty or right to extradite; (7) duty or right to cooperate in prosecution, punishment, (including judicial assistance in penal proceedings); (8) establishment of a jurisdictional basis; (9) reference to the establishment of an international criminal court or an international tribunal with penal characteristics (or perogatives); and (10) elemination of the defence of superior orders. Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 31 ff., 47; Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 132 ff.; auch zit. in: Bantekas/Nash, ICL, S. 7.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

ner Handlung als völkerrechtliches Verbrechen, die direkte oder indirekte Strafandrohung für das Individuum, die Verpflichtung oder das Recht zur Bestrafung oder Auslieferung des Individuums sowie der Ausschluss von souveränitätsschützendem Verteidigungsvorbringen.245 Hilfreich für den Nachweis einer Strafnorm können auch die beiden Hindernisse sein, die einer Strafbarkeit nach Völkerrecht grundsätzlich entgegenstanden und deren Überwindung den Inkriminierungsprozess völkerrechtlicher Normen geprägt haben: die Anerkennung des Individuums als Völkerrechtssubjekt, um somit nach Völker(straf)recht überhaupt verpflichtet werden zu können und der Ausschluss souveränitätswahrender Prinzipien, die eine Verurteilung durch nationale (bzw. internationale) Gerichte von ausländischen Taten unmöglich gemacht hatten. Das klassische Völkerrecht erkannte das Individuum nicht als Völkerrechtssubjekt an, womit es nicht Träger von Rechten oder Pflichten sein konnte. Allein dem Staat oblag die Verantwortung für die Handlungen seiner Staatsangehörigen. Der Staat konnte seiner obliegenden völkerrechtlichen Verpflichtung zur Unterbindung von im Vertrag untersagten Verhaltensweisen dadurch nachkommen, dass er den Inhalt der völkerrechtlichen Normen durch nationale Strafbestimmungen unter Schutz stellte. Verstöße von Individuen gegen völkerrechtliche Normen konnten somit allein durch das staatliche Recht verfolgt werden. Erst Ende des 19. Jahrhunderts setzte ein Prozess ein, auch natürliche Personen unmittelbar für Völkerrechtsverstöße zur Rechenschaft zu ziehen. Vereinzelt wurden Regelungen aufgenommen, die eine Bestrafung von Individuen für bestimmte Normverstöße anordneten, wodurch langsam eine Inkriminierung des Völkerrechts eingetreten ist.246 Der Durchbruch zur Anerkennung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Einzelnen unmittelbar nach Völkerrecht gelang mit dem berühmt gewordenen Satz des Nürnberger Militärgerichtshofs: 245 Grund für diesen Mangel an uniformer Methodologie ist nach seiner Meinung hauptsächlich die lange Entstehungsphase (1815–1996) sowie die Mitwirkung verschiedener Teilnehmer, die meist nicht über die genügende Sachkenntnis verfügten (Diplomaten und Politiker, aber keine Strafrechts- bzw. Völkerstrafrechtsexperten). Die Konsequenz war ein völkerstrafrechtliches Konventionsrecht, dass eher auf politischen Interessen und Anreizen als auf strafrechtlichen Überlegungen wie der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit beruhte. Es fehlt meist an bestimmten Tatbestandsmerkmalen oder Strafandrohungen. Vgl. Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 31 ff., 46 ff.; siehe ferner: Yarnold, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 127; Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 3, 17 f., 22, 37 ff., 129 ff., 180 f.; Cryer, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 107 ff., 118 ff., die ebenfalls auf den mangelnden dogmatischen Ansatz der Weltgemeinschaft zum Inkriminierungsprozess hinweisen und ihn für die Zukunft zu verfeinern versuchen. 246 Ahlbrecht, Geschichte, S. 19 ff. m.w. N.; siehe zur Herauskristallisierung der ersten Verbrechen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts: Bassiouni, Crimes against Humanity, S. 193 ff. (Sklavenhandel); Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 2 (Seeräuberei); Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 7 (Genfer Konvention von 1864).

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Verbrechen gegen das Völkerrecht werden von Menschen und nicht von abstrakten Wesen begangen, und nur durch die Bestrafung jener Einzelpersonen, die solche Verbrechen begehen, kann den Bestimmungen des Völkerrechts Geltung verschafft werden.247

Seit den Nürnberger und Tokioter Prozessen ist nicht mehr zu bestreiten, dass das Völkerrecht unmittelbar eine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit für Rechtsverstöße begründen kann.248 Zentrales Kennzeichen einer Strafbarkeit nach Völkerrecht ist seither unstreitig, dass die völkerrechtliche Norm auch natürlichen Personen und nicht allein Staaten Verhaltenspflichten auferlegen muss.249 Es ist also als erstes nach einer Norm Ausschau zu halten, die einer natürlichen Person eine Handlung entweder ver- oder gebietet. Dass eine natürliche Person bei einer Zuwiderhandlung strafrechtlich haften soll, zeigt sich daran, dass auf den Rechtsverstoß Strafe folgt.250 Entsprechend der Rechtsquelle wird die Strafe entweder angedroht (Gerichtsstatut, Abkommen, Strafgesetz) oder verhängt (Gerichtsurteil). Eine solche Rechtsfolge kann allerdings auch indirekt angedroht werden. Das fragliche Instrument kann den Staaten einen Strafverfolgungsauftrag für die verbotene Handlung nach dem Prinzip „aut dedere aut judicare“ 251 auferlegen und/oder das Weltrechtsprinzip252 als staatlichen Strafan-

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IMG-DOC., Vol. XXII, S. 529. Vgl. dazu: Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 21 ff.; Bassiouni/Nanda, A Treatise on ICL; Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 30 ff.; Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 163; Ipsen, Völkerrecht, § 42, Rn. 1; Hummrich, Aggression, S. 27 f. m.w. N.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 25 f.; Sunga, Individual Responsibility, S. 17–36; Sunga, System of ICL, S. 3 ff.; Cassese, International Criminal Law, S. 4; Cassese, International Law, S. 37 ff.; Clapham, in: Sands, From Nuremberg to The Hague, S. 31 ff.; Obote-Odora, The Judging of War Criminals, S. 25 ff.; Bremer, Nationale Strafverfolgung, S. 50 ff.; Ambos, in: McDonald/Swaak-Goldman, Substantive and Procedural Aspects I, S. 5 ff.; Vogel, ZStW 114, 2002, S. 403. 249 Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 82 ff., 937; Cassese, International Criminal Law, S. 3 ff.; Meron, EJIL 9, 1998, S. 18, 24; Meron, AJIL 89, 1995, S. 559 ff. 250 Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 178 f.: „Die Unrechtsfolge muss sich gegen ein Individuum richten.“; Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 134 f.; Cipolat, Rape before the ICTY, S. 51. 251 Siehe zur Definition dieses Grundsatzes und der Einordnung nach der stellvertretenden Rechtspflege oder dem Weltrechtsprinzip: 3. Kapitel I. 2. a). Der Strafverfolgungsgrundsatz „aut dedere aut judicare“ kann sich sowohl aus einem Vertrag oder aus Völkergewohnheitsrecht ergeben. Der Staat ist demnach verpflichtet, einen Tatverdächtigen eines völkerrechtlichen Verbrechens entweder strafrechtlich zu verfolgen oder auszuliefern. So erklärte z. B. der australische Bundesgerichtshof, dass der „aut dedere aut judicare“-Grundsatz in der Völkermordkonvention nunmehr nach Völkergewohnheitsrecht für Australien verbindlich sei, Nulyarimma v. Thompson, (1999) FCA 1192; 39 ILM (2000), 20, S. 23. A. A.: Bantekas/Nash, ICL, S. 91 f., die diese Verpflichtung nur durch Völkerverträge begründet sehen. 252 Das Weltrechtsprinzip hat zur Konfusion zwischen den Begriffen Strafbarkeit und Gerichtsbarkeit (Strafgewalt) geführt. Dies soll an den Genfer Konventionen verdeut248

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

spruch festlegen, oder aber die Strafverfolgung einem internationalen Gericht zuweisen. Da es allerdings möglich ist, dass die Staaten diese Strafverfolgungsbelicht werden. Die vier Konventionen unterscheiden zwischen schweren Verletzungen und Zuwiderhandlungen. Die herrschende Meinung ist, dass nur die schweren Verletzungen strafbar nach Völkerrecht sind. Die Konventionen nennen nur für die schweren Verletzungen die Verpflichtung zur staatlichen Strafverfolgung nach dem Weltrechtsprinzip. Die Zuwiderhandlungen enthalten eine solche Verpflichtung an die Staaten nicht. Zu Recht wurde in der Literatur kritisiert, dass das Weltrechtsprinzip nicht mit der materiellen Strafbarkeit einer Verbotsnorm gleichzusetzen sei. Einige Autoren argumentieren daher, dass auch die Zuwiderhandlungen der Genfer Abkommen als völkerrechtliche Verbrechen anzusehen seien, entweder weil sie allgemein als rechtswidrige Verhaltensweisen anerkannt seien oder weil sie strafwürdiges Verhalten darstellen. (Greenwood, EJIL 7, 1996, S. 279 ff.; Meron, AJIL 89, 1995, S. 556 ff.). Ob eine Zuwiderhandlung der Genfer Abkommen allgemein als rechtswidrig anerkannt ist, bestimmt sich nach einer anderen Rechtsquelle, dem Völkergewohnheitsrecht und beantwortet nicht die Frage, ob nach dem Abkommen eine Strafbarkeit der Handlung zu erkennen ist. Die Strafwürdigkeit ist auch kein geeignetes Kriterium, um festzustellen, ob eine Verbotsnorm eine Strafbarkeit begründet. Viele Verhaltensweisen können strafwürdig erscheinen, dies beweist noch nicht, ob ein Verhalten von der Völkergemeinschaft tatsächlich für strafbar erklärt wurde. Denn jedes Strafrecht regelt die Strafbarkeit nur fragmentarisch. (Vgl. Prosecutor v. Tadic´, IT-94AR 72, 02.10.95, Para. 94: Das Gericht setzte für seine sachliche Zuständigkeit nach Art. 3 JStGH voraus, dass eine Verletzung des humanitären Völkerrechts vorliegt, die Vorschrift gewohnheitsrechtlich anerkannt ist, die Verletzung schwer wiegt und eine individuelle Strafbarkeit begründet. Damit gab die Kammer zwar zu verstehen, dass die Verletzung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm die Interessen der Weltgemeinschaft berühren und somit eine Strafwürdigkeit zu erkennen geben muss. Zusätzlich verlangte aber das Gericht eine Strafbarkeit der Verletzung, was bedeutet, dass eine Strafwürdigkeit allein nicht ausreicht.) Auch wenn es richtig ist, dass das Weltrechtsprinzip, lediglich die Gerichtsbarkeit/ Strafgewalt für Auslandstaten festlegt und nicht mit der individuellen Strafbarkeit gleichzusetzen ist, übersehen Autoren wie Greenwood und Meron, dass die Verankerung des Weltrechtsprinzips ein nachhaltiges Indiz für eine Strafbarkeit einer Norm ist. Eine weltweite Strafverfolgungszuständigkeit bedeutet, dass jeder Vertragsstaat, auf dessen Territorium sich ein Verdächtiger befindet, diesen strafrechtlich verfolgen muss. Dies setzt voraus, dass jeder Vertragsstaat die Strafverfolgung nach innerstaatlichem Recht ermöglicht hat. Dem Täter droht somit Strafe durch jeden Vertragsstaat, indem er sich aufhält, unabhängig vom Tatort, seiner Nationalität oder der des Opfers. Im Unterschied dazu, droht das Territorialitätsprinzip dem Täter nur Strafe durch den Staat an, auf dessen Gebiet er die Tat begangen hat (z. B. Völkermordkonvention), was immense Strafbarkeitslücken lässt, es sei denn, es sind der Konvention viele Staaten beigetreten. Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Weltrechtsprinzip die staatliche Strafhoheit vertretend für eine internationale Instanz der Weltgemeinschaft einsetzt. Es schützt somit nicht staatseigene Interessen wie das Territorialitätsprinzip, sondern Interessen der Weltgemeinschaft wie den Schutz vor Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit. Ein ausschlaggebendes Argument dafür, dass eine universelle Strafverfolgungspflicht ein Indiz für eine Strafbarkeit nach Völkerrecht verkörpert, ist, dass Voraussetzung für die Verankerung des Universalitätsprinzips ist, dass ein Verbrechen bereits nach Völkergewohnheitsrecht oder Völkervertragsrecht strafbar ist, um überhaupt von allen Vertragsstaaten, ohne eine Beziehung zum Tatort, Täter oder Opfer zu haben, rechtmäßig verfolgt werden zu dürfen. Stimmen die Vertragsstaaten einer universellen Strafverfolgungspflicht in einem Abkommen zu, gehen sie somit von einer Strafbarkeit der Handlung nach Völkerstrafrecht aus. Vgl. Bremer, Nationale Strafverfol-

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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dingungen aus pragmatischen Gründen oder solchen der Friedenssicherung vereinbart haben, handelt es sich nicht um zwingende Voraussetzungen einer Strafbarkeit nach Völkerrecht. Sie sind Indikatoren, die im Gesamtzusammenhang der Normentstehung zu betrachten sind. Das traditionelle Völkerrecht wurde ferner vom Gedanken der Souveränität der Staaten beherrscht. Allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerrechts wie die Theorie der Hoheitsakte („Act-of-State-Doctrine“) bzw. die Immunität von Führungspersonen eines Staates wurden entwickelt, um sich als Staat vor einer Einmischung anderer Staaten in interne Angelegenheiten wie das Bestrafen seiner Bürger zu schützen.253 Diese Prinzipien haben auf einen Strafprozess die Wirkung eines Strafausschlussgrundes und machten es unmöglich, das Handeln eines staatlichen Hoheitsträgers von außen (durch internationale oder durch ausländische nationale Gerichte) zu überprüfen. Auch negierte der Rechtfertigungsgrund „Handeln auf Befehl“ gerade in Kriegssituationen die Verantwortlichkeit des direkten Täters, der sich hinter dem Staat verstecken und von strafrechtlicher Verantwortung befreien konnte, wenn er sich auf die Ausführung eines Befehls seines Vorgesetzten berief.254 Da die Regierung oder eine andere die Staatsmacht ausübende Organisation meist in völkerrechtliche Verbrechen verwickelt ist, läuft ein solcher Strafausschließungsgrund gekoppelt mit der Theorie der Hoheitsakte quasi auf die Straflosigkeit aller völkerrechtlichen Verbrechen hinaus. Normen in einem völkerrechtlichen Instrument, die das Vorbringen dieser Strafausschließungsgründe in einem Prozess untersagen, zeigen damit deutlich den Bruch mit der traditionellen Konzeption des Völkerrechts an. Sie bestätigen, dass ein Individuum auch in der Funktion als Staatsorgan oder als Befehls-

gung, S. 58 f., 88 ff., 115, 123 ff. m.w. N.; siehe auch Bassiouni’s Strafbarkeitsmerkmale in Fn. 244. Die Verankerung des Weltrechtsprinzips in einem Abkommen ist ein Merkmal einer Strafbarkeit; Ahlbrecht, Geschichte, S. 12; Bantekas/Nash, ICL, S. 6 f.; Eichhofer, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 15 f.; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 59, die die Überschneidung zwischen dem Weltrechtsprinzip und dem materiellen Völkerstrafrecht aufzeigt (s. dazu oben 3. Kapitel I. 2. a). 253 Nach der Theorie der Hoheitsakte kann ein Individuum nicht für eine Handlung, die er als Staatsorgan vorgenommen hat, verantwortlich gemacht werden. Allein der Staat trägt nach außen die Verantwortung für die Handlung. Im Innenverhältnis unterliegt eine völkerstrafrechtswidrige Handlung eines Staatsorgans zwar der Gerichtsbarkeit des eigenen Staates, für andere Staaten ergibt sich aus dieser Theorie allerdings ein Verbot über ausländische Staatsbürger zu richten. Jescheck/Weigend, AT, S. 123; Woetzel, The Nuremberg Trials, S. 68 ff.; Triffterer, ICC-Commentary, Art. 27, Rn. 1 ff.; Zimmermann, in: Reginbogin/Safferling, Die Nürnberger Prozesse, S. 274 f. Siehe ferner: Fn. 123, wonach eine Aufhebung von Immunitäten von Amtsträgern auf horizontaler Ebene (wie z. B. durch das IStGH-Statut) nicht zu einer Aufhebung auf vertikaler (staatlicher) Ebene führt. 254 Vgl. Triffterer, ICC-Commentary, Art. 33, Rn. 1 ff.; Vogel, ZStW 114, 2002, S. 403; Bremer, Nationale Strafverfolgung, S. 55 f., die betont, dass nur der offensichtlich rechtswidrige Befehl kein Strafausschließungsgrund darstellt.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

empfänger für seine Handlung verantwortlich ist und zur Rechenschaft gezogen werden kann.255 Die neueren Völkerstrafrechtsquellen (wie die Gerichtsstatuten für z. B. die beiden Ad-hoc-Tribunale für das frühere Jugoslawien und Ruanda und den IStGH sowie die darauf basierende Rechtsprechung) demonstrieren einen höheren Entwicklungsstand, indem sie eine Verbotsnorm nicht nur an ein Individuum richten, mit Strafe bedrohen und klassische Strafausschließungsgründe unterbinden, sondern meist mit Regelungen des allgemeinen Strafrechts verbinden. Sie nähern sich damit einem dogmatischen Ansatz der Voraussetzungen der Strafbarkeit an, wie er im staatlichen Strafrecht vorherrscht.256 Zwar begründen die allgemeinen Bestimmungen nicht die Strafbarkeit einer Handlung. Allerdings können diese allgemeinen Normen zumindest als Indizien für eine Strafbarkeit herangezogen werden. Denn bestünde keine Strafbarkeit nach Völkerrecht, könnten auch keine allgemeinen Strafbedingungen an die völkerrechtliche Norm geknüpft werden.257 255 Siehe auch: Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 96, die die Immunität von Staatsoberhäuptern oder Amtspersonen als ein Problem der universellen Gerichtsbarkeit sieht und damit indirekt zu verstehen gibt, dass eine Immunität einer Amtsperson eine Strafbarkeit nach Völkerrecht vereitelt. 256 Aspekte des Allgemeinen Teils des Strafrechts sind Bestimmungen wie zum Vorsatz, Versuch und Rücktritt, zu Irrtümern, zur Täterschaft und Teilnahme, zu Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs- und Strafausschließungsgründen. Im kontinentaleuropäischen Recht wird die Strafbarkeit nach einem dreistufigen Aufbau ausgesprochen (Straftatsystem, Verbrechensbegriff), wonach in einem Tatbestand die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Tat vorliegen müssen. Auf zweiter und dritter Ebene wird geprüft, ob Gründe vorliegen, die die Tat als gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen und somit die Strafbarkeit entfallen lassen. Ferner können bestimmte prozessuale Gründe die Strafbarkeit ausschließen. Das anglo-amerikanische Strafrecht legt einen zweistufigen Aufbau des Verbrechensbegriffs zugrunde, indem es nicht zwischen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen unterscheidet. Es erkennt allgemein Strafausschließungsgründe („defenses“) an, gleichgültig, ob sie nun rechtfertigenden, schuldausschließenden oder gar prozessualen Charakter haben. Gemeinsam ist aber beiden Systemen, dass sie die Voraussetzungen einer Tat im Tatbestand samt der allgemeinen Regeln in ihrer jeweiligen Rechtsquelle sowie Ausnahmen zu der Strafbarkeit normieren. 257 Auf der Romkonferenz haben sich die Delegierten für den gleichen Ansatz eines allgemeinen Teils im IStGH-Statut wie in kontinentaleuropäischen Strafgesetzen entschieden, der die Strafbestimmungen vervollständigt. Das IStGH-Statut, das den letzten Stand des Völkerstrafrechts wiedergibt, bündelt allgemeine Bestimmungen in den Art. 25–33, die die Verantwortung eines Individuums zu erkennen geben. Art. 25 ist die zentrale Vorschrift der Strafbarkeit mit der Überschrift „Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit“. Trotzdem decken diese Bestimmungen nicht komplett die Strafbarkeitsvoraussetzungen eines Allgemeinen Teils ab. Vgl. dazu die Darstellung bei: Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 768 ff. Siehe auch Ambos, in: McDonald/Swaak-Goldman, Substantive and Procedural Aspects I, S. 5 ff., der genau diese Merkmale einer Strafbarkeit anhand der Rechtsprechung seit Nürnberg bis heute herauszuarbeiten versucht, sowie Vogel, ZStW 114, 2002, S. 403 ff., der die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit im Völkerstrafrecht hauptsächlich auf die Beteiligungs-

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Es kann somit festgestellt werden, dass folgende Bedingungen den Rückschluss auf eine Strafbarkeit nach Völkerrecht zulassen: – Verbots- oder Gebotsnorm, – Direkte oder indirekte Strafandrohung an das Individuum, – Ausschluss der Theorie der Hoheitsakte bzw. der Immunität und des Handelns auf Befehl. Ferner können zusätzliche Indizien eine Strafbarkeit zu erkennen geben: – Bestimmungen zur Täterschaft und Teilnahme, – Bestimmungen zum Vorsatz, – Bestimmungen zum Versuch und Rücktritt, – Bestimmungen zum Unterlassen, – Strafausschließungsgründe jeglicher Art, – Bestimmungen zu Konkurrenzen. Um den Überblick beim Nachweis einer Strafbarkeit über die Vielzahl der Instrumente zu behalten, werden einzelne Instrumentenarten, die eine ähnliche Struktur aufweisen, in einer Gruppe zusammengefasst. Jedes Instrument wird dahingehend untersucht, ob es ein Verbot der Vergewaltigung aufstellt und, ob es auch die individuelle Strafbarkeit für eine Verletzung des Verbots begründet. In einem weiteren Schritt wird überprüft, ob nun die Gesamtheit der Instrumente, die eine Strafbarkeit der Vergewaltigung begründen, auch die beiden Elemente des Völkergewohnheitsrechts verkörpern. Es werden von vornherein nur Instrumente berücksichtigt, die den heutigen Stand der Rechtslage wiedergeben. Instrumente, die entweder durch neuere ersetzt oder durch eine andere Entwicklung nie anerkannt wurden und insofern überholt sind, finden keine Beachtung. Ferner können die Voraussetzungen der Rahmenverbrechen (Gesamttaterfordernisse), in welche die Vergewaltigung eingebettet ist, nur am Rande Erwähnung finden, weil sie für die Frage nach der Anerkennung der Vergewaltigung als völkerrechtliches Verbrechen nicht erheblich sind. 1. Strafbarkeit der Vergewaltigung a) Multilaterale Abkommen Die Hauptinstrumente des Vertragsvölkerstrafrechts sind die Haager Konventionen von 1907, die Genfer Konventionen von 1949 samt ihren zwei Zusatzprolehre zurückführt und Merkel, ZStW 114, 2002, S. 437 ff., der die Strafbarkeit negativ anhand von Strafausschließungsgründen behandelt.

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tokollen von 1977 sowie die Völkermordkonvention von 1948. Diese Konventionen sind zum einen dem humanitären Völkerrecht und zum anderen den internationalen Menschenrechten zuzuordnen. Das humanitäre Völkerrecht regelt den bewaffneten Konflikt. Es ist sein Anliegen durch die Aufstellung von Geboten und Verboten wenigstens die grausamen Auswirkungen des Krieges auf die Kriegsbeteiligten und die Zivilbevölkerung zu mildern.258 Das humanitäre Völkerrecht lässt sich in das sog. Haager und Genfer Recht unterteilen. Das Haager Recht schränkt die Methoden und Mittel der Kriegsführung ein. Das Genfer Recht bezweckt hauptsächlich den Schutz derjenigen Personen, die nicht aktiv an den bewaffneten Auseinandersetzungen teilnehmen, indem es bestimmte unmenschliche Handlungen untersagt.259 Dieses Rechtsgebiet ist der Ursprung des Völkerstrafrechts, weil Normen dieser Rechtsdisziplin die ersten waren, die eine individuelle Strafbarkeit begründeten.260 Den zweiten Grundstock völkerstrafrechtlicher Normen liefert das Rechtsgebiet der internationalen Menschenrechte. Menschenrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Die Internationalisierung der Menschenrechte hat den Zweck den Bürger vor Menschenrechtsverletzungen eines Staates zu schützen. Gerade wenn der Staat selbst Rechtsverletzungen begeht, versagt der Menschenrechtsschutz auf nationaler Ebene. Das Völkerstrafrecht bietet die Möglichkeit, 258 Vgl. Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 617; Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 493; Greenwood, in: Dieter Fleck, Handbook, S. 1 ff.; Askin, BJIL 21, 2003, S. 289 ff.; Askin, in: Askin/Koenig, Women I, S. 41 ff.; Meron, AJIL 94, 2000, S. 240 ff.; Ambos, in: Hasse/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, S. 326 f. Das Rote Kreuz Komitee definiert das humanitäre Völkerrecht als: „International rules, established by treaties or custom, which are specifically intended to solve humanitarian problems directly arising from international or non-international armed conflicts and which, for humanitarian reasons, limit the right of Parties to a conflict to use the methods and means of warfare of their choice or protect persons and property that are, or may be, affected by conflict.“ (zit. in: Davis, The International Lawyer 34, 2000, S. 1228); Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 470. 259 Zuerst gab es nur das traditionelle Kriegsvölkerrecht („jus in bello“), was im Haager Recht niedergelegt ist. Dieses wurde durch das Genfer Recht ergänzt. Eine Unterteilung in zwei Rechtsgebiete erscheint gekünstelt, weil es zu zahlreichen Überschneidungen der Regelungen kommt und beide schließlich denselben Zweck verfolgen, die Kriegsfolgen einzudämmen. Das Wort humanitäres Völkerrecht ist relativ neu und wird daher so verstanden, dass es beide Rechtsgebiete umfasst. Vgl. McCoubrey, International Humanitarian Law, S. 2; Kimminich/Hobe, Völkerrecht, S. 545 f.; Kimminich, Schutz der Menschen in bewaffneten Konflikten, S. 42; Greenwood, in: Dieter Fleck, Handbook, S. 11 f.; Sunga, Individual Responsibility, S. 16, Fn. 3; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 2-24–2-28; Bantekas/Nash, ICL, S. 113. 260 Das humanitäre Völkerrecht wird deshalb sogar manchmal mit dem Völkerstrafrecht gleichgesetzt. Siehe: Mettraux, ICLR 1, 2001, S. 266; Cipolat, Rape before the ICTY, S. 50. Das humanitäre Völkerrecht und das Völkerstrafrecht sind aber nicht Synonyme. Nur einige Verletzungen des humanitären Völkerrechts stellen auch ein Kriegsverbrechen dar. Es handelt sich beim Völkerstrafrecht vielmehr um eine akzessorische Rechtsmaterie zum humanitären Völkerrecht. Cryer, International Law, S. 11; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 901 ff.

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diesem staatsorganisierten oder staatsunterstützten Machtmissbrauch entgegen zu treten.261 Allerdings stellen nur wenige Menschenrechtsverletzungen völkerrechtliche Verbrechen dar. Die wichtigste Konvention für das Völkerstrafrecht ist die Völkermordkonvention von 1948, die bezweckt, bestimmte Menschengruppen vor ihrer Ausrottung zu bewahren.262 Auch wenn zahlreiche weitere Konventionen zum Schutz der Menschenrechte (Folter, Apartheid, Rassendiskriminierung und Sklaverei) existieren, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Rechtsgebiet einen großen Beitrag zur hiesigen Untersuchung einer Strafbarkeit der Vergewaltigung liefern könnte. Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese Menschenrechtsbestimmungen mittlerweile als völkerstrafrechtliche Normen anerkannt sind,263 widmet sich keine dieser Menschenrechtskonventionen ausdrücklich Sexualtaten.264 Vielmehr wird Vergewaltigung als eine Handlungsform der Folter ausgelegt. Die eigentliche strafbarkeitsbegründende Norm der Folter wird aber dem humanitären Völkerrecht entnommen (Genfer Abkommen, Zusatzprotokolle). Wie sich noch in der Rechtsprechungsanalyse der Tribunale zeigen wird, kommt im Moment den Menschenrechtsinstrumenten noch vorwiegend die Aufgabe einer Interpretationshilfe bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht 261 Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 121 ff.; Meron, AJIL 94, 2000, S. 240; Sunga, Individual Responsibility, S. 15 ff.; Bantekas/Nash, ICL, S. 18; Mettraux, ICLR 1, 2001, S. 265 ff.; siehe auch: Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 469–470: „. . . human rights law is essentially born out of the abuses of the State over its citizens and out of the need to protect the latter from state-organised or statesponsored violence. Humanitarian law aims at placing restraints on the conduct of warfare so as to diminish its effects on the victims of the hostilities.“ 262 Vgl. Sunga, Individual Responsibility, S. 65 ff. 263 Siehe stellvertretend für viele andere: Cassese, International Criminal Law, S. 12. Es bestehen aber immer noch Zweifel an einer völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung der individuellen Strafbarkeit der Folter. Vgl. dazu: Sunga, Individual Responsibility, S. 15 ff. 86; Cryer, International Law, S. 4; Ahlbrecht, Geschichte, S. 210. 264 Radacic, EHRLR 3, 2008, S. 357 ff., die sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur sexuellen Gewalt aufgrund der europäischen Menschenrechtskonvention auseinander setzt. Sie macht deutlich, dass Vergewaltigung nicht ausdrücklich in der Konvention genannt wird, sondern nur unter anderen Schutzvorschriften – wie dem Verbot der Folter, der unmenschlichen Behandlung, Diskriminierung und dem Respekt vor dem Privat- und Familienleben – subsumiert werden kann. Ferner handelt es sich nicht um ein Verbrechen, welches eine Strafbarkeit aufgrund der Konvention nach sich zieht und die Staaten verpflichtet, den Täter strafrechtlich zu verfolgen. Die Staatsverpflichtung liegt lediglich darin, keine Schritte zu unternehmen, die die Menschenrechte verletzen könnten. Siehe dazu die drei wichtigsten Vergewaltigungsfälle vor dem EuGH: X and Y v. Netherlands, 1986, 8 EHRR, S. 235; Aydin v. Turkey, 1998, 25, EHRR, S. 251; MC v. Bulgaria, 2005, 4 EHRR, S. 20. Vgl. ferner die Ausführungen zur Rechtsprechung des EuGH zur Vergewaltigung in: Rudolf/ Eriksson, ICON 5, 2007, S. 507–525. Siehe ferner die Definition der Folter in der VNFolterkonvention und Sklaverei-Konvention, die Vergewaltigung nicht als Tathandlung nennen.

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(z. B. Bestimmung der Folterdefinition als Kriegsverbrechen bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit) als einer eigenständigen, strafbarkeitsbegründenden Rechtsquelle zu.265 So wurde hier die Entscheidung getroffen, auf eine sehr arbeitsintensive Analyse der Menschenrechtsinstrumente, zu verzichten. aa) Haager Konventionen von 1907 1907 handelten 44 Nationen auf der zweiten Haager Friedenskonferenz zwölf Abkommen zum Kriegsrecht aus. Im vierten Abkommen wurden die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges kodifiziert, die sog. Haager Landkriegsordnung (HLKO).266 Fast alle Staaten der Welt sind inzwischen dem IV. Abkommen beigetreten. Die HLKO beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Verbot bestimmter Waffen und militärischer Praktiken in bewaffneten internationalen Konflikten. Trotzdem lassen sich einige Regelungen finden, die sich mit dem Schutz von Einzelpersonen befassen. So sieht Art. 46 HLKO vor, dass auf besetztem feindlichem Gebiet von der militärischen Macht: Die Ehre und Rechte der Familie . . . geachtet werden [sollen].

Nach damaligem Verständnis wurde die „Familienehre“ durch Formen sexueller Gewalt verletzt. Die Formulierung „sollen geachtet werden“ bringt zum Ausdruck, dass die Norm für die Besetzer verpflichtend ist und ihnen sexuelle Gewalt untersagt. Auch wenn die Vorschrift die Vergewaltigung nicht beim Namen nennt und die gewalttätige Natur des Verbrechens verschleiert, indem sie es in die falsche Kategorie der Ehrverletzungsdelikte einordnet267, bestehen keine Zweifel daran, dass ein Verbot der Vergewaltigung der Bewohner eines besetzten Gebietes im internationalen bewaffneten Konflikt in Art. 46 HLKO niedergelegt wurde.268 265 Siehe dazu: Cryer, International Law, S. 10; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 467: „. . . because of the paucity of precedents in the field of international humanitarian law, the Tribunal has, on many occasions, had recourse to instruments and practices developed in the field of human rights law. Because of their resemblance, in terms of goals, values and terminology, such recourse is generally a welcome and needed assistance to determine the content of customary international law in the field of humanitarian law.“ 266 Vorausgegangen war die erste Haager Friedenskonferenz im Jahre 1899. Jedoch wurde die dort ausgearbeitete Haager Landkriegsordnung nicht angenommen und schließlich durch die Haager Landkriegsordnung von 1907 ersetzt. IV. Haager Abkommen 1907 abgedr. in: RGBl. 1910, S. 107–151; Sartorius II, Nr. 46. 267 Niarchos, HRQ 17, 1995, S. 673 f.; Copelon, Human Rights Dialogue 2, 2003; Saha, JEAIL 2, 2009, S. 503; Cipolat, Rape before the ICTY, S. 8; Krass, Denv. JILP, 22, 1994, S. 34; Grewal, AFLJ 33, 2010, S. 63. 268 Es sind keine Gegenstimmen zu verzeichnen, die die Vergewaltigung nicht nach Art. 46 verboten sehen. Gleicher Ansicht: Pictet, ICRC Commentary IV, S. 202; Khushalani, Dignity, S. 10; Askin, BJIL 21, 2003, S. 300; Askin, in: Askin/Koenig, Women I,

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Der Nachteil der Landkriegsordnung aus strafrechtlicher Sicht ist, dass sie keine ausdrückliche individuelle strafrechtliche Verantwortung bei einer Zuwiderhandlung vorsieht. Art. 3 HLKO erkennt nur eine eventuelle Schadensersatzpflicht der Kriegspartei an, also eine rein staatliche und nicht individuelle Verantwortung. Art. 1 HLKO verpflichtet die Vertragsparteien dazu, ihren Landesherren Verhaltensmaßregeln zu geben, welche den Vorschriften der HLKO entsprachen. Damit sollte die Beachtung der HLKO sichergestellt werden. Dies geschah unter anderem auch durch die Implementierung von entsprechenden Strafvorschriften in die nationalen Militärstrafgesetzbücher der Vertragsparteien.269 Die Vertragsparteien waren aber nicht dazu verpflichtet, eine Bestrafung bei einem Verstoß in die nationale Gesetzgebung aufzunehmen. Sie waren also absolut frei, einen Verstoß gegen die HLKO zu bestrafen oder nicht.270 Es entsprach nicht der damaligen Gesinnung der Staaten, die internationale Gemeinschaft über eine Bestrafung eines ihrer Staatsangehörigen entscheiden zu lassen. Dies hätte einen Einbruch in ihre Souveränitätsansprüche und Machtinteressen bedeutet, wozu kein Staat bereit gewesen wäre.271 Die HLKO enthält ein Verbot der Vergewaltigung gegnerischer Frauen im internationalen Krieg, erklärt die Verletzung dieses Verbots jedoch nach dem Völkerrecht nicht für strafbar. Art. 46 HLKO hat somit als völkervertragliche Rechtsgrundlage einer Strafbarkeit der Vergewaltigung keine Relevanz.272 S. 51; Meron, AJIL 87, 1993, S. 425; Viseur-Sellers, in: McDonald/Swaak-Goldman, Substantive and Procedural Aspects I, S. 275, hebt besonders hervor, dass nicht nur Vergewaltigungen während Kampfhandlungen, sondern auch danach während einer militärischen Besatzung verboten wurden; Aydelott, EILR 7, 1993, S. 612; Aafjes, Gender Violence, S. 25, Fn. 64; Möller, Völkerstrafrecht, S. 369; Möller, Sexuelle Gewalt im Krieg, in: Hasse/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, S. 282. 269 Ahlbrecht, Geschichte, S. 29; Grewe, Nürnberg als Rechtsfrage, S. 18. 270 Siehe dazu: Ahlbrecht, Geschichte, S. 29; Grewe, Nürnberg als Rechtsfrage, S. 18 f.; Pictet, ICRC Commentary II, S. 261, IV, S. 538 ff.; IMG-DOC., Vol. I, S. 246 f., zit. in: Hummrich, Aggression, S. 54; Clapham, in: Sands, From Nuremberg to The Hague, S. 31. 271 Wie Ahlbrecht, Geschichte, S. 26, in seiner Dissertation herausarbeitet, wurde eine völkerrechtliche Sanktionierung der Kriegsverbrechen zur fraglichen Zeit nicht einmal in der Literatur gefordert. Das Völkerrecht kannte eine individuelle Strafbarkeit bisher nur für Delikte „iure gentium“ wie Seeräuberei und Sklavenhandel. 272 Vor der HLKO hatte eine Kodifizierung des Kriegsrechts lediglich in Militärhandbüchern stattgefunden (Green, The Contemporary Law of Armed Conflict, S. 29 f.). Eines der wichtigsten Militärhandbücher war der sog. Lieber Code, der viele Staaten zur Aufstellung eines eigenen Kodex veranlasst hatte. Der deutsch-amerikanische Rechtsprofessor Franz Lieber entwarf im Auftrag des amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln die „US Army Regulations on the Laws of Land Warfare of 1863“, welche Verhaltensweisen der amerikanischen Streitkräfte im bewaffneten Konflikt festlegten (abgedr. in: Schindler/Toman, The Laws of Armed Conflicts 3; siehe auch: Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 908). Darin enthalten war auch das ausdrückliche Verbot der Vergewaltigung unter Androhung der Todesstrafe: Art. 44: „. . . all rape(s) . . . (are) prohibited under the penalty of death.“

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bb) Genfer Konventionen von 1949 Die ersten Genfer Konventionen zum Kriegsrecht wurden bereits 1864 verabschiedet und wurden dann mehrfach erweitert und präzisiert (1906, 1929) bis sie mit den vier Genfer Konventionen von 1949 und den zwei Zusatzprotokollen von 1977 ihre heute gültige Fassung erhielten.273 Die vier Abkommen von 1949 regeln die Behandlung von Kriegsbeteiligten (Kranken, Verletzten und Schiffsbrüchigen), Kriegsgefangenen und Zivilisten während eines bewaffneten Konflikts. Sie wurden von fast der gesamten Welt (194 Staaten) ratifiziert, wodurch sie eine völkergewohnheitsrechtliche Gültigkeit erlangt haben.274 Anlass zu diesen Abkommen hatten die Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs gegeben. Eine besondere Notwendigkeit wurde empfunden, den Schutz der Zivilbevölkerung auszudehnen, die in diesem Krieg im außerordentlichen Maße in Mitleidenschaft gezogen worden war.275 Opfer von Vergewaltigungen sind meist Frauen, die überwiegend der

Art. 37 wiederholte das Verbot der Vergewaltigung an der feindlichen Zivilbevölkerung während einer militärischen Besatzung: „The United States acknowledge and protect, in hostile countries occupied by them, religion and morality; strictly private property; the persons of the inhabitants, especially those of women; and the sacredness of domestic relations.“ Der Lieber Code erklärte somit die Vergewaltigung im bewaffneten Konflikt – sowohl während der Kampfhandlungen als auch während einer militärischen Besatzung – an gegnerischen Zivilisten zum Kriegsverbrechen (Viseur-Sellers, in: McDonald/ Swaak-Goldman, Substantive and Procedural Aspects I, S. 272). Allerdings wurden die Straftatbestände dem innerstaatlichen Recht entnommen, in ein staatliches Militärgesetzbuch niedergeschrieben und die Bestrafung erfolgte durch nationale Militärgerichte (Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 908). Von einer direkt nach Völkerrecht begründeten Strafbarkeit kann daher nicht die Rede sein. 273 Die Konventionen wurden vom Internationalen Roten Kreuz, einem Schweizer Verein mit 25 Mitgliedern entworfen. Dieser Verein ist neben dem Heiligen Stuhl als Völkerrechtssubjekt anerkannt, eine Stellung im Völkerrecht, die sonst nur Staaten zukommt. Initiator der Roten Kreuz-Organisation war Henry Dunant. Art. 3 Genfer Konvention von 1929 enthielt bereits ein Verbot der Vergewaltigung. Es kann hier auf eine Darstellung des frühen Genfer Rechts verzichtet werden, weil es durch die neueren Konventionen von 1949 ersetzt wurde. Vgl. Willimin/Heacock, The ICRC, S. 23; Cipolat, Rape before the ICTY, S. 7. 274 I. Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde, abgedr. in: UNTS Bd. 75, S. 31; II. Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffsbrüchigen zur See, abgedr. in: UNTS Bd. 75, S. 85; III. Genfer Konvention über die Behandlung der Kriegsgefangenen, abgedr. in: UNTS Bd. 75, S. 135; BGBl. 1954 II, S. 838 und Sartorius II, 53; IV. Genfer Konvention zum Schutze der Zivilbevölkerung, abgedr. in: UNTS Bd. 75, S. 287; BGBl. 1954 II, S. 917–976 Berichtigung BGBl. 1956 II, S. 1586 und Sartorius II, 54; I. Zusatzprotokoll über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte, abgedr. in: BGBL. 1990 II, S. 1551–1622; Sartorius II, 54 a; II. Zusatzprotokoll über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte, abgedr. in: BGBl. 1990 II S. 1637–1651; Sartorius II, 54 b. Der aktuelle Ratifizierungsstand kann auf www.icrc.org eingesehen werden. 275 Khushalani, Dignity, S. 39; Askin, War Crimes against Women, S. 244.

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Zivilbevölkerung angehören, so dass die hier interessierenden Vorschriften in der IV. Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung angesiedelt sind.276 Der einzige Artikel der Genfer Abkommen, der die Vergewaltigung ausdrücklich verbietet ist Art. 27: Die geschützten Personen haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person, ihrer Ehre, ihrer Familienrechte, ihrer religiösen Überzeugungen und Gepflogenheiten, ihrer Gewohnheiten und Gebräuche. Sie werden jederzeit mit Menschlichkeit behandelt und insbesondere vor Gewalttätigkeit oder Einschüchterung, vor Beleidigungen und der öffentlichen Neugier geschützt. Die Frauen werden besonders vor jedem Angriff auf ihre Ehre und namentlich vor Vergewaltigung, Nötigung zur gewerbsmäßigen Unzucht und jeder unzüchtigen Handlung geschützt. . . .

Nach dem zweiten Absatz werden Frauen ausdrücklich vor Vergewaltigung geschützt. Auffällig ist, dass die Vorschrift nicht einer Strafnorm ähnelt. Sie geoder verbietet nicht einem Individuum eine Handlung, sondern spricht von einem Schutz vor einer Handlung.277 Diese Formulierung resultiert daraus, dass das humanitäre Völkerrecht nicht zu strafrechtlichen Zwecken konzipiert worden war, sondern, nach traditionellem Verständnis des Völkerrechts, die Konfliktparteien zu einem Schutz vor Handlungen ihrer Staatsangehörigen verpflichten wollte. Die Ausdrucksweise ist aber dennoch für die Konfliktparteien und damit konkret für die ihr angehörenden Individuen eindeutig verpflichtend („werden geschützt“). Sie lässt erkennen, welche Handlung rechtswidrig sein soll, womit in der Norm durchaus ein Verbot der genannten Tat an den Angehörigen einer Kriegspartei enthalten ist. Dieses Verständnis kann auf alle Normen der Genfer Bestimmungen übertragen werden, solange sie einen obligatorischen Schutz vor einer bestimmten Handlung aufstellen. Damit ist die Vergewaltigung an gegnerischen Zivilistinnen während eines internationalen bewaffneten Konflikts verboten. Aber bereits der erste Absatz muss so verstanden werden, dass er jede Zivilperson vor Vergewaltigung bewahren will. Denn indem er alle Rechte nennt, die untrennbar mit dem Individuum verbunden sind, schützt er das Individuum vor jedem Eingriff in seine physische, moralische und intellektuelle Integrität.278 Eine Vergewaltigung ist ein höchst gewalttätiger, schmerzhafter und erniedrigender Akt und verletzt damit die physische und psychische Integrität einer Person, 276 Geschützte Personen sind nach Art. 4 der IV. Konvention die Personen, die sich in Gewalt einer gegnerischen Kriegspartei oder einer Besatzungsmacht befinden. 277 Diese Formulierungsweise wird heftig in der feministischen Literatur kritisiert: Chinkin, EJIL 5, 1994, S. 331; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 89. 278 Pictet, ICRC Commentary IV, S. 201; Khushalani, Dignity, S. 42; Krill, RICR 67, 1985, S. 348; Aydelott, EILR 7, 1993, S. 611 bejaht das Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift in Bezug auf die Massenvergewaltigungen in Bosnien.

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negiert deren persönliche Willensfreiheit einschließlich der Freiheit zur sexuellen Selbstbestimmung.279 Sie stellt eine für Körper und Psyche grausame und entwürdigende, folglich unmenschliche Behandlung dar.280 Der Unterschied zu Absatz 2 ist, dass Absatz 1 sehr viel weiter gefasst ist, um so möglichst jede grausame Behandlung zu erfassen. Da er geschlechtsneutral formuliert ist, können auch Männer Tatopfer sein und es können auch gleichgeschlechtliche Taten erfasst werden. Dass zusätzlich in Art. 27 Abs. 2 das ausdrückliche Verbot der Vergewaltigung von Frauen eingebracht wurde, hatte mit den massenhaften Vergewaltigungen von Frauen im Zweiten Weltkrieg zu tun.281 Es erschien notwendig, explizit die Vergewaltigung als eine unmenschliche Behandlung zu nennen, um jedes Missverständnis zu vermeiden und hiermit den Schutz von Frauen im Krieg, die vornehmlich Opfer sexueller Übergriffe werden, zu erhöhen. Im Grunde handelt es sich aber nur um eine konkretere Formulierung des in Absatz 1 garantierten Rechtsschutzes, weil er auf den gleichen Werten wie dem Respekt vor einer Person, ihrer Ehre und den Familienrechten basierte.282 Art. 27 schafft aber nicht nur einen konkreten Rechtsschutz für Zivilisten, indem er bestimmte Handlungen verbietet, sondern er fungiert auch als Auslegungshilfe bei anderen Vorschriften der Konvention. Die Schöpfer der Konventionen haben hier zu Beginn des dritten Teils das Leitmotiv aller Konventionen festgehalten, nämlich dass jede Person zu jeder Zeit mit Menschlichkeit zu behandeln ist. Besonders der erste Absatz versucht alle fundamentalen Menschenrechte unter den Schutz der Konvention zu stellen. Es war den Schöpfern des Genfer Rechts klar, dass sie nicht jede grausame Handlung vorhersehen und verbieten konnten.283 Sie wählten daher eine abstrakte Formulierung, die zwar ungenau erscheint, aber den weitesten Schutz der Menschenrechte im Krieg sicherstellen konnte. Diese Überlegung wurde in mehreren Artikeln der Konventionen (hier von Interesse sind Art. 27 und – wie sich noch zeigen wird – der gemein-

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Siehe dazu die Ausführungen des 2. Kapitels. Vgl. auch die Ausführungen unten zu Art. 147, Fn. 288, 289. 281 Sandoz, Commentary on Protocols, Rn. 3152. 282 Pictet, ICRC Commentary IV, S. 205; Krill, RICR 67, 1985, S. 348; Die Vorschrift wird von vielen Autoren kritisiert, weil sie die gewalttätige Handlung durch die Einteilung als Ehrverletzungsdelikt verschleiert und den Unwert der Tat nicht gerecht wiederspiegelt: Copelon, Human Rights Dialogue 2, 2003; Möller, Völkerstrafrecht, S. 369; Seibert-Fohr, in: Hankel, die Macht und das Recht, S. 162 f.; Grewal, AFLJ 33, 2010, S. 63. 283 „Besides it is always dangerous to try to go into to much detail – especially in this domain. However great the care taken in drawing up a list of all the various forms of infliction, it would never be possible to catch up with the imagination of future torturers who wished to satisfy their bestial instincts; and the more specific and complete a list tries to be, the more restrictive it becomes.“ Pictet, ICRC Commentary IV, S. 39. 280

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same Art. 3) umgesetzt. Will man dem Zweck der Konventionen gerecht werden, so ist der Begriff „unmenschliche Behandlung“ stets weit auszulegen.284 Das Recht der physischen Integrität ist ferner in Art. 32 enthalten.285 Geschützt ist die Zivilbevölkerung vor der Herbeiführung des Todes und jeder Art der Zufügung körperlicher Leiden. Wie bereits zuvor festgestellt, verursacht eine Vergewaltigung physische Leiden und stellt eine unmenschliche Behandlung dar. Somit verbietet Art. 32 auch Vergewaltigungen.286 Art. 147 enthält einen Katalog von schweren Verletzungen der Genfer Konventionen. Als schwere Verletzung im Sinne des vorstehenden Artikels gilt jede der folgenden Handlungen, sofern sie gegen durch das Abkommen geschützte Personen oder Güter begangen wird: • vorsätzliche Tötung, • Folterung oder unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche, • vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit, • rechtswidrige Verschleppung oder rechtswidrige Verschickung, • rechtswidrige Gefangenhaltung, • Nötigung einer geschützten Person zur Dienstleistung in den Streitkräften der feindlichen Macht oder Entzug ihres Anrechts auf ein ordentliches und unparteiisches, den Vorschriften des vorliegenden Abkommens entsprechendes Gerichtsverfahren, • das Festnehmen von Geiseln, sowie • Zerstörung und Aneignung von Eigentum, die durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigt sind und in großem Ausmaß rechtswidrig und willkürlich vorgenommen werden.287

Vergewaltigung ist nicht ausdrücklich aufgeführt. Das heißt aber nicht, dass sie nicht in den aufgelisteten Handlungen enthalten sein kann.

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Pictet, ICRC Commentary IV, S.12 f., 204. Art. 32: „Den Hohen Vertragsparteien ist jede Maßnahme, die körperliche Leiden oder den Tod der in ihrem Machtbereich befindlichen geschützten Personen zur Folge haben könnte, ausdrücklich untersagt. Dieses Verbot betrifft nicht nur Tötung, Folterung, körperliche Strafen, Verstümmelung und medizinische oder wissenschaftliche, nicht durch ärztliche Behandlung einer geschützten Person gerechtfertigte biologische Versuche, sondern auch alle anderen Grausamkeiten, gleichgültig, ob sie durch zivile Bedienstete oder Militärpersonen begangen wurden.“ 286 Khushalani, Dignity, S. 43. 287 Jeder Konvention wurde der gleiche Katalog von schweren Verletzungen implementiert, lediglich die geschützte Personengruppe variiert. Siehe: Artikel Art. 50 (I.), 51 (II.), 130 (III.) Genfer Abkommen. 285

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Wieder wurde hier die Tat der unmenschlichen Behandlung in die Vorschriften aufgenommen. Die Definition ist keine andere als die in Art. 27.288 Die Nachlässigkeit des Komitees, Vergewaltigung ausdrücklich als eine schwere Verletzung zu nennen, versuchten die Kommentatoren der Genfer Konventionen über eine weite Auslegung zu berichtigen. Sie betonten zum einen, dass durch das Verbot der unmenschlichen Behandlung nicht nur die körperliche Integrität einer Person geschützt werden sollte, sondern ganz entscheidender Wert auf den Schutz der menschlichen Würde gelegt wurde: It could not mean solely treatment constituting an attack on physical integrity or health; the aim of the Convention is certainly to grant protected persons who are in enemy hands a protection which will preserve their human dignity and prevent their being brought down to the level of animals. Certain measures, . . . which would cause great injury to their human dignity, should be considered as inhumane treatment.289

Ein Eindringen in das Innerste eines Menschen gegen seinen Willen kann nur als eine zutiefst entwürdigende Behandlung angesehen werden. Das Rote Kreuz hat schließlich 1992 in einem Aide-mémoire explizit bestätigt, dass Vergewaltigung eine unmenschliche Behandlung sowohl nach Art. 27 als auch nach Art. 147 darstellt.290 Es könnte aber sein, dass die Vergewaltigung noch unter eine weitere Einzeltat des Art. 147 zu subsumieren ist. Vergewaltigung könnte den Tatbestand der Folter erfüllen. Zur Zeit des Abschlusses der Genfer Konventionen wurde Folter als die Zufügung von Leiden definiert, um ein Geständnis oder Informationen vom Opfer oder von einem Dritten zu erlangen.291 Unter einer Zufügung von Leiden wird grundsätzlich eine schmerzhafte Körperverletzung verstanden. Eine Vergewaltigung verursacht nicht unerhebliche körperliche und meist langanhaltende seelische Leiden und ist neben der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, ein Angriff auf das Rechtsgut des menschlichen Körpers. Das Element der Absicht, ein Geständnis oder Informationen zu erlangen, kann als das Unterscheidungsmerkmal zur unmenschlichen Behandlung verstanden werden. Dass es nicht unwahrscheinlich ist, eine Vergewaltigung als Foltermethode anzuwenden, zeigen die Vergewaltigungen in Bosnien, die unter anderem eingesetzt wurden, um Informationen von Frauen über ihre Ehemänner oder Söhne zu erhalten. Es steht also nichts im Wege, eine Vergewaltigung auch als Folter im Sinne der 288 Das Leitmotiv der unmenschlichen Behandlung taucht auch in den anderen Konventionen auf: Art. 12 (II.) und 13 (III.). Siehe ferner: Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 85 f. 289 Pictet, ICRC Commentary I, S. 372, II, S. 269, III, S. 627, IV, S. 598. 290 Das Aide-Memoire des Roten Kreuzes vom 03.12.1992 kann als eine „opinio juris“ i. S. d. Völkergewohnheitsrechts bewertet werden, weil es die Rechtsauffassung eines Völkerrechtssubjekts wiedergibt. Zit. in: Aafjes, Gender Violence, S. 28. 291 Pictet, ICRC Commentary I, S. 372, II, S. 268, III, S. 627, IV, S. 598; Fitzgerald, Rape, S. 45.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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schweren Verletzungen der Genfer Abkommen zu bewerten, wenn die weiteren Voraussetzungen der Folter erfüllt sind.292 Die vorsätzliche Verursachung großer Leiden umfasst körperliche und seelische Leiden, welche einer Person zur Bestrafung, aus Rache oder aus einem anderen Grund der Person zugefügt werden.293 Die schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit ist an die Begriffe nationaler Strafrechtsordnungen angelehnt. Ob eine schwere Beeinträchtigung vorliegt, soll nach der Länge der Arbeitsunfähigkeit bestimmt werden. Irrelevant ist insofern, ob es sich um eine körperliche oder seelische Beeinträchtigung handelt, weil durch beide eine Arbeitsunfähigkeit bewirkt werden kann.294 Beide Kategorien sollen die Fälle von Misshandlungen erfassen, die unterhalb der Schwelle der Folter und unmenschlichen Behandlung liegen, so z. B. wenn kein bestimmtes Ziel bei der Herbeiführung der Leiden verfolgt wurde.295 Konsequenterweise kann die Vergewaltigung, wenn sie nicht bereits eine Folterung oder unmenschliche Behandlung darstellt, die Voraussetzungen dieser beiden Kategorien erfüllen. Festzuhalten ist, dass das Verbot der Vergewaltigung implizit in „Folter“, „unmenschliche Behandlung“, „vorsätzliche Verursachung großer Leiden“ und „schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit“ enthalten ist und somit unter den Verbrechenskatalog der schweren Verletzungen der Genfer Konventionen fällt.296 Alle bisher untersuchten Vorschriften betreffen den internationalen bewaffneten Konflikt. Lediglich der in alle Konventionen eingebrachte gemeinsame Art. 3 bezieht sich auf den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt (Bürgerkrieg). Zur damaligen Zeit wurde eine Regelung für einen nationalen Konflikt als eine Einmischung in innere Angelegenheiten betrachtet und war deshalb unvereinbar mit dem Souveränitätsprinzip der Staaten.297 Stattdessen einigte man sich, einen Mindeststandard an Rechten für alle Betroffenen eines solchen Konflikts zu schaffen. Die Vertragsparteien verpflichteten sich, bestimmte Prinzipien der Konventionen anzuwenden, wie sie auch in der nicht verabschiedeten Präambel diskutiert worden waren und in Vorschriften wie z. B. Art. 27 (IV.) für den interna292

Schreck, Penn.St.I.L.R. 28, 2009, S. 97 f. Pictet, ICRC Commentary I, S. 372, II, S. 269, III, S. 628, IV, S. 599. 294 Pictet, ICRC Commentary I, S. 372, II, S. 269, III, S. 628, IV, S. 599. 295 Pictet, ICRC Commentary I, S. 372, II, S. 269, III, S. 628, IV, S. 599. 296 Gleicher Ansicht: Khushalani, Dignity, S. 45; Pictet, ICRC Commentary IV, S. 598; Gardam/Jarvis, Women, S. 74, 100, 201; Pilch, JLS US-AFA 9, 1998/1999, S. 105; Aydelott, EILR 7, 1993, S. 612; Meron, AJIL 87, 1993, S. 426 mit Hinweis auf das Aide-Memoire des ICRC 1992; Möller, in: Hasse/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, S. 283 f.; Fitzgerald, Rape, S. 43 ff.; weiterhin wird die Ansicht, dass Vergewaltigung unter die schweren Verletzungen der Genfer Konventionen fällt, vom JStGH in mehreren Urteilen vertreten, siehe 3. Kapitel III. 1. c) ee) (1). 297 Pictet, ICRC Commentary IV, S. 30 f. 293

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

tionalen Konflikt enthalten sind.298 Deshalb wird Art. 3 häufig als Miniaturkonvention für den internen Konflikt bezeichnet.299 Da Art. 3 nur ein Minimum an Rechten für den internen Konflikt festsetzt, muss er, wenn alle anderen Vorschriften der Konventionen im internationalen Konflikt Anwendung finden, a fortiori auch für diesen gelten.300 Art. 3 statuiert: Im Falle eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter hat und auf dem Gebiet einer der Hohen Vertragsparteien entsteht, ist jede der am Konflikt beteiligten Parteien gehalten, mindestens die folgenden Bestimmungen anzuwenden: (1) Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Mitglieder der Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangennahme und irgendeine andere Ursache außer Kampf gesetzt sind, werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt, ohne jede auf Rasse, Farbe, Religion oder Glauben, Geschlecht, Geburt oder Vermögen oder auf irgendeinem anderen ähnlichen Unterscheidungsmerkmal beruhende Benachteiligung. Zu diesem Zweck sind und bleiben in Bezug auf die oben erwähnten Personen jederzeit und überall verboten a) Angriffe auf das Leben und die Person, namentlich Tötung jeder Art, Verstümmelung, grausame Behandlung und Folterung, b) das Festnehmen von Geiseln, c) Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich erniedrigende und entwürdigende Behandlung, d) Verurteilung und Hinrichtung ohne vorhergehendes Urteil eines ordentlich bestellten Gerichts, das die von den zivilisierten Völkern als unerlässlich anerkannten Rechtsgarantien bietet.

Art. 3 Abs. 1 garantiert den geschützten Personen eine menschliche Behandlung. Die vier Verbote nach den Buchstaben a)–d) sind Beispiele unmenschlicher Behandlungen wie sie im zweiten Weltkrieg geschehen sind; sie sind aber nicht abschließend. So ist die Norm flexibel genug, andere Gräueltaten zu erfassen.301 Vergewaltigung fällt bereits als unmenschliche Behandlung unter den allgemeinen Schutz des Art. 3 Abs. 1.302 Nach den aufgelisteten Beispielen kann Vergewaltigung Folter darstellen, wenn deren weitere Voraussetzungen vorliegen. Dem 298 Pictet, ICRC Commentary IV, S. 14, 34 ff., 39. Eine restriktive Liste an verbotenen Handlungen wäre zu unflexible gewesen. 299 Khushalani, Dignity, S. 40; Pictet, ICRC Commentary IV, S. 34. 300 Pictet, ICRC Commentary IV, S. 38. Ferner sind die Kommentatoren der Genfer Konventionen der Meinung, dass dieser Mindeststandard jedoch unanwendbar ist, wenn es sich nicht mehr um einen internen bewaffneten Konflikt, sondern um eine kurze und unorganisierte oder bandenmäßige Auseinandersetzung handelt. Siehe Pictet, ICRC Commentary IV, S. 36. 301 Pictet, ICRC Commentary IV, S. 38 ff. Die vier Verbote sind auch in den Vorschriften Art. 27, 31–34, 64–77 der IV. Konvention enthalten. 302 Pictet, ICRC Commentary IV, S. 38 ff.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Wortlaut steht nicht entgegen, die Vergewaltigung nicht nur als unmenschliche, sondern auch als grausame Behandlung zu interpretieren. Damit ist die Vergewaltigung nach Buchstabe a) rechtswidrig. Art. 3 c) enthält zwar nicht selbst das Wort Vergewaltigung, bezieht sich aber am konkretesten auf dieses Verbrechen. Eine Vergewaltigung ist – wie bereits zu Art. 27 und 147 erläutert – eine höchst erniedrigende und entwürdigende, vielleicht sogar die entwürdigenste Behandlung eines Menschen; sie ist damit auch nach Art. 3 I c) verboten.303 Das Ergebnis ist, dass die Vergewaltigung von Frauen der gegnerischen Zivilbevölkerung im internationalen wie im internen bewaffneten Konflikt verboten ist. Aber auch die Kranken, Schiffsbrüchigen und Kriegsgefangenen sind vor Vergewaltigungen geschützt. Denn die Genfer Konventionen I.–III. enthalten für diese geschützten Personenkreise die gleichlautende Vorschrift der schweren Verletzungen für den internationalen und den nicht-internationalen Konflikt. Nicht geschützt sind hingegen die Staatsangehörigen des eigenen Staates, eines neutralen Staates sowie einer Co-Kriegspartei oder eines Staates, der nicht Vertragspartei ist.304 Als Täter kommen sowohl Angehörige der Streitkräfte als auch Zivilisten in Betracht, weil die Genfer Konventionen keine Bedingungen an den Täterkreis stellen.305 Zu klären bleibt noch, ob für die somit rechtswidrige Tat der Vergewaltigung eine Strafbarkeit vereinbart wurde. Die zentrale Vorschrift zur Bekämpfung der Verletzungen der IV. Konvention ist Art. 146: Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, alle notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Festsetzung von angemessenen Strafbestimmungen für solche Personen zu treffen, die irgendeine der im folgenden Artikel umschriebenen schweren Verletzung des vorliegenden Abkommens begehen oder den Befehl erteilen. Jede Vertragspartei ist zur Ermittlung der Personen verpflichtet, die der Begehung oder der Erteilung eines Befehls zur Begehung einer dieser schweren Verletzungen beschuldigt sind; sie stellt sie ungeachtet ihrer Nationalität vor ihre eigenen Gerichte. Wenn sie es vorzieht, kann sie sie auch gemäß den in ihrem eigenen Recht vorgesehenen Bedingungen einer anderen an der gerichtlichen Verfolgung interessierten Vertragspartei zur Aburteilung übergehen, sofern diese gegen die erwähnten Personen ein ausreichendes Belastungsmaterial vorbringt. 303 Khushalani, Dignity, S. 41; Aydelott, EILR 7, 1993, S. 609 f.; Aafjes, Gender Violence, S. 30; Zahar/Sluiter, International Criminal Law, S. 124 ff. 304 Siehe dazu den nicht geschützten Personenkreis in Art. 4 der Konventionen. Diese Beschränkung auf kriegsgegnerische Täter wird von vielen feministischen Autoren kritisiert. Gardam/Jarvis, Women, S. 60; Khushalani, Dignity, S. 45; Askin, War Crimes against Women, S. 247 f. Askin zeigt an einem Beispiel einleuchtend, warum der Schutz sich auf alle Zivilpersonen beziehen sollte, unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Im Vietnam-Konflikt wurde eine südvietnamesische Frau von US-Soldaten vergewaltigt. Die Täter konnten nicht nach den Genfer Abkommen zur Rechenschaft gezogen werden, weil das Opfer aus Südvietnam war und somit nicht zur Gegenseite gehörte. 305 Bremer, Nationale Strafverfolgung, S. 99 f.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Jede Vertragspartei ergreift die notwendigen Maßnahmen, um auch diejenigen Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des vorliegenden Abkommens zu unterbinden, die nicht zu den im folgenden Artikel umschriebenen schweren Verletzungen zählen. Unter allen Umständen genießen die Angeklagten nicht geringere Sicherheiten in Bezug auf Gerichtsverfahren und freie Verteidigung, als in Artikel 105 und den folgenden Artikeln des Genfer Abkommens vom 12. August 1949 über die Behandlung von Kriegsgefangenen vorgesehen sind.306

Offensichtlich ist, dass die Konventionen eine Einteilung in „schwere“ und „leichte“ (bzw. „einfache“) Verletzungen vornehmen. Denn die Vertragsstaaten verpflichten sich, allein die schweren Verletzungen der Abkommen („grave breaches“) unter angemessene Strafe zu stellen und alle anderen Zuwiderhandlungen lediglich zu unterbinden.307 Im Detail betrachtet sind die Vertragsparteien für die schweren Verletzungen drei wesentliche Verpflichtungen eingegangen: (1) Strafbestimmungen mit dem Inhalt der schweren Verletzungen in ihre Gesetzgebung aufzunehmen, (2) nach Tatverdächtigen der schweren Verletzungen zu suchen und (3) sie durch eigene Justizbehörden zu verfolgen oder sie zur Strafverfolgung an einen anderen Staat auszuliefern.308 Aufgrund der dritten Verpflichtung, die Tat entweder selbst zu verfolgen oder an einen anderen Staat auszuliefern, wurde der Grundsatz „aut dedere aut judicare“ in der Konvention verankert. Da jede Vertragspartei verpflichtet ist, Verdächtige ungeachtet ihrer Nationalität zu ermitteln und vor die eigenen Gerichte zu stellen, wurde das Weltrechtsprinzip festgelegt. Diese Pflicht beschränkt sich nämlich nicht auf die Staaten, dessen Staatsangehörige der Täter oder das Opfer 306 Alle Konventionen enthalten eine gleichlautende Vorschrift wie Art. 146. Siehe dazu: Art. 49 (I.), 50 (II.), 129 (III.). 307 Vgl. auch: Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 38, 182; Jescheck, GA 1981, S. 55 f.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 146; Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 84 ff.; Zahar/Sluiter, International Criminal Law, S. 124 ff.; Bantekas/Nash, ICL, S. 113; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 80. 308 Pictet, ICRC Commentary IV, S. 584 ff.; IV, S. 590 ff.; Gardam/Jarvis, Women, S. 72 ff.; Sandoz, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 404. Ahlbrecht, Geschichte, S. 148 f.; differenziert: Kreß, JICJ 7, 2009, S. 789–809, der klarstellt, dass weder eine absolute Pflicht besteht, einen Tatverdächtigen zu verhaften (S. 800 f.), noch eine absolute Pflicht besteht, einen Tatverdächtigen zu verurteilen (S. 801 f.). Es wurde vielmehr eine Pflicht festgelegt, gegen einen Tatverdächtigen zu ermitteln (Unschuldsvermutung) und nur bei ausreichenden Beweisen zu verurteilen. Ferner wurde nicht vereinbart, ein spezielles Gesetz zur Strafverfolgung von schweren Verletzungen in das jeweilige staatliche Recht zu integrieren. Es genügt, dass die Staaten die schweren Verletzungen mittels ihres allgemeinen staatlichen Strafrechts verfolgen können (S. 795).

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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der Tat sind oder auf den Tatortstaat, sondern sie richtet sich an alle Unterzeichnerstaaten. Somit sehen die Genfer Konventionen universelle Gerichtsbarkeit vor, verbunden mit der Pflicht, die Strafverfolgung einzuleiten oder den Täter auszuliefern.309 Für die einfachen Verletzungen ist keine Pflicht beschrieben, sie in das nationale Strafrecht umzusetzen. Es wird von den Vertragsstaaten nur verlangt, dass sie sicherstellen, dass solche Zuwiderhandlungen nicht auf ihrem Territorium begangen werden. Art. 1 aller Konventionen bestimmt, dass das jeweilige Abkommen von den Vertragsparteien einzuhalten und die Einhaltung durchzusetzen ist. Wenn man die Einhaltung einer Norm sicherstellen will, kann eigentlich nur die Implementierung von entsprechenden Strafvorschriften auf nationaler Ebene gemeint sein.310 Jedoch lässt diese Überlegung nicht den Schluss zu, dass die Staaten zu einer strafrechtlichen Umsetzung der einfachen Vorschriften der Genfer Konventionen verpflichtet sind. Ihnen ist gerade durch die Formulierung „ergreift die notwendigen Maßnahmen“ die Freiheit gewährt worden, selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen sie für die Einhaltung der Konventionen für notwendig erachten.311 Andernfalls hätte die Unterteilung in schwere und einfache Verletzungen keinen Sinn gemacht, an der auch die Zusatzprotokolle von 1977 weiterhin festhalten.312 Der Vorteil des Systems der schweren Verletzungen war, dass zum ersten Mal in der Geschichte eine für alle Parteien gleichlautende Strafbarkeit für bestimmte Kriegsverbrechen festgelegt wurde. Der Nachteil war, dass dadurch andere verbotene Handlungen als weniger strafwürdig klassifiziert wurden.313 Der Grund dafür war, dass ein Konsens zur Inkriminierung weiterer Verbrechen als der schweren Verletzungen nicht herbeigeführt werden konnte.314 Die 309

Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 103 f. Pictet, ICRC Commentary IV, S. 594. 311 Ahlbrecht, Geschichte, S. 150; Bremer, Nationale Strafverfolgung, S. 88 ff.; Binschedler, Kriegsrecht, S. 61 bezweifelt den Zweck solcher Regelungen, die eigentlich keine Verpflichtung enthalten und bezeichnet sie deshalb als Normen mit „Scheincharakter“. Die Ausführungen des Kommentars zu den Genfer Abkommen machen deutlich, dass sich das Komitee erhoffte, dass auch für die leichteren Verletzungen (auf freiwilliger Basis) Strafbestimmungen in die staatliche Gesetzgebung der Vertragsparteien eingeführt werden. Es bestand so die Möglichkeit, dass das Völkerstrafrecht durch eine entsprechende Staatenpraxis expandiert, obwohl bei Vertragsschluss kein Konsens der Vertragsparteien zur Strafbarkeit anderer als der schweren Verletzungen der Konventionen erreichbar war. Vgl. dazu: Pictet, ICRC Commentary II, S. 266, III, S. 629, IV, S. 602. 312 Art. 85 unterscheidet zwischen schweren und einfachen Verletzungen. Es wurden frühere einfache Verletzungen der Konventionen in die Kategorie der schweren Verletzungen aufgenommen und als Kriegsverbrechen bezeichnet. Triffterer, Dogmatische Untersuchungen, S. 169, 180, geht daher fälschlicherweise davon aus, dass auch die einfachen Verletzungen der Genfer Konventionen, Kriegsverbrechen seien. Siehe ferner: Sandoz, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 405 f. 313 Meron, EJIL 9, 1998, S. 23. 314 Pictet, ICRC Commentary III, S. 626. 310

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Schaffung der schweren Verletzungen samt ihrer Ahndung durch das nationale Strafrecht war 1949 die beste Lösung, um endlich mit dem traditionellen Konzept des Völkerrechts zu brechen, welches keine Individuen als Völkerrechtsadressaten anerkannte und, um das Strafrecht als Sicherungsmechanismus des Völkerrechts in einem Vertrag zu begründen. Daher stellen allein die schweren Verletzungen Kriegsverbrechen dar, deren Strafbarkeit sich direkt aus dem Völkervertragsrecht ergibt.315 Zu diesen schweren Verletzungen zählt implizit auch die Vergewaltigung. Allen anderen Verboten der Vergewaltigung, auch die des Art. 3 für den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt316, fehlt der völkerstrafrechtliche Charakter. Sie sind somit für das Völkerstrafrecht als vertragliche Rechtsgrundlage irrelevant. Gemäß Art. 50 (I.), 51 (II.), 130 (III.), 147 (IV.) i.V. m. Art. 49 (I.), 50 (II.), 129 (III.) und 146 (IV.) ist die Vergewaltigung im internationalen bewaffneten Konflikt an den nach Art. 4 aller Konventionen geschützten Personen rechtswidrig und strafbar. cc) Zusatzprotokoll I zu den Genfer Konventionen von 1977 Am 08.06.1977 wurden unter der Leitung des Internationalen Roten Kreuzes in Genf zwei Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen von 1949 verabschiedet. Sie sollten das humanitäre Völkerrecht auf den neusten Stand bringen.317 Das erste Zusatzprotokoll erweitert die Regelungen für den internationalen bewaffneten Konflikt. Es wurde mittlerweile von 172 Staaten ratifiziert.318 Für den Untersuchungszweck relevant sind Art. 76, 75 und 11 Protokoll I. Gemäß Art. 72 Protokoll I ergänzen Art. 75 und 76 Protokoll I die Bestimmungen des IV. Genfer Abkommens. Art. 76 Abs. 1 des Zusatzprotokolls I ist die konkretere der beiden Vorschriften, sozusagen das Pendant zu Art. 27 II, IV. Genfer Abkommen: (1) Frauen werden besonders geschont; sie werden namentlich vor Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und jeder anderen unzüchtigen Handlung geschützt. . . .

Da der Inhalt dieser Vorschrift identisch ist mit Art. 27 II der IV. Konvention, kann das verfolgte Ziel der neuen Vorschrift nur darin gelegen haben, den geschützten Personenkreis auszuweiten. Wie oben bereits festgestellt, ist Art. 27

315 Vgl. Pictet, ICRC Commentary II, S. 261, III, S. 628, IV, S. 538, 584 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 151; Ellis, Case W.Res.J.I.L. 38, 2004, S. 226. 316 Die Formulierung in Art. 3 I „ist gehalten . . . anzuwenden“ zeigt ganz deutlich, dass keine Pflicht zur Strafverfolgung für die Vertragsstaaten vereinbart wurde. Siehe auch: Ahlbrecht, Geschichte, S. 149; Gardam/Jarvis, Women, S. 76. 317 Vgl. als Überblick über die Erweiterung des Regelungsbereichs der Genfer Konvention durch die Protokolle: Ahlbrecht, Geschichte, S. 201 ff.; Gasser, in: Delissen/ Gerard, Humanitarian Law, S. 82 ff.; Khushalani, Dignity, S. 47 ff. 318 Ratifikationsstand 2013, einsehbar unter www.icrc.org.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Abs. 2 in seiner Anwendung auf kriegsgegnerische Zivilistinnen gemäß Art. 4 beschränkt. Art. 76 Abs. 1 des Protokolls I muss daher so interpretiert werden, dass das Komitee nun auch die Zivilistinnen unter den Schutz vor Vergewaltigung stellen wollte, die bisher nicht bedacht worden waren. Bisher ungeschützt waren die Zivilpersonen, deren Staat sich neutral verhält, eine Co-Kriegspartei oder eine Nicht-Vertragspartei ist. Eine Einbeziehung dieses Personenkreises unter den Schutz des Art. 76 Abs. 1 war gerechtfertigt, weil diese Zivilistinnen genauso wie kriegsgegnerische Zivilistinnen auf ausländischen Territorium in die Hände einer Konfliktpartei fallen und faktisch durch die Kriegssituation bedingt ohne staatlichen Schutz dastehen konnten. Es erscheint aber bedenklich, auch eigene Staatsangehörige einer Kriegspartei unter diesen geschützten Personenkreis zu erfassen. Der Wortlaut der Vorschrift scheint zwar nicht dagegen zu sprechen. Es existiert dazu auch keine Stellungnahme des Komitees. Wenn man aber die Vorschrift im Zusammenhang mit anderen Vorschriften des Protokolls liest, fällt es schwer, eine solche Ausweitung des geschützten Personenkreises zu bejahen.319 Protokoll I bringt stets zum Ausdruck, dass es Opfer schützen will, die sich in der Gewalt einer (anderen) Konfliktpartei und eben nicht in der eigenen Staatsgewalt befinden. Eine Straftat, die zwar während eines Krieges, aber auf eigenem Territorium und an den eigenen Zivilisten begangen wird, wurde damals als ein rein innerstaatliches Rechtsproblem empfunden.320 Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die eigenen Staatsangehörigen einer Kriegspartei nicht nach Art. 76 Abs. 1 geschützt werden.321 Weiter gewährt Art. 75 einen allgemeinen Menschenrechtsstandard322: (1) Soweit Personen von einer in Artikel 1 genannten Situation betroffen sind, werden sie, wenn sie sich in der Gewalt einer am Konflikt beteiligten Partei befinden und nicht auf Grund der Abkommen oder dieses Protokolls eine günstigere Behandlung genießen, unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt und genießen zumindest den in diesem Artikel vorgesehenen Schutz, ohne jede nachteilige Unterscheidung auf Grund von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion oder Glauben, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder anderer ähnlicher Unterscheidungsmerkmale. Jede Partei achtet die Person, die Ehre, die Überzeugungen und die religiösen Gepflogenheiten aller dieser Personen. 319 Siehe Art. 75: „Personen . . ., wenn sie sich in der Gewalt einer am Konflikt beteiligten Partei befinden“, Art. 11 I, IV: „Personen, die sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden“; „Person . . ., die sich in der Gewalt einer anderen Partei als derjenigen befindet, zu der sie gehört“. 320 Bothe/Patsch/Solf, Commentary on the two Protocols, S. 470; Krill, RICR 67, 1985, S. 348. 321 Viele Autoren kritisieren gerade deshalb die Vorschrift als unzureichend: Gardam/Jarvis, Women, S. 64 f.; Niarchos, HRQ 17, 1995, S. 676. 322 Art. 75 wird oft als Miniaturprotokoll bezeichnet, weil er alle grundlegenden Menschenrechte in sich vereinigt. Vgl. Khushalani, Dignity, S. 55; Cipolat, Rape before the ICTY, S. 14.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

(2) Folgende Handlungen sind und bleiben jederzeit und überall verboten, gleichviel ob sie durch zivile Bedienstete oder durch Militärpersonal begangen werden: (a) Angriffe auf das Leben, die Gesundheit oder das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, insbesondere (i) vorsätzliche Tötung, (ii) Folter jeder Art, gleichviel ob körperlich oder seelisch, (iii) körperliche Züchtigung und (iv) Verstümmelung. (b) Beeinträchtigung der persönlichen Würde, insbesondere entwürdigende und erniedrigende Behandlung, Nötigung zur Prostitution und unzüchtige Handlungen jeder Art. (c) Geiselnahme, (d) Kollektivstrafen und (e) die Androhung einer dieser Handlungen.

Da alle diese Rechtsgarantien des Art. 75 bereits in den Genfer Konventionen enthalten waren323, war der Zweck dieser Vorschrift nicht, die Garantien an sich, sondern – wie in Art. 76 – den geschützten Personenkreis zu erweitern.324 Die Personen, die nicht nach den Genfer Konventionen oder anderen Vorschriften des Protokolls geschützt sind, sollten wenigstens mit einem Minimum an Rechten ausgestattet werden. Aus der Formulierung „in der Gewalt einer am Konflikt beteiligten Partei“, kann geschlossen werden, dass nun alle ausländischen und nicht nur die kriegsgegnerischen Personen in der Macht einer Konfliktpartei unter dem Schutz des Protokolls stehen.325 Der Artikel ist wie Art. 3 Genfer Abkommen so aufgebaut, dass der erste Absatz das allgemeine Gebot der menschlichen Behandlung aufstellt und der zweite Absatz Beispiele einer unmenschlichen und damit absolut verbotenen Behandlung aufzählt. Die Elemente sind aus den Genfer Abkommen bekannt. Es kann insofern auf die oben gegebenen Definitionen verwiesen und direkt zum Ergebnis übergegangen werden. Vergewaltigung stellt generell eine unmenschliche Behandlung nach Abs. 1 dar. Konkret fällt sie als Beispiel einer unmenschlichen Behandlung nach Abs. 2 a) unter den Angriff auf die Gesundheit und das körperliche und seelische Wohlbefinden und kann, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind, Folter darstellen. Ferner stellt sie eine Ver323 Artikel 75 erinnert stark an den gemeinsamen Art. 3 der Genfer Konventionen. Ebenso enthält er die Verbote der Art. 27, 32, und 147 der IV. Konvention. Siehe auch: Khushalani, Dignity, S. 56, Fn. 130, 131; Cipolat, Rape before the ICTY, S. 14. 324 Khushalani, Dignity, S. 54 f. 325 Vgl. hierzu: Art. 72 Protokoll I, Art. 4 und 5 der IV. Genfer Konvention. Bereits zu Art. 76 wurde geklärt, dass nicht die eigenen Staatsangehörigen einer Konfliktspartei zum geschützten Personenkreis gehören. So kann dies erst recht nicht nach Art. 75 der Fall sein, der explizit nur die Zivilpersonen schützen will, die sich in der Macht einer anderen als der eigenen Konfliktspartei befinden.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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letzung der Würde des Menschen nach Abs. 2 b) dar.326 Materiell-rechtlich neu ist, dass nun auch ihre Androhung nach Abs. 2 f) rechtswidrig ist. Somit ist Vergewaltigung und die Androhung der Tat gemäß Art. 75 im internationalen bewaffneten Konflikt an allen ausländischen Zivilisten, die sich in der Gewalt einer Kriegspartei befinden, verboten. Ferner verfügt das Protokoll über Vorschriften, welche die schweren Verletzungen der Genfer Abkommen ausbauen. Diese sind allerdings etwas verwirrend im Protokoll angeordnet. Zum einen sind gewisse Handlungen und Unterlassungen nach Art. 11 Abs. 4 als schwere Verletzungen klassifiziert, zum anderen enthalten Art. 85 Nr. 3 und 4 zwei weitere Verbrechensgruppen, woraus sich ein dreigeteilter Verbrechenskatalog ergibt.327 Erwähnenswert ist im Hinblick auf die Vergewaltigung allein Art. 11 Abs. 1 und 4: (1) Die körperliche oder geistige Gesundheit und Unversehrtheit von Personen, die sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden, die infolge einer in Artikel 1 genannten Situation interniert oder in Haft gehalten sind oder denen anderweitig die Freiheit entzogen ist, dürfen nicht durch ungerechtfertigte Handlungen oder Unterlassungen gefährdet werden. ... (4) Eine vorsätzliche Handlung oder Unterlassung, welche die körperliche oder geistige Gesundheit oder Unversehrtheit einer Person erheblich gefährdet, die sich in der Gewalt einer anderen Partei als derjenigen befindet, zu der sie gehört, und die entweder gegen eines der Verbote der Absätze 1 und 2 verstößt oder nicht den Bedingungen des Absatzes 3 entspricht, stellt eine schwere Verletzung dieses Protokolls dar.

Um die Voraussetzungen des Abs. 1 zu erfüllen, muss die Vergewaltigung die körperliche oder geistige Gesundheit von Personen gefährden können. Da eine ausgeführte Vergewaltigung mit dem Erfolg der Körperverletzung und mit der Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit einhergeht, kann sie erst Recht eine Gefährdung dieses Rechtsguts verursachen.328 Ferner muss sich die Person in der Macht einer gegnerischen Partei befinden oder ihr muss die Freiheit entzogen sein.329 Eine Vergewaltigung kann auch schwerlich eine durch den Krieg oder die Inhaftierung gerechtfertigte Handlung sein. Art. 11 bezieht sich nicht wie die zuvor behandelten Vorschriften, auf die Bestimmungen der IV. Konvention, sondern ergänzt gemäß Art. 9 die Bestimmungen für die Verwundeten, Kranken und Schiffsbrüchigen, gleichgültig, ob sie dem Militär oder der Zivilbevölkerung an326 Im Grunde wiederholt Art. 76 Abs. 1 nur das Verbot der Vergewaltigung nach Art. 75 Abs. 2 b). Vorteil des Art. 75 ist aber, dass er geschlechtsneutral gehalten ist. Sandoz, Commentary on Protocols, Rn. 3150; Khushalani, Dignity, S. 55; Cipolat, Rape before the ICTY, S. 14. 327 Sehr übersichtlich dargestellt bei: Ahlbrecht, Geschichte, S. 203 f. 328 So auch: Khushalani, Dignity, S. 73. 329 Die englische Fassung enthält das Wort „oder“, was in der deutschen Übersetzung fehlt. Daher muss die Voraussetzung alternativ und nicht kumulativ vorliegen.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

gehören. Damit sind die Verwundeten, Kranken und Schiffsbrüchigen bereits gegen jede Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit geschützt. Da eine Vergewaltigung geeignet ist, den Tatbestand des Art. 11 Abs. 1 zu erfüllen, ist implizit ein Verbot der Vergewaltigung an dieser Personengruppe in Gefangenschaft oder in der Macht einer gegnerischen Partei geregelt worden. Art. 11 Abs. 4 erklärt eine vorsätzliche Handlung oder Unterlassung nach Abs. 1 zu einer schweren Verletzung. Damit wurde die vorsätzliche Vergewaltigung an gegnerischen Verwundeten, Kranken, und Schiffsbrüchigen im internationalen bewaffneten Konflikt dem Katalog der schweren Verletzungen nach den Genfer Konventionen hinzugefügt. Da die Vergewaltigung aber nicht nur die körperliche Unversehrtheit gefährdet, sondern diese stets verletzt, verursacht sie einen Erfolgseintritt. Der tatsächliche Erfolg der Körperverletzung (mittels einer Vergewaltigung) ist aber bereits als schwere Verletzung der I. und II. Genfer Konvention strafbar. Da das Erfolgsdelikt Vorrang vor dem Gefährdungsdelikt hat, ist Art. 11 Zusatzprotokoll I logischerweise gegenüber den Art. 49, I. und 50, II. Genfer Abkommen subsidiär. Art. 11 Abs. 1 und 4 Zusatzprotokoll I kann daher keine Bedeutung für die Strafverfolgung der Vergewaltigung beigemessen werden. Alle drei analysierten Vorschriften enthalten somit ein Verbot der Vergewaltigung. Festzustellen bleibt noch, ob sie eine Strafbarkeit begründen. Über Art. 85 Abs. 1 sind die Vorschriften der Genfer Abkommen zur Ahndung von schweren Verletzungen, Art. 49 (I.), 50 (II.), 129 (III.), Art. 146 (IV.) auch auf die Verletzungen des Protokolls anwendbar. Art. 85 Abs. 5 bestätigt zudem ziemlich unscheinbar die bisherige Interpretation, dass allein die schweren Verletzungen der Genfer Konventionen eine Strafbarkeit nach Völkerrecht begründen können, indem er klarstellt, was in den vier Abkommen versäumt worden war, dass die schweren Verletzungen Kriegsverbrechen darstellen. Das Protokoll bleibt also der Unterscheidung von schweren und einfachen Verletzungen treu. Daraus ergibt sich, dass allein die im Protokoll als schwere Verletzungen deklarierten Handlungen nach Völkerrecht strafbar sind. Art. 11 Abs. 1 i.V. m. Abs. 4 stellt eine schwere Verletzung der Abkommen dar und erklärt somit die Vergewaltigung an ausländischen Kranken, Verwundeten und Schiffsbrüchigen in der Macht einer Konfliktpartei oder in ihrer Gefangenschaft für rechtswidrig und strafbar. Die anderen angesprochenen Bestimmungen stellen zwar ein Verbot der Vergewaltigung auf, sind aber als völkervertragliche Rechtsgrundlage für das Völkerstrafrecht nicht ausschlaggebend. dd) Zusatzprotokoll II zu den Genfer Abkommen von 1977 Das zweite Zusatzprotokoll bezieht sich auf den Bürgerkrieg. Mit seinen 15 Artikeln entwickelt es den gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen weiter (Art. 1 Zusatzprotokoll II). Es wurde anfangs von der Staatengemeinschaft weni-

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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ger enthusiastisch aufgenommen als das erste Protokoll. Mittlerweile haben aber auch 166 Staaten das Protokoll ratifiziert.330 Die wichtigste Vorschrift des Protokolls ist Art. 4 mit seinen grundlegenden Garantien: (1) Alle Personen, die nicht unmittelbar oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen, haben, gleichviel ob ihnen die Freiheit entzogen ist oder nicht, Anspruch auf Achtung ihrer Person, ihrer Ehre, ihrer Überzeugungen und religiösen Gepflogenheiten. Sie werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit und ohne jede nachteilige Unterscheidung behandelt. Es ist verboten, den Befehl zu erteilen, niemand am Leben zu lassen. (2) Unbeschadet der allgemeinen Gültigkeit der vorstehenden Bestimmungen sind und bleiben in Bezug auf die in Absatz 1 genannten Personen jederzeit und überall verboten (a) Angriffe auf das Leben, die Gesundheit und das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, insbesondere vorsätzliche Tötung und grausame Behandlung wie Folter, Verstümmelung oder jede Art von körperlicher Züchtigung; ... (e) Beeinträchtigung der persönlichen Würde, insbesondere entwürdigende und erniedrigende Behandlung, Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und unzüchtige Handlungen jeder Art; ... (h) die Androhung einer dieser Handlungen.

Geschützt sind alle Personen während eines bewaffneten Konflikts, die nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen. Abs. 1 stellt das Leitmotiv der Genfer Konventionen, das Gebot der menschlichen Behandlung, vor alle konkreten Rechtsverletzungen an erste Stelle. Alle grundlegenden Menschenrechte (Recht zum Leben, Recht auf die körperliche Unversehrtheit, Unverletzlichkeit der Ehre, Meinungs- und Religionsfreiheit) werden danach zu jeder Zeit garantiert. Allein schon nach Abs. 1 ist eine Vergewaltigung eindeutig verboten, weil eine solche Handlung die Ehre und Würde einer Person sowie deren geistige und körperliche Integrität verletzt.331 Die in Abs. 2 aufgelisteten verbotenen Handlungen sind Beispiele unmenschlicher Behandlung und daher nicht abschließend.332 Vergewaltigung ist ausdrücklich nach Abs. 2 e) verboten. Dies macht noch einmal deutlich, dass unter Beeinträchtigungen der persönlichen Würde in den Konventionen, insbesondere die Vergewaltigung verstanden wird.333 Aber Vergewalti330

Ratifikationsstand 2013, einsehbar unter www.icrc.org. Vgl. Khushalani, Dignity, S. 69. 332 Bothe/Patsch/Solf, Commentary on the two Protocols, S. 640 f. 333 Hier ist das gleiche Verbot der Vergewaltigung enthalten wie zuvor in Art. 27 II (IV.), Art. 76 I und 75 Protokoll I. 331

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

gung ist auch eine unmenschliche Behandlung nach Abs. 2 a), weil sie die Gesundheit und das körperliche und geistige Wohlbefinden eines Menschen meist schwer beeinträchtigt und, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen, auch Folter darstellen kann. Ferner ist nach Abs. 2 h) bereits die Androhung einer Vergewaltigung rechtswidrig. Es sei noch erwähnt, dass Art. 5 einen zusätzlichen Schutz zu Art. 4 für alle Personen normiert, denen die Freiheit entzogen ist.334 Nach Art. 5 Abs. 2 e) darf die körperliche oder geistige Gesundheit der Gefangenen durch die Personen, die für den Freiheitsentzug verantwortlich sind, nicht gefährdet werden. Wie bereits bei dem gleichen Tatbestandsmerkmal des Art. 11 Abs. 1 festgestellt, kann eine Vergewaltigung die körperliche Unversehrtheit ungerechtfertigt gefährden. Nach Abs. 3 sollen die Gefangenen auf jeden Fall menschlich behandelt werden, womit wieder das Leitmotiv aller Konventionen aufgegriffen wurde. Vergewaltigung ist also auch nach Art. 5 an Gefangenen im internen Konflikt implizit verboten.335 Allerdings fehlt dem Zusatzprotokoll II jedwede Vorkehrung, die Beachtung seiner Vorschriften zu sichern.336 Es existiert keine Vorschrift zur Ahndung von Verstößen gegen das Protokoll. Eine Inkriminierung bestimmter Verletzungen konnte in der dem Protokoll ohnehin nicht freundlich gesinnten Staatengemeinschaft nicht durchgesetzt werden.337 Die Bedeutung dieses Protokolls für das Vertragsvölkerstrafrecht ist daher als gering einzustufen.338 Insofern bleibt fest334 Art. 5 Zusatzprotokoll II: (1) Außer den Bestimmungen des Artikel 4 werden mindestens folgende Bestimmungen in Bezug auf Personen befolgt, denen aus Gründen im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt die Freiheit entzogen ist, gleichviel ob sie interniert oder in Haft gehalten werden: . . . (2) Die für die Internierung oder Haft der in Abs. 1 genannten Personen Verantwortlichen befolgen im Rahmen ihrer Möglichkeiten nachstehende Bedingungen in Bezug auf diese Personen: (e) ihre körperliche oder geistige Gesundheit und Unversehrtheit dürfen durch keine ungerechtfertigte Handlung oder Unterlassung gefährdet werden. . . . (3) Personen, die von Abs. 1 nicht erfasst sind, deren Freiheit jedoch aus Gründen im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in irgendeiner Weise eingeschränkt ist, werden nach Art. 4 sowie nach Abs. 1 a, c, und d und Abs. 2 b des vorliegenden Artikels mit Menschlichkeit behandelt. 335 Vgl. Khushalani, Dignity, S. 70. 336 Gasser, in: Delissen/Gerard, Humanitarian Law, S. 83. 337 Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 1037; Ahlbrecht, Geschichte, S. 207. 338 Die Stärke dieses Protokolls liegt vielmehr darin, dass es einen hohen Standard an Menschenrechten mit dem humanitären Völkerrecht in Verbindung gesetzt hat. Selbst wenn die Staaten dem Protokoll feindlich gegenüberstehen, können gerade die Garantien des Art. 4 bei der Auslegung des allgemein gehaltenen Art. 3 der Genfer Konventionen behilflich sein. Gleichzeitig können die Vertragsbestimmungen bei der Interpretation des Gewohnheitsrechts behilflich sein und den Schutz der Menschenrechte im internen Konflikt intensivieren. Bothe/Patsch/Solf, Commentary on the two

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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zustellen, dass Art. 4 und 5 zwar die Vergewaltigung im internen bewaffneten Konflikt für rechtswidrig, aber nicht für strafbar erklären. ee) Völkermordkonvention von 1948 Unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen wurde nach mehreren Entwürfen der zuständigen Organe 1948 die Völkermordkonvention von 20 Staaten unterzeichnet und von der VN-Vollversammlung in einer Resolution bestätigt. Inzwischen haben 142 Nationen den völkerrechtlichen Vertrag ratifiziert.339 Die Konvention verfolgt den Zweck, durch internationale Kooperation der Staatengemeinschaft340 den meist im Krieg begangenen, aber auch im Frieden möglichen Genozid zu verhindern und zu bestrafen. Anlass zu einer solchen Initiative hatte die Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten im Dritten Reich gegeben.341 Art. 2 definiert den Tatbestand: In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören: a) Tötung von Mitgliedern; b) Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe; c) Vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; e) Gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Im Gegensatz zu den Konventionen des humanitären Völkerrechts wurde hier die Formulierung eines Straftatbestands gewählt, wie er in nationalen StrafgesetProtocols, S. 643; Greenwood, in: Delissen/Gerard, Humanitarian Law, S. 113; Gasser, in: Delissen/Gerard, Humanitarian Law, S. 85; Ahlbrecht, Geschichte, S. 206. 339 Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords, UNTS Bd. 78 S. 277, BGBl. 1954 II S. 730; Sartorius II, 48; GV-Resolution 3/260 von 1948; Ratifikationsstand einsehbar auf: www.preventgenocide.org oder www.untreaty.un.org. 340 Siehe Präambel und Resolution 96 (I), UN-DOC. A/Res/1/96, 1946; ferner Lippman, in: Bassiouni, ICL, 2008, S. 408; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 48 ff. 341 Rafael Lemkin war der Schöpfer des Wortes Genozid, der darunter abstrakt die Zerstörung einer Nation oder ethnischen Gruppe verstand und konkret als “ a technique in German occupation practice during the Second World War“ sah. Lemkin, Axis Rule, S. 79–95. Er entwarf mit anderen die Resolution 96 (I). Siehe dazu: Kunz, AJIL 43, 1949, S. 739 ff.; Schabas, in: Hankel, Die Macht und das Recht, S. 189 ff.; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 33 f.; Satzger, Internationales Strafrecht, § 15, Rn. 3 ff.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

zen existiert. Die Definition besteht aus einer abschließenden Liste von fünf Einzeltaten, die Völkermord darstellen, wenn sie in der Absicht begangen werden, eine geschützte Gruppe ganz oder zum Teil zu zerstören.342 Vergewaltigung könnte in einer der aufgezählten Einzeltaten enthalten sein. Zwar ist die Liste der Einzeltaten abschließend und Vergewaltigung ist nicht ausdrücklich darin genannt, jedoch bedeutet dies nicht, dass Vergewaltigung von vornherein als Begehungsweise ausgeschlossen wäre. Die Tathandlung des Art. 2 b), die „Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe“ ist offen formuliert. Viele Verhaltensweisen können einen körperlichen oder seelischen Schaden verursachen.343 Hilfreich für die Beurteilung, welche Verhaltensweisen darunter fallen, kann das entscheidende Merkmal des Völkermords, die Zerstörungsabsicht, sein.344 Denn eine Tathandlung, auch wenn sie in 342 Die der Konvention vorausgegangene Resolution 96 (I) sah noch eine abstrakte Tatbeschreibung wie „a denial of the right of existence of entire human groups“ vor. Eine solche Formulierung hätte aber zu weit auseinanderfallenden Auslegungen in den unterschiedlichen Staaten geführt, welche Tathandlung nun als Völkermord anzusehen ist. Die Aufzählung von bestimmten Straftaten versprach daher eine höhere Präzision. Siehe dazu: Robinson, Genocide Convention, S. 57 f.; Lippman, TICLJ 8, 1994, S. 30. 343 So fand auch das israelische Gericht im Fall Eichmann, dass schwerer körperlicher oder seelischer Schaden durch verschiedene Handlungen wie Versklavung, Aushungern, Deportation und Verfolgung von Menschen verursacht werden kann. A-G of Israel v. Eichmann, 36 ILR 5, 1961, S. 340; zit. in: Cryer, ICL, S. 174 und Schabas, Genocide, S. 182; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 159. 344 Dem Element der Absicht kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Zum einen wandelt es die als Tathandlung aufgeführten, gewöhnlichen Straftaten in Völkermord um, zum anderen grenzt es den Völkermord vom Verbrechen gegen die Menschlichkeit ab, welches teilweise dieselben Tathandlungen wie die des Völkermords voraussetzt. Ferner reicht die Absicht für die Vollendung der Tat aus, der Erfolg der Zerstörung muss nicht eintreten. Robinson, Genocide Convention, S. 59, 62; Ahlbrecht, Geschichte, S. 130 f.; Cipolat, Rape before the ICTY, S. 22, 24; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 166 ff.; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 13-13 ff.; Bantekas/ Nash, ICL, S. 139, 143 f.; Schabas, in: Hankel, Die Macht und das Recht, S. 208 ff.; Satzger, Internationales Strafrecht, § 15, Rn. 15 f.: „die Völkermordabsicht entspricht dem dolus directus 1. Grades des deutschen Rechts“. Siehe auch die Auslegung der EOC im Hinblick auf den völkermörderischen Kontext („context of a manifest pattern of similar conduct“) bei: Kreß, JICJ 7, 2009, S. 297– 306, der auf die Al Bashir-Entscheidung, Decision on the Prosecution’s Application for a Warrant against Omar Hassan Ahmad Al Bashir, ICC-02/05-01/09, 04.03.2009, Para. 124 ff., Bezug nimmt. Kreß sieht in diesem Kontextelement keinen Widerspruch zum völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Völkermordtatbestand wie er im Statut wiedergegeben ist, sondern vielmehr eine Klarstellung des Merkmals der Völkermordabsicht. Obwohl der Völkermordtatbestand keine solche Völkermordkampagne voraussetzt, sollte das Erfordernis der Völkermordkampagne in den EOC nicht als die Hinzufügung eines weiteren objektiven Tatbestandselements gesehen werden, sondern eher als ein objektiver Bezugspunkt für die Auslegung der Völkermordabsicht. S. 304: „The key to reconcile the approach taken in the EOC with the definition of the crime lies in the interpretation of the concept of genocidal intent. All the circumstances listed above support the view that this intent must be realistic and must thus be understood to require more than the vain hope of a single perpetrator of hate crimes to destroy a part of the hated group.“ Nach dieser Ansicht setzt die Völkermordabsicht nicht nur ein zielgerich-

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noch so weitreichendem Umfang begangen wird, avanciert nur dann zum Völkermord, wenn sie in der Absicht der Zerstörung einer geschützten Gruppe vorgenommen wird. Daraus kann geschlossen werden, dass nur eine Schadensverursachung in Betracht kommt, die geeignet ist, dieses Ziel der Zerstörung zu erreichen.345Dies wird durch das Wort „schwer“ bestätigt, welches die körperliche Schadensverursachung präzisiert.346 Nur eine Handlung, die einen schweren körperlichen Schaden verursacht, wird als mögliche Tathandlung anerkannt. Alle leichten Körperverletzungen oder Beeinträchtigungen der Gesundheit sind für den Völkermord unerheblich.347 Für die Vergewaltigung bedeutet dies, wenn sie ohne eine körperliche Beeinträchtigung wie Verletzungen im Genitalbereich, offenen Wunden, Würgemalen, schweren Hämatomen oder ohne eine Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit einhergegangen ist, ein körperlicher Schaden abgelehnt werden muss. Insofern spielt der seelische Schaden eine erhebliche Rolle bei der Frage, ob eine Vergewaltigung als Völkermord eingestuft werden kann. Was unter einem seelischen Schaden zu verstehen ist, ist jedoch nicht ganz unstreitig. Der erste Entwurf der Konvention348 definierte diese Tathandlung noch als „Verletzung der Gesundheit oder physischen Integrität“. Diese Formulierung wurde durch das Sechste Komitee (Rechtsausschuss der VN) auf Drängen Chinas um die Zufügung seelischer Schäden („mental harm“) erweitert. Es sollten solche Handlungen wie der Einsatz von Betäubungsmitteln erfasst werden, die eine Abhängigkeit der Gruppenmitglieder auslösen.349 Daraus resultierte die Auffastetes Handeln voraus, sondern muss auch realistisch sein. Die Absicht, eine Gruppe (zum Teil) zerstören zu wollen, ist aber nur dann realistisch, wenn die Tathandlung in dem Zusammenhang einer Völkermordkampagne (gleiches Verhaltensmuster gegen die konkrete Gruppe) begangen wird. Schabas, in: Hankel, Die Macht und das Recht, S. 214 ff., setzt ebenfalls einen staatlichen Plan oder eine bestimmte Politik der Regierung voraus, „auch wenn dies kein Tatbestandsmerkmal ist“. Das Handeln eines einzelnen ,Génocidaire‘ ohne staatlichen Plan oder Politik „gehört vielmehr in den Bereich der Psychiatrie, nicht des Völkerrechts“. Ferner: Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 77 ff., der die Entwicklung dieser abweichenden EOC-Definition vom Völkermordtatbestand aufzeigt. 345 Vgl. Robinson, Genocide Convention, S. 63; Pilch, in: Totten, Plight and Fate of Women, S. 171 f. 346 A/C. 6/222; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 13-31. 347 Vgl. auch: Schabas, Genocide, S. 180 f., der den Verhandlungsprozess zum Tatbestandsmerkmal des schweren körperlichen Schadens nachvollzieht. Die Staaten schlugen zwar verschiedene Begrifflichkeiten vor, man einigte sich allerdings schnell auf das Prinzip, dass mit dieser Tatalternative alle Handlungen körperlicher Gewalt erfasst werden sollten, die nur kurz hinter einer Tötung zurückblieben. 348 UN-DOC. E/ 447, 1947; UN-DOC. A/AC. 10/41 und A/362, abgedr. in: Robinson, Genocide Convention, Appendix II. 349 China hatte vorgebracht, dass Japaner im Zweiten Weltkrieg Rauschgift an die Chinesen verteilt hätten, um sie in eine Abhängigkeit zu bringen. Siehe die Ergänzungen: A/C. 6/232; A/ C. 6/242; A/510; Robinson, Genocide Convention, S. 65; Jescheck, ZStW 66, 1954, S. 212; Schabas, Genocide, S. 181; Cryer, ICL, S. 175.

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sung, nur eine psychische Schadensverursachung, die sich auch mittelbar körperlich auswirkt, könne unter dem Begriff „seelischer Schaden“ verstanden werden.350 Dafür spricht, dass die Vertragsparteien bewusst entschieden hatten, nur den physisch-biologischen Völkermord351 in die Definition des Art. 2 aufzunehmen, also eine Handlung, die sich körperlich oder biologisch in nicht unerheblichem Maße an der Gruppe bemerkbar machen muss.352 An dem anfänglichen Ausschluss seelischer Schäden zeigt sich, dass die mit der Konvention befassten Gremien der Vereinten Nationen seelische Schäden als zweitrangig gegenüber körperlichen Schäden einstuften. Dem steht aber die endgültige Fassung des Art. 2 gegenüber. Beide Arten der Schadenszufügungen stehen hier verbunden durch das Wort „oder“ gleichwertig nebeneinander. Das von China angestrebte enge Verständnis einer körperlichen Verletzung der Geistesfähigkeiten fand bei den verhandelnden Staaten gerade keine Zustimmung, sondern es wurde eine Formulierung gewählt, die eine den körperlichen und seelischen Schaden gleichstellende Wirkung entfaltet. Der Wortlaut gibt demnach keine Beschränkung auf solche seelischen Schäden vor, die sich auch körperlich äußern.353 Lediglich das Adjektiv „schwer“ schließt einen einfachen seelischen Schaden aus dem Tatbestand aus. Es ist insofern anzu350 So äußerte der frühere kanadische Außenminister Pearson, dass ein seelischer Schaden nichts anderes bedeuten könne als die körperliche Verletzung der Geistesfähigkeiten der Gruppenmitglieder, House of Common, Official Report, S. 2442. Um ebenfalls die Bedeutung dieses Begriffs einzuengen, brachten die USA ihr Verständnis bei der Ratifizierung der Konvention wie folgt ein: „mental harm means permanent impairment of mental faculties through drugs, torture or similar techniques“. Gleicher Ansicht: Robinson, Genocide Convention, S. 65; Cryer, ICL, S. 175; Jescheck, ZStW 66, 1954, S. 213; Stillschweig, Die Friedenswarte 1949, S. 97; LK-Jähnke, § 220a, Rn. 11; a. A.: Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 161, der die alte Ansicht für zu restriktiv hält, weil es mittlerweile Therapiemöglichkeiten für erlittene Traumatisierungen gibt und somit seelische Schäden behandelt werden können; Schabas, Genocide, S. 183 f., der weder eine Stütze für die Äußerung Pearsons im Konventionstext noch in den Vorbereitungsarbeiten sieht. Diese Äußerungen sind auf den chinesischen Vorschlag zurückzuführen, welcher aber gerade abgelehnt worden war; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 92; siehe auch die Auslegung des seelischen Schadens nach § 6 VStGB bei: MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 51, der auf eine erhebliche und anhaltende Schädigung oder Beeinträchtigung emotionaler Fähigkeiten abstellt; bloß vorübergehende Beeinträchtigungen des seelischen Gleichgewichts sollen jedoch nicht genügen. Zur Unterstützung seiner Ansicht nimmt Kreß Bezug auf die Entwurfs-Fußnote zu Art. 6 IStGHStatut, die von „more than minor or temporary impairment of mental faculties“ spricht. 351 Der kulturelle Genozid wie er noch in Art. 3 des Entwurfs des Ad-hoc-Komitees enthalten war, wurde nicht als Tathandlung des Völkermords aufgenommen, weil der Gegensatz zwischen der physisch-biologischen Zerstörung von Gruppenmitgliedern und der kulturellen Zerstörung von Gebäuden, Büchern und der Sprache einer Gruppe nicht zu vereinbaren war. Siehe dazu die Tathandlungen der früheren Definition in: E/AC. 25/12, abgedruckt in Robinson, Genocide Convention, Appendix IV. 352 Schönke/Schröder, § 220a, Rn. 4. 353 Lippman, TICLJ 8, 1994, S. 32; Gardam/Jarvis, Women, S. 191; Fitzgerald, Rape, S. 68.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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nehmen, dass eine seelische Schadenszufügung nur genügt, wenn sie das Opfer in erheblicher Weise in seinem Wohlbefinden und seiner geistigen Gesundheit beeinträchtigt. Opfer einer Vergewaltigung leiden in der Regel an gravierenden psychischen Schäden (Depressionen, PTSD, Suizidgefahr).354 Es wird allerdings nicht vorausgesetzt, dass der körperliche oder seelische Schaden irreparabel sein muss.355 Somit genügt es, wenn die körperlichen und/oder seelischen Schäden nur vorübergehend das Opfer beeinträchtigen. Die Tatmodalität nach Art. 2 c) der „vorsätzlichen Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe“ setzt voraus, dass die Handlung in der Lage sein muss, die körperliche Zerstörung der Gruppe herbeizuführen.356 Besonders hatte man bei der Formulierung dieser Tatalternative die Lebensbedingungen in den Nazi-Konzentrationslagern und jüdischen Ghettos mit ihrer hohen Todesrate im Gedächtnis.357 In den vorangegangenen Entwürfen versuchten die Delegierten die dortigen Lebensbedingungen, welche Menschen das Lebensnotwendigste entzogen und schließlich zum Tode führten, als Beispiele aufzuführen. Sie dachten an lebensbedrohliche Unterernährung, fehlende grundlegende medizinische Ver354 Die heutigen Erkenntnisse über die Vergewaltigungsfolgen im früheren Jugoslawien und Ruanda befürworten die Subsumierung der Vergewaltigung unter beide Schadensformen des Art. 2 b). Die Frauen der bekämpften Bevölkerungsgruppe in Bosnien und Ruanda wurden systematisch von der Gegenseite vergewaltigt. Die Auswirkungen auf das konkrete Opfer und die Gesellschaft waren verheerend. Die Frauen dieser Gruppe wurden körperlich und seelisch so zerbrochen, dass die Gesellschaft in ihrer Existenz bedroht war. Die Beispiele haben vor Augen geführt, dass eine Vergewaltigung, die von einem aus Hass gegenüber der Bevölkerungsgruppe motivierten Täter begangen wird, weitaus schwerere körperliche Schäden hinterlässt als eine Vergewaltigung unter rechtsstaatlich geordneten Verhältnissen. Die seelischen Schäden wogen so schwer, dass die Opfer körperliche Ausfallerscheinungen (PTS) zeigten. Sie konnten nicht mehr ihren Aufgaben innerhalb der Familie nachkommen, geschweige denn einer Arbeit nachgehen; viele waren suizidgefährdet. Siehe zu den Auswirkungen der Vergewaltigungen das 2. Kapitel. 355 Vgl. Schabas, Genocide, S. 182, der darauf hinweist, dass nationale Strafgesetze zwischen Graden der Körperverletzungen unterscheiden, indem sie einen schweren oder dauerhaften Schaden verlangen. Die Konvention nennt nur die schwere Schadenszufügung, verlangt aber keine dauerhafte Schädigung. 356 Kreß spricht sich dafür aus, dass unter den Worten „körperliche Zerstörung“ nicht nur der Tod, sondern auch die schwere körperliche oder seelische Schädigung der Gruppenmitglieder verstanden werden sollte. Für eine Einbeziehung der schweren Körperverletzung spricht, dass bereits diese Handlung für die Erfolgstat nach Art. 2 b) ausreicht. Sinnvoller ist es auch die schwere Körperverletzung neben dem Tod als körperliche Zerstörung mit zuerfassen, weil sonst der Fall einer Gesellschaft, die nur noch in Krankheit oder Siechtum dahinvegetiert, ausgeschlossen wäre. Art. 2 c) sollte daher ein Verhalten erfassen, das die Eignung zur Verwirklichung der Tatalternativen a) und b) enthält. Vgl. dazu: MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 55. 357 Secretary General’s Comment, Art. 1 Abs. 2 (1) b), S. 25. Gerade die Vorgehensweise der Nazis gegenüber der jüdischen Bevölkerung hat gezeigt, dass die Zerstörung einer Bevölkerungsgruppe eine komplizierte Operation ist, die aus mehreren Schritten besteht; vgl. dazu: Frankreich (Ordonneau), UN-DOC. E/AC.25/SR.4, S. 14; A-G of Israel v. Eichmann, 36 ILR 5, 1961, S. 233 f.; Schabas, Genocide, S. 189.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

sorgung oder fehlende Unterkunft.358 Man entschied sich aber schließlich gegen eine Aufzählung bestimmter Praktiken, weil es unrealistisch erschien, alle denkbaren Lebensbedingungen aufzulisten.359 Diese Einzeltat sollte weit ausgelegt werden können, um alle Maßnahmen zu erfassen, die einer Gruppe auf lange Sicht den Tod bringen. Ausdrücklich ist erwähnt, dass nicht die ganze Gruppe zerstört werden muss. Deshalb kann zur Erfüllung des Tatbestands nicht gefordert werden, dass jedes Mitglied der Gruppe diesen Lebensbedingungen ausgesetzt werden muss.360 Es kommt auch nicht auf einen Erfolg der Zerstörung von Gruppenmitgliedern an wie bei den beiden anderen Tatalternativen. Es reicht bereits, dass die auferlegten Lebensbedingungen objektiv darauf angelegt sind, den Erfolg der Zerstörung zu erreichen.361 Ob auch die Vergewaltigung als eine mögliche Tathandlung in Frage kommt, hängt davon ab, ob sie im Einzelfall objektiv geeignet war, Mitgliedern der verfolgten Gruppe auf lange Sicht den Tod zu bringen und, ob sie subjektiv mit diesem Ziel eingesetzt wurde. Nicht ausreichend wäre es, wenn mittels Massenvergewaltigungen lediglich die Flucht der Gruppe angestrebt wird (sog. „ethnische Säuberung“). Zweck der Tat muss vielmehr die körperliche Zerstörung (eines Teils) der Gruppe sein.362 Zu denken wäre an die Anordnung von Massenvergewaltigungen von Mitgliedern der feindlichen Gruppe durch Soldaten, um jene zu veranlassen, aus ihrem Wohngebiet zu fliehen, in der ihr keine Unterkunft sowie keine hygienische und medizinische Grundversorgung zur Verfügung steht. Die Vertreibung kann dann über einen längeren Zeitraum zum Tod der ethnischen Gruppe führen.363

358 In früheren Fassungen der Konvention waren diese Beispiele enthalten gewesen, die den Rückschluss zulassen, welche Lebensbedingungen mit dem nun abstrakt formulierten Tatbestand gemeint waren (Robinson, Genocide Convention, S. 63 f.). Ferner nennt der Staatsanwalt im Eichmann-Fall die gleichen Beispiele die einen langsamen Tod der Gruppe verursachen können (A-G of Israel v. Eichmann, 36 ILR 5, 1961, S. 236). So auch: Nsereko, in: McDonald/Swaak-Goldmann, Substantive and Procedural Aspects, S. 129; Kittichaisaree, International Criminal Law, S. 79; Satzger, Internationales Strafrecht, § 15, Rn. 21; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 13-32 in Bezug auf die Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale. 359 Ad hoc Committee Report, 4th Meeting, S. 15; UN-DOC. E/AC. 25/SR. 13; so auch: Cryer, ICL, S. 175. 360 Ad hoc Committee Report, 13th Meeting, S. 12–13, UN-DOC. E/AC. 25/SR. 13; Fitzgerald, Rape, S. 69; Satzger, Internationales Strafrecht, § 15, Rn. 21; LK-Jähnke, § 220a, Rn. 11; MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 53. 361 Cryer, ICL, S. 175; Schabas, Genocide, S. 192. 362 BGH, NJW 2001, S. 2732 f.; BGHSt 45, 64, 82, 85, die einen Völkermord aufgrund der Vertreibung bosnischer Muslime aus ihren Wohngebieten ablehnten; vgl. dazu: MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 57. 363 Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 161; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 92 f.; So hat auch der BGH, NJW 2001, 2733, bestätigt, dass Massenvertreibungen zusammen mit Maßnahmen, die die körperliche oder seelische Schädigung von Bevölkerungsmitgliedern verursachen, den Tatbestand des Völkermords erfüllen.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Dass allein Vergewaltigungen genügen, um von einer zur Zerstörung einer Bevölkerungsgruppe geeigneten Tat sprechen zu können, wird wohl selten vorkommen. Es reicht aber aus, wenn mehrere negative Lebensbedingungen zusammenkommen und erst deren Gesamtwirkung die Schwelle der Eignung zur Zerstörung der Gruppe erreicht. Auch angeordnete Massenvergewaltigungen an Gefangenen in Lagern, Häusern oder Ghettos, die über einen längeren Zeitraum praktiziert werden, können zu Lebensbedingungen führen, die zur Zerstörung der betroffenen Population geeignet sind. Wie das zweite Kapitel gezeigt hat, sind die Auswirkungen von mehrfachen Vergewaltigungen an Gefangenen verheerend für den Lebenswillen der Opfer sowie der Gesellschaft, der sie angehören. Die brutalen Vergewaltigungen durch Soldaten in Lagern (z. B. Bosnien) verursachen schwere körperliche Verletzungen bis hin zur Unfruchtbarkeit und zum Tod. Meist verlieren die Frauen allen Lebensmut und sind nicht mehr in der Lage, eine Arbeit aufzunehmen oder ihren Aufgaben innerhalb der Familie nachzukommen. Sie können keinen sexuellen Kontakt mehr ertragen. Eheliche Beziehungen werden unmöglich. Aufgrund patriarchalischer Verhältnisse werden vergewaltigte Frauen aus der Familie verstoßen oder als heiratsunfähig angesehen, womit der Fortbestand der Population gefährdet wird. Das Beispiel der sog. „Comfort Women“ im asiatischen Raum zeigt plastisch den Effekt der systematischen Massenvergewaltigungen. Tägliche Vergewaltigungen über Jahre hinweg zusammen mit den sonstigen Lebensbedingungen in den eingerichteten Zwangsbordellen führten entweder bereits in den Bordellen, oder auch nach der Befreiung zum Tod der Frauen oder zu ihrem völligen Ausschluss aus der Gesellschaft.364 Allerdings fehlte es im Falle Japans an der erforderlichen Absicht, die asiatische Bevölkerung mittels dieser Massenvergewaltigungen zu vernichten. Das Ziel war es, das Militär bei guter Laune zu halten und durch die medizinische Überwachung der Frauen in den Zwangsbordellen die Erkrankung der Soldaten an Geschlechtskrankheiten zu verhindern. Somit ist es durchaus vorstellbar, dass massenhafte und/oder systematische Vergewaltigungen über einen längeren Zeitraum zur Verwahrlosung, Erkrankung, Suizid, Unfruchtbarkeit und Tod führen können. Objektiv können Vergewaltigungen (sowie im Grunde jede schwere Misshandlung) die Tatalternative des Art. 2 c) Völkermordkonvention erfüllen.365 Entscheidend ist aber letztlich die Absicht, dass die Vergewaltigungen mit dem Ziel eingesetzt werden, die Population zumindest teilweise zu vernichten.

364 So auch die Ansicht Gardam/Jarvis, Women, S. 192, dass sexuelle Gewalt zusammen mit Zwangsarbeit zur Zerstörung der Gruppe führen kann. Ferner halten Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 587 und Schabas, Genocide, S. 195, Vergewaltigung als Tathandlung nach c) für möglich. 365 So auch: MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 55.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Art. 2 d) umschreibt den biologischen Völkermord als Maßnahmen, die auf die Verhinderung von Geburten in der Gruppe gerichtet sind. Unter solchen Maßnahmen werden die Sterilisation, die erzwungene Abtreibung, aber auch die Trennung der Geschlechter, das Verbot der Heirat und andere Maßnahmen verstanden, die sich in gleicher Weise restriktiv auf die Geburten auswirken.366 Die Maßnahmen müssen eine Verhinderung der Geburten bezwecken, eine Einschränkung genügt nicht.367 Somit kommt es auch hier auf die Geeignetheit der Maßnahme an.368 Es muss aber zu keiner tatsächlich nachweisbaren Senkung der Geburtenzahl kommen.369 Vergewaltigungen im Krieg gehen oft mit schweren Verletzungen der Geschlechtsorgane einher, die zur Unfruchtbarkeit führen. Ferner führen unprofessionell durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche – oft die einzige Möglichkeit eine aus einer Vergewaltigung stammende Schwangerschaft zu unterbrechen – zu Verletzungen, die eine spätere Schwangerschaft unmöglich machen. Viele Vergewaltigungsopfer sind psychisch nicht mehr in der Lage, sexuellen Kontakt zu haben, was ebenfalls die Geburtenrate in der Bevölkerungsgruppe senkt. Gesellschaftliche Reaktionen auf die Vergewaltigung führen zu einer praktischen Trennung der Geschlechter dadurch, dass vergewaltigte Mädchen als nicht mehr heiratsfähig betrachtet und vergewaltigte Ehefrauen von ihren Ehemännern verlassen werden. Es ist somit durchaus denkbar, Vergewaltigung als ein Mittel der Geburtenverhinderung einzusetzen.370 Auch hier kommt es entscheidend auf die Ab-

366 Der Entwurf des Generalsekretärs enthielt noch diese Liste der biologischen Maßnahmen. Aber um die Vorschrift so weit wie möglich interpretieren zu können, wählte das Ad-hoc-Komitee auch bei dieser Tathandlung schließlich eine abstrakte Definition. Siehe auch: Robinson, Genocide Convention, S. 64; Stillschweig, Die Friedenswarte 1949, S. 97; Schönke/Schröder, § 220a, Rn. 4; MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 60; Cryer, ICL, S. 176; Schabas, Genocide, S. 197. 367 Robinson, Genocide Convention, S. 23: Der erste Entwurf enthielt noch das Wort „Einschränkung“ anstelle von nun „Verhinderung“. 368 MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 61. 369 Schabas, Genocide, S. 198; siehe auch: Marino, BUILJ, 27, 2009, S. 216, der den IGH dafür kritisiert, dass er in seinem Urteil (Genocide Case, Bosnia and Herzegowina v. Serbia and Montenegro, 2007, ICJ 91, Para. 355) gerade einen solchen nachweisbaren Erfolg vorausgesetzt habe. Ähnliche Kritik an der Entscheidung: MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 62; Kreß, EJIL 18, 2007, S. 625. 370 Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 587; Schabas, Genocide, S. 199 f.; Karagiannakis, LJIL 12, 1999, S. 479; Kittichaisaree, International Criminal Law, S. 81 f.; MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 61; Seibert-Fohr, in: Hankel, Die Macht und das Recht, S. 168; Satzger, Internationales Strafrecht, § 15, Rn. 22; Hartstein, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 89; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 163; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 93; Cryer, ICL, S. 176; Engle, AJIL 99, 2005, S. 792 ff., 803, 807 m.w. N.; Marino, BUILJ, 27, 2009, S. 216; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 13-33; siehe auch die ähnliche Argumentation Bosniens vor dem IGH. Allerdings schenkte der IGH dieser Argumentation wenig Beachtung, Genocide Case, Bosnia and Herzegowina v. Serbia and Montenegro, ICJ 91, 2007, Para. 355 ff.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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sicht der Täter an. Nur der zielgerichtete Einsatz von Vergewaltigungen zur Geburtenverhinderung, welcher nur in Extremsituation vorkommen bzw. nachweisbar sein wird, kann als Völkermord angesehen werden. Im Unterschied zur Tötung und zur schweren Körperverletzung in Art. 2 a) und b) setzen die Schaffung ungünstiger Lebensbedingungen und die Geburtenverhinderung nach Art. 2 c) und d) keinen Zerstörungserfolg voraus; sie werden, wenn Tod oder schwere Körperverletzungen eingetreten sind, durch die Tathandlungen nach Art. 2 a) und b) verdrängt.371 Lediglich die letzte Tatalternative gemäß Art. 2 e) kann nicht durch die Tathandlung der Vergewaltigung begangen werden. Dazu ist nämlich erforderlich, dass eine unter 18 Jahre alte Person in eine andere Gruppe überführt wird. Bosnien-Herzegowina argumentierte zwar vor dem IGH, dass muslimische Frauen von Serben zwangsweise geschwängert wurden, um die ungeborenen Kinder der serbischen Gruppe zu überführen.372 Allerdings steht dieser Auslegung bereits der Wortlaut entgegen. Es handelt sich bei Ungeborenen nicht um existierende Kinder, sondern Embryonen oder Föten. Somit werden mit dem Akt der Vergewaltigung/erzwungenen Schwangerschaft bereits keine Kinder aus einer Bevölkerungsgruppe in eine andere Gruppe umgesiedelt.373 Ferner ist der Sinn und Zweck der Vorschrift zu verhindern, dass Kinder in eine andere ethnische, rassische oder religiöse Gruppe transferiert und dadurch ihrer eigentlichen Herkunft und Kultur entfremdet werden.374 Das Gericht lehnte daher zu Recht diese Konstruktion mit der Begründung ab, dass die von Serben gezeugten Kinder auf muslimischem Territorium und von Muslimen und gerade nicht von Serben groß gezogen werden, so dass es nicht zu einer Überführung eines Gruppenmitglieds in eine andere Gruppe kommen könne.375 In der Genozid-Konvention wurde ein internationaler Tatbestand des Völkermords niedergelegt, der durch Vergewaltigung verwirklicht werden kann. Es 371 Diese wesentliche Unterscheidung der Einzeltaten in Erfolgsdelikt und Gefährdungsdelikt hatte das israelische Gericht im Fall Eichmann dargetan, dass die Einzeltat c) nur auf Überlebende von Konzentrationslagern für anwendbar hielt. A-G Israel v. Eichmann, 36 ILR 5, 1961, Para. 196; Schabas, Genocide, S. 192; a. A.: Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 162 f. m.w. N., der für eine Gleichrangigkeit der Tatmodalitäten plädiert. Beim Zusammentreffen mehrerer Tatmodalitäten läge eine einheitliche Tat vor. 372 Vgl. Genocide Case, Bosnia and Herzegowina v. Serbia and Montenegro, 2007, ICJ 91, Para. 363 ff.; Gardam/Jarvis, Women, S. 191; Marino, BUILJ, 27, 2009, S. 222 ff.; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 94. 373 Das IStGH-Statut definiert „Kind“ als Person unter 18 Jahren in Anlehnung an Art. 1 VN-Kinderrechtskonvention; so auch: MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 66. 374 Die Tathandlung ist vollendet, wenn mindestens ein Kind von der Prägung durch die Ursprungsgruppe abgeschnitten ist. LK-Jähnke, § 220a, Rn. 11; MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 67. 375 Genocide Case, Bosnia and Herzegowina v. Serbia and Montenegro, 2007, ICJ 91, Para. 366; Schabas, Genocide, S. 206; Engle, AJIL 99, 2005, S. 807 f.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

muss jedoch noch geklärt werden, ob mit der Konvention auch eine unmittelbare individuelle Strafbarkeit wegen dieser Tat begründet wurde. Gemäß Art. 1 der Völkermordkonvention bestätigen die vertragsschließenden Parteien, dass Völkermord ein Verbrechen gemäß internationalen Rechts ist und verpflichten sich zu dessen Verhütung und Bestrafung.376 In Art. 4 wird geregelt, dass verfassungsrechtlich verantwortliche Herrscher, Staatsfunktionäre und private Individuen bestraft werden sollen, wodurch innerstaatliche Immunitätsregelungen für das Verbrechen des Völkermords aufgehoben wurden.377 Art. 5 sieht folgende Verpflichtungen der Vertragsparteien zur Unterdrückung des Völkermords vor: Die Vertragsschließenden Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen Verfassungen die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zu ergreifen, um die Anwendung der Bestimmungen dieser Konvention sicherzustellen und insbesondere wirksame Strafen für Personen vorzusehen, die sich des Völkermordes oder einer der sonstigen in Art. 3 aufgeführten Handlungen schuldig machen.

Danach müssen die Vertragsparteien die Gesetze erlassen, die notwendig sind, um Völkermord wirksam bestrafen zu können. Wie die Gesetzgebung und die wirksamen Strafen gestaltet werden, ist jedem Staat selbst überlassen; es wird nicht verlangt, die Begriffsbestimmung der Konvention in das staatliche Recht zu übertragen.378 Es war daher vorhersehbar, dass die Gesetzgebung von Staat zu Staat stark variieren würde.379 Art. 6 regelt die gerichtliche Zuständigkeit für Verstöße gegen die Völkermordkonvention. Danach ist entweder das Gericht des Staates zuständig, in dessen Gebiet die Handlung begangen wurde, oder ein Internationales Strafgericht, welches die Vertragsparteien anerkannt haben.380 Da bis 2002 kein Internationales Strafgericht existierte, wurde die Strafverfolgung bei Inkrafttreten der Konvention faktisch allein den Tatort-Staaten übertra376 Bereits die Resolution 96 (I), welche der Völkermordkonvention vorausgegangen war, hatte den Völkermord als ein Verbrechen bezeichnet. Darauf nimmt Art. 1 Bezug, indem er das Wort „bestätigt“ gebraucht. Vgl. Kunz, AJIL 43, 1949, S. 739; Robinson, Genocide Convention, S. 55 ff.; Lippman, in: Bassiouni, ICL, 2008, S. 408; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 55. 377 Robinson, Genocide Convention, S. 70; Lippman, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 410; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 55. 378 Robinson, Genocide Convention, S. 76 f.; Lippman, in: Bassiouni, ICL, 2008, S. 410: Die Verpflichtung Völkermord zu verfolgen und zu bestrafen wurde nochmals dadurch hervorgehoben, dass die Parteien verpflichtet sind, „wirksame Strafen“ vorzusehen. 379 Siehe die Beispiele der Umsetzung in einzelnen Staaten bei: Robinson, Genocide Convention, S.74, 78 f.; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 56. 380 Pilch, JLS US-AFA 9, 1998/1999, S. 106.

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gen. Dass die Strafverfolgung auf nationaler Ebene erfolgen soll, steht einem eigenständigen und wirksamen Völkerstrafrecht nicht entgegen.381 Das eigentliche Hindernis bei der Durchsetzung der Völkermordkonvention liegt aber darin, dass die nationale Gerichtsbarkeit auf das staatliche Gericht begrenzt wurde, in dessen Gebiet der Völkermord stattgefunden hatte. Es wurde hier nur das Territorialitätsprinzip anstelle des noch im ersten Entwurf enthaltenen Weltrechts- (oder Universalitäts-)prinzips vereinbart.382 Das Ad-hoc-Komitee hatte den Weltrechtsgrundsatz mit der Begründung abgelehnt, dass es gegen das Souveränitätsprinzip verstoße, einem Staat zu erlauben, eine Tat abzuurteilen, die außerhalb seines Territoriums oder durch einen Ausländer begangen wurde. Da Regierungen in den Völkermord meist involviert seien, würde ein Staat über einen anderen urteilen, was zu internationalen Spannungen führen könnte. Auch spielte die Angst vor politischer Parteilichkeit der Verfolgerstaaten eine große Rolle bei der Ablehnung einer universellen Strafverfolgung. Es wurden zudem Zweifel an der Effektivität universeller Strafverfolgung geäußert. Vielmehr sei dies die Aufgabe einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, welche aufgegeben würde, wenn man das Weltrechtsprinzip in der Konvention vereinbare.383 Diese Sichtweise wurde vom Sechsten Komitee (Rechtsausschuss der VN) beibehalten.384 Die Bedeutung der Konvention für die Praxis wurde daher von vielen gering eingeschätzt. Wie schon der Generalsekretär und die Experten zu verstehen gegeben hatten, kann der Zweck der Konvention nicht erreicht werden, wenn Völkermord nicht außerhalb des Territoriums des Tatortstaates verfolgt werden kann.385 Allen Beteiligten war bewusst, dass ein Völkermord nur begangen werden kann, wenn der Staat, auf dessen Gebiet sich das Verbrechen ereignet, auf irgendeine Weise involviert ist. Es war völlig absurd zu erwarten, dass ein krimineller Staat seine eigenen Funktionäre strafrechtlich belangen würde.386 Die Ablehnung der universellen Strafrechtsverfolgung konnte nur zur faktischen Straflosigkeit des Völkermords führen.387 Dies hat sich in der Realität bewahrheitet. Die Staaten haben so gut wie keinen Gebrauch von der Konvention gemacht. 381

Siehe dazu: 3. Kapitel I. 2. Entwurf des Generalsekretärs, abgedr. in: Robinson, Genocide Convention, S. 125, Appendix II; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 56; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 124. 383 Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 125. 384 Robinson, Genocide Convention, S. 31 f. m.w. N.; Lippman, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 411. 385 Robinson, Genocide Convention, S. 31; E/447, S. 18; siehe auch Resolution 96 (I). 386 Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 211; ähnlich: Kraus, Massenaustreibung. Es wurde kein Universalitätsprinzip, sondern nur ein Territorialprinzip vereinbart: Lippman, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 415 f.; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 23. Siehe auch: Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 68 ff., der die national nicht verfolgten Völkermorde seit den 1950iger Jahren auflistet. 387 Oppenheim/Lauterpacht, International Law I, S. 751; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 118 ff., die ebenfalls betont, dass die fehlende staatliche Strafver382

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Ferner wurde die Auslieferung eines Tatverdächtigen in Art. 7 Völkermordkonvention festgelegt. Jedoch kann die Auslieferung wieder nur an den Tatortstaat (bzw. erst seit 2002 an den IStGH, soweit die Vertragsparteien der Völkermordkonvention auch dem IStGH-Statut zugestimmt haben) erfolgen, so dass auch das Institut der Auslieferung für keine wirksame Strafverfolgung sorgte.388 Die Zusammenschau von Art. 6 und 7 ergibt ein örtlich begrenztes, kein universelles Strafverfolgungsregime.389 Das ältere Schrifttum vertrat daher die Ansicht, dass die Völkermordkonvention keine individuelle Strafbarkeit, sondern nur eine Pflicht der Staaten zur Umsetzung des Völkermordtatbestands in innerstaatliches Recht begründet.390 Die konkreten Argumente waren, dass Art. 1 und 5 ausschließlich an die Vertragsstaaten gerichtet seien. Damit seien nur die Staaten und nicht das Individuum verpflichtet worden. Die Hauptverpflichtung bestehe darin, dass die Staaten die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen ergreifen, um die Anwendung der Konvention sicherzustellen. Maßnahmen zur Strafverfolgung und zur Prävention seien jedoch nicht Gegenstand des Völkerrechts.391 Vielmehr hätten die Vertragsstaaten wie bei den Weltverbrechen („delicta juris gentium“) nur beschlossen, gemeinsam das Ziel zu verfolgen, den Völkermord in ihren Staaten durch ihre staatliche Gesetzgebung zu verurteilen.392 Die einzige Neuerung, die der Konvention auch nach dieser Literaturmeinung zugesprochen wurde, ist, dass der Tatbestand des Völkermords erstmals international definiert wurde. Die Auslegung des Völkermords hat seither vom Konventionstext als Ursprungsdefinition

folgung stets Zweifel an der individuellen Strafbarkeit nach Völkerrecht geschürt hat und diese Zweifel erst mit der Errichtung des IStGH völlig überwunden wurden. 388 Siehe auch: Lippman, in: Bassiouni, ICL I, 2008, S. 412; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 122, die in dem Institut der Auslieferung eine Alternative zur Strafverfolgung sieht, aber diese lediglich durch die Erfordernisse der Gesetze und Abkommen der Staaten begrenzt sieht. 389 Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 124. 390 Kunz, AJIL 43, 1949, S. 738, 744 f.; Stillschweig, Die Friedenswarte 1949, S. 96; Jescheck, ZStW 66, 1954, S. 208 f.; Ambos, NStZ 1998, S. 138 f.; Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 211, so auch: Kraus, Massenaustreibung. 391 Kunz, AJIL 43, 1949, S. 744 f. 392 Kunz, AJIL 43, 1949, S. 744 f., beschrieb deshalb die Konvention als traditionell und altmodisch. Er kritisierte, dass „the Convention does not make individuals subjects of international law, nor of international duties or international rights. . . . Under Art. 1 it is the ,states‘ which recognize that genocide is a crime under international law which ,they‘ – not international law – undertake to prevent and punish. . . . The new crimes merely are an addition to the ,delicta juris gentium‘, such as piracy, slave trade, counterfeiting, and so on. The crimes under Article II, III are crimes under international law, but not crimes against international law; but individuals are only under a duty if and when the states enact the corresponding domestic legislation.“ Vgl. auch: Ahlbrecht, Geschichte, S. 132; Zahar/Sluiter, International Criminal Law, S. 498 kritisieren, dass kein Universalitätsprinzip in der Konvention vereinbart wurde. Erst später wurde im Völkergewohnheitsrecht das Weltrechtsprinzip für den Völkermord anerkannt.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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und nicht nur von den unterschiedlich ausformulierten nationalen Definitionen auszugehen. Völkermord stieg zum internationalen Problem auf.393 Die heutige Lehre kommt jedoch zur Bejahung einer individuellen Strafbarkeit nach Völkerrecht. Die Entstehungsgeschichte ist von den nationalsozialistischen Verbrechen und den Nürnberger Prozessen geprägt. Zum ersten Mal wurde in Nürnberg eine individuelle Verantwortlichkeit für Massenvernichtung direkt aus dem Völkerrecht hergeleitet. Seitdem ist es unstreitig, dass auch Individuen Adressaten völkerrechtlicher Normen sein können.394 Sinn und Zweck der Konvention war es Individuen völkerrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. In diesem Sinne bezeichnet Art. 1 den Völkermord explizit als Verbrechen gemäß internationalem Recht. Die „travaux préparatoires“ bestätigen, dass Art. 1 eine rechtliche Wirkung entfaltet. Bei der endgültigen Fassung wurde diskutiert, ob Art. 1 überflüssig sei. Man könne schließlich in der Präambel die Formulierung „Crime under International Law“ einbringen. Es wurden aber Bedenken geäußert, dass bei einer bloßen Nennung in der Präambel dieser Aussage keine rechtliche Bedeutung beigemessen würde. Ferner erläuterte Kuba in den Vorbereitungsverhandlungen, dass der Begriff „Crime under International Law“ eine individuelle Verantwortlichkeit nach Völkerrecht bedeute.395 Die individuelle Strafbarkeit aus Völkerrecht lässt sich aber vornehmlich aus Art. 6 herleiten. Art. 6 sieht für die Bestrafung des Völkermords neben nationalen Gerichten ein internationales Strafgericht vor, welches ein Indiz für die unmittelbare, völkerstrafrechtliche Anwendbarkeit des Tatbestands ist.396 Nach damaliger Auffassung stand dessen Errichtung noch unmittelbar bevor. Aus der Vereinbarung des Territorialprinzips kann nur gefolgert werden, dass der direkten Strafverfolgung durch ein internationales Gericht der Vorzug vor einer weltweiten, indirekten Strafverfolgung eingeräumt wurde. Es kann aber nicht daraus ge393 Oppenheim/Lauterpacht, International Law I, S. 751; Robinson, Genocide Convention, S. 35; Stillschweig, Die Friedenswarte, 1949, S. 93 ff. Bei Zweifeln über die Auslegung, Anwendung oder Erfüllung der Konvention kann gemäß Art. 9 der IGH angerufen werden. Kunz, AJIL 43, 1949, S. 745, sieht die Innovation der Konvention vor allem darin, dass nun der Völkermord „if committed by a government in its own territory against its own citizens, have been of no concern to international law, are made a matter of international concern and are, therefore, taken out of the matters essentially within the domestic jurisdiction of any State, of Art. II, para. 7 of the United Nations Charter.“ 394 Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 117, weist darauf hin, dass der Konvention im geschichtlichen Zusammenhang ihrer Entstehung nur eine Wirkung zukommen könne, wenn sie eine individuelle Verantwortlichkeit nach Völkerrecht begründe. 395 UN-DOC. GAOR, 3rd Session, Sixth Committee, S. 37 ff., zit. bei: Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 141. 396 Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 116.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

schlossen werden, dass eine generelle Entscheidung zwischen den Anknüpfungsmöglichkeiten nationaler Strafverfolgung getroffen werden sollte. Es wurde nur eine Pflicht zur Strafverfolgung für den Tatortstaat statuiert.397 Auch wenn keine vertragliche Verpflichtung zur Strafverfolgung nach dem Weltrechtsprinzip in der Konvention zugestimmt wurde, sind jedoch Staaten nicht an einer Strafverfolgung nach dem Weltrechtsprinzip gehindert, sollte die Völkermordkonvention zu Völkergewohnheitsrecht erstarken.398 Daher wird heutzutage kaum mehr bezweifelt, dass in der Völkermordkonvention eine direkte, individuelle Verantwortlichkeit festgelegt wurde. Im Ergebnis ist die Vergewaltigung als Tathandlung des Völkermords völkervertraglich rechtswidrig und strafbar. b) Gerichtsstatuten Statuten internationaler Gerichte wurden geschaffen, um Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte wie Völkermord strafrechtlich verfolgen zu können. Solche Statuten enthalten zwar nicht direkt Straftatbestände, sondern eröffnen eine sachliche Zuständigkeit zur Strafverfolgung für gewisse Rechtsverletzungen. Wenn sie aber eine Zuständigkeit für bestimmte Verbrechen annehmen, setzen sie deren Existenz voraus, wodurch sie indirekt Straftatbestände festlegen. Das IStGH-Statut weist zudem die Elemente eines Strafgesetzbuchs auf (Tatbestand, Vorsatz, Täterschaft- und Teilnahmeregelungen). aa) Statut des Internationalen Militärgerichtshofs Nürnberg von 1945 Am 08.08.1945 wurde zwischen den Regierungen der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion das „Londoner Viermächteabkommen über die Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achse“ verabschiedet. Später traten dem Abkommen 19 weitere Staaten bei.399 Es bildete die völkervertragliche Grundlage für die Einberufung des Internationalen 397

Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 121. Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 57 m.w. N., 140 ff.; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 121; Roggemann, NJW 1994, S. 1436 f.; BGH, NStZ 1999, S. 396 f.; A-G of Israel v. Eichmann, 36 ILR 5, 1961, S. 18; Genocide Case, Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia, Preliminary Objection, ICJ Reports, 1996, S. 595 ff., Para. 31; auch das Urteil im Haftbefehls-Fall, Democratic Republic of Congo v. Belgium, ICJ 2000, steht dem nicht entgegen. Siehe dazu: Kreß, ZStW 114, 2002, S. 818 ff. 399 Londoner Vier-Mächte-Abkommen, abgedr. in: UNTS 279; Statut in Englisch: Bassiouni, Crimes against Humanity, S. 582; Ambos, AT, Anhang B I, S. 886; Statut in Deutsch: IMG-DOC., Vol. I, S. 7–8; Heinze/Schilling, Rechtsprechung, Anhang III, S. 315 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, Anhang III, S. 401 ff.; siehe zu den geschichtlichen Ereignissen, die zum Londoner Abkommen führten: Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 121 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 61 ff.; Askin, War Crimes against Women, S. 96 ff.; Overy, in: Sands, From Nuremberg to The Hague, S. 1–29; Satzger, Internationales Strafrecht, § 12, Rn. 1–12; Bantekas/Nash, ICL, S. 495 ff.; Cryer, ICL, S. 91 ff. 398

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Militärgerichtshofs (IMG) von Nürnberg.400 Als Anhang enthielt das Londoner Abkommen das Statut für den Internationalen Militärgerichtshof (IMG-Statut) mit seinen Vorschriften zum materiellen Strafrecht, Strafprozessrecht und zur Gerichtsverfassung. Das Statut gehört demzufolge dem Völkervertragsrecht an.401 400 Das Londoner Abkommen bestimmte drei Verfahrensweisen für die Strafverfolgung von deutschen Kriegsverbrechern: 1. Hauptkriegsverbrecher, deren Verbrechen geographisch nicht einem bestimmten Tatort zugeordnet werden konnten, sollten vom IMG verurteilt werden. 2. Kriegsverbrecher, die in Deutschland Verbrechen begangen hatten, sollten von den alliierten Besatzungsgerichten verfolgt werden. 3. Kriegsverbrecher, die Verbrechen außerhalb von Deutschland begangen hatten, sollten nach dem Territorialitätsprinzip von staatlichen Straf- oder Militärgerichten des Tatorts verurteilt werden. Vgl. dazu: Ahlbrecht, Geschichte, S. 67 f. 401 Bedenken daran, dass das Statut ein völkerrechtlicher Vertrag ist, bestehen nicht, jedoch wurden Zweifel an der Wirksamkeit gegenüber den Angeklagten geäußert. Grund für die Zweifel ist der Umstand, dass ein Vertrag nur zwischen Vertragsparteien verbindlich ist. Da nun Deutschland durch die Regelungen des Vertrags betroffen ist und dem Vertrag nicht zugestimmt hat, könnte es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag zu lasten Dritter handeln. Ein solcher ist im Völkerrecht unzulässig (vgl. Art. 34 WVK, der Völkergewohnheitsrecht kodifiziert). Jescheck kommt daher zum Schluss, dass das Gericht im Verhältnis zu Deutschland kein Völkerrechtsorgan, sondern nur ein Besatzungsgericht war und die Straftatbestände des Statuts für Deutschland nur die Bedeutung von Besatzungsrecht und nicht Völkerstrafrecht haben konnten. Dagegen wird von Grewe angeführt, dass diese Interpretation im Widerspruch zu den erklärten Absichten der vier Mächte in der Moskauer Deklaration, dem Londoner Abkommen und den materiellen Ausführungen im Urteil steht, die gerade die Strafbestimmungen des völkerrechtlichen Vertrags anwenden wollten und nicht innerstaatliches deutsches Strafrecht oder Besatzungsstrafrecht, wie später nach dem KRG 10 geschehen. Woeltzel hält das vom IMG angewandte Recht für allgemein verbindliches Völkerrecht, weil es von der Völkergemeinschaft getragen worden sei. Beweise seien die Quasi-Universalität des Statuts sowie die spätere GV-Resolution zu den Nürnberger Prinzipien und die Arbeiten der ILC an einem Völkerstrafgesetzbuch. Hoffmann hingegen fragt, was denn eigentlich die Verpflichtung Deutschlands nach dem Londoner Abkommen gewesen sei. Er sieht sie darin, dass Deutschland lediglich auferlegt worden war, die Bestrafung seiner Kriegsverbrecher zu dulden. Diese Strafduldungspflicht sei aber nicht durch den Vertrag begründet worden, sondern lediglich in ihm vorausgesetzt worden. Jeder am Vertrag beteiligte Staat hatte nach allgemeinem Völkerrecht das Recht für sich allein die Bestrafung von Kriegsverbrechern, die sich in ihrem Gewahrsam befanden, vorzunehmen. Sie hätten sich im besagten Vertrag lediglich darauf geeinigt, ihre Strafgerichtsbarkeit gemeinsam auszuüben bzw. auf die vier Hauptsiegermächte zu übertragen. Damit sei kein Vertrag zulasten Dritter abgeschlossen worden. Dieser Meinungsstreit macht deutlich wie schwierig die Beurteilung der Straftatbestände des Statuts ist. Es ist aber aus heutiger Sicht und für den Untersuchungszweck nur von Bedeutung sich zu vergegenwärtigen, dass der völkerrechtliche Vertrag des Londoner Abkommens samt dem Statut nur die Vertragsparteien rechtlich bindet (so wie jeder völkerrechtliche Vertrag). Ob das Statut zur damaligen Zeit gegenüber Deutschland bindendes Völkerrecht darstellte, kann dahinstehen. Denn die Untersuchung ist darauf ausgerichtet, anhand der Straftatbestände des völkerrechtlichen Vertrags universell bindendes Völkergewohnheitsrecht nachzuweisen. Vgl. dazu: Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 150 ff., 177 f.; Grewe, Nürnberg als Rechtsfrage, S. 11–14, 22–24; Woetzel, The Nuremberg Trials, S. 40 ff.; Hoffmann,

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Art. 6 ist die zentrale Vorschrift des Statuts. Sie eröffnet die Zuständigkeit für die vom Gerichtshof zu verurteilenden Handlungen: Der durch das in Artikel 1 genannte Abkommen eingesetzte Gerichtshof zur Aburteilung der Hauptkriegsverbrecher der der europäischen Achse angehörigen Staaten hat das Recht, alle Personen abzuurteilen die im Interesse der europäischen Achse angehörigen Staaten als Einzelpersonen oder als Mitglieder einer Organisation oder Gruppe eines der folgenden Verbrechen begangen haben: Die folgenden Handlungen, oder jede einzelne von ihnen, stellen Verbrechen dar, für deren Aburteilung der Gerichtshof zuständig ist. Der Täter solcher Verbrechen ist persönlich verantwortlich: (a) Verbrechen gegen den Frieden: . . . (b) Kriegsverbrechen: Nämlich: Verletzungen der Kriegsgesetze oder -gebräuche. Solche Verletzungen umfassen, ohne jedoch darauf beschränkt zu sein, Mord, Misshandlungen, oder Deportation zur Sklavenarbeit oder für irgendeinen Zweck, von Angehörigen der Zivilbevölkerung von oder in besetzten Gebieten, Mord oder Misshandlungen von Kriegsgefangenen oder Personen auf Hoher See, Töten von Geiseln, Plünderung öffentlichen oder privaten Eigentums, die mutwillige Zerstörung von Städten, Märkten oder Dörfern oder jede durch militärische Notwendigkeit nicht gerechtfertigte Verwüstung; (c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Nämlich Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation oder andere unmenschliche Handlungen, begangen an irgendeiner Zivilbevölkerung vor oder während eines Krieges, Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, begangen in Ausführung eines Verbrechens oder in Verbindung mit einem Verbrechen, für das der Gerichtshof zuständig ist, und zwar unabhängig davon, ob die Handlung gegen das Recht des Landes verstieß, in dem sie begangen wurde, oder nicht. Anführer, Organisatoren, Anstifter und Teilnehmer, die am Entwurf oder der Ausführung eines gemeinsamen Planes oder einer Verschwörung zur Begehung eines der vorgenannten Verbrechen teilgenommen haben, sind für alle Handlungen verantwortlich, die von irgendeiner Person in Ausführung eines solchen Plans begangen worden sind.

Ausdrücklich ist Vergewaltigung zwar in dieser Vorschrift nicht genannt, sie könnte aber eine Tathandlung der Kriegs- und der Menschlichkeitsverbrechen darstellen. Der Tatbestand der Kriegsverbrechen besteht aus der kurzen Definition: Verletzungen der Kriegsgesetze oder -gebräuche. Sie wird durch eine exemplarische Aufzählung von Einzeltaten, welche zweifelsfrei von den Vertragsparteien als Kriegsverbrechen angesehen wurden, präzisiert. Vergewaltigung könnte in der Tatalternative „Misshandlung“ enthalten sein. Der Wortlaut, der den meisten Strafgesetzbüchern der Welt bekannt ist, gibt zu verstehen, dass es sich um eine Strafrechtliche Verantwortung, S.151, 154 m.w. N.; Zimmermann, in: Reginbogin/Safferling, Die Nürnberger Prozesse, S. 266 f.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 157 f.

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Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens oder der körperlichen Unversehrtheit handeln muss.402 Dass diese Beeinträchtigung nicht unerheblich sein darf, ergibt sich aus dem Zusammenhang der Tatalternativen; nur schwerste Verletzungen der Rechtsgüter Leben, Freiheit, Eigentum sind als Kriegsverbrechen genannt. Eine Vergewaltigung erfüllt diese Voraussetzungen. Es ist in Art. 6 b) weiterhin ausdrücklich betont, dass diese Verbrechensliste nicht abschließend, sondern nur exemplarisch ist. Es sollte gerade die Möglichkeit bestehen, auch nicht genannte Verletzungen, die aber als Verletzungen der bestehenden Kriegsgesetze und -gebräuche anerkannt sind, verfolgen zu können. Die Interpretation hat daher von dem damals geltenden Kriegsrecht und nicht nur beschränkt auf die Wortwahl der aufgelisteten Kriegsverbrechensbeispiele auszugehen.403 So äußerte sich das Militärgericht selbst, dass Art. 6 b) nur bestehendes Kriegsrecht deklariere, wie es in den Art. 46, 50, 52 und 56 HLKO und den Art. 2, 3, 4, 51 Genfer Konvention von 1929 zum Ausdruck gekommen sei.404 Es ist zwar bedauernswert, dass das Gericht nicht klargestellt hat, ob speziell die Vergewaltigung ein Kriegsverbrechen darstellt, obwohl die Staatsanwaltschaft dem Gericht Dokumente über Vergewaltigungen als Nachweis für die begangenen Grausamkeiten der Deutschen an der Zivilbevölkerung präsentiert hatte.405 Die Staatsanwaltschaft hatte es nicht für notwendig gehalten, die Vergewaltigung ausdrücklich als Kriegsverbrechen (bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit) anzuklagen. Es war daher nur zu einer Anklage und Verurteilung von Misshandlungen gekommen. Darunter fielen auch – so die weiter unten folgende Interpretation – Vergewaltigungen. Diese „unsichtbaren“ Verurteilungen der Vergewaltigungen sollten aber nicht zu der Annahme verleiten, dass Vergewaltigung nach dem Statut nicht als Kriegsverbrechen galt.406 Sowohl nach Art. 44 Lieber Code 402 So z. B. die Definition der körperlichen Misshandlung im deutschen Strafgesetzbuch, BGHSt 14, 269. 403 Vgl. dazu: Grewe, Nürnberg als Rechtsfrage, S. 18; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 441; Ahlbrecht, Geschichte, S. 84. 404 IMT-DOC, Vol. XXII, S. 540: „Art. 6 b) des Statuts erklärt, dass Misshandlungen der Zivilbevölkerung von oder in besetzten Gebieten . . . ein Kriegsverbrechen darstellen. Im Wesentlichen bedeuten diese Vorschriften lediglich die Wiederholung bestehender Kriegsgesetze, wie sie in Artikel 46 der Haager Konvention enthalten sind.“ IMT-DOC, Vol. XXII, S. 565, I, S. 284: „Was die Kriegsverbrechen anbelangt, so hat schon das Völkerrecht . . . die in Art. 6 b) des Londoner Statuts angeführten Verbrechen als Kriegsverbrechen anerkannt. Auf sie beziehen sich die Art. 46, 50, 52 und 56 der Haager Konvention von 1907, und die Artikel 2, 3, 4, 46, 51 der Genfer Konvention von 1929.“ Abgedr. in: Heinze/Schilling, Rechtsprechung, S. 201 f.; Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 298; Cipolat, Rape before the ICTY, S. 10. 405 Siehe: IMT-DOC, Vol. II, S. 139; VI, S. 170, 178, 211–214, 404–407, VII, S. 449– 457, 494, 548, XX, S. 381; Askin, War Crimes against Women, S. 137; Cipolat, Rape before the ICTY, S. 10; Haskell, B.C. Third World L.J. 29, 2009, S. 59. 406 Diese schlichte Übergehung von Sexualstraftaten entsprach der damaligen auf Tabus, Unwissenheit und männlicher Dominanz der Entscheidungsträger begründeten Vorgehensweise. Zu Recht wird daher von vielen Autoren gefordert, dass die Vergewal-

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und Art. 46 HLKO (s. o.) war die Vergewaltigung an der Zivilbevölkerung als auch nach Art. 3 Genfer Konvention von 1929407 an Kriegsgefangenen während eines Kriegs verboten. Ferner hatten zuvor einige Prozesse stattgefunden, in denen Vergewaltigungen durch Soldaten als Kriegsverbrechen verurteilt worden waren.408 Vergewaltigung im Krieg war also völkergewohnheitsrechtlich als ein Verbrechen anerkannt. Dies lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass Art. 6 b) Vergewaltigung einschloss. Entweder konnte die Vergewaltigung unter dem aufgezählten Beispiel der „Misshandlung“ einer Zivilperson, eines Kriegsgefangenen und Person auf Hoher See oder einfach nach dem damals geltenden Kriegsrecht verfolgt werden. Vergewaltigung ist somit nach dem Nürnberger Statut ein Kriegsverbrechen. Zu klären ist noch, ob Vergewaltigung auch nach Art. 6 c) als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit verboten ist. Einen Straftatbestand „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ hatte es bisher nicht im Völkerrecht gegeben, so dass sich eine Auslegung des Tatbestandes nicht wie bei den Kriegsverbrechen auf Völkergewohnheitsrecht stützen lässt.409 Das IMG-Statut verkörperte den Beginn einer neuen Verbrechenskategorie.410 Dennoch sind die einzelnen Tathandlungen dieses Verbrechens nicht aus dem Nichts entstanden. Noch während des Krieges betigung ausdrücklich in Konventionen oder sonstigen Dokumenten als Straftat aufgenommen werden muss, und es nicht genügt, dass sie implizit in einer Norm enthalten ist. Stellvertretend für viele andere: Askin, War Crimes against Women, S. 138. 407 Art. 3 Genfer Konvention 1929: „Die Kriegsgefangenen haben Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre. Frauen sollen mit aller ihrem Geschlecht geschuldeten Rücksicht behandelt werden. . . .“ Abgedr. in: Heinze/Schilling, Rechtsprechung, Anhang III, S. 304 ff. Dieser Artikel wurde nicht näher behandelt, weil das heute anzuwendende Genfer Recht aus den Genfer Konventionen von 1949 besteht. Zur damaligen Zeit wurde eine Vergewaltigung nicht beim Namen genannt, sondern als ein Ehrverletzungsdelikt umschrieben. Es bestehen daher keine Bedenken, dass in Art. 3 ein Verbot der Vergewaltigung an Kriegsgefangen enthalten war. 408 Askin, War Crimes against Women, S. 138; Brownmiller, Against Our Will, S. 77, Karsten, Law, Soldiers and Combat. 409 Erste Erwähnung fand der Begriff „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in der Erklärung von 1915 der Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und Russlands bzgl. der Massaker der Türken an der armenischen Bevölkerung. Diesem Begriff war der Ausdruck „Gesetze der Menschlichkeit“ in der Martens Klausel der Haager Landkriegsordnungen von 1899 und 1907 vorausgegangen. Ferner enthielt der Verbrechenskatalog der Kriegsverbrecherkommission 1919 anlässlich des Versailler Vertrags die Rubrik Verbrechen gegen die Gesetze der Humanität. Eine völkerrechtliche Anerkennung eines solchen Straftatbestands lässt sich aber vor dem Nürnberger Statut nicht nachweisen. Siehe dazu: Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 182 ff., 317; Clark, in: Ginsburgs/Kudriavtsev, Nuremberg Trials, S. 177 f.; Bassiouni, Crimes against Humanity, S. 60 ff.; Bassiouni, Cal. WILJ 9, 1979, S. 209–214; Bassiouni, CJTL 31, 1994, S. 457, 461, 466, beschreibt das Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Zeit des Statuts als eine im Entstehen befindliche Norm des Völkergewohnheitsrechts. Bantekas/Nash, ICL, S. 125 ff. 410 Khushalani, Dignity, S. 15; Clark, in: Ginsburgs/Kudriavtsev, Nuremberg Trials, S. 198; Zimmermann, in: Reginbogin/Safferling, Die Nürnberger Prozesse, S. 271.

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gannen die Alliierten zu diskutieren, wie sie auch die Verbrechen der Nazis an der eigenen, meist jüdischen Bevölkerung bzw. an der Bevölkerung annektierter und nicht im Krieg mit Deutschland befindlicher Länder strafrechtlich verfolgen konnten. Nach dem traditionellen, engen Konzept der Kriegsverbrechen konnten nur Taten abgeurteilt werden, wenn sie von einem Täter eines Staates an einem Bürger eines anderen Staates begangen wurden. Hätte sich die Gerichtsbarkeit des IMG auf dieses traditionelle Verständnis der Kriegsverbrechen beschränkt, wären die schwersten Verbrechen des Nazi-Regimes, die Verbrechen an den deutschen Juden, straflos geblieben. Die „United Nations War Crimes Commission“, die amtliche Organisation der Alliierten, die wesentliche Vorarbeiten zu den später formulierten Straftatbeständen des Statuts geleistet hatte, tendierte dazu, den Anwendungsbereich der anerkannten Kriegsverbrechen auch auf Verbrechen, die aus rassischen oder politischen Gründen die Ausrottung einer Bevölkerung zum Ziel hatten, auszudehnen.411 Ausgangspunkt für eine solche erweiternde Auslegung war der allgemeine Ausdruck „Gesetze der Menschlichkeit“ in der Martens Klausel der Haager Konvention gewesen, der es ermöglichen sollte, Tathandlungen zu erfassen, die nicht ausdrücklich in den Haager Konventionen enthalten waren.412 Auf der Londoner Konferenz 1945, auf welcher der Inhalt des Londoner Abkommens und des Statuts verhandelt wurde, befassten sich dann mehrere Statutenentwürfe damit, den Tatbestand der Kriegsverbrechen zu erweitern bis sich schließlich eine von den Kriegsverbrechen getrennte Verbrechenskategorie mit dem Namen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ herauskristallisierte.413 Der endgültig im Statut niedergelegte Art. 6 c) war somit in Anlehnung an die damaligen Kriegsgesetze und -gebräuche entstanden, unterschied sich allerdings von den Kriegsverbrechen dadurch, dass nun auch einer Zivilbevölkerung Schutz vor ihrem eigenen, kriminellen Staat gewährt wurde. Die Staatsangehörigkeiten des Opfers und des Täters spielten für die neue Verbrechenskategorie keine Rolle mehr.414 Doch zeigte sich in den Anklagen und Urteilen, dass eine völlige Loslösung von den Kriegsverbrechen nicht vollzogen wurde. Es kam zu Überschneidungen der beiden Verbrechen. Die Angeklagten wurden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit nur angeklagt und verurteilt, wenn sie auch mit einer Anklage bzw. Verurteilung wegen Kriegs-

411 Clark, in: Ginsburgs/Kudriavtsev, Nuremberg Trials, S. 177–180; UNWCC 1948, S. 100; Ferencz, ICC I, S. 61 ff.; Boot, Nullum Crimen, S. 180–187. 412 Boot, Nullum Crimen, S. 184 f. m.w. N. 413 Vgl. die Darstellung der Entwicklung in den Entwürfe bis hin zur endgültigen Fassung des Art. 6 c) bei: Clark, in: Ginsburgs/Kudriavtsev, Nuremberg Trials, S. 181– 189; Spiropoulos, Special Rapporteur on the Formulation of Nuremberg Principles, UNDOC. A/CN. 4/22, 12.04.1950. 414 Siehe die Formulierung in Art. 6 c): „begangen an irgendeiner Zivilbevölkerung“. Bassiouni, CJTL 31, 1994, S. 464 f. betont: „the requirement of diversity of citizenship was eliminated . . .“

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verbrechen überzogen wurden.415 Diese Abhängigkeit der Verbrechen gegen die Menschlichkeit von den Kriegsverbrechen resultierte aus der Statutenbeschränkung, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit nur in Verbindung mit einem Verbrechen gegen den Frieden oder Kriegsverbrechen begangen werden konnten.416 Dies bedeutete, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit ohne jeglichen Bezug zu einem internationalen bewaffneten Konflikt straflos waren, obwohl das Element „vor oder während eines Kriegs“ suggerierte, dass diese Verbrechen sowohl im Krieg als auch im Frieden strafbar sein sollten.417 Somit hatten die Kriegsgesetze die Bildung der neuen Verbrechenskategorie stark beeinflusst, wodurch sie bei der Frage, welche Handlungen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, nicht irrelevant sind. Interessant für die Interpretation des Tatbestands ist ferner die angeführte Rechtsgrundlage der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wie bereits erwähnt, kam das allgemeine Kriegsrecht nicht als Rechtsgrundlage in Betracht. Um dem Vorwurf des Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot zu begegnen, führten die Anklagevertreter sowie später die Nachfolgegerichte und auch die Literatur die Strafbarkeit der Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß Art. 38 c) des IGH-Statuts auf allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerrechts zurück.418 Da die in Art. 6 c) genannten Verhaltensweisen bereits nach staatlichem Strafrecht als Mord, Körperverletzung, Vergewaltigung etc., in den meisten zivilisierten Nationen (so auch im Dritten Reich) strafbar waren, verletze ihre Begehung einen all-

415 Grewe, Nürnberg als Rechtsfrage, S. 25; Clark, in: Ginsburgs/Kudriavtsev, Nuremberg Trials, S. 193, 197. 14 der Angeklagten wurden wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Lediglich von Schirach und Streicher wurden allein für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Das Gericht verurteilte die Angeklagten nicht systematisch nach den Tatbestandselementen des jeweiligen Verbrechens, sondern griff sich bestimmte Untertitel abwechselnd aus beiden Verbrechenskategorie heraus. Z. B. ist der Untertitel „Mord und Misshandlung von Kriegsgefangenen“ den Kriegsverbrechen entnommen, „Mord und Misshandlung der Zivilbevölkerung“ stammt aus der Definition der Kriegs- und der Menschlichkeitsverbrechen. Für beide Verbrechenskategorien wurden dieselben Beweise vorgelegt. 416 Vgl. dazu das „Semikolon-Protokoll“ bei: Clark, in: Ginsburgs/Kudriavtsev, Nuremberg Trials, S. 190 ff. 417 Bassiouni, CJTL 31, 1994, S. 463; Clark, in: Ginsburgs/Kudriavtsev, Nuremberg Trials, S. 195 f.; Khushalani, Dignity, S. 17 f.; Schwelb, BYBIL 23, 1946, S. 206; IMTDOC, Vol. I, S. 254. 418 Der französische Anklagevertreter: „Ich glaube, dass die Gesamtheit der Verbrechen gegen die Menschlichkeit tatsächlich nichts anderes darstellt, als die aus politischen Gründen erfolgte und systematische Begehung von Verbrechen des ordentlichen Strafrechts, wie Diebstahl, Plünderung, Misshandlung, Versklavung, Mord und Totschlag, Verbrechen, die vom Strafgesetz aller zivilisierten Staaten als solche angesehen und bestraft werden.“ Nürnberg, Bd. V, S. 419; siehe auch: Nürnberg, Bd. III. S. 108 (Englischer Anklagevertreter); Ohlendorf-Urteil, S. 6986; RuSHA-Urteil, S. 5121; Das II. Generals-Urteil, S. 9934 dagegen begründete seine Verurteilung auf Naturrecht.

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gemeinen Rechtsgrundsatz. Es habe sich somit bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht um eine neue, rückwirkende Vorschrift gehandelt.419 Wenn zusammengefasst Verbrechen gegen die Menschlichkeit nichts anderes sind als eine „Analogie zu den Kriegsverbrechen“ und eine Verletzung allgemeiner Rechtsgrundsätze420, und Vergewaltigung sowohl nach dem allgemeinem Kriegsrecht als auch nach den meisten staatlichen Rechtsordnungen ein Verbrechen war, erscheint überzeugend anzunehmen, dass die Verfasser des Statuts auch die Vergewaltigung als eine mögliche Tathandlung des Art. 6 c) im Sinn gehabt hatten. In dem Tatbestand findet man eine abschließende Aufzählung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit.421 Dabei ist eine Zweiteilung der Verbrechensliste in einen „Mordtyp“ und einen „Verfolgungstyp“ zu erkennen.422 Dem „Mordtyp“ gehört die vage Tatumschreibung „andere unmenschliche Handlungen“ an, unter die die Vergewaltigung vom Wortlaut her fallen könnte. Der Begriff gibt der Vorschrift die Flexibilität, auch nicht ausdrücklich genannte Handlungen unter die Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu subsumieren.423 Näher bestimmt wird dieser Begriff durch die konkreteren Tatbestandsalternativen Mord, Ausrottung, Versklavung und Deportation.424 Denn aus dem Wort „andere“ geht eindeutig 419 Bassiouni, Crimes against Humanity, S. 263–287; Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 299 f.; Jescheck/Weigend, AT, S. 120; Clark, in: Ginsburgs/Kudriavtsev, Nuremberg Trials, S. 193; Askin, War Crimes against Women, S. 142; Khushalani, Dignity, S. 17. Soweit die Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Strafbestimmungen des staatlichen Strafrechts übereinstimmten, kann nicht von einem Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot und damit gegen das Völkerrecht ausgegangen werden. Problematisch ist aber die Tathandlung der Verfolgung, die als solche nicht im nationalen Strafrecht existierte. 420 Bassiouni, CJTL 31, 1994, S. 461; Bassiouni, Crimes against Humanity, S. 147– 191, 263–287; Clark, in: Ginsburgs/Kudriavtsev, Nuremberg Trials, S. 198. 421 Im Gegensatz zu den Kriegsverbrechen, deren Verbrechensliste mit dem Zusatz versehen wurde „ohne jedoch darauf beschränkt zu sein“, enthält der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit diesen Zusatz nicht, sondern das Wort „nämlich“, was nicht anders verstanden werden kann, als dass mögliche Tathandlungen nur die Genannten sein sollten. 422 Schwelb, BYBIL 23, 1946, S. 178, 190; siehe auch: UNWCC, 1948, S. 179; Khushalani, Dignity, S. 16; Boot, Nullum Crimen, S. 187 f. Aus dem Verfolgungstyp hat sich später der Straftatbestand des Völkermords entwickelt. Das Gericht wandte den Verfolgungstatbestand bei diskriminierenden Gesetzen, Eigentumsbeschlagnahmen, Ausschlüssen von wirtschaftlichen und politischen Positionen, Rassentrennungen in Ghettos und Hetzpropaganda an. Siehe die Ausführungen bei: Khushalani, Dignity, S. 17, Fn. 38 m.N. der Urteilspassagen. 423 Khushalani, Dignity, S. 16, meint deshalb, dass die Verbrechensliste wegen des weiten Begriffs „andere unmenschliche Behandlungen“ nicht als abschließend zu betrachten sei. 424 Klug, in: Hirsch/Paech/Stuby, Politik, S. 181, 184 f.; vgl. auch Ahlbrecht, Geschichte, S. 86, der keinen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz erkennt, sondern darauf hinweist, dass es einer Gesetzestechnik entspricht, sich eines normativen Tatbestandsmerkmals zu bedienen, welches durch weitere Tatbeispiele konkretisiert wird.

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hervor, dass diese zuvor genannten, konkreteren Tatbestandsalternativen von den Verfassern als unmenschliche Handlungen verstanden wurden. Diese Straftaten erfassen schwerwiegendste Angriffe gegen das Leben, die Körperintegrität und die Freiheit einer Zivilbevölkerung, so dass eine Handlung nur dann als unmenschlich qualifiziert werden kann, wenn sie einen ebenso schweren Eingriff in die höchsten Rechtsgüter einer Zivilperson mit sich bringt.425 Die vernichtenden Auswirkungen der Vergewaltigung auf das Opfer sind bekannt. Sie bedeutet einen schweren Eingriff in die Körperintegrität und Willensfreiheit des Opfers. Es erscheint daher unproblematisch, Vergewaltigung als eine unmenschliche Handlung zu bezeichnen, zumal diese Interpretation durch das obige Argument bestätigt wird, dass die Vergewaltigung in den meisten Rechtsordnungen als eines der schwersten Verbrechen neben Mord und Totschlag behandelt und bereits als eine Tathandlung der Kriegsverbrechen angesehen wurde.426 Damit ist die Vergewaltigung implizit als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Art. 6 c) des Nürnberger Statuts verboten. Die individuelle Strafbarkeit ergibt sich aus den Art. 6, 7 und 8 des Statuts. Art. 6 sieht ausdrücklich vor, dass Einzelpersonen, die eines der drei genannten Verbrechen begangen haben, zu bestrafen sind. Satz 3 betont, dass der Täter solcher Verbrechen persönlich verantwortlich ist. Das Statut hebt auch hervor, dass die innerstaatliche Legalität eines Verbrechens der völkerrechtlichen Strafbarkeit nicht entgegensteht („unabhängig davon, ob die Handlung gegen das Recht des Landes verstieß“). Damit wird klargestellt, dass sich die Strafbarkeit aus Völkerrecht ergibt und dass dieses Vorrang vor dem staatlichen Recht hat. Art. 7 und 8, die Strafausschließungsgründe betreffen, bringen ebenfalls die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Individuen zum Ausdruck. Art. 7 schließt die Verteidigung mit der „Act-of-State-Doctrine“ (Verbot der Überprüfung hoheitlicher Akte eines souveränen Staates durch ausländische Gerichte) aus. Da diese Doktrin auf dem Gedanken basierte, dass eine Einzelperson nicht verantwortlich gemacht werden kann, wenn sie als ein Repräsentant eines Staats gehandelt hat, sondern allein der Staat zur Rechenschaft gezogen werden kann, impliziert der Ausschluss dieser Verteidigung, dass Individuen für ihr Handeln strafrechtlich verantwortlich sind. Nach Art. 8 kann die Verantwortlichkeit des Einzelnen nicht auf einen Vorgesetzten und damit indirekt auf den Staat abgewälzt werden.427 425 Khushalani, Dignity, S. 16, 20 geht davon aus, dass Folter, schwere Körperverletzung, biologische Experimente, sexuelle oder andere Erniedrigungen und Aushungern unter diese Kategorie „unmenschliche Handlungen“ fallen. 426 Siehe im Ergebnis auch: Khushalani, Dignity, S. 20; Askin, War Crimes against Women, S. 142, 163; Bassiouni, Crimes Against Humanity, S. 246. 427 Der Ausschluss dieser beiden Verteidigungsvorbringen im Statut wurde zwar von der Verteidigung im Prozess angegriffen. Die Angeklagten hätten im Namen des Staates gehandelt; es hätte eine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit im Völkerrecht gar nicht gegeben. Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen. Bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts waren Individuen für Kriegsverbrechen verurteilt worden. Seit dem Ver-

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bb) Kontrollratsgesetz Nr. 10 von 1945 Am 20.12.1945 erließ der Kontrollrat für Deutschland, bestehend aus den vier Besatzungsmächten USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion, das Kontrollratsgesetz Nr. 10 (KRG 10) zur Verurteilung deutscher Kriegsverbrecher in den von ihnen besetzten Zonen.428 Mit diesem Gesetz kamen die Alliierten den Forderungen der Moskauer Erklärung vom 30.10.1943 und dem Londoner Abkommen vom 08.08.1945 nach, die Zuständigkeit, das Verfahren und das materielle Recht für die Nürnberger Nachfolgeprozesse innerhalb Deutschlands zu schaffen.429 Ziel war es eine einheitliche Aburteilung der deutschen Kriegsverbrecher in den vier besetzten Zonen sicherzustellen.430 Die Siegermächte transsailler Vertrag ist eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung kaum mehr zu bestreiten. Die im Statut erklärte individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit stand dem geltenden Völkerrecht nicht entgegen. Allerdings kann dies für die Untersuchung dahinstehen, weil sich die Untersuchung nur damit beschäftigt, den heutigen und nicht den damaligen Stand des Völkergewohnheitsrechts darzulegen. Entscheidend ist, dass die individuelle Strafbarkeit im Statut festgelegt worden war. Vgl. zur individuellen Verantwortlichkeit in der Literatur: Wright, AJIL 39, 1945, S. 264 ff.; Wright, AJIL 41, 1947, S. 70 f.; Finch, AJIL 41, 1947, S. 20 f.; Woeltzel, The Nuremberg Trials, S. 68 ff.; Grewe, Nürnberg als Rechtsfrage, S. 22; Ahlbrecht, Geschichte, S. 79; Ambos, AT, S. 83. 428 Abgedr. in: Heinze/Schilling, Rechtsprechung, Anhang III, 20, S. 323; Brandl, Besatzungsrecht, S. 524; auszugsweise in: Ambos, AT, Anhang B II, S. 887. 429 Siehe speziell Art. 1–6 des Londoner Abkommens: Darin wurde festgelegt, die Hauptkriegsverbrecher, deren Verbrechen kein geographisch bestimmbarer Tatort zugrunde lag, in einem von den Alliierten gemeinsam durchgeführten Prozess (IMG Nürnberg) zu verurteilen; allen weiteren deutschen Kriegsverbrechern, denen ein Tatort in Deutschland nachzuweisen war, sollte der Prozess vor Militärgerichten der jeweiligen Besatzungszone gemacht werden. Kriegsverbrecher, die wiederum Verbrechen außerhalb von Deutschland begangen hatten, konnten von dem betroffenen Land nach dem Territorialitätsprinzip vor dessen (Militär-)Gerichten verurteilt werden. Siehe auch: Ahlbrecht, Geschichte, S. 67 f.; Boot, Nullum Crimen, S. 201 f. 430 Vgl. Präambel des KRG 10. Es wurden zahlreiche nationale Strafverfahren gegen Naziverbrecher eingeleitet. Der amerikanische Militärgerichtshof in Nürnberg führte 12 Prozesse (sog. Nürnberger Nachfolgeprozesse) durch, weitere Prozesse fanden vor anderen amerikanischen Militärgerichten statt; britische Militärgerichte verurteilten deutsche Kriegsverbrecher nicht nur in ihrer Besatzungszone, sondern auch im Ausland; französische Militärgerichte verurteilten Deutsche durch die Besatzungsgerichte in Deutschland sowie Deutsche und Anhänger des Vichy-Regimes durch Militärgerichte in Frankreich und Nordafrika; die sowjetischen Militärgerichte führten bereits Prozesse seit 1943 in der Sowjetunion und später dann in der sowjetischen Besatzungszone durch. Den deutschen Gerichten wurde teilweise die Strafverfolgung nach KRG 10 übertragen. 1952 gestatteten die drei Westalliierten Deutschland das KRG 10 für unwirksam zu erklären. Die deutschen Gerichte urteilten dann wieder auf der Grundlage deutschen Strafrechts. Vgl. zu den Nachfolgeprozessen: Rückerl, Strafverfolgung, S. 28 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 98 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 36 ff.; Lippman, IICLR 3, 1992, S. 1 ff.; Cryer, ICL, S. 100. Es gelang dem KRG 10 jedoch nicht eine einheitliche Rechtsprechung zu kreieren. Das britische Besatzungsgericht beschäftigte sich nicht mit dem Verbrechen gegen den Frieden. Die Franzosen waren nur an deutschen Verbrechen in Frankreich an ihren eigenen Staatsangehörigen interessiert und verurteilten eher auf der Grundlage französischen als internationalen Rechts. Die Sowjetunion ließ nur vereinzelt

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formierten daher die materiellen Bestimmungen des IMG-Statuts in das KRG 10 und verbesserten es an einigen Stellen.431 Da die vier Besatzungsmächte die Regierungsgewalt für Deutschland ausübten, als sie das Gesetz beschlossen, handelte es sich nicht wie bei dem Nürnberger Statut um einen völkerrechtlichen Vertrag, sondern um reines Besatzungsrecht.432 Besatzungsrecht ist letztlich staatliches Recht, also eine Handlung der Exekutive der vier Besatzungsmächte, welche aufgrund der Übernahme der Straftatbestände des IMG-Statuts einen völkerrechtlichen Bezug aufweist. Das KRG Nr. 10 bestand aus fünf Artikeln. Art. 2 enthielt die Straftatbestände: (1) Jeder der folgenden Tatbestände stellt ein Verbrechen dar: a) Verbrechen gegen den Frieden. . . . b) Kriegsverbrechen. Gewalttaten oder Vergehen gegen Leib, Leben oder Eigentum, begangen unter Verletzung der Kriegsgesetze oder -gebräuche einschließlich der folgenden den obigen Tatbestand jedoch nicht erschöpfenden Beispiele: Mord, Misshandlung der Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete oder ihre Verschleppung zur Zwangsarbeit oder zu anderen Zwecken; Mord oder Misshandlung von Kriegsgefangenen oder Personen auf hoher See, Tötung von Geiseln; Plünderung von öffentlichen oder privatem Eigentum; mutwillige Zerstörung von Stadt oder Land; oder Verwüstungen, die nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt sind. c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Gewalttaten und Vergehen, einschließlich der folgenden, den obigen Tatbestand jedoch nicht erschöpfenden Beispiele: Mord, Ausrottung, Versklavung, Zwangsverschleppung, Freiheitsberaubung, Folterung, Vergewaltigung oder andere an der Zivilbevölkerung begangene unmenschliche Handlungen; Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, ohne Rücksicht darauf, ob sie das nationale Recht des Landes, in welche, die Handlung begangen worden ist, verletzten. ... (4) a) Die Tatsache, dass jemand eine amtliche Stellung eingenommen hat, sei es die eines Staatsoberhauptes oder eines verantwortlichen Regierungsbeamten, Informationen zu Kriegsverbrechen an die Öffentlichkeit kommen. Vgl. dazu: Ferencz, ICC I, S. 489; Askin, War Crimes Against Women, S. 123. 431 Vgl. Khushalani, Dignity, S. 27; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 34. 432 Jescheck, Verantwortlichkeit, S. 178, bewertet die Straftatbestände des KRG als eine Rezeption der Straftatbestände des IMT-Statuts in allgemeines Besatzungsrecht. Er weist auf Art. 1 S. 2 hin, wonach die später dem IMG-Statut beigetretenen 19 Staaten von einer Teilnahme an den Prozessen nach KRG ausgeschlossen worden waren. Für eine solche Übertragung der Nürnberger Straftatbestände in Besatzungsrecht spricht ferner, dass Art. 1 die Moskauer Erklärung vom 30.10.1943 und das Londoner Abkommen vom 08.08.1945 (und damit auch das IMG-Statut) zum Bestandteil des KRG Nr. 10 machte. Vgl. dazu auch: Schwelb, BYBIL 23, 1946, S. 218; Khushalani, Dignity, S. 24 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 96 f.; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 136.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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befreit ihn nicht von der Verantwortlichkeit für ein Verbrechen und ist kein Strafmilderungsgrund. b) Die Tatsache, dass jemand unter dem Befehl seiner Regierung oder eines Vorgesetzten gehandelt hat, befreit ihn nicht von der Verantwortlichkeit für ein Verbrechen, sie kann aber als strafmildernd berücksichtigt werden. ...

Zwei Verbesserungen sind beim Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu bemerken: zum einen hob das KRG 10 die Verbindung des Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu den Kriegsverbrechen wie sie noch nach dem IMG-Statut vorausgesetzt worden war, auf.433 Der Tatbestand konnte unabhängig vom Verbrechen gegen den Frieden und vom Kriegsverbrechen verfolgt werden. Zum anderen wurden den Tathandlungen in den Verbrechen gegen die Menschlichkeit drei weitere Beispiele unmenschlicher Handlungen hinzugefügt: Freiheitsberaubung, Folter und Vergewaltigung. Die Vergewaltigung wurde hier also zum ersten Mal ausdrücklich als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet. Dies bestätigt die Annahme, dass Vergewaltigung auch bereits im IMG-Statut als unmenschliche Handlung enthalten war.434 Denn wenn die materiellen Bestimmungen des IMG-Statuts in das KRG transformiert wurden, kann die Hinzufügung der weiteren Beispiele nur als Auslegungshilfe zu dem bereits im IMG-Statut verwendeten Begriff „unmenschliche Handlungen“ bewertet werden. Demnach ist die Vergewaltigung nicht als neue Tathandlungsalternative im KRG 10 hinzukommen, sondern das IMG-Statut hatte lediglich auf eine ausdrückliche Aufzählung dieser Tathandlung verzichtet. Der Tatbestand der Kriegsverbrechen wurde im KRG 10 gegenüber dem Nürnberger Statut kaum verändert. Er basierte wie zuvor auf der allgemeinen Definition der „Verletzung der Kriegsgesetze und -gebräuche“. Allerdings wurden diesmal die nach dieser Vorschrift zu schützenden Rechtsgüter „Leib, Leben und Eigentum“ ausdrücklich genannt. Dies unterstützt die obige Auslegung des Nürnberger Tatbestands der Kriegsverbrechen, wonach die Vergewaltigung von Zivilisten oder Kriegsgefangenen ein Kriegsverbrechen darstellt. Die Vergewaltigung war somit als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen nach dem KRG 10 verboten. Ebenso wie im Nürnberger Statut tritt die Strafbarkeit der Vergewaltigung nach dem KRG 10 klar ans Licht. Das gesamte Gesetz diente der Bestrafung der deut433 KRG 10 enthält nicht mehr wie das IMG-Statut den Zusatz „in Ausführung eines Verbrechens oder in Verbindung mit einem Verbrechen, für das der Gerichtshof zuständig ist“. Vgl. dazu: Bassiouni, Crimes against Humanity, S. 125, 186; Khushalani, Dignity, S. 24; Askin, War Crimes Against Women, S. 125; Boot, Nullum Crimen, S. 204 f. m.w. N.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 35. 434 Bassiouni, Crimes against Humanity, S. 125, 186, äußerte die gleiche Ansicht, dass sowohl im Nürnberger als auch im Tokioter Statut die Tat der Vergewaltigung impliziert gewesen sei.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

schen Verbrecher für die aufgelisteten Verbrechen. Die drei Tatbestände wurden in Art. 2 Abs. 1 als Verbrechen bezeichnet. Art. 2 Abs. 4 erfasst die gleichen Strafausschließungsgründe wie Art. 7 und 8 IMG-Statut. Die Vergewaltigung war nach KRG 10 rechtswidrig und strafbar. cc) Statut des Internationalen Militärgerichtshofs für den Fernen Osten, Tokio von 1946 Anders als das Nürnberger Militärgericht, welches auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruhte, wurde der Internationale Militärgerichtshof für den Fernen Osten durch den amerikanischen Oberbefehlshaber der Alliierten Kräfte, General MacArthur, durch Proklamation vom 19.01.1946 einberufen.435 Der Proklamation war das Statut für die Gerichtsverfahren gegen japanische Hauptkriegsverbrecher beigefügt.436 Als weitere Rechtsgrundlagen für die Einberufung des Gerichts wurden die Potsdamer und Moskauer Erklärungen sowie die Kapitulationsurkunde Japans angeführt. Diese der Proklamation vorausgegangenen völkerrechtlichen Instrumente helfen jedoch nicht darüber hinweg, dass das hier interessierende materielle Recht des IMGFO-Statuts letztlich durch einen völkerrechtlich schwer einzuordnenden, einseitigen Akt eines militärischen Oberbefehlshabers geschaffen wurde.437 435 „Proclamation by the Supreme Commander for the Allied Powers“ vom 19.01.1946 in Tokio, abgedr. in: Pritchard/Zaide, The Tokyo War Crimes Trial, Vol. I, Pre-Trial Documents; Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. III, Annex No. A-4; Bassiouni, Crimes against Humanity, S. 604. 436 „Charter of the International Military Tribunal for the Far East“ vom 19.01.1946 in Tokio, abgedr. in: Pritchard/Zaide, The Tokyo War Crimes Trial, Vol. I, Pre-Trail Documents, Anhang IV; Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. III, Annex No. A-5; Ahlbrecht, Geschichte, Anhang IV, S. 407; auszugsweise in: Ambos, AT, Anhang B III, S. 889. 437 MacArthur berief sich zur Einsetzung des Gerichtshofs sowie zur Schaffung der notwendigen Vorschriften zur Verurteilung der japanischen Kriegsverbrecher auf die Kapitulationsurkunde Japans, die Kairoer, Potsdamer und Moskauer Erklärungen (vgl. Präambel der Proklamation). In der Kairoer Erklärung vom 01.12.1943 beschlossen die Staatsoberhäupter der USA, Großbritanniens und Chinas den Kampf gegen Japan zu führen, um u. a. die Aggression Japans zu bestrafen. Die Potsdamer Erklärung vom 26.07.1945 enthielt die von den Alliierten ausgearbeiteten Kapitulationsbedingungen. Ziffer 10 der Potsdamer Erklärung forderte die Bestrafung der japanischen Kriegsverbrecher durch die Siegermächte. Japan nahm die Bedingungen mit der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde am 02.09.1945 zugunsten neun Alliierter Mächte, also in Form eines völkerrechtlichen Vertrags, an. In der Moskauer Erklärung vom 26.12.1945 einigten sich die Alliierten Mächte – USA, Großbritannien und UDSSR – dem Oberbefehlshaber die Aufgabe zu übertragen, die Kapitulationsbedingungen Japans durchzusetzen. (Die Erklärungen sind wiedergegeben in: Pritchard/Zaide, The Tokyo War Crimes Trial, Vol. XX; Jahrbuch für internationales und öffentliches Recht, Bd. II/III, S. 428 f. und 424 f.; Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. 19 f und Vol. III, Annex No. A-1, A-2). Daraus schloss MacArthur, dass er auch berechtigt gewesen sei, die Strafverfolgung der japanischen

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Das Tokioter Statut kopiert bis auf kleine Abweichungen seinen Vorgänger, das Nürnberger Statut. Besonders die materiellen Vorschriften stimmen fast wörtlich überein. Art. 5, der die sachliche Zuständigkeit des Gerichts begründet, wiederholt im Grunde Art. 6 des Nürnberger Statuts: The Tribunal shall have the power to try and punish Far Eastern war criminals who as individuals as members of organisations are charged with offences which include Crimes against Peace. The following acts, or any of them are crimes coming within the jurisdiction of the Tribunal for which there shall be individual responsibility: (a) Crimes against Peace: . . . (b) Conventional War Crimes: Namely, violations of the laws of customs of war (c) Crimes against Humanity: Namely, murder extermination, enslavement, deportation, and other inhumane acts committed before or during the war, or persecution on political or racial grounds in execution of or in connection with any crime within the jurisdiction of the Tribunal, whether or not in violation of the domestic law of the formulation or execution of a common plan or conspiracy to commit any of the foregoing crimes are responsible for all acts performed by any person in execution of such plan.

Die Unterschiede gegenüber Art. 6 IMG-Statut sind geringfügig. So wurde bei den Kriegsverbrechen in Art. 5 b) auf eine Aufzählung von einzelnen Beispielen verzichtet. Es erschien eindeutig, nachdem die Prozesse in Nürnberg vor dem IMG angelaufen waren, was unter Kriegsverbrechen zu verstehen war.438 HinKriegsverbrecher, die Teil der Kapitulationsbedingungen war, sicherzustellen, wozu seiner Meinung nach die Einsetzung des Gerichtshofes samt der anzuwendenden Vorschriften gehörte. Selbst wenn Japan der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit über seine Staatsangehörigen in der Kapitulationsurkunde zugestimmt hatte, kann darin aber nicht die völkervertragliche Begründung der Strafgerichtsbarkeit bzw. der anzuwendenden Vorschriften gesehen werden. Der Gerichtshof und das dazugehörige Statut wurden erst durch einen völkerrechtlich dubiosen, einseitigen Akt des Oberbefehlshabers verfügt. Dubios war der Vorgang deshalb, weil es einem militärischen Oberbefehlshaber nicht zustand, völkerrechtliche Verbindlichkeiten zu beschließen, auch nicht im Auftrag von Staaten. Das Völkerrecht verlangt, dass rechtlich verbindliche Erklärungen und Handlungen von Völkerrechtsubjekten getroffen werden, also von legitimierten Staatsorganen. Es hätte noch eines völkerrechtlich verbindlichen Einsetzungsaktes des Gerichtshofs und des Statuts durch die daran interessierten Staaten bedurft. Da dieser fehlte, war die Einsetzung des IMTFO mit dem Statut durch einen militärischen Oberbefehlshaber formell völkerrechtswidrig. Vgl. dazu: Ipsen, Tokyo Trial, S. 505 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 104 f.; a. A.: Hoffmann, Strafrechtliche Verantwortung, S. 164 f., der die Rechtsgrundlage für das IMTFO-Statut aus der Kapitulationsurkunde, den Potsdamer und Moskauer Erklärungen herleitet und damit dem Völkervertragsrecht zurechnet. Auch sah das Gericht keine Probleme die Rechtsgrundlage der Strafgerichtsbarkeit samt anzuwendenden Rechts aus diesen Erklärungen zu entnehmen: Urteil des IMGFO in: Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. 19 f.; siehe auch: Boot, Nullum Crimen, S. 196 438 History and Analysis, UN-DOC. A/CN. 4/5, 1949, S. 81; Ahlbrecht, Geschichte, S. 107. Allerdings bestand für Japan der Unterschied zu Deutschland, dass Japan weder die IV. Haager Konvention von 1907 noch die Genfer Kriegsgefangenenkonvention von

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

sichtlich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde in Art. 5 c) auf die Verfolgung aus „religiösen Gründen“ verzichtet. Sie hatte bereits vor dem IMG Nürnberg keine Rolle gespielt, und es konnte ihr auch vor dem IMGFO keine Bedeutung zukommen, weil eine derartige Verfolgung im asiatischen Raum nicht stattgefunden hatte. Ferner wurde in Art. 5 c) nicht mehr vorausgesetzt, dass die unmenschlichen Handlungen „an irgendeiner Zivilbevölkerung“ begangen werden mussten. Das Weglassen dieses Elements kann nur bedeuten, dass der Schutzbereich der Vorschrift erweitert werden sollte. Da Art. 6 c) IMG-Statuts bereits alle Zivilisten unter Schutz stellte, muss sich die Erweiterung des Schutzbereichs auf Militärangehörige bezogen haben. Damit konnten die Verbrechen nach Art. 5 c) an jedem Menschen begangen werden.439 Hinzu kam, dass es nicht zu Verbrechen von Japanern an anderen Japanern gekommen war, so dass es für das Tokioter Statut nicht von so großer Wichtigkeit war, den Schutz der Zivilbevölkerung vor der eigenen Regierung zum Ausdruck zu bringen. All diese Abweichung des Art. 5 IMGFO-Statut gegenüber dem Art. 6 IMGStatut haben aber letztlich auf die Frage, ob die Vergewaltigung als Tathandlung in die Vorschrift integriert ist, keine Auswirkung. Entweder führen die erwähnten Unterschiede zu keiner anderen Betrachtungsweise der einzelnen Tathandlungen oder sie beziehen sich erst gar nicht auf diese, sondern allein auf die Tatbestandselemente der Rahmenverbrechen. Man kann daher sagen, dass die Tathandlungen der Kriegsverbrechen in Art. 5 b) und 5 c) IMGFO-Statut mit den entsprechenden Tathandlungen des Art. 6 IMG-Statut identisch sind. Bestätigt wird diese Auslegung durch die Rechtsprechung des IMGFO. Mindestens vier Angeklagte (Matsui, Hirota, Hata und Koiso) wurden aufgrund von Vergewaltigungen in Nanking und anderen Orten wegen Kriegsverbrechen verurteilt.440 Die Strafbarkeit der verbotenen Vergewaltigung lässt sich aus Art. 5 Satz 1 und 2 entnehmen. Es wurde darin die Strafverfolgung von Individuen für die aufgeführten Tathandlungen angeordnet sowie betont, dass diese Taten Verbrechen sind und eine individuelle Verantwortlichkeit nach sich ziehen. Art. 6 entsprach

1928 ratifiziert hatte. Insoweit galten die Verletzungen der HLKO und der Genfer Konvention nicht aufgrund des Vertragsrechts als Kriegsverbrechen, sondern wegen des Rückwirkungsverbots aufgrund gewohnheitsrechtlicher Anerkennung. 439 Es sollte die Möglichkeit geschaffen werden, auch die zahlreichen Tötungen von Soldaten in einem von Japan rechtswidrig geführten Krieg zu bestrafen. Eine entsprechende Anklage wurde in den Punkten 37–38 erhoben. Das Gericht lehnte aber diese Anklagepunkte mit der Begründung ab, dass die Tötungen im Widerspruch zum Kriegsrecht stehen müssten, um sie für strafbar zu erklären; es sei nicht ausreichend, dass der Krieg rechtswidrig gewesen sei. Selbst in einem rechtswidrigen Krieg sei der Soldat noch privilegiert. Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. XII; Röling/Cassese, The Toyo Trial, S. 3; Askin, War Crimes against Women, S. 166, 186; Boot, Nullum Crimen, S. 198; Ahlbrecht, Geschichte, S. 108. 440 Siehe unten die Gerichtsentscheidung des IMGFO m.w. N.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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den Art. 7 und 8 des Nürnberger Statuts und ließ weder die „Act-of-State-Doctrine“ noch das Handeln auf Befehl als Strafausschließungsgründe zu.441 dd) Statut des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien von 1993 Am 25.05.1993 setzte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durch die Resolution 827 einen Internationalen Strafgerichtshof „zur Verfolgung der Verantwortlichen für die seit 1991 im Hoheitsgebiet des ehemaligen Jugoslawien begangenen schweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht“ ein. Der Resolution war das Statut für den Internationalen Strafgerichtshof (JStGH-Statut) beigefügt.442 Der Sicherheitsrat stützte sein Vorgehen auf Art. 41 des Kapitels VII der VN-Charta.443 Die Errichtung des Strafgerichtshofs sollte potentielle Täter an 441

Ambos, AT, S. 132. Resolution 827 vom 25.5.1993, UN-DOC. S/Res/827, Übersetzung in: BT-Drs. 13/57 vom 29.11.1994; das Statut ist ferner abgedr. in: Fischer/Lüder, Völkerrechtliche Verbrechen, S. 221; Roggemann, Strafgerichtshöfe, S. 243; in englischer Fassung: Ahlbrecht, Geschichte, Anhang V, S. 411; Ambos, AT, Anhang B VII, S. 893; einsehbar unter: www.un.org/icty/basic.htm. Der Resolution 827 waren zahlreiche Resolutionen des Sicherheitsrats vorausgegangen, welche die Kriegsparteien im ehemaligen Jugoslawien zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts aufforderten und strafrechtliche Konsequenzen bei Verstößen androhten. Es wurde vom Sicherheitsrat eigens eine Expertenkommission eingerichtet, um die aufgekommenen Vorwürfe von Massenvergewaltigungen, Massakern und „ethnischer Säuberung“ zu ermitteln. Nach der Bestätigung der Expertenkommission (Bassiouni, RIDP 66, 1995, S. 203), dass schwerste Menschrechtsverletzungen stattgefunden hatten, stellte der Sicherheitsrat in der Resolution 808 vom 22.02.1993, UN-DOC. S/ Res/808, die Bedrohung des internationalen Friedens fest und ermächtigte den Generalsekretär konkrete Vorschläge zu einer Strafverfolgung der Verantwortlichen zu machen. Der Generalsekretär Boutros-Ghali legte am 03.05.1993 seinen Bericht vor, in dem er ein Statut zu einem Internationalen Strafgerichtshof ausgearbeitet hatte und seine Kompetenz zur Errichtung eines Strafgerichtshofs aus Kapitel VII VN-Charta herleitete. Bericht des Generalsekretärs vom 03.05.1993, UN-DOC. S/25704, abgedr. in: Roggemann, Strafgerichtshöfe, S. 217–243. Einen Überblick zur Entstehung des JStGH bieten: Roggemann, Strafgerichtshöfe, S. 109 ff.; Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 199 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 233 ff.; Boot, Nullum Crimen, S. 223 ff.; Obote-Odora, The Judging of War Criminals, S. 219–222; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 44 ff.; O’Brien, AJIL 87, 1993, S. 639 ff.; Getti/Lescure, RIDP 1996, S. 233 ff.; Koschorreck/Müller, GYIL 39, 1996, S. 409 ff.; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 93 ff.; Bantekas/Nash, ICL, S. 513 ff.; Cryer, ICL, S. 102 ff. Zur geschichtlichen Entwicklung des Balkankrieges bieten sich u. a. an: Roggemann, Strafgerichtshöfe, S. 97 ff.; Roggemann, NJW 1994, S. 1437 ff.; Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 5 ff.; Obote-Odora, The Judging of War Criminals, S. 215–219. 443 Eine Resolution des Sicherheitsrates als Rechtsgrundlage für die Einsetzung eines Internationalen Strafgerichtshofs ist nicht ganz unstreitig in der Literatur und von den Staaten aufgenommen worden. Die Art. 39–51 der VN-Charta regeln das friedenssichernde Interventionsrecht der Vereinten Nationen bei bewaffneten Konflikten eher lückenhaft. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Kapitel VII ist, dass gemäß Art. 39 eine Friedensbedrohung vorliegt. Der Sicherheitsrat bejahte eine Friedensbedrohung aufgrund der Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch Einzelpersonen 442

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

weiteren Verletzungen des humanitären Völkerrechts hindern, welche als Friedensbedrohung bezeichnet wurden. Gleichzeitig sollte der Gerichtshof die begangenen Verbrechen sühnen, um so den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und auf lange Sicht aufrecht zu erhalten.444 Der Gerichtshof wurde als Nebenorgan („subsidiary organ“) des Sicherheitsrates gemäß Art. 29 und Art. 7 Abs. II VN-Charta konzipiert445 und erhielt seinen Sitz in Den der Konfliktsparteien. Art. 41 sieht sodann vor, dass der Sicherheitsrat jede Maßnahme außer Waffengewalt einsetzen kann, um den Weltfrieden wieder herzustellen oder zu wahren. Explizit genannt, aber nicht abschließend sind wirtschaftliche Sanktionen und der Abbruch diplomatischer Beziehungen. Als „ultima ratio“ ermöglicht Art. 42 dem Sicherheitsrat auch militärische Maßnahmen durchzuführen. Damit wurde dem Sicherheitsrat ein weiter Ermessenspielraum zur Friedenssicherung eingeräumt. Da dem Sicherheitsrat sogar ein militärisches Interventionsrecht zugebilligt wird, sollte ein milderes Mittel, die juristische Intervention, nicht verweigert werden, zumal alle herkömmlichen Maßnahmen bereits gescheitert waren. Die juristisch zufriedenstellendste Behandlung der Streitfrage zur Rechtmäßigkeit der Errichtung des JStGH findet sich in: Heintschel von Heinegg, in: Fischer/Lüder, Völkerrechtliche Verbrechen, S. 63–86 und Hollweg, VN 9, 1994, S. 110–122. Siehe ferner: Heintschel von Heinegg, HuV 1996, S. 77 ff.; Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 237–263; Ahlbrecht, Geschichte, S. 240 ff.; Obote-Odora, The Judging of War Criminals, S. 222 ff.; Alvarez, EJIL 7, 1996, S. 245–264; Roggemann, Strafgerichtshöfe, 65, 80 f.; Roggemann, ZRP 1994, S. 299; Hollweg, JZ 1993, S. 980 ff.; Triffterer, ÖJZ 1994, S. 828 f.; Trautwein, ZRP 1995, S. 87; Oellers-Frahm, ZaöRV 54, 1994, S. 418; Getti/ Lescure, RIDP 1996, S. 235 ff.; O’Brien, AJIL 87, 1993, S. 642–644; Ambos, AT, S. 259 m.w. N.; Satzger, Internationales Strafrecht, § 12, Rn. 18 f.; Gerding, in: Kühne/ Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 255 ff.; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10. 1995, Para. 9 ff. (zur Zuständigkeit), 28 ff. (zur Rechtmäßigkeit). Die Strafkammer der ersten Instanz (Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 1 ff.) hatte sich für unzuständig erklärt, über diese Frage zu entscheiden. Zusammenfassung der Tadic´-Entscheidungen in: Koschorreck/Müller, GYIL 39, 1996, S. 422–425; siehe auch: Cryer, ICL, S. 105 ff. A. A.: Graefrath, NJ 1993, S. 433 ff.; Graefrath, in: Hankel/Stuby, Strafgerichte, S. 295. Er kritisiert vornehmlich, dass die VN keine Strafhoheit besitze und diese auch nicht von den Staaten übertragen bekommen hätte. Siehe ferner: Schmalenbach, AVR 36, 1998, S. 289; Partsch, VN 42, 1994, S. 11 ff. mit kritischen Stellungnahmen der Staatengemeinschaft. 444 Die juristische Maßnahme war durchaus geeignet, einen Beitrag zur Wiederherstellung des Weltfriedens beizutragen. Zuvor konnten die Kriegsverbrecher auf eine Straflosigkeit nach Kriegsende bauen. Es existierte weder eine internationale Strafverfolgungsinstanz, noch hatten sich staatliche Gerichte eines Drittstaates zu einer Strafverfolgung bereit erklärt. Die Errichtung des internationalen Tribunals bedeutete eine ernstzunehmende Strafandrohung für potentielle Täter, womit die Zwangsmaßnahme abschreckend wirkte. Die tatsächliche Bestrafung gibt dem Opfer die Möglichkeit Vergeltung und damit Gerechtigkeit zu erfahren. Nur ein Opfer, das sich gerecht behandelt fühlt, ist bereit, in eine versöhnliche Zukunft einzuwilligen. Gleichzeitig wird durch eine Sanktionierung des die Norm brechenden Verhaltens diese wieder hergestellt. Vgl. dazu: Trautwein, ZRP 1995, S. 87; Hollweg, VN 9, 1994, S. 114 f.; Hollweg, JZ 1993, S. 982; Triffterer, ÖJZ 1994, S. 828 f.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 242; Heintschel von Heinegg, in: Fischer/Lüder, Völkerrechtliche Verbrechen, S. 82; Gerding, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 256 ff. 445 Es ist dem Sicherheitsrat nach eigenem Ermessen gestattet, Nebenorgane zur Erledigung seiner Aufgaben einzuberufen. Als Nebenorgan des Sicherheitsrates ist das

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Haag. Damit basierte das Statut nicht auf einem völkerrechtlichen Vertrag, sondern auf einem Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen.446 Da dem VN-Sicherheitsrat aber nach einhelliger Auffassung keine Gesetzgebungskompetenz zusteht, ist Grundbedingung für die völkerrechtliche Rechtmäßigkeit des Statuts, dass es lediglich anerkanntes Völkergewohnheitsrecht wiedergibt und nicht neues Recht schafft.447 Dementsprechend verweist das Statut auf bestehendes materielles Völkergewohnheitsrecht und begründet keine neue Strafbarkeit, indem es die sachliche Zuständigkeit für vier Straftatbestände eröffnet: Art. 2 und 3 für Kriegsverbrechen, Art. 4 für Völkermord und Art. 5 für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Art. 2 gliedert die Strafbestimmungen der „schweren Verletzungen“ der vier Genfer Abkommen von 1949 in das JStGH-Statut ein: Der Internationale Strafgerichtshof ist befugt, Personen zu verfolgen, die schwere Verletzungen der Genfer Ankommen vom 12. August 1949 begehen oder anordnen, nämlich die folgenden Handlungen gegen Personen oder Sachen, die aufgrund des entsprechenden Genfer Abkommens geschützt sind: a) Vorsätzliche Tötung; b) Folter oder unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche; c) Vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit; Tribunal in seiner Finanzierung und Organisation abhängig von VN-Institutionen und Organen. Jedoch als unparteiisches Rechtsprechungsorgan musste dem Tribunal völlige Unabhängigkeit vom Sicherheitsrat und den Mitgliedern der VN zugestanden werden. Siehe dazu: Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 215 ff.; Roggemann, Strafgerichtshöfe, S. 65; Getti/Lescure, RIDP 1996, S. 241 f.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 239; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 45; Gerding, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 258. 446 Der Grund, aber nicht Rechtfertigung, für eine Maßnahme des Sicherheitsrates nach Kapitel VII war, dass Vertragsverhandlungen zu lange gedauert hätten. Um eine Eindämmung der schweren Menschenrechtsverletzungen während des noch andauernden Konflikts im früheren Jugoslawien zu erreichen, bedurfte es eines schnellen Eingreifens. Wahrscheinlich wäre es sowieso zu keinem Konsens der Staaten gekommen, weil bis dahin alle Bemühungen um einen Internationalen Strafgerichtshof gescheitert waren. Eine Resolution der Generalversammlung hätte ebenfalls zu langen Verhandlungen geführt. Vgl. dazu: Bericht des Generalsekretärs vom 03.05.1993, UN-DOC. S/ 25704, Para. 8. 447 Vgl. Bericht des Generalsekretärs vom 03.05.1993, UN-DOC. S/25704, Para. 29. Ferner hält der Generalsekretär in Para. 33–35 die Genfer Abkommen von 1949, die HLKO von 1907, die Völkermordkonvention und das IMG-Statut für unstreitiges Völkergewohnheitsrecht. Kritisch zur völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung des IMG-Statuts: Ahlbrecht, Geschichte, S. 246 sowie die Darstellung der Nürnberger Prinzipien, Fn. 336. Siehe auch: Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 252 ff., 297, 487 f.; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 81 f. Außerdem hätte der Sicherheitsrat neben seiner fehlenden Gesetzgebungskompetenz gegen das völkerrechtliche Rückwirkungsverbot verstoßen, wenn er neue Strafnormen ins Statut eingebracht hätte. Siehe dazu: Boot, Nullum Crimen, S. 225, 237; Bassiouni/ Manikas, ICTY, S. 226, 265 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 244; Satzger, Internationales Strafrecht, § 12, Rn. 25.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

d) Umfangreiche, durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigte Zerstörung und Aneignung von Eigentum, die rechtswidrig und willkürlich vorgenommen werden; e) Erzwungener Dienst eines Kriegsgefangenen oder einer Zivilperson in den Streitkräften einer feindlichen Macht; f) Vorsätzlicher Entzug des Rechts eines Kriegsgefangenen oder einer Zivilperson auf ein gerechtes und ordentliches Verfahren; g) Rechtswidrige Vertreibung oder Verbringung einer Zivilperson beziehungsweise rechtswidrige Freiheitsentziehung gegenüber einer solchen Person; h) Das Festnehmen von Zivilpersonen als Geiseln.

Aufgrund der Tatsache, dass die allen Genfer Konventionen zugrunde liegende Vorschrift der schweren Verletzungen (Art. 50 I., 51 II., 130 III., 147 IV.) nur kopiert wurde, kann davon ausgegangen werden, dass in Art. 2 JStGH-Statut dieselben Einzeltaten bzgl. des jeweils geschützten Personenkreises (des jeweiligen Art. 4 der GA) im internationalen Konflikt unter Strafe gestellt wurden. Da die obige Auslegung der schweren Verletzungen der Genfer Abkommen ergeben hatte, dass Vergewaltigung von den Begriffen „Folter, unmenschliche Behandlung, vorsätzliche Verursachung großer Leiden und schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit“ erfasst wird, ist Vergewaltigung als eine Tathandlung in Art. 2 JStGH-Statut normiert.448 Aufgrund der hohen Zahl der Vertragsstaaten (194) kommen den Genfer Abkommen gewohnheitsrechtliche Geltung zu, so dass weder das Rückwirkungsverbot verletzt, noch die Kompetenz des Sicherheitsrats überschritten wurde.449 Art. 3 JStGH-Statut eröffnet die Strafverfolgung für Kriegsverbrechen, die nicht bereits unter die schweren Verletzungen der Genfer Abkommen fallen: Der Internationale Strafgerichtshof ist befugt, Personen zu verfolgen, die gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges verstoßen. Solche Verstöße umfassen, ohne darauf beschränkt zu sein,

448 Zum gleichen Ergebnis kommen: Commission of Expert, Final Report, UN-DOC. S/1994/674, Para. 105; Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 564 ff.; Meron, AJIL 87, 1993, S. 426; Ahlbrecht, Geschichte, S. 248; Roggemann, ZRP 1994, S. 300; Hollweg, VN 9, 1994, S. 126; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 11-103–11-108; Schmidt am Busch, KJ 28, 1995, S. 4 f., die aber kritisch bemerkt, dass eine „einfache“ Vergewaltigung nicht von den schweren Verletzungen erfasst würde, weil eine Vergewaltigung nicht immer als Folter oder unmenschliche Behandlung angesehen werde. Meines Erachtens ist das nicht richtig, weil die „einfache“ Vergewaltigung dann immer noch eine Verursachung großer Leiden darstellen würden, wenn die Schmerzen und Leiden unterhalb der Schwelle der Folter liegen sollten (z. B. bei einer ohne körperlichen Zwang ausgeführten Vergewaltigung). So auch: Zahar/Sluiter, International Criminal Law, S. 125. 449 Stellvertretend für viele andere: Hollweg, VN 9, 1994, S. 126 mit Hinweis auf die GV-Resolution 39/77 vom 13.12.1984; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 161 m.w. N.; Kreß, JICJ 7, 2009, S. 793; Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 106 f.; siehe auch die Ausführungen oben: 3. Kapitel III. 1. a) bb).

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

153

a) Den Einsatz von Giftwaffen oder sonstigen Waffen, die unnötige Leiden verursachen sollen; b) Die mutwillige Zerstörung von Städten oder Dörfern oder durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigte Verwüstungen; c) Den Angriff auf unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnungen oder Gebäude oder deren Beschießung; d) Die Besetzung, Zerstörung oder mutwillige Beschädigung von Einrichtungen, die der Religion, der Wohltätigkeit und der Erziehung, den Künsten und Wissenschaften gewidmet sind, sowie von geschichtlichen Denkmälern oder werken der Kunst und Wissenschaft; e) Die Plünderung öffentlichen oder privaten Eigentums.

Die Liste der Verstöße gegen das Kriegsrecht bezieht sich auf Sachgüter und auf den Einsatz bestimmter Waffen.450 Daher ist es nicht denkbar, dass Vergewaltigung nach den explizit aufgeführten Einzeltaten verboten ist. Allerdings betont Art. 3 JStGH-Statut, dass die Liste der Verstöße nicht vollständig ist. Damit stellt sich die Frage, welche weiteren Verstöße gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges von Art. 3 erfasst werden. Zu denken ist an die übrigen Verbotsbestimmungen der HLKO und der Genfer Abkommen samt ihren Zusatzprotokollen.451 Relevant für die Untersuchung sind natürlich nur die Vorschriften, die die Vergewaltigung verbieten.452 Da aber alle Verbote der Vergewaltigung in der HLKO und den Genfer Konventionen (bis auf Art. 3) sich auf einen internationalen bewaffneten Konflikt und auf den gleichen Opfer- und Täterkreis beziehen wie die schweren Verletzungen der Genfer Konvention, für die eine sachliche Zuständigkeit des Tribunals bereits über Art. 2 JStGH-Statut besteht, bedarf es keiner erneuten Zuständigkeitsvermittlung an das Tribunal für die identische Tat nach Art. 3 JStGH-Statut.453 Von Interesse kann nur sein, ob der gemeinsame 450 Die Verstöße sind der HLKO von 1907 entnommen, Art. 23, 25, 27, 47, 56 HLKO. 451 Art. 3 ist zwar an die HLKO angelehnt, welche nur im internationalen bewaffneten Konflikt anwendbar ist. Der traditionelle Begriff der „Gesetze und Gebräuche des Krieges“ wird heute durch den Begriff des humanitären Völkerrechts abgelöst. (Siehe auch Fn. 259). Da unter das humanitäre Völkerrecht alle Regelungen eines bewaffneten Konflikts fallen, gleichgültig ob international oder intern im Charakter, kann somit aus der exemplarischen Aufzählung von Verstößen der HLKO keine Beschränkung des Art. 3 JStGH-Statut auf Verletzungen der HLKO bzw. auf das Genfer Recht, soweit es internationale bewaffnete Konflikte betrifft, gelesen werden. Vgl. dazu die überzeugende Darstellung der Berufungskammer: Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 87; A. A.: Ahlbrecht, Geschichte, S. 257. 452 Vgl. die Untersuchung zu: Art. 46 HLKO, Art. 12 I. und II. GA, Art. 13 und 14 III. GA, Art. 27 IV. GA, der gemeinsame Art. 3 GA, Art. 11, 75, 76 und 85 des I. Zusatzprotokolls sowie Art. 4 und 13 des II. Zusatzprotokolls. 453 Art. 2 bezieht sich auf Kriegsverbrechen gegen geschützte Personen, dagegen Art. 3 in erster Linie auf Kriegsverbrechen gegen Sachgüter sowie den Einsatz bestimmter Waffen. Es ist daher davon auszugehen, dass Art. 2 der speziellere Tatbestand bei Gewaltverbrechen gegen Personen wie der Vergewaltigung im internationalen be-

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Art. 3 der Genfer Abkommen sowie die Zusatzprotokolle I und II nach Art. 3 JStGH-Statut anwendbar sind. Denn in dem Fall wäre eine Strafverfolgungsmöglichkeit der Vergewaltigung im internen bewaffneten Konflikt bzw. im internationalen bewaffneten Konflikt an einem weiteren Täterkreis als nach Art. 2 JStGHStatut eröffnet worden. Voraussetzung für eine sachliche Zuständigkeit des JStGH ist wie bereits erwähnt, dass die Norm völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ist und eine individuelle Strafbarkeit begründet.454 Hinsichtlich des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen gibt es eigentlich keine Diskussion darüber, ob dieser Artikel Völkergewohnheitsrecht darstellt.455 Das Problem ist, dass in den Genfer Abkommen lediglich für die schweren Verletzungen eine individuelle strafbare Verantwortlichkeit vereinbart wurde. Auch hatte sich die Weltgemeinschaft 1977 gegen eine Strafbarkeit des gemeinsamen Art. 3 dadurch ausgesprochen, dass sie dem Zusatzprotokoll II, welches den gemeinsamen Art. 3 der Genfer Konventionen ergänzte, keine Strafnormen (in Form von schweren Verletzungen) beigefügt hatte. Um also den gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Abkommen unter Art. 3 JStGH-Statut anwenden zu können, müsste sich seit 1977 eine Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung nachweisen lassen, die den Mindeststandard des Art. 3 für strafbegründend erklärt. Zu diesem Zweck hatte die Berufungskammer vier Militärgesetzbücher und zwei nationale Strafgesetze, die Verletzungen des humanitären Völkerrechts im internen Konflikt unter Strafe stellen, Verurteilungen nigerianischer Gerichte wegen Verletzungen des humanitären Völkerrechts im nigerianischen Bürgerkrieg, zwei Sicherheitsratsresolutionen, die eine individuelle Strafbarkeit für die im Bürgerkrieg von Somalia begangenen Kriegsverbrechen aussprachen, angeführt.456 Zu erwähnen sind noch die Äußerungen einiger Staaten vor der Gründung des waffneten Konflikt ist. Vgl. Ahlbrecht, Geschichte, S. 250 f.; Prosecutor v. Tadic´, IT-941-AR72, 02.10.1995, Para. 87, 89: Die Berufungskammer betonte, dass unter Art. 3 JStGH-Statut nur Einzeltaten fallen könnten, die keine schweren Verletzungen sind. 454 Siehe Fn. 447; Prosecutor v. Tadic ´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 94; Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 487 ff.; Meron, AJIL 89, 1995, S. 559; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1994, S. 363; Greenwood, EJIL 1966, S. 277 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 260; Kreß, IYBHR 30, 2001, S. 105; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 939 ff.; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 11-122–11-124. Besonders die Berufungskammer im Fall Tadic´ hat klargestellt, dass Regelungen, die sich auf einen internen Konflikt beziehen und laut Vertrag keine Strafbarkeit begründen, nicht sofort aussortiert werden müssen, sondern dass die Möglichkeit besteht, dass sich eine Strafbarkeit der fraglichen Bestimmung auch nach Völkergewohnheitsrecht ergeben kann. 455 Meron, Humanitarian Norms, S. 27 ff.; Ellis, Case W.Res.J.I.L. 38, 2004, S. 226; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 100 ff. 456 Prosecutor v. Tadic ´ , IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 130 ff.; siehe auch die Nachweise einer solchen Staatenpraxis bei: Meron, AJIL 89, 1995, S. 565; vgl. ferner die Argumentation der Strafkammer erster Instanz, die eine Strafbarkeit des gemeinsamen Art. 3 GA daraus herleitet, dass die Formulierung des Art. 3 ähnlich der der schweren Verletzungen sei sowie aus dem Umstand, dass einige Militärstrafgesetz-

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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JStGH, die dafür plädierten, über die Öffnungsklausel des Art. 3 JStGH-Statut alle weiteren Bestimmungen der HLKO von 1907, die nicht schweren Verletzungen der Genfer Konventionen von 1949 samt des gemeinsamen Art. 3 sowie die beiden Zusatzprotokolle von 1977 zur Anwendung kommen zu lassen.457 Es muss bezweifelt werden, dass diese vereinzelten Beispiele staatlicher Übung (weniger als 10 Staaten) und Rechtsüberzeugung ausreichen sollen, um die lang bestehende Praxis der Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen in nichtinternationalen bewaffneten Konflikten und die immer wieder zum Ausdruck gebrachte Auffassung, dass interne Konflikte allein dem nationalen Recht vorbehalten sind458, abzuändern. Denn schaut man sich das Verhalten der Staaten in Bürgerkriegen insgesamt an, kann man nur feststellen, dass sich die Konfliktparteien meist nicht an den Mindeststandard gehalten haben sowie die Verstöße gegen diesen Mindeststandard bis 1993 nicht strafrechtlich verfolgt haben.459 Die angeführten Beispiele der Berufungskammer stehen eher als Ausnahmen der allgemeinen Staatenpraxis gegenüber.460 Der Entscheidung der Berufungskammer bücher diese Verletzungen als völkerrechtliche Straftat behandeln, Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 59 ff. 457 So die Meinung der USA, Frankreich und Großbritannien, in: Provisional Verbatim Record, S/PV. 3217, S. 11, 15, 19. Siehe weiterhin die abgedruckten Stellungnahmen in: Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 88; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1994, S. 366, Fn. 20; Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 226 ff. 458 Cassese, RGDIP 90, 1986, S. 553-578, der auf den geringeren Schutz des Völkerrechts in Bürgerkriegen hinweist. So auch: Bantekas/Nash, ICL, S. 120 f. 459 Vgl. zum Verhalten in Bürgerkriegen: Meron, Humanitarian Norms, S. 74, 76 ff. 460 So auch die einhellige Auffassung der Völkerrechtslehre, dass Anfang der 1990iger Jahre keine Kriegsverbrechen im Bürgerkrieg existierten: Das Rote Kreuz kam im März 1993 zu der Schlussfolgerung, dass das humanitäre Völkerrecht keine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit für Kriegsverbrechen in einem nicht-internationalen Konflikt vorsieht. Preliminary Remarks of the ICRC, 25.03.1995, unveröffentlicht, zit. in: Greenwood, EJIL 1996, S. 280 und Meron, AJIL 89, 1995, S. 559; zum gleichen Ergebnis kommen: Commission of Expert, Final Report, UN-DOC. S/1994/674, Para. 42, 52; Plattner, IRRC 30, 1990, S. 410; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1994, S. 366, Fn. 20; Ahlbrecht, Geschichte, S. 260 f.; Kreß, IYBHR 30, 2001, S. 104 f., 107 m.w. N.; Oeter, ZaöRV 53, 1993, S. 1; Graditzky, IRRC 80, 1998, S. 29, 33; Boot, Nullum Crimen, S. 244; Cryer, ICL, S. 230; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 940 ff., der wohl so zu verstehen ist, dass er die Tadic´-Entscheidung der Berufungskammer zwar als wegweisend empfindet, aber erst eine völkerrechtliche Anerkennung der Strafbarkeit von Bürgerkriegsverbrechen mit der Gründung des RStGH für vollzogen ansieht. So auch: Greenwood, EJIL 1996, S. 280 f.; Boed, CLF 13, 2002, S. 300; Simma/Paulus, AJIL 93, 1999, S. 312; Ratner/Abrams, Accountability, S. 95; Schabas, in: Klip/Sluiter, ICTR 1994–1999, S. 550; Report of the Secretary-General, UN-DOC. S/1995/134, Para. 12, worin der Generalsekretär das Statut für den RStGH als Innovation bezeichnete, welches zum ersten Mal den gemeinsamen Art. 3 der GA kriminalisiere. A. A.: Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 489, äußern sich hingegen widersprüchlich, wenn sie den gemeinsamen Art. 3 GA nach dem Statut für anwendbar halten, obwohl sie eine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit des Artikels verneinen. OboteOdora, The Judging of War Criminals, S. 239, 246–249, sieht den gemeinsamen Art. 3 GA als im Statut enthalten an. Er erklärt die Strafbarkeit der Norm fälschlicherweise damit, dass nach den Genfer Abkommen eine Strafverfolgungsverpflichtung der Staaten

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

kommt zwar das Verdienst zu, dass sie den Trend zu einer Anerkennung von Kriegsverbrechen im internen Konflikt aufgezeigt und womöglich dem sich herauskristallisierenden Recht zum Durchbruch verholfen hat (sog. „Assimilierungsthese“).461 Zum Zeitpunkt der Tatbegehungen 1991 war aber die Strafbarkeit des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen noch nicht zweifellos bestehendes Völkergewohnheitsrecht, so dass diese Verhaltensweisen nicht vom Tatbestand des Art. 3 JStGH-Statut erfasst werden sollten. Den meisten Vorschriften des Zusatzprotokolls I kommt der Status von Völkergewohnheitsrecht zu. Besonders die Teile II, III (Schutz von Kriegsgefangenen, Kranken, Schiffsbrüchigen, Methoden der Kriegsführung) und IV (Zivilbevölkerung) sind bereits seit dem Haager Recht völkergewohnheitsrechtlich anerkannt. Prinzipien wie die Unterscheidung zwischen Kriegsbeteiligten und Zivilsten sowie die Nichtdiskriminierung haben durch das Protokoll lediglich ein genaueres Profil erhalten.462 Damit können die die Vergewaltigung enthaltenden Vorschriften der Art. 75, 76 sowie Art. 11 Abs. 1 i.V. m. Abs. 4 durchaus als Völkergewohnheitsrecht bezeichnet werden. Es bestehen auch keine Zweifel an der Strafbarkeit der schweren Verletzung gemäß Art. 11 Abs. 4. Für alle weiteren Verbote der Vergewaltigung (Art. 76 und 75 des Zusatzprotokolls I), die keine schweren Verletzungen darstellen, kann aber nur dasselbe gelten wie für den gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen. Das System der schweren Verletzungen wurde in den Zusatzprotokollen beibehalten, womit eine klare Absage an die völkerrechtliche Kriminalisierung aller weiteren verbotenen Verhaltensweisen des Protokolls erteilt wurde. Eine Gleichsetzung der Zuwiderhandlungen mit den schweren Verletzungen hatte zwischen 1977 und 1993 durch die Staatenpraxis nicht stattgefunden. Damit ergibt sich aus der Anwendbarkeit des Art. 11 Abs. 4 des ersten Zusatzprotokolls nach Art. 3 JStGHStatut eine weitere Verfolgungsmöglichkeit der Vergewaltigung im internationalen Krieg.463

auch für Art. 3 bestünde, welche in Wirklichkeit nur für die schweren Verletzungen vereinbart worden war. 461 Vgl. zur Assimilierungsthese: Kreß, in: Fischer/Lüder, Völkerrechtliche Verbrechen, S. 36 ff.; Bantekas/Nash, ICL, S. 121 f. 462 Vgl. Greenwood, in: Delissen/Gerard, Humanitarian Law, S. 95, 108 ff.; Gasser, in: Delissen/Gerard, Humanitarian Law, S. 85 f.; Hollweg, VN 9, 1994, S. 127; Cassese, UCLA PBLJ 3, 1984, S. 55–118; Panel, ASIL Proc. 81, 1987, S. 26–43; Meron, Humanitarian Norms, S. 62 ff. Im Jahre 1993 waren dem Protokoll I bereits 123 Staaten beigetreten. 463 Für eine Anwendung der schweren Verletzungen des Protokolls I über die Öffnungsklausel des Art. 3 JStGH-Statut: Commission of Expert, Final Report, UN-DOC. S/1994/674, Para. 51, 53; Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 489, 508 f.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 256, 258; Aldritch, AJIL 90, 1996, S. 68; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1994, S. 366, Fn. 20. Es ist allerdings zu bedauern, dass weder der Generalsekretär noch das Statut selbst das Zusatzprotokoll I ausdrücklich erwähnt haben.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Das Zusatzprotokoll II wirft ein doppeltes Problem auf. Zum einen wird das Statut nicht als Ganzes als Völkergewohnheitsrecht angesehen, weil es von vielen Staaten, die von internen bewaffneten Konflikten betroffen waren, nicht ratifiziert worden war und nur wenige Staaten Verhaltensregeln für einen Bürgerkrieg in ihre Militärgesetzbücher aufgenommen hatten.464 Zum anderen enthält das Protokoll II keine einzige Strafnorm in Form von schweren Verletzungen. Wenn sich bereits keine zufriedenstellende Staatenpraxis für eine Strafbarkeit des gemeinsamen Art. 3 der GA finden lässt, muss das gleiche erst recht für den diesen Mindeststandard noch ergänzenden Art. 4 Abs. 2 des Zusatzprotokolls II gelten.465 Im Ergebnis ist die Straftat der Vergewaltigung im internen bewaffneten Konflikt nach Art. 3 JStGH-Statut nicht verfolgbar. Nach Art. 3 JStGH-Statut ist aber die vorsätzliche Vergewaltigung bzw. das vorsätzliche Nichtverhindern einer Vergewaltigung an ausländischen Gefangenen im internationalen Konflikt strafbar. Art. 4 JStGH-Statut ermöglicht die Strafverfolgung des Völkermords: Der Internationale Strafgerichtshof ist befugt, Personen zu verfolgen, die Völkermord im Sinne des Absatzes 2 oder eine andere der in Absatz 3 aufgeführten Handlungen begehen. (1) Völkermord umfasst jede der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören: a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe; b) Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe; c) Vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; e) Gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe. (2) Die folgenden Handlungen sind zu bestrafen: a) Völkermord; 464 Meron, Humanitarian Norms, S. 71 ff. Auch wenn das Protokoll II nicht als Ganzes völkergewohnheitsrechtliche Geltung beanspruchen kann, so doch zumindest dessen Kernprinzipien. Vgl. dazu: Hollweg, VN 9, 1994, S. 127 f., Fn. 74. 1993 gehörten 113 Staaten dem Zusatzprotokoll II an. 465 Siehe auch Art. 20 des Entwurfs zu einem permanenten Strafgerichtshof der ILC, der das Zusatzprotokoll II aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich ausschloss, weil es an einer Strafbarkeit für das verbotene Verhalten fehle. Report of the ILC on the work of its 46th session, UN-DOC. A/49/10, 1994, S. 78. A. A.: Meron, AJIL 89, 1995, S. 560. Es ist weiterhin auf die obige Ansicht der Autoren zu verweisen (Fn. 457), die Kriegsverbrechen im Bürgerkrieg Anfang der 1990iger Jahre als nicht existierend bezeichnen.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht b) Verschwörung zur Begehung von Völkermord; c) Unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord; d) Versuch, Völkermord zu begehen; e) Teilnahme am Völkernord.

Art. 4 Abs. 1 JStGH-Statut ist dem Tatbestand des Art. 2 der Völkermordkonvention von 1948 nachgebildet; Art. 4 Abs. 2 gibt die strafbaren Begehungsformen des Art. 3 der Völkermordkonvention wieder. Da somit der Tatbestand des Art. 4 JStGH-Statut der Völkermordkonvention entnommen wurde, kann auf die obige Auslegung des Tatbestands der Völkermordkonvention verwiesen werden. Diese Auslegung hatte ergeben, dass Vergewaltigung nach den Tathandlungen b)–d) verboten ist.466 Inzwischen war die Völkermordkonvention zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt. Mit der völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung der Konvention ging zweifellos die Anerkennung einer individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Verbrechens einher, womit die Grundvoraussetzung der Anwendung strafbegründenden Völkergewohnheitsrechts erfüllt war.467 Folglich 466 So auch die Interpretation von: Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 587 f.; Schabas, Genocide, S. 185 ff., 192, 199 ff.; Schmidt am Busch, KJ 28, 1995, S. 5 f.; Fischer, Duke LJ 46, 1996, S. 123; Fein, JGR 1, 1999, S. 59; Karagiannakis, LJIL 12, 1999, S. 490; Miller, Penn.St.L.R. 108, 2003, S. 363 f.; Seibert-Fohr, in: Hankel, Die Macht und das Recht, S. 168; Hartstein, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 88; Ellis, Case W.Res.J.I.L. 38, 2004, S. 227; a. A.: Copelon, in: Stiglmayer, Mass Rape, S. 198; Copelon, Human Rights Dialogue 2, 2003; einsehbar auf www.cceia.org, die befürchtet, dass eine Behandlung der Vergewaltigung als Völkermord zu einer Nichtverfolgung der Vergewaltigung führt, wenn sie nicht die Rahmenvoraussetzungen des Völkermords erfüllt. Sie sieht in der Vergewaltigung und dem Völkermord zwei verschiedene Verbrechen und setzt sich für die Anerkennung eines eigenständigen Tatbestand der Vergewaltigung nach Völkerstrafrecht ein. Saha, JEAIL 2, 2009, S. 509, bemerkte seit dem Erfolg des Akayesu-Urteils einen Rückgang in der Verfolgung von Vergewaltigung vor dem RStGH. Ähnlich auch: Grewal, AFLJ 33, 2010, S. 57–79, die die grundsätzliche Unterscheidung im Völkerstrafrecht von Vergewaltigung im Krieg und Vergewaltigung im Frieden für nachteilig bei der Bekämpfung der Ursachen von sexueller Gewalt hält und daher das Völkerstrafrecht eher als hinderlich ansieht, Frauenrechte zu fördern. 467 Trotz der fehlenden Strafverfolgung des Völkermords sprechen die weite Ratifizierung der Völkermordkonvention, die Kriminalisierung des Völkermordtatbestands in nationalen Gesetzen (z. B. § 220 a StGB a. F.), die Übernahme in den Entwurf der ILC für ein Völkerstrafgesetzbuch und die Staatenstellungnahmen dazu (abgedr. in: Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 532 ff.) sowie die Bestätigung durch den IGH und die einhellige Meinung im Schrifttum für eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung. Siehe dazu: Bericht des Generalsekretärs vom 03.05.1993, UN-DOC. S/25704, Para. 45; Commission of Expert, Final Report, UN-DOC. S/1994/674, Para. 87, 91, 99, 100; Reservations to the Convention and Punishment of the Crime of Genocide, Advisory Opinion of May 28, ICJ Reports 1951, S. 15, 23; Simma/Paulus, AJIL 93, 1999, S. 308 f.; Schabas, Genocide, S. 3 f., 548; Schabas, Introduction to the ICC, S. 8 ff.; Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 490 f.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 262; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1994, S. 368; Maison, EJIL 5, 1994, S. 390 ff.; Hollweg, VN 9, 1994, S. 128; Hollweg, JZ 1993, S. 986; Roggemann, NJW 1994, S. 1436 f.; Schabas, in: Fischer/ Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 447 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 657; Kreß, ZStW 114, 2002, S. 834, 837 f.; Ambos, in: Hasse/Müller/Schneider,

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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ist die Vergewaltigung nach Art. 4 JStGH-Statut sowohl im Krieg als auch im Frieden verfolgbar, wenn bei der Tatbegehung die spezifische Zerstörungsabsicht gegenüber einer der vier Bevölkerungsgruppen vorlag.468 Art. 5 erklärt die sachliche Zuständigkeit für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Der Internationale Strafgerichtshof ist befugt, Personen zu verfolgen, die für folgende gegen die Zivilbevölkerung gerichtete, in internationalen oder inneren bewaffneten Konflikten verübte Verbrechen verantwortlich sind: a) Mord; b) Ausrottung; c) Versklavung; d) Vertreibung; e) Freiheitsentziehung; f) Folter; g) Vergewaltigung; h) Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen; i) Andere unmenschliche Handlungen.

Art. 5 ist der einzige Tatbestand des JStGH-Statuts, der Vergewaltigung ausdrücklich als Einzeltat eines der anklagefähigen Kernverbrechen nennt. Damit erübrigt sich eine mühsame Auslegung, ob Vergewaltigung eine unmenschliche Handlung darstellt. Sie ist nun ausdrücklich nach Buchstabe g) rechtswidrig, wenn sie in einem internationalen oder internen bewaffneten Konflikt gegen irgendeine Zivilbevölkerung begangen wird.469 Humanitäres Völkerrecht, S. 347 f.; Cassese, International Criminal Law, S. 130; Cassese, International Law, S. 98; Boot, Nullum Crimen, S. 240 f.; Nsereko, in: McDonald/ Swaak-Goldmann, Substantive and Procedural Aspects, S. 113, 120; Sadat, ICC, S. 142; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 142 ff. m.w. N.; Bantekas/Nash, ICL, S. 139; ausführlich: Volkmann, Strafverfolgung des Völkermords, S. 113, 116 ff. Mit der völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Völkermords als ein völkerrechtliches Verbrechen ist auch die Anerkennung der Strafbarkeit nach Völkerrecht einhergegangen, so dass seitdem etwaige Zweifel an einer völkerrechtlichen Strafbarkeit des Völkermords behoben sind. 468 Schmidt am Busch, KJ 28, 1995, S. 5, weist zu Recht darauf hin, dass der Nachweis der Absicht, eine Gruppe durch Vergewaltigungen zerstören zu wollen an dem eventuellen Argument des Täters scheitern kann, dass er nur die Vertreibung und nicht die Zerstörung einer Bevölkerungsgruppe bezweckt habe. Diese Kritik betrifft aber das vielleicht nicht mehr zeitgemäße Tatbestandsmerkmal der Zerstörungsabsicht. Da es sich um ein Tatbestandsmerkmal des Rahmenverbrechens handelt, soll hier diese Problematik nicht vertieft werden. 469 Der Ausgangspunkt der Definition der Verbrechen gegen die Menschlichkeit liegt im Tatbestand des Art. 6 c) IMG-Statut. Allerdings weicht Art. 5 JStGH-Statut in einigen Punkten von der Definition des Nürnberger Tatbestandes ab. (Vgl. zu den kontroversen Vorschlägen der Staaten bzgl. einer Definition der Verbrechen gegen die

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Art. 5 kodifiziert auch Völkergewohnheitsrecht. Das Nürnberger Statut wurde zwar nicht wie durch die ILC vorgeschlagen in einer Resolution der Generalversammlung bestätigt.470 Insofern ist eine starke Opposition der Staatengemein-

Menschlichkeit im JStGH-Statut: Boot, Nullum Crimen, S. 234 ff.) Da die Abweichungen bis auf die ausdrückliche Hinzufügung der drei Einzeltaten Vergewaltigung, Folter und Freiheitsentziehung die Tatbestandsmerkmale des Rahmenverbrechens betreffen, nehmen sie bzgl. des Arbeitsthemas nur einen Nebenschauplatz ein und können nicht im Detail erörtert werden. Die offensichtlichste Änderung besteht darin, dass nach Art. 5 nur noch eine Verbindung zu einem bewaffneten Konflikt verlangt wird, wo hingegen Art. 6 c) IMG-Statut noch eine Verbindung zu einem internationalen Konflikt vorausgesetzt hatte. Bereits in Art. 2 Abs. 1 c) KRG 10 war dieser Nexus völlig aufgegeben worden. Es bestehen keine logischen Gründe die Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen von einem Krieg abhängig zu machen. Genauso wenig wurde für die Verurteilung des Völkermords das Vorliegen einer Kriegssituation zur Bedingung gemacht. Es ist insofern anzunehmen, dass der Sicherheitsrat absolut sicher gehen wollte, dass der Tatbestand dem Völkergewohnheitsrecht entspricht und daher eher eine zu enge als eine zu weite Definition vorgezogen hatte. (Vgl. Bericht des Generalsekretärs vom 03.05.1993, UN-DOC. S/25704, Para. 47; Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 140 ff.; Obote-Odora, The Judging of War Criminals, S. 249 ff. sowie 252 ff. speziell zur Vergewaltigung; Bantekas/Nash, ICL, S. 127 ff.). Von Art. 5 JStGH-Statut werden somit nur Verbrechen gegen die Menschlichkeit im bewaffneten Konflikt, aber nicht im Frieden erfasst. Eine zweite Änderung ist zwar nicht im Statut explizit vorgesehen, wurde aber durch Auslegung des Tribunals hinsichtlich des Tatbestandselements der „Gerichtetheit gegen irgendeine Zivilbevölkerung“ vorgenommen. Gerichtet seien die Einzeltaten nur gegen eine Zivilbevölkerung, wenn sie auf einer verbreiteten oder systematischen Basis aus diskriminierenden Beweggründen heraus (str.) begangen wurden. Vgl. zu den Tatbestandsmerkmalen des Rahmenverbrechens: Bericht des Generalsekretärs vom 03.05. 1993, UN-DOC. S/25704, Para. 48; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 626 ff.; Prosecutor v. Jelisic´, IT-95-10-T, 14.12.1999, Para. 29 ff.; Prosecutor v. Kupreskic´, IT-95-16-T, 14.01.2000, Para. 511 ff.; Prosecutor v. Blaskic´, IT-95-14-T, 03.03. 2000, Para. 198 ff.; Meinung Frankreichs, Russlands und der USA zum materiellen Recht des Statuts, Verbatim Record, S. 11, 16, 45; Lattanzi, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 473 ff.; Kreß, in: Fischer/Lüder, Völkerrechtliche Verbrechen, S. 48 ff.; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1994, S. 366 f.; Johnson, RIDP 67, 1996, S. 219 f.; Bantekas/Nash, ICL, S. 1130 f.; Cryer, ICL, S. 187 ff. 470 Die Generalversammlung der VN bestätigte pauschal am 11.12.1946 in einer Resolution die im Statut und in der Rechtsprechung des IMG Nürnberg zum Ausdruck gekommenen Rechtsgrundsätze (sog. Nürnberger Prinzipien) (GV-Res 1/95, 11.12.1946 in: UNYB, 1946–47, S. 254; Ambos, AT, S. 382; Ahlbrecht, Geschichte, S. 125). In der gleichen Sitzung beauftragte die GV einen Ausschuss zur Fortentwicklung und Kodifizierung des internationalen Rechts (GV-Res. 1/94 vom 11.12.1946 in: UNYB, 1946–47, S. 256 f.). Diese Kodifikationskommission sollte die Nürnberger Prinzipien formulieren und zugleich ein internationales Strafgesetzbuch zu Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit ausarbeiten. Diese komplexe Aufgabe wurde Ende 1947 auf Empfehlung der Kodifikationskommission an die dafür eigens eingerichtete International Law Commission (ILC) abgetreten (GV-Res. 2/177 vom 21.11.1947 in: UNYB, 1946–47, S. 257; abgedr. in: Ferencz, ICC II, S. 178 f.). Die ILC einigte sich 1950 auf einen Entwurf der Nürnberger Prinzipien, welcher der GV vorgelegt wurde: Principle I Any person who commits an act which constitutes a crime under international law is responsible therefore and liable to punishment.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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schaft 1950 gegenüber den Straftatbeständen des Nürnberger Statuts als Völkergewohnheitsrecht nicht zu leugnen. Bassiouni, der Experte auf dem Gebiet der Principle II The fact that international law does not impose a penalty for an act which constitutes a crime under international law does not relieve the person who committed the act from responsibility under international law. Principle III The fact that a person who commits an act which constitutes a crime under international law acted as Head of State or responsible government official does not relieve him from responsibility under international law. Principle IV The fact that a person acted pursuant to order of his government or of a superior does not relieve him from responsibility under international law provided a moral choice was in fact possible to him. Principle V Any person charged with a crime under international law has the right to a fair trial on the facts and law. Principle VI The crime hereinafter set out are punishable as crimes under international law: Crimes against Peace: . . . War Crimes: Violations of the laws or customs of war which include, but are not limited to, murder, ill-treatment or deportation to slave labour or for any other purpose of the civilian population of or in occupied territory, murder or ill-treatment of prisoners of war, of persons on the seas, killing hostages, plunder of public or private property, wanton destruction of cities, towns, or villages, or devastation not justified by military necessity. Crimes against humanity: Murder, extermination, enslavement, deportation and other inhumane acts done against any civilian population, or persecutions on political, racial or religious grounds, when such acts are done or such persecutions are carried on in execution of or in connection with any crime against peace or any war crime. Principle VII Complicity in the commission of a crime against peace, a war crime or a crime against humanity as set forth in Principle VI is a crime under international law. ILCYB 1950 II, S. 374–378; abgedr. in: Ferencz, ICC II, S. 236–239; Werle, Völkerstrafrecht, S. 666, auf Deutsch übersetzt von: Ahlbrecht, Geschichte, S. 133 f. Die in Prinzip VI enthaltenen Straftatbestände stimmten mit denen der Nürnberger und Tokioter Statuten überein. Die Vergewaltigung war somit als Kriegsverbrechen sowie als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (unmenschliche Handlungen) verboten. Die individuelle Strafbarkeit wurde nicht nur durch Prinzip I positiv ausgedrückt, sondern auch negativ durch den Ausschluss der Verteidigungsvorbringen wie der „Act-ofState-Doctrine“ und des „Handelns auf Befehl“ bzw. des Grundsatzes „nullum crimen sine poena“, wenn es im Völkerstrafrecht an einer Strafandrohung für Verbrechen fehlt, Prinzipien II, III, IV. Ferner bestimmt Prinzip VII ausdrücklich die Strafbarkeit für die Beteiligung an einem der Verbrechen. Allerdings stießen die ausformulierten Prinzipien auf so großen Widerspruch bei den Staaten, dass sie bis heute nicht von der GV anerkannt wurden. Die GV beschloss daraufhin die Staaten zu den Nürnberger Prinzipien Stellung nehmen zu lassen und beauftragte die ILC diese Stellungnahmen im Entwurf eines Internationalen Strafgesetzbuches zu berücksichtigen (GV-Res. 5/488 vom 12.12.1950 in: UNYB, 1950, S. 857). Daraufhin legte die ILC vier Entwürfe (1954, 1991, 1994, 1996) zu einem Völkerstrafgesetzbuch vor, auf welche noch an anderer Stelle eingegangen wird. Somit war der Auftrag, die Nürnberger Prinzipien in einer Resolution völkerrechtlich anzuerkennen, missglückt. Häufig wird zwar die Ansicht vertreten (stellvertretend für viele: Glaser,

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Menschlichkeitsverbrechen, bemängelt ferner die Strafverfolgungspraxis der Staaten nach den Nürnberger Prozessen sowie eine hinreichende Kodifizierung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im internationalen oder nationalen Recht.471 Überzeugender erscheint jedoch die Argumentation der Strafkammer im Fall Tadic´. Sie zeichnet eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit anhand der Nürnberger und Tokioter Statute und deren Urteilen, des KRG 10 und den darauf beruhenden Urteilen der Besatzungsmächte, der pauschalen Bestätigung des Nürnberger Statuts durch die Generalversammlung, des (nicht angenommenen) Entwurfs der Nürnberger Prinzipien durch die ILC, der Völkermord- und der Apartheidkonvention als speziellere Tatbestände der Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie des Berichts des Generalsekretärs zum Statut nach.472 Der Vorwurf, dass nach den Nürnberger Prozessen niemand mehr wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden sei, ist so auch nicht richtig. Schließlich kann hier bis in die jüngste Vergangenheit auf Verurteilungen wie Eichmann, Barbie, Touvier, Priebke und Papon verwiesen werden. Ebenso sind Resolutionen des Sicherheitsrats ergangen, die dieses Verbrechen – z. B. im Irak-Kuwait Krieg – als Verstoß gegen den Frieden bezeichneten.473 Insgesamt betrachtet stellt dies eine erhebliche Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung dar, die die Uneinigkeit der Staaten 1950 bei Vorlage der ZStW 76, 1964, S. 514; Greenspan, Law of Warfare, S. 428; Clark, in: Ginsburgs/Kudriavtsev, Nuremberg Trials, S. 263; Askin, War Crimes against Women, S. 328 f.), dass die Nürnberger und Tokioter Statuten bereits durch den Beschluss der GV am 11.12. 1946 bestätigt und damit in positives Völkerrecht transformiert worden wären. Dem steht schon entgegen, dass die GV in derselben Sitzung eine Kommission einberufen hatte, um die Nürnberger Prinzipien erst zu formulieren. Wenn die Prinzipien aber schon anerkannt worden wären, wäre diese Beauftragung völlig sinnlos gewesen. Unhaltbar macht diese Ansicht weiterhin der starke Widerspruch der Vertragsstaaten gegen den aus dem IMG-Statut abgeleiteten ILC-Entwurf der Nürnberger Prinzipien. Diese inhaltlichen Diskrepanzen führten schließlich zum Scheitern einer Resolution der GV, womit eindeutig hervorgeht, dass eine völkerrechtliche Anerkennung des Nürnberger Rechts nicht eingetreten war (Jescheck/Weigend, AT, S. 121; Ahlbrecht, Geschichte, S. 125 f., 132 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, I/3, S. 1038 f.; Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 384; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 40). 471 Bassiouni, Crimes against Humanity, S. 232 f., 541; Bassiouni, CJTL 31, 1994, S. 494. Die gleichen Zweifel äußern: Ahlbrecht, Geschichte, S. 266 ff.; Hollweg, VN 9, 1994, S. 129 f.; Lediakh, in: Ginsburgs/Kudriavtsev, Nuremberg Trials, S. 33, 263–283; Tomuschat, ADV 21, 1993, S. 294, Schmidt am Busch, KJ 28, 1995, S. 6 f. 472 Prosecutor v. Tadic ´ , IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 618 ff.; gleiche Ansicht: Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1, 10.08.1995, Para. 76; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR 72, 02.10.1995, Para. 138, 141; Bericht des Generalsekretärs vom 03.05.1993, UN-DOC. S/25704, Para. 35; Kreß, in: Fischer/Lüder, Völkerrechtliche Verbrechen, S. 44 ff.; Obote-Odora, The Judging of War Criminals, S. 249 ff., präsentiert eine gute Bestandsaufnahme zur gewohnheitsrechtlichen Anerkennung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit; Tomuschat, EuGRZ 25, 1998, S. 5, der seine oben zitierte Meinung revidiert hat; Oellers-Frahm, ZaöRV 54, 1994, S. 425; Becker, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 75 ff.; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1994, S. 366. 473 Vgl. Becker, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 76 f.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Nürnberger Prinzipien durch die ILC in den Schatten rücken lässt. Außerdem begegnet man kaum einer Auffassung in der Völkerrechtsliteratur oder von Staaten, die sich gegen die Aufnahme der Verbrechen gegen die Menschlichkeit ins JStGH-Statut ausgesprochen hätten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Vergewaltigung als Kriegsverbrechen im internationalen Krieg nach den schweren Verletzungen der Genfer Abkommen und dem Zusatzprotokoll I sowie im bewaffneten Konflikt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und unabhängig von einem Krieg als Völkermord nach bestimmten Voraussetzungen verboten ist. Diese Verbotsnormen wurden eindeutig mit einer Strafbarkeit versehen. Erstens wird die Strafbarkeit durch die Erteilung einer Strafverfolgungsbefugnis an ein internationales Straftribunal in den Art. 2–5 JStGH-Statut ausgedrückt. Zweitens, hat das Tribunal gemäß Art. 6 JStGH-Statut die Befugnis, natürliche Personen für ein in Art. 2–5 normiertes Fehlverhalten persönlich strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen (persönliche Zuständigkeit). Drittens ist die Strafbarkeit in Art. 7 JStGH-Statut deklariert worden: (1) Wer ein in den Artikeln 2 bis 5 dieses Statuts genanntes Verbrechen geplant, angeordnet, verübt oder dazu angestiftet hat oder auf andere Weise an der Planung, Vorbereitung oder Ausführung des Verbrechens beteiligt war, oder dazu Beihilfe geleistet hat, ist persönlich für das Verbrechen verantwortlich. (2) Die amtliche Stellung eines Beschuldigten, sei er Staats- oder Regierungschef oder hoher Regierungsbeamter, enthebt den Betreffenden nicht seiner strafrechtlichen Verantwortung und mindert auch seine Strafe nicht. (3) Wurde eine in den Artikeln 2–5 dieses Statuts genannte Handlung von einem Untergebenen begangen, so enthebt dies seinen Vorgesetzten nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, wenn er wusste oder Grund zu der Annahme hatte, dass der Untergebene die Handlung zu begehen beabsichtigte oder bereits begangen hatte und der Vorgesetzte die erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Verhinderung der Handlung oder zur Bestrafung der Täter unterlassen hat. (4) Hat ein Beschuldigter auf Weisung einer Regierung oder eines Vorgesetzten gehandelt, so enthebt ihn dies nicht seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit, kann jedoch als strafmildernd berücksichtigt werden, wenn der Internationale Strafgerichtshof verantwortlich feststellt, dass dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist.

ee) Statut des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda von 1994 Das zweite Ad-hoc-Tribunal wurde am 08.11.1994 ebenfalls durch eine Resolution des Sicherheitsrates einberufen.474 Diesmal sollten die schweren Verlet474 Wie im Jugoslawienkonflikt hatte der Sicherheitsrat den Generalsekretär aufgefordert, über schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu berichten (UN-DOC.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

zungen des humanitären Völkerrechts, die auf dem ruandischen Staatsgebiet und von ruandischen Staatsbürgern in Nachbarstaaten zwischen dem 01.01.1994 und 31.12.1994 begangen worden waren, verfolgt werden. Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda (RStGH-Statut) war der Resolution als Annex beigefügt.475 Die Einsetzung des Tribunals wurde wie zuvor bei der Einsetzung des JStGH als eine juristische Zwangsmaßnahme auf Art. 41 des Kapitel VII VN-Charta gestützt.476 Das Tribunal wurde ebenfalls als Nebenorgan des Sicherheitsrates in Arusha, Tansania, eingerichtet. Obwohl das Statut für Ruanda sich stark an seinem Vorläufermodell des Jugoslawien-Statuts anlehnte, liegt den maS/1994/918, 17.05.1994 und Report of the Secretary-General, UN-DOC. S./1994/640, 31.05.1994) und eine Expertenkommission zur Ermittlung einzurichten (UN-DOC. S/ 1994/935, 01.07.1994). Diese bestätigte in ihrem Zwischenbericht einen Völkermord an der Tutsi-Bevölkerungsgruppe sowie schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts an der gesamten Zivilbevölkerung und empfahl die Errichtung eines unparteiischen Internationalen Straftribunals (Interim Report of the Commission of Experts, UN-DOC. S/1994/1125, 01.10.1994). Noch bevor der Abschlussbericht der Expertenkommission vorgelegt wurde (UN-DOC. S/1994/1405, 09.12.1994), welcher den Zwischenbericht untermauerte, errichtete der Sicherheitsrat den RStGH in einem einzigen Beschluss (der JStGH war noch in zwei Schritten durch die Resolutionen 808 und 827 errichtet worden), wobei sich China seiner Stimme enthielt und Ruanda letztlich gegen die Resolution votierte. Siehe zur Entstehung des Tribunals und zu den Gründen Ruanda’s gegen die Errichtung des Tribunal zu stimmen: Akhavan, AJIL 90, 1996, S. 502 ff.; Boot, Nullum Crimen, S. 226 ff.; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1996, S. 501 ff.; Sunga, HRLJ 16, 1995, S. 121 ff.; Johnson, RIDP 67, 1996, 211 ff.; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 121 ff.; Bantekas/Nash, ICL, S. 517 ff.; Cryer, ICL, S. 112 ff. 475 Sicherheitsrats-Resolution 955 vom 8.11.1994, UN-DOC. S/Res/955; Deutsche Fassung des Statuts des direkten Übersetzungsdienstes, abgedr. in: Roggemann, Strafgerichtshöfe, Dokument 6, S. 356; in englischer Fassung: Ahlbrecht, Geschichte, Anhang VI, S. 418; Ambos, AT, Anhang B VIII, S. 895; einsehbar: www.ictr.org. 476 Es bestehen dieselben Kritikpunkte an der Rechtsgrundlage des Ruanda-Tribunals nach Kapitel VII der VN-Charta wie beim Jugoslawien-Tribunal. Hinzu kommt aber noch, dass die ruandische Regierung selbst um die Errichtung des RStGH gebeten, aktiv an den Verhandlungen zum Statut mitgewirkt und selbst nach seinem Gegenvotum zur Resolution 955 die Bereitschaft zur Kooperation mit dem Tribunal erklärt hatte, so dass es sich eigentlich nicht um eine Zwangsmaßnahme des Sicherheitsrates gegen einen unwilligen Staat handelte. Ferner war es fast zum Erliegen der Kampfhandlungen gekommen. Insofern konnte die Maßnahme nicht dazu beitragen, den Frieden erst herzustellen, indem künftige Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch die Abschreckung einer Strafverfolgung verhindert würden. Die Einsetzung des Tribunals konnte daher nur nach der zweiten Voraussetzung des Art. 39 VN-Charta, die Aufrechterhaltung des Friedens, gerechtfertigt werden. Selbst wenn die Kampfhandlungen fast beendet waren und die (Tutsi-)Regierung an einer Strafverfolgung (allerdings eher einseitig an der Hutu-Bevölkerung) ihr Interesse bekundet hatte, konnte nicht von einem gesicherten Frieden in Ruanda ausgegangen werden. Der bewaffnete Konflikt konnte leicht wieder aufflammen, war der Hass und das Misstrauen aufgrund der begangenen Gräueltaten untern den Bevölkerungsgruppen noch stark präsent. Langfristig konnte der nationale Friede nur durch eine unparteiische Strafverfolgung der schwersten Völkerverbrechen gerade der Befehlsebene gesichert werden. Diese konnte verständlicherweise nur durch die internationale Gemeinschaft gewährleistet werden. Siehe dazu: Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1996, S. 505; Johnson, RIDP 1996, 215 f.; Ahlbrecht, Geschichte, 307, Fn. 19; Gerding, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 266 f.

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teriellen Vorschriften des RStGH-Statuts der entscheidende Unterschied zugrunde, dass die Verbrechen in Ruanda in einem Bürgerkrieg und nicht wie im früheren Jugoslawien vornehmlich in einem internationalen bewaffneten Konflikt begangen worden waren.477 Wie für das JStGH-Statut muss auch für das RStGHStatut wegen des Rückwirkungsverbots und der mangelnden Gesetzgebungskompetenz des Sicherheitsrates gelten, dass die der Zuständigkeit zugrunde gelegten Strafbestimmungen völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Verbrechen betreffen. Der erste Tatbestand dieses Statuts ist der Völkermord gemäß Art. 2 RStGHStatut: (1) Das Internationale Gericht für Ruanda ist befugt, Personen strafrechtlich zu verfolgen, die Völkermord im Sinne des Absatzes 2 oder einer anderen in Absatz 3 aufgeführten Handlung begehen. (2) Völkermord ist jede der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören: a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe; b) Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe; c) Vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; e) Gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe. (3) Die folgenden Handlungen sind zu bestrafen: a) Völkermord; b) Verschwörung zur Begehung von Völkermord; c) Unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord; d) Versuch, Völkermord zu begehen; e) Teilnahme am Völkermord.

Der Tatbestand des Völkermords für den ruandischen Gerichtshof hat den gleichen Wortlaut wie derjenige in Art. 2 und 3 der Völkermordkonvention und in Art. 4 JStGH-Statut. Folglich ist auch nach Art. 2 Abs. 2 b)–d) RStGH-Statut die Vergewaltigung als eine mögliche Begehungsweise des Völkermords enthalten. An zweiter Stelle erklärt Art. 3 RStGH-Statut die sachliche Zuständigkeit des Tribunals für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit: 477 Siehe zur geschichtlichen Entwicklung des Völkermords in Ruanda: Ahlbrecht, Geschichte, S. 302 ff. m.w. N.; Obote-Odora, The Judging of War Criminals, S. 283– 290; Johnson, RIDP 67, 1996, 211 ff.; Sunga, HRLJ 16, 1995, S. 121.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Das Internationale Gericht für Ruanda ist befugt, Personen strafrechtlich zu verfolgen, die für folgende Verbrechen verantwortlich sind, wenn diese im Rahmen eines breit angelegten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung aus nationalen, politischen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gründen begangen werden: a) Mord; b) Ausrottung; c) Versklavung; d) Deportierung; e) Freiheitsentziehung; f) Folter; g) Vergewaltigung; h) Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen; i) andere unmenschliche Handlungen.

Im Gegensatz zu der korrespondierenden Vorschrift in Art. 5 JStGH-Statut enthält Art. 3 RStGH-Statut nun explizit den Zusatz eines breit angelegten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung aus diskriminierenden Beweggründen; andererseits fehlt das Element des Nexus mit einem bewaffneten Konflikt.478 Damit ist das Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Ruanda-Statut auch im Frieden anwendbar.479 Die nicht abschließende Liste der 478 Siehe zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Ruanda-Statut: Manske, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 102 ff.; Lattanzi, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 473 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 311 ff.; Johnson, RIDP 67, 1996, 219 f.; Boot, Nullum Crimen, S. 243; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1996, S. 508 f.; Interim Report of the Commission of Experts, UN-DOC. S/1994/1125, 01.10.1994, Para. 108–118; Akhavan, AJIL 90, 1996, S. 503; Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 578; Prosecutor v. Rutaganda, ICTR-96-3-T, 06.12.1999, Para. 67 f.; Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 203; Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 124. Siehe auch die ausführliche Darstellung des Vertrags- und Völkergewohnheitsrechts, das bereits bei der Errichtung des JStGH für die Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit keinen Nexus mehr zu einem bewaffneten Konflikt verlangte: OboteOdora, The Judging of War Criminals, S. 249 ff. 479 A. A.: Ahlbrecht, Geschichte, S. 312; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1996, S. 508 f., welche bemängeln, dass der Sicherheitsrat sich nicht auf eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Frieden berufen habe. Johnson, RIDP 67, 1996, 220, geht davon aus, dass zwar die Voraussetzung eines bewaffneten Konflikts in den Verbrechen gegen die Menschlichkeit im RStGH-Statut nicht ausdrücklich erwähnt wurde, aber immer noch eine objektive Strafbarkeitsbedingung des Tatbestands sei, weil eine Unterscheidung in einen internationalen oder internen Konflikt in Ruanda nicht – wie im gemischten Konflikt in Jugoslawien – notwendig gewesen sei. Für den Konflikt in Ruanda stand fest, dass dieser ein rein Interner war. Eine andere Absicht des Sicherheitsrates, Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch ohne das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts für anwendbar zu erklären, sei nicht zu erkennen. Die h. M. (siehe die übrigen Zitate der Fn. 469) geht allerdings schlicht vom Wortlaut der Vorschrift und der völkergewohnheitsrechtlichen Entwicklung wie sie die Berufungskammer in Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 141, aufgezeigt hatte, aus. Danach war ein Nexus zu einem bewaffneten Konflikt nicht mehr erforderlich.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Einzeltaten ist identisch mit der des Jugoslawienstatuts. Vergewaltigung ist ausdrücklich gemäß Art. 3 g) RStGH-Statut ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Auffangtatbestand der „anderen unmenschlichen Handlungen“ muss nicht mehr bemüht werden, um die Vergewaltigung zu erfassen. Art. 4 erteilt die Strafverfolgungsbefugnis für Verstöße gegen den gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen und gegen deren Zusatzprotokoll II. Aus juristischer Sicht ist er der gewagteste Tatbestand des Statuts. Er legt zum ersten Mal in der Geschichte schriftlich einen Tatbestand von sog. „Bürgerkriegsverbrechen“ fest.480 Das Internationale Gericht für Ruanda ist befugt, Personen strafrechtlich zu verfolgen, die schwere Verstöße gegen den gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutze der Kriegsopfer oder gegen deren Zusatzprotokoll II vom 8. Juni 1977 begehen oder anordnen. Hierzu gehören, ohne dass dies eine erschöpfende Aufzählung wäre, die folgenden Verstöße: a) Angriffe auf das Leben, die Gesundheit oder das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, insbesondere vorsätzliche Tötung sowie grausame Behandlung wie Folter, Verstümmelung und jede Art der körperlichen Züchtigung; ... e) Beeinträchtigung der persönlichen Würde; insbesondere entwürdigende und erniedrigende Behandlung, Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und unzüchtige Handlung jeder Art; ... h) Androhung einer der genannten Handlungen.

Der Wortlaut ist identisch mit Art. 4 Abs. 2 Zusatzprotokoll II. Da Art. 4 Abs. 2 eine Konkretisierung der Verstöße des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen darstellt, sind auch die Tathandlungen des Art. 3 in der Statutenliste enthalten. Die Vergewaltigung ist ausdrücklich nach Art. 4 e) RStGH-Statut verboten. Sie wurde in die Gruppe der Ehrverletzungsdelikte eingeordnet, womit ihr gewalttätiger Charakter nicht angemessen in der Vorschrift reflektiert wird. Zusätzlich besteht aber die Möglichkeit, die Vergewaltigung als Körperverletzung nach Art. 4 a) zu verfolgen. Da eine Vergewaltigung zu schweren körperlichen Verletzungen und zu meist lebenslangen seelischen Störungen führt, stellt sie durchaus einen Angriff auf die Gesundheit und das körperliche oder seelische Wohlbefinden von Personen dar. Auch kann die Vergewaltigung – wie die Urteile des JStGH zeigen – zur Folter eingesetzt werden.481 480 Vgl. oben Fn. 460, wonach es bisher die Konzeption von Kriegsverbrechen im internen Konflikt nicht gab. Eine Vorschrift, die die Zuständigkeit für Kriegsverbrechen im internationalen Konflikt erklärt, fehlt gänzlich im RStGH-Statut, weil der Konflikt in Ruanda eindeutig einen nicht-internationalen Charakter besaß. 481 Siehe auch die obigen Auslegungen des gemeinsamen Art. 3 GA und des Art. 4 Abs. 2 ZP II, die ergeben hatten, dass Vergewaltigung im internen Konflikt verboten war.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Dadurch, dass Art. 4 RStGH-Statut auf die Anwendung des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls II verweist, werden auch deren weitere Voraussetzungen zu Tatbestandsmerkmalen des Art. 4 RStGH-Statut. Danach ist ein Zusammenhang zu einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt Voraussetzung des Rahmentatbestands. Spannungen und innere Unruhen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder ähnliche Handlungen fallen nicht unter den Begriff des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts, Art. 1 Abs. 2 Zusatzprotokoll II. Opfer der Tat können gemäß Art. 3 Genfer Abkommen, Art. 2 Abs. 1 und 4 Abs. 1 des Zusatzprotokolls II alle Personen sein, die nicht mehr aktiv an Feindseligkeiten teilnehmen. Täter kann jedermann sein, weil die Genfer Abkommen und Protokolle den Täterkreis nicht beschränken.482 Ebenso wie das JStGH-Statut soll das RStGH-Statut lediglich Völkergewohnheitsrecht deklarieren, um nicht gegen das Rückwirkungsverbot zu verstoßen und um nicht die Kompetenzen des Sicherheitsrates zu überschreiten. Es bestehen aber Bedenken, ob die in Art. 4 RStGH-Statut normierten Straftaten zuvor eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung erfahren hatten. Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung des Zusatzprotokolls II war Anfang der 1990iger Jahre noch umstritten. Außerdem sehen die Bestimmungen des gemeinsamen Art. 3 Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls II keine Strafbarkeit vor. Eine solche konnte sich daher nur aus Völkergewohnheitsrecht ergeben. Das Völkergewohnheitsrecht sah für die Verbotsnormen für den internen bewaffneten Konflikt aber keine Strafbarkeit vor.483 Erst mit der Errichtung des Ruanda-Tribunals und der Rechtsprechung beider Tribunale vollzog sich diesbezüglich eine Änderung des Völkergewohnheitsrechts. Wenn aber erst 1994 ein Wandel des Völkergewohnheitsrechts eintrat, bedeutet dies, dass das Ruanda-Statut nicht bestehendes Völkergewohnheitsrecht deklariert, sondern sich herauskristallisierendes Recht, also „lex ferenda“ normiert hat. Art. 4 RStGH-Statut könnte damit gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen und dem Sicherheitsrat könnte der Vorwurf der Anmaßung einer ihm nicht zustehenden Gesetzgebungskompetenz treffen. Man könnte allerdings argumentieren, dass Ruanda die Vorschriften des Genfer Rechts ratifiziert hatte und dass die in Art. 4 Abs. 2 Zusatzprotokoll II verbotenen Handlungen nach staatlichem Recht strafbar waren; damit verletzte die Bestrafung nach Art. 4 RStGH-Statut nicht die Rechte des Täters, weil er von der staatlichen Strafbarkeit der normierten Taten vor der Tatbegehung wusste oder von ihr hätte wissen müssen. Nach dieser Argumentation beruht die Bestrafung jedoch nicht auf Völkerstrafrecht, sondern auf nationalem Strafrecht, weil die individuelle Strafbarkeit erst durch die Umsetzung des Zusatzprotokolls II in

482 Siehe zu den Voraussetzungen des Rahmenverbrechens: Boed, CLF 13, 2002, S. 305 ff. m.w. N. in der Rspr.; Ambos, in: Hasse/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, S. 338 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 316; Cryer, ICL, S. 236 ff. 483 Siehe oben die Behandlung des Art. 3 JStGH-Statut und speziell Fn. 460.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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staatliches Strafrecht angeordnet wurde. Dieses Ergebnis widerspräche der erklärten Absicht des Sicherheitsrates, Verbrechen im internen bewaffneten Konflikt nach Völkerstrafrecht zu inkriminieren.484 Die individuelle Strafbarkeit ergibt sich aus Art. 6 des Statuts: Wer ein in den Artikeln 2 bis 4 dieses Statuts genannten Verbrechen geplant, angeordnet, begangen oder dazu angestiftet hat oder auf andere Weise zur Planung, Vorbereitung oder Ausführung des Verbrechens Beihilfe geleistet hat, ist für das Verbrechen individuell verantwortlich. Die amtliche Stellung eines Beschuldigten, ob als Staats- oder Regierungschef oder als Verantwortlicher Amtsträger der Regierung, enthebt den Betreffenden nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und führt auch nicht zur Strafmilderung. Die Tatsache, dass eine der in den Artikeln 2–4 dieses Statuts genannten Handlungen von einem Untergebenen begangen wurde, enthebt dessen Vorgesetzten nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, sofern dieser wusste oder hätte wissen müssen, dass der Untergebene im Begriff war, eine gesetzte Handlung zu begehen oder eine solche begangen hatte und der Vorgesetzte nicht die erforderlichen und angemessenen Maßnahmen ergriffen hat, um die Handlung zu verhindern oder die Täter zu bestrafen. 484 Selbst der Generalsekretär bestätigte, dass der Sicherheitsrat in die Zuständigkeit des RStGH internationale Instrumente eingebracht habe, „regardless of whether they were considered part of customary international law or whether they have customarily entailed individual criminal responsibility of the perpetrator of the crime. Art. 4 of the statute, accordingly, includes violations of Additional Protocol II . . . and for the first time criminalizes common article 3“. Report of the Secretary-General, UN-DOC. S/ 1995/134, Para. 12; Ahlbrecht, Geschichte, S. 319 ff.; Obote-Odora, The Judging of War Criminals, S. 297; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1996, S. 510; Akhavan, AJIL 90, 1996, S. 503 f.; Johnson, RIDP 67, 1996, 217, 221 f.; Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 489; Roggemann, Strafgerichtshöfe, S. 166; Boed, CLF 13, 2002, S. 303 f.; Boot, Nullum Crimen, S. 244 ff.; Morris/Scharf, ICTR, S. 127–131. A. A.: Die Rechtsprechung des Ruanda-Tribunals übernahm teilweise die Argumentation der Berufungskammer im Fall Tadic´, dass sowohl Art. 3 GA und Art. 4 Abs. 2 ZP II Völkergewohnheitsrecht darstellen und eine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit nach Völkergewohnheitsrecht begründen. Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot sei zusätzlich auszuschließen, weil Ruanda die Genfer Konventionen und das Zusatzprotokoll II ratifiziert hatte und die in Art. 4 RStGH-Statut aufgelisteten Verbrechen bereits Straftaten nach ruandischen Recht gewesen waren. Damit behauptet das Gericht zwar Völkergewohnheitsrecht anzuwenden, machte aber mit der Berufung auf Konventionsrecht und staatliches Strafrecht deutlich, dass es ebenfalls Zweifel an der völkergewohnheitsrechtlichen Strafbarkeit des Art. 3 GA und 4 Abs. 2 Zusatzprotokoll II hatte. Vgl. Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 608–617; Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 156–157; Prosecutor v. Rutaganda, ICTR-96-3-T, 06.12.1999, Para. 86–90; Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 237–242; Prosecutor v. Bagilishema, ICTR-95-1A-T, 07.06.2001, Para. 98. Meron, AJIL 89, 1995, S. 561, 566 ff., sieht ebenfalls keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, weil Ruanda die fraglichen Völkerverträge ratifiziert hatte und die in Art. 4 aufgelisteten Verbrechen nach ruandischen Recht strafbar gewesen waren. Ferner: Greenwood, EJIL 7, 1996, S. 280 f.; Gasser, HuV 1993, S. 61; Ambos, in: Hasse/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, S. 343 f., gibt nur die Rechtsprechung der Tribunale zu Art. 4 RStGH-Statut ohne eigene Stellungnahme wieder.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Die Tatsache, dass ein Angeklagter auf Anordnung einer Regierung oder eines Vorgesetzten gehandelt hat, enthebt den Betreffenden nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, sie kann jedoch strafmildernd berücksichtigt werden, wenn dies nach Feststellung des internationalen Gerichts für Ruanda aus Billigkeitserwägungen geboten ist.

ff) Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 Am 17.06.1998 wurde das „Statut des Internationalen Strafgerichtshofs“ (IStGH-Statut) auf einer internationalen Staatenkonferenz in Rom unter der Leitung der Vereinten Nationen angenommen.485 120 Staaten stimmten für das Statut, während 7 Staaten486 dagegen votierten und 21 Staaten sich ihrer Stimme enthielten. Das Statut trat am 01.07.2002 in Kraft, wofür gemäß Art. 126 IStGHStatut 60 Ratifikationen vorliegen mussten. Inzwischen wurde das Statut von 121 Staaten ratifiziert.487 Dem Vertragswerk des IStGH gehören mehr als zwei Drittel der VN-Mitgliedsstaaten an; die Rechtsgrundlage unterliegt – im Gegensatz zu den Ad-hoc-Tribunalen – keinen rechtlichen Bedenken.488 Gemäß Art. 11 IStGH-Statut ist der IStGH nur zur Verfolgung von Straftaten zuständig, die nach Inkrafttreten des Statuts begangen werden.489 Deshalb musste sich das Statut nicht zwingend auf eine Deklaration völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Strafnormen beschränken.490 Sachlich zuständig491 ist der IStGH gemäß Art. 5 485 UN-DOC. A/Conf.183/9, 1998; BGBl. 2002 II, 1393; abgedr. in: Ahlbrecht, Geschichte, Anhang VII, S. 425 ff.; Ambos, AT, Anhang B X, S. 902 ff., Auszüge in Englisch/Französisch/Spanisch/Deutsch; Werle, Völkerstrafrecht, Anhang 1 A, S. 544 ff., Auszug in Englisch/Deutsch; ferner einsehbar unter: http://untreaty.un.org/English/not publ/rome-en.htm. 486 Aufgrund der ablehnenden Stellungnahmen ist zu vermuten, dass die 7 Gegenstimmen von den USA, China, Israel, Irak, Libyen, Katar und Jemen stammten. Vgl. Ambos, NJW 1998, S. 3743; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 65. Der stärkste Widersacher des Römischen Statuts sind die USA. Sie verhindern die automatische Strafverfolgung nach dem Tatortprinzip, indem sie inzwischen mindestens 65 Nichtauslieferungsabkommen mit meist wirtschaftlich von ihnen abhängigen Staaten geschlossen haben, die eine Auslieferung US-amerikanischer Staatsbürger an den IStGH unterbinden sollen. Siehe dazu: Cryer, ICL, S. 142 ff.; Gerding, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 279 ff., der die Einstellung der USA im Detail wiedergibt. 487 Ratifikationsstand einsehbar auf: www.icc.org. 488 Dem IMG-Statut ist vorzuwerfen, dass es zwar auf einem Völkervertrag beruhte, aber nicht von dem betroffenen Deutschland ratifiziert worden war. Das IMGFO kann zwar auf einen völkerrechtlichen Vertrag zurückgeführt werden, dem Japan unter der Bedrohung eines weiteren Atombombenabwurfs zugestimmt hatte. Der Militärgerichtshof war aber letztlich durch einen einseitigen Militärakt einberufen worden. Der JStGH und der RStGH waren durch Resolutionen des Sicherheitsrates nach Kapitel VII VNCharta installiert worden, obwohl eine solche juristische Zwangsmaßnahme des Sicherheitsrats bisher nicht bekannt gewesen war. 489 Bei Staaten, die erst nach dem Inkrafttreten des Statuts diesem beigetreten sind, ist der Zeitpunkt des Beitritts entscheidend. 490 Vgl. Boot, Nullum Crimen, S. 370 ff.; Ahlbrecht, Geschichte, S. 360; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 151–154; Clark, in: Politi/Nesi, The Rome Statute, S. 79. Das Sta-

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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für die schwersten Verbrechen, die die internationale Staatengemeinschaft als Gesamtheit betreffen: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression.492 Die Straftatbestände sind in den Art. 6–8 IStGH-Statut enthalten. tut deklariert hauptsächlich Völkergewohnheitsrecht, teilweise bleibt es hinter dem Völkergewohnheitsrecht zurück und manchmal es geht darüber hinaus und schafft neues Recht. 491 Siehe zur örtlichen Zuständigkeit oben 3. Kapitel I. 2. b). 492 Das Verbrechen des Angriffskriegs war zwar 1998 ins Statut aufgenommen worden, allerdings fehlte es noch an einer Definition, Art. 5 Abs. 2, 121, 123 IStGH-Statut a. F. (Satzger, Internationales Strafrecht, § 13, Rn. 8; Cryer, ICL, S. 125; 262 ff.). 2010 einigten sich die Staaten auf einer Konferenz in Kampala auf eine Ergänzung des IStGH-Statut samt seiner Verbrechenselemente (siehe: Element 8 bis EOC). Gemäß Art. 8 bis handelt es sich um das Verbrechen der Aggression, wenn ein Staat Streitkräfte gegen einen anderen Staat ohne die Rechtfertigung der Selbstverteidigung oder der Autorisation des VN-Sicherheitsrates einsetzt. Die individuelle Handlung der Aggression kann durch eine Person in einer Führungsposition mittels Planung, Vorbereitung, Anstiftung oder Ausführung begangen werden. Die Tathandlung muss eine Verletzung der VN-Charta darstellen. Das Gericht erhält erst 2017 eine Zuständigkeit zur Strafverfolgung, wenn die Vertragsstaaten diese aktivieren. Auszug aus dem IStGHStatut: Article 8 bis Crime of aggression 1. For the purpose of this Statute, „crime of aggression“ means the planning, preparation, initiation or execution, by a person in a position effectively to exercise control over or to direct the political or military action of a State, of an act of aggression which, by its character, gravity and scale, constitutes a manifest violation of the Charter of the United Nations. 2. For the purpose of paragraph 1, „act of aggression“ means the use of armed force by a State against the sovereignty, territorial integrity or political independence of another State, or in any other manner inconsistent with the Charter of the United Nations. Any of the following acts, regardless of a declaration of war, shall, in accordance with United Nations General Assembly resolution 3314 (XXIX) of 14 December 1974, qualify as an act of aggression: (a) The invasion or attack by the armed forces of a State of the territory of another State, or any military occupation, however temporary, resulting from such invasion or attack, or any annexation by the use of force of the territory of another State or part thereof; (b) Bombardment by the armed forces of a State against the territory of another State or the use of any weapons by a State against the territory of another State; (c) The blockade of the ports or coasts of a State by the armed forces of another State; (d) An attack by the armed forces of a State on the land, sea or air forces, or marine and air fleets of another State; (e) The use of armed forces of one State which are within the territory of another State with the agreement of the receiving State, in contravention of the conditions provided for in the agreement or any extension of their presence in such territory beyond the termination of the agreement; (f) The action of a State in allowing its territory, which it has placed at the disposal of another State, to be used by that other State for perpetrating an act of aggression against a third State; (g) The sending by or on behalf of a State of armed bands, groups, irregulars or mercenaries, which carry out acts of armed force against another State of such gravity as to amount to the acts listed above, or its substantial involvement therein.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs stellt den Höhepunkt in der Entwicklung des Völkerstrafrechts dar. Es vereint die Errichtung eines permaArticle 15 bis Exercise of jurisdiction over the crime of aggression (State referral, proprio motu) 1. The Court may exercise jurisdiction over the crime of aggression in accordance with article 13, paragraphs (a) and (c), subject to the provisions of this article. 2. The Court may exercise jurisdiction only with respect to crimes of aggression committed one year after the ratification or acceptance of the amendments by thirty States Parties. 3. The Court shall exercise jurisdiction over the crime of aggression in accordance with this article, subject to a decision to be taken after 1 January 2017 by the same majority of States Parties as is required for the adoption of an amendment to the Statute. 4. The Court may, in accordance with article 12, exercise jurisdiction over a crime of aggression, arising from an act of aggression committed by a State Party, unless that State Party has previously declared that it does not accept such jurisdiction by lodging a declaration with the Registrar. The withdrawal of such a declaration may be effected at any time and shall be considered by the State Party within three years. 5. In respect of a State that is not a party to this Statute, the Court shall not exercise its jurisdiction over the crime of aggression when committed by that State’s nationals or on its territory. 6. Where the Prosecutor concludes that there is a reasonable basis to proceed with an investigation in respect of a crime of aggression, he or she shall first ascertain whether the Security Council has made a determination of an act of aggression committed by the State concerned. The Prosecutor shall notify the Secretary-General of the United Nations of the situation before the Court, including any relevant information and documents. 7. Where the Security Council has made such a determination, the Prosecutor may proceed with the investigation in respect of a crime of aggression. 8. Where no such determination is made within six months after the date of notification, the Prosecutor may proceed with the investigation in respect of a crime of aggression, provided that the Pre-Trial Division has authorized the commencement of the investigation in respect of a crime of aggression in accordance with the procedure contained in article 15, and the Security Council has not decided otherwise in accordance with article16. 9. A determination of an act of aggression by an organ outside the Court shall be without prejudice to the Court’s own findings under this Statute. 10. This article is without prejudice to the provisions relating to the exercise of jurisdiction with respect to other crimes referred to in article 5. Article 15 ter Exercise of jurisdiction over the crime of aggression (Security Council referral) 1. The Court may exercise jurisdiction over the crime of aggression in accordance with article 13, paragraph (b), subject to the provisions of this article. 2. The Court may exercise jurisdiction only with respect to crimes of aggression committed one year after the ratification or acceptance of the amendments by thirty States Parties. 3. The Court shall exercise jurisdiction over the crime of aggression in accordance with this article, subject to a decision to be taken after 1 January 2017 by the same majority of States Parties as is required for the adoption of an amendment to the Statute. 4. A determination of an act of aggression by an organ outside the Court shall be without prejudice to the Court’s own findings under this Statute.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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nenten internationalen Strafgerichtshofs sowie die Schaffung eines völkerstrafrechtlichen Verfahrensrechts und eines ausformulierten materiellen Völkerstrafrechts in einer multilateralen Konvention.493 Man kann annehmen, dass der ma-

5. This article is without prejudice to the provisions relating to the exercise of jurisdiction with respect to other crimes referred to in article 5. Vergleiche dazu: www.icc-cpi.int; www.iccnow.org; Resolution RC/Res.6, 11.06.2010; Kreß/von Holtzendorff, JICJ 8, 2010, S. 1179 ff. 493 Viele Versuche, seit Anfang des 20. Jahrhunderts einen internationalen Strafgerichtshof zu errichten, haben den Weg zur Annahme des heutigen IStGH-Statuts geebnet. Es kann hier allerdings keine Darstellung der Arbeiten der VN und einzelner Völkerrechtler zur Errichtung eines IStGH geleistet werden. Auch können die konkreten Verhandlungen auf der Staatenkonferenz, die zur Annahme des IStGH-Statuts führten, nicht erörtert werden. Es kann insofern nur auf das umfangreiche Schrifttum verwiesen werden. Es sei hier zusammenfassend auf die wichtigsten Stationen in der Entwicklung hingewiesen: die nicht in Kraft getretene Konvention des Völkerbunds zur Errichtung eines internationalen Strafgerichtshofs vom 16.11.1937; der Entwurf eines IStGH-Statuts des Unterausschusses des Rechtsauschusses der GV von 1951; der überarbeitete Entwurf von 1954; der Entwurf der Völkerrechtskommission von 1994; der Bericht des Ad-hoc-Ausschusses der GV von 1995; der Alternativvorschlag der AIDP, des Internationalen Instituts für Strafrechtswissenschaft in Syrakus und des Max-Planck-Instituts zum Entwurf der Völkerrechtskommission von 1994, der sog. „Syrakus-Entwurf“ von 1995 und dessen verbesserte Version von 1996; der Bericht des Vorbereitungsausschusses 1996 für die Staatenkonferenz; der vorläufige sog. Zupthen-Entwurf von Jan. 1998; die endgültige Textfassung des E-IStGH-Statuts von 1998, die als Basis für die in Rom abgehaltene Staatenkonferenz diente. Die von den Vereinten Nationen einberufene Staatenkonferenz 1998 führte schließlich durch ein Mehrheitsvotum zur Annahme des IStGH-Statuts. Vgl. dazu: Ahlbrecht, Geschichte, S. 138 ff., 335 ff.; Triffterer, ICC-Commentary; Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary; Kim, ICC-Commentary, S. 3 ff.; Sadat, ICC; Boot, Nullum Crimen, S. 29 ff., 329 ff.; Schabas, Introduction to the ICC, S. 1 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 56 ff.; Sadat Wexler, Observations; Politi/Nesi, The Rome Statute; Zimmermann, ZaöRV 58, 1998, S. 47 ff.; Tomuschat, Die Friedenswarte 73, 1998, S. 335 ff.; Ambos, NJW 1998, S. 3734 ff.; Hall, AJIL 91, 1997, S. 177 ff.; Hall, AJIL 92, 1998, S. 124 ff.; Hall, AJIL 92, 1998, S. 331 ff.; Hall, AJIL 92, 1998, S. 548 ff.; Kirsch/Holmes, AJIL 93, 1999, S. 2 ff.; Arsanjani, AJIL 93, 1999, S. 22 ff.; Satzger, Internationales Strafrecht, § 12; Bantekas/Nash, ICL, S. 535 ff.; Cryer, ICL, S. 119 ff. Eng mit der Entwicklung des IStGH-Statuts hinsichtlich der Straftatbestände sind auch die materiell-rechtlichen Arbeiten der ILC an einem Strafgesetzbuch für Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit verbunden. Der erste Entwurf wurde 1954 vorlegt. Da sich die Staaten nicht auf eine Definition der Aggression einigen konnten, ließ die Generalversammlung den Entwurf ruhen. Erst in den 1980iger Jahren nahm die ILC ihre Arbeiten an einem Völkerstrafgesetzbuch wieder auf und verabschiedete 1991 einen zweiten Kodifikationsentwurf. Dieser enthielt 12 Straftatbestände. Nach den eingegangenen Stellungnahmen der Staaten überarbeitete die ILC ihren Entwurf und kürzte ihn im letzten Kodifikationsentwurf von 1996 auf 5 Verbrechen herunter. Bis heute ist es zu keiner Annahme dieses Entwurfs durch die Generalversammlung gekommen. Grund dafür ist, dass die Annahme des Statuts für den IStGH den Entwurf eines Völkerstrafgesetzbuches in den Hintergrund verdrängt hat. Das IStGH-Statut enthält zum einen die Kernverbrechen des Völkerstrafrechts, zum anderen weist das Völkerstrafgesetzbuch viele Lücken auf. Das Resümee ist, dass die 50-jährigen Bemühungen der ILC ins Leere gelaufen sind. Auch wenn wie Ahlbrecht betont

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

teriell-rechtliche Inhalt des Statuts bald zu Völkergewohnheitsrecht werden wird.494 Für die Auslegung von Vorschriften völkerrechtlicher Verträge stehen grundsätzlich neben dem Text des Vertrags die Vorbereitungsarbeiten, die Äußerungen von Staatendelegierten und das bereits bestehende Verständnis von Tatbestandselementen im Gewohnheits- und Vertragsrecht zur Verfügung. Im Fall des IStGH-Statut wurde dem Gericht eine zusätzliche Auslegungshilfe bereitgestellt: die „Elements of Crimes“ (EOC). Dieses Dokument listet die einzelnen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale hinsichtlich jeder Einzeltat der Rahmenverbrechen nach Art. 6–8 IStGH-Statut auf. Sie wurden von einer Vorbereitungskommission („Prep Com“) entwickelt, um gemäß Art. 9 IStGH-Statut dem Gericht bei der Interpretation und Rechtsanwendung seiner Strafbestimmungen behilflich zu sein.495 Die Intention der Staatsdelegierten war es, die oft noch zu neben dem IStGH-Statut noch weiter Regelungsbedarf besteht und die Zielrichtung eines Völkerstrafgesetzbuches darin besteht, eine harmonische und dogmatisch vertretbare Kodifizierung des Völkergewohnheitsrechts (insbesondere des Allgemeinen Teils) zu schaffen, so kann trotzdem dem Entwurf von 1996 keine große Bedeutung mehr zugemessen werden. Denn sollte die Generalversammlung die Aufnahme der Arbeiten an einem Völkerstrafgesetzbuch erneut befürworten, so müssten die Straftatbestände und sonstigen materiellen Bestimmungen des IStGH-Statut aufgrund ihrer völkergewohnheitsrechtlichen Bedeutung im weiten Maße Berücksichtigung finden. Ferner müssten neue Kodifikationen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte in einen Entwurf eingebracht werden, was zu einem ganz anderen Völkerstrafgesetzbuch führen würde als nach dem Entwurf von 1996. Mit anderen Worten, die ILC müsste unabhängig vom 1996iger Entwurf die Kodifizierung des Völkergewohnheitsrechts betreiben. Siehe: Ahlbrecht, Geschichte, S. 135 ff., 211 ff., 335 ff.; Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 293 ff.; Allain/Jones, EJIL 8, 1997, S. 100 ff.; Ortega, MPYUNL 1, 1997, S. 283 ff.; Bassiouni, Commentaries on the 1991 Draft, S. 233 ff. 494 Vgl. Ahlbrecht, Geschichte, S. 361, 365; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 55, 71 f. 495 Auf der diplomatischen Konferenz wurde in der Resolution F als Annex zum „Final Act“ beschlossen, eine Vorbereitungskommission einzusetzen, um Vorschläge zu praktischen Übereinkommen wie die EOC und die Prozessvorschriften ausarbeiten zu lassen. Diese Vorschläge müssen, um wirksam zu werden, von einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Staatenversammlung angenommen werden. Die EOC wurden in der ersten Sitzung im August 2002 von der Staatenversammlung angenommen (ICCASP/1/Res.12). Vgl. Triffterer, in: FS für Roxin, S. 1415; zur Entstehungsgeschichte der EOC: Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 3 ff.; von Hebel/Kelt, YIHL 3, 2000, S. 273 ff.; Hall, AJIL 92, 1998, S. 551. Art. 9 IStGH-Statut: (1) Die „Verbrechenselemente“ helfen dem Gerichtshof bei der Auslegung und Anwendung der Artikel 6, 7, und 8. Sie werden von den Mitgliedern der Versammlung der Vertragsstaaten mit Zweidrittelmehrheit angenommen. (2) Änderungen der „Verbrechenselemente“ können vorgeschlagen werden von a) jedem Vertragsstaat; b) den Richtern mit absoluter Mehrheit; c) dem Ankläger. Diese Änderungen werden von den Mitgliedern der Versammlung der Vertragsstaaten mit Zweidrittelmehrheit angenommen.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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vage erscheinenden Tatbestände des Statuts auszufüllen, wozu auf der Staatenkonferenz keine Zeit mehr war. Die EOC sind nach zumindest der herrschenden Lehre keine verbindliche Rechtsquelle für den Strafgerichtshof. Sollten die Verbrechenselemente dem Statut widersprechen, geht das Statut vor.496 Dies ergibt sich neben dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 IStGH-Statut daraus, dass die Verbre(3) Die „Verbrechenselemente“ und ihre Änderungen müssen mit dem Statut vereinbar sein. Verwirrend ist insofern Art. 21 IStGH-Statut, weil er entgegengesetzt zu Art. 9 IStGHStatut auf einen verbindlichen Status der EOC hindeutet. Art. 21 sieht vor, dass der Gerichtshof an erster Stelle das Statut, die EOC und die Prozessvorschriften (RPE) anwenden soll. Damit werden das Statut, die EOC und die RPE als gleichwertige Rechtsquellen angegeben. 496 Vgl. auch: UN-DOC. A/CONF.183/C.1/L.69; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/ Lüder, International and National Prosecution, S. 59 ff.; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 7 ff.; Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOC-Commentary, S. 8; von Hebel/Kelt, YIHL 3, 2000, S. 274 f.; Triffterer, in: FS für Roxin, S. 1428 ff.; Clark, CLF 12, 2001, S. 320 ff.; Möller, Sexuelle Gewalt im Krieg, in: Hasse/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, S. 296; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 77; Burkhardt, Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 7; offengelassen: Halley, MJIL 30, 2008, S. 47, 115 f.; a. A.: Decision of Confirmation of Charges, Lubanga PTC I, ICC 01/04-01/06, 29.01.2007: Die Vorverfahrenskammer stellte fest, dass Element 3 zu Art. 8 (2) (b) (xxvi) IStGH-Statut einen geringeren Vorsatzstandard vorschreibt („the perpetrator knew or should have known“) als das Statut in seiner allgemeinen Regel des Art. 30 IStGH-Stauts, welche einen direkten Vorsatz („with intent and knowledge“) verlangt. In der Einführung zu den EOC unter Nr. 2 ist festgelegt, dass subjektive Tatbestandsmerkmale in den EOC der allgemeinen Vorsatzregelung gem. Art. 30 IStGH-Statut vorgehen, aber nur wenn sie auf dem Statut basieren („based on the Statute“). Die Kammer hätte die Basis für die weitergehende Strafbarkeit entweder nach dem Statutstext oder aber auf der Grundlage von allgemeinverbindlichen Völkergewohnheitsrecht (Art. 21 (2) IStGH-Statut) nachweisen müssen. Da es weder im Statut noch im Völkergewohnheitsrecht eine Grundlage für einen weiteren Vorsatzstandard bei der Rekrutierung von Kindersoldaten gibt, hat die Kammer durch die Anwendung der Vorsatzregelung des Elements 3 den EOC den gleichen Status wie dem Statut selbst eingeräumt. Siehe zur Kritik an dieser IStGH-Entscheidung: Weigend, JICJ 6, 2008, S. 472 ff., der es ablehnt, den EOC selbst die Entscheidung über ihre Anwendungsreichweite zu überlassen und bezweifelt, dass die EOC tatsächlich zur Klarstellung des anzuwendenden materiellen Rechts beitragen werden. Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 79 weist ebenfalls auf den Widerspruch zwischen den EOC und dem Statutstext hin. Siehe ferner: Kreß, JICJ 7, 2009, S. 302, der davor warnt, im Einzelfall zu schnell einen Konflikt zwischen den Definitionen des Statuts und der EOC zu unterstellen, weil das Ziel der EOC war, die anerkannten Statutentatbestände lediglich klarer zu fassen, um somit dem Gericht in der Auslegung der Statutentatbestände behilflich zu sein. Die EOC sollten vorerst als Wiedergabe des Konsensus der Internationalen Gemeinschaft über den Inhalt eines Statutentatbestands angesehen werden. Meist liegen die Unterschiede in der Ausformulierung eines Tatbestands und nicht im Grundverständnis über dessen materiellen Inhalt. Letzten Endes hat die Hauptverfahrenskammer einen direkten Vorsatz zweiten Grades gemäß Art. 30 IStGH-Statut zur Anwendung gebracht, ohne jedoch abstrakt zu entscheiden, ob es den EOC gestattet ist, vom Statutentext abzuweichen. Die Staatsanwaltschaft hatte nämlich nicht auf die Verurteilung der Angeklagten nach einem geringen Vorsatzstandard („should have known“) bestanden, Prosecutor v. Lubanga, ICC-01/04– 01/06, 14.03.1012, Para. 1007–1018, 1015.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

chenselemente erst zwei Jahre nach Annahme des Statuts von der Vorbereitungskommission erstellt wurden, die Delegierten auf der Staatenkonferenz, welche die verbindlichen Definitionen der Verbrechen im Statut ausgearbeitet hatten, bereits 1998 wissen mussten, was sie unter den Tatbestandselementen verstanden. Das Verständnis der Delegierten bei den Vertragsverhandlungen 1998 konnte logischerweise nur aus dem derzeitigen Gewohnheits- und Vertragsrechts herrühren. Insofern sind die EOC mit Bedacht anzuwenden. Sie können zwar bei der Auslegung dienlich sein, sie sind aber stets mit dem Statutentext sowie dem damaligen Gewohnheits- und Vertragsrechts des humanitären Völkerrechts abzugleichen. Im Einzelfall obliegt den Richtern die Aufgabe, die Vereinbarkeit der EOC mit dem Statutentext festzustellen.497 Art. 6 IStGH-Statut normiert den Völkermord: Im Sinne dieses Statuts bedeutet „Völkermord“ jede der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören: a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe; b) Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe; c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.498

Da der Inhalt des Tatbestands mit den Tatbeständen in Art. 2 Völkermordkonvention, Art. 4 Abs. 2 JStGH-Statut und Art. 2 Abs. 2 RStGH-Statut übereinstimmt, kann auf die obige Auslegung der Tatbestände sowie auf die Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale verwiesen werden.499 Hier sollen nur die neuen 497 Vgl. auch: Sadat, ICC, S. 140; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 77 ff., der auf Abweichungen in den EOC zum Völkermord hinweist. Grewal, JICJ 10, 2012, S. 376, weist ebenfalls auf die Mehrdeutigkeit der EOC zur Vergewaltigung hin und bezweifelt eine klarstellende Wirkung auf die Rechtsanwendung. Siehe auch: Halley, MJIL 30, 2008, S. 41, 47, 115 m.w. N. Es bestand eine Tendenz von NGO’s, das existierende Völkerstrafrecht in der „Prep Com“ I fortzuentwickeln, anstatt existierendes Völkerstrafrecht wiederzugeben. 498 Lediglich Art. 3 der Völkermordkonvention zu den Beteiligungsformen wurde nicht übernommen, weil ein Widerspruch zu den allgemeinen Regel des Statuts, hier Art. 25, vermieden werden sollte. 499 Es bestand schnell Einigkeit unter den Staatsdelegierten, dass der Tatbestand der Völkermordkonvention unverändert in das IStGH-Statut übernommen werden sollte. Vgl. dazu: Lee-Oosterveld, EOC-Commentary, S. 41 f.; Hall, AJIL 91, 1997, S. 180; Hall, AJIL 92, 1998, S. 126. Ebenso hatten beide Kodifikationsentwürfe von 1991 und 1996 den Tatbestand der Völkermordkonvention annektiert. Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 302; Allain/Jones, EJIL 8, 1997, S. 109 ff.; Bassiouni, Commentaries

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Beiträge zum IStGH-Statut präsentiert werden. Es interessiert wieder nur die Frage, ob Vergewaltigung in den Einzeltaten des Völkermordtatbestands enthalten ist.500 Zur Einzeltat der „Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe“ nach Buchstabe b) lässt sich lediglich eine Diskussion zum Merkmal des „seelischen Schadens“ finden. Das Vorbereitungskomitee hatte in einer Fußnote zu dieser Vorschrift im Statutenentwurf festgehalten, dass „seelischer Schaden“ so zu verstehen sei, dass er mehr als nur eine geringe oder vorübergehende Beeinträchtigung der Geisteskräfte sei.501 Diese Formulierung erinnert an die enge Auslegung des Tatbestands vor Abschluss der Völkermordkonvention. Damals wurde dem seelischen Schaden nicht die gleiche Bedeutung beigemessen wie dem körperlichen Schaden, weil aufgrund eines Vorschlags der Volksrepublik China bei den Delegierten teilweise die Vorstellung bestand, dass der seelische Schaden eine körperlich feststellbare permanente Beeinträchtigung der Geisteskräfte sein müsse, etwa nach der Verabreichung von Drogen.502 Dagegen nahm der RStGH an, dass weder ein körperlicher noch ein seelischer Schaden dauerhaft oder irreversibel sein müsse.503 Das Gericht verlangte auch nicht, dass sich der seelische Schaden körperlich manifestiert haben müsse. Es erkannte folglich eine Vergewaltigung unabhängig von körperlichen Symptomen als seelischen Schaden nach Art. 2 Abs. 2 b) RStGH an. Gerade die Verletzung der Psyche durch die Vergewaltigung ist ein wesentlicher Faktor bei der Zerstörung des Opfers und seiner Bevölkerungsgruppe, und rechtfertigt daher eine Verurteilung nach dieser Alternative, auch wenn meist die Möglichkeit

on the 1991 Draft, S. 233 ff. Miller, Penn.St.L.R. 108, 2003, S. 371 f. kritisiert, dass die Vertragsstaaten keinen Versuch unternommen haben, die Wortwahl der Konvention insoweit zu verändern, dass Vergewaltigung ausdrücklich als eine Tathandlung des Völkermords aufgeführt wird. 500 Zu den übrigen Tatbestandselementen des Völkermords siehe: Schabas, Introduction to the ICC, S. 91 ff.; Triffterer-Schabas, ICC-Commentary, Art. 6 Rn. 1 ff.; Kim, ICC-Commentary, S. 67 ff.; Boot, Nullum Crimen, S. 401; Byron, in: McGoldrick/ Rowe/Donnelly, ICC, S. 143 ff.; Sadat, ICC, S. 141 ff.; von Hebel/Kelt, YIHL 3, 2000, S. 273–288; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 650 ff.; Cryer, ICL, S. 174 ff.; Kreß, ICLR 6, 2006, S. 461–502; Kreß, JICJ 7, 2009, S. 297–306 zur Absicht. 501 UN-DOC. A/AC.249/1998/CRP.8, S. 2; zit. in: Schabas, Genocide, S. 184; Triffterer-Schabas, ICC-Commentary, Art. 6 Rn. 18; Hall, AJIL 92, 1998, S. 126, der in Fn. 11 darauf hinweist, dass diese Erklärung des seelischen Schadens nicht so restriktiv zu verstehen ist wie seinerzeit in der Völkermordkonvention. Ebenso: MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 51. 502 So auch die Auslegung der USA bei der Ratifikation der Völkermordkonvention 1988: „,mental harm‘ means the permanent impairment of mental faculties through drugs, torture or similar techniques“. Einsehbar auf der Website: www.icrc.org. 503 MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 50 kritisiert zu Recht, die zu vage Formulierung des Ruanda-Tribunals in Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 504, wonach der körperliche oder seelische Schaden jede unmenschliche oder unwürdige Handlung erfassen solle.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

besteht, die Vergewaltigung als Verursachung schweren körperlichen Schadens zu bewerten. Die Vorbereitungskommission zu den EOC ist dem weiten Ansatz des RStGH bei der Definition der körperlichen und seelischen Schadensverursachung gefolgt. In einer Fußnote der EOC zu Art. 6 b) IStGH-Statut wird erklärt, dass Folter, Vergewaltigung und sexuelle Gewalt sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung körperlichen und seelischen Schaden verursachen können.504 Daraus ist zu entnehmen, dass die EOC dem Begriff „seelischer Schaden“ eigenständige Bedeutung beimessen, insofern als der seelische Schaden nicht an körperliche Auswirkungen gebunden ist, sondern Beeinträchtigungen der Psyche durch erlittene Traumata erfasst. Dies bedeutet zum einen, dass auch Vergewaltigungen, die keine erheblichen körperlichen Spuren beim Opfer hinterlassen, unter die Tathandlung b) als seelische Schadenszufügung subsumiert werden können.505 Zum anderen bedeutet die Gleichstellung der seelischen mit körperlichen Schäden, dass beide Schäden gleichermaßen zerstörerische Auswirkungen auf eine Gruppe haben und, dass Verletzungen, die sowohl zu körperlichen als auch zu seelischen Schäden führen – wie dies grundsätzlich bei Vergewaltigungen der Fall ist – erst recht unter diese Tatalternative fallen müssen. Da im Entwurf des Statuts nicht ganz eindeutig war, ob an einer restriktiven Auslegung des Begriffs „seelischer Schaden“ festgehalten oder nur unerhebliche seelische Beeinträchtigung ausgeschlossen werden sollten,506 kommt der Erläuterung des seelischen Schadens in

504 Elements of Crimes, Art. 6 b), Ziff. 1, Fn. 3; zit. in: Lee, EOC-Commentary, S. 50; Kim, ICC-Commentary, S. 74; Boot, Nullum Crimen, S. 445; Schabas, Genocide, S. 188; Schabas, Introduction to the ICC, S. 98; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 68; Pilch, in: Totten, Plight and Fate of Women, S. 173 f. Das Fußnotensystem zu den EOC ersetzte den Vorschlag Frankreichs einen Kommentar zu den Verbrechenselementen zu entwerfen. Der Kommentar sollte die Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale zu den einzelnen Elementen wiedergeben. Speziell die Fn. 3 wurde auf das Drängen der NGO Women’s Caucus for Gender Justice aufgenommen. „Suggestions for the Elements Annex (Part I) Genocide: Sexual Violence as Acts of Genocide“, unterbreitet der „Prep Com“ Tagung vom 16.–26.2. 1999, einsehbar auf der Website: www.iccwomen.org/icc/. Siehe auch: Grewal, JICJ 10, 2012, S. 376, die auf den beträchtlichen Einfluss des Women’s Caucus for Gender Justice und der Rechtsprechung der beiden Ad-hoc-Tribunale auf die Ausformulierung der EOC hinweist. 505 Dass eine Vergewaltigung (aus diskriminierenden Gründen) keine schweren körperlichen Verletzungen verursacht, ist, wenn man sich die Beschreibungen des 2. Kapitels vor Augen hält, kaum vorstellbar. Allerdings könnten körperliche Verletzungen schneller ausgeheilt sein als seelische Traumata, so dass hier die Gleichstellung der beiden Schäden eine Beweiserleichterung bringen könnte. 506 Die „Kommissions-Fußnote“ spricht von „mehr als vorübergehenden Schäden“. Damit ist nicht gesagt, dass die Schäden dauerhaft sein müssen. MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 51, interpretiert die Entwurfs-Fußnote so, dass bloß vorübergehende Beeinträchtigungen des seelischen Gleichgewichts nicht ausreichen, sondern dass es auf eine erhebliche und anhaltende Schädigung ankomme.

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der EOC-Fußnote 3 eine streitentscheidende Funktion zu. Da die Vergewaltigung dort ausdrücklich erwähnt wird und da die Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale die Verursachung rein seelischer Schäden für den Tatbestand des Völkermords genügen lässt, erscheint heute eine restriktive Auslegung des Begriffs „seelischer Schaden“ nicht mehr vertretbar.507 Hinsichtlich der dritten Einzeltat des Völkermords nach Buchstabe c) ergibt sich weder eine Neuerung in der Auslegung durch die Entwürfe des Vorbereitungskomitees noch durch die Verbrechenselemente. Die EOC haben sich an der Rechtsprechung des RStGH orientiert, wenn sie in der Fußnote 4 bestimmen, dass unter dem Begriff „Lebensbedingungen“ die vorsätzliche Entziehung von für das Überleben unentbehrlichen Mitteln zu verstehen ist wie z. B. Nahrung oder medizinische Versorgung oder die systematische Vertreibung aus Heimen.508 Trotz der Rechtsprechung des RStGH509 und des Vorschlags der Women’s Caucus for Gender Justice510 wurde diesmal die Vergewaltigung und sexuelle Gewalt nicht ausdrücklich als Tathandlung in die Fußnote 4 der EOC aufgenommen. Allerdings handelt es sich nur um die wichtigsten, nicht abschließenden Beispiele von Lebensbedingungen, die die Vernichtung einer Bevölkerungsgruppe verursachen können. Daher wurde die Vergewaltigung als Tathandlung nach c) nicht zwingend ausgeschlossen. Denn konstante Vergewaltigungen an ihren Mitgliedern können der Gruppe den Überlebenswillen nehmen. Wenn Frauen nicht ihre Aufgaben innerhalb der Familie, geschweige denn im Berufsleben wahrnehmen können, scheitern menschliche Beziehungen, welche für ein Überleben der Gruppe notwendig sind. Besonders in einer muslimischen oder patriarchalischen Gesellschaft führen Vergewaltigungen zu einer faktischen Geschlechtertrennung, weil die betroffenen Mädchen und Frauen nicht mehr heiratsfähig sind, was wie-

507 So auch: Schabas, Genocide, S. 161 ff.; Triffterer-Schabas, ICC-Commentary, Art. 6 Rn. 19; Schabas, Introduction to the ICC, S. 98; Kim, ICC-Commentary, S. 71, 74; Byron, in: McGoldrick/Rowe/Donnelly, ICC, S. 168 f.; Boot, Nullum Crimen, S. 444 f.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 687 ff.; Sadat, ICC, S. 143 f., Fn. 74, 75; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 68; Boon, CHRLR 32, 2001, S. 635 f.; Satzger, Internationales Strafrecht, § 15, Rn. 20; Kittichaisaree, International Criminal Law, S. 78. 508 Elements of Crimes, Art. 6 c), Ziff. 4 Fn. 4, abgedr. in: Lee, EOC-Commentary, S. 51: „The term ,conditions of life‘ may include, but is not necessarily restricted to, deliberate deprivation of resources indispensable for survival, such as food or medical services, or systematic expulsion from homes.“ Diese Kommentierung der Tathandlung in einer Fußnote wurde anstelle eines Kommentars zu den EOC, den Frankreich vorgeschlagen hatte, gewählt, um so die Rechtsprechung des RStGH einzubringen. Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 68. 509 Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 116. 510 „Suggestions for the Elements Annex (Part I) Genocide: Sexual Violence as Acts of Genocide“, 16.–26.2.1999 Prep Com, einsehbar auf der Website: www.iccwomen. org/icc/.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

derum Lebensbedingungen schafft, die auf die Zerstörung einer Gesellschaft ausgerichtet sind.511 Ferner bestätigen die EOC die frühere Auslegung, dass allein schon die Auferlegung der Lebensbedingungen zur Vollendung der Tat genügt. Eine tatsächliche Zerstörung einer Gruppe muss nicht eintreten. Ein US-Vorschlag zu den EOC wurde nämlich mit der Begründung abgelehnt, dass er über den Wortlaut des Statuts hinausgehe, wenn er verlange, dass „the conditions of life contributed to the physical destruction.“ 512 Im Ergebnis ist diese Einzeltat mit der Völkermordkonvention und der Rechtsprechung des RStGH so auszulegen, dass alle Maßnahmen unter c) fallen können, die den „langsamen Tod“ bringen. Hierzu gehören etwa der Entzug von Nahrung, Kleidung, Hygiene, Unterkunft, medizinische Versorgung sowie die Auferlegung exzessiver Arbeit, körperlicher Anstrengung, Deportationen und Massenvergewaltigungen. Die Einzeltat nach Art. 6 d) IStGH-Statut, „Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind“, erfährt ebenfalls keine ergänzende Auslegung. Ob Vergewaltigung als eine mögliche Einzeltat nach Art. 6 d) in Betracht kommt, lässt sich nicht anhand der Vorbereitungsarbeiten zum Statut oder der EOC klären, so dass hier auf die Auslegung der Ad-hoc-Tribunale zurückzugreifen ist. Danach war eine Vergewaltigung als „geburtenverhindernde Maßnahme“ in zwei Fällen anzunehmen: Zum einen war dieser Tatbestand erfüllt, wenn sich in patriarchalischen Gesellschaften die Zugehörigkeit eines Kindes zu einer Gruppe nach der Identität des Vaters richtet und das Opfer vorsätzlich vom Feind durch Vergewaltigung geschwängert wurde, damit es kein Kind der eigenen Gruppe zur Welt bringt (erzwungene Schwangerschaft). Gleiches gilt für den Fall, dass das Opfer durch die Vergewaltigung so traumatisiert wurde, dass es sich fortan weigert, sexuellen Kontakt zu haben.513 Sowohl die Statuts- als auch die EOC-Verhandlungen zeigen, dass es für die Tatvollendung ausreicht, wenn die Maßnahme zur Geburtenverhinderung verhängt wurde. Auf einen Erfolg der Geburtenverhinderung kommt es nicht an, denn die Delegierten hatten sich gegen eine solche Interpretation entschieden.514 511 So die Argumentation der Women’s Caucus for Gender Justice; Byron, in: McGoldrick/Rowe/Donnelly, ICC, S. 170 f.; Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 587; Schabas, Genocide, S. 195. 512 Vgl. dazu: Lee, EOC-Commentary, S. 52; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 68; Cryer, ICL, S. 175. 513 Triffterer-Schabas, ICC-Commentary, Art. 6 Rn. 22; Byron, in: McGoldrick/ Rowe/Donnelly, ICC, S. 172 f.; Satzger, Internationales Strafrecht, § 15, Rn. 22; Kittichaisaree, International Criminal Law, S. 81. 514 Bereits während der Verhandlungen des Vorbereitungskomitees wurde ein solches Erfolgserfordernis abgelehnt. Vgl. Byron, in: McGoldrick/Rowe/Donnelly, ICC, S. 173. Während der Verhandlungen zu den EOC hatten die USA vorgeschlagen, einen Erfolgs-

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Dafür wird an die subjektive Voraussetzung eine höhere Anforderung gestellt als nach Art. 30 IStGH-Statut. Die Geburtenverhinderung muss beabsichtigt sein. Damit kann durchaus eine Vergewaltigung unter die Tatalternative d) fallen, wenn der Täter bezweckte, dass das Vergewaltigungsopfer entweder körperlich oder seelisch nicht mehr in der Lage ist, Kinder (der eigenen Gruppe) zu zeugen.515 Durch das IStGH-Statut ändert sich das Ergebnis, dass Vergewaltigung unter die Einzeltaten b)–d) des Völkermordtatbestands subsumiert werden kann, nicht.516 Allerdings haben die EOC zu einer expliziten Erwähnung der Vergewaltigung nach der Einzeltat b) geführt, und damit jeden Zweifel behoben, dass auch die Vergewaltigung Völkermord darstellen kann. Jedoch wurden keine Aussagen zu der Vergewaltigung nach den anderen Einzeltaten c) und d) gemacht, was darauf hindeuten kann, dass dieser Interpretation der Ad-hoc-Tribunale nicht gefolgt werden sollte. Dies lässt sich im Hinblick auf die Tat nach c) damit erklären, dass es in der Praxis wenig Sinn machen wird, eine Vergewaltigung, die bereits als eine physische Zerstörung der Gruppe nach b) anerkannt ist, unter die Tatalternative c) zu subsumieren, welche Handlungen kriminalisiert, die unterhalb der Schwelle einer tatsächlichen Zerstörung liegen. Ziel der drei ersten Tatalternativen a)–c) ist es den physischen Völkermord zu erfassen. Der Unterschied zwischen ihnen ist ein gradueller. Die beiden ersten Alternativen müssen zu einem Erfolg der Zerstörung des Lebens bzw. des Körpers zumindest eines Gruppenmitglieds führen, während die Auferlegung von Maßnahmen erst auf lange Sicht zur physischen Zerstörung der Gruppe führen kann, ohne aber jemals einen Erfolg erbringen zu müssen. Insofern wurde nach der Tatalternative c) nur die konkrete Gefährdung der Zerstörung einer Gruppe unter Strafe gestellt. Da die Vergewaltigung bereits unter den spezielleren Erfolgstatbestand b) fällt, besteht kein Bedürfnis diese ebenfalls nach dem Gefährdungstatbestand c) zu behandeln. Das gleiche Argument gilt eigentlich auch für die Tatalternative d), die an keinen Erfolg der Zerstörung bzw. Geburtenverhinderung eines Gruppenmitglieds

eintritt der Geburtenverhinderung zu verlangen. Vgl. Lee, EOC-Commentary, S. 53; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 69; Schabas, Genocide, S. 198. 515 Schabas, Genocide, S. 200; siehe auch die Argumentation Bosnien-Herzegowinas: Genocide Case, (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro), ICJ 91, 2007, Para. 355 ff., welcher das Gericht allerdings aufgrund unzureichender Beweise nicht folgte. 516 Die allgemeine Einführung zu den EOC äußert sich zu den Überschneidungen der einzelnen Verbrechen und betont in Punkt 9, dass eine Handlung durchaus mehrere Verbrechenstatbestände erfüllen kann. Es stellt also nach dem Statut kein Problem dar, dass eine Vergewaltigung nach mehreren Tatbeständen verurteilt wird. Siehe dazu: Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOC-Commentary, S. 10, 14.

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anknüpft. Allerdings bezweckt die Tathandlung d) den biologischen Völkermord zu unterbinden; insofern ist die Schutzrichtung eine andere. Nicht die körperliche Integrität des Opfers als Mitglied der Gruppe, sondern dessen biologische Fähigkeiten, sich fortzupflanzen und damit die Gruppe für die Zukunft zu erhalten, sollen bewahrt werden. Es lässt sich daher eine parallele Anklage wegen Vergewaltigung nach Art. 6 b) und d) rechtfertigen, wenn der Täter durch die Vergewaltigung (auch) die Geburtenverhinderung erreichen wollte, weil durch die Vergewaltigung dann der aktuelle Bestand der Gruppe sowie der zukünftige Bestand (durch den unterbleibenden Nachwuchs) dieser Gruppe angegriffen worden wäre. Praktisch ist zu erwarten, dass es wohl kaum zu einer Strafverfolgung der Vergewaltigung nach dem Tatbestand d) kommen wird. Denn die erforderliche Absicht, die Fortpflanzungsfähigkeiten einer Gruppe einschränken zu wollen, stellt zu den sowohl nach der Tatalternative b) als auch nach der Alternative d) ein zusätzliches, schwer nachweisbares Erfordernis dar. Art. 7 definiert den Straftatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie folgt: (1) Im Sinne dieses Statuts bedeutet „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ jede der folgenden Handlungen, die im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen wird: a) vorsätzliche Tötung; b) Ausrottung; c) Versklavung; d) Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung; e) Freiheitsentzug oder sonstige schwerwiegende Beraubung der körperlichen Freiheit unter Verstoß gegen die Grundregeln des Völkerrechts; f) Folter; g) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere; h) Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, Gründen des Geschlechts im Sinne des Absatzes 3 oder aus anderen nach dem Völkerrecht universell als unzulässig anerkannten Gründen im Zusammenhang mit einer in diesem Absatz genannten Handlungen oder einem der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen; i) zwangsweises Verschwindenlassen von Personen; j) das Verbrechen der Apartheid; k) andere unmenschliche Handlungen ähnlicher Art, mit denen vorsätzlich große Leiden oder eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der geistigen oder körperlichen Gesundheit verursacht werden.

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(2) Im Sinne des Absatzes 1 a) bedeutet „Angriff gegen die Zivilbevölkerung“ eine Verhaltensweise, die mit der mehrfachen Begehung der in Absatz 1 genannten Handlungen gegen eine Zivilbevölkerung verbunden ist, in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation, die einen solchen Angriff zum Ziel hat; b) umfasst „Ausrottung“ die vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen – unter anderem das Vorenthalten des Zugangs zu Nahrungsmitteln und Medikamenten –, die geeignet sind, die Vernichtung eines Teiles der Bevölkerung herbeizuführen; c) bedeutet „Versklavung“ die Ausübung aller oder einzelner mit einem Eigentumsrecht an einer Person verbundenen Befugnisse und umfasst die Ausübung dieser Befugnisse im Rahmen des Handels mit Menschen, insbesondere mit Frauen und Kindern; d) bedeutet „Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung“ die erzwungene, völkerrechtlich unzulässige Verbringung der betroffenen Personen durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen aus dem Gebiet, in dem sie sich rechtmäßig aufhalten; e) bedeutet „Folter“, dass einer im Gewahrsam oder unter der Kontrolle des Beschuldigten befindlichen Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden; Folter umfasst jedoch nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind; f) bedeutet „erzwungene Schwangerschaft“ die rechtswidrige Gefangenhaltung einer zwangsweise geschwängerten Frau in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen oder andere schwere Verstöße gegen das Völkerrecht zu begehen. Diese Begriffsbestimmung ist nicht so auszulegen, als berühre sie innerstaatliche Gesetze in Bezug auf Schwangerschaft; g) bedeutet „Verfolgung“ den Völkerrechtswidrigen, vorsätzlichen und schwerwiegenden Entzug von Grundrechten wegen der Identität einer Gruppe oder Gemeinschaft; h) bedeutet „Verbrechen gegen die Apartheid“ unmenschliche Handlungen ähnlicher Art wie die in Absatz 1 genannten, die von einer rassischen Gruppe im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten; i) bedeutet „zwangsweises Verschwindenlassen von Personen“ die Festnahme, den Entzug der Freiheit oder die Entführung von Personen durch einen Staat oder eine politische Organisation oder mit Ermächtigung, Unterstützung oder Duldung des Staates oder der Organisation, gefolgt von der Weigerung, diese Freiheitsberaubung anzuerkennen oder Auskunft über das Schicksal oder den Verbleib dieser Personen zu erteilen, in der Absicht, sie für längere Zeit dem Schutz des Gesetzes zu entziehen. (3) Im Sinne dieses Statuts bezieht sich der Ausdruck „Geschlecht“ auf beide Geschlechter, das männliche und das weibliche, im gesellschaftlichen Zusammenhang. Er hat keine andere als die vorgenannte Bedeutung.

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Zwar entstammt der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit den vorherigen Definitionen in Art. 6 c) IMG-Statut, Art. 5 c) IMGFO, Art. 5 JStGH-Statut und Art. 3 RStGH-Statut. Die demgegenüber veränderte Struktur legt indes die Absicht nahe, der Judikative so wenig Spielraum wie möglich bei der Interpretation dieses Straftatbestands zu überlassen.517 Zum einen wurde die Liste der Einzeltaten um weitere Taten518 ergänzt und die bereits früher enthaltenen Einzeltaten wurden in ihrem Umfang519 weiter präzisiert. Zum anderen wurde ein neuer Absatz mit Legaldefinition zu einzelnen Tatbestandsmerkmalen eingeführt, Art. 7 Abs. 2 IStGH-Statut. Die Definitionen zu den Tatbestandsmerkmalen in den EOC tragen zu weiterer Präzision bei. Besonders deutlich wird das hohe Maß an Bestimmtheit in Art. 7 Abs. 1 g) IStGH-Statut, welcher hier alle denkbaren Formen sexueller Gewalt bündelt. Danach ist nicht nur die Vergewaltigung ausdrücklich verboten. Erstmals werden auch die sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere als Einzeltaten des Verbrechens gegen die Menschlichkeit aufgeführt.520 Damit bedarf es nicht mehr der – in der Praxis häufig ignorierten 517 Bantekas/Nash, ICL, S. 134 ff.; Lee-Robinson, EOC-Commentary, S. 57 ff. weist darauf hin, dass gerade bei der Definition der Verbrechen gegen die Menschlichkeit so viel Wert auf Präzision gelegt wurde, weil viele Staaten befürchteten, dass diese Verbrechenskategorie in ihre Staatssouveränität eingreifen könnte (Abtreibungsgesetze, Behandlung von Frauen nach staatlichem Recht), weil die Anwendungsschwelle dieser Verbrechenskategorie niedriger liegt als bei den anderen Verbrechen des IStGH. So ist die Anwendungsschwelle der Kriegsverbrechen durch das Erfordernis des bewaffneten Konflikts erhöht und beim Völkermord durch die völkermörderische Absicht. Um dieser Befürchtung entgegenzutreten, wurden zusätzliche Definitionen eingebracht, die eine missbräuchliche Anwendung des Verbrechens ausschließen sollten. 518 Neu hinzugekommen sind die Einzeltaten des „Verschwindenlassens von Personen“ und der „Apartheid“. 519 Die Deportation wurde um die „zwangsweise Verschickung“ erweitert. Der Straftat der Vergewaltigung wurden weitere Formen sexueller Gewalt hinzugefügt. Die Verfolgung ist jetzt auch aus nationalen, ethnischen, kulturellen, geschlechtlichen oder anderen völkerrechtlich unerlaubten Gründen strafbar, allerdings nicht mehr eigenständig, sondern nur noch, wenn sie mit einem anderen Verbrechen des Statuts begangen wird. Die „anderen unmenschlichen Handlungen“ wurden als Auffangklausel beibehalten, aber mit einer Definition konkretisiert worden, wonach die fragliche Handlung eine schwere Körperverletzung hervorrufen muss. 520 Der Entwurf des Völkerstrafgesetzbuchs von 1991 enthielt nicht das Rahmenverbrechen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern gab dieser Kategorie den Titel „Systematische oder massenhafte Verletzungen der Menschenrechte“. Darin enthalten war nicht einmal die Vergewaltigung, geschweige denn, eine Erwähnung anderer Formen sexueller Gewalt. Vielmehr beschränkte sich dieser Tatbestand auf eher pauschale Taten wie Mord, Folter, Versklavung, Verfolgung und Deportation. Der Entwurf von 1996 hingegen enthielt in Art. 18 j) die Aufzählung der Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und andere Formen sexueller Gewalt als eigene Kategorie der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Siehe den Entwurfstext in: Bassiouni, in: Bassiouni, ICL I, 1999, S. 309; Bassiouni, Commentaries on the 1991 Draft, S. 249.

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– Interpretation, diese Sexualstraftaten unter dem Auffangtatbestand der anderen unmenschlichen Handlungen (bzw. unter Versklavung) zu interpretieren. Art. 7 Abs. 1 g) IStGH-Statut verlangt nun eindeutig deren strafrechtliche Verfolgung.521 In den EOC wurden erstmalig die Vergewaltigung sowie die anderen Sexualverbrechen in einem völkerrechtlichen Dokument definiert.522 Hinsichtlich der Merkmale des Rahmenverbrechens ist insbesondere auffällig, dass das Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht mehr an einen bewaffneten Konflikt gebunden ist. Genauso wie der Völkermord ist das Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem IStGH-Statut auch im Frieden verboten. Die Abgrenzung zu gewöhnlichen staatlichen Verbrechen erfolgt durch die Kriterien der Massenhaftigkeit oder Systematik des Angriffs gegen die Zivilbevölkerung. Diese Entwicklung wurde bereits durch die Rechtsprechung des Jugoslawientribunals und das RStGH-Statut eingeleitet. 523 Diese positive Entwicklung wurde allerdings durch die Legaldefinition des Angriffs gegen die Zivilbevölkerung in Art. 7 Abs. 2 a) IStGH-Statut wieder beschränkt. Diese Bestimmung führte ein neues Tatbestandsmerkmal („in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation, die einen solchen Angriff zum Ziel hat“) für die Definition der Menschlichkeitsverbrechen ein.524 Das sog. „Politikele521 Die ausgeweitete Statutendefinition zu den Sexualtaten ist der Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale sowie der Sachkenntnis der NGO Women’s Caucus for Gender Justice zu verdanken. Vgl. Lee-La Haye, EOC-Commentary, S. 186; McCormack, in: McGoldrick/Rowe/Donnelly, ICC, S. 195; zu den einzelnen Sexualtaten: TrifftererBoot/Hall, ICC-Commentary, Art. 7, Rn. 41 ff.; Kim, ICC-Commentary, S. 90 ff.; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 80 ff.; Cryer, ICL, S. 200, der darauf hinweist, dass nun explizit Sexualstraftaten unter Strafe gestellt wurden, die bereits zuvor unter dem Auffangtatbestand „unmenschliche Handlungen“ erfasst worden waren. Es handelt sich insofern nicht um die Statuierung neuen Rechts, sondern lediglich um eine klarere Tatbestandsformulierung. 522 Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung wurden in den EOC sowohl für das Verbrechen gegen die Menschlichkeit als auch für die Kriegsverbrechen im internationalen und internen bewaffneten Konflikt identisch formuliert. Es soll an dieser Stelle aber nicht auf die Vergewaltigungsdefinition in den EOC eingegangen werden, weil die Tatbestandsfassung Gegenstand des 4. Kapitels ist. Die EOC werden nur berücksichtigt, wenn sie dazu beitragen, herauszufinden, ob Vergewaltigung nach einer der genannten Einzeltaten des IStGH-Statuts verboten ist. Da die Vergewaltigung bereits nach Art. 7 IStGH-Statut ausdrücklich verboten ist, bedarf es nicht der Auslegungshilfe der EOC. 523 Diese Loslösung von einem bewaffneten Konflikt war weder vom JStGH noch vom RStGH vollzogen worden. Das JStGH-Statut enthielt noch die Voraussetzung eines internationalen oder internen Konflikts. Das RStGH-Statut hatte zwar auf dieses Erfordernis verzichtet, das Gericht hatte es aber dennoch verlangt, wahrscheinlich um es nicht zu Wertungswidersprüchen vor der gemeinsamen Berufungskammer beider Tribunale kommen zu lassen. Ähnlich: Satzger, Internationales Strafrecht, § 15, Rn. 30; Cryer, ICL, S. 191 ff.; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 12-28. 524 Dieses „Politikelement“ findet sich in keiner früheren Definition der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und entspricht daher nicht dem Stand des Völkergewohnheitsrechts. Die Idee zu dieser Formulierung hat sicherlich der Strafkodex-Entwurf von 1996 gegeben, welcher eine Anstiftung oder Anleitung zur Tat durch eine Regierung,

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

ment“ war der Kompromiss dafür, dass die Kriterien des ausgedehnten und systematischen Angriffs nur alternativ und nicht kumulativ ins Statut aufgenommen worden waren, wie dies viele Delegierte gefordert hatten.525 Damit ist die Vergewaltigung nach Art. 7 Abs. 1 g) verboten, sofern sie in einen ausgedehnten oder systematischen und staatlich/organisatorisch unterstützten Angriff gegen die Zivilbevölkerung eingebettet ist.526 Organisation oder Gruppe verlangte, um so isolierte Gewaltverbrechen von Einzelnen ausschließen zu können. Vgl. dazu: Archbold, International Criminal Courts, Rn. 1240 f.; Kommentar zu Art. 18, Para. 5 Strafkodex 1996. 525 Aufgrund der widersprüchlichen Definitionen der Menschlichkeitsverbrechen in der Vergangenheit kam es zu kontroversen Auffassungen, welche Tatbestandsmerkmale in die Definition aufgenommen werden sollten. Zur Debatte stand nicht nur, einen bewaffneten Konflikt als Gesamttaterfordernis, sondern auch diskriminierende Beweggründe für alle Einzeltaten aufzunehmen. Erneut konnten sich die Befürworter eines kompetenzstarken IStGH durchsetzen, einen solchen Beweggrund allein für die Tat der Verfolgung zur Voraussetzung zu machen. Um so verständlicher wird, dass zur Beschwichtigung der Staaten, die in einer Definition der Verbrechen gegen die Menschlichkeit ohne bewaffneten Konflikt, Diskriminierungsabsicht sowie ohne das kumulative Vorliegen der beiden Kriterien „ausgedehnt und systematisch“ eine zu niedrige Anwendungsschwelle vereinbart sahen, das Politikelement unumgänglich wurde. Insofern ist der erzielte Kompromiss in der Legaldefinition als positiv zu bewerten. Siehe zu den Verhandlungen des Art. 7: Lee-von Hebel/Robinson, EOC-Commentary, S. 79, 96; LeeRobinson, EOC-Commentary, S. 62 ff.; Triffterer-Dixon/Hall, ICC-Commentary, Art. 7, Rn. 3 ff.; McCormack, in: McGoldrick/Rowe/Donnelly, ICC, S. 184 ff.; Schabas, Introduction to the ICC, S. 98 ff.; Boot, Nullum Crimen, S. 477 ff.; Sadat, ICC, S. 148 ff.; Kim, ICC-Commentary, S. 76 ff.; Arsanjani, AJIL 93, 1999, S. 31; ferner zum Vorsatz als subjektive Anwendungsschwelle des Rahmenverbrechens: von Hebel/Kelt, YIHL 3, 2000, S. 284 ff. 526 Streitig ist, welche Auswirkungen die neue Legaldefinition nach Art. 7 Abs. 2 auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Menschlichkeitsverbrechen haben wird. Grundsätzlich war die Involvierung des Staates oder einer Organisation aufgrund einer ausgeführten Politik oder Plans ein Indiz, aber kein Tatbestandsmerkmal für die systematische Tatbegehung gewesen. Die Ad-hoc-Tribunale hatten stets das Tatbestandsmerkmal „systematisch“ als Ausführung der Einzeltaten aufgrund einer Staatspolitik oder eines Plans interpretiert, also die Begriffe „systematisch“ und „Politik“ als Synonym und nicht als zwei getrennte Tatbestandsmerkmale verstanden. (Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1T, 07.05.1997, Para. 648; Nikolic´, Review of the indictment pursuant to Rule 61, IT-942, 20.10.1995, Para. 26; Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 580; Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 124; Prosecutor v. Blaskic´, IT-95-14-T, 03.03.2000, Para. 203 ff.; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1T, 22.02.2001, Para. 432; Prosecutor v. Kupreskic´, IT-95-16-T, 14.01.2000, Para. 551 f.; Prosecutor v. Kordic´, IT-95-14/2-T, 26.02.2001, Para. 182; siehe auch: Boot, Nullum Crimen, S. 480 f.; Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 356 ff., 365 ff.). Es wurde aber bisher beim ausgedehnten Angriff keine direkte Verbindung zu einer Staatspolitik hergestellt, sondern es kam bei dieser Alternative allein auf die Vielzahl der Opfer an. Dadurch, dass das Politikelement auf beide Kriterien Anwendung findet, muss nun auch ein ausgedehnter Angriff gegen die Zivilbevölkerung auf einer Politik eines Staates oder Organisation basieren. Es wird kritisiert, dass dieses „Politikelement“ darauf hinauslaufe, dass im Grunde doch beide Kriterien „ausgedehnt“ und „systematisch“ kumulativ vorliegen müssten. (Boot, Nullum Crimen, S. 481 ff.; Clark, in: Politi/Nesi, The Rome Statute, S. 91; McCormack, in: McGoldrick/Rowe/Donnelly, ICC,

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Art. 8 IStGH-Statut ist die unübersichtlichste Strafbestimmung des Statuts. Er normiert die Kriegsverbrechen nach vier Gruppen: – schwere Verletzungen der Genfer Abkommen in einem internationalen bewaffneten Konflikte; – andere schwere Verletzungen der Gesetze und Bräuche in einem internationalen bewaffneten Konflikte; – schwere Verletzungen des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen in einem internen bewaffneten Konflikt; – andere schwere Verletzungen der Gesetze und Bräuche in einem internen bewaffneten Konflikt. S. 186 ff.; Schabas, Introduction to the ICC, S. 102). Demgegenüber steht die Ansicht, dass die alternativen Tatbestandsmerkmale in Absatz 1 nicht identisch mit den kumulativen Erfordernissen in Absatz 2 seien. Der Begriff „ausgedehnt“ sei nicht mit „mehrfach“ und „systematisch“ nicht mit einer „Politik“ gleichzusetzen. Daher sei mit der Legaldefinition in Absatz 2 auch nicht faktisch ein kumulatives Vorliegen der Kriterien „ausgedehnt und systematisch“ vereinbart worden. Ein ausgedehnter Angriff muss nicht systematisch sein, sondern auf einer gewissen Politik beruhen, ein systematischer Angriff muss nicht massenhaft begangen werden, sondern er muss mit mehrfachen Begehungen von Einzeltaten zusammen fallen. (Lee-von Hebel/Robinson, EOC-Commentary, S. 91 ff.; Lee-Robinson, EOC-Commentary, S. 63 f.). Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 770 ff., wiederum spricht zwar von einer Einschränkung des Tatbestands, geht allerdings davon aus, dass das „Politikelement“ praktisch keine verengende Wirkung auf die Strafbarkeit des Verbrechens haben wird, wenn es in einem weiten Sinne lediglich als „eine Illustration der Gesamttaterfordernisse“ verstanden wird. Trotz einer weiten Auslegung des Politikelements ist nicht zu übersehen, dass durch die Erhebung des Politikelements zum Tatbestandsmerkmal, der Strafbarkeitsnachweis schwieriger ausfallen wird, weil der Ankläger nun eine verbrechensfördernde Politik für jeden Angriff gegen die Zivilbevölkerung nachweisen muss und nicht nur, dass es sich bei den fraglichen Handlungen nicht um isolierte Gewaltakte von Einzelperson handelt. (The South Asia Human Rights Documentation Centre, The North Americans Re-Write Customary Law: An „And“ is still an „And“, position paper, 02.07.1998; Boot, Nullum Crimen, S. 482 f.; McCormack, in: McGoldrick/Rowe/Donnelly, ICC, S. 188). Die Einleitung zu den EOC engt den Tatbestand sogar noch weiter ein, indem sie verlangt, dass der Staat oder die Organisation den Angriff gegen die Zivilbevölkerung „aktiv“ gefördert oder ermutigt haben muss. Diese Formulierung ist auf schwere Kritik in der Literatur gestoßen, weil der Wortlaut des Statuts keine Grundlage für eine solch einschränkende Interpretation bietet. Das Statut spricht lediglich von einer Politik und nicht von einem Staats- bzw. Organisationshandeln. Ein Staat, der vorsätzlich nicht eingreift, um Verbrechen zu verhindern oder zu verfolgen, trägt genauso zur Tatbegehung bei, wie wenn er aktiv die Tat fördert. Gleichzeitig kommentiert die zur Einführung inkonsequente Fußnote 6, dass auch vorsätzliches Unterlassen des Staates ausreicht, wenn dadurch bewusst gewollt war, den Angriff zu ermutigen. Eine vorsätzliche Duldung des Angriffs durch den Staat muss daher genügen. (Vgl. Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 777 m.w. N.; Boot, Nullum Crimen, S. 484; Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICCCommentary, S. 375 f.; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 71 ff.; Sadat, ICC, S. 156 f.; von Hebel/Kelt, YIHL 3, 2000, S. 284 f., will die Entscheidung den Richtern überlassen. Zu dem höchst komplizierten Verhandlungsverlauf in der „Prep Com“, vgl. Lee-Robinson, EOC-Commentary, S. 65 ff.).

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Die für die Vergewaltigung relevanten Passagen des Art. 8 IStGH-Statut lauten: (1) Der Gerichtshof hat Gerichtsbarkeit in Bezug auf Kriegsverbrechen, insbesondere wenn diese als Teil eines Planes oder einer Politik oder als Teil der Begehung solcher Verbrechen in großem Umfang verübt werden. (2) Im Sinne dieses Statuts bedeutet „Kriegsverbrechen“ a) schwere Verletzungen der Genfer Abkommen vom 12. August 1949, nämlich jede der folgenden Handlungen gegen die nach dem jeweiligen Genfer Abkommen geschützten Personen oder Güter: ... ii) Folter oder unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche; iii) vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit; ... b) andere schwere Verstöße gegen die innerhalb des feststehenden Rahmens des Völkerrechts im internationalen bewaffneten Konflikt anwendbaren Gesetze und Gebräuche, nämlich jede der folgenden Handlungen: ... vi)

die Tötung und Verwundung eines die Waffen streckenden oder wehrlosen Kombattanten, der sich auf Gnade oder Ungnade ergeben hat;

... xxi) die Beeinträchtigung der persönlichen Würde, insbesondere eine entwürdigende und erniedrigende Behandlung; xxii) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe f, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt, die ebenfalls eine schwere Verletzung der Genfer Abkommen darstellt; ... c) im Fall eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter hat, schwere Verstöße gegen den gemeinsamen Artikel 3 der vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949, nämlich die Verübung jeder der folgenden Handlungen gegen Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Angehörigen der Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder eine andere Ursache außer Gefecht befindlich sind: i) Angriffe auf Leib und Leben, insbesondere vorsätzliche Tötung jeder Art, Verstümmelung, grausame Behandlung und Folter; ii) die Beeinträchtigung der persönlichen Würde, insbesondere entwürdigende und erniedrigende Behandlung; ... d) Absatz 2 Buchstabe c findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die keinen internationalen Charakter haben, und somit nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche Handlungen;

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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e) andere schwere Verstöße gegen die innerhalb des feststehenden Rahmens des Völkerrechts anwendbaren Gesetze und Gebräuche im bewaffneten Konflikt, der keinen internationalen Charakter hat, nämlich jede der folgenden Handlungen: ... vi) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe f, Zwangssterilisation und jede andere Form sexueller Gewalt, die ebenfalls einen schweren Verstoß gegen den gemeinsamen Artikel 3 der vier Genfer Abkommen darstellt; ... f) Absatz 2 Buchstabe e findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die keinen internationalen Charakter haben, und somit nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche Handlungen. Er findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die im Hoheitsgebiet eines Staates stattfinden, wenn zwischen den staatlichen Behörden und organisierten bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen ein langanhaltender bewaffneter Konflikt besteht. (3) Absatz 2 Buchstaben c und e berührt nicht die Verantwortung einer Regierung, die öffentliche Ordnung im Staat aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen oder die Einheit und territoriale Unversehrtheit des Staates mit allen rechtmäßigen Mitteln zu verteidigen.

Die Vergewaltigung wird in Art. 8 IStGH-Statut von allen vier Gruppen, teilweise sogar mehrfach innerhalb einer Gruppe, erfasst. Art. 8 Abs. 2 a) stellt schlicht die Verbrechensliste der schweren Verletzungen der Genfer Abkommen unter Strafe. Nach Art. 8 Abs. 2 a) ii) und iii) kann die Vergewaltigung eine schwere Verletzung der Genfer Konventionen in Form von Folter527 oder einer unmenschlichen Behandlung sowie einer vorsätzlichen Verursachung großer Leiden oder schweren Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit darstellen.528 527 Die Definition der Folter in den EOC stimmt nicht mit der Legaldefinition der Folter bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit überein, sondern orientiert sich überwiegend an Art. 1 der Folterkonvention von 1984. Danach hat die Misshandlung zu einem bestimmten Zweck zu erfolgen. Die EOC geben eine abschließende Liste von rechtswidrigen Zwecken zu erkennen. Allerdings ist entgegen der Folterkonvention die Involvierung einer Staatsperson nicht erforderlich. Das Zweckelement wurde für notwendig erachtet, um so die Folter von den anderen Tatalternativen des Art. 8 Abs. 2 a) ii) und iii) abzugrenzen. Siehe: Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOC-Commentary, S. 44 ff. mit Darstellung der Definition der Folter in der Rechtsprechung. Dörmann, in: Fischer, International and National Prosecution, 109 ff.; Triffterer-Dörmann, ICC-Commentary, Art. 8, Rn. 20; Boot, Nullum Crimen, S. 584 ff.; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 126 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 1013 ff.; Lee-Robinson, EOC-Commentary, S. 90 ff. 528 Vgl. dazu die Auslegung oben zu den schweren Verletzungen der Genfer Abkommen; ferner Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 392 f.; Triffterer-

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Die unmenschliche Behandlung unterscheidet sich von der Folter nur dadurch, dass der Handlung kein bestimmter Zweck zugrunde liegen muss, hingegen sind die Schwere der Schmerzen und des Leidens beider Taten in den EOC identisch umschrieben. Die Nummer iii) wird nicht mehr in zwei verschiedene Einzeltaten aufgespaltet wie es noch die Kommentatoren der Genfer Abkommen getan hatten, sondern als eine Tat behandelt. Die Tathandlung liegt von der Schwere der Beeinträchtigung geringfügig unterhalb der Folter bzw. unmenschlichen Behandlung. Dies ergibt sich aus der Wortwahl „great“ gegenüber „severe“. Entgegen der Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale erfasst die unmenschliche Behandlung keinen Angriff gegen die Würde eines Menschen, wenn dieser keinen psychischen oder körperlichen Schaden verursacht.529 Damit ist die unmenschliche Behandlung im IStGH-Statut kein Auffangtatbestand innerhalb der schweren Verletzungen. Sie wird mit der Folterhandlung gleichgesetzt. Dies macht insofern Sinn, als dass Folter und unmenschliche Handlung in einer Tatalternative zusammengefasst und nicht in zwei unterschiedlichen Tatalternativen der schweren Verletzungen aufgeführt sind. Auffangtatbestand ist danach eher die Einzeltat der vorsätzlichen Verursachung großer Leiden oder schweren Beeinträchtigung der

Cottier, ICC-Commentary, Art. 8, Rn. 201; Dörmann, in: Fischer, International and National Prosecution, S. 100; Boon, CHRLR 32, 2001, S. 634 f.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 1029 f.; Kittichaisaree, International Criminal Law, S. 147; Dörmann/DoswaldBeck/Kolb, EOC-Commentary, S. 44–70, 76–80, mit Beispielen in der Rechtsprechung, welche Vergewaltigung als Folter bezeichneten: S. 52–55; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 125–132; Kim, ICC-Commentary, S. 115 ff.; Cryer, ICL, S. 244. Vergleiche auch die relevanten Verbrechenselemente, die sich allerdings bis auf den Tatbestand der Folter auf die Wiedergabe des Statutentexts beschränken: Folter: 1. The perpetrator inflicted severe physical or mental pain or suffering upon one or more persons. 2. The perpetrator inflicted the pain or suffering for such purposes as: obtaining information or a confession, punishment, intimidation or coercion or for any reason based on discrimination of any kind. Unmenschliche Behandlung: 1. The perpetrator inflicted severe physical or mental pain or suffering upon one or more persons. Vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schweren Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit: 1. The perpetrator caused great physical or mental pain or suffering to, or serious injury to body or health of, one or more persons. 529 So hatten die Ad-hoc-Tribunale dem Begriff unmenschliche Behandlung einen weiteren Anwendungsbereich als den anderen schweren Verletzungen zugeschrieben. Vgl. Prosecutor v. Delalic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 544; Prosecutor v. Blaskic´, IT95-14-T, 03.03.2000, Para. 155; Prosecutor v. Kordic´, IT-95-14/2-T, 26.02.2001, Para. 245, 256; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 129; Dörmann, in: Fischer, International and National Prosecution, S. 113; Triffterer-Dörmann, ICC-Commentary, Art. 8, Rn. 20. Die Prep Com entschied sich gegen die Aufnahme eines Angriffs auf die menschliche Würde als Verbrechenselement, weil entwürdigende Behandlungen von Art. 8 Abs. 2 b) xxi) hinreichend abgedeckt werden.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit. Die zusätzlichen Voraussetzungen der Folter müssen nicht vorliegen. Die Tathandlung kann weniger schwer wiegen als die der Folter oder unmenschlichen Behandlung. Daraus ergibt sich, dass die Tatalternative iii) hinter der Folter bzw. unmenschlichen Behandlung zurücktritt. Erforderlich für die Anwendbarkeit der schweren Verletzungen ist, dass die Vergewaltigung im internationalen Konflikt begangen wird und, dass das Opfer dem geschützten Personenkreis der vier Genfer Abkommen angehört.530 Täter können Angehörige der Streitkräfte, aber auch Zivilisten sein.531 Die zweite Verbrechenskategorie nach Art. 8 Abs. 2 b) ist ebenfalls auf den internationalen Konflikt anwendbar, greift aber auf die Verbotsvorschriften hauptsächlich aus dem Haager Recht (HLKO) sowie dem Genfer Zusatzprotokoll I zurück.532 Insofern wurde nicht eine konkrete Norm – wie die schweren Verletzungen der Genfer Abkommen in Art. 8 Abs. 2 a) – nach Art. 8 Abs. 2 b) übertragen. Dadurch fehlt es an einer Bestimmung, die den geschützten Personenkreis 530 Geschützte Personen sind nach den Genfer Abkommen kranke, verwundete, schiffsbrüchige oder gefangengenommene Angehörige der Streitkräfte sowie Zivilisten, die sich in der Hand einer Konfliktspartei befinden, derer sie nicht staatsangehörig sind. Vgl. Art. 13, 24, 25, 26, I. GA; Art. 13, 36, 37, II. GA; Art. 4, III. GA; Art. 4, 13, 20, IV. GA. Die Rechtsprechung des JStGH stellte bei der Bestimmung des potentiellen Opfers nach Art. 4, IV. GA nicht mehr auf die Staatsangehörigkeit, sondern vielmehr auf die Kontrolle der Konfliktspartei über die Zivilperson ab, um so auch eigenen Staatsangehörigen der Konfliktspartei den Schutz der schweren Verletzungen zu gewähren. Es bleibt dem IStGH überlassen, ob es der alten Definition in Art. 4, IV. GA oder der modernen Interpretation des JStGH folgt. Jedenfalls ließ sich keine Mehrheit für das Einbringen einer solchen Definition der geschützten Personen nach dem IV. GA in die Verbrechenselemente finden. Die EOC bestimmen lediglich für den subjektiven Tatbestand, dass es ausreicht, wenn der Täter wusste, dass das Opfer einer gegnerischen Seite angehörte. Dagegen musste er nicht wissen, welche Nationalität das Opfer hatte, Fn. 2 zu Element 2 common to all crimes under Art. 8 (2) (a). Vgl. Dörmann/DoswaldBeck/Kolb, EOC-Commentary, S. 28 ff.; Dörmann, in: Fischer, International and National Prosecution, S. 106 ff.; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 117; Boot, Nullum Crimen, S. 560 ff. 531 Seit den Nürnberger Prozessen ist anerkannt, dass die Strafbarkeit für Kriegsverbrechen nicht auf Staatsrepräsentanten und Militärangehörige begrenzt ist, sondern jede natürliche Person zur Verantwortung gezogen werden kann. Verurteilt wurden in der Vergangenheit für Kriegsverbrechen neben Militärangehörigen auch, Regierungsmitglieder und andere Politiker, Richter, Staatsanwälte, Verwaltungsbeamte, Industrielle, Geschäftsleute, Ärzte, Krankenschwestern, KZ-Insassen. Dieser Täterkreis bezieht sich auf das gesamte humanitäre Völkerrecht und ist daher auch allen weiteren Tatbestandsgruppen zu Grunde zu legen. Da jede natürliche Person Täter eines Kriegsverbrechens sein kann, solange der Nexus zum Konflikt besteht, war eine Bemerkung im Statut sowie in den Verbrechenselementen zum potentiellen Täterkreis überflüssig. Zusammenfassend dargestellt in: Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOC-Commentary, S. 34 ff.; S. 391 m.w. N. für den internen Konflikt; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 119; Boot, Nullum Crimen, S. 571 ff. 532 Dörmann, in: Fischer, International and National Prosecution, S. 118; Satzger, Internationales Strafrecht, § 15, Rn. 70 ff.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

festlegt. Der geschützte Personenkreis ist für jede Einzeltat nach Buchstabe b) anhand der ihr im humanitären Völkerrecht zugrundeliegenden Norm zu beurteilen.533 Die genaueste Strafbestimmung für die Vergewaltigung im internationalen bewaffneten Konflikt ist Art. 8 Abs. 2 b) xxii). Die Vergewaltigung sowie alle anderen Sexualstraftaten stellen eine neue Verbrechenskategorie dar, weil sie bisher nicht ausdrücklich als Kriegsverbrechen im internationalen Konflikt normiert waren. Zuvor waren sie entweder implizit oder als Ehrverletzung in den Bestimmungen Art. 46 HLKO, Art. 27 Abs. 2, IV. GA, Art. 75 Abs. 2 b), 76 Abs. 1 Zusatzprotokoll I und Art. 4 Abs. 2 e) Zusatzprotokoll II verboten.534 Dementsprechend sind Personen vor Vergewaltigung geschützt, die dem Schutz der Genfer Abkommen sowie dem Zusatzprotokoll I (nicht aber Zusatzprotokoll II, weil Art. 8 Abs. 2 b) nur auf den internationalen Konflikt anwendbar ist) unterstehen. Insofern ist der Schutz vor Vergewaltigung nach b) xxii) weiter als nach Art. 8 Abs. 2 a) ii) oder iii), weil er auch den geschützten Personenkreis des Zusatzprotokolls I umfasst. Die Definition der Vergewaltigung ist in den Verbrechenselementen enthalten. Die Vergewaltigung wird auch vom Wortlaut des Art. 8 Abs. 2 b) xxi) erfasst, welcher die Beeinträchtigung der Würde eines Menschen unter Strafe stellt. Diese Einzeltat geht auf den gemeinsamen Art. 3 sowie Art. 27 des IV. Genfer Abkommens, Art. 75 Abs. 2 b) Zusatzprotokoll I und Art. 4 Abs. 2 e) Zusatzprotokoll II zurück, Vorschriften, die stets so ausgelegt wurden, dass sie auch die sexuelle Kriminalität miterfassten.535 Der Kern des Verbrechens betrifft den Schutz einer Person vor Erniedrigungen. Nicht notwendig ist daher, dass die erniedrigende Behandlung körperlichen oder seelischen Schaden hervorruft, womit auch Handlungen erfasst werden können, die unterhalb der Schwelle einer Kör533 Dies ergibt sich aus Art. 8 II b): „innerhalb des feststehenden Rahmens des Völkerrechts im internationalen bewaffneten Konflikt“. Auf diesen Rahmen, welcher bestehende Abkommen, Protokolle und Gewohnheitsrecht meint, ist zurückzugreifen, wenn es an einer expliziten Regelung – wie hier zum geschützten Personenkreis – fehlt. Vgl. auch: Boot, Nullum Crimen, S. 564 ff.; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 116. 534 Der Entwurf des Völkerstrafgesetzbuches 1996 wies eine ähnlich umfangreiche Struktur der Kriegsverbrechen wie Art. 8 IStGH-Statut auf und hielt die Trennung zwischen schweren Verletzungen und anderen Verletzungen des Kriegsrechts im internationalen Konflikt sowie Verletzungen des gemeinsamen Art. 3 der GA und anderen Verletzungen des Kriegsrechts im internen Konflikt bei. Der Tatbestand der Beeinträchtigung der persönlichen Würde wurde sowohl im internationalen als auch im internen bewaffneten Konflikt konkretisiert, indem die Sexualverbrechen der Vergewaltigung, Zwangsprostitution und anderer Formen sexueller Gewalt explizit aufgeführt wurden. Damit deutete sich bereits die Herauskristallisierung einer eigenen Verbrechenskategorie der Sexualtaten an, völlig losgelöst von der Beeinträchtigung der persönlichen Würde, wie sie nun in Art. 8 xxii) besteht. Siehe: Bassiouni, in: Bassiouni, ILC I, 1999, S. 310. 535 Triffterer-Viseur-Sellers/Bennion, ICC-Commentary, Art. 8, Rn. 189 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 1035.

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perverletzung liegen.536 Dadurch, dass Nummer xxii) auf den gleichen Vorschriften des Genfer Rechts wie Nummer xxi) beruht, aber nun ausdrücklich bestimmte Sexualdelikte als Kriegsverbrechen nennt, ist sie die speziellere Verbotsnorm der Vergewaltigung und geht der Nummer xxi) vor. Es wurde gerade durch die explizite Auflistung der Sexualdelikte bezweckt, dass eine mühselige Auslegung von Normen, die vornehmlich die Würde eines Menschen schützen, überflüssig und der gewalttätige Aspekt der Handlung hervorgehoben wird.537 Eine weitere Einzeltat nach b) verbietet die Körperverletzung und damit indirekt die Vergewaltigung. Art. 8 Abs. 2 b) vi) schützt außer Gefecht gesetzte Kombattanten vor der Tötung oder der Verwundung. Da eine Vergewaltigung schwere körperliche Verletzungen, also Wunden, nach sich ziehen kann, könnte die Vergewaltigung auch nach dieser Vorschrift an dem entsprechenden Personenkreis im internationalen bewaffneten Konflikt strafbar sein.538 Da die Vergewaltigung aber bereits nach Nummer b) xxii) sowie nach a) ii) und iii) rechtswidrig ist, könnte der Vergewaltigung nach b) vi) nur eine eigenständige Bedeutung zukommen, wenn der Soldat Kampfhandlungen eingestellt hat oder einstellen will bzw. sonst wehrlos ist, bei der Tat aber noch nicht den sicheren Status eines Kriegsgefangenen erlangt hat.539 Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Vergewaltigung weder nach Buchstabe a) ii) oder iii) bzw. nach b) xxii) verurteilt werden kann, weil der Soldat nicht unter den geschützten Personenkreis fällt und daher auf b) vi) zurückgegriffen werden muss, wird in der Praxis wohl nicht vorkommen. Gerade bei der Vergewaltigung, die nicht aus weiter Ferne (wie Waffen) Wunden zufügen kann, ist es unwahrscheinlich, dass vor Tatbegehung nicht der Status eines Kriegsgefangenen feststand. Somit überschneiden sich tatsächlich nur die Verbotsnormen der Vergewaltigung nach Art. 8 Abs. 2 a) ii) und b) xxii). Einer tateinheitlichen Verurteilung steht nichts im Wege, sie war wohl sogar die Intention der Delegierten.540 Grund536 Vgl. Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOC-Commentary, S. 314 ff. mit einer ausführlichen Darstellung der relevanten Rechtsprechung, insbesondere: Prosecutor v. Aleksovski, IT-95-14/1-T, 25.06.1999, Para. 56. EOC zu Art. 8 Abs. 2 b) xxi) -- Beeinträchtigung der persönlichen Würde: 1. The perpetrator humiliated, degraded or otherwise violated the dignity of one or more persons. 2. The severity of the humiliation, degradation or other violation was of such degree as to be generally recognized as an outrage upon personal dignity. 537 Siehe dazu: Hall, AJIL 92, 1998, S. 334; Triffterer-Viseur-Sellers/Bennion, ICCCommentary, Art. 8, Rn. 194–198; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 1034 ff. 538 Die Vorschrift basiert auf Art. 23 c) HLKO und Art. 41 und Art. 85 Abs. 3 e) Zusatzprotokoll I. Vgl. zur Definition von außer Gefecht befindlichen Kombattanten; Triffterer-Cottier, ICC-Commentary, Art. 8, Rn. 64 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 1005 f. 539 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 1060. 540 Zumindest lässt sich aus dem Statutentext die Schlussfolgerung ziehen, dass alle Sexualtaten in Art. 8 Abs. 2 b) xxii) auch schwere Verletzungen bzw. die Sexualtaten in

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

sätzlich kann aber die Strafbestimmung des Art. 8 Abs. 2 b) xxii) als die speziellere Vorschrift angesehen werden, weil sie die Vergewaltigung ausdrücklich nennt, aber auch, weil sie auf dem weiteren Opferschutz (nicht nur gegnerische, sondern alle ausländischen Personen) des Zusatzprotokolls I basiert. Allein der Tatbestand der Folter nach Buchstabe a) ii) wird als eine Steigerung von Misshandlungstatbeständen und damit auch der Vergewaltigung empfunden, weil er taterschwerende Merkmale voraussetzt.541 Wenn also die strengeren Voraussetzungen der Folter (Folterzweck) vorliegen, scheint in solchen Fällen eine tateinheitliche Verurteilung gemäß Art. 8 Abs. 2 a) ii) mit dem Vergewaltigungstatbestand b) xxii) angebracht. Die anderen Tatbestände nach a) ii) und iii) hingegen müssen als subsidiär zu b) xxii) verstanden werden, weil sie neben der Tathandlung (Vergewaltigung) keine zusätzlichen Tatbestandsmerkmale verlangen. Was den internen Konflikt anbelangt, ist die Vergewaltigung gemäß Art. 8 c) i) und ii) implizit aufgelistet. Buchstabe c) ist auf den gemeinsamen Art. 3 der Genfer Konventionen zurückzuführen. Da die Vergewaltigung zum einen zutiefst einen Menschen erniedrigt und entwürdigt, zum anderen gleichfalls einen schweren Eingriff in die körperliche Integrität des Opfers vornimmt, kann die Vergewaltigung sowohl unter einen Angriff auf den Leib, insbesondere unter eine grausame Behandlung und Folter (i), als auch unter der Beeinträchtigung der persönArt. 8 Abs. 2 e) vi) einen ernsten Verstoß gegen den gemeinsamen Art. 3 der GA darstellen. Das Statut definiert in b) xxii) das Verbrechen der sexuellen Gewalt als „jede andere Form sexueller Gewalt, die ebenfalls eine schwere Verletzung der Genfer Abkommen darstellt“. Ein Vorschlag, die Vergewaltigung direkt als eine schwere Verletzung unter Art. 8 Abs. 2 a) ins Statut einzubringen, war abgelehnt worden. Dies hätte zu einer Veränderung der eindeutigsten, völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Vorschrift von Kriegsverbrechen geführt, so dass vorgezogen wurde, den Wortlaut der schweren Verletzungen unverändert zu übernehmen. Stattdessen hatte der Vorschlag, die Sexualdelikte separat unter der Rubrik der ernsten Verletzungen der Kriegsgesetze und -gebräuche zu verbieten, Unterstützung gefunden. Daraufhin wurde der Zusatz „ebenfalls eine schwere Verletzung darstellt“ eingefügt, um meines Erachtens zu betonen, dass die Sexualverbrechen ebenfalls nach Art. 8 Abs. 2 a) verurteilt werden können. Diese Formulierung führte bei den Verhandlungen zu den Verbrechenselementen zur Verwirrung. Besonders die NGO Women’s Caucus vertrat die Ansicht, dass mit dieser Umschreibung das Signal gesetzt werden sollte, dass alle Sexualtaten auch schwere Verletzungen darstellen und als solche angeklagt werden können. Dafür spricht, dass gerade die Formulierung „conduct to amount to one of the specifically listed grave breaches“ in den EOC als zu einschränkend und damit dem Statut widersprechend abgelehnt worden war. Andere Delegierte argumentierten, dass dieser Zusatz allein klarstellen sollte, dass nur die sexuelle Gewalt als Kriegsverbrechen verfolgt werden soll, die eine vergleichbare Schwere mit den schweren Verletzungen aufweise. Schließlich wurde der Kompromiss in Element 2 aufgenommen, dass „the conduct was of a gravity comparable to that of a grave breach of the Geneva Conventions“. Siehe dazu: Hall, AJIL 92, 1998, S. 334; Triffterer-Cottier, ICC-Commentary, Rn. 200, 204, 206 ff.; Boot, Nullum Crimen, S. 592; Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 396; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 198. 541 Vgl. beispielsweise die Interpretation der Kammer in: Prosecutor v. Music ´ , IT-9621-T, 16.11.1998, Para. 440 ff.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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lichen Würde (ii) subsumiert werden.542 Auch hier kann der Foltertatbestand gegenüber den anderen Alternativen der Misshandlung und der Erniedrigung wieder als der speziellere angesehen werden, weil er strengere Voraussetzungen aufweist und daher als Qualifikation der Misshandlung aufgefasst werden muss.543 Dadurch, dass hier der gemeinsame Art. 3 Genfer Abkommen in das Statut übernommen wurde, wurde auch der geschützte Personenkreis transferiert. Gemäß Art. 8 Abs. 2 c) können Opfer solche Personen sein, „die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Angehörigen der Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder eine andere Ursache außer Gefecht befindlich sind“. Auf die Staatsangehörigkeit kommt es nicht mehr an, so dass alle Nichtkämpfenden Opfer sein können.544 Ausdrücklich wurde die Vergewaltigung zudem als ein Kriegsverbrechen im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt nach Art. 8 Abs. 2 e) vi) aufgenommen. Diese Vorschrift korrespondiert mit Art. 8 Abs. 2 b) xxii) für den interna542

Vgl. die obige Auslegung des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen. Der Tatbestand der grausamen Behandlung sowie der Folter nach c) i) für den internen bewaffneten Konflikt stimmen völlig mit dem Tatbestand der unmenschlichen Behandlung und der Folter in a) ii) für den internationalen bewaffneten Konflikt überein. Ebenso sind die Tatbestandselemente nach c) ii) identisch mit denen in b) xxi), so dass auf die Auslegung der vorangegangenen Vorschriften verwiesen werden kann. So auch: Triffterer-Viseur-Sellers/Bennion, ICC-Commentary, Art. 8, Rn. 194 ff.; Triffterer-Zimmermann, ICC-Commentary, Art. 8, Rn. 288–290; Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOCCommentary, S. 398, 401, 404; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 183, 209, 211. EOC zu Art. 8 Abs. 2 c) i) – Grausame Behandlung: 1. The perpetrator inflicted severe physical or mental pain or suffering upon one or more persons. Folter: 1. The perpetrator inflicted severe physical or mental pain or suffering upon one or more persons. 2. The perpetrator inflicted the pain or suffering for such purposes as: obtaining information or a confession, punishment, intimidation or coercion or for any reason based on discrimination of any kind. EOC zu Art. 8 Abs. 2 c) ii) – Beeinträchtigung der persönlichen Würde 1. The perpetrator humiliated, degraded or otherwise violated the dignity of one or more persons. 2. The severity of the humiliation, degradation or other violation was of such degree as to be generally recognized as an outrage upon personal dignity. Nach der Fußnote 49 sind Bewusstlose und Tote vor einer Beeinträchtigung und somit auch vor Vergewaltigung geschützt. 543 Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 1013, 1017, 1029. 544 Schabas, Introduction to the ICC, S. 132; Boot, Nullum Crimen, S. 570 f.; Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOC-Commentary, S. 389 f.; Dörmann, in: Fischer, International and National Prosecution, S. 135; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 118 f.; Kim, ICC-Commentary, S. 177. Siehe die Verbrechenselemente zum Opferkreis, die leicht zum Statutentext und Art. 3 GA variieren, um für mehr Klarheit zu sorgen: – Such person or persons were either hors de combat, or were civilians, medical personnel, or religious personnel taking no active part in the hostilities. – The Perpetrator was aware of the factual circumstances that established this status.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

tionalen Konflikt, was auch die gleichlautenden Verbrechenselemente beweisen. Sie basiert auf Art. 4 Abs. 2 e) Zusatzprotokoll II, welcher das Verbot der Vergewaltigung für den internen Konflikt ausspricht. Aus dieser Vorschrift ergibt sich auch der geschützte Personenkreis, der im Statut selbst nicht genannt wird. Art. 4 Abs. 1 Zusatzprotokoll II sieht vor, dass „alle Personen, die nicht unmittelbar oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen, gleichviel ob ihnen die Freiheit entzogen ist oder nicht“, vor der Tat geschützt sind.545 Ebenso überschneiden sich im internen bewaffneten Konflikt das Verbot der Vergewaltigung von c) i) und ii) mit e) vi), so dass eine Verurteilung nach allen Alternativen grundsätzlich möglich erscheint.546 Allerdings entspricht c) ii) der Formulierung in 2 b) xxi), der als subsidiär zu b) xxii) anzusehen ist. Buchstabe e) vi) ist lediglich die konkretere Strafnorm der Vergewaltigung gegenüber der allgemeinen Umschreibung der Würdebeeinträchtigung in c) ii) und hat sich aus ihr entwickelt. Daher kann hier nur das Gleiche gelten wie oben, dass c) ii) hinter e) vi) zurücktreten muss. Da aber der Foltertatbestand nach c) i) über ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal neben der Tathandlung der Vergewaltigung in e) vi) verfügt, wäre der Täter einer Vergewaltigung aufgrund einer der verbotenen Folterzwecke sowohl nach dem Foltertatbestand als auch dem Vergewaltigungstatbestand in Tateinheit zu verurteilen, denn nur so könnte das komplette Unrecht der Tat in der Verurteilung reflektiert werden. Um Kriegsverbrechen von gewöhnlichen Verbrechen abgrenzen zu können, muss die Einzeltat in Verbindung mit einem bewaffneten Konflikt begangen werden. Es genügt also nicht, dass ein bewaffneter Konflikt zur Zeit der Tatbegehung existierte. Die Tat muss in einem zeitlich-geographischen Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt stehen, sonst kann sie nur nach innerstaatlichem Strafrecht verfolgt werden.547 Innere Unruhen und Spannungen werden nicht 545 Schabas, Introduction to the ICC, S. 52; Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOCCommentary, S. 469; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 214. 546 Hall, AJIL 92, 1998, S. 336. 547 Die EOC des Rahmenverbrechens präzisieren je nach dem Charakter des Konflikts: – The conduct took place in the context of and was associated with an international armed conflict [or with an armed conflict not of an international character]. – The accused was aware of factual circumstances that established the existence for an armed conflict. Diese Verbrechenselemente werden durch die Einführung zu den Kriegsverbrechen ergänzt: With respect to elements listed for each crime: – There is no requirement for a legal evaluation by the perpetrator as to the existence of an armed conflict or its character as international or non-international; – In that context there is no requirement for awareness by the perpetrator of the facts that established the character of the conflict as international or non-international; – There is only a requirement for the awareness of the factual circumstances that established the existence if an armed conflict that is implicit in the terms ,took place in the context of and was associated with‘.

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mehr als bewaffneter Konflikt angesehen, Art. 8 Abs. 2 d) und f).548 Unter solchen Umständen sahen die Delegierten keinen Anlass, die Einzeltaten zu einem völkerrechtlichen Verbrechen zu erheben. Genauso wenig sollte jedes gewaltsame Durchgreifen einer Regierung gegenüber rebellischen Einheiten im internen bewaffneten Konflikt Gefahr laufen, als Kriegsverbrechen bewertet zu werden. Art. 8 Abs. 3 erklärt daher ausdrücklich rechtmäßige Zwangsmaßnahmen einer Regierung zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung für zulässig. Dieser Absatz ist aber für die Vergewaltigung völlig irrelevant, weil eine solch entwürdigende Tat niemals rechtmäßig eingesetzt werden könnte.549 Die Anwendungsschwelle wurde weiter durch die Klausel erhöht, dass der Gerichtshof für Kriegsverbrechen zuständig sein soll, „insbesondere wenn diese als Teil eines Planes oder einer Politik oder als Teil der Begehung solcher Verbrechen in großem Umfang verübt werden“. Damit wurde zwar ein Plan oder eine Politik bzw. eine massenhafte Begehung nicht Tatbestandsvoraussetzung des Rahmenverbrechens wie beim Menschlichkeitsverbrechen. Ebenfalls wurde kein Gerichtsbarkeitsausschluss für Einzelkriegsverbrechen vereinbart. Dennoch beAusgeschlossen sind damit Verbrechen, die von Zivilisten aus rein persönlichen Gründen begangen werden. Wo aber Zivilisten für eine Kriegspartei Gewalttaten an anderen feindlichen Zivilisten verüben, sind die Taten im Zusammenhang mit einem Krieg begangen worden. Entscheidend ist, ob durch die Gefährdungssituation des bewaffneten Konflikts die Tatbegehung ermöglicht oder erleichtert wurde. Vgl. zum Zusammenhang der Einzeltat mit dem bewaffneten Konflikt: Bothe, in: Casses/Gaeta/ Jones, ICC-Commentary, S. 388; Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOC-Commentary, S. 19 f., 26 ff., 388 ff.; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 120; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 971 ff.; Boot, Nullum Crimen, S. 550 ff.; siehe zur Definition eines internationalen bzw. internen bewaffneten Konflikts den gemeinsamen Art. 2 der GA, Art. 1 Zusatzprotokoll I, Art. 1 Zusatzprotokoll II; ferner: Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 958 ff.; Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOC-Commentary mit der Rspr. der Ad-hoc Tribunale, S. 23 f., 384 ff., 441 f.; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 114 ff.; Boot, Nullum Crimen, S. 553 ff.; zum Vorsatz des Rahmenverbrechens: Dörmann/Doswald-Beck/ Kolb, EOC-Commentary, S. 20 f.; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 121 ff.; Sadat, ICC. S. 164; Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 389; Schabas, Introduction to the ICC, S. 118 f. 548 Art. 8 Abs. 2 f) legt zusätzlich fest, dass interne bewaffnete Konflikte von gewisser Dauer sein und die sich gegenüberstehenden Parteien einen gewissen Organisationsgrad aufweisen müssen. Positiv ist zu verzeichnen, dass die Kampfhandlungen nicht nur zwischen einer Regierung und organisierten Gruppen stattfinden müssen, wie es Art. 1 Abs. 1 Zusatzprotokoll II vorsieht, sondern auch solche Kämpfe als bewaffnete Konflikte anerkannt werden, die zwischen Gruppen untereinander ausgetragen werden. Siehe dazu: Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 423; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 952 f.; Rowe, in: McGoldrick/Rowe/Donnelly, ICC, S. 210 f.; Boot, Nullum Crimen, S. 574 f. Es sei darauf hingewiesen, dass die Definitionen in d) und f) keine Tatbestandsmerkmale des Rahmenverbrechens darstellen, sondern die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs begrenzen. Vgl. Absatz 1 der Einführung zu den Kriegsverbrechen. Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOC-Commentary, S. 382, 440; Dörmann, in: Fischer, International and National Prosecution, S. 134 f. 549 Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 423 f.; Boot, Nullum Crimen, S. 576 ff.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

deutet diese Kompromissformel, dass isolierte Gewaltakte von Soldaten oder Zivilisten nicht vor diesem Gerichtshof verhandelt werden sollen und der Staatsanwalt voraussichtlich solche Fälle gar nicht erst anklagen wird.550 Im Ergebnis bestehen keine Zweifel, dass die Vergewaltigung im internationalen und nicht-internationalen bewaffneten Konflikt ein Kriegsverbrechen nach dem IStGH-Statut darstellt. Die Strafbarkeit der drei Verbrechen wird grundsätzlich durch den Artikel 25, welcher mit den Worten „Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit“ überschrieben ist, zum Ausdruck gebracht.551 Art. 25 beinhaltet Regelungen zur Ge550 Vgl. auch Art. 5 IStGH-Statut, der vorsieht, dass das Gericht nur für die schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes betreffen, zuständig ist. Insofern wiederholt Art. 8 nur die Zuständigkeitsbeschränkung des Art. 5. Isolierte Gewaltakte Einzelner betreffen nicht die Staatengemeinschaft als Ganzes und sind daher nicht vor dem IStGH anzuklagen. Vgl. auch: Schabas, Introduction to the ICC, S. 117 f.; Triffterer-Zimmermann, ICC-Commentary, Art. 5, Rn. 8; Sadat, ICC, S. 161; Hall, AJIL 92, 1998, S. 332; Boot, Nullum Crimen, S. 548; Kim, ICC-Commentary, S. 108 ff. 551 Art. 25 IStGH-Statut: (1) Der Gerichtshof hat aufgrund dieses Statuts Gerichtsbarkeit über natürliche Personen. (2) Wer ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen begeht, ist dafür in Übereinstimmung mit diesem Statut individuell verantwortlich und strafbar. (3) In Übereinstimmung mit diesem Statut ist für ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen strafrechtlich verantwortlich und strafbar, wer a) ein solches Verbrechen selbst, gemeinschaftlich mit einem anderen oder durch einen anderen begeht, gleichviel ob der andere strafrechtlich verantwortlich ist; b) die Begehung eines solchen Verbrechens, das tatsächlich vollendet oder versucht wird, anordnet, dazu auffordert oder dazu anstiftet; c) zur Erleichterung eines solchen Verbrechens Beihilfe oder sonstige Unterstützung bei seiner Begehung oder versuchten Begehung leistet, einschließlich der Bereitstellung der Mittel für die Begehung; d) auf sonstige Weise zur Begehung oder versuchten Begehung eines solchen Verbrechens durch eine mit einem gemeinsamen Ziel handelnde Gruppe von Personen beiträgt. Ein derartiger Beitrag muss vorsätzlich sein und entweder i) mit dem Ziel geleistet werden, die kriminelle Tätigkeit oder die strafbare Absicht der Gruppe zu fördern, soweit sich diese auf die Begehung eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens beziehen, oder ii) in Kenntnis des Vorsatzes der Gruppe, das Verbrechen zu begehen, geleistet werden; e) in Bezug auf das Verbrechen des Völkermords andere unmittelbar und öffentlich zur Begehung von Völkermord aufstachelt; f) versucht, ein solches Verbrechen zu begehen, indem er eine Handlung vornimmt, die einen wesentlichen Schritt zum Beginn seiner Ausführung darstellt, wobei es jedoch aufgrund von Umständen, die vom Willen des Täters unabhängig sind, nicht zur Tatausführung kommt. Wer jedoch die weitere Ausführung des Verbrechens aufgibt oder dessen Vollendung auf andere Weise verhindert, ist aufgrund dieses Statuts für den Versuch des Verbrechens nicht strafbar, wenn er das strafbare Ziel vollständig und freiwillig aufgegeben hat. (4) Die Bestimmungen dieses Statuts, die die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit betreffen, berühren nicht die Verantwortung der Staaten nach dem Völkerrecht.

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richtsbarkeit, zur individuellen Strafbarkeit, zur Täterschaft und Teilnahme, zum Versuch sowie zur Staatenverantwortlichkeit. Bereits Abs. 1 bringt deutlich zum Ausdruck, dass Individuen für Verstöße gegen die Statutenbestimmungen haften sollen, indem er die Gerichtsbarkeit des Strafgerichtshofs auf Handlungen von natürlichen Personen beschränkt. Abs. 2 stellt allerdings die Kernvorschrift zur individuellen Strafbarkeit dieses Statuts dar, weil er explizit das Individuum für eine Verletzung der Statutentatbestände verantwortlich und strafbar erklärt. Beide Bestimmungen zusammen betrachtet, richten sich direkt an das Individuum und verpflichten es nach Völkerstrafrecht.552 Abs. 3 konkretisiert die Strafbarkeit für die drei Straftatbestände, indem er die wichtigsten allgemeinen Voraussetzungen einer Strafbarkeit verankert. Buchstabe a) stellt die Täterschaft, Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft, Buchstabe b) die Anstiftung, Buchstabe c) die Beihilfe, Buchstabe d) die Beteiligung an einer gemeinsamen kriminellen Unternehmung, Buchstabe e) die Aufstachelung speziell zum Völkermord und Buchstabe f) den Versuch (mit der strafbefreienden Möglichkeit des Rücktritts) unter Strafe.553 Abs. 4 dient lediglich der Klarstellung eines allgemeinen Grundsatzes, dass die Verantwortlichkeit von Staaten von der hier erklärten Strafbarkeit von natürlichen Personen unberührt bleibt, womit ein weiteres Mal die individuelle Strafbarkeit nach diesem Statut bestätigt wird. Somit ist die Vergewaltigung nach Art. 6, 7 und 8 i.V. m. 25 Abs. 2 IStGH-Statut strafbar. gg) Statut des speziellen Gerichtshofs für Sierra Leone von 2002 Am 16.01.2002 wurde zwischen der Regierung von Sierra Leone und den Vereinten Nationen ein Vertrag zur Errichtung eines unabhängigen Speziellen Gerichtshofs für Sierra Leone (SGSL) geschlossen. Der Gerichtshof ist für die Verfolgung von Personen zuständig, welche die größte Verantwortung für schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts und Sierra Leonischen Rechts tragen, die seit dem 30.11.1996 auf dem Territorium von Sierra Leone begangen wurden.554 Das Statut des Gerichtshofs wurde dem Vertrag als integrierter Be552 Vgl. Triffterer-Ambos, ICC-Commentary, Art. 25, Rn. 1, 4, 5; Eser, in: Cassese/ Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 770; Schabas, Introduction to the ICC, S. 211 ff. 553 Vgl. zu den Teilnahme- und Versuchsbestimmungen die Kommentierung bei: Triffterer-Ambos, ICC-Commentary, Art. 25, Rn. 7 ff. 554 Zur Geschichte des Bürgerkriegs in Sierra Leone bis zur Errichtung des SGSL: Udombana, EILR 17, 2003, S. 69 ff.; Miraldi, NYLJHR 19, 2003, S. 849 ff.; McDonald, IRRC 84, 2002, S. 121 ff.; Tejan-Cole, AHRLJ 1, 2001, S. 107 ff.; Wetzel, HuV 3, 2003, S. 148 f.; Hansen-Young, CJIL 6, 2005, S. 479 ff.; Cryer, ICL, S. 150 ff. Zur sexuellen Gewalt in diesem Konflikt: Human Rights Watch Sierra Leone, „We’ll kill you if you cry“, abrufbar auf: http://hrw.org/reports/2003/sierraleone/; Report by Physicians for Human Rights, War-related Sexual Violence in Sierra Leone; Nowrojee, Hav.HRLJ 18, 2005, S. 89 ff. Zur Vermeidung einer Arbeitsüberlastung des SGSL wurde die Zuständigkeit zum einen zeitlich begrenzt. Erst Verbrechen, die nach dem 30.11.1996 begangen wurden,

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standteil des Abkommens angehangen (SGSL-Statut).555 Das Gericht hat seinen Sitz in Freetown, Sierra Leone. Damit ist die Rechtsgrundlage dieses Tribunals nicht eine Resolution des VN-Sicherheitsrates wie bei den früheren Ad-hoc-Tribunalen für Ex-Jugoslawien und Ruanda, sondern ein völkerrechtlicher, bilateraler Vertrag zwischen den Vereinten Nationen und einem Mitgliedsstaat. Einzige Schwäche dieser Rechtsgrundlage ist, dass sie nur die Parteien des Vertrags binden kann und daher nur die Regierung von Sierra Leone zur Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof verpflichten konnte. Andere Staaten dagegen können nicht zur Kooperation (Auslieferung, Herausgabepflichten von Beweismitteln etc.) gezwungen werden wie dies aufgrund der Resolutionen nach Kapitel VII der VNCharta für die beiden Ad-hoc-Tribunale möglich ist.556

können vom Gericht verurteilt werden. Das Datum ist auf das Friedensabkommen von Abidjan zurückzuführen. Die begangenen Verbrechen der ersten Hälfte des Bürgerkriegs seit dem 23.03.1991 sind somit von der Gerichtsbarkeit des SGLS ausgeschlossen (Report of the Secretary-General, S/2000/915, 4.10.2000, Para. 25 ff.; Tejan-Cole, AHRLJ 1, 2001, S. 109, 115 f.; McDonald, IRRC 84, 2002, S. 128; Nowrojee, Hav.HRLJ 18, 2005, S. 96). Zum anderen wurde die Zuständigkeit örtlich beschränkt. Es können allein Verbrechen, die auf dem Gebiet von Sierra Leone begangen wurden, verfolgt werden, so dass Verbrechen, die in Nachbarländern stattgefunden hatten, straflos bleiben. Dies ist deshalb kritisch zu bewerten, weil der Konflikt in Sierra Leone sich auf die ganze Region erstreckte und von Nachbarländern wie Liberia gefördert wurde (Tejan-Cole, AHRLJ 1, 2001, S. 109). Ferner soll der Gerichtshof nach Art. 1 SGSLStatut allein für „persons who bear the greatest responsibilty for the commission of the crimes“, zuständig sein. Zwar handelt es sich nicht um eine rechtliche Strafverfolgungsvoraussetzung, sondern um eine Richtlinie für die Staatsanwaltschaft. Praktisch wird dies aber zu einer Verfolgung allein Verdächtiger in einer hohen Position der Befehlskette führen. Nach der Auslegung des Generalsekretärs sollte allerdings die Vorschrift wie Art. 1 des Abkommens gelesen werden, welches von „persons most responsible“ spricht. Danach wären auch solche Täter anzuklagen, die für schwere und massenhaften Verbrechen verantwortlich sind, unabhängig von ihrer Führungsposition (Report of the Secretary-General, S/2000/915, 4.10.2000, Para. 29 ff.; Wetzel, HuV 3, 2003, S. 151; Miraldi, NYLJHR 19, 2003, S. 854 f.). 555 Vereinbarung zwischen den VN und der Regierung von Sierra Leone über die Errichtung des Speziellen Gerichtshofs für Sierra Leone sowie das SCSL-Statut einsehbar auf: www.sc-sl.org; SR-Resolution vom 14.08.2000, S/1315. 556 Die Regierung von Sierra Leone ist gemäß Art. 17 SGSL-Abkommen und die staatlichen Gerichte von Sierra Leone sind nach Art. 8 SGSL-Statut zur Kooperation mit dem Gerichtshof verpflichtet. Die beiden anderen Ad-hoc-Tribunale wurden hingegen mit Kooperationsvorschriften bindend für alle Staaten in ihren Statuten (Art. 29 JStGH-Statut, Art. 28 RStGH-Statut) versehen. Die Kooperationsfrage ist deshalb von so großer Bedeutung, weil sich viele Verbrecher und Zeugen sowie aus den Verbrechen erworbene Güter im Ausland befinden. Ein Ausweg würde eine Resolution des Sicherheitsrates nach Kapitel VII VN-Charta bieten, welche andere Staaten zur Kooperation anweisen könnte. Bisher hat der Sicherheitsrat lediglich die Mitgliedsstaaten zur Kooperation gedrängt, UN-DOC. S/Res/1470, 23.03.2003, Para. 11. Vgl. dazu: Wetzel, HuV 3, 2003, S. 149; Frulli, EJIL 11, 2000, S. 858 f., 561; Report of the Secretary-General, S/2000/915, 4.10.2000, Para. 10; Udombana, EILR 17, 2003, S. 84, 122 ff.; McDonald, IRRC 84, 2002, S. 125; Tejan-Cole, AHRLJ 1, 2001, S. 114 f.; Nowrojee, Hav.HRLJ 18, 2005, S. 97.

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Die Einstufung des SGSL als internationales oder nationales Gericht bereitet Schwierigkeiten, weil er sowohl materielles Völkerstrafrecht als auch Strafrecht von Sierra Leone, ferner internationales und nationales Prozessrecht anwendet sowie internationales und örtliches Personal beschäftigt. Man begegnet Umschreibungen wie Gerichtshof „sui generis“ 557, „Hybrid“ 558 oder „mixed tribunal exercising mixed jurisdiction“ 559. Soweit jedoch der Gerichtshof sich mit der Verfolgung der völkerrechtlichen Verbrechen seines Statuts befasst, wendet er reines Völkerstrafrecht an wie es auch die Tribunale für das frühere Jugoslawien und Ruanda und der IStGH tun. Es gibt in dem Fall keine materiell- oder verfahrensrechtlichen Unterschiede zu den bisherigen Gerichtshöfen. Damit ist den zukünftigen Entscheidungen des SGSL, wenn sie sich auf die völkerrechtlichen Tatbestände beziehen, durchaus Bedeutung beizumessen.560 557 Report of the Secretary-General, S/2000/915, 4.10.2000, Para. 9; Udombana, EILR 17, 2003, S. 83 ff.; Wetzel, HuV 3, 2003, S. 153; McDonald, IRRC 84, 2002, S. 124; Tejan-Cole, AHRLJ 1, 2001, S. 111. 558 Romano, TGCYILJ 2, 2002, S. 97; Jones/Carlton-Hanciles/Kah-Jallow/Scratch/ Yillah, JICJ 2, 2004, S. 212. 559 Frulli, EJIL 11, 2000, S. 859. 560 Meines Erachtens handelt es sich um ein internationales Ad-hoc-Tribunal, dass lediglich die Regierung von Sierra Leone an der Errichtung und Rechtsprechung des internationalen Rechtsorgans hat teilnehmen lassen. Anstelle einer Nation Völkerrecht von außen mittels einer Resolution des Sicherheitsrates aufzuzwingen, konnte hier die Akzeptanz der internationalen Justiz von der betroffenen Bevölkerung gefördert werden. Ferner wurde mit dem völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Vereinten Nationen und Sierra Leone vermieden, dass dieses Tribunal nicht auf einer angreifbaren Rechtsgrundgrundlage errichtet wurde. Als ein Ad-hoc-Tribunal ist das Gericht deswegen zu bezeichnen, weil es ebenso wie der JStGH und der RStGH zur Verurteilung bestimmter Taten begrenzt auf einen bestimmten Konflikt, Zeitraum und ein bestimmtes Gebiet eingesetzt wurde. Dass auch örtliches Personal an den Entscheidungen mitwirkt, nimmt dem Gericht nicht den internationalen Charakter, genauso wenig, wenn der Gerichtshof auch schwere nationale Verbrechen mitverfolgt, weil faktisch eine nationale Gerichtsbarkeit nicht vorhanden ist. Diese Einschätzung des SGSL als internationales Ad-hocTribunal hat dazu geführt, andere gemischte Rechtsprechungsorgane unberücksichtigt zu lassen, die eben nicht den vorwiegend internationalen Charakter aufweisen. Zu nennen sind hier die „Serious Crimes Panels of the District Court of Dili“ in Ost-Timor, die „Regulation 64 Panels in the Court of Kosovo“, „War Crimes Chamber in Bosnia and Herzegovina“, „War Crimes Chamber of the Belgrade District Court in Serbia“, „Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia“ und „Iraqi High Tribunal“. Alle diese gemischten Gerichte gehören den nationalen Gerichtssystemen an und bemühen sich auf nationaler Ebene völkerrechtliche Verbrechen vor Ort zu verfolgen. Vgl. die ausführliche Gegenüberstellung dieser gemischten Gerichte in: Romano, TGCYILJ 2, 2002, S. 97 ff.; Romano/Boutruche, RGDIP 107, 2003, S. 109; Linton, CLF 12, 2001, S. 185, zu den völkerrechtlichen Verbrechen in Regulation 15/2000, Ost-Timor: Kreß, CLF 13, 2002, S. 409 ff.; Ambos/Wirth, CLF 13, 2002, S. 1 ff.; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 2-74–2-79. Allerdings wird hier auf eine Aufarbeitung der Rechtsprechung aus Platzgründen verzichtet. Zwar hatte der Gerichtshof in Bezug auf die Verfolgung von sexuellen Straftaten sehr vielversprechend angefangen. Zum einen ist ein spezielles Mandat (s. Art. 2 g) im Statut verankert, sexuelle Gewalt in all seinen Formen zu verfolgen. Ferner ist das außergewöhnliche Engagement des Staatsanwalts Craine hervorzuheben, der eine besondere Energie und Strategie zur Strafverfolgung

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Die sachliche Zuständigkeit wurde für völkerrechtliche Verbrechen nach Art. 2, 3 und 4 und für nationale Straftaten nach Art. 5 eröffnet. Da sich die Arbeit nur mit der Strafbarkeit der Vergewaltigung nach Völkerstrafrecht befasst, bleiben die nationalen Verbrechen des Statuts von vornherein unberücksichtigt. Wegen des Rückwirkungsverbots müssen die aufgeführten Verbrechen – genauso wie die der Tribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda – völkergewohnheitsrechtlichen Charakter besitzen.561 Art. 2 erklärt den Gerichtshof für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig: The Special Court shall have the power to prosecute persons who committed the following crimes as part of a widespread or systematic attack against any civilian population: a) Murder; b) Extermination; c) Enslavement; d) Deportation; e) Imprisonment; f) Torture; g) Rape, sexual slavery, enforced prostitution, forced pregnancy and other form of sexual violence; h) Persecution on political, racial, ethnic or religious grounds; i) Other inhumane acts.

Eindeutig ist zu erkennen, dass Art. 2 g) durch Art. 7 Abs. 1 g) IStGH-Statut beeinflusst wurde. Es wurde die Vergewaltigung, die sexuelle Sklaverei, die erzwungene Schwangerschaft und jede andere Form der sexuellen Gewalt aufgeführt, wo hingegen in den Statuten der Ad-hoc-Tribunale für Ex-Jugoslawien

der sexuellen Gewalt entwickelt hat. Das Engagement des Staatsanwalts versprach eine erhöhte Aufklärung und Verurteilungsrate dieser Verbrechen als die der anderen Adhoc-Tribunale, eine Stärkung der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung der Sexualverbrechen nach Völkerstrafrecht sowie eine Fortbildung des bestehenden Rechts. Vgl. dazu: Nowrojee, Hav.HRLJ 18, 2005, S. 97 ff.; Hansen-Young, CJIL 6, 2005, S. 482 f.; Grewal, AFLJ 33, 2010, S. 66 f. Allerdings haben sich diese Hoffnungen bisher nicht realisiert. Die Strafkammer im CDF-Fall hat die Aufnahme von Sexualverbrechen in die Anklageschrift bzw. ihre Verhandlung vor Gericht verhindert und damit die Zeuginnen zum Schweigen über Vergewaltigungen und andere sexuelle Handlungen verpflichtet. Dies führte zu einer weiteren Viktimisierung, Schuld- und Schamgefühlen bei den Opfern und zu einer verfälschten historischen Dokumentation des Konflikts in Sierra Leone. Siehe dazu: Kelsall/Stepakoff, IJTJ 1, 2007, S. 355–374 m.w. N.; Grewal, AFLJ 33, 2010, S. 71 f.; Prosecutor v. Norman et al., SCL-04-14-T, 02.08.2007. 561 Report of the Secretary-General, S/2000/915, 4.10.2000, Para. 12; Udombana, EILR 17, 2003, S. 95

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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und Ruanda lediglich die Vergewaltigung ausdrückliche Erwähnung gefunden hatte.562 Die Einzeltat muss sich als Teil eines „breit angelegten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung“ darstellen. Sie muss aber weder in Verbindung mit einem bewaffneten Konflikt stehen (wie noch in Art. 5 JStGH-Statut), noch muss sie bis auf den Tatbestand der Verfolgung nach Buchstabe h) auf einem diskriminierenden Beweggrund (wie in Art. 3 RStGH-Statut) beruhen. Diese die Anwendungsschwelle erhöhenden Merkmale der vorangegangenen Gerichtsstatuten entsprachen nicht dem Stand des Völkergewohnheitsrechts.563 Damit ist die Vergewaltigung gemäß Art. 2 g) sowohl im Krieg als auch im Frieden verboten. Art. 3 normiert Verletzungen gegen den gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls II: The Special Court shall have the power to prosecute persons who committed or ordered the commission of serious violations of article 3 common to the Geneva Conventions of 12 August 1949 for the Protection of War Victims, and of Additional Protocol II of 8 June 1977. These violations shall include: a) Violence to life, health and physical or mental well-being of persons, in particular murder as well as cruel treatment such as torture, mutilation or any form of corporal punishment; b) Collective punishments; c) Taking hostages; d) Acts of terrorism; e) Outrages upon personal dignity, in particular humiliating and degrading treatment, rape, enforced prostitution and any form of indecent assault; f) Pillage; 562 So auch: McDonald, IRRC 84, 2002, S. 129; Wetzel, HuV 3, 2003, S. 151; Frulli, EJIL 11, 2000, S. 863 f.; Udombana, EILR 17, 2003, S. 96, 99; Report by Physicians for Human Rights, War-related Sexual Violence in Sierra Leone, S. 88. 563 Beeinflusst wurde Art. 2 SGSL-Statut vornehmlich durch die Definition der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Art. 3 RStGH-Statut und Art. 7 IStGH-Statut sowie der Rechtsprechung beider Ad-hoc-Tribunale. Vgl. McDonald, IRRC 84, 2002, S. 129; Cryer, ICLQ 50, 2001, S. 443; Udombana, EILR 17, 2003, S. 97. Seitdem die Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Straftatbestand in die Statuten der Ad-hocTribunale 1993/94 sowie in der Rechtsprechung aufgenommen wurden, bestehen keine Zweifel mehr an der völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Tatbestands zur Zeit der Tatbegehung (ab 01.11.1996). Vgl. zum Stand des Völkergewohnheitsrechts die Diskussion bei Art. 5 JStGH-Statut. Es ist anzunehmen, dass das Gericht ebenfalls einen Vorsatz des Täters nicht nur zur Einzeltat, sondern auch zum breit angelegten oder systematischen Angriff gegen die Zivilbevölkerung voraussetzen wird, weil auch schon die anderen Tribunale einen Vorsatz der Rahmentatbestandsmerkmale gefordert hatten und Art. 7 IStGH-Statut ausdrücklich eine entsprechende Kenntnis des Täters voraussetzt. Siehe: Udombana, EILR 17, 2003, S. 99; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 659.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

g) The passing of sentences and the carrying out of executions without previous judgment pronouncement by a regularly constituted court, affording all the judicial guarantees which are recognized as indispensable by civilized peoples; h) Threats to commit any of the foregoing acts. ...

Art. 3 gibt wortgetreu Art. 4 Abs. 2 des Zusatzprotokolls II wieder, der eine Fortentwicklung des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen darstellt. Er ist identisch mit Art. 4 RStGH-Statut564, womit auf die dortige Auslegung verwiesen werden kann. So ist die Vergewaltigung ausdrücklich in e) als Beeinträchtigung der persönlichen Würde genannt.565 Ferner stellt die Vergewaltigung auch ein Gewaltakt dar, der zu schweren körperlichen und seelischen Schäden führt, so dass in ihr eine grausame Behandlung gesehen werden muss und sie zur Folter werden kann, wenn deren Tatbestandsmerkmale vorliegen. Nach Buchstabe h) ist die Tat bereits durch die Drohung mit Vergewaltigung vollendet. Gesamttaterfordernis des Art. 3 SGSL-Statut ist, dass ein Nexus zwischen der Vergewaltigung und dem nicht-internationalen Konflikt besteht und das Opfer sich nicht (mehr) aktiv an Kampfhandlungen beteiligt. Spannungen und innere Unruhen sind vom internen bewaffneten Konflikt ausgeschlossen, Art. 1 Abs. 2 Zusatzprotokoll II. Durch die Aufnahme des Art. 4 Abs. 2 Zusatzprotokoll II in das Ruandastatut und durch die danach ergangene Rechtsprechung wurde diese Norm völkergewohnheitsrechtlich als Strafnorm anerkannt.566 Dass ein solcher Wandel stattgefunden hat, wird durch die Aufnahme von Bürgerkriegsverbrechen in Art. 8 IStGH-Statut untermauert. Art. 4 befasst sich mit anderen schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts: The Special Court shall have the power to prosecute persons who committed the following serious violations of international humanitarian law: a) Intentionally directing attacks against the civilian population as such or against individual civilians not taking direct part in hostilities; b) Intentionally directing attacks against personnel, installations, material, units or vehicles involved in a humanitarian assistance or peacekeeping mission in accordance with the Charter of the United Nations, as long as they are entitled to 564 Art. 4 RStGH-Statut drückt sich lediglich etwas klarer aus, weil er betont, dass die Liste der Einzeltat nicht abschließend ist. Siehe: McDonald, IRRC 84, 2002, S. 129. 565 Vgl. auch: Report by Physicians for Human Rights, War-related Sexual Violence in Sierra Leone, S. 88. 566 Siehe die Darstellung bei Art. 4 RStGH-Statut; Prosecutor v. Tadic ´ , IT-94-1AR72, 2.10.1995, Para. 130 ff.; Boed, CLF 13, 2002, S. 294 ff.; Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 617; Prosecutor v. Bagalishema, ICTR-95-1A-T, 07.06.2001, Para. 98; Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 242; Prosecutor v. Rutaganda, ICTR-96-13-3-T, 06.12.1999, Para. 90; Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 156 f.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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the protection given to civilians or civilian objects under the international law of armed conflict; c) Conscripting or enlisting children under the age of 15 years into armed forces or groups or using them to participate actively in hostilities.

Die aufgelisteten Einzeltaten wurden direkt aus Art. 8 Abs. 2 e) i), iii) und vii) übernommen.567 Ihren Ursprung haben sie im Haager Recht, welches bestimmte grausame oder unnötige Kriegsführungstaktiken, die außer Verhältnis zum militärischen Zweck stehen, zu unterbinden versucht. Daher sind diese Vorschriften für die Vergewaltigung irrelevant.568 Art. 6 erklärt die Strafbarkeit für die obigen Verbrechen für natürliche Personen. c) Gerichtsentscheidungen aa) Entscheidungen des IMG Wie oben festgestellt, bestand nach Art. 6 b) und c) IMG-Statut die Möglichkeit, Vergewaltigung als Kriegsverbrechen und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verurteilen. Die 25 Angeklagten wurden insgesamt nach vier Straftatkomplexen angeklagt: – Anklagepunkt 1: Teilnahme an einem gemeinsamen Plan; – Anklagepunkt 2: Verbrechen gegen den Frieden; – Anklagepunkt 3: Kriegsverbrechen; – Anklagepunkt 4: Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Staatsanwaltschaft fasste die sachlichen Ermittlungsergebnisse zu den Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in 8 Unterabschnitten zusammen. Darunter befand sich auch der Vorwurf der Misshandlung der Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen sowie Deportationen zur Zwangsarbeit und anderen Zwecken.569 In keinem Punkt der Anklage wurde allerdings die Vergewaltigung ausdrücklich erwähnt. Daraus wurde teilweise geschlossen, dass das

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Udombana, EILR 17, 2003, S. 104; McDonald, IRRC 84, 2002, S. 130. Es ist zwar möglich die Vergewaltigung als einen Angriff (Gewaltakt) auf die Zivilbevölkerung zu bewerten. Die Strategie des Militärs in Bosnien war es, die Bevölkerung mittels Vergewaltigungen zu terrorisieren und zu vertreiben. Jedoch ist diese Vorschrift eher als eine Einschränkung der Kriegsführung hinsichtlich des Einsatzes von Waffen zu lesen. Meines Erachtens ist eine solche Auslegung auf jede Misshandlung nicht Sinn der Vorschrift und auch gar nicht nötig, weil solche zahlreichen oder systematischen Misshandlungen gegenüber der Zivilbevölkerung durch die Verbrechen gegen die Menschlichkeit abgedeckt werden. 569 Siehe die Anklageschrift in: IMT-DOC, Vol. I, S. 27–68; ferner: Viseur-Sellers, in: McDonald/Swaak-Goldman, Substantive and Procedural Aspects I, S. 281; Askin, War Crimes against Women, S. 136. 568

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Verbrechen der Vergewaltigung nicht angeklagt worden sei.570 Dagegen spricht allerdings, dass der französische und der russische Staatsanwalt im Prozess zahlreiche Beweise zu Vergewaltigungen und sexueller Gewalt vorlegt hatten, die vom Gericht nicht zurückgewiesen wurden.571 Sollten diese Beweise zur Vergewaltigung – was offen bleiben muss – Grundlage der Verurteilung geworden sein, würde dies den Rückschluss erlauben, dass Vergewaltigung als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bewertet wurde. Das Gericht verurteilte 17 Angeklagte wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Da die vorgelegten Beweise ein überwältigendes Ausmaß angenommen hatten, entschied sich das Tribunal, nur allgemein festzustellen, dass Morde, Misshandlungen und Folter an der Zivilbevölkerung und den Kriegsgefangenen begangen worden waren.572 Es wurde jedoch die Art der Misshandlungen nicht genau dargelegt, so dass im Urteil nicht zu erkennen ist, ob Vergewaltigungen unter den verurteilten Misshandlungen enthalten waren. Überzeugend scheint die Argumentation Viseur-Sellers, dass sexuelle Gewalt in den pauschalen Verurteilungen wegen Gräueltaten, Brutalitäten und Misshandlungen gegenüber der Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen integriert war. Das Gericht hatte erklärt, dass die Misshandlung der Zivilbevölkerung oder Personen in besetzten Gebieten nach Art. 6 b) IMG-Statut ein Kriegsverbrechen sei. Diese Vorschrift deklariere bestehendes Völkergewohnheitsrecht wie es bereits in Art. 46 der HLKO normiert worden sei.573 Dieser Artikel enthielt unbestreitbar ein Verbot der Vergewaltigung (s. o.). Vier der Angeklagten wurden für Gräueltaten, Brutalitäten, Misshandlungen der Soldaten in den Gebieten verurteilt, in denen die vorgeworfenen Sexualtaten begangen worden waren. Auch die Beweise hinsichtlich der Gewaltverbrechen an der deutschen (meist jüdischen) Zivilbevölkerung, die generell als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt worden waren, führten nicht zu einer expliziten Verurteilung wegen Vergewaltigung. Beweise zu Sexualtaten wurden unter den unmenschlichen Handlungen eingeordnet. Zumindest vier der Angeklagten hatten die Befehlsgewalt über Territorien, in denen es zu Vergewaltigungen oder anderen Sexualtaten gekommen und deren Be570 Vgl. Askin, War Crimes against Women, S. 136 f., 142; Askin, in: Askin/Koenig, Women I, S. 52; Pilch, JLS US-AFA 9, 1998/1999, S. 104; Brownmiller, Against our Will, S. 48 ff.; Davis, The International Lawyer 34, 2000, S. 1233; McDonald, Nemesis 15, 1999, S. 72; Seibert-Fohr, in: Hankel, Die Macht und das Recht, S. 162; Cryer, ICL, S. 245. 571 Beweise zur Vergewaltigung, die in das Gerichtsprotokoll eingegangen sind: IMTDOC, Vol. II, S. 139; Vol. VI, S. 170, 178, 211–214, 404–407; Vol. VII, S. 449–457, 467, 494, 548; Vol. XX, S. 381. 572 Viseur-Sellers, in: McDonald/Swaak-Goldman, Substantive and Procedural Aspects I, S. 283. 573 IMT-DOC, Vol. I, S. 232, 253; zit. in: Viseur-Sellers, in: McDonald/Swaak-Goldman, Substantive and Procedural Aspects I, S. 284; so auch: Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 160, 188 f.; Haskell, B.C. Third World L.J. 29, 2009, S. 59, der von einer Verurteilung der Vergewaltigung als Folter ausgeht.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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weise ins Protokoll eingegangen waren. Keiner der Angeklagten hatte sich gegen die Vorwürfe gewehrt.574 Das Gericht hat zwar niemanden ausdrücklich wegen Vergewaltigung verurteilt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Beweise zu Sexualverbrechen nicht Grundlage der pauschalen Verurteilungen wegen Misshandlung, Folter und unmenschliche Handlung geworden sind. Andernfalls hätte es nahe gelegen, dies ausdrücklich darzulegen. Feststeht, dass die Beweise zur sexuellen wie auch zur normalen Gewalt pauschal in den einzelnen Regionen akzeptiert wurden, um eine Verurteilung wegen Misshandlung, Folter oder unmenschlicher Handlungen zu erreichen. Da seinerzeits der Ausübung sexueller Gewalt noch nicht die erforderliche Beachtung geschenkt wurde, liegt es näher anzunehmen, dass das Gericht aus diesem Grund neben den Morden und schweren Körperverletzungen die Vergewaltigung nicht ausdrücklich erwähnte. Dem entspricht auch die Sachbehandlung durch die Staatsanwaltschaft und durch die Verteidigung. bb) Entscheidungen der Besatzungsgerichte nach Kontrollratsgesetz Nr. 10 Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 bot ebenfalls eine Rechtsgrundlage, die Tat der Vergewaltigung durch die Besatzungsgerichte der vier besetzten Zonen zu verfolgen. Angeklagte waren hier im Gegensatz zum Nürnberger Prozess nicht diejenigen, die den Krieg geplant und angefacht hatten, sondern diejenigen, die die Gräueltaten selbst in der jeweiligen Besatzungszone begangen hatten, sog. Nürnberger Nachfolgeprozesse. Das Gesetz führte Vergewaltigung sogar explizit als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf. Umso erstaunlicher ist es, dass die Gerichte zur sexuellen Gewalt stumm blieben, obwohl zahlreiche Berichte über Vergewaltigungen vorlagen.575 Diese Vernachlässigung veranschaulicht erneut die Bedeutungslosigkeit dieses Verbrechens für die Besatzungsmächte, welches hauptsächlich an der weiblichen Bevölkerung begangen worden war.

574 Viseur-Sellers, in: McDonald/Swaak-Goldman, Substantive and Procedural Aspects I, S. 285. Von Ribbentrop, Kaltenbrunner, Rosenberg und Keitel hatten die Befehlsgewalt über entweder die besetzten Gebiete und/oder Konzentrationslager, in denen Vergewaltigungen begangen worden waren. 575 Die Vielzahl der Prozesse in den Besatzungszonen machen es unmöglich alle einzeln auf eine Verurteilung für Vergewaltigung zu überprüfen. In der amerikanischen Zone waren es: 1814 Personen; in der britischen Zone: 1085 Personen; in der französischen Zone: 2107; in der russischen Zone: ca. 10.000 Personen. Zum Teil wurden die Prozessprotokolle nicht veröffentlicht. Es wird hier auf die Recherchen anderer wie Askin, War Crimes against Women, S. 125; McDonald, Nemesis 15, 1999, S. 72; Schmidt am Busch, KJ 28, 1995, S. 7; Heinze/Schilling, Die Rechtsprechung der Nürnberger Militärtribunale, verwiesen, die keine Verurteilung wegen Vergewaltigung erwähnten bzw. ausfindig machen konnten.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

cc) Entscheidungen des IMGFO Die Verurteilungsgrundlage des Tokioter Tribunals für die Straftat der Vergewaltigung war identisch mit dem Nürnberger Statut. Die Vergewaltigung war implizit in den Tatbeständen der Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß Art. 5 b) und c) IMGFE-Statut enthalten. Die Anklage der Straftaten erfolgte jedoch nicht nach den Statutstatbeständen, sondern nach Handlungskomplexen geordnet. So umfasste die Anklageschrift insgesamt 55 Anklagepunkte, die wiederum in drei Kategorien unterteilt worden waren: Verbrechen gegen den Frieden (1–36), Mord (37–52) sowie andere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (53–55).576 Für die Vergewaltigung konnten logischerweise nur die Anklagepunkte 53–55 relevant sein. Das Gericht ließ von den 55 allerdings nur 10 Anklagepunkte zur Verhandlung zu, darunter – Punkt 54: die Erteilung des Befehls, der Ermächtigung oder der Erlaubnis, Verletzungen des Kriegsrechts zu begehen; – Punkt 55: die Missachtung der Pflicht, die Beachtung des Kriegsrechts sicherzustellen und die Verletzung seiner Bestimmungen zu verhindern.577 Die den Anklagepunkten zugrunde gelegten Fakten und Ereignisse wurden jedoch nicht unter den Anklagepunkten selbst, sondern im Annex A der Anklageschrift detailliert wiedergegeben.578 Vergewaltigungen von Zivilistinnen und Krankenschwestern waren implizit in Begriffen wie „unmenschliche Behandlung, Misshandlung und Versagen, die Familienehre und Rechte zu respektieren“ enthalten.579 Dieser Aufbau der Anklageschrift bedingte, dass die Vergewaltigung nur als Teil einer Gruppe von Verbrechen in mittelbarer Täterschaft entwe-

576 Siehe die Anklageschrift in: Pritchard/Zaide, The Tokyo War Crimes Trial, Vol. I, S. 1–22 bzw. Vol. II, S. 21–71. 577 Anklagepunkt 53 wirft den Angeklagten vor, dass sie sich verschworen hätten, Verletzungen der Kriegsgesetze und -gebräuche anzuordnen, zu autorisieren und zu gestatten. Das Gericht fand jedoch, dass nach dem Wortlaut des Statuts allein das Verbrechen gegen den Frieden in Form der Verschwörung begangen werden konnte und verurteilte daher keinen Angeklagten nach Anklagepunkt 53. Pritchard/Zaide, The Tokyo War Crimes Trial, Vol. II, S. 21–71 Anklageschrift; Minear, Victors’ Justice, S. 67; Ahlbrecht, Geschichte, S. 116 f. 578 Insgesamt waren dem Urteil 5 Annexe angehangen worden. Annex A fasste die wichtigsten Fakten und Vorkommnisse, auf welche die Anklagepunkte gestützt worden waren, zusammen; Annex B gab eine Liste von Vertragsvorschriften wieder; Annex C spezifizierte die Versicherungen Japans, welche gebrochen worden waren; Annex D beinhaltete die Gesetze und Gebräuche des Krieges, welche verletzt worden waren; Annex E enthielt teilweise Fakten zur indiviuellen Verantwortlichkeit der Angeklagten. Röling/ Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. XI–XII, 21 f., wiedergegeben in Annex A 6. 579 Pritchard/Zaide, The Tokyo War Crimes Trial, Vol. I, S. 29; wiedergegeben in: IMTFE, Dissenting Judgment of Justice Pal, S. 601–603, ferner: Askin, in: Askin/Koenig, Women I, S. 52; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 190 f.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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der durch ein Tun (Punkt 54) oder durch ein Unterlassen (Punkt 55) angeklagt werden konnte.580 Im Prozess wurden zahlreiche Zeugen über Vergewaltigungen vernommen. Überall wo die japanischen Truppen stationiert waren, waren einheimische Frauen und Mädchen vergewaltigt, verstümmelt und getötet worden. Zu dem schlimmsten Vorfall während des Kriegs in Asien zählen die Vergewaltigungen in Nanking 1937. Nach dem Einmarsch der japanischen Armee in die ungeschützte frühere Hauptstadt Chinas vergingen sich die aufgehetzten und betrunkenen japanischen Soldaten über 6 Wochen lang an der Zivilbevölkerung.581 Etwa 20.000 Vergewaltigungen geschahen, ohne dass die militärische bzw. politische Führung Japans eingriff. Für diese Verbrechen wurden von den insgesamt 28 Angeklagten Hirota als Außenminister und Matsui als Kommandant der „Shanghai Expeditionary Force“ zum Tode verurteilt.582 Es bestanden für das Gericht keine Zweifel, dass Matsui von diesen Verbrechen wusste, weil er selbst am 17.12.1937 in die Stadt eingezogen und 5–7 Tage geblieben war. Matsui hatte selbst zugegeben, dass er von ausländischen Regierungen über Beschwerden der Gräueltaten der japanischen Armee gehört hatte. Er hatte nichts unternommen, um die Vergewaltigungen zu verhindern.583 580 Grund für diese pauschale Zurechnung mehrerer Handlungen an eine Person war, dass vor dem IMTFO nur die Hauptkriegsverbrecher Asiens angeklagt werden sollten. Als Angeklagte wurden deshalb diejenigen ausgewählt, denen auch Verbrechen gegen den Frieden zur Last gelegt werden konnten (Röling/Cassese, The Tokyo Trial, S. 3; Askin, War Crimes against Women, S. 167 ff.). Dies führte dazu, dass nur Personen der obersten Militär- und Politikführung auf der Anklagebank saßen, welche die Straftaten gegen Zivilisten oder Kriegsgefangenen nicht selbst begangen hatten und daher nur mittelbar für zahlreiche Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen ihrer Untergegebenen zur Verantwortung gezogen werden konnten. Der Schwerpunkt der Anklage lag somit eindeutig auf dem Verbrechen gegen den Frieden. Die gewöhnlichen Kriegsverbrecher wurden hingegen in Nachfolgeprozessen vor separaten Tribunalen verfolgt (Minear, Victors’ Justice, S. 67 ff.). 581 Die Zeugen waren meist Ausländer, die sich in der Stadt befanden als die japanische Armee in Nanking einzog und sechs Wochen mordete, vergewaltigte und plünderte. Es wurden aber keine Vergewaltigungsopfer vernommen. Berichte sexueller Gewalt in Asien während des zweiten Weltkriegs: Pritchard/Zaide, The Tokyo War Crimes Trial, Vol. II, S. 2568–2573, 2592–2595, 3904–3944, 4463–4479, 44496–4498, 4501– 4503, 4504–4507, 4512–4515, 4518–4521, 4526–4531, 4533–4536, 4544, 4559, 4572– 4573, 4592–4594, 4602, 4615, 4638, 4638, 4642, 4647, 4660; Vol. VI, S. 12521–12548, 12995, 13117, 13189, 13641–42, 13652; Vol. XXI, S. 1063–1068; IMTEF, Dissenting Judgment of Justice Pal, S. 601–609; Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. 389–391, 971–973; Brackman, The Other Nuremberg, S. 171–189; Askin, War Crimes against Women, S. 62–71, 180–188; Tanaka, Hidden Horrors, S. 79–110; Brownmiller, Against our Will, S. 57 ff.; Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 190 f.; Totani, The Tokyo War Crimes Trials, S. 162, 166–167, 172, 174–175. 582 Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, Judgment, S. 446. 583 Pritchard/Zaide, The Tokyo War Crimes Trial, Vol. XXII, S. 49815–49816; Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. 389 f., 453 f.; Askin, ICLR 1, 2001, S. 12; Askin, in: Askin/Koenig, Women I, S. 52–54; Brownmiller, Against our Will, S. 61. Chang, The Rape of Nanking, S. 174 f., kritisiert, dass der alte und tuberkulosekranke

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Hirota war 1937 Japans Außenminister. Zeugen bestätigten, dass das Außenministerium in Tokio Berichte über die Vergewaltigungen in Nanking erhalten hatte.584 Das Gericht verurteilte Hirota, weil er den Kriegsminister zwar zum Einhalt der Verbrechen der Armee aufgefordert hatte, sich aber mit Zusicherungen des Kriegsministers zufrieden gegeben hatte, von denen er wusste, dass sie nicht durchgesetzt würden.585 Wegen Vergewaltigungen in Nanking war auch Muto, Matsui’s Adjutant von November 1937 bis Juli 1938 angeklagt worden. Er musste ebenfalls von den Verbrechen in Nanking gewusst haben. Er hatte aber in seiner untergebenen Position keine Befehlsgewalt über die Soldaten in Nanking gehabt, weshalb er die Verbrechen auch nicht hätte verhindern können. Er wurde daher vom Anklagepunkt 55 freigesprochen.586 Jedoch konnte ihm – anders als in Nanking – eine Einwirkungsmöglichkeit auf die japanische Kriegspolitik als Truppenanführer unter General Yamashita auf den Philippinen nachgewiesen werden. Unter seiner Befehlsgewalt kam es zu einer Kampagne von Massakern, Folter und anderen Verbrechen (Vergewaltigung), so dass ihm die Vergewaltigungen durch seine Soldaten auf den Philippinen zugerechnet werden konnten (Anklagepunkte 54 und 55).587 Auch Hata wurde für Vergewaltigungen seiner Soldaten nach Anklagepunkt 55 verurteilt. Er war sowohl 1938 und als auch von 1941 bis 1944 Kommandant der „Expeditionary Forces“ in China, wo seine Truppen weitreichende Gräueltaten (u. a. Vergewaltigungen) über einen langen Zeitraum an der chinesischen Bevölkerung begangen hatten. Das Gericht ließ dahinstehen, ob Hata von diesen Verbrechen gewusst und nichts unternommen hatte, um sie zu verhindern oder, ob er sich der Kenntnis von Misshandlungen der Kriegsgefangenen und Zivilisten vorsätzlich verschlossen hatte.588 General als Sündenbock für die Verbrechen in Nanking fungierte. Er war offensichtlich von Schuldgefühlen geplagt, beschuldigte sich selbst und erkannte sein Todesurteil an. Jedoch gab er nicht die ganze Geschichte von Nanking preis, welche die Schuldzuweisung der Kaiserfamilie erfordert hätte wie sich später vor dem Women’s International War Crimes Tribunal noch herausstellte. Das Tribunal hob hervor, dass Hirohito die ultimative Befehlsgewalt über die japanische Armee gehabt hatte. Er hatte nichts gegen die Vergewaltigungen und sexuelle Sklaverei unternommen, sondern führte vielmehr massive Bemühungen durch, Vergewaltigung und sexuelle Sklaverei zu verschleiern. Ferner: Matsui, in Li: The Search of Justice, S. 264 f.; Totani, The Tokyo War Crimes Trials, S. 43 ff. 584 Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. 391. 585 Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. 447 f. Richter Röling stimmte gegen seine Verurteilung, weil er als Politiker in Tokio tatsächlich nichts gegen die Handlungen der Armee hätte ausrichten können. Röling/Cassese, The Tokyo Trial, S. 5, 63 f.; Minear, Victor’s Justice, S. 91; Askin, War Crimes against Women, S. 189; Totani, The Tokyo War Crimes Trials, S. 139. 586 Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. 455. 587 Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. 455. 588 Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. 392 f., 446.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Der Offizier Kimura hatte 1944 die Befehlsgewalt über die „Burma Area Army“ übernommen. Auch in Burma hatten die japanischen Truppen Gräueltaten (u. a. Vergewaltigungen) an Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung begangen, welche während seiner Kommandantur nicht abgenommen hatten. Er hatte weder Disziplinarmaßnahmen noch andere Schritte durchgeführt, um den Verbrechen Einhalt zu gebieten. Damit hatte er vorsätzlich seine Pflicht verletzt, sicherzustellen, dass die Kriegsgesetze von seinen Truppen eingehalten wurden (Anklagepunkt 55).589 Koiso wurde als Premierminister für alle Gräueltaten und anderen Kriegsverbrechen, somit auch Vergewaltigungen, die 1944 von den japanischen Soldaten begangen worden waren, verurteilt. Das Gericht ging davon aus, dass es unwahrscheinlich war, dass Koiso in seiner Position nicht von den Verbrechen der japanischen Armee gewusst haben sollte. Denn zum Zeitpunkt seines Amtsantritts 1944 war die Armee in jeder Kriegssituation für Gräueltaten und Kriegsverbrechen berüchtigt. Zudem hatte er vom Außenminister auf einer Konferenz von den Misshandlungen der Kriegsgefangenen gehört. Trotz dessen Aufforderung, das Problem anzugehen, hatte er in seiner sechs monatigen Amtszeit keine Verbesserung der Situation bewirkt. Das Gericht konnte nur daraus schließen, dass er vorsätzlich seine Pflicht missachtet hatte (Anklagepunkt 55).590 Die Vergewaltigungen der japanischen Armee wurden zwar vom Tokioter Militärgericht nicht völlig ignoriert wie es das IMG getan hatte – nur so kann man die impliziten Verurteilungen der Vergewaltigung im Nürnberger Prozess bewerten. Aber auch hier wurde die Straftat der Vergewaltigung gebündelt mit anderen Verbrechen als konventionelle Kriegsverbrechen verurteilt. In der Zurechnung der Verbrechen wurde meist nur das Wort „Gräueltaten“ verwendet, anstatt ausdrücklich auf eine konkrete Handlung Bezug zu nehmen. Der einzelnen Tat wurde bei der Fülle an Verbrechen nicht besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Es fehlte an einer genauen Aufklärung der Einzeltat, Definition des Tatbestands oder Subsumtion der Handlung unter eine Strafnorm. Vielmehr findet sich eine pauschale Verurteilung von Gräueltaten als Verletzung der Kriegsgesetze und -gebräuche. Es ist daher nicht immer ganz ersichtlich, ob ein Offizier auch für Vergewaltigungen neben anderen Tötungen und Misshandlungen verurteilt wurde. Als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde die Vergewaltigung gar nicht erst in Erwägung gezogen, womöglich, weil sie doch mit einem Verbrechen gegen den Frieden bzw. Kriegsverbrechen hätte zusammenfallen müssen und das Kriegsrecht eine sichere Rechtsgrundlage bot.591 589

Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. 452, 385. Röling/Rüter, The Tokyo Judgment, Vol. I, S. 453, 385. 591 Allerdings wurden auch andere Misshandlungen nicht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet, sondern stets als Kriegsrechtsverletzung behandelt. Röling/ Cassese, The Tokyo Trial, S. 55: „In my view, however, the reason for the charges of 590

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Diese vereinzelten Verurteilungen von Hirota, Matsui, Muto, Hata, Kimura und Koiso spiegelten nicht die tatsächliche sexuelle Kriminalität im asiatischen Raum während des zweiten Weltkriegs wider. Massenvergewaltigungen waren an der Zivilbevölkerung und medizinischen Personal begangen worden, wo immer die japanische Armee sich aufgehalten hatte und waren später nach der Aufmerksamkeit des Auslandes zum Schutz des Rufes der Armee und zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten durch die Einsetzung von Zwangsbordellen auf deren Insassen beschränkt worden. Zum anderen entkam der japanische Kaiser Hirohito durch eine Amnestieregelung Japans mit den Alliierten jeglicher Verantwortung.592 Insgesamt müssen die pauschalen Verurteilungen des IMTFO bezüglich der massenhaft begangenen Sexualverbrechen im Zweiten Weltkrieg als genauso ungenügend bezeichnet werden wie die des IMG.593 dd) Entscheidungen alliierter Militärgerichte in Asien Nach dem Hauptkriegsverbrecherprozess in Tokio fanden noch weitere Nachfolgeprozesse durch die Alliierten gegen Japaner statt, welchen nicht das Verbre-

crimes against humanity was not valid in Japan . . . It was applied in Tokyo, but there you could have covered the whole thing with ,war crimes‘.“ 592 Cryer, ICL, S. 99: „It is unquestionable, however, that politics entered into the indictment process and the release policies for those imprisoned. The Emperor was not indicted, on the ground that his immunity was necessary for Japan’s post war stability, and he was deliberately not mentioned by the prosecution nor (with the exception of one slip) the defence.“ 593 Schätzungen gehen von 20.000 Vergewaltigungen allein in Nanking aus und von mehr als 200.000 Frauen, die zur Prostitution in japanischen Militäreinrichtungen gezwungen wurden. Erst im Jahr 2000 konnte die sexuelle Sklaverei der sog. „Comfort Women“ vor einem separaten Women’s International War Crimes Tribunal in Tokio zur Sprache gebracht werden. Das Tribunal wurde durch NGO’s und Akademiker ins Leben gerufen und nicht durch Staaten. Juristisch gesehen hatte das Urteil zwar keine Bindungswirkung für Japan und hängte der Rechtsfindung, dass der Kaiser Hirohito der Vergewaltigung und sexuellen Versklavung schuldig sowie die Regierung verantwortlich sei, nur Empfehlungen für die derzeitige japanische Regierung an. Allerdings ist dem Tribunal eine weitreichende Aufklärung der sexuellen Versklavung im asiatischen Raum von 1931–1945 gelungen. Zahlreiche Zeugenaussagen – trotz des langen Zurückliegens der Verbrechen – konnten für die Nachwelt festgehalten werden. Obwohl schon damals dem IMTFO Beweise über die Zwangsbordelle für die japanische Armee vorgelegen hatten, waren diesbezüglich keine Anklagen erhoben worden. Vgl. auch: Chinkin, EJIL 5, 1994, S. 334 „Rape was largely invisible in the trials of the Japanese war criminals.“ Chinkin, AJIL 95, 2001, S. 335 ff.; Boling, CJTL 32, 1995, S. 533 ff.; Askin, ICLR 1, 2001, S. 5 ff.; Pilch, JLS US-AFA 9, 1998/1999, S. 104; Brackman, The Other Nuremberg, S. 171 ff.; Brownmiller, Against our Will, S. 56 ff.; Chang, The Rape of Nanking; Yoshiaki, Comfort Women, S. 164; Argibay, BJIL 21, 2003, S. 375–389; Li, in: Li, The Search for Justice, S. 234–237; Matsui, in: Li, The Search for Justice, S. 259–279; Totani, The Tokyo War Crimes Trials, S. 162, 166–167, 172, 174–175, weist darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft Anklage wegen sexueller Gewalt erhoben und dazu zahlreiche Beweise im Prozess vorgetragen hatte.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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chen gegen den Frieden vorgeworfen werden konnte, sog. Kriegsverbrecher der Klasse B und C.594 Einer der bekanntesten Nachfolgeprozesse ist das Verfahren der Vereinigten Staaten gegen General Tomoyuki Yamashita.595 Yamashita war 1944–45 Kommandant der 14. Gebietsstreitkräfte auf den Philippinen. Er wurde allgemein dafür angeklagt, als Kommandant der Streitkräfte in Manila und anderen Plätzen der philippinischen Inseln die Pflicht missachtet zu haben, die Operationen der Streitkräfte zu kontrollieren und dadurch die Begehung von Gräueltaten seiner Untergebenen erlaubt zu haben.596 Konkret wurde er mit insgesamt 123 Anklagepunkten überzogen, darunter auch die Vergewaltigung von mehreren hundert philippinischen Frauen.597 Im Beweisverfahren erfuhr das Gericht, dass 476 Frauen in Manila in zwei Hotels gefangen genommen und wiederholt über 8 Tage von japanischen Soldaten vergewaltigt worden waren. 20 japanische Soldaten hatten ein Mädchen vergewaltigt und ihr zum Schluss die Brüste abgeschnitten. Betrunkene Soldaten hatten zuvor ermordete Zivilistinnen vergewaltigt.598 Yamashita hatte diese Verbrechen nicht selbst begangen und es konnte ihm auch nicht

594 Nach der Moskauer Deklaration und dem Londoner Abkommen, sollten niedrigere Kriegsverbrecher von staatlichen Gerichten der Nationen verurteilt werden, in denen die Taten begangen worden waren. So erschien es logisch, neben dem Hauptkriegsverbrecherprozess vor dem IMGFO auch Nachfolgeprozesse niedriger japanischer Krimineller vor nationalen Gerichten der betroffenen Länder abzuhalten. Vgl. zur Entwicklung einer Politik, die Kriegsverbrecher Asiens zu verfolgen: Lael, The Yamashita Precedent, S. 59 ff.; Piccigallo, The Japanese on Trial, S. 49. Die japanischen Kriegsverbrecher wurden somit in Klasse A (Anklage wegen Angriffskriegs) Klasse B (Kriegsverbrechen) und Klasse C (Gräueltaten wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit) eingeteilt. Die Kriegsverbrecher der Klasse A wurden vor dem IMGFO und die der Klasse B und C vor meist Militärgerichten der Siegermächte verurteilt. Siehe dazu: Dolgopol/Paranjape, Comfort Women, S. 134. 595 Das Verfahren fand vor einer US-Militärkommission, besetzt mit 5 Generälen als Richtern, in Manila statt. Die Philippinen waren amerikanisches Territorium. Die USA übten die Staatsgewalt und somit auch die Gerichtsbarkeit aus. Vgl. Lael, The Yamashita Precedent, S. 79 ff. 596 Auszug aus der Anklageschrift: „Between 9 October 1944 and 2 September 1945, at Manila and at other places in the Philippine Islands, while commander of armed forces of Japan at war with the United States of America and its allies, unlawfully disregarded and failed to discharge his duty as commander to control the operations of the members of his command, permitting them to commit brutal atrocities and other high crimes against people of the United States and of its allies and dependencies, particularly the Philippines; and he, General Yamashita, thereby violated the law of war.“ Abgedr. in: Lael, The Yamashita Precedent, S. 80; AG 000.5 (9-24-45) JA, „Before the Military Commission Convened by the Commanding General United States Army Forces, Western Pacific: Yamashita, Tomoyuki, S. 31. 597 AG 000.5 (9-24-45) JA, „Before the Military Commission Convened by the Commanding General United States Army Forces, Western Pacific: Yamashita, Tomoyuki, S. 38–57; Lael, The Yamashita Precedent, S. 81. 598 Lael, The Yamashita Precedent, S. 84.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

nachgewiesen werden, dass er diese befohlen hatte.599 Ihm wurde aber vorgeworfen, dass er von diesen Gräueltaten seiner Soldaten hätte wissen müssen und, dass er diese nicht verhindert hatte.600 Es bestanden keine Zweifel daran, dass Vergewaltigungen von den Soldaten an der feindlichen Zivilbevölkerung begangen worden waren und diese Verletzungen des Kriegsrechts darstellten. Problematisch war nur die Zurechnung der Verbrechen der Soldaten an den Truppenkommandanten. Die Zurechnungsfrage ist aber letztlich für den Nachweis einer Strafbarkeit der Vergewaltigung unerheblich.601 599 Dubiose Zeugenaussagen versuchten Yamashita anzuhängen, er habe die Ausrottung der philippinischen Bevölkerung befohlen. Vgl. dazu: Lael, The Yamashita Precedent, S. 84 m.w. N. 600 Die Staatsanwaltschaft präsentierte mehrere hundert Zeugen, die über 32.000 Verbrechen berichteten. Sie hoffte so beweisen zu können, dass aufgrund dieser massenhaften Vorkommnisse, Yamashita von den Verbrechen seiner Soldaten hätte Kenntnis haben müssen. Problematisch war allerdings, dass Yamashita seit Anfang 1945 Manila verlassen und das Kommando an Leutnant Yokoyama abgetreten hatte. Die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Einheiten waren so gut wie unmöglich.Yamashita hatte Ende 1944 die Truppen in drei Gruppen aufgeteilt. Er selbst hatte den Nordsektor kontrolliert, Generalleutnant Yokoyama hatte den Sektor um Manila herum übertragen bekommen und speziell die Batangas Provinz war Kolonel Fujishige’s Befehlsgewalt übergeben worden. Die Bataan Peninsula wurde durch Generalmajor Tsukada kontrolliert. Die meisten Kriegsverbrechen waren in Manila und der Batangas Provinz sowie in Süd-Luzon begangen worden. Da zum Ende des Kriegs die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Einheiten sehr schlecht waren, erscheint es durchaus möglich, dass Yamashita nichts von den Verbrechen gewusst hatte. (Vgl. Lael, The Yamashita Precedent, S. 87, 139 f.; Landrum, MLR 149, 1995, S. 293 ff.) Yamashita hatte somit keine tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit mehr auf die Truppen gehabt und musste nicht unbedingt von den massenhaften Gräueltaten gewusst haben. Das Gericht fand den Angeklagten trotzdem zu allen Anklagepunkten schuldig und verurteilte ihn zum Tode durch den Strang. Zitat aus dem Urteil: „It is absurd . . . to consider a commander a murderer or rapist because one of his soldiers commits a murder or rape. Nevertheless, where murder and rape and vicious, revengeful actions are widespread offences, and there is no effective attempt by a commander to discover and control the criminal acts, such a commander may be held responsible, even criminally liable, for the lawless acts of his troops, depending upon their nature and the circumstances.“ (Lael, The Yamashita Precedent, S. 95; Askin, War Crimes against Women, S. 196 f.; AG 000.5 (9-24-45) JA, „Before the Military Commission Convened by the Commanding General United States Army Forces, Western Pacific: Yamashita, Tomoyuki, S. 4061–63.) Im Gegensatz zu dieser Rechtsprechung steht das Urteil des amerikanischen Militärgerichts in Tokio gegen den Oberbefehlshaber der japanischen Flotte Toyoda. Dieser war u. a. auch wegen Vergewaltigungen durch seine Untergegebenen auf den Philippinen angeklagt worden. Insofern ging sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht von einem anklagefähigen Kriegsverbrechen aus. Das Gericht sah es aber nicht als bewiesen an, dass Toyoda in seiner Position die Kenntnis der Vergewaltigungen und anderen Gräueltaten an der philippinischen Bevölkerung hätte erlangen müssen. Es sprach daher den Angeklagten von allen Vorwürfen frei. USA v. Soema Toyoda, 06.09.1949, S. 4998–5021; Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 168. 601 Die Verteidigung konzentrierte sich auf den Aspekt der Zurechnung der Taten und argumentierte, dass eine solche Verantwortung eines Vorgesetzten bisher im Völkerrecht nicht bekannt gewesen sei und die Staatsanwaltschaft ein neues Verbrechen geschaffen hätte. Lael, The Yamashita Precedent, S. 82 ff., 97; Landrum, MLR 149,

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Ferner verfolgte ein chinesischer Gerichtshof die Vergewaltigungen von 1937 in Nanking. Einer der wichtigsten Prozesse fand gegen den Generalleutnant der 6. Division in Nanking, Tani Hisao, statt. Hisao’s Division hatte die überwiegende Zahl der Gräueltaten in der ehemaligen Hauptstadt begangen. Er wurde u. a. wegen hunderter Vergewaltigungen chinesischer Frauen als Verletzungen der HLKO zum Tode verurteilt.602 Allein den Niederlanden kommt der Verdienst zu, die sexuelle Sklaverei zumindest an holländischen Frauen (sog. „Comfort Women“) strafrechtlich verfolgt zu haben.603 Der temporäre Militärgerichtshof in Batavia befasste sich mit der Entführung von 35 Frauen und Mädchen, die vergewaltigt, entführt und zur Prostitution gezwungen worden waren. Alle 12 Angeklagten hatten im Dienst der japanischen Armee gestanden und hatten entweder Frauen gegen ihren Willen entführt, in Bordellen eingesperrt und männlichen Besuchern zum Geschlechtsverkehr übergeben und/oder selbst vergewaltigt bzw. von diesen Taten als militärische Befehlshaber gewusst und nichts unternommen, um diese Taten zu verhindern. Das Gericht fand zehn Angeklagte entweder wegen Vergewaltigung, Entführung zum Zweck der Prostitution und/oder erzwungenen Prostitution schuldig. Nur zwei Angeklagte wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen.604 1995, S. 296; Askin, War Crimes against Women, S. 195, 197; AG 000.5 (9-24-45) JA, „Before the Military Commission Convened by the Commanding General United States Army Forces, Western Pacific: Yamashita, Tomoyuki, S. 86 f. 602 Chang, The Rape of Nanking, S. 170–172, beschreibt, dass nur eine Handvoll Japaner in Nanking strafrechtlich verfolgt wurden. Die Verfahren begannen im August 1946 und endeten im Februar 1947. Mehr als 1000 Personen hatten zu 460 Fällen von Mord, Vergewaltigung, Brandstiftung und Plünderung ausgesagt. Leider sind die Urteile nicht einsehbar. 603 Die Niederlande führten eigene Ermittlungen durch und unterhielten Militärgerichte in Batavia, Java, Pontianak, Borneo, Medan, Sumatra, Amoina Island und Macassar. Vgl. Piccigallo, The Japanese on Trial, S. 178 ff. Leider betraf die Strafverfolgung meist nur niederländische Opfer. Die Zwangsprostitution an Tausenden von asiatischen Frauen wurde hingegen nicht verfolgt. Siehe: Tanaka, Japan’s Comfort Women, S. 77 ff.; Yoshiaki, Comfort women, S. 173 ff. 604 Schuldspruch hinsichtlich des: 1. Angeklagten, Oberst Ikeda Shoichi, wegen Entführung von Frauen und Mädchen zum Zweck der Zwangsprostitution, erzwungenen Prostitution und Vergewaltigung; 3. Angeklagten, Major Okada Keiji, wegen Entführung von Frauen und Mädchen zum Zweck der Zwangsprostitution, erzwungenen Prostitution und Vergewaltigung; 4. Angeklagten, Major Kawamura Chiyomatsu, wegen Entführung von Frauen und Mädchen zum Zweck der Zwangsprostitution und erzwungenen Prostitution; 5. Angeklagten, Major Murakami Ruizo wegen Misshandlung von Gefangenen; 6. Angeklagten, Hauptmann Nakshima Shiro, wegen Misshandlung von Gefangenen und Vergewaltigung; 7. Angeklagten, Hauptmann der Reserve Ishima Eiichi, wegen Entführung von Frauen und Mädchen zum Zweck der Zwangsprostitution; 9. Angeklagten, Zivilist dienend in der japanischen Armee Furuya Iwao, wegen erzwungener Prostitution;

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Ferner verurteilte der temporäre Gerichtshof in Batavia Washio Awochi, einen japanischen Hotelmanager, wegen des Kriegsverbrechens der erzwungenen Prostitution. Dem Angeklagten konnte nachgewiesen werden, dass er im Krieg Frauen und Mädchen für seinen „Sakuraclub“ rekrutiert hatte, um japanischen Zivilisten als Prostituierte zu dienen, sie gegen ihren Willen festgehalten und unter Drohung mit der Kempei (japanischen Militärpolizei) zur Prostitution gezwungen hatte. Der Club war ein rein japanisches Geschäft, das unter der Kontrolle der Kempei stand.605 Derselbe Gerichtshof fand Franciska Hendrika Eckhart des Handels mit Frauen in Kriegszeiten in zwei Fällen (Anklagepunkte I a und b), der regelmäßigen und vorsätzlichen Förderung sexueller Handlungen anderer mit Dritten (Anklagepunkte I c, III) und der vorsätzlichen Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger mit Dritten (Anklagepunkte I d und II) schuldig. Die Angeklagte hatte Lagerinsassinnen und hungernde Frauen und Mädchen aufgefordert, als Prostituierte für Japaner ihren Lebensunterhalt in dem japanischen Club Theresia und ihrem Haus zu verdienen bzw. die „Geliebte“ eines Japaners zu werden.606 Allerdings wurden keine der Handlungen der Angeklagten als Beihilfe zur Vergewaltigung verurteilt, obwohl ein freiwilliges Einverständnis zum Geschlechtsverkehr durch Minderjährige, Hungernde oder Gefangene nicht wirklich gegeben werden konnte. Der gleiche Militärgerichtshof verurteilte den Generalleutnant Nokozaki Seji als militärischen Befehlshaber in Zentraljava für die Taten seiner Untergebenen wegen der Kriegsverbrechen der erzwungenen Prostitution, Vergewaltigung und Misshandlung von Kriegsgefangenen. Der Angeklagte hätte wissen müssen, dass die holländischen Frauen aus den Gefangenenlagern mit Gewalt in die Bordelle

10. Angeklagten, Zivilist dienend in der japanischen Armee Shimoda Shinji, wegen erzwungener Prostitution; 11. Angeklagten, Zivilist dienend in der japanischen Armee Morimoto Yukio, wegen erzwungener Prostitution und 12. Angeklagten, Zivilist dienend in der japanischen Armee Tsutaki Kenjiro, wegen erzwungener Prostitution schuldig. Lediglich der 2. Angeklagte, Oberst Mitsuhashi Hiromu, und der 8. Angeklagte, Oberfeldwebel Sai Toranosuke, waren aus Mangel an Beweisen freigesprochen geworden. Vgl. dazu: Übersetzung des Urteils Pro Justitia: Queen v. Ikeda Shoichi a. o., Pro Justitia No. 72/1947 vom 22.03.1946 und No. 72 A/1947 vom 18.02.1949. Die Übersetzung ist in der Bibliothek des JStGH einsehbar. Ebenfalls erwähnt bei: Dolgopol/Paranjape, Comfort Women, S. 135 ff.; Yoshiaki, Comfort Women, S. 163 ff. mit Zitaten niederländischer Opferaussagen. 605 Queen v. Washio Awochi, 25.10.1946, Pro Justitia No. 40/1946, 022058–022072 (Übersetzung); siehe auch Askin, War Crimes against Women, S. 85 ff.; Möller, Sexuelle Gewalt im Krieg, in: Hasse/Müller/Schneider, Humanitäres Völkerrecht, S. 286. 606 Queen v. Franciska Hendrika Eckhart, 04.03.1948, Pro Justitia No. 76/1947 (Übersetzung).

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in Semarang verschleppt und durch Misshandlungen zum Geschlechtsverkehr oder zur Prostitution gezwungen worden waren.607 Der temporäre Gerichtshof in Makassar verurteilte Takeuchi Hiroe, Manager eines japanischen Unternehmens, wegen Vergewaltigung als Kriegsverbrechen. Der Angeklagte hatte eine Frau mehrfach verbal bedroht und ihren Vater von der japanischen Geheimpolizei töten lassen, um sie zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. Schließlich zwang er sie mit Gewalt mehrfach zum Geschlechtsverkehr.608 Der temporäre Gerichtshof in Morotai fand den japanischen Oberfeldwebel Yusa Kyutaro der Vergewaltigung als Kriegsverbrechen schuldig. Dieser hatte ein 10-jähriges Mädchen in ihrem Haus mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen.609 Der temporäre Gerichtshof in Amboine verurteilte den japanischen Minenleiter Makino Shujiro unter anderem wegen Vergewaltigung von zwei Indonesierinnen als Kriegsverbrechen.610 Im Vergleich zu den Entscheidungen der Militärgerichte anderer Alliierter sowie des IMGFO erscheinen die Verurteilungen der niederländischen Gerichtshöfe als eine beträchtliche Strafverfolgung der Vergewaltigung (und anderer Qualifikationen, welche auf der Vergewaltigung beruhen wie die erzwungene Prostitution) als Kriegsverbrechen. Jedoch wurden fast nur Vergewaltigungen an niederländischen Opfern verfolgt und der tatsächliche Umfang der Vergewaltigungen von indonesischen Frauen – 20.000 – durch die japanischen Streitkräfte zeigt, dass die Niederländer diesem Verbrechen, obwohl sie davon wussten, in Wirklichkeit keine Beachtung schenkten.611 Insgesamt wird die Zahl der „Comfort Women“ auf 200.000 Frauen und Mädchen geschätzt.612 Das Problem der begrenzten Strafverfolgung lag unverkennbar an der rassistischen und sexistischen Einstellung der in die Ermittlungen und Verurteilungen 607 Queen v. Nokozaki Seji, 18.02.1949, Pro Justitia No. 3/1948, 027091–027109 (Übersetzung). 608 Queen v. Takeuchi Hiroe, 04.06.1947, Pro Justitia No. 14/1947, N9559/R (Übersetzung). 609 Queen v. Yusa Kyutaro, 10.10.1947, Pro Justitia No. 20851/R 023765–023769 (Übersetzung). 610 Queen v. Makino Shujiro, 14.12.1948, Pro Justitia No. unlesbar/1948 (Übersetzung). 611 Tanaka, Japan’s Comfort Women, S. 77 ff., 82. 612 Tanaka, Japan’s Comfort Women, S. 84–87: Der US-Regierung lagen Berichte der japanischen Armee zum Management der Militärbordelle, Verhöre von japanischen Kriegsgefangenen und asiatischen Opfern der Zwangsprostitution und Fotos von Zwangsprostituierten vor. Selbst nach dem Krieg wurden Frauen weiterhin als „comfort women“ missbraucht, auch von Amerikanern bei einer „Dinner Party“, die für die Aufklärung von Kriegsverbrechen zuständig waren.

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involvierten Offiziere und anderer Militärangehörigen gegenüber asiatischen Frauen und ist nicht auf die juristische Einschätzung zurückzuführen, dass die Vergewaltigung bzw. Zwangsprostitution zum damaligen Zeitpunkt kein Kriegsverbrechen darstellten. Obwohl also im Endeffekt die massenhaften Vergewaltigungen asiatischer Frauen weder vor dem IMGFO noch vor den alliierten Militärgerichten in den Nachfolgeprozessen adäquat verfolgt worden waren, kann an der juristischen Anerkennung der Vergewaltigung als Kriegsverbrechen, welche durch die oben genannten Verurteilungen manifestiert wurde, nicht gezweifelt werden. ee) Entscheidungen des JStGH Im Unterschied zu den Vorgängerprozessen in Nürnberg und Tokio werden vor dem JStGH die Angeklagten nicht in einem gemeinsamen Prozess verurteilt. Gegen jeden Angeklagten wird in einem eigenen Verfahren verhandelt, es sei denn, es bietet sich aus Sachgründen (z. B. Mittäterschaft) ein verbundenes Verfahren mehrerer Angeklagter an. Bis Februar 2013 wurden insgesamt 70 Fälle vor dem JStGH verhandelt, wobei noch einige Urteile ausstehen. 25 von diesen 70 Fällen beschäftigen sich mit dem Verbrechen der Vergewaltigung. Weitere Verurteilungen wegen Vergewaltigung sind zu erwarten, wenn man sich die beim Tribunal eingereichten Anklageschriften ansieht.613 Eine solche Quantität und Qualität an Entscheidungen mehrerer Straf- und Berufungskammern – jedes Urteil hat durchschnittlich einem Umfang von mehreren hundert Seiten – hat es bisher in der Vergangenheit nicht gegeben. Die Urteile enthalten eine Anklageschrift, Ausführungen zum Beweisverfahrensrecht und zum materiellen Recht, eine Tatsachensachenfeststellung anhand des teilweise getrennt präsentierten Beweismaterials, eine konkrete Rechtsfindung sowie Strafzumessungserwägungen. Diese ausführliche Vorgehensweise der Tribunale hat einerseits dazu geführt, dass sich die Qualität der Jurisprudenz des Völkerstrafrechts erheblich dem Niveau des innerstaatlichen Rechts angenähert hat. Der Umfang erschwert jedoch andererseits die Darstellung der Rechtsauffassung der Tribunale zur Vergewaltigung ungemein. Unweigerlich muss sich die Rechtsprechungsanalyse aus Platzgründen auf die Kernaussagen der Strafkammern zur Strafbarkeit der Vergewaltigung beschränken. Die Strafbarkeit eines Verhaltens wird im Urteil primär mit Ausführungen zum materiellen Recht belegt, also mit der Auslegung der Statutentatbestände dahin, ob sie den erzwungenen Geschlechtsverkehr miterfassen. Sodann wird das Sexualverhalten unter die konkrete Norm subsumiert. Andere Urteilspassagen (wie z. B. die Tatsachenfeststellung oder die Strafzumessungserwägungen) befassen 613 Siehe folgende Anklageschriften, die sexuelle Gewalt erwähnen: Prosecutor v. Karadzic´, IT-95-5-I, 11.10.2002; Prosecutor v. Mladic´, IT-95-18-I, 31.05.2000; Prosecutor v. Seselj, IT-03-67-I, 14.02.2003; Prosecutor v. Hadzic´, IT-04-75-I, 04.06.2004.

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sich mit den speziellen Umständen des Einzelfalls und der Täterpersönlichkeit, berühren aber insoweit die abstrakte Strafbarkeit der betroffenen Handlung nicht. Sie bleiben daher unberücksichtigt. Die materiellen Ausführungen und die Rechtsfindung der verschiedenen Strafkammern werden nach den Tatbeständen des Statuts geordnet – somit sachbezogen – dargestellt. Der erzwungene Geschlechtsverkehr (vaginal, anal oder oral) wurde unter allen vier Tatbestandsgruppen und unter verschiedenen Einzeltaten dieser Gruppen angeklagt als: – Schwere Verletzung gemäß – Art. 2 b) JStGH-Statut: Folter614 oder unmenschliche Behandlung615 einschließlich biologischer Versuche; – Art. 2 c) JStGH-Statut: Vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit.616 – Verstoß gegen die Gesetze und Gebräuche des Kriegs gemäß – Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen: Angriffe auf das Leben und die Person, namentlich Tötung jeder Art, Verstümmelung, grausame Behandlung617 und Folterung;618 – Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen: Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich erniedrigende und entwürdigende Behandlung;619 – Art. 3 JStGH-Statut: Vergewaltigung.620 614 Prosecutor v. Tadic ´ , IT-94-1-T, 07.05.1997, Annex A, Para. 6; Prosecuter v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Annex B, Anklageschrift, Para. 24, 25, 29; Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-S, 07.12.2005, Para. 3, 5; Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09. 2004, Para. 14–17. 615 Prosecutor v. Tadic ´ , IT-94-1-T, 07.05.1997, Annex A, Para. 5; Prosecuter v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Annex B, Anklageschrift, Para. 34; Prosecutor v. Bralo, IT95-17-S, 07.12.2005, Para. 3, 5; Prosecutor v. Prlic´, IT-04-74-T, 11.06.2008, Para. 15– 17.6, 38, 39, 55, 57, 59, 99, 109, 141, 211, 213, 229. 616 Prosecutor v. Tadic ´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Annex A, Para. 6. 617 Prosecutor v. Tadic ´ , IT-94-1-T, 07.05.1997, Annex A, Para. 5 und 6; Prosecuter v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Annex B, Anklageschrift, Para. 24, 25, 29, 34; Prosecutor v. Haradinaj, IT-04-84-T, 03.04.2008, Para. 36, 129, 450–469; Prosecutor v. Stanisic´ & Zupljanin, IT-08-91-PT, 20.11.2009, Para. 32–36. 618 Prosecuter v. Mucic ´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Annex B, Anklageschrift, Para. 24– 25, 29; Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Annex A, Para. 25–26; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Annex IV, Anklageschrift, Para. 5–8; Annex V, Para. 6, 7; Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-S, 07.12.05, Para. 3, 5; Prosecutor v. Zelenovic´, IT-96-23/2-I, 20.04.2001, Para. 5–9.3; Prosecutor v. Haradinaj, IT-04-84-T, 03.04.2008, Para. 36, 129, 459–469, Freispruch wegen mangelnder Zurechnung: Para. 478; Prosecutor v. Stanisic´ & Zupljanin, IT-08-91-PT, 20.11.2009, Para. 32– 36.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

– Völkermord gemäß – Art. 4 b) JStGH-Statut: Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe;621 – Art. 4 c) JStGH-Statut: Vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.622 – Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß – Art. 5 c) JStGH-Statut: Versklavung;623 – Art. 5 f) JStGH-Statut: Folter;624 – Art. 5 g) JStGH-Statut: Vergewaltigung;625 – Art. 5 h) JStGH-Statut: Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen;626 – Art. 5 i) JStGH-Statut: Andere unmenschliche Handlungen.627 619 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Annex A, Para. 25–26; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Annex IV, Anklageschrift, Para. 10.1–10.4 sowie Para. 11.1–11.7.; Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11. 2001, Anklageschrift, Para. 25 und 42; Prosecutor v. Cesic´, IT-95-10/1-S, 11.03.2004, Para. 107, 111; siehe auch Para. 13–14, 35; Anklageschrift, Para. 15; Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-S, 07.12.05, Para. 3, 5. 620 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Annex IV, Para. 5–11, Annex V, Para. 6, 7; Prosecutor v. Zelenovic´, IT-96-23/2-I, 20.04.2001, Para. 5– 9.3; Prosecutor v. Delic´, IT-04-83-T, 15.09.2008, Para. 19–22; Anklageschrift, para. 48; endete mit Freispruch: Annex B, Para, 19–22; 98 bis Motion Hearing, T. 6890–6893; Prosecutor v. Haradinaj, IT-04-84-T, 03.04.2008, Para. 36, 129, 450–469. 621 Prosecutor v. Sikirica, Judgment on Defence Motions to Acquit, IT-95-8-T, 03.01. 2001, Para. 26–34; Prosecutor v. Stakic´, IT-97-24-PT, 10.04.2002, Para. 39–51; Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 14–17; Prosecutor v. Karadzic´, IT-95-5/ 18-PT, 27.02.2009, Para. 40. 622 Prosecutor v. Karadzic ´, IT-95-5/18-PT, 27.02.2009, Para. 40. 623 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Annex IV, Anklageschrift, Para. 10.1.–10.4; 11.1–11.7. 624 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Annex IV, Anklageschrift, Para. 5, 6, Annex V, Para. 6, 7; Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11. 2001, Anklageschrift, Para. 42; Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 14–17; Prosecutor v. Zelenovic´, IT-96-23/2-I, 20.04.2001, Para. 5–9.3; Prosecutor v. Stanisic´ & Zupljanin, IT-08-91-PT, 20.11.2009, Para. 32–36. 625 Prosecutor v. Tadic ´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Annex A, Para. 5; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Annex IV, Para. 5, 6, Annex V, Para. 6, 7; Prosecutor v. Todorovic´, IT-95-9/1-S, 31.07.2001, Para. 1–15; IT-95-9/1-PT, Para. 44–46; Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-PT, 21.08.2000, Anklageschrift, Para. 42; Prosecutor v. Nikolic´, IT-94-2-PS, 31.10.2003, Para. 20–22; Prosecutor v. Cesic´, IT-95-10/ 1-S, 11.03.2004, Para. 107, 111; IT-95-10/1-PT, 26.11.2002, Para. 15; Prosecutor v. Zelenovic´, IT-96-23/2-I, 20.04.2001, Para. 5–9.3; Prosecutor v. Prlic´, IT-04-74-T, 11.06. 2008, Para. 15–17.6, 38, 39, 57, 59, 99, 109, 141, 211, 213, 229. 626 Prosecutor v. Tadic ´ , IT-94-1-T, 07.05.1997, Annex A, Anklageschrift Para. 4; Prosecutor v. Todorovic´, IT-95-9/1-S, 31.07.2001, Para. 1–15; Prosecutor v. Krstic´, IT-98-

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Jedoch führte nicht jede Anklage zu einer Verurteilung. Es werden nur die Urteile analysiert, die zu einer Verurteilung wegen erzwungenem Geschlechtsverkehr gekommen sind oder eine Strafbarkeit der Vergewaltigung aus materiellrechtlichen Gründen angenommen oder abgelehnt haben. Urteile, die aus anderen, die Strafbarkeit der Vergewaltigung nicht betreffenden Umständen, keine Verurteilung hervorgebracht haben, werden nicht berücksichtigt.628 In diesem 33-T, 02.08.2001, Para. 3; Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Anklageschrift, Para. 25; Prosecutor v. Sikirica, IT-95-8-T, 13.11.2001, Para. 13–15; Prosecutor v. Stakic´, IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 1–11; Prosecutor v. Nikolic´, IT-94-2-S, 18.12.2003, Para. 33–37, 49; Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-S, 07.12.05, Para. 3, 5; Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 5, 6; Prosecutor v. Brdjanin, IT-9936-T, 01.09.2004, Para. 14–17; Prosecutor v. Milutinovic´, IT-05-87-PT, 21.06.06, Anklageschrift, Para. 77c, 27; Prosecutor v. Pavkovic´, IT-03-70-I, 22.09.2003, Para. 23–29, 38; Prosecutor v. Dordevic´, IT-05-87/1-PT, 02.06.2008, Para. 27, 72, 77; Prosecutor v. Karadzic´, IT-95-5/18-PT, 27.02.2009, Para. 53, 54, 60; Prosecutor v. Stanisic´ & Zupljanin, IT-08-91-PT, 20.11.2009, Para. 26; Prosecutor v. Prlic´, IT-04-74-T, 11.06.2008, Para. 15–17.6, 38, 39, 55, 57, 59, 99, 109, 141, 211, 213. 627 Prosecutor v. Tadic ´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Anklageschrift, Para. 6; Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 206–209; Prosecutor v. Karadzic´, IT-95-5/18PT, 27.02.2009, Para. 71; Prosecutor v. Stanisic´ & Zupljanin, IT-08-91-PT, 20.11.2009, Para. 32–36. 628 Die Gründe für eine Nichtverurteilung waren unterschiedlicher Natur, können aber nicht mit der Strafbarkeit des erzwungenen Geschlechtsverkehrs assoziiert werden. Entweder gab es Beweisschwierigkeiten oder die Rahmenvoraussetzungen waren nicht erfüllt bzw. die Tat trat aus Konkurrenzgründen hinter einer anderen verurteilten Tat zurück. Ein trauriges Beispiel gibt in dieser Hinsicht der Fall Tadic´ ab. Unter dem Anklagepunkt 1 wurden u. a. mehrere Gruppenvergewaltigungen an 12 nichtserbischen Insassinnen des Lagers Trnopolje sowie die Vergewaltigung an der Zeugin F im Lager Omarska und der erzwungene Oralverkehr zwischen drei männlichen Gefangenen mit anschließender Verstümmelung von Harambasˇic´’s Hoden als Verfolgung gemäß Art. 5 h) JStGH-Statut angeklagt. Ferner wurde die Vergewaltigung an der Gefangenen F von der Staatsanwaltschaft separat unter die Anklagepunkte 2–4 als unmenschliche Behandlung gemäß Art. 2 b) JStGH-Statut, als grausame Behandlung gemäß Art. 3 JStGH-Statut und als Vergewaltigung gemäß Art. 5 g) JStGH-Statut in Tateinheit eingestuft. Unter die Anklagepunkte 8–11 fielen der erzwungene Oralverkehr von G und H an Harambasˇic´ samt der Verstümmelung seiner Hoden. Diese Sexualtat wurde als Folter oder unmenschliche Behandlung (Punkt 8) und vorsätzliches Verursachen großer Leiden oder schwerer Verletzung an Körper und Gesundheit (Punkt 9) gemäß Art. 2 sowie als grausame Behandlung gemäß Art. 3 (Punkt 10) und als unmenschliche Behandlung gemäß Art. 5 (i) JStGH-Statut (Punkt 11) angeklagt. Die Staatsanwaltschaft musste allerdings im Hauptverfahren die Anklagepunkte 2, 3, 4, zurückziehen, weil die Zeugin F sich weigerte, auszusagen. Die Vergewaltigungen an den 12 Insassinnen des Lagers Trnopolje konnten ebenfalls nicht weiterverfolgt werden, weil der Zeuge L, auf dessen alleinige Aussage sich der Tatkomplex stützte, nicht mehr glaubwürdig erschien. Da nun weder die Zeugenaussage des L noch der F zur Verfügung stand, und die Staatsanwaltschaft keine weiteren Beweise vorlegte, konnte das Gericht Tadic´ auch nicht über den Anklagepunkt 1 Verfolgung aufgrund von Vergewaltigungen verurteilen. Von den Anklagepunkten 8 und 9 wurde Tadic´ freigesprochen, weil nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Opfer des erzwungenen Oralverkehrs unter den Status der geschützten Personen nach den Genfer Abkommen fielen. Die Strafkammer kam lediglich wegen desselben Sachverhalts zu einem Schuldspruch gemäß Art. 3 JStGH-Statut als grausame Behandlung (Punkt 10) und gemäß Art. 5 (i) JStGH-Statut als unmenschliche

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Zusammenhang liegt der Schwerpunkt der Arbeit in der Prüfung der Strafbarkeit der Vergewaltigung. Auf Urteilsauslegungen zur Definition dieses Straftatbestands wird daher nicht eingegangen. Denn eine solche Definition, die das Tribunal seinen Verurteilungen zugrunde gelegt hat, betrifft nicht die Frage, ob die Vergewaltigung nach einem der Rahmenverbrechen strafbar ist. Hingegen sind die Definitionen anderer Einzeltaten von Bedeutung. Denn sie entscheiden darüber, ob unter diese Einzeltaten auch die Vergewaltigung subsumiert werden kann und damit nach einem Tatbestand des Statuts strafbar ist. (1) Vergewaltigung als „schwere Verletzung“ 629 (a) Art. 2 b) JStGH-Statut: Folter Die erste Verurteilung wegen Folter durch erzwungenen Geschlechtsverkehr erfolgte im sog. Cˇelebic´i-Fall. Nach Art. 2 b) wurde der Lagerwärter Delic´ sowie Handlung (Punkt 11). (Vgl. Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 33 ff., 427, 720 ff.). Siehe auch die Kritik an der Tadic´-Entscheidung in: MacKinnon, CJTL 44, 2006, S. 946 f.; Askin, AJIL 93, 1999, S. 100 ff. 629 Das Tribunal hat klar entschieden, dass der Inhalt des Art. 2 JStGH-Statut mit den schweren Verletzungen der Genfer Konventionen identisch sei und somit deren Voraussetzungen auch Tatbestandsmerkmale des Art. 2 geworden seien. Daher setze das Rahmenverbrechen des Art. 2 JStGH-Statut einen internationalen bewaffneten Konflikt voraus, die Einzeltat müsse in einem Zusammenhang zum Konflikt stehen und das Opfer müsse dem geschützten Personenkreis der Genfer Abkommen angehören. Das JStGH hat den geschützten Opferkreis in Art. 4 IV. Genfer Konvention extensiv ausgelegt, um so die notwendige Anpassung an moderne inter-ethnische Konflikte zu bewirken. Die Strafkammer in Tadic´ fand, dass es Sinn und Zweck der IV. Genfer Konventionen sei, den weitmöglichsten Schutz der Zivilbevölkerung zu garantieren. Insofern sei das Element der „anderen Nationalität“ der Opfer als der Täter für die Anwendung der schweren Verletzungen nach Art. 2 JStGH-Statut hinfällig geworden. Früher hätten sich internationale Kriege zwischen Parteien unterschiedlicher Nationalität abgespielt, während in modernen internationalen Kriegen die Beteiligten oft die gleiche Nationalität hätten, nur ihre ethnische Abstammung sie als Gegner gegenüberstehen lasse. Insofern sei es eine legitime teleologische Auslegung und kein Verstoß gegen das Analogieverbot, Zivilisten in den Schutzbereich des Art. 4 IV. GA mit einzubeziehen, die zwar keine andere Nationalität, aber eine andere ethnische Zugehörigkeit als die Täter aufweisen. Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-A, 15.07.1999, Para. 166 ff. So auch: Prosecuter v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 236–277; Wagner, IRRC 85, 2003, S. 351 ff.; Bantekas/Nash, ICL, S. 114 ff.; Archbold, International Criminal Courts, Rn. 11-90 ff. Der Täter könne jedermann sein. Vgl. dazu: Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 65 ff., 79–84; im Gegensastz zur Entscheidung der ersten Instanz: Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 49–51; ferner: Prosecuter v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 199–235 ließ es offen, ob Art. 2 auch auf einen internen Konflikt anwendbar ist, weil die Kammer feststellte, dass der Konflikt in Bosnien zur fraglichen Zeit einen internationalen Charakter hatte. Insofern war Art. 2 unstreitig im konkreten Fall anwendbar. Zu Beginn der Arbeit des Tribunals war allerdings heftig umstritten, ob der Verbrechenskatalog der schweren Verletzungen auf interne bewaffnete Konflikte anwendbar ist. Im Fall Tadic´ hatte die Verteidigung vorgebracht, dass die in Art. 2 JStGH-Statut

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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der Lagerkommandant Mucic´ als sein Vorgesetzter (Anklagepunkt 33) für mehrfachen erzwungenen vaginalen Geschlechtsverkehr mit der Zeugin C´ec´ez (Annormierten schweren Verletzungen der Genfer Konventionen nur auf internationale Konflikte anwendbar seien, der Konflikt in Bosnien-Herzegowina aber die Qualität eines internen Konfliktes aufweise. Die Strafkammer vertrat daraufhin die Auffassung, dass Art. 2 JStGH-Statut getrennt von den Genfer Abkommen entworfen worden sei und selbst keinen internationalen bewaffneten Konflikt voraussetze. Es gebe daher keinen Grund, die Anwendung des Art. 2 JStGH-Statut allein auf internationale bewaffnete Konflikte zu beschränken. (Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 49 ff.). Erstaunlich ist die Ansicht der ersten Instanz schon deswegen, weil sogar der Ankläger einräumte, dass Art. 2 JStGH-Statut nur auf internationale bewaffnete Konflikte Anwendung finde. (Prosecutor’s Response to the Defence’s motions filed on 23.06.1995, v. 07.07.1995, Para. 44 f.). Unterstützung fand die Strafkammer in den USA, die in ihrem „Amicus Curiae“Brief zum Ausdruck gebracht hatten, dass sie die Anwendung der schweren Verletzungen mittlerweile auch auf einen internen bewaffneten Konflikt für völkergewohnheitsrechtlich anerkannt hielten (Amicus Curiae-Brief vom 25.07.1995, S. 35 ff.). Die Berufungskammer hingegen bewertete diese Ansicht als Fehlinterpretation. Sie stellte richtig, dass Art. 2 JStGH-Statut nach dem System der schweren Verletzungen der Genfer Abkommen konzipiert worden sei. Dieses System setze zwingend einen internationalen bewaffneten Konflikt voraus, weil sich die Staaten nur zu einer universellen Strafverfolgungspflicht von schweren Verletzungen, begangen im internationalen Krieg, hatten festlegen lassen. Eine universelle Strafverfolgung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts im internen bewaffneten Konflikt hatten sie dagegen als eine Einmischung in innere Angelegenheiten abgelehnt. Obwohl zwar ein Trend in der Staatengemeinschaft zu verzeichnen sei (siehe die Indikatoren, die einen solchen Trend belegen in: Amicus Curiae-Brief vom 25.07.1995, S. 35 ff.; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1AR72, 02.10.1995, Para. 83; Greenwood, EJIL 1966, S. 276), den Verbrechenskatalog der schweren Verletzungen unabhängig davon anzuwenden, ob die Verbrechen in einem internationalen oder internen bewaffneten Konflikt begangen wurden, konnte die Berufungskammer keine dahingehend vollzogene Änderung des Völkergewohnheitsrechts feststellen. (Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 79–85; gleicher Ansicht: Bericht des Generalsekretärs vom 3.5.1993, UN-DOC. S/25704, Para. 37; Meron, AJIL 89, 1995, S. 559 ff. m.w. N.; Greenwood, EJIL 1966, S. 276; Plattner, IRRC 30, 1990, S. 414; Shagra/Zacklin, EJIL 5, 1994, S. 363 f.; Obote-Odora, The Judging of War Criminals, S. 238 f., 242–246; a. A.: Wagner, IRRC 85, 2003, S. 351 ff., unterstützt die Meinung der Tadic´-Strafkammer und des Richter’s Abi-Saab (Seperate opinion of Abi-Saab, Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995), welche den aufgelisteten Verbrechen des Art. 2 JStGH-Statut eine selbständige Existenz unabhängig von den Voraussetzungen der Genfer Konventionen zukommen lassen. Bassiouni/Manikas, ICTY, S. 489, 498, 564 ff., gehen nicht ganz nachvollziehbar davon aus, dass alle schweren Verletzungen der Genfer Abkommen sowie des Protokolls I, der gemeinsame Art. 3 der Genfer Abkommen und die Bestimmungen des Protokolls II in Art. 2 JStGHStatut enthalten seien. Zuerst einmal wird so eine Interpretation nicht mehr vom Wortlaut des Art. 2 JStGH-Statut getragen. Denn das JStGH-Statut hat einen abschließenden Verbrechenskatalog normiert, der wortgetreu die schweren Verletzungen der vier Genfer Konventionen übernommen hat und verfügt gerade nicht über eine Öffnungsklausel wie Art. 3, worüber andere Vorschriften des humanitären Völkerrechts zur Anwendung gebracht werden können. Es kann daher nicht einfach eine Auslegung dahingehend vorgenommen werden, dass ganz andere Bestimmungen der vier Abkommen sowie sogar Bestimmungen aus anderen Dokumenten, den Zusatzprotokollen, in Art. 2 enthalten sein sollen. Zweitens setzen Bassiouni und Manikas voraus, dass nur Normen, die ohne Zweifel Völkergewohnheitsrecht darstellen und eine individuelle Strafbarkeit begrün-

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

klagepunkt 18), und für mehrfachen vaginalen und analen erzwungenen Geschlechtsverkehr mit der Zeugin A (Anklagepunkt 21) verurteilt. In beiden Fällen hatte Delic´ die Frauen vergewaltigt, um Informationen über Angehörige zu erhalten.630 Die Kammer hatte materiell-rechtlich zuerst zu prüfen, ob in dem Tatbestand der Folter überhaupt der vaginale und anale erzwungene Geschlechtsverkehr als eine mögliche Tathandlung enthalten waren. Maßgeblich war, ob das humanitäre Völkerrecht und die völkerrechtlichen Menschenrechtsinstrumente Bestimmungen zur Folter enthielten. Trotz eines eindeutigen internationalen Konsenses, dass Folter verboten ist631, waren nur drei Definitionen der Folter in Bestimmungen zu den Menschenrechten enthalten: Art. 1 VN-Folterkonvention, Art. 1 VN-Folterdeklaration sowie Art. 2 Inter-American Torture Convention. Da die VN-Folterkonvention die weiteste Definition der Folter anbot und dadurch die zwei anderen Definitionen mit umfasste, erklärte die Kammer sie zur Grundlage des Tatbestands der Folter im Völkerstrafrecht.632 Es konnten vier Tatbestandsmerkmale der Folter herauskristallisiert werden: (1) There must be an act or omission that causes severe pain or suffering, whether mental or physical, (2) Which is inflicted intentionally, (3) And for such purposes as obtaining information or a confession from the victim, or a third person, punishing the victim for an act he or she or a third person has committed or is suspected of having committed, intimidating or coercing the victim or a third person, or for any reason based on discrimination of any kind,

den, als Strafbestimmungen des Statuts in Betracht kommen. Sie weisen aber selbst darauf hin, dass „common Art. 3 does not in itself create individual criminal responsibility“.) Eine Ausweitung der Strafbestimmungen der Genfer Konventionen auf einen Bürgerkrieg lässt sich nicht überzeugend nach Art. 2 JStGH-Statut begründen. 630 Vgl. Prosecutor v. Mucic ´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Annex B, Anklageschrift, Para. 24, 25, 29 sowie zur Tatsachenfeststellung der Kammer: Para. 936–939, 955–961; Rechtsfindung/Urteil: Para. 943, 965, 1011, 1285. 631 Die Kammer stellte fest, dass dieses Folterverbot nicht nur den Status von Völkergewohnheitsrecht, sondern sogar von „jus cogens“ erlangt habe. „Jus cogens“ bedeutet, dass die Norm einen höheren Stellenwert einnimmt als eine gewöhnliche Norm und nur durch eine andere Vorschrift, die denselben Status hat, verändert oder wieder aufgehoben werden kann. Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 452–454. Vgl. ferner zum Begriff „jus cogens“: Mitchell, DJCIL 15, 2005, S. 228 ff.; Sungi, EJLR 9, 2007, S. 113 f. 632 Prosecutor v. Mucic ´ , IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 455–459 mit den Nachweisen der erwähnten Menschrechtsdokumente sowie einer Analyse der Rechtsprechung des Menschenrechtskomitees, des Europäischen Gerichtshofs und der Europäischen Menschenrechtskommission, Para. 461–474.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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(4) And such act or omission being committed by, or at the instigation of, or with the consent or acquiescence of, an official or other person acting in an official capacity.633 Ihre Auffassung, der erzwungene Geschlechtsverkehr verursache schwere Schmerzen oder Leiden, konnte die Kammer auf die Rechtsprechung der InterAmerican Commission on Human Rights, des Europäischen Gerichtshofs sowie des Ruanda-Tribunals stützen. Mehrere dieser Entscheidungen und Expertenberichte gingen davon aus, dass Vergewaltigung genauso wie jede andere Misshandlung Folter darstellen könne, wenn alle weiteren Tatbestandsmerkmale der Folter erfüllt seien.634 Die Kammer formulierte dies wie folgt: The Trial Chamber considers the rape of any person to be a despicable act which strikes at the very core of human dignity and physical integrity. The condemnation and punishment of rape becomes all the more urgent where it is committed by, or at the instigation of, a public official, or with the consent or acquiescence of such an official. Rape causes severe pain and suffering, both physical and psychological. The psychological suffering of persons upon whom rape is inflicted may be exacerbated by social and cultural conditions and can be particularly acute and long lasting. Furthermore, it is difficult to envisage circumstances in which rape, by, or at the instigation of a public official, or with the consent or acquiescence of an official, could be considered as occurring for a purpose that not, in some way, involves punishment, coercion, discrimination or intimidation. In the view of this trial Chamber this is inherent in situations of armed conflict.635

Diese Urteilspassage belegt deutlich, dass bei einer Vergewaltigung das erste Merkmal der Folter – schwere Schmerzen oder Leiden – erfüllt ist. Es bedarf keiner auf den konkreten Fall bezogene Abwägen, ob die Vergewaltigung die Schwelle der Folter erreicht hat. Nach dieser Auslegung stellt jede Vergewaltigung eine Foltermethode dar. Ob Vergewaltigung als Folter schließlich verurteilt werden kann, hängt somit nicht von der Art der Vergewaltigung ab, sondern nur vom Vorliegen der anderen Tatbestandsvoraussetzungen der Folter. Zudem ging die Kammer davon aus, wenn in die Vergewaltigung eine Autoritätsperson verwickelt ist, gleichzeitig das dritte Merkmal der Folter, der verbotene Zweck, vorgelegen haben muss, was insofern eine Beweiserleichterung bedeutet. Auf den konkreten Fall bezogen fand die Kammer, dass das vaginale Eindringen mit dem Penis unter Zwangsumständen eindeutig Vergewaltigung darstelle.636 Die Auswirkungen der Vergewaltigungen auf die beiden Opfer ließen keine Zweifel daran, dass sie schwere körperliche und mentale Schmerzen und Leiden erlitten hatten. Die Kammer umschrieb sie mit konstanter Angst und Depression, Selbstmordtendenzen, mentaler und körperlicher Erschöpfung. Weiter633 634 635 636

Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 494. Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 481–496. Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 495. Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 940.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

hin stellte sie auf die extremen physischen Schmerzen durch die zwangsweise anale Penetration von Frau Antic´ und die daraufhin folgende Blutung sowie die besonders psychisch belastenden lebensbedrohenden Umstände der Vergewaltigung ab, welche das konstante Weinen und die Behandlung mit Beruhigungsmitteln belegten.637 Die Täter zielten darauf ab, Informationen zu erhalten, sowie die Frauen zu bestrafen und einzuschüchtern. Dass beide Zeuginnen gerade als Foltermethode vergewaltigt wurden, lege in ihrem Geschlecht begründet. Die Opferauswahl beruhe auf einer Diskriminierungsabsicht gegenüber Frauen. Dies sei ein zusätzlicher verbotener Zweck der Folter.638 Der nächste Angeklagte, der wegen mehrfachen Vergewaltigungen nach Art. 2 b) JStGH-Statut (Folter) verurteilt werden konnte, war Brdjanin. Auch diese Entscheidung bestimmte die Tatbestandsmerkmale der Folter in Anlehnung an die VN-Folterkonvention. Im Unterschied zur Kammer im Cˇelebic´i-Fall übernahm sie aber nicht das Element der Mitwirkung einer Autoritätsperson. Obwohl die VN-Folterkonvention die Mitwirkung bzw. Anwesenheit einer Autoritätsperson/ Funktionärs verlangt, sei dieses Element für die Folter im Völkerstrafrecht nicht erforderlich. Die Folterkonvention basiere auf dem Schutz der Menschenrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat, während im Völkerstrafrecht der Einzelne für seine Verletzung fundamentaler Rechte zur Verantwortung gezogen werde. Das Charakteristische der Folter sei, wie bereits die Kunarac-Kammer639 festgestellt hatte, die Natur der Handlung und nicht der Status der Person, die sie ausführt.640 Folter liege daher vor, wenn folgende Elemente nachgewiesen werden können: (1) the infliction, by act or omission, of severe pain or suffering, whether physical or mental; (2) the act or omission must be intentional; and (3) the act or omission must have occurred in order to obtain information or a confession, or to punish, intimidate or coerce the victim or a third person, or to discriminate, on any ground, against the victim or a third person.641 Die Kammer betonte, dass die Schwere der Schmerzen oder Leiden, welche als Folter einzustufen sind, im Einzelfall bewertet werden müsse. Allerdings seien einige Handlungen per se als Folter einzustufen wie z. B. die Vergewaltigung. Die Vergewaltigung füge dem Opfer zwangsläufig schwere Schmerzen und 637

Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 942, 964. Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 941, 963. Die von den Verurteilten eingelegte Berufung führte zu keiner Veränderung der Bewertung der Vergewaltigung als Folter (Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-A, 20.02.2001, Disposition, S. 306). 639 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 465–496: siehe die Ausführungen zur Folter nach Art. 3 JStGH-Statut. 640 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 488–489. 641 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 480–482. 638

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Leiden zu.642 Ferner müssen die oben genannten verbotenen Zwecke weder abschließend, noch müsse die Handlung ausschließlich aufgrund eines verbotenen Zwecks ausgeführt werden. Andere Begleitmotive des Täters seien daher unschädlich.643 Die Kammer stellte mehrere Vergewaltigungen von bosnisch-muslimischen Frauen in verschiedenen Gefangenenlagern sowie in Gemeinden in Bosnien-Herzegowina durch bosnisch-serbische Soldaten, Lagerwärter und Polizisten fest.644 Die Kammer ging davon aus, dass die Vergewaltigungen schwere Schmerzen und Leiden bei den Opfern im Sinne der Folter verursacht hatten und diese den Opfern vorsätzlich zugefügt worden waren. Die Kammer rechnete dem Angeklagten die Vergewaltigungen anderer gemäß Art. 7 Abs. 1 als Gehilfe zu. Brdjanin hatte von den Bedingungen und Folterungen in den Lagern gewusst, aber diese nicht kritisiert. Er hatte vielmehr durch seine „laissez-faire“-Haltung als Präsident des ARK Krisenstabs die Soldaten und Polizisten dazu ermutigt, die Lager in der beschriebenen Form weiterzuführen. Diese Haltung hatte die Begehung der Folterungen wesentlich gefördert.645 Ferner wurde Miroslav Bralo, Mitglied der Anti-Terrorist Einheit „Joker“ der vierten Militärpolizeieinheit des Kroatischen Verteidigungsrates (HVO)646, wegen Vergewaltigung nach dem Tatbestand der Folter gemäß Art. 2 b) JStGH-Statut verurteilt. Allerdings hatte sich der Angeklagte in einem Abkommen mit der Staatsanwaltschaft zu allen Anklagepunkten schuldig bekannt. Die Strafkammer musste sich um keine intensive Tatsachenfeststellung bzw. um eine Definition der Folter bemühen. Sie legte die zwischen dem Angeklagten und der Staatsanwaltschaft anerkannten Tatsachen des Falls ihrem Strafurteil zu Grunde. Danach hatte Bralo die Zeugin A mehrfach im Hauptquartier der „Joker“ vor anderen Soldaten und einem anderen Folteropfer vergewaltigt, während sie verhört wurde.647 Sie wurde dann weitere zwei Monate in einem anderen Haus festgehalten und wiederholt von Mitgliedern der „Joker“ mit Bralo’s Wissen vergewaltigt.648 Diesem Urteil können somit keine detaillierten Informationen zum materiellen Recht der Folter und Vergewaltigung, sondern lediglich die Rechtsansicht

642

Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 483–485. Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 486–487. 644 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 512–518, 523. 645 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 525–538; 286–292; Die Berufung änderte nichts an dieser Rechtsprechung. Sie bezog sich nicht auf die Vergewaltigung, sondern auf die Voraussetzungen der Rahmenverbrechen, Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-A, 03.04.2007, Para. 253 ff. 646 Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-S, 07.12.05, Para. 10. 647 Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-S, 07.12.05, Para. 15; vgl. auch denselben Sachverhalt im Urteil: Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 264–267. 648 Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-S, 07.12.2005, Para. 16. Die Berufung zur Strafzumessung blieb ohne Erfolg, Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-A, 02.04.07. 643

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

der Kammer entnommen werden, dass Vergewaltigung nach dem Foltertatbestand der schweren Verletzungen der Genfer Konventionen strafbar ist. (b) Art. 2 b) JStGH-Statut: Unmenschliche Behandlung Im Cˇelebic´i-Fall wurde der erzwungene Oralverkehr zwischen männlichen Lagerinsassen als unmenschliche Behandlung verurteilt. Mucic´ hatte als Lagerkommandant nicht verhindert, dass Lagerwärter zwei männliche Gefangene öffentlich gezwungen hatten, gegenseitig den Oralverkehr durchzuführen (Anklagepunkt 44).649 Die Strafkammer stellte fest, dass dieselben Instrumente, die auch die Folter verbieten, ebenso die unmenschliche Behandlung untersagen. Daher bestehe kein Zweifel an der völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Verbots der unmenschlichen Behandlung. Jedoch fehle es in diesen Instrumenten an einer Definition. Die Kammer entwickelte einen Tatbestand der unmenschlichen Behandlung anhand der Vorschriften und Ausführungen des Kommentars zu den Genfer Konventionen. Sie folgerte, dass alle Handlungen unmenschliche Behandlungen darstellen, die dem Leitmotiv der Genfer Abkommen zu wider laufen, die menschliche Person und vor allem dessen Würde zu respektieren.650 Die Kammer fasste zusammen: In sum, the Trial Chamber finds that inhuman treatment is an intentional act or omission, that is an act which, judged objectively, is deliberate and not accidental, which causes serious mental or physical suffering or injury or constitutes a serious attack on human dignity. . . . In this framework of offences, all acts found to constitute torture or wilfully causing great suffering or serious injury to body or health would also constitute inhuman treatment. However, this third category of offences is not limited to those already incorporated into the other two and extends further to other acts which violate the basic principle of humane treatment, particularly the respect for human dignity. . . .651

Dieser Urteilspassage kann entnommen werden, dass dem Tatbestand der unmenschlichen Behandlung eine Auffangfunktion gegenüber den anderen zwei Kategorien der schweren Verletzungen zukommt. Er erfasst zum einen die Handlungen, die auch Folter oder vorsätzliches Verursachen großen Leidens ausmachen. Zugleich erweitert er den Anwendungsbereich dieser Verbote, indem er nicht notwendigerweise eine Körperverletzung verlangt, sondern eine Beeinträchtigung der menschlichen Würde als Tathandlung ausreichen lässt. Durch die Anklage als unmenschliche Behandlung wurde der erzwungene Oralverkehr somit nicht als Vergewaltigung eingeordnet, sondern eher als eine sexuelle Nöti-

649 Prosecutor v. Mucic ´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Annex B, Anklageschrift, Para. 34, Urteil, Para. 1071 f., 1285 f. 650 Prosecutor v. Mucic ´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 516–544. 651 Prosecutor v. Mucic ´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 543–544.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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gung.652 Andernfalls hätte die Tat ebenso wie die anderen vaginalen und analen Vergewaltigungen als solche bezeichnet werden können. Dann hätte sie entweder als Folter verfolgt werden können oder aber – wenn die Voraussetzungen des Folterzwecks oder die Anwesenheit einer offiziellen Person nicht vorgelegen hätten – als Verursachung großen Leidens. So wurde aber der Auffangtatbestand der schweren Verletzungen vorgezogen, der nicht unbedingt auf eine Verletzung der Körperintegrität, sondern auf die der Integrität der menschlichen Würde abstellt.653 (c) Art. 2 c) JStGH-Statut: Vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit Im Cˇelebic´i-Fall grenzte das Gericht die vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit von der Folter ab. Die Strafkammer fand, dass die Tathandlung der vorsätzlichen Verursachung großer Leiden oder schwerer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit keine andere sein muss als die der Folter: The trial Chamber thus finds that the offence of wilfully causing great suffering or serious injury to body or health constitutes an act or omission that is intentional, being an act which, judged objectively, is deliberate and not accidental, which causes serious mental or physical suffering or injury. It covers those acts that do not meet the purposive requirements for the offence of torture, although clearly all acts constituting torture could also fall within the ambit of this offence.654

Obwohl keine Vergewaltigung nach diesem Tatbestand angeklagt worden war, und die Kammer diese Äußerung folglich nicht hinsichtlich sexueller Misshandlungen gemacht hatte, hat sie die Frage mitbeantwortet, ob die Vergewaltigung auch eine schwere Verletzung nach dieser Alternative darstellen könnte. Denn zuvor hatte dieselbe Kammer bestimmt, dass Vergewaltigung eine taugliche Folterhandlung ist und in diesem Bewusstsein nun gefunden, dass die Folterhandlung mit der Verursachung großer Leiden übereinstimmt. Damit hat die Kammer mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass die Vergewaltigung auch nach dieser Alternative als eine schwere Verletzung der Genfer Abkommen strafbar ist. Falls 652 Siehe auch die Verurteilung Prosecutor v. Rajic ´, IT-95-12-S, 08.05.2006, Para. 13–14, 49, 53, 89, 184, wegen unmenschlicher Behandlung, weil Soldalten unter seinem Kommando sexuelle Gewalt („sexual assault“) und andere Körperverletzungen an der muslimischen Zivilbevölkerung von Stupni Do und Vares begangen hatten. Diese Verurteilung bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft und das Gericht diese Variante der schweren Verletzungen eher als einen Auffangtatbestand für sexuelle und andere Gewalt unterhalb der Schwelle der Vergewaltigung und Folter erachten. 653 Die Berufungskammer hielt die Verurteilung der unmenschlichen Behandlung aufrecht. Siehe: Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-A, 20.02.2001, Disposition, S. 306. 654 Prosecutor v. Mucic ´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 498–511.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

also die strengeren Voraussetzungen der Folter gemäß Art. 2 b) JStGH-Statut nicht gegeben sein sollten, könnte die Tat noch immer als schwere Verletzung der Genfer Konventionen nach Art. 2 c) JStGH-Statut geahndet werden. Insgesamt erklärten die Strafkammern des JStGH die Vergewaltigung nach allen Tatalternativen des Art. 2 b) und c) JStGH-Statut für strafbar. Alle Strafkammern gingen davon aus, dass die vaginale und anale Vergewaltigung per se eine taugliche Tathandlung aller drei Tatalternativen darstellt. Allerdings wurde der erzwungene Oralverkehr als eine minderschwere Handlung zum vaginalen und analen Geschlechtsverkehr eingestuft und nur unter dem Auffangtatbestand der unmenschlichen Behandlung verurteilt. (2) Vergewaltigung als Verstoß gegen die Kriegsgesetze und -gebräuche Da Art. 3 JStGH-Statut selbst nicht ausdrücklich Verbrechen gegen die Person als Kriegsverbrechen auflistet, wurde vom Tribunal der gemeinsame Art. 3 der Genfer Abkommen als Verurteilungsgrundlage herangezogen.655 (a) Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen: Folter Im Cˇelebic´i-Fall wurden die oben geschilderten Vergewaltigungen (Anklagepunkte 18 und 21) nicht nur als Folter nach Art. 2 b), sondern auch nach Art. 3 655 Das Tribunal geht davon aus, dass der in Art. 3 JStGH-Statut ausdrücklich aufgeführte Verbrechenskatalog nur illustrativen Charakter habe und nicht abschließend sei. Es hält jede ernste Verletzung einer gewohnheitsrechtlichen Norm des humanitären Völkerrechts, die eine Strafbarkeit begründet, von Art. 3 JStGH-Statut erfasst, unabhängig davon, ob die Norm einen internationalen oder einen internen bewaffneten Konflikt voraussetzt. Art. 3 fungiert im Verhältnis zu Art. 2 JStGH-Statut somit als Auffangvorschrift, um sicherzustellen, dass keine ernste Verletzung des humanitären Völkerrechts unberücksichtigt bleibt. Konkret legte das Tribunal folgende Voraussetzungen des Art. 3 JStGH-Statut zugrunde: Die Verbotsvorschrift muss Völkergewohnheitsrecht darstellen und eine Strafbarkeit begründen, es muss ein bewaffneter Konflikt vorliegen, und es muss ein Zusammenhang zwischen dem bewaffneten Konflikt und der konkreten Straftat bestehen. Ferner dürfen die Opfer nicht (mehr) aktiv an Feindseligkeiten teilnehmen; Täter kann dagegen jedermann sein. Entscheidend ist, dass somit auch Verletzungen, die im internen Konflikt verboten und strafbar sind, über Art. 3 verfolgt werden können. Die Strafkammern des Tribunals bestätigten mehrfach, dass der gemeinsame Art. 3 der Genfer Abkommen, der sich auf interne bewaffnete Konflikte bezieht, diese Voraussetzungen erfülle. Vgl. Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 86–137; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 609–617; Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11. 1998, Para. 278–280, 295–318, 307; Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12. 1998, Para. 132 f.; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 400–408; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 49–105; Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 123–125. Vgl. ebenso oben die Diskussion zu Art. 3 JStGH-Statut, bei der eine völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit des Art. 3 GA zum Zeitpunkt der Verbrechensbegehung Anfang der 1990iger Jahre abgelehnt worden war.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) der Genfer Abkommen verurteilt (Anklagepunkte 19 und 22).656 Die Auslegung des Folterbegriffs erfolgte in allen Urteilen unabhängig vom zugrundeliegenden Rahmenverbrechen.657 Somit hat keine Strafkammer des JStGH den Tatbestand der Folter nach Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen anders ausgelegt als nach Art. 2 b) oder Art. 5 f) JStGH-Statut. Insofern sind im Cˇelebic´i-Urteil sowohl die materiellen als auch die Rechtsfindungsausführungen zur Folter nach Art. 2 b) JStGH-Statut auf Art. 3 JStGH-Statut zu übertragen. Die Berufungskammer hob allerdings die Verurteilungen wegen Folter nach Art. 3 JStGH-Statut wieder auf, nicht, weil sie Zweifel an der Strafbarkeit der Vergewaltigung nach dem Foltertatbestand hatte, sondern, weil sie eine kumulative Verurteilung der Folter nach Art. 2 und 3 JStGH-Statut für dieselbe Handlung für unzulässig hielt („Gesetzeskonkurrenz“ würde zu einer Doppelverurteilung führen).658 Anto Furundzˇija, Kommandant der berüchtigten Spezialeinheit „Joker“ der kroatischen Streitkräfte (HVO) in Bosnien-Herzegowina, war der zweite Angeklagte vor dem JStGH wegen Folter aufgrund von Vergewaltigung gemäß Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen (Anklagepunkt 13). Er hatte die Zeugin A verhört, während ein anderer Soldat sie vor einem weiteren Misshandlungsopfer vergewaltigt hatte.659 Diese Strafkammer kam zur gleichen Ansicht wie die Kammer im Cˇelebic´iFall, dass das Verbot der Folter den Status von „jus cogens“ eingenommen habe660 und die Tatbestandselemente der Folter den Art. 1 Abs. 1 der VN-Folter656 Siehe: Prosecutor v. Mucic ´ , IT-96-21-T, 16.11.1998, Annex B, Para. 24–25, 29; Urteil, Para. 943, 965, 1011, 1285. 657 Siehe z. B.: Prosecutor v. Mucic ´ , IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 443, 446 ff.; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 465 ff.; Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para.137–158. 658 Prosecutor v. Mucic ´, IT-96-21-A, 20.02.2001, Para. 412 ff., 427, Disposition, S. 306, Para. 2. 659 Siehe die Anklageschrift in Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Annex A, Para. 25–26 sowie das Urteil, Para. 38, 263–269, Disposition. Die Anklageschrift stand gegenüber anderen Angeklagten unter Verschluss, so dass die Anklageschrift nur in der zensierten Version öffentlich gemacht wurde. Von den insgesamt 25 Anklagepunkten betrafen den Angeklagten Furundzˇija lediglich die Anklagepunkte 12, 13 und 14. Anklagepunkt 12 wurde allerdings von der Staatsanwaltschaft zurückgezogen. Vgl. dazu: Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 2, 7, 16. Inzwischen ist die Anklageschrift hinsichtlich des tatsächlichen Vergewaltigers der Zeugin A veröffentlicht und der Angeklagte wurde ebenfalls aufgrund der im Furundzˇija-Fall geschilderten Vergewaltigung und weiteren Vergewaltigungen wegen Folter (Punkt 4) als Kriegsverbrechen verurteilt. Vgl. dazu: Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-S, 07.12.05, Para. 5, 15, 16. 660 Dazu berief sich die Kammer auf Abkommen, die beide Parteien ratifiziert hatten (Art. 3 GA, 4 Abs. 2 Zusatzprotokoll II) sowie Gewohnheitsrecht (Lieber Code, Art. 4 und 46 HLKO, Martens Klausel, Art. 2 Abs. 1 c) KRG 10), Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 134–141. Zu den Menschenrechtsverboten zählte die

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

konvention von 1984 zu entnehmen seien.661 Die Kammer sah keinen Hinderungsgrund, Vergewaltigung als eine Foltermethode anzuerkennen und bekräftigte, dass die Vergewaltigung während eines Verhörs und einer Freiheitsentziehung eindeutig Folter darstelle. Die Vergewaltigung müsse nicht von der Verhörperson selbst, sondern könne auch durch eine dritte Person entweder am Opfer oder einer dritten Person begangen werden. Zweck der Folter könne die Bestrafung, Einschüchterung, Erniedrigung, der Zwang oder der Erhalt von Informationen oder eines Geständnisses des Opfers sein.662 Einzig neu an dieser Auslegung ist, dass die Kammer der nicht abschließenden Liste der verbotenen Folterzwecke den der Erniedrigung hinzugefügt hat; ein Zweck, der gerade durch eine Sexualtat besonders leicht erfüllt wird. Auch ging diese Kammer davon aus, dass Vergewaltigung per se eine Foltermethode darstellt. Auf den konkreten Fall bezogen sah die Kammer die Tatbestandsmerkmale der Folter dadurch erfüllt, dass der Angeklagte die Zeugin A verhört hatte, während der Angeklagte B sie gezwungen hatte, sich auszuziehen, ihr mit dem Messer gedroht hatte, ihre Vagina herauszuschneiden, mit einem Stock geschlagen und oral, vaginal und anal vor einer Gruppe von Soldaten vergewaltigt hatte. Furundzˇija hatte bezweckt, Informationen über Verwandte der A und anderer Individuen sowie über die Beziehung zu gewissen HVO Soldaten und ihre Verbindung zur ABiH zu erhalten. Hinsichtlich des Zeugen D fand die Kammer ebenfalls den Tatbestand der Folter erfüllt. Denn Furundzˇija hatte zuvor den Zeugen D im Bungalow schwer geschlagen und ihn dann im Vorratsraum zusammen mit A verhört, während der Angeklagte B ihn mit einem Stock geschlagen und gezwungen hatte, der Vergewaltigung seiner Bekannten zuzusehen. Vom Zeugen D hatte sich Furundzˇija erhofft, Details über das Ausmaß dessen mutmaßlichen Verrats an die AbiH und dessen Unterstützung der muslimischen Zeugin A zu erfahren.663 Da die Befragung der Zeugen A und D durch Furundzˇija im direkten Zusammenhang mit deren Misshandlungen durch den Mitangeklagten B standen, fand die Strafkam-

Kammer die EMRK, den Pakt der bürgerlichen und politischen Rechte, die Inter-Amerikanische Menschenrechtskonvention, die Afrikanische Menschenrechtscharta, die VNFolter-Konvention und die Inter-Amerikanische Folter-Konvention auf, Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 143 Fn. 163, 144–158. Siehe auch die Decision on the Defendant’s Motion to Dismiss Counts 13 and 14 of the Indictment, 29.05.1998. 661 Die Kammer betonte, dass die Definition in der VN-Folter-Konvention die weitgehendste sei und deshalb einen gemeinsamen Nenner aller Folterdefinitionen wie in der Folterdeklaration und der Inter-Amerikanischen-Konvention bilde. Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 159–162 mit den Nachweisen anderer Definitionen. 662 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 163–164. 663 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 264–267.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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mer Furundzˇija der Mittäterschaft schuldig.664 Bemerkenswert ist, dass die Kammer sogar das Zusehen bei einer Vergewaltigung als Foltermethode anerkannte. Im Februar 2001 erging dann das sog. Focˇa-Urteil, das sich ausschließlich mit Vergewaltigungen durch drei bosnisch-serbische Soldaten in der Gemeinde Focˇa befasste. Wegen Folter nach Art. 3 JStGH-Statut wurden sowohl Kunarac für mehrfache Vergewaltigungen an mehreren Frauen (Punkt 3, 11) als auch Vukovic´ (Punkt 35) für eine Vergewaltigung eines Mädchens verurteilt.665 Mangels einer Definition der Folter im humanitären Völkerrecht zog die Kammer die Folterdefinition der Menschenrechte hinzu666, behielt jedoch im Unterschied zu den vorhergegangenen Urteilen die verschiedenen Zielrichtungen der beiden Rechtsdisziplinen im Auge. Danach sollen die Menschenrechte die Bürger gegen Staatsmissbrauch schützen, während das humanitäre Völkerrecht die Auswirkungen der Kriegsführung für die Opfer beschränken wolle. Bei den Menschenrechten sei der Staat der Normadressat; im humanitären Völkerrecht stünden sich zwei Kriegsparteien gegenüber, an die sich das Recht gleichermaßen wende. Daher enthielten die Menschenrechte eine Aufzählung geschützter Rechte, das Völkerstrafrecht eine solche von Verbrechen. Nach der Ansicht der Kammer, könnten die Bestimmungen der Menschenrechte nur in das humanitäre Völkerrecht übertragen werden, wenn sie die Besonderheiten der letzteren Disziplin berücksichtigen.667 Im Vergleich der Menschenrechtsvorschriften mit den humanitären Völkerrechtsnormen stellte die Kammer eine Diskrepanz hinsichtlich des Erfordernisses der Mitwirkung eines Staatsorgans fest. Es gebe Foltervorschriften im humanitären Völkerrecht, die nicht auf eine Beteiligung eines Staatsfunktionärs bei der Folterhandlung abstellen, weil mit oder ohne die Mitwirkung eines Staatsfunktionärs die Natur sowie die Auswirkungen der Folterhandlung die gleichen blieben.668 Da die Bestim664

Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 267–269. Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 883 ff.; vgl. die sehr komplexen Anklageschriften in: Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-9623/1-T, 22.02.2001, Annex IV und V. Kunarac war Kommandant der Spezialerkundungseinheit der bosnisch-serbischen Streitkräfte, Kovacˇ und Vukovic´ waren Unterkommandanten der Militärpolizei und paramilitärische Führer in Focˇa. Kunarac wurden 5 Handlungskomplexe und Kovacˇ ein Handlungskomplex zur Last gelegt, die zu insgesamt 25 Anklagepunkten führten. Davon wurden die Anklagepunkte 14–17 von der Staatsanwaltschaft zurückgezogen und von Punkt 13 wurde Kunarac durch die Strafkammer vorab aus Mangel an Beweisen freigesprochen, Prosecutor v. Kunarac, IT-9623-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 915–916, Annex IV, S. 297. Gegen Vukovic´ liegt eine eigenständige Anklageschrift vor, weil sein Verfahren erst später mit dem hiesigen zusammengelegt wurde. Ihm wurden zwei Handlungskomplexe mit insgesamt acht Anklagepunkten zur Last gelegt. 666 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 465–467. 667 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 468–471. 668 Die Kammer berief sich auf Art. 4 Abs. 2 a) Zusatzprotokoll II und Art. 12 Abs. 1 GA I, welche die Mitwirkung eines Staatsfunktionärs nicht zur Bedingung ma665

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

mungen des humanitären Völkerrechts für das Völkerstrafrecht aus den gerade zuvor genannten Gründen besonders bedeutsam seien669, kam die Kammer zu dem Schluss, dass die Folterdefinition im humanitären Völkerrecht die Anwesenheit eines Staatsfunktionärs oder einer sonstigen Autoritätsperson im Folterprozess nicht erfordere.670 Die Kammer reduzierte die Definition der Folter daher auf drei Tatbestandsvoraussetzungen: (i) The infliction, by act or omission, of severe pain or suffering, whether physical or mental. (ii) The act or omission must be intentional. (iii) The act or omission must aim at obtaining information or a confession, or at punishing, intimidating or coercing the victim or a third person, or at discriminating, on any ground, against the victim or a third person.671

Im Gegensatz zur Furundzˇija-Entscheidung sah sie es nicht als notwendig an, die Erniedrigung explizit als einen Folterzweck aufzuführen. Die Kammer fand die Straftat der Folter dadurch verwirklicht, dass Kunarac mehrere Mädchen und Frauen (FWS-75, D.B., FWS-87, FWS-50, FWS-95) in das Hauptquartier gebracht und entweder selbst vergewaltigt oder Beihilfe zur Vergewaltigung geleistet hatte, indem er die Mädchen anderen Soldaten überlassen hatte. Dies hatte er getan, um muslimische Frauen zu diskriminieren (Punkt 3).672 Die vaginale, anale und orale Vergewaltigung von FWS-183 durch Kunarac und zwei seiner Soldaten (Punkt 11) hatte Kunarac bezweckt, um Informationen von ihr zu erhalten.673 Vukovic´ hatte den Foltertatbestand dadurch erfüllt, dass er die 16-jährige FWS-50 gemeinsam mit anderen Soldaten in ein Apartment verschleppt und dort vergewaltigt hatte, um sie als muslimische Frau zu diskriminieren. Dass ein anderer Zweck wie ein sexueller Drang die Taten der Angeklagten mitbestimmt hatte, sah die Kammer als irrelevant an.674 Auch dieses Urteil lässt keinen Zweifel daran, dass der erzwungene orale, vaginale und anale Geschlechtsverkehr eine Foltermethode darstellt. Entscheidend ist allerdings nach der hier angewandten Definition nicht mehr die Beteiligung einer Au-

chen sowie die Flick-Entscheidung, welche den Grundsatz verankerte, dass „There is no justification for a limitation of responsibility to public officials.“ Trial of Friedrich Flick and Five Others („Flick Trial“), US Military Tribunal, 20 Apr–22 Dec 1947, LRTWC, Vol. IX, p 1, 18; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02. 2001, Para. 491 f. 669 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 472–495. 670 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 496. 671 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 497. 672 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 636–685. 673 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 705–715. 674 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 799–822.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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toritätsperson bei der Misshandlung, um eine solche zur Folter werden zu lassen, sondern der der Handlung zugrundeliegende Zweck. In der Berufung strebten die Berufungsführer Kunarac und Vukovic´ nicht die Änderung der Folterdefinition der ersten Instanz an, sondern trugen vor, dass die Tatbestandsmerkmale nicht bewiesen seien. Die Opfer hätten keine schweren Leiden oder Schmerzen erlitten und sie hätten nicht aufgrund eines verbotenen Folterzwecks, sondern aus einem Sexualdrang heraus gehandelt.675 Damit stellten sie hauptsächlich in Frage, dass jede Vergewaltigung eine Foltermethode verkörpert. Die Berufungskammer bestätigte zuerst die von der erstinstanzlichen Kammer zugrundegelegte Folterdefinition.676 Hinsichtlich des Erfordernisses der Schmerzen und Leiden fand die Berufungskammer, dass es keine ausschließliche Klassifikation und Aufzählung von Taten gäbe, die Folter darstellen. Es sei eine fehlerhafte Annahme der Berufungsführer, dass das Leiden noch lange nach der Tat sichtbar sein müsse. Manche Taten bewirken per se das Leiden beim Opfer; darunter falle auch die Vergewaltigung. Sexuelle Gewalt verursache zwangsläufig schwere Schmerzen und Leiden und es sei daher gerechtfertigt, sie als Folter einzustufen. Sobald also die Vergewaltigung nachgewiesen ist, seien auch die schweren Schmerzen und Leiden bewiesen, weil die Vergewaltigung solche schweren Schmerzen und Leiden impliziere.677 Ferner stellte die Kammer klar, dass ein sexuelles Motiv zur Tatbegehung unschädlich sei, solange ein verbotener Zweck die Tatausführung mitbestimmt habe.678 Die Berufungsentscheidung beseitigte letzte Zweifel, dass Vergewaltigung als Foltermethode anzuerkennen ist, wobei das Ausmaß an Schmerzen und Leiden nicht konkret nachgewiesen werden muss. Da die Kammer sexuelle Gewalt und nicht die Vergewaltigung als Tathandlung der Folter erfasst sah, ist auch der erzwungene Oralverkehr als Foltermethode ausreichend. Verwunderlich ist nur, dass nicht alle Vergewaltigungen als Folter angeklagt bzw. verurteilt wurden. Denn es ist nicht ersichtlich, warum derselbe Täter einige Frauen zum Zweck der Diskriminierung vergewaltigt haben soll und anderen Frauen gleicher ethnischer Abstammung nicht habe diskriminieren wollen.679 Im Fall Kvocˆka, welcher sich den Verbrechen von fünf bosnischen Serben an der muslimischen Bevölkerung im Omarska-Gefangenenlager widmet, wurde al675

Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 134–138. Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 147, 148. 677 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 149–151; so auch: Prosecutor v. Haradinaj, IT-04-84-T, 03.04.2008, Para. 127. 678 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 152–155. 679 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Anklageschrift, Para. 6, 10, 11 sowie im Urteil, Para. 688–689, 716–782; so auch: Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 260. 676

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

lein der Lagerwärter Radic´ wegen persönlich begangener und versuchter Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen als Folter nach Art. 3 JStGH-Statut (Anklagepunkt 16) verurteilt.680 Das Gericht schloss sich der gegenüber den vorherigen Entscheidungen der Tribunale abweichenden Kunarac-Entscheidung zur Folterdefinition an.681 Kvocˆka’s Berufung hinsichtlich der Folterdefinition, dass die Beteiligung eines öffentlichen Funktionärs Tatbestandsmerkmal der Folter sei, blieb erfolglos. Dieses Merkmal sei allein in den Menschenrechtsdokumenten aufzufinden, welche den Schutz des Einzelnen vor einem willkürlich handelnden Staat bezwecke. Das Völkerstrafrecht stelle aber auf die Strafbarkeit des Einzelnen ab. Der Status des Täters als Staatsfunktionär wird somit irrelevant.682 Ferner bestätigte die erstinstanzliche Kammer, dass die Liste verbotener Folterzwecke in der Folterkonvention nicht abschließend sei und durchaus die Erniedrigung, wie die Kammer es im Furundzˇija-Fall getan hatte, mit einzubeziehen sei.683 Um näher bestimmen zu können, welches Verhalten Schmerzen und Leiden verursacht, betrachtete die Strafkammer Entscheidungen anderer Gerichte und Menschenrechtsorganisationen und listete einige Beispiele auf. Darin enthalten waren auch die Vergewaltigung, die Androhung der Vergewaltigung sowie das erzwungene Zuschauen bei einer Vergewaltigung.684 Die Kammer bewertete sowohl den vollendeten, den versuchten erzwungenen Geschlechtsverkehr als auch die sexuellen Nötigungen als ein Verursachen schwerer Schmerzen und Leiden. Gerade in der Gefangenensituation seien die Frauen besonders verletzlich und der ständigen Angst ausgesetzt, vergewaltigt zu werden. Die Kammer betonte, dass bereits die Drohung mit Vergewaltigung oder anderer sexueller Gewalt zweifellos schwere Leiden und Schmerzen verursache.685 Ferner habe Radic´ nur nicht-serbische Frauen als Opfer ausgewählt. Die Grundlage für die Auswahl der Opfer seien ihr Geschlecht und ihre ethnische Abstammung gewesen, was Diskriminierungsgründe und somit verbotene Zwecke der Folter darstellen.686 Außer680 Siehe: Prosecutor v. Kvoc ˆ ka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Anklageschrift, Para. 42; Tatsachenfeststellung, Para. 546–559; Urteil, Para. 751–767. Radic´ hatte den Zeuginnen J, F, Susic´ und Cikota sexuelle Gewalt angetan, indem er die Frauen im Genitalbereich oder den Brüsten angefasst und ihnen Hilfe im Gegenzug für Geschlechtsverkehr vorgeschlagen hatte. Ferner hatte er die Zeugin K zum Geschlechtsverkehr gezwungen und die Zeugin J versucht, zu vergewaltigen. 681 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 137–139. 682 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-A, 28.02.2005, Para. 280–284. 683 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 140 ff., 152–157. 684 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 142–151. 685 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 561. 686 Radic ´ äußerte in der Berufung, dass die Vergewaltigungen nicht auf einem Diskriminierungsgrund zurückgeführt worden seien, wie es die Verfolgung voraussetze, sondern nur auf persönliche Motive. Die Berufungskammer stellte aber klar, dass Radic´’s persönliche Motive neben dem offensichtlichen Diskriminierungsgrund – er hatte nur nicht-serbische Frauen angegriffen – unerheblich sind. Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/ 1-A, 28.02.2005, Para. 369, 370.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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dem zeige sich der Vorsatz, den Frauen schwere Schmerzen oder Leiden bereiten zu wollen, in der tatsächlich ausgeführten Vergewaltigung der Zeugin K und der versuchten Vergewaltigung der Zeugin J.687 Diese Entscheidung fasst die Ergebnisse der vorherigen Entscheidungen zusammen. Danach ist das Tatbestandsmerkmal der Folter – schwere Leiden und Schmerzen – nicht nur erfüllt, wenn ein erzwungener Geschlechtsverkehr vollzogen wurde. Es liegt auch dann vor, wenn die Tat nur versucht oder angedroht wurde, oder ein Dritter gezwungen wurde, bei einem erzwungenen Geschlechtsverkehr zuzusehen oder, wenn die sexuelle Gewalt zu keiner Penetration geführt hat. Eine weitere Verurteilung der oralen, vaginalen und analen Vergewaltigung als Folter erfolgte gegen den Angeklagten Bralo. Bralo war der Angeklagte B im Furundzˇija-Fall, der die Zeugin A nicht nur bei der Befragung durch Furundzˇija, sondern mehrmals davor und danach vergewaltigt hatte. Allerdings erging das Urteil aufgrund eines Abkommens zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten, so dass sich die Kammer nicht weiter zum materiellen Recht äußerte. Nach den Auslegungen aller betroffenen Strafkammern sind somit taugliche Foltermethoden der vollendete vaginale, orale und anale erzwungene Geschlechtsverkehr, die versuchte Vergewaltigung, die Androhung der Vergewaltigung, das erzwungene Zusehen bei einer Vergewaltigung sowie die sexuelle Nötigung. (b) Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen: Grausame Behandlung Allein im ersten Fall vor dem JStGH kam es zu einer Verurteilung sexueller Gewalt wegen grausamer Behandlung.688 Tadic´, ein Gefangenenwärter, hatte drei männliche Gefangene zu gegenseitigem Oralverkehr gezwungen (Anklagepunkt 10). Die Kammer beschrieb den Tatbestand der grausamen Behandlung als einen Auffangtatbestand zu allen anderen Tatalternativen des gemeinsamen Art. 3 Genfer Abkommen und fand, dass jede Form von körperlicher Bestrafung und unmenschlicher Behandlung als Tathandlung in Betracht komme.689 687

Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 560. Siehe: Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 243, 726 sowie die Anklageschrift, Para. 6. 689 Die Kammer zog zur Auslegung Art. 7 des IPbpR, Art. 5 American Convention on Human Rights (menschliche Behandlung) und Art. 4 Zusatzprotokoll II der Genfer Abkommen heran. Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 719–726; ebenso: Prosecuter v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 552. Im Fall Kvocˆka bestätigte die ˇ elebic´i-Urteils und betonte, dass die verursachten Leiden Kammer die Definition des C oder Verletzungen einer grausamen Behandlung genauso wie bei der unmenschlichen Behandlung unterhalb der Schwelle der Folter lägen. Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1688

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Im konkreten Fall subsumierte sie zwar nicht allein den erzwungenen Oralverkehr zwischen drei Gefangenen, sondern eine Vielzahl von Handlungen (Zusammenschlagen, Oralverkehr, Verstümmelung) an insgesamt acht Opfern unter den Tatbestand der grausamen Behandlung.690 Die Kammer verurteilte alle angeklagten körperlichen und sexuellen Misshandlungen unter dem Tatbestand der grausamen Behandlung.691 Es kann daher nur spekuliert werden, dass der erzwungene Oralverkehr allein als Tathandlung ausgereicht hätte, um zu einer Verurteilung wegen grausamer Behandlung zu kommen.692 Allerdings geht aus dieser Verurteilung des erzwungenen Oralverkehrs nach dem Auffangtatbestand des Art. 3 Genfer Abkommen hervor, dass die Staatsanwaltschaft und das Gericht den erzwungenen Oralverkehr als eine minderschwere Rechtsverletzung gegenüber dem erzwungenen vaginalen und analen Geschlechtsverkehr angesehen haben. Denn der erzwungene vaginale und anale Geschlechtsverkehr wurde sowohl im Tadic´-Fall als auch in anderen Fällen stets unter den spezielleren Tatbeständen des Art. 3 Genfer Abkommen, nämlich der Folter oder der Beeinträchtigung der persönlichen Würde, verfolgt. (c) Art. 3 JStGH-Statut: Vergewaltigung Allein im Fall Kunarac hatte die Staatsanwaltschaft Vergewaltigungen nach Art. 3 JStGH-Statut selbständig angeklagt, ohne direkt auf den gemeinsamen Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Konventionen Bezug zu nehmen. Kunarac wurde für vaginale, anale und orale Vergewaltigungen und Beihilfe zur Vergewaltigung an mehreren Frauen in vier Tatkomplexen (Anklagepunkte 4, 10, 12, 20)693, Kovacˇ T, 02.11.2001, Para. 159–161; erneute Bestätigung der hier angewandten Definition in: Prosecutor v. Haradinaj, IT-04-84-T, 03.04.2008, Para. 126. 690 Vgl. dazu die Tatsachenfeststellung der Kammer: Prosecutor v. Tadic ´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 194–243. 691 Prosecutor v. Tadic ´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 243, 726. In diesen Fundstellen spricht die Kammer zwar nur von sechs Opfern, jedoch bei der Tatsachenfeststellung (Para. 198) erwähnt die Kammer acht Opfer. Es ist anzunehmen, dass sie die Opfer G und H, die als Zeugen mit Synonymen auftraten, übersehen hatte. 692 Vgl. insofern andere Urteile: Im C ˇ elebic´i-Fall wurden alternativ die der Folter zugrundeliegenden Handlungen (mehrfacher erzwungener vaginaler sowie analer Geschlechtsverkehr) auch als grausame Behandlung angeklagt (Anklagepunkte 20, 23, 35). (Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Annex B, Para. 24, 25, 29). Weiter wurde der erzwungene Oralverkehr zwischen zwei Gefangenen nicht nur nach Art. 2 b) (unmenschliche Behandlung), sondern alternativ nach Art. 3 (grausame Behandlung) angeklagt. Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Annex B, Para. 34. Zu einer Verurteilung wegen grausamer Behandlung kam es in beiden Fällen nur deshalb nicht, weil die Taten wegen Folter bzw. unmenschlicher Behandlung tatsächlich verurteilt wurden und nur alternativ zu diesen Verbrechen wegen grausamer Behandlung angeklagt worden waren. Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 943, 965, 1011. 693 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, 630–685, 688– 745, 883–884.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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wegen mehrfachen Vergewaltigungen und Beihilfe zur Vergewaltigung von mehreren Frauen (Anklagepunkt 24)694 und Vukovic´ wurde wegen einer Vergewaltigung eines 16-jährigen Mädchens (Anklagepunkte 36)695 verurteilt. Die Kammer der ersten Instanz ging davon aus, dass ihr die Zuständigkeit zur Strafverfolgung aus Art. 3 c) Genfer Abkommen (Beeinträchtigung der persönlichen Würde) zustand.696 Die Staatsanwaltschaft hatte andere sexuelle Erniedrigungen zwar als Beeinträchtigung der persönlichen Würde, den erzwungenen Geschlechtsverkehr dagegen allein als Vergewaltigung nach Art. 3 JStGH-Statut angeklagt. Die Berufungskammer bestätigte, dass die Vergewaltigung nicht als Beeinträchtigung der persönlichen Würde, sondern als eine Verletzung des humanitären Völkerrechts ohne eine Bezugnahme auf den gemeinsamen Art. 3 Genfer Abkommen angeklagt wurde. Ferner betonte sie, dass eine kumulative Verurteilung aufgrund derselben Handlung wegen Vergewaltigung gemäß Art. 3 JStGHStatut als allgemein anerkanntes Kriegsverbrechen und Folter nach Art. 3 JStGHStatut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen zulässig sei, hingegen eine kumulative Verurteilung unzulässig wäre, wenn die Vergewaltigung als Beeinträchtigung der persönlichen Würde nach Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen angeklagt worden wäre.697 Im Endergebnis wies die Berufungskammer alle Berufungsgründe zurück und hielt das Urteil der ersten Instanz aufrecht.698 Diese Entscheidung hebt zum ersten Mal hervor, dass die Vergewaltigung als ein eigenständiges Kriegsverbrechen existiert und daher keiner Subsumierung unter eine andere Straftat des Genfer Rechts bedarf, um strafrechtlich verfolgt werden zu können. Ferner wurde nicht zwischen der vaginalen, analen oder oralen Vergewaltigung unterschieden. (d) Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen: Beeinträchtigung der persönlichen Würde Im Fall Furundzˇija wurde der oben beschriebene erzwungene Geschlechtsverkehr der Zeugin A nicht nur als Folter, sondern auch als Beeinträchtigung der persönlichen Würde nach Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen (Anklagepunkt 14) verurteilt.699 Die Strafkammer überprüfte zuerst, ob 694

Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 746–782. Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 783–822, 888–889. 696 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 436. 697 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 187–196; so auch Prosecutor v. Haradinaj, IT-04-84-T, 03.04.2008, Para. 36, 129. 698 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 414. 699 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, S. 112. 695

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

die Vergewaltigung eine Verletzung der Kriegsgesetze und -gebräuche darstellt. Dazu fand sie Belege, dass die Vergewaltigung im humanitären Völkerrecht verboten und strafbar ist.700 Weiter wies sie darauf hin, dass die Vergewaltigung, auch wenn sie nicht ausdrücklich ein Verstoß gegen die Menschenrechte darstelle, doch implizit durch die Vorschriften verboten sei, die die Körperintegrität schützen.701 Somit stünde dem Tribunale nach Art. 3 JStGH-Statut eine sachliche Zuständigkeit zur Strafverfolgung der Vergewaltigung als Beeinträchtigung der persönlichen Würde zu.702 Im konkreten Fall fand die Strafkammer nur die Zeugin A in ihrer persönlichen Würde beeinträchtigt und nicht den zum Zuschauen gezwungen Zeugen D. Der Tatbestand der Vergewaltigung sei dadurch erfüllt, dass der Mitangeklagte B mit seinem Penis in die Zeugin A oral, vaginal und anal eingedrungen war. Eine wirksame Einwilligung der A zum Geschlechtsverkehr sei nach Ansicht der Kammer schon wegen der Gefangenschaft unmöglich. Ferner fanden die Vergewaltigungen öffentlich vor einer Gruppe von Soldaten und während des Verhörs durch den Angeklagten Furundzˇija statt. Da Furundzˇija die Zeugin A nicht selbst vergewaltigt hatte, sah die Kammer ihn nicht als Mittäter sondern nur als Gehilfen an. Er habe durch seine Anwesenheit und seine fortdauernde Befragung der A, den Angeklagten B bei der Vergewaltigung vorsätzlich unterstützt und gefördert.703 Auch in dieser Entscheidung wurden der vaginale, anale und orale Sexualakt als Vergewaltigung behandelt, womit der erzwungene Oralverkehr nicht als geringwertigere Tat im Verhältnis zum erzwungenen vaginalen oder analen Geschlechtsverkehr eingestuft wurde.704 Im Focˇa-Fall kam es zwar nicht wegen erzwungenen Geschlechtsverkehrs zu einer Verurteilung Kovacˇ’s nach Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen (Anklagepunkt 25). Stattdessen wurde er nach diesem Tatbestand verurteilt, weil er drei Frauen gezwungen hatte, nackt auf einem Tisch zu tanzen (sexuelle Nöti700 Das Gericht nannte als Nachweis Art. 27, IV. GA, Art. 76 Abs. 1 Zusatzprotokoll I, Art. 4 Abs. 2 e) Zusatzprotokoll II, sowie indirekt nach Art. 3 GA, Art. 44 Lieber Code, Art. 46 HLKO, Art. 2 Abs. 1 c) KRG 10, die Verurteilung Toyoda, Matsui und Hirota für Vergewaltigungen in Nanking durch das IMTFO und Yamashita auf den Philippinen durch das US-Militärgericht. Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12. 1998, Para. 165–169. 701 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 170, Fn. 196. 702 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 172 f.; die Kammer hatte ferner in der Decision on the Defendant’s Motion to Dismiss Counts 13 und 14 of the Indictment, 29.05.1998, entschieden, dass Art. 3 JStGH-Statut Beeinträchtigungen der persönlichen Würde erfasse. 703 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 270–275. 704 Die Berufungskammer führte keine Änderung des Urteils herbei. Siehe: Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-A, 21.07.2000, Disposition; siehe auch: Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-S, 07.12.05, Para. 5, 15, 16.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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gung).705 Interessant ist die Entscheidung wegen ihrer materiell-rechtlichen Bewertung dieses Tatbestands. Die Kammer lehnte das Tatbestandsmerkmal eines „langanhaltenden Leidens“, welches noch die Kammer im Aleksovski-Verfahren gefordert hatte, ab. Sie stellte allein auf das Merkmal der Erniedrigung ab, welches objektiv zu bewerten sei.706 Ferner sei keine Erniedrigungsabsicht, sondern nur ein indirekter Vorsatz subjektive Voraussetzung des Tatbestands.707 Sie kam zu folgender Definition: (i) that the accused intentionally committed or participated in an act or omission which would be generally considered to cause serious humiliation, degradation or otherwise a serious attack on human dignity, and (ii) that he knew the act or omission could have that effect.708

Da die Vergewaltigung in die intimste Sphäre eines Menschen gegen seinen Willen eingreift, stellt sie eine der schlimmsten Formen der Erniedrigung dar und fällt zweifellos nach dieser Definition unter den Tatbestand der Beeinträchtigung der persönlichen Würde. Die Kammer verurteilte aber die Vergewaltigungsfälle separat ohne auf Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen Bezug zu nehmen und stufte den Tatbestand der Beeinträchtigung der persönlichen Würde zum Auffangtatbestand für andere sexuelle Nötigungen herab, vergleichbar mit den Tatbeständen der unmenschlichen und grausamen Behandlung.709 Im Fall Cesic´ verurteilte die Strafkammer den Angeklagten nach Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen, weil er zwei Brüder gezwungen hatte, 45 Minuten lang 705 Vgl: Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Anklageschrift, Para. 11.1–11.7 sowie im Urteil, Para. 746–782, 883–890. Leider ist weder in der Anklage noch im Urteil klar erkennbar, welches Verhalten genau unter welchen Tatbestand fällt, weil insgesamt ein Handlungskomplex mit einer Vielzahl von Handlungen zusammen nach den Anklagepunkte 22–25 angeklagt und verurteilt wurde. Neben der Beeinträchtigung der persönlichen Würde, wurden auch die Vergewaltigung und die Versklavung nach Art. 3 und 5 JStGH-Statut angeklagt und verurteilt. Es ist anzunehmen, dass die mehrfachen erzwungenen Geschlechtsverkehre, die langanhaltene Gefangennahme samt der erzwungenen Haushaltstätigkeiten und sexuellen Dienste sowie das Verkaufen der Frauen an andere Männer von den beiden letzten Anklagepunkten erfasst wurden, während speziell die Tat des „Nackttanzenlassens“ separat mit dem Anklagepunkt der Beeinträchtigung der persönlichen Würde geahndet werden sollte. Bestätigt wird diese Meinung durch die Verurteilung Kunarac hinsichtlich des 5. Tatkomplex. Kunarac, welcher für die gleichen Vorwürfe mit der Ausnahme des Vorfalls des „Nackttanzenlassens“ angeklagt worden war, wurde zwar wegen Vergewaltigung gemäß Art. 3 und 5 (g) JStGH-Statut und Versklavung gemäß Art. 5 (c) JStGH-Statut verurteilt, aber von der Beeinträchtigung der persönlichen Würde gemäß Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 c) (Anklagepunkt 21) freigesprochen (Prosecutor v. Kunarac, IT96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Anklageschrift Para. 10, Urteil, Para. 716–745). 706 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 500–504. 707 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 508–513. 708 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, Para. 514; so auch: Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 166–174. 709 Siehe die Ausführungen oben zu Art. 3 Vergewaltigung als eigenständiges Kriegsverbrechen.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

gegenseitig Oralverkehr zu vollziehen.710 Da sich der Angeklagte aber zu diesem Tatvorwurf schuldig bekannte,711 machte die Kammer keine näheren Ausführungen zu den Tatbestandselementen. Auch im Fall Bralo wurden die oralen, vaginalen und analen Vergewaltigungen der Zeugin A nicht nur als Folter, sondern auch als Beeinträchtigungen der persönlichen Würde verurteilt.712 Wie zuvor erging das Urteil aufgrund eines Schuldanerkenntnisses des Angeklagten, so dass sich keine Ausführungen der Kammer zum materiellen Recht finden lassen. Nach allen vier Urteilen hat das Tribunal eine Strafbarkeit des erzwungenen (auch oralen) Geschlechtsverkehrs nach dem Tatbestand des Art. 3 JStGH-Statut bekundet. Solange aber die Verurteilung der Vergewaltigung auf Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen gestützt wurde, wurde dem Tatbestand der Folter gemäß Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen der Vorrang eingeräumt (Spezialität). Die Kunarac-Berufungsentscheidung vollzieht die Wende, die Beeinträchtigung der persönlichen Würde als einen Auffangtatbestand für andere degradierende Handlungen wie die sexuelle Nötigung zu gebrauchen, was dem Wortlaut dieser Tatalternative eher entspricht. Sie betrachtet stattdessen die Tat der Vergewaltigung als eigenständiges, völkergewohnheitsrechtlich anerkanntes Kriegsverbrechen unabhängig von Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen und vollzieht eine Loslösung vom traditionellen Konzept, dass Vergewaltigung lediglich eine Ehrverletzung beim Opfer hervorruft. Auch wenn die Verurteilung Bralo’s zeitlich nach der Kunarac-Entscheidung erging und die Kammer erneut die Vergewaltigung nach Art. 3 Abs. 1 c) anstatt als eigenständiges Kriegsverbrechen verurteilte, so liegt dies daran, dass die Verurteilung auf einem Schuldanerkenntnis der Anklagepunkte beruhte, ohne dass sich die Kammer mit den Taten materiell-rechtlich auseinander setzen musste. Insofern ist die Bralo-Verurteilung nicht als eine Abkehr von der Kunarac-Auslegung zu bewerten, Vergewaltigung als ein eigenständiges Kriegsverbrechen zu behandeln. (3) Vergewaltigung als Völkermord – Art. 4 Abs. 2 b): Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe Völkermord spielt vor dem JStGH keine so große Rolle wie vor dem RStGH. Kaum ein Angeklagter wurde wegen Völkermords angeklagt, geschweige denn, dass sich diese Anklagen auf Vergewaltigungen bezogen. Hervorzuheben sind

710 Prosecutor v. Cesic ´, IT-95-10/1-S, 11.03.2004, Para. 107, 111; siehe auch Para. 13–14, 35. 711 Prosecutor v. Cesic ´ , IT-95-10/1-S, 11.03.2004, Para. 1–6. 712 Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-S, 07.12.05, Para. 5, 15, 16.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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aber dennoch einige Urteile, die eine Strafbarkeit der Vergewaltigung nach dem Völkermordtatbestand erkennen ließen.713 Im Fall Furundzˇija hatte die Kammer zwar nicht über eine Anklage wegen Völkermords zu entscheiden, betonte aber trotzdem, dass Vergewaltigung nach dem Statut auch Völkermord darstellen könne.714 Im Fall Krstic´ 715 wurden zwar Völkermord und Vergewaltigungen angeklagt, jedoch wurde der Völkermord allein auf die Massenexekutionen der männlichen muslimischen Bevölkerung von Srebrenica gestützt, dagegen die Vergewaltigungen an der weiblichen muslimischen Bevölkerung als Verfolgung im Sinne des Verbrechens gegen die Menschlichkeit bewertet.716 Die Kammer bestimmte den Tatbestand des Art. 4 Abs. 1 b) JStGH-Statut insoweit, dass der Schaden nicht dauerhaft oder irreparabel sein müsse, aber über das Maß von zeitlich begrenzter Traurigkeit, Scham und Erniedrigung hinaus gehen und eine Person langanhaltend benachteiligen müsse, ein normales und konstruktives Leben zu führen. Unmenschliche Behandlung, Folter, Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und Deportation seien Taten, die schweren körperlichen oder seelischen Schaden verursachen.717 Damit erkannte die Kammer ausdrücklich die Vergewaltigung als eine Methode des Völkermords an.718 713 Die wenigen Strafkammern des JStGH, die sich mit der Anklage wegen Völkermords auseinander setzen mussten, bestätigten die Übernahme des Tatbestands der Völkermordkonvention in Art. 4 JStGH-Statut. Sie stellten fest, dass die Voraussetzungen des Rahmenverbrechens des Völkermords allein subjektiver Natur sind. Denn die Einzeltaten müssen mit der Absicht (zielgerichteter Wille) begangen werden, eine geschützte Gruppe als solche ganz oder teilweise zerstören zu wollen. Ein weiteres objektives Merkmal wie das Vorliegen eines Krieges oder eine verbreitete oder systematische Vorgehensweise seien nicht erforderlich. Geschützt sei allein eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe. Prosecutor v. Jelisic´, IT-95-10-T, 14.12.1999, Para. 59 ff.; Prosecutor v. Sikirica, Judgment on Defence Motions to Acquit, IT-95-8-T, 03.09.2001, Para. 55–62; Prosecutor v. Krstic´, IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 542 ff.; Prosecutor v. Stakic´, IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 512 ff. 714 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 172. 715 Radislav Krstic ´ war der Kommandant des Drina Chors im Juli 1995, eine Einheit der bosnisch-serbischen Armee. In dieser Zeit kam es zum bekanntesten Massaker des Kriegs. Über 7000 muslimische Männer und Jungen wurden im Juli 1995 ermordet und ca. 25.000 Frauen, Kinder und Ältere wurden unter grausamen Bedingungen in Bussen in muslimisches Gebiet abtransportiert. 716 Das Urteil unterteilte die Anklage in zwei Verbrechenskomplexe, zum einen die terrorverbreitenden Verbrechen in Potocari und der folgende zwangsweise Abtransport der Frauen, Kinder und Älteren, und zum anderen die Massenexekutionen der militärfähigen muslimischen Männer von Srebrenica. Vgl. Prosecutor v. Krstic´, IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 478. Die Staatsanwaltschaft konnte mehrere Vergewaltigungsfälle an muslimischen Bosnierinnen durch serbische Soldaten in dem von Krstic´ kontrollierten Gebiet beweisen. Siehe: Prosecutor v. Krstic´, IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 45, 46, 150. 717 Prosecutor v. Krstic ´ , IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 513. 718 Prosecutor v. Krstic ´ , IT-98-33-A, 19.04.2004, Para. 239, 240. Die Berufungskammer bewertet im konkreten Fall die Vergewaltigungen als Verfolgung und nicht als Völkermord. Siehe auch die Bewertung im Fall Prosecutor v. Sikirica, IT-95-8-T,

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Auch Dr. Stakic´, Arzt in Omarska und Vize-Präsident der Serbischen Demokratischen Partei und Mitglied des Krisenstabs in Prijdor wurde zwar mit einer Anklage wegen Völkermords u. a. wegen Vergewaltigungen überzogen.719 Letztlich scheiterte die Verurteilung wegen Völkermords aus Beweisgründen.720 Die Auslegung des Tatbestands ist trotzdem relevant, weil sie die Vergewaltigung wie die Kammer zuvor sogar ausdrücklich als eine mögliche Tathandlung des Art. 4 Abs. 1 b) JStGH-Statut nannte: „Causing serious bodily or mental harm“ in sub-paragraph (b) is understood to mean, inter alia, acts of torture, inhumane or degrading treatment, sexual violence including rape, interrogations combined with beatings, threats of death, and harm that damages health or causes disfigurement or injury. The harm inflicted need not be permanent and irremediable.721

Auch der Angeklagte Brdjanin wurde wegen Völkermords aufgrund von Vergewaltigungen angeklagt. Im Ergebnis kam es jedoch zu keiner Verurteilung wegen Völkermords, weil eine Zerstörungsabsicht nicht nachgewiesen werden konnte.722 Die Kammer definierte die zweite Alternative des Völkermords, Art. 4 Abs. 1 b) JStGH-Statut, in absoluter Übereinstimmung mit den beiden vorhergegangenen Entscheidungen des Tribunals.723 Die dritte Tatalternative definierte sie folgendermaßen: „Deliberately inflicting on the group conditions of life calculated to bring about its physical destruction in whole or in part“ under sub-paragraph (c) does not require proof of the physical destruction in whole or in part of the targeted group. The acts envisaged by this sub-paragraph include, but are not limited to, methods of destruction apart from direct killings such as subjecting the group to a subsistence diet, systematic expulsion from homes and denial of the right to medical services. Also in13.11.2001, Para. 6, 18: Die Angeklagten waren ebenfalls wegen Völkermords neben vielen anderen Vorwürfen angeklagt worden. Das Verfahren endete jedoch mit einem Abkommen zwischen den Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Alle drei Angeklagten bekannten sich zum Verfolgungstatbestand schuldig. Im Gegenzug wurden alle anderen Anklagepunkte von der Staatsanwaltschaft fallengelassen. Insofern erfolgte die Verurteilung von Vergewaltigungen im Lager Keraterm über den Verfolgungstatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und nicht über Art. 4 JStGH-Statut. 719 Prosecutor v. Stakic ´ , IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 1–11. 720 Die Berufungskammer senkte lediglich das Strafmaß, weil Krstic ´ und seine Soldaten nicht selbst an den Verbrechen teilgenommen hatten. Prosecutor v. Stakic´, IT-9724-T, 31.07.2003, Para. 544–561. 721 Prosecutor v. Stakic ´ , IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 516; ebenso führte die Staatsanwaltschaft die Vergewaltigung als eine Völkermordhandlung nach b) und c) auf, Prosecutor v. Stakic´, IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 536, 537. 722 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 989. 723 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 690; siehe auch: Prosecutor v. Popovic´, IT-05-88-T, 10.06.2010, Para. 812 und Prosecutor v. Tolimir, IT-05-88/2-T, 12.12.2012, Para. 737. Beide Strafkammern nannten die Vergewaltigung als eine mögliche Handlung, den Tatbestand des Völkermords (Art. 4 Abs. 1b JStGH-Statut) zu erfüllen.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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cluded is the creation of circumstances that would lead to a slow death, such as lack of proper housing, clothing and hygiene or excessive work or physical exertion.724

Da die Kammer hier nicht die Vergewaltigung aufzählte, was sie zuvor bei der zweiten Alternative gemacht hatte, versteht sie diese Handlung auch nicht als eine den langsamen Tod bringende Maßnahme. Die Kammer betrachtete eine Tathandlung nur nach der dritten Tatalternative des Völkermords, wenn sie nicht bereits die zweite Tatalternative erfüllte. Insofern kommt hier eine klare Spezialität der zweiten gegenüber der dritten Alternative des Völkermords zum Ausdruck.725 Auch wenn das Tribunal keine Verurteilung wegen Völkermords aufgrund von Vergewaltigungen hervorgebracht hat, so ist doch offenkundig, dass das Gericht es für juristisch vertretbar hält, die Vergewaltigung durchaus als Tathandlung des Art. 4 Abs. 1 b) JStGH-Statut in Betracht zu ziehen. (4) Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit 726 (a) Art. 5 c) JStGH-Statut: Versklavung Allein im Focˇa-Urteil wurden Vergewaltigungen in zwei Handlungskomplexen als Versklavung verurteilt. Die Angeklagten Kunarac (Anklagepunkt 18) und Ko724

Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 691. Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 905. 726 Das Tribunal machte in seinen Urteilen deutlich, dass heutzutage ein Nexus zwischen den Verbrechen gegen die Menschlichkeit und entweder Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen den Frieden, wie es noch das Nürnberger Statut vorgesehen hatte, überholt ist. Nach dem Stand des Völkergewohnheitsrechts ist es nicht mehr erforderlich, das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts überhaupt zu verlangen. Da aber Art. 5 JStHG-Statut ausdrücklich auf einen internationalen oder internen Konflikt abstellt, blieb dem Tribunal nichts anderes übrig, als das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts als Tatbestandsvoraussetzung des Rahmenverbrechens anzuerkennen. Somit werden von Art. 5 JStGH-Statut keine im Frieden begangenen Verbrechen erfasst. Ein Zusammenhang zwischen dem Konflikt und der Einzeltat müsse aber nach Ansicht des Gerichts nicht bestehen. Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-AR72, 02.10.1995, Para. 138–142; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 627–634; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 410–414; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 49–105; Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 126–131. Es bestehen keine logischen Gründe die Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen von einem Krieg abhängig zu machen. Genauso wenig wurde für die Verurteilung des Völkermords das Vorliegen einer Kriegssituation zur Bedingung gemacht. Es ist insofern anzunehmen, dass der Sicherheitsrat absolut sicher gehen wollte, dass der Tatbestand dem Völkergewohnheitsrecht entspricht und daher eher eine zu enge als eine zu weite Definition vorgezogen hatte. Das weitere Tatbestandsmerkmal des Rahmenverbrechens des „gerichteten Angriffs auf jede Zivilbevölkerung“ zerlegte das Tribunal in fünf Komponenten. Danach müsse ein Angriff vorliegen; die Handlung des Täters müsse ein Teil des Angriffs darstellen; der Angriff müsse verbreitet oder systematisch sein; der Angriff müsse sich gegen eine Zivilbevölkerung richten und der 725

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

vacˇ (Anklagepunkt 22) hatten mehrere Frauen in Häuser gefangen gehalten, ständig selbst vergewaltigt oder Dritten zur Vergewaltigung überlassen und sie gezwungen, Haushaltsdienste zu verrichten. Kovacˇ hatte vier Frauen schließlich an andere Soldaten verkauft.727 Die Kammer stieß auch bei diesem Tatbestand auf das Problem, dass das Statut keine Definition der Versklavung bereithielt und sie daher verschiedene menschenrechtliche Verträge sowie Dokumente des humanitären Völkerrechts nach Anhaltspunkten für eine Auslegung prüfen musste. Nach einer ausführlichen Recherche728 kam die Kammer zum Ergebnis, dass Versklavung die vorsätzliche Ausübung jener Macht sei, die sich aus dem Eigentumsrecht über eine Person ableiten ließe. Diese Definition sei breiter als die traditionellen oft unterschiedlichen Konzepte der Sklaverei, Sklavenhandel, Knechtschaft und Zwangsarbeit angelegt. Die Strafkammer nannte Faktoren, deren Vorliegen eine Versklavung nahelegen. Dazu gehöre die Kontrolle über die Bewegungsfreiheit, die psychische und körperliche Kontrolle, die Fluchtverhinderung, Gewalt, Drohung mit Gewalt, Dauer, grausame Behandlung und Missbrauch, die Kontrolle über die Täter müsse von dem weiteren Zusammenhang, in dem seine Tat geschehe, wissen sowie, dass seine Taten Teil des Angriffs sind. Die Mehrzahl der Kammern entschied, dass der Täter nicht aus bestimmten Motiven wie einer Diskriminierungsabsicht heraus gehandelt haben müsse. Vgl. zur näheren Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale: Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 635–659; Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-A, 15.07.1999, Para. 248–272; Prosecutor v. Mrksic´, Review of the Indictment Pursuant to Rule 61, IT-95-13/1, 03.04.1996, Para. 30; Prosecutor v. Jelisic´, IT-95-10-T, 14.12. 1999, Para. 29 ff.; Prosecutor v. Kupreskic´, IT-95-16-T, 14.01.2000, Para. 511 ff.; Prosecutor v. Blaskic´, IT-95-14-T, 03.03.2000, Para. 198–214; Prosecutor v. Kunarac, IT96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 415–435. 727 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Anklageschrift, Para. 10.1.–10.4; 11.1–11.7; Urteil: Para. 883–890. Siehe auch die detaillierte Tatsachenfeststellung: Der Angeklagte Kunarac hatte zwei Frauen in ein verlassenes Haus verschleppt und über sechs Monate gefangen gehalten. In diesem Zeitraum hatte er selbst FWS-191 vergewaltigt und dem Soldaten DP6 geholfen, die FWS-186 zu vergewaltigen. Ferner mussten die Frauen für Soldaten Haushaltsdienste leisten (Para. 716– 745). Kovacˇ hatte die Frauen FWS-75 und A.B. für eine Woche und FWS-87 und A.S. für vier Monate in einer Wohnung gefangen gehalten. Während dieser Gefangenschaft wurden die Frauen von Kovacˇ und anderen Soldaten vergewaltigt und ständig erniedrigt. So zwang Kovacˇ FWS-87, A.S. und A.B. an einem Tag nackt auf dem Tisch zu tanzen. Schließlich verkaufte Kovacˇ A.B. an einen Mann für 200 DM und übergab FWS-75 an zwei Männer. FWS-87 und A.S. verkaufte er an montenegrinische Soldaten für jeweils 500 DM (Para. 746–782). 728 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 518–538. Die Kammer zog die Definitionen der Sklavereikonvention 1926, Supplementary Slavery Convention 1956, Forced and Compulsory Labour Convention 1930, Forced Labour Convention 1957, die Verurteilungen durch das IMG und durch die Besatzungsgerichte sowie das IMGFO, Art. 4 des Zusatzprotokolls II der Genfer Abkommen, weitere grundsätzliche Bestimmungen der Genfer Abkommen, Entscheidungen der Europäische Menschenrechtskommission, Kommentar zum Entwurf des Strafgesetzbuchs von 1996 und das Strafgesetzbuch von Jugoslawien heran.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Sexualität eines Menschen, Zwangsarbeit und die Möglichkeit eine Person verkaufen oder kaufen zu können.729 Beide Angeklagten hatten den Frauen jede Kontrolle über ihr Leben genommen und behandelten sie wie ihr Eigentum. Sie hatten die Lebensbedingungen für die beiden Frauen errichtet und persönlich die Tat der Versklavung und Beihilfe zur Versklavung für andere Soldaten, welche die Frauen missbrauchten, begangen.730 Im Berufungsverfahren trugen die Berufungsführer Kunarac und Kovacˇ vor, dass die Definition der Versklavung zu weit und unbestimmt von der Strafkammer interpretiert worden sei. Sie wollten Merkmale wie eine „langanhaltende Versklavung“ und eine „fehlende Einwilligung“ in die Definition aufgenommen wissen. Die Berufungskammer hingegen bestätigte die Definition der ersten Instanz. Sie stütze ihre Entscheidung hauptsächlich auf die Sklaverei-Konvention von 1926 und die Pohl-Entscheidung nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10. Weder die fehlende Einwilligung noch eine längere Dauer der Versklavung waren in diesen Instrumenten Tatbestandsmerkmale der Versklavung.731Mit dieser Entscheidung hat das Tribunal die Strafbarkeit der Vergewaltigung um einen weiteren Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit erweitert. Die Versklavung setzt – wie die Folter – weitere qualifizierende Tatbestandsmerkmale voraus, womit die Vergewaltigung nur als Versklavung strafbar ist, wenn das Opfer jegliche Kontrolle über sein Leben an den Täter verloren hat, mit anderen Worten, dieser die Macht hat, das Opfer wie Eigentum zu behandeln. (b) Art. 5 f) JStGH-Statut: Folter Im Focˇa-Fall wurde die Folter nicht nur nach Art. 3 JStGH-Statut, sondern meistens in Tateinheit mit Art. 5 f) JStGH-Statut angeklagt und verurteilt.732 Die Kammer verurteilte Kunarac wegen mehrerer Vergewaltigungen und Beihilfe zu Vergewaltigungen anderer Soldaten gemäß Art. 5 f) nach Punkt 1 und Vukovic´ nach Punkt 33.733 Die materiellen Rechtsausführungen der Kammer zur Folter

729

Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 539–543. Vgl. Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 716– 782. Die Kammer präsentierte die Tatsachenfeststellung und konkrete Rechtsfindung zusammengefasst. 731 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 106–124. 732 Siehe: Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Anklageschrift, Para. 5, 6; Vukovic´’s Anklageschrift, Para. 6, 7; Para. 688–698, 783–798, 883– 890. Allein der Handlungskomplex in der Anklageschrift (Para. 8) wurde nur als Folter gemäß Art. 3 und nicht nach Art. 5 f) angeklagt. Da aber kein Grund vorliegt, dass diese Vergewaltigung nicht Teil eines weitreichenden oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung war, ist nicht verständlich, warum hier auf eine Anklage nach Art. 5 f) verzichtet wurde. 733 Vgl. dazu oben 3. Kapitel III. 1. c) ee) (2). 730

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

bezogen sich sowohl auf Art. 3 als auch auf Art. 5 f) JStGH-Statut, so dass auf die obige Darstellung verwiesen werden kann.734 Ebenso bekräftigten die Kammern in den Fällen Kvocˆka und Brdjanin, dass Folter nach Art. 5 f) JStGH-Statut durch Vergewaltigung begangen werden kann, obwohl sie letztlich auf einen Schuldspruch aus Konkurrenzgründen verzichteten. Jede Kammer hatte einen einheitlichen Foltertatbestand nach den verschiedenen Rahmenverbrechen angewandt, so dass die Auslegung des Folterbegriffs daher meist unter den zuerst erörterten Kriegsverbrechen anzutreffen ist.735 Erneut bestätigte das Tribunal im Fall Zelenovic´, dass die Vergewaltigung Folter darstellen kann. Der Angeklagte hatte sich zu mehreren Vergewaltigungen wegen Folter gemäß Art. 5 f) JStGH-Statut (Anklagepunkte 5, 13, 41) in einem Abkommen mit der Staatsanwaltschaft schuldig bekannt.736 Die Strafkammer übernahm die Definition der Kunarac-Entscheidung.737 Der Tatvorgang bestand im mehrfachen vaginalen Geschlechtsverkehr mit verschiedenen Frauen und Mädchen teilweise als Täter, Mittäter oder Gehilfe zur Gruppenvergewaltigung.738 Zelenovic´ handelte aus geschlechts- und ethnisch diskriminierenden Gründen, entweder um Informationen zu erhalten, um sie zu bestrafen oder einzuschüchtern.739 (c) Art. 5 g) JStGH-Statut: Vergewaltigung Einzig die Verbrechen gegen die Menschlichkeit zählen Vergewaltigung ausdrücklich als eine Einzeltat des Statuts auf. Daher verlangt Art. 5 g) JStGH-Statut keine Interpretation dahingehend, ob er die Vergewaltigung als Tathandlung mit einbezieht. Kunarac wurde für vaginale, anale und orale Vergewaltigungen an mehreren Frauen nach drei Handlungskomplexen (Anklagepunkte 2, 9, 19), Kovacˇ nach einem Handlungskomplex (Anklagepunkt 23) und Vukovic´ in einem Handlungskomplex (Anklagepunkte 34) verurteilt.740 Die zugrundeliegenden Handlungskomplexe der Vergewaltigungen stimmen mit denen der oben geschilderten Verurteilung wegen Vergewaltigung nach Art. 3 JStGH-Statut überein. Lediglich ein Handlungskomplex wurde nicht nach Art. 5, sondern nur nach Art. 3 JStGH-Sta734 Siehe oben die Ausführungen zu Art. 3 Folter, 3. Kapitel III. 1. c) ee) (2); Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 465 ff. 735 Prosecutor v. Kvoc ˆ ka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 42, 187, 230–234; Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 480–489, 1003–1004. 736 Prosecutor v. Zelenovic ´ , IT-96-23/2-S, 04.04.2007, Para. 71. 737 Prosecutor v. Zelenovic ´ , IT-96-23/2-S, 04.04.2007, Para. 36. 738 Prosecutor v. Zelenovic ´ , IT-96-23/2-S, 04.04.2007, Para. 21–26, 38. 739 Prosecutor v. Zelenovic ´ , IT-96-23/2-S, 04.04.2007, Para. 42. 740 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 883–890; Zum Verständnis der Handlungskomplexe siehe die Anklageschrift.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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tut angeklagt (Anklagepunkte 11–12). Warum gerade diese vaginale und orale Gruppenvergewaltigung nicht Teil eines verbreiteten oder systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung sein sollte, ist jedoch nicht nachvollziehbar.741 Da ansonsten die Tatsachenfeststellung und Rechtsfindung wegen Vergewaltigung nach Art. 5 JStGH-Statut identisch ist mit derjenigen nach Art. 3 JStGH-Statut als Kriegsverbrechen kann auf die obige Darstellung verwiesen werden.742 Cesic´ wurde nach Art. 5 g) JStGH-Statut für erzwungenen Oralverkehr zwischen zwei Brüdern verurteilt.743 Er gestand, zwei Brüder zuerst unter Waffengewalt gezwungen zu haben, sich gegenseitig zu schlagen. Schließlich schlug er selbst auf die Brüder ein. Er schoss in die Richtung des einen Bruders, als dieser dem anderen aufhelfen wollte, und verfehlte ihn nur knapp. Danach zwang Cesic´ die Brüder für 45 Minuten lang gegenseitig Oralverkehr zu vollziehen. Dabei konnten mehrere Wärter zusehen, welche sich darüber amüsierten.744 Dieses Urteil ist deshalb wichtig, weil es im Widerspruch zur Tadic´-Entscheidung steht, die den erzwungenen Oralverkehr noch als grausame Behandlung bzw. unmenschliche Handlung behandelt hatte. Zelenovic´ wurde wegen Folter und Vergewaltigung nach Art. 5 g) JStGH-Statut verurteilt. Hinsichtlich des Anklagepunkts 49 entschied sich die Staatsanwaltschaft jedoch nach ihrem Ermessen die Handlungen nur als Vergewaltigung und nicht als Folter zu behandeln, obwohl auch in diesem Tatkomplex die Zusatzvoraussetzung der Folter (Diskriminierungszweck) vorlag. Zelenovic´ vollzog mit einem muslimischen Mädchen den Geschlechtsverkehr, während zwei andere Männer drei andere muslimische Frauen in einem Apartment vergewaltigten.745 (d) Art. 5 h) JStGH-Statut: Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen In vielen Fällen wurden Vergewaltigungen als eine Form der Verfolgung muslimischer Bosnier verurteilt. Tadic´ wurde u. a. aufgrund erzwungenen Oralverkehrs von drei männlichen Gefangenen, welche mit der sexuellen Verstümmelung von Harambasˇic´’s Hoden endete, wegen Verfolgung (Anklagepunkt 1) verurteilt.746 Die von der Kammer 741 Vgl. Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 705– 715; Anklageschrift, Para. 8. 742 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 630–685, 688–704, 716–782, 883–884. 743 Prosecutor v. Cesic ´ , IT-95-10/1-S, 11.03.2004, Para. 107, 111. 744 Prosecutor v. Cesic ´ , IT-95-10/1-S, 11.03.2004, Para. 13–14. 745 Prosecutor v. Zelenovic ´, IT-96-23/2-S, 04.04.2007, Para. 21–27, 43; die Berufung blieb erfolglos, Prosecutor v. Zelenovic´, IT-96-23/2-A, 31.10.2007. 746 Prosecutor v. Tadic ´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 714–718.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

hergeleitete Definition der Verfolgung umfasste eine Vielzahl von Verbrechen, die die Menschenrechte des Einzelnen aus einem der drei Diskriminierungsgründe beeinträchtigen. So wurden gerade die Einzeltaten des Statuts wie z. B. die Vergewaltigung bzw. sexuelle Gewalt ohne Bedenken als Verfolgungshandlungen angenommen.747 Wie bereits oben erwähnt, wurde der erzwungene Oralverkehr nicht als Vergewaltigung, sondern als grausame Behandlung verurteilt.748 Im Fall des Angeklagten Todorovic´ kam es zu einer Verurteilung wegen Verfolgung aufgrund einer Absprache zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten.749 Todorovic´ erkannte an, dass er u. a. bei drei Gelegenheiten sechs Männer gezwungen hatte, gegenseitig den Oralverkehr zu vollziehen.750 Durch die Verwendung der Worte „sexuelle Gewalt“ wurde der erzwungene Oralverkehr nicht als Vergewaltigung bewertet. Im sog. Srebrenica-Fall wurde der Kommandant des „Drina Korps“ Krstic´ für (u. a.) Vergewaltigungen von Soldaten an der fliehenden bosnisch-muslimischen Bevölkerung in Potocari wegen Verfolgung (Anklagepunkt 6) verurteilt.751 Die Vergewaltigungen wurden allerdings nicht selbständig als Verfolgungshandlung, sondern als Teil des Vorwurfs grausame und unmenschliche Behandlungen an der Zivilbevölkerung begangen zu haben, geahndet. Die Kammer wiederholte daher die Definition anderer Strafkammern hinsichtlich der grausamen und unmenschlichen Behandlung: An intentional act or omission, that is an act which, judged objectively, is deliberate and not accidental, which causes serious mental or physical suffering or injury or constitutes a serious attack on human dignity“ and includes such offences as torture.752 747

Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 694–713. Diese Tat wurde nämlich zusätzlich zur Verfolgung separat in den Anklagepunkten (8–11) angeklagt (Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-I, 07.05.1995, Para. 4, 6). Dieser Anklagekomplex umfasste eine Vielzahl von Handlungen (Mord, Körperverletzungen, Oralverkehr, Verstümmelung). Von den Anklagepunkten 8 und 9 wurde Tadic´ freigesprochen, weil nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Opfer unter den Status der geschützten Personen nach den Genfer Abkommen fielen. Die Strafkammer kam aber wegen des Oralverkehrs und der sexuellen Verstümmelung zu einem Schuldspruch gemäß Art. 3 JStGH-Statut als grausame Behandlung (Punkt 10) und gemäß Art. 5 (i) JStGH-Statut als unmenschliche Behandlung (Punkt 11). Dabei spezifizierte die Kammer nicht, wer nun konkretes Opfer welcher Tat war. Vielmehr wurden durch die beiden Anklagepunkte die körperlichen und sexuellen Misshandlungen an allen sechs Gefangenen wiedergegeben. Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 723 ff. 749 Der Angeklagte bekannte sich zum Anklagepunkt der Verfolgung schuldig und im Gegenzug ließ die Staatsanwaltschaft alle anderen Anklagepunkte gegen ihn fallen. Prosecutor v. Todorovic´, IT-95-9/1-S, 31.07.2001, Para. 1–15, 117. 750 Prosecutor v. Todorovic ´, IT-95-9/1-S, 31.07.2001, Para. 9, 12, 36–40. 751 Prosecutor v. Krstic ´ , IT-98-33-T, 02.08.2001, Anklage: Para. 3; Tatsachenfeststellung: Para. 45, 46, 150; 514, Urteil: Para, 727. 752 Prosecutor v. Krstic ´ , IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 516. 748

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Sie konstatierte daraufhin, dass auch Vergewaltigung eine unmenschliche Behandlung darstelle.753 Die Auslegung des Tatbestands der Verfolgung entnahm die Kammer dem Kupreskic´-Urteil: . . . the gross or blatant denial, on discriminatory grounds, of a fundamental right, laid down in international customary or treaty law, reaching the same level of gravity as the other acts prohibited in Article 5.754

Somit ging die Kammer davon aus, dass nicht nur Einzeltaten des Art. 5 JStGH-Statut oder andere Rahmenverbrechen des JStGH-Statut, sondern jedwede Verletzungen fundamentaler Menschenrechte unter den Verfolgungstatbestand fallen. Wichtig sei aber, diskriminierende Handlungen im Gesamtzusammenhang zu betrachten, denn individuelle Handlungen, die allein betrachtet die Menschlichkeit nicht verletzen, könnten unmenschlich werden, wenn die Auswirkungen individueller Taten zusammenfallen. Da die grausamen bzw. unmenschlichen Behandlungen (u. a. Vergewaltigungen) zusammenfielen mit weitreichenden und systematischen Angriffen auf die muslimische Zivilbevölkerung in Srebrenica and Potocari (Massenexekutionen, Abbrennen der Häuser, Tötungen, Misshandlungen und Zwangsdeportationen), fand die Kammer den Tatbestand der Verfolgung erfüllt.755 Krstic´ wurden die Vergewaltigungen anderer Soldaten persönlich als Mitglied eines gemeinsamen kriminellen Unternehmens, die Region von Nicht-Serben zu säubern, nach Art. 7 Abs. 1 JStGH-Statut zugerechnet.756 Auch wenn der Plan nicht direkt die Misshandlungen und Vergewaltigungen der Flüchtlinge von Potocari vorgesehen hätte, so seien sie für General Krstic´ vorhersehbare Konsequenzen der verbrecherischen Vereinigung gewesen.757 Auch im Fall Kvocˆka wurden alle fünf Angeklagten wegen Verfolgung u. a. aufgrund von Vergewaltigungen an muslimischen Gefangenen des Lagers Omarska zur Verantwortung gezogen (Anklagepunkt 1).758 Ungefähr 36 Frauen wurden im Lager Omarska gefangen gehalten und vergewaltigt, sexuell genötigt und mit Vergewaltigungen durch Wärter des Lagers bedroht.759 Ferner wurden Frauen auch im Lager Keraterm vergewaltigt.760 Die Auslegung des Tatbestands der Verfolgung stimmte mit der Auslegung in den vorherigen Entscheidungen über-

753

Prosecutor v. Krstic´, IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 517–518. Prosecutor v. Krstic´, IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 535. 755 Prosecutor v. Krstic ´ , IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 533–538. 756 Prosecutor v. Krstic ´ , IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 653. 757 Prosecutor v. Krstic ´ , IT-98-33-T, 02.08.2001, Para. 616 f. 758 Prosecutor v. Kvoc ˆ ka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Anklageschrift, Para. 25; Tatsachenfeststellung, Para. 98–107, 114; Urteil, Para. 751–767. 759 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 98–107. 760 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 114. 754

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

ein.761 Da die Vergewaltigung eine Einzeltat des Art. 5 JStGH-Statut ist, war es für die Kammer unproblematisch, die Vergewaltigung als eine Verfolgungshandlung zu deklarieren.762 Subjektiv müsse eine Diskriminierungsabsicht hinzukommen, welche sich aus den Umständen der Begehung der Einzeltaten gewinnen lasse.763 Das Gericht sah das Lager Omarska, in dem alle Angeklagten Aufgaben übernommen hatten, als ein gemeinschaftliches kriminelles Unternehmen an, welches den Zweck hatte, nicht-serbische Lagerinsassen zu verfolgen.764 Es rechnete daher den fünf Angeklagten Vergewaltigungen der Lagerwärter – allein der Angeklagte Radic´ hatte persönlich Vergewaltigungen begangen765 – über die Beteiligung an einem gemeinschaftlichen kriminellen Unternehmen zu.766 Es be761 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 184; so auch die Auslegung in Tadic´. 762 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 185–186, 189. 763 Prosecutor v. Kvoc ˆ ka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 194–205. Diese Diskriminierungsabsicht regelt gleichzeitig das Verhältnis der Verfolgung zu anderen Einzeltaten des Art. 5, wenn beide Taten durch dieselbe Handlung erfüllt werden. Denn sie stellt ein zusätzliches Element dar, welches die anderen Einzeltaten des Art. 5 nicht besitzen. Diese Einzeltaten werden folglich von der Verfolgung konsumiert (Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 187). 764 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 319–320. 765 Siehe oben die Verurteilung nach Art. 5 g) JStGH-Statut. 766 Kvoc ˆ ka hatte persönlich Verbrechen an Lagerinsassen begangen, er war bei der Begehung von Verbrechen durch Wärter gegenwärtig und wusste als stellvertretender Lagerkommandant von den regelmäßigen Verbrechen gegenüber den Lagerinsassen. Ihm wurden u. a. die Vergewaltigungen anderer Wärter an Lagerinsassinnen als Form der Verfolgung nach Art. 5 (h) zugerechnet (Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11. 2001, Para. 397, 415, 419). Prcac´ wurden ebenfalls die Verbrechen im Lager Omarska zugerechnet, indem er als Verwaltungsassistent des Kommandanten die Funktionen des Lagers förderte und Misshandlungen an Insassen gleichgültig zusah und somit die Verfolgung moralisch unterstützte. Die Kammer fand ihn verantwortlich für Vergewaltigungen anderer Wärter als Form der Verfolgung nach Anklagepunkt 1 (Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11. 2001, Para. 459–464, 470). Unter Kos’ Schicht wurden zahlreiche Verbrechen an Gefangenen begangen; teilweise wirkte er dabei persönlich mit. Er förderte in seiner Position als Schichtleiter das gemeinsame kriminelle Unternehmen für die fast gesamte Zeit des Lagerbestehens. Er wurde ebenfalls für durch andere Wärter begangene Vergewaltigungen nach Anklagepunkt 1 schuldig befunden (Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 497– 500, 504). Die Kammer führte aus, dass Radic´ als Schichtleiter vorsätzlich zur Förderung des gemeinsamen kriminellen Unternehmens beigetragen hatte, nicht-serbische Insassen zu verfolgen und auf andere Weise zu missbrauchen. Er war verantwortlich für schwere Misshandlungen im Lager während seiner Schicht. Er wusste von den Bedingungen und permanenten Missbräuchen der Gefangenen und hatte persönlich schwere Verbrechen inklusive sexueller Gewalt in diskriminierender Absicht begangen (Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 562–566, 571). Zˇigic´ wurde wie alle Angeklagten nach Punkt 1 für die Verfolgung nicht-serbischer Gefangener des Lagers Omarska angeklagt. Die Strafkammer fand, dass Zˇigic´ erheblich am gemeinsamen kriminellen Unternehmen des Lagers mitgewirkt hatte, in dem er das Lager betrat, wann er wollte und persönlich die Lagerinsassen aufgrund ihrer Religion,

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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stehen insofern keine Zweifel, dass in diesem Fall mehrere Vergewaltigungen gebündelt mit anderen Misshandlungen unter dem Verfolgungstatbestand verurteilt wurden. Jedoch wurden die einzelnen Vergewaltigungen nicht im Detail (Täter, Opfer, Zeitpunkt, Begehungsform) festgestellt. Ferner ist zu bemerken, dass die Zurechnung der festgestellten Vergewaltigungen sich allein auf die begangenen Taten im Lager Omarska beschränkte, womit von einer Verurteilung der festgestellten Vergewaltigungen im Lager Keraterm nicht auszugehen ist. Im Berufungsverfahren wurde die Verurteilung Kvocˆka’s wegen Verfolgung allein hinsichtlich der Vergewaltigungen allerdings wieder aufgehoben, weil ihm nicht nachgewiesen werden konnte, dass er sich zur Zeit der Tatbegehung der Vergewaltigungen im Lager aufhielt.767 Auch die Vorwürfe hinsichtlich der Verbrechen im Omarska-Lager gegen den Angeklagten Zˇigic´ wurden in der Berufungsinstanz aufgehoben. Die Berufungskammer konnte aus den einzelnen Besuchen Zˇigic´ im Omarska-Lager nicht den Schluss ziehen, dass er beachtlich an dem Funktionsablauf des Lagers partizipiert hatte, womit er nicht als Teilnehmer an einem gemeinsamen kriminellen Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden konnte.768 Diese aus beweisrechtlichen Gründen herbeigeführte Aufhebung der Verurteilung ändert aber nichts an dem erstinstanzlichen Urteil, dass die Vergewaltigung eine mögliche Tathandlung der Verfolgung darstellt. Auch Stakic´ wurde wegen Verfolgung (Punkt 6) u. a. durch Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.769 Die Strafkammer konnte feststellen, dass muslimische Frauen von serbischen Soldaten in Häusern in Hambarine, in den Gefangenenlagern Omarska, Keraterm und Trnopolje, in der Gegend von Biscani (Cengije) vergewaltigt worden waren.770 Ferner konnte sie Stakic´ nachweisen, dass er bei der Errichtung der drei Gefangenlager entscheidend mitgewirkt sowie Befehle erteilt hatte, die nichtserbische Bevölkerung zu attackieren.771 Auch hier wurden die unter dem Verfolgungstatbestand verurteilten Misshandlungen nur pauschal festgestellt. Die Kammer brachte materiell-rechtlich keine Veränderung des Verfolgungstatbestands hervor. Sie bestätigte, dass die Liste der Verfolgungsmethoden in Art. 5 h) JStGH-Statut nicht abschließend sei, sondern auch alle anderen Einzeltaten der Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie des Statuts oder HandlunPolitik, Rasse oder ethnischen Zugehörigkeit ständig schwer körperlich und seelisch misshandelte und tötete (Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 610, 682–688). Auch wenn Zˇigic´ selbst keine Vergewaltigung begangen hatte, wurden ihm diese Verbrechen anderer über die Mittäterschaft an einem gemeinsamen kriminellen Unternehmen zugerechnet (Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 691). 767 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-A, 28.02.2005, Para. 329–334, 339, 684, 725. 768 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-A, 28.02.2005, Para. 599. 769 Prosecutor v. Stakic ´ , IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 882 f., 937. 770 Prosecutor v. Stakic ´ , IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 133, 235–236, 240, 244, 264. 771 Prosecutor v. Stakic ´ , IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 906 (Zusammenfassung).

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

gen, die in der Schwere mit denen der Einzeltaten des Art. 5 JStGH-Statut übereinstimmen, erfasse. So stelle Vergewaltigung, welche eine Einzeltat nach Art. 5 g) JStGH-Statut ist, eine taugliche Tathandlung der Verfolgung dar.772 Die Strafkammer kam zum Ergebnis, dass der Tatbestand der Verfolgung aufgrund der permanenten Vergewaltigungen weiblicher muslimischer Gefangener durch das Personal in den Lagern Omarska, Keraterm und Trnopoje verwirklicht wurde und die Vergewaltigungen dem Angeklagten als politischen Drahtzieher zugerechnet werden konnten.773 Interessant ist, dass die Kammer eine zusätzliche Anklage wegen Vergewaltigung nach Art. 5 g) JStGH-Statut für sinnlos erachtete. Sie sah die Verfolgung wegen des zusätzlichen Tatbestandsmerkmals der Diskriminierungsabsicht als die speziellere Tat zur Vergewaltigung an, weshalb die Vergewaltigung sowieso hinter der Verfolgung zurückgetreten wäre.774 Der Fall Nikolic´ endete mit einem Abkommen zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten, wonach die meisten Anklagepunkte fallengelassen wurden und der Angeklagte sich hinsichtlich des Sachverhalts der Anklagepunkte 1–4 schuldig bekannte. Verurteilt wurde der Kommandant des Lagers Susica schließlich allein wegen des Vorwurfs der Verfolgung (Anklagepunkt 1).775 Die anderen Vorwürfe der Anklagepunkte 2–4 waren in der Verurteilung wegen Verfolgung enthalten, so auch die Beihilfe zur Vergewaltigung (Anklagepunkt 3).776

772

Prosecutor v. Stakic´, IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 735–736. Prosecutor v. Stakic´, IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 791–806, 872. 774 Prosecutor v. Stakic ´ , IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 879 ff. 775 In der dritten Änderung der Anklageschrift wurden viele Verbrechen aus prozessökonomischen Gründen im Tatbestand der Verfolgung zusammengefasst, so auch viele Vergewaltigungsfälle. Schließlich kam der Angeklagte mit der Staatsanwaltschaft überein, sich zum Sachverhalt der dritten Anklageschrift sowie zu den Anklagepunkten 1–4 schuldig zu bekennen. Das Gericht legte der Entscheidung den Sachverhalt des Schuldbekenntnisabkommens zugrunde (Prosecutor v. Nikolic´, IT-94-2-S, 18.12.2003, Para. 33–37, 49). Auch im Fall Prosecutor v. Sikirica, IT-95-8-T, 13.11.2001, Para. 13 ff., kam es zu einem Abkommen zwischen den Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, wonach die Angeklagten sich der Verfolgung schuldig bekannten und im Gegenzug von allen anderen Vorwürfen freigesprochen wurden. Vergewaltigungen wurden meist durch Personen begangen, die nicht dem Lagerpersonal angehörten. Die Staatsanwaltschaft erkannte allerdings an, dass weder Beweise vorlagen, dass der Lagerkommandant Sikirica von den Vergewaltigungen wusste, noch, dass er in der Position war, dass er von ihnen nach der Tat hätte erfahren müssen. Sikirica gab zu, dass es im Lager zu Vergewaltigungen gekommen war. Insofern wurde Sikirica nicht wegen Vergewaltigung als Verfolgung verurteilt. Dennoch indiziert dieses Urteil, dass das Gericht von einer Strafbarkeit der Vergewaltigung ausging, ansonsten hätte es auf eine Anerkennung Sikirica’s, dass Vergewaltigungen im Lager geschehen waren, ganz verzichten können (Prosecutor v. Sikirica, IT-95-8-T, 13.11.2001, Para. 22, 125). 776 Da die Kammer die Verfolgung aufgrund des zusätzlichen Tatbestandsmerkmals der Diskriminierungsabsicht gegenüber der Vergewaltigung für den spezielleren Tatbestand hielt und, die der Beihilfe zur Vergewaltigung zugrundeliegenden Fakten (Anklagepunkt 3) ebenfalls unter dem Verfolgungstatbestand angeklagt worden waren, kam 773

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Die Definition der Verfolgung, welche dem Urteil zugrunde gelegt wurde, war mit denen der vorherigen Entscheidungen identisch und bewertete Vergewaltigung ausdrücklich als Verfolgungsmethode.777 Nikolic´ hatte muslimische und andere nicht-serbische Gefangene verfolgt, indem er sie u. a. Vergewaltigungen ausgesetzt778 und Beihilfe zu sexueller Gewalt an weiblichen Gefangenen geleistet hatte.779 Er hatte weibliche Gefangene aus dem Hangar holen lassen, um sie von Wärtern, Soldaten und anderen Männern vergewaltigen und sexuell missbrauchen zu lassen.780 Er hatte das Entnehmen von weiblichen Gefangenen dadurch erleichtert, dass er Wärtern, Soldaten und anderen Männern, den regulären Zugang zu diesen Frauen ermöglicht und zum sexuellen Missbrauch ermutigt hatte.781 Im Fall Brdjanin wurden die oben festgestellten Vergewaltigungen in Gemeinden und Gefangenenlagern in Bosnien-Herzegowina durch bosnisch-serbische Soldaten, Polizisten und Lagerwärter782 gebündelt unter dem Foltertatbestand wegen Verfolgung verurteilt. Der separate Anklagepunkt 7 wegen Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ging somit in der Verurteilung wegen Verfolgung (Anklagepunkt 3) auf.783 Die von der Kammer angewandte Definition der Verfolgung entsprach den Auslegungen vorangegangener Entscheidungen des Tribunals. Da bisher keine abschließende Liste von Verfolgungshandlungen existierte, bestätigte die Kammer, dass Tathandlungen, die bereits als Straftaten im Statut aufgeführt sind sowie andere Verbrechen, die der Schwere nach mit den Statutenstraftaten vergleichbar sind, eindeutig als Verfolgungshandlung in Betracht kommen.784 Die Kammer sah daher die hier zur Debatte stehenden Vergewaltigungen und Folterungen, welche Einzeltaten des Art. 5 JStGH-Statut sind, als tatbestandsmäßig an.785

die Kammer nur zu einer Verurteilung nach Anklagepunkt 1 (Verfolgung). Prosecutor v. Nikolic´, IT-94-2-S, 18.12.2003, Para. 117–119. 777 Prosecutor v. Nikolic ´ , IT-94-2-S, 18.12.2003, Para. 108–109. 778 Prosecutor v. Nikolic ´ , IT-94-2-S, 18.12.2003, Para. 67. 779 Prosecutor v. Nikolic ´ , IT-94-2-S, 18.12.2003, Para. 68. 780 Prosecutor v. Nikolic ´ , IT-94-2-S, 18.12.2003, Para. 87. 781 Prosecutor v. Nikolic ´ , IT-94-2-S, 18.12.2003, Para. 88. 782 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 512–518, 523. 783 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 1085, 1088, 1152–1153. 784 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 992–994. „The crime of persecution consists of an act or omission which: 1. discriminates in fact and denies or infringes upon a fundamental right laid down in international customary or treaty law (the actus reus); and 2. was carried out deliberately with the intention to discriminate on one of the listed grounds, specifically race, religion or politics (the mens rea).“ 785 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 1002–1004; 1008, 1012– 1013.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands war die Kammer überzeugt, dass die Täter mit der entsprechenden Diskriminierungsabsicht gegenüber den muslimischen oder kroatischen Opfern gehandelt hatten. Dies leitete sie unter anderem aus der diskriminierenden Sprache gegenüber den Opfern ab. So hatte ein Vergewaltiger geäußert, dass „er wolle, dass sie (Muslimin) einen kleinen Serben gebäre“.786 Die Kammer kam zum Ergebnis, dass neben anderen Folterungen, die festgestellten Vergewaltigungen den Tatbestand der Verfolgung erfüllten.787 Aufgrund der Mitgliedschaft Brdjanin’s im ARK Krisenstab und der mitgefällten Entscheidung zur Entwaffnung der bosnisch-muslimisch und kroatischen Bevölkerung, welche zu Überfällen und den besagten Verbrechen auf Zivilisten geführt hatte, konnte die Kammer die in den Gemeinden begangenen Vergewaltigungen dem Angeklagten als Gehilfe zurechnen.788 Auch die in den Gefangenenlagern begangenen Vergewaltigungen rechnete die Kammer Brdjanin zu. Die Bedingungen in den Lagern waren auf den ARK Treffen diskutiert worden und der Angeklagte hatte sich öffentlich zu den Lagern geäußert. Die Kammer folgerte daraus, dass der Angeklagte von den Vergewaltigungen an den Lagerinsassen gewusst haben musste. Als Chef des ARK Krisenstabs hatte er nichts unternommen, um die Verbrechen zu unterbinden. Seine öffentlichen Äußerungen hatten vielmehr die Soldaten ermutigt und moralische Unterstützung in der Art wie sie diese Lager führten, geliefert. Die Einzeltäter mussten daher von einer vollen Unterstützung der ARK Führung bei der Ausführung der besagten Verbrechen ausgehen. Die Kammer fand, dass dieser Umstand einen wesentlichen Beitrag zur Folter in den Lagern geleistet hatte.789 Die Kammer ging aufgrund Brdjanin’s Äußerungen und Entscheidungen genauso wie bei den Einzeltätern von einer Diskriminierungsabsicht gegenüber der bosnisch-muslimischen und kroatischen Bevölkerung aus.790 Ferner wurde Bralo, Mitglied der kroatischen Spezialeinheit „Joker“, wegen Verfolgung (Anklagepunkt 1) u. a. aufgrund von mehrfachen Vergewaltigungen eines bosnisch-muslimischen Opfers verurteilt. Da aber die Verurteilung auf einem Schuldanerkenntnis des Angeklagten beruhte, findet sich in dem Urteil weder eine materiell-rechtliche Auseinandersetzung mit diesem Tatbestand, noch die Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter den Verfolgungstatbestand.791 Im Prozess gegen eine der höchsten Führungspersonen der Bosnisch-Serbischen Republik, den Angeklagten Momcilo Krajisnik 792, wurden pauschal zahl786 787 788 789 790 791

Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 1011. Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 1050. Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 1055–1057. Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 1058. Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 1059, 1061. Prosecutor v. Bralo, IT-95-17-S, 07.12.2005, Para. 5, 15, 16.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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reiche Vergewaltigungen nach dem Verfolgungstatbestand verurteilt.793 Die Kammer konnte Vergewaltigungen durch paramilitärische Gruppen an bosnischen Muslimen, Kroaten und einigen Serben, die verdächtigt wurden, mit Muslimen sympathisiert zu haben, in mehreren Gemeinden und Lagern feststellen.794 Auch diese Kammer definierte die Verfolgung wie alle anderen Kammern zuvor.795 Die Vergewaltigungen wurden nicht selbständig, sondern als grausame oder unmenschliche Behandlung, mit vielen anderen Folterungen und körperlichen sowie seelischen Missbräuchen gebündelt angeklagt und verurteilt. Die Kammer wandte die in früheren Entscheidungen entwickelte Definition der unmenschlichen Behandlung, an.796 Liegen die Voraussetzung einer grausamen und unmenschlichen Behandlung aufgrund einer diskriminierenden Absicht vor, seien die Tatbestandselemente der Verfolgung erfüllt. Die Kammer hatte keine Zweifel, dass die Vergewaltigung eine grausame oder unmenschliche Behandlung darstellt.797 Die Kammer fand, dass bosnische Muslime und bosnischen Kroaten oft mehrfach und regelmäßig in Gefangenenlagern und anderen Orten wie Polizeistationen, Hotels, Häusern, Schulen, Sportzentren und Fabriken vergewaltigt worden waren.798Die Opfer dieser grausamen und unmenschlichen Behandlungen waren ausschließlich Muslime und Kroaten, so dass die Kammer auf eine Diskriminierungsabsicht der Täter schließen konnte. Die Opfer seien aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ausgewählt worden. Viele Muslime waren als „balija“ beschimpft worden oder gezwungen worden auf die muslimische Flagge zu spucken bzw. serbische Nationallieder zu singen. Während der Vergewaltigung drückte z. B. Kunarac seine Ansicht aus, dass die Vergewaltigung von muslimischen Frauen eine der vielen Methoden sei, die serbische Überlegenheit und den serbi-

792 Momcilo Krajisnik war Mitglied der SDS, bekam Abgeordneter in der Versammlung von Bosnien-Herzegowina und wurde schließlich am 20.12.1990 zu ihrem Präsidenten gewählt. Am 12.7.1991 wurde Krajisnik zur Führungsgruppe der SDS gewählt. Als die Bosnisch-Serbische Republik gegründet wurde, war Krajisnik der Präsident der Bosnisch-Serbischen Versammlung. Er war auch Mitglied des nationalen Sicherheitsrates. Von Mai bis Dezember 1992 war er ein aktives Mitglied des Präsidiums der Bosnisch-Serbischen Republik, Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 3, 4. 793 Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 1179, 1182, 1183. 794 Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 209, 306, 333, 463, 490, 493, 499, 547, 576, 637–641, 652, 656, 665, 667, 678, 685, 696, 701, 708, 789, 800, 804, 965, 966, 972, 1105, 1146, 1150. 795 Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 734–735. 796 Eine unmenschliche Behandlung ist eine Handlung, welche schwere seelische oder physische Leiden oder Verletzungen verursacht oder einen schweren Angriff auf die Würde eines Menschen darstellt. Der Täter muss vorsätzlich („dolus eventualis“) gehandelt haben, Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 746. 797 Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 747. 798 Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 800.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

schen Sieg über Muslime zu sichern.799 Ferner ging die Kammer davon aus, dass die grausamen und unmenschlichen Behandlungen im Zusammenhang eines weiteren diskriminierenden Angriffs auf Muslime und Kroaten in den betroffenen Gemeinden begangen worden waren.800 Die Vergewaltigungen wurden der bosnisch-serbischen Führung, darunter auch dem Angeklagten, berichtet.801 Damit habe der Angeklagte Kenntnis von den Vergewaltigungen gehabt. Obwohl er aufgrund seiner Position die Möglichkeit hatte, habe er nichts unternommen, diese zu unterbinden. Vielmehr sei es das gemeinsame Ziel des verbrecherischen Unternehmens gewesen, die nicht-serbischen Bosnier mittels der genannten Verbrechen zu vertreiben, um eine neue ethnische Komposition in Bosnien-Herzegowina herbeizuführen. Die Kammer rechnete Krajisnik die besagten Vergewaltigungen Untergebener in diesem Zeitraum als Teilnehmer eines kriminellen Unternehmens nach Art. 7 Abs. 1 JStGH-Statut zu.802 Das derzeit letzte Urteil des JStGH, das sich mit Vergewaltigungen auseinander setzt – Milutinovic´ et al. –, verurteilte nur einen von sechs Angeklagten wegen Vergewaltigungen und sexueller Gewalt an albanischen Frauen im Kosovo nach dem Verfolgungstatbestand gemäß Art. 5 h) JStGH-Statut.803 Es konnten im Prozess zahlreiche Vergewaltigungen an kosovo-albanischen Frauen von Soldaten der FRY/Serbia (Mitglieder der MUP und VJ) festgestellt werden, obwohl nicht genau dargelegt wurde, auf welchem Wege die Penetrationen vollzogen wurden.804 Problematisch war die Zurechnung der Sexualvergehen. Den Angeklagten Milutinovic´, Ojdanic´ und Lazarevic´ konnte bereits keine Beteiligungsform nach Art. 7 Abs. 1 oder Abs. 3 JStGH-Statut für den Verfolgungstatbestand nachgewiesen werden.805 Obwohl es zu einer Verurteilung Sainovic´’s und Lukic‚s wegen Verfolgung kam, konnten ihnen ebenfalls nicht die festgestellten Vergewaltigungen zugerechnet werden, weil sie keine Kenntnis von den Sexualtaten der Untergebenen hatten und diese auch nicht hatten vorhersehen können. Die Verurteilungen wegen Verfolgung beinhalten somit nicht die angeklagten Vergewalti-

799

Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 804. Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 805. 801 Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 965, 972, 1105. 802 Vgl. dazu: Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-T, 27.09.2006, Para. 870–1124. Die Berufung hatte teilweise Erfolg. Die Rechtsausführungen berühren aber nicht die Rechtsfindung, dass die Vergewaltigung eine grausame bzw. unmenschliche Behandlung darstellt und zusammen mit einer Diskriminierungsabsicht den Tatbestand der Verfolgung erfüllt, Prosecutor v. Krajisnik, IT-00-39-A, 17.03.2009. 803 Prosecutor v. Milutinovic ´, IT-05-87-T, 26.02.2009, Vol. III, Para. 1206–1212. 804 Nachweise von Vergewaltigungen: Prosecutor v. Milutinovic ´ , IT-05-87-T, 26.02. 2009, Vol. II, Para. 62–64, 68, 632, 688, 852, 863, 875–880, 889, 1188, 1244. 805 Prosecutor v. Milutinovic ´, IT-05-87-T, 26.02.2009, Vol. III, Para. 271–284, 615– 633, 913–935. 800

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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gungen.806 Lediglich Pavkovic´ wurde wegen Vergewaltigung nach dem Verfolgungstatbestand verurteilt. Er wusste um die an der albanischen Zivilbevölkerung verübte sexuelle Gewalt im Kosovo durch Mitglieder der VJ und MUP zwischen 1998 und 1999. Ihm wurden die Sexualtaten während der Beleg-Deportation in Decani/Decan und während der Cirez/Qirez-Deportation in Srbica/Skenderaj als Teilnehmer eines kriminellen Unternehmens zugerechnet.807 Der angewandte Verfolgungstatbestand entsprach der hier bereits dargestellten Definition.808 Die Vergewaltigung ist somit nach allen Entscheidungen eindeutig eine mögliche Tathandlung der Verfolgung. Eine zusätzliche Verurteilung wegen Vergewaltigung nach Art. 5 g) JStGH-Statut sah das Tribunal jedoch als überflüssig an, weil der Tatbestand der Verfolgung aufgrund seines zusätzlichen Tatbestandsmerkmals (Diskriminierungsabsicht) zum Vergewaltigungstatbestand der speziellere ist und ihn folglich zurücktreten lässt. Allerdings wird deutlich, wenn es zu keiner separaten Anklage wegen Vergewaltigung kommt, dass die Vergewaltigung nicht im Detail behandelt wird. Sie ist dann nur Teil eines Gesamtverhaltens, welches die Verfolgung einer Bevölkerungsgruppe ausmacht und dient dazu, einem politischen oder militärischen Führer vereinfacht zahlreiche Menschenrechtsverletzungen unter einem Anklagepunkt gebündelt zuzurechnen. Der Unrechtsgehalt der Vergewaltigung kommt daher in der Verurteilung als Verfolgung nicht so zum Ausdruck, wie wenn sie als eigenständige Straftat behandelt wird. Dies gilt noch verstärkt, wenn die Vergewaltigung nicht als Tathandlung der Verfolgung, sondern gebündelt mit anderen Taten unter einer allgemeinen Straftat wie die unmenschliche Behandlung als Verfolgungshandlung verurteilt wird. (e) Art. 5 i) JStGH-Statut: Andere unmenschliche Handlungen Allein im Fall Tadic´ wurde der erzwungene Oralverkehr an männlichen Gefangenen im Omarska-Lager als unmenschliche Handlungen auch Art. 5 i) JStGHStatut verurteilt (Anklagepunkt 11).809 Der Vorfall wurde ebenfalls als grausame 806

Prosecutor v. Milutinovic´, IT-05-87-T, 26.02.2009, Vol. III, Para. 472, 476, 1135–

1139. 807

Prosecutor v. Milutinovic´, IT-05-87-T, 26.02.2009, Vol. III, Para. 766, 785, 788. Prosecutor v. Milutinovic´, IT-05-87-T, 26.02.2009, Vol. I, Para. 174–181. Da in der Anklageschrift nur sexuelle Gewalt angeklagt worden war, stellte die Kammer fest, dass die sexuelle Gewalt als ein zahlreiche Sexualverbrechen umfassender Allgemeinbegriff verwendet worden wäre. Die Anklage hätte deshalb auch die Vergewaltigung mitumfasst, Prosecutor v. Milutinovic´, IT-05-87-T, 26.02.2009, Vol. I, Para. 183 ff., 202 ff.; ebenso: Prosecutor v. Dordevic´, IT-05-87/1-T, 23.02.2011, Para. 1766, wobei eine Diskrimierungsabsicht nicht nachgewiesen werden konnte und es somit zu keiner Verurteilung wegen Vergewaltigung kam, Para. 1791–1797. 809 Prosecutor v. Tadic ´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 243, 730. In diesen Fundstellen spricht die Kammer zwar nur von sechs Opfern, jedoch erwähnt die Kammer bei der Tatsachenfeststellung (Para. 198) acht Opfer. Es ist anzunehmen ist, dass sie die Opfer G und H, die als Zeugen mit Synonymen auftraten, übersehen hatte. 808

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Behandlung nach Art. 3 JStGH verfolgt, so dass auf die obige Darstellung der Tatsachenfeststellungen und Rechtsfindungen verwiesen werden kann.810 Materiell-rechtlich definierte die Kammer die unmenschliche Handlung als eine die Körperintegrität, die Gesundheit oder die Würde eines Menschen schwer beeinträchtigen Handlung wie dies bei einer Körperverletzung oder Verstümmelung der Fall wäre.811 Insofern wurde der erzwungene Oralverkehr im ersten Fall des Tribunals noch als sexuelle Gewalt anstatt als Vergewaltigung eingeschätzt. (5) Ergebnis Niemals zuvor wurde der erzwungene Geschlechtsverkehr als strafbar bewertet wie durch das Jugoslawientribunal. Dabei subsumierte ihn das Gericht unter viele verschiedene Tatbestände der drei Rahmenverbrechen. Insgesamt wurde der erzwungene Geschlechtsverkehr nach Art. 2 JStGH-Statut in drei Fällen als Folter812, in einem Fall als unmenschliche Behandlung813, gemäß Art. 3 JStGH-Statut in fünf Fällen als Folter814, in einem Fall als grausame Behandlung815, in vier Fällen als Beeinträchtigung der persönlichen Würde816, in einem Fall als Vergewaltigung817 sowie nach Art. 5 JStGH-Statut in einem Fall als Versklavung818, in drei Fällen als Folter819, in drei Fällen als Vergewaltigung820, in elf Fällen als Verfolgung821 und in einem Fall als unmenschliche Handlungen822 verurteilt. Das Gericht kam aber zu keiner Verurteilung wegen Völkermords bzgl. der zahlreichen Vergewaltigungen der serbischen Soldaten an den muslimischen Bosnierinnen. Wie es möglich ist Massenmorde als Völkermord zu verurteilen, allerdings die Massenvergewaltigungen unter derselben Kampagne an derselben Gruppe durch dieselben Täter nicht, kann nicht wirklich einleuchten und wurde in der feministischen Literatur schwer kritisiert.823 810 Siehe oben Art. 3 JStGH-Statut „grausame Behandlung“; Prosecutor v. Tadic ´, IT94-1-T, 07.05.1997, Para. 243, 726 sowie die Anklageschrift, Para. 6. 811 Prosecutor v. Tadic ´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 728 f. 812 Mucic ´ ; Bralo; Brdjanin. 813 Mucic ´ (Fellatio). 814 Mucic ´ ; Furundzˇija; Kunarac; Kvocˆka; Bralo. 815 Tadic ´ (Fellatio). 816 Furundz ˇ ija; Kvocˆka; Cesic´ (Fellatio); Bralo. 817 Kunarac. 818 Kunarac. 819 Kunarac; Kvoc ˆ ka; Zelenovic´. 820 Kunarac; Cesic ´ (Fellatio); Zelenovic´. 821 Tadic ´ (Fellatio); Todorovic´ (Fellatio); Krstic´; Kvocˆka; Sikirica; Stakic´; Nikolic´; Bralo; Krajisnik; Brdjanin; Milutinovic´. 822 Tadic ´ (Fellatio). 823 MacKinnon, CJTL 44, 2006, S. 949; siehe auch zum Überblick der feministischen Literatur hinsichtlich der Frage, ob Vergewaltigungen in Bosnien-Herzegowina

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Die materiell-rechtlichen Interpretationen weiterer Einzeltaten des Statuts ergänzen das Ergebnis der Strafbarkeit. Danach wurde die Vergewaltigung zusätzlich zu den obigen Verurteilungen nach Art. 2 JStGH-Statut als vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit in einem Fall824 und gemäß Art. 4 JStGH-Statut als schwere körperliche oder seelische Schadensverursachung in vier Fällen825 für strafbar erklärt. Jede Vergewaltigung stellt per se – also ohne im Einzelfall abwägen zu müssen – Folter, Versklavung826 sowie Verfolgung dar, solange die weiteren Voraussetzungen der jeweiligen Einzeltat gegeben sind. Ebenso finden sich Äußerungen der Strafkammern, dass theoretisch einer Strafbarkeit der Vergewaltigung nach dem Rahmenverbrechen des Völkermords nichts entgegensteht. Zudem wurde der Vergewaltigung in der jüngsten Rechtsprechung des Tribunals der Status eines eigenständigen Kriegsverbrechens verliehen. Dadurch ist es nun möglich, die Tat entsprechend ihrem Charakter als ein Gewaltverbrechen zu verfolgen. Auf Vorschriften, die dem Schutz der Würde eines Menschen dienen (Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen), muss nicht mehr zurückgegriffen werden. Auf eine Unterscheidung, ob die Vergewaltigung im internationalen oder internen bewaffneten Konflikt begangen wurde, kommt es nicht mehr an. Nach dieser Rechtsprechung ist die Vergewaltigung in jedem bewaffneten Konflikt strafbar. Trotz dieser ausgiebigen, positiven Rechtsprechung zur Vergewaltigung lassen sich doch einige Kritikpunkte aufzählen. Als Erstes fällt auf, dass meist mehrere Vergewaltigungen eines Opfers oder mehrere Vergewaltigungen verschiedener Opfer als eine einzige Tat verurteilt wurden.827 Auch wurden häufig mit der Vergewaltigung einhergehende sexuelle Völkermord darstellten: in Engle, AJIL 99, 2005, S. 785 ff.; ferner: Greve, Vergewaltigung als Völkermord, S. 226 f., 239, zur Praxis der Ad-hoc-Tribunale hinsichtlich der Vergewaltigung als Völkermord. 824 Mucic ´. 825 Furundz ˇ ija; Krstic´; Sikirica; Stakic´. 826 Die Vergewaltigung wurde bisher nur in einem Fall als Versklavung verurteilt, obwohl auch weitere Frauen in Gefangenschaft vergewaltigt und wie Eigentum der Wärter behandelt wurden. Insofern ist die Strafbarkeit der Vergewaltigung nach dem Versklavungstatbestand noch nicht als gefestigt anzusehen. 827 Extremes Beispiel ist der Fall Kunarac. Der Angeklagte wurde in fünf Tatkomplexen mit mehrfachen Vergewaltigung durch ihn und Dritte an mehreren Frauen angeklagt. Die parallel unter einem Tatkomplex aufgeführten Anklagepunkte beliefen sich auf dieselben Handlungen, bewerten diese allerdings nach unterschiedlichen Tatbeständen wie z. B. Folter und Vergewaltigung nach Art. 3 sowie 5 JStGH-Statut. Nachgewiesen werden konnten ihm vier Tatkomplexe. Greift man nun den ersten Tatkomplex heraus und überprüft die Anzahl der Vergewaltigungen, lässt sich nicht einmal genau nachvollziehen wie viele Vergewaltigungen geschehen waren: Vergewaltigung der D.B. von Kunarac, Vergewaltigungen der FWS-75 durch mehrere Soldaten an zwei Tagen, Vergewaltigung der FWS-50 von mehreren Soldaten, Vergewaltigung der FWS-87 von

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Nötigungen, Drohungen oder Beleidigungen nicht separat verfolgt.828 Dies lässt sich sicher nicht mit der Überlegung begründen, es mache keinen Unterschied, wer wie oft von wem vergewaltigt wurde; die Hauptsache sei es, dass Sexualtaten überhaupt angeklagt und verurteilt werden. Dem Tribunal sind auch derartige Erwägungen nicht zu unterstellen. Jedoch liegt nahe, eine solche pauschale Strafverfolgung mit dem Gedanken der Prozessökonomie zu begründen. Die Vielzahl der aufzuarbeitenden und abzuurteilenden Verbrechen erschwert sicher die individuelle Verfolgung, zumal nur in begrenztem Umfang Budget, Personal und Zeit zur Verfügung stehen. Gleichwohl muss hier die Kritik ansetzen. Denn ein solcher Standard genügt in keinem Fall den Vorgaben innerstaatlichen Strafrechts demokratischer Staaten. Selbst wenn man unter dem Gesichtspunkt beschränkter Ressourcen sich gehalten sieht, etwa mehrere Vergewaltigungen unter einem Anklagepunkt zusammenzufassen und zu verurteilen, ohne die einzelnen Tatvorwürfe konkret zu erfassen. Der Ausgleich auf der Strafzumessungsebene, durch eine höhere Strafe den mehrfachen Vergewaltigungen Rechnung zu tragen, ist nur ein unbefriedigender Ausgleich. Zudem setzt auch die Strafzumessung voraus, dass die Taten im Einzelnen genau erfasst werden. Ansonsten könnte ohne eine genaue Tatsachenfeststellung nicht die Schwere der Tat bzw. Taten ermittelt werden, was zu einer Gleichbehandlung von unterschiedlichen Vorfällen von Vergewaltigungen und damit zu einem ungerechten und nicht nachvollziehbaren Strafmaß eines Täters führen würde. Noch stärker wird das tatsächliche Verhalten des Täters im Urteil verkürzt und damit ungenau wiedergegeben, wenn nicht nur mehrere Vergewaltigungen eines Tatkomplexes unter einem Anklagepunkt, sondern wenn ganz unterschiedliche Einzeltaten (Mord, Vergewaltigung, Körperverletzung) unter einem Anklagepunkt verurteilt werden. In einigen Urteilen wurden Vergewaltigungen erst einzeln nach mehreren Anklagepunkten angeklagt, aber schließlich in einem Abkommen zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten mit dem Einver-

Kunarac und drei anderen Soldaten, Vergewaltigung der FWS-95 von Kunarac (Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 636–656, 685). Dies sind mind. 12 Vergewaltigungen an 5 Frauen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, wenn man bei dem Wort „mehrere Soldaten“ von mind. zwei Tätern ausgeht, die unter einem Anklagepunkt gebündelt verurteilt wurden. 828 Z. B. wurde die Zeugin FWS-183 nachts zum Flussufer aus ihrem Haus verschleppt, beschuldigt Nachrichten über ihr Radio gesendet zu haben, bedroht, sie und ihren Sohn zu töten, und nach der Vergewaltigung durch drei Soldaten, von Kunarac beleidigt, der äußerte, dass sie (Vergewaltiger) nun niemals herausfinden würden, wer der Vater sei. Der Sachverhalt enthielt somit drei Vergewaltigungen, Entführung, Morddrohungen, Beleidigung. Verurteilt wurde der Sachverhalt nach zwei Anklagepunkten als Folter und Vergewaltigung. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 705–715.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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ständnis des Gerichts auf einen Anklagepunkt der Verfolgung reduziert.829 Dem Gericht war es ebenfalls aus prozessökonomischen Gründen lieber, ein Geständnis des Angeklagten zu einem Teil der Vorwürfe zu erhalten und das Gesamtverhalten schnell und zusammengefasst unter einem Tatbestand mit einer Strafe zu sühnen als einem jahrelangen Prozess mit unklarem Ausgang entgegenzusehen. Der Nachteil ist allerdings, dass in einem Anklagepunkt niemals das gesamte Ausmaß der Einzeltaten des Täters zum Tragen kommen kann, weil einfach nicht jede Tat detailliert festgestellt wird. Das belegen die sehr viel kürzeren Tatsachenfeststellungen, die den Urteilen mit nur einem Anklagepunkt der Verfolgung gegenüber denjenigen mit mehreren Anklagepunkten zugrunde liegen.830 Ein weiteres Problem warf die Verurteilung des erzwungenen Oralverkehrs zumindest in den anfänglichen Entscheidungen unter den Auffangtatbeständen wie unmenschliche und grausame Behandlung bzw. andere unmenschliche Handlungen auf 831, während der vaginale und anale erzwungene Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung bzw. Beeinträchtigung der persönlichen Würde, Folter oder Versklavung verfolgt wurde. Damit wurde der erzwungene Oralverkehr anders als der erzwungene vaginale oder anale Geschlechtsverkehr behandelt, so dass es zweifelhaft erschien, ob die Strafkammern diese Tat als das Verbrechen der Vergewaltigung oder eher als das Verbrechen der sexuellen Nötigung einstuften. Die Konsequenz der letzteren Schlussfolgerung wäre, dass die Strafbarkeit des Oralverkehrs dann kein Indiz für eine Strafbarkeit der Vergewaltigung unter der jeweiligen Statutenvorschrift wäre. Demgegenüber stehen die neueren Entscheidungen der Strafkammern im Furundzˇija, Kunarac- und Cesic´-Fall, die den erzwungenen Oralverkehr als eine Form der Vergewaltigung verurteilt haben.832 Die Erklärung für die anfänglichen Entscheidungen, den erzwungenen Oralverkehr eher unter die Auffangtatbestände zu verurteilen, findet sich im Cˇele-

829 Vgl. Prosecutor v. Todorovic ´ , IT-95-9/1-S, 31.07.2001, Para. 1–15; Prosecutor v. Nikolic´, IT-94-2-S, 18.12.2003, Para. 33–37, 49; Prosecutor v. Sikirica, IT-95-8-T, 13.11.2001, Para. 13 ff. 830 Besonders deutlich wird dies im Nikolic ´ -Fall. Der Angeklagte sah sich in der ersten Anklageschrift mit einer Vielzahl von Vergewaltigungsvorwürfen konfrontiert, wurde aber schließlich allein wegen eines Anklagepunktes „Verfolgung“ schuldig gesprochen. In dem Urteil kam das tatsächliche Ausmaß der zahlreichen Vergewaltigungen im Lager nicht mehr zur Geltung. Vgl. oben den dem Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt sowie die erste Anklageschrift gegen Nikolic´. 831 Siehe: Prosecutor v. Tadic ´ , IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 194–234, 243, 726, 730; Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 1071 f., 1285 f.; Prosecutor v. Todorovic´, IT-95-9/1-S, 31.07.2001, Para. 9,12, 36–40. 832 Vgl: Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 270–275; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 630–745, 883 f.; Prosecutor v. Cesic´, IT-95-10/1-S, 11.03.2004, Para. 13 f., 107, 111. Dass die letzteren Entscheidungen ausschlaggebend sind, zeigen auch die Definitionen der Vergewaltigung, die stets den Oralverkehr miteinbeziehen (vgl. 4. Kapitel).

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

bic´i-Fall. Die Strafkammer machte deutlich, dass sie es vorgezogen hätte, den Oralverkehr als Vergewaltigung anstatt als unmenschliche und grausame Behandlung zu verurteilen, wenn die Staatsanwaltschaft das Verhalten dementsprechend angeklagt hätte.833 Die Verantwortung für die Verurteilung der Tat unter einen der Auffangtatbestände des Statuts liegt bei der Anklagebehörde. Sie hat Anklageermessen, womit dem Gericht keine Korrekturmöglichkeit der Anklagepunkte zustand. Nach Ansicht des Tribunals besteht kein Bedürfnis zu einer Differenzierung zwischen dem oralen, vaginalen oder analen Geschlechtsverkehr, womit jede Verurteilung des erzwungenen oralen, vaginalen oder analen Geschlechtsverkehrs unter eine Statutenvorschrift als ein Nachweis der Strafbarkeit der Vergewaltigung zu betrachten ist. Die Rechtsprechungsanalyse des JStGH ergibt folgendes Bild der Strafbarkeit. Der erzwungenen Geschlechtsverkehr kann je nach den Umständen strafbar sein als: – Schwere Verletzung gemäß – Art. 2 b) JStGH-Statut: Folter; – Art. 2 b) JStGH-Statut: unmenschliche Behandlung; – Art. 2 c) JStGH-Statut: Vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit. – Verstoß gegen die Gesetze und Gebräuche des Kriegs gemäß – Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen: Folterung; – Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen: grausame Behandlung; – Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen: Beeinträchtigung der persönlichen Würde; – Art. 3 JStGH-Statut: Vergewaltigung (eigenständig). – Völkermord gemäß – Art. 4 b) JStGH-Statut: Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe.

833 Prosecuter v. Mucic ´ , IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 1066: „The Trial Chamber finds that the act of forcing Vaso Dordic´ and Veseljko Dordic´ to perform fellatio on one another constituted, at least, a fundamental attack on their human dignity. Accordingly, the Trial Chamber finds that this act constitutes the offence of inhuman treatment under Article 2 of the Statute, and cruel treatment under Article 3 of the Statute. The Trial Chamber notes that the aforementioned act could constitute rape for which liability could have been found if pleaded in the appropriate manner.“

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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– Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß – Art. 5 c) JStGH-Statut: Versklavung; – Art. 5 f) JStGH-Statut: Folter; – Art. 5 g) JStGH-Statut: Vergewaltigung; – Art. 5 h) JStGH-Statut: Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen; – Art. 5 i) JStGH-Statut: Andere unmenschliche Handlungen. ff) Entscheidungen des RStGH 21 von 72 abgeschlossenen bzw. nur noch im Berufungsverfahren anhängigen Fällen behandeln Vergewaltigung.834 Auch dieses Tribunal verurteilte die Angeklagten in separaten (nicht gebündelten) Verfahren und gliederte seine Urteile in Ausführungen zur Prozessgeschichte, zur Anklageschrift, zur Tatsachenfeststellung, zum materiellen und prozessualen Recht, zur Rechtsfindung und Strafzumessung auf. Angeklagt wurde der erzwungene Geschlechtsverkehr unter allen drei Tatbestandsgruppen als: – Völkermord gemäß – Art. 2 Abs. 2 b) RStGH-Statut: Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe;835 – Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß – Art. 3 f) RStGH-Statut: Folter;836 834

Vgl. www.ictr.org/ENGLISH/cases/status.htm. Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 6; Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-I, 29.04.1999, Para. 4.7–4.10; Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05. 2003, Annex I, Para. 3.14–3.17; Prosecutor v. Niyitegeka, ICTR-96-14-T, 16.05.2003, Para. 7 f.; Prosecutor v. Kajelijeli, ICTR-98-44A-T, 01.12.2003, Para. 21, Anklageschrift, Para. 4.18, 5.3; Prosecutor v. Gacumbitsi, ICTR-2001-64-T, 17.06.2004, Para. 37 f.; Prosecutor v. Serushago, ICTR-98-39-I, 14.10.1998, Para. 4.22, 5.10, 6; Prosecutor v. Muhimana, ICTR-95-1B-T, 28.04.2005, Para. 4; Prosecutor v. Muvunyi, ICTR2000-55A-T, 12.09.2006, Para. 378; Anklageschrift: Para. 3.41; Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 930 ff. 2198 ff.; Anklageschrift Bagosora, Para. 6.50, 6.65; Anklageschrift Kabiligi, Para. 6.36, 6.47; Anklageschrift Nsengiyumva, Para. 6.34; Prosecutor v. Renzaho, ICTR-97-31-I, 16.02.2006, Para. 52–55; Prosecutor v. Hategekimana, ICTR-2000-55B-I, 17.11.2000 Para. 3.47, 3.47 (i); Prosecutor v. Gatete, ICTR-2000-61-I, 10.05.2005, Para. 42–46; Prosecutor v. Nyiramasuhuko et al., ICTR97-21-I, 01.03.2010, Para. 7; Prosecutor v. Bizimungu et al., ICTR-99-50-I, 07.05.1999, Para. 7; Prosecutor v. Bizimungu et al., ICTR-2000-56-I, 23.08.2004, Para. 110 ff.; Prosecutor v. Karemera et al., ICTR-98-44-I, 25.08.2005, Para. 67–70; Prosecutor v. Ngirabatware, ICTR-99-54-I, 13.04.2009, Para. 61–63; Prosecutor v. Nizeyimana, ICTR2000-55-PT, 29.09.2010, Para. 47–50. 836 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Annex I, Para. 3.14–3.17. 835

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

– Art. 3 g) RStGH-Statut: Vergewaltigung;837 – Art. 3 h) RStGH-Statut: Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen.838 – Verstoß gegen die Gesetze und Gebräuche des Kriegs gemäß – Art. 4 a) RStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen und Art. 4 Abs. 2 a) Zusatzprotokoll II: Angriffe auf das Leben, die Gesundheit oder das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, insbesondere vorsätzliche Tötung sowie grausame Behandlung wie Folter, Verstümmelung und jede Art der körperlichen Züchtigung;839 – Art. 4 e) RStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen und Art. 4 Abs. 2 e) Zusatzprotokoll II: Beeinträchtigung der persönlichen Würde; insbesondere entwürdigende und erniedrigende Behandlung, Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und unzüchtige Handlung jeder Art.840 837 Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 6; Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-I, 29.04.1999, Para. 4.7–4.10; Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05. 2003, Annex I, Para. 3.14–3.17; Prosecutor v. Niyitegeka, ICTR-96-14-T, 16.05.2003, Para. 7 f.; Prosecutor v. Kajelijeli, ICTR-98-44A-T, 01.12.2003, Para. 21, Anklageschrift, Para. 4.18, 5.3; Prosecutor v. Gacumbitsi, ICTR-2001-64-T, 17.06.2004, Para. 37 f.; Prosecutor v. Serushago, ICTR-98-39-I, 14.10.1998, Para. 4.22, 5.10, 6; Prosecutor v. Muhimana, ICTR-95-1B-T, 28.04.2005, Para. 4; Prosecutor v. Muvunyi, ICTR2000-55A-T, 12.09.2006, Para. 378; Anklageschrift: Para. 3.41; Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 930 ff., 2198 ff.; Anklageschrift Bagosora, Para. 6.50, 6.65; Anklageschrift Kabiligi, Para. 6.36, 6.47; Anklageschrift Nsengiyumva, Para. 6.34; Prosecutor v. Renzaho, ICTR-97-31-I, 16.02.2006, Para. 52–55; Prosecutor v. Hategekimana, ICTR-2000-55B-I, 17.11.2000 Para. 3.47, 3.47 (i); Prosecutor v. Gatete, ICTR-2000-61-I, 10.05.2005, Para. 42–46; Prosecutor v. Nyiramasuhuko et al., ICTR97-21-I, 01.03.2010, Para. 7; Prosecutor v. Bizimungu et al., ICTR-99-50-I, 07.05.1999, Para. 7; Prosecutor v. Bizimungu et al., ICTR-2000-56-I, 23.08.2004, Para. 110 ff.; Prosecutor v. Karemera et al., ICTR-98-44-I, 25.08.2005, Para. 67–70; Prosecutor v. Ngirabatware, ICTR-99-54-I, 13.04.2009, Para. 61–63; Prosecutor v. Nizeyimana, ICTR2000-55-PT, 29.09.2010, Para. 47–50. 838 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Annex I, Para. 3.14–3.17; Prosecutor v. Kajelijeli, ICTR-98-44A-T, 01.12.2003, Para. 21, Anklageschrift, Para. 4.18, 5.3; Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2207 ff. 839 Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-I, 29.04.1999, Para. 4.7–4.10; Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Annex I, Para. 3.14–3.17. 840 Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 6, Anklageschrift, Para. 12 A und B; Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-I, 29.04.1999, Para. 4.7–4.10; Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Annex I, Para. 3.14–3.17; Prosecutor v. Niyitegeka, ICTR-96-14-T, 16.05.2003, Para. 7 f., Anklageschrift Para. 3; Prosecutor v. Kajelijeli, ICTR-98-44A-T, 01.12.2003, Para. 21, Anklageschrift, Para. 4.18, 5.3; Prosecutor v. Kamuhanda, ICTR-95-54A-T, 22.01.2004, Para. 18, Anklageschrift, Para. 6.46; Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2249 ff.; Prosecutor v. Renzaho, ICTR-97-31-I, 16.02.2006, Para. 61–65; Prosecutor v. Nyiramasuhuko et al., ICTR-97-21-I, 01.03.2010, Para. 7; Prosecutor v. Bizimungu et al., ICTR-99-50-I, 07.05. 1999, Para. 7; Prosecutor v. Bizimungu et al., ICTR-2000-56-I, 23.08.2004, Para. 119; Prosecutor v. Nizeyimana, ICTR-2000-55-PT, 29.09.2010, Para. 55–58.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Soweit der RStGH nicht zu einer Verurteilung der angeklagten Vergewaltigung gelangt ist – sei es aus Beweismangel, wegen fehlender Voraussetzungen des Rahmenverbrechens oder aus Konkurrenzgründen –, werden die Entscheidungen in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Sofern hier die materiell-rechtlichen Erwägungen relevant erscheinen, werden sie einbezogen. (1) Vergewaltigung als Völkermord (a) Art. 2 Abs. 2 b) RStGH-Statut: Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe Die erste Verurteilung wegen Völkermords aufgrund erzwungenen Geschlechtsverkehrs in der Geschichte erging durch das Ruanda-Tribunal gleich in seinem ersten Fall. Akayesu wohnte als Bürgermeister der Taba-Gemeinde regelmäßigen und oft mehrfachen Vergewaltigungen von Tutsi-Flüchtlingen durch die Miliz und die Kommunalpolizei in und um das Gemeindehaus bei oder unterstützte die Taten.841 Er wurde aufgrund der Beihilfe zu Vergewaltigungen wegen Völkermords nach Art. 2 Abs. 2 b) verurteilt.842 Die Strafkammer definierte die zweite Tatbestandsalternative des Völkermords nach Art. 2 Abs. 2 b) folgendermaßen: Causing serious bodily or mental harm to members of the group does not necessarily mean that the harm is permanent and irremediable. The Chamber takes serious bodily or mental harm, without limiting itself thereto, to mean acts of torture, be they bodily or mental, inhumane or degrading treatment, persecution.843

Die Kammer hat zwar auf die ausdrückliche Aufzählung der Vergewaltigung in ihrer Definition verzichtet. Da aber eine Vergewaltigung eine höchst erniedrigende sowie schmerzhafte Handlung für das Opfer darstellt und schwere seelische Störungen hervorruft, können keine Zweifel daran bestehen, dass die Vergewaltigung einen schweren körperlichen oder seelischen Schaden verursacht und somit unter diese Tatbestandsalternative fallen sollte. Bestätigt wird dieses Verständnis der Definition sodann bei der Subsumierung des Falls („legal findings“) 841 Vgl. Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-I, 17.06.1997, Para. 12A & 12B; zur Tatsachenfeststellung: Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 416–460. 842 Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 734, 745. Eine Verurteilung nach Anklagepunkt 2 wegen Teilnahme am Völkermord war daher nicht mehr notwendig, vgl. Para. 525 ff. 843 Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 502–504 mit der Auslegung des Eichmann-Urteils: „by the enslavement, starvation, deportation and persecution [. . .] and by their detention in ghettos, transit camps and concentration camps in conditions which were designed to cause their degradation, deprivation of their rights as human beings, and to suppress them and cause them inhumane suffering and torture“.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

unter die Statutenvorschrift. Die Kammer fand den Angeklagten schuldig, Mitglieder der Tutsi-Bevölkerung ernsten körperlichen und mentalen Schaden dadurch zugefügt zu haben, dass er bei Vergewaltigungen der Interahamwe an Tutsi-Flüchtlingen als Autoritätsperson beigewohnt und die Interahamwe noch durch Worte ermutigt hatte.844 Die Kammer betonte nicht nur, dass Vergewaltigung und sexuelle Nötigung genauso Völkermord darstellen können wie jede andere Tat, solange die spezielle Absicht vorliege, eine bestimmte Gruppe zerstören zu wollen. Sie hob auch hervor, dass diese Handlungen zweifellos eine der schlimmsten Formen des Zufügens ernsten körperlichen und mentalen Schadens für das Opfer seien, weil das Opfer sowohl körperlich als auch seelisch leide. Die festgestellten Vergewaltigungen und anderen sexuellen Gewalttaten wurden allein gegen Tutsi-Frauen begangen. Sie führten zur physischen und psychischen Zerstörung dieser Frauen, ihrer Familien und der Gemeinschaft. Sexuelle Gewalt sei daher nach Ansicht dieser Kammer ein integraler Bestandteil im Zerstörungsprozess der Tutsi-Bevölkerung gewesen, indem sie den Geist, den Lebenswillen und das Leben selbst schrittweise zerstört hätten.845 Meistens waren die Vergewaltigungen mit der Absicht verbunden, die Frauen zu töten. Vergewaltigungen wurden neben Massengräbern begangen, wo die Opfer nach der Tat getötet wurden. Insofern war es für die Kammer eindeutig, dass die sexuelle Gewalt die Absicht reflektierte, die Gruppe zu zerstören, und zuvor noch Mitglieder dieser Gruppe akut leiden zu lassen.846 Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist, dass die Kammer nicht nur auf die direkten körperlichen und seelischen Auswirkungen auf das Opfer abstellte, sondern auch den Zerstörungsprozess an der Familie und Gemeinschaft zur Kenntnis nahm. Eine deutlichere Aussage, insbesondere die Vergewaltigung stelle eine Form des Völkermords dar, ist wohl kaum möglich.847 Im Strafverfahren gegen Clement Kayishema, Präfekt von Kibuye, und Obed Ruzindana, Händler in der Kibuye Präfektur, wurden Tötungen und nicht spezifizierte Körperverletzungen an vier Massakerplätzen in Kibuye als Völkermord angeklagt.848 Die Strafkammer folgte in ihrer Definition des Art. 2 Abs. 2 b) RStGH-Statut der Akayesu-Auslegung, fügte ihr aber unter anderem ausdrücklich die Beispiele der Vergewaltigung und der sexuellen Gewalt als mögliche Tathandlungen hinzu.849 Materiell-rechtlich lässt die Kammer keinerlei Bedenken 844

Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 706 f. Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 731 f. 846 Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 733. 847 Die Berufung führte keine Veränderung des Urteils herbei. Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-A, 01.06.2001, Para. 181 ff., Disposition. 848 Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 5. 849 Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 108–113; siehe auch: Prosecutor v. Rutaganda, ICTR-96-3-T, 06.12.99, Para. 51: Rutaganda wurde zwar wegen Völkermords angeklagt, aber nicht aufgrund sexueller Gewalt. Die Strafkammer 845

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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an der Strafbarkeit der Vergewaltigung nach dieser Alternative aufkommen. Allerdings ist die Rechtsfindung nicht so eindeutig. Die Kammer stellte an mehreren Stellen des Urteils sehr allgemein fest, dass Tutsi-Flüchtlinge der Kibuye Präfektur von der Hutu-Miliz vergewaltigt worden waren.850 Die Verursachung von schwerem körperlichen und seelischen Schaden (auch in Form von Vergewaltigungen) hätte den Tötungshandlungen an den vier Massakerplätzen innegewohnt.851 Dennoch wurden keine Vergewaltigungen konkret unter den Tatbestand subsumiert. Meines Erachtens ist aber aus der Verurteilung der Angeklagten wegen Verursachung schweren körperlichen und seelischen Schadens der Tutsi-Bevölkerung in Kibuye zu schließen, dass Vergewaltigungen mitverurteilt wurden, denn die Tatsachenfeststellung bezog sich ausdrücklich auch auf Vergewaltigungen.852 Auch im nächsten Fall verurteilte das Ruanda-Tribunal den erzwungenen Geschlechtsverkehr als Völkermord (Punkt 1). Alfred Musema, Direktor der Gisovu Teefabrik in der Kibuye Präfektur, hatte Nyiramusugi gemeinschaftlich mit anderen Hutu-Männern vergewaltigt. Diese hatte er durch sein Beispiel hierzu ermutigt.853 Die Strafkammer schloss sich ebenfalls hinsichtlich der Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe der Akayesu-Definition an und führte wie die Kayishema-Strafkammer explizit die Vergewaltigung und die sexuelle Gewalt als Beispiele schwerer Schadenszufügungen auf.854 Allerdings musste die Berufungskammer den Angeklagten aufgrund einer neuen Beweislage vom Vorwurf der Vergewaltigung von Nyiramusugi, welche separat als Vergewaltigung nach Art. 3 g) RStGH (Anklagepunkt 7) verfolgt wurde, freisprechen. Da aber genau diese Vergewaltigung (neben anderen Taten) der Völkermordhandlung zugrunde gelegt wurde, bedeutete dies, dass nach dem Berufungsurteil zwar die Verurteilung des Völkermords aufrechterhalten blieb, aber die darin enthaltene Vergewaltigung nicht mehr Bestandteil dieser Verurteilung wegen Völkermords gewesen sein konnte.855

äußerte dennoch in ihrer Interpretation des Völkermordtatbestands, dass Vergewaltigung und sexuelle Gewalt schweren körperlichen oder seelischen Schaden verursachen. Der Schaden müsse weder dauerhaft noch irreparabel sein. 850 Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 294, 299, 532. 851 Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 547. 852 Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 372. 853 Vgl. Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-I, 29.04.1999, Para. 4.7–4.10; Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 802–804, 823–829, 840–845, 857– 862; Verdict. 854 Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 156. 855 Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-A, 16.11.2001, Para. 178–194.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Der Angeklagte Semanza, Bürgermeister der Bicumbi Gemeinde, wurde unter anderem wegen Vergewaltigung einer Tutsi-Frau durch einen Interahamwe als Gehilfe am Völkermord (Anklagepunkt 3) verurteilt.856 Semanza hatte eine Gruppe von Hutu-Männern versammelt und aufgefordert, Tutsi-Frauen vor ihrer Ermordung zu vergewaltigen. Im Anschluss an diese Aufforderung hatte ein Zuhörer die Zeugin VV vergewaltigt.857 Semanza wurde zwar die Vergewaltigung nicht als Anstifter bzw. Befehlshaber zugerechnet, weil es an einem Nachweis seines Einflusses auf den Täter fehlte, aber sein Tatbeitrag wurde als ausreichend erachtet, die Tat gefördert zu haben.858 Die Kammer brachte hinsichtlich der Definition der zweiten Tatbestandsalternative des Völkermords keine Neuerung. Sie legte den schweren körperlichen Schaden als körperliche Gewalt inklusive sexueller Gewalt aus, die kurz unterhalb der Schwelle der Tötung liege. Seelischer Schaden sei mehr als nur eine mindere oder vorübergehende Beeinträchtigung der Geistesfähigkeiten. Beide Schadensformen müssten weder permanent noch unheilbar sein.859 Im Gacumbitsi-Fall kam es aufgrund der Anstiftung zur Vergewaltigung zu einer Verurteilung wegen Völkermords nach Art. 2 Abs. 2 b) RStGH-Statut.860 Gacumbitsi, Lehrer, Bankvorstand und Bürgermeister, hatte öffentlich zur Vergewaltigung von Tutsi-Frauen und Mädchen angestiftet und spezifiziert, dass Stöcke in ihre Genitalien im Falle des Widerstands eingeführt werden sollten. Die Vergewaltigungen der Zeugin TAQ und 7 weiterer Tutsi-Frauen sowie die Einführung eines Stockes in die Genitalien einer der Frauen durch die Miliz waren die direkte Folge der Anstiftung des Angeklagten.861 Auch diese Kammer kam zu keiner anderen Auslegung des Art. 2 Abs. 2 b). Den schweren körperlichen Schaden definierte die Kammer als jede Form körperlichen Schadens oder als eine schwere körperliche Verletzung des Opfers wie sie die Folter und sexuelle Gewalt verursache. Der Schaden müsse aber nicht unheilbar sein. Seelischer Schaden bedeute irgendeine Art der Beeinträchtigung der Geisteskräfte oder eine schwere Verletzung des Geisteszustands des Opfers.862 Die Kammer fand, dass 856 Siehe auch die Anklage: Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Annex I, Para. 3.17. 857 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 250 f., 257–262. 858 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 430, 417 f., 435–438. 859 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 320–323; siehe auch die Auslegung in: Prosecutor v. Kajelijeli, ICTR-98-44A-T, 01.12.2003, Para. 814–816. Die Staatsanwaltschaft konnte die Vergewaltigung nicht nachweisen (Para. 683, 795 f.). Ferner: Prosecutor v. Kamuhanda, ICTR-95-54A-T, 22.01.2004, Para. 633 f. Die Kammer kam nur aus Konkurrenzgründen nicht zu einer Verurteilung der Vergewaltigung nach Art. 2 Abs. b), weil sie bereits den Täter wegen der den Vergewaltigungen folgenden Tötungen nach Art. 2 Abs. 2 a) verurteilt hatte. 860 Siehe die Anklageschrift: Prosecutor v. Gacumbitsi, ICTR-2001-64-I, 20.06.2001, Para. 21; Prosecutor v. Gacumbitsi, ICTR-2001-64-T, 17.06.2004, Para. 292–295. 861 Prosecutor v. Gacumbitsi, ICTR-2001-64-T, 17.06.2004, Para. 200–227. 862 Prosecutor v. Gacumbitsi, ICTR-2001-64-T, 17.06.2004, Para. 291.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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die festgestellten Vergewaltigungen den Mitgliedern der Tutsi-Gruppe schweren körperlichen Schaden im Sinne dieser Tatalternative des Völkermords zugefügt hatten. Auch die Strafkammer im Verfahren gegen den „Conseilleur“ des Gishyita Sektors, Muhimana, kam zu einer Verurteilung nach der zweiten Alternative des Völkermordtatbestands aufgrund von mehreren Vergewaltigungen von TutsiFrauen.863 Die Kammer wiederholte die Definition der früheren Entscheidungen des RStGH hinsichtlich des schweren körperlichen und seelischen Schadens.864 Im Fall Bagosora et al. konnte nur der „Directeur de Cabinet“ des Verteidigungsministeriums Bagosora wegen Vergewaltigungen von Tutsi-Frauen durch Soldaten der ruandischen Armee und Mitgliedern der Interahamwe-Miliz als Völkermord nach Art. 2 Abs. 2 b) RStGH-Statut schuldig gesprochen werden.865 Er hatte zur Zeit der angeklagten Straftaten die de jure und de facto-Gewalt über das ruandische Militär und der Miliz Interahamwe.866 Den anderen Angeklagten Kabiligi, Ntabakuze und Nsengiyumva konnten Vergewaltigungen nicht zugerechnet werden.867 Im Prozess konnten Vergewaltigungen von Tutsi-Frauen durch Soldaten des Militärs und der Interahamwe an den Straßenblockaden in der Kigali-Gegend Anfang April 1994 sowie um das St. Josephite Centre und die Gikongo Pfarrei nachgewiesen werden. Leider wurden die Vergewaltigungen nicht näher geschildert, so dass unklar ist, um welche sexuellen Penetrationen (vaginal, anal, oral) es sich gehandelt hat.868 Die Kammer legte die Tatalternative des „schweren körperlichen und seelischen Schadens“ wie zuvor aus. Sie erwähnte 863 Prosecutor v. Muhimana, ICTR- 95-1B-T, 28.04.2005, Para. 512–513; die verurteilten Vergewaltigungen wurden im zweiten Kapitel Sektion L des Urteils ausführlich festgestellt. 864 Prosecutor v. Muhimana, ICTR- 95-1B-T, 28.04.2005, Para. 502; so interpretierte auch die Kammer im Muvunyi-Fall die zweite Alternative des Völkermords. Sie kam letztlich nicht zur Verurteilung des Völkermords aufgrund von Vergewaltigungen, weil diese nicht rechtzeitig angeklagt worden waren, Prosecutor v. Muvunyi, ICTR-200055A-T, 12.09.2006, Para. 400–409, 487. Die Berufungen beider Entscheidungen erbrachten keine Änderungen der Urteile hinsichtlich der Vergewaltigung, Prosecutor v. Muvunyi, ICTR-2000-55A-A, 01.04.2011; Prosecutor v. Muhimana, ICTR-95-1B-A, 21.05.2007, Dispositions. 865 Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2135, 2158. 866 Die Vergewaltigungen an den Straßenblockaden in Kigali konnten Bagosora nach Art. 6 Abs. 1 RStGH-Statut zugerechnet werden, weil er den Völkermord an den Straßenblockaden angeordnet hatte. Wegen der Vergewaltigungen der Soldaten und Milizen um das St. Josephite Centre und die Gikongo Pfarrei wurde er als Vorgesetzter nach Art. 6 Abs. 3 RStGH-Statut zur Verantwortung gezogen, Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2123–2126, 2158. Die Berufungskammer fand ihn hingegen allein als Vorgesetzter nach Art. 6 Abs. 3 RStGH-Statut strafbar, Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-A, 14.12.2011, Para. 720 f., 742. 867 Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 36–42; 2159–2161. 868 Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2124, 2129, 2132, 2133.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

ausdrücklich, dass auch Vergewaltigung und sexuelle Gewalt von diesem Begriff erfasst werden.869 Im Fall Renzaho kam es erneut zu einer Verurteilung wegen Völkermords als körperliche und seelische Schadenszufügung aufgrund von Vergewaltigungen seiner Untergebenen (Anklagepunkt 1).870 Es konnten zahlreiche Vergewaltigungen durch Soldaten, Milizanhänger der Interahamwe und Polizisten an Tutsi-Frauen und Mädchen in verschiedenen Häusern in Kigali-Stadt und in der Mission Sainte Famille festgestellt werden.871 Die Definition der körperlichen und seelischen Schadenszufügung stimmt mit den zuvor genannten Definitionen überein.872 Die Vergewaltigung und sexuelle Gewalt erfüllt unstreitig die Tathandlung der zweiten Völkermordvariante. Allerdings hob die Berufungskammer die Verurteilung der Vergewaltigungen wieder auf, weil die Staatsanwaltschaft den Angeklagten nicht vollständig in der Anklage über die ihm vorgeworfenen Taten und seine konkrete Verantwortung (Anstiftung anstelle von Vorgesetztenverantwortlichkeit) aufgeklärt hatte.873 Ferner wurden der Angeklagte Bizimungu874 und die beiden Angeklagten Karemera und Ngirumpatse875 wegen zahlreicher Vergewaltigungen von TutsiFrauen in ganz Ruanda nach der zweiten Völkermordalternative zur Rechenschaft gezogen. Der Tatbestand der körperlichen und seelischen Schadenszufügung wurde unverändert ausgelegt.876 869 870 871

Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2117, 2124. Prosecutor v. Renzaho, ICTR-97-31-T, 14.07.2009, Para. 812. Prosecutor v. Renzaho, ICTR-97-31-T, 14.07.2009, Para. 25–27, 681–735, 774–

779. 872 Prosecutor v. Renzaho, ICTR-97-31-T, 14.07.2009, Para. 762; vgl. auch die sehr weitgehende Verurteilung Rukundo’s wegen Völkermords, obwohl es nicht einmal zu einer Berührung der sexuellen Körperteile des Opfers kam. Der Täter lag lediglich angezogen auf dem Opfer und rieb sich an ihr bis er ejakulierte, Prosecutor v. Rukundo, ICTR-01-70-T, 27.02.2009, Para. 365–389, 591; Dissenting Opinion Judge Park, Para. 1–7. In der Berufung wurde diese Verurteilung allerdings wieder aufgehoben. Die Berufungskammer sah in dem sexuellen Verhalten des Täters eher eine Gelegenheitstat, konnte aber darin keine Völkermordabsicht erkennen: Rukundo v. Prosecutor, ICTR2001-70-A, Para. 227–238; ferner wiederholte die Kammer im Fall Gatete, dass Vergewaltigung unter die zweite Tatbestandsalternative des Völkermords fällt, Prosecutor v. Gatete, ICTR-2000-61-T, 31.03.2011, Para. 584. Es kam aber zu keiner Verurteilung, weil Gatete die Vergewaltigungen aufgrund mangelnder Beweise nicht zugerechnet werden konnten (Para. 18, 26, 32, 34, 40, 42, Urteil: Para. 668). 873 Renzaho v. Prosecutor, ICTR-97-31-A, 01.04.2011, Para. 109–129, 622. 874 Prosecutor v. Ndindiliyimana et al., ICTR-2000-56-T, 17.05.2011, Para. 68–69, 1038 ff., 2162. 875 Prosecutor v. Karemera et al., ICTR-98-44-T, 02.02.2012, Para. 1337–1373, 1606–1609, 1714. 876 Prosecutor v. Ndindiliyimana et al., ICTR-2000-56-T, 17.05.2011, Para. 1037 f.; Prosecutor v. Karemera et al., ICTR-98-44-T, 02.02.2012, Para. 1609; so auch die Auslegungen in: Prosecutor v. Nyiramasuhuko et al., ICTR-98-42-T, 24.06.2011, Para.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Es besteht insofern Einigkeit unter den Richtern aller Strafkammern, dass Vergewaltigung den objektiven Tatbestand des Art. 2 Abs. 2 b) RStGH-Statut erfüllt. (b) Art. 2 Abs. 2 c) RStGH-Statut: Vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen Keine der Strafkammern verurteilte den erzwungenen Geschlechtsverkehr unter diese Tatbestandsalternative des Völkermords. Dennoch finden sich in mehreren Entscheidungen Interpretationen dieses Tatbestands, welche auch die Vergewaltigung als Auferlegen einer Lebensbedingung ansehen, die geeignet sei, die Zerstörung der Gruppe herbeizuführen. Die Strafkammer im Akayesu-Fall hatte sich im materiell-rechtlichen Teil des Urteils zu allen Tathandlungen des Völkermords geäußert und interpretierte den Tatbestand des Art. 2 Abs. 2 c) RStGH-Statut wie folgt: The Chamber holds that this expression should be construed as the methods of destruction by which the perpetrator does not immediately kill the members of the group, but which, ultimately, seek their physical destruction. This includes, inter alia, subjecting a group of people to a subsistence diet, systematic expulsion from homes and the reduction of essential medical services below minimum requirement.877

Die Auslegung dieser Tatalternative als Methode der physischen Zerstörung eines Gruppenmitglieds, ohne es direkt zu töten, ist sehr weitreichend und könnte eigentlich jede den Körper verletzende Handlung erfassen – so auch die Vergewaltigung. Da aber die Vergewaltigung nicht ausdrücklich in die konkrete Beispielsliste solcher Methoden mit aufgenommen wurde, muss daraus geschlossen werden, dass die Kammer es nicht für notwendig hielt, die Vergewaltigung auch unter diese Variante des Völkermords zu erfassen. Sie hatte schließlich zuvor die Vergewaltigung als eine konkrete Schadensverursachung nach Art. 2 Abs. 2 b) verurteilt. Genauso wie Tötungen und andere schwere Körperverletzungen als Erfolgsdelikte nicht erneut nach dieser Tatalternative verurteilt wurden, bestand kein Bedarf die Vergewaltigung auch noch nach dem Gefährdungstatbestand zu erfassen. Die Kammer im Kayishema & Ruzindana-Fall entschied sich jedoch dafür, der Beispielsliste von Maßnahmen, die geeignet sind, einen langsamen Tod der Gruppe zu verursachen, die Vergewaltigung als eine mögliche Tathandlung hinzuzufügen.878 Insofern spricht nichts dagegen, auch die Vergewaltigung als mög5731; Prosecutor v. Nizeyimana, ICTR-2000-55c-T, 19.06.2012, Para. 1493. Beide Urteile lehnten eine Verurteilung wegen Vergewaltigungen aus Mangel an Beweisen ab. 877 Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 505, 506; gleiche Auslegung: Prosecutor v. Rutaganda, ICTR-96-3-T, 06.12.1999, Para. 52; Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 157. 878 Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 114–116.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

liche Tathandlung zu akzeptieren. Praktische Relevanz wird diese Strafbarkeit wohl wenig haben. (c) Art. 2 Abs. 2 d) RStGH-Statut: Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind Zwar kam es nach dieser vierten Tatbestandsalternative in keinem Fall zu einer Verurteilung wegen Vergewaltigung. Jedoch enthalten die Urteile entsprechende Auslegungen hierzu. Die Strafkammer im Akayesu-Fall interpretierte den Tatbestand folgendermaßen: The measures intended to prevent births within the group, should be construed as sexual mutilation, the practice of sterilization, forced birth control, separation of the sexes and prohibition of marriages. In patriarchal societies, where membership of a group is determined by the identity of the father, an example of this measure is the case where, during rape, a woman of the said group is deliberately impregnated by a man of another group, with the intent to have her give birth to a child who will consequently not belong to its mother’s group. Furthermore, measures may be physical, but can also be mental like rape, threats and trauma when the person then refuses subsequently to procreate.879

Demnach war die Kammer der Ansicht, dass der erzwungene Geschlechtsverkehr diese Tatbestandsalternative auf zwei unterschiedlichen Wegen erfüllen kann. Zum einen körperlich, indem die Frau mittels einer Vergewaltigung vorsätzlich geschwängert wird und gezwungen wird ein Kind der anderen Gruppe auszutragen. Zum anderen seelisch, wenn das vergewaltigte Opfer aufgrund des seelischen Traumas keinen Geschlechtsverkehr mit einem Mitglied der eigenen Gruppe ertragen und somit keine Kinder mehr zeugen kann. In der Musema-Entscheidung führte die Strafkammer zur Bestimmung des Tatbestands Beispiele von geburtenverhindernden Maßnahmen auf. So falle darunter die sexuelle Verstümmelung, erzwungene Sterilisation, erzwungene Geburtenkontrolle, erzwungene Trennung der Geschlechter und ein Heiratsverbot. Ferner seien nicht nur körperliche, sondern auch seelische Maßnahmen der Geburtenverhinderung in Erwägung zu ziehen.880 Die Kammer lehnte sich somit an die Rechtsprechung der Akayesu-Entscheidung an, dass aufgrund von seelischen Schadenszufügungen, eine Person unfähig sein kann, Kinder zu zeugen. Vergewaltigungen richten schwere Traumata an und führen häufig zur Verweigerung sexueller Intimität. Die Kammer des RStGH hat damit die Rechtsansicht zum 879 Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 507, 508, ebenso: Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.1999, Para. 117. 880 Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 158–159; die gleichen Beispiele zählt auch die Kammer im Rutaganda-Fall auf: Prosecutor v. Rutaganda, ICTR-96-3-T, 06.12.1999, Para. 53.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Ausdruck gebracht, dass Vergewaltigung durchaus diese Tatbestandsalternative verwirklichen kann. Nach Auffassung aller Kammern kann Vergewaltigung eine taugliche Tathandlung aller drei Tatbestandsalternativen nach Art. 2 Abs. 2 b), c) und d) RStGHStatut darstellen. Abgeurteilt wurde die Vergewaltigung jedoch stets nur nach Art. 2 Abs. 2 b) RStGH-Statut. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass die Vergewaltigung zwar nach allen drei Alternativen vom Gericht für strafbar erklärt wurde, aber dass, wenn die Alternative b) vorliegt, eine Verurteilung nach den anderen zwei Alternativen c) und d) überflüssig wird, sie somit hinter der Alternative b) zurücktreten. Die Verursachung eines schweren Schadens stellt dabei auf eine konkrete Schadenszufügung der Gruppenmitglieder ab. Demgegenüber wirken die Auferlegung von Lebensbedingungen oder Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten nicht direkt die Zerstörung der Gruppenmitglieder, sondern lassen den Schaden erst auf längere Sicht eintreten. Daher ist es gerechtfertigt, die konkrete Schadenszufügung gegenüber den Gefährdungstatbeständen als die vorrangige Tatalternative des Völkermords zu behandeln. (2) Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (a) Art. 3 f) RStGH-Statut: Folter Semanza wurde aufgrund von Vergewaltigung wegen Folter (Anklagepunkt 11) nach Art. 3 f) RStGH-Statut verurteilt.881 Die Kammer konnte feststellen, dass Semanza eine Gruppe von Hutus aufgefordert hatte, Tutsi-Frauen erst zu vergewaltigen und dann zu ermorden, woraufhin ein Hutu dieser Gruppe das Opfer A vergewaltigt hatte.882 Die Strafkammer entschied sich bei der Auslegung des Tatbestands der Folter der neueren Rechtsprechung des JStGH zu folgen.883 Die Berufungskammer im Kunarac-Urteil hatte die Involvierung einer öffentlichen Autoritätsperson in die Folter – ein Tatbestandsmerkmal, das die VN-Folterdefinition aufstellt – für das Völkerstrafrecht abgelehnt. Die VN-Folterdefinition richte sich an Staaten, von Folter abzusehen und erfordere daher aus gutem Grund die Beteiligung eines Staatsfunktionärs. Das humanitäre Völkerrecht hingegen richte sich an Individuen und benötige keine Staatsverwicklung in die Handlung, um als ein Verbre881

Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 485, 488. Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 480–481. 883 Vergewaltigung wurde im ersten Fall des Ruanda-Tribunals nicht unter dem Tatbestand der Folter angeklagt. Es findet sich jedoch in diesem Urteil eine Definition der Folter, die der VN-Folterkonvention entnommen wurde. Damit folgte das Gericht dem Vorbild der Strafkammer im Cˇelebic´i-Fall. Diese hatte sich zur Auslegung des Tatbestands an den Menschenrechtsinstrumenten zur Folter orientiert, Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 593–595. 882

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

chen gegen die Menschlichkeit verfolgt werden zu können. Auch die Berufungskammer bestätigte diese Ansicht.884 Die Semanza-Strafkammer bestimmte daher, dass Folter die Zufügung von schwerwiegenden physischen oder seelischen Schmerzen oder Leiden aufgrund eines verbotenen Zwecks sei. Ein solcher Zweck könne der Erhalt von Informationen oder eines Geständnisses, die Bestrafung, die Einschüchterung, der Zwang oder die Diskriminierung des Opfers oder einer dritten Person sein. Es sei allerdings nicht erforderlich, dass das Verhalten nur von einem der verbotenen Zwecke motiviert werde.885 Die Kammer subsumierte die Tathandlung des Haupttäters unter das Tatbestandselement des schweren seelischen Leidens. Der Täter habe durch die Art und Weise der Tatausführung sowie durch die extreme Angst, welche durch die Umstände der Vergewaltigung hervorgerufen wurde, dem Opfer A ein schweres seelisches Leid zugefügt. Eine weitergehende Rechtsfindung, ob der Haupttäter dem Opfer auch schwere körperliche Leiden zugefügt hatte, lehnte die Kammer als überflüssig ab. Die Kammer ging davon aus, dass die Vergewaltigung aufgrund einer Diskriminierungsabsicht gegenüber Tutsi-Frauen begangen wurde, welche ein verbotener Folterzweck darstelle.886 Der Angeklagte hatte eine Menschenmenge ermutigt, Frauen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu vergewaltigen. Damit habe er die Menschenansammlung vorsätzlich angestiftet, den Opfern schwere körperliche und seelische Leiden aus Diskriminierungsgründen zuzufügen. Entscheidend ist, dass die Strafkammer die Vergewaltigung als eine Foltermethode klar anerkannt hat. Die neuere, weitere Definition der Folter wird vermutlich dazu führen, dass noch mehr Fälle der Vergewaltigung als Folter verfolgt werden können als zuvor, weil sie nicht mehr den Beweis einer Involvierung einer Autoritätsperson in die Folterhandlung verlangt. (b) Art. 3 g) RStGH-Statut: Vergewaltigung Im Akayesu-Fall wurde der Angeklagte für Vergewaltigungen als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß Art. 3 g) RStGH-Statut (Anklagepunkt 13) verurteilt.887 Er hatte zwar nicht selbst die Vergewaltigungen an Tutsi-Flüchtlingen begangen, ihm wurden aber als Bürgermeister die von der Interahamwe begangenen Sexualtaten als Teilnehmer zugerechnet. Er hatte durch seine Worte mehrfache Vergewaltigungen von insgesamt 11 Frauen und Mädchen im und um das Gemeindehaus befohlen, angestiftet oder gefördert. Ferner hatte er Beihilfe zu teilweise mehrfachen Vergewaltigungen von insgesamt 21 Frauen geleistet, indem er die Taten in und um das Gemeindehaus hatte geschehen lassen. Dabei 884 885 886 887

Semanza v. Prosecutor, ICTR-97-20-A, 20.05.2005, Para. 280–290. Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 342 f. Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 482–484. Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 696.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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war er entweder anwesend oder er hatte durch Worte zu anderen Sexualtaten ermutigt und damit ein klares Signal der offiziellen Toleranz von sexueller Gewalt an die Miliz gesendet.888 Der Angeklagte Musema wurde nach Art. 3 g) (Anklagepunkt 7) verurteilt, weil er zusammen mit anderen das Opfer Nyiramusugi mehrfach vergewaltigt und durch sein Beispiel andere zu ihrer Vergewaltigung ermutigt hatte.889 Die Berufungskammer hob allerdings die Verurteilung wieder auf, weil die neue Beweislage einen Schuldspruch nicht mehr rechtfertigte.890 Im Gacumbitsi-Fall wurde der Angeklagte wegen der Anstiftung zur Vergewaltigung von insgesamt acht Tutsi-Frauen nach Art. 3 g) (Anklagepunkt 5) verurteilt.891 Die Kammer subsumierte die Handlungen der Haupttäter unter den Tatbestand der Vergewaltigung. Die Zeugin TAQ und sieben weitere Frauen seien vergewaltigt worden, indem die Täter entweder ihr Geschlechtsteil oder einen Stock in die Vagina des jeweiligen Opfers eingeführt hatten.892 Das fehlende Einverständnis der Opfer erkannte die Strafkammer daran, dass der Angeklagte den Befehl gegeben hatte, bei Widerstand die Opfer auf grausamste Weise zu töten sowie daran, dass die Opfer von den Angreifern vergewaltigt worden waren, vor denen sie auf der Flucht waren.893 Diese Vergewaltigungen seien deshalb auf die Anstiftung des Angeklagten zurückzuführen, weil sie direkt im Anschluss an die Aufforderung des Bürgermeisters Gacumbitsi durch junge Männer, die ihm zugehört hatten, ausgeführt worden waren.894 Das nächste Urteil, das eine Verurteilung wegen Vergewaltigung herbeiführte, richtet sich gegen den Angeklagten Semanza. Er wurde der Anstiftung zur Vergewaltigung (Anklagepunkt 10) schuldig gesprochen.895 Semanza hatte eine 888 Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Tatsachenfeststellung, Para. 449–460; Rechtsfindung, Para. 692–696. 889 Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 823–829, 857–862, Verdict. Die Kammer bestätigte zwar, dass der Angeklagte die Vergewaltigung und Verstümmelung von A.M. befohlen hatte, ohne dass es zur Ausführung der Tat gekommen war, hielt ihn aber nicht wegen versuchter Anstiftung zur Vergewaltigung für strafbar wie die Strafzumessung zu erkennen gibt. So auch das Verständnis der Berufungskammer: Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-A, 16.11.2001, Para. 167 ff. Die anderen angeklagten Vergewaltigungen konnten dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden, siehe: Para. 802–804, 823–829, 840–845. 890 Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-A, 16.11.2001, Para. 178–194. 891 Prosecutor v. Gacumbitsi, ICTR-2001-64-T, 17.06.2004, Para. 330–333. 892 Prosecutor v. Gacumbitsi, ICTR-2001-64-T, 17.06.2004, Para. 321. 893 Prosecutor v. Gacumbitsi, ICTR-2001-64-T, 17.06.2004, Para. 325. 894 Prosecutor v. Gacumbitsi, ICTR-2001-64-T, 17.06.2004, Para. 326 ff. Allerdings fand die Kammer keinen Beweis, dass die Vergewaltigungen der TAS, TAO’s Frau und TAP’s Mutter auf einer Anstiftung des Angeklagten beruhten, weshalb sie ihn diesbezüglich nicht zur Verantwortung zog. 895 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 479.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Menschenansammlung vor Gemeindeautoritätspersonen ermutigt, Tutsi-Frauen vor ihrer Ermordung zu vergewaltigen. Direkt danach war A von einem der Zuhörer vergewaltigt worden. Die Strafkammer fand den Haupttäter der Vergewaltigung schuldig, welche kausal auf die Anstiftung des Angeklagten zurückzuführen sei, weil der Angeklagte aufgrund seiner Position als Bürgermeister erheblichen Einfluss auf die Masse gehabt hatte. Die Vergewaltigung geschah direkt nach seiner Aufforderung. Ferner hatte der Haupttäter ausgesagt, dass er die Erlaubnis zur Vergewaltigung erhalten hätte.896 Im Fall gegen den Angeklagten Muhimana wurde dieser wegen zahlreicher Vergewaltigungen und Beihilfe zu Vergewaltigungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.897 Die Strafkammer stellte hier sorgfältig die Anzahl der Vergewaltigungen eines jeden Opfers fest. Aus Platzgründen kann hier nicht jede Vergewaltigung oder Beihilfe zur Vergewaltigung dargestellt werden, sondern es muss auf die Ausführungen im Urteil verwiesen werden.898 Jedoch wird der erzwungene Geschlechtsverkehr nur als Vergewaltigung bezeichnet, wobei nicht ganz klar wird, ob es sich um einen vaginalen, analen oder oralen Geschlechtsverkehr handelte. Allein wenn Objekte in die Vagina des Opfers eingeführt wurden, wurde dies von der Kammer spezifiziert. Hervorzuheben ist noch, dass die Strafkammer das Aufschneiden einer Frau mit einer Machete von den Brüsten bis zur Vagina899, was die Staatsanwaltschaft als Vergewaltigung angeklagt hatte, nicht als Vergewaltigung, sondern allein als Mord bewertete.900 Dieser Auslegung ist zuzustimmen. Auch wenn die Handlung aufgrund der Verletzung der Brüste und Vagina eine sexuelle Komponente enthielt, handelte es sich nicht um eine sexuelle Penetration der Vagina, was Kernvoraussetzung der Vergewaltigung ist. Eine solche Ausweitung des Vergewaltigungstatbestands würde nicht dem Rechtsschutz vor dem Eindringen in die intimste Sphäre des Menschen gerecht werden und damit dem Verbrechen seine spezifische Schwere nehmen. Im Muvunyi-Fall konnte die Kammer den Angeklagten letztlich nicht wegen Vergewaltigungen zur Verantwortung ziehen, weil die konkreten Täter nicht unter 896

Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 475–478. Prosecutor v. Muhimana, ICTR- 95-1B-T, 28.04.2005, Para. 584–586, 618. Die Berufungskammer kam zum Ergebnis, dass Muhimana die Vergewaltigungen an den beiden Frauen Languida Kamukina und Goretti Mukashyaka nicht eindeutig nachgewiesen werden konnten. Die Berufungskammer hob aber nicht das Urteil wegen Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf, weil unter diesem Anklagepunkt noch viele weitere Vergewaltigungen erfasst wurden. Der Freispruch hinsichtlich der zwei Vergewaltigungen wirkte sich auch nicht auf die Strafzumessung aus. Prosecutor v. Muhimana, ICTR-95-1B-A, 21.05.2007, Para. 46–53 und Diposition. 898 Prosecutor v. Muhimana, ICTR-95-1B-T, 28.04.2005, Para. 552–557 sowie Chapter II, Section D, J, L, M, N des Urteils. 899 Prosecutor v. Muhimana, ICTR-95-1B-T, 28.04.2005, Chapter II, Section N. 900 Prosecutor v. Muhimana, ICTR-95-1B-T, 28.04.2005, Para. 555–557. 897

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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seinem Kommando gestanden hatten.901 Dennoch zeigt das Urteil ganz deutlich, dass die Kammer eine sexuelle Penetration der Vagina des Opfers unter Umständen, unter denen das Opfer nicht sein Einverständnis gegeben haben konnte, als strafbare Vergewaltigung einstufte.902 Bagorosa wurde wegen der bereits als Völkermord verurteilten Vergewaltigungen um die Kigali-Straßenblockaden, um das St. Josephite Centre und die Gikongo Pfarrei auch nach dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Vorgesetzter zur Rechenschaft gezogen. Die anderen Angeklagten wurden von dem Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen, weil ihnen die Sexualtaten der Soldaten und der Interahamwe-Mitglieder nicht zweifelsfrei zugerechnet werden konnten.903 Ferner wurde Renzaho wegen zahlreicher Vergewaltigungen von Tutsi-Frauen und Mädchen durch Soldaten, Interahamwe und Polizisten in Kigali-Stadt zwischen April und Juli 1994 als verantwortlicher Präfekt verurteilt (Anklagepunkt 4). Die Vergewaltigungen wurden nicht näher geschildert, so dass auch hier aus dem zugrunde gelegten Sachverhalt nicht hervorgeht, um welche Penetration es sich handelt.904 Letztlich wurde die Verurteilung von der Berufungskammer aber wieder aufgehoben, weil der Angeklagte aufgrund der fehlenden Information über die Zurechnung der Vergewaltigungen in seiner Verteidigung benachteiligt war.905 Es kam zu einer weiteren Verurteilung wegen Vergewaltigung eines Mädchens als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen den Angeklagten Hategekimana. Die Tat wurde ihm als Kommandant für Soldaten seiner Truppe gemäß Art. 6 Abs. 3 RStGH-Statut zugerechnet.906 Ebenso wurde der Generalmajor Bizimungu wegen zahlreicher Vergewaltigungen von Tutsi-Frauen und Mädchen durch seine Soldaten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Auch hier fehlte es an einer genauen Tatumschreibung. Es wurde nur geschildert, dass das jeweilige Opfer „vergewaltigt“ wurde, ohne die Art der Penetration zu spezifizieren.907 901

Prosecutor v. Muvunyi, ICTR-2000-55A-T, 12.09.2006, Para. 525–526. Prosecutor v. Muvunyi, ICTR-2000-55A-T, 12.09.2006, Para. 524; keine Änderung durch das Berufungsurteil: Muvunyi v. Prosecutor, ICTR-2000-55A-A, 01.04. 2011; ebenso: Prosecutor v. Bizimungu et al., ICTR-99-50-T, 30.09.2011, Para. 515– 517, 1891, 1953, 1988. 903 Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2198–2206. 904 Prosecutor v. Renzaho, ICTR-97-31-T, 14.07.2009, Para. 25–27, 681–735, 790– 794, 812. 905 Renzaho v. Prosecutor, ICTR-97-31-A, 01.04.2011, Para. 109–129, 622. 906 Prosecutor v. Hategekimana, ICTR-2000-55B-T, 06.12.2010, Para. 30, 722–730; Hategekimana v. Prosecutor, ICTR-2000-55B-A, 08.05.2012, Para. 158–204. 907 Prosecutor v. Ndindiliyimana et al., ICTR-2000-56-T, 17.05.2011, Para. 68–69, 1038 ff., 1893–1898, 2120–2127, 2162. 902

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Ebenso wurden die Familienministerin Nyiramasuhuko nach Art. 6 Abs. 3 und der Hotelmanager Ntahobali gemäß Art. 6 Abs. 1 RStGH-Statut wegen Vergewaltigungen von Tutsis als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.908 Die Minister Karemera und Ngirumpatse wurden sowohl nach Art. 6 Abs. 1 als auch nach Abs. 3 RStGH-Statut wegen Vergewaltigungen von Tutsi-Frauen und Mädchen in weitem Ausmaß in ganz Ruanda durch Soldaten und Mitglieder der Interahamwe als Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen.909 Wieder fehlte es an einer genauen Schilderung der Vergewaltigungshandlung. Insgesamt betrachtet, begründen die zahlreichen Verurteilungen wegen Vergewaltigung nach Art. 3 g) RStGH-Statut die Strafbarkeit der Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit besonders deutlich. (c) Art. 3 h) RStGH-Statut: Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen Semanza wurde zwar unter anderem wegen der Anstiftung zu Vergewaltigungen nach Art. 3 h) RStGH-Statut angeklagt910, letztlich konnte ihm aber die Verfolgung nicht nachgewiesen werden.911 Hervorzuheben ist jedoch die Auslegung dieses Tatbestands. Dem Beispiel des JStGH folgend sowie in Anlehnung an das IStGH-Statut und die Rechtsprechung anderer RStGH-Kammern kam diese Strafkammer zum Ergebnis, dass eine Verfolgung die Verletzung fundamentaler Menschenrechte aus Diskriminierungsgründen voraussetze.912 Verfolgungshandlungen müssten im Zusammenhang, d. h. in den zusammenkommenden Auswirkungen für das Opfer betrachtet werden. In Frage kämen andere Einzeltaten der Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen, solange sie aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, mit der Absicht begangen wurden, das Opfer zu diskriminieren.913 Da die Vergewaltigung eine Einzeltat der Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt, ist der erzwungene Geschlechtsverkehr konsequenterweise auch nach dieser Einzeltat strafbar. Auch im Fall Bagosora wurde allein der Angeklagte Bagosora aufgrund der bereits oben erwähnten Vergewaltigungen wegen Verfolgung verurteilt. Den an-

908

Prosecutor v. Nyiramasuhuko et al., ICTR-98-42-T, 24.06.2011, Para. 6077–6094,

6186. 909 Prosecutor v. Karemera et al., ICTR-98-44-T, 02.02.2012, Para. 1337–1373, 1673–1677, 1714. 910 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Annex I, Para. 3.17. 911 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 467–472. 912 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 347–348. 913 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 349 f.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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deren Angeklagten konnten die Vergewaltigungen nicht zugerechnet werden.914 Die Strafkammer schloss sich bzgl. der Auslegung des Verfolgungsbegriffs den Ausführungen anderer Kammern des JStGH und des RStGH an: „the crime of persecution consists of an act or omission which discriminates in fact and which denies or infringes upon a fundamental right laid down in international customary or treaty law (the actus reus); and was carried out deliberately with the intention to discriminate on one of the listed grounds, specifically race, religion or politics (the mens rea).“ 915

Die Kammer hob hervor, dass die Vergewaltigung eine taugliche Tathandlung der Verfolgung darstelle.916 (3) Vergewaltigung als Verstoß gegen die Kriegsgesetze und -gebräuche Im Unterschied zu Art. 3 JStGH, welcher erst einer Auslegung bedurfte, ob unter ihm die Verstöße gegen die Vorschriften der Genfer Abkommen fallen, erstreckte Art. 4 RStGH-Statut die Strafverfolgungsbefugnis ausdrücklich auf die Verbrechensliste des gemeinsamen Art. 3 Genfer Abkommen und des Art. 4 Abs. 2 Zusatzprotokoll II.917 (a) Art. 4 a) RStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen und Art. 4 Abs. 2 a) Zusatzprotokoll II Angriffe auf das Leben, die Gesundheit oder das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, insbesondere vorsätzliche Tötung sowie grausame Behandlung wie Folter, Verstümmelung und jede Art der körperlichen Züchtigung.

Die meisten Kammern des RStGH konnten keinen Zusammenhang zwischen einer begangenen Straftat und einem bewaffneten Konflikt nachweisen, weshalb lediglich eine Berufungskammer zu einer Verurteilung von Kriegsverbrechen aufgrund eines erzwungenen Geschlechtsverkehrs kam.918 Allerdings finden sich in einigen Urteilen Auslegungen des Art. 4 RStGH-Statut, welche zeigen, dass die Kammern dennoch von einer Strafbarkeit der Vergewaltigung in Form eines Bürgerkriegsverbrechens ausgingen. So definierte die Kammer im Musema-Verfahren den Tatbestand der Folter wie folgt: 914

Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2207–2216. Vgl. Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2208 m.w. N. 916 Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2209. 917 Vgl. unter anderem: Prosecutor v. Kayishema, ICTR-95-1-T, 21.05.99, Para. 184; Prosecutor v. Kamuhanda, ICTR-95-54A-T, 22.01.2004, Para. 736. 918 Vgl. Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 638–644; Prosecutor v. Kayishema ICTR-95-1-T, 21.05.99, Para. 623; Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 969–975; Prosecutor v. Kamuhanda, ICTR-95-54A-T, 22.01.2004, Para. 743–746. 915

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Intentionally inflicting severe pain or suffering, whether physical or mental, on a person for such purposes as obtaining from him or a third person information or a confession, or punishing him for an act he or a third person has committed, or intimidating or coercing him or a third person or for any reason based on discrimination of any kind, when such pain or suffering is inflicted by or at the instigation of, or with the consent or acquiescence of a public official or other person acting in an official capacity. It does not include pain or suffering only arising form, inherent in or incidental to, lawful sanctions.919

Damit übernahmen die Richter des Musema-Prozesses die Folterdefinition der Cˇelebic´i-Kammer, die davon ausgegangen war, dass Vergewaltigung Folter darstellen kann, wenn die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der Folter (Autoritätsperson und der verbotenen Zweck) gegeben sind.920 Jede Vergewaltigung verursacht zwangsläufig schwere körperliche sowie seelische Schmerzen und stellt wahrscheinlich – wie es bereits die Akayesu-Strafkammer vorgebracht hatte – durch die Kumulation der körperlichen und seelischen Leiden eine der schlimmsten Formen der Leidenszufügungen dar. Die Anwendung der gleichen Folterdefinition bringt daher zum Ausdruck, dass die Strafkammer die Vergewaltigung auch nach Art. 4 a) RStGH-Statut für strafbar hielt. Ebenso bestimmte die Strafkammer im Semanza-Prozess die gleichen Tatbestandsmerkmale der Folter gemäß Art. 4 a) RStGH-Statut, die sie für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert hatte. Im Unterschied zur Musema-Entscheidung hatte sie allerdings die weiterentwickelte Definition der Folter ohne die Beteiligung einer Autoritätsperson ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Jedenfalls erfüllt die Vergewaltigung die Tathandlung der Folter sowohl nach der neuen als auch nach der alten Definition der Folter. Da aber dieselbe Vergewaltigung der Zeugin A bereits als Folter nach Art. 3 f) erfasst wurde, erreichte die Kammer kein Mehrheitsvotum für eine tateinheitliche Verurteilung der Folter nach beiden Rahmenverbrechen.921 Die Berufungskammer korrigierte jedoch diese Entscheidung, indem sie eine Idealkonkurrenz zwischen der Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Folter als Kriegsverbrechen bejahte und die Freiheitsstrafe um 10 Jahre erhöhte.922 Somit brachte der RStGH in zweiter Instanz doch noch eine Verurteilung wegen Vergewaltigung als Kriegsverbrechen über den Foltertatbestand des Art. 4 a) RStGH-Statut hervor.

919

Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 285. Vgl. auch: Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 687: Die Kammer hatte dieselbe Folterdefinition für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit übernommen. 921 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 541–548; siehe auch die Anklageschrift Anklagepunkt 13. 922 Semanza v. Prosecutor, ICTR-97-20-A, 20.05.2005, Para. 400. 920

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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(b) Art. 4 e) RStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen und Art. 4 Abs. 2 e) Zusatzprotokoll II Beeinträchtigung der persönlichen Würde; insbesondere entwürdigende und erniedrigende Behandlung, Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und unzüchtige Handlung jeder Art.

Da Art. 4 e) RStGH-Statut ausdrücklich die Vergewaltigung aufzählt, bestanden für das Tribunal keine Zweifel, dass die Vergewaltigung nach dem Tatbestand der Beeinträchtigung der persönlichen Würde strafbar ist. Interessant ist die Ausführung der Musema-Strafkammer, die alle Beeinträchtigungen der persönlichen Würde als geringere Formen der Folter interpretierte, insbesondere, weil sie keinen verbotenen Zweck oder die Involvierung einer Autoritätsperson voraussetze.923 Damit sah die Kammer Art. 4 a) Folter als den spezielleren Tatbestand zu den aufgezählten Beeinträchtigungen der persönlichen Würde nach Art. 4 e) an. Da sie aber die Spezialität nicht nur auf die zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Folter zurückführte („insbesondere“), muss daraus geschlossen werden, dass sie die Tathandlung der Folter als schwerwiegender empfand als die der Beeinträchtigung der persönlichen Würde. Letztlich wirft diese Interpretation aber dann wieder die vom JStGH geklärte Frage auf, ob die Vergewaltigung per se als Folterhandlung genügt oder, ob im Einzelfall bestimmt werden muss, ob die Art und Weise der Vergewaltigung besonders grausam war, um als Folterhandlung bewertet werden zu können. Insoweit muss die Auslegung der Musema-Kammer hinsichtlich des Wortes „insbesondere“ als unglücklich bewertet werden. Ferner wurden Bagosora924, Renzaho925 und Bizimungu926 aufgrund der nachgewiesenen Vergewaltigungen durch Soldaten, Polizisten und ihnen unterstehende Milizanhänger wegen Beeinträchtigung der persönlichen Würde nach Art. 4 e) RStGH-Statut (Vorgesetztenverantwortlichkeit) verurteilt. Renzaho wurde allerdings in der Berufung von den Vorwürfen der Vergewaltigung wieder freigesprochen, weil die Staatsanwaltschaft die Zurechnung der Taten nicht korrekt angeklagt hatte.927

923

Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 285. Prosecutor v. Bagosora, ICTR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2249–2257. 925 Prosecutor v. Renzaho, ICTR-97-31-T, 14.07.2009, Para. 25–27, 681–735, 808– 811, 812. 926 Prosecutor v. Ndindiliyimana et al., ICTR-2000-56-T, 17.05.2011, Para. 68–69, 1038 ff., 1907–1908, 2157–2162. 927 Renzaho v. Prosecutor, ICTR-97-31-A, 01.04.2011, Para. 109–129, 622. 924

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Nyiramasuhuko und Ntahobali wurden für dieselben Vergewaltigungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch gemäß Art. 4 e) RStGH-Statut als Beeinträchtigung der persönlichen Würde schuldig gesprochen.928 (4) Ergebnis Das Ruanda-Tribunal verurteilte den erzwungenen Geschlechtsverkehr nach Art. 2 RStGH-Statut in neun Fällen als schwere körperliche oder seelische Schadensverursachung929, nach Art. 3 RStGH-Statut in einem Fall als Folter930, in zehn Fällen als Vergewaltigung931, in einem Fall als Verfolgung932 sowie nach Art. 4 RStGH-Statut in einem Fall als Folter933 und in drei Fällen als Beeinträchtigung der persönlichen Würde (Vergewaltigung)934. Die Strafbarkeit der Vergewaltigung wurde somit nach diesen Einzeltaten unbestreitbar vom Tribunal begründet. Die materiell-rechtlichen Auslegungen der anderen Einzeltaten erweitern das von der Rechtsprechung gezeichnete Bild der Strafbarkeit. Selbst wenn es nach diesen Einzeltaten zu keiner Verurteilung kam, ergeben die Ausführungen des Gerichts, dass es nicht gezögert hätte, den erzwungenen Geschlechtsverkehr unter Art. 2 Abs. 2 c) (Vorsätzliche Auferlegung von zerstörerischen Lebensbedingungen) und Art. 2 Abs. 2 d) (Verhängung von geburtenverhindernden Maßnahmen) zu verurteilen. Die große Errungenschaft des RStGH ist mithin die Begründung der Strafbarkeit der Vergewaltigung als Völkermord. Es erklärte die Vergewaltigung zur tauglichen Tathandlung nach drei Alternativen des Völkermords. Zu kritisieren ist, dass das Tribunal zur Umschreibung des tatsächlichen Geschehens den juristischen Begriff „Vergewaltigung“ (anstelle des neutralen Wortes „erzwungenen Geschlechtsverkehrs“) gebrauchte, ohne darzulegen, welche Formen des erzwungenen Geschlechtsverkehrs (vaginal, oral, anal) es seinen Ausführungen zugrunde gelegt hatte. Dass nicht unbedingt der orale Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung verstanden werden muss, hatte die anfängliche Rechtsprechung des JStGH gezeigt, welche den Oralverkehr unter den Auffangtatbestand der grausamen Behandlung bzw. unmenschlichen Handlungen 928

Prosecutor v. Nyiramasuhuko et al., ICTR-98-42-T, 24.06.2011, Para. 6177–6185,

6186. 929 Akayesu; Kayishema & Ruzindana; Musema; Semanza; Gacumbitsi; Muhimana; Bagosora; Bizimungu (Ndindiliyimana); Karemera. 930 Semanza. 931 Akayesu; Musema; Semanza; Gacumbitsi; Muhimana; Bagosora; Hategekimana; Nyiramasuhuko; Bizimungu (Ndindiliyimana); Karemera. 932 Bagosora. 933 Semanza. 934 Bagosora; Bizimungu (Ndindiliyimana); Nyiramasuhuko.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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verurteilt hatte. Weder die ersten drei Definitionen der Vergewaltigung, noch die Rechtsfindung lassen erkennen, welche Handlung sich hinter dem Wort Vergewaltigung verbirgt. Die Kammern haben – wie sich im folgenden Abschnitt noch zeigen wird – zumindest anfänglich eine äußerst weite, lediglich auf die Penetration abstellende Definition der Vergewaltigung angewandt. Zusätzlich wurde nicht sauber geprüft, ob die festgestellte Tathandlung des erzwungenen Geschlechtsverkehrs unter den Tatbestand der Vergewaltigung fällt, sondern die Handlung wurde schlicht als Vergewaltigung bezeichnet und dann unter die jeweilige Einzeltat (wie z. B. schwere Schadensverursachung gemäß Art. 2 Abs. 2 b) RStGH-Statut) sowie unter die entsprechende Beteiligungsform (z. B. Anstiftung) subsumiert.935 Die Strafkammern haben keinen einzigen Oralverkehr gesondert unter den Auffangtatbestand der unmenschlichen Handlungen eingeordnet.936 Die anfänglich sehr weite Definition der Vergewaltigung erfasste auch den Oralverkehr, weil auch dieser eine Penetration in den Körper des Opfers bewirkt. Daher ist davon auszugehen, dass das Tribunal mit dem Wort „Vergewaltigung“ alle Formen des erzwungenen oralen, vaginalen und analen Geschlechtsverkehrs meinte. Dies wird von den späteren Entscheidungen bestätigt, die dazu übergingen, die präzisere Kunarac-Definition anzuwenden, welche auch die Fellatio als strafbare Vergewaltigung bezeichnete. Ein weiterer Kritikpunkt, der schon in Bezug auf die Rechtsprechung des JStGH geltend gemacht wurde, ist, dass die Strafkammern des RStGH meist mehrere Vergewaltigungen an verschiedenen Opfern durch mehrere Täter gebündelt unter einem Anklagepunkt verurteilten.937 Diese Vorgehensweise wurde mit Sicherheit aus prozessökonomischen Gründen gewählt. Die Verurteilung mehrfacher Vergewaltigungen an mehreren Opfern als eine Tat spiegelt jedoch nicht den Unrechtsgehalt des tatsächlichen Tatgeschehens wieder. Denn im Urteil erscheint eine Verurteilung wegen Vergewaltigung, sowohl für den Täter, der mehrere Frauen mehrfach vergewaltigt hat als auch für den Täter, der eine Frau einmal vergewaltigt hat. Das Problem des Zusammenfallens mehrerer Straftaten sollte daher erst auf der „Konkurrenzebene“ und nicht bereits bei der Schuldzurechnung geregelt werden. Selbst wenn das Völkerstrafrecht keine saubere Trennung zwischen der „Schuld- und Konkurrenzebene“ vollzieht wie z. B. das deutsche 935 Keine Subsumierung des Verhaltens unter den Tatbestand der Vergewaltigung: Akayesu und Musema; Gegenbeispiel: Gacumbitsi. 936 Sexuelle Gewalt und Verstümmelungen an Toten wurden unter dem Auffangtatbestand der unmenschlichen Handlungen verfolgt. 937 Siehe beispielsweise: Akayesu: 32 Vergewaltigungsopfer wurden unter einem Anklagepunkt 13 zusammengefasst, wobei unklar ist, wie viele Vergewaltigungen jede Frau zu erdulden hatte; Gacumbitsi: acht Vergewaltigungsopfer wurden unter einem Anklagepunkt 5 zusammengefasst, wobei unklar ist, ob mehrfache Vergewaltigungen eines Opfers stattfanden.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Strafrecht, wäre doch die Mindestanforderung an eine rechtsstaatliche Verurteilung, die Anzahl der Vergewaltigungen unter dem einen Anklagepunkt klar herauszuarbeiten. Zu bedauern ist ferner, dass die Vergewaltigung teilweise als Folter und teilweise nur als Vergewaltigung bewertet wurde, obwohl die zusätzlichen Voraussetzungen der Folter vorgelegen hätten.938 Diese widersprüchliche Verurteilungspraxis führt zu einer Unsicherheit im Verständnis des Foltertatbestands. Stellt nun jede Vergewaltigung eine Foltermethode dar oder ist in jedem Fall gesondert zu prüfen, ob die Vergewaltigung als Folter ausreicht? Sollte die zweite Variante der Intention des Gerichts entsprechen, stellt sich die Frage, was eine Vergewaltigung so schwerwiegend macht, dass sie als Folter eingestuft werden kann. Die Verurteilungen des Tribunals geben dazu keine Hinweise. Die Vergewaltigungen z. B. im Semanza-Verfahren, welche als Folter bewertet wurden, weisen keine gravierenderen Auswirkungen auf das Opfer oder Tatbegehungsumstände auf als die Vergewaltigung im Akayesu- und Gacumbitsi-Fall, welche nicht als Folter verurteilt wurden. Das Problem liegt im Prozessrecht. Das Gericht ist an die Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft gebunden, durfte den angeklagten Sachverhalt also nicht anders bewerten als die Staatsanwaltschaft ihn angeklagt hatte. Die Nichtverurteilung der Vergewaltigung als Folter in einigen Fällen ist somit auf das Anklageermessen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen. Es kann festgehalten werden, dass jede Vergewaltigung als Foltermethode ausreicht, wenn die anderen Voraussetzungen der Folter vorliegen. Die Strafkammern des RStGH kommen zu folgendem Ergebnis: Erzwungener vaginaler, oraler und analer Geschlechtsverkehr sowie das Einführen von Objekten in die Vagina und den Anus sind strafbar als: – Völkermord gemäß – Art. 2 Abs. 2 b) RStGH-Statut: Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe; – Art. 2 Abs. 2 c) RStGH-Statut: Vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; – Art. 2 Abs. 2 d) RStGH-Statut: Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind. 938 Siehe Akayesu: Vergewaltigungen wurden nur als Vergewaltigung nach Art. 3 g) und Völkermord nach Art. 2 Abs. 2 b), aber nicht nach Art. 3 f) Folter verurteilt, obwohl die Vergewaltigungen aus Diskriminierungsgründen allein gegen Tutsi-Frauen und unter seiner Autorität als Bürgermeister begangen worden waren. Ferner Gacumbitsi: Er wurde ebenfalls als Bürgermeister aufgrund der Anstiftung zu Vergewaltigungen von Tutsi-Frauen wegen Völkermords und Vergewaltigung verurteilt, aber nicht wegen Folter. Gegenbeispiel: Semanza wurde als Bürgermeister wegen derselben Vergewaltigung nach dem Völkermord-, Vergewaltigungs- und dem Foltertatbestand verurteilt.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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– Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß – Art. 3 f) RStGH-Statut: Folter; – Art. 3 g) RStGH-Statut: Vergewaltigung; – Art. 3 h) RStGH-Statut: Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen. – Verstoß gegen die Gesetze und Gebräuche des Kriegs gemäß – Art. 4 a) RStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 a) Genfer Abkommen und Art. 4 Abs. 2 a) Zusatzprotokoll II: Folter; – Art. 4 e) RStGH-Statut i.V. m. Art. 3 Abs. 1 c) Genfer Abkommen und Art. 4 Abs. 2 e) Zusatzprotokoll II: Beeinträchtigung der persönlichen Würde. d) Zwischenergebnis Nach der Analyse der wichtigsten völkerstrafrechtlichen Instrumente kann festgehalten werden, dass in allen das Kriegsvölkerrecht, aber auch den Völkermord und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit betreffenden Normen, das Verbot der Vergewaltigung enthalten ist. Die älteren Dokumente wie z. B. die HLKO bedürfen zwar meist erst einer Interpretation, ob sie die Vergewaltigung überhaupt erfassen, doch lässt sich die oft vage Ausdrucksweise auf ein Tabu in der Gesellschaft zum Entstehungszeitpunkt zurückführen, welches es unmöglich machte, Sexualverbrechen beim Namen zu nennen. Das dem Tabu folgende Missverständnis, die Vergewaltigung sei lediglich Geschlechtsverkehr ohne das Einverständnis der Frau, führte zu einer Sprache, die auf die Ehre der Familie bzw. der Frau abstellte. Die gegenüber der Frau verübte Gewalt und deren Zwangssituation, sowie die körperlichen und seelischen Schmerzen, die das Opfer bei der Tathandlung und auch im Nachhinein zu erdulden hat, blieben unberücksichtigt. Daher wurde die Vergewaltigung nicht der Rubrik der Gewaltverbrechen zugeteilt und auch nicht als eigenständiges Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung behandelt. Die später entstandenen Instrumente gingen dazu über, die Vergewaltigung ausdrücklich zu verbieten, während die jüngsten Instrumente sogar eine eigenständige Verbrechensgruppe konstruierten, die sexuelle Handlungen in unterschiedliche Straftaten wie Vergewaltigung, erzwungene Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, sexuelle Sklaverei und sexuelle Gewalt zu zerlegen, um somit den genauen Unrechtsgehalt der Tathandlung zu reflektieren. Allerdings weist nicht jedes untersuchte Instrument die Merkmale einer Strafbarkeit auf. Eine Strafbarkeit der Vergewaltigung konnte in folgenden Instrumenten festgestellt werden: – Als Völkermord – Art. 2 b), c) und d) Völkermordkonvention; – Art. 4 Abs. 1 b), c) und d) JStGH-Statut;

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

– Art. 2 Abs. 2 b), c) und d) RStGH-Statut; – Art. 6 b), c), und d) IStGH-Statut. – Als Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Art. 6 c) IMG-Statut; – Art. 2 c) KRG 10; – Art. 5 c) IMGFO-Statut; – Art. 5 g) JStGH-Statut; – Art. 3 g) RStGH-Statut; – Art. 7 g) IStGH-Statut; – Art. 2 g) SGSL-Statut. – Als Kriegsverbrechen – Art. 147 1. und 2. Alternative des IV. Genfer Abkommens [sowie die Parallelvorschriften in den anderen drei Konventionen mit dem entsprechenden Opferkreis: Art. 50 (I.), 51 (II.), 130 (III.)]; – Art. 11 Abs. 1 i.V. m. Abs. 4 Genfer Zusatzprotokoll I; – Art. 6 b) IMG-Statut; – Art. 2 b) KRG 10; – Art. 5 b) IMGFO-Statut; – Art. 2 b) und c) JStGH-Statut; – Art. 3 JStGH-Statut i.V. m. Art. 11 Abs. 4 Zusatzprotokoll I; – Art. 4 a), e), und h) RStGH-Statut; – Art. 8 Abs. 2 a) ii), iii); Abs. 2 b) xxii); Abs. 2 e) vi) IStGH-Statut; – Art. 3 a), e) und h) SGSL-Statut. Die Rechtsprechung hat folgendes Bild der Strafbarkeit gezeichnet: – Völkermord – Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern der Gruppe; – Vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; – Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind. – Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Vergewaltigung; – Folter;

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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– Versklavung; – Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen; – Andere unmenschliche Handlungen. – Kriegsverbrechen – Folter; – unmenschliche Behandlung bzw. grausame Behandlung; – Vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit; – Beeinträchtigung der persönlichen Würde; – Vergewaltigung (eigenständig); – Erzwungene Prostitution; – Misshandlung. 2. Die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Strafbarkeit der Vergewaltigung Im zweiten Abschnitt wurde bei der Rechtsfindungsmethode grundsätzlich zwischen dem Nachweis des Inhalts und der Geltung der völkergewohnheitsrechtlichen Norm unterschieden. Dementsprechend wurden den im Völkerstrafrecht zur Verfügung stehenden Instrumenten unterschiedlicher Nutzen bei dem Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm zugeschrieben. Danach kam allen untersuchten Instrumenten die Funktion zu, den Inhalt einer Norm festzustellen und beiliegend auch ein Indiz für die Existenz der Norm zu liefern. Nur einige Instrumente hingegen besaßen die Fähigkeit, zusätzlich eine Staatenpraxis und/oder eine „opinio juris“ zu verkörpern. Diese Zweiteilung ist hier beim konkreten Nachweis einer völkerstrafrechtlichen Norm im Auge zu behalten. Es konnte aus der Auswertung von völkerrechtlichen Verträgen, Resolutionen des Weltsicherheitsrates, Militärhandbüchern (implizit), nationalen Strafgesetzen (implizit), Meinungen der bedeutendsten Völkerrechtswissenschaftler sowie Urteilen internationaler Gerichte das Verbot der Vergewaltigung als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord ermittelt werden. Wie im Zwischenergebnis festgehalten, verbinden einige dieser Instrumente auch eine Strafbarkeit mit dem Verbot der Vergewaltigung. Der eigentliche Regelungsinhalt einer Norm ergibt sich aus einem bestimmten Verhaltensverbot (bzw. -gebot), nicht aus der mit dem Verbot verbundenen Strafbarkeit. Daraus folgt, dass für den Nachweis des Inhalts der Norm sowohl die Instrumente relevant sind, die nur ein Verbot als auch diejenigen, die sowohl ein Verbot als auch eine Strafbarkeit der Vergewaltigung nach einem Rahmenverbrechen festlegen. Da in einem völkerrechtlichen Instrument zuerst allein eine Verbotsnorm aufgenommen wur-

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

de, die dann über die Zeit nachträglich mit einer Strafbarkeit nach Völkerrecht versehen wurde, beruht der Regelungsgehalt der Strafnorm meist auf dem älteren, völkerrechtlich noch straflosen Verhaltensverbot. Regelungen neuerer Instrumente, die von vornherein als Strafnormen konzipiert wurden, haben zu einer Präzision des Normeninhalts geführt, indem sie eine dezidierte Formulierung einer Verhaltensregelung gewählt haben, um dem im Strafrecht zu respektierenden Bestimmtheitsgrundsatz Genüge zu tun. Sie haben aber meist keine grundsätzliche Änderung des Normeninhalts bewirkt. Der erste Teil der Untersuchung widmete sich der Darstellung des Verbots und der Strafbarkeit der Vergewaltigung, womit jedes Instrument hinsichtlich seines Regelungsgehalts begutachtet und interpretiert wurde. Solange es also um die Feststellung des Normeninhalts geht, kann auf die Auslegung aller obigen Instrumente im ersten Teil verwiesen werden. Eine ganz herausragende Rolle hinsichtlich der Feststellung des Normeninhalts, muss der internationalen Rechtsprechung beigemessen werden. Sie hat durch die Auslegung der einzelnen Straftatbestände und deren konkrete Anwendung auf den Einzelfall besonders zur Klärung beigetragen, nach welchen Einzeltaten der Rahmenverbrechen die Vergewaltigung rechtswidrig ist. So stellt die Vergewaltigung Völkermord dar, wenn sie einen schweren körperlichen oder seelischen Schaden verursacht hat, oder der Gruppe als Lebensbedingung auferlegt wurde, um diese zu zerstören bzw., wenn sie geeignet war, die Geburten innerhalb der Gruppe zu verhindern. Als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist die Vergewaltigung entweder ausdrücklich genannt oder in den Einzeltaten der Folter, (sexuelle) Versklavung, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen enthalten. Als Kriegsverbrechen wird die Vergewaltigung mit den Begriffen Folter, unmenschliche bzw. grausame Behandlung, vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit, Beeinträchtigung der persönlichen Würde, Vergewaltigung, erzwungene Prostitution oder Misshandlung erfasst. Hinsichtlich des Nachweises der Geltung einer völkerstrafrechtlichen Norm kann allerdings nur auf die Instrumente zurückgegriffen werden, die eine Strafbarkeit bestimmen. Vorab ist festzustellen, dass die Fülle der Instrumente, welche die Vergewaltigung nach allen drei Rahmenverbrechen für rechtswidrig erklären, genügt, um zum Ergebnis zu gelangen, dass dieses Verbot der Vergewaltigung eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung in der Weltgemeinschaft gefunden hat. Es sind weder Instrumente zu finden, welche die Vergewaltigung als rechtmäßige (Kriegs-)Handlung betrachten, noch hat ein für das humanitäre Völkerrecht sowie zum Schutz der Menschheit relevantes Instrument kein Verbot der Vergewaltigung aufgelistet. Jedoch weist nicht jedes die Vergewaltigung für rechtswidrig erklärende Instrument eine Strafbarkeit auf, welches gerade das entscheidende Kriterium einer völkerstrafrechtlichen Norm darstellt. Ein Nachweis eines völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Verbotes begründet eben keine

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Grundlage für eine Strafverfolgung. Die zentrale Frage lautet also an dieser Stelle: Reichen diejenigen Instrumente, die eine Strafbarkeit der Vergewaltigung begründen, aus, um von einem völkergewohnheitsrechtlichen Verbrechen der Vergewaltigung sprechen zu können? Zur Beantwortung dieser Frage sind die Instrumente, die eine Strafbarkeit begründen, nach den im zweiten Abschnitt behandelten Voraussetzungen der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht (allgemeine, dauerhafte und einheitliche Staatenpraxis und die Anerkennung der Übung als Recht) zu bewerten. a) Völkermord Die vorangegangene Recherche hat ergeben, dass nach der hier vorgenommenen Auslegung die Völkermordkonvention, das JStGH-Statut, das RStGH-Statut, das IStGH-Statut sowie die Rechtsprechung der beiden Ad-hoc-Tribunale für die Vergewaltigung als Völkermord eine Strafbarkeit begründen. Die Völkermordkonvention ist ein multilateraler, völkerrechtlicher Vertrag. Grundsätzlich kann ein völkerrechtlicher Vertrag auch eine völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung zum Ausdruck bringen. Da aber bis zur Verabschiedung der Völkermordkonvention dieser Tatbestand unbekannt war, konnte der Neuschaffung im Vertrag unmöglich eine Rechtsüberzeugung der Staatsdelegierten entsprechen, dieses Verbrechen habe bereits zuvor gewohnheitsrechtlich eine Strafbarkeit nach sich gezogen. Somit beinhaltet die Völkermordkonvention keine völkergewohnheitsrechtliche „opinio juris“. Die Statuten für die beiden Ad-hoc-Tribunale beruhen auf Resolutionen des Sicherheitsrates. Diese verbindlichen Beschlüsse haben die Fähigkeit, eine völkergewohnheitsrechtliche „opinio juris“ der beteiligten Staaten zum Ausdruck zu bringen, dass sie die im Statut enthaltenen Vorschriften als bestehendes Völkergewohnheitsrecht anerkennen. Da bei der Annahme der Resolution Einigkeit herrschte, dass dem Sicherheitsrat keine Gesetzgebungskompetenz zustand und er lediglich bestehendes materielles Völkergewohnheitsrecht in das Statut aufnehmen konnte, wird in den die sachliche Zuständigkeit eröffnenden Vorschriften konkludent zum Ausdruck gebracht, dass die darin genannten materiell-rechtlichen Straftatbestände bereits nach Völkergewohnheitsrecht strafbare Handlungen sind.939 Dass dem tatsächlich so war, wurde bereits im ersten Teil dieses Abschnitts nachgewiesen. Die Mitgliedstaaten waren folglich bei Aufnahme des Völkermordtatbestands in die beiden Gerichtstatuten der Auffassung, der Völkermord sei bereits nach Völkergewohnheitsrecht strafbar; nur deshalb wurde dem 939 Vgl. Bericht des Generalsekretärs vom 03.5.1993, UN-DOC. S/25704, Para. 29 ff. Der Generalsekretär betont, dass die Genfer Abkommen von 1949, die HLKO von 1907, die Völkermordkonvention und das IMG-Statut unstreitiges Völkergewohnheitsrecht darstellen. Siehe auch: Fn. 447.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Tribunal die Zuständigkeit zugesprochen, diesen Tatbestand strafrechtlich zu verfolgen. Da die Sicherheitsratsresolution zum JStGH-Statut einvernehmlich angenommen wurde, haben alle 15 Mitgliedstaaten die völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung bekundet, dass sie den Völkermord für ein völkerrechtliches Verbrechen halten. Der Resolution zum RStGH-Statut haben allein China und Ruanda nicht zugestimmt, womit die entsprechende völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung zum zweiten Mal von 13 Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates bestätigt wurde. Zwar wurde vor der Errichtung der Ad-hoc-Tribunale die Vergewaltigung nie als Tathandlung des Völkermords erörtert, woraus sich Zweifel ergeben könnten, ob die in den Resolutionen deklarierte Rechtsüberzeugung der Mitgliedstaaten auch die Vergewaltigung als Völkermord beinhaltete. Dagegen lässt sich vorbringen, dass der Text des Völkermordtatbestands seit seiner Niederschrift in der Völkerkonvention von 1948 bis heute nie geändert wurde. Bereits seit 1948 konnte die Vergewaltigung unter die Tatvarianten des Völkermords subsumiert werden. Dass dies bis Beginn der 1990iger Jahre nicht geschehen war, lag lediglich an der generell zurückhaltenden Praxis Völkermord zu verfolgen, sowie an der Tabuisierung sexueller Gewalt in Kriegs- wie auch in Friedenszeiten in der gesamten Weltgemeinschaft. Wie oben unter der Auslegung der Tatalternativen des Völkermords dargestellt, waren diese bewusst weit gefasst worden, um somit auch in der Zukunft alle erdenklichen Grausamkeiten, welche entweder zu einer physischen oder biologischen Zerstörung einer Population führen, erfassen zu können. Es war den Mitgliedstaaten daher bewusst, dass die Tathandlungen schwerste Misshandlungen, Tötungen und lebensbedrohende sowie geburtenverhindernde Maßnahmen erfassten. Es war zum Verständnis dieser Essenz des Völkermordtatbestands nicht erforderlich, konkrete Handlungen zu erfassen, die diese Merkmale erfüllen. Eine Unkenntnis der Staaten zu Beginn der 1990iger Jahre darüber, dass auch die Vergewaltigung die Tatalternativen des Völkermords erfüllen kann, ist daher zu verneinen. Das IStGH-Statut wurde durch einen völkerrechtlichen Vertrag ins Leben gerufen. Auch dieser kann neben dem vertraglichen Rechtsbindungswillen eine völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung der Vertragsparteien beinhalten. Zwar hatten die Vertragsparteien die Kompetenz, neues Recht zu schaffen, weil das Gericht nicht Verbrechen zu verfolgen hat, die vor dem Inkrafttreten des Statuts begangen wurden, wie dies für die Ad-hoc-Tribunale der Fall war. Da aber bereits der Sicherheitsrat den Völkermordtatbestand der Völkermordkonvention von 1948 als bestehendes Gewohnheitsrecht in die beiden Statuten der Ad-hocTribunale integriert hatte und die Vertragsparteien die unveränderte Formulierung des Art. 2 Völkermordkonvention in das IStGH-Statut übernommen hatten, verkörpert der Tatbestand des Art. 6 IStGH-Statut zweifellos bestehendes Völkergewohnheitsrecht. Die Verhandlungen hinsichtlich dieses Tatbestands hatten im Vergleich zu Anderen kaum Zeit in Anspruch genommen, weil die Vertrags-

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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staaten schnell eingesehen hatten, dass es einfacher war, die Zustimmung der Staaten zur Aufnahme des bekannten Völkermordtatbestands des Art. 2 Völkermordkonvention zu erhalten als einen neuen Tatbestand für diesen Gerichtshof zu entwerfen. Somit beinhaltete das IStGH-Statut neben dem vertraglichen Rechtsbindungswillen die völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung von 121 Vertragsstaaten940, dass der Tatbestand des Völkermords und die darin enthaltene Einzeltat der Vergewaltigung941 anerkanntes Gewohnheitsrecht darstellen. Weitere relevante Instrumente für den Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm sind nationale Strafgesetze, die den Völkermord unter Strafe stellen. Zu denken ist an erster Stelle an die staatlichen Strafgesetze, die den Art. 2 der Völkermordkonvention integriert haben, um dadurch die Implementierung der Völkermordkonvention zu bewirken, d. h. die Strafverfolgung des Völkermords durch den Täter- und Tatortstaat sicherzustellen. Gerade in den „Civil Law“-Strafrechtssystemen kommt der Gesetzlichkeitsgrundsatz zur Anwendung, der ein staatliches, geschriebenes Strafgesetz fordert, um ein Verbrechen rechtsstaatlich verfolgen zu können. Insofern mussten viele Staaten ihre Strafgesetzbücher anpassen, wenn sie nicht bereits über einen Tatbestand des Völkermords verfügten.942 Im deutschen Recht war vom Gesetzgeber diesbezüglich der § 220a StGB a. F. eingeführt worden. Selbst wenn nicht alle 142 Vertragsstaaten einen Völkermordtatbestand in ihre Strafgesetze aufgenommen haben, haben nachweislich – ohne im Detail alle staatlichen Strafgesetze überprüfen zu müssen – weit über zehn Staaten sich für diese Implementierung des Tatbestands in staatliches Recht entschlossen.943 Da nationale Gesetze sowohl Staatenpraxis als auch eine Rechts940 Bereits mit der Unterzeichnung eines multilateralen Abkommens legen die Vertragsparteien den Vertragstext verbindlich fest. Allerdings wird der Vertrag beim zusammengesetzten Verfahren, welches meist auf die multilateralen Abkommen Anwendung findet, erst durch die Ratifikation, d. h. die förmliche Erklärung des Staates, durch den Vertrag rechtlich gebunden zu sein, rechtsverbindlich. Eine verbindliche völkergewohnheitsrechtliche Rechtsauffassung der Staaten kann nur mit der Ratifikation des Staates geäußert werden. Es wird daher auf die Staatenanzahl abgestellt, die den Vertrag ratifiziert und nicht nur unterschrieben hat. Vgl. dazu: Ipsen, Völkerrecht, § 10, Rn. 9–18. 941 Vor 1998 wurde die Vergewaltigung mehrfach in der Rechtsprechung der Ad-hocTribunale als Völkermord qualifiziert, ohne dass es zu einem Widerspruch in der Staatengemeinschaft gekommen wäre. Ferner indiziert die ausdrückliche Erwähnung der Vergewaltigung als seelische Schadensverursachung in der EOC-Fußnote 3 zu Art. 6 b) IStGH-Statut, dass sich die Staatenmitglieder des Vertrags von Rom im Klaren darüber waren, dass Vergewaltigung als Völkermordhandlung in Betracht kommt. 942 Siehe die Beispiele der Umsetzung in einzelnen Staaten bei: Robinson, Genocide Convention, S.74, 78 f.; Selbmann, Der Tatbestand des Genozids, S. 56. 943 Insgesamt haben 142 Staaten die Völkermordkonvention ratifiziert. Hier einige weitere Beispiele der Umsetzungen des Völkermordtatbestands in staatliche Gesetze: § 321 österreichisches StGB, §169 schwedisches StGB, Art. 264 schweizerisches StGB, Art. 211-1 französisches StGB, Art. 607 spanisches StGB, Art. 1–9 italienisches Ergänzungsgesetz Nr. 962 v. 9.10.1967, Art. 239 portugiesisches StGB, Art. 118 polnisches StGB, Art. 416 bulgarisches StGB, Art. 136 kroatisches StGB, Art. 442 ukrainisches StGB, ICC Bill Großbritannien v. 25.08.2000, § 1091 ff. Chapter 50A of US Code,

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

überzeugung verkörpern, weisen die zahlreichen staatlichen Strafvorschriften zum Völkermord beide Elemente des Entstehungstatbestands des Völkergewohnheitsrechts nach. Nach der Unterzeichnung/Ratifikation des IStGH-Statuts wurde der Völkermordtatbestand vielfach in nationales Strafrecht übernommen. Im Falle Deutschlands wurde erstmalig ein Völkerstrafgesetzbuch erlassen, um somit alle völkerrechtlichen Verbrechen unter den Schutz des staatlichen Strafrechts zu stellen. Da das Völkerstrafgesetzbuch in § 6 den Völkermordtatbestand aufnahm, wurde der frühere § 220a StGB hinfällig und aus dem StGB gestrichen. Bis heute haben 121 Staaten das Statut ratifiziert und in der Mehrzahl der Staaten ist der Gesetzlichkeitsgrundsatz Bestandteil ihrer Rechtsordnungen. Die Anzahl der Staaten, die über einen Völkermordtatbestand in ihrem staatlichen Strafrecht verfügen, ist somit überragend.944 Ferner sind die beiden Ad-hoc-Tribunale in mehreren Fällen von einer Strafbarkeit der Vergewaltigung als Völkermord ausgegangen, indem sie entweder materiell-rechtlich die Vergewaltigung nach dem Tatbestand des Völkermords für strafbar gehalten oder einen Angeklagten nach diesem Tatbestand wegen nachgewiesener Vergewaltigung verurteilt haben. Jedoch kann die internationale Rechtsprechung nicht als Nachweis einer Staatenpraxis oder staatlichen Rechtsüberzeugung, sondern nur als Rechtserkenntnisquelle herangezogen werden. Daher besitzt die Rechtsprechung der beiden Ad-hoc-Tribunale nicht die Fähigkeit, die Geltung einer Norm zu begründen. Die Strafbarkeitserklärung der Vergewaltigung nach dem Völkermordtatbestand durch die internationale Rechtsprechung ist aber ein Indiz dafür, dass die Norm bereits völkergewohnheitsrechtlich anerkannt war, weil sich das Gericht nur auf bestehendes Gewohnheitsrecht berufen wollte. Die ausgeübte Staatenpraxis und die geäußerten Rechtsauffassungen müssen den Kriterien der Allgemeinheit, Dauer und Einheitlichkeit genügen. Mit der ersten Implementierung des Völkermordtatbestands in nationales Strafrecht nach 1948, über den Erlass der JStGH und RStGH-Statute 1993/94, bis hin zum Vertragsschluss 1998 und der Transformation des IStGH-Statuts in staatliches StrafArt. 4 Abs. 1 a) und Art. 6 Abs. 1 a) Crimes against Humanity and War Crimes Act Canada; Art. 149 mexikanisches StGB, Art. 361 kubanisches StGB, Art. 311 panamasches StGB. Der Stand der nationalen Umsetzung des Völkermordtatbestands ist einsehbar auf: www.preventgenocide.org; www.icrc.org/ihl-nat. 944 Schedule 8 Art. 6 ICC Act 2001 Great Britain; Art. 4 Abs. 1 a) und Art. 6 Abs. 1 a) Crimes against Humanity and War Crimes Act Canada; § 2 Section 3 International Crimes Act Netherlands; Art. 268.3 ICC Act 2002 Australia; Schedule 1 Part 1 Implementation of ICC-Statute of the ICC Act 2002 South Africa. Vgl. zum Stand der Ratifikation und Implementierung des IStGH-Statut, Kreß/Lattanzi, The Rome Statute, Vol. I (Belgien, Kanada, Frankreich, Italien, Norwegen, Spanien, Schweiz). Ferner zum Ratifikationsstand: www.icc-cpi.int; zur Implementierung: www.icrc.org.

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recht, welche bis heute andauert, kann auf über 55 Jahre hinweg wiederholt bekundete Rechtsüberzeugungen und Staatenpraxis verwiesen werden. Zusammenbetrachtet lässt dies keinen Zweifel an dem Aspekt der Dauer einer Übung aufkommen. Auch wenn man die erste Implementierungsphase nach 1948 und dann die Zweite nach 1998 als eine für lange Zeit unterbrochene Staatenpraxis bewertet, gleicht die immer wieder geäußerte Rechtsüberzeugung die zwischenzeitlich ausgebliebene Übung aus. Beteiligt an der Ratifikation der Völkermordkonvention (142) und des IStGH-Statuts (121) waren mehr als 2/3 aller Staaten dieser Erde. Bei einer Beteiligung von mehr als 10 Staaten wird grundsätzlich von einer allgemeinen Übung ausgegangen. Die hohe Zahl der an der Ratifikation beteiligten Staaten lässt mit Sicherheit darauf schließen, dass sich weit mehr als 10 Staaten an der Umsetzung des Tatbestands in nationales Strafrecht beteiligt haben. Die staatliche Übung kann daher auch zum Völkermordtatbestand als allgemein bezeichnet werden. Ferner haben sich keine Regierungen gegen eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung des Völkermordtatbestands ausgesprochen. Dies weist auf eine einheitliche Übung hin. Diese widerspruchslose Rechtsüberzeugung fast der gesamten Staatengemeinschaft sowie die Handlungen der Legislative fast aller kontinentaleuropäischen und vieler anderer Staaten wird nicht dadurch aufgehoben, dass der Völkermord durch nationale Gerichte oft nicht verfolgt wurde – ein Manko einer völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung. Denn diese Nichtverfolgung des Völkermords durch staatliche Gerichte beruhte hauptsächlich auf dem Umstand, dass die meisten Staaten gar keinen Anlass hatten, den Völkermord vor ihren nationalen Gerichten zu verurteilen. Die Nazi-Verbrechen konnten in den nationalen Nachfolgeprozessen nicht nach diesem Tatbestand bestraft werden, weil es die Straftat vor der Tatbegehung nicht gegeben hatte (Rückwirkungsverbot). Andere Völkermordhandlungen konnten von Staaten nicht verurteilt werden, weil die Taten nicht auf ihrem Staatsgebiet bzw. nicht von ihren Staatsangehörigen begangen worden waren oder aber, weil sich die Täter nicht auf ihrem Territorium aufhielten. Erstmals 1993 standen zumindest die europäischen Staaten vor dem Problem, den Völkermord in Ex-Jugoslawien verfolgen zu können, woraufhin auch einige Strafverfahren eingeleitet und meist an das JStGH übergeben wurden.945 In den letzten 12 Jahren haben die wichtigsten Rechtsstaaten dieser Welt ohne Unterbrechung im Interesse der Staatengemeinschaft eine Strafbarkeit der Vergewaltigung nach dem Völkermordtatbestand erklärt. Sie sind dabei nicht auf Widerspruch anderer Staaten gestoßen. Zudem wurde der Völkermordtatbestand in

945 Gegen den ersten Angeklagten vor dem JStGH Tadic ´ war zuerst ein Strafverfahren in Deutschland eingeleitet worden. Aufgrund der Anfrage des JStGH auf Auslieferung, war das Strafverfahren schließlich vor dem JStGH und nicht vor einem deutschen Gericht durchgeführt worden.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

überwältigendem Umfang legislativ in nationales Recht umgesetzt. Daher ist die Staatenpraxis im Zusammenhang mit der Rechtsüberzeugung der Mehrheit aller Staaten als verbreitet, dauerhaft und einheitlich zu bewerten. Der Tatbestand des Völkermords, wie ihn Art. 2 Völkermordkonvention formuliert, stellt somit Völkergewohnheitsrecht dar. Da die Vergewaltigung zweifellos den objektiven Tatbestand des Völkermords erfüllt, ist auch die Einzeltat der Vergewaltigung zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt. b) Verbrechen gegen die Menschlichkeit Eine Strafbarkeit der Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit konnte in den Instrumenten des IMG-Statuts, KRG 10, IMGFO-Statuts, JStGHStatuts, RStGH-Statuts, IStGH-Statuts und des SGSL-Statuts sowie der Rechtsprechung der beiden Ad-hoc-Tribunale verifiziert werden. Das Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde im IMG-Statut 1945 nicht nur zum ersten Mal formuliert, sondern gleichzeitig unter Strafe gestellt. Art. 6 c) stellte von Beginn an eine reine Strafnorm dar. Das IMG-Statut basierte auf einem völkerrechtlichen Vertrag zwischen den vier Siegermächten, dem weitere 19 Staaten hinzutraten. Theoretisch könnte sich in diesem multilateralen Vertrag auch eine völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung zur Anerkennung des Verbrechens gegen die Menschlichkeit manifestiert haben. Problematisch ist allerdings hier, dass es ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Art. 6 c) IMG-Statut nicht gegeben hatte. Die Kommission, die das Statut ausgearbeitet hatte, war sich darüber im Klaren, dass sie um die Nazi-Verbrechen an der eigenen, meist jüdischen Bevölkerung verfolgen zu können, einen neuen Tatbestand schaffen musste, weil die bisher bekannten Kriegsverbrechen nur Verbrechen an der feindlichen Bevölkerung unter Strafe stellten. Der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde deshalb auch nicht auf Gewohnheitsrecht wie die Kriegsverbrechen, sondern auf die Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze nach Art. 38 c) IGH-Statut gestützt, um somit dem Vorwurf der Verletzung des Rückwirkungsverbots entgegen treten zu können. Es existierte folglich unstreitig keine völkergewohnheitsrechtliche Norm der Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem IMG-Statut. Wenn eine völkergewohnheitsrechtliche „opinio juris“ aber bedingt, dass die Staaten bei Bekundung der Rechtsüberzeugung davon ausgehen, der geäußerte Normeninhalt sei anerkanntes Gewohnheitsrecht, setzt dies eine der Rechtsäußerung vorausgegangene Normentstehung in Form einer staatlichen Praxis voraus. Da aber keine vor dem Vertrag getätigte Staatenpraxis existierte, kann auch keine Rechtsüberzeugung bekundet worden sein, dass ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit allgemeinverbindlich strafbar war. Demzufolge kann das IMG-Statut nicht als Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen „opinio juris“ der 23 Vertragsstaaten angeführt werden. Vielmehr stellt Art. 6 c) IMG-Statut den Ausgangspunkt einer Normentstehung dar.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Kurze Zeit später wurde der fast identische Tatbestand des IMG-Statuts in das Kontrollratsgesetz Nr. 10 übertragen. Art. 2 c) führte die Vergewaltigung ausdrücklich als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf. Es handelt sich bei dem KRG 10 um reines Besatzungsrecht und nicht um Völkervertragsrecht. Nach der Kapitulation und Besatzung des deutschen Reichs durch die vier Siegermächte hatten diese die Ausübung aller Staatsgewalten übernommen, somit auch die der Gesetzgebung. Die Verabschiedung des KRG 10 war demnach eine legislative Handlung der Besatzungsmächte und muss wie ein staatliches Gesetz als Ausdruck einer Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung behandelt werden. Es bestehen daher keine Bedenken, Art. 2 c) KRG 10 als Nachweis einer Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung der vier Besatzungsmächte dahingehend zu verwenden, dass die Vergewaltigung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt. Da hier die Besatzungsmächte der Forderung in der Moskauer Erklärung und des Londoner Abkommens nach einer Strafverfolgung der auf dem Territorium der Besatzungsmächte begangenen Nazi-Verbrechen nachkamen, regelt das Gesetz nicht nur eine staatsinterne Angelegenheit, sondern weist durchaus einen völkerstrafrechtlichen Bezug auf. Formell konnte nur Besatzungsrecht, also staatliches Recht angewandt werden. Materiell basierte die Vorschrift aber auf dem IMG-Statut und der Rechtsanschauung vieler Staaten, die sich für eine strafrechtliche Verantwortung deutscher Soldaten und Zivilisten für die im Krieg begangenen Verbrechen engagierten. Das IMGFO-Statut kopierte die Tatbestände des IMG-Statuts fast wörtlich. Art. 5 c) enthielt die Strafverfolgungsbefugnis für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und in der Einzeltat der unmenschlichen Handlung auch implizit für die Vergewaltigung. Allerdings beruhte dieses Statut nicht auf einem völkerrechtlichen Vertrag wie das IMG-Statut, sondern auf einer Proklamation des Oberbefehlshabers der Alliierten Streitkräfte General MacArthur. Die Proklamation stellte lediglich eine einseitige Äußerung eines militärischen Befehlshabers dar. Selbst wenn der Oberbefehlshaber im Einverständnis der alliierten Streitkräfte gehandelt hatte, kann diese einseitige Erklärung weder als eine tatsächliche Praxis der alliierten Verteidigungsministerien interpretiert, noch kann sie den alliierten Staaten als eine offizielle Äußerung zugerechnet werden. Als ein militärischer Befehlshaber eines Landes stand ihm keine Kompetenz zu, für andere Staaten verbindliche Erklärungen abzugeben, geschweige denn für ihre Staatsgewalten stellvertretend zu handeln. Die alliierten Staaten hatten zwar ihre Absicht in der Potsdamer und Moskauer Erklärung bekundet, neben den deutschen auch die japanischen Kriegsverbrecher zu verfolgen. Jedoch hatte für die Strafverfolgung der deutschen Verbrecher auch nicht diese Absichtsbekundung allein genügt, sondern es war notwendig, eine vertragliche zwischen den beteiligten Staaten verbindliche Rechtsgrundlage zur Strafverfolgung zu schaffen. Es kann daher nicht sein, dass eine juristisch unbefriedigende Rechtsgrundlage nun eine völkergewohnheitsrechtliche Rechtsanerkennung bekunden soll. Folglich eignet sich

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

das IMGFO-Statut nicht als Nachweis der Entstehungselemente des Völkergewohnheitsrechts, sondern nur als ein Indiz für die Existenz der aufgenommenen Straftatbestände im Völkerrecht. Die Indizwirkung ergibt sich daraus, dass die materiellen Vorschriften des IMGFO-Statuts den Tatbeständen des IMG-Statuts entsprachen, womit die Absicht MacArthur’s klar erkennbar war, nur bestehendes Völkerstrafrecht anwenden zu wollen. Als nächstes wurde die Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Art. 5 g) JStGH-Statut und ein Jahr später in Art. 3 g) RStGH-Statut aufgenommen. Wie bereits oben erwähnt, sollte die Strafverfolgungsbefugnis allein für Verbrechen, die zweifellos Völkergewohnheitsrecht verkörpern, erteilt werden. Seit dem IMG-Statut hatten sich eine beträchtliche Staatenpraxis und die entsprechende „opinio juris“ herausgebildet (KRG 10, Gerichtsentscheidungen der Besatzungsgerichte946, folgende staatliche Gerichtsentscheidungen wie z. B. Eichmann, Barbie etc., Völkermord- und Apartheidskonvention mit den staatlichen Umsetzungsgesetzen als speziellere Tatbestände der Verbrechen gegen die Menschlichkeit).947 Diese zahlreichen Instrumente stimmen in ihren Aussagen zur Strafbarkeit der Verbrechen gegen die Menschlichkeit überein und wurden über einen langen Zeitraum, ohne auf Widerspruch zu stoßen, wiederholt ausgeführt. Es lässt sich also eine dauerhafte, allgemeine und einheitliche Staatenpraxis sowie Rechtsüberzeugung hinsichtlich des Verbrechens gegen die Menschlichkeit nachweisen. Zur Zeit der ersten Sicherheitsresolution 1993 waren keine Zweifel mehr an einer völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung dieses Rahmenverbrechens angebracht. Mit der Aufnahme des Tatbestands der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in die beiden Statuten, hatten die den Resolutionen zustimmenden Staaten (15 Staaten zum JStGH-Statut; 13 Staaten zum RStGHStatut) konkludent ihre Rechtsüberzeugung kundgetan, dass sie die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und, darin nun ausdrücklich erwähnt die Vergewaltigung, als bestehendes Recht anerkannten. Auch in Art. 7 g) IStGH-Statut wurde der Tatbestand der Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgenommen. Da bereits mit den Statuten der Ad-hoc-Tribunale eine völkergewohnheitsrechtliche Normentstehung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit bejaht wurde, muss dies auch für den später entwickelten Tatbestand des Art. 7 g) gelten. Insgesamt hatte sich das Statut auf die Aufnahme der Kernverbrechen, die bereits in früheren Gerichtsstatuten 946 Siehe dazu z. B.: Heinze/Schilling, Die Rechtsprechung der Nürnberger Militärtribunale. 947 Es sei darauf hingewiesen, dass sich die Gerichtsentscheidungen der Besatzungsgerichte und nationalen Gerichte auf die Verurteilung anderer Einzeltaten als der Vergewaltigung innerhalb des Verbrechens gegen die Menschlichkeit bezogen und diese Instrumente nur für den Nachweis einer Strafbarkeit des Rahmenverbrechens, aber nicht für den Nachweis einer Strafbarkeit der Vergewaltigung dienen können. Daher wurden sie nicht in der hiesigen Untersuchung berücksichtigt.

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bzw. Entwürfen der Völkerrechtskommission enthalten waren, beschränkt. Diese Vorgehensweise lässt auf die Intention der Vertragsstaaten schließen, dass der völkerrechtliche Vertrag zumindest materiell-rechtlich Völkergewohnheitsrecht wiedergeben sollte, um so die größtmögliche Zustimmung der Staatengemeinschaft zu erhalten. Zwar haben die Vertragsparteien einige Änderung und Präzisierungen an der Formulierung des Rahmentatbestands vorgenommen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Einzeltat der Vergewaltigung explizit im Rahmentatbestand aufgeführt ist und dies dem aktuellen Stand des Völkergewohnheitsrechts entsprach. Damit spiegelt die sachliche Strafverfolgungsbefugnis für die Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zugleich die Rechtsüberzeugung der Vertragsstaaten wider, dass dieses Verbrechen völkergewohnheitsrechtlich strafbar war. Art. 7 g) erbringt somit den Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen „opinio juris“ aller 121 Vertragsstaaten. Aufgrund der völkerrechtlichen Ratifikation des IStGH wurde der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit ebenso wie der Völkermordtatbestand in zahlreichen Ländern in nationales Recht transformiert, um so der Vertragsverpflichtung nachzukommen, die Strafverfolgung dieses Verbrechens in den Vertragsstaaten zu ermöglichen.948 Der Erlass eines neuen staatlichen Gesetzes verkörpert die Staatenpraxis der Legislative sowie eine entsprechende Rechtsüberzeugung, dass der in das staatliche Gesetz aufgenommene Tatbestand ein anerkanntes völkerrechtliches Verbrechen ist. Dem Gerichtshof für Sierra Leone wurde die sachliche Zuständigkeit zur Strafverfolgung für Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Art. 2 g) SGSL-Statut erteilt. Bei diesem Statut handelt es sich um einen bilateralen Vertrag zwischen der Regierung von Sierra Leone und den Vereinten Nationen. Grundsätzlich ist ein bilateraler Vertrag nicht in der Lage, eine universelle völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung zu vermitteln, weil ein solcher Vertrag allein eine Rechtsbindung zwischen zwei Staaten bewirken will. Eine zur Vertragsbindung parallele gewohnheitsrechtliche Anerkennung würde sich demnach auch nur auf die Bindung der beteiligten Staaten bzw. der betroffenen Region beschränken. Bei dem hiesigen Vertrag handelte es sich allerdings um einen Vertrag zwischen einem Staat und den Vereinten Nationen, welche eine Organisation ist, der fast alle Nationen der gesamten Welt angehören. Wenn sich die Vereinten Nationen, als Vertreter der Völkergemeinschaft in einem Vertrag verpflichten, kann aus einem solchen Verhalten grundsätzlich die Anerkennung des Vertragsinhalts als universell verbindliches Gewohnheitsrecht hervortreten. 948 Z. B.: § 7 Abs. 1 Nr. 6 deutsches VStGB; Art. 4 Abs. 1 b) und Art. 6 Abs. 1 b) Crimes against Humanity and War Crimes Act Canada; Art. 212-1 französisches StGB; § 2 Section 4 g) International Crimes Act Netherlands; Art. 7 ICC Act 2001 Great Britain; Art. 268.14 ICC Act 2002 Australia; Schedule 1 Part 2 Implementation of ICCStatute of the ICC Act 2002 South Africa; Art. 136ter no. 7 belgisches StGB. Einsehbar auf: www.icrc.org.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Genauso wie die Statuten für das Jugoslawien- und Ruanda-Tribunal musste sich das SGSL-Statut auf die Zuständigkeit für völkergewohnheitsrechtlich anerkannte bzw. auf vor der Tatbegehung existierende staatliche Straftatbestände von Sierra Leone beschränken, um nicht das Rückwirkungsverbot zu verletzen. Da das Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Kategorie der völkerrechtlichen Verbrechen angehörte, drückte der aus dem Vertrag ersichtliche Rechtsbindungswille der Vertragsparteien gleichzeitig die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung dieses Verbrechens aus. Somit erbringt Art. 2 g) SGSL-Statut durch die Aufnahme der Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit den Nachweis einer Rechtsüberzeugung, sowohl des Staates Sierra Leone als auch der Vereinten Nationen (mehr als 190 Staaten), dass die Vergewaltigung ein allgemeinverbindliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist. Weiterhin hatte die Rechtsprechung der beiden Ad-hoc-Tribunale mehrfach die Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und dabei auch unter verschiedenen Einzeltaten dieses Rahmenverbrechens (Folter, Versklavung, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen) verurteilt bzw. für strafbar erklärt. Diese Rechtsäußerungen der Gerichte können aber – wie zuvor geklärt – nicht als Geltungsnachweis einer Norm, sondern nur als Indiz für eine vollzogene Anerkennung dieses Tatbestands nach Völkergewohnheitsrecht herangezogen werden. Die vorgelegten Nachweise sollten eine allgemeine, dauerhafte und einheitliche Übung und eine allgemeine Rechtsüberzeugung verkörpern. Allein Art. 2 c) KRG 10 sowie die staatlichen Strafgesetze aufgrund der Umsetzung des materiellen Rechts des IStGH-Statut verkörpern eine Staatenpraxis. Das KRG 10 wurde von den vier Besatzungsmächten – Frankreich, Großbritannien, USA und Sowjetunion – 1945 verabschiedet. Das IStGH-Statut wurde bisher von 121 Staaten ratifiziert. Es existierte zwar keine Konvention zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie zuvor für den Völkermord. Die Völkermordkonvention sowie später das IStGH-Statut hatten jedoch zu zwei Umsetzungswellen des fraglichen Tatbestands in staatliches Rechts geführt und somit fast die gesamte Staatengemeinschaft zu einer Praxisbetätigung bewogen. Demnach sind heute in der Mehrzahl der ratifizierenden Staaten staatliche Gesetze („Acts“) auffindbar, die entweder Art. 7 IStGH-Statut im nationalen Recht für anwendbar erklären oder aber eine gleichlautende Vorschrift als Strafgesetz erlassen haben. Gerade weil die mehr als 10 der höchstentwickelten Staaten und verschiedenen Rechtssysteme die Implementierung des Vertrags in nationales Strafrecht bewirkt haben, muss die Staatenpraxis als allgemein eingeschätzt werden.949 Es besteht zwar zeitlich 949 Eine wichtige Industrienation (USA) ist dem IStGH-Statut ferngeblieben, was ein ernst zunehmender Widerspruch gegen die Anerkennung des Statuteninhalts als Völkergewohnheitsrecht darstellt. Jedoch sind die USA dem Statut deswegen ferngeblieben, weil sie eine Strafverfolgung eigener Soldaten befürchteten und diese rufschädigende Möglichkeit nicht akzeptieren wollten. Handelte es sich hingegen um Strafverfolgungs-

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eine große Lücke zwischen der 1945 begonnenen und der seit 1998 wieder einsetzenden Staatenpraxis, welche Zweifel an der Dauer der Übung aufkommen lassen könnten. Jedoch kompensieren alle anderen erwähnten Instrumente, die allein eine völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung zum Bestehen des völkerrechtlichen Tatbestands der Vergewaltigung als Menschlichkeitsverbrechen zum Ausdruck bringen, die zeitweilig unterbrochene Staatenpraxis. So hatte der Sicherheitsrat einstimmig das Statut angenommen und damit die Rechtsauffassung von 15 Staaten, dass gemäß Art. 5 g) JStGH-Statut die Vergewaltigung ein völkergewohnheitsrechtliches Verbrechen ist, zu erkennen gegeben. Ein Jahr später hatte der Sicherheitsrat die gleiche Rechtsauffassung mit diesmal 13 Stimmen in Art. 3 g) RStGH-Statut bezeugt. Art. 7 h) IStGH-Statut repräsentiert seit 1998 die völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung von 121 Staaten. Ebenso enthielt der bilaterale Vertrag zwischen Sierra Leone und den Vereinten Nationen von 2000 durch die Aufnahme des Art. 2 g) SGSL eine Anerkennung der Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ferner ist kein Widerspruch zur Einzeltat der Vergewaltigung als Menschlichkeitsverbrechen in der Völkergemeinschaft zu verzeichnen, was die Übung einheitlich erscheinen lässt. Der Nachweis einer Strafbarkeit der Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Völkergewohnheitsrecht ist damit als gelungen anzusehen. c) Kriegsverbrechen Die Genfer Abkommen und das Zusatzprotokoll I, das IMG-Statut, KRG 10, IMGFO-Statut, JStGH-Statut, RStGH-Statut, IStGH-Statut und das SGSL-Statut sowie die Rechtsprechung der beiden Ad-hoc-Tribunale hatten eine Strafbarkeit der Vergewaltigung als Kriegsverbrechen begründet. Zum ersten Mal enthielt ein völkerrechtliches Instrument eine eigenständige Strafbarkeit für ein Kriegsverbrechen im IMG-Statut von 1945. Nach Art. 6 b) war die Vergewaltigung zwar nicht ausdrücklich, aber dennoch als anerkannte Verletzung der Kriegsgesetze bzw. als eine Form der Misshandlung für strafbar erklärt worden. Da den Vertragsparteien nicht zustand, eine rückwirkende Strafverfolgung zu begründen, konnten sie nur die Strafverfolgung für bereits bestehendes Gewohnheitsrecht (bzw. für allgemeinverbindliche Rechtsgrundsätze) erklären. Aufgrund von nationalen Militärhandbüchern (z. B. Art. 44 Lieber Code, Oxford Manual), völkerrechtlichen Verträgen (Art. 46 HLKO, Art. 3 Genfer Abkommen 1929) und einiger staatlicher Strafprozesse gegen Soldaten, die im Krieg Vergewaltigungen begangen hatten, konnte bereits auf eine Staatenpraxis maßnahmen gegenüber anderen Staaten, befürworteten sie eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Straftatbestände mit Nachdruck (z. B. JStGH-Statut; Iraki High Tribunal).

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

getragen von einer „opinio juris“ verwiesen werden, die zwar keine direkte Strafbarkeit der Vergewaltigung nach Völkerrecht, aber eine Strafbarkeit der Vergewaltigung gegnerischer Frauen im Krieg nach nationalem Recht zu erkennen gab. Mit der Kriminalisierung der Vergewaltigung als Kriegsverbrechen gemäß Art. 6 b) IMG-Statut hatten 23 Staaten somit in einem völkerrechtlichen Vertrag950 die Rechtsüberzeugung bekundet, dass sie die Vergewaltigung für ein bestehendes Kriegsverbrechen hielten. Hierdurch eröffnete sich für andere Staaten als der vier Siegermächte die Möglichkeit, sich dem Vertrag anzuschließen. Dies war beabsichtigt, um die Rechtsbestätigung zum Vertragsinhalt anderer, nicht unbedingt betroffener Nationen einzuholen. Es ging den Siegermächten offensichtlich nicht darum einer nationalen Strafverfolgungspflicht, sondern vielmehr einer völkerrechtlichen Verpflichtung nachzukommen, die Verbrechen an zahlreichen verschiedenen Staatsbürgern auf unterschiedlichen Territorien durch die Völkergemeinschaft gleichermaßen zu verfolgen. Zwar fehlt es im Statut an einer ausdrücklichen Anerkennung von völkerrechtlichen Kriegsverbrechen. Gleichwohl kann in der erteilten Strafverfolgungsbefugnis für Verletzungen des Kriegsrechts im IMG-Statut nicht nur eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Kriegsgesetze gesehen werden. Zugleich wurde mit dem Vertragstext auch die Anerkennung einer Strafbarkeit von Kriegsverbrechen nach Völkerstrafrecht vollzogen. Insoweit kann Art. 6 b) IMG-Statut die Rechtsüberzeugung von 23 Staaten entnommen werden, dass die Vergewaltigung ein völkergewohnheitsrechtliches Kriegsverbrechen darstellt. Auch in Art. 2 b) KRG 10 wurde die Vergewaltigung als Kriegsverbrechen implizit unter Strafe gestellt. Da das Besatzungsgesetz wie ein Akt der Legislative der Besatzungsmächte zu behandeln ist und sich auf eine völkerrechtliche Verpflichtung bezieht, die in der Moskauer Erklärung und dem Londoner Abkommen festgelegt worden war, verkörpert dieses Gesetz sowohl eine Staatenpraxis der vier Besatzungsmächte als auch eine Anerkennung der Praxis als Recht. Art. 5 b) IMGFO-Statut hatte zwar ebenfalls die Vergewaltigung als Kriegsverbrechen unter Strafe gestellt. Jedoch kann dieses Statut aus den oben genannten Gründen nicht als Nachweis einer Staatenpraxis oder völkergewohnheitsrechtlichen „opinio juris“ der alliierten Staaten herangezogen werden. Ein für die Kriegsverbrechen entscheidendes Instrument sind die Genfer Konventionen von 1949 mit ihren Zusatzprotokollen von 1977. Die Vergewaltigung ist nach Art. 147, 1. und 2. Alternative des IV. Genfer Abkommens951 und nach 950 Die h. M. geht von einem gültigen völkerrechtlichen Vertrag und nicht von einem nichtigen Vertrag zulasten Dritter aus. Vgl. den Rechtsstreit zur Frage der Nichtigkeit des völkerrechtlichen Vertrags in Fn. 400. 951 Der gleiche Tatbestand der schweren Verletzungen wurde in den Parallelvorschriften der anderen drei Konventionen mit dem entsprechenden Opferkreis eingefügt: Art. 50 (I), 51 (II), 130 (III).

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Art. 11 Abs. 1 i.V. m. Abs. 4 Zusatzprotokoll I strafbar. Die Genfer Konventionen mit den Zusatzprotokollen sind völkerrechtliche multilaterale Abkommen. Aufgrund ihrer hohen Beteiligung – insgesamt 194 Staaten sind den vier Abkommen und 172 Staaten dem Zusatzprotokoll I beigetreten – reflektieren sie die Rechtsüberzeugung fast aller wichtigen Nationen zum humanitären Völkerrecht. Ziel der Konventionen war es, das humanitäre Völkerrecht schriftlich zu fixieren, um eine erhöhte Bestimmtheit dieses Rechtsgebietes zu erreichen. Um so viele Staaten wie möglich zu einer Ratifikation zu bewegen, konnte nicht schlichtweg neues Recht geschaffen werden. Eine Zustimmung der Staaten konnte vielmehr nur erwartet werden, wenn die Staaten von einer bereits bestehenden Bindung ausgingen. Aufgrund der bereits in früheren Kodifikationen wie in den vorangegangenen Genfer Abkommen von 1929, in der HLKO von 1907 und im Lieber Code von 1863 festgehaltenen Verboten der Vergewaltigung kann davon ausgegangen werden, dass die Vergewaltigung im internationalen bewaffneten Konflikt eine bisher anerkannte Verletzung des Kriegsrechts darstellte. Dadurch, dass dieses Verbot nun in den besagten Vorschriften der schweren Verletzungen der Genfer Abkommen mit einer Strafbarkeit versehen wurde, wurde eine bereits anerkannte Norm des humanitären Völkerrechts, die durch staatliches Strafrecht verfolgt werden konnte, lediglich direkt nach Völker(vertrags-)recht kriminalisiert. Die in dem Vertrag geäußerte Rechtsüberzeugung, dass Vergewaltigung ein Kriegsverbrechen im internationalen bewaffneten Konflikt darstellt, bezieht sich somit nicht nur auf die vertragliche Bindung der Vertragsparteien, sondern ebenfalls auf eine bereits bestehende, völkergewohnheitsrechtliche Bindung. Durch die frühere strafrechtliche Verfolgung der Verletzungen des Kriegsrechts hatte sich nämlich bereits angedeutet, dass die Völkergemeinschaft dazu tendierte, die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts unter den Schutz des Strafrechts zu stellen. Mit der Aufnahme einer Strafbarkeit in das völkerrechtliche Instrument selbst hatte sich die notwendige Anerkennung der Norm vollzogen, um der sich herauskristallisierenden Strafnorm des Völkerrechts zur Entstehung zu verhelfen. Somit haben 194 Staaten dieser Welt eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Vergewaltigung als schwere Verletzung nach Art. 147, IV. Genfer Konvention und, 28 Jahre später erneut, 172 Staaten gemäß Art. 11 Zusatzprotokoll I erklärt. Durch die Ratifikation der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I wurden die fraglichen Vorschriften in nationales Recht übernommen. Dabei haben zwar nicht alle ratifizierenden Staaten neue Strafnormen mit dem Inhalt der Genfer Konventionen erlassen, jedoch lassen sich einige Beispiele von staatlicher Gesetzgebung zu den Genfer Konventionen auffinden.952 952 Deutschland hatte auf die Schaffung eines eigenen Völkerstraftatbestands der schweren Verletzungen verzichtet und berief sich auf die Position, dass die schweren Verletzungen durch die existierenden Strafbestimmungen des StGB abgedeckt werden

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Ferner wurde die Vergewaltigung als Kriegsverbrechen nach dem JStGH-Statut mit Strafe bedroht. Eine Strafbarkeit der Vergewaltigung konnte eindeutig in Art. 2 b) und c), welche die schweren Verletzungen der Genfer Abkommen wiedergaben, für den internationalen bewaffneten Konflikt festgestellt werden. Wie zuvor begründet, konnte der Sicherheitsrat nur völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Verbrechen in das Statut aufnehmen, wodurch der Eröffnung der Strafverfolgung für die schweren Verletzungen der Genfer Konventionen in Art. 2 die Rechtsansicht der Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates zu entnehmen ist, dass die schweren Verletzungen Völkergewohnheitsrecht darstellen. Es konnte aber keine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Strafbarkeit von Kriegsverbrechen nach dem gemeinsamen Art. 3 Genfer Abkommen für den internen bewaffneten Konflikt nachgewiesen werden, weshalb eine sachliche Zuständigkeit zur Bestrafung der Vergewaltigung im Bürgerkrieg gemäß Art. 3 JStGH verneint werden musste. Es haben somit 15 Staaten lediglich die Rechtsüberzeugung artikuliert, dass die Vergewaltigung im internationalen bewaffneten Konflikt strafbar ist.953 In Art. 4 RStGH-Statut findet sich allein eine Strafverfolgungsbefugnis für Kriegsverbrechen im internen bewaffneten Konflikt, weil der Konflikt in Ruanda unstreitig nicht internationaler Natur war. Die Vergewaltigung ist in Art. 4 a) (grausame Behandlung wie Folter), e) (Vergewaltigung) und h) (Androhung einer der vorherigen Taten) RStGH-Statut enthalten. Auch in diesem Statut sollten grundsätzlich nur völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Strafnormen aufgenommen werden. Allerdings hatte der Generalsekretär bemerkt, dass mit der Strafverfolgungsbefugnis nach Art. 4 RStGH-Statut zum ersten Mal der gemeinsame Art. 3 Genfer Konventionen kriminalisiert wurde, so dass anzunehmen ist, dass die Sicherheitsratsmitglieder der Rechtsüberzeugung waren, dass es sich bei den in Art. 4 RStGH-Statut genannten Verstößen um entstehende und nicht bereits völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Kriegsverbrechen handelte. Tatsächlich hatte sich bis zur Schaffung des RStGH 1994 eine Anerkennung der Bürgerkriegsverbrechen nach Völkergewohnheitsrecht noch nicht vollzogen. Die Norm befand sich vielmehr im Entstehungsprozess. Auf vereinzelte Beispiele der Staatenpraxis und der entsprechenden Rechtsüberzeugung konnte bereits vor Art. 4 RStGH-Statut zurückgegriffen werden.954 Mit der hier an das RStGH zukönnten. Andere Länder vertraten eine andere Position und führten dementsprechend neue Straftatbestände in ihre Strafgesetzbücher ein oder erklärten in einem Transformationsgesetz die schweren Verletzungen der Genfer Konventionen für direkt anwendbar. Siehe z. B.: Art. 356 Russisches StGB (nur Kriegsführungsmethoden); Part II, 7 Geneva Conventions Act 1957 Australia; Geneva Conventions Act 1957 Great Britain, 1959, 2002; Chapter II Section 3 Geneva Conventions Act 1960 India; Art. 3 Geneva Conventions Act 1962, amended 1998 Ireland. Einsehbar auf: www.icrc.org. 953 Das Tribunal hingegen ging von einer Strafbarkeit des Art. 3 GA und des Art. 4 ZP II aus. 954 Siehe Fn. 456 f.

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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gewiesenen Zuständigkeit, Bürgerkriegsverbrechen zu verurteilen, wurde allerdings der Durchbruch zur Anerkennung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm erreicht. 13 der wichtigsten Staaten der Welt hatten sich zu einer Gleichstellung der Kriegsverbrechen im internen mit denen im internationalen bewaffneten Konflikt ausgesprochen. Da sich eine völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung auch aus sich entwickelndem und nicht nur bestehendem Völkergewohnheitsrecht ableiten lässt, steht dem Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Rechtsüberzeugung aufgrund Art. 4 RStGH-Statut nichts im Wege. Entscheidend ist, dass die im Statut artikulierte Rechtsansicht, dass Art. 4 nach der Resolution verbindliches Recht ist, gleichzeitig die noch zur Entstehung der völkergewohnheitsrechtlichen Norm notwendige Anerkennung zu Teil hat werden lassen. Daher kann die Sicherheitsresolution als Nachweis einer „opinio juris“ der Sicherheitsratsmitglieder, dass die Vergewaltigung im Bürgerkrieg strafbar ist, verwertet werden. Im IStGH-Statut wurde die Vergewaltigung als Kriegsverbrechen sowohl in Art. 8 Abs. 2 a) ii) (Folter, unmenschliche Behandlung), iii) (vorsätzliche Verursachung großer Leiden), und Abs. 2 b) xxii) (Vergewaltigung) für den internationalen bewaffneten Konflikt als auch in Abs. 2 e) vi) (Vergewaltigung) IStGHStatut für den internen bewaffneten Konflikt unter Strafe gestellt. Wie auch bei den anderen Straftatbeständen des Statuts zuvor, kann auf eine frühere Staatenpraxis und Rechtsüberzeugungen zu den Kriegsverbrechen verwiesen werden, so dass mit der Aufnahme dieser Vorschriften in den Vertrag durchaus auch eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Normen zum Ausdruck gebracht wurde. Das IStGH-Statut wurde bisher von 121 Staaten ratifiziert, so dass eine dementsprechende Anzahl von Staaten die völkergewohnheitsrechtliche Rechtsüberzeugung bekundet haben. Da das IStGH-Statut wegen des in vielen Ländern herrschenden Gesetzlichkeitsgrundsatzes von den ratifizierenden Staaten in staatliches Recht umgesetzt werden musste, lassen sich zahlreiche staatliche Gesetze (Staatenpraxis) zur Anerkennung der Vergewaltigung als Kriegsverbrechen vernehmen.955 Gemäß Art. 3 a), e) und h) SGSL-Statut wurde für die Vergewaltigung wie bereits im gleichlautenden Art. 4 RStGH-Statut die Strafverfolgung für das SGSL eröffnet. Da mit der Strafverfolgungseröffnung von Bürgerkriegsverbre-

955 Vgl. z. B.: § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB; Art. 212-2 französisches StGB; Art. 139 kolumbianisches Strafgesetz Nr. 599 v. 24.7.2000; brasilianisches Strafgesetz Nr. 9.455 Art. 1 Folter als Kriegsverbrechen; Art. 251 (bis) ägyptisches StGB (Tötung, Körperverletzung); Schedule 8 Art. 8 ICC Act 2001 Great Britain; Art. 268.59 ICC Act Australia; Schedule 1 Part 3 Implementation of the ICC-Statute of the ICC Act 2002 South Africa; Art. 4 Abs. 1 c) und Art. 6 Abs. 1 c) Crimes against Humanity and War Crimes Act Canada; Art. 8 III 1 Wartime Offences Act Netherlands; § 2 Section 5 and 6 International Crimes Act 2003 Netherlands.

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3. Kap.: Die Strafbarkeit der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

chen in Art. 4 RStGH-Statut und erneut in Art. 8 Abs. 2 e) vi) IStGH-Statut sowie durch die Implementierung dieses Tatbestands in staatliche Strafgesetze sich die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Norm vollzogen hat, gibt Art. 3 SGSL-Statut bestehendes Völkergewohnheitsrecht wieder. Damit bringt der bilaterale Vertrag die Rechtsüberzeugung von Sierra Leone und den Vereinten Nationen zum Ausdruck, dass die Vergewaltigung ein anerkanntes Kriegsverbrechen im internen bewaffneten Konflikt darstellt. Die Rechtsprechung beider Ad-hoc-Tribunale hat zu einer umfangreichen Verurteilung der Vergewaltigung als Kriegs- und Bürgerkriegsverbrechen geführt. Obwohl diese Rechtsprechung nicht als Geltungsbeweis einer Norm in Betracht kommt, ist sie hier als wichtiges Indiz für das Bestehen einer entsprechenden völkergewohnheitsrechtlichen Norm zu erwähnen. Soweit die Tribunale allerdings von einer völkergewohnheitsrechtlichen Strafbarkeit der Bürgerkriegsverbrechen Anfang der 1990iger Jahre ausgingen, muss von einer rechtsschöpferischen Tätigkeit der Gerichte ausgegangen werden, weil erst mit dem RStGHStatut 1994 eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung dieses Verbrechens erreicht wurde. Die untersuchten Instrumente müssen eine allgemeine, dauerhafte und einheitliche Übung getragen von einer Rechtsüberzeugung belegen. Die Rechtsüberzeugung, die Vergewaltigung stelle ein Kriegsverbrechen nach Völkergewohnheitsrecht dar, ist nachgewiesen. Diese Rechtsauffassung wurde über einen langen Zeitraum – seit 1945 bis heute – wiederholt von fast allen Staaten dieser Erde in verschiedenen rechtlich bindenden Instrumenten proklamiert. Eine Staatenpraxis findet sich in Art. 2 b) KRG 10 von 1945 sowie in der staatlichen Implementierung der schweren Verletzungen der Genfer Abkommen von 1949 samt des Zusatzprotokolls I von 1977 und des Art. 8 IStGH-Statut von 1998. Damit erstreckt sich die Staatenpraxis seit 1945 bis heute über einen Zeitraum von 60 Jahren, ist also zweifellos dauerhaft. Getätigt wurde diese Übung 1945 mit dem Erlass des KRG 10 von vier Staaten (Siegermächte). Hinsichtlich der Implementierung der schweren Verletzungen der Genfer Abkommen sowie des Art. 8 IStGH-Statut kann von dem hohen Ratifizierungsstand auch auf eine ausreichende Staatenbeteiligung geschlossen werden, ohne im Detail alle nationalen Umsetzungsakte durchgehen zu müssen. Die Genfer Abkommen wurden von 194 Staaten, das Zusatzprotokoll I von 172 Staaten und das IStGH-Statut von bisher 121 Staaten ratifiziert, so dass – trotz der nicht immer durchgeführten Normumsetzungen ins staatliche Recht – die Anzahl der staatlichen Legislativakte bei weit über 10 Staaten liegt und damit als allgemein einzuschätzen ist. Gerade das IStGH-Statut hat zahlreiche Staaten dazu veranlasst, das Statut in nationales Strafrecht umzusetzen. Diese Umsetzung des Art. 8 IStGH-Statut in staatliches Recht ist besonders wichtig, wenn man eine allgemeine Übung zur Strafbarkeit von Bürgerkriegsverbrechen nachweisen will. Denn sie stellt die einzige Staatenpraxis zu den Kriegsverbrechen im internen bewaffneten Konflikt dar, auch wenn sich seit

III. Die völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit der Vergewaltigung

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Art. 4 RStGH-Statut und Art. 3 SGSL-Statut eine völkergewohnheitsrechtliche „opinio juris“ verzeichnen lässt. Die Übung ist aufgrund der hohen Beteiligungsrate und des mangelnden Widerspruchs gegen eine Inkriminierung der Vergewaltigung als Kriegsverbrechen im internationalen und internen bewaffneten Konflikt, auch als einheitlich zu bewerten. Die wichtigsten Staaten der Welt haben damit nicht nur über einen langen Zeitraum ihre Rechtsauffassung immer wieder geäußert, dass die Vergewaltigung ein Kriegsverbrechen darstellt, sondern mit ihrer staatlichen Gesetzgebung zahlreiche verbindliche Rechtsakte gesetzt. Die insofern häufig wiederholt geäußerte Rechtsüberzeugung und die allgemeine, dauerhafte und einheitliche Staatenpraxis der wichtigsten Staaten dieser Welt lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Vergewaltigung ein völkergewohnheitsrechtliches Kriegsverbrechen – sowohl im internationalen Konflikt als auch seit kurzem im Bürgerkrieg – darstellt. 3. Endergebnis Die Straftat der Vergewaltigung ist somit ein völkergewohnheitsrechtlich anerkanntes Verbrechen. Strafrechtlich verfolgt werden kann die Vergewaltigung als Einzeltat des Völkermords, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Kriegsverbrechen im internationalen sowie internen bewaffneten Konflikt.

Viertes Kapitel

Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung I. Der Bestimmtheitsgrundsatz im Völkerstrafrecht Bereits im Kapitel zuvor wurde dargelegt, dass der Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Strafbarkeit der Vergewaltigung erforderlich ist, um dem Gesetzlichkeitsprinzip („nullum crimen sine lege“) Rechnung zu tragen. Denn wäre das Verbrechen der Vergewaltigung völkerrechtlich nicht anerkannt, würde eine Strafverfolgung gegen das Rückwirkungsverbot bzw. das Gesetzlichkeitsgebot verstoßen. Die Bemühung um die Tatbestandsfassung der Vergewaltigung ist ebenfalls auf diesen allgemeinen Rechtsgrundsatz zurückzuführen. Diesmal ist es der Aspekt der Bestimmtheit („nullum crimen sine lege certa“), welcher fordert, dass Strafnormen so gefasst sein müssen, dass sich ihr Inhalt und ihre Grenzen möglichst genau aus der Norm ergeben.956 Bestimmte Strafnormen ermöglichen es für den einzelnen Menschen Rechtssicherheit zu schaffen, eine willkürliche Strafverfolgung zu unterbinden und den Richter an die demokratischen Entscheidungen der Volksvertretung (bzw. im Völkerrecht der Völkergemeinschaft) zu binden. Nur wenn die Entscheidung anhand eines abstrakten Rechtssatzes nachprüfbar ist, kann verhindert werden, dass ein Richter eigenmächtige und damit willkürliche Entscheidungen trifft.957 Es lässt sich nicht eindeutig feststellen, welcher Grad an Bestimmtheit von einer völkerrechtlichen Strafnorm zu verlangen ist. Denn aus den nationalen Rechtssystemen sind grundsätzlich zwei Modelle bekannt, die unterschiedliche Rechtsquellen verwenden und damit auch etwas unterschiedliche Anforderung an die Bestimmtheit eines Rechtsatzes zu stellen scheinen. Die „Civil Law“-Staaten – wie z. B. in Kontinentaleuropa und Lateinamerika – binden den Richter an den Willen des Gesetzgebers, welcher in parlamentarisch beschlossenen Gesetzen zum Ausdruck gebracht wird. Diese geben am klarsten den Rechtszustand für den Einzelnen wieder und garantieren durch die abstrakten und damit vom Einzelfall losgelösten Formulierungen am ehesten die Einheit und Gleichheit der Rechtsanwendung.958 Ein Strafgesetzbuch bietet eine syste956 Vgl. Fn. 238 sowie speziell zum Bestimmtheitsgrundsatz die Ausführungen bei: Jescheck/Weigend, AT, S. 128 ff.; Cassese, International Criminal Law, S. 41 ff.; Cassese, International Law, S. 141 ff. 957 Jescheck/Weigend, AT, S. 136 f.; Naucke, Strafrecht, S. 83 f. 958 Jescheck/Weigend, AT, S. 128.

I. Der Bestimmtheitsgrundsatz im Völkerstrafrecht

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matische Abhandlung aller Probleme, die sich mit der Festlegung eines Tatbestands ergeben. Es wird eine systematische Gesetzestechnik angewandt, die einen objektiven und subjektiven Tatbestand eines Verbrechens anhand von deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen und/oder mit Hilfe von Regelbeispielen normiert. In den „Common Law“-Staaten besteht dagegen nur in begrenztem Ausmaß eine Bindung an vom Parlament erlassene Strafgesetze (in England: „acts“). Diese relativ unsystematisch erlassenen Vorschriften beschränken sich meist auf tatbestandsähnliche Definitionen und erscheinen gegenüber einem Strafgesetzbuch, das sich mit allen Aspekten einer Strafbarkeit auseinander setzt, relativ oberflächlich.959 Diese Gesetzestechnik kann damit begründet werden, dass sich das „Common Law“-Rechtssystem hauptsächlich aus Fallrecht („case law“) entwickelt hat und erst im letzten Jahrhundert durch vereinzelte Gesetze ergänzt wurde, um so mit der gesellschaftlichen Entwicklung Schritt halten zu können.960 Das „Common Law“ vermeidet Willkürentscheidungen des Richters durch die Bindung des wesentlichen Inhalts der Einzelfallentscheidung eines oberen Gerichts gegenüber einem rangniedrigeren Gericht. Es wirkt also nicht das gesamte Urteil für ein rangniedrigeres Gericht bindend, sondern nur die Kernaussage der Entscheidung. Auf diese Weise wird ein abstrakter Rechtssatz aus einer Einzelfallentscheidung gewonnen. Dies mag auf den ersten Blick so wirken, als sei die Rechtsmaterie eher lückenhaft geregelt, weil die Rechtssatzgewinnung auf die dem Gericht vorgebrachten Einzelfälle beschränkt ist und nicht sehr hohe Anforderung an eine systematische Tatbestandsmäßigkeit einzelner Verbrechen stellt. Mittlerweile haben sich aber durch die jahrhundertlange Rechtsprechung detaillierte Rechtssätze ergeben, die sowohl objektive als auch subjektive Tatbestandsmerkmale erkennen lassen und daher eine fast identische Bestimmtheit wie parlamentarische Gesetze aufweisen. Im Völkerstrafrecht fehlt es jedoch an einer Hierarchie internationaler Gerichte und damit an einer Präjudizienbindung internationaler Entscheidungen so959 Weik, Verbrechenselemente im US-amerikanischen Strafrecht, S. 11; LaFave, Criminal Law, S. 95 f.; Schmid, Strafverfahren, S. 24 ff.; Radbruch, Geist des englischen Rechts, S. 45. 960 Besonders der US-amerikanische Strafgesetzgeber hat schwer in das Fallrecht eingegriffen und zahlreiche Kodifikationen („Criminal Codes“) erlassen. Jedoch wurden diese nicht systematisch erlassen, sondern enthalten meist sehr ausführliche und von einer Kasuistik geprägte Definitionen, die eine Abneigung gegenüber abstrakten und logisch abgeleiteten Rechtssätzen aufweisen. Dies führt dazu, dass in einem US-amerikanischen Gerichtsurteil der Schwerpunkt nicht auf der Suche und Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Vorschrift sowie der Subsumption des Sachverhalts unter die fragliche Vorschrift liegt, wie es in den „Civil Law“-Staaten der Fall ist, sondern der Kern der Rechtsfindung die Feststellung des Sachverhalts und die Abgrenzung zu bereits entschiedenen Präjudizien ausmacht. Vgl. dazu: Weik, Verbrechenselemente im US-amerikanischen Strafrecht, S. 12; Schmid, Strafverfahren, S. 22 ff.; Radbruch, Geist des englischen Rechts, S. 5 ff.; Young, Criminal Law, S. 3 f.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

wie an einem Gesetzgeber, welcher bestimmte Strafgesetze erlassen könnte. Aufgrund der zur Verfügung stehenden universell bindenden Rechtsquellen (Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze der Kulturvölker) ist der Normeninhalt aus völkerrechtlichen Verträgen, verbindlichen Resolutionen, Militärhandbücher und nationalen Strafgesetzen oder aber aus einer Rechtsvergleichung nationaler Strafgesetze abzuleiten. Es ist zwar richtig, dass es sich beim Völkergewohnheitsrecht um eine ungeschriebene Rechtsquelle handelt und, dass die Rechtsgrundsätze der Hauptrechtssysteme erst eine Rechtsvergleichung und daran anschließend eine Herausarbeitung eines abstrakten Rechtssatzes erfordern. Diese umständliche Rechtsfindung kann zur Unklarheit eines Rechtssatzes führen. Dem ist aber entgegen zu halten, dass es sich bei den zu untersuchenden Instrumenten des Völkergewohnheitsrechts letztlich um geschriebene juristische Texte handelt, die zumindest ein abstraktes Verhaltensverbot erkennen lassen. Fehlt es an einer Aufzählung aller objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale, die zum Nachweis einer Strafbarkeit eines Individuums notwendig sind961, kann auf die Rechtsvergleichung nationaler bestimmter Tatbestände in Form von Gesetzen oder aber höchstrichterlichen Entscheidungen, die sich ebenfalls an objektiven und subjektiven Elementen („actus reus, mens rea“) 962 orientieren, zurückgegriffen werden. Insofern kann das Völkerstrafrecht durch eine Interaktion beider Rechtsquellen eine ebenso hohe Bestimmtheit seiner Normen erreichen wie das staatliche Strafrecht, das über einen Gesetzgeber oder aber eine Präjudizienbindung verfügt. Es lassen sich aus den beiden Rechtsquellen ein objektiver und subjektiver Tatbestand ermitteln. Es ist daher nicht nötig, an die Bestimmtheit eines völkerrechtlichen Straftatbestands geringere Anforderungen zu stellen als an einen nationalen Straftatbestand.963 Lediglich die erforderliche Gesamt961 Siehe dazu die Ausführungen in: Cassese, International Criminal Law, S. 42; Cassese, International Law, S. 145 ff., der darauf hinweist, dass die meisten internationalen Instrumente keine präzisen objektiven Tatbestandselemente einer Straftat vorweisen können und das subjektive Element ganz außer Acht lassen. Es seien vor allem die Gerichtsurteile internationaler, aber auch nationaler Gerichte bei der Bestimmung der Tatbestandselemente von entscheidender Bedeutung. Weiterhin habe das IStGH-Statut einen großen Beitrag zur Bestimmtheit von Straftatbeständen geleistet, auch wenn es teilweise über das bestehende Völkergewohnheitsrecht hinausgehende Definitionen gewählt habe. 962 Vgl. die Ausführungen zum Tatbestandsaufbau im „Common Law“ weiter unten im 4. Kapitel III. 2. 963 Im Völkerstrafrecht hat sich ein am anglo-amerikanischen Recht orientierter zweigliedriger Verbrechensbegriff herauskristallisiert. Danach wird zwischen Umständen unterschieden, die eine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit begründen (Tatbestand), und denjenigen, die sie ausschließen (Straffreistellungsgründe). Weiter lässt sich der Tatbestand in eine äußere (objektive) Tatseite und eine innere (subjektive) Tatseite aufteilen. Die äußere Tatseite verlangt das Vorliegen aller objektiven Merkmale eines Völkerrechtsverbrechens. Dazu zählen das Verhalten („conduct“), die Folge („consequence“) und sonstige Begleitumstände („circumstances“). Die innere Tatseite erfordert, dass der Täter willentlich und wissentlich („with intent and knowledge“) gehandelt hat. Die subjektiven Voraussetzungen können auch bei einigen Straftaten erhöht

I. Der Bestimmtheitsgrundsatz im Völkerstrafrecht

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betrachtung unterschiedlicher und nicht immer für den Rechtsanwender leicht auffindbarer Rechtsquellen, erschwert die Ermittlung des genauen Regelungsinhalts. Wie die Untersuchung des dritten Kapitels gezeigt hat, konnten allein in der internationalen Rechtsprechung der beiden Ad-hoc-Tribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda sowie in den Verbrechenselementen (EOC) für den IStGH Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung aufgefunden werden. Die Definitionen der Gerichte sind allein Auslegungshilfe und belegen daher nicht die Geltung eines völkergewohnheitsrechtlichen Tatbestands der Vergewaltigung. Der internationalen Rechtsprechung konnte selbst kein Rechtsquellenstatus beigemessen werden. Sie hat die keineswegs geringe Aufgabe der Rechtserkenntnis964, so dass den in den Entscheidungen zugrunde gelegten Definitionen der Vergewaltigung keine rechtsetzende Wirkung zukommt, sondern sie nur zur Interpretation anderer Instrumente hinzugezogen werden können. Ebenso stellen die EOC keine verbindliche Rechtsquelle dar, sondern können vom Gericht nur für die Auslegung der Statutentatbestände herangezogen werden.965 Alle anderen zum Nachweis des Völkergewohnheitsrechts untersuchten Instrumente im dritten Kapitel enthielten keine Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung, sondern nannten lediglich das Verbrechen der Vergewaltigung. Damit wurde nur eine Strafbarkeit, aber kein konkreter Tatbestand normiert. Die Quelle des Völkergewohnheitsrechts ist im Hinblick auf den genauen Inhalt des Vergewaltigungstatbestands unergiebig, so dass es insoweit der wertenden Rechtsvergleichung bedarf. Damit ist es Aufgabe des vierten Kapitels, eine Rechtsvergleichung staatlicher Straftatbestände der Vergewaltigung vorzunehmen. Dabei sind die aus der nationalen Rechtsvergleichung gewonnen Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung mit den Ergebnissen der Tribunale und der EOC abzugleichen. Deren Definitionen und die Verbrechenselemente des IStGH zur Vergewaltigung sind vorab darzustellen.

bzw. abgeschwächt festgelegt sein. Die innere Tatseite schließt neben dem Vorsatz auch das Unrechtsbewusstsein ein. Siehe zum völkerrechtlichen Verbrechensbegriff: Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 335, 348 ff. 964 Die internationale Rechtsprechung stellt selbst bei ständiger Wiederholung ihrer Spruchpraxis keine Staatenpraxis i. S. v. Völkergewohnheitsrecht dar. Siehe dazu ausführlich: 3. Kapitel II. 1. e). Wenn aber die wiederholte Anwendung eines Vergewaltigungstatbestands, welcher auf der Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze beruht, von Staaten (Judikative, Legislative) übernommen wird, kann sich daraus eine Staatenpraxis entwickeln. Weitere internationale Urteile mit der gleichen Vergewaltigungsdefinition geben dann nicht mehr eine Stellungnahme zur dritten Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze ab, sondern werden zu einer Rechtsbehauptung, dass die Norm völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung gefunden hat. 965 Siehe zum Streit über die Anwendungsreichweite der EOC: Fn. 495.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht 1. Definitionen der Vergewaltigung der Ad-hoc-Tribunale Das erste Urteil in der Geschichte, das sich intensiv mit der Vergewaltigung auseinandersetzte und eine Definition zu diesem Verbrechen hervorbrachte, wurde von der ersten Strafkammer des RStGH gegen den Angeklagten Akayesu gefällt. Die Kammer konnte keine allgemein akzeptierte Definition der Vergewaltigung im Völker(straf)recht auffinden. Allein die staatlichen Strafrechtssysteme verfügten über Definitionen, die die Vergewaltigung als einen ohne das Einverständnis des Opfers erfolgten Geschlechtsverkehr umschrieben. Unter dem Begriff des Geschlechtsverkehrs wurden auch Handlungen, wie die Einführung von Objekten und die Einführung des Penis in Körperöffnungen, die nicht unbedingt als sexuell anzusehen sind, als Vergewaltigung verstanden.966 Jedoch weigerte sich die Kammer einen dem staatlichen Recht ähnlichen Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht anzuwenden. Anstelle einer mechanischen Umschreibung der Tat anhand von Körperteilen und Objekten, bevorzugte sie eine weite Definition, die jede sexuelle Invasion unter Zwangsumständen als tatbestandsmäßig erfasste. Diese Methode leitete sie von der Folterdefinition in der VN-Folter-Konvention967 ab. Da die Folter-Konvention keine bestimmten Tathandlungen auflistet, sondern eher auf die Zielsetzung des Täters bei der Tathandlung abstellt, um auf diese Weise alle erdenklichen Verhaltensweisen unter Strafe stellen zu können, sollte auch im Tatbestand der Vergewaltigung auf eine abschließende Aufzählung von Tathandlungen verzichtet werden. Dies erschien der Kammer im Völkerstrafrecht ein gebrauchsfähigerer Ansatz zu sein. So wie die Folter werde auch die Vergewaltigung für Zwecke wie Einschüchterung, Erniedrigung, Entwürdigung, Diskriminierung, Bestrafung, Kontrolle oder Zerstörung einer Person eingesetzt. Wie die Folter sei die Vergewaltigung eine Verletzung der persönlichen Würde und könne bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen (Involvierung einer Autoritätsperson) zur Folter aufsteigen.968 Die Kammer nannte folgende Definition: The Chamber defines rape as a physical invasion of a sexual nature, committed on a person under circumstances, which are coercive. Sexual violence, which includes rape, is considered to be any act of a sexual nature which is committed on a person under circumstances which are coercive.969

966

Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 596. Convention Against Torture and Other Cruel, Inhuman and Degrading Treatment or Punishment 1984, Annex to General Assembly Resolution 39/46, UN-DOC. A/39/51 (1984). 968 Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 597. 969 Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 598. 967

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

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Diese Definition der Vergewaltigung wurde vom RStGH und vom JStGH in drei weiteren Entscheidungen kritiklos übernommen.970 Einen anderen Ansatz zur Ermittlung des Vergewaltigungstatbestands wählte die Strafkammer des JStGH in der Furundzˇija-Entscheidung. Sie bestätigte wie die Kammer im Akayesu-Verfahren, dass keine Definition der Vergewaltigung in völkerrechtlichen Instrumenten (wie völkerrechtlichen Verträgen und Gewohnheitsrecht) zu finden sei. Aufgrund des auch im Völkerstrafrecht zur Anwendung kommenden allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatzes sei es aber zur Verurteilung der Vergewaltigung notwendig, einen bestimmten Tatbestand aus den Rechtsquellen des Völkerstrafrechts nachweisen zu können. In Betracht käme daher nur noch die dritte Rechtsquelle des Völkerstrafrechts, die Strafrechtsprinzipien der Hauptrechtssysteme dieser Welt. Diese Prinzipien könnten mit gebührender Vorsicht aus einer Rechtsvergleichung des nationalen Strafrechts gewonnen werden.971 Die Kammer zitierte in mehreren Fußnoten 17 Vergewaltigungstatbestände staatlicher Strafrechtssysteme, welche zur Zeit der Tatbegehung in Kraft waren.972 Sie kam zur Schlussfolgerung, dass die meisten Rechtsordnungen Vergewaltigung als eine gewaltsame sexuelle Penetration der Vagina oder des Anus des menschlichen Körpers durch den Penis oder durch andere Objekte ansahen. Allerdings zeigte die Rechtsvergleichung kein einheitliches Bild bei der Einteilung des erzwungenen Oralverkehrs („Fellatio“) entweder als Vergewaltigung oder als die minder schwerwiegende Straftat der sexuellen Nötigung („Sexual assault“).973 Um diese Diskrepanz überwinden zu können, schlug die Kammer vor, sich an allgemeinen Prinzipien des Völkerstrafrechts und, falls solche nicht vorhanden seien, an allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts zu orientieren.974 Die Kammer bewertete den gewaltsamen Oralverkehr im Ergebnis als Vergewaltigung, weil er ein höchst erniedrigender und demütigender Angriff auf die menschliche Würde darstelle und damit den fundamentalen Grundsatz des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, die menschliche Würde zu respek-

970 Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 220–229; Prosecuter v. Mucic´, IT-96-21-T, 16.11.1998, Para. 478–479; Prosecutor v. Niyitegeka, ICTR-96-14-T, 16.05.2003, Para. 455–458. 971 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 175–178. Siehe auch die vereinzelte, abweichende Meinung in: Cole, ICLR 8, 2008, S. 77, die den Bestimmtheitsgrundsatz einschränkend interpretiert und davon ausgeht, dass ein Verbot im Völkerstrafrecht ausreiche und die Verbrechenselemente von der Rechtsprechung ermittelt werden könnten wie es die Akayesu-Kammer getan hätte. 972 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 180. 973 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 181. 974 Diese Methode, sich an allgemeinen Rechtsprinzipien zu orientieren, wird von den Verfechtern der Akayesu-Entscheidung mit der „Akayesu-Methode“ gleichgesetzt, das Konzept der Folterkonvention zu übernehmen, um daraus eine Vergewaltigungsdefinition ableiten zu können. Siehe dazu: Cole, ICLR 8, 2008, S. 59 f.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

tieren, verstoße.975 Auch sei der Bestimmtheitsgrundsatz nicht verletzt, weil dem Angeklagten nicht Unrecht geschehe, wenn der Oralverkehr als Vergewaltigung ausgelegt werde. Dieser werde bereits als ein Verbrechen eingestuft und auf der Strafzumessungsebene könne eine mildere Strafe entsprechend der sexuellen Nötigung ausgesprochen werden. Es handele sich gerade in Zeiten des Krieges gegenüber einer wehrlosen Zivilbevölkerung nicht nur um ein einfaches, sexuelles Verbrechen, sondern um einen sexuellen Angriff in Form eines Kriegsverbrechens oder Verbrechens gegen die Menschlichkeit.976 Das Gericht formulierte folgenden Tatbestand der Vergewaltigung: (i) the sexual penetration, however slight: of the vagina or anus of the victim by the penis of the perpetrator or any other object used by the perpetrator; or of the mouth of the victim by the penis of the perpetrator; (ii) by coercion or force or threat of force against the victim or a third person.977

Ferner betonte das Gericht, dass jede Form von Gefangennahme ein Einverständnis des Opfers ausschließe, um den entscheidenden Unterschied zwischen Vergewaltigungen im Krieg und in Friedenszeiten deutlich zu machen, nämlich, dass in einem bewaffneten Konflikt das meiste Verhalten von Gewalt geprägt ist978 und eine Zwangssituation für das Opfer schafft. Denn befindet sich das Opfer bereits in einer Zwangssituation wie einem Gefängnis, kann es nicht mehr frei entscheiden und damit keine wahrhaftig gewollte Zustimmung erteilen. Es wird in solchen Situationen häufig an einer Gegenwehr des Opfers fehlen, weil das Opfer dem Täter schutzlos ausgeliefert ist und nur versuchen kann, weitere Verletzungen oder den Tod mittels einer widerstandslosen Haltung gegenüber dem sexuellen Ansinnen des Täters zu vermeiden. In nationalen Strafrechtssystemen wurde im Prozess die fehlende verbale Ablehnung oder die fehlende Gegenwehr oft fälschlicherweise als Einverständnis gewertet. Einer solchen Bewertung wollte die Kammer in der für das Opfer ausweglosen Situation einer Gefangennahme im Krieg zuvorkommen. Im Februar 2001 kam das sog. Focˇa-Urteil des JStGH gegen den Angeklagten Kunarac heraus, in dem ein erneuter Definitionsvorschlag der Vergewaltigung unterbreitet wurde. 975 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 183: „The essence of the whole corpus of international humanitarian law as well as human rights law lies in the protection of the human dignity of every person, whatever his or her gender. The general principle of respect for human dignity is the basic underpinning and indeed the very raison d’eˆtre of international humanitarian law and human rights law; indeed in modern times it has become of such paramount importance as to permeate the whole body of international law.“ 976 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 184–186. 977 Prosecutor v. Furundz ˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 185. 978 Vgl. dazu: Karagiannakis, LJIL 12, 1999, S. 485 und C ˇ elibic´i-Urteil, Para. 471: „. . . during armed conflict, the purposive elements of intimidation, coercion, punishment or discrimination can often be integral components of behaviour.“

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

315

Das Gericht schloss sich zwar der Schlussfolgerung der Furundzˇija-Kammer bzgl. des Erfordernisses an, sich aufgrund des allgemein gültigen Bestimmtheitsgrundsatzes an der nationalen Rechtsprechung zu orientieren, weil es keine Richtlinie auf völkerrechtlicher Ebene fand.979 Auch wich es nicht von der Umschreibung der Penetration ab. Jedoch veränderte es die Furundzˇija-Definition insoweit sie die Willensbeugung des Opfers durch den Täter betrifft. Es erklärte, dass die Furundzˇija-Definition andere Faktoren als den „Zwang, die Gewalt oder die Drohung mit Gewalt gegen das Opfer oder einen Dritten“ außer Acht lasse, welche ebenfalls bewirken, dass eine sexuelle Penetration gegen den Willen des Opfers verstößt.980 Die Strafkammer untersuchte zu dieser Problematik die nationalen Rechtssysteme und fand, dass allen Systemen das gleiche Prinzip zugrunde liege, dass eine Vergewaltigung nur dann gegeben sei, wenn die sexuelle Penetration seitens des Opfers nicht wahrhaftig gewollt oder im Einvernehmen erfolgt sei. Es sei zwar richtig, dass in vielen Rechtssystemen die Merkmale „Zwang, Gewalt oder Drohung mit Gewalt“ genannt würden, aber die Gesamtheit der Vorschriften weise eher darauf hin, dass der gemeinsame Faktor aller Systeme auf einem grundsätzlicheren Prinzip beruhe, nämlich der Bestrafung der Verletzung sexueller Selbstbestimmung.981 Die Kammer erklärte weiterhin, dass es eine Nationengruppe gäbe, die Gewalt und Drohung bzw. andere Umstände aufzähle, um die Willensbeugung des Opfers zu erfassen und eine andere Gruppe – hauptsächlich Anhänger des „Common Law“-Systems –, die durch den Mangel des Einverständnisses des Opfers die sexuelle Penetration als rechtswidriges Verhalten einordne. Das Gericht bestimmte den objektiven Tatbestand der Vergewaltigung daher wie folgt: (i) The sexual penetration, however slight: (a) of the vagina or anus of the victim by the penis of the perpetrator or any other object used by the perpetrator; or (b) of the mouth of the victim by the penis of the perpetrator; (ii) where such sexual penetration occurs without the consent of the victim. Consent for this purpose must be given voluntarily, as a result of the victim’s free will, assessed in the context of the surrounding circumstances.982

Diese Definition stellt durch das subjektive Tatbestandselement des fehlenden Einverständnisses besonders auf die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers ab. Denn hat das Opfer der im ersten Teil der Definition umschriebenen Handlung 979

Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 437. Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 438–439, 457–460. 981 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 440. 982 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 460. 980

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

des Täters nicht freiwillig zugestimmt, liegt eine Vergewaltigung vor. Die Gewalt, Drohung mit Gewalt und Zwang stellen keine Tatbestandsmerkmale mehr dar, sondern können nur das fehlende Einverständnis beweisen. Das Einverständnis muss dahingehend überprüft werden, ob es tatsächlich im Kontext der Tatumstände freiwillig gegeben wurde.983 Am 12.06.2002 erschien das Berufungsurteil im Fall Focˇa. Die Berufungsführer beantragten die in erster Instanz zu Grunde gelegte Definition der Vergewaltigung dahingehend zu ändern, dass neben den Merkmalen Gewalt oder Drohung mit Gewalt auch noch das Merkmal „fortdauernder und ernsthafter Widerstand des Opfers“ aufgenommen wird.984 Die Berufungskammer gab dem Antrag der Berufungsführer nicht statt.985 Sie bestätigte – allerdings mit interessanten Bemerkungen zum Tatbestandsmerkmal des fehlenden Einverständnisses – den Vergewaltigungstatbestand der ersten Instanz. Laut der Berufungskammer habe die erstinstanzliche Kammer im Kunarac-Urteil nicht von der vorherigen Rechtsprechung des Tribunals im Furundzˇija-Urteil abweichen, sondern die Beziehung zwischen den Tatbestandsmerkmalen Gewalt und fehlenden Einverständnis erklären wollen. Die Kammer habe verhindern wollen, dass ein Täter für eine sexuelle Handlung, zu der die andere Partei nicht eingewilligt habe, nicht bestraft werde, weil der Täter Zwangsumstände ausgenutzt habe, ohne sich physischer Gewalt zu bedienen.986 Als Beispiele für solche Zwangsumstände bezog sich die Berufungskammer auf nationale Rechtsprechungen, in denen weder der Gebrauch einer Waffe noch physische Überwältigung des Opfers Voraussetzung seien, um Gewalt zu bejahen. Jedoch beobachtete die Berufungskammer weiter, dass die Umstände, die bei den hier und in anderen Fällen vor dem Tribunal zur Last gelegten Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliegen, meistens generell einen Zwang beim Opfer auslösen und daher eine Zustimmung von vornherein unmöglich machen.987 Das 983 Vgl. Boon, CHRLR 32, 2001, S. 675; a.A.: Grewal, JICJ 10, 2012, S. 379–381, die das Verhältnis der Zwangselemente zum fehlenden Einverständnis in der Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale für ungeklärt hält. 984 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 125. 985 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 128. 986 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 129. 987 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 130: So genüge z. B. im kalifornischen Strafgesetzbuch eine zukünftige Racheandrohung. Siehe auch: Cole, ICLR 8, 2008, S. 57 f. Engle, AJIL 99, 2005, S. 804 ff.: Die Auslegung der Berufungskammer (Vermutung des Zwangs aufgrund der Kriegsumstände) führt faktisch dazu, dass alle sexuellen Beziehungen zwischen muslimischen Zivilistinnen und serbischen Soldaten während des bewaffneten Konflikts in Bosnien als generell ungewollt zu betrachten sind. Dabei kam es trotz des Krieges nachweislich zu freiwilligen sexuellen Beziehung zwischen Musliminnen und serbischen Soldaten: S. 806, Fn. 168, S. 810; Grewal, AFLJ 33, 2010, S. 71; Grewal, JICJ 10, 2012, S. 394; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 271, 280, 293. Eine solch simplistische Auffassung, dass in Kriegen oder anderen gewalttätigen Ausnahmesituationen

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

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Gericht nannte dazu das deutsche Strafgesetzbuch und nordamerikanische Gesetze, in denen das fehlende Einverständnis kein Tatbestandsmerkmal der Vergewaltigung ist und Umstände wie die Inhaftierung als Zwangsumstände gewertet werden, so dass es auf ein fehlendes Einverständnis von vornherein nicht ankomme.988 Im vorliegenden Fall wurden die Berufungsführer wegen Vergewaltigungen in militärischen Hauptquartieren, Gefangenenlagern und Häusern der Soldaten verurteilt. Die Opfer wurden als legitime „Sexbeute“ der Eroberer betrachtet und von mehreren Männern regelmäßig vergewaltigt. Diese Verhältnisse in den Lagern bewertete die Kammer als so bedrohend, dass sie jede Möglichkeit der Zustimmung des Opfers ausschloss.989 Die Strafkammer im Fall Kvocˆka legte ebenfalls die Kunarac-Definition ihrer Rechtsfindung zur Vergewaltigung zu Grunde, übernahm aber nicht wörtlich die erstinstanzliche Definition, sondern brachte ihr eigenes Verständnis der KunaracEntscheidung zum Ausdruck. Um ein sexuelles Verhalten als Vergewaltigung verurteilen zu können, sollten folgende Umstände vorliegen: (i) The sexual activity must be accompanied by force or threat of force to the victim or a third party; (ii) The sexual activity must be accompanied by force or a variety of other specified circumstances which made the victim particularly vulnerable or negated the ability to make an informed refusal; or (iii) The sexual activity must occur without the consent of the victim.990

Mit dieser Wortwahl wurden sowohl die objektiven Nötigungsmittel wie Gewalt und Drohung mit Gewalt, als auch die fehlende Zustimmung des Opfers zu alternativen Tatbestandsmerkmalen gemacht. Ähnlich wie die Kunarac-Berufungsentscheidung lässt sich keine absolut eindeutige Präferenz für entweder die Kunarac- oder die Furundzˇija-Definition ausmachen. Vielmehr wurde hier eine Kombinationslösung beider Definitionen der erstinstanzlichen Strafkammern des JStGH bevorzugt. In der anschließenden Berufung betonte jedoch die Berufungskammer, dass die erstinstanzliche Kammer die Kunarac-Definition angewandt habe, welche das fehlende Einverständnis des Opfers und nicht die Gewalt oder Drohung als Tatbestandsmerkmal festgelegt hatte. Diese Definition sei bereits zuvor durch die Berufungskammer bestätigt worden und entspreche internationalem Recht.991 kein freiwilliges Einverständnis möglich sei, ist somit zum Schutz der Rechte des Angeklagten unzulässig. Das fehlende Einverständnis – wenn man denn auf ein fehlendes Einverständnis abstellt – muss im Einzelfall überprüft werden und kann nicht einfach mit pauschalen Referenzen zu einem gewalttätigen Umfeld bejaht werden. 988 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 131. 989 Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-A & IT-96-23/1-A, 12.06.2002, Para. 132. 990 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 175–177. 991 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-A, 28.02.2005, Para. 395.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Ferner stimmte die Kammer mit der erstinstanzlichen Auslegung überein, dass der Umstand einer Gefangennahme grundsätzlich ein Einverständnis des Opfers zum sexuellen Kontakt ausschließe.992 Die Strafkammer im Stakic´-Fall schloss sich dieser Ansicht an. Die einzelnen Nötigungsmittel wie Gewalt oder Drohung mit Gewalt bewertete sie lediglich als Beweise eines fehlenden Einverständnisses des Opfers, aber nicht als Tatbestandsmerkmale: [F]orce or threat of force provide clear evidence of non-consent, but force is not an element per se of rape. [. . .] A narrow focus on force or threat of force could permit perpetrators to evade liability for sexual activity to which the other party had not consented by taking advantage of coercive circumstances without relying on physical force.993

Auch die Kammer im Brdjanin-Fall zitierte die Definition der Kunarac-Entscheidung.994 Sie fand die Auslegung der Berufungskammer überzeugend, dass Gewalt oder Drohung mit Gewalt klar beweisen, dass sich das Opfer nicht zur sexuellen Handlung einverstanden erklärt habe, aber dass sie keine Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung seien. Denn ein enger Fokus auf Gewalt oder Drohung mit Gewalt würde es dem Täter ermöglichen, bestehende Zwangsumstände zu nutzen, ohne selbst physische Gewalt anzuwenden, um sich so einer Verantwortung zu entziehen.995

992

Prosecutor v. Kvocˆka, IT-98-30/1-A, 28.02.2005, Para. 396. Prosecutor v. Stakic´, IT-97-24-T, 31.07.2003, Para. 754–756; nicht ganz eindeutig: Prosecutor v. Gacumbitsi, ICTR-2001-64-T, 17.06.2004, Para. 321: „any penetration of the victim’s vagina by the rapist with his genitals or with any object constitutes rape, although the definition of rape under Article 3(g) of the Statute is not limited to such acts alone.“ Diese Definition ist nicht besonders gelungen, weil sie keine vollständige abstrakte Definition der Vergewaltigung bietet. Weder alle sexuellen Tathandlungen noch die Art der Nötigung bzw. die fehlende Zustimmung wurden darin aufgeführt. Entscheidend ist vielmehr die Äußerung, dass die Kammer die Kunarac-Definition für ausschlaggebend hielt. Ferner: Prosecutor v. Nikolic´, IT-94-2-S, 18.12.2003, Para. 116: Auch im Fall Nikolic´ fehlte es im gemeinsamen Schuldbekenntnisabkommen zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten an einer vollständigen Definition der Vergewaltigung: Zwar wurde die sexuelle Tathandlung übereinstimmend mit den vorherigen Entscheidungen wiedergegeben, es fehlt aber an der Aufzählung von Nötigungsmitteln bzw. der fehlenden Zustimmung des Opfers: (1) the perpetrator committed a sexual penetration of the vagina or anus of the victim by his penis or any other object used by him, or; (2) the perpetrator committed a sexual penetration by the mouth of the victim by his penis; (3) the perpetrator intended to effectuate the sexual penetration of the victim; (4) the perpetrator intended the sexual penetration and knew that it was committed against the will of the victim. 994 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 1008. 995 Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 1009. 993

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

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Die Urteile in den Fällen Semanza, Kajelijeli und Kamuhanda des RStGH wichen von der früheren Akayesu/Musema-Vergewaltigungsdefinition ab und übernahmen die Definition der erstinstanzlichen Kunarac-Entscheidung.996 Interessant ist die Berufungsentscheidung im Gacumbitsi-Fall. Die Staatsanwaltschaft hatte Berufung gegen die Definition der Vergewaltigung eingelegt. Sie hielt das fehlende Einverständnis sowie den diesbezüglichen Vorsatz nicht für Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung, weil ein freiwilliges Einverständnis im Kontext mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord nicht gegeben werden könnte. Diese Situationen seien Zwangssituationen, welche ein fehlendes Einverständnis vermuten lassen. Dies führe dazu, dass die Staatsanwaltschaft nicht die Beweislast für ein fehlendes Einverständnis des Opfers trage. Die Zustimmung könne nur als ein Rechtfertigungsgrund betrachtet werden.997 Andere Verletzungen des Völkerstrafrechts wie Folter und Versklavung würden auch kein fehlendes Einverständnis voraussetzen. Die Staatsanwaltschaft argumentierte weiter, dass die Regel 96 (ii) das Einverständnis als Rechtfertigungsgrund behandle.998 Die Berufungskammer schloss sich jedoch der Argumentation der KunaracEntscheidung an. Sie wiederholte die Kunarac-Berufungsentscheidung dahingehend, dass die Kriegssituation oder die vorliegenden Rahmenbedingungen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den meisten Fällen Zwangsumstände für das Opfer schaffen und somit ein Einverständnis des Opfers von vornherein ausschließen.999 Dennoch seien das fehlende Einverständnis und der dazugehörige Vorsatz Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung, die von der Staatsanwaltschaft bewiesen werden müssen. Die Regel 96, welche das Einverständnis als Rechtfertigungsgrund nennt, könne nicht im technischen Sinne verstanden werden, sondern bestimme nur, unter welchen Umständen ein Einverständnis in den Prozess zulässig eingebracht werden könne. Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass in den nationalen Rechtsprechungen ein fehlendes Einverständnis ein Tatbestandsmerkmal und kein Rechtfertigungsgrund sei.1000 Die Staatsanwaltschaft könne ein fehlendes Einverständnis durch das Vorliegen von Zwangsumständen nachweisen, unter welchen das Opfer unmöglich freiwillig sein Einverständnis gegeben haben kann. Es sei allerdings nicht notwendig, dass die Staatsanwaltschaft Beweise bzgl. der Worte oder des Verhaltens des Opfers oder zur Beziehung des Opfers zum Täter oder aber zur Gewaltanwendung vorlege. Die Kammer könne 996 Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05.2003, Para. 344–346; Prosecutor v. Kajelijeli, ICTR-98-44A-T, 01.12.2003, Para. 910–916; Prosecutor v. Kamuhanda, ICTR-95-54A-T, 22.01.2004, Para. 705–710. 997 Gacumbitsi v. the Prosecutor, ICTR-2001-64-A, 07.07.2006, Para. 147–148. 998 Gacumbitsi v. the Prosecutor, ICTR-2001-64-A, 07.07.2006, Para. 149–150. 999 Gacumbitsi v. the Prosecutor, ICTR-2001-64-A, 07.07.2006, Para. 151. 1000 Gacumbitsi v. the Prosecutor, ICTR-2001-64-A, 07.07.2006, Para. 151–154.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

ein fehlendes Einverständnis vielmehr aus den Tatumständen wie z. B. einer gegenwärtigen Völkermordkampagne oder der Inhaftierung des Opfers herleiten.1001 Der Angeklagte sei ferner aus Gründen des Opferschutzes in seiner Verteidigung hinsichtlich des Vorbringens von Zweifeln an einem fehlenden Einverständnis eingeschränkt. Beweise zu einem Einverständnis des Opfers sind nach Regel 96 (ii) nicht zulässig, wenn das Opfer oder eine dritte Person bedroht wurde oder es/sie Gründe hatte, Gewalt, Zwang, Inhaftierung oder psychischen Druck zu befürchten. Selbst wenn Beweise eines Einverständnisses in das Verfahren eingebracht werden dürfen, könne die Kammer diese unbeachtet lassen, wenn sie unter den vorliegenden Umständen von einem unfreiwilligen Einverständnis ausgehe.1002 Die Kenntnis (Vorsatz) des Täters, dass das Opfer zu der Handlung nicht eingewilligt hat, könne dadurch bewiesen werden, dass dem Täter bewusst war oder er Gründe hatte, zu wissen, dass Zwangsumstände vorlagen, welche die Möglichkeit eines freiwilligen Einverständnisses unterbinden.1003 Mit diesen Ausführungen hat sich die Berufungskammer des RStGH ganz klar für das Tatbestandsmerkmal des fehlenden Einverständnisses ausgesprochen und Nötigungsmittel sowie Zwangssituationen zu Beweismitteln für ein fehlendes Einverständnis herabgestuft. 2005 wandte sich die Kammer im Muhimana-Fall erneut der Akayesu-Definition zu. Sie fand, dass die Akayesu-Definition nicht mit der Kunarac-Definition unvereinbar sei. Die zweite Definition ergänze lediglich die Erste durch weitere Details. Wo die Akayesu-Definition von einer physischen Invasion sexueller Natur spreche, formuliere die Kunarac-Definition die Merkmale, die die Invasion sexueller Natur wiedergeben. Die Kammer übernahm im Ergebnis die AkayesuDefinition, welche nach ihrer Ansicht die Elemente der Kunarac-Definition miterfasse.1004 Mit anderen Worten, die Kunarac-Definition sei in der allgemeinen Akayesu-Definition integriert. Das nächste Urteil des Ruanda-Tribunals gegen den Angeklagten Muvunyi wiederholte die Kombinationslösung der Muhimana-Kammer. Auch sie fand, dass die Akayesu- und die Kunarac-Definition eigentlich gar nicht so weit auseinander gelegen hätten. Die eine Kammer habe eine weite Definition bevorzugt (physisches Eindringen), während die andere Kammer genaue Tatbestandsmerkmale zur Umschreibung des Eindringens festgelegt habe. Beide Definitionen hätten aber den Schutz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts des Opfers bezweckt und seien daher nicht inkompatibel. Deshalb sah die Muvunyi-Kammer das fehlende Einverständnis des Opfers als wesentliches Element der Vergewaltigung an. Ferner bewiesen Zwangsumstände ein fehlendes Einverständnis. Obwohl die 1001 1002 1003 1004

Gacumbitsi v. the Prosecutor, ICTR-2001-64-A, 07.07.2006, Para. 155. Gacumbitsi v. the Prosecutor, ICTR-2001-64-A, 07.07.2006, Para. 156. Gacumbitsi v. the Prosecutor, ICTR-2001-64-A, 07.07.2006, Para. 157. Prosecutor v. Muhimana, ICTR-95-1B-T, 28.04.2005, Para. 534–551.

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

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Muvunyi-Kammer ebenfalls meinte, dass die Akayesu-Definition die KunaracTatbestandsmerkmale einschließe1005, zog sie es aber vor, den Tatbestand ähnlich der Kunarac-Definition auszuformulieren: Rape exists whenever there is sexual penetration of the vagina, anus or mouth of the victim, by the penis of the perpetrator or some other object under circumstances where the victim did not agree to the sexual act or was otherwise not a willing participant to it. The mens rea consists of the intent of the perpetrator to effect such sexual penetration with knowledge that it occurs without the consent of the victim.1006

Inzwischen haben sich aber weitere Urteile beider Tribunale zweifelsfrei der Kunarac-Definition zugewandt.1007 Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale ein relativ einheitliches Bild hinsichtlich des ersten Teils der Definition, der sexuellen Handlung, zeichnen. Die Tathandlung umfasst den vaginalen, analen sowie oralen Geschlechtsverkehr („Fellatio“, aber nicht den „Cunnilingus“) sowie die Einführung von Objekten (aber nach dem Wortlaut zumindest nicht die Einführung von anderen Körperteilen1008) in die Vagina oder den Anus. Andere degradierende Angriffe auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht, die nicht mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (z. B. die Fäkalerotik), wurden mit dieser abschließenden Aufzählung von möglichen Tathandlungen eindeutig aus dem Vergewaltigungsbegriff ausgenommen. Problematisch war zu Beginn der Prozesse noch die Einordnung des Oralverkehrs als Vergewaltigung. Die Furundzˇija-Kammer hatte den Oralverkehr nicht nach dem Grundtatbestand der sexuellen Nötigung, sondern nach der Qualifikation der Vergewaltigung verurteilt, obwohl die Rechtsvergleichung zum Tatzeitpunkt ein eher zwiespältiges Bild zu dieser Rechtsfrage abgegeben hatte. Die Einteilung des Oralverkehrs als Vergewaltigung wurde jedoch von keiner anderen Kammer bezweifelt. Obgleich die Furundzˇija-Kammer in der Sache richtig lag, den Oralverkehr als Vergewaltigung und nicht als sexuelle Nötigung zu behandeln, ist die Kammer jedoch dafür zu kritisieren, dass sie die Strafe der sexuellen Nötigung anwandte. Dadurch berücksichtigte sie nur den Grundsatz „nulla poena 1005

Prosecutor v. Muvunyi, ICTR-2000-55A-T, 12.09.2006, Para. 520–521. Prosecutor v. Muvunyi, ICTR-2000-55A-T, 12.09.2006, Para. 522. 1007 Prosecutor v. Zelenovic ´ , IT-96-23/2-S, 04.04.2007, Para. 36; Prosecutor v. Haradinaj, IT-04-84-T, 03.04.2008, Para. 129–130; Prosecutor v. Bagosora, ITCR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2199–2200; Prosecutor v. Milutinovic´, IT-05-87-T, 26.02.2009, Para. 203; Prosecutor v. Renzaho, ICTR-97-31-T, 14.07.2009, Para. 791–792; Prosecutor v. Dordevic´, IT-05-87/1-T, 23.02.2011, Para. 1766; Prosecutor v. Ndindiliyimana et al., ICTR-2000-56-T, 17.05.2011, Para. 2121; Prosecutor v. Nyiramasuhuko et al., ICTR98-42-T, 24.06.2011, Para. 6075. 1008 Es ist theoretisch denkbar, andere Körperteile als den Penis (Finger, Hand, Zunge) unter dem Begriff Objekt zu subsumieren. Allerdings existierte kein Fall vor den Gerichten, der das Einführen eines anderen Körperteils als den Penis zum Verfahrensgegenstand hatte. 1006

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

sine lege“ und nicht den fraglichen Grundsatz „nullum crimen sine lege“. Damit nahm sie dem Delikt die Schwere, die es gerade zuvor durch die Einordnung als Vergewaltigung bestätigt hatte. Die physischen und psychischen Verletzungen, die durch den erzwungenen Oralverkehr im bewaffneten Konflikt1009 hervorgerufen werden, können genauso schwerwiegend sein wie die durch den Vaginal- und Analverkehr verursachten Auswirkungen und rechtfertigen hauptsächlich aus diesem Grund eine Bestrafung als Vergewaltigung auf internationaler Ebene.1010 Die bezweckte Erniedrigung des Opfers durch diese Behandlung, meist durch mehrere Täter und öffentlich, lässt keinen Unterschied weder bei den Auswirkungen auf der Opferseite, noch bei der Intention des Täters zu den anderen sexuellen Penetrationen erkennen. Ebenso wird bei der Analyse des nationalen Rechts deutlich, dass viele Gesetzgebungen sich in einem Umbruch befanden. Das Gericht musste zwar die Rechtsprechung und Gesetzgebung der Zeit anwenden, die zur Tatbegehung galten. Viele Gesetzgebungen hatten aber inzwischen sexuelle Gewalt neu definiert und den erzwungenen Oralverkehr als Vergewaltigung normiert, andere lagen noch im Rückstand. Dies deutete eine neue Bewertung der Sexualtaten in der internationalen Gemeinschaft und damit des erzwungenen Oralverkehrs an. Die Fehlvorstellungen über die Auswirkungen des erzwungenen Oralverkehrs wurden langsam auf nationaler Ebene korrigiert. Besonders die gewaltgeprägte Situation im Krieg, die meist zu schwerwiegenderen Tatausführungen verleitet, weil es an Recht und Ordnung fehlt, rechtfertigte hier den Strafrechtssystemen, die bereits zur Tatbegehung den Oralverkehr als Vergewaltigung einordneten, zu folgen. Die Kammer verwies in dieser Hinsicht zu Recht darauf, dass es sich nicht um einen erzwungenen Oralverkehr an sich handelte, sondern um ein Sexualverbrechen in Form eines Verbrechen gegen die Menschlichkeit bzw. eines Kriegsverbrechens. Zur ansonsten homogenen Rechtsprechung hinsichtlich der Tathandlung stellt nur die anfängliche Akayesu-Definition eine Ausnahme dar. Die Akayesu-Entscheidung hatte eine mechanische Definition anhand von Körperteilen und Körperöffnungen abgelehnt. Sie wurde lediglich in drei folgenden Fällen Mucic´, Musema und Niyitegeka übernommen, jedoch hatten sich die Kammern nicht mit der vorgegebenen Definition auseinandergesetzt. Ansonsten wurde sie von allen nachfolgenden Strafkammern als zu unbestimmt übergangen. Allein die Kammern in den Fällen Muhimana und Muvunyi versuchten der Akayesu-Definition erneute Beachtung zu schenken, indem sie fanden, dass die Kunarac-Definition in der Akayesu-Definition enthalten sei. Letztlich wandten sie aber die Tatbe-

1009 Allen, Rape Warfare, S. 79: Frauen leiden aufgrund des erzwungenen Oralverkehrs unter schweren Halsirritationen. Sie werden besonders in Lagern über Tage, Wochen oder Monate gewürgt, um sie zu zwingen, den Täter oral zu befriedigen sowie Sperma und Urin zu schlucken. 1010 McDonald, Nemesis 15, 1999, S. 81.

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standselemente der Kunarac-Definition an, wenn auch im Muvunyi-Fall in etwas abgewandelter Form. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die beiden Kammern im Muhimana- und Muvunyi-Verfahren es überhaupt für notwendig hielten, sich auf die Akayesu-Definition zu beziehen. Dass der Akayesu-Tatbestand den Kunarac-Tatbestand in sich aufnimmt, ergibt sich daraus, dass der erste Tatbestand schlichtweg so weit gestaltet ist, dass er quasi jedes sexuelle Verhalten erfasst, so auch das Verhalten, dass mit den Tatbestandsmerkmalen der Kunarac-Definition umschrieben wird. Dies ist gerade ein Argument, die ungenaue Definition zu verwerfen, wie es fast alle nachfolgenden Kammern beider Tribunale getan haben. Hinzu kommt, dass die Kunarac-Definition auf der Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze der wichtigsten Strafrechtssysteme beruht, während die Akayesu-Definition die Rechtsquelle des nationalen Rechts kategorisch abgelehnt hatte. Stattdessen hatte sie sich an der Systematik der VN-Folterkonvention orientiert, einem völkerrechtlichen Instrument der Menschenrechte. Dies war insofern keine legitime Methode, weil sie aus dem Menschenrechtsschutz vor Folter keine Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung, sondern lediglich das Konzept herleiten konnte, einen Tatbestand ohne konkrete Tathandlungen zu formulieren und die Einschränkung möglicher Verhaltensweisen mittels des Zwecks der Handlung vorzunehmen. Die Vergewaltigung war jedoch in keinem völkerrechtlichen Instrument nach diesem Konzept behandelt worden. Vielmehr ist aufgrund der nationalen Strafgesetze und Rechtsprechungen bekannt, nur ganz konkrete Tathandlungen als Vergewaltigung anzuerkennen, während alle andere sexuellen Handlungen meist unter dem Grundtatbestand der sexuellen Nötigung aufgefangen werden. Auf eine Zielsetzung des Täters kam es bisher nie an. Auch die Akayesu-Definition bestimmte keine Zwecke als Tatbestandsvoraussetzung, sondern fand nur, dass die Vergewaltigung meist aus denselben Gründen begangen würde wie die Folter. Damit hatte die Akayesu-Kammer weder das Konzept der VN-Folterkonvention übernommen, noch die Formulierung der „Invasion sexueller Natur“ aus dem Völkervertragsrecht oder dem Völkergewohnheitsrecht hergeleitet, sondern im Grunde selbst erfunden. Ein Anlass, auf die weite Akayesu-Definition zurückzugreifen, ergibt sich auch nicht daraus, dass in einem Fall eine Vergewaltigung aufgrund der möglicherweise zu eng gefassten Kunarac-Definition nicht hätte verurteilt werden können. Indem die Kammern die Akayesu- und die KunaracDefinition nicht als zwei verschiedene, sondern als übereinstimmende Tatbestände bewerteten, versuchten sie wohl schlichtweg ein homogenes Bild der Rechtsprechung zur Vergewaltigung zu zeichnen. Der Akayesu-Tatbestand stellt aber eine Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes und damit einen gravierenden Rückschritt in der Festlegung des Tatbestands der Vergewaltigung dar.1011 1011 A. A.: Cole, ICLR 8, 2008, S. 57 f., 74 ff.; Haffajee, Harv. J.L. & Gender 29, 2006, S. 210 f., die die weite Akayesu/Muhimana-Vergewaltigungsdefinition unter den

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Noch weniger verständlich ist die neue Wortwahl der Muvunyi-Kammer. Sie führt nur zu Missverständnissen. Nach dieser Definition ist auch die Einführung von Objekten in den Mund des Opfers strafbar, was mit Sicherheit nicht von der Kammer beabsichtigt war, weil sie keine mit den anderen Handlungen vergleichbar schwere Beeinträchtigung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts darstellt. Auch erscheint es wenig sinnvoll den juristischen Begriff des „fehlenden Einverständnisses“ („consent“) gegen einen juristisch unbekannten Ausdruck des „Nicht-Zustimmens“ oder des „nicht wollenden Teilnehmers“ („to not agree, not a willing participant“) zu ersetzen. Die Definition muss daher als misslungen bezeichnet werden. Letztlich wurde die Akayesu-Definition nicht erneut bestätigt. Im Fall Hategekima erwähnte die Kammer zwar die Definition der Akayesu-Entscheidung als etablierte Rechtsprechung des RStGH, stellte aber klar, dass die Kunarac-Definition die wirklichen Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung enthalte.1012 Es besteht insofern Einigkeit, dass die Kunarac-Definition den Tatbestand der Vergewaltigung verkörpert, so dass den Äußerungen der Kammern in den Muhimana- und Muvunyi-Fällen keine Bedeutung hinsichtlich einer Änderung der Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung zukommt. Aus der Umschreibung der Tathandlung kann gefolgert werden, dass der Täter des vaginalen, analen und oralen Geschlechtsverkehrs nur ein Mann sein kann, weil der Täter die Penetration mit seinem Penis vollzogen haben muss. Damit wurde die Möglichkeit ausgeschlossen, dass eine Frau der Täter sein kann, indem sie einen Mann zur Penetration ihres Körpers zwingt. Dem Wortlaut der Definition steht allerdings nicht entgegen anzunehmen, dass der Täter bei der Einführung von Objekten in die Vagina und den Anus sowohl ein Mann als auch eine Frau sein kann, weil eine Frau genauso wie ein Mann die Einführung von Objekten in die Vagina einer anderen Frau oder den Anus einer Frau oder eines Mannes bewirken kann. Diese Bewertung der Tatumschreibung bedeutet weiterhin, dass als mögliches Opfer dieser Tathandlung sowohl ein Mann als auch eine Frau in Betracht kommen. Ferner kann das Opfer aufgrund seiner Anatomie beim analen und oralen Geschlechtsverkehr auch ein Mann sein (homosexuelle Handlung).

Rahmenbedingungen von Kriegs-, Menschlichkeitsverbrechen und Völkermord für angemessener halten. 1012 Prosecutor v. Hategekimana, ICTR-2000-55B-T, 06.12.2010, Para. 723 f.: „According to the Tribunal’s established jurisprudence, rape is a ,physical invasion of a sexual nature, committed on a person under circumstances which are coercive.‘ In Kunarac, the Appeals Chamber articulated the parameters of what would constitute a ,physical invasion of a sexual nature‘. The Kunarac Appeals Chamber observed that circumstances that prevail in most cases charged as crimes against humanity will be almost universally coercive, thus vitiating consent.“ So auch die Berufungskammer in: Hategekimana v. Prosecutor, ICTR-2000-55B-A, 08.05.2012, Para. 160.

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

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Problematisch ist nur der zweite Teil der Definition, der sich der Willensbeeinträchtigung des Opfers annimmt. Es hat sich herausgestellt, dass entweder die Möglichkeit besteht, die Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung des Opfers durch Nötigungsmittel wie Gewalt, Drohung mit Gewalt und sonstigen Zwang oder aber durch ein den inneren Willenszustand des Opfers umschreibendes Element wie das fehlende Einverständnis zum Ausdruck zu bringen. Als die letztlich entscheidende Definition der Vergewaltigung beider Ad-hoc-Tribunale ist die Kunarac-Definition anzusehen. Zum einen, weil die Berufungskammer diese Definition mehrfach bestätigt hat und die Berufungskammer in der Hierarchie der Gerichtsstruktur des JStGH die höchste Instanz darstellt und daher eine Bindungswirkung für alle erstinstanzlichen Strafkammern entfaltet. Zum anderen wurde die Kunarac-Entscheidung von allen nachfolgenden Strafkammern widerspruchslos übernommen bzw. als in der Akayesu-Definition mit enthalten angewandt. Gerade die vor kurzem ergangene Entscheidung der Berufungskammer im Gacumbitsi-Fall sprach sich ganz klar für das fehlende Einverständnis aus. Die Kammer sah einen besseren Opferschutz darin, nicht die objektiven Zwangsumstände zu definieren, sondern auf die subjektive Opferperspektive abzustellen, um auf diese Weise keine Form der Willensbeeinträchtigung des Opfers und damit keine Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts zu übersehen. Dies wird daran deutlich, dass die Kammer ein Einverständnis des Opfers von vornherein ausschließt, wenn die Umstände eines Krieges vorliegen, weitreichende oder systematische Verbrechen begangen werden oder, wenn sich das Opfer in Gefangenschaft befindet. Ferner hob die Kammer den Opferschutz im Prozess hervor, wonach nur unter bestimmten Voraussetzungen Beweise eines Einverständnisses in den Prozess eingebracht werden können. Das fehlende Einverständnis ist auch nicht mehr wie früher anhand des Vorlebens des Opfers, seiner Beziehung zum Täter oder seiner Gegenwehr zu beweisen. Vielmehr kommt es auf die Betätigung des freien Opferwillens an, welcher anhand der Tatumstände zu interpretieren ist. Das Opfer kann seine Zustimmung nicht freiwillig gegeben haben, wenn am Opfer oder einer dritten Person Gewalt angewandt wurde, das Opfer oder eine dritte Person mit Gewalt bedroht wurde oder das Opfer einen körperlichen oder psychischen Zwang auf seine Willensfreiheit verspürte. Dieser Zwang kann sich aus einer Gefangenschaft, Kriegssituation, Völkermordkampagne oder massenhaften und/oder systematischen Menschenrechtsverletzungen ergeben. Die heute von beiden Ad-hoc-Tribunalen anzuwendenden objektiven Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung lauten daher: (i) The sexual penetration, however slight: (a) of the vagina or anus of the victim by the penis of the perpetrator or any other object used by the perpetrator; or (b) of the mouth of the victim by the penis of the perpetrator;

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

(ii) where such sexual penetration occurs without the consent of the victim. Consent for this purpose must be given voluntarily, as a result of the victim’s free will, assessed in the context of the surrounding circumstances.

In den anfänglichen Urteilen fehlt eine Auseinandersetzung mit dem subjektiven Tatbestand der Vergewaltigung völlig. Dies mag daran liegen, dass beide Adhoc-Tribunale generell einen Vorsatz (mens rea) zu jeder Einzeltat, d. h. ein Wissen und Wollen der objektiven Tatbestandsmerkmale voraussetzen und damit auf eine zusätzliche Erwähnung im Tatbestand verzichten. Die späteren Urteile definieren aber dann doch den subjektiven Tatbestand der Vergewaltigung einheitlich wie folgt: The mens rea for rape is the intention to effect the prohibited sexual penetration with the knowledge that it occurs without the consent of the victim.1013

Der Täter muss somit die sexuelle Penetration gewollt und die Kenntnis gehabt haben, dass das Opfer der sexuellen Handlung nicht zugestimmt hat. Ob nun auch hinsichtlich des Tatumstands des fehlenden Einverständnisses ein direkter Vorsatz („dolus directus“ 2. Grades) verlangt wird, was die Wortwahl „Kenntnis“ („knowledge“) suggeriert, mag zweifelhaft sein. Denn die staatlichen Rechtsordnungen, welche nun einmal die Rechtsquelle dieser Definition sind, setzen grundsätzlich nur einen bedingten Vorsatz ( „recklessness“) voraus. Da sich die Ad-hoc-Gerichte nicht mit dieser Rechtsfrage auseinandersetzen mussten, bleibt die Rechtsprechung eine Antwort schuldig. 2. Verbrechenselemente des IStGH Ein weiteres Indiz dafür, wie die Vergewaltigung im Völkerstrafrecht definiert werden sollte, kann den Verbrechenselementen („Elements of Crimes“)1014 ent-

1013 Prosecutor v. Kvoc ˆka, IT-98-30/1-T, 02.11.2001, Para. 179; Prosecutor v. Nikolic´, IT-94-2-S, 18.12.2003, Para. 113: „. . . (3) the perpetrator intended to effectuate the sexual penetration of the victim; (4) the perpetrator intended the sexual penetration and knew that it was committed against the will of the victim;“ Prosecutor v. Kamuhanda, ICTR-95-54A-T, 22.01.2004, Para. 709; Prosecutor v. Semanza, ICTR-97-20-T, 15.05. 2003, Para. 346; Prosecutor v. Muvunyi, ICTR-2000-55A-T, 12.09.2006, Para. 522; Prosecutor v. Zelenovic´, IT-96-23/2-S, 04.04.2007, Para. 36; Prosecutor v. Haradinaj, IT04-84-T, 03.04.2008, Para. 130; Prosecutor v. Bagosora, ITCR-98-41-T, 18.12.2008, Para. 2200; Prosecutor v. Milutinovic´, IT-05-87-T, 26.02.2009, Para. 203; Prosecutor v. Renzaho, ICTR-97-31-T, 14.07.2009, Para. 792; Prosecutor v. Hategekimana, ICTR2000-55B-T, 06.12.2010; Prosecutor v. Ndindiliyimana et al., ICTR-2000-56-T, 17.05. 2011, Para. 2122; Prosecutor v. Nyiramasuhuko et al., ICTR-98-42-T, 24.06.2011, Para. 6075. 1014 Elements of Crimes, adopted by the Preparatory Commission for the ICC on 30.6.2000, UN-DOC. PCNICC/2000/1/Add.2; einsehbar auf: www.icc-cpi.int. Vgl. auch: Politi, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 443 f. Die EOC wurden im August 2002 von der Staatenversammlung des IStGH angenommen.

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

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nommen werden, die dem IStGH als Auslegungshilfe bereitgestellt wurden.1015 Das Dokument beginnt mit einer allgemeinen Einführung, die auf alle Verbrechenselemente gleichmäßige Anwendung findet. Darin wird unter anderem das Verhältnis des objektiven zum subjektiven Tatbestand (Art. 30 IStGH-Statut) angesprochen. Den Verbrechenselementen jedes Verbrechens geht eine spezielle Einführung voraus, die eine weitere Interpretationshilfe zu den subjektiven Anforderungen des einzelnen Rahmenverbrechens enthält. Daraufhin folgen die einzelnen Verbrechenselemente in der Reihenfolge der Verbrechen gemäß Art. 6, 7 und 8 IStGH-Statut. Manchmal sind die Verbrechenselemente durch Fußnoten weiter erläutert.1016 Die Verbrechenselemente der Vergewaltigung wurden für das internationale und nationale Kriegsverbrechen sowie das Verbrechen gegen die Menschlichkeit einheitlich bestimmt.1017 Ebenfalls ist diese Definition auf andere Straftaten wie z. B. die Folter oder eine der Tatalternativen des Völkermords oder der schweren Verletzungen der Genfer Konventionen anzuwenden, wenn die Vergewaltigung die Tathandlung dieser Straftaten darstellt. Es bestand kein Anlass, die Vergewaltigung abweichend zu definieren, wenn sie die Tathandlung einer anderen Straftat darstellt.1018 Die Verbrechenselemente der Vergewaltigung sind gemäß Art. 7 (1) (g)-1; Art. 8 (2) (b) (xxii)-1; Art. 8 (2) (e) (vi)-1 EOC folgendermaßen gefasst1019:

1015 Vgl. zur Entstehungsgeschichte und der juristischen Bedeutung der EOC die obigen Ausführungen in: Fn. 495, 496; Politi, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 445 ff. 1016 Hebel/Kelt, YIHL 3, 2000, S. 276; Politi, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 448 ff.; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 61 ff.; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 16 ff.; Lee-Kelt/von Hebel, EOC-Commentary, S. 24 ff. 1017 Lee-La Haye, EOC-Commentary, S. 186; Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOCCommentary, S. 327. 1018 In der Einführung (Para. 9) zu den EOC ist festgehalten, dass Vergewaltigung auch zu anderen Verbrechen des Statuts aufsteigen kann wie Völkermord, Folter oder eine schwere Verletzung der GA. Ebenfalls ist in der Fußnote zum Völkermord, 2. Alternative, erklärt, dass die Vergewaltigung die Tathandlung erfüllen kann. Vgl. Boon, CHRLR 32, 2001, S. 636. 1019 Übersetzung ins Deutsche aus: Ambos, Internationales Strafrecht, S. 242, Rn. 210. Englische Version: 1. The perpetrator invaded1 the body of a person by conduct resulting in the penetration, however slight, of any part of the body of the victim or of the perpetrator with a sexual organ, or of the anal or genital opening of the victim with any object or any other part of the body. 2. The invasion was committed by force, or by threat of force or coercion, such as that caused by fear of violence, duress, detention, psychological oppression or abuse of power, against such person or another person, or by taking advantage of a coercive

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

1. Der Täter drang1 in den Körper der Person mittels eines Verhaltens ein, das zu einer – wie auch immer leichten – Penetration eines Körperteils des Opfers oder des Täters mit einem Sexualorgan, oder der analen oder genitalen (Körper)Öffnung des Opfers mit irgendeinem Gegenstand oder einem anderen Körperteil führte. 2. Das Eindringen geschah durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt oder Zwang, hervorgerufen etwa durch Angst vor Gewalt, Zwang, Inhaftierung, psychologischer Unterdrückung oder Machtmissbrauch, gegen die Person oder eine andere Person, oder unter Ausnutzung einer von Zwang geprägten Umgebung oder das Eindringen wurde gegen eine Person begangen, die nicht im Stande war, eine echte Zustimmung zu erteilen.2 Fn. 1: „Eindringen“ ist geschlechtsneutral zu verstehen. Fn. 2: Auf Grund natürlicher Umstände oder einer altersbedingten Unfähigkeit.

Die Ausarbeitung der EOC zu den Sexualstraftaten nahm erhebliche Zeit in Anspruch. Dabei haben die zuvor erörterten Vergewaltigungsdefinitionen der Ad-hoc-Tribunale großen Einfluss auf die jetzige EOC-Definition ausgeübt. Ferner haben sich in den Verhandlungen die Vorschläge der Schweiz und der USA sowie die Anregungen der NGO des Caucus for Gender Justice hervorgetan.1020 Sowohl der amerikanische als auch der Schweizer Vorschlag unterteilten die Vergewaltigung in zwei objektive Tatbestandselemente: erstens die Penetration des Opfers und zweitens den auf das Opfer ausgeübten Zwang. Diese Zweiteilung wurde der Rechtsprechung der Tribunale (Akayesu, Furundzˇija und Mucic´) entnommen.1021 Allein die arabischen Staaten wollten ein drittes Element in den Tatbestand aufgenommen sehen: „Nothing in these elements shall affect natural and legal marital sexual relations in accordance with religious practices or cultural norms in different national laws.“ Dieser Vorschlag konnte jedoch keine Unterstützung in der Weltgemeinschaft finden, spiegelt aber die großen Unterschiede in den Ansichten der beteiligten Staaten über sexuelle Gewalt wieder.1022 environment, or the invasion was committed against a person incapable of giving genuine consent.2 1

The concept of „invasion“ is intended to be broad enough to be gender-neutral. It is understood that a person may be incapable of giving genuine consent if affected by natural, induced or age-related incapacity. This footnote also applies to the corresponding elements of article 7 (1) (g)-3, 5, 6; Art. 8 (2) (b) (xxii)-3, 5, 6; Art. 8 (2) (e) (vi)-3, 5, 6. 1020 Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 185 m.w. N.; Dörmann/Doswald-Beck/ Kolb, EOC-Commentary, S. 327; Grewal, JICJ 10, 2012, S. 376. 1021 Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 187; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/ Lüder, International and National Prosecution, S. 82; Boon, CHRLR 32, 2001, S. 644 f. 1022 Boon, CHRLR 32, 2001, S. 638. 2

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

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Im ersten Absatz des Vergewaltigungstatbestands sind die Tathandlung, der Täter und das Opfer festgelegt. Im zweiten Absatz befindet sich die Umschreibung der möglichen Maßnahmen oder Umstände, die zu einer Willensbeeinträchtigung des Opfers führen können. a) Tathandlung Die Tathandlung umfasst jede Invasion des Körpers des Opfers oder des Täters mit einem Sexualorgan sowie die Penetration des Anus und der Genitalien des Opfers mit einem Gegenstand oder einem anderen Körperteil. Damit wurde der vaginale und anale Geschlechtsverkehr, Fellatio, Cunnilingus, die Einführung des Penis in andere Körperöffnungen als die Vagina, Anus oder Mund sowie die Einführung von Gegenständen oder anderen Körperteilen (wie Finger) in die analen oder genitalen Körperöffnungen kriminalisiert.1023 Zwar ist die Wortwahl „jede Invasion des Körpers“ recht weitgehend ausgefallen, weil darunter auch Körperöffnungen wie der Gehörgang oder Nasenlöcher verstanden werden könnten. Da aber ein Eindringen in eine Körperöffnung mit einem Sexualorgan, also dem Penis, vorausgesetzt wird, kommen diese Körperöffnungen von vornherein nicht in Betracht. Aufgrund ihrer Größe können sie unmöglich mit einem Geschlechtsorgan penetriert werden. Der von den Tribunalen angewandte Tatbestand war dagegen noch enger gefasst. Er stellte weder den Cunnilingus noch die Einführung von anderen Körperteilen als dem Penis in die analen oder vaginalen Körperöffnungen unter Strafe. Nach dem EOC-Tatbestand können allerdings andere besonders erniedrigende Sexualpraktiken, die hier nicht aufgezählt sind (Fäkalerotik, Urinieren, Ejakulieren auf das Opfer), ebenfalls nicht als Vergewaltigung verurteilt werden. Ein weiterer Unterschied fällt bei der Umschreibung des Eindringens in den Körper auf. Die Strafkammern der Ad-hoc-Tribunale sprachen allein von einer Penetration, während die EOC das Eindringen in den Körper als Invasion bezeichnen, welche zur Penetration führt. Das Wort „Invasion“ wirkt geschlechtsneutraler. Viele Delegierte bevorzugten diesen Ausdruck, weil sowohl Mann als auch Frau als potentielles Opfer in Betracht kommen. Dies wurde ausdrücklich in Fußnote 50 sowie durch die Worte im ersten Absatz „any part of the body of the victim or the perpetrator“ bestimmt. Danach kann auch das Opfer gezwungen werden, den Täter zu penetrieren.1024 Ein weiterer Vorteil des Begriffs „Invasion“ ist, dass er die Handlung aus der Opferperspektive schildert, während der Begriff „Penetration“ die Handlung aus der Täterperspektive wiedergibt. Außerdem trage 1023 Boon, CHRLR 32, 2001, S. 646–648; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 82; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 189. 1024 Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 188; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/ Lüder, International and National Prosecution, S. 83; Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOC-Commentary, S. 327; Hansen-Young, CJIL 6, 2005, S. 488.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

der Begriff „Invasion“ dem Umstand Rechnung, dass Vergewaltigungen im Krieg oft staatsverstärkte Gewalt und nicht einen einfachen privaten Gewaltakt verkörpern.1025 Meist geschehen diese Vergewaltigungen als Teil eines Angriffs auf die gesamte Bevölkerungsgruppe, werden also aus politischen bzw. militärischen Gründen eingesetzt (wie z. B. in Ex-Jugoslawien zur ethnischen Säuberung). Das Wort „Invasion“ hebt insofern den in der einzelnen Schadenszufügung enthaltenen Aspekt der Aggression gegenüber einer Gruppe hervor. Andere Staatsdelegierte wollten jedoch an dem Begriff der Penetration festhalten, weil er bereits aus der Rechtsprechung der Tribunale bekannt war. So einigte man sich auf den Kompromiss sowohl das Wort Invasion als auch Penetration in die Definition mit aufzunehmen („invasion resulting in penetration“). Letztlich hat die Umbenennung der Penetration in Invasion jedoch zu keiner anderen Auslegung der Tathandlung geführt. Gemeint ist das Eindringen in den Körper. b) Täter/Opfer Neu ist der geschlechtsneutrale Ansatz, der zum einen in der Fußnote 1 niedergelegt wurde, zum anderen auch in der Definition selbst zum Ausdruck kommt, welche die Penetration sowohl des Opfers als auch des Täters nennt. Dadurch kann nun auch eine Frau Täter der Vergewaltigung sein, indem sie die Penetration mit dem Geschlechtsorgan des männlichen Opfers oder einem sonstigen Körperteil in ihren Körper bewirkt. Die Definition der Ad-hoc-Tribunale sah eine solche Täterstellung der Frau nicht vor.1026 Dies mag daran gelegen haben, dass solche Fälle eher selten in der Praxis vorkommen und die Strafkammern sich nicht mit einer solchen Konstellation konfrontiert sahen. Gleichwohl ist es aber biologisch möglich, dass eine Frau einen Mann zur Penetration zwingt. Dies fordert eine tatbestandsmäßige Erfassung auch dieser Handlung. Je mehr Frauen in Machtpositionen vordringen bzw. ins Militär aufgenommen werden, desto wahrscheinlicher wird es, dass auch Frauen zukünftig die Täterrolle übernehmen und nicht nur Opfer der Vergewaltigung sein werden.1027 Somit kann sowohl der Täter als auch das Opfer der Vergewaltigung jeden Geschlechts sein. c) Zwangselement Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung sind nach Absatz 2 die Gewalt, die Drohung mit Gewalt und der Zwang. Der Zwang wurde mittels Beispielen näher 1025

Boon, CHRLR 32, 2001, S. 648 f. Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 188; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/ Lüder, International and National Prosecution, S. 83; Dörmann/Doswald-Beck/Kolb, EOC-Commentary, S. 327; Boon, CHRLR 32, 2001, S. 648. 1027 Dafür sprechen bereits die Vorfälle im Abu Ghraib Gefängnis in Irak, bei denen weibliche Soldaten männliche Gefangene sexuell misshandelt haben. Siehe auch: Engle, AJIL 99, 2005, S. 812. 1026

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

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bestimmt.1028 Danach wird die Invasion mittels Zwang begangen, wenn das Opfer oder ein Dritter Gewalt fürchtet, sich in einer Notsituation, im Gefängnis, unter psychologischem Druck befindet oder ein Machtmissbrauch vorliegt. Der Ausübung von Zwang wurde das Ausnutzen einer Zwangsumgebung gleichgesetzt. Der Zwang kann auf das Opfer der Vergewaltigung oder einen Dritten ausgeübt werden. Ferner spielt ein Einverständnis des Opfers keine Rolle, wenn die Invasion gegen eine Person begangen wird, die aufgrund ihres Alters (verminderte Verstandesreife), einer künstlich beigebrachten oder aber biologischen Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten (siehe die Erläuterung in Fußnote 51) unfähig ist, ihr Einverständnis zu geben. Absatz 2 wurde damit in drei Alternativen unterteilt, bei deren Vorliegen die in Absatz 1 genannten Handlungen zur Vergewaltigung werden: a) Anwendung von Gewalt, Drohung mit Gewalt oder Zwang, b) Ausnutzen einer Zwangsumgebung oder c) Das Opfer war eine willensunfähige Person.

Dadurch, dass nun auch der Zwang gegenüber einem Dritten sowie das Ausnutzen einer Zwangsumgebung wie z. B. einer Kriegssituation oder einer Völkermordkampagne genügt, wurden alle denkbaren willensbeugenden Situationen bedacht. Die Vorschrift geht aber über die Willensbeugung des Opfers durch Zwang hinaus, indem es selbst das willenseingeschränkte oder willensunfähige Opfer unter den Schutz des Vergewaltigungstatbestands stellt. Damit wurde nicht mehr nur eine Nötigung als Mittel zur Tatvollendung vorausgesetzt, sondern es wurde ein reiner Missbrauch des Opfers als Vergewaltigung kriminalisiert. Auch wenn der Schwerpunkt des Vergewaltigungstatbestands auf der Nötigung des Opfers liegt, so wurde ganz klar eine Kombination der reinen Nötigungsvariante mit der Variante des fehlenden Einverständnisses aufgrund der beeinträchtigten Geistesfähigkeiten bevorzugt.1029 1028 Die Beispiele stammen aus dem Bericht McDougall, UN-DOC, Final Report E/ CN.4/Sub.2/1998/13, Para. 25; Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 174. 1029 Boon, CHRLR 32, 2001, S. 646 f. Ein Einverständnis des Opfers kann zu Verteidigungszwecken gemäß der Regel 70 gar nicht erst im Prozess vorgetragen werden, wenn ein Zwang für das Opfer bestand bzw. das Opfer unfähig war, seine Zustimmung zu erteilen. Rule 70: In cases of sexual violence, the Court shall be guided by and, where appropriate, apply the following principles: Consent cannot be inferred by reason of any words or conduct of a victim where force, threat of force, coercion or taking an advantage of a coercive environment undermined the victim’s ability to give voluntary and genuine consent; Consent cannot be inferred by reason of any words or conduct of a victim where the victim is incapable of giving genuine consent; Consent cannot be inferred by reason of the silence of, or lack of resistance by, a victim to the alleged sexual violence; . . .

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

d) Vorsatz Art. 30 Abs. 1 IStGH-Statut normiert den Vorsatz für alle Straftaten des Statuts, sofern nichts anderes im Statut bestimmt ist.1030 In der Einführung zu den Verbrechenselementen ist ebenfalls festgehalten, dass Art. 30 IStGH-Statut auf alle Verbrechenselemente anwendbar ist, es sei denn, es wurde eine andere subjektive Voraussetzung explizit in den Verbrechenselementen vereinbart („defaultrule“).1031 Weder im Statut noch in den EOC zur Vergewaltigung wurde eine subjektive Bedingung normiert, mit der Folge, dass die allgemeine Vorsatzregelung nach Art. 30 IStGH-Statut zur Anwendung kommt.1032 Artikel 30: Subjektive Tatbestandsmerkmale (1) Sofern nichts anderes bestimmt ist, ist eine Person für ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen nur dann strafrechtlich verantwortlich und strafbar, wenn die objektiven Tatbestandsmerkmale vorsätzlich und wissentlich verwirklicht werden. (2) „Vorsatz“ im Sinne dieses Artikels liegt vor, wenn die betreffende Person a) im Hinblick auf ein Verhalten dieses Verhalten setzen will; b) im Hinblick auf die Folgen diese Folgen herbeiführen will oder ihr bewusst ist, dass diese im gewöhnlichen Verlauf der Ereignisse eintreten werden.

Grewal, JICJ 10, 2012, S. 377, 392, hingegen bezeichnet die Wortwahl der Regel 70 als problematisch: „. . . seems to suggest that something other than the victim’s own conduct or words could be argued by the defence to demonstrate consent. Rather than reinforcing the significance of consent as a protection of individual agency, this approach potentially disempowers victims by removing consent from beeing something they alone can give.“ Ferner kritisiert sie, dass es nicht verständlich sei, wie ein Rechtssystem, das versucht das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers zu schützen, noch Argumente der Verteidigung zulässt, die sich auf ein Einverständnis beziehen, obwohl Gewalt angewandt bzw. mit ihr gedroht wurde. 1030 Vgl. auch: Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 907, der die Überschrift „Mental element“ für verfehlt erachtet, weil die Vorschrift eben nicht alle subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Straftat enthält, sondern sich lediglich dem Vorsatz widmet. Andere subjektive Voraussetzungen werden z. B. in Art. 28 (Vorgesetztenverantwortlichkeit) und Art. 32 (Tatbestandsirrtum) behandelt. Demzufolge hätte der Artikel mit „Vorsatz – Intention“ überschrieben werden sollen. 1031 Hebel/Kelt, YIHL 3, 2000, S. 279 f., die klarstellen, dass nicht jede besonders aufgeführte subjektive Voraussetzung in den Verbrechenselementen eine Ausnahme zu Art. 30 IStGH-Statut darstellt; Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 62; Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 16; siehe auch: Weigend, JICJ 6, 2008, S. 472–474, der deutlich macht, dass die in den EOC vereinbarte Abweichung der subjektiven Anforderungen auf dem Statut oder dem Völkergewohnheitsrecht basieren muss. 1032 Politi, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 461: Die Vergewaltigung wird nicht als ein Tatbestand aufgeführt, der eine höhere subjektive Voraussetzung festschreibt. Ferner ausdrücklich: Rückert/Witschel, in: Fischer/Kreß/Lüder, International and National Prosecution, S. 81.

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

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(3) „Wissen“ im Sinne dieses Artikels bedeutet das Bewusstsein, dass ein Umstand vorliegt oder, dass im gewöhnlichen Verlauf der Ereignisse eine Folge eintreten wird. „Wissentlich“ und „wissen“ sind entsprechend auszulegen.1033

Der Vorsatz beinhaltet eindeutig eine Wissens- und eine Willenskomponente. Beiden Komponenten kommt jedoch eine unterschiedliche Bedeutung hinsichtlich des jeweiligen Tatbestandsmerkmals zu. Obwohl Abs. 1 Vorsatz und Wissen aller objektiven Tatbestandsmerkmale kumulativ voraussetzt und insoweit keine Differenzierung zu den materiellen Elementen zu erkennen gibt, wenden die beiden folgenden Absätze die subjektiven Voraussetzungen unterschiedlich entsprechend der Tatbestandsmerkmale Verhalten, Folge und Umstand an. Der Wille des Täters („intent“) muss sich nach Art. 30 Abs. 2 IStGH-Statut nur auf sein Verhalten und die diesbezüglichen Folgen erstrecken.1034 Jedoch reicht es im Hinblick auf die Folge aus, dass dem Täter bewusst war, dass die Folge bei einem normalen Geschehensablauf eintreten wird. Das voluntative Element wird folglich durch ein kognitives Element innerhalb der Willensdefinition ersetzt.1035 In Bezug auf die Wissenskomponente muss der Täter nach Art. 30 Abs. 3 IStGHStatut Kenntnis von bestimmten Umständen haben und den Eintritt der Tatfolgen bei einem gewöhnlichen Verlauf der Ereignisse erwarten. Es ist für den Vorsatz

1033 Englische Version: Article 30: Mental element: 1. Unless otherwise provided, a person shall be criminally responsible and liable for punishment for a crime within the jurisdiction of the Court only if the material elements are committed with intent and knowledge. 2. For the purposes of this article, a person has intent where: (a) In relation to conduct, that person means to engage in the conduct; (b) In relation to a consequence, that person means to cause that consequence or is aware that it will occur in the ordinary course of events. 3. For the purposes of this article, „knowledge“ means awareness that a circumstance exists or a consequence will occur in the ordinary course of events. „Know“ and „knowingly“ shall be construed accordingly. 1034 Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 907. 1035 Diese Unterteilung des Vorsatzes nach verschiedenen Tatbestandsmerkmalen wie Verhalten, Tatfolgen und Umstände entstammt dem englischen Recht und führt eher zu einer Konfusion als zu der mit diesen Definitionsabsätzen angestrebten Klarstellung des Vorsatzes. Es werden unter der Willenskomponente (Abs. 2) sowohl voluntative als auch kognitive Voraussetzungen festgelegt. Das voluntative Element wird bei den Tatfolgen durch eine erhöhte Wissenskomponente (Bewusstsein) ersetzt. Während die „Civil Law“-Staaten jeweils ein kognitives und ein voluntatives Element im Vorsatz voraussetzen und zwischen verschiedenen Graden unterscheiden, fehlt es der englischen Terminologie an Präzision. Teilweise wird der Begriff „intention“ als allgemeiner Dolus, also Vorsatz im Sinne der „Civil Law“-Staaten verstanden, manchmal meint er die konkrete Willenskomponente des Vorsatzes („intent“). Diese Unsicherheit in der Terminologie spiegelt sich in Abs. 2 wieder. Siehe dazu ausführlich: Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 904–907, der stark die Vermischung kognitiver und voluntativer Elemente innerhalb der Definition zur Willens- bzw. Wissenskomponente kritisiert. So auch: Kreß, Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuch, S. 35; Ambos, AT, S. 761; Roßkopf, Die innere Tatseite des Völkerrechtsverbrechens, S. 74 ff.; MK-Zimmermann/Geiß, § 8 VStGB, Rn. 194.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

nach Art. 30 IStGH-Statut belanglos, ob sich der Täter einen Umstand herbeiwünscht, schließlich hängt es nicht von seinem Willen ab, ob ein Umstand vorliegt oder nicht.1036 Auf das Verhalten bezogen, bedeutet diese Aufteilung, dass der Täter den Willen hatte, die fragliche Handlung auszuführen, also eine bestimmte Handlung so vorzunehmen und nicht anders, ohne dass es auf einen Zweck oder einen Erfolg der Handlung ankommt.1037 Der Vorsatz hinsichtlich der Tatfolgen kann in zwei Wegen vorliegen: entweder will der Täter die Tatfolgen herbeiführen oder ihm muss bewusst sein, dass die Folge bei einem gewöhnlichem Verlauf der Ereignisse eintreten wird. Da die Formulierung gewählt wurde, dass der Täter weiß oder ihm bewusst sein muss, dass der Erfolg bei einem normalen Tathergang „eintreten wird“ anstelle „eintreten könnte“, scheint Art. 30 einen direkten und nicht einen indirekten Vorsatz vorauszusetzen.1038 Allerdings deutete die Vorverfahrenskammer des IStGH an, dass ein Eventualvorsatz für die Folgen der Handlung genüge.1039 Inzwischen hat sich die Hauptverfahrenskammer aber für die Anwendung eines direkten Vorsatzes zweiten Grades ausgesprochen.1040 Der Täter muss zwar keine detaillierte, aber doch eine allgemeine Vorstellung des Tatausgangs haben, welches sein Verhalten in Gang gesetzt hat. Mit dem Begriff „Folge“ ist nicht der Taterfolg im deutschen Sinne (als Abgrenzung zwischen Tätigkeits- oder Erfolgsdelikten) gemeint, sondern vielmehr soll darunter jede unerwünschte Folge, die durch die Tathandlung bewirkt wird, erfasst werden.1041 Die Folge beruht auf einer Handlung des Täters, so dass der Vorsatz 1036

Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 908. Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 913. 1038 Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 915 f. 1039 Nach der Legaldefinition wird vorausgesetzt, dass der Täter „is aware that it will occur in the ordinary course of events“. Von der Vorverfahrenskammer des IStGH wurde dieses Bewusstsein jedoch als eine hohe Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts interpretiert. Sollte nur ein geringes Erfolgsrisiko gegeben sein, muss der Täter den Erfolgseintritt klar und ausdrücklich akzeptiert haben. Damit hatte sich die Vorsatzdefinition dem im deutschen Recht bekannten Eventualvorsatz angenähert. Siehe dazu: Decision of Confirmation of Charges, Lubanga PTC I, ICC 01/04–01/06, 29.01.2007. So auch: Triffterer-Piragoff/Robinson, ICC-Commentary, Art. 30, Rn. 20–23; MK-Weigend, § 2 VStGB, Rn. 9; MK-Kreß, § 6 VStGB, Rn. 70; a. A.: Ambos, AT, S. 804; Eser, in: Casesse/Gaeta/Jones, ICC, S. 933; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 401. 1040 Da die Staatsanwaltschaft keine Verurteilung des Angeklagten auf der Grundlage „should have known“, sondern lediglich dann anstrebte, wenn der Angeklagte wusste, dass die Individuen, die als Soldaten eingeschrieben wurden, jünger als 15 Jahre alt waren, hat die Hauptverfahrenskammer einen direkten Vorsatz zweiten Grades zur Anwendung gebracht, ohne sich letztlich abstrakt mit der Frage zu beschäftigen, ob die EOC vom Statutentext abweichen dürfen, Prosecutor v. Lubanga, ICC-01/04–01/06, 14.03.1012, Para. 1007–1018, 1015. 1041 Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 917. 1037

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

335

auch die Kausalität zwischen der Handlung und der Folge umfassen muss. Der Täter muss folglich den gewöhnlichen Kausalverlauf vorhersehen.1042 In Bezug auf einen Umstand muss der Täter wissen, dass dieser existiert. Umstände können alle Tatbestandsmerkmale des Verbrechens mit Ausnahme des Täters, seiner Handlung und der im Statut separat behandelten Tatfolgen sein. Aber auch Qualitäten des Täters oder der Handlung können als Tatumstände bewertet werden (wie z. B. Vorgesetzter, Gewalt). Tatumstände können somit mit Ausnahme von Folgen alle objektiven und subjektiven Fakten, Qualitäten oder Motive des Täters oder des Opfers oder alle anderen Modalitäten des Verbrechens (Mittel, Ort oder Zeit) sein.1043 Es fällt allerdings auf, dass sich der Vorsatz nur auf positive Tatbestandsmerkmale bezieht („Umstand vorliegt“). Negative Umstände, welche die Straftat negieren – wie z. B. ein Einverständnis zur Handlung – scheint die Vorschrift zu vergessen. Es wäre sinnvoller, nicht auf die Kenntnis positiver Umstände Bezug zu nehmen, sondern auf die Kenntnis aller Tatbestandsmerkmale abzustellen, wobei offen gelassen wird, ob es sich um positive oder negative Tatumstände handelt. Insofern bedarf es einer korrigierenden Auslegung zugunsten des Angeklagten nach Art. 22 Abs. 2 IStGH-Statut in dem Sinne, dass sich der Täter sowohl des Vorliegens positiver Tatbestandsmerkmale als auch des Fehlens von tatbestandsausschließenden Umständen bewusst sein muss.1044 Die Vergewaltigung beinhaltet folgende positive und negative Tatbestandsmerkmale: – Invasion des Körpers des Opfers oder des Täters mit einem Körperteil oder Gegenstand (Verhalten); – Anwendung von Gewalt, Drohung mit Gewalt oder Zwang (Verhalten, Umstand: Nötigungsmittel; Folge: Willensbeugung); – Ausnutzen einer Zwangsumgebung (Verhalten, Umstand); – Kausalität zwischen Nötigungshandlung und Invasion (Umstand); – Willensunfähigkeit des Opfers (Umstand); – Fehlen eines vorsatzausschließenden Einverständnisses (Umstand). Der Täter muss somit die sexuelle Invasion seines Körpers oder des Opfers gewollt haben. Ferner muss er willentlich Gewalt angewandt oder mit Gewalt oder Zwang gedroht haben oder eine Zwangsumgebung ausgenutzt haben, um die Penetration vornehmen zu können. Weiter muss er gewusst haben, dass die Anwendung von Gewalt, die Drohung oder der Zwang das Opfer in seiner Wil1042 1043 1044

Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 918. Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 919. Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 919, 920.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

lensfreiheit beeinträchtigt und, dass erst diese Willensbeugung die sexuelle Handlung ermöglicht hat. Sollte er ein willensunfähiges Opfer vergewaltigt haben, muss er die geistige Beeinträchtigung gekannt haben.1045 Die Kenntnis des Täters muss ebenfalls das Fehlen eines Einverständnisses des Opfers umfasst haben, ansonsten wäre es nicht zu einer Willensbeugung oder einem Ausnutzen einer geistigen Schwäche des Opfers gekommen. Umkehrt bedeutet dies, dass eine Fehlvorstellung des Täters nach Art. 32 IStGH zu einem Vorsatzausschluss führen kann („mistake of facts“), wenn er an ein Einverständnis geglaubt hat.1046 3. Zusammenfassung Gegenüber der Auslegung der beiden Ad-hoc-Tribunale wurde die Definition der Vergewaltigung nach den EOC im ersten Teil um weitere Handlungen bereichert. Ferner ist die Definition eindeutig geschlechtsneutral, was bedeutet, dass nun jedermann Täter oder Opfer der Tat sein kann. Durch die Aufnahme des „Ausnutzens einer Zwangsumgebung“ wird der Besonderheit des Völkerstrafrechts Rechnung getragen, dass eine Vergewaltigung im Rahmen eines Krieges, einer Völkermordkampagne oder im Rahmen von systematischen bzw. massenhaften Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wird. Dies hat zur Folge, dass das Opfer bereits ohne besonderes Zutun des Täters einen schweren körperlichen Zwang empfindet. Es ist anzunehmen, dass die verhandelnden Staaten mit dem neuen Tatbestandselement des „Ausnutzens einer Zwangsumgebung“ der bekannten restriktiven Auslegung der traditionellen Nötigungsmittel der Gewalt und der Drohung im nationalen Strafrecht begegnen wollten, um so sicherzustellen, dass jede denkbare Zwangslage erfasst wird, die das Opfer an seiner freien Willensbetätigung hindern könnte. Um Opfer, die einer Willensbildung bzw. -betätigung aufgrund einer Beeinträchtigung der Geistesfähigkeiten nicht (mehr) fähig sind – deren Wille folglich nicht mit Zwangsmethoden gebeugt oder gebrochen werden kann –, nicht vom Schutz des Strafrechts auszunehmen, wurde der Tatbestand auch auf diese Fälle eines fehlenden Einverständnisses ausgedehnt. War das Opfer willensunfähig, handelt es sich um eine Vergewaltigung, ohne dass es auf eine Nötigung des Opfers ankommt. Somit favorisiert der Vergewalti-

1045

Lee-von Hebel, EOC-Commentary, S. 190. Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 934 ff.; Triffterer-Piragoff/ Robinson, ICC-Commentary, Art. 30, Rn. 27; Triffterer, ICC-Commentary, Art. 32, Rn. 20 ff.; Cryer, ICL, S. 342. Siehe zur Abgrenzung des vorsatzausschließenden Tatsachenirrtums („factual and normative mistake“) vom irrelevanten Rechtsirrtum („mistake of law“) nach Art. 32 IStGH-Statut: Prosecutor v. Lubanga Dyilo, ICC 01/ 04–01/06, Nr. 316, 29.01.2007; Weigend, JICJ 6, 2008, S. 474–476; MK-Weigend, § 2 VStGB, Rn. 11, demzufolge der Tatbestandsirrtum gemäß § 16 StGB der Regelung nach Art. 32 Abs. 2 Satz 2 entspricht; a. A.: Satzger, Internationales Strafrecht, Rn. 31, der einen Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale nach dem IStGH-Statut für unbeachtlich hält. 1046

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

337

gungstatbestand des IStGH eine Kombination der Nötigungsmittel mit einem Teilaspekt des fehlenden Einverständnisses. Die Ad-hoc-Tribunale dagegen stellten allein auf das fehlende Einverständnis ab. Auf eine Nötigung kam es nicht an. Die Gewalt oder Drohung mit Gewalt sowie der Zwang wie er sich auch aus den Tatumständen einer Völkermordkampagne, einem Krieg oder einer Gefangennahme ergeben kann, stellten nach Ansicht der meisten Strafkammern der Tribunale lediglich Indizien für ein fehlendes Einverständnis dar. Entscheidend ist, dass das Opfer freiwillig der sexuellen Handlung zugestimmt hat. In diesem vom freien Willen getragenen Einverständnis ist zwangsläufig auch die Grundvoraussetzung enthalten, dass das Opfer überhaupt geistig in der Lage war, ein Einverständnis zu geben. War es schon nicht geistig fähig, einen Willen zu bilden, kann keine Zustimmung zu einer Handlung gegeben werden. Jedoch haben sich die Strafkammern nie zur Willensfähigkeit des Opfers in ihren Auslegungen zum fehlenden Einverständnis geäußert, sondern stets den Aspekt der Freiwilligkeit hervorgehoben. Die Problematik eines willensunfähigen Opfers (geistige Behinderung, Bewusstlosigkeit, Schlaf) stellte sich vor den beiden Ad-hoc-Tribunalen gar nicht. Ob man nun auf ein fehlendes Einverständnis oder eine Nötigungshandlung abstellt, ist, insoweit sich das fehlende Einverständnis auf eine Unfreiwilligkeit bezieht, vom Ergebnis her gleichgültig. Der Zwang negiert ein Einverständnis und er stellt eine Nötigung des Opfers dar. Der fundamentale Unterschied beider Lösungsansätze ist der Aspekt der geistigen Fähigkeit, ein Einverständnis zu geben. Da aber hier beide Definitionen diesen Aspekt in ihren Tatbestand aufgenommen haben, stimmen sie sachlich überein. Geistig unfähige Menschen können nach der Tribunalsdefinition kein Einverständnis geben und nach der EOCDefinition sind sie besonders schützenswert. Beide Tatbestände kommen somit stets zum gleichen Ergebnis. Da die auffindbaren Definitionen im Völkerstrafrecht stets auf zwei verschiedenen Lösungsvorschlägen des nationalen Rechts (fehlendes Einverständnis = „Common Law“; Zwangselement = „Civil Law“) beruhen, ist es nun interessant zu sehen, welche Erkenntnisse die Rechtsvergleichung der Vergewaltigungstatbestände der wichtigsten Staaten der Welt bringen wird. 4. Exkurs: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung im Völkerstrafgesetzbuch von Deutschland Am 30.6.2002 ist in Deutschland das Völkerstrafgesetzbuch in Kraft getreten. Das VStGB wurde mit dem Ziel eingeführt, in Deutschland die Umsetzung des IStGH-Statuts zu bewirken und teilweise über das Statut hinaus auch völkergewohnheitsrechtliche Strafnormen aufzunehmen, um durch die „Schaffung eines einschlägigen nationalen Regelungswerks das humanitäre Völkerrecht zu fördern

338

4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

und zu seiner Verbreitung beizutragen“.1047 Es stellt somit eine nationale Kodifizierung der heute anerkannten völkergewohnheitsrechtlichen Strafnormen dar. Natürlich wurden in anderen Ländern ebenfalls Umsetzungsgesetze zum IStGHStatut eingeführt. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, wollte man nun eine derartige Rechtsvergleichung aller staatlichen Völkerstrafgesetze durchführen. Es kann hier nur auf das deutsche VStGB exemplarisch eingegangen werden.1048 Das VStGB enthält einen Allgemeinen (§§ 1–5) und einen Besonderen Teil (§§ 6–14). § 2 verbindet das VStGB mit dem deutschen allgemeinen Strafrecht. Soweit keine spezielleren Vorschriften in den §§ 1–5 VStGB existieren, kommt das deutsche allgemeine Strafrecht zur Anwendung, welches nicht nur den Allgemeinen Teil des StGB (§§ 1–79b) umfasst, sondern auch ungeschriebene Rechtssätze, spezielle Rechtfertigungsgründe aus anderen Rechtsgebieten (§§ 228, 904 BGB, § 127 StPO) und strafrechtliche Sondernormen für bestimmte Personen (§§ 3, 105, 106 JGG für Jugendliche und Heranwachsende, WStG für Soldaten).1049 Der Besondere Teil enthält die völkerrechtlichen Strafnormen, welche inhaltlich auf dem IStGH-Statut sowie sonstigen verbindlichen Instrumenten des humanitären Völkerrechts, der Verbrechenselemente (EOC), der Spruchpraxis internationaler Strafgerichte und der Staatenpraxis basieren.1050 Teilweise weichen

1047 Bundesministerium der Justiz, Arbeitsentwurf, S. 21; Werle/Jeßberger, CLF 13, S. 197; Zimmermann, in: Neuner, National Legislation, S. 137 f.; Satzger, NStZ 2002, S. 125 f. 1048 Zum einen liegt es nahe, in einer deutschen Dissertation die neue deutsche Gesetzgebung zu favorisieren, zum anderen kann diese exkursartige Darstellung sachlich gerechtfertigt werden. Deutschland hat intensiv an der Errichtung des IStGH-Statuts in Rom mitgewirkt und sich gerade bei der Umsetzung ins innerstaatliche Recht sehr um eine Harmonisierung des deutschen Rechts mit der völkerstrafrechtlichen Materie bemüht. Deutschland war aber nicht nur um eine umfangreiche Umsetzung des IStGHStatuts bestrebt, sondern hat sich auch zur Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts bekannt. Wie bereits erwähnt, geht das VStGB über das IStGH-Statut hinaus, wenn das Statut hinter dem anerkannten Völkergewohnheitsrecht zurückblieb. Es nimmt somit eine Vorbildfunktion in der Weltgemeinschaft ein. Siehe dazu: Gropengießer, in: Eser/Sieber/Kreicker, Nationale Strafverfolgung, S. 50 ff.; Werle/Jeßberger, CLF 13, S. 208 ff.; Hartmann, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 143 f. 1049 MK-Weigend, § 2 VStGB, Rn. 4; Zimmermann, in: Neuner, National Legislation, S. 154, sieht die deutschen Regeln des Allgemeinen Teils im Einklang mit den allgemeinen Regeln des IStGH-Statuts an. Dies mag z. B. beim subjektiven Tatbestand bezweifelt werden. § 15 StGB setzt einen Dolus Eventualis voraussetzt, während Art. 30 Abs. 1 IStGH-Statut von einem direkten Vorsatz ausgeht. Letztlich stellt sich aber eine Straftat, die nur mit einem bedingten Vorsatz begangen wird, nicht als weniger verwerflich dar, als wenn sie mit einem direkten Vorsatz verwirklicht wird, so dass es vorzugswürdig war, die weitere deutsche Vorsatzform zur Anwendung kommen zu lassen. Siehe dazu: Werle/Jeßberger, CLF 13, S. 202 f.; Hartmann, in: Kühne/Esser/Gerding, Völkerstrafrecht, S. 131 ff. mit weiteren Beispielen von Abweichungen im allgemeinen Teil; Satzger, NStZ 2002, S. 127 f. 1050 Bundesministerium der Justiz, Arbeitsentwurf, S. 22.

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

339

jedoch die Formulierungen von diesen Vorgaben ab, um eine Harmonisierung mit den in Deutschland üblichen Begriffen und Strukturen des Strafrechts zu erreichen.1051 Die Rahmenverbrechen des Völkermords, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Kriegsverbrechen werden hier auszugsweise wiedergegeben: § 6 Völkermord (1) Wer in der Absicht, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören, 1. ein Mitglied der Gruppe tötet, 2. einem Mitglied der Gruppe schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art, zufügt, 3. die Gruppe unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen, 4. Maßregeln verhängt, die Geburten innerhalb der Gruppe verhindern sollen, 5. ein Kind der Gruppe gewaltsam in eine andere Gruppe überführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 bis 5 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. § 7 Verbrechen gegen die Menschlichkeit (1) Wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung ... 6. einen anderen Menschen sexuell nötigt oder vergewaltigt, ihn zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält, ... wird in den Fällen der Nummern 1 und 2 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 3 bis 7 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und in den Fällen der Nummern 8 bis 10 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. ... § 8 Kriegsverbrechen (1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nicht internationalen bewaffneten Konflikt ...

1051 Bundesministerium der Justiz, Arbeitsentwurf, S. 22 f.; siehe auch: Zimmermann, in: Neuner, National Legislation, S. 138, 142; Satzger, NStZ 2002, S. 130.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung 4. eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, ihn zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält, ... wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahre bestraft.

...

Der Völkermordtatbestand wurde aus dem IStGH-Statut mit kleinen Abweichungen übernommen. Seit der Völkermordkonvention wurde der Tatbestand nicht mehr grundlegend verändert, weshalb es bis heute an einer expliziten Aufzählung der Vergewaltigung fehlt. Der Nachweis, dass die Vergewaltigung unter die zweite, dritte und vierte Tatvariante des Völkermords fällt, wurde bereits oben zu Art. 6 IStGH-Statut erbracht. Die Vergewaltigung (samt fünf weiterer Sexualdelikte) wird nur in den Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Kriegsverbrechen (§§ 7 Abs. 1 Nr. 6, 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB) ausdrücklich erwähnt. Jedoch enthalten die Einzeltaten der Rahmenverbrechen keine Tatbestandsmerkmale, so dass es an einem präzisen Tatbestand der Vergewaltigung im VStGB mangelt. Es bedarf daher einer Auslegung des Begriffs der Vergewaltigung. Grundsätzlich gelten die deutschen Auslegungsregeln und Rechtsstaatsgarantien (Gesetzlichkeitsgrundsatz) für das VStGB, weil sie Regeln des allgemeinen Strafrechts sind und das VStGB insofern keine speziellere Vorschrift bereithält.1052 Die Vergewaltigung ist bereits im StGB ein hinreichend bestimmter Tatbestand, womit die Möglichkeit besteht, auf die Auslegung des § 177 Abs. 2 StGB zur Ausfüllung der §§ 7 Abs. 1 Nr. 6 und 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB zurückzugreifen. Der Vorteil wäre eine übereinstimmende Verwendung desselben Begriffs in beiden deutschen Strafgesetzen. Dagegen spricht allerdings die Herkunft der Vorschriften des Besonderen Teils aus dem Völkerstrafrecht. Vorrangiges Ziel war es, die allgemein anerkannten sowie nach dem IStGH-Statut strafbaren völkerstrafrechtlichen Tatbestände ins deutsche Recht zu übertragen, um so dem Gesetzlichkeitsgrundsatz im deutschen Strafrecht zu genügen.1053 Würde man nun einen deutschen Tatbestand (zwar 1052

Vgl. MK-Weigend, § 2 VStGB, Rn. 5. Werle/Jeßberger, CLF 13, S. 210: „The definitions of crimes have been aligned as closely as possible to international criminal law norms, which means taking over the 1053

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

341

innerhalb eines Rahmenverbrechens) zur Anwendung bringen, könnten Zweifel an einer korrekten, den spezifischen Unrechtsgehalt des völkerrechtlichen Verbrechens berücksichtigenden Umsetzung des IStGH-Statuts aufkommen. Außerdem würde man nicht der völkergewohnheitsrechtlichen Strafpflicht entsprechen, wenn der Tatbestand im Völkerstrafrecht ein anderer ist als der im StGB.1054 Es könnten Zweifel an einer Strafgewalt Deutschlands laut werden. Die Tatbestände des VStGB werden aufgrund der Strafgewalt des Weltrechtsprinzips angewandt, so dass kein Inlandsbezug zur Straftat bestehen muss, § 1 VStGB. Eine solch extra-territoriale Strafbefugnis kann sich nur aus einer Norm des Völkerstrafrechts ergeben. Denn nur sie erlaubt eine Strafverfolgung über die eigenen Grenzen ohne eigenes Staatsinteresse unter Beeinträchtigung der Staatssouveränität anderer Staaten (wie dem Tatort- und/oder Täterstaat) zum Schutz des Weltfriedens und der Sicherheit der Menschheit hinweg. Grundvoraussetzung für die Festlegung des Weltrechtsprinzips im VStGB ist daher, dass der Tatbestand auf eine der drei Rechtsquellen des Völkerstrafrechts zurückzuführen ist.1055 Es kann also bei der Auslegung einzelner Tatbestände nicht im Vordergrund stehen, einen Bruch zwischen den Begriffen im StGB und VStGB zu vermeiden und schlichtweg einen deutschen Straftatbestand anzuwenden. Die völkerrechtsfreundliche Auslegung1056 findet allerdings logischerweise ihre Grenze, wenn der deutsche Wortlaut nicht mit dem Inhalt der völkerrechtlichen Norm vereinbar ist.1057 Der Tatbestand der Vergewaltigung ist demzufolge von den völkerstrafrechtlichen Normen her auszulegen, soweit es der Wortlaut des deutschen Gesetzes zulässt. Die Strafbarkeit der Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 6 beruht auf Art. 7 Abs. 1 g) IStGH-Statut, Art. 5 g) JStGHStatut, Art. 3 g) RStGH-Statut und Art. 2 Abs. 1 c) KRG 10.1058 Die Strafbarkeit

definitions of the ICC Statute as far as these definitions meet the strict test of legal certainty under German constitution.“ 1054 So auch: MK-Weigend, § 2 VStGB, Rn. 5. 1055 Siehe dazu oben: 3. Kapitel I. 2. a). 1056 Das BVerfG hat mehrfach betont, deutsche Gesetze völkerrechtsfreundlich zu interpretieren, wenn sie einen völkerrechtlichen Bezug aufweisen: BVerfG v. 14.04.2004 (2 BvR 1481/04), BVerfGE 111, S. 307, 315 ff.; BVerfG (K) v. 19.09.2006, (2 BvR 2115/01 u. 384/03), StV 2008, S. 1. 1057 Vgl. auch: MK-Weigend, § 2 VStGB, Rn. 5: „Eine Auslegung der Tatbestandsmerkmale des VStGB im Einklang mit der Rechtsprechung internationaler Gerichtshöfe kann zu Friktionen mit der Auslegung vergleichbarer Tatbestände im StGB führen, etwa wenn der Begriff Vergewaltigung in § 7 Abs. 1 Nr. 6 in der Rechtsprechung internationaler Gerichtshöfe anders verstanden wird als von den deutschen Gerichten bei der Anwendung von § 177 Abs. 2 StGB. In solchen Fällen sollte man, wenn der Sinn im VStGB gebrauchten deutschen Wortes dies erlaubt, einer international kohärenten Anwendung des Völkerstrafrechts den Vorzug geben vor einer übereinstimmenden Auslegung von Begriffen im StGB und im VStGB.“ 1058 MK-Werle/Burchards, § 7 VStGB, Rn. 78.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

der Vergewaltigung als Kriegsverbrechen nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB basiert auf Art. 8 II b) xxii) und II e) vi) IStGH-Statut.1059 Die Wissenschaft entnimmt den Tatbestand der Vergewaltigung der Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale und den Verbrechenselementen zum IStGH-Statut. Die Tatbestandselemente zum IStGH-Statut werden als finale Ausformulierung der Spruchpraxis der internationalen Gerichte behandelt. Ihnen fällt die Aufgabe zu, den letzten Stand eines allgemeingültigen Tatbestands wiederzugeben.1060 Um eine Wiederholung der Darstellung der Urteilsanalyse der beiden Ad-hocTribunale und der EOC zu vermeiden, wird auf die vorangegangene Auslegung verwiesen.1061 Nur beiläufig erwähnen die Autoren des Münchner Kommentars, dass die entwickelten Definitionen der Ad-hoc-Strafkammern auf die Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze nach Art. 38 Abs. 1 c) IGH-Statut zurückzuführen sind.1062 Erst aufgrund einer Rechtsvergleichung der Strafgesetze der wichtigsten Staaten dieser Welt konnten übereinstimmende allgemeine Grundsätze ermittelt werden, die die Tatbestandsmerkmale der Tribunalsdefinitionen sowie der EOC verkörpern. Damit werden als die eigentliche völkerrechtliche Rechtsquelle, der die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung entnommen werden können, die allgemeinen Rechtsgrundsätze gemäß Art. 38 Abs. 1 c) IGHStatut identifiziert. Ob die von den Gerichten bzw. der Expertenkommission ermittelten Definitionen korrekt sind bzw. ob sie immer noch der heutigen Rechtslage entsprechen, ist anhand einer Rechtsvergleichung und nicht lediglich aufgrund von Zitaten der Verbrechenselemente oder der Tribunalsdefinitionen zu erbringen. Es kann hier festgehalten werden, dass sich die Literatur in der Regel auf die Aussagen der Strafkammern und der EOC-Expertenkommission verlässt und damit die Verbrechenselemente zum IStGH-Statut als völkerrechtliche, objektive Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung ansieht. Ein Nachweis kann allerdings nur mittels einer Rechtsvergleichung erbracht werden. Der subjektive Tatbestand der Vergewaltigung bestimmt sich hingegen nach deutschem Recht, weil die allgemeinen Regeln wie der Vorsatz gemäß § 2 VStGB i.V. m. § 15 StGB dem StGB zu entnehmen sind. Bedingt vorsätzliches Handeln reicht somit aus.1063

1059 Bundesministerium der Justiz, Arbeitsentwurf, S. 57; MK-Zimmermann/Geiß, § 8 VStGB, Rn. 140. 1060 MK-Werle/Burchards, § 7 VStGB, Rn. 78. 1061 Vgl. ebenfalls die Auslegung in: MK-Werle/Burchards, § 7 VStGB, Rn. 78–81; MK-Zimmermann/Geiß, § 8 VStGB, Rn. 142–143, 145. 1062 MK-Werle/Burchards, § 7 VStGB, Rn. 79; nur indirekt: MK-Zimmermann/Geiß, § 8 VStGB, Rn. 142 f., die hervorheben, dass vor den Verbrechenselementen keine Definition der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht existierte. Die EOC seien aus der Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale entwickelt worden. Die Fundstellen der diesbezüglichen Urteile verweisen auf die von den Strafkammern durchgeführte Rechtsvergleichung der Vergewaltigungstatbestände der wichtigsten Staaten der Welt.

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

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Überraschend ist im Hinblick auf das zuvor Gesagte die Entscheidung des Gesetzgebers, den Tatbestand der sexuellen Gewalt dem StGB zu entnehmen. Grundsätzlich beruhen §§ 7 Abs. 1 Nr. 6 und 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB auf den Art. 7 Abs. 1 g) und Art. 8 Abs. 2 b) xxii) und Abs. 2 e) vi) IStGH-Statut. Abweichend von den beiden IStGH-Statuts-Vorschriften wurde der Begriff „sexuelle Nötigung“ aufgenommen, um damit die Einzeltaten „jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere“ und „sexuelle Sklaverei“ zu erfassen.1064 Der Grund für diese abweichende Formulierung war hauptsächlich der Bestimmtheitsgrundsatz. Der Gesetzgeber fand den Begriff „jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere“ zu vage.1065 Die völkerrechtliche Norm der sexuellen Gewalt ist im Hinblick auf die anderen Sexualdelikte Auffangtatbestand. Sie wurde bewusst so weitreichend und flexible wie nur möglich gestaltet, um alle erdenklichen sexuellen Verhaltensweisen von vergleichbarer Schwere wie die anderen Einzeltaten der Rahmenverbrechen abstrakt erfassen zu können. Die Verbrechenselemente umschreiben die Tat als eine Handlung sexueller Natur, die in der Schwere mit den anderen Sexualtaten der Vorschrift bzw. den schweren Verletzungen der Genfer Abkommen vergleichbar sein muss. Der Täter muss die sexuelle Handlung durch die Anwendung von 1063 MK-Werle/Burchards, § 7 VStGB, Rn. 81; MK-Zimmermann/Geiß, § 8 VStGB, Rn. 194; MK-Weigend, § 2 VStGB, Rn. 9 f. 1064 Bundesministerium der Justiz, Arbeitsentwurf, S. 44; MK-Werle/Burchards, § 7 VStGB, Rn. 77; Zimmermann, in: Neuner, National Legislation, S. 142 f. 1065 Der Grund für die Nichtübernahme der sexuellen Sklaverei war, dass das Verbrechen der Sklaverei bereits in das VStGB übernommen worden war und der deutsche Gesetzgeber keine Notwendigkeit sah, die sexuelle Sklaverei als separates Sexualdelikt aufzunehmen, weil sie durch den Tatbestand der Sklaverei in Verbindung mit der sexuellen Nötigung oder aber auch der Nötigung zur Prostitution adäquat verfolgt werden kann. (Die sexuelle Sklaverei wird teilweise als eine spezielle Erscheinungsform der Sklaverei behandelt und nicht als ein eigenständiger Tatbestand. Siehe dazu: MK-Werle/ Burchards, § 7 VStGB, Rn. 77; McDougall, UN-DOC, Final Report E/CN.4/Sub.2/ 1998/13, Para. 30; Triffterer-Boot, ICC-Commentary, Art. 7, Rn. 47.) Die sexuelle Sklaverei geht durchaus in dem Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB auf, so dass das völkerrechtliche Verbrechen nach deutschem Recht bestraft werden kann. Es besteht somit kein Umsetzungsproblem hinsichtlich der völkervertraglichen oder einer völkergewohnheitsrechtlichen Strafpflicht. (So auch: MK-Werle/Burchards, § 7 VStGB, Rn. 77). Allerdings verfügt die sexuelle Sklaverei über weitere Merkmale als die sexuelle Nötigung bzw. Nötigung zur Prostitution, so dass das spezifische Unrecht der sexuellen Sklaverei (Ausübung von Eigentümerrechten über eine Person) durch eine Bestrafung nach dem Tatbestand der sexuellen Nötigung bzw. der Nötigung zur Prostitution nicht erfasst wird. (MK-Zimmermann/Geiß, § 8 VStGB, Rn. 140; Gropengießer, in: Eser/Sieber/Kreicker, Nationale Strafverfolgung, S. 131 f.). EOC zur sexuellen Sklaverei: 1. The perpetrator exercised any or all of the powers attaching to the right of ownership over one or more persons, such as by purchasing, selling, lending or bartering such a person or persons, or by imposing on them a similar deprivation of liberty. 2. The perpetrator caused such person or persons to engage in one or more acts of a sexual nature.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Gewalt, Drohung mit Gewalt oder Ausnutzen einer Zwangssituation bzw. aufgrund einer Beeinträchtigung der Willensfähigkeit des Opfers erreichen.1066 Die sexuellen Handlungen umfassen Handlungen des Täters am Opfer sowie durch das Opfer vorgenommene Akte an sich selbst, am Täter oder Dritten. Laut der Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale genügen bereits das Ausziehen einer Frau oder das erzwungene Nackttanzen vor einer Gruppe sowie das Berühren der Brust mit einem Messer als Tathandlung.1067 Ein Körperkontakt zwischen dem Täter und dem Opfer ist demnach nicht zwingend. Statt diesen völkerrechtlichen Tatbestand ins deutsche Recht wortgleich zu übertragen, soll die Tat durch die Tatbestandsmerkmale der sexuellen Nötigung des § 177 Abs. 1 StGB ausgefüllt werden.1068 Den Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB verwirklicht, wer eine andere Person mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, nötigt, sexu-

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Siehe die EOC zur sexuellen Gewalt: 1. The perpetrator committed an act of a sexual nature against one or more persons or caused such person or persons to engage in an act of a sexual nature by force, or by threat of force or coercion, such as that caused by fear of violence, duress, detention, psychological oppression or abuse of power, against such person or persons or another person, or by taking advantage of a coercive environment or such person’s or persons’ incapacity to give genuine consent. 2. Such conduct was of a gravity comparable to the other offences in article 7, paragraph 1 (g), of the Statute. Oder im Fall des Art. 8 Abs. 2 b) xxii): 2. The conduct was of a gravity comparable to that of a grave breach of the Geneva Conventions. 1067 Vgl. die Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale zur Auslegung der sexuellen Gewalt: Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 688; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 436; Prosecutor v. Stakic´, IT-9724-T, 31.07.2003, Para. 757; Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 1012 f.: „Any sexual assault falling short of rape may be punishable as persecution under international criminal law, provided that it reaches the same level of gravity as the other crimes against humanity enumerated in Article 5 of the Statute. This offence embraces all serious abuses of a sexual nature inflicted upon the integrity of a person by means of coercion, threat of force or intimidation in a way that is humiliating and degrading to the victim’s dignity. The Trial Chamber finds that many incidents of sexual assault occurred, including the case of a Bosnian Croat woman who was forced to undress herself in front of cheering Bosnian Serb policemen and soldiers. In another incident, a knife was run along the breast of a Bosnian Muslim woman. Frequently, it was demanded that detainees perform sex with each other. In each incident, armed Bosnian Serb soldiers or policemen were the perpetrators. The Trial Chamber is satisfied that, evaluated in their context, these acts are serious enough to rise to the level of crimes against humanity. Moreover, the Trial Chamber is satisfied that the circumstances surrounding the commission of sexual assaults leave no doubt at all that there was discrimination in fact and discriminatory intent on the part of the direct perpetrators, based on racial, religious or political grounds.“ 1068 Bundesministerium der Justiz, Arbeitsentwurf, S. 44; MK-Werle/Burchards, § 7 VStGB, Rn. 76; MK-Zimmermann/Geiß, § 8 VStGB, Rn. 141.

II. Vergewaltigungsdefinitionen im Völkerstrafrecht

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elle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen. Sexuelle Handlungen des Opfers (z. B. Masturbation, Entkleiden) vor dem Täter oder einem Dritten werden von § 177 Abs. 1 StGB nicht erfasst. Der Tatbestand setzt einen körperlichen Kontakt voraus.1069 Insofern bleibt die Strafbarkeit der deutschen Vorschrift hinter der des Völkerstrafrechts zurück. Gerade im bewaffneten Konflikt wurden viele Lagerinsassen gezwungen, sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen oder sich vor einer Menschengruppe zu entkleiden, nackt zu tanzen oder nackt Gymnastik zu treiben, so dass eine Einschränkung der sexuellen Handlungen auf körperlichen Kontakt zwischen dem Täter bzw. Dritten und dem Opfer doch spürbare Strafbarkeitslücken hinterlässt.1070 Eine weitere Diskrepanz besteht zwischen den beiden Vorschriften hinsichtlich des Schweregrads der sexuellen Handlung. Nach § 184 f) Nr. 1 StGB muss die sexuelle Handlung von einer gewissen Erheblichkeit sein. Damit sollen aber lediglich Bagatellhandlungen von einer Strafbarkeit ausgeschlossen werden. Die völkerrechtliche Norm grenzt die Tathandlung mittels einer vergleichbaren Schwere zu den anderen Einzeltaten des Statuts ein. Da die sexuelle Handlung nach § 177 Abs. 1 StGB nicht mit einer schwerwiegenden Tat wie z. B. einer Vergewaltigung oder Tötung vergleichbar sein muss, scheint die Strafbarkeitsschwelle des § 177 StGB niedriger zu sein; sie geht also über den Inhalt der völkervertraglichen und auch völkergewohnheitsrechtlichen Norm hinaus.1071 Teilweise wird argumentiert, dass die Eskalationsgefahr von sexuellen Handlungen während eines bewaffneten Konflikts oder massenhaften Menschenrechtsverletzungen diese weitergehende Strafbarkeit im deutschen Recht gegenüber dem Völkerstrafrecht rechtfertige.1072 Die Rechtsprechung der Tribunale hat allerdings gezeigt, dass durchaus auch geringere Handlungen, sogar ohne Körperkontakt unter diesem Auffangtatbestand (Entkleiden, Nackttanzen, Berühren der Brust mit einem Messer) erfasst werden, so dass letztlich die beiden Formulierungen „von gewisser Erheblichkeit“ und „von vergleichbarer Schwere“ nicht zu gravierend unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Problematisch ist eher, dass die deutsche Norm hinter der völkerrechtlichen Norm aufgrund des vorausgesetzten Körperkontakts zwischen Täter und Opfer zurückbleibt und damit nicht völlig dem Strafauftrag des IStGH-Statuts nachkommt.

1069

Fischer, § 177 StGB, Rn. 16. Vgl. insofern die bereits erwähnte Rechtsprechung vor den beiden Ad-hoc-Tribunalen: Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09.1998, Para. 688; Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 436; Prosecutor v. Stakic´, IT-9724-T, 31.07.2003, Para. 757; Prosecutor v. Brdjanin, IT-99-36-T, 01.09.2004, Para. 1012 f. 1071 MK-Zimmermann/Geiß, § 8 VStGB, Rn. 141; Fischer, § 184 f. StGB, Rn. 5; Gropengießer, in: Eser/Sieber/Kreicker, Nationale Strafverfolgung, S. 132. 1072 MK-Zimmermann/Geiß, § 8 VStGB, Rn. 141. 1070

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Noch kritischer ist die Übernahme der deutschen Nötigungsvoraussetzungen zu beurteilen, die zumindest nach den EOC und der Spruchpraxis der Ad-hocTribunale anders interpretiert werden. Die Rechtsprechung der Tribunale stellt – wie die Darstellung zur Vergewaltigung oben gezeigt hat – allein auf ein fehlendes Einverständnis ab. Nach der EOC-Definition sind zwar die Nötigungsmittel wie Gewalt, Drohung mit Gewalt und Zwang Tatbestandsmerkmale, es wird aber zusätzlich die Willensfähigkeit des Opfers berücksichtigt. Es kommt nicht allein auf eine Willensbeugung des Opfers an, sondern es wird auch ein willensunfähiges Opfer durch diese Norm geschützt, welches gar kein Einverständnis geben kann. Im deutschen Strafrecht wird aber eine sexuelle Handlung an einer willensunfähigen Person als ein geringeres Verbrechen, nämlich als Missbrauch, eingestuft. Wird nun der komplette Inhalt des § 177 Abs. 1 StGB samt der deutschen Nötigungsvoraussetzungen auf §§ 7 Abs. 1 Nr. 6 und 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB übertragen, würden die willensunfähigen Opfer, welche nach der EOC-Definition, aber auch nach der Meinung der Strafkammern der Ad-hoc-Tribunale von dem Tatbestand der sexuellen Gewalt erfasst werden, schutzlos gestellt werden, was eine für diesen – wenn auch kleinen – Opferkreis beträchtliche Strafbarkeitslücke zu erkennen gibt. Überdies erscheint es inkonsequent, die Strafbarkeitsvoraussetzungen einer sexuellen Handlung abweichend von der Vergewaltigung festzulegen. Schließlich stellen sowohl die sexuelle Nötigung als auch die Vergewaltigung sexuelle Handlungen unter Strafe, die unter bestimmten Umständen begangen werden. Der Unterschied der beiden Tatbestände liegt lediglich in der Schwere der sexuellen Handlung, aber nicht darin, ob das Opfer genötigt wurde oder unfähig war, ein Einverständnis zu geben.1073 Als Resultat kann festgehalten werden: Soweit die deutsche Auslegung des Tatbestands der sexuellen Nötigung von dem völkerrechtlichen Verständnis der sexuellen Gewalt beachtlich abweicht, so dass Fälle nach dem VStGB nicht strafbar wären, welche jedoch nach dem Völkerstrafrecht eine Strafbarkeit nach sich ziehen, wäre das VStGB der Umsetzungspflicht des IStGH-Statuts sowie der völkergewohnheitsrechtlichen Strafpflicht nicht gänzlich nachgekommen. Soweit das VStGB über eine völkerrechtliche Norm hinausgeht, könnte es an einer Strafgewalt eines deutschen Gerichts gegen einen Bürger eines anderen Staates ohne einen Inlandsbezug fehlen. Zuvor ist aber mittels einer Rechtsvergleichung zu überprüfen, welche Nötigungsmittel bzw. welche Umstände eines fehlenden Einverständnisses tatsächlich 1073 Sowohl im Völkerstrafrecht als auch in den staatlichen Strafgesetzen sind die Nötigungsvoraussetzungen bzw. die Gründe für ein fehlendes Einverständnis des Opfers im Tatbestand der sexuellen Nötigung identisch mit denen im Tatbestand der Vergewaltigung. Vgl. die staatlichen Gesetzestexte weiter unten im 4. Kapitel III. 3. a), Annex II sowie die EOC zur Vergewaltigung und sexuellen Gewalt.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Tatbestandsmerkmale der völkerrechtlichen Norm sind. Erst dann kann festgestellt werden, ob der Inhalt der deutschen Norm von der völkerrechtlichen Norm abweicht und dementsprechend nicht das IStGH-Statut bzw. das Völkergewohnheitsrecht repräsentiert.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht 1. Auswahl der Staaten Wie in der Rechtsfindungsmethode des dritten Kapitels erläutert1074, ist es notwendig eine Rechtsvergleichung anhand der einflussreichsten und größten Rechtsstaaten der drei identifizierten Rechtskreise durchzuführen, um somit eine begrenzte Anzahl an Tatbeständen der Vergewaltigung als repräsentativ für die Völkergemeinschaft zu analysieren. Welche Staaten der drei Rechtskreise letztlich herangezogen werden, steht im Ermessen des Rechtsanwenders und wird im großen Maße durch dessen Sprachkenntnisse beschränkt. Bei der Auswahl der Staaten wurde aber nach dem Ermessen der Verfasserin auch berücksichtigt, welche Länder sich in den letzten Jahren um Reformen bemüht haben und welche Länder durch ihre Tatbestandselemente interessante Lösungsvorschläge unterbreiten. Denn das Sexualstrafrecht litt genauso wie im Völkerstrafrecht auch auf nationaler Ebene unter einer Tabuisierung. Während bei allen anderen Kriminalitätsformen stets nach Verhaltensmustern von Tätern und Opfern, Gründen des Verbrechens und Wegen der Unterdrückung geforscht wurde, die Gesetze entsprechend sozialen Bedürfnissen und kriminologischen Erkenntnissen angepasst wurden, wurde bei den Sexualdelikten mit Scheuklappen agiert.1075 Reformen unterblieben, nicht weil der Staat von der Richtigkeit seiner Vorschrift überzeugt war, sondern weil kein Interesse der männlich dominierten Staatsträger bestand, sich mit einer vornehmlich an der weiblichen Bevölkerung begangenen Straftat auseinanderzusetzen, die zudem noch als „unsittlich“ und daher als unangenehm empfunden wurde, öffentlich zu diskutieren.1076 Erst in den 1990iger Jahren kam es zumindest in der westlichen 1074

Siehe oben: 3. Kapitel II. 2. Inzwischen sind neue soziologische Erkenntnisse über die Tat bekannt geworden (z. B.: die Auswirkungen sexueller Handlungen auf das Opfer, die gesellschaftlich antrainierten passiven Verhaltensweisen von Frauen in Gefahrsituationen sowie die Tatsache, dass auch Frauen Täter einer Vergewaltigung sein können). Vgl. zu den neuen kriminologischen Erkenntnissen stellvertretend für viele andere: Harbeck, Einheitstatbestand, S. 42 ff.; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 228. 1076 Niarchos, HRQ 17, 1995, S. 654; West, The Difference in Women’s Hedonic Lives, S. 85; Tompkins, NDLR 70, 1995, S. 852–853, die Beispiele für die ungleiche Stellung der Frau in allen Gesellschaften aufzeigt; MacKinnon, in: Stiglmayer, Mass Rape, S. 184: „In the record of human rights violations they [atrocities against women] are overlooked entirely, because the victims are women and what is done to them smells of sex.“; MacKinnon, in: Richter-Lyonette, In the Aftermath of Rape, S. 17; Brunet/ 1075

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Welt aufgrund der Emanzipation und dem Vordringen von Frauen in die entscheidenden Positionen zu einem Bruch der Tabuisierung.1077 Seitdem haben sich viele Staaten um eine Anpassung ihrer Strafgesetze an das soziale Bedürfnis bemüht.1078 Diejenigen Länder, die sich bisher nicht mit den Sexualdelikten ihres Strafgesetzes befasst haben, kann daher nicht plausibel unterstellt werden, dass sie aus sachlicher Überzeugung den alten Tatbestand beibehalten hätten. Dies muss vielmehr auf das fehlende Interesse oder Schamgefühl zurückgeführt werden, sich nicht mit einem sexuellen Tatbestand auseinander setzen zu wollen. Damit soll einem Staat keineswegs das Recht streitig gemacht werden, selbst zu entscheiden, welches Verhalten es als Verbrechen ansieht. Schließlich kann es die Überzeugung eines Staates sein, eine „veraltete“ Vergewaltigungsdefinition als strafwürdiges Unrecht zu erachten. Nach demokratischen Grundsätzen hat jeder Staat eine gleichwertige Stimme in der Rechtsvergleichung zu erhalten und es ist nur konsequent, diesen Staat nicht wegen seiner Reformverweigerung auszuschließen. Jedoch muss eine Auswahl aus einer großen Anzahl von Staaten getroffen werden. Es gibt Staaten, die sich neusten psychologischen, soziologischen oder kriminologischen Erkenntnissen in einem Rechtsgebiet verweigern, das aus Schamgefühl, männlicher Dominanz und Ignoranz gegenüber Frauenrechten in der Wissenschaft, der Rechtsprechung und der Gesetzgebung zuvor vernachlässigt wurde. Manche Staaten sind sogar bestrebt, eine patriarchalische Gesellschaft mittels ihrer Gesetze zu erhalten, die so offensichtlich die Benachteiligung der Frau zur Folge hat. Solche Staaten können in der Repräsentation einer Weltgemeinschaft, die sich nach der VN-Charta für Menschlichkeit, Freiheit und Gleichheit aller Menschen einsetzt, nicht in einer internationalen Rechtsvergleichung berücksichtigt werden. Es liegt fern, in einer Auseinandersetzung über die Richtigkeit von Rechtsmeinungen zu den Tatbestandsmerkmalen der Vergewaltigung als Repräsentanten der Weltgemeinschaft einen Staat heranzuziehen, der sich gerade gegen diese Grundsätze stellt oder sie in seiner Gesetzgebung schlicht vernachlässigt. Ein solcher Reformmangel geht meist mit einer fehlenden Gleichberechtigung von Frauen einher. Dies würde einen Verstoß gegen den völkerrechtlichen Gleichheitsgrundsatz bzw. das Diskriminierungsverbot darstellen und somit zwingend dazu fühRousseau, Reconnaître les violations, S. 3–4; McDougall, UN-DOC, Final Report E/ CN.4/Sub.2/1998/13, Para. 13, Kohn, GGULR 24, 1994, S. 201, 212 ff. m.w. N.; Derechin, GILJ 11, 1996, S. 821 ff.: „Male domination is an inherent part of our national consciousness. This plays out in many ways . . . One can characterize the history of America as male-defined, with the right of rape constituting a large part of the definition for freedom.“ Ferner: Carlton, JILP 6, 1997, S. 106; Askin/Koenig, Women I–III. 1077 Siehe zur Enttabuisierung von Sexualverbrechen stellvertretend für viele andere: Halley, MJIL 30, 2008, S. 1–123 m.w. N. 1078 Siehe die Nachweise der staatlichen Vergewaltigungsvorschriften bei Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 180 und im Annex II, welche heute anders lauten.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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ren, dass im Rahmen einer Tauglichkeitsprüfung eine solche Definition gerade auszuschließen wäre. Es erscheint daher gerechtfertigt, solchen Staaten den Vorrang in der Rechtsvergleichung zu geben, die sich um Gleichberechtigung und Freiheit ihrer Bürger bemühen. Ferner wurde eine Auslese nach der Originalität von Tatbeständen vorgenommen. Wenn eine Definition bereits mehrere gleich- oder ähnlich lautende Tatbestandsmerkmale anderer Staaten enthält, werden mit der Darstellung des einen Landes bereits mehrere Staaten repräsentiert, so dass die Staaten mit ähnlichen Tatbeständen nicht auch noch verglichen werden müssen. Stattdessen erscheint es sinnvoller eine anders lautende Definition als Repräsentant für eine andere Staatengruppe aufzunehmen. Der Vorteil ist, dass damit sichergestellt wird, dass die meisten Tatbestandsvarianten der Welt in die Rechtsvergleichung eingehen. Je mehr die Tatbestände voneinander abweichen, desto weitläufiger stellt sich die Rechtsvergleichung dar, weil mittels unterschiedlicher Formulierungen repräsentativ nahezu alle Staatsansichten der Weltgemeinschaft wiedergegeben werden können. Es würde wenig Sinn machen, mehrere Rechtsordnungen zu vergleichen, die von vornherein beinahe den gleichen Tatbestand verwenden, weil beispielsweise frühere Kolonialstaaten die Strafnorm der Kolonialmacht in ihre Gesetzbücher übernommen haben. Es wäre zwar legitim sich darauf zu berufen, dass die ausgewählten Staaten die jeweiligen Rechtskreise vertreten und eine gewisse Geltung in der Weltgemeinschaft beanspruchen. Zumindest hätte man dann schneller eine Übereinstimmung mehrerer Staaten ermittelt. Andererseits erfolgt die Rechtsvergleichung in einer wertenden Weise, so dass die einzelnen innerstaatlichen Ansichten gegeneinander abgewogen werden. Auch ein auf den ersten Blick anders formulierter Tatbestand kann noch eine Übereinstimmung auf der Prinzipienebene erreichen. Der Ausgangspunkt bei einer stellvertretenden Rechtsvergleichung kann nicht die Häufigkeit der Verwendung der gleichen Norm sein. Vielmehr ist die Übereinstimmung aller Staaten zu einem Tatbestandselement zu eruieren, um daraus einen Grundsatz zu formulieren. Dieser kann aber nur sicher ermittelt werden, wenn alle Rechtsansichten beachtet werden, die sich zwangsläufig aus der Formulierungsdivergenz hervortun. Dieser Grundgedanke der Anerkennung aller Staaten als gleichwertig, wurde mit dem Erfordernis gewährleistet, nur einige Staaten divergierender Systeme zu analysieren, die gerade wegen ihres Systemunterschieds unterschiedliche Lösungsansätze zu einer Rechtsfrage vermuten lassen.1079 Erst die weitgefächerte Analyse kann ein wahres Prinzip aufdecken. Bei der Untersuchung scheint es angezeigt, die neuesten Rechtsansichten und Tendenzen zu erörtern und nicht demnächst überholtes Strafrecht oder stets die 1079

Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 178.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

gleiche Tatbestandsformulierung darzustellen. Daher wurde ein Überblick über die meisten Vergewaltigungstatbestände der Welt im Annex II geliefert. Daraus ergab sich, dass bestimmte einflussreiche Staaten der drei Rechtskreise zwar wegen ihrer politischen und wirtschaftlichen Macht als repräsentativ für die Weltgemeinschaft gelten könnten. Sie stellen aber entweder keine Übersetzungen der Gesetzestexte oder der Sekundärliteratur zur Verfügung oder haben sich im Sexualstrafrecht nicht um Reformen bemüht und auch keinen Tatbestand entwickelt, der in besonderem Maße zu einer sachlichen Diskussion der einzelnen Tatbestandsmerkmale hätte beitragen können. Viele Staaten übernahmen Gesetze anderer Staaten oder wurden durch diese stark beeinflusst, so dass sich die Analyse auf die Urheber des Rechtssystems, welche auch meist die Reformer der Rechtsmaterie sind, zu konzentrieren hatte. Stellvertretend für den Rechtskreis des „Common Law“ werden das englische und amerikanische Recht ausgewählt. Gerade das englische Recht ist Basis für zahlreiche Rechtsordnungen des „Common Wealth“ und hat sich 2003 einer weitreichenden Reform des Sexualstrafrechts unterzogen. Die USA stellen heute die einzige Weltmacht dar und sollten wegen ihres großen Einflusses auf das Völkerrecht keinesfalls unerwähnt bleiben. Da die USA ein föderaler Staat sind und die Gesetzgebungskompetenz für das materielle Strafrecht den einzelnen Bundesstaaten vorbehalten ist1080, existieren insgesamt 50 verschiedene Strafgesetzbücher („criminal codes“). Es wurde zwar 1962 der sog. „Model Penal Code“ vom American Law Institute entworfen, der zur Rechtsvereinheitlichung beitragen sollte. Viele Staaten nahmen ihn zum Vorbild und gestalteten ihre Strafgesetze entsprechend. Letztlich handelt es sich aber nur um einen rechtswissenschaftlichen Vorschlag eines Strafgesetzbuches, der den Gesetzgebern der 50 Bundesstaaten unterbreitet wurde, aber nicht um ein rechtsstaatlich erlassenes Bundesstrafgesetzbuch.1081 Besonders auf das Sexualstrafrecht bezogen kommt hinzu, dass sich erst in den 1970iger Jahren der Feminismus entwickelte, der schließlich zu den Reformen eines veralteten und sexistischen Sexualstrafrechts geführt hatte, so dass das Modellgesetz so gut wie keinen Einfluss auf die heutigen Gesetzgebungen der Sexualdelikte hatte.1082 Insofern kann nicht auf den „Model Penal Code“ zurückgegriffen werden, um die tatsächliche Rechtslage der USA darzustellen, sondern es muss auf die Strafgesetze der einzelnen Bundesstaaten abgestellt werden. Da aus Platzgründen nicht alle 50 Strafgesetzbücher erörtert werden können, muss eine zusätzliche Staatenauswahl aus den 50

1080 Dies ergibt sich aus dem 10. Zusatzartikel der Verfassung, vgl. dazu: Weik, Verbrechenselemente im US-amerikanischen Strafrecht, S. 10; Schmid, Strafverfahren, S. 34. 1081 Weigend, ZStW 105, 1993, S. 790; Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 1 ff.; Nill-Theobald, Defences, S. 136. 1082 Dressler, Understanding Criminal Law, S. 618.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Bundesstaaten der USA getroffen werden, die wiederum die Rechtslage der USA stellvertretend widerspiegeln sollen. Um die unterschiedlichen Rechtsansichten der USA aufzuzeigen, sollen hier der wichtigste Bundesstaat der Ost- und der Westküste – New York und Kalifornien – gegenübergestellt werden. Beide Staaten zeichnen sich durch sehr andersartige Vorgehensweisen in der Kriminalisierung von Sexualstraftaten aus. Für das französisch-romanische Recht werden Frankreich und Spanien herangezogen. Das französische Recht ist führender Vertreter bei jeder Rechtsvergleichung der Ad-hoc-Tribunale für das sog. „Civil Law“-System. Ferner ist auch heute noch – aus der Kolonialzeit herrührend – in vielen afrikanischen Staaten und Ländern des Nahen Ostens das französische Recht anzutreffen, während die überwiegenden Rechtsordnungen Mittel- und Südamerikas ihre Wurzeln im spanischen Recht haben. Für die deutsch-italienische Schule wird allein das deutsche Strafrecht begutachtet, weil es gegenüber dem italienischen Strafrecht einen größeren Rechtseinfluss auf mehrere umliegende Staaten (Österreich, Schweiz, Luxemburg, Niederlande) sowie die osteuropäischen Rechtsreformen nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten ausgeübt hat. Russland konnte als wichtigstes Land der früheren Sowjetunion und auch heute noch als eines der wichtigsten Mächte in der Welt nicht in die Rechtsvergleichung mit aufgenommen werden. Das Strafgesetzbuch wurde zwar nach dem Fall des Sozialismus 1996 reformiert, wies aber noch viele Lücken bzw. dogmatische Fehlentscheidungen auf und hatte im Sexualstrafrecht keine Neuerungen im Vergleich zu den westlichen Staaten gebracht. Es muss heute als überholt angesehen werden.1083 Allein die politische und militärische Machtstellung dieses Lan1083 Seit dem Inkrafttreten am 01.01.1997 wurde das russische StGB mehr als 30 Mal geändert bzw. ergänzt. Dabei wurden 10 neue Artikel eingeführt und über 50 Artikel geändert. 160 Gesetzesentwürfe wurden insgesamt eingebracht. Viele russische Strafrechtswissenschaftler nahmen politisierend Einfluss auf die Strafrechtswissenschaft und hielten an überholten Paradigmen vergangener Zeiten fest, während die Jugend kein Interesse an der Strafrechtstheorie hatte, sondern sich lieber mit dem Zivilrecht oder öffentlichen Recht auseinandersetzte. Siehe dazu: Jalinski, in: Eser/Arnold/Trappe, Strafrechtsentwicklung in Osteuropa, S. 12 ff.; Schittenhelm, in: Eser/Arnold/Trappe, Strafrechtsentwicklung in Osteuropa, S. 3 ff.; Lammich, ZStW 109, 1997, S. 417 ff. Aufgrund der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Änderungen im Land, der kurze Entwicklungszeitraum eines neuen StGB und die Rivalitäten zwischen Staatspräsident und Parlament bedingten politische und nicht immer sachlich gerechtfertigte Kompromisse. Die neuen Bestimmungen erscheinen daher nicht besonders ausgereift (Naumov, Soc. Ref. C.L. 8, 1997, S. 191). Das russische StGB wird als theoretisch kopflastig, teilweise doktrinär, unvollständig, lehrbuchartig, die Sprache als umständlich und bürokratisch bewertet (Schroeder/Bednarz, StGB der Russischen Föderation, S. 3 ff., 19 ff., 114 f.; Reynolds, Statutes and Decisions 39, 2003, S. 5 ff.). Der Gesetzgeber bevorzugte eine unklare Sprache. Anstatt das Opfer zu bestimmen, wurden grammatikalische Hinweise erteilt. Es scheint, dass nur eine Frau Opfer der Vergewaltigung sein kann, während der Analverkehr zwischen Männern nach einem anderen Sexualtatbe-

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

des kann in einer strafrechtlichen Rechtsvergleichung keine Vertreterrolle rechtfertigen. Ähnlich ist auch das polnische StGB von 1997 zu beurteilen. Polen ist eines der einflussreichsten Staaten in Osteuropa, das früher dem kommunistischen Rechtskreis angehörte. Es wurde zwar nach der politischen Wende stark reformiert und im Sexualstrafrecht wurde eine liberalere Einstellung als früher vertreten, so dass nun der Schutz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen im Vordergrund steht und die Sexualität nicht mehr generell als unmoralisch angesehen wird. Jedoch ist die Definition der Vergewaltigung sehr vage (Geschlechtsverkehr mittels Gewalt, Drohung oder Arglist) und damit nicht besonders interessant gegenüber den anderen hier in Betracht gezogenen „Civil Law“Staaten gehalten.1084 Auch der Einfluss auf die Entwicklung des Strafrechts anderer Staaten oder auf das Völkerstrafrecht muss als gering bewertet werden, so dass Polen als ein Vertreterland Osteuropas nicht in die Rechtsvergleichung miteinbezogen werden konnte. Als ein vom europäischen Recht des „Common Law“ und des „Civil Law“ unabhängiges Rechtsystem war das islamische Recht „Sharia Islamiya“ angeführt worden. Zu denken wäre da an die größten und politisch einflussreichsten Staaten der muslimischen Welt wie Saudi-Arabien, Ägypten, Iran und die Türkei. Allerdings fehlt es an Übersetzungen bzw. an einer Teilnahme an internationalen Rechtsdiskussionen, in denen die Länder ihre Positionen in einer allen verständlichen Sprache hätten kundtun können. So finden sich bereits keine ins Englische oder Französische übersetzten Gesetzestexte oder Definitionen der Vergewaltigung Saudi-Arabiens, Omans oder Jemens.1085 Auch die ägyptische Definition stellt lediglich ein Verbot der Vergewaltigung auf. Eine genaue Analyse der Tatbestandsmerkmale ist aufgrund der fehlenden Übersetzungen der Sekundärliteratur und der Rechtsprechung schlicht unmöglich. Ferner haben sich die islamischen Rechtssysteme seit Jahrzehnten nicht um eine Anpassung ihrer Gesetze oder Rechtsprechungen an die Bedürfnisse einer modernen Gesellschaft bemüht. Im Vordergrund des islamischen Rechts steht die Bevormundung von Frauen in einer männlich dominierten Gesellschaft.1086 Ein vornehmlich muslimisch bevöl-

stand verfolgt werden kann. Die kritische Schlussfolgerung lautet daher, dass sich der Gesetzgeber nicht besonders mit dem Sexualstrafrecht auseinander gesetzt hat (Reynolds, Statutes and Decisions 33, 1997, S. 3 ff., 76–77; Butler/Gashi, in: Butler, Criminal Code of the Russian Federation, S. xix ff.). Das Verlangen der Wissenschaft nach einem neuen StGB ist aufgrund der zahlreichen Fehler entsprechend laut: Gaukhman, Russian Politics and Law 37, 1999, S. 72 ff.; Burnham, RCEEL 26, 2000, S. 365 ff. 1084 Vgl. dazu: Weigend, Das polnische Strafgesetzbuch, S. 25; Zoll, in: Eser/Arnold/ Trappe, Strafrechtsentwicklung in Osteuropa, S. 20 ff. 1085 Es finden sich teilweise Übersetzungen eines Strafgesetzes, jedoch wird die Vergewaltigung meist aus dem „Hadith“ entnommen. Vgl. dazu: Noor, MLJ 5, 2009, S. cxiv ff.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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kertes Land, das sich um Strafrechtsreformen bemüht hat und zu dem auch Übersetzungen existieren, ist die Türkei. Seit der Gründung der Republik hat sie den Anschluss an die westlichen Zivilisationen angestrebt. Einen besonders starken Anstoß zu Reformen hat die Beitrittsabsicht der Türkei in die Europäische Union bewirkt, weil die Türkei das Strafrecht nicht auf einem veralteten bzw. nicht mit den Menschenrechten entsprechenden Stand hatte stehen lassen können. Jedoch wurde das türkische Strafrecht vornehmlich aus dem italienischen Strafrecht mit Einflüssen des französischen und deutschen Strafrechts entwickelt, so dass es eine Stellvertreterrolle für das islamische Recht gerade nicht übernehmen kann. Die Türkei hat sich beharrlich bemüht, einen laizistischen Rechtsstaat zu führen und das islamische Recht auszuschließen.1087 Da sich die wichtigsten islamischen Staaten durch fehlende Übersetzungen bzw. durch die fehlende Anpassung an auffindbare Gesetzestexte oder Fallsammlungen selbst an einem internationalen Diskurs ausgeschlossen haben, musste diese unzeitgemäße Einstellung islamischer Gesetzgeber und Rechtswissenschaftler bei der hiesigen Rechtsvergleichung zu einem Ausschluss des gesamten islamischen Rechtskreises führen. Denn ein unzugängliches und von anderen, sich Reformen unterziehenden Staaten überholtes Recht kann schlecht als repräsentativ für die Völkergemeinschaft gewertet werden. Es nimmt in der Weltgemeinschaft vielmehr – wie der Annex II zu erkennen gibt – eine Außenseiterrolle ein. Die einflussreichsten Länder des asiatischen Raums, China, Japan, Pakistan und Indien verfügen über veraltete und inadäquate Vergewaltigungsvorschriften (s. Annex II). Reformen wurden meist nur hinsichtlich anderer Straftaten durchgeführt. So bestrafen das chinesische und japanische StGB lediglich den mittels Zwang durchgeführten vaginalen Geschlechtsverkehr mit einem weiblichen Op1086 Vgl. dazu: Noor, MLJ 5, 2009, S. cxiv ff., der versucht, den Tatbestand der Vergewaltigung nach islamischem Recht darzustellen. Bereits die Wortwahl der Quellentexte („Hadith“) ist juristisch unangebracht, um nicht zu sagen lächerlich. Z. B. wird hier die Auslegung des Begriffs „zina“ (unrechtmäßiger Geschlechtsverkehr) wie folgt umschrieben: S. cxvi: „. . . the prophet asked Ma’iz: ,was the penetration like the stick entering the kohl jar or the rope entering the well?‘“ Ferner wird die Vergewaltigung als Ehrverletzungsdelikt verstanden und im Zusammenhang mit einem „rechtswidrigen“ Geschlechtsverkehr ausgelegt. Vergewaltigung wird als ein rechtswidriger Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Frau verstanden. Ein rechtswidriger Geschlechtsverkehr liegt vor, wenn die beteiligten Personen nicht verheiratet sind, oder die Frau dem Mann nicht gehört (also nicht sein Sklave ist). Damit verneint das islamische Recht das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Frauen und verstößt gegen das (sexuelle) Diskrimierungsverbot, welches einen allgemeinen anerkannten Grundsatz des Völkerrechts verkörpert. Solche veralteten und juristisch inadäquaten Quellentexte müssten spätestens über die Tauglichkeitsprüfung (Verstoß gegen allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerrechts) aussortiert werden, so dass sich eine Erörterung des islamischen Rechts in der Rechtsvergleichung nur als Zeitverschwendung darstellen würde. 1087 Vgl. Tellenbach, Einführung, S. 1 ff., 179 ff. m.w. N.; Tellenbach, Das türkische Strafgesetzbuch, S. 1 ff.; Miller, Wash. & Lee L.Rev. 64, 2007, S. 1349 ff., 1360, die sich u. a. mit dem Tatbestand der Vergewaltigung nach dem neuen StGB der Türkei von 2004 auseinandersetzt.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

fer und folgen damit dem Beispiel der veralteten englischen „Common Law“Definition. Andere schwerwiegende Angriffe auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht können nur nach dem viel geringeren Strafrahmen der sexuellen Nötigung erfasst werden. Pakistan gehört zwar dem „Common Wealth“ an, hat aber besonders im Hinblick auf die Sexualstraftaten islamische Gesetze und Beweisstandards (Geständnis oder vier glaubwürdige Zeugen) erlassen, welche das weibliche Opfer diskriminieren und faktisch eine Verurteilung eines Vergewaltigers unmöglich machen. Eine solche Gesetzgebung widerspricht den Grundsätzen der Menschenrechte und schließt eine Berücksichtigung in einer Rechtsvergleichung von vornherein aus. Das indische StGB enthält eine dem pakistanischen Recht sehr ähnliche Vergewaltigungsdefinition. Die Beweisstandards sind zwar etwas weniger diskriminierend gegenüber Frauen als im pakistanischen Recht, jedoch sind das Sexualstrafrecht und die diesbezügliche Rechtsprechung von den Ansichten einer patriarchalischen Gesellschaft geprägt, die Frauen als zweitklassige Bürger behandeln.1088 Der afrikanische Kontinent weist das gleiche Problem auf. Die muslimischen Staaten wurden bereits aufgrund der Unzugänglichkeit ihrer Vergewaltigungsgesetze ausgeschlossen. Ferner blieben afrikanische Staaten unberücksichtigt, wenn sie dem englischen oder dem französischen Vergewaltigungstatbestand ähnelten. Ein wirtschaftlich einflussreiches und aufstrebendes Land in Afrika ist Südafrika. Grundsätzlich hat es sich aus dem niederländischen und englischen Gewohnheitsrecht entwickelt. Seit 2007 verfügt Südafrika allerdings über ein spezielles Sexualgesetz – Sexual offences and related matters amendment act 2007 –, welches dem englischen Sexual Offences Act 2003 sehr nahesteht, so dass auf eine zusätzliche Erörterung des südafrikanischen Strafgesetzes neben dem englischen Recht verzichtet wurde. Ebenso basiert das Strafrecht der Nachbarstaaten Simbabwe, Botswana und Namibia auf römisch-niederländischen „Common Law“, wobei die Vergewaltigungsdefinition oft der überholten englischen „Common Law“-Definition entspricht, so dass ebenfalls keine Notwendigkeit gesehen wurde, diese Länder neben der englischen, inzwischen reformierten Definition in die Rechtsvergleichung aufzunehmen.1089 Somit wurde die Rechtsvergleichung auf die sechs Staaten Deutschland, Frankreich, Spanien, England und für die USA, auf New York und Kalifornien, beschränkt. Letztlich stehen sich doch wieder nur die zwei Rechtssysteme des 1088 Vgl. zur Rechtssystematik des chinesischen Strafrechts: Luo, Criminal Code of the Republic of China, S. 1 ff.; siehe zum japanischen Strafrecht: Burns, Sexual Violence, S. 147 ff.; siehe zum pakistanischen Recht: Mehdi, IJSL 18, 1990, S. 19 ff.; Quraishi, CMLJ 35, 1999; siehe die Bewertung des indischen Strafgesetzes in: Kaur, CMLJ 28, 1992, S. 32 ff. 1089 Siehe zur früheren „Common Law“-Vergewaltigungsdefinition in Südafrika und den Nachbarstaaten: Burchell, Principles of Criminal Law, S. 699 ff.; Snyman, ZStW 109, 1997, S. 434 ff.; Snyman, Criminal Law, S. 424 ff.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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„Common Laws“ und des „Civil Laws“ der westlichen Rechtskreise gegenüber1090, obwohl es der Verfasserin grundsätzlich darum ging, in einer Rechtsvergleichung auch andere bisher vernachlässigte Rechtsordnungen mit einzubeziehen. 2. Der Tatbestandsaufbau des „Common Laws“ Da sich hier lediglich zwei Rechtssysteme in der Rechtsvergleichung gegenüberstehen und das „Common Law“ das fremde Rechtssystem aus Sicht des Herkunftsland der Untersuchung darstellt, sollen kurz der Verbrechensaufbau des anglo-amerikanischen Rechtskreises und die Voraussetzungen einer Strafbarkeit erläutert werden. Die beiden Rechtssysteme differieren hauptsächlich in den Rechtsquellen und der juristischen Methode. Im kontinentaleuropäischen Recht stehen im Mittelpunkt abstrakte vom Gesetzgeber erlassene Rechtssätze. Das anglo-amerikanische Recht basiert auf dem „Case Law“, das heißt auf tragenden Gründen der Entscheidungen der obersten Gerichte, welche alle niedrigeren Instanzen binden („stare decisis“). Der US-amerikanische Gesetzgeber hat jedoch aufgrund des Strebens nach Unabhängigkeit, beeinflusst durch den Gedanken der Aufklärung und des Puritanismus mit der Zeit erheblich in das überlieferte Fallrecht eingegriffen. Gerade im Strafrecht existieren wegen des Grundsatzes „nullum crimen sine lege“ in allen Bundesstaaten der USA Kodifikationen. Im Unterschied zu kontinentaleuropäischen Gesetzestexten sind die US-amerikanischen Kodifikationen weniger durch abstrakte, abgeleitete Rechtssätze und wissenschaftliche Dogmatik, sondern vielmehr durch eine besonders starke Kasuistik, d. h. spezifische und ausführliche Definitionen, geprägt. Wenn die Kodifikationen Lücken aufweisen, ist jedoch das Fallrecht entscheidend. Allerdings wurde die Bindung an Präjudizien etwas aufgelockert. Oberste Gerichte können von ihrer eigenen Rechtsprechung abweichen und somit neues Recht sprechen, was im englischen Recht zwar ebenfalls gestattet ist, aber weniger praktiziert wird. Selbst wenn die Gerichte Gesetzestexte anwenden, ist die Arbeit der Gerichte auf eine Suche nach bereits ergangenen normkonkretisierenden Entscheidungen beschränkt, während die kontinentaleuropäischen Länder aufgrund ihrer systematischen Kodifikationen die Auffindung und Auslegung des Rechtssatzes in den Mittelpunkt der Rechtsfindung stellen.1091 1090 So weist auch Herdegen, Völkerrecht, § 17, Rn. 1, darauf hin, dass die angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen seit jeher viele Rechtsordnungen Lateinamerikas, Afrikas und Asiens prägen und seit dem Zusammenbruch des Kommunismus in den früheren Ostblocksstaaten, auch die neuen Rechtsordnungen Osteuropas stark beeinflusst haben, so dass sich eine Rechtsvergleichung im Völkerrecht auf die Gesamtschau der kontinentaleuropäischen und anglo-amerikanischen Rechtssysteme beschränken kann. 1091 Weik, Verbrechenselemente im US-amerikanischen Strafrecht, S. 11 f. m.w. N.; Schmid, Strafverfahren, S. 17 ff.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Auch dem anglo-amerikanischen Recht ist die Unterteilung in objektive und subjektive Elemente einer Straftat nicht fremd. Die mit Strafe bedrohte Handlung („offence“) verlangt das Vorliegen eines verbotenen Verhaltens („actus reus“) und eine darauf bezogene Einstellung („mens rea“). Dem sind negativ Ausschlussgründe der Strafbarkeit gegenübergestellt („defences“). Damit besteht der anglo-amerikanische Verbrechensbegriff aus zwei Teilen. Das verbotene Verhalten kann aus einem positiven Tun („act“), Unterlassen („omission“) oder Besitz („possesion“) bestehen. Nur eine vom Willen getragene Handlung („voluntary act“), also keine ungesteuerte Handlung, die z. B. auf Reflexe oder epileptische bzw. schizophrene Anfälle, Schlafwandeln oder seelische Traumata zurückzuführen ist, kann als Straftat genügen. Neben dem verbotenen Verhalten („conduct“) gehören zum „actus reus“ auch andere objektive Tatumstände („circumstances“) sowie bei Erfolgsdelikten der Erfolg der Handlung („result“) und die Kausalität zwischen Handlung und Erfolg („causation“).1092 Der Begriff „mens rea“ bezieht sich auf die Einstellung des Täters zu den im „actus reus“ umschriebenen Elementen des Verhaltens, der Tatumstände sowie des Erfolgs bei Erfolgsdelikten. „Mens rea“ beinhaltet kognitive, voluntative und emotionale Aspekte. Neben der Einstellung des Täters zur Tat wird auch unter dem Begriff „mens rea“ die Vorwerfbarkeit der Tat erfasst, welche im deutschen Recht ungefähr dem Aspekt der Schuld gleichkommt. Während im deutschen Recht positiv die Schuld festgestellt werden muss, schließt das US-amerikanische Recht die Schuld nur aus, wenn der Beschuldigte einen besonderen Schuldausschließungsgrund (z. B.: „insanity“ = Schuldunfähigkeit wegen Geisteskrankheit) nachweisen kann.1093 Aus dem „Common Law“ sind grundsätzlich drei Schuldformen bekannt: Vorsatz („intent“), Eventualvorsatz ( „recklessness“) und Fahrlässigkeit ( „negligence“). „Intent“ bedeutet sicheres Wissen als auch Wollen der Tat. Es existiert keine Unterscheidung zwischen Absicht und Vorsatz wie im deutschen Recht. Nur ausnahmsweise wird ein zielgerichtetes Handeln im Sinne einer Absicht verlangt. „Recklessness“ verlangt im Unterschied zum „intent“ keine Gewissheit des Täters, dass ein Umstand vorliegt oder bei normalem Hergang der Tat ein Erfolg eintreten wird. Der Handelnde muss sich nur einer gewissen Wahrscheinlichkeit bewusst sein und diese akzeptiert haben. Im deutschen Recht reicht bereits aus, dass sich der Täter bei einem gewöhnlichen Verlauf der Ereignisse einer Möglichkeit des Erfolgseintritts bewusst ist und diesen in Kauf nimmt.1094 „Negligence“ setzt einen groben Verstoß gegen bestimmte Verhaltensstandards voraus, welcher dem Handelnden nicht bewusst sein muss. 1092 Siehe dazu die Ausführungen bei Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, Chapter 4; Loveless, Criminal Law, S. 32 ff.; Weik, Verbrechenselemente im US-amerikanischen Strafrecht, S. 46 f.; Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 42 ff. 1093 Weik, Verbrechenselemente im US-amerikanischen Strafrecht, S. 47. 1094 Siehe die Ausführungen zum Vorsatz in Deutschland und Frankreich: Roßkopf, Die innere Tatseite des Völkerrechtsverbrechens, S. 16 ff., 38, 49.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Erkennt dieser jedoch die gesicherte Möglichkeit des Erfolgseintritts oder das Vorliegen eines Umstands, liegt „recklessness“ vor. „Negligence“ löst nur bei wenigen, besonders schwerwiegenden Delikten eine Strafbarkeit aus.1095 Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass der „actus reus“ und die „mens rea“ des anglo-amerikanischen Rechtskreises mit dem objektiven und subjektiven Tatbestand des „Civil Law“-Rechtskreises vergleichbar sind. Die Rechtsvergleichung wird daher nach einem objektiven und einem subjektiven Tatbestand getrennt erfolgen. Der objektive Tatbestand wird sich in die Aspekte Tathandlung, Täter, Opfer, und andere Umstände aufteilen, während sich der subjektive Tatbestand des Vorsatzes des Täters zur Tat sowie der Irrtumsproblematik annehmen wird. 3. Objektiver Tatbestand der Vergewaltigung in den sechs staatlichen Rechtsordnungen a) Gesetzestexte aa) Deutschland § 177 StGB sexuelle Nötigung, Vergewaltigung (1) Wer eine andere Person 1. mit Gewalt, 2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder 3. unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn 1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder 2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird. (3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter 1. eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, 2. sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder 1095 Weik, Verbrechenselemente im US-amerikanischen Strafrecht, S. 80 ff., 84–86; Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 52 ff., 68 ff.; Smith/Hogan/ Omerod, Criminal Law, Chapter 5; Loveless, Criminal Law, S. 91 ff.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung 3. das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter 1. bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder 2. das Opfer a) bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder b) durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt. (5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 3 und 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen. § 178 Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge Verursacht der Täter durch die sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung (§ 177) wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

bb) Frankreich Code Pénal – 2. Buch, 2. Titel, 2. Kapitel, 3. Abschnitt: Sexuelle Angriffe 1. Absatz – Vergewaltigung1096 Art. 222-22 Ein sexueller Angriff ist jeder sexueller Übergriff, der unter Anwendung von Gewalt, Zwang, Drohung oder Ausnutzung von Überraschung ausgeführt wird. Eine Vergewaltigung und die sonstigen sexuellen Angriffe liegen vor, wenn sie dem Opfer unter den in diesem Abschnitt bezeichneten Umständen aufgezwungen wurden, gleich welcher Art die Beziehung zwischen dem Angreifer und seinem Opfer sein mögen, einschließlich wenn zwischen ihnen eine eheliche Verbindung besteht. In diesem Fall gilt die Vermutung der Einwilligung der Ehegatten in den sexuellen Akt nur bis zum Beweis des Gegenteils. Werden die sexuellen Angriffe auf einen Minderjährigen im Ausland von einem Franzosen oder einer Person begangen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt auf französischen Staatsgebiet hat, ist in Abweichung vom zweiten Absatz des Art. 113-6 das französische Gesetz anwendbar und die Bestimmungen des zweiten Satzes des Art. 113-8 gelten nicht. Art. 222-23 Vergewaltigung ist jede wie auch immer geartete sexuelle Penetration, die an einer anderen Person unter Anwendung von Gewalt, Zwang, Drohung oder Ausnutzung von Überraschung begangen wird. Die Vergewaltigung wird mit 15 Jahren Zuchthaus bestraft. 1096 Deutsche Übersetzung in: Bauknecht/Lüdicke/Jung/Walther, Das französische Strafgesetzbuch.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Art. 222-24 Die Vergewaltigung wird mit 20 Jahren Zuchthaus bestraft, wenn sie 1. zu einer Verstümmelung oder dauernden Behinderung geführt hat; 2. an einem Minderjährigen unter 15 Jahren begangen wird; 3. an einer Person begangen wird, deren besondere, durch Alter, Krankheit, Behinderung, körperliches oder seelisches Gebrechen oder Schwangerschaft bedingte Verletzbarkeit offenkundig oder dem Täter bekannt ist; 4. von einem ehelichen, nichtehelichen oder Adoptivverwandten aufsteigender Linie oder jeder anderen Person begangen wird, deren Aufsicht das Opfer untersteht; 5. von einer Person unter Missbrauch ihrer Aufsichtsstellung begangen wird; 6. von mehreren Personen als Täter oder Teilnehmer begangen wird; 7. unter Anwendung oder unter Androhung von Waffengewalt; 8. Wenn der Kontakt zwischen dem Opfer und dem Täter durch Benutzung eines Telekommunikationsnetzes zur Verbreitung von Mitteilungen an einen nicht bestimmten Adressatenkreis zustande kam. Art. 222-25 Die Vergewaltigung wird mit 30 Jahren Zuchthaus bestraft, wenn sie zum Tode des Opfers geführt hat. Die ersten beiden Absätze des Art. 132-23 über die Sicherheitsperiode sind auf die im vorliegenden Artikel bezeichnete Straftat anwendbar. Art. 222-26 Die Vergewaltigung wird mit lebenslangem Zuchthaus bestraft, wenn vorher, gleichzeitig oder anschließend Folterungen oder brutale Misshandlungen begangen wurden. Die ersten beiden Absätze des Art. 132-23 über die Sicherheitsperiode sind auf die im vorliegenden Artikel bezeichnete Straftat anwendbar.

cc) Spanien Código Penal – Capitulo I: De Los Agresiones Sexuales1097 Art. 178 Wer die sexuelle Freiheit einer anderen Person mit Gewalt oder Einschüchterung beeinträchtigt, wird als Verantwortlicher eines sexuellen Angriffs mit Gefängnis von einem Jahr bis zu vier Jahren bestraft.

1097

Hoffmann/Melía/Bacigalupo, Das spanische Strafgesetzbuch, S. 114 f.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung Art. 179

Besteht der sexuelle Angriff in vaginalem, analem oder oralem Geschlechtsverkehr oder im Einführen von Körperteilen oder Gegenständen auf eine der beiden ersten Arten, wird der Verantwortliche, als Täter einer Vergewaltigung, mit Gefängnis von sechs Jahren bis zu zwölf Jahren bestraft. Art. 180 (1) Die vorstehenden Verhaltensweisen werden mit Gefängnis von vier bis zu zehn Jahren im Fall der Angriffe des Art. 178 und von zwölf bis zu 15 Jahren im Fall des Angriffs des Art. 179 bestraft, wenn einer der folgenden Umstände vorliegt: 1. wenn die ausgeübte Gewalt oder Einschüchterung eines besonders erniedrigenden oder entwürdigenden Charakter aufweist; 2. wenn die Taten durch das gemeinsame Handeln von zwei oder mehr Personen begangen werden; 3. wenn das Opfer aufgrund seines Alters, seiner Krankheit oder Situation besonders verletzbar ist, und in jedem Fall, wenn es jünger als 13 Jahre ist; 4. wenn der Verantwortliche für die Ausführung der Straftat eine Überlegenheitsoder Verwandtschaftsbeziehung gegenüber dem Opfer ausnutzt, weil er leiblicher oder adoptierter Vorfahre, Abkömmling oder Geschwister des Opfers oder mit diesem verschwägert ist; 5. wenn der Täter von Waffen oder anderen, gleichermaßen gefährlichen Mitteln Gebrauch macht, die geeignet sind, den Tod oder eine der in Art. 149 und 150 dieses Gesetzbuchs beschriebenen Verletzungen herbeizuführen, unbeschadet der Strafe, die wegen des verursachten Todes oder der verursachten Verletzungen verhängt werden könnte. (2) Liegen zwei oder mehr der vorstehenden Umstände vor, sind die in diesem Artikel angedrohten Strafen aus der oberen Hälfte zu verhängen.

dd) England Sexual Offences Act 2003 Section 1 Rape (1) A person (A) commits an offence if – (a) he intentionally penetrates the vagina, anus or mouth of another person (B) with his penis, (b) B does not consent to the penetration, and (c) A does not reasonable believe that B consents. (2) Whether a belief is reasonable is to be determined having regard to all the circumstances including any steps A has taken to ascertain whether B consents. (3) Sections 75 and 76 apply to an offence under this section.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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(4) A person guilty of an offence under this section is liable, on conviction on indictment, to imprisonment for life. Section 2 Assault by Penetration (1) A person (A) commits an offence if – (a) he intentionally penetrates the vagina or anus of another person with a part of his body or anything else, (b) the penetration is sexual, (c) B does not consent to the penetration, and (d) A does not reasonable believe that B consents. (2) Whether a belief is reasonable is to be determined having regard to all the circumstances including any steps A has taken to ascertain whether B consents. (3) Sections 75 and 76 apply to an offence under this section. (4) A person guilty of an offence under this section is liable, on conviction on indictment, to imprisonment for life. Section 4 Causing a person to engage in sexual activity without consent (1) A person (A) commits an offence if – (a) he intentionally causes another person (B) to engage in an activity, (b) the activity is sexual, (c) B does not consent to engaging in the activity, and (d) A does not reasonable believe that B consents. (2) whether a belief is reasonable is to be determined having regard to all the circumstances, including any steps A has taken to ascertain whether B consents. (3) Sections 75 and 76 apply to an offence under this section. (4) A person guilty of an offence under this section, if the activity caused involved – (a) penetration of B’s anus or vagina, (b) penetration of B’s mouth with a person’s penis, (c) penetration of a person’s anus or vagina with a part of B’s body or by B with anything else, or (d) penetration of a person’s mouth with B’s penis, is liable, on conviction on indictment, to imprisonment for life. (5) Unless subsection (4) applies, a person guilty of an offence under this section is liable – (a) on summary conviction, to imprisonment for a term not exceeding 6 months or to a fine not exceeding the statutory maximum or both; (b) on conviction on indictment, to imprisonment for a term not exceeding 10 years.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung Section 74 Consent

For the purpose of this part, a person consents if he or she agrees by choice and has the freedom and capacity to make that choice. Section 75 Evidential Presumption (1) If in proceedings for an offence to which this section applies it is proved – (a) that the defendant did the relevant act, (b) that any of the circumstances specified in subs (2) existed, and (c) that the defendant knew that those circumstances existed, (d) the complainant is to be taken not to have consented to the relevant act unless sufficient evidence is adduced to raise an issue as to whether he consented, and the defendant is to be taken not to have reasonably believed that the complainant consented unless sufficient evidence is adduced to raise an issue as to whether he reasonably believed it. (2) The circumstances are that: (a) any person was, at the time of the relevant act or immediately before it began, using violence against the complainant or causing the complainant to fear that immediate violence would be used against him; (b) any person was, at the time of the relevant act or immediately before it began, causing the complainant to fear that violence was being used, or that immediate violence would be used, against another person. An example would be where violence is threatened against the complainants child unless she agrees to have sexual intercourse. The person using violence or making the threat need not to be the one who has the sexual activity procured thereby, nor need the other be related in any way to the complainant; (c) the complainant was, and the defendant was not, unlawfully detained at the time of the relevant act; (d) the complainant was asleep or otherwise unconscious at the time of the relevant act; (e) because of the complainant’s physical disability, the complainant would not have been able at the time of the relevant act to communicate to the defendant whether the complainant consented; (f) any person had administered to or caused to be taken by the complainant, without the complainant’s consent, a substance which, having regard to when it was administered or taken, was capable of causing or enabling the complainant to be stupefied or overpowered at the time of the relevant act. Section 76 Conclusive Presumption (1) If in proceedings for an offence to which this section applies it is proved that the defendant did the relevant act, and that any of the circumstances specified in subs (2) existed, it is conclusively presumed –

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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(a) that the complainant did not consent to the relevant act, and (b) that the defendant did not believe that the complainant consented to the relevant act. (2) The circumstances are that: (a) the defendant intentionally deceived the complainant as to the nature or purpose of the relevant act. (b) the defendant intentionally induced the complainant to consent to the relevant act by impersonating a person known personally to the complainant. Section 78 Sexual For the purpose of this part (except s. 71) penetration, touching or any other activity is sexual if a reasonable person would consider that – (a) whatever its circumstances or any person’s purpose in relation to it, it is because of its nature sexual, or (b) because of its nature it may be sexual and because of its circumstances or the purpose of any person in relation to it (or both) it is sexual.

ee) New York New York Penal Law – Chapter 40 of the consolidated laws part three – Specific offences title H – Offences against the person involving physical injury, sexual conduct, restraint and intimidation Article 130 – Sex offences1098 Section 130.00 Sex offenses; definitions of terms The following definitions are applicable to this article: 1. „Sexual intercourse“ has its ordinary meaning and occurs upon any penetration, however slight. 1098 Die Tatbestandsvorschriften enthalten keinen Strafrahmen, sondern lediglich eine Klassifizierung nach einem Verbrechen („felony“) oder einem Vergehen („misdemeanor“) nach einer bestimmten Klasse (B, C, D, E). Der Strafrahmen ist in einem anderen Abschnitt des Gesetzes für die jeweilige Klasse aufgelistet. Hier ein kleiner Auszug zum Verständnis der Strafzumessung im US-amerikanischen Recht: Part two – Sentences Title E – Sentences Article 70 Section 70 ss. 2: Maximum term of sentence. The maximum term of an indeterminate sentence shall be at least three years and the term shall be fixed as follows: (a) For a class A felony, the term shall be life imprisonment; (b) For a class B felony, the term shall be fixed by the court, and shall not exceed twenty-five years; (c) For a class C felony, the term shall be fixed by the court, and shall not exceed fifteen years; (d) For a class D felony, the term shall be fixed by the court, and shall not exceed seven years; and

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

2. (a) „Oral sexual conduct“ means conduct between persons consisting of contact between the mouth and the penis, the mouth and the anus, or the mouth and the vulva or vagina. (b) „Anal sexual conduct“ means conduct between persons consisting of contact between the penis and anus. 3. „Sexual contact“ means any touching of the sexual or other intimate parts of a person not married to the actor for the purpose of gratifying sexual desire of either party. It includes the touching of the actor by the victim, as well as the touching of the victim by the actor, whether directly or through clothing. 4. For the purposes of this article „married“ means the existence of the relationship between the actor and the victim as spouses which is recognized by law at the time the actor commits an offense proscribed by this article against the victim. 5. „Mentally disabled“ means that a person suffers from a mental disease or defect which renders him or her incapable of appraising the nature of his or her conduct. 6. „Mentally incapacitated“ means that a person is rendered temporarily incapable of appraising or controlling his conduct owing to the influence of a narcotic or intoxicating substance administered to him without his consent, or to any other act committed upon him without his consent. 7. „Physically helpless“ means that a person is unconscious or for any other reason is physically unable to communicate unwillingness to an act. 8. „Forcible compulsion“ means to compel by either: (a) use of physical force; or (b) a threat, express or implied, which places a person in fear of immediate death or physical injury to himself, herself or another person, or in fear that he, she or another person will immediately be kidnapped. 9. „Foreign object“ means any instrument or article which, when inserted in the vagina, urethra, penis or rectum, is capable of causing physical injury. 10. „Sexual conduct“ means sexual intercourse, oral sexual conduct, anal sexual conduct, aggravated sexual contact, or sexual contact. 11. „Aggravated sexual contact“ means inserting, other than for a valid medical purpose, a foreign object in the vagina, urethra, penis or rectum of a child, thereby causing physical injury to such child. 12. „Health care provider“ means any person who is, or is required to be, licensed or registered or holds himself or herself out to be licensed or registered, or provides services as if he or she were licensed or registered in the profession of medicine, chiropractic, dentistry or podiatry under any of the following: article one hundred thirty-one, one hundred thirty-two, one hundred thirty-three, or one hundred fortyone of the education law. (e) For a class E felony, the term shall be fixed by the court, and shall not exceed four years. Vgl. zur Systematik des Gesetzbuches auch: Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 6 f

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13. „Mental health care provider“ shall mean a licensed physician, licensed psychologist, registered professional nurse, licensed clinical social worker or a licensed master social worker under the supervision of a physician, psychologist or licensed clinical social worker.

Section 130.05 Sex offenses; lack of consent 1. Whether or not specifically stated, it is an element of every offense defined in this article that the sexual act was committed without consent of the victim. 2. Lack of consent results from: (a) Forcible compulsion; or (b) Incapacity to consent; or (c) Where the offense charged is sexual abuse or forcible touching, any circumstances, in addition to forcible compulsion or incapacity to consent, in which the victim does not expressly or impliedly acquiesce in the actor’s conduct; or (d) Where the offense charged is rape in the third degree as defined in subdivision three of section 130.25, or criminal sexual act in the third degree as defined in subdivision three of section 130.40, in addition to forcible compulsion, circumstances under which, at the time of the act of intercourse, oral sexual conduct or anal sexual conduct, the victim clearly expressed that he or she did not consent to engage in such act, and a reasonable person in the actor’s situation would have understood such person’s words and acts as an expression of lack of consent to such act under all the circumstances. 3. A person is deemed incapable of consent when he or she is: (a) less than seventeen years old; or (b) mentally disabled; or (c) mentally incapacitated; or (d) physically helpless; or (e) committed to the care and custody of the state department of correctional services or a hospital, as such term is defined in subdivision two of section four hundred of the correction law, and the actor is an employee, not married to such person, who knows or reasonably should know that such person is committed to the care and custody of such department or hospital. For purposes of this paragraph, „employee“ means (i) an employee of the state department of correctional services who performs professional duties in a state correctional facility consisting of providing custody, medical or mental health services, counseling services, educational programs, or vocational training for inmates; (ii) an employee of the division of parole who performs professional duties in a state correctional facility and who provides institutional parole services pursuant to section two hundred fifty-nine-e of the executive law; or

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung (iii) an employee of the office of mental health who performs professional duties in a state correctional facility or hospital, as such term is defined in subdivision two of section four hundred of the correction law, consisting of providing custody, or medical or mental health services for such inmates; or

(f) committed to the care and custody of a local correctional facility, as such term is defined in subdivision two of section forty of the correction law, and the actor is an employee, not married to such person, who knows or reasonably should know that such person is committed to the care and custody of such facility. For purposes of this paragraph, „employee“ means an employee of the local correctional facility where the person is committed who performs professional duties consisting of providing custody, medical or mental health services, counseling services, educational services, or vocational training for inmates; or (g) committed to or placed with the office of children and family services and in residential care, and the actor is an employee, not married to such person, who knows or reasonably should know that such person is committed to or placed with such office of children and family services and in residential care. For purposes of this paragraph, „employee“ means an employee of the office of children and family services or of a residential facility who performs duties consisting of providing custody, medical or mental health services, counseling services, educational services, or vocational training for persons committed to or placed with the office of children and family services and in residential care; or (h) a client or patient and the actor is a health care provider or mental health care provider charged with rape in the third degree as defined in section 130.25, criminal sexual act in the third degree as defined in section 130.40, aggravated sexual abuse in the fourth degree as defined in section 130.65-a, or sexual abuse in the third degree as defined in section 130.55, and the act of sexual conduct occurs during a treatment session, consultation, interview, or examination. Section 130.10 Sex offenses; limitation; defenses 1. In any prosecution under this article in which the victim’s lack of consent is based solely upon his or her incapacity to consent because he or she was mentally disabled, mentally incapacitated or physically helpless, it is an affirmative defense that the defendant, at the time he or she engaged in the conduct constituting the offense, did not know of the facts or conditions responsible for such incapacity to consent. 2. Conduct performed for a valid medical or mental health care purpose shall not constitute a violation of any section of this article in which incapacity to consent is based on the circumstances set forth in paragraph (h) of subdivision three of section 130.05 of this article. 3. In any prosecution for the crime of rape in the third degree as defined in section 130.25, criminal sexual act in the third degree as defined in section 130.40, aggravated sexual abuse in the fourth degree as defined in section 130.65-a, or sexual abuse in the third degree as defined in section 130.55 in which incapacity to consent is based on the circumstances set forth in paragraph (h) of subdivision three of sec-

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tion 130.05 of this article it shall be an affirmative defense that the client or patient consented to such conduct charged after having been expressly advised by the health care or mental health care provider that such conduct was not performed for a valid medical purpose. 4. In any prosecution under this article in which the victim’s lack of consent is based solely on his or her incapacity to consent because he or she was less than seventeen years old, mentally disabled, or a client or patient and the actor is a health care provider, it shall be a defense that the defendant was married to the victim as defined in subdivision four of section 130.00 of this article. Section 130.16 Sex offenses; corroboration A person shall not be convicted of any offense defined in this article of which lack of consent is an element but results solely from incapacity to consent because of the victim’s mental defect, or mental incapacity, or an attempt to commit the same, solely on the testimony of the victim, unsupported by other evidence tending to: 1. Establish that an attempt was made to engage the victim in sexual intercourse, oral sexual conduct, or sexual contact, as the case may be, at the time of the occurrence; and 2. Connect the defendant with the commission of the offense or attempted offense. Section 130.20 Sexual misconduct A person is guilty of sexual misconduct when: 1. He or she engages in sexual intercourse with another person without such person’s consent; or 2. He or she engages in oral sexual intercourse with another person without such person’s consent; or 3. He or she engages in sexual conduct with an animal or a dead human body. Sexual misconduct is a class A misdemeanor. Section 130.25 Rape in the third degree A person is guilty of rape in the third degree when: 1. He or she engages in sexual intercourse with another person who is incapable of consent by reason of some factor other than being less than seventeen years old; 2. Being twenty-one years old or more, he or she engages in sexual intercourse with another person less than seventeen years old; or 3. He or she engages in sexual intercourse with another person without such person’s consent where such lack of consent is by reason of some factor other than incapacity to consent. Rape in the third degree is a class E felony.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung Section 130.30 Rape in the second degree

A person is guilty of rape in the second degree when: 1. being eighteen years old or more, he or she engages in sexual intercourse with another person less than fifteen years old; or 2. he or she engages in sexual intercourse with another person who is incapable of consent by reason of being mentally disabled or mentally incapacitated. It shall be an affirmative defense to the crime of rape in the second degree as defined in subdivision one of this section that the defendant was less than four years older than the victim at the time of the act. Rape in the second degree is a class D felony.

Section 130.35 Rape in the first degree A person is guilty of rape in the first degree when he or she engages in sexual intercourse with another person: 1. By forcible compulsion; or 2. Who is incapable of consent by reason of being physically helpless; or 3. Who is less than eleven years old; or 4. Who is less than thirteen years old and the actor is eighteen years old or more. Rape in the first degree is a class B felony.

Section 130.40 Criminal sexual act in the third degree A person is guilty of criminal sexual act in the third degree when: 1. He or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with a person who is incapable of consent by reason of some factor other than being less than seventeen years old; 2. Being twenty-one years old or more, he or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with a person less than seventeen years old; or 3. He or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with another person without such person’s consent where such lack of consent is by reason of some factor other than incapacity of consent. Criminal sexual act in the third degree is a class E felony.

Section 130.45 Criminal sexual act in the second degree A person is guilty of criminal sexual act in the second degree when: 1. being eighteen years old or more, he or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with another person less than fifteen years old; or

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2. he or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with another person who is incapable of consent by reason of being mentally disabled or mentally incapacitated. It shall be an affirmative defense to the crime of criminal sexual act in the second degree as defined in subdivision one of this section that the defendant was less than four years older than the victim at the time of the act. Criminal sexual act in the second degree is a class D felony. Section 130.50 Criminal sexual act in the first degree A person is guilty of criminal sexual act in the first degree when he or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with another person: 1. By forcible compulsion; or 2. Who is incapable of consent by reason of being physically helpless; or 3. Who is less than eleven years old; or 4. Who is less than thirteen years old and the actor is eighteen years old or more. Criminal sexual act in the first degree is a class B felony. Section 130.65-a Aggravated sexual abuse in the fourth degree 1. A person is guilty of aggravated sexual abuse in the fourth degree when: (a) He or she inserts a foreign object in the vagina, urethra, penis or rectum of another person and the other person is incapable of consent by reason of some factor other than being less than seventeen years old; or (b) He or she inserts a finger in the vagina, urethra, penis or rectum of another person causing physical injury to such person and such person is incapable of consent by reason of some factor other than being less than seventeen years old. 2. Conduct performed for a valid medical purpose does not violate the provisions of this section. Aggravated sexual abuse in the fourth degree is a class E felony. Section 130.66 Aggravated sexual abuse in the third degree 1. A person is guilty of aggravated sexual abuse in the third degree when he inserts a foreign object in the vagina, urethra, penis or rectum of another person: (a) By forcible compulsion; or (b) When the other person is incapable of consent by reason of being physically helpless; or (c) When the other person is less than eleven years old. 2. A person is guilty of aggravated sexual abuse in the third degree when he or she inserts a foreign object in the vagina, urethra, penis or rectum of another person

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

causing physical injury to such person and such person is incapable of consent by reason of being mentally disabled or mentally incapacitated. 3. Conduct performed for a valid medical purpose does not violate the provisions of this section. Aggravated sexual abuse in the third degree is a class D felony. Section 130.67 Aggravated sexual abuse in the second degree 1. A person is guilty of aggravated sexual abuse in the second degree when he inserts a finger in the vagina, urethra, penis, or rectum of another person causing physical injury to such person: (a) By forcible compulsion; or (b) When the other person is incapable of consent by reason of being physically helpless; or (c) When the other person is less than eleven years old. 2. Conduct performed for a valid medical purpose does not violate the provisions of this section. Aggravated sexual abuse in the second degree is a class C felony. Section 130.70 Aggravated sexual abuse in the first degree 1. A person is guilty of aggravated sexual abuse in the first degree when he inserts a foreign object in the vagina, urethra, penis or rectum of another person causing physical injury to such person: (a) By forcible compulsion; or (b) When the other person is incapable of consent by reason of being physically helpless; or (c) When the other person is less than eleven years old. 2. Conduct performed for a valid medical purpose does not violate the provisions of this section. Aggravated sexual abuse in the first degree is a class B felony.

ff) Kalifornien Penal Code – Section 261–289 261. {Rape}1099 (a) Rape is an act of sexual intercourse accomplished with a person not the spouse of the perpetrator, under any of the following circumstances: 1099 Die Überschriften wurden von der Verfasserin zur besseren Übersicht des Gesetzesaufbaus eingefügt und daher in Klammern gesetzt.

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(1) Where a person is incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the provisions of the Lanterman-PetrisShort Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving consent. (2) Where it is accomplished against a person’s will by means of force, violence, duress, menace, or fear of immediate and unlawful bodily injury on the person or another. (3) Where a person is prevented from resisting by any intoxicating or anesthetic substance, or any controlled substance, and this condition was known, or reasonably should have been known by the accused. (4) Where a person is at the time unconscious of the nature of the act, and this is known to the accused. As used in this paragraph, „unconscious of the nature of the act“ means incapable of resisting because the victim meets one of the following conditions: (A) Was unconscious or asleep. (B) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant that the act occurred. (C) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraud in fact. (D) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraudulent representation that the sexual penetration served a purpose when it served no professional purpose. (5) Where a person submits under the belief that the person committing the act is the victim’s spouse, and this belief is induced by any artifice, pretense, or concealment practiced by the accused, with intent to induce the belief. (6) Where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat. As used in this paragraph, „threatening to retaliate“ means as threat to kidnap or falsely imprison, or to inflict extreme pain, serious bodily injury, or death. (7) Where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to use the authority of a public official to incarcerate, arrest, or deport the victim or another, and the victim has a reasonable belief that the perpetrator is a public official. As used in this paragraph, „public official“ means a person employed by a governmental agency who has the authority, as part of that position, to incarcerate, arrest, or deport another. The perpetrator does not actually have to be a public official. (b) As used in this section, „duress“ means a direct or implied threat of force, violence, danger, or retribution sufficient to coerce a reasonable person of ordinary susceptibilities to perform an act which otherwise would not have been performed, or ac-

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung quiesce in an act to which one otherwise would not have submitted. The total circumstances, including the age of the victim, and his or her relationship to the defendant, are factors to consider in appraising the existence of duress.

(c) As used in this section, „menace“ means any threat declaration, or act which shows an intention to inflict an injury upon another. 261.6. {Consent} In prosecutions under Section 261, 262, 286, 288a, or 289, in which consent is at issue, „consent“ shall be defined to mean positive cooperation in act or attitude pursuant to an exercise of free will. The person must act freely and voluntarily and have knowledge of the nature of the act or transaction involved. A current or previous dating or marital relationship shall not be sufficient to constitute consent where consent is at issue in a prosecution under Section 261, 262, 286, 288a, or 289. Nothing in this section shall affect the admissibility of evidence or the burden of proof on the issue of consent. 61.7. {Condom and birth control devices} In prosecutions under Section 261, 262, 286, 288a, or 289, in which consent is at issue, evidence that the victim suggested, requested, or otherwise communicated to the defendant that the defendant use a condom or other birth control device, without additional evidence of consent, is not sufficient to constitute consent. 262. {Spousal rape} (a) Rape of a person who is the spouse of the perpetrator is an act of sexual intercourse accomplished under any of the following circumstances: (1) Where it is accomplished against a person’s will by means of force, violence, duress, menace, or fear of immediate and unlawful bodily injury on the person or another. (2) Where a person is prevented from resisting by any intoxicating or anesthetic substance, or any controlled substance, and this condition was known, or reasonably should have been known, by the accused. (3) Where a person is at the time unconscious of the nature of the act, and this is known to the accused. As used in this paragraph, „unconscious of the nature of the act“ means incapable of resisting because the victim meets one of the following conditions: (A) Was unconscious or asleep. (B) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant that the act occurred. (C) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraud in fact.

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(4) Where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat. As used in this paragraph, „threatening to retaliate“ means a threat to kidnap or falsely imprison, or to inflict extreme pain, serious bodily injury, or death. (5) Where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to use the authority of a public official to incarcerate, arrest, or deport the victim or another, and the victim has a reasonable belief that the perpetrator is a public official. As used in this paragraph, „public official“ means a person employed by a governmental agency who has the authority, as part of that position, to incarcerate, arrest, or deport another. The perpetrator does not actually have to be a public official. (b) Section 800 shall apply to this section. However, no prosecution shall be commenced under this section unless the violation was reported to medical personnel, a member of the clergy, an attorney, a shelter representative, a counselor, a judicial officer, a rape crisis agency, a prosecuting agency, a law enforcement officer, or a firefighter within one year after the date of the violation. This reporting requirement shall not apply if the victim’s allegation of the offense is corroborated by independent evidence that would otherwise be admissible during trial. (c) As used in this section, „duress“ means a direct or implied threat of force, violence, danger, or retribution sufficient to coerce a reasonable person of ordinary susceptibilities to perform an act which otherwise would not have been performed, or acquiesce in an act to which one otherwise would not have submitted. The total circumstances, including the age of the victim, and his or her relationship to the defendant, are factors to consider in appraising the existence of duress. (d) As used in this section, „menace“ means any threat, declaration, or act that shows an intention to inflict an injury upon another. (e) If probation is granted upon conviction of a violation of this section, the conditions of probation may include, in lieu of a fine, one or both of the following requirements: (1) That the defendant makes payments to a battered women’s shelter, up to a maximum of one thousand dollars ($ 1,000). (2) That the defendant reimburses the victim for reasonable costs of counseling and other reasonable expenses that the court finds are the direct result of the defendant’s offense. For any order to pay a fine, make payments to a battered women’s shelter, or pay restitution as a condition of probation under this subdivision, the court shall make a determination of the defendant’s ability to pay. In no event shall any order to make payments to a battered women’s shelter be made if it would impair the ability of the defendant to pay direct restitution to the victim or court-ordered child support. Where the injury to a married person is caused in whole or in part by the criminal acts of his or her spouse in violation of this section, the community property may not be used to discharge the liability of the offending spouse for restitution to the injured spouse, required by Section 1203.04, as operative on or before August 2, 1995, or Section 1202.4, or to a shelter for costs with regard to the injured spouse and dependents, required by this section, until all separate property of the offending spouse is exhausted.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung 263. {Sexual penetration}

The essential guilt of rape consists in the outrage to the person and feelings of the victim of the rape. Any sexual penetration, however slight, is sufficient to complete the crime. 264. {Punishment} (a) Rape, as defined in Section 261 or 262, is punishable by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (b) In addition to any punishment imposed under this section the judge may assess a fine not to exceed seventy dollars ($ 70) against any person who violates Section 261 or 262 with the proceeds of this fine to be used in accordance with Section 1463.23. The court shall, however, take into consideration the defendant’s ability to pay, and no defendant shall be denied probation because of his or her inability to pay the fine permitted under this subdivision. 286. {Sodomy} (a) Sodomy is sexual conduct consisting of contact between the penis of one person and anus of another person. Any sexual penetration, however slight, is sufficient to complete the crime of sodomy. (b) (1) Except as provided in Section 288, any person who participates in an act of sodomy with another person who is under 18 years of age shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for not more than one year. (2) Except as provided in Section 288, any person over the age of 21 years who participates in an act of sodomy with another person who is under 16 years of age shall be guilty of a felony. (c) (1) Any person who participates in an act of sodomy with another person who is under 14 years of age and more than 10 years younger than he or she shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (2) Any person who commits an act of sodomy when the act is accomplished against the victim’s will by means of force, violence, duress, menace, or fear of immediate and unlawful bodily injury on the victim or another person shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (3) Any person who commits an act of sodomy where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (d) Any person who, while voluntarily acting in concert with another person, either personally or aiding and abetting that other person, commits an act of sodomy when the act is accomplished against the victim’s will by means of force or fear of immediate and unlawful bodily injury on the victim or another person or where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future

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against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat, shall be punished by imprisonment in the state prison for five, seven, or nine years. (e) Any person who participates in an act of sodomy with any person of any age while confined in any state prison, as defined in Section 4504, or in any local detention facility, as defined in Section 6031.4, shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for not more than one year. (f) Any person who commits an act of sodomy, and the victim is at the time unconscious of the nature of the act and this is known to the person committing the act, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. As used in this subdivision, „unconscious of the nature of the act“ means incapable of resisting because the victim meets one of the following conditions: (1) Was unconscious or asleep. (2) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant that the act occurred. (3) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraud in fact. (4) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraudulent representation that the sexual penetration served a professional purpose when it served no professional purpose. (g) Except as provided in subdivision (h), a person who commits an act of sodomy, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving consent. (h) Any person who commits an act of sodomy, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act, and both the defendant and the victim are at the time confined in a state hospital for the care and treatment of the mentally disordered or in any other public or private facility for the care and treatment of the mentally disordered approved by a county mental health director, shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for not more than one year. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving legal consent. (i) Any person who commits an act of sodomy, where the victim is prevented from resisting by an intoxicating or anesthetic substance, or any controlled substance,

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung and this condition was known, or reasonably should have been known by the accused, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years.

(j) Any person who commits an act of sodomy, where the victim submits under the belief that the person committing the act is the victim’s spouse, and this belief is induced by any artifice, pretense, or concealment practiced by the accused, with intent to induce the belief, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (k) Any person who commits an act of sodomy, where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to use the authority of a public official to incarcerate, arrest, or deport the victim or another, and the victim has a reasonable belief that the perpetrator is a public official, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. As used in this subdivision, „public official“ means a person employed by a governmental agency who has the authority, as part of that position, to incarcerate, arrest, or deport another. The perpetrator does not actually have to be a public official. (l) As used in subdivisions (c) and (d), „threatening to retaliate“ means a threat to kidnap or falsely imprison, or inflict extreme pain, serious bodily injury, or death. (m) In addition to any punishment imposed under this section, the judge may assess a fine not to exceed seventy dollars ($ 70) against any person who violates this section, with the proceeds of this fine to be used in accordance with Section 1463.23. The court, however, shall take into consideration the defendant’s ability to pay, and no defendant shall be denied probation because of his or her inability to pay the fine permitted under this subdivision. 288a. {Oral copulation} (a) Oral copulation is the act of copulating the mouth of one person with the sexual organ or anus of another person. (b) (1) Except as provided in Section 288, any person who participates in an act of oral copulation with another person who is under 18 years of age shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for a period of not more than one year. (2) Except as provided in Section 288, any person over the age of 21 years who participates in an act of oral copulation with another person who is under 16 years of age is guilty of a felony. (c) (1) Any person who participates in an act of oral copulation with another person who is under 14 years of age and more than 10 years younger than he or she shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (2) Any person who commits an act of oral copulation when the act is accomplished against the victim’s will by means of force, violence, duress, menace, or fear of immediate and unlawful bodily injury on the victim or another person shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years.

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(3) Any person who commits an act of oral copulation where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (d) Any person who, while voluntarily acting in concert with another person, either personally or by aiding and abetting that other person, commits an act of oral copulation (1) when the act is accomplished against the victim’s will by means of force or fear of immediate and unlawful bodily injury on the victim or another person, or (2) where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat, or (3) where the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act, shall be punished by imprisonment in the state prison for five, seven, or nine years. Notwithstanding the appointment of a conservator with respect to the victim pursuant to the provisions of the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime described under paragraph (3), that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving legal consent. (e) Any person who participates in an act of oral copulation while confined in any state prison, as defined in Section 4504 or in any local detention facility as defined in Section 6031.4, shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for a period of not more than one year. (f) Any person who commits an act of oral copulation, and the victim is at the time unconscious of the nature of the act and this is known to the person committing the act, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. As used in this subdivision, „unconscious of the nature of the act“ means incapable of resisting because the victim meets one of the following conditions: (1) Was unconscious or asleep. (2) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant that the act occurred. (3) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraud in fact. (4) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraudulent representation that the oral copulation served a professional purpose when it served no professional purpose. (g) Except as provided in subdivision (h), any person who commits an act of oral copulation, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act, shall be punished by

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung imprisonment in the state prison, for three, six, or eight years. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the provisions of the Lanterman-PetrisShort Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving consent.

(h) Any person who commits an act of oral copulation, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act, and both the defendant and the victim are at the time confined in a state hospital for the care and treatment of the mentally disordered or in any other public or private facility for the care and treatment of the mentally disordered approved by a county mental health director, shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for a period of not more than one year. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the provisions of the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving legal consent. (i) Any person who commits an act of oral copulation, where the victim is prevented from resisting by any intoxicating or anesthetic substance, or any controlled substance, and this condition was known, or reasonably should have been known by the accused, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. (j) Any person who commits an act of oral copulation, where the victim submits under the belief that the person committing the act is the victim’s spouse, and this belief is induced by any artifice, pretense, or concealment practiced by the accused, with intent to induce the belief, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. (k) Any person who commits an act of oral copulation, where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to use the authority of a public official to incarcerate, arrest, or deport the victim or another, and the victim has a reasonable belief that the perpetrator is a public official, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. As used in this subdivision, „public official“ means a person employed by a governmental agency who has the authority, as part of that position, to incarcerate, arrest, or deport another. The perpetrator does not actually have to be a public official. (l) As used in subdivisions (c) and (d), „threatening to retaliate“ means a threat to kidnap or falsely imprison, or to inflict extreme pain, serious bodily injury, or death. (m) In addition to any punishment imposed under this section, the judge may assess a fine not to exceed seventy dollars ($ 70) against any person who violates this section, with the proceeds of this fine to be used in accordance with Section 1463.23. The court shall, however, take into consideration the defendant’s ability to pay, and no defendant shall be denied probation because of his or her inability to pay the fine permitted under this subdivision.

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289. {Sexual penetration with a foreign object} (a) (1) Any person who commits an act of sexual penetration when the act is accomplished against the victim’s will by means of force, violence, duress, menace, or fear of immediate and unlawful bodily injury on the victim or another person shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (2) Any person who commits an act of sexual penetration when the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (b) Except as provided in subdivision (c), any person who commits an act of sexual penetration, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act or causing the act to be committed, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. Notwithstanding the appointment of a conservator with respect to the victim pursuant to the provisions of the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving legal consent. (c) Any person who commits an act of sexual penetration, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act or causing the act to be committed and both the defendant and the victim are at the time confined in a state hospital for the care and treatment of the mentally disordered or in any other public or private facility for the care and treatment of the mentally disordered approved by a county mental health director, shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for a period of not more than one year. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the provisions of the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving legal consent. (d) Any person who commits an act of sexual penetration, and the victim is at the time unconscious of the nature of the act and this is known to the person committing the act or causing the act to be committed, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. As used in this subdivision, „unconscious of the nature of the act“ means incapable of resisting because the victim meets one of the following conditions: (1) Was unconscious or asleep. (2) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant that the act occurred. (3) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraud in fact.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung (4) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraudulent representation that the sexual penetration served a professional purpose when it served no professional purpose.

(e) Any person who commits an act of sexual penetration when the victim is prevented from resisting by any intoxicating or anesthetic substance, or any controlled substance, and this condition was known, or reasonably should have been known by the accused, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. (f) Any person who commits an act of sexual penetration when the victim submits under the belief that the person committing the act or causing the act to be committed is the victim’s spouse, and this belief is induced by any artifice, pretense, or concealment practiced by the accused, with intent to induce the belief, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. (g) Any person who commits an act of sexual penetration when the act is accomplished against the victim’s will by threatening to use the authority of a public official to incarcerate, arrest, or deport the victim or another, and the victim has a reasonable belief that the perpetrator is a public official, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. As used in this subdivision, „public official“ means a person employed by a governmental agency who has the authority, as part of that position, to incarcerate, arrest, or deport another. The perpetrator does not actually have to be a public official. (h) Except as provided in Section 288, any person who participates in an act of sexual penetration with another person who is under 18 years of age shall be punished by imprisonment in the state prison or in the county jail for a period of not more than one year. (i) Except as provided in Section 288, any person over the age of 21 years who participates in an act of sexual penetration with another person who is under 16 years of age shall be guilty of a felony. (j) Any person who participates in an act of sexual penetration with another person who is under 14 years of age and who is more than 10 years younger than he or she shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (k) As used in this section: (1) Sexual penetration“ is the act of causing the penetration, however slight, of the genital or anal opening of any person or causing another person to so penetrate the defendant’s or another person’s genital or anal opening for the purpose of sexual arousal, gratification, or abuse by any foreign object, substance, instrument, or device, or by any unknown object. (2) „Foreign object, substance, instrument, or device“ shall include any part of the body, except a sexual organ. (3) „Unknown object“ shall include any foreign object, substance, instrument, or device, or any part of the body, including a penis, when it is not known whether penetration was by a penis or by a foreign object, substance, instrument, or device, or by any other part of the body.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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(l) As used in subdivision (a), „threatening to retaliate“ means a threat to kidnap or falsely imprison, or inflict extreme pain, serious bodily injury or death. (m) As used in this section, „victim“ includes any person who the defendant causes to penetrate the genital or anal opening of the defendant or another person or whose genital or anal opening is caused to be penetrated by the defendant or another person and who otherwise qualifies as a victim under the requirements of this section.

b) Sexuelle Handlung Alle genannten Strafgesetze weisen eine Zweiteilung des objektiven Tatbestands auf. Zum einen umschreiben sie die sexuelle Handlung, die der Täter am Opfer oder das Opfer am Täter vornehmen muss, zum anderen nennen sie eine Nötigungshandlung bzw. einen subjektiven Willenszustand des Opfers (fehlendes Einverständnis), der die sexuelle Handlung erst ermöglicht hat. Dieser Zweiteilung entsprechend werden zuerst die strafbaren sexuellen Handlungen der Vergewaltigung nach den sechs Rechtsordnungen ermittelt, bevor auf die Tatbestandsmerkmale der Nötigung bzw. des fehlenden Einverständnisses des Opfers eingegangen wird. aa) Deutschland Das deutsche Recht nimmt eine Sonderstellung in der Rechtsvergleichung dadurch ein, dass der deutsche Gesetzgeber nach der Reform von 1998 einen Einheitstatbestand der Notzuchtdelikte gebildet hat.1100 In Absatz 1 wurde der Grundtatbestand der sexuellen Nötigung und in Absatz 2 die Vergewaltigung anhand von Regelbeispielen eingeführt. Absätze 3 und 4 sowie § 178 enthalten Qualifikationen zur sexuellen Nötigung und Vergewaltigung und Absatz 5 regelt den minder schweren Fall der sexuellen Nötigung. Die Vergewaltigung ist damit nicht mehr wie früher Qualifikationstatbestand zur sexuellen Nötigung, sondern nur noch ein Regelbeispiel im Rahmen eines schweren Falles der sexuellen Nötigung. Die wesentliche Konsequenz dieser Gesetzessystematik ist, dass selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen der Vergewaltigung, das Gericht von einer Verurteilung wegen eines schweren Falles absehen kann, wenn die Gesamtbewertung der Tat und der Täterpersönlichkeit ergibt, dass die Tat sich nicht gravierend von den herkömmlichen Fällen des Grunddelikts unterscheidet. Umgekehrt steht es im Ermessen des Gerichts einen schweren Fall der sexuellen Nötigung zu bejahen, obwohl die Voraussetzungen der Regelbeispiele nicht erfüllt sind, wenn die Umstände des Falles einen vergleichbaren Unrechtsgehalt wie die Regelbeispiele

1100 Vgl. zur historischen Entwicklung des Vergewaltigungstatbestands: Harbeck, Einheitstatbestand, S. 20 ff.; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 3 ff.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

aufweisen.1101 Da es sich nicht um Tatbestandsmerkmale, sondern Regelbeispielsmerkmale handelt, führt dies allerdings zu der Problematik, dass die Vorschriften des allgemeinen Teils des StGB zumindest nicht direkt auf sie angewandt werden können. Eine Vergewaltigung liegt nach §177 Abs. 2 Nr. 1 StGB dann vor, wenn der Täter entweder den Beischlaf mit dem Opfer vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. (1) Vaginaler Geschlechtsverkehr Der Beischlaf stellt die klassische Tatmodalität der Vergewaltigung dar. Er ist vollendet, wenn der Mann seinen Penis in den Scheidenvorhof der Frau eingeführt hat. Wegen der Möglichkeit einer Schwangerschaft genügt der Kontakt des männlichen Glieds mit dem Scheidenvorhof zur Vollendung. Es reicht aber nicht, dass der Täter nur mit seinem Glied an die Scheide des Opfers stößt.1102 Es muss nach ganz herrschender Meinung nicht gesondert geprüft werden, ob der Beischlaf unter besonders erniedrigenden Umständen geschah.1103 Der Wortlaut und die Syntax der Vorschrift geben vor, dass sich der Beischlaf und die ähnlichen sexuellen Handlungen als zwei Tatmodalitäten der Vergewaltigung gegenüber stehen. Allein die letztere Modalität wurde durch die Worte „ähnliche“ (sexuelle Handlungen wie der Beischlaf), „Eindringen in den Körper“ und „be-

1101 BGH, NStZ 2001, S. 598; BGH, bei Pfister, NStZ-RR 2001, S. 358, NR. 27; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 60; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 82 f.; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 15; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 166. 1102 BGHSt 16, S. 175; BGHSt 37, S. 154; BGHSt 16, S. 175; MDR 90, S. 1128; 2.10.1991, 3 StR 382/91; 12.1.1994, 5 StR 740/93; 18.8.2000, 3 StR 146/00; 25.10. 2000, 2 StR 242/00; BGH, NStZ 2001, S. 246, 312; BGH, 07.1.2003, 3 StR 425/02, StV 2003, S. 396; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 84; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 48 f.; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, § 2, Rn. 65; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 202; NK-Frommel, § 177, Rn. 52; Lackner/Kühl, § 173, Rn. 3; a. A.: Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 167; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 63; Fischer, § 177, Rn. 62– 63; Schönke/Schröder-Lenchner/Perron, § 173, Rn. 3, die ein teilweises Eindringen des männlichen Gliedes in die Vagina, jedenfalls weiter als bis zum Scheidenhof verlangen, weil der Beischlaf zu einem Spezialfall des Eindringens in den Körper geworden sei. 1103 Fischer, § 177, Rn. 69; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 177, Rn. 20; SKHorn/Wolters, § 177, Rn. 26; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 199, 203; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 65 f.; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, § 2, Rn. 68; BGH, NStZ 2001, S. 312 f.; OLG Hamm, NStZ-RR 2001, S. 270; Überholte Ansicht: Tröndle/Fischer, 50. Aufl., § 177, Rn. 23b, die den Beischlaf als Spezialfall der ähnlichen sexuellen Handlung einstuften und daher eine besondere Erniedrigung auch beim Beischlaf gesondert überprüfen wollten.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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sondere Erniedrigung“ konkretisiert, weil der Begriff „sexuelle Handlungen“ im Gegensatz zum Beischlaf nicht hinreichend zu erkennen gibt, welche Handlungen gemeint sind. Dabei bringt gerade der Gesetzgeber durch das Wort „(beischlafs-)ähnlich“ zum Ausdruck, dass der Beischlaf als klassisches Beispiel eines Eindringens in den Körper fungiert, welches vom Opfer als besonders erniedrigend empfunden wird. Es handelt sich nicht um eine Vergewaltigung, wenn der Täter das Opfer zum Beischlaf mit einer dritten Person zwingt. Sowohl der Beischlaf als auch die ähnlichen sexuellen Handlungen setzen voraus, dass der Täter mit dem Opfer Körperkontakt hatte. Es bleibt dem Richter nur noch die Möglichkeit, diese Handlung als sonstigen schweren Fall der sexuellen Nötigung zu bewerten.1104 Damit würde die Tat aber nicht mehr als Vergewaltigung bezeichnet werden. (2) Ähnliche sexuelle Handlungen Durch die Einführung der zweiten Tatmodalität der „ähnlichen sexuellen Handlungen“ des Art. § 177 Abs. 2 Nr. 1 wurde der Begriff der Vergewaltigung erheblich ausgeweitet. Die Vorschrift orientiert sich nicht mehr an einer konkreten sexuellen Handlung, sondern versucht alle möglichen sexuellen Angriffe zu erfassen, die mit dem Unrechtsgehalt des Beischlafs vergleichbar sind. Sinn dieser Ausweitung war es einen flexiblen und lückenlosen Opferschutz zu gewährleisten.1105 Denn nach dem bisherigen Recht, das nur den vaginalen erzwungenen Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung anerkannte, wurden vergleichbare demütigende und erniedrigende Sexualpraktiken, welche für den Gesetzgeber als anormal galten und schlichtweg in der heterosexuellen Gesellschaft als nicht existierend betrachtet wurden (wie z. B. der Anal-, Oralverkehr und das Einführen von Objekten in Körperöffnungen)1106, ungerechtfertigterweise nicht unter Strafe gestellt.1107 Ein Nachteil dieser neuen Tatmodalität ist allerdings, dass die

1104 Schönke/Schröder-Lenchner/Perron, § 177, Rn. 21; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 197; BGH, NJW 1999, S. 2909; NStZ 2000, S. 418. 1105 Vgl. BT-Drs. 13/7324, S. 5; BT-Drs. 13/2463, S. 7; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 194 ff.; Harbeck, Einheitstatbestand, S. 42 ff.; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 9. 1106 Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 39; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 57, 226; Harbeck, Einheitstatbestand, S. 43; BGH, NJW 1989, S. 2958. 1107 Ferner war Grund für die erhöhte Strafandrohung beim Beischlaf die Möglichkeit einer Schwangerschaft. Somit schützte § 177 StGB a. F. neben dem sexuellen Selbstbestimmungsrecht auch die gesellschaftliche Werte- und Fortpflanzungsordnung. Der erhöhte Unrechtsgehalt wurde beim erzwungenen Beischlaf allein in den äußerlichen Folgeschäden der Tat gesehen wie die ungewollte Schwangerschaft und der Verlust der Jungfräulichkeit. Den schweren psychischen Folgeschäden der Vergewaltigung wurde erst in neuerer Zeit Beachtung geschenkt. Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 226; Harbeck, Einheitstatbestand, S. 42.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Vorschrift mit den Worten „ähnliche sexuelle Handlungen“ recht „schwammig“ ausgefallen ist.1108 Sexuell ist eine Handlung, wenn sie objektiv nach ihrem äußeren Erscheinungsbild einen Sexualbezug aufweist, d. h. wenn sie das Geschlechtliche im Menschen unmittelbar zum Gegenstand hat, und zwar unter Einsatz des eigenen oder eines fremden Körpers. Damit wird etwa das Einführen eines Fingers, einer Flasche oder eines Löffels in den Mund einer anderen Person mangels Sexualbezugs nicht vom Tatbestand erfasst. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Täter mit dieser Handlung einen sexuellen Trieb befriedigt, solange die Handlung äußerlich völlig neutral ist und keinerlei Hinweise auf das Geschlechtliche enthält. Ebenso fehlt es an einem Sexualbezug, wenn Finger oder ärztliche Instrumente in die Vagina oder den Anus aus medizinischen Gründen eingeführt werden.1109 Eine weitere Begrenzung der sexuellen Handlung kann nur den übrigen Tatbestandsmerkmalen „beischlafsähnlich“, „Eindringen in den Körper“ und „besondere Erniedrigung“ entnommen werden. Das Element des „Eindringens in den Körper“ ist ohne nähere Erläuterung verständlich. Sowohl der Oral- und Analverkehr als auch das Einführen von Gegenständen oder anderen Körperteilen in Körperöffnungen bedingen ein Eindringen in den Körper. Allerdings ist das Merkmal des „Eindringens in den Körper“ als einengendes Korrektiv der sexuellen Handlungen im allgemeinen untauglich, weil sowohl sexuelle Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind („insbesondere“), als auch andere Handlungen, die gerade kein Eindringen in den Körper bewirken, von der Vorschrift erfasst werden sollen. Daher stellt das „Eindringen“ nur ein Beispiel einer sexuellen Handlung dar, welches grundsätzlich das Opfer besonders erniedrigt, ermöglicht aber nicht, alle in Betracht kommenden sexuellen Handlungen festzulegen. Dem Merkmal „(beischlafs-)ähnlich“ kommt eigentlich keine eigenständige Bedeutung zu. Es ergänzt nur die Auslegung der besonderen Erniedrigung. Der Gesetzgeber hat darin seine Absicht bekundet, Handlungen, die das Opfer ähnlich gravierend wie ein vaginaler Geschlechtsverkehr erniedrigen, nun auch nach dem erhöhten Strafrahmen der Vergewaltigung bestrafen zu können.1110 Demzufolge kommt dem Merkmal der „besonderen Erniedrigung“ des Opfers das entscheidende Gewicht bei der Beurteilung zu, ob eine Handlung als Verge1108 Schroeder, JZ 17, 1999, S. 827, 829; Schroeder, Rechtsausschuss-Prot. 13/35, Anhang S. 65; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 177, Rn. 20; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 14 f. 1109 Harbeck, Einheitstatbestand, S. 45 m.w. N.; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 52. 1110 Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 53; Harbeck, Einheitstatbestand, S. 45, die hervorhebt, dass die Wirkung der sexuellen Handlung auf das Opfer einer Penetration mit dem Penis gleichkommen muss; Renzikowski, NStZ 2000, S. 367; Lackner/Kühl, § 177, Rn. 11; Schroeder, Rechtsausschuss-Protokoll 13/35, Anhang S. 65; BT-Drs. 13/7324.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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waltigung zu qualifizieren ist. Gerade bei sexuellen Handlungen, die nicht mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind und damit auch nicht die typische „Beischlafsähnlichkeit“ aufweisen, kann nur die besondere Erniedrigung des Opfers zur Klärung beitragen.1111 Mit diesem Merkmal wurde der Fokus auf die Schwere und Massivität des sexuellen Angriffs verlagert. Es kommt nicht mehr wie früher auf die allein physiologische Betrachtungsweise an, welche an der Art und Normalität von Sexualpraktiken ausgerichtet war. Wenn man nun auf die Schwere des Angriffs abstellt, ist eine alleinige Bestrafung des erzwungenen Beischlafs in einem eigenständigen Tatbestand mit erhöhtem Strafrahmen gegenüber dem Tatbestand der sexuellen Nötigung nicht gerechtfertigt, wenn andere (eventuell abartige) Sexualpraktiken genauso schwere Folgeschäden beim Opfer auslösen können. Es war eine Erweiterung des Vergewaltigungsbegriffs unumgänglich.1112 Nach ganz herrschender Meinung erfolgt die Beurteilung einer Handlung als besonders erniedrigend vom Standpunkt eines objektiven Beobachters. Es kann nicht auf das subjektive Empfinden bzw. auf Absichten des Opfers (wie z. B. bei einer Prostituierten) oder aber den Willen des Täters abgestellt werden, ob eine Tat als besonders erniedrigend einzustufen ist. Ansonsten würde diese Vorgehensweise zu einer Ungleichbehandlung gleichgelagerter Fälle und zu einer unzumutbaren Einschränkung des Opferschutzes führen.1113 Welche sexuellen Handlungen nun für das Opfer besonders erniedrigend sind, muss in Anlehnung an das geschützte Rechtsgut der Straftat ermittelt werden. Geschützt wird das sexuelle Selbstbestimmungsrecht, wonach eine Person das Recht hat, über den Zeitpunkt, Ort, Form und Partner jeder sexuellen Handlung selbst zu entscheiden.1114 Zurückzuführen ist das sexuelle Selbstbestimmungsrecht auf Art. 2 und Art. 1 GG, welche die persönliche Handlungs- und Entfaltungsfreiheit sowie die menschliche Würde unter Schutz stellen. Da die Sexualität den Kern der Persönlichkeit eines Menschen betrifft, ist sie besonders schützenswert.1115 Eine besonders erniedrigende sexuelle Handlung liegt dann vor,

1111

MK-Renzikowski, § 177, Rn. 66. Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 42 f. m.w. N.; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 226. 1113 LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 206; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 66; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, § 2, Rn. 70 f.; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 86; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 47 f.; Harbeck, Einheitstatbestand, S. 46 f.; BGH, NStZ 2000, S. 29; BGH, NStZ 2001, S. 646; a. A.: BGH, NJW 2001, S. 2186; AG Regensburg, 23– Ls 140 Js 13849/98. 1114 Fischer, vor § 174, Rn. 5; Fischer, ZStW 112, 2000, S. 75, 87; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 45; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 87; Sick, ZStW 103, 1991, S. 43, 51; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 15. 1115 Fischer, ZStW 112, 2000, S. 75, 82. 1112

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

wenn der personelle Achtungsanspruch einer Person und damit ihre Menschenwürde im besonderen Maße missachtet wird.1116 Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht ist allerdings bereits mit einer sexuellen Nötigung verletzt, so dass an die besondere Erniedrigung bei der Vergewaltigung erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Die Demütigung und Missachtung des personalen Geltungsanspruchs müssen wesentlich einschneidender sein als bei der sexuellen Nötigung. Dies ist anzunehmen, wenn noch stärker in den Intimbereich des Opfers eingegriffen und das Opfer in besonderer über die Verwirklichung des Grundtatbestands hinausgehender Weise zu einem bloßen Objekt sexueller Willkür des Täters herabgewürdigt wird und, dies in der Art und Ausführung der sexuellen Handlung zum Ausdruck kommt.1117 Insofern stellen sich Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, als ein noch stärkerer Eingriff in den Intimbereich des Opfers dar. Die besonders erniedrigenden Handlungen sind aber nicht auf ein Eindringen in den Körper beschränkt. Kieler stellt insofern folgerichtig nicht auf das Merkmal des Eindringens ab, um die besondere Erniedrigung nachweisen zu können, sondern auf einen gesteigerten Sexualbezug, der dann vorliege, wenn entweder das Geschlechtsteil des Täters oder des Opfers oder der Körper des Täters oder des Opfers in besonders demütigender oder Abscheu erregender Weise in die Handlung mit einbezogen wird.1118 Der gesteigerte Sexualbezug ergibt sich somit aus einer Handlung, die sich sexuell massiv auf den Körper des Opfers oder des Täters auswirkt. Die Schwere des Eingriffs muss vom Grad der Entwürdigung her in etwa mit dem Eindringen eines Körperteils bzw. Gegenstands in die Scheide oder Anus des Opfers oder mit einem Oralverkehr vergleichbar sein.1119 So weist der Beischlaf, der zweifellos eine besondere Erniedrigung verkörpert, einen solchen gesteigerten Sexualbezug dadurch auf, dass sowohl das Geschlechtsorgan des Täters als auch des Opfers in die Tathandlung miteinbezogen werden. Auch der Anal- und der Oralverkehr, worunter das Eindringen des Penis in den Anus bzw. den Mund verstanden wird1120, oder das Eindringen von Gegenständen oder anderen Körperteilen als dem Penis in die Vagina weisen die Einbeziehung eines Geschlechtsorgans in die Tathandlung auf.1121 Beim Einfüh1116

Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 66. Vgl. LG Augsburg, NStZ, 1999, S. 307, 308; BT-Drucks. 13/7324, S. 5; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 91; Harbeck, Einheitstatbestand, S. 47 f.; Fischer, § 177, Rn. 67a; SK-Horn/Wolters, § 177, Rn. 26; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 66; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 358; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 170. 1118 Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 46; vgl. auch LG Augsburg, NStZ 1999, S. 308. 1119 Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 66. 1120 LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 204 f.; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 84 m.w. N. in Fn. 458, 459. 1121 LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 208 m.w. N.; Fischer, § 177, Rn. 66, 67a; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 64; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 172; BGH, NStZ 2000, S. 140; BGHSt 46, S. 225 f.; BGH, NStZ 2005, S. 268; NStZ-RR 2008, S. 339 f. 1117

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ren von Gegenständen oder anderen Körperteilen in den Anus fehlt es zwar an einer solchen Involvierung der Geschlechtsorgane, jedoch sind diese Handlungen als Sexualpraktiken anerkannt, welche ebenfalls mit dem Eindringen in das Innerste des Körpers verbunden sind und damit geeignet sind, den Menschen seelisch schwer zu verletzen. Da das Einführen von Körperteilen oder Gegenständen in den Anus besonders schmerzhaft ist und bei den meisten Menschen noch größere Abscheu hervorruft als das Eindringen in die Vagina, wird das Opfer ganz extrem in seiner Würde herabgesetzt. Eine besondere Erniedrigung ist in diesen Fällen stets zu bejahen.1122 Umstritten ist allerdings, ob das Einführen eines Fingers in die Vagina oder den Anus eine besonders erniedrigende Handlung im Sinne der Vergewaltigung darstellt. Es werden hierzu drei Ansichten vertreten. Der BGH ordnete eine Begründungspflicht der besonderen Erniedrigung des Opfers für alle Fälle an, die nicht den Oral- oder Analverkehr zum Gegenstand haben. Danach seien die Umstände des Einzelfalls positiv festzustellen, „die in wertender Betrachtung die Annahme der besonderen Erniedrigung des Tatopfers stützen“. Nach Auswertung der Umstände des vom BGH konkret zu entscheidenden Falls, hatte der Senat schließlich eine Vergewaltigung aufgrund des kurzen Eindringens des Fingers in die Vagina, welche mit dem Badeanzug bedeckt war, abgelehnt.1123 In einer neueren Entscheidung änderte jedoch der BGH seine Rechtsprechung dahingehend ab, dass nun alle Handlungen, die mit einem Eindringen in Scheide oder Anus verbunden sind, regelmäßig als besonders erniedrigend einzustufen seien. Nur ausnahmsweise sei ein besonders schwerer Fall nicht gegeben. Eine Erörterungspflicht bestehe aber für diese Fälle nicht.1124 Eine dritte Meinung in der Literatur schließt eine Vergewaltigung beim Einführen eines Fingers gänzlich aus. Wegen der hohen Strafdrohung sei eine restriktive Auslegung gefordert. Es läge ein qualitativer Unterschied im Unrechtsgehalt zum Beischlaf vor. Es bestünde keine Gefahr der Schwangerschaft oder der Infektion mit einer eventuell

1122 BGH, NJW 2000, S. 672; BGH, NStZ 2001, S. 369; BGH, NStZ 2000, S. 254; NStZ 2000, S. 254; 16.7.1997, 3 StR 254/97; BT-Drs. 13/2463 S. 7 und 7324 S. 6; Lackner/Kühl, § 177, Rn. 11; Schönke/Schröder-Lenchner/Perron, § 177, Rn. 20; Fischer, § 177, Rn. 67a; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 204 ff.; SK-Horn, § 177, Rn. 26; BT-Drs. 13/7324 S. 5; Renzikowksi, NStZ 2000, S. 367; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 170; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, § 2, Rn. 67; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 46; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 84 f. m.w. N. von Vergewaltigungsurteilen. 1123 BGH, NJW 2000, S. 672 f.; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 56; LK-Laufhütte/ Roggenbuck, § 177, Rn. 209. 1124 BGH, NStZ 2000, S. 367 f.; ähnlich: Renzikowski, NStZ 2000, S. 367, der das Merkmal der besonderen Erniedrigung für überflüssig hält und lediglich für die dritte Fallgruppe der sonstigen nicht mit einem Eindringen verbundenen Handlungen eine Bedeutung zukommen lässt. Ferner: MK-Renzikowski, § 177, Rn. 65 m.w. N.; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 56; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 209.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

lebensbedrohenden Geschlechtskrankheit. Daher sei nur im Ausnahmefall eine Vergewaltigung zu bejahen.1125 Gegen die letzte Meinung spricht bereits der Gesetzestext. Danach werden alle Formen des Eindringens in den Körper als besonders erniedrigend genannt. Das Argument des unterschiedlichen Unrechtsgehalts ist sachlich verfehlt. Genauso wie beim vaginalen, oralen und analen Eindringen mit dem männlichen Glied oder Gegenständen, liegt beim Einführen eines Fingers in die Vagina oder den Anus ein Eindringen in die geschlechtliche Intimsphäre vor und damit ein schwerer Eingriff in den Kernbereich der Persönlichkeit. Wenn man sich das Beispiel des Einführens eines kleinen Gegenstandes gegenüber dem Einführen eines Fingers in die Scheide oder den Anus vergegenwärtigt, ist kein Unterschied in der Art und Ausführung der Handlung oder den psychischen Folgeschäden zu erkennen.1126 Die Begründung der fehlenden Infektions- und/oder Schwangerschaftsgefahr wie sie beim vaginalen oder analen Geschlechtsverkehr gegeben ist, überzeugt ebenfalls nicht. Denn geschützt wird bei der Vergewaltigung das sexuelle Selbstbestimmungsrecht und nicht die körperliche Unversehrtheit. Diese Folgewirkungen können höchstens auf der Strafzumessungsebene berücksichtigt werden, sie sind aber nicht strafbegründend. Entsprechend dem Wortlaut und der neueren Ansicht des BGH sollten alle Handlungen, die mit einem Eindringen verbunden sind, eine Vermutung der besonderen Erniedrigung auslösen. Es wurde vom Gesetzgeber gerade keine Begrenzung auf das Eindringen mit dem Penis oder (großen) Gegenständen vorgenommen. Entscheidend ist vielmehr, dass in das Innerste des Menschen eingedrungen wird, wodurch die besondere Erniedrigung des Opfers ausgelöst wird.1127 Nur ausnahmsweise, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, sollte eine besondere Erniedrigung verneint werden. Allerdings sind die Dauer oder die Tiefe des Eindringens wie es der BGH im „Badeanzugfall“ getan hatte, keine maßgeblichen Kriterien, um eine Ausnahmesituation begründen zu können. Sie sind nicht bestimmbare Kriterien und bringen daher die Gefahr mit sich, zur Straflosigkeit eines strafwürdigen Verhaltens zu führen. Unumstritten ist allerdings, dass das Einführen eines Fingers zur medizinischen Untersuchung bereits keine sexuelle Handlung und damit keine Vergewaltigung darstellt. Das äußere Erscheinungsbild muss die Sexualbezogenheit erkennen lassen. Daran fehlt es, wenn zum Zweck von Heilbehandlungen in die Scheide, den Anus oder den Mund eingedrungen wird.1128

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Folkers, NStZ 2000, S. 471; Folkers, NJW 2000, S. 3317, 3319. Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 58; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 171 f. 1127 MK-Renzikowski, § 177, Rn. 65; BT-Drs. 13/2463, S. 7, BT-Drs. 13/7324, S. 6; BGH, NStZ 2001, S. 598. 1128 Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 59 f., 65, m.w. N. in Fn. 331. 1126

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Obwohl begrifflich ein Eindringen in den Körper vorliegt, wird nach einhelliger Auffassung der Zungenkuss nicht als eine besonders erniedrigende Handlung im Sinne des § 177 Abs. 2 Nr. 1 gewertet. Umstritten ist lediglich die dogmatische Einordnung des Zungenkusses unter die Tatbestandsmerkmale des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Zum Teil wird vertreten, dass es sich bereits um keine sexuelle Handlung im Sinne des § 184 c StGB handelt1129 oder es wird argumentiert, dass kein Eindringen vorliege.1130 Die wohl herrschende Meinung lässt es an einer dem Beischlaf ähnlichen besonderen Erniedrigung fehlen.1131 Ein gesteigerter Sexualbezug kann ferner bei Handlungen vorliegen, die zwar nicht mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, aber dennoch eine sexuelle Handlung verkörpern, die der Täter zur Triebbefriedigung durchführt und die eine schwere Demütigung und Ekel beim Opfer hervorrufen. Als Beispiele sind die Fäkalerotik zu nennen, bei der der Täter das Opfer mit Exkrementen beschmiert, auf den Körper des Opfers uriniert oder das Opfer zwingt, zu urinieren oder Urin bzw. Exkremente zu schlucken.1132 Ferner wurden das Ejakulieren in das Gesicht des Opfers, das zwangsweise Schlucken des Ejakulats, die Vornahme demütigender Körperstellungen („Vierfüßlerstand“) sowie die Vornahme sexueller Handlungen am nackten Opfer während eines zwangsweise langen Aufenthalts im Freien bzw. am nackten Opfer mit verbundenen Augen von der Rechtsprechung und Literatur als besonders erniedrigende Handlungen anerkannt. Ob bereits bei einem langen nackten Aufenthalt im Freien bzw. mit verbunden Augen in der Regel von einem gesteigerten Sexualbezug oder einer schweren Demütigung im Verhältnis zu den zuvor beschriebenen Handlungen auszugehen ist, mag durchaus Bedenken auslösen. Zumindest bedürfen solche Umstände einer sorgfältigen Begründung, warum sie im Einzelfall den Schweregrad einer Penetration des Körpers erreichen und mit diesen Handlungen gleichgestellt werden sollen.1133 Zu berücksichtigen ist zumindest, dass ein vollständig entkleidetes 1129 Folkers, NStZ 2000, S. 471; Folkers, NJW 2000, S. 3319; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 89, siehe auch Fn. 438; MK-Renzikowski,§ 177, Rn. 64. 1130 Renzikowski, NStZ 2000, S. 367 f., befürwortet eine teleologische Reduktion des Tatbestands. Der Zungenkuß erniedrige das Opfer nicht in vergleichbarer Weise wie das Eindringen des Geschlechtsteils in den Mund oder das Eindringen mit Gegenständen oder anderen Körperteilen in die Vagina oder den Anus. 1131 Fischer, § 177, Rn. 67b; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 170; LK-Laufhütte/ Roggenbuck, § 177, Rn. 117; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 210; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 60 f.; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 177, Rn. 20; NJW 2000, S. 672; NStZ 2000, S. 254; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, S. 190, Rn. 14; a. A.: NK-Frommel, § 177, Rn. 18, die es für möglich hält, dass nach einer Gesamtwürdigung im Einzelfall eine besondere Erniedrigung etwa bei einem Erwachsenen nicht gegeben sei. 1132 Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 47, 65 f. 1133 Teilweise wird vertreten, diese Perversionsfälle nicht unter den Begriff der Vergewaltigung zu subsumieren, sondern eher als einen unbenannten schweren Fall der se-

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Opfer im Freien riskiert, von anderen Menschen nackt und misshandelt gesehen zu werden oder nackt um Hilfe bitten zu müssen, was neben der sexuellen Handlung beim Opfer ein weiteres Schamgefühl und eine weitere Demütigung auslöst. Auch spielt die Länge des Aufenthalts eine Rolle. Das Opfer verliert für einen langen Zeitraum die Kontrolle über seinen Körper, welcher zum reinen Sexobjekt degradiert und nackt zur Schau gestellt wird. Eine besondere Demütigung kann in dem Verbinden der Augen des Opfers gesehen werden, weil das Opfer dem Täter völlig ausgeliefert wird. Das Opfer weiß nicht, wo sich der Täter aufhält, was er gerade tut bzw. wann es mit einem weiteren Angriff rechnen muss. Es kann die Handlungen des Täters nur erspüren. Das Opfer bleibt stets im Ungewissen, was als nächstes geschehen wird. Es kann sich blind nur schwer gegen Übergriffe des Täters zur Wehr setzen. Das Angstempfinden vor einem Täter, den man nicht sieht, ist sehr viel höher. Ferner weiß das Opfer, dass es in seinem nackten Zustand vom Täter beobachtet wird, was sich für das Opfer zusätzlich erniedrigend und beschämend anfühlen muss.1134 Nicht ganz eindeutig ist die Behandlung des Cunnilingus. Darunter wird die Manipulation der Zunge an der Vagina verstanden. Da ein Geschlechtsteil in die Handlung miteinbezogen wird, weist diese Handlung einen erhöhten Sexualbezug auf. Genauso wie die Fellatio ist der Cunnilingus eine höchst intime Sexualpraktik, die das Opfer schwerer in seinem persönlichen Achtungsanspruch treffen kann als z. B. das Einführen des Fingers oder eines kleinen Gegenstands in die Vagina. Es würde daher nicht überzeugen, diese besonders intime Handlung nicht als besonders erniedrigend zu qualifizieren. Wenn man das Ejakulieren in das Gesicht des Opfers für eine Vergewaltigung genügen lässt, das gerade keinen intensiven Körperkontakt mit dem Täter voraussetzt, würde es widersprüchlich erscheinen, diese teilweise mit einem (zumindest geringen) Eindringen der Zunge in eine sexuelle Körperöffnung verbundene Handlung nur als sexuelle Nötigung zu bestrafen.1135 Nicht anders zu beurteilen ist auch die Manipulation der Zunge am Anus. Diese Handlung stellt einen ebenso schwerwiegenden Angriff auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht dar wie der Cunnilingus. Denn auch wenn der Anus kein Geschlechtsorgan ist, so wird er wie die Vagina zur Trieb-

xuellen Nötigung zu klassifizieren. Damit würden diese Fälle dem gleichen Strafrahmen wie der Vergewaltigung unterstellt werden, ohne aber den Vergewaltigungsbegriff zu sehr auszudehnen und ohne das typische Leitbild der Vergewaltigung, welches durch ein Eindringen gekennzeichnet ist, zu entfremden. Siehe dazu: Harbeck, Einheitstatbestand, S. 48; LG Berlin, 23.1.1998 – 70 Js 1028/97 Kls 40/97. 1134 Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 92 mit vielen Beispielen; Folkers, NJW 2000, S. 3319; SK-Horn/Wolters, § 177, Rn. 26. 1135 Vgl: Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 177, Rn. 20, die bei allen Handlungen, die nicht mit einem Eindringen verbunden sind, einen hohen Erheblichkeitsgrad fordern, um eine vergleichbare besondere Erniedrigung des Opfers annehmen zu können. A. A.: Folkers, NStZ 2000, S. 472; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 89; SKHorn/Wolters, § 177, Rn. 26; Fischer, § 177, Rn. 67a.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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befriedigung in die sexuelle Betätigung miteinbezogen, d. h. er wird wie ein Sexualorgan eingesetzt. Da die Vorschrift unmissverständlich voraussetzt, dass zwischen dem Täter und dem Opfer ein Körperkontakt zustande kommen muss, ist der Tatbestand der Vergewaltigung nicht erfüllt, wenn entweder das Opfer gezwungen wird, sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen (Masturbation) oder sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich ergehen zu lassen. Durch die Neufassung ist die Vergewaltigung zum eigenhändigen Delikt geworden. Der erforderliche Körperkontakt setzt zwar keinen unmittelbaren Haut-zu-Haut-Kontakt voraus. Der Täter kann sich auch eines Gegenstands zur Tatausführung bedienen oder auf das Opfer ejakulieren oder urinieren.1136 Eine Mittäterschaft oder eine mittelbare Täterschaft an der Vergewaltigung ist aber nur noch strafbar, wenn jeder Täter einen Körperkontakt mit dem Opfer herstellt. Diese Täterschaftsformen können lediglich als unbenannter schwerer Fall der sexuellen Nötigung verfolgt werden, aber nicht mehr als „Vergewaltigung“ nach § 177 Abs. 2 S. Nr. 1 StGB. Das Gleiche gilt, wenn der Täter einen Dritten zu der sexuellen Handlung mit dem Opfer zwingt, selbst aber keinen sexuellen Kontakt mit dem Opfer hat.1137 (3) Umgekehrte Vergewaltigung Wichtig ist, noch darauf hinzuweisen, dass die Vorschrift auch das Eindringen des Opfers in den Körper des Täters miterfasst1138, weil eine vereinzelte Meinung in der Literatur den Tatbestand in dieser Konstellation für nicht erfüllt ansieht. Nach dieser Ansicht könne das Opfer sich beim aktiven Tun eher verweigern und den Körperkontakt mit dem Täter besser steuern als beim passiven Erdulden der Handlungen durch den Täter. Aufgrund des hohen Strafrahmens sei der Tatbestand restriktiv auszulegen. Es könne daher nur im Ausnahmefall das

1136 LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 218; Fischer, § 177, Rn. 72; Schönke/ Schröder-Perron, § 177, Rn. 21; SK-Horn/Wolters, § 177 Rn. 27a; Lackner/Kühl, § 177, Rn. 11; MK-Renzikowski,§ 177, Rn. 88; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 74, 94; Renzikowski, NStZ 1999, S. 831; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, § 2, Rn. 47, 64; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 173; BGH, NJW 1999, S. 2909; NStZ 1999, S. 452 und 615; NStZ 2000, S. 418; NStZ-RR 2000, S. 326; BGH, bei Pfister, NSTZ-RR 2001, S. 355; BGH, NStZ-RR 2009, S. 278. 1137 LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 218; siehe dazu den Fall vor dem OLG Brandenburg, NJW 2000, S. 3479, in dem ein 13-jähriger Junge schuldlos auf Geheiß des Täters eine Frau vergewaltigte. 1138 BGH, NJW 1999, S. 2977; NStZ-RR 1999, S. 325 Nr. 24; LG Augsburg, NStZ 1999, S. 307; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 20; BGH, bei Pfister, NStZ-RR 2001, S. 353, Nr. 2; BGHSt 45, S. 131 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, S. 191, Rn. 14; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 172; Fischer, § 177, Rn. 68, der aber eine Feststellung der besonderen Erniedrigung fordert.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Eindringen des Opfers in Körperöffnungen des Täters nach einer Gesamtbetrachtung als ein besonders schwerer Fall verurteilt werden.1139 Diese Meinung ist jedoch verfehlt. Auch das Eindringen in den Körper des Täters stellt einen schwerwiegenden Eingriff in den Kern der Persönlichkeit des Opfers dar, denn das Opfer wird gezwungen, in das Innere des Körpers eines anderen Menschen einzudringen. Es wird durch diese Handlung die intimste Verbindung zwischen zwei Menschen hergestellt, was eine schwere Demütigung für das penetrierende Opfer bedeuten muss. Da es zu einem Eindringen kommt, ist das Argument, das Opfer könne den Körperkontakt beim aktiven Tun besser kontrollieren, widersinnig. Dem Wortlaut des Tatbestands ist eine solche Unterscheidung in Duldung und aktives Tun nicht zu entnehmen. Er spricht gerade davon, dass der Täter die Handlung am Opfer vornehmen oder an sich vom Opfer vornehmen lassen kann. Die Vorschrift wurde absolut geschlechtsneutral formuliert, so dass jedermann Täter bzw. Opfer der Vergewaltigung sein kann. Wenn es sich bei der sexuellen Handlung um ein Eindringen handelt, führt diese Geschlechtsneutralität aufgrund der Anatomie von Mann und Frau zu der logischen Konsequenz, dass die Frau nur Täter eines Beischlafs, Anal- oder Oralverkehrs sein kann, wenn sie einen Mann zwingt, mit seinem Penis in ihre Körperöffnungen einzudringen. Da die Vorschrift keine Begrenzung enthält, dass das Eindringen vom Täter ausgeführt werden muss, sondern der Täter auch die Handlung – wie hier das Eindringen – an sich vornehmen lassen kann, ist damit sicher, dass auch das Eindringen des Opfers in Körperöffnungen des Täters vom Tatbestand erfasst wird. (4) Ergebnis Es lässt sich im Ergebnis festhalten, dass in den Fällen eines Eindringens in den Körper, unabhängig, ob der Täter oder das Opfer die Penetration vornimmt, regelmäßig eine besonders erniedrigende Behandlung zu bejahen ist, ohne dass es einer besonderen Begründung des Gerichts bedarf. Insoweit kommt dem Merkmal der besonderen Erniedrigung keine eigenständige Bedeutung mehr zu, wohl aber in allen übrigen Fällen, die Handlungen beinhalten, welche kein Eindringen in den Körper voraussetzen. Damit ist der Beischlaf, der Anal- und Oralverkehr sowie das Einführen von anderen Körperteilen oder Gegenständen in die Vagina oder den Anus stets als Vergewaltigung zu behandeln. Allein der Zungenkuss ist vom Vergewaltigungsbegriff ausgeschlossen. Bei allen weiteren sexuellen Handlungen kann auf die Feststellung der besonderen Erniedrigung des Opfers anhand der Gesamtumstände der Tat nicht verzichtet werden.1140 1139 Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 90 f.; Folkers, NStZ 2000, S. 472; Folkers, NJW 2000, S. 3319. 1140 Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 55; BGH, NJW 2000, S. 672 f.; BGH, NStZ 2000, S. 254 f.; BGH, NJW 2001, S. 2186 = NStZ 2001, S. 369 f.; Fischer, § 177, Rn. 67a; Lackner/Kühl, § 177, Rn. 11; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 170; Schönke/

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Ein weiteres Regelbeispiel ist in § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB enthalten, wonach die sexuelle Nötigung bzw. Vergewaltigung von mehreren gemeinschaftlich begangen werden muss, um als besonders schwerer Fall qualifiziert werden zu können. Diese Vorschrift bestraft mittäterschaftliche Handlungen mit dem höheren Strafrahmen, weil sich das Opfer mehreren Tätern gegenüber sieht, wodurch es in seinen Abwehrmöglichkeiten erheblich eingeschränkt ist und weil mehrere Tatbeteiligte oftmals zur Eskalation der Tathandlungen beitragen.1141 Bei diesem Regelbeispiel handelt es sich aber nicht mehr um eine Vergewaltigung, sondern um einen anderen schweren Fall der sexuellen Nötigung. Daher wird auf dieses Regelbeispiel und die weiteren Qualifikationen in § 177 Abs. 3 und 4, sowie § 178 StGB nicht eingegangen. Da die Vorschrift des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB lediglich Beispiele nennt, nach denen ein schwerer Fall in der Regel anzunehmen ist, bedeutet dies, dass das Gericht auch die Möglichkeit hat, einen unbenannten Fall als besonders schwere sexuelle Nötigung zu verurteilen. Unbenannte besonders schwere Fälle wurden in der Rechtsprechung angenommen, wenn die Tat in ihrem Schuld- und Unrechtsgehalt vom Durchschnitt praktisch vorkommender Fälle abwich. So wurde z. B. ein besonders schwerer Fall bejaht, wenn die Tat besonders lange gedauert hatte, ein Unter/Überordnungsverhältnis zwischen Täter und Opfer vorlag, der Täter maskiert war, der Täter dem Opfer in der Wohnung aufgelauert hatte oder der Täter das Opfer zum Vaginal-, Oral- oder Analverkehr mit einem Dritten gezwungen hatte.1142 Diese Regelbeispielstechnik des § 177 Abs. 2 StGB erweist sich somit als lückenloser Schutz gegenüber allen erdenklichen schweren Angriffen auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht. § 177 Abs. 2 StGB stellt nicht mehr nur den Beischlaf, sondern die Vergewaltigung in seinem erweiterten Begriffsverständnis, die mittäterschaftliche Begehungsweise sowie unbenannte schwere Fälle der sexuellen Nötigung unter den erhöhten Strafrahmen, der früher allein dem erzwungenen Beischlaf vorbehalten war. bb) Frankreich Das französische Strafgesetzbuch zeigt eine ähnliche Entwicklung auf wie das deutsche StGB. Das französische Strafgesetzbuch von 1810 kannte noch keine Definition der Vergewaltigung. Der Tatbestand wurde von der Rechtsprechung erarbeitet, welche wie das deutsche Recht nur den erzwungenen Beischlaf des Schröder-Lenckner-Perron, § 177, Rn. 20; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, § 2, Rn. 71; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 85. 1141 BT-Drs. 13/7324, S. 6; BGH, StV 2001, 451; BGH, NJW 2002, S. 3788 f.; MKRenzikowski, § 177, Rn. 67; Renzikowski, NStZ 1999, S. 382; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 177; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 223. 1142 Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 93 f.; Renzikowski, NStZ 1999, S. 381; MKRenzikowski, § 177, Rn. 61; SK-Horn/Wolters, § 177, Rn. 25, 27a.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

männlichen Täters mit einem weiblichen Opfer als Vergewaltigung anerkannte. Alle anderen sexuellen Handlungen wurden lediglich als Angriff gegen die Sittlichkeit behandelt.1143 Der Gesetzgeber von 1980 erkannte, dass dieses Verständnis der Vergewaltigung angesichts der in der Praxis vorkommenden Fälle nicht mehr angemessen war. Jede sexuelle Penetration sollte von nun an vom Vergewaltigungsbegriff des Art. 332 CP a. F. erfasst werden.1144 1994 wurde ein neues Strafgesetzbuch erlassen. Art. 222-22 enthält den Grundtatbestand der sexuellen Aggression (Nötigung), während die Vergewaltigung samt ihrer Qualifikationen in Art. 222-23 bis 26 normiert sind. Der heute gültige Vergewaltigungstatbestand gemäß Art. 222-23 CP hat den Tatbestand des früheren Art. 332 CP a. F. wörtlich übernommen, wonach die Vergewaltigungshandlung jede Form der sexuellen Penetration erfasst, die an einer anderen Person begangen wird.1145 (1) Sexuelle Penetration Damit wurde die Vergewaltigungshandlung vom ursprünglichen Verständnis des Beischlafs auf Handlungen wie Fellatio1146, Analverkehr1147, das Einführen von anderen Körperteilen (wie z. B. eines Fingers) oder von Gegenständen in die Scheide und den Anus1148 ausgedehnt. Nicht erfasst wird das Eindringen in Kör1143 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 500; 513; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 21; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 3. 1144 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 514; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 23; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 4; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 2. 1145 Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 23. 1146 Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Crim., 1984, 1991, 1994; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 514; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 27 m.w. N.; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 13 m.w. N.; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 5; Roujou de Boubée/u. a., Code Pénal Commenté, § 1 Viol, Definition; Crim., 22.2.1984, B. 71; 9.7.1991, B. 294; R.S.C. 1992.755, obs. Levasseur; Crim., 16.12.1997, B. 429; D. 1998. Chron. 212, note Mayaud; zurückhaltend: Grenoble, 25.1.1991, Juris-Data no 040933. 1147 Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 514; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 26 m.w. N.; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 14; Roujou de Boubée/u. a., Code Pénal Commenté, § 1 Viol, Definition; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 5; Crim., 24.6.1987, B. 265, R.S.C: 1988.302, obs. Levasseur; Crim., 3.7.1991, Dr. pén. 1991.314, R.S.C. 1992.756, obs. Levasseur; Crim., 27.4.1994, B. 157; Cass. Crim. 05.03.1997, JurisData, no 002438. 1148 Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Crim., 1994; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 514; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 25, 26 m.w. N.; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 12; Roujou de Boubée/ u. a., Code Pénal Commenté, § 1 Viol, Definition; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 5; Crim., 24.6.1987, B. 265, R.S.C: 1988.302, obs. Levasseur; 5.9.1990, B. 313, D. 1991. 13, note Angevin; JCP 1991.II.21629, note Rassat, Gaz. Pal. 1991.1.58, note Doucet, R.S.C. 1991.348, obs. Levasseur; Cass. Crim. 08.01.1991, Juris-Data, no. 000851; Crim., 27.4.1994, B. 157; Crim., 6.12.1995, B. 372, R.S.C. 1996.374, obs. Mayaud, Dr. pén. 1996.101, obs. Véron.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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peröffnungen, wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild kein Sexualbezug zu erkennen ist. Dies gilt auch dann, wenn die Handlung zur Triebbefriedigung ausgeführt wird wie z. B. die Einführung eines Gegenstandes (z. B. Dildo) in den Mund des Opfers.1149 Der Mund stellt eine neutrale Körperöffnung dar; es fehlt an der Einbeziehung eines Geschlechtsorgans oder eines Geschlechtsteils, das wie ein Geschlechtsorgan eingesetzt wird. Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss stets ein Organ in die Handlung einbezogen werden, welches als geschlechtlich betrachtet werden kann wie die Vagina, der Penis oder der Anus. Es fehlt ebenfalls an einem Sexualbezug, wenn ein Arzt mit Gewalt einen Finger in den Anus einer anderen Person einführt, um einen Drogenbeutel aus dessen Anus zu entnehmen. In diesem Fall lehnte das Gericht eine Verurteilung wegen Vergewaltigung ab, weil die Handlung offensichtlich nicht zum Zweck einer sexuellen Befriedigung, sondern aus ermittlungstechnischen Gründen vorgenommen wurde.1150 Das Gleiche muss daher auch beim Einführen von Fingern oder medizinischen Instrumenten in die Vagina oder den Anus gelten, die zum Zweck einer medizinischen Untersuchung durchgeführt werden. Hierbei wird es aber meist schon an einer Nötigung fehlen, weil der Patient ein Einverständnis zur Handlung gegeben hat. Nicht vertretbar ist dagegen die Entscheidung, das Einführen eines Stocks in den Anus eines Jungen nicht als Vergewaltigung zu bewerten, weil die Handlung zum Zweck der Erpressung ausgeführt wurde. Die Strafkammer war der Meinung, dass es sich bei einer analen Penetration nicht um eine sexuelle Penetration handele, weil kein Geschlechtsteil in die Tatausführung miteinbezogen wurde. Das Einführen eines Stockes in den Anus sei nicht als sexuelle Penetration zu verstehen und daher nur als Erpressung, Folter- und Barbareihandlungen strafbar.1151 Dieser Interpretation wurde jedoch weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur gefolgt, weil sie zu Wertungswidersprüchen führt.1152 Der Gesetzgeber hat klar zum Ausdruck gebracht, dass das Einführen von Gegenständen in den Anus eine Vergewaltigung verkörpert, es sei denn, die Handlung trägt keine sexuelle Konnotation, d. h. das äußere Erscheinungsbild gibt nicht zu erkennen, dass es sich um eine sexuelle Handlung handelt wie es bei medizinischen oder polizeiermittlungstechnischen Untersuchungen der Fall ist. Das Wort „sexuell“ ist nicht im biologischen, sondern im erotischen Sinn zu verstehen. Nur so kann die anale und orale Penetration durch ein Geschlechtsteil gegenüber dem klassischen Beischlaf als Vergewaltigung („Penetration welcher Natur auch immer“) gewertet werden. Das heutige Verständnis einer Vergewaltigung ist nicht mehr an die Fortpflanzung gebunden. Wenn „sexuell“ die Einbeziehung eines Geschlechts1149

Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 7; Crim. 21.02.2007, JCP 2007.IV.1691. Cass. Crim. 29.01.1997, B. 39, JCP 1997. IV.1169. 1151 Siehe dazu: Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 12. 1152 Crim., 27.4.1994, B. 157, Dr. Pén. 1994. 180, note Véron; ebenso: Crim., 6.12. 1995, B. 372. 1150

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

organs voraussetzen würde, könnten gewisse sexuelle Handlungen – wie die Berührung der Brust oder des Gesäßes – auch nicht als sexuelle Aggression bewertet werden, es sei denn, man interpretiere „sexuell“ hinsichtlich der sexuellen Aggression anders als in Bezug auf die Vergewaltigung. Das gleiche Wort im Grundtatbestand anders zu interpretieren als in seiner Qualifikation, kann jedoch dogmatisch nicht überzeugen.1153 Der Begriff „sexuell“ ist daher nicht auf die Bezugnahme von Geschlechtsorganen beschränkt, sondern auf Handlungen, die ein Einführen in den Körper darstellen und offensichtlich geschlechtlicher Natur sind. Ferner ist es unschädlich, wenn der Täter die Handlung nicht zur Triebbefriedigung, sondern zu einem anderen Zweck ausführt. Die Vergewaltigung setzt keine Absicht voraus, zur sexuellen Befriedigung handeln zu müssen, so dass eine anderweitige Zweckverfolgung völlig belanglos ist. Der Täter hat den Stock zwar nicht zur eigenen Triebbefriedigung in den Anus des Jungen eingeführt, die Handlung war aber offensichtlich für einen objektiven Beobachter sexueller Natur. Der Täter hätte aufgrund der analen und damit sexuellen Penetration mit einem Gegenstand nach dem Wortlaut des Art. 222-23 CP wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Erpressung verurteilt werden müssen.1154 (2) Umgekehrte Vergewaltigung Da der französische Tatbestand auf eine sexuelle Penetration als Tathandlung beschränkt ist und nicht wie der deutsche Tatbestand auch andere erniedrigende Sexualpraktiken unter Strafe stellt, ist die strafbare Handlung dem Tatbestand einfach zu entnehmen. Die einzige Streitfrage des französischen Tatbestands lautet, ob auch eine Frau einen Mann zum vaginalen, analen oder oralen Geschlechtsverkehr zwingen kann. Der Tatbestand bestimmt weder das Geschlecht des Täters noch des Opfers. Die Absicht des Gesetzgebers von 1980 war es, eine geschlechtsunabhängige Lö1153 Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 516. 1154 So auch: Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 516; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 17; Crim., 9.12.1993, B. 383; Dt. pén. 1994, chr. 26, conc. Peretti et, comm. 83, Rapport Nivoise; als Vergewaltigung bewertet in: Crim., 6.12.1995, B. 372, R.S.C. 1996.374, obs. Mayaud, Dt. pén. 1996.101, obs. Véron. Ebensowenig nachvollziehbar war die Entscheidung, in der ein Mann seine Frau zu einer sexuellen Beziehung mit einem Hund zwang, lediglich als Angriff auf die Sittlichkeit zu bewerten. Der Hund ist juristisch gesehen ein Objekt, womit das Eindringen des Geschlechtsteils des Hundes in die Vagina der Frau eine Vergewaltigung darstellt. Vgl. Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 456; JurisClasseur, Art. 222-22-33-1, Rn. 25; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 5; Douai 10.10. 1991, R.S.C. 1992.69, obs. Vitu.

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sung herbeizuführen, um damit die Gleichberechtigung von Mann und Frau sicherzustellen.1155 Die herrschende Meinung geht jedoch aufgrund der Formulierung, dass die Penetration an einer anderen Person begangen werden muss („sur la personne d’atrui“), davon aus, dass nur ein Mann als Täter in Betracht kommt, weil nur er die Penetration mit seinem Penis gegenüber einem anderen bewirken kann.1156 In diesem Sinn hat auch eine Strafkammer eine Vergewaltigung durch die Schwiegermutter gegenüber ihrem Schwiegersohn abgelehnt, weil nach der strikten grammatikalischen Auslegung des Strafgesetzes eine Vergewaltigung nur vorliege, wenn der Täter die Penetration an dem Opfer begehe.1157 Dieser Auslegung könne aufgrund des Wortlautes des Gesetzes kein Argument entgegen gebracht werden, obwohl es der Gerechtigkeit zuwiderlaufe, wenn einem Mann eine 15-jährige Haftstrafe droht, während eine Frau für dieselbe Handlung nach dem Grundtatbestand nur mit höchstens fünf Jahren Haft und einer Geldstrafe von maximal 75.000 A bestraft werden könne.1158 Eine Strafkammer widersprach zwar dieser Interpretation, indem sie äußerte, dass der Täter den Oralverkehr an einem anderen dadurch begehen könne, dass er entweder das Opfer zur Ausführung oder aber zum Stillhalten der Fellatio zwänge.1159 Das Berufungsgericht hat dieses Urteil jedoch revidiert. Es verurteilte eine an einem Opfer durchgeführte Fellatio lediglich als sexuelle Aggression. Es sei für die Vergewaltigung erforderlich, dass der Täter und nicht das Opfer die Penetration herbeiführe.1160 Der vaginale, anale und orale Geschlechtsverkehr kann daher nur durch einen männlichen Täter begangen werden. Das Opfer eines vaginalen Geschlechtsverkehrs muss aufgrund der Anatomie eine Frau sein. Bei einem Oral- oder Analverkehr spielt das Geschlecht des Opfers allerdings keine Rolle. Handelt es sich um die Alternative des Einführens von Gegenständen oder anderen Körperteilen in die Vagina oder den Anus, kann sowohl eine Frau als auch ein Mann Täter der 1155 Meyer, Le nouvel éclairage, D. 1981, chron. 283; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 4 bestätigt, dass das Gesetz von 1980 einen geschlechtsneutralen Tatbestand angestrebt hatte, verneint die Geschlechtsneutralität aber für das neue Strafgesetzbuch aufgrund der Formulierung „sur la personne d’autrui“. So auch: Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 5. Eine Frau wurde für die Vergewaltigung eines Mannes verurteilt: Crim. 04.01.1985, B. 10, Gaz. Pal. 1986.1.19; Mann war Opfer einer Vergewaltigung: Crim. 24.06.1987, B. 265, RSC 1988.302, obs. Levasseur und Crim. 03.07.1991, Dr. pén. 1991.314, RSC 1992.756, obs. Levasseur. 1156 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 515; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 24; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 10, 11. 1157 Crim. 21.10.1998, D. 1998, IR 241, Dr. pénal 199, comm. 5, JCP 1998. II. 10215, note D. Mayer; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 24. 1158 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 515. 1159 Crim 16.12.1997,B. 429, JPC 1998.II.10074, note D. Mayer; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 27 m.w. N.; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 6. 1160 Crim 22.08.2001, B. 169; so auch: Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 13; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 27; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 6.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Handlung sein. Nur beim Einführen eines Gegenstandes oder Körperteils in die Vagina muss das Opfer weiblichen Geschlechts sein, weil die Tatbestandsformulierung nicht den Fall erfasst, dass das Opfer zur Penetration des Täters gezwungen wird („Sich-Penetrieren-Lassen“).1161 (3) Andere sexuelle Handlungen Durch die klare Aufzählung der tauglichen Vergewaltigungshandlungen steht negativ fest, dass andere schwere Angriffe auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht wie z. B. der Cunnilingus, das Ejakulieren auf den Körper des Opfers, die Fäkalerotik oder das Schlucken des Ejakulats bzw. Urins nicht vom Vergewaltigungstatbestand erfasst werden. Ferner ist unstreitig, dass das Opfer zur Zeit der Tathandlung am Leben sein muss. Die Nekrophilie erfüllt den Tatbestand nicht.1162 Es fand im französischen Recht zwar eine Erweiterung des Vergewaltigungsbegriffs vom Beischlaf zu allen Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, statt. Die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale stellt kein Problem dar. Jedoch wurden damit andere besonders erniedrigende und schwere psychische Folgeschäden herbeiführende Handlungen nicht unter den erhöhten Strafrahmen des Qualifikationstatbestands gestellt. Sie können weiterhin nur nach dem Grundtatbestand der sexuellen Aggression bestraft werden. Die weiteren Tatbestände des Art. 222-24 bis 26 sind Qualifikationen der Vergewaltigung und stellen schwere Folgen der Vergewaltigung wie z. B. die mittäterschaftliche Begehung oder die Herbeiführung des Todes unter den Schutz eines erhöhten Strafrahmens. Da in den Qualifikationen nicht die Tathandlung der Vergewaltigung umschrieben wird, kann hier auf eine Darstellung dieser Tatbestände verzichtet werden. cc) Spanien Das spanische Recht durchlief einen ähnlichen Reformprozess wie die zuvor untersuchten Rechtsordnungen. Es erkannte erst nur den Beischlaf als Vergewaltigung an.1163 Dann wurde der Geschlechtsverkehr um den Oral- und Analverkehr ergänzt.1164 Dem folgte die Anerkennung der Einführung von Objekten in 1161 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 513–515; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 22 ff. 1162 Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 512; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 20; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 15; Cass. crim. 30.08.1877, B. 212; 10.01.1902, B. 19. 1163 Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.2; Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 195, § 6.3aa.aca; Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 294 f. 1164 Climent Duràn, Código Penal, Art. 179, 1.1; STS 128/99, 5-3; STS 476/99, 29-3.

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die Vagina oder den Anus als Vergewaltigung. Schließlich wurde mit der letzten Reform im Jahre 2003 die Einführung von Körperteilen der Einführung von Objekten auf den zwei besagten Wegen gleichgestellt.1165 Nach dem Wortlaut des heutzutage gültigen Vergewaltigungstatbestands werden der Beischlaf, die Fellatio, der Analverkehr und das Einführen von anderen Körperteilen oder Gegenständen in die Vagina oder den Anus unter Strafe gestellt. (1) Vaginaler Geschlechtsverkehr Der Begriff des Beischlafs beschreibt einen vaginalen Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau. Früher wurde teilweise vertreten, dass der Penis in das Innere der Scheide vordringen muss, um somit eine juristische Gewähr zu haben, dass die Tat vollendet ist.1166 Die mittlerweile herrschende Ansicht lässt das Eindringen bis zu den äußeren Schamlippen („conjunctio membrorum“) genügen, weil die äußeren und inneren Schamlippen der Frau eine Einheit bilden und die äußere (vestibuläre) Penetration daher die gleiche Wirkung für das Opfer hat wie die totale Penetration der Vagina. Zudem kann bereits beim Vordringen des Penis in den Scheidenvorhof eine Schwangerschaft verursacht werden.1167 Außerdem dürfte es beweisrechtlich kaum möglich sein, überprüfen zu können, ob nun bis in den Scheidenvorhof vorgedrungen wurde oder nur bis zu den äußeren Schamlippen der Vagina.1168 Eine vereinzelte Meinung geht sogar soweit, unter dem „conjunctio membrorum“ lediglich die Berührung der Geschlechtsorgane zu verstehen und schließt

1165 Vor der Reform konnte das Einführen von Fingern, Faust oder Zunge nicht als Vergewaltigung angesehen werden: Sánchez Melgar, Código Pénal, Art. 179, 1; Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 181; Calderón/Choclán, Código Pénal, S. 391 f.; STS 01.07.2002; Córdoba Roda/Àran, Commentarios, S. 336. 1166 Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 296. 1167 Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 298; STS 4.4.1991 (RJ 1991, 2569); 22.9.1992 (RJ 1992, 7210); 7.3.1994 (RJ 1994, 1856); 31.5.1994 (RJ 1994, 4070); Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.2; SSTS 11.3.1980; 4.4.1991; 22.9.1992; 7.3.1994; 31.5.1994; Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.F, S. 263 f.; STS 12.2.1997, SSTS 20.6.1995; 29.3.1996; 20.07.2001; Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 219; Serrano Gomez, Derecho Penal, S. 218; Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 177; Begué Lezaún, Delitos contra la Libertad e Indemnidad Sexuales, S. 47; Sanchez Melgar, Código Pénal, Art. 179, 2; SSTS 10.07.2001; 14.11.2001; 23.01.2002; 23.05.22; 31.10.2003; STS 18.11.2002, (TOL 229796); STS 21.10.2002; STS 29.03.1996; STS 31.05.1994; Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 182 f.; STS 04.04.1991; STS 22.09.1992; STS 18.02.1994; STS 07.03.1994; STS 31.05.1994; STS 15.06.1995; 20.06.1995; STS 29.03.1996; STS 15.01.1998; STS 17.03.1999; STS 14.05.1999; STS 18.11.2002; STS 29.01.2003 (TOL 265692). 1168 Climent Duràn, Código Penal, Art. 179, 3.1; STS 693/97, 20-5; STS 13/98, 15-1; STS 748/99, 14-5.

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damit auch lesbische Handlungen zwischen einem weiblichen Täter und einem weiblichen Opfer in den Begriff des vaginalen Geschlechtsverkehrs ein.1169 Dieser Ansicht muss aber entgegen gehalten werden, dass bei der Berührung der Geschlechtsteile zwischen Mann und Frau auch kein Beischlaf bejaht werden würde, sondern zumindest ein teilweises Eindringen in die Vagina erforderlich ist, um von einer Penetration, welche das Kernverständnis eines Geschlechtsverkehrs ist, sprechen zu können. Eine solch weite Auslegung des Wortes „Geschlechtsverkehr“ als eine schlichte Berührung der Geschlechtsteile wird weder vom Wortsinn, noch von der geschichtlichen Bewertung des Geschlechtsverkehrs als Penetration des Körpers (mit dem männlichen Glied bis hin zu Gegenständen oder anderen Körperteilen) getragen. Auch die systematische Unterscheidung im Gesetzbuch zwischen dem Grundtatbestand der einfachen sexuellen Aggression (sexueller körperlicher Kontakt) und der Qualifikation der Vergewaltigung (Eindringen in den Körper mit einem Körperteil oder Gegenstand) widerspricht dieser weiten Auslegung und muss als nicht erlaubte Analogie des Gesetzestextes bewertet werden. Dieser vereinzelten Ansicht kann somit nicht gefolgt werden. Einigkeit besteht aber soweit, dass zur Vollendung der Tat weder der Hymen der Frau durchbrochen werden, noch, dass es zu einer Ejakulation des Täters oder gar zu einer Schwangerschaft der Frau kommen muss.1170 (2) Oraler und analer Geschlechtsverkehr Für die Vollendung des Oral- oder Analverkehrs muss das männliche Glied in die jeweilige Körperöffnung zumindest teilweise eingeführt werden. Eine lediglich erotische Berührung des Mundes oder des Anus mit dem Penis genügt nicht.1171 Genauso wie beim Beischlaf ist es irrelevant, ob der Täter in die Körperöffnung ejakuliert hat.1172

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Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 219; Serrano Gomez, Derecho Penal, S. 218. Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.F, S. 263; STS 12.2.1997, SSTS 20.6.1995; 29.3.1996; Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 195 f., § 6.3aa.acc; Serrano Gomez, Derecho Penal, S. 218. 1171 Sanchez Melgar, Código Pénal, Art. 179, 2; Climent Duràn, Código Penal, Art. 179, 3.1.; Auto 23-6-99; Serrano Gomez, Derecho Penal, S. 219; STS 476/ 29.3.1999; Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 183 mit vielen Urteilen zum Analverkehr in Fn. 327; Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 184 mit Urteilen zum Oralverkehr: STS 13.05.2004 (TOL 448608); STS 01.04.2003; STS 10.12.2002 (TOL 240841); STS 13.05.2002; STS 16.04.2002; STS 12.03.2002 (TOL 162188). 1172 Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 196, § 6.3aa.acc; Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 184 f.; a. A.: Orts/Súarez-Mira, Delitos, S. 98 ff., no 192, die eine Ejakulation aus Beweisgründen beim Oralverkehr für notwendig halten. 1170

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(3) Einführen von Objekten Eine weitere Alternative des Vergewaltigungstatbestands stellt das Einführen von Objekten dar. Diese Alternative kann unstreitig durch jeden Menschen – unabhängig vom Geschlecht – begangen werden. Es werden sowohl heterosexuelle sowie homosexuelle Handlungen erfasst.1173 Objekte können alle nicht-körperlichen, beweglichen Gegenstände sein, welche der Täter als Penisersatz ansieht und zur sexuellen Befriedigung einsetzt.1174 Tiere werden juristisch als Sachen behandelt, so dass auch Tiere als Tatobjekt in Betracht kommen.1175 Erforderlich ist, dass der Gegenstand eingeführt wird und nicht nur die Körperöffnung berührt.1176 Der Gegenstand kann nur in zwei Körperöffnungen, die Vagina oder den Anus, eingeführt werden. Der Gesetzgeber hat ganz bewusst andere Körperöffnungen wie den Mund ausgeschlossen. Das Einführen eines Gegenstandes – wie z. B. eines Dildos in den Mund des Opfers – wird als eine nicht mit den anderen Tatalternativen der Vergewaltigung vergleichbare Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts empfunden.1177 Es verbleibt natürlich die Möglichkeit, ein solch zweifellos sexuelles Verhalten nach dem Grundtatbestand des Art. 178 CP zu verfolgen.1178 (4) Einführen von Körperteilen Seit der Reform von 2003 ist es nun auch gemäß Art. 179 CP strafbar, andere Körperteile als den Penis in die Vagina oder den Anus einzuführen. Damit hat sich der Streit erledigt, ob auch Körperteile (z. B. Finger) als Objekte anzusehen 1173 Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.C, S. 257; Climent Duràn, Código Penal, Art. 179, 1.2; Serrano Gomez, Derecho Penal, S. 218; Sánchez Megar, Commentarios, Art. 179, 2; Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 219. 1174 Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.C, S. 257; Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.2; Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 220; Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 199, § 6.3ab.acb; Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 298; Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 187. So stellt eine künstliche Befruchtung, wenn sie denn unter Gewalt oder Drohung herbeigeführt wird, zwar ein Einführen von Objekten dar. Sie wird aber nicht als Vergewaltigung behandelt. Entscheidend ist, dass der Angriff sexuell war, also zur sexuellen Befriedigung durchgeführt wurde. Vgl. Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 191. 1175 Córdoba Roda/Àran, Commentarios, S. 337. 1176 Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 200, § 6.3ab.ad. 1177 Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 188 f.; Córdoba Roda/Àran, Commentarios, S. 338. Es hatte vor der Reform einen Streit darüber gegeben, ob das Einführen eines Gegenstandes in den Mund ausreicht, um eine Vergewaltigung bejahen zu können. Siehe dazu: Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 295 f.; Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.C, S. 258 f. 1178 Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.C, S. 259 f.; Begué Lezaún, Delitos contra la Libertad e Indemnidad Sexuales, S. 48.

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sind.1179 Der Gesetzgeber ist insofern der Literaturansicht gefolgt, dass auch das Einführen von Körperteilen wie Finger, Faust oder Zunge in die Vagina oder den Anus eine schwere Erniedrigung und psychische Traumata beim Opfer hervorrufen können. Dadurch, dass jetzt das Einführen der Zunge in eine der beiden Körperöffnungen mögliche Vergewaltigungshandlungen darstellen, kann nun auch der Cunnilingus als Vergewaltigung bestraft werden.1180 Nach der alten Fassung war lediglich der Oralverkehr im Sinne der Fellatio strafbar, während der Cunnilingus nur nach dem niedrigeren Strafrahmen des Art. 178 CP bestraft werden konnte.1181 Dies wurde in der Literatur als Ungleichbehandlung der Geschlechter kritisiert. Der gegen den Willen durchgeführte bzw. durchzuführende „Cunnilingus“ stellt für das Opfer einen genauso schweren Eingriff in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht dar und ist nicht weniger demütigend oder ekelerregend wie die erzwungene „Fellatio“.1182 Jetzt ist es zwar möglich, das Einführen der Zunge in die Vagina und den Anus als Vergewaltigung zu verurteilen, jedoch ist der Gesetzgeber weiterhin dafür zu kritisieren, dass das Lecken mit der Zunge an den beiden Körperöffnungen nach dem Wortlaut nicht vom Vergewaltigungstatbestand erfasst wird, wenn es nicht mit dem Einführen der Zunge in die Körperöffnungen einhergeht. Diese Auslegung scheint zwar mit derjenigen zum Oralverkehr zu korrespondieren. Die Fellatio setzt auch eine Penetration des Penis in den Mund voraus und nicht nur ein Berühren des Penis mit der Zunge. Allerdings hat die Rechtsprechung der unrealistischen Unterscheidung zwischen Einführen und Berühren Abhilfe geschaffen, indem sie jede Manipulation der Zunge am Penis als Fellatio behandelt.1183 Eine solche Auslegung ist für die Manipulation der Zunge entweder an der Scheide oder dem Anus wünschenswert, weil auch diese Handlungen das Opfer zutiefst erniedrigen und besonders deswegen, weil selbst für das Opfer ein Unterschied 1179 Siehe zum alten Streitstand in der Lit. und der Rspr.: Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 191 ff.; Córdoba Roda/Àran, Commentarios, S. 338; Begué Lezaún, Delitos contra la Libertad e Indemnidad Sexuales, S. 48; Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.C, S. 256 ff.; Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.2; Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 220; Climent Duràn, Código Penal, Art. 179, 1.2; STS 5.3.1999; STS 23.3.1999; STS 14.2.1994. 1180 Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violentas, S. 185, Fn. 333, 195 f. 1181 Siehe zum alten Recht: Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.2; Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 295 f. 1182 Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.C, S. 257; Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.2; Serrano Gomez, Derecho Penal, S. 218; Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 185. 1183 Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 186; ATS 06.05.1998.

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zwischen einem Einführen der Zunge und einem Lecken an der Körperöffnung kaum wahrzunehmen ist. (5) Umgekehrte Vergewaltigung Wie beim französischen Tatbestand ist aufgrund der Begrenzung des Tatbestands auf sexuelle Penetrationen relativ einfach zu bestimmen, welche Handlungen als Vergewaltigung angesehen werden. Die einzige wirkliche Streitfrage geht darum, ob der Tatbestand auch den „umgekehrten“ Geschlechtsverkehr („violación inversa“) erfasst, wenn z. B. eine Frau einen Mann zur Penetration ihres Körpers zwingt. Es ist zwar schwer vorstellbar, dass eine Frau einen Mann dazu zwingt, sie mit seinem Penis zu penetrieren. So vertritt eine Meinung, dass das „Sich-Penetrieren-Lassen“ durch einen Mann nur vom Grundtatbestand erfasst werden sollte, weil es dieser Tat an der spezifischen Schwere der Handlung fehle wie sie gerade bei einem erzwungenen Eindringen in den Körper des Opfers vorliege.1184 Auch falle nur die durch den Mann erzwungene Fellatio unter den Begriff der Vergewaltigung, aber nicht der Oralverkehr, wenn die Frau den Mann zum Eindringen seines Penis in ihren Mund zwingt. Der umgekehrte Oralverkehr könne nur nach dem Grundtatbestand bestraft werden.1185 Eine andere Meinung erkennt diese „umgekehrte“ Begehungsweise als Vergewaltigung an.1186 Für diese Ansicht spricht, dass die Vergewaltigung geschlechtsneutral formuliert wurde. Es wurde im Tatbestand gerade nicht festgelegt, dass der Täter ein Mann sein muss, sondern dass jedermann den Geschlechtsverkehr entsprechend den anatomischen Gegebenheiten erzwingen kann.1187 Der Gesetzgeber hatte bewusst in Art. 178, 179 CP auf das Wort Penetration verzichtet.1188 Stattdessen wurde in Art. 179 nur das Wort Geschlechtsverkehr („acceso carnal“) verwendet, welches durchaus das „Penetrieren“ eines Körpers als auch das „Sich-Penetrieren-Lassen“ bedeuten kann. Die semantische Auslegung des Wortes „Geschlechtsverkehr“ lässt weder den Schluss zu, dass die Einführung des 1184 Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 218 f., der allerdings Zweifel an einer vergleichbaren Schwere der Handlung des eher passiven Penetrieren-Lassens gegenüber dem aktiven Penetrieren äußert; Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 194; § 6.3aa.aaa und aba; Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 179. 1185 Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 295; auch Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 219 f. hat Zweifel an der Schwere der Tat. Eine solche Handlung sollte nach dem Grundtatbestand, aber nicht nach dem hohen Strafrahmen der Qualifikation bestraft werden. 1186 Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.2; Sanchez Melgar, Código Pénal, Art. 179, 2; SSTS 11.3.1980; 4.4.1991; 22.9.1992; 7.3.1994; 31.5. 1994; 25.05.2005. 1187 Begué Lezaún, Delitos contra la Libertad e Indemnidad Sexuales, S. 49; Calderón/Choclán, Código Pénal, S. 393. 1188 Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 218.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Penis in die korrespondierende Körperöffnung durch den Täter, noch dass die Zusammenführung der Organe das Ergebnis des gewaltsamen Einführens des männlichen Glieds sein muss.1189 Es wird auch nicht in Frage gestellt, dass eine Frau Täter der anderen Penetrationen sein kann wie z. B. beim Einführen von Objekten in die Vagina oder den Anus einer anderen Person. Es wäre eine rein männliche Betrachtungsweise der Sexualität, wenn man nur den Mann als Täter des Geschlechtsverkehrs anerkennen würde. Es kommt vielmehr auf die Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts an, welches verletzt ist, wenn eine Frau einen Mann mit Gewalt oder Drohung zur Penetration in eine ihrer Körperöffnungen zwingt.1190 Es ist daher der modernen Auffassung zu folgen, dass auch das erzwungene vaginale, anale und orale „Sich-Penetrieren-Lassen“ mit dem Penis des Opfers eine Vergewaltigung darstellt. (6) Ergebnis Damit lässt sich festhalten, dass der spanische Gesetzgeber eine präzise Umschreibung der Tathandlung gegenüber einer weitreichenden, aber auslegungsbedürftigen Formulierung favorisiert hat. Der Vergewaltigungsbegriff nennt zwar alle möglichen Handlungen, die mit einer sexuellen Penetration einhergehen. Mit dieser abschließenden Liste von Sexualpraktiken wurden aber alle anderen denkbaren Angriffe auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht, die nicht ausdrücklich genannt sind, vom Vergewaltigungsbegriff ausgeschlossen. So stellt das neue Strafgesetzbuch das Berühren der Vagina oder des Anus mit der Zunge nicht eindeutig unter Strafe. Ferner sind an besonders ekelerregende Handlungen wie die Fäkalerotik zu denken, die aufgrund ihrer besonderen Demütigung für das Opfer auch verdient hätten, unter den erhöhten Strafrahmen der Vergewaltigung zu fallen.1191 Da der Wortlaut der Art. 178, 179 CP („wer {Täter} die sexuelle Freiheit einer anderen Person {Opfer}“) von einer Handlung zwischen dem Täter und dem Opfer ausgeht, werden an sich selbst vollzogene sexuelle Handlungen („Fellatio“, Masturbation) bzw. an Dritten vollzogene Sexualpraktiken vom Vergewaltigungstatbestand nicht erfasst.1192 1189 Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 180; Díez Ripollés, Commentarios, S. 282; Begué Lezaún, Delitos contra la Libertad e Indemnidad Sexuales, S. 49. 1190 Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 178 f. m.w. N.; Calderón/Choclán, Código Pénal, S. 391; Córdoba Roda/Àran, Commentarios, S. 337; STS 19.11.2002. 1191 Der Vergewaltigungstatbestand enthält eine klare Aufzählung der strafbaren Handlungen. Daraus kann geschlossen werden, dass alle anderen sexuellen Handlungen nicht unter den höheren Strafrahmen fallen, sondern höchstens nach dem Grundtatbestand verfolgt werden können. Vgl. dazu: Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.CS. 257 ff.; Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.2. 1192 Monge Fernandez, Los Delitos de Agresiones Sexuales Violaentas, S. 181; Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 291.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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dd) England Seit dem 01.05.2004 ist in England und Wales das neue Strafgesetz zu Sexualverbrechen, der sog. „Sexual Offence Act 2003“ (SOA 2003) in Kraft getreten.1193 (1) Vaginaler, analer und oraler Geschlechtsverkehr Das Verbrechen der Vergewaltigung existierte bis zum Sexual Offence Act von 1956 nur im „Common Law“. Auch wenn es seitdem ins Statut von 1956 aufgenommen wurde, wurde das Verbrechen erstmals mit dem Ergänzungsgesetz von 1976 definiert. Vergewaltigung erfasste zum damaligen Zeitpunkt einen ohne das Einverständnis des Opfers vollzogenen vaginalen Geschlechtsverkehr. Durch den Criminal Justice and Public Order Act von 1994 wurde schließlich der nicht einvernehmliche Analverkehr in den Tatbestand der Vergewaltigung mit aufgenommen. Die heutige Definition der Vergewaltigung gemäß SOA 2003, s. 1 setzt die Penetration der Vagina, des Anus oder Mundes des Opfers mit dem männlichen Glied voraus. Damit erweitert dieses Gesetz den Tatbestand nun auch um den nicht einvernehmlich durchgeführten Oralverkehr („Fellatio“). Die Reformer hatten die medizinischen Ergebnisse zur Kenntnis genommen, dass nicht einvernehmlicher Oralverkehr genauso herabwürdigend und traumatisierend für das Opfer sein kann wie der ungewollte vaginale und anale Geschlechtsverkehr. Das Berufungsgericht unterstrich die gesetzliche Gleichsetzung der drei Penetrationsarten, indem es auf der Strafzumessungsebene keine unterschiedliche Bestrafung der drei Handlungen zuließ.1194

1193 Das SOA 2003 stellt das Ergebnis der größten Reformbewegung des Sexualstrafrechts seit viktorianischer Zeit in England und Wales dar. Die Reform war seit langem überfällig. Die Sexualstraftaten des früheren Gesetzes waren zusammenhanglos aneinander gereiht. Sie spiegelten weder die Auswirkungen einer sexuellen Misshandlung auf das Opfer wieder und noch boten sie einen lückenlosen Schutz vor sexuellen Angriffen. Vielmehr reflektierten sie die sozialen Einstellungen der Gesellschaft in Bezug auf die Sexualität und die Rolle von Mann und Frau des 19. Jahrhunderts. Die meisten Straftaten waren geschlechtsspezifisch gehalten, wonach der Täter immer ein Mann und das Opfer immer eine Frau sein musste. Die angedrohten Strafen waren meist zu niedrig. Ferner diskriminierte das alte Recht homosexuelle Menschen, indem es einvernehmlichen Analverkehr unter Strafe stellte. Die Sprache war archaisch und vielerorts unangemessen. Das Ziel der Reform war es, einen zusammenhängenden Straftatenkatalog zu erstellen, der das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Individuums schützt und dabei speziell den Schutz besonders verletzlicher Menschen und Kinder ausbaut. Vgl. zu den Gründen und Zielen der Reformbewegung: Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 336, Rn. 9.1; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 673 ff.; Smith/Hogan, Cases & Materials, Chapter 20.1; Jefferson, Criminal Law, S. 566 ff.; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 421 f.; Clarkson/Keating, Criminal Law, S. 625. 1194 Ismail (2005) EWCA Crim. 397; siehe auch: Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 697; Smith/Hogan, Cases & Materials, Chapter 20.2; Temkin/Ashworth, CLR 2004, S. 344; Loveless, Criminal Law, S. 513.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Das neue Strafgesetz bestimmt allerdings nicht wie weit in die Körperöffnung eingedrungen werden muss. Es findet sich lediglich eine Äußerung in S. 79 (9), dass die Vulva Teil der Vagina ist, woraus geschlossen werden kann, dass das Eindringen des Penis bis zu den äußeren Schamlippen ausreicht. Zur Klarstellung kann auf die Auslegung des „Common Laws“ zurückgegriffen werden. Dieses lässt die leichteste Penetration der Vagina genügen, weil diese bereits die Gefahr der Schwangerschaft in sich birgt. Folglich muss bei einem jungfräulichen Opfer der Hymen nicht durchbrochen werden, um eine Vergewaltigung bejahen zu können und es kommt nicht auf einen Samenerguss des Täters an. Diese Auslegung wird auf die Penetration des Anus bzw. des Mundes übertragen.1195 Auch Transsexuelle werden nun ausdrücklich vor Vergewaltigung geschützt bzw. kommen als Täter in Betracht. Die Tat kann gemäß SOA 2003, s. 79 (3) sowohl mit einem chirurgisch hergestellten Penis begangen werden und das Opfer kann ein Mann mit einer künstlichen Vagina sein.1196 (2) Umgekehrte Vergewaltigung Erstaunlich ist, dass trotz des Reformziels, geschlechtsspezifische Vorschriften im Sexualstrafrecht zu eliminieren, die Vergewaltigung als einziges Verbrechen des SOA 2003 nur von einem Mann begangen werden kann. Eine Frau kann lediglich Teilnehmer der Vergewaltigung sein.1197 Damit wurde der biologisch durchaus mögliche Fall aus dem Vergewaltigungstatbestand ausgeschlossen, dass eine Frau einen Mann zur Penetration ihrer Körperöffnungen mit seinem Penis zwingt. Einzige Neuerung des Gesetzes ist, dass es nun möglich ist, eine Frau zumindest nach SOA 2003, s. 4 – „causing a person to engage in sexual activity“ – zu belangen.1198 Dieser Tatbestand setzt voraus, dass der Täter eine an1195 Blackstone’s Criminal Practice, Rn. B3.7; Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 346, Rn. 9.22; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 696; Archbold, Criminal Pleading, Rn. 20-19 ff.; Allen, Criminal Law, S. 391; Keating/Clarkson, Criminal Law, S. 646; R. v. Russen (1777) 1 East PC 438; R. v. R’Rue (1838) 8 C. & P. 641; R. v. Allen (1839) 9 C. & P 31; R. v. Stanton (1844) 1 Car&Kir 415; R. v. Nicholls (1846) 2 Car&Kir 246; R. v. Hughes (1841) 9 C&P 752; Lines (1844) 1 Car & Kir 393. 1196 Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 346 Rn. 9.22; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 696; Smith/Hogan, Cases & Materials, Chapter 20.2; Loveless, Criminal Law, S. 513. 1197 Blachstone’s Criminal Practice, Rn. B3.15; Jefferson, Criminal Law, S. 568; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 422; Cogan (1976) QB 217; Ram, (1893) 17 Cox CC 609; Lord Baltimore’s Case (1768) 1 Black, W.648. 1198 Blachstone’s Criminal Practice, Rn. B3.33. Die Tathandlung setzt eine sexuelle Handlung voraus, ist also damit weiter gefasst als der Vergewaltigungstatbestand, welcher nur eine vaginale, anale und orale Penetration verlangt. Der Täter muss das Opfer zu einer sexuellen Handlung mit einem Dritten, mit sich selbst (Masturbation) oder mit dem Täter gegen seinen Willen verleiten. Insofern könnte die Vergewaltigung eines Mannes durch eine Frau, indem die Frau den Mann zur Penetration ihres Körpers zwingt, unter diesem Tatbestand verurteilt werden. Allerdings würde dieses Verhalten

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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dere Person ohne ihr Einverständnis in eine sexuelle Handlung verwickelt. Insofern könnte zwar die „umgekehrte Vergewaltigung“ als Sexualdelikt verfolgt werden. Der Strafrahmen wäre nach s. 4 Abs. 4 auch identisch mit der Strafandrohung der Vergewaltigung, wenn es zu einer Penetration des Penis in eine der besagten Körperöffnungen kommt. Einziger Nachteil wäre aber, dass das mit der Verurteilung ausgesprochene Stigma nach s. 4 – „das Verleiten einer anderen Person zum Geschlechtsverkehr“ – erheblich geringer ausfiele, als wenn die Täterin als „Vergewaltigerin“ verurteilt werden könnte. (3) Einführen von Körperteilen und Objekten Der Vergewaltigungstatbestand umschreibt präzise die möglichen Tathandlungen. Das strafbare Verhalten wurde aber auf lediglich Penetrationen mit dem Penis begrenzt, so dass andere genauso schwerwiegende Angriffe auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von diesem Tatbestand nicht erfasst werden. Die sexuelle Penetration mit dem Penis wurde als ein so wesentlicher Bestandteil der Vergewaltigung angesehen, dass sie getrennt von anderen Sexualstraftaten behandelt werden sollte. Sie reflektiere am ehesten das in der Gesellschaft verwurzelte Verständnis des Unrechtsgehalts der Vergewaltigung und das mit der Verurteilung als Vergewaltigung assoziierte Stigma.1199 Es wohne nur ihr die Gefahr der Schwangerschaft und der Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten inne. Dies führte zu der Entscheidung des Gesetzgebers, statt auch das Einführen von anderen Körperteilen als dem Penis sowie Objekten in Körperöffnungen des Opfers in den Vergewaltigungstatbestand einzubringen, einen neuen Tatbestand („Assault by penetration“, s. 2) für eben diese sexuellen Handlungen einzuführen. Dieser neue Tatbestand erhielt denselben Strafrahmen wie die Vergewaltigung mit einer maximalen lebenslangen Haftstrafe und steht somit gleichrangig neben dem Vergewaltigungstatbestand.1200 Er setzt die Penetration der Vagina oder des Anus, aber nicht des Mundes, einer anderen Person mit Körperteilen des Täters, z. B. Finger oder Faust, oder irgendetwas, wie z. B. einem Dildo, einem Gegenstand, einem Tier oder anderem lebenden Organismus voraus.1201 Es genügt wie bei der Vergewaltigung die leichteste Form des Eindringens1202 und umfasst eine chirurgisch erstellte Vagina nicht als Vergewaltigung verurteilt werden und damit nicht das gleiche Stigma tragen wie die Verurteilung eines Mannes wegen Vergewaltigung einer Frau. 1199 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 695 f.; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 423. 1200 Das Strafzumessungsberatungskomitee empfiehlt dieselben Ansatzpunkte in der Strafzumessung wie bei der Vergewaltigung. Siehe: Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 702, Fn. 231; Loveless, Criminal Law, S. 542. 1201 Blackstone’s Criminal Practice, Rn. B3.28; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 423; Loveless, Criminal Law, S. 542. 1202 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 702.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

transsexueller Menschen gemäß SOA 2003, s. 79 (3). Auch das Einführen der Zunge in die Vagina oder den Anus wird nun von s. 2 erfasst. Nach dem alten Recht waren diese Handlungen lediglich als sexueller Angriff („Sexual assault“) strafbar, was eine unzureichende und unkorrekte Bezeichnung, Stigmatisierung sowie Bestrafung (max. 10 Jahre) der Tat zur Folge hatte.1203 Entscheidendes Kriterium der Penetration ist, dass sie sexuell sein muss. Ist sie es nicht, liegt keine Tatbestandsmäßigkeit vor, selbst wenn der Betroffene mit der Handlung nicht einverstanden war. Gemäß SOA 2003, s. 78 ist erforderlich, dass aus Sicht eines objektiven Dritten das Verhalten entweder der Natur nach sexuell war, unabhängig von den Umständen und dem Zweck der Handlung, oder aber, dass die Natur der Handlung sexuell sein kann und die Tat aufgrund der Umstände oder der Absicht einer der beteiligten Personen als sexuell zu bewerten ist. Der Gesetzgeber hat insofern einen Zweistufentest eingeführt, wonach Absatz (a) das eindeutig sexuelle Verhalten erfasst und nur auf Absatz (b) zurückgegriffen werden muss, wenn die Handlung zwar sexuell sein kann, letztlich aber die Umstände der Tat bzw. die Motive der Tatbeteiligten entscheiden müssen, ob es sich im konkreten Fall um eine sexuelle Handlung handelt.1204 Diese Betrachtungsweise der Sexualität führt beispielsweise dazu, dass eine medizinische Untersuchung, wobei Finger in die Scheide oder den Anus eingeführt werden, nur als sexuell bewertet wird, wenn die Untersuchung keinem medizinischen Zweck, sondern der sexuellen Befriedigung des Arztes oder eines Dritten diente.1205 Die Tat der sexuellen Penetration kann im Gegensatz zur Vergewaltigung auch von einer Frau begangen werden. Sie ist geschlechtsneutral gehalten.1206 (4) Andere sexuelle Handlungen Andere sexuelle Handlungen, die nicht mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, das Opfer aber besonders erniedrigen und zu schweren Traumata führen können – wie z. B. die Fäkalerotik – können allerdings weiterhin nur unter dem sehr viel niedrigeren Strafrahmen des sexuellen Angriffs („Sexual assault“, s. 3 SOA 2003) im Sinne eines Auffangtatbestands verfolgt werden.

1203 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 702. Das Berufungsgericht hatte klar gemacht, dass gewisse Fingerpenetrationen durchaus eine lebenslange Haftstrafe rechtfertigen können: Corran (2005) EWCA Crim. 192. 1204 Blackstone’s Criminal Practice, B3.28; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 426 ff. m.w. N.; Court of Appeal R. v. H (2005) EWCA 732; Loveless, Criminal Law, S. 543 f. 1205 Bolduc and Bird (1967) 63 DLR (2d) 82, wo ein Arzt eine notwendige medizinische Untersuchung durchführte, aber einen Freund zu dessen sexueller Befriedigung zusehen ließ. 1206 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 702.

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ee) New York Wie schon unter III. 2. dieses Kapitels erwähnt, zeichnet sich das US-amerikanische Recht vor allem durch sehr detaillierte Gesetzestexte aus. Sowohl der Statutentext für New York als auch für Kalifornien sind um einiges länger als die europäischen Gesetzestexte zur Vergewaltigung. Der Abschnitt der Sexualverbrechen des New Yorker Strafgesetzes ist vor allem deshalb so umfangreich, weil er nicht wie die europäischen Staaten die unterschiedlichen sexuellen Penetrationen unter einem Tatbestand der Vergewaltigung bündelt, sondern diese in verschiedene Tatbestände („Rape, Criminal sexual act, Aggraved sexual abuse, Sexual misconduct“) aufsplittert. Nur der Beischlaf wird als Vergewaltigung („Rape“) bezeichnet. Die Vergewaltigung ist wiederum in drei Tatbestände aufgespalten, um somit Abstufungen des kriminellen Verhaltens mit unterschiedlichen Strafrahmen zu schaffen („Rape in the third, second and first degree“). Die Bestrafung variiert entsprechend dem Typ des sexuellen Verhaltens oder Kontakts, der Art und des Ausmaßes der angewandten Gewalt, dem Alter und der Verletzlichkeit des Opfers. Der Grundsatz ist, dass derjenige, der eine Sexualtat an einem hilflosen Opfer begeht oder seine Autoritätsposition gegenüber dem Opfer ausnutzt, strenger bestraft werden soll.1207 Die kriminalpolitische Überlegung des Gesetzgebers war, dass die unterschiedlichen Strafandrohungen eher zu einer Verurteilung der Sexualdelikte führen, als wenn nur ein Tatbestand der Vergewaltigung mit einem sehr hohen Strafrahmen existiert. Die Geschworenen hatten sich in der Vergangenheit zurückgehalten, einen Täter zu verurteilen, wenn ihm eine sehr hohe Strafe drohte, er aber keine Gewalt angewandt, sondern anderweitig gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers verstoßen hatte.1208 Andere schwerwiegende sexuelle Verhaltensweisen wie der Oral- und Analverkehr sind unter dem Begriff der kriminellen sexuellen Handlung („Criminal sexual act“) strafbar. Die kriminelle sexuelle Handlung ist ebenfalls in drei verschiedene Tatbestände („third, second and first degree“) unterteilt. Im Anschluss an diese drei Tatbestände ist das Einführen von Objekten oder von anderen Körperteilen als dem Penis in Körperöffnungen als schwerer sexueller Missbrauch („Aggravated sexual abuse“) tatbestandlich erfasst. Hierbei macht der Gesetzgeber eine Unterscheidung nach vier Schweregraden. Zusätzlich zur Vergewaltigung existiert ein weiterer Tatbestand, welcher den ungewollten Beischlaf und Oralverkehr als sexuelles Vergehen („Sexual misconduct“) behandelt, wenn 1207

Scheb/Scheb II, Criminal Law, S. 135. Die neuesten Statuten unterteilen die Vergewaltigung in mehrere Klassifikationen mit unterschiedlichem Strafrahmen. Das New Yorker Strafrecht ist insofern ein Beispiel für eine moderne Gesetzgebung zu den Sexualverbrechen in den USA. Siehe dazu: Klotter, Criminal Law, S. 140. 1208

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

keine erschwerenden Tatumstände wie z. B. Gewalt oder das junge Alter des Opfers hinzutreten. Auch ist nach diesem Tatbestand ein sexuelles Verhalten mit einem Tier oder einer Leiche strafbar. Weiterhin findet man nicht nur die zahlreichen abstrakten Tatbestände vor, sondern auch Interpretationshilfen zu einzelnen Tatbestandsmerkmalen („definitions of terms“) und spezielle Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe („defenses“) sowie prozessuale Regelungen („corroboration“) für die Sexualdelikte, die in den kontinentaleuropäischen Gesetzen im Allgemeinen Teil eines Strafgesetzbuches bzw. in der Strafprozessordnung angeordnet sind. Das Statut ist aber vor allem kontinentaleuropäischen Juristen deswegen so schwer zugänglich, weil es Nötigungstatbestände mit reinen Missbrauchstatbeständen und damit unterschiedlichen Rechtsgüterschutz kombiniert. Nur um ein Beispiel vorab zu nennen, setzt der Tatbestand der Vergewaltigung ersten Grades voraus, dass der Täter entweder Gewalt angewandt hat (Nötigung) oder, dass das Opfer kein Einverständnis geben konnte, weil es hilflos war oder, weil es schlicht jünger als 11 bzw. 13 Jahre alt war (Missbrauch). (1) Vergewaltigung Nach den Sektionen 130.25, 130.30 und 130.35 („Rape in the third, second and first degree“) besteht die Tathandlung allein im vaginalen Geschlechtsverkehr. S. 130.00 Abs. 1 nimmt ausdrücklich Bezug auf das „Common Law“, wonach auf die herkömmliche Bedeutung des Wortes „Geschlechtsverkehr“ abzustellen ist. Das „Common Law“ kannte nur den Beischlaf als Tathandlung der Vergewaltigung. Die leichteste Penetration genügte.1209 Der Hymen der Frau musste nicht durchbrochen werden, weil der Penis nur bis zu den äußeren Schamlippen oder der Vulva, aber nicht bis ins Innere der Vagina vordringen musste.1210 Dies wird auch noch einmal dadurch bestätigt, dass in s. 130.00 Absatz 2 der Oral- und Analverkehr explizit definiert und damit vom (vaginalen) Geschlechtsverkehr unterschieden werden. Alle drei Vorschriften der Vergewaltigung sind geschlechtsneutral formuliert. Der Tatbestand nennt beide Geschlechter als Täter, indem er stets die Person, welche wegen Vergewaltigung schuldig ist, mit „er“ oder „sie“ spezifiziert. Das Opfer wird als „andere Person“ bezeichnet, womit kein Geschlecht identifizier-

1209 State v. Pollock, 57 Ariz. 414, 114 P.2d 249 (1941); Harton v. State, 74 Ga App. 723, 41 S.E.2d 278 (1947); State v. Gehring, 694 P.2d 599 (Utah 1984); State v. Bono, 128 N.J. Super. 254, 319 A.2d 762 (1974); Davis v. State, 43 Tex. Crim. 189 (1875); People v. Montgomery, 302 III. App. 3d 1, 704 N.E.2d 816 (1998); Klotter, Criminal Law, S. 131, 141 ff.; LaFave, Substantive Criminal Law, S. 611 f. m.w. N. 1210 Rhodes v. State, 462P.2d 722 (Wyo. 1969); Commonwealth v. Donlan, 436 Ma. 329, 764 N.E.2d 800 (2002).

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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bar ist. Dadurch, dass nur die vaginale Penetration erfasst wird, und beide Geschlechter als Täter ausgegeben werden, kann auch eine Frau Täter des Beischlafs sein, wenn sie einen Mann zur Penetration ihrer Vagina mit seinem Penis zwingt. Somit wird die „umgekehrte Vergewaltigung“ vom Tatbestand erfasst. Eine Immunität für den Ehemann existiert im Staat New York nicht mehr. Die sog. „marital exemption rule“ wurde vom Berufungsgericht 1984 in New York für verfassungswidrig erklärt. Nur noch wenige Staaten in den USA haben seit dem diese Strafimmunität für vergewaltigende Ehemänner aufrechterhalten. 1211 Anders als im früheren englischen „Common Law“, das einen Jungen unter 14 Jahren für unfähig hielt, eine Vergewaltigung ausüben zu können, fand diese Regel niemals Anwendung in den USA.1212 Somit kann jede Person eine Vergewaltigung begehen. Die Unterscheidung nach den drei Graden der Vergewaltigung mit entsprechend variierenden Strafandrohungen beruht nicht auf der jeweiligen sexuellen Handlung, sondern auf den persönlichen Merkmalen wie dem Alter des Opfers bzw. des Täters und der Fähigkeit des Opfers, der Handlung zuzustimmen. Die drei Tatbestände enthalten übereinstimmende Tathandlungen, so dass an dieser Stelle die persönlichen Merkmale unberücksichtigt bleiben können. (2) Kriminelle sexuelle Handlung Unter den Tatbeständen der „kriminellen sexuellen Handlung“ dritten, zweiten und ersten Grades gemäß ss. 130.40, 130.45 und 130.50 werden der Oral- und Analverkehr verstanden. Der Oralverkehr setzt gemäß s. 130.00 Abs. 2 a) voraus, dass der Mund einer Person mit dem Penis, dem Anus, der Vulva oder der Vagina einer anderen Person in Kontakt kommt. Der Analverkehr bedingt nach s. 130.00 Abs. 2 b) einen Kontakt des Penis einer Person mit dem Anus einer anderen Person. Dadurch, dass nur ein Kontakt zwischen den Körperteilen und nicht die Penetration (wie beim Beischlaf, s. 130.00 Abs. 1) eines Körperteils in die Körperöffnung verlangt wird, genügt bereits die Berührung des Mundes oder des Anus mit dem Penis sowie die Berührung des Mundes oder der Zunge mit dem Anus oder der Vagina. Dafür spricht auch s. 130.00 Abs. 3, der den sexuellen Kontakt („sexual contact“) als ein Berühren und nicht als ein Eindringen auslegt. Weder der Penis muss in den Mund oder den Anus eingeführt werden, noch muss die Zunge die Vagina oder den Anus penetrieren. Es werden damit nicht nur die Fellatio und der Analverkehr mit dem Penis von diesem Tatbestand erfasst, sondern auch die bloße Berührung des Anus, der Vagina mit der Zunge oder den Lippen und die Berührung des Anus und des Mundes mit dem Penis. 1211 People v. Liberta, 474 N.E.d 567 (N.Y. 1984); Klotter, Criminal Law, S. 144 f. m.w. N. 1212 LaFave, Substantive Criminal Law, S. 614 f.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Auch diese Vorschrift wurde in gleicher Weise wie die Vergewaltigung geschlechtsneutral formuliert. Sowohl Mann als auch Frau können Täter sowie Opfer der Tat sein. Es besteht weder eine Altersbeschränkung noch ein Strafbarkeitsausschluss für mit dem Opfer verheiratete Täter („marital exemption rule“). Die Unterscheidung in drei Grade dieses Verbrechens beruht auf den verschiedenen Begleitumständen, die eine unterschiedliche Bestrafung rechtfertigen. Sie ändern aber nichts an der Tathandlung, welche in allen drei Sektionen identisch ist. (3) Schwerer sexueller Missbrauch Der „schwere sexuelle Missbrauch“ bestraft das Einführen von fremden Objekten oder einem Finger in die Vagina, Harnröhre, Penis oder Rektum einer anderen Person, ss. 130.65-a (fremdes Objekt und Finger), 130.66 (fremdes Objekt), 130.67 (Finger) und 130.70 (fremdes Objekt). Nach s. 130.00 Abs. 9 ist ein fremdes Objekt ein Instrument oder ein Gegenstand, welcher fähig ist, eine Körperverletzung hervorzurufen, wenn es in die Vagina, Harnröhre, den Penis oder das Rektum eingeführt wird. Damit kann nicht jeder Gegenstand pauschal Tatmittel dieser Alternative sein, sondern das Objekt muss eine gewisse Größe und Konsistenz aufweisen, um eine Körperverletzung beim Einführen in die fragliche Körperöffnung verursachen zu können. Die Abstufung der vier Tatbestände nach Schweregraden ergibt sich aber nicht wie bei den vorhergegangenen Tatbeständen allein daraus, dass unterschiedliche Tatumstände oder persönliche Merkmale des Opfers vorliegen müssen, sondern es wird zudem bei einigen Tatbeständen (ss. 130.65a Abs. 1 b, 130.66 Abs. 2, 130.67 Abs. 1, 130.70 Abs. 1) verlangt, dass das Einführen eines Fingers oder eines Gegenstands in eine der besagten Körperöffnungen eine Körperverletzung beim Opfer verursacht hat. So reicht es für die Einteilung in einen höheren Strafrahmen nicht aus, dass der Finger oder der Gegenstand in die Körperöffnung eingeführt wurde, sondern die Handlung muss kausal einen Erfolg – die körperliche Beeinträchtigung beim Opfer – hervorgerufen haben. Durch die ausdrückliche Beschränkung auf Finger, hat der New Yorker Gesetzgeber damit das Einführen anderer Körperteile (z. B. Zunge) bewusst aus den Tatbeständen ausgeschlossen. Es bestand dafür auch kein Anlass. Das Einführen der Zunge wird bereits durch den Tatbestand der „kriminellen sexuellen Handlung“ erfasst. Andere Körperteile neben der Zunge und den Fingern, welche die Hand mit umfasst, werden grundsätzlich nicht in die besagten Körperöffnungen eingeführt. Jeder Tatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs stellt klar, dass medizinische Untersuchungen bereits nicht tatbestandsmäßig sind (ss. 130.65a Abs. 2, 130.66 Abs. 3, 130.67 Abs. 2, 130.70 Abs. 2). Wird ein Objekt oder Finger zum

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Zweck einer medizinischen Untersuchung oder Heilmaßnahme eingeführt und das Opfer dabei sogar verletzt, stellt diese Handlung kein Sexualverbrechen dar. Die vier Straftaten sind ebenfalls geschlechtsneutral gehalten, so dass sie hetero- wie homosexuelle Handlungen erfassen. (4) Sexuelles Fehlverhalten Ein weiterer Tatbestand nach 130.20 erfasst den vaginalen und oralen Geschlechtsverkehr wie er bereits oben ausgelegt wurde. Warum der Gesetzgeber diesen Geschlechtsverkehr nicht auch als Vergewaltigung (evtl. vierten Grades) bezeichnet hat, ist unklar. Eine Erklärung könnte sein, dass nach dieser Norm auch Tiere und Leichname vor sexuellen Übergriffen geschützt werden. Offensichtlich ist, dass der Tatbestand eine Auffangfunktion hat. Der Strafrahmen ist erheblich geringer, denn es handelt sich nur um ein Vergehen („misdemeanor“). Da der Täter bereits nach den eben erwähnten drei Strafkategorien verfolgt werden kann, sollen nach diesem Tatbestand geringere willensbeeinflussende Maßnahmen des Täters bestraft werden können. Entscheidende Voraussetzung der Tat ist, dass das Opfer den Geschlechts- oder Oralverkehr nicht wollte. (5) Ergebnis Nach dem New Yorker Strafgesetzbuch verkörpert nur der Beischlaf die Tathandlung der Vergewaltigung. Allerdings sind andere sexuelle Handlungen, die in Kontinentaleuropa als Vergewaltigungshandlung aufgefasst werden, nach den separaten Tatbeständen der kriminellen sexuellen Handlung und dem schweren sexuellen Missbrauch strafbar. Danach wurde der Oralverkehr, der Analverkehr, das Einführen von Objekten und dem Finger in die Vagina, Harnröhre, Penis oder Rektum kriminalisiert. Grundsätzlich reicht die leichteste Penetration einer Körperöffnung aus, um eine Tatvollendung zu bejahen. Die New Yorker Tatbestände des Oral- und Analverkehrs lassen sogar einen Kontakt, also eine Berührung anstelle einer Penetration genügen. Es wird lediglich vorausgesetzt, dass der Mund, wozu auch die Zunge oder die Lippen gehören, mit dem Penis, der Vagina oder dem Anus Kontakt hatte. Es ist anzunehmen, dass eine Unterscheidung, ob es nun zu einer Penetration des Penis in den Mund oder, ob es bei einer Manipulation der Zunge am Penis geblieben ist, keinen erheblichen Unterschied für das Opfer hinsichtlich seiner Demütigung und Ekelerregung bedeutet. Meist ist selbst für das Opfer nicht immer eindeutig festzustellen, ob beispielsweise die Zunge in die Vagina oder Anus eingeführt oder an der Körperöffnung lediglich geleckt wurde. Es ist allerdings ein wahrnehmbarer Unterschied, ob der Penis in den Anus eingeführt wird oder diesen nur berührt hat. Das Einführen des Geschlechtsorgans in den Anus ist meist mit Schmerzen und einer Körperverletzung verbunden. Es wird beim vaginalen Geschlechtsverkehr eine Penetration

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

des Geschlechtsorgans in die Körperöffnung verlangt. Warum dies nun beim Analverkehr anders beurteilt werden soll, ist nicht ersichtlich. Die genaue Aufzählung und Definierung der Tathandlungen macht deutlich, dass andere schwere Sexualpraktiken wie sie bereits bei den vorgegangenen Staaten diskutiert wurden (Fäkalerotik, Ejakulieren auf den Körper des Opfers, erniedrigende Körperstellungen), von der Vergewaltigung und anderen schweren sexuellen Handlungen und Missbräuchen ausgeschlossen sind. Sie können nur nach dem Grundtatbestand der sexuellen Nötigung („Forcible touching and sexual abuse“, ss. 130.52, 53, 55, 60, 65) verfolgt werden. Alle Vorschriften sind geschlechtsneutral gehalten. Es bestehen auch keine Altersbegrenzungen für den Täter oder eine Immunität aufgrund einer bestehenden Ehe zwischen den Parteien. Jedermann kann die Handlung ausführen bzw. gezwungen werden, sie zu erdulden oder vorzunehmen. Das Opfer muss zur Tatzeit am Leben sein. Sollte das Opfer allerdings bereits während der sexuellen Handlung versterben, besteht noch eine Strafbarkeit wegen Nekrophilie gemäß s. 130.20 Abs. 3 PC. ff) Kalifornien Das Strafgesetz von Kalifornien zeigt ein ganz anderes Bild. Es spaltet sich auf in einen Tatbestand der Vergewaltigung für Unverheiratete und einen fast identischen Tatbestand der Vergewaltigung für verheiratete Personen, Sodomie, Oralverkehr und der sexuellen Penetration mit fremden Objekten. Es existieren noch weitere Sexualstraftatbestände. Da aber nicht alle Sexualverbrechen des kalifornischen Strafgesetzbuches diskutiert werden können, werden auch hier nur die fünf Tatbestände ss. 261, 262, 286, 288a und 289 PC erörtert, deren Tathandlungen in anderen Ländern als Vergewaltigung behandelt werden. Die vielen Abstufungen der Vergewaltigung in einen ersten, zweiten oder dritten Grad entsprechend der Schwere des kriminellen Verhaltens (Alter des Opfers oder das angewandte Zwangsmoment) sind dem kalifornischen Statut fremd. Dies kann damit erklärt werden, dass sich Kalifornien nicht für systematische Strafrechtsreformen wie die östlichen Staaten der USA eingesetzt hat. Es fügte lediglich immer dann mehr Sexualverbrechen dem Statut hinzu, wenn ein Verlangen nach Strafverfolgung aufgrund eines abschreckenden Sexualverbrechens in der Öffentlichkeit laut wurde.1213 Diese Vorgehensweise des Gesetzgebers hat zu dem chaotischen Aufbau des Gesetzes geführt. Obwohl die gerade aufgezählten Penetrationstatbestände, die gegen den Willen des Opfers durchgeführt werden, zusammen stehen sollten, findet man sie über den gesamten Abschnitt der Sexualverbrechen verstreut. Sie werden durch Interpretationshilfen, Missbrauchs1213

Lee/Harris, Criminal Law, S. 480.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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vorschriften oder den sexuellen Angriff auf Tiere, bei denen es eben nicht auf ein Einverständnis des Opfers ankommt bzw. die ganz unterschiedliche Rechtsgüter schützen, unterbrochen. Die Taten sind auch nicht nach einem Grundtatbestand und daran ansetzenden Qualifikationen oder nach einem ansteigenden Strafrahmen angeordnet, sondern wurden schlicht unter dem Abschnitt der Sexualstraftaten zusammengewürfelt. (1) Vergewaltigung Die Vergewaltigung ist in Kalifornien entsprechend der ehelichen Beziehung der Parteien in zwei Tatbestände aufgeteilt. Der erste Vergewaltigungstatbestand nach s. 261 PC erfasst die Vergewaltigung eines Opfers, das nicht mit dem Täter verheiratet ist. S. 262 PC wird auf den Vergewaltiger angewandt, der mit dem Opfer verheiratet ist. Diese Zweiteilung ist auf das frühere Verständnis im „Common Law“ zurückzuführen, das einem Ehemann eine Immunität für den erzwungenen Geschlechtsverkehr mit seiner Ehefrau zubilligte, weil sie sich zum Geschlechtsverkehr mit ihrem Ehemann durch die Eheschließung unwiderruflich einverstanden erklärt habe. Heutzutage wurde diese Immunitätsregelung in den meisten Staaten allerdings abgeschafft.1214 In Kalifornien besteht ebenfalls keine Straflosigkeit für vergewaltigende Ehemänner mehr, wie s. 262 PC zeigt. Jedoch ist die Trennung in zwei Vergewaltigungstatbestände ein Überbleibsel aus vergangenen Tagen. Die sexuelle Handlung ist jedoch für beide Tatbestände der Vergewaltigung identisch. Gemäß s. 261 und s. 262 Penal Code muss ein Geschlechtsverkehr vollzogen werden. Wie auch im „Common Law“ sieht das kalifornische Gesetz die Tat für vollendet an, wenn die leichteste sexuelle Penetration einer Körperöffnung stattgefunden hat, s. 263 PC. Insofern muss der Penis nicht bis ins Innere der Vagina, sondern nur bis zu den äußeren Schamlippen vordringen. Eine Ejakulation ist für die Tatvollendung irrelevant.1215

1214 Siehe zur Geschichte und Begründung für diese Immunitätsregelung: Dressler, Understanding Criminal Law, S. 639 ff., Dressler, Criminal Law, S. 327; Scheb/Scheb II, Criminal Law, S. 133; LaFave, Criminal Law, S. 95; desw. in: LaFave, Rape-Overview in: Robinson, Criminal Law, S. 817; Reid, Criminal Law, S. 261 f.; Klotter, Criminal Law, S. 131; Frazier v. State, 48 Tex. Crim. 142, 86 S.W. 754 (1905); alte Rspr: Adams v. State, 5 Okla.Crim. 347, 114, P. 347 (1911); neue Rspr.: People v. Liberta, 464 N.E.2d 567 (N.Y. 1984). 1215 State v. Pollock, 57 Ariz. 414, 114 P.2d 249 (1941); Harton v. State, 74 Ga App. 723, 41 S.E.2d 278 (1947); State v. Gehring, 694 P.2d 599 (Utah 1984); State v. Bono, 128 N.J. Super. 254, 319 A.2d 762 (1974); Davis v. State, 43 Tex. Crim. 189 (1875); People v. Montgomery, 302 III. App. 3d 1, 704 N.E.2d 816 (1998); Klotter, Criminal Law, S. 131, 142; Rhodes v. State, 462P.2d 722 (Wyo. 1969); Commonwealth v. Donlan, 436 Ma. 329, 764 N.E.2d 800 (2002).

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Weder das Geschlecht des Täters noch des Opfers sind bestimmt.1216 Daher kann auch eine „umgekehrte Vergewaltigung“, wonach die Frau einen Mann zur Penetration zwingt, als Vergewaltigung bestraft werden. Die einzige Begrenzung des Täter- bzw. Opferkreises ergibt sich – wie bereits erwähnt – daraus, dass das Opfer entweder nicht mit dem Täter zur Tatzeit verheiratet sein darf oder verheiratet sein muss. Ferner ist erforderlich, dass das Opfer zur Tatzeit am Leben war.1217 (2) Analverkehr Der Analverkehr ist nach einem separaten Tatbestand („Sodomy“) strafbar. Darunter wird der Kontakt zwischen dem Penis einer Person und dem Anus einer anderen Person verstanden.1218 Jede noch so leichte Penetration genügt zur Tatvollendung, s. 286 Abs. a) PC. Anders als im Penal Code von New York reicht es aber nicht, wenn nur eine Berührung des Anus mit dem Penis stattgefunden hat. (3) Oralverkehr Der erzwungene Oralverkehr („Oral copulation“) ist gemäß s. 288a PC strafbar. Voraussetzung ist, dass der Mund einer Person mit einem Geschlechtsorgan oder dem Anus einer anderen Person in Berührung kommt. Es kommt somit nicht auf eine Penetration an, ein Kontakt zwischen dem Mund und dem Penis bzw. dem Mund und dem Anus oder der Vagina erfüllt bereits den Tatbestand. (4) Sexuelle Penetration mit fremden Objekten Gemäß s. 289 Abs. k) 1) PC muss entweder eine Person einen fremden Gegenstand, eine Substanz, ein Instrument, ein Gerät oder ein unbekanntes Objekt zum Zweck der sexuellen Erregung, Befriedigung oder zum Missbrauch in die vaginale oder anale Körperöffnung eines anderen einführen. Dabei kann das Opfer dazu gezwungen werden, die Penetration in seine Körperöffnungen zu erdulden oder es kann gezwungen werden, das fragliche Objekt dem Täter oder einer drit-

1216 Es war das wichtigste Anliegen der feministischen Bewegung geschlechtsneutrale Vergewaltigungsvorschriften zu schaffen. Vgl. dazu: Scheb/Scheb II, Criminal Law, S. 135. 1217 People v. Rowland, 841 P.2d 897 (Cal. 1992); People v. Kelly, 822 P.2d 385 (Cal.1992); Klotter, Criminal Law, S. 142. 1218 Heute haben die meisten Strafgesetze in den USA ihre Gesetze dahingehend geändert, dass sie alle Formen sexueller Penetrationen erfassen. Vgl. Dressler, Criminal Law, S. 326 f.; Scheb/Scheb II, Criminal Law, S. 133, 135; LaFave, Criminal Law, S. 95; ebenso in: LaFave, Rape-Overview in: Robinson, Criminal Law, S. 817; Reid, Criminal Law, S. 262.

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ten Person in dessen Körperöffnung einzuführen, s. 289 Abs. m). Auch bei dieser Tathandlung reicht die leichteste Penetration gemäß s. 289 Abs. l) aus. Unter dem fremden Objekt werden gemäß s. 289 Abs. k) 2) PC auch Körperteile außer dem Penis erfasst. Der Begriff „unbekanntes Objekt“ wurde für den Fall geschaffen, dass das Opfer nicht feststellen konnte, was für ein Objekt oder Körperteil in seinen Körper eingeführt wurde. Daher umfasst das unbekannte Objekt nicht nur alle möglichen Gegenstände, Substanzen, Instrumente oder Geräte, sondern auch Körperteile inklusive dem Geschlechtsorgan, s. 289 Abs. k) 3) PC. Zweifel über das gebrauchte Tatobjekt sollten nicht zu einer Straffreiheit führen.

(5) Ergebnis Nach ss. 261 und 262 PC ist der vaginale Geschlechtsverkehr unter Strafe gestellt. Auch der Analverkehr und das Einführen von Objekten oder anderen Körperteilen als dem Penis in die Vagina oder den Anus stellen ein gleich schweres Verbrechen wie die Vergewaltigung dar. In allen Penetrationsfällen muss es zu einer – wenn auch nur leichten – Penetration der Körperöffnung kommen. Lediglich beim Oralverkehr, der die Fellatio, den Cunnilingus sowie die Manipulation des Mundes am Anus einer anderen Person beinhaltet, wird auf einen Kontakt zwischen dem Mund und einem Geschlechtsteil oder dem Anus abgestellt. Es wäre auch sehr schwer feststellbar, ob es im Einzelfall zu einer Penetration oder lediglich Berührung gekommen ist. Alle Vorschriften sind geschlechtsneutral gehalten. Es besteht kein Unterschied, ob das Opfer dazu gebracht wird, die Handlung zu erdulden oder die Handlung am Täter oder einem Dritten vorzunehmen. Es kommt auf die Handlung an und nicht, ob dem Opfer eine passive oder aktive Rolle in der Tatausführung zugeteilt wurde. Mit der Begrenzung der Tathandlung auf die konkreten Tatbestände können allerdings andere schwere Sexualtaten nicht unter dem schweren Strafrahmen verurteilt und mit dem Urteil einer Vergewaltigung stigmatisiert werden. Es bleibt nur der Grundtatbestand des sexuellen Angriffs („Sexual battery“, s. 243.4 PC). gg) Übereinstimmungen und Abweichung der sechs Rechtsordnungen bzgl. der sexuellen Tathandlung Die Rechtsordnungen Deutschlands, Frankreichs, Spaniens und Englands stimmen darin überein, dass der Beischlaf, der Anal- und Oralverkehr den Tatbestand der Vergewaltigung erfüllen. Lediglich die Rechtsordnungen von New York und Kalifornien bezeichnen allein den Beischlaf als Vergewaltigung. Der Analverkehr und der Oralverkehr sind allerdings nach separaten Tatbeständen strafbar. In New York heißt der Tatbestand „Criminal Sexual Act“, in Kalifornien ist der

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Analverkehr unter dem Begriff „Sodomy“ und der Oralverkehr unter dem Titel „Oral copulation“ strafbar. Auch haben sich alle untersuchten Rechtsordnungen für eine Ergänzung der Strafbarkeit hinsichtlich der Einführung von anderen Körperteilen als dem Penis und beweglichen Gegenständen in die Vagina oder den Anus ausgesprochen. In den „Civil Law“-Ländern Deutschland, Frankreich und Spanien werden diese Handlungen als Vergewaltigung behandelt. Die „Common Law“-Staaten haben es vorgezogen, einen eigenen Tatbestand für diese Handlungen zu schaffen. England hat das Einführen von Objekten oder Körperteilen unter dem neuen Tatbestand „Assault by Penetration“ gemäß s. 2 SOA 2003 erfasst. Es ging dem englischen Gesetzgeber nicht darum, die fraglichen Tathandlungen als geringen Angriff auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers durch die Nichtaufnahme in den Vergewaltigungstatbestand zum Ausdruck zu bringen, sondern vielmehr das Verständnis in der Bevölkerung über den Vergewaltigungsbegriff, welche die Vergewaltigung mit einer Penetration des Penis assoziiert, zu bewahren. Es wurde befürchtet, dass mit der Ausdehnung des Vergewaltigungstatbestands ein Verlust der Stigmatisierung, die gerade diesem Verbrechen in der Gesellschaft anhaftet, einhergegangen wäre. Insofern beruht die Einteilung dieser Handlungen unter dem neuen Penetrationstatbestand anstatt des Vergewaltigungstatbestands mehr auf einer kriminalpolitischen Entscheidung, als dass hier eine abweichende Bewertung des kriminellen Verhaltens gegenüber den anderen Rechtsordnungen vorgenommen wurde. Dies hat der Gesetzgeber damit deutlich gemacht, dass der neue Tatbestand im Aufbau dem Vergewaltigungstatbestand nachgebildet wurde und den gleichen Strafrahmen erhielt. Im Grunde können die gleichen Bemerkungen auf die Gesetzgebungen in New York und Kalifornien übertragen werden. Beide Rechtsordnungen haben sogar noch strenger als die englische Rechtsordnung das ursprüngliche Verständnis der Vergewaltigung als ungewollten Beischlaf beibehalten, ohne es auf den Anal- und Oralverkehr zu erweitern. Sie sind aber dem modernen Ansatz gefolgt, welcher auf der Erkenntnis beruht, dass es viele weitere Sexualpraktiken gibt, die das sexuelle Selbstbestimmungsrecht genauso beinträchtigen wie der ungewollte Beischlaf, indem sie diese Handlungen in separaten Tatbeständen unter Strafe gestellt haben. In New York ist das Einführen eines Fingers oder eines Gegenstands als „schwerer sexueller Missbrauch“ strafbar. In Kalifornien fällt das Einführen von Objekten oder Körperteilen unter den Tatbestand der „sexuellen Penetration mit fremden Objekten“. Da die Strafandrohungen der anderen Sexualstraftatbestände mit dem Tatbestand der Vergewaltigung identisch sind, ist das Ergebnis letztlich in allen Rechtsordnungen das Gleiche, ob man nun die fragliche Handlung als Vergewaltigung bezeichnet oder unter einer anderen Überschrift verurteilt. Außerdem entspricht diese Aufsplitterung in mehrere Tatbestände, sobald die Tathandlung variiert, der US-amerikanischen Gesetzgebungstendenz, welche sehr enge, detaillierte und dafür zahlreiche Tat-

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bestände einem weiten, eventuell verschachtelten, aber einheitlichen Tatbestand vorzieht. Man kann festhalten, dass sowohl der englische als auch die untersuchten USamerikanischen Gesetzgeber neben dem Beischlaf, den Anal-, Oralverkehr und das Einführen von anderen Körperteilen oder Gegenständen als gesteigertes Unrecht gegenüber dem Grundtatbestand des sexuellen Angriffs betrachten. In der Gesamtschau der sechs Rechtsordnungen wurde daher einheitlich der Oral- und Analverkehr sowie das Einführen von anderen Körperteilen (in New York nur eines Fingers) als dem Penis oder von Gegenständen in die Vagina oder den Anus (im Falle New York auch des Penis und der Harnröhre) als eine über die sexuelle Nötigung hinausgehende und mit einem höheren Strafrahmen versehene Tat bewertet. Dass der New Yorker Tatbestand etwas von der Regel abweicht, indem er nur das Einführen eines Fingers anstelle anderer Körperteile und die Penetrationswege um den Penis und die Harnröhre erweitert hat, ist in der Gesamtbewertung der Rechtsvergleichung unwesentlich. Dadurch, dass die sechs Rechtsordnungen die Penetrationswege explizit festgelegt haben, haben sie alle zum Ausdruck gebracht, dass eine Penetration des Mundes mit einem anderen Körperteil als dem Penis oder einem Gegenstand keine Vergewaltigung darstellt. Es besteht ferner kein Disput zwischen den untersuchten Rechtsordnungen, dass das leichteste Eindringen eines Körperteils oder Objekts in die betreffende Körperöffnung genügt. Dies bedeutet bei einem vaginalen Geschlechtsverkehr, dass es nicht notwendig ist, dass bis in das Innere der Scheide vorgedrungen oder der Hymen der Frau durchbrochen werden muss. Bereits beim Eindringen des Penis bis zu den äußeren Schamlippen ist die Tat vollendet. Auch bei den anderen Penetrationsmöglichkeiten kommt es nicht auf die Tiefe des Eindringens an, sondern nur, ob die Körperöffnung penetriert wurde. Eine Berührung der Körperöffnung mit dem Penis oder einem Gegenstand ist allerdings nicht mehr tatbestandsmäßig. Dass in New York eine Berührung des Anus mit dem Penis für ausreichend betrachtet wird, kann in der Gesamtbewertung der untersuchten Rechtsordnungen als Ausnahme unbeachtet bleiben. Desweiteren ist unerheblich, ob der Täter einen Samenerguss hatte oder nicht. Es besteht Einigkeit darüber, dass sich die strafbaren Sexualpraktiken zwischen dem Täter und dem Opfer abspielen müssen. Erzwungene sexuelle Handlungen des Opfers mit einem Dritten oder an sich selbst (z. B. Masturbation) werden daher nicht vom Vergewaltigungstatbestand erfasst. Der deutsche Gesetzgeber besteht auf einem Körperkontakt zwischen dem Täter und dem Opfer.1219 In 1219 Aufgrund der Voraussetzung eines Körperkontakts zwischen Täter und Opfer ist die Vergewaltigung in Deutschland zum eigenhändigen Delikt geworden. Eine Mittäterschaft, bei der die sexuelle Handlung dem Mittäter zugerechnet wird, ohne dass er selbst das Opfer berührt hat, oder eine mittelbare Täterschaft, bei der der Täter sich

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§ 177 Abs. 1 StGB (sexuelle Nötigung) wurde ausdrücklich die Strafbarkeit der sexuellen Handlungen eines Dritten am Opfer bzw. die sexuellen Handlungen des Opfers an einem Dritten für strafbar erklärt. In § 177 Abs. 2 StGB hingegen, welcher das Regelbeispiel der Vergewaltigung enthält, wurde dieser Zusatz im Hinblick auf die Involvierung einer dritten Person weggelassen und dafür die Formulierung gewählt, dass der „Täter mit dem Opfer“ den Beischlaf (bzw. ähnliche sexuelle Handlungen) vollziehen muss. Aufgrund der Regelbeispielstechnik des deutschen Gesetzes ist es dennoch möglich, diese Handlungen nach dem gleichen Tatbestand und Strafrahmen zu verfolgen, allerdings nicht mehr unter dem Regelbeispiel der Vergewaltigung, sondern als unbenannten schweren Fall der sexuellen Nötigung. Der Richter hat insofern Ermessen, die Vergewaltigungshandlungen zwischen dem Opfer und einem Dritten oder an sich selbst vorgenommene Handlungen des Opfers als schweren Fall der sexuellen Nötigung zu bewerten. Auch die beiden englischen Tatbestände („Rape, Assault by penetration“) machen auf den zwingenden Ablauf der Handlungen zwischen Täter und Opfer aufmerksam. Sie bezeichnen den Täter mit (A) und das Opfer mit (B) und verlangen, dass der Täter das Opfer penetriert. Damit lassen die Vergewaltigungs- und Penetrationstatbestände keine Interpretationsmöglichkeit zu, Handlungen mit Dritten oder an sich selbst in die genannten Sexualpraktiken aufzunehmen. Die Verhaltensweisen müssen sich zwischen dem Täter und dem Opfer abspielen, um tatbestandsmäßig zu sein. Allerdings besteht im englischen Recht die Möglichkeit, Handlungen zwischen dem Opfer und einem Dritten über den neuen Tatbestand gemäß SOA 2003, s. 4 SOA – „Causing a person to engage in sexual activity without consent“ – mit einem identischen Strafrahmen der Vergewaltigung zu verurteilen. Danach kann der Täter das Opfer zu identischen sexuellen Handlungen wie in den beiden genannten Tatbeständen verleiten. Da bewusst nicht festgelegt ist, zwischen wem sich die sexuelle Handlung abspielen muss, kommen auch sexuelle Handlungen mit einem Dritten, dem Täter oder sich selbst in Betracht. Der französische Vergewaltigungstatbestand hat die Worte „Penetration, die an einer anderen Person begangen wird“ (Art. 222-23 Code Pénal) in den Gesetzestext eingefügt. Der Täter muss somit die Penetration an einer anderen Person (Opfer) vornehmen. Eine Handlung des Opfers an sich selbst bzw. eine Handlung des Opfers mit einem Dritten erfüllt den Tatbestand der Vergewaltigung nicht.

eines Dritten als Werkzeug bedient, sind nach dem deutschen Vergewaltigungstatbestand ausgeschlossen. Bei den anderen Rechtsordnungen kommt es nicht auf einen Körperkontakt an. Es werden lediglich sexuelle Handlungen an einem Dritten oder an sich selbst nicht von der Tathandlung erfasst. Die Zurechnung nach den Regeln der Mittäterschaft oder mittelbaren Täterschaft sind allerdings weiterhin anwendbar.

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Nach dem New Yorker und dem kalifornischen Gesetz muss der Täter die sexuelle Handlung mit einer anderen Person (Opfer) vollziehen, so dass sexuelle Handlungen zwischen dem Opfer und einem Dritten oder an sich selbst ebenfalls ausgeschlossen sind. Die einzige Ausnahme besteht im kalifornischen Strafgesetzbuch gemäß s. 189 k) 1), wonach die sexuelle Penetration mit einem fremden Objekt auch vom Opfer an einem Dritten vollzogen werden kann. Da aber keine der anderen Rechtsordnungen eine sexuelle Penetration mit einem Dritten unter den Vergewaltigungstatbestand oder den ebenbürtigen Penetrationstatbeständen erfasst, kann diese vereinzelte innerstaatliche Strafbarkeit in der Rechtsvergleichung unberücksichtigt bleiben. Folglich sind in allen sechs Rechtsordnungen ungewollte sexuelle Handlungen zwischen dem Opfer und einem Dritten sowie an sich selbst durchgeführte sexuelle Eingriffe nicht unter dem Vergewaltigungstatbestand bzw. den anderen Penetrationstatbeständen strafbar. Allerdings besteht in Deutschland und England die Möglichkeit, diese Handlungen trotzdem unter einem separaten Tatbestand mit gleichem Strafrahmen wie die Vergewaltigung zu verfolgen. In den anderen vier Rechtsordnungen sind solche sexuellen Handlungen an sich selbst oder mit einem Dritten nur nach dem Grundtatbestand strafbar. Der ermittelte Grundsatz lautet daher, dass sexuelle Handlungen an Dritten oder an dem Opfer selbst nicht unter den Vergewaltigungstatbestand fallen. Auseinander gehen die Ansichten jedoch bei weiteren schweren sexuellen Angriffen wie dem Manipulieren der Zunge an der Vagina oder dem Anus, der Fäkalerotik, dem Schlucken von Ejakulat oder Urin, dem Urinieren oder Ejakulieren auf den Körper des Opfers und der „umgekehrten“ Vergewaltigung, d. h., wenn der Täter sich durch das Opfer penetrieren lässt. In Deutschland besteht die Möglichkeit all diese Fallgruppen unter den Tatbestand der Vergewaltigung zu subsumieren, weil nicht wie in den anderen Ländern eine abschließende Aufzählung bestimmter Handlungsweisen als Vergewaltigung gewählt, sondern eine abstrakte Formulierung („besondere Erniedrigung“) bevorzugt wurde, um auf diese Weise alle schweren Angriffe auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht erfassen zu können. Es kommt daher nur auf die Feststellung im Einzelfall an, ob das Opfer besonders erniedrigt wurde, was bei den genannten Handlungen in der Regel von der Rechtsprechung bejaht wurde. Alle übrigen Rechtsordnungen haben es vorgezogen, einen abschließenden Handlungskatalog zu erstellen. Damit sind jegliche Handlungen mit Fäkalien, Urin, Ejakulat oder besonders erniedrigende Körperhaltungen nicht tatbestandsmäßig. In New York und Kalifornien wurde der Oralverkehr allerdings soweit ausgeweitet, dass er nicht nur die Fellatio, sondern jeden Kontakt des Mundes mit dem Penis, Anus und der Vagina erfasst. Es wird als ausreichend angesehen, dass die Zunge oder die Lippen die Körperöffnungen bzw. den Penis berührt haben. Die

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Manipulation der Zunge an der Vagina oder dem Anus ist in den beiden US-amerikanischen Staaten nach dem Tatbestand des Oralverkehrs („Criminal sexual act, Oral copulation“) strafbar. Ferner wurde in Frankreich, Spanien und England das Einführen eines anderen Körperteils als dem Penis in die Vagina und den Anus unter Strafe gestellt. Damit ist das Manipulieren der Zunge soweit es mit einem Eindringen in die besagten Körperöffnungen verbunden ist, durchaus auch als Vergewaltigung bzw. in England als „Penetrationsangriff“ strafbar. In diesen Ländern werden Handlungen, die nicht mit einem Eindringen in Körperöffnungen verbunden sind, als weniger schwerwiegende Angriffe auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers behandelt. Damit ist das Lecken an den zwei Körperöffnungen in diesen drei Rechtsordnungen bisher nur nach dem Grundtatbestand der sexuellen Nötigung strafbar. In Spanien ist allerdings zu erwarten, dass die Rechtsprechung ähnlich wie bei der Fellatio auch bei der Manipulation der Zunge an der Vagina oder dem Anus nicht auf ein Eindringen, sondern auf ein Berühren der Körperöffnungen abstellen wird. Somit sind sich alle sechs Rechtsordnungen einig, dass das Einführen der Zunge in die Vagina oder den Anus entweder als Oralverkehr oder als Einführen von Körperteilen den Tatbestand der Vergewaltigung bzw. der ähnlich schweren Penetrationstatbestände erfüllt. Hinsichtlich der Manipulation der Zunge an der Vagina oder des Anus besteht eine unentschiedene Rechtslage. Da das Einführen der Zunge in die besagten Körperöffnungen im Unrechtsgehalt nicht besonders von der Berührung mit der Zunge abweicht, weil selbst für das Opfer kaum ein Unterschied zwischen einer Berührung oder einem Einführen der Zunge bemerkbar ist, sollten die beiden Handlungen gleichgestellt werden. Die besondere Erniedrigung und Ekelerregung wird vom Opfer bei beiden Handlungen gleich empfunden. Eine Differenzierung zwischen einem Einführen und einer Berührung würde in der Praxis schlecht nachweisbar sein. So wie auch bei der Fellatio in Spanien, New York und Kalifornien nicht mehr zwischen einem Einführen des Penis in den Mund oder einer Berührung des Penis mit dem Mund, der Zunge oder den Lippen unterschieden wird, sollte auch bei der Manipulation der Zunge an der Vagina und dem Anus vorgegangen werden. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass auf internationaler Ebene die Manipulation dem Einführen der Zunge in die Vagina oder den Anus gleichgestellt werden sollte. Alle anderen denkbaren sexuellen Handlungen lassen sich nicht unter den Vergewaltigungstatbestand, sondern höchstens unter dem niedrigeren Strafrahmen des Grundtatbestands der sexuellen Nötigung subsumieren. Somit hat der deutsche Gesetzgeber zwar am weitestgehenden dem Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Opfers Rechnung getragen, indem er sich nicht an gewöhnlichen Sexualpraktiken bei der Bestimmung der strafbaren Tathandlungen orientiert hat, sondern durch die abstrakte Formulierung jegliche, auch perverse oder seltene Verhaltensweisen in den Tatbestand der Vergewaltigung integriert hat. Nichts-

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destotrotz hat die Mehrheit der untersuchten Rechtsordnungen diese Verhaltensweisen nicht auf die Stufe der Vergewaltigung stellen wollen. Alle untersuchten Rechtsordnungen haben sich Reformen unterzogen und die medizinischen und psychologischen Erkenntnisse zu den verschiedenen Erscheinungsformen sexueller Kriminalität und die diesbezüglichen Folgen für das Opfer vorliegen gehabt. Sie haben sich dazu entschieden, Handlungen, die nicht mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, nur nach dem Grundtatbestand zur Vergewaltigung zu verfolgen. Damit stellt die deutsche Lösung ein Ausnahmefall dar. Der Grundsatz, welcher der Rechtsvergleichung entnommen werden kann, ist, dass alle sexuellen Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, als Vergewaltigung zu werten sind. Bleiben die sexuellen Handlungen jedoch hinter einem Eindringen in Körperöffnungen zurück, wie dies bei allen Handlungen, die mit Körperausscheidungen wie dem Ejakulat, Urin und Kot durchgeführt werden, der Fall ist, können sie nicht als Vergewaltigung, sondern nur nach dem Grundtatbestand der sexuellen Nötigung bestraft werden. Ein weiterer Unterschied ergab sich bei der sog. „umgekehrten“ Vergewaltigung („violación inversa“), d. h., wenn sich eine Frau mit dem Penis eines Mannes penetrieren lässt. In England wird eine solche Tatmodalität nicht als Vergewaltigung zugelassen. Der Tatbestand besagt ausdrücklich, dass der Täter der Vergewaltigung (vaginaler, analer oder oraler Geschlechtsverkehr) nur ein Mann sein kann. Allerdings hat der englische Gesetzgeber einen neuen Tatbestand gemäß s. 4 SOA 2003 – das Verleiten einer Person zu sexuellen Handlungen – eingeführt, welcher es ermöglicht, das „Sich-Penetrieren-Lassen“ strafrechtlich nach einem dem Vergewaltigungstatbestand identischen Strafrahmen verfolgen zu können. Insofern erkennt der englische Gesetzgeber diesen Fall indirekt als strafwürdig an, allerdings nicht als Vergewaltigung oder nach dem Paralleltatbestand des „Penetrationsangriffs“. Der französische Gesetzgeber wollte zwar eine Gleichbehandlung von Mann und Frau in seiner Reform des Sexualstrafrechts erreichen, machte aber den Fehler die Worte „sur la personne d’atrui“ (= an einer anderen Person) im Tatbestand einzubringen. Dieser Formulierungsfehler zwang die Rechtsprechung zu der Interpretation, dass nur ein Mann eine Penetration an einer anderen Person bewirken kann, womit Frauen als Täter der Vergewaltigung ausscheiden. Die sexuelle Penetration des Täters mit dem Penis des Opfers kann daher in Frankreich nur nach dem Grundtatbestand verfolgt werden. In Deutschland, Spanien und den US-amerikanischen Staaten wurde dagegen eine absolut geschlechtsneutrale Definition eingeführt, in der bewusst nicht festgelegt wurde, welches Geschlecht der Täter oder das Opfer bei gleich welcher Tathandlung haben muss. Allein die anatomischen Gegebenheiten bestimmen, welche sexuellen Handlungen von welchem Geschlecht an welchem Geschlecht ausgeführt werden können.

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Besonders Deutschland hat hervorgehoben, dass die sexuelle Handlung durch den Täter, aber auch durch das Opfer tatbestandsmäßig vorgenommen werden kann, so dass auch das Opfer gezwungen werden kann, die Penetration zu vollziehen. Der spanische Gesetzgeber hat nicht das Wort „Penetration“ gebraucht, sondern spricht nur vom Geschlechtsverkehr mit einer anderen Person. Daraus kann nicht wie beim französischen Tatbestand gefolgert werden, dass nur ein Mann die Penetration bewirken kann. Der New Yorker Gesetzgeber hat viel Wert auf eine neutrale Wortwahl gelegt und den Täter stets mit „er oder sie“ und das Opfer mit „einer anderen Person“ bezeichnet. Zudem ist die Wortwahl des Verbs, welches die Handlung umschreibt, sehr neutral ausgefallen. Der Täter muss in einen Beischlaf oder andere sexuelle Handlung verwickelt sein („he or she engages in sexual intercourse“). Damit wurde bewusst kein Verb gewählt, dass daraufhin deuten könnte, dass nur ein Mann die Penetration mit seinem Penis bewerkstelligen kann. Insgesamt muss daraus abgeleitet werden, dass auch sexuelle Handlungen, die das Opfer am Täter vornimmt, erfasst werden sollen. Das kalifornische Strafgesetz nennt den Täter oder das Opfer „eine Person“, ohne damit Aufschluss über das Geschlecht zu geben. Auch hier findet sich wieder die neutrale Äußerung, dass der Beischlaf mit einer Person erreicht werden muss („accomplished“). Da im deutschen, spanischen und US-amerikanischen Recht das Geschlecht der Beteiligten bewusst offen gelassen wurde, kann sowohl eine Frau (als auch ein Mann) einen anderen Mann zur Penetration einer seiner Körperöffnungen zwingen. Es kommt nicht auf das Geschlecht des Täters oder des Opfers an, oder, ob eine Handlung erduldet oder vorgenommen wird. Ausgeschlossen sind lediglich Handlungskonstellationen, bei denen die Anatomie der Beteiligten diese unmöglich machen (z. B. kann der vaginale Geschlechtsverkehr nicht zwischen zwei Männern vollzogen werden). Somit kann nach vier Rechtsordnungen auch eine Frau Täter(in) eines Geschlechtsverkehrs sein; zwei weitere Rechtsordnungen lehnen eine solche Auslegung ab. Welcher Rechtsmeinung nun der Vorrang einzuräumen ist, lässt sich nur ermitteln, wenn man die Argumente für und gegen eine Aufnahme des „SichPenetrieren-Lassens“ in den Vergewaltigungstatbestand gegenüberstellt. England und Frankreich folgen dem klassischen Verständnis, dass nur ein Mann eine Vergewaltigung begehen kann. Es ist zwar richtig, dass eine Frau mangels Penis nicht den vaginalen, analen oder oralen Geschlechtsverkehr durch eine Penetration des Mannes durchführen kann. Es ist aber biologisch möglich, dass sie den Mann zu einer Erektion und zur Durchführung der Penetration ihrer Vagina, ihres Anus oder ihres Mundes zwingt. Dass dieser Fall in der Praxis bisher selten vorgekommen ist bzw. nicht angezeigt wurde, rechtfertigt nicht, diese Tatmodalitä-

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ten völlig aus dem Tatbestand auszuschließen. Es stellt vielmehr einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot von Mann und Frau dar. Denn der Mann wird für die gleiche Tathandlung mit einer sehr viel höheren Strafe bedroht als eine Frau, die nur nach dem geringen Strafrahmen des Grunddelikts oder nach einem neuen Tatbestand verurteilt werden kann, der nicht die gleiche Schuldzuweisung in der Gesellschaft nach sich zieht. Alle untersuchten Rechtsordnungen sehen sich verpflichtet, in allen Rechtslagen das Gleichbehandlungsgebot ihrer Bürger zu respektieren. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch oberstes Gebot des internationalen Rechts. Das rechtliche Argument der Gleichbehandlung von Mann und Frau gibt somit den Ausschlag der modernen Ansicht Deutschlands, Spaniens und den USA zu folgen. Nach dieser wertenden Rechtsvergleichung kommt man zum Ergebnis, dass das „Sich-Penetrieren-Lassen“ des Täters mit dem Penis des Opfers durchaus Bestandteil der möglichen Tathandlungen der Vergewaltigung ist. Zusammengefasst führt die Rechtsvergleichung zum Ergebnis, dass der Tatbestand der Vergewaltigung folgende sexuelle Handlungen umfasst: – Vaginaler Geschlechtsverkehr; – Analverkehr; – Oralverkehr (Manipulation der Zunge an Penis, Vagina, Anus genügt); – Einführen von anderen Körperteilen als dem Penis (z. B.: Finger, Faust) in die Vagina oder den Anus; – Einführen von beweglichen Gegenständen (z. B.: Dildo, Flasche, Banane) in die Vagina oder den Anus; – Sich-Penetrieren-Lassen („umgekehrte Vergewaltigung“); – Sexuelle Handlung muss sich zwischen Täter und Opfer abspielen (keine Masturbation oder sexuelle Handlung mit Dritten). c) Täter Schon unter dem Abschnitt der sexuellen Handlungen wurden die Möglichkeiten der Tatbegehung erörtert, woraus sich Rückschlüsse über das Geschlecht des Täters ergeben haben. Um sich aber über dieses Tatbestandsmerkmal absolute Klarheit zu verschaffen, soll hier noch einmal kurz das Resultat der Rechtsvergleichung dargestellt werden. Das englische Recht ist die einzige Rechtsordnung, die auf dem klassischen Verständnis der Vergewaltigung beharrt, dass der Geschlechtsverkehr nur von einem männlichen Täter begangen werden kann. Eine Frau kann lediglich Gehilfin bei der Tat sein.1220 1220 Cogan (1976) QB 217; Ram, (1893) 17 Cox CC 609; Lord Baltimore’s Case (1768) 1 Black, W.648; Blackstone’s Criminal Practice, Rn. B3.7; Smith/Hogan/Ome-

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Dagegen hat sich auch der englische Gesetzgeber beim Penetrationstatbestand, bei dem entweder andere Körperteile als der Penis oder Gegenstände in die Vagina oder den Anus eingeführt werden, für eine geschlechtsneutrale Fassung entschieden. Deutschland, Frankreich, Spanien, New York und Kalifornien haben keine Beschränkung auf einen männlichen Täter in ihre Vergewaltigungstatbestände (bzw. anderen Penetrationstatbestände) aufgenommen, sondern haben Wert darauf gelegt, diese Straftat nicht mehr nach einem klassischen Rollenverständnis von Mann und Frau zu definieren.1221 Besonders die Vorschriften im New Yorker Strafgesetzbuch haben durch die Wortwahl „er oder sie“ anstatt „Täter“ besonderes Augenmerk auf die Tatsache gelegt, dass sowohl ein Mann als auch eine Frau Täter der Vergewaltigung und der anderen kriminellen sexuellen Handlungen sein kann. Bedauerlich ist der Fehler des französischen Gesetzgebers, der die Worte „Penetration, die an einer anderen Person begangen wird“ in den eigentlich geschlechtsneutralen Tatbestand eingeführt hat. Damit war die Rechtsprechung gezwungen, daraus zu folgern, dass nur ein Mann Täter des vaginalen, analen oder oralen Geschlechtsverkehrs sein kann, weil nur er die Penetration mit seinem Penis an einem anderen bewirken kann.

rod, Criminal Law, S. 695 f.; Allen, Criminal Law, S. 390; Jefferson, Criminal Law, S. 568; Loveless, Criminal Law, S. 512. Seit der letzten Reform von 2003 wurde die Strafbarkeit für weibliche Täter insoweit erweitert, dass diese zwar nicht als Täter einer Vergewaltigung, aber nun nach einem separaten Tatbestand verfolgt werden können, s. 4 SOA 2003 („causing a person to engage in sexual activity“). Der Strafrahmen und die mit der Verurteilung ausgesprochene Schuld sind jedoch geringer, als wenn die Frau als Täterin einer Vergewaltigung gemäß s.1 SOA 2003 verurteilt werden könnte. Die Tathandlung setzt eine sexuelle Handlung voraus, ist also damit weiter gefasst als der Vergewaltigungstatbestand, welcher nur eine vaginale, anale und orale Penetration genügen lässt. Der Täter muss das Opfer zu einer sexuellen Handlung mit einem Dritten, mit sich selbst (Masturbation) oder mit dem Täter gegen seinen Willen verleiten. Insofern könnte die Vergewaltigung eines Mannes durch eine Frau, indem die Frau den Mann zur Penetration ihres Körpers verleitet, unter diesem Tatbestand verurteilt werden. Allerdings würde dieses Verhalten nicht als Vergewaltigung verurteilt werden und damit nicht das gleiche Stigma tragen wie im umgekehrten Fall, wenn ein Mann eine Frau vergewaltigt. Vgl. Blachstone’s Criminal Practice, Rn. B3.33. 1221 Fischer, § 177, Rn. 2; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, § 2, Rn. 72; Larguier/ Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 456; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 3; Crim., 4.1.1985, B. 10, Gaz. Pal. 1986.1.19 (Vergewaltigung durch eine Frau); Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 292, 297; Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.D, 9.3.G, S. 260, 264 f.; Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.2; Serrano Gomez, Derecho Penal, S. 218 f.; STS 22.2.1994; Sánchez Melgar, Código Pénal, Art. 179, 2; a. A.: Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 219 f., Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 194, § 6.3aa.aaa, die die veraltete Ansicht vertreten, dass nur ein Mann Täter eines vaginalen, analen und oralen Geschlechtskehrs sein kann. Lässt sich die Frau mit dem Penis des Mannes penetrieren, sollte dieser Fall nach dem Grundtatbestand behandelt werden; Scheb/Scheb II, Criminal Law, S. 135.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Sowohl nach dem englischen als auch dem französischen Tatbestand kann daher nur ein Mann Täter des Geschlechtsverkehrs sein. Alle anderen Tathandlungen des Vergewaltigungstatbestands bzw. des Penetrationstatbestands können von beiden Geschlechtern begangen werden. Nach der deutschen, spanischen und den beiden US-amerikanischen Rechtsordnungen kann der Täter einer Vergewaltigung sowie der anderen sexuellen Straftaten sowohl ein Mann als auch eine Frau sein. Es werden gleichermaßen hetero- als auch homosexuelle Handlungen erfasst. Insoweit besteht lediglich hinsichtlich des Täterkreises beim vaginalen Geschlechtsverkehr eine Diskrepanz in den untersuchten Rechtsordnungen. Bei allen anderen Sexualpraktiken ist man sich einig, dass das Geschlecht des Täters irrelevant ist. Damit repräsentieren der englische und französische Vergewaltigungstatbestand einen veralteten Standpunkt im Sexualrecht. Die Ansicht der französischen Rechtsprechung beruht eher auf einem Versehen des Gesetzgebers und ist schon von daher nicht wirklich repräsentativ. Allen untersuchten Rechtsordnungen ist gemeinsam, dass sie das Gleichbehandlungsgebot von Mann und Frau akzeptieren und fördern wollen. Der Ausschluss einer Strafbarkeit von Frauen mit dem simplen Argument, dass eine solche Tat bisher selten vorgekommen ist, verletzt das Gleichbehandlungsgebot in nicht zu rechtfertigender Weise. Denn ein Mann kann für dieselbe Tat zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt werden. Es kann heutzutage die biologische Möglichkeit nicht mehr geleugnet werden, dass eine Frau einen Mann zur Penetration zwingen kann. Die englische Begrenzung auf einen männlichen Täter ist somit nicht nachvollziehbar und verletzt das Gleichbehandlungsgebot von Mann und Frau, dessen Beachtung ein wesentliches Anliegen der Internationalen Gemeinschaft ist. Die englische Meinung ist nach der wertenden Gesamtbetrachtung in der Rechtsvergleichung zu ignorieren und dem geschlechtsneutralen Ansatz ist der Vorrang einzuräumen. Es existiert in keiner der untersuchten Rechtsordnungen mehr eine Altersbegrenzung für den Täter als die der Deliktsfähigkeit, welche auf jedes Verbrechen Anwendung findet. Seit dem 20.09.1993 kann nun auch in England ein Junge unter 14 Jahren eine Vergewaltigung begehen, es sei denn der Junge wusste aufgrund seines Alters nicht, dass die Tat ein ernsthaftes Fehlverhalten darstellte.1222 Auch ist heutzutage die Vergewaltigung in der Ehe strafbar.1223 Ehemänner kön1222

Blackstone’s Criminal Practice, Rn. B3.7. Blackstone’s Criminal Practice, Rn. B3.8; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 701 f.; Smith/Hogan, Cases & Materials, 20.2.1 (marital rape); Allen, Criminal Law, S. 390; Jefferson, Criminal Law, S. 568 ff. m.w. N.; Keating/Clarkson, Criminal Law, S. 643 f.; Loveless, Criminal Law, S. 535; R. v. R. (1992) 1 A.C. 599, HL; R. v. Steele (1977) 65 Cr.App.R. 22; Clarke (1949) 33 Cr.App.R. 216; Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 27– 31; Crim., 1984, 1990, 1992, 1994; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 29; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 19; Roujou de Boubée/u. a., Code Pénal Commenté, § 1 Viol, Definition; Crim., 5.9.1990, B. 313, D.1991.13, note Angevon, J.C.P. 1991.II. 1223

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

nen sich nicht mehr auf eine Immunität aufgrund ihrer Eheschließung mit dem Opfer berufen. Das gewonnene Prinzip der Rechtsvergleichung ist, dass jedermann Täter der Vergewaltigung sein kann. d) Opfer Alle sechs Rechtsordnungen haben das Geschlecht des Opfers undefiniert gelassen; sie sind diesbezüglich geschlechtsneutral. Allerdings bedingen die Regelungen in England und Frankreich, wonach nur ein Mann als Täter des vaginalen Geschlechtsverkehrs in Betracht kommt, dass das Opfer logischerweise nur eine Frau sein kann.1224 Da aber in der Gesamtbetrachtung der Rechtsvergleichung diese Regelung als veraltet angesehen wurde, muss das Opfer nicht zwingend weiblichen Geschlechts sein. Allein die Anatomie ist maßgebend, ob das Opfer eine Frau beim vaginalen Geschlechtsverkehr sein muss. Unstreitig ist heutzutage, dass verheiratete Frauen Opfer einer Vergewaltigung durch ihren Ehemann werden können.1225 Ausgeschlossen sind allerdings tote Opfer. Die Nekrophilie, d. h. die Vornahme sexueller Handlungen an Toten, fällt nicht unter den Tatbestand der Vergewaltigung. Schließlich kann das sexuelle Selbstbestimmungsrecht, aber auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit, nicht verletzt werden, weil diese Rechte mit dem Tod erlöschen.1226 Die Schluss-

21629, note Rassat, Gaz. Pal. 1991.1.58, note Doucet, R.S.C. 1991.348, obs. Levasseur; Crim., 11.6.1992, B. 232, D. 1993.117, note Rassat, J.C.P. 1993.II.22043; Grenoble, 4.6.1980, D. 1981.IR.154, obs. Puech; a. A.: Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 517 m.w. N.; Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 195, § 6.3aa.abb; Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.D., 9.3.E, S. 260 f. m.w. N.; Climent Duràn, Código Penal, Art. 179, 1.5; STS 587/98, 28.4.1998; People v. Liberta, 474 N.E.d 567 (N.Y. 1984); Klotter, Criminal Law, S. 131, 144 f. m.w. N.; Dressler, Understanding Criminal Law, S. 639 ff.; Dressler, Criminal Law, S. 327; Scheb/Scheb II, Criminal Law, S. 133; LaFave, Criminal Law, S. 95; ebenso in: LaFave, Rape-Overview in: Robinson, Criminal Law, S. 817; Reid, Criminal Law, S. 261 f.; Frazier v. State, 48 Tex. Crim. 142, 86 S.W. 754 (1905). 1224 Fischer, § 177, Rn. 4; Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 3; Crim., 24.6.1987, B. 265, R.S.C. 1988.302, obs. Levasseur (Vergewaltigung eines Mannes); Sánchez Melgar, Código Pénal, Art. 179, 2; Serrano Gomez, Derecho Penal, S. 218; Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.2; t. a. A.: Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 195; § 6.3aa.aba, der davon ausgeht, dass grundsätzlich jedermann Opfer der Tat werden kann, jedoch beim vaginalen Geschlechtsverkehr nur eine Frau als Opfer in Betracht käme. Loveless, Criminal Law, S. 512 f.; People v. Rowland, 841 P.2d 897 (Cal. 1992); People v. Kelly, 822 P.2d 385 (Cal. 1992); Klotter, Criminal Law, S. 142; Scheb/ Scheb II, Criminal Law, S. 135. 1225 Siehe dazu die Fn. 1223. 1226 Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.D, S. 260; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 512; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 20; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 15; People v. Rowland, 841 P.2d 897 (Cal. 1992); People v. Kelly, 822 P.2d 385 (Cal. 1992); Klotter, Criminal Law, S. 142.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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folgerung der Rechtsvergleichung lautet daher, dass das Opfer der Vergewaltigung jedermann sein kann, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Familienstand. e) Nötigungshandlung Die Länder des sog. „Civil Laws“ ziehen es vor, die Vergewaltigung als Nötigungsstraftat zu umschreiben. Sie grenzen einvernehmliche sexuelle Handlungen von einer Vergewaltigung dadurch ab, indem sie Zwangsmaßnahmen des Täters oder Zwangsumstände der Tat nennen, die zu einer Willensbeugung des Opfers führen und damit die sexuelle Handlung ermöglichen. Die Länder des „Common Laws“ knüpfen die Strafbarkeit einer sexuellen Handlung an einen inneren Willenszustand, nämlich an das fehlende Einverständnis des Opfers zur fraglichen Handlung. Es finden sich aber auch in diesen Ländern Vorschriften, die ein Einverständnis ausschließen, wenn das Opfer zur sexuellen Handlung genötigt wurde. Es werden daher an dieser Stelle nur die Nötigungsmittel aller sechs Rechtsordnungen erörtert, während unter einem separaten Gliederungspunkt die Tatbestandsmerkmale des fehlenden Einverständnisses behandelt werden sollen. aa) Deutschland Der Vergewaltigungstatbestand in Deutschland besteht aus einer sexuellen Handlung und einer Nötigungshandlung. Die sexuelle Handlung ist – wie Abschnitt b) gezeigt hat – in der Strafzumessungsregel des § 177 Abs. 2 StGB normiert. Wegen des Einheitstatbestands der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung als ein besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung ist die Nötigungshandlung allerdings im Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB aufgeführt. Aus dieser Kombination der beiden Absätze des § 177 StGB ergibt sich, dass der Beischlaf und die anderen ähnlichen sexuellen Handlungen nur strafbar sind, wenn der Täter das Opfer durch Gewalt, Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben oder aber unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage zu diesen Handlungen genötigt hat. (1) Nötigen Das Nötigen setzt die Überwindung des entgegenstehenden Willens des Opfers mit Zwangsmitteln voraus.1227 Dies bedeutet, dass das Opfer einen ernstlichen, inneren Widerstand gegen die sexuelle Handlung empfunden und diesen Widerstand bis zur Vollendung (nicht bis zur Beendung) der Tat aufrechterhalten haben muss. Damit scheiden von vornherein all die Fälle aus dem Tatbestand des § 177 1227 Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 4; Maurach/Schröder/Maiwald, BT 1, S. 178, 191; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 111.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Abs. 1 und 2 StGB aus, in denen das Opfer überhaupt nicht in der Lage ist, einen inneren Widerstand zu bilden. Dies ist der Fall bei geistig Behinderten, sehr jungen Kindern, Schlafenden, Bewusstlosen, aber auch bei durch Täuschung oder durch Überraschung missbrauchten Opfern.1228 Auf einen äußeren Widerstand des Opfers kommt es nicht an, weil der Wille bereits mit der Anwendung der Zwangsmittel gebrochen sein kann und das Opfer in dem Fall unfähig wäre, sich physisch zur Wehr zu setzen.1229 Zwar kann eine Nötigung mit der Gegenwehr und auch mit verbalen Äußerungen des Opfers bewiesen werden. Umgekehrt kann aber nicht auf eine Zustimmung des Opfers geschlossen werden, wenn dieses sich nicht äußerlich sichtbar gewehrt hat, oder aber seine anfängliche Gegenwehr aufgegeben hat.1230 Willigt jedoch das Opfer nach der Anwendung eines Zwangsmittels in die sexuelle Handlung ein, so ist es zu keiner Willensbeugung des Opfers gekommen.1231 Ebenso mangelt es an einer Nötigung, wenn die Gewalt von vornherein – wie z. B. bei sado-masochistischen Sexualpraktiken – erwünscht war, weil insofern das Opfer keinen inneren Widerstandswillen gebildet hat.1232 Andererseits liegt eine Nötigung vor, wenn das Opfer zwar zu Beginn der sexuellen Handlung dieser zugestimmt hat, aber im Verlauf dessen sein Einverständnis zurückgenommen und der Täter trotz des entgegenstehenden Willens des Opfers die Handlung unter Anwendung von Zwangsmitteln fortgesetzt hat.1233 (2) Gewalt § 177 Abs. 1 StGB normiert die drei Zwangsmittel, mit denen das Opfer genötigt werden kann, abschließend. Die stärkste Willensbeeinflussung wird durch die Gewaltanwendung erreicht. Diese kann sich in Form der „vis absoluta“ als äußere, unwiderstehliche Gewalt, welche den Willen des Opfers gänzlich ausschaltet (z. B. Festhalten, Betäuben) oder der „vis compulsiva“ als die nicht unüber1228 Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 76; Fischer, ZStW 112, 2000, S. 90 f.; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 11; Folkers, NStZ 2005, S. 181; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 41; SK-Horn/Wolters, § 177, Rn. 14a; anders: BVerfG, NJW 2004, S. 3769; NStZ 2002, S. 199 f.; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 19 ff. 1229 Fischer, § 177, Rn. 13; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 6; NStE Nr. 13; 26.4.1990, 4 StR 49/90; 10.12.1991, 1 StR 621/91; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 41, 42. 1230 SK-Horn, § 177, Rn. 7. 1231 Lackner/Kühl, § 177, Rn. 3; BGHSt 39, S. 244; Miebach, NStZ 1992, S. 176 m.w. N.; BGH, bei Holtz, MDR 1976, S. 812 m.w. N. 1232 Maurach/Schröder/Maiwald, BT 1, §§18/17; siehe auch die Kritik an der sog. erwünschten Gewalt „vis haud ingrata“, wonach der Widerstand der Frau als bloßes Zieren abgetan wurde und damit zum Tatbestandsirrtum führte: MK-Renzikowski, § 177, Rn. 58; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 172 ff. 1233 NStZ 1991, S. 431; JR 1993, S. 163, beide m.w. N.; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 50.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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windliche, jedoch den Willensentschluss des Genötigten beugende, in eine Richtung lenkende Gewalt (z. B. Schläge) manifestieren.1234 Entgegen der weiten Auslegung des Gewaltbegriffs gemäß § 240 StGB (Nötigung), hält die Rechtsprechung bei den Sexualstraftaten an einem restriktiven Gewaltbegriff fest. Danach ist eine gegen den Körper des Opfers gerichtete Kraftentfaltung erforderlich, die auf Seiten des Opfers als körperlicher Zwang empfunden wird.1235 Eine rein psychische Zwangswirkung wie sie bei der Nötigung nach § 240 StGB für ausreichend erklärt wurde, wird für die Annahme einer Gewaltanwendung bei der Vergewaltigung abgelehnt.1236 Insofern ist beim Gewaltbegriff unstreitig auf eine körperliche Kraftentfaltung des Täters und eine physische Zwangswirkung beim Opfer abzustellen. Rein verbale Einwirkungen genügen daher nicht. Allerdings muss der Kraftaufwand des Täters nicht erheblich sein. Bereits das Einsperren des Opfers1237 oder aber eine Ohrfeige können genügen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht des Opfers die Gesamtsituation als körperliche Zwangslage empfunden wird.1238 Auch die Einwirkung mit einem betäubenden, berauschenden oder ähn1234 MK-Renzikowski, § 177, Rn. 21; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 116; siehe die Übersicht der Rechtsprechung zur Gewaltanwendung bei: Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 33 ff. 1235 Fischer, § 177, Rn. 5; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 5; SK-Horn, § 177, Rn. 10; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 32; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 23; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 117; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 137; BGH, NStZ 1981, S. 218; NStZ 1985, S. 171; NStZ 1990, S. 335; NStZ 1993, S. 340; NStZ 1995, S. 230; NStZ 1996, S. 31; NStZ 1999, S. 506. 1236 Das Argument für eine unterschiedliche Auslegung des Gewaltbegriffs ergäbe sich aus einem Vergleich der komplementären Drohungsintensität. Während bei § 240 StGB eine Drohung mit einem empfindlichen Übel ausreiche, sei die Drohung bei der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung mit einer Leib- oder Lebensgefahr qualifiziert. Siehe dazu: Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 118; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 137 f. m.w. N.; Harbeck, Einheitstatbestand, S. 97 ff. m.w. N.; BGH, NStZ 1995, S. 230; BGH, NStZ 1999, S. 506; BGH, NStZ 1992, S. 176. Diese enge Auslegung des Gewaltbegriffs hatte in der Vergangenheit zu Strafbarkeitslücken geführt. Opfer, die aufgrund der körperlichen Überlegenheit des Täters oder mehrerer Täter, der Einsamkeit des Ortes oder des Mangels an Fluchtmöglichkeiten vor Angst erstarrten, und der Täter ohne eine körperliche Kraftentfaltung die sexuelle Handlung vollziehen konnte, waren nach dieser Gesetzesauslegung schutzlos gestellt. In der Literatur war aufgrund des Schutzbedürfnisses des Opfers ein Verzicht auf die körperliche Kraftentfaltung hin zur psyschischen Zwangswirkung gefordert worden. Mit der Erweiterung der Nötigungsmittel um die dritte Alternative des Ausnutzens einer schutzlosen Lage (§ 177 Abs. 1 Nr. 3), die gerade die genannten Situationen erfasst, hat sich aber diese Forderung erledigt. Vgl. BTDrs. 13/2463, S. 6; BT-Drs. 13/7324, S. 6; BGH, NStZ 1999, S. 30; Renzikowski, NStZ 1999, S. 378; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 120; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 141. 1237 BGH, NStZ-RR 2003, S. 42 f. = StV 2003, S. 390; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 5; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 37 m.w. N. 1238 Lackner/Kühl, § 177, Rn. 4; Fischer, § 177, Rn. 5–6 m.w. N.; Rössner, in: FS für Leferenz, S. 257; Hillenkamp NStZ 1989, S. 529; Kruse/Sczesny KJ 1993, S. 336; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 148; SK-Horn, § 177, Rn. 10; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 43 ff. mit weiteren Beispielen; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 24 mit vielen Beispielen von Gewaltanwendungen.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

lich wirkenden Mittel ohne den Willen des Betroffenen löst eine körperliche Zwangswirkung aus und wird daher als Gewaltanwendung bewertet.1239 Keine Gewalt stellt jedoch das Ausnutzen eines Überraschungsmoments sowie das durch Täuschung über die wahren Absichten des Täters erlangte Einverständnis des Opfers zur Gewalt dar. In beiden Fällen konnte das Opfer keinen inneren Widerstandswillen gegen die sexuelle Handlung bilden.1240 Die Gewalt muss sich nach ständiger Rechtsprechung gegen eine Person richten.1241 Eine Gewalt gegenüber Sachen erfüllt den Tatbestand der Vergewaltigung nicht.1242 Die Gewalt kann sich nach herrschender Ansicht auch gegen eine dem Opfer nahestehende oder schutzbereite Person richten. Die gegen eine dritte Person gerichtete Gewalt genügt allerdings nur, wenn die Gewaltanwendung auch beim Opfer eine körperliche Zwangswirkung auslöst.1243 Dies könnte in dem Fall bejaht werden, wenn die Gewalt gegenüber einem Dritten im unmittelbaren Handlungszusammenhang mit der sexuellen Nötigung des Opfers erfolgt und damit zugleich auf das Opfer einen körperlichen Zwang ausübt.1244 Eine andere Meinung sieht die Gewaltanwendung gegenüber einem Dritten als konkludente Drohung an, dass dem Opfer der sexuellen Handlung die gleiche Gewalt wie dem Dritten drohe, wenn es sich weigere, die sexuelle Handlung zu erdulden bzw. vorzunehmen.1245 Letztlich kann dahingestellt sein, welchem Zwangsmittel

1239 BGHSt 14, S. 81; Fischer, § 177, Rn. 6–8; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 5 mit zahlreichen Beispielen der Rspr.; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 47; JR 59, 345; 18.1.1983, 1 StR 757/82. 1240 Allerdings kann in diesen Fällen das Zwangsmittel Nr. 3 zum Zuge kommen. Vgl. Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 5. 1241 Dies wird daraus geschlossen, dass das zweite Zwangsmittel, die Drohung mit einer Leib- oder Lebensgefahr für einen Menschen qualifiziert ist, somit also nicht jede Drohung wie z. B. die Drohung mit einer Sachbeschädigung ausreicht. Nach ständiger Rechtsprechung genügen für eine Gewaltanwendung „alle körperliche Kraftentfaltung darstellenden Handlungen, die von der Person, gegen die sie gerichtet sind, als ein nicht nur seelischer, sondern auch körperlicher Zwang empfunden werden.“ Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 5; z. B.: BGH, NStZ 1981, S. 218; 1990, S. 335; 1995, S. 230; 1996, S. 31; 1999, S. 506. 1242 SK-Horn, § 177, Rn. 10; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 27; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 32, 42; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 121; BGH, NStZ 2005, S. 35: Eine Gewaltanwendung gegen Sachen genügt daher nur, wenn sie beim Opfer zu einer körperlichen Zwangswirkung führt wie z. B. beim Beschädigen des Rollstuhls eines Behinderten. 1243 Lackner/Kühl, § 177, Rn. 4; Fischer, § 177, Rn. 10; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 5; BGHSt 42, 378; MDR/D 1966, 893 krit.: SK-Horn, § 177, Rn. 12; Wolter, NStZ 1985, S. 249; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 122. 1244 NStZ 2005, S. 268 f.; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 51: „Drohung und vis compulsiva ist gemeinsam, dass sie ihre Wirkung über die Psyche des Opfers entfalten, so dass die Abgrenzung nur nach dem Kriterium ,zukünftiges oder bereits verwirklichtes Übel‘ erfolgen kann.“ 1245 SK-Horn, § 177, Rn. 12; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 26; Fischer, § 177, Rn. 12.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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diese Konstellation zugeordnet wird. Feststeht, dass die Gewaltanwendung gegenüber einem Dritten ein taugliches Nötigungsmittel darstellt. Die Verbindung zwischen der Nötigungs- und der Sexualhandlung wird durch einen erforderlichen Kausal- und Finalzusammenhang hergestellt. Die Gewaltanwendung muss der Herbeiführung der sexuellen Handlung dienen. Die Gewalt muss nicht der sexuellen Handlung vorausgehen, sie kann auch mit der sexuellen Handlung zusammenfallen oder zur Verhinderung von Gegenwehr eingesetzt werden, welche erst durch das Eingreifen Dritter wirksam werden kann.1246 Daher stellt §177 nicht zwangsläufig ein zweiaktiges Delikt dar. Angesichts der anglo-amerikanischen Lösung, erscheint es wichtig, hervorzuheben, dass ein Handeln gegen den Willen des Opfers nicht die Nötigungshandlung erfüllt. Ein bloßes „Nichteinverstandensein“ ist nicht mit einer Nötigung gleichzusetzen. Der Widerstandswille des Opfers muss mit der Anwendung von Zwangsmitteln überwunden werden.1247 So fehlt es an der finalen Verknüpfung, wenn das Opfer überrascht wurde oder der Täter ein schlafendes oder betäubtes Opfer vorgefunden hat.1248 Es ist möglich, dass zwischen der Gewalthandlung und der sexuellen Handlung eine Zeitspanne liegt. In dem Fall ist genauestens zu klären, ob eine finale Verknüpfung besteht. Beim Fortwirken einer früheren Gewaltanwendung reicht es zwar, wenn der Täter sie zur Vergewaltigung ausnutzt.1249 Es fehlt aber an der Verknüpfung, wenn kein direkter Wirkungszusammenhang mit dem nachfolgenden sexuellen Angriff mehr besteht. Es handelt sich dann um einen rein psychisch fortwirkenden, aber nicht mehr um einen körperlichen Zwang. In dem Fall verbliebe noch die Möglichkeit auf das Zwangsmittel der konkludenten Drohung zurückzugreifen.1250 (3) Drohung Die Drohung nach § 177 Abs. 1 StGB ist gegenüber dem Nötigungstatbestand nach § 240 StGB qualifiziert. Dies bedeutet, dass eine einfache Drohung mit 1246

Lackner/Kühl, § 177, Rn. 4; BGHSt 17, S. 1, 5; NStZ 1992, S. 433. Fischer, § 177, Rn. 14; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 177, Rn. 6; SKHorn, § 177, Rn. 18; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 142; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 124 ff.; NStZ-RR 1996, S. 203; NStZ/M 1998, 132 Nr. 18; StV 1996, S. 29. 1248 Fischer, § 177, Rn. 14; BGH, 31, S. 76; BGH, 36, S. 111; NJW 1984, S. 1632; NStZ 1993, S. 78; NStZ 1998, S. 133; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 5; SKHorn, § 177, Rn. 11; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 133; a. A.: MK-Renzikowski, § 177, Rn. 29, der in einem überraschenden Angriff mittels einer Körperkraftentfaltung (Schlagen auf die Brust) einen zu erwartenden Widerstand des Opfers beseitigt sieht. Ähnlich: LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 21. 1249 Fischer, § 177, Rn. 15; MDR/H 81, 99; NStZ 1981, S. 344. 1250 Fischer, § 177, Rn. 16, 20; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 6; NStZ 1986, S. 409; NStE § 177 Nr. 19. 1247

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

einem empfindlichen Übel wie bei § 240 StGB unzureichend ist. Der Täter muss mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben drohen. Dazu muss er ankündigen, dass er, sofern sich der Adressat nicht seinem Willen fügt, eine Situation setzen werde, die eine gegenwärtige Gefahr (unmittelbar bevorstehender Angriff) für dessen Leben oder körperliche Integrität (Gesundheitsschädigung) darstellt. Andere Drohungen, die unterhalb der Schwelle einer erheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität – wie z. B. die Ankündigung einer Ohrfeige – bleiben, üben keinen willensbeugenden Zwang aus.1251 Eine Drohung mit einer Freiheitsentziehung kommt nur insofern in Betracht, wenn die Art und Dauer zu einer Körperverletzung von gewisser Erheblichkeit führen könnte.1252 Eine Drohung kann sowohl mit Worten als auch konkludent durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden.1253 Die Drohung kann sich gegen eine dem Opfer nahestehende Person richten, weil die drohende Gefahr aufgrund des engen Verhältnisses als eigene Gefahr empfunden wird. Unstreitig kann die Drohung aber nicht in einer selbst zugefügten Verletzung oder einer Selbstmorddrohung des Täters bestehen.1254 Wie bereits bei der Gewaltanwendung angesprochen, können frühere Misshandlungen oder Drohungen eine in der Gegenwart fortwirkende Rolle spielen.1255 Auch eine Dauergefahr kann gegenwärtig sein, wenn diese über einen längeren Zeitraum fortbesteht, so dass sie jederzeit in den angedrohten Schaden umschlagen kann.1256 Entscheidend ist aber auch hier wieder der Kausal- und Finalzusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der sexuellen Handlung. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen bei der Gewalt verwiesen werden. Gerade wenn der Täter eines von ihm durch vorausgehende Tätlichkeiten oder Drohungen geschaffenes „Klima der Gewalt“ nutzt, muss besonders die Mittel1251 Fischer, § 177, Rn. 18; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 7; SK-Horn, § 177, Rn. 9; NStZ 1993, S. 225; StV 1994, S. 127; NStE § 177 Nr. 7, S. 24; vgl. auch: Wolter, NStZ 1985, S. 198; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 72, die es für kriminalpolitisch diskussionswürdig halten, so hohe Anforderung an die Drohung zu stellen; a. A. MK-Renzikowski, § 177, Rn. 36, der auch die Androhung einer leichten Körperverletzung genügen lässt, weil sie Gewalt darstellt. Ähnlich: Harbeck, Einheitstatbestand, S. 111 ff. 1252 SK-Horn, § 177, Rn. 9; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 36; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 136 ff.; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 143 ff.; siehe die Übersicht der Rechtsprechung zur Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bei: Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 43 ff. 1253 Fischer, § 177, Rn. 21; BGHSt 42, S. 111; NStZ 1999, S. 505. 1254 Lackner/Kühl, § 177, Rn. 5; NStZ 1994, S. 31; NStZ 1982, S. 286; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 138 f.; Fischer, § 177, Rn. 18; SK-Horn, § 177, Rn. 12; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 84; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 36; a. A.: Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 210; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 177, Rn. 7, die eine Selbstmorddrohung anerkennen. 1255 Fischer, § 177, Rn. 20; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 7; MDR/D 1974, S. 722; NJW 1984, S. 1632; NStZ 1986, S. 409; NStZ 1999, S. 505; NJW 2005, S. 269. 1256 Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 144.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Zweck-Beziehung in objektiver wie in subjektiver Hinsicht überprüft werden.1257 Nicht ausreichend ist, wenn das Opfer irrtümlich annimmt, bedroht zu sein oder aber sich der resignierenden Erkenntnis fügt, dem Täter wehrlos ausgeliefert zu sein, ohne dass der Täter eine Drohung ausgesprochen hat. Es verbleibt aber dann noch die Möglichkeit diese Fälle nach dem dritten Zwangsmittel gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu behandeln.1258 (4) Ausnutzung einer schutzlosen Lage Das Tatmittel der Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist (Nr. 3), wurde erst durch das 33. StrÄG den herkömmlichen Zwangsmitteln der qualifizierten Gewalt und Drohung hinzugefügt.1259 Ziel der Vorschrift war es, Strafbarkeitslücken zu schließen, in denen das Opfer wegen der Aussichtslosigkeit des Widerstands von vornherein auf Gegenwehr verzichtet oder wegen aktueller Furcht oder einem „Klima der Gewalt“ keinen Widerstand leisten kann oder wenn der Täter das Opfer an einen abgelegenen Ort verbracht hat und diese Lage zu sexuellen Handlungen ausnutzt.1260 Ferner sollte mit der Einführung der dritten Nötigungsalternative einen über § 179 StGB hinausgehenden Strafrechtsschutz geistig und körperlich behinderter Menschen vor erzwungenen sexuellen Übergriffen erreicht werden.1261 1257

Fischer, § 177, Rn. 20; BGHSt 42, S. 107; NStZ-RR 1998, S. 105. Fischer, § 177, Rn. 21; BGHSt 45, S. 253; NStZ-RR 2003, S. 44; NStZ 2003, S. 440; StV 2005, S. 268. 1259 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 24 ff.; Fischer, ZStW 112, 2000, S. 75 ff. 1260 Siehe: BT-Drs. 13/7324, S. 6; BT-Drs. 13/7663, S. 4 f.; BT-Drs. 13/2463 S. 6; Fischer, § 177, Rn. 23; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 8; SK-Horn, § 177, Rn. 14; Fischer, ZStW 112, 2000, S. 76 ff.; NStZ 1999, S. 30; NStZ-RR 1998, S. 103; NStZ 1999, S. 242; 3.11.1998, 1 StR 521/98; 24.11.1999, 3 StR 466/99; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 147; Lackner/Kühl, § 177, Rn. 6; NStZ 1999, S. 30; NJW 1999, S. 369; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, 1998, S. 53, 62. Die Herausnahme solcher Fälle aus dem Gewaltbegriff erschien geboten, wenn sowohl eine körperliche Kraftentfaltung seitens des Täters als auch eine körperliche Zwangswirkung beim Opfer fehlt. In der Literatur wurde dagegen die Meinung vertreten, dass die Strafbarkeitslücken, die durch einen restriktiven Gewaltbegriff entstanden sind, über die konkludente Drohung hätten gelöst werden können. Diese Meinung kritisiert, dass die Rechtsprechung zu hohe Anforderungen an die konkludente Drohung gestellt habe, weil sie auf das objektive Täterverhalten abgestellt habe, anstatt auf das subjektive Empfinden des Opfers Rücksicht zu nehmen. Nicht ganz eindeutige Verhaltensweisen seien zu Lasten des Opfers nicht als Drohung mit einer Gefahr für Leib oder Leben ausgelegt worden. Der Streit wurde mit der Entscheidung des Gesetzgebers, den Tatbestand der sexuellen Nötigung um das Ausnutzen einer schutzlosen Lage zu erweitern, hinfällig. Vgl. dazu: Schönke/Schröder-Lenckner, § 177, Rn. 4; Lackner/Kühl, § 177, Rn. 6; Schroeder, JZ 17, 1999, S. 829; Fischer, ZStW 112, (2000), S. 75 ff.; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 37 ff., 44; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 145. 1261 Oberlies, ZStW 114, 2002, S. 135 ff., weist nach, dass die Praxis § 179 StGB als Spezialnorm für geistig Behinderte und Schlafende verwendet, sie damit schlechter 1258

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Grundvoraussetzung ist das Vorliegen einer schutzlosen Lage.1262 Die Schutzlosigkeit des Opfers wird aus einer Kombination von äußeren und inneren Umständen ermittelt.1263 Äußerlich schutzlos ist das Opfer, wenn es in seinen Abwehrmöglichkeiten erheblich eingeschränkt ist und von dritter Seite keine Hilfe zu erwarten hat (z. B. aufgrund der Einsamkeit des Ortes, des Fehlens von Fluchtmöglichkeiten oder aufgrund des Alters oder der Konstitution von Täter und Opfer). Die innere Schutzlosigkeit bedingt, dass das Opfer wehrlos ist, d. h., wenn das Opfer sich aufgrund physischer Unterlegenheit oder psychischer Hemmung nicht selbst verteidigen kann.1264 Die Wehrlosigkeit ist aus der Opferperspektive zu entscheiden; nur so kann ein voller Opferschutz garantiert werden.1265 Ein vollständiger Ausschluss jeglicher Verteidigungsmöglichkeiten ist nicht notwendig. Auch ein bewaffnetes Opfer kann schutzlos sein, wenn es aus Furcht unfähig ist, dem Täter Widerstand zu leisten.1266 Dem Wort „Ausgeliefertsein“ kommt hingegen keine eigenständige Bedeutung zu, sondern es soll lediglich den Begriff der Schutzlosigkeit konkretisieren. Schutzlos ausgeliefert ist objektiv nur, wer in der konkreten Situation eventuelle Einwirkungen des Täters nicht erfolgsversprechend abwehren kann. Letztlich wird durch das Wort „ausgeliefert“ aber nicht verständlicher, in welcher Lage das Opfer objektiv schutzlos ist.1267 Im Unterschied zum § 237 StGB a. F. muss die schutzlose Lage nicht auf einer Entführung durch den Täter beruhen. Vielmehr ist die Formulierung so gefasst, stellt als nicht behinderte Menschen (geringer Strafrahmen als § 177 StGB) anstatt wie vom Gesetzgeber beabsichtigt als Auffangtatbestand, wenn eine Nötigungshandlung nach § 177 StGB nicht nachgewiesen werden kann. 1262 Das Gesetz knüpft damit an die Formulierung der „hilflosen Lage“ des heute abgeschafften § 237 StGB a. F. an, so dass die frühere Rechtsprechung und Literatur zur Auslegung der schutzlosen Lage herangezogen werden können. Siehe: Schönke/Schröder-Lenckner, § 177, Rn. 9; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 40 m.w. N.; BGHSt 45, S. 257; BGHSt 44, S. 231. 1263 Fischer, § 177, Rn. 27; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 149; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 52 ff. mit zahlreichen Urteilen zur dritten Nötigungsalternative; Folkers, NJW 2000, S. 3317 f. 1264 BGHSt 44, S. 232; BGHSt 45, S. 257; BGH, NStZ 2005, S. 269; Fischer, § 177, Rn. 28 f.; Laubenthal, JZ 1999, S. 584; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 152 ff.; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 64 f. Andererseits führt nicht schon das Alleinsein von zwei Personen zu einer Schutzlosigkeit. Hinzukommen muss die individuelle Unfähigkeit, einen Angriff abwehren zu können. Siehe dazu: MK-Renzikowski, § 177, Rn. 40. 1265 MK-Renzikowski, § 177, Rn. 40; SK-Horn/Wolters, § 177, Rn. 14a; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 154 ff.; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 58 ff.; Folkers, NStZ 2005, S. 183 f. 1266 Lackner/Kühl, § 177, Rn. 6; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 177, Rn. 9; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 52; Otto, Jura 1998, S. 210, 212; Renzikowski, NStZ 1999, S. 379; BGH, NStZ 1999, S. 30; BGH, NJW 1999, S. 369. 1267 Vgl. dazu näher: Fischer, § 177, Rn. 32; NStZ 2003, S. 533; NStZ 2005, S. 267.

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dass es nicht darauf ankommt, ob der Täter die Lage geschaffen oder nur vorgefunden hat. Es sind aber in der Regel höhere Anforderungen zu stellen, wenn sich die schutzlose Lage nicht auf das Verbringen an einen einsamen Ort bezieht.1268 Die bloße soziale Schutzlosigkeit wird von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht erfasst. Damit sind Umstände gemeint, in denen das Opfer Gefahr läuft, gewisse Vorteile wie Geld oder eine Arbeitsstelle zu verlieren oder soziale Nachteile zu erleiden wie z. B. sich zu blamieren. Diese Fälle erfordern keinen Strafrechtschutz, weil für das Opfer die zumutbare Möglichkeit besteht, Hilfe zu erlangen (z. B. durch die Einleitung rechtlicher Mittel, Kündigungsschutzklage); eine Option, die bei einer kurz bevorstehenden Leibes- oder Lebensgefahr gerade nicht besteht.1269 Das Opfer muss ferner der „Einwirkung“ des Täters schutzlos ausgeliefert sein. Unter der Einwirkung werden potentielle Gewalthandlungen, aber nicht die sexuelle Handlung verstanden. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang der Elemente „schutzlos ausgeliefert sein“ und „nötigen“. Die Tathandlung setzt einen durch Zwang herbeigeführten Verzicht des Opfers auf mögliche Gegenwehr voraus. Das Opfer ist somit nicht sexuellen Handlungen ausgeliefert, sondern der möglichen Wirkung einer Handlung, welche deren Vornahme oder Duldung erzwingt.1270 Daher können nur solche Handlungen als Gewalthandlungen verstanden werden, die der Herbeiführung des Nötigungszwecks (sexuelle Handlung) dienen können. Auch scheiden Drohungen als Einwirkungen aus, weil die Zwangswirkung nicht von der Furcht vor dem Aussprechen einer Drohung ausgeht, sondern vor deren Verwirklichung.1271 Ein weiteres Kriterium der dritten Alternative ist das „Ausnutzen“. Das Ausnutzen erfordert, dass die schutzlose Lage die sexuellen Tathandlungen ermög1268 Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 9; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 42; Fischer, ZStW 112, 2000, S. 99; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 162 ff.; BGHSt 45, S. 256; BGHSt 44, S. 232; a. A.: SK-Horn/Wolters, § 177, Rn. 14; Folkers, NJW 2000, S. 3318. Siehe die Übersicht der Rechtsprechung zur schutzlosen Lage: Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 60 ff. 1269 Fischer, § 177, Rn. 31; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 9; NStZ-RR 98, 103; BGHSt 44, S. 232; BGH, 45, 253; NStZ 99, 30; NJW 1999, 369; NJW 1989, 917 mit Anm. Otto, JR 1989, S. 338 ff. S. 340 zu § 237 a. F.; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 157; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 157, 194; kritisch dazu: Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 47 f., 60 ff.; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 203. 1270 Fischer, § 177, Rn. 24 ff.; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 59 f.; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 40; SK-Horn/Wolters, § 177, Rn. 13b; NStZ 2003, S. 533 f.; NStZ 2005, S. 267 f.; vgl. auch BT-Drs. 13/2463, S. 6 und BT-Drs. 13/ 4543, S. 7: Es sei „strafwürdig, wenn das Opfer aus Angst vor der Anwendung von Gewalt sexuelle Handlungen über sich ergehen lässt“ und „weil Widerstand gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint“. 1271 Fischer, § 177, Rn. 25; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 40; Folkers, NStZ 2005, S. 181 f.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

licht oder erleichtert und der Täter die sich dadurch gebotene Gelegenheit wahrgenommen hat.1272 Wirkt sich die Schutzlosigkeit konkret nicht aus oder nimmt die Nötigung des Täters keinen Bezug auf sie, so scheidet das dritte Nötigungsmittel (Nr. 3) aus. Das Ausnutzen einer schutzlosen Lage erfasst daher nur diejenigen Fälle, die mangels Gewalt gegen eine Person oder qualifizierter Drohung nicht nach Nr. 1 oder 2 strafbar sind, jedoch gleichermaßen strafwürdig erscheinen.1273 Daraus wird von der überwiegenden Meinung in der Literatur zu Recht abgeleitet, dass, wenn Gewalt angewandt oder eine Drohung mit einer Leib- oder Lebensgefahr ausgesprochen wurde, die Alternative der schutzlosen Lage subsidiär sei. Denn der Täter begeht kein über die Zwangsmittel der Nr. 1 oder 2 hinausgehendes Unrecht. Damit komme der dritten Nötigungsvariante nur eine Auffangfunktion gegenüber den anderen Nötigungsmitteln zu.1274 Da der Gesetzestext keine Hierarchie der Zwangsmittel nahelegt, geht die Rechtsprechung jedoch davon aus, dass alle drei Zwangsmittel gleichrangig nebeneinander stehen und daher auch alle drei Zwangsmittel gemeinsam verwirklicht werden können.1275 Aber auch nach dieser Ansicht, handelt es sich nur um eine Tat, selbst wenn der Täter alle drei Zwangsmittel angewandt hat. Die Verwirklichung mehrerer Zwangsmittel kann sich lediglich straferschwerend auswirken.1276 Folglich kann der Streit über die Gleichrangigkeit der Zwangsmittel zueinander dahinstehen. Problematisch ist bei der dritten Zwangsvariante, dass im Unterschied zu Nr. 1 und Nr. 2 kein bestimmtes Nötigungsmittel genannt ist, obwohl unstreitig ist, dass § 177 Abs. 1 Nr. 3 eine Nötigung zu sexuellen Handlungen voraussetzt. Denn nur so kann eine Abgrenzung zum Missbrauchstatbestand des § 179 StGB erfolgen, für den das bloße Ausnutzen der Widerstandsunfähigkeit ohne eine Nötigung ausreicht. Dass eine Nötigung bei § 177 StGB zum Ausnutzen hinzutreten muss, ergibt sich aus dem Wort „unter“, welches signalisiert, dass sowohl das 1272 BGH, NStZ 2000, S. 140 = BGHSt 45, S. 253; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 10; Lackner/Kühl, § 177, Rn. 6; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 43; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 65; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 65 ff. 1273 NStZ 1999, S. 242; Fischer, § 177, Rn. 34 ff.; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 10; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 49; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 169 ff. 1274 Fischer, § 177, Rn. 23, 58; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 39, 95; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 11, 28; BGH, NStZ 1999, S. 30; NStZ 1999, S. 242; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 169 ff. 1275 BGH, NJW 1999, S. 369 = BGHSt 44, S. 228; BGH, NStZ 2000, S. 141; NStZRR 2003, 44; BT-Drs. 13/7324, S. 6; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 148; Laubenthal, JZ 1999, S. 583; Harbeck, Einheitstatbestand, S. 121; Folkers, NJW 2000, S. 3318. 1276 Lackner/Kühl, § 177, Rn. 14; NJW 1999, S. 369; BGHSt 44, S. 228. A. A.: Fischer, § 177, Rn. 58; NStZ 1999, S. 505 hält eine Straferschwerung für unzulässig, weil eine Gewaltanwendung oder eine qualifizierte Drohung regelmäßig und typisch in schutzlosen Lagen stattfindet. Wäre die Lage des Opfers nicht schutzlos, hätte der Täter keinen Erfolg.

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Ausnutzen einer schutzlosen Lage als auch die Nötigungshandlung kumulativ vorliegen müssen.1277 Umstritten ist allerdings, worin die Nötigungshandlung bestehen soll. Es werden dazu zwei Meinungen vertreten. Der BGH sieht die Nötigungshandlung mit jedem Bestimmen des Opfers gegen dessen Willen erfüllt. Danach sei eine über das Ausnutzen der schutzlosen Lage hinausgehende gesonderte Nötigungshandlung nicht erforderlich. Entscheidend sei vielmehr, dass die sexuelle Handlung gegen den Willen des Opfers in einer schutzlosen Lage durchgeführt wird.1278 Die wohl überwiegende Meinung in der Literatur vertritt, dass die unqualifizierten Nötigungsmittel der Gewalt und der Drohung mit einem empfindlichen Übel im Sinne des § 240 StGB zur Ausnutzung hinzutreten müssen.1279 Das Ausnutzen einer Situation allein stellt noch keine Nötigungshandlung dar, sondern verkörpert eher einen Missbrauch, wenn die Handlung gegen den Willen des Opfers erfolgt. Es lässt sich daher zu Recht gegen die Interpretation der Rechtsprechung anführen, dass die Grenzen zwischen Nötigung und Missbrauch verwischt würden, wenn zum Ausnutzen keine Nötigungshandlung, sondern nur ein Handeln gegen den Willen des Opfers zur Tatverwirklichung verlangt würde.1280 Das Resultat wäre, dass jeder Fall des § 179 Abs. 1 Nr. 2 auch unter §177 Abs. 1 Nr. 3 StGB fallen würde. Aus systematisch-teleologischen Gründen ist aber abzulehnen, den Unrechtsgehalt einer Nötigung (Nr. 1 und 2) mit dem eines Missbrauchstatbestands gleichzusetzen.1281 1277 Oberlies, ZStW 114, 2002, S. 132; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 71 f., 76; BGH, NStZ 2000, S. 141; Fischer, § 177, Rn. 34 ff. 1278 BGHSt 45, S. 253; BGH, NStZ 2000, S. 141; NJW 2002, S. 382; NStZ 2002, S. 200; NStZ 2004, S. 440; a. A.: Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 80; Fischer, § 177, Rn. 35; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 44; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 146; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 173 ff., 195; Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 58, Fn. 266 m.w. N. Eine Entscheidung des BGH, ging so weit anzunehmen, dass es unerheblich sei, ob das Opfer Gewalthandlungen des Täters befürchtete. Das „Genötigt-Sein“ solle sich darin erschöpfen, die sexuelle Handlung nicht zu wollen. Nach dieser Auslegung wäre es möglich, auch Überraschungsfälle („Busengrabschen“) und Missbrauchstaten unter § 177 StGB zu erfassen. Siehe dazu: BGHSt 45, S. 257 ff.; NStZ 2002, S. 199 f.; NStZ 2004, S. 440; auch NStZ-RR 2003, S. 44; STV 2005, S. 439; Celle, NStZ-RR 2005, S. 263; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 146; Oberlies, ZStW 114, 2002, S. 132 f. 1279 Fischer, § 177, Rn. 36 f., 44; Fischer, NStZ 2000, S. 143; Fischer, ZStW 112, 2000, S. 85 f., 90 f.; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 11; nunmehr auch: BGH, NStZ 2005, S. 381; Folkers, NStZ 2005, S. 181; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 46 ff.; Renzikowski, NStZ 1999, S. 380, geht davon aus, dass in der Regel die Ausnutzung einer schutzlosen Lage mit einer konkludenten Drohung einhergeht, denn der Täter muss sich die Zwangslage des Opfers zu eigen machen, um sie ausnutzen zu können. 1280 Fischer, NStZ 2000, S. 142 f.; Fischer, ZStW 112, 2000, S. 75 ff.; Amelung, GA 1999, S. 182, 201. 1281 MK-Renzikowski, § 177, Rn. 47.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Die Meinung des BGH ist ferner dafür zu kritisieren, dass jedes Bestimmen des Opfers zu einer Tat nicht hinreichend zu erkennen gibt, welche Handlungen darunter zu verstehen sind. Nach dieser Definition könnten nämlich auch Handlung wie das Überreden, Überzeugen, Aufzeigen von Vorteilen oder Versprechungen die Tathandlung erfüllen. Diese Handlungen sind aber nicht geeignet, den Willen des Opfers zu brechen oder zu beugen. Sie bewirken lediglich eine Willensänderung, deren Ausnutzen sich als Missbrauch darstellen kann (§§ 174a–c § 179, 182 StGB).1282 Vielmehr würde man mit dieser Auslegung die objektive Tathandlung des Nötigens gegen ein subjektives Tatbestandsmerkmal (gegen den Willen des Opfers) austauschen.1283 Es kann also nicht jedes Bestimmen des Opfers zu einer Handlung genügen, sondern es bedarf einer konkreten Nötigungshandlung, die geeignet ist, den Willen des Opfers zu überwinden. Da die körperliche Gewalteinwirkung und die qualifizierte Drohung bereits unter § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB als Zwangsmittel genannt sind, bleiben für Nr. 3 nur die Nötigungshandlungen übrig, die diese Stufen nicht erreichen. Dies können dann nur Gewaltanwendungen gegen Sachen oder Drohungen mit einem anderen Übel als einer gegenwärtigen Leibes- oder Lebensgefahr sein, die geeignet sind, das Opfer aus Sorge um sein Wohl gefügig zu machen, schlichtweg weil andere Zwangsmaßnahmen nicht in den Sinn kommen.1284 Das Ausnutzen der schutzlosen Lage ist somit kein selbstständiges Nötigungsmittel, sondern ein die sonst § 240 unterfallende Nötigung qualifizierendes Merkmal. Anders ausgedrückt, kompensiert das Merkmal des Ausnutzens den geringeren Unrechtsgehalt der einfachen Nötigungsmittel. Nur so lässt sich die gegenüber § 179 erhöhte Strafandrohung erklären.1285 Wie bei den anderen beiden Alternativen muss ein Finalzusammenhang zwischen der Nötigungshandlung und der sexuellen Handlung bestehen. Die Schutzlosigkeit des Opfers muss die Durchführung der Tat erst ermöglicht haben.1286 Dies bedeutet, dass das Opfer die Handlung vornehmen bzw. erdulden muss, weil es Widerstand in einer solchen Situation für aussichtslos hält.1287 1282

Vgl. Fischer, § 177, Rn. 37, 44 ff. Fischer, § 177, Rn. 38; BVerfG 92, 1, 17 f.; Kargl, JZ 1999, S. 72, 76; so aber: BGH, NStZ 2004, S. 440. 1284 NStZ 1999, S. 30; BGH, 44, S. 228; Lenckner, NJW 1997, S. 2802; Schönke/ Schröder-Perron, § 177, Rn. 11; Fischer, ZStW 112, 2000, S. 103 f.; NStZ 2000, S. 143; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 153. 1285 Fischer, § 177, Rn. 46; Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 11; Folkers, NStZ 2005, S. 183; BGH, NStZ 2003, S. 533 f.; anders: Renzikowksi, NStZ 1999, S. 377, 380. 1286 Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 11; SK-Horn/Wolters, § 177, Rn. 18; Desseker, NStZ 1998, S. 2; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 90; Renzikowksi, NStZ 1999, S. 380 f.; Folkers, NStZ 2005, S. 182; siehe auch die Übersicht der Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des § 177 Abs. 1 Nr. 3 bei: Folkers, Ausgewählte Probleme, S. 67 ff. 1287 BGH, StV 2003, S. 393. 1283

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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bb) Frankreich Wie das deutsche Recht spaltet sich auch der französische Vergewaltigungstatbestand in eine sexuelle Handlung und eine Nötigungs- bzw. Überraschungshandlung auf. Gemäß Art. 222-23 CP muss die sexuelle Handlung unter Anwendung von Gewalt, Zwang, Drohung oder Ausnutzung einer Überraschung ausgeführt werden. Mit diesen Tatmitteln soll der erwartete Widerstand des Opfers umgangen werden. Da die Überraschung allerdings keine Nötigung voraussetzt, sondern vielmehr auf die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Opfers abstellt, ein informiertes Einverständnis geben zu können, soll dieses Tatmittel erst im Rahmen des fehlenden Einverständnisses der anglo-amerikanischen Rechtsordnungen erörtert werden. (1) Gewalt Die Gewalt setzt eine physische Kraftentfaltung gegenüber dem Genötigten voraus. Der Gewaltbegriff ist wie im deutschen Strafrecht qualifiziert, d. h. die Gewalt muss sich gegen eine Person und nicht gegen eine Sache richten. Die Gewalt gegenüber einem (hilfsbereiten) Dritten wird als unzureichend abgelehnt, um einen zu erwartenden Widerstand des Opfers zu unterbinden.1288 Die Gewaltanwendung muss allerdings nicht erheblich sein. Sie muss nur geeignet sein, die Gegenwehr des Opfers auszuschalten. Ob die physische Kraftentfaltung genügt, ist im Einzelfall vom Richter zu entscheiden.1289 Gewalt wurde bereits bejaht, als der Kopf des Opfers festgehalten wurde.1290 Ein starker Druck auf den Arm wurde hingegen als unzureichende Gewaltanwendung abgelehnt, weil der Druck keine Spuren von Gewalt am Arm hinterlassen hatte.1291 Es kann nicht darauf ankommen, ob das Opfer tatsächlich Widerstand geleistet hat. Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass die Gewalt bereits jegliche Gegenwehr des Opfers ausgeschaltet haben kann. Früher hatte jedoch die Gegenwehr als Beweis für eine Gewaltanwendung des Täters gedient. Ohne eine Gegenwehr des Opfers kam es nicht zur Verurteilung einer Vergewaltigung. Die Gerichte tendieren heute dazu, eine Gewaltanwendung nicht aus einem konkret nachweisbaren Widerstand, sondern aus begleitenden Tatumständen und Verhaltensweisen des Opfers nach der Tat abzuleiten.1292 So genügte in einem Fall der 1288 Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 17; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 9; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 507. 1289 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 507. 1290 Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 22; Crim., 08.06.1994, B. 226. 1291 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 449; Aix-en-Provence 24.1.1986, Juris-Data no. 045740. 1292 Nach der veralteten Ansicht waren eine dauerhafte und gleichbleibende Gegenwehr, Schreie des Opfers, eine Ungleichheit der Kräfte des Täters gegenüber dem Opfer

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Nachweis, dass das Opfer zu einem anderen Zeitpunkt eine sexuelle Handlung abgelehnt hatte, oder, dass es sich aufgrund eines körperlichen Gebrechens nicht hatte wehren können, oder aber, dass das Opfer sich geweigert hatte, den Beschuldigten nach der vorgeworfenen Tat wieder zu sehen.1293 Einigkeit besteht auch darin, dass es heutzutage nicht mehr ausreicht, das Opfer als leichtlebig darzustellen. Selbst wenn das Opfer den nachweislichen Ruf hat, „leicht zu haben zu sein“, kann daraus nicht ein Einverständnis zur sexuellen Handlung abgeleitet werden. Denn jeder Mensch (auch eine Prostituierte) hat das Recht, eine sexuelle Handlung abzulehnen.1294 (2) Drohung Ein weiteres Tatmittel zur Überwindung eines entgegenstehenden Willens des Opfers ist die Drohung. Es wird allerdings keine qualifizierte Drohung verlangt, welche voraussetzen würde, dass mit einer Leibes- oder Lebensgefahr gedroht wird. Es genügt eine ernsthafte und dringliche Drohung gegen das Opfer, dass es entweder selbst oder eine ihm nahestehende Person einen beachtlichen Schaden erleiden wird, wenn es nicht dem Ansinnen des Täters nachgibt.1295 Damit reicht eine einfache Drohung mit einem empfindlichen Übel aus. Das angedrohte Übel kann somit neben der Androhung einer Tötung oder Körperverletzung, auch in der Androhung persönlicher, sozialer oder familiärer Nachteile bestehen.1296 In der Praxis wurde als beachtlicher Schaden angesehen, wenn mit einer Gewaltanwendung1297, einer Strafverfolgung1298 oder einer Inhaftierung1299, mit einer Waffe1300, einem Autoritätsmissbrauch gegenüber dem eigenen Kind1301, sowie Spuren der angewandten Gewalt am Körper des Opfers erforderlich. Siehe dazu: Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 8 m.w. N. 1293 Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 8; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 507 m.w. N.; Crim. 25.10.1994, Dt. pén. 1995, comm. 63; 8.2. & 1.3.1995, Dt. pén. 1995, comm. 171; Nîmes 9.12.1983, J.C.P. 1985.II.20482, note Pansier; Crim. 13.3.1984, B. 107; Pau 18.11.1987, Juris-Data no. 44839; Cass. Crim. 24.04.2003; Juris-Data no. 2003-019260. 1294 Crim. 04.05.1993, dr. pén. 1993, no. 179; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 507; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 7. 1295 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 508. 1296 Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 10. 1297 Crim. 29.04.1960, GP 1960.2.15. 1298 Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Crim., 1960; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 10. 1299 Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 18; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 508; Dalloz, Code Pénal, S. 266, Rn. 16; Crim., 29.4.1960, B. 225, G.P. 1960.2.15. 1300 Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 10; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 508; Pau, 4.5.1994, Juris-Data no. 042144. 1301 Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Crim., 1992.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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dem Zurücklassen ohne Unterkunft bei Nacht und Kälte1302, oder mit dem Zusenden eines Pornofilms eines Minderjährigen an seine Eltern1303 gedroht wurde. Die Grenze wurde bei objektiv unrealistischen Drohungen gezogen wie z. B. einen Fluch über das Opfer und die Familie auszusprechen. Eine solche Drohung ist nicht geeignet, den Willen eines durchschnittlichen Menschen zu beugen und steht in keinem Verhältnis zum gleichrangigen Nötigungsmittel der Gewalt.1304 Auch kann sich das Zwangsmoment nicht einzig allein aus einem Über-Unterordnungsverhältnis wie zum Beispiel dem Autoritätsverhältnis des Lehrers gegenüber seinem Schüler, dem Arzt gegenüber seinem Patienten oder der Kunde gegenüber dem Chef eines Unternehmens ergeben. Es muss stets die ausdrückliche oder konkludente Androhung eines Schadens hinzukommen, um von einem erzwungenen sexuellen Verhalten ausgehen zu können.1305 Damit stellt der französische Gesetzgeber relativ hohe Anforderungen an den Gewaltbegriff. Bei der Drohung lässt er aber eine viel geringere Schadensandrohung gegenüber dem aktuellen Schadenseintritt durch die Gewaltanwendung genügen. (3) Zwang Was unter dem dritten Tatmittel des Zwangs neben einer Gewaltanwendung gegenüber dem Opfer und der Drohung mit einem empfindlichen Übel zu verstehen ist, wird aus der französischen Literatur und Rechtsprechung nicht ganz deutlich. Es steht nur fest, dass der Zwang sich konkret auf die Widerstandsfähigkeit des Opfers auswirken muss.1306 Die Rechtsprechung hat zum Beispiel einen Zwang daraus hergeleitet, dass sich eine Frau vor ihrem Arzt im Rahmen einer Untersuchung befand. Da sie 1302 Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 18; Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Crim., 8.2.1995, Dr. pén. 1995.171, note Véron; Roujou de Boubée/u. a., Code Pénal Commenté, § 1 Viol, Definition; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 14; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 508; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 25; Crim., 31.1.1968, B32, R.S.C. 1968.856, obs. Levasseur; 11.02.1992, Dr. pén. 1992.174, R.S.C. 1993. 331, obs. Levasseur. 1303 Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 10; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 508; Pau, 26.6.1990, Juris-Data no. 043932. 1304 Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 10; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 508; CA Caen, 23.3.1987, Juris-Data no. 050299. 1305 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 508; einige Urteile scheinen den Eindruck zu vermitteln, dass ein Abhängigkeitsverhältnis ausreicht, um von einer Drohung oder Zwang gegenüber dem Opfer ausgehen zu können, weil nur die Qualität des Täters als Nötigungsmittel genannt wird. Beispiele: Crim. 08.02.1995, Dr. pén. 1995, no. 171; Crim. 13.02.1997, Juris-data no. 001345; Paris 04.04.1997, Juris-Data no. 021090, Nîmes 07.10.1999, Juris-data no. 105474; Nîmes 17.09.1999, Juris-data no. 105132; Paris, 03.04.2001, Juris-Data no. 144515; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 11. 1306 Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 20; Crim., 8.6.1994, Bull. Crim. No. 226.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

aufgrund der Untersuchung in ihren Abwehrfähigkeiten eingeschränkt ist, sei sie besonders verletzlich.1307 Allerdings wurde dieser Fall auch unter das Tatmittel der Überraschung subsumiert, weil sie nicht alle Fakten kannte und daher der Handlung nicht informiert zustimmen konnte.1308 Ferner wurde ein moralischer Zwang aufgrund einer Überlegenheit des Täters gegenüber dem Opfer bejaht (z. B. tyrannischer Charakter, erhöhte Autorität, besondere körperliche Überlegenheit des Täters).1309 Sollte sich aber aus der Überlegenheit des Täters ergeben, dass das Opfer mit einer Gewaltanwendung bei Nichtgehorsam rechnen muss, liegt bereits eine konkludente Drohung vor. Ist in dem Verhalten des Täters keine Drohung mit Gewalt zu erkennen, ist es unergründlich, worin denn dann die Zwangswirkung für das Opfer liegen soll. Hinzu kommt, dass es sich beim Autoritätsverhältnis, dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Täter und Opfer, dem jungen Alter des Opfers oder einer mentalen Störung um Erschwerungsgründe des Qualifikationstatbestands handelt, Art. 222-24 CP.1310 Diese Umstände können nicht doppelt herangezogen werden, zum einen für den Nachweis von Zwang und zum anderen als Erschwerungsgründe der Qualifikation. Es würde sich ansonsten um eine strafrechtlich verbotene Doppelbestrafung desselben Umstands handeln („ne bis in idem“). Im Ergebnis muss daher festgehalten werden, dass dem Zwangselement keine eigentliche Bedeutung zukommt, weil es sich in einen körperlichen und seelischen Zwang aufspalten lässt und somit von den zwei anderen Tatalternativen, Gewalt und Drohung, abgedeckt wird. Eine eigenständige Bedeutung würde die Alternative des Zwangs nur erlangen, wenn man auch Versprechen (z. B. Geld oder Geschenke) als willensbeeinflussende Maßnahme anerkennen würde. Das „Inaussichtstellen“ eines Vorteils als Zwang zu bewerten, widerspricht bereits dem Wortsinn, welcher einen Druck auf den Körper oder den Geist des Opfers bewirken muss. Eine solche Auslegung überzeugt auch deshalb nicht, weil der Zwang als Tatmittel auf der gleichen Stufe steht wie die Gewaltanwendung gegenüber einer Person und mit einer 15-jährigen Haftstrafe bedroht wird. Ein solch hoher Strafrahmen für ein „Inaussichtstellen“ eines Vorteils ist völlig unverhältnismäßig.1311 Geschützt wird das sexuelle Selbstbestimmungsrecht und 1307

Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 23; Crim., 25.10.1994, Dr. pén. 1995.63, note

Véron. 1308

Vgl. dazu: Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 13, 14. Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 20; Cass. crim. 08.02.1995, Dr. pén. 1995, comm. 171, obs. M. Véron. 1310 Larguier/Larguier, Droit Pénal Spécial, Titre IV, Chapitre I, Section 1, § 1; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 20, 22; Roujou de Boubée/u. a., Code Pénal Commenté, § 1 Viol, Definition; Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 17; Crim., 8.6.1994, B. 226; Dr. pén. 1994, comm. 232, Véron; 21.10.1998, B. 274, D. 1999.75, note Mayaud. 1311 So aber die Ansicht von: Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 12; CA Bordeaux, 21.10.1998, Juris-Data no. 1998-048503; CA Pau, 16.01.2001, Juris-Data, no. 2001-140979; CA Montpellier, 02.10.2001, Juris-Data, no. 2001-167679. 1309

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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nicht die Moral der Person. Die Freiheit, sich gegen eine sexuelle Handlung entscheiden zu können, ist nicht deshalb beeinträchtigt, weil das Opfer einen Vorteil ausschlagen muss. Ein gewisser Selbstrespekt kann durchaus vom Opfer verlangt werden. cc) Spanien Das spanische Recht erkennt nur zwei Zwangsmittel an: die Gewalt und die Drohung. (1) Gewalt Unter der Gewalt („vis absoluta“) wird wie im deutschen und französischen Recht eine physische Kraftentfaltung verstanden. Diese muss nicht so schwerwiegend sein, dass das Opfer sich ihr nicht widersetzen kann. Die Intensität der Kraftentfaltung hängt vielmehr von Faktoren ab wie z. B. der Persönlichkeit, der Kraft, dem Alter des Täters und des Opfers und den eventuell eingeschränkten Abwehrfähigkeiten des Opfers aufgrund des Ortes.1312 Daher existiert keine einheitliche und allgemeine Gewaltdefinition, sondern es muss im Einzelfall bestimmt werden, ob die Gewaltanwendung ausreichte, den entgegenstehenden Willen des Opfers zu überwinden. Die Rechtsprechung bejahte beispielsweise die Gewalt bei Schlägen, Knüppelschlägen, Stößen und Tritten.1313 Es spielt keine Rolle, wer die Gewalt ausgeübt hat. So kann auch eine dritte Person (ein Mittäter oder Gehilfe) die Gewalthandlung ausführen, während der Täter die sexuelle Handlung vornimmt.1314 Allerdings genügt es nicht, dass eine dritte Person misshandelt wird. Die Gewalt muss sich auf die Person auswirken, die auch vergewaltigt wird. Wird eine dritte Person misshandelt, um das Opfer zur Vornahme oder zum Erdulden der sexuellen Handlung zu zwingen, handelt es sich nicht um Gewalt, sondern um die Anwendung des zweiten Nötigungsmittels der Drohung in Tateinheit mit einer Körperverletzung gegenüber dem Dritten.1315

1312 Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.3; SSTS 8.4.1992; 6.5.1992; 22.11.1992; 11.2.1993; 2.3.1993; 18.10.1993; 11.2.1994; 21.3.1994; 25.3.1994; 15.9.1994; 6.10.1994; Climent Duràn, Código Penal, Art. 178, 2.3. 1313 Sánchez Melgar, Código Pénal, Art. 178, 4; siehe auch die neuste Rechtsprechung zum Gewaltbegriff: SSTS 04.09.2000; 21.09.2001; 15.02.2002; 12.04.2002; 04.06.2002; 23.09.2002; 11.10.2003; 26.01.2004. 1314 Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 293 f.; Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.3. 1315 Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.3; Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 293.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Es ist heute nicht mehr notwendig, dass das Opfer sich gewehrt hat oder, dass sich Spuren von Gewalt am Körper des Opfers zeigen.1316 Früher wurde fast ein heroischer Akt des Opfers verlangt.1317 Dieser wurde dann in eine ernsthafte Gegenwehr bis hin zu einer vernünftigen oder ausreichenden Gegenwehr umgewandelt.1318 Das Erfordernis der Gegenwehr hatte dazu geführt, dass das Opfer kriminalisiert und seine fehlende Gegenwehr als Gefallen oder sogar als Anreiz zum Geschlechtsverkehr mit dem Täter interpretiert wurde. Durch den Vergewaltigungstatbestand wird aber die sexuelle Freiheit des Opfers und nicht die Geschlechtlichkeit geschützt. Zu dieser gehört es auch, sich zu entscheiden, sich nicht gegen die Gewalt zu wehren und sich in Trance zu begeben. Ein solches Opferverhalten ist auch nicht verwunderlich, wenn das Opfer die Gewalt realisiert und sich in einer inferioren Position gegenüber dem Täter befindet. Es ist sogar sinnvoll, sich nicht zu wehren, um sich weitere oder schwerwiegendere Schmerzen und Verletzungen zu ersparen.1319 Denn wenn sich das Opfer wehrt, muss der Täter davon ausgehen, dass die angewandte Gewalt nicht ausreichend war und er stärkere Gewalt zur Erreichung seines Zieles einsetzen muss. Es kommt nicht darauf an, die Gegenwehr des Opfers auszuschalten, sondern den Willen des Opfers zu überwinden, um somit die sexuelle Handlung durchführen zu können. Daher muss die Gewalt geeignet sein, den Willen des Opfers zu beugen oder zu brechen und der Geschlechtsverkehr muss gegen den Willen des Opfers vollzogen werden.1320 Die Gegenwehr muss folglich bei einer Gewaltanwendung nicht immer zu Tage treten. Sie ist heutzutage kein Tatbestandsmerkmal mehr, sondern dient im Prozess lediglich als Indiz eines entgegenstehenden Wil-

1316 Sánchez Melgar, Código Penal, Art. 178, 4; Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 216; Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.B, S. 254 f.; SSTS 18.10.1993; 28.2.1997;19.4.1997; Climent Duràn, Código Penal, Art. 178, 2.1-3; STS 587/98, 28.4.1998; STS 745/98, 21.5.1998; STS 1145/98, 7.10.1998; STS 1504/ 98, 9.12.1998; STS 409/00, 13.3.2000; STS 1714/99, 4.12.1999; STS 01.10.1999; 20.03.2000; Lascuraín Sánchez/Mendoza Buergo/Rodriguez Mourullo, Código Penal, S. 1075. 1317 Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.B, S. 256; siehe auch die jüngere Rspr.: SSTS 28.4.1998; 10.07.2000, die immer weniger auf die Gegenwehr des Opfers abstellt. 1318 Queralt verlangt z. B. eine vernünftige Gegenwehr des Opfers. Gar keine Gegenwehr sei nur möglich, wenn die Gewalt von solchem Ausmaß ist, dass eine Gegenwehr nicht mehr ausgeübt werden kann. Allerdings untscheide sich das zu verlangende Mass an Gegenwehr beim Vergewaltigungstatbestand vom Grundtatbestand insoweit, als dass das Opfer bei einer Vergewaltigung eine schwerere Gewaltanwendung zu befürchten habe als bei einer sexuellen Nötigung. Es habe dann bei der Befürchtung einer schweren Gewalthandlung das Recht, sich gegen eine Gegenwehr zu entscheiden und in Trance zu begeben. Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 196, § 6.3aa.acd. 1319 Climent Duràn, Código Penal, Art. 179, 1.3; Beispiel einer Frau, die aus Angst vor weiteren Schlägen ihre Hosen auszog und dem Täter dabei half den Penis in ihre Vagina einzuführen, STS 84/00, 24-1; Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 216. 1320 Climent Duràn, Código Penal, Art. 178, 2.3.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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lens des Opfers.1321 Viel wichtiger ist, dass zwischen Nötigungsmittel und sexueller Handlung eine Kausalität gegeben ist.1322 Dazu ist erforderlich, dass zwischen der Gewaltanwendung und der sexuellen Handlung ein zeitlich-räumlicher Zusammenhang besteht und, dass die sexuelle Handlung nur aufgrund der Gewaltanwendung zum Erfolg geführt hat.1323 (2) Drohung mit einem Übel Das zweite Nötigungsmittel ist die Drohung mit einem Übel. Die Drohung ist hingegen zur Gewalt nicht qualifiziert, sondern es genügt eine einfache Drohung oder Einschüchterung, die das Opfer dazu bringt, dem Ansinnen des Täters nachzugeben.1324 Angesichts der schweren Strafandrohung und der Gleichrangigkeit mit dem ersten Zwangsmittel muss das angedrohte Übel aber von gewisser Erheblichkeit sein. Das Ausmaß der Drohung muss mit der Gewaltanwendung gegenüber einer Person gleichgesetzt werden können. Ohne Zweifel kommen dazu Gewalthandlungen und andere Verhaltensweisen in Betracht, die mit der Vergewaltigung auf gleicher Stufe stehen wie Verbrechen mit einem gleichen oder höheren Strafrahmen (z. B. Totschlag/Mord).1325 Aber auch leichtere Drohungen wurden in der Rechtsprechung für ausreichend angesehen. Die Praxis hat zum Beispiel die Bedrohung einer Ausländerin mit einer Ausweisung1326 oder die Bedrohung eines Kindes mit Schlägen über mehrere Jahre hinweg als eine erhebliche Übelsankündigung angesehen.1327 Auch wurde eine empfindliche Drohung bejaht, als der Täter minderjährige Opfer in ein Haus eingeschlossen hatte oder 1321 Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.3; SSTS 8.4.1992; 6.5.1992; 22.11.1992; 11.2.1993; 2.3.1993; 18.10.1993; 11.2.1994; 21.3.1994; 25.3.1994; 15.9.1994; 6.10.1994; Climent Duràn, Código Penal, Art. 178, 2.3. 1322 Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 293; Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 216 f. 1323 Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.3; SSTS 8.4.1992; 6.5.1992; 22.11.1992; 11.2.1993; 2.3.1993; 18.10.1993; 11.2.1994; 21.3.1994; 25.3.1994; 15.9.1994; 6.10.1994; Climent Duràn, Código Penal, Art. 178, 2.3. 1324 Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.B, S. 255 f.; STS 28.2.1997; Lascuraín Sánchez/Mendoza Buergo/Rodriguez Mourullo, Código Penal, S. 1084; STS 2.7.1998; Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.4; Climent Duràn, Código Penal, Art. 178, 3.1 f.; Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 196, § 6.3aa.acc; Sánchez Melgar, Código Pénal, Art. 178, 4; STS 587/98, 28.4.1998; STS 745/98, 21.5.1998; STS 1145/98, 7.10.1998; STS 1359/99, 2-10; STS 409/00, 13.3.2000; Lascuraín Sánchez/Mendoza Buergo/Rodriguez Mourullo, Código Penal, S. 1084; STS 12.12.1991; STS 11.2.1994. 1325 Sánchez Melgar, Código Pénal, Art. 178, 4; Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 196 f., § 6.3aa.acc; Climent Duràn, Código Penal, Art. 178, 3.2; STS 1359/ 99, 2-10; STS 409/00, 13.3.2000; 12.04.2002; 18.10.2004. 1326 Climent Duràn, Código Penal, Art. 179, 1.4; STS 930/98, 2.7.1998; Lascuraín Sánchez/Mendoza Buergo/Rodriguez Mourullo, Código Penal, S. 1083 f. 1327 Climent Duràn, Código Penal, Art. 179, 1.4; STS 694/98, 22.5.1998.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

als der Täter minderjährigen Opfern drohte, deren Nacktfotos zu veröffentlichen.1328 Als ein unzureichendes Übel wurde hingegen der lediglich brüske Ton eines Mannes beim Verlangen, ihn oral zu befriedigen, bewertet.1329 Allein die Überlegenheit des Täters aufgrund seines höheren Alters und seiner Trainerposition reichte ebenfalls nicht aus, um von einer willensbeugenden Terrorisierung des Opfers ausgehen zu können.1330 Es ist zwar bei der Bewertung der Schwere der Übelsankündigung die persönliche Situation des Opfers sowie des Täters zu berücksichtigen. Eine Drohung gegenüber einem Kind oder einem Boxer bewirken ein unterschiedliches Maß an Einschüchterung. Es spielen daher das Alter und das soziale und familiäre Umfeld des Opfers eine entscheidende Rolle.1331 Es kommt aber nicht auf die Opferperspektive an. Der Richter muss objektiv feststellen, dass die vom Täter ausgedrückte Drohung zum Geschlechtsverkehr geführt hat, also dass die Kausalität zwischen dem Nötigungsmittel und der sexuellen Handlung gegeben ist.1332 Die Drohung muss erst die sexuelle Handlung ermöglicht haben und der Täter muss die Einschüchterung des Opfers wahrnehmen und diese zur Begehung der Sexualtat ausnutzen. Es ist unerheblich, ob das Opfer Widerstand geleistet hat.1333 Das Opfer wiederum muss davon überzeugt sein, dass das angedrohte Übel jeden Moment eintreten kann. Denn der psychologische Zwang wird im Opfer nur hervorgerufen, wenn es das angedrohte Übel für wirklich und ernsthaft hält, auch wenn es das in Wirklichkeit nicht ist. Die Angst oder Befürchtung muss jedoch rational begründbar sein.1334 Ferner muss sich die Drohung auf ein gegenwärtiges bzw. kurz bevorstehendes Übel beziehen, so dass das Opfer keinen anderen Ausweg hat, als dem Ansinnen des Täters nachzugeben. Würde sich die Drohung auf ein zukünftiges Übel be-

1328 Vgl. dazu: SSTS 17.02.2003; 07.11.2001; 23.05.2002; 23.6.2003; zit. in: Sánchez Melgar, Código Pénal, Art. 178, 4. 1329 Climent Duràn, Código Penal, Art. 179, 1.4; STS 761/99, 3.6.1999; Lascuraín Sánchez/Mendoza Buergo/Rodriguez Mourullo, Código Penal, S. 1084. 1330 Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.B, S. 255; STS 8.3.1997. 1331 Sánchez Melgar, Código Pénal, Art. 178, 4; Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 217 f.; SSTS 19.02.2002; 18.12.2002; Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 197, § 6.3aa.acc. 1332 Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 216 f.; Lascuraín Sánchez/Mendoza Buergo/ Rodriguez Mourullo, Código Penal, S. 1084; STS 05.05.2003. 1333 Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.4; SSTS 21-31990, 18.3.1992; 6.4.1992; 6.5.1992; 2.3.1994; Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 293. 1334 Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.4; Sánchez Melgar, Código Pénal, Art. 178, 4.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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ziehen, bestünde die Möglichkeit, Hilfe zu erlangen, womit eine Willensbeugung des Opfers gerade nicht bewirkt werden könnte.1335 Die Drohung muss zwar gegenüber dem Vergewaltigungsopfer zum Ausdruck gebracht werden, es ist aber auch möglich, dass sich die angedrohte Übelsverwirklichung auf eine dritte Person bezieht.1336 Die Drohung kann dem Opfer sowohl ausdrücklich als auch konkludent aufgrund eines schlüssigen Verhaltens vermittelt werden.1337 Logischerweise schließt ein Einverständnis zum Geschlechtsverkehr eine Nötigung des Opfers aus. Wenn zu Beginn der Handlung ein Einverständnis vorlag, das Opfer allerdings seine Meinung während der sexuellen Handlung ändert, und der Täter dann mit Gewalt oder Drohung gegen den Willen des Opfers fortfährt, hat er sich ebenfalls wegen Vergewaltigung strafbar gemacht.1338 dd) England Im englischen Recht wird grundsätzlich auf ein fehlendes Einverständnis abgestellt. Es finden sich jedoch ausdrückliche Vermutungsvorschriften im SOA von 2003, nach denen ein fehlendes Einverständnis unterstellt wird, wenn der Täter Gewalt angewandt oder mit ihr gedroht hat.1339 Dabei handelt es sich nicht um Tatbestandsvoraussetzungen wie in den zuvor behandelten Rechtsordnungen, sondern um prozessrechtliche Beweisregelung, die ein fehlendes Einverständnis unterstellen, wenn die Voraussetzungen der Beweisvorschrift erfüllt sind. (1) Gewalt Nach s. 75 Abs. 2 (a) und (b) fehlt es an einem Einverständnis, wenn der Täter gegenüber dem Opfer oder einem Dritten Gewalt angewandt hat. Die Gewalt ist im Sexualstrafgesetz nicht explizit definiert. Es findet sich allerdings eine Definition der Gewalt gemäß s. 161 Abs. 3 Powers of Criminal Courts Act 2000, die auf den SOA übertragen werden kann. Danach muss die Gewalt entweder den Tod oder eine Körperverletzung einer Person verursachen.1340 Eine leichte Kraft1335 Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 196 f., § 6.3aa.acc; Salgado/u. a., Compendio de Derecho Penal Espanol, Lección 9.3.B, S. 255; STS 25.3.1997; Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 294; Lascuraín Sánchez/Mendoza Buergo/Rodriguez Mourullo, Código Penal, S. 1084; STS 25.3.1997. 1336 Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 197, § 6.3aa.acc. 1337 Lascuraín Sánchez/Mendoza Buergo/Rodriguez Mourullo, Código Penal, S. 1083 f. 1338 Queralt Jiménez, Derecho Penal Español, S. 197, § 6.3aa.ace. 1339 Zur näheren Erläuterung der Vermutungswirkungen und Anwendung dieser Vorschriften im englischen Strafrecht wird auf die Ausführungen weiter unten unter dem fehlenden Einverständnis Englands, S. 453 ff., verwiesen. 1340 Vgl. Allen, Criminal Law, S. 397.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

entfaltung (wie z. B. eine Ohrfeige oder ein Stoß), welche keine Spuren am Körper hinterlässt, genügt danach nicht. Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss die Gewalt am Opfer oder an einer dritten Person verübt werden, so dass eine Gewalt gegenüber Sachen die Vermutungsvoraussetzungen nicht erfüllt.1341 Folglich ist die Gewalt im englischen Recht qualifiziert. Die Gewalt muss gegenwärtig sein, was bedeutet, dass sie entweder während oder kurz vor der sexuellen Handlung angewandt wird.1342 Sowohl der Täter der sexuellen Handlung als auch eine dritte Person (Mittäter, Gehilfe) können die Gewalt gegenüber dem Opfer oder einem Dritten ausüben. Sollte jedoch die Ausnahmesituation einer erwünschten Gewalthandlung am Sexualpartner vorliegen (wie z. B. bei einem sado-masochistischen Paar), löst die Gewalthandlung keine Vermutung eines fehlenden Einverständnisses aus.1343 (2) Drohung mit Gewalt Ebenso lässt nach s. 75 Abs. 2 a) und b) die Drohung mit Gewalt am Opfer oder einem Dritten vermuten, dass das Opfer der sexuellen Handlung nicht zugestimmt hat. Aufgrund der obigen Definition der Gewalt bedeutet dies, dass der Täter das Opfer oder einen Dritten mit einer Körperverletzung oder dem Tod drohen muss, so dass auch die Drohung qualifiziert ist. Eine Drohung mit einem anderen Nachteil als einer Körperverletzung oder dem Tod genügen nicht. Die Drohung kann entweder vom Täter selbst oder einem Dritten (Mittäter bzw. Gehilfe) ausgesprochen werden. Wichtig ist, dass mit einer kurz bevorstehenden Gewaltanwendung gedroht wird. Drohungen mit einer zukünftigen Übelsverwirklichung werden von der Vermutungsklausel nicht erfasst.1344 Es reicht, dass sich die Drohung mit Gewalt konkludent aus einem schlüssigen Verhalten des Täters ergibt. Gerade wenn eine Beziehung zwischen dem Täter und dem Opfer vor der Tat bestand und das Opfer aufgrund früherer Gewaltanwendungen wusste, dass es mit einer Gewaltan-

1341 Jefferson, Criminal Law, S. 574. Auch die Parlamentsdebatten lassen erkennen, dass eine Gewalt nur gegenüber einer Person und nicht gegenüber Sachen genügt. Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 682. 1342 Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.11; Jefferson, Criminal Law, S. 574. S. 75 Abs. 3 konkretisiert, dass unter dem Zeitpunkt „kurz vor Beginn der relevanten Handlung“ bei einer fortlaufenden Serie von sexuellen Handlungen gemäß s. 75 Abs. 2 a) und b) der Zeitpunkt vor Beginn der ersten sexuellen Handlung zu verstehen sei. 1343 Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 350, Rn. 9.29; Allen, Criminal Law, S. 397; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 682. 1344 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 682, kritisieren, dass Drohungen mit zukünftiger Gewalt nicht erfasst werden, obwohl sie das Opfer in eine ähnliche Zwangslage versetzen würden.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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wendung rechnen muss, wenn es dem sexuellen Drängen des Täters nicht nachgibt, liegt eine konkludente Drohung mit Gewalt vor.1345 ee) New York Das US-amerikanische Sexualstrafrecht nimmt bei der Frage, ob der Täter einen Zwang auf das Opfer ausüben muss oder ob es genügt, dass lediglich kein Einverständnis des Opfers vorliegt, eine Außenseiterposition ein. Alle anderen untersuchten Rechtsordnungen (bis auf die Überraschung im französischen Tatbestand) stellen entweder auf ein Zwangsmittel oder aber auf ein fehlendes Einverständnis ab, um einen legalen von einem strafbaren Geschlechtsverkehr abzugrenzen. Die Elemente des Zwangs und des fehlenden Einverständnisses spiegelten gerade im Aufbau der Sexualdelikte den spezifischen Unterschied der beiden Systeme des „Common Laws“ und des „Civil Laws“ wieder. Das amerikanische Recht dagegen vermischt beide Elemente in ihren zahlreichen Sexualtatbeständen, so dass es manchmal nicht mehr verständlich ist, ob nun eine Gewaltanwendung bzw. eine Drohung mit Gewalt und ein fehlendes Einverständnis kumulativ nachzuweisen sind, oder ob die Gewalt nur ein Beweismittel für ein fehlendes Einverständnis darstellt. Grundsätzlich handelt es sich beim Zwang und beim fehlenden Einverständnis um separate Tatbestandselemente. Die Gewaltanwendung beweist aber beide Elemente, was häufig zu Überschneidungen in den rechtlichen Ausführungen der Urteile geführt hat.1346 Der Grund für die Koexistenz von zwei Elementen in den US-amerikanischen Rechtsordnungen ist, dass traditionell gesehen nur die gewaltsame Vergewaltigung strafbar war, heute aber auch andere Gründe akzeptiert werden, die ein Einverständnis ausschließen bzw. unwirksam machen, weil sie das Opfer ähnlich wie ein Zwang in seinem sexuellen Selbstbestimmungsrecht verletzen.1347 Das Statut von New York enthält sowohl das Element der Gewalt als auch des fehlenden Einverständnisses. Der Fokus des Strafgesetzes liegt allerdings auf dem fehlenden Einverständnis. Die einzelnen Grade der Vergewaltigung (und der anderen behandelten Tatbestände) kriminalisieren verschiedene Formen des fehlenden Einverständnisses, und fügen eine Nötigungskomponente in den Tatbestand für die höchste Strafandrohung innerhalb der Sexualverbrechen ein. So findet sich nur im Vergewaltigungstatbestand ersten Grades (s. 130.35 Nr. 1 N.Y.P.L.) die Voraussetzung des gewaltsamen Zwangs („forcible compulsion“). Ebenso weisen die anderen beiden Verbrechenskategorien der kriminellen sexuellen Handlung ersten Grades (s. 130.50 Nr. 1 N.Y.P.L.) und des schweren sexuel1345 1346 1347

Allen, Criminal Law, S. 397. LaFave, Substantive Criminal Law, S. 620 ff. Dressler, Understanding Criminal Law, S. 626.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

len Missbrauchs dritten, zweiten und ersten Grades (s. 130.66 Nr. 1.a; 130.67 Nr. 1.a; 130.70 Nr. 1.a N.Y.P.L.) diese Bedingung der Tat auf. Damit besteht im Strafgesetzbuch von New York die Möglichkeit jegliche Einflussnahme auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht nach verschiedenen Strafrahmen zu bestrafen, wobei die Anwendung von Zwang mit der höchsten Strafe bedroht wird. Da dieser Abschnitt sich aber allein mit den Nötigungsmitteln beschäftigt, sollen an dieser Stelle nur die Vorschriften, die einen Zwang voraussetzen, erörtert werden. Alle anderen Tatbestandsmerkmale, die sich auf ein fehlendes Einverständnis beziehen, werden zurückgestellt. Die besagten Vorschriften (ss 130.35 Nr. 1, 130.50 Nr. 1, 130.66 Nr. 1.a; 130.67 Nr. 1.a; 130.70 Nr. 1.a) beinhalten stets das gleiche Nötigungsmittel, den gewaltsamen Zwang. Gemäß s. 130.00 Nr. 8 wird darunter entweder die Anwendung von körperlicher Gewalt oder eine ausdrückliche bzw. konkludente Drohung gegenüber dem Opfer oder einem Dritten mit einer kurz bevorstehenden Lebensgefahr, Körperverletzung oder einer Entführung verstanden.1348 Somit lässt sich das New Yorker Recht ebenfalls in die zwei Nötigungsmittel der Gewalt und der Drohung unterteilen. (1) Gewalt Die Gewalt muss sich gegen eine Person richten. Adressat der Gewalt kann auch eine dritte Person sein, während das Opfer die sexuelle Handlung erdulden oder vornehmen muss. Eine Gewalt gegenüber Sachen genügt allerdings nicht. Das größte Problem des Tatbestandsmerkmals der Gewalt ist jedoch, dass das Ausmaß der körperlichen Kraftentfaltung nicht im Gesetz spezifiziert ist. Insoweit ist das Fallrecht zu Rate zu ziehen. Das „Common Law“ brauchte die Gewalt nicht besonders zu definieren. Es wurde eine erhebliche Kraftentfaltung des Täters verlangt. Gegen die Gewaltanwendung musste sich das Opfer gewehrt haben und nur, wenn seine Gegenwehr mittels der Gewaltanwendung oder Drohung mit einer schweren Körperverletzung oder dem Tod überwunden wurde, konnte die Handlung wegen Vergewaltigung verurteilt werden.1349 Wie beim englischen „Common Law“ erörtert, hat sich die Rechtsprechung von diesem Erfordernis des körperlichen Widerstands getrennt, weil ein Widerstand des Opfers in der Regel zu einer Eskalation der Gewalt führt. Denn wenn sich das Opfer widersetzt, muss der Täter mehr Gewalt aufbringen, um zu seinem Ziel zu gelangen. 1348 Damit ist das New Yorker Strafgesetz dem „Model Penal Code“ gefolgt, der eine identische Definition in § 213.1(1)(a) enthält. Siehe dazu: Lee/Harris, Criminal Law, S. 389. 1349 Hazel v. State, 157 A.2d 922, 925 (Md. 1960); Rusk v. State, 43 Md. App. 476, 406 A.2d 624 (Ct. Spec. App. 1979), abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 481 ff.; siehe auch: Dressler, Understanding Criminal Law, S. 628 m.w. N.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Die alte Auffassung ignorierte ferner die Tatsache, dass viele Frauen auf ein sexuelles Drängen des Täters nicht mit körperlichem Widerstand reagieren, sondern starr vor Angst werden und außer Stande sind, sich zu wehren. Frauen haben wenig Erfahrung mit einer Gewaltanwendung, so dass sie es vorziehen, sich verbal zu widersetzen. Weiter suggerierte das Widerstandserfordernis, dass es nicht ausreiche, „nein“ zur sexuellen Handlung zu sagen.1350 Heutzutage ist man sich einig, dass es nicht auf einen Widerstand des Opfers ankommt, sondern auf die Handlung des Täters. Die meisten Staaten haben das Erfordernis der Gegenwehr abgeschafft, so auch der Staat New York. Die Wirkung ist, dass eine weniger brutale Gewaltanwendung als in der Vergangenheit ausreicht, um einen willensbeugenden Zwang beim Opfer bejahen zu können.1351 Trotz dieses gemeinsamen Verständnisses, dass die Gewaltanwendung nicht extrem sein muss, ist die Rechtsprechung alles andere als einig in der Frage, welche Kraftentfaltung der Täter nun aufwenden muss.1352 Im Fall Alston fand das Berufungsgericht, dass die Kraftentfaltung des Täters – das Festhalten und Zerren am Arm – nicht ausreichte, um eine Gewaltanwendung anzunehmen. Zudem lag ein längerer Zeitraum zwischen dem Festhalten und der sexuellen Handlung, so dass es auch an einer Kausalität mangelte.1353 Im Fall Berkowitz hatte der Täter das Opfer lediglich auf das Bett gedrückt, die Zimmertür von innen verriegelt und sein Körpergewicht bei der Durchführung der sexuellen Handlung eingesetzt, indem er sich auf das Opfer gelegt hatte. Das Berufungsgericht verneinte entgegen der ersten Instanz eine Gewaltanwendung. Die Gewalt müsse so stark sein, dass das Opfer gezwungen ist, die Handlung gegen seinen Willen vorzunehmen oder zu erdulden. Das Abschließen der Tür führte nicht dazu, dass das Opfer eingesperrt wurde, weil es die Tür von innen hätte öffnen können. Der Täter hatte sich zwar auf ihren Körper vor und während des Geschlechtsverkehrs gelegt, es konnte aber nicht bewiesen werden, dass das Opfer sich nicht hätte befreien können.1354

1350 Dressler, Criminal Law, S. 329; Dressler, Understanding Criminal Law, S. 631 m.w. N.; Schulhofer, in: Robinson, Criminal Law, S. 821; Scheb/Scheb II, Criminal Law, S. 136; siehe auch Commonwealth v. Berkowitz, 537 P. 143, 641 A.2d 1161 (1994): Das Oberste Gericht hob die Verurteilung mangels Gewalt auf, weil der Täter das Opfer nur auf das Bett gestoßen und das Opfer sich nicht physisch gewehrt, sondern nur „nein“ gesagt hatte. 1351 Dressler, Criminal Law, S. 330; Schulhofer, in: Robinson, Criminal Law, S. 821. 1352 LaFave, Substantive Criminal Law, S. 622. 1353 State v. Alston, 310 N.C. 399, 312 S.E. 2d 470 (1984), abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 492 ff.; Dressler, Criminal Law, S. 328. 1354 Commonwealth v. Berkowitz, 415 Pa. Super. 505, 609 A.2d 1338 (Super. Ct. 1992), abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 497 ff.; Gardner/Singer, Criminal Law, S. 671 ff.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Im Fall Brown hatte das Gericht Gewalt bejaht, als der Täter die Bettdecke weggezogen und das Opfer in seinem Bett ausgezogen hatte. Das Opfer wurde vom Täter überrascht, so dass es keine Gegenwehr leisten konnte.1355 Im Fall M.T.S hatte die erste Instanz den Kraftaufwand für ausreichend beurteilt, der zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs angewandt wurde. Die Berufungskammer war dieser weiten Auslegung nicht gefolgt. Das Oberste Gericht revidierte die Berufungsentscheidung und stimmte mit der ersten Instanz überein. Nach der Reformierung des Gesetzes liege der Schwerpunkt auf dem gewaltsamen Verhalten des Täters und nicht auf einem fehlenden Einverständnis des Opfers. Sowohl das fehlende Einverständnis als auch der Widerstand wurden aus dem Tatbestand gestrichen. Das Opferverhalten sei damit irrelevant geworden. Da nun das Statut nicht auf den Willen des Opfers oder dessen Widerstand abstellt, müsse die Gewalt so ausgelegt werden, dass nicht erneut der Blick der Jury auf die Gesinnung oder das Verhalten des Opfers beim Nachweis der Gewalt gelenkt werde. Dies könne nur sichergestellt werden, wenn jede sexuelle Penetration ohne das positive und freiwillig gegebene Einverständnis des Opfers den Tatbestand erfülle. Die körperliche Gewalt müsse konsequenterweise nicht über die zur Verwirklichung der sexuellen Handlung innewohnende Kraftentfaltung hinausgehen. Eine engere Auslegung der Gewalt – gerade im Hinblick auf einen Widerstand des Opfers – unterlaufe die Ziele der Gesetzesreform.1356 Besonders bedeutsam ist die letzte Entscheidung des Staats New York gegen Yanik, weil das Fallrecht sich auf das hier zu untersuchende Gesetz bezieht und insofern eine konkrete Interpretation des zur Debatte stehenden Tatbestands liefert. Der Richter erklärte der Jury, dass das erforderliche Ausmaß an Gewalt von den beteiligten Personen abhänge.1357 Entscheidend sei, dass die Gewalt oder die Drohung mit Gewalt geeignet sei, dass Opfer zum Nachgeben zu zwingen. Es komme auf die Perspektive des Opfers und nicht des Täters an.1358 Da die Gewaltanwendung eine Willensbeugung beim Opfer bewirken muss, wird vorausgesetzt, dass Gewalt angewandt wird, die über das Maß der Kraftentfaltung hinausgeht, die notwendig ist, um die sexuelle Handlung zu vollziehen. Diese Urteilsanalyse zeigt, dass sich grundsätzlich zwei Auslegungen des Gewaltbegriffs gegenüberstehen. Zum einen der traditionelle Gewaltbegriff, der ei1355 State v. Brown, 332 NC 262, 420 S.E.2d 147 (1992); Dressler, Criminal Law, S. 329. 1356 State v. M.T.S., 129 N.J. 422, 609 A.2d 1266 (1992), abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 509 ff.; siehe auch: Dressler, Criminal Law, S. 330; Dressler, Understanding Criminal Law, S. 634; Schulhofer, in: Robinson, Criminal Law, S. 822. 1357 People v. Yanik, 400 N.Y.S. 2d 778, 371 N.E. 2d 497 (1977); Klotter, Criminal Law, S. 143. 1358 Ruth v. State, 706 N.E.2d 257 (Ind. 1999); State v. O’Bryan, 572 N.W.2d 870 (Wis. 1997); Klotter, Criminal Law, S. 143.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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nen Nachweis einer Gewaltanwendung erfordert, welche über den Kraftaufwand hinausgeht, der erforderlich ist, um die sexuelle Handlung durchzuführen und zum anderen der moderne Ansatz, der eine solche Kraftentfaltung genügen lässt, die der sexuellen Handlung innewohnt.1359 Der Grund, dass überhaupt auf das Merkmal der Gewalt und nicht nur auf das fehlende Einverständnis abgestellt wird, ist, dass die Vergewaltigung als ein Gewaltverbrechen betrachtet wird und die Strafandrohung dementsprechend sehr hoch ist. Ein nicht gewollter Geschlechtsverkehr sollte daher einem geringeren Strafrahmen unterstellt werden als ein mit Gewalt vollzogener Geschlechtsverkehr, wie auch der Diebstahl (Wegnahme gegen den Willen) eine geringere Strafe nach sich zieht, als der Raub (Wegnahme mit Gewalt). Früher existierte aber ein solches Verbrechen ohne den Gewaltaspekt im US-amerikanischen Recht nicht, was bis heute noch in vielen Staaten der Fall ist. Gewalt bleibt das essentielle Element um eine kriminelle sexuelle Handlung von einem erlaubten Sexualverhalten zu unterscheiden.1360 Daraus resultiert der Versuch der Literatur und der Rechtsprechung den Gewaltbegriff soweit wie möglich auszulegen, um so auch sexuelle Handlung bestrafen zu können die offensichtlich gegen den Willen des Opfers erfolgten, aber nicht mittels Gewalt erzwungen wurden.1361 New York gehört jedoch zu den wenigen Staaten der USA, die bereits den Geschlechtsverkehr aufgrund eines fehlenden Einverständnisses nach einem geringeren Strafrahmen bestrafen als den mittels Gewalt vollzogenen Geschlechtsverkehr. Die Gewalt dient vielmehr als ein Qualifikationsmerkmal. Da es somit nicht an einem weiteren Tatbestand fehlt, der nur auf das fehlende Einverständnis des Opfers abstellt, ohne dass Gewalt angewendet werden muss, besteht kein Anlass zu einer extensiven Auslegung des Gewaltbegriffs. Sollte keine über die sexuelle Handlung hinausgehende Kraftentfaltung vorliegen, be1359 Vgl. dazu: LaFave, Substantive Criminal Law, S. 622 ff. LaFave nennt den modernen und traditionellen Ansatz „intrisic force standard“ und „extrinsic force standard“. Er kommt nach einer Analyse der meisten Sexualstraftaten in den USA zu der Verallgemeinerung, dass der intrinsische Ansatz genügt, dass aber der extrinsische Gewaltbegriff bewiesen werden müsse, wenn ein Einverständnis möglich oder rechtlich relevant war. Der extrinsische Standard ist natürlich wieder ungenauer, weil nicht feststeht, wie viel Kraft entfaltet werden muss. Damit ist es den Gerichten überlassen, das notwendige Ausmaß an Gewalt zu bestimmen. 1360 Schulhofer, in: Robinson, Criminal Law, S. 821. 1361 Schulhofer, U.Pa.L.Rev. 143, 1995, S. 2151, abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 532; Schulhofer, in: Robinson, Criminal Law, S. 821 f., so auch Bryden, in: Robinson, Criminal Law, S. 823 f., der es vorzieht, das Erfordernis der Gewalt und der Gegenwehr aufrechtzuerhalten, um eine einheitliche Rechtsprechung zu garantieren und die hohe Strafandrohung zu rechtfertigen. Handlungen ohne Gewalt gegen den Willen des Opfers können nach einem minderschweren Strafrahmen bestraft werden. In Staaten, die keine Abstufungen der Vergewaltigung eingeführt haben, sollte das Gewalterfordernis nicht abgeschafft werden.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

steht im New Yorker Strafgesetzbuch für ein solches Verhalten ein Auffangtatbestand („Sexual misconduct“, s. 130.20 N.Y.P.L.) und somit kein Bedarf die Tat als Vergewaltigung (oder anderes schweres Sexualverbrechen) zu behandeln. Ein gemeinsamer Nenner des obigen Fallrechts ist aber, dass die Gewalt eingesetzt werden muss, um den entgegenstehenden Willen des Opfers zu überwinden. Die entscheidende Frage muss daher lauten: War die angewandte Gewalt ausreichend, um den zu erwartenden Widerstandswillen des Opfers zu überwältigen.1362 Dabei sind die Gesamtumstände der Tat und besonders die Muskelkraft und Körpergröße des Täter und Opfers zu berücksichtigen. Ob nun die Kraftentfaltung im Einzelfall ausreichte, den Willen zu beugen, ist aus der Sichtweise des Opfers zu beurteilen. (2) Drohung Die Drohung mit einer Körperverletzung, Entführung oder dem Tod muss geeignet sein, das Opfer in Angst zu versetzen. Dies ist nur der Fall, wenn es den Eintritt des in Aussicht gestellten Übels für realistisch hält.1363 Es kann daher nicht schaden, dass die Drohung nicht ernst gemeint war oder der Täter gar nicht die Möglichkeit hatte, die Drohung zu verwirklichen. Entscheidend ist vielmehr, dass das Opfer an die Echtheit der Drohung geglaubt hat, welches damit einen Zwang beim Opfer ausgelöst und folglich einen zu erwartenden Widerstand des Opfers ausgeschaltet hat.1364 Auch bei der Drohung ist explizit im Tatbestand bestimmt, dass sich das in Aussicht gestellte Übel auf das Opfer oder einen Dritten beziehen kann. Die Drohung muss keineswegs mit Worten zum Ausdruck gebracht werden, sie kann sich auch aus einem schlüssigen Verhalten des Täters und den Gesamtumständen der Tat ergeben.1365 Es kommt auf die Sicht des Opfers an. Der Gesetzgeber von 1362

Estrich, Rape, 95 Yale L.J. (1986) S. 1107 f. State v. Hoffman, 228 Wis. 235, 280 N.W. 357 (1938). 1364 LaFave, Substantive Criminal Law, S. 626; Dressler, Understanding Criminal Law, S. 625. 1365 Gerade der Fall Rusk ist ein Beispiel für eine zu enge Auslegung der konkludenten Drohung. Der Täter hatte das Opfer in eine ihr unbekannte Gegend bei Nacht gebracht, die Autoschlüssel weggenommen, sie aufgefordert in sein Appartment zu kommen und sie mit seinem Blick und körperlichen Überlegenheit so eingeschüchtert, dass das Opfer unstreitig davon ausging, dass es entweder mit einer schweren Körperverletzung oder dem Tod zu rechnen hatte, wenn sie dem sexuellen Ansinnen des Täters nicht nachgegeben hätte. Das Berufungsgericht fand die Angst des Opfers aber nicht nachvollziehbar und hob die Verurteilung der ersten Instanz wegen Vergewaltigung wieder auf. Rusk v. State, 43 Md. App. 476, 406 A.2d 624 (Ct. Spec. App. 1979), abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 481 ff. Richter Wilner machte in seiner abweichenden Meinung deutlich, dass die Tatsituation nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Das Berufungsgericht hatte sich nicht die Körpergröße des Täters in Relation zum Opfer vergegenwärtigt, obwohl die Jury in der ersten Instanz, die Angst des Opfers nachvoll1363

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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New York hat bewusst auf die Formulierung „begründete Angst“ („reasonable“) verzichtet, welches in anderen Staaten zu einer Ablehnung einer schlüssigen Drohung geführt hatte, wenn die Angst nur subjektiv vom Opfer, aber nicht von einem objektiven Beobachter empfunden wurde.1366 Die Drohung ist ein objektives Element, d. h. der Täter muss ein Übel aus objektiver Perspektive in Aussicht gestellt haben. Die Angst wird jedoch vom Opfer subjektiv empfunden. Da es auf eine Willensbeeinträchtigung ankommt, muss das konkrete Opfer in der fraglichen Situation und nicht ein objektiver Dritter einen Zwang empfunden haben. Demnach kann auch eine nicht objektiv nachvollziehbare Angst des Opfers den Tatbestand erfüllen. Besonders bei einer konkludenten Drohung kommt es auf einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Drohung und der sexuellen Handlung an. Die Drohung mit einer Körperverletzung wurde z. B. im Fall Alston abgelehnt, weil der Täter das Opfer vor ihrem Unterricht abgefangen und am Arm weggezerrt hatte, ihr gedroht hatte, ihr „Gesicht herzurichten“ und danach mit dem Opfer für eine längere Zeit spazieren gegangen war. Dann hatte er das Opfer in ein Haus geführt und dort die sexuellen Handlungen mit dem Opfer vollzogen, ohne weitere Gewalt anzuwenden oder eine weitere Drohung auszusprechen. Die Angst des Opfers vor einer Körperverletzung rührte von früheren Gewalthandlungen während ihrer Beziehung zum Täter her. Das Gericht fand, dass die allgemeine Angst vor dem Täter nicht ausreiche, sie glauben zu machen, sich dem Geschlechtsverkehr hingeben zu müssen. Die vorher ausgesprochene Drohung, ihr „Gesicht herzurichten“ und das Ergreifen ihres Armes stünden in keinem Zusammenhang mehr mit der sexuellen Handlung. Es war inzwischen viel Zeit verstrichen und es hatte sogar ein Ortswechsel stattgefunden.1367 Zukünftige Drohungen und Drohungen mit anderen Nachteilen wie z. B. einer Inhaftierung oder Sachbeschädigung sind aufgrund der konkreten Aufzählung nicht tatbestandsmäßig.1368 Die Nötigungsmittel sind somit im Staat New York qualifiziert.

ziehbar gefunden hatte. Der Oberste Gerichtshof fand ebenfalls, dass die Entscheidung der Jury oblag und revidierte das Urteil in einer Mehrheitsentscheidung entgegen der Meinung von drei Richtern. State v. Rusk, 424 A.2d 720, 733 (Md. 1981); abgedr. mit den abweichenden Meinungen des Gerichts in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 491. 1366 Rusk v. State, 43 Md. App. 476, 406 A.2d 624 (Ct. Spec. App. 1979), abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 481 ff. 1367 State v. Alston, 310 N.C. 399, 312 S.E. 2d 470 (1984), abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 492 ff.; Dressler, Criminal Law, S. 328. 1368 State v. Thomson, 792 P.2d 1103 (Mont. 1990): Ein Lehrer drohte einer Schülerin, sie durchfallen zu lassen. Die Drohung löste zwar einen Zwang beim Opfer aus, aber sie war keine Drohung mit einer Körperverletzung. Daher lag keine Vergewaltigung vor.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

ff) Kalifornien Das kalifornische Strafgesetzbuch enthält – wie schon bei der sexuellen Handlung weiter oben erwähnt – nicht so viele Tatbestände mit unterschiedlichen Strafrahmen („degrees“) wie das Statut von New York. Beide Gesetzgeber haben aber die verschiedenen Sexualtatbestände sowohl mit Nötigungsmitteln als auch mit dem Merkmal des fehlenden Einverständnisses vermischt. Da die Sexualstraftaten der Vergewaltigung, Vergewaltigung in der Ehe, Sodomie, Oralverkehr, Penetration mit fremden Objekten sogar mehrere Nötigungsvarianten neben den vielen Voraussetzungen eines fehlenden Einverständnisses enthalten, wird die hiesige Darstellung nach den einzelnen Zwangsmitteln unterteilt. Die Absätze der einzelnen Tatbestände, die sich mit einem fehlenden Einverständnis beschäftigen, werden erst an entsprechender Stelle weiter unten diskutiert. (1) Qualifizierte Gewalt und Drohung Nach ss. 261 Abs. a) 2) („Rape“), 262 Abs. a) 1) („Spousal rape“), 286 Abs. c) 2) („Sodomy“), 288a Abs. c) 2) („Oral copulation“) und 289 Abs. a) 1) PC („Sexual penetration with a foreign object“) muss der Täter gegen den Willen des Opfers handeln und zwar mit Mitteln der Kraft („force“), Gewalt („violence“), Nötigung („duress“), Drohung („menace“) oder Angst („fear“) vor einer gegenwärtigen und rechtswidrigen Körperverletzung gegenüber dem Opfer oder einem Dritten. Von diesen insgesamt fünf Zwangsmitteln sind nur die Drohung und die Nötigung im Gesetz definiert. (a) Gewalt Die Gewalt und die Kraft sind nicht zwei unterschiedliche Nötigungsmittel, sondern im Grunde Synonyme. Sie setzen beide nach dem Verständnis des Sprachgebrauchs eine gewisse physische Kraftentfaltung voraus. Dem Tatbestand oder dem Wortlaut ist aber nicht zu entnehmen, wie viel Kraft aufgewendet werden muss. Insofern ist auf die Rechtsprechung Bezug zu nehmen. Wie schon ausführlich beim New Yorker Statut aufgezeigt, werden in der US-amerikanischen Rechtsprechung entsprechend dem Entwicklungstand des Gesetzes zwei Ansätze favorisiert. Handelt es sich noch um ein traditionelles Gesetz, dass stets die Gewaltanwendung neben einem fehlenden Einverständnis voraussetzt, wird grundsätzlich ein sehr weiter Gewaltbegriff angewandt, um auch Handlungen bestrafen zu können, die zwar nicht gewaltsam erscheinen, aber dennoch eindeutig gegen den Willen des Opfers vorgenommen wurden. In Statuten, die bereits einen Tatbestand aufgenommen haben, der auch eine sexuelle Penetration bestraft, die nicht mit Gewalt, aber ohne ein Einverständnis des Opfers durchgeführt wurde, bedarf es jedoch keiner weiten Auslegung des Gewaltbegriffs.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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In Kalifornien existiert zwar nicht wie in New York ein separater Tatbestand des ungewollten Geschlechtsverkehrs, allerdings verfügen die ss. 261, 262, 286, 288a, 289 PC über mehrere Alternativen des fehlenden Einverständnisses. Wie sich später bei der Abhandlung zum fehlenden Einverständnis noch zeigen wird, sehen die ss. 261–289 PC auch eine Strafbarkeit für einen ungewollten Geschlechtsverkehr ohne eine Gewaltanwendung oder eine Drohung mit einem Nachteil vor.1369 Dieser Umstand spricht dafür, dass die Gewalt eine physische Kraftentfaltung gegenüber dem Opfer aufweisen muss, die über die Kraft hinausgeht, die notwendig ist, um die sexuelle Handlung durchzuführen (enge Auslegung). Die kalifornischen Gerichte haben diese enge Auslegung des Gewaltbegriffs mehrfach bestätigt. Die Kraftentfaltung muss demnach nicht erheblich sein, aber den Kraftaufwand übersteigen, welcher die Durchführung der sexuellen Handlung beansprucht.1370 Eindeutig geht auch aus den Fällen hervor, dass die Gewalt gegenüber einer Person und nicht Sachen angewandt werden muss. Die Gewalthandlung an einem Dritten ist nach dem Gesetzestext ausreichend, den Willen des Opfers zu beugen. (b) Drohung mit einer Körperverletzung Gemäß ss. 261 Abs. c) („Rape“) und 262 Abs. d) („Spousal rape“) wird unter einer Drohung („menace“) jede Drohung in Form einer Deklaration oder einer Handlung verstanden, welche eine Absicht zeigt, eine Körperverletzung herbeizuführen. Die Drohung mit einer Körperverletzung kann demnach ausdrücklich oder konkludent mitgeteilt werden.1371 Eine Drohung mit einem anderen Nachteil oder aber eine Drohung mit einer in der Zukunft liegenden Körperverletzung erfüllt diese Tatalternative ausdrücklich nicht. Die Drohung kann sich sowohl auf das Opfer der sexuellen Handlung als auch auf eine andere Person beziehen. Das Aussprechen einer Drohung ist aber nicht genug. Das Opfer muss die Körperverletzung befürchten, weil sich ansonsten der Zwang nicht auf den Willen des Opfers ausgewirkt haben kann. Das Opfer muss also Angst um sein körperliches Wohlbefinden haben. Daraus ergibt sich zum einen, dass das Opfer die 1369 Siehe dazu die zahlreichen Alternativen eines fehlenden Einverständnisses in den Sexualtatbeständen der ss. 261–289 PC, 4. Kapitel III. 3. a) ff). 1370 People v. Young, 190 Cal. App. 3d 248, 257-58 (Ct. App. 1987); People v. Iniguez, 7 Cal. 4th 847, 30 Cal. Rptr. 2d 258, 872 P.2d 1183 (1994), abgedr. in: Gardner/ Singer, Criminal Law, S. 675 ff.: Der Täter war in das Bett des schlafenden Opfers eingedrungen, hatte ihre Hose heruntergezogen und mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen, ohne Gewalt anzuwenden. People v. Griffin, 94 P.3d 1089, 1094 (Cal. 2004); Dressler, Understanding Criminal Law, S. 634. 1371 People v. Barnes, 721 P.2d 110, 122 (Cal. 1986); People v. Iniguez, 7 Cal. 4th 847, 30 Cal. Rptr. 2d 258, 872 P.2d 1183 (1994), abgedr. in: Gardner/Singer, Criminal Law, S. 677; Dressler, Understanding Criminal Law, S. 628.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Drohung ernst nehmen muss. Zum anderen stellt die Angst die subjektive Reaktion des Opfers auf die objektive Drohung dar, so dass es sich bei der Angst nicht um ein separates Zwangsmittel handeln kann. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber wiederholt, wie er es schon zuvor mit den zwei Gewaltbegriffen („force/violence“) getan hat. Viele Rechtsordnungen der USA stellen auf eine objektive Sicht ab und verlangen, dass die Angst aus der Sicht eines objektiven Dritten nachvollziehbar („reasonable“) ist.1372 Da der Gesetzgeber aber im kalifornischen Statut nicht das Wort „reasonable“ eingebracht hat, hat die kalifornische Justiz daraus gefolgert, dass auch eine rein subjektive Angst ausreicht, wenn der Täter die Angst des Opfers kannte und sie ausgenutzt hat.1373 Interessant ist diesbezüglich der Fall Iniguez. Die Berufungskammer fand entgegen der ersten Instanz, dass keine nachvollziehbare Drohung für eine kurz bevorstehende Körperverletzung gegeben war, als der dem Opfer unbekannte Täter in das Bett des Opfers gestiegen war, sie ausgezogen und dann penetriert hatte. Die Begründung lautete, dass das Opfer die nebenan schlafende Tante hätte zu Hilfe rufen können.1374 Der Oberste Gerichtshof in Kalifornien hob allerdings die Berufungsentscheidung wieder auf und verwies den Fall an die erste Instanz zurück, weil die Berufungskammer auf einen (verbalen) Widerstand des Opfers abgestellt hatte, was heutzutage nicht mehr statthaft sei. Das Opfer sei eben nicht verpflichtet gewesen, die Tante um Hilfe zu rufen. Stattdessen müsse aber das Opfer eine nachvollziehbare Angst vor einer kurz bevorstehenden Körperverletzung gehabt haben oder wenn die Angst nicht nachvollziehbar war, müsse der Täter von der Angst des Opfers gewusst und diese ausgenutzt haben. Auf welche Weise die Angst im Opfer erzeugt wird, sei jedoch keine Tatbestandsvoraussetzung.1375 Insofern reicht ein subjektiver Test in Bezug auf die Angst des Opfers aus. (c) Zwang Der Zwang („duress“)1376 ist in ss. 261 Abs. b) und 262 Abs. c) definiert. Der Zwang besteht aus einer ausdrücklichen oder konkludenten Androhung einer 1372 Dressler, Understanding Criminal Law, S. 628; People v. Kinney, 691 N.E.2d 867, 870 (Ill. Ct. App. 1998). 1373 Dressler, Understanding Criminal Law, S. 628; People v. Barnes, 721 P.2d 122 n. 20 (Cal. 1986); People v. Iniguez, 7 Cal. 4th 847, 30 Cal. Rptr. 2d 258, 872 P.2d 1183 (1994), abgedr. in: Gardner/Singer, Criminal Law, S. 675 ff. 1374 People v. Iniguez, 7 Cal. 4th 847, 30 Cal. Rptr. 2d 258, 872 P.2d 1183 (1994), abgedr. in: Gardner/Singer, Criminal Law, S. 678. 1375 People v. Iniguez, 7 Cal. 4th 847, 30 Cal. Rptr. 2d 258, 872 P.2d 1183 (1994), abgedr. in: Gardner/Singer, Criminal Law, S. 679 f. 1376 Grundsätzlich wird „duress“ im Deutschen mit „Nötigung“ übersetzt. Es wurde hier jedoch der neutralere Ausdruck „Zwang“ bevorzugt, weil alle Zwangsmittel eine Nötigung, d. h. eine Willensbeugung oder einen Willensbruch des Opfers voraussetzen. Das Wort „Nötigung“ hätte in der deutschen Sprache zu einem Missverständnis geführt.

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Kraft- bzw. Gewaltanwendung, einer Gefahr oder einer Vergeltung. Eine weitere Hilfestellung gibt der letzte Satz der Definition. Bei der Beurteilung, ob das Opfer zur sexuellen Handlung genötigt wurde, sind im Einzelfall alle Umstände inklusive des Alters des Opfers und seiner Beziehung zum Täter zu berücksichtigen. Das angedrohte Übel muss schwer genug wiegen, eine vernünftige Person zu zwingen, eine Handlung durchzuführen oder hinzunehmen, die es ohne den Zwang nicht vorgenommen oder erduldet hätte. Damit genügt nicht irgendein Zwang, sondern es muss sich um einen erheblichen Nachteil handeln. Drohungen mit einer Körperverletzung oder dem Tod sind zweifellos schwer genug, um den Willen einer Person zu brechen. Dadurch, dass die Drohung mit einer Vergeltung oder Gefahr keine gegenwärtige Realisierung erfordert, können auch Drohungen mit Körperverletzungen in der Zukunft erfasst werden. Es dürfte auch nichts dagegen sprechen, die Drohung mit einer rechtswidrigen Inhaftierung, Entführung oder einer Abweisung oder Auslieferung in ein anderes Land als geeigneten Zwang gelten zu lassen, weil diese Drohungen in den besagten Tatbeständen unter einer anderen Alternative als adäquate Zwangsmittel aufgeführt sind. Allerdings werden all diese Drohungen bereits unter anderen Absätzen erfasst, so dass der Zwang an sich ein überflüssiges Tatmittel darstellt. Dadurch, dass es aber an einer konkreten Umschreibung des Übels fehlt, wurde die Entscheidung, welche Übelsandrohungen nun ausreichen, auf den Richter (Jury) im Einzelfall abgewälzt. Somit ist diese Tatalternative des Zwangs flexibler und weiter als die bestimmten Drohungen nach den anderen Alternativen. Von den Nötigungsmitteln kommt dem Zwang folglich eine Auffangfunktion zu, sollte die konkrete Willensbeeinflussung strafwürdig erscheinen und nicht bereits unter die anderen Tatmittel subsumiert werden können. (2) Zukünftige Drohung Die dritte und vierte Variante beschäftigen sich ebenfalls mit der Drohung von Nachteilen für das Opfer oder einen Dritten. Der Täter muss dem Opfer drohen, in der Zukunft gegen das Opfer oder einen Dritten Vergeltung zu üben (ss. 261 Abs. a) 6), 262 Abs. a) 4), 286 Abs. c) 3) und l), 288a Abs. c) 3) und 289 Abs. a) 2) und l). Darunter wird die Drohung mit einer Entführung, rechtswidrigen Inhaftierung, mit der Verursachung von schweren Schmerzen, einer schweren Körperverletzung oder dem Tod verstanden. Das in Aussicht gestellte Übel ist damit konkret in der Vorschrift wiedergegeben. Dass die Gefahr nicht gegenwärtig sein muss, sondern sich erst in der Zukunft realisieren kann und das Opfer die Möglichkeit hat, Hilfe zu erlangen, wird mit der Androhung besonders schwerer Schadenszufügungen kompensiert. Es muss ferner eine realistische Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Täter die Drohung ausführen wird. Es reicht also nicht, dass das Opfer die Drohung ernst genommen hat und der Täter aber gar nicht beabsichtigte, das angedrohte Übel zu verwirklichen. Der Test hinsichtlich der Befürchtung des Opfers wurde an dieser Stelle objektiviert.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

(3) Gemeinschaftliche Begehung Nur beim Tatbestand des Analverkehrs („Sodomy“) und des Oralverkehrs besteht eine Besonderheit. Neben dem Tatmittel der Gewalt und Drohung mit einer kurz bevorstehenden Körperverletzung (s. 286 Abs. c) 2) und 288a c) 2) und dem Tatmittel der zukünftigen Drohung, Vergeltung zu üben (s. 286 Abs. c) 3) und 288a c) 3) existiert ein weiterer Tatbestand, der eben diese Tatmittel der Gewalt und besagten Drohungen beinhaltet, ss. 286 d) und 288a d) 1) und 2). Es muss aber hinzukommen, dass zwei Personen gemeinschaftlich die Tat begangen haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob beide Personen täterschaftlich zusammen gewirkt haben oder eine Person nur Gehilfe bei der Handlung des anderen war. Dieser zusätzliche Umstand der gemeinschaftlichen Begehung führt zu einem höheren Strafrahmen als bei den Alternativen, die keine gemeinschaftliche Begehung voraussetzen. Es handelt sich somit nicht um eine weitere Nötigungsvariante, sondern vielmehr um eine Qualifikation aufgrund der gemeinschaftlichen Begehung der Tat. (4) Drohung mit einer Verhaftung oder Auslieferung Nach ss. 261 Abs. a) 7), 262 Abs. a) 5), 286 Abs. k), 288a Abs. k) und 289 Abs. g) wird auch eine Drohung des Täters erfasst, seine Position als öffentlicher Beamter oder Funktionsträger auszunutzen, um das Opfer oder einen Dritten zu verhaften bzw. auszuliefern. Der Täter muss nicht tatsächlich ein öffentlicher Funktionsträger sein. Das Opfer muss aber in begründeter Weise an dessen Funktion geglaubt haben. Eine rein subjektive Vorstellung des Opfers reicht somit nicht aus. Öffentliche Funktionsträger sind Personen, die bei einer staatlichen Behörde angestellt sind und die Autorität besitzen, jemanden zu verhaften oder zu deportieren. gg) Übereinstimmungen und Abweichung der sechs Rechtsordnungen bzgl. der Nötigungshandlung Alle untersuchten Rechtsordnungen stimmen darin überein, dass die Gewalt und die Drohung geeignete Nötigungsmittel zu einer Vergewaltigung sind. Die Meinungen gehen auseinander, wenn es um die Aufzählung von weiteren Zwangsmitteln geht. (1) Gewalt Die Gewalt wird in allen sechs Rechtsordnungen recht einheitlich ausgelegt. Es wird darunter eine nicht unerheblich, aber auch nicht schwerwiegende physische Kraftentfaltung gegen den Körper des Opfers verstanden, die beim Opfer einen solchen körperlichen Zwang auslöst, dass sein entgegenstehender Wille gebeugt oder gebrochen wird. Dies kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung

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aller Tatumstände wie z. B. die Körpergröße des Täters und des Opfers entschieden werden. In der Praxis wurden Ohrfeigen, Schläge, Tritte, Stöße sowie das Festhalten, Einsperren und Betäuben als Gewalt angesehen. Der Grad der angewandten physischen Kraft ist somit relativ niedrig. Eine Gewalt gegenüber Sachen genügt jedoch nicht. In Frankreich und Spanien muss die Gewalt gegenüber dem Vergewaltigungsopfer erfolgen. Damit wird eine Gewalt gegenüber einer dritten Person als unzureichend angesehen. In England und den USA kann auch eine dritte Person Adressat der Gewalt sein, während das Opfer die sexuelle Handlung vollziehen bzw. erdulden muss. In Deutschland tendieren die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur dazu, Gewalt gegenüber einer dem Opfer nahestehenden oder zur Hilfe eilenden Person genügen zu lassen. Eine andere Ansicht steht auf dem gleichen Standpunkt wie Frankreich und Spanien, dass darin nur eine konkludente Drohung für das Opfer zu sehen sei. Insofern ist das Ergebnis der Gegenüberstellung der ausgewählten Rechtsordnungen unentschieden. Feststeht aber, dass nach allen Rechtsordnungen die Möglichkeit besteht, die Gewalt gegenüber einem Dritten nach dem zweiten Nötigungsmittel der Drohung zu behandeln. Die weite Auslegung in den „Common Law“-Staaten und teilweise in Deutschland, dass eine Gewalt gegenüber einem Dritten ausreicht, ist im Grunde überflüssig, weil diese Fälle durch das zweite Zwangsmittel der Drohung erfasst werden können. Die wertende Rechtsvergleichung führt somit zum Ergebnis, dass die Gewalt gegenüber einem Dritten nicht als Gewalt im Sinne des Vergewaltigungstatbestands, sondern nach dem zweiten Zwangsmittel der Drohung mit Gewalt zu behandeln ist. Die Gewalt kann vom Täter als auch von einer dritten Person (wie einem Mittäter oder Gehilfen) ausgehen. In Deutschland besteht allerdings die Besonderheit, dass zwischen Täter und Opfer ein sexueller Kontakt zwingende Voraussetzung ist, so dass eine Mittäterschaft an der Vergewaltigung ausgeschlossen ist, wenn der andere lediglich die Zwangsmaßnahmen, aber nicht die sexuelle Handlung durchführt. Denn die sexuelle Handlung kann dem anderen nicht als eigene Handlung zugerechnet werden. Somit kann zwar ein Dritter die Nötigungshandlung ausführen, er ist dann aber mangels eines Körperkontakts nicht als Mittäter, sondern nur als Gehilfe zur Vergewaltigung anzusehen. Da Deutschland eine Ausnahme in der Rechtsvergleichung darstellt, spielt diese vereinzelte Rechtsansicht keine Rolle bei der hier angestrebten Prinzipiengewinnung. Es kommt bei der Gewaltanwendung nicht auf einen Nachweis einer äußeren Gegenwehr des Opfers an. Dem Opfer steht es frei, ohne Widerstand die Handlungen des Täters über sich ergehen zu lassen. Entscheidend ist, dass das Opfer einen inneren Widerwillen gegen die sexuelle Handlung gebildet hat. Die Gewalt muss die sexuelle Handlung erst ermöglicht bzw. erleichtert haben. Alle Rechtsordnungen setzen voraus, dass die Gewalt sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht zur Herbeiführung der sexuellen Handlung gedient ha-

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

ben muss. Wurde die Gewalt zu einem anderen Zweck eingesetzt oder aber das Opfer überrascht oder getäuscht, ohne dass es einen Widerstandswillen bilden konnte, fehlt es an der kausalen und finalen Verknüpfung der Gewalt mit der sexuellen Handlung. (2) Drohung Das zweite in den untersuchten Rechtsordnungen übereinstimmende Zwangsmittel der Drohung ist im deutschen, englischen, US-amerikanischen Recht qualifiziert, d. h., der Täter muss das Opfer mit einer gegenwärtigen Leibes- oder Lebensgefahr bzw. in New York zudem mit einer Entführung bedrohen, während in Frankreich und Spanien eine Drohung mit einem gegenwärtigen, empfindlichen Übel ausreicht. Der französische Tatbestand spricht von der ernsthaften und direkten Ankündigung eines beachtlichen Schadens, der spanische Tatbestand verlangt, dass das angedrohte Übel in der Intensität mit der Gewalt gleichzusetzen ist. Beide Rechtsordnungen sind sich einig, dass das angedrohte Übel so schwer wiegen muss, dass es geeignet ist, den Willen des Opfers zu beugen. Insofern genügt nicht jeder Nachteil, sondern der angedrohte Schaden muss entweder eine Leibes- oder Lebensgefahr darstellen oder einen Schaden, der diesem Übel gleichkommt. Drohungen mit einem zumindest kleinen wirtschaftlichen Nachteil oder einer leichten Körperverletzung wie z. B. einer Ohrfeige erfüllen diesen Standard nicht. Andererseits sind nach dieser Auslegung die Ankündigung einer Strafverfolgung, einer Inhaftierung oder einer Landesausweisung/Auslieferung geeignete Übelsankündigungen, die im deutschen1377, englischen und amerikanischen Recht nicht unter die qualifizierte Drohung fallen. In Kalifornien wurden aber weitere Drohungen als separate Nötigungsmittel hinzugefügt. Dort ist es ausreichend, wenn der Täter auch zukünftige Übel in Aussicht stellt wie eine Entführung, eine rechtswidrige Inhaftierung, die Zufügung von schweren Schmerzen, eine schwere Körperverletzung oder die Verursachung des Todes. Ebenfalls genügt es, wenn der Täter droht, seine Position als öffentlicher Beamter auszunutzen, um das Opfer oder einen Dritten zu verhaften oder auszuliefern oder einen sonstigen Zwang auszuüben. Der deutsche Tatbestand verfügt nun neben den qualifizierten Nötigungsmitteln auch über eine dritte Alternative, das Ausnutzen einer schutzlosen Lage.1378 1377 Es wurde bereits 1851 das preußische StGB dafür kritisiert, dass es die Drohung auf eine Leib- oder Lebensgefahr beschränkte. Es wurde vorgeschlagen auch Drohungen abzudecken, die sich auf die Ehre, das Vermögen oder die Freiheit beziehen, weil auch diese angedrohten Nachteile für das Opfer empfindlich sein und somit seinen Willen beugen können. Vgl. dazu: Harbeck, Einheitstatbestand, S. 113. 1378 Siehe dazu auch die Ausführungen weiter unten zu diesem Nötigungsmittel, 4. Kapitel III. 3. e) gg) (3).

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Sollte das Opfer ohne Flucht- oder Verteidigungsmöglichkeiten und wehrlos sein, reicht ebenso eine einfache Drohung (bzw. eine Gewaltanwendung gegenüber Sachen) aus, um die Nötigung zu bejahen. Im deutschen Recht dient die dritte Alternative als Auffangtatbestand für diejenigen Fälle, in denen es an einer qualifizierten Nötigung mangelt. Somit ist letztlich auch in Deutschland die Ankündigung eines empfindlichen Übels zur Erreichung einer sexuellen Handlung kriminalisiert.1379 Es muss lediglich die Schutzlosigkeit des Opfers zur einfachen Drohung hinzutreten, welche in den meisten Situationen, in denen sich Vergewaltigungen abspielen, gegeben ist, weil sie sich meist nicht öffentlich, sondern an abgelegenen oder einsamen Orten abspielen. Die gesetzliche Beschränkung der Drohung auf die qualifizierte Form wurde damit begründet, dass das „Inaussichtstellen“ eines lediglich empfindlichen Übels keinen sexualstrafrechtlichen relevanten Eingriff in das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung darstelle. Es sei dem Opfer zuzumuten, den in der einfachen Drohung liegenden Angriff selbst abzuwenden. Aber auch bei der dritten Alternative des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB fehlt es an der besonderen Intensität des Angriffs. Dennoch hat der Gesetzgeber diese Variante den qualifizierten Nötigungsmitteln gleichgestellt, weil das Rechtsgut ebenso intensiv gefährdet ist. Die Gefährdung ergibt sich aber nicht aus der Angriffsform, sondern aus verminderten oder nicht existierenden Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers. Die geringere Angriffsintensität (Täterseite) wird mit der hohen Schutzbedürftigkeit des Opfers kompensiert. Konsequenterweise müsste man dies auch auf die Fälle der Drohung mit einem empfindlichen Übel übertragen können. Denn ein Opfer kann genauso hilflos sein, wenn das in Aussicht gestellte Übel schwere soziale Konsequenzen mit sich bringt (Ausweisung, Verhaftung, Entführung) und das Opfer glaubt, das angedrohte Übel nur durch einen Sexualkontakt abwenden zu können. Die einfache Drohung stellt zumindest eine höhere Angriffsintensität dar als das Ausnutzen einer hilflosen Lage.1380 Bei allen untersuchten Rechtsordnungen wird maßgeblich auf die Zwangswirkung beim Opfer abgestellt. Die Beschränkung der Drohung auf Körperverletzungen und den Tod wird jedenfalls nicht der Vielfalt an denkbaren Zwangswirkungen für das Opfer gerecht, so dass der Schutz auf internationaler Ebene um andere vergleichbare Drohungen für das Opfer erweitert werden sollte. Auch spricht besonders der Aspekt dafür, eine unqualifizierte Drohung genügen zu lassen, wenn man auf internationaler Ebene die weiteren Nötigungsmittel wie den „Zwang“ (Frankreich, Kalifornien), die „Ausnutzung einer schutzlosen Lage“ (Deutschland) oder die „Drohung, Vergeltung zu üben“ 1379 So auch: Fischer, ZStW 112, 2000, S. 103 ff., der die dritte Alternative des § 177 StGB lediglich als eine Erweiterung der beiden qualifizierten Nötigungsmittel auf eine einfache Drohung versteht. 1380 Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 60 f.; Harbeck, Einheitstatbestand, S. 113; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 203; a. A.: Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 157 ff.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

(Kalifornien) oder „seine Funktionsträgerposition auszunutzen“ (Kalifornien) aufgrund einer mangelnden Übereinstimmung in den untersuchten Rechtsordnungen ablehnt und sich letztlich auf die traditionellen Nötigungsmittel der Gewalt und der Drohung beschränkt. Über die weite Auslegung der Drohung können nämlich diese Situationen erfasst werden, die ansonsten in den einzelnen Rechtsordnungen unter den besagten anderen Begriffen aufgefangen werden. Weiterhin ist der Vorteil, dass man sich auf ein Nötigungsmittel beschränkt, welches in allen Rechtsordnungen vorkommt – qualifiziert oder unqualifiziert – und damit hinreichend bestimmt ist, gleichzeitig aber weit genug ist, jede schwere Zwangswirkung auf das Opfer zu erfassen. Der Schutz vor Zwangseinwirkungen findet seine Grenze am Merkmal der Gegenwärtigkeit. Alle Rechtsordnungen – bis auf Kalifornien – setzen voraus, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorstehen muss. Die kalifornische Variante der zukünftigen Drohung, irgendwann Vergeltung zu üben, stellt eine in der Rechtsvergleichung unbeachtliche Ausnahme dar. Zwar wiegen die angedrohten Übel schwer (Entführung, rechtswidrige Inhaftierung, Zufügung von schweren Schmerzen oder einer schweren Körperverletzung oder Verursachung des Todes), kompensieren aber nicht das Element der Gegenwärtigkeit, die die Drohung mit der Gewaltanwendung gleichsetzt. Sollte sich die Drohung auf ein in der Zukunft in Aussicht gestelltes Übel beziehen, besteht für das Opfer die Möglichkeit Hilfe zu erlangen. Das Opfer kann keinen so schweren Druck in dem Moment empfunden haben, dass es keinen anderen Ausweg aus der Bedrohung sah, als sich dem Verlangen des Täters hinzugeben. Einigkeit besteht weiterhin darin, dass die Drohung sowohl ausdrücklich als auch konkludent zum Ausdruck gebracht werden kann. Der Schadenseintritt kann sich gegen das Opfer der Drohung, aber auch gegen einen Dritten richten. Lediglich eine Selbstmord- oder Selbstverletzungsdrohung des Täters scheiden aus, weil eine solche Drohung nicht den Willen des Opfers dahingehend beugen kann, eine Vergewaltigung anstatt des angedrohten Übels über sich ergehen zu lassen. Ferner muss das Opfer von der Realisierung des angedrohten Übels ausgehen, wenn es sich nicht dem Willen des Täters fügt. Ein psychologischer Zwang wird beim Opfer nur dann ausgelöst, wenn es die Drohung ernst nimmt, selbst wenn sie es in Wirklichkeit nicht ist. Unstreitig muss nach allen sechs Rechtsordnungen ein Kausalzusammenhang zwischen der Drohung und der sexuellen Handlung bestehen. Zwar wird dieser nicht besonders in der französischen Literatur hervorgehoben, jedoch wird durch die Formulierung „unter Anwendung“ klar, dass nur eine sexuelle Handlung strafbar ist, die durch die aufgezählten Tatmittel ermöglicht wurde. Das amerikanische Recht legt besonderen Wert auf die Kausalität, wenn es sich um eine konkludente Drohung handelt. Selbst wenn feststeht, dass das Opfer aufgrund von früheren Gewalthandlungen verschüchtert war, wurde eine kausale Gewalthand-

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lung (Festhalten) und eine Drohung („Gesicht herrichten“) abgelehnt, weil zwischen der Gewalthandlung und der sexuellen Handlung kein zeitlich-räumlicher Zusammenhang (mehr als eine Stunde Zeitdifferenz, Ortswechsel) mehr bestanden habe.1381 (3) Ausnutzung einer schutzlosen Lage Das spanische Recht erkennt keine weiteren Zwangsmittel an und entspricht damit dem früheren deutschen Recht. Auch das New Yorker Strafgesetzbuch enthält keine weiteren Zwangsmethoden der Sexualdelikte, sondern nur Umstände, die auf ein fehlendes Einverständnis des Opfers schließen lassen, welche erst an besagter Stelle weiter unten erörtert werden sollen. Nur Deutschland, Frankreich und Kalifornien verfügen über weitere Nötigungsmittel. In Deutschland wurde erst vor kurzem die dritte Alternative, das Ausnutzen einer schutzlosen Lage, dem abschließenden Zwangsmittelkatalog der Vergewaltigung hinzugefügt. Mit diesem neuen Tatmittel sollten diejenigen Fälle erfasst werden, die keine eindeutige Drohung mit einer gegenwärtigen Leibes- oder Lebensgefahr erkennen lassen, in denen aber das Opfer aufgrund der bedrohlichen Situation (abgelegener Ort, körperliche Unterlegenheit) dem sexuellen Verlangen des Täters, ohne Widerstand zu leisten, nachkommt. Der Opferschutz sollte insofern für Menschen erweitert werden, die starr vor Angst, wie gelähmt oder aufgrund einer körperlichen bzw. geistigen Behinderung unfähig sind, sich zur Wehr zu setzen. Dieses Bedürfnis nach einer Erweiterung der Tatmittel ergab sich aus der eher engen Auslegung der beiden traditionellen Zwangsmittel. Nach einer teilweise vertretenen Meinung bestand gar kein Bedürfnis für die Erweiterung der Nötigungsmittel, weil diese fraglichen Situationen durchaus unter den Begriff der konkludenten Drohung hätten subsumiert werden können.1382 Denn die Tatumstände einer schutzlosen Lage führen bei dem Opfer zur Annahme, dass der Täter das Opfer in seiner Gewalt hat und es körperlich misshandeln oder töten kann wie es ihm beliebt, wenn das Opfer nicht seinem sexuellen Verlangen nachgibt. Darin liegt eine konkludente Drohung mit einer Körperverletzung oder sogar mit einer Tötung des Opfers. Die neue Konstruktion des Ausnutzens einer schutzlosen Lage hätte somit mit einer weiten Auslegung der Drohung vermieden werden können.

1381 State v. Alston, 310 N.C. 399, 312 S.E. 2d 470 (1984), abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 492 ff. 1382 Fischer, ZStW 112, 2000, S. 75 ff., kommt zu dem Ergebnis, dass aufgrund des § 177 I Nr. 3 StGB lediglich die Ausdehnung der Nötigungsmittel auf die Drohung mit einem empfindlichen Übel neu sei. Es erscheint ihm aber zweifelhaft, ob der Gesetzgeber dies gewollt habe, weil § 240 I und IV StGB existiere. Bei rechtsgutbezogener Auslegung könnten alle strafwürdigen Fälle unter der alten Fassung des § 177 I und § 240 I und IV StGB erfasst werden.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Schon oben zum Tatmittel der Drohung wurde ausgeführt, dass ein bekanntes Zwangsmittel wie die Drohung auf internationaler Ebene sinnvoller erscheint als neue und damit nicht in allen Rechtsordnungen anerkannte Tatmodalitäten zu schaffen. Auf internationaler Ebene bedarf es daher nicht der häufig in Kritik geratenen deutschen Konstruktion des Ausnutzens einer schutzlosen Lage, sondern eher einer weiten Auslegung des Drohungsbegriffs, um gerade die Fälle zu erfassen, die im deutschen Recht nach der engen Auslegung der Drohung nicht berücksichtigt worden waren. (4) Zwang Den weitesten Schutz bietet das französische Recht, indem es jegliche Einflussnahme oder psychischen Druck auf die Widerstandsfähigkeit des Opfers (Zwang) ausreichen lässt, um auf eine Überwindung eines entgegenstehenden Willens des Opfers zu schließen. Es bedarf nicht einmal einer Ankündigung eines Übels, sondern es genügt eine Situation, in der sich das Opfer befindet, welche es dazu bringt eine Handlung vorzunehmen oder über sich ergehen zu lassen, was es normalerweise nicht tun würde (Arztuntersuchung, Überlegenheit des Täters). Erfasst werden daher Zwänge, die nicht so sehr auf das Verhalten des Täters, sondern vielmehr auf die Rahmenbedingungen der Tat zurückzuführen sind. Allerdings ist es – wie bereits oben kritisiert – in einem solchen Fall schwierig von einer Nötigung zu sprechen, wenn dem Opfer nicht irgendein Schaden zumindest konkludent angedroht wird. Es handelt sich dann eher um einen Missbrauch einer Person, die sich in einer Situation befindet, die sie besonders verletzlich stellt. Eine Nötigung setzt aber gerade das Überwinden eines entgegenstehenden Willens des Opfers voraus, nicht nur das Handeln gegen seinen Willen. Das kalifornische Strafgesetz erkennt ebenfalls die Variante des Zwangs an. Danach muss der Täter das Opfer mit einer Gewaltanwendung, einer Gefahr oder einer Vergeltung bedrohen. Die amerikanische Lösung stellt im Unterschied zum französischen Zwangsmoment eindeutig auf die Nötigung des Opfers und nicht auf eine reine Missbrauchssituation ab. Die Drohung kann ausdrücklich, aber auch konkludent dem Opfer mitgeteilt werden. Es reicht auch, dass einer dritten Person das Übel in Aussicht gestellt wird. Welche genauen Übelsankündigungen nun ausreichen, ist mit der Definition nicht gesagt, denn eine Gefahr oder eine Vergeltungsmaßnahme können weit interpretiert werden. Entscheidend ist die Kausalität, dass das angedrohte Übel das Opfer dazu gebracht hat, die sexuelle Handlung vorzunehmen bzw. zu erdulden, was es ohne die Drohung nicht getan hätte. Der Unterschied zur vorherigen Drohung mit einer Körperverletzung ist, dass Übelsankündigungen ausreichen, die sich erst in der Zukunft realisieren können. Allerdings existiert eine solche Nötigungsalternative bereits unter dem Begriff der Vergeltung. Es handelt sich somit um eine Auffangvariante, die dem Richter die Möglichkeit gibt, Drohungen zu erfassen, die nicht unter den anderen

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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beiden Drohungen konkretisiert sind. Das Gleiche kann auch für das französische Zwangsmoment festgestellt werden. Sollte es anhand der Tatumstände schwierig sein, eine konkludente Drohung anzunehmen, ist dem Richter mittels des Zwangs eine weitere Möglichkeit an die Hand gegeben, im Einzelfall doch eine Bestrafung zu erzielen. Es erscheint bedenklich, auf diesem Wege letztlich den Richter und nicht das Parlament entscheiden zu lassen, welches Übel ausreicht, um eine Drohung zu begründen. Innerhalb einer internationalen Rechtsvergleichung, in der gerade versucht wird, die bestmögliche Rechtsansicht auf die internationale Ebene zu erheben, kann ein nicht sauber definiertes Tatmittel jedoch nicht als richtungsweisend bewertet werden. Außerdem verfügen die anderen Staaten wie Deutschland, Spanien und New York nicht über das vage Tatmittel des Zwangs, so dass im Ergebnis der Zwang als Tatbestandsmerkmal der Vergewaltigung abzulehnen ist. Es ist aber durchaus zu erkennen, dass sowohl Frankreich und Kalifornien in Form des „Zwangs“ als auch Deutschland aufgrund seines neuen Tatmittels der „Ausnutzung einer schutzlosen Lage“ zu der Erfassung jeglicher Fälle tendieren, in denen das Opfer einen solchen körperlichen Druck verspürt, welches zu seiner Erstarrung oder Wehrlosigkeit und demzufolge seinem Hingeben zur sexuellen Handlung führt. Die vom Opfer verspürte Angst muss sich aber auf eine gegenwärtige Körperverletzung, Entführung, Verhaftung, Auslieferung oder Todesverursachung beziehen, denn nur eine solche Angst begründet einen Willensbruch oder eine Willensbeugung. Diese Fälle können aber genauso gut unter dem weit ausgelegten Tatbestandsmerkmal der Drohung mit einem empfindlichen Übel erfasst werden, so dass ein internationaler Tatbestand der Vergewaltigung auf die Aufnahme des eher unbestimmten Merkmals des Zwangs verzichten sollte. (5) Ergebnis Als Ergebnis der Rechtsvergleichung der sechs Staaten kann festgehalten werden, dass das Opfer mittels der Gewalt1383 und der Drohung mit einem empfindlichen Übel ausreicht. Die dritte Alternative des deutschen Rechts verdeutlicht: Gewisse Situationen üben auf das Opfer einen solchen Zwang aus, dass es sich dem Ansinnen des Täters hingibt, ohne dass der Täter auf Gewalt oder eine eindeutige Drohung zurückgreifen muss. Diese Situationen können aber nach den Auslegungen der anderen beiden Nationen durchaus von der konkludenten Dro1383 Es ist zwar richtig, dass die Rechtsvergleichung ergeben hat, dass nur die Gewalt gegen Personen und nicht gegen Sachen genügt. Da aber das zweite Nötigungsmittel unqualifiziert ist, muss dies konsequenterweise auch auf die Gewalt übertragen werden. Denn es ist widersinnig, dass eine Drohung mit der Zerstörung von Eigentum (z. B. der Tötung von Tieren oder das Abbrennen des Hauses) ausreicht, jedoch die konkrete Gewaltanwendung gegen Sachen nicht genügen soll. Da aber nur schwere Übelsandrohungen akzeptablel sind, sollte die Gewalt gegenüber Sachen einen schwerwiegenden Nachteil für das Opfer bedeuten.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

hung mit Gewalt erfasst werden. Der Zwang ist ein zu unbestimmtes Tatmittel. Die Drohung mit zukünftigen Übeln ist ungeeignet, weil sie keinen mit der Gewaltanwendung vergleichbaren Zwang beim Opfer auslöst. Der Vergewaltigungstatbestand nach der Auswertung der Rechtsvergleichung beinhaltet folgende Elemente: – Nicht schwerwiegende Gewaltanwendung gegen das Opfer bzw. eine schwerwiegende Gewaltanwendung gegenüber Sachen des Opfers; – Drohung mit einem gegenwärtigen, empfindlichen Übel für das Opfer oder einen Dritten; – Kausalzusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der sexuellen Handlung. f) Fehlendes Einverständnis Die Länder des „Common Laws“ verwenden das fehlende Einverständnis des Opfers zur sexuellen Handlung als Abgrenzungskriterium zum straflosen einvernehmlichen Sexualverhalten zwischen zwei oder mehreren Personen. Als Repräsentanten dieses Rechtskreises werden die englischen, kalifornischen und New Yorker Rechtsordnungen nach diesem Merkmal hin untersucht. Aber auch Frankreich muss an dieser Stelle erneut berücksichtigt werden. Obwohl es grundsätzlich den „Civil Law“-Staaten angehört und dementsprechend auf eine Nötigung im Vergewaltigungstatbestand abstellt, verfügt der französische Tatbestand ebenfalls über ein das Einverständnis des Opfers ausschließendes Tatmittel. aa) Frankreich Der französische Vergewaltigungstatbestand erkennt neben den Nötigungsmitteln einen weiteren Grund für die Überwindung eines potentiellen Widerwillens des Opfers an, nämlich die Ausnutzung einer Überraschung. Die Überraschung ist nicht im herkömmlichen Sinne des Wortes als Verwunderung zu verstehen, sondern im rechtlichen Sinne. Eine Person wird mit einer sexuellen Handlung überrascht, wenn sie aufgrund einer persönlichen Situation oder einem Tatumstand unfähig ist, zu zustimmen.1384 Der Hauptgrund für diese Tatalternative war, Opfer zu schützen, die unter physischen, aber auch geistigen Behinderungen leiden.1385 Heute werden aber nicht nur geistige Behinderungen, sondern auch andere Situationen von diesem Tatmittel erfasst, die nicht unbedingt dauerhafte Beeinträchtigungen der geistigen Fähigkeiten (psychische Probleme, Schlaf, Be-

1384

Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 13. Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 13; CA Grenoble, 31.05.2001, Juris-Data, no. 2001-159025. 1385

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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wusstlosigkeit, Rausch, Lethargie aufgrund von Drogen/Medikamenten) oder eine faktische Widerstandsunfähigkeit mit sich bringen (z. B. während einer medizinischen Untersuchung).1386 Die Rechtsprechung hat beispielsweise eine Vergewaltigung aufgrund einer Überraschung des Opfers bejaht, weil das Opfer während der sexuellen Handlung schlief, unter Hypnose stand oder betrunken war1387, sich aufgrund des Schocks eines Überfalls passiv verhielt oder aufgrund einer zuvor durch eine andere Person verübte Vergewaltigung unfähig war, sich gegen den zweiten Vergewaltiger zur Wehr zu setzen.1388 Ferner umfasst die Überraschung auch Täuschungsfälle. Bei einer Täuschung, wird ein Einverständnis des Opfers erschlichen, welches es nicht gegeben hätte, wenn es die wahren Umstände gekannt hätte.1389 Die irrtümliche Vorstellung führt zu einem fehlerhaften und damit unwirksamen Einverständnis des Opfers. Das Opfer hat nicht der wahren Handlung zugestimmt. Ein bekannter Fall der Täuschung ist, dass ein Mann in das Zimmer einer schlafenden Frau eingedrungen war und mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen hatte, ohne dass sich die Frau gewehrt hatte, weil sie dem Irrtum unterlegen war, dass es sich um ihren Ehemann handelte.1390 In dem Fall wurde das Opfer über die Identität einer ihr bekannten Person getäuscht. Die Rechtsprechung hat diesem heute wohl eher unrealistischen Beispiel der Überraschung weitere Täuschungsfälle hinzugefügt. Es wurde eine sexuelle Nötigung mittels der Überraschung bejaht, weil der Täter das Opfer ohne sein Wissen in der Umkleidekabine eines Unterwäschegeschäfts gefilmt hatte. Dabei handelt es sich um eine Irrtumserregung über den Zweck der Handlung. Das Opfer wusste zwar, dass es sich auszog, ihm war aber nicht bewusst, dass es dabei vom Täter zu seiner sexuellen Befriedigung beobachtet wurde. Ein Einverständnis ist demnach ungültig, wenn das Opfer die wesentlichen Eigenschaften der sexuellen Handlung nicht kannte. Höchst umstritten ist die Frage, ob das Opfer aufgrund seines jungen Alters überrascht werden kann, so dass es an einem gültigen Einverständnis zur sexuellen Handlung fehlt. Die ältere Meinung unterscheidet zwischen einem Kind, das die Tragweite des sexuellen Verhaltens nicht begreift und einem Minderjährigen, der das sexuelle Ansinnen versteht. Das erste Opfer versteht die Handlung nicht und kann ihr daher nicht zustimmen. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass 1386

Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 13, 14 m.w. N. in der Rechtsprechung. Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 22; Cass. crim. 03.09.1991, Juris-Data, no 003783; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 510 m.w. N. 1388 Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 22; CA Besancon, 31.12.1857, DP 1871.5.33. 1389 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 509; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 15; Crim. 25.04.2001, B. 99; Dr. pén. 2001, no. 97, RSC 200.808, obs. Mayaud. 1390 Dalloz, Code Pénal, § 222-23 Rn. 25; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 15 m.w. N.; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 22; Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 509; Crim., 25.6.1857, S. 1857.1.711; 27.12.1883, S. 1885.1.596. 1387

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Kinder unter sechs Jahren kein Einverständnis geben können.1391 Kann das Opfer hingegen das sexuelle Verhalten verstehen, kann das Alter an sich keine Überraschung auslösen. Das Alter ist dann irrelevant für die Frage des Überraschungsmoments; es muss ein weiteres Tatmittel wie bei einem Erwachsenen hinzukommen.1392Nach der neusten Rechtsprechung darf die Überraschung aber nicht auf dem jungen Alter des Opfers allein beruhen, weil für diese Situation spezielle Missbrauchsvorschriften eingreifen, die gerade nicht auf ein Einverständnis abstellen, sondern nur auf den Schutz von Minderjährigen (Art. 222-29) gerichtet sind.1393 Das junge Alter kann somit nur eine Überraschung erleichtern, wenn beispielsweise das Opfer leichter über die Natur der Handlung oder dessen Zweck getäuscht werden kann, als ein erwachsener Mensch. Insgesamt umfasst das Tatmittel der Überraschung die Fälle der geistigen und körperlichen Behinderung, des Schlafs, der Bewusstlosigkeit, einer drogenbedingten Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten sowie der Täuschung des Opfers über die Identität des Partners, die Art oder den Zweck der Handlung. Alle diese Fälle betreffen Situationen, in denen das Opfer unfähig war, ein informiertes Einverständnis zur Handlung zu geben. Das Opfer wurde nicht unter Druck gesetzt oder in seinem Willen gebeugt oder gebrochen. Das Opfer konnte aufgrund des getrübten Geisteszustands oder der Täuschung gar keinen Widerwillen zur sexuellen Handlung bilden. Es wird also mit dem Tatbestandsmerkmal der Überraschung ein Systembruch in der traditionellen Trennung zwischen sexuellen Nötigungsdelikten und sexuellen Missbrauchstatbeständen in den „Civil Law“-Staaten vollzogen. Diese Variante setzt gerade keine Nötigung des Opfers voraus, sondern vermischt die sexuellen Nötigungstatbestände mit reinen Missbrauchstatbeständen. Eine Erklärung mag sein, dass im französischen Recht eher als im deutschen oder spanischen Recht eine Notwendigkeit bestand, die Vergewaltigung um einen Missbrauchstatbestand zu erweitern, weil das französische Strafgesetzbuch nicht wirklich über separate Missbrauchsvorschriften verfügt.1394 bb) England Wesentliches Tatbestandsmerkmal der Vergewaltigung (und anderer Sexualstraftaten) im englischen Strafrecht ist seit jeher das fehlende Einverständnis des 1391 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 511; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 16; CA Limoges, 05.04.1995, Juris-Data, no. 1995-042693. 1392 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 511; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 16. 1393 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 511; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 16 m.w. N.; Crim. 21.10.1998, JCP 1998.II.0215, note D. Mayer, Dr. pén. 1999, no. 5, D.1999.J.75, note Y. Mayaud; 10.05.2001, B. 116. 1394 Im französischen Strafgesetzbuch existiert ein Missbrauchstatbestand für Opfer, die jünger als 15 Jahre alt sind gemäß Art. 227-25-27, aber nicht für Menschen, die in ihren Abwehrfähigkeiten körperlich oder geistig eingeschränkt sind wie in Deutschland und Spanien.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Opfers. Damit stellt das englische Strafrecht nicht wie die kontinentaleuropäischen Staaten auf Verhaltensweisen des Täters ab, sondern konzentriert sich auf die innere Willenseinstellung des Opfers zur sexuellen Handlung. Jede sexuelle Handlung im Sinne der ss. 1–4 SOA 2003, die ohne das Einverständnis des Opfers erfolgt, ist rechtswidrig. Mit dieser Formulierung wird ein sehr weitreichender Strafrechtsschutz für das Opfer aufgestellt. Das Opfer muss sich folglich nicht gewehrt haben oder eine sexuelle Handlung positiv abgelehnt haben. Problematisch ist daran aber, wie das fehlende Einverständnis definiert und wie es nachgewiesen werden soll. Denn wenn es genügt, dass das Opfer nur nicht mit der Handlung einverstanden war, um ein Verbrechen bejahen zu können, bietet es dem Täter umgekehrt stets die Möglichkeit Straffreiheit zu erlangen, wenn er sich darauf beruft, dass Opfer sei einverstanden gewesen bzw. er habe an ein (vorsatzausschließendes) Einverständnis geglaubt. Vor der Reform 2003 existierte nur ein sehr vages Verständnis über das Einverständnis im Fallrecht, welches aufgrund der unzureichenden Unterweisung der Jury zu abweichenden Urteilen gleichgelagerter Fälle und damit zu einer inkohärenten Rechtsprechung geführt hatte. Die Rechtsprechung hatte lediglich darauf hingewiesen, dass ein Einverständnis nicht mit einem Unterwerfen des Opfers gleichzusetzen sei, ohne dabei zu klären, wann das eine oder das andere vorliegt.1395 Mit dem Sexualstrafgesetz SOA 2003 wurde zum ersten Mal das Einverständnis in insgesamt drei Vorschriften kodifiziert. S. 74 definiert das Einverständnis allgemein, während ss. 75 und 76 SOA 2003 beweisrechtliche Vermutungen hinsichtlich eines fehlenden Einverständnisses aufstellen. Eine Hierarchie zwischen den drei Normen wurde vom Gesetzgeber nicht festgelegt. Aufgrund der Rechtsfolge der Vorschriften bietet es sich allerdings an mit der unwiderlegbaren Vermutung (s. 76) zu beginnen, weil sie die einfachste Beweislage für die Staatsanwaltschaft schafft und folglich am schnellsten zu einer Verurteilung des Täters führt. Wenn die Voraussetzungen der unwiderlegbaren Beweisvermutung zu einem fehlenden Einverständnis nicht vorliegen, sollte auf die widerlegbare Vermutung eines fehlenden Einverständnisses (s. 75) eingegangen werden. Falls auch die zweite Vermutung unergiebig geblieben ist, sollte erst zum Schluss die

1395 Die führende Entscheidung in „Olugboja“ hatte das fehlende Einverständnis nicht definiert, sondern die Jury dahingehend belehrt, dass sie sich bei der Abgrenzung, ob das Opfer der Handlung frei zugestimmt oder sich der Tat mehr oder weniger nur unterworfen hat, auf den Gesinnungszustand des Opfers kurz vor der Tat und alle relevanten Tatumstände konzentrieren sollte. Bei der Beurteilung aller relevanten Fakten, sollte die Jury ihren gesunden Menschenverstand, ihre Erfahrung und ihr Wissen über die menschliche Natur und das moderne Verhalten einsetzen. Vgl. dazu: Olugboja, (1982), QB 320; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 674; Allen, Criminal Law, S. 391; Clarkson/Keating, Criminal Law, S. 638; Setting the Bounderies, Reforming the Law on Sexual Offence, 2000, Home Office.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

allgemeine Definition (s. 74) zu Rate gezogen werden, weil sie die Jury mit der schwierigsten Prüfung beauftragt.1396 (1) Unwiderlegbare Vermutung eines fehlenden Einverständnisses S. 76 Abs. 1 SOA 2003 stellt eine für den Angeklagten unwiderlegbare Vermutung auf, dass das Opfer mit der Vornahme bzw. Duldung der sexuellen Handlung nicht einverstanden war. Sollten die Voraussetzungen des s. 76 Abs. 2 vorliegen, so wird auf der Rechtsfolgenseite unterstellt, dass das Opfer der sexuellen Handlung nicht zugestimmt hat und der Täter keinen guten Glauben („reasonable belief“) an ein Einverständnis des Opfers hatte. Der Angeklagte hat keine Möglichkeit, die Vermutung mit dem Vorbringen von Beweisen seinerseits zu widerlegen. Die Jury wird vom Richter angewiesen, falls sie denn die Voraussetzungen des s. 76 Abs. 2 sowie die fragliche sexuelle Handlung für erwiesen hält, den Angeklagten wegen der begangenen Sexualtat schuldig zu sprechen.1397 Insofern handelt es sich bei dieser Vermutungsklausel um eine erhebliche Beweiserleichterung für die Staatsanwaltschaft. Sie muss nicht das fehlende Einverständnis des Opfers, einen inneren Willenszustand ermitteln, der meist noch von widersprüchlichem oder passivem Opferverhalten begleitet wird, sondern ihr obliegt nur die Beweislast für die objektiven1398 Voraussetzungen der Vermutungsklausel. Die Vermutungsklausel nach s. 76 SOA 2003 sieht zwei Varianten eines unwiderlegbaren fehlenden Einverständnisses vor. Zum einen, wenn das Opfer über die Natur oder den Zweck der sexuellen Handlung getäuscht wird, zum anderen, wenn der Täter die Identität einer Person vorgibt, die dem Opfer persönlich bekannt ist. Bereits im „Common Law“ war die Täuschung über die Natur bzw. Qualität der sexuellen Handlung ein Grund, das so erschlichene Einverständnis für ungültig zu erklären.1399 Ein bekanntes Beispiel war, dass der Täter einer Frau vorge1396

Keating/Clarkson, Criminal Law, S. 642 f. Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.12; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 685 f.; Allen, Criminal Law, S. 396; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 432. 1398 Die Vermutungsklauseln beinhalten auch eine subjektive Komponente. So muss der Täter ferner das Opfer vorsätzlich getäuscht haben und darf keinen guten Glauben an das Vorliegen eines Einverständnisses gehabt haben. Allerdings handelt es sich hierbei um subjektive Tatbestandsmerkmale, die erst an der geeigneten Stelle des subjektiven Tatbestands erörtert werden sollen. Hier spielen allein die objektiven Tatbestandsmerkmale eine Rolle. 1399 Flattery, (1877), 2 QB 410 (chirurgischer Eingriff); Williams, 1923, 1 KB 340 (Singstimme); Tabassum, (2000), 2 Cr. App. R. 328 (medizinische Untersuchung); Archbold, Criminal Pleading, Rn. 20-15; Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.12; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 686; Keating/Clarkson, Criminal Law, S. 640 f.; Loveless, Criminal Law, S. 525. 1397

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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spiegelt hatte, dass der Geschlechtsverkehr ihre Atmung und damit ihre Singstimme verbessern würde.1400 Die gesetzliche Vorschrift geht mit der Einführung des Zwecks der Handlung über das bestehende „Common Law“ hinaus. Somit werden heute auch die Fälle erfasst, in denen das Opfer sich zwar über die Natur der sexuellen Handlung im Klaren ist, aber nur ihr Einverständnis dazu gegeben hat, weil die Handlung zu einem bestimmten Zweck erfolgen sollte. Nach dieser Definition ist das Einverständnis des Opfers beispielsweise ungültig, wenn der Täter vortäuscht, eine medizinische Untersuchung vorzunehmen, aber nicht dazu qualifiziert ist bzw. die Handlung zur sexuellen Befriedigung ausführt.1401 In beiden Fällen hätte das Opfer bei Kenntnis des wahren Zwecks der sexuellen Handlung nicht zugestimmt. Hat sich jedoch die Täuschung über die Natur oder den Zweck der Handlung auf die Entscheidung des Opfers, der Handlung zuzustimmen, nicht ausgewirkt, kommt die Vermutungsklausel nicht zur Anwendung.1402 Ebenfalls wird die unwiderlegbare Vermutung eines fehlenden Einverständnisses gemäß s. 76 SOA 2003 nicht ausgelöst, wenn der Täter das Opfer über irgendeinen anderen Umstand als die Natur oder den Zweck der Handlung täuscht wie z. B. eine Heirat, reich zu sein oder das Opfer für die sexuelle Handlung bezahlen zu wollen. S. 76 zählt insofern abschließende Gründe für eine unwiderlegbare Vermutung eines fehlenden Einverständnisses auf.1403 In allen anderen Täuschungsfällen bleibt aber noch die Möglichkeit, über die allgemeine Regel des s. 74 ein Einverständnis des Opfers zu verneinen. Die zweite Tatbestandsvariante des s. 76 befasst sich mit der Täuschung über eine dem Opfer persönlich bekannte Person. Schon im „Common Law“ hatte die Annahme der Identität des (Ehe-)Partners des Opfers zu einem ungültigen Einverständnis des Opfers zum Geschlechtsverkehr geführt.1404 Den modernen Verhältnissen angepasst, geht die gesetzliche Vermutung des s. 76 über das Fallrecht hinaus, indem es die Täuschung über die Identität jeder Person, die dem Opfer persönlich bekannt ist, genügen lässt. Entscheidend ist nicht, über welche Person das Opfer getäuscht wird, weil das Gesetz nicht die Sittlichkeit der Gesellschaft schützt, sondern, dass der Täter beim Opfer einen Irrtum über die Person hervorgerufen hat, mit der das Opfer den Geschlechtsverkehr vollziehen wollte (Schutz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts). Nicht erfasst werden Fälle, in denen sich der Täter als eine berühmte Persönlichkeit oder als Millionär ausgibt. Die 1400

Williams, (1923) 1 KB 340. Tabassum, (2000) 2 Cr. App. R. 328, wobei das Gericht noch zwischen Natur und Qualität der Handlung und nicht dem Zweck der Handlung unterschied. Insofern hat die gesetzliche Vorschrift zur Klarheit beigetragen. Siehe auch: Jefferson, Criminal Law, S. 574; Archbold, Criminal Pleading, Rn. 20-15; Loveless, Criminal Law, S. 525. 1402 Jefferson, Criminal Law, S. 574. 1403 R v. Linekar, (1995) 2 WLR 237, Court of Appeal; Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.12; Loveless, Criminal Law, S. 526 f. 1404 Malone, (1998) 2 Cr App R 447; Elbekkay, (1995) Crim LR 163; Keating/Clarkson, Criminal Law, S. 639 f.; Loveless, Criminal Law, S. 530. 1401

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Täuschung über die Identität der Person muss das Einverständnis beim Opfer bewirken.1405 Dies ist aber gerade nicht der Fall, wenn das Opfer sich entschließt mit der Person, die ihr bis dato unbekannt war, den Geschlechtsverkehr zu vollziehen, nur weil es glaubt, dass es sich um eine berühmte oder reiche Person handelt. Das Opfer wurde in dem Fall zwar über die Qualitäten der Person getäuscht, aber nicht über die Identität einer ihm persönlich bekannten Person, mit der es den Geschlechtsverkehr vollziehen wollte. (2) Widerlegbare Vermutung eines fehlenden Einverständnisses Die zweite Vermutungsklausel nach s. 75 des SOA 2003 ist für den Angeklagten widerlegbar. Es wird zwar vermutet, dass das Opfer mit der vollzogenen sexuellen Handlung nicht einverstanden war und der Täter keinen guten Glauben an ein Einverständnis hatte, wenn eine der Voraussetzungen des s. 75 Abs. 2 vorliegen; da die Vermutung aber widerlegbar („rebuttable“) ist, kann der Angeklagte Beweise vorbringen, die Zweifel am fehlenden Einverständnis des Opfers begründen oder seinen guten Glauben an ein Einverständnis des Opfers belegen. Die Beweise müssen fundiert sein; reine Spekulationen genügen nicht.1406 Erachtet der Richter die vorgebrachten Beweise für ausreichend, so legt er die Frage des fehlenden Einverständnisses bzw. guten Glaubens der Jury zur Entscheidung vor. Die Staatsanwaltschaft kann die Behauptung des Angeklagten, die Zweifel an der Vermutung ausgelöst hat, widerlegen; falls ihr das nicht gelingt, muss sie das fehlende Einverständnis nach der allgemeinen Vorschrift des s. 74 beweisen, ohne dass die Vermutung des s. 75 gilt.1407 Erachtet der Richter dagegen die Beweise des Angeklagten für unzureichend, so bleibt es bei der Vermutung und die Jury hat vom fehlenden Einverständnis des Opfers sowie vom fehlenden guten Glauben des Angeklagten auszugehen. Die Staatsanwaltschaft trägt dann nur die Beweislast für die Voraussetzungen des Abs. 2 und natürlich für das Vorliegen der sexuellen Handlung. Sind die Erfordernisse der Vermutungsklausel erfüllt, muss die Jury den Angeklagten schuldig sprechen.1408 S. 75 Abs. 2 stellt insgesamt sechs Voraussetzungen auf, die die widerlegbare Vermutung eines fehlenden Einverständnisses bzw. eines fehlenden guten Glau1405 Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.12; Temkin/Ashworth, CLR 2004, S. 334 f.; Keating/Clarkson, Criminal Law, S. 640; Loveless, Criminal Law, S. 530. 1406 Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.11; Allen, Criminal Law, S. 397; Smith/Hogan, Cases & Materials, Rn. 20.2.1; Keating/Clarkson, Criminal Law, S. 642; Loveless, Criminal Law, S. 517. 1407 Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 429; vgl. auch: die Aussage von Baroness Scotland of Asthal, HL, Col 670, 17 June 2003, zit. in: Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 680 f. 1408 Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.11; Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 348 f. Rn. 9.28; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 429; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 680 f.; Loveless, Criminal Law, S. 517.

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bens an ein Einverständnis auslösen. Diese sechs Bedingungen sind weder abschließend, noch müssen sie kumulativ vorliegen.1409 Die erste Vermutung (a) greift ein, wenn dem Angeklagten Gewalt oder Drohung mit Gewalt gegenüber dem Opfer zur Last fällt. Die zweite Vermutung (b) gilt bei Gewalt oder Drohung mit Gewalt gegenüber einem Dritten. Die dritte Vermutung (c) schließt ein Einverständnis aus, wenn das Opfer sich während der sexuellen Handlung in rechtswidriger Gefangenschaft befindet und der Täter nicht. Der Täter muss zwar nicht derjenige sein, der das Opfer gefangen hält, er muss aber von der rechtswidrigen Gefangenschaft wissen. Da es trotz der Gefangenschaft möglich ist, dass das Opfer einer sexuellen Beziehung freiwillig zustimmt, löst diese Variante nur eine widerlegbare Vermutung eines fehlenden Einverständnisses aus.1410 Die vierte Vermutung (d) betrifft den Fall, dass das Opfer während der Tathandlung geschlafen hat oder bewusstlos war. Hier kommt es nicht darauf an, wie es zur Bewusstlosigkeit gekommen ist, so dass auch eine vom Opfer selbst herbeigeführte Ohnmacht (z. B. durch Alkohol oder Drogen) ausreicht. Im „Common Law“ wurde eine bewusstlose oder schlafende Person unfähig befunden, überhaupt ein Einverständnis abzugeben. Das frühere Recht stellte also einen unbestreitbaren Ausschluss eines Einverständnisses auf.1411 Der moderne Gesetzgeber berücksichtigt mit der widerlegbaren Vermutung jedoch die Möglichkeit, dass der Täter wahrhaftig an ein Einverständnis geglaubt hat, obwohl das Opfer schlief oder bewusstlos war, beispielsweise dann, wenn der Täter und das Opfer die Gewohnheit haben, sich gegenseitig mit sexuellen Handlungen am schlafenden Partner aufzuwecken.1412 Nach der fünften Variante (e) muss das Opfer zur Tatzeit an einer physischen Behinderung leiden, die es ihm unmöglich macht, ein Einverständnis mitzuteilen. Wichtig ist, dass gerade der konkrete Täter das Opfer nicht verstehen kann. Kann der Täter z. B. die Zeichensprache des Opfers verstehen, was die meisten Menschen nicht können, kommt diese Vermutung nicht zur Anwendung. Auch hier handelt es sich um eine widerlegbare Vermutung, weil es möglich ist, dass das Opfer trotz seiner Behinderung der sexuellen Handlung zugestimmt hat.1413 Al1409

Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.11. Allen, Criminal Law, S. 398; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 683; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 431. 1411 Mayers, (1872) 12 Cox CC 311; Larter and Castleton, (1995) Crim. LR 75; Loveless, Criminal Law, S. 518. 1412 Allen, Criminal Law, S. 398; Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 343, Rn. 9.14; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 683. 1413 Allen, Criminal Law, S. 398; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 684; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 431. 1410

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lerdings ist diese Vermutungsvoraussetzung aus zwei Gründen unlogisch. Erstens, besteht kein Erfordernis für das Opfer seine Missbilligung der sexuellen Handlung kundzutun. Entscheidend ist, dass das Opfer der sexuellen Handlung nicht zugestimmt hat. Weshalb muss also bei körperlich Behinderten über eine Beweisvermutung unterstellt werden, dass ein Einverständnis fehlt, wenn sie gar nicht zugestimmt haben können. Zweitens, führt die Beschränkung auf körperliche Behinderungen zu dem Umkehrschluss, dass auf geistig Behinderte die Vermutungsklausel nicht anwendbar ist. Es besteht die Gefahr, dass diese unklare Formulierung zur falschen Interpretation führen könnte, dass geistig behinderte Menschen überhaupt nicht unter den Schutz der nicht einvernehmlichen Sexualverbrechen (ss. 1–4), sondern nur unter den Schutz der minder schweren Missbrauchstatbestände (ss. 30–44) gestellt wurden.1414 Die letzte Variante (f) befasst sich mit Sexualstraftaten, die unter der Verabreichung von hemmungslösenden Drogen begangen werden. Entscheidend ist, dass die verabreichte Substanz eine verdummende oder überwältigende Wirkung auf das Opfer hat. Darunter sind Drogen wie Rohypnol, GHB, aber auch Alkohol in einer entsprechend großen Menge zu verstehen, die das Opfer gefügig, unterwürfig und desorientiert machen und erheblich in der Fähigkeit einschränken, sich gegen ein Verlangen eines anderen Menschen zu widersetzen. Die Wirkung der Substanz darf aber nicht zur Bewusstlosigkeit des Opfers führen, weil dieser Fall bereits durch die Vermutung (d) abgedeckt wird. Der Täter muss die Droge dem Opfer nicht selbst verabreichen, er muss aber von der Verabreichung wissen. Auch ein Dritter kann dem Opfer die Substanz beigebracht haben oder das Opfer hat die Droge selbst eingenommen, ohne davon Kenntnis zu haben. Denn das Opfer darf der Einnahme der fraglichen Substanz nicht zugestimmt haben.1415 Teilweise wird kritisiert, dass die Abgrenzung schwierig sei, wenn dass Opfer zwar nicht durch die Substanz verdummt oder überwältigt wird, aber durch sie so beeinflusst wird, dass es einer sexuellen Handlung zustimmt, was es ohne die Droge nicht getan hätte.1416 Da die Bestimmung des Geisteszustands des Opfers zum Tatzeitpunkt im Nachhinein schlicht unmöglich ist, muss das Einverständnis zur sexuellen Handlung objektiv für ungültig bewertet werden, wenn der Täter dem Opfer ohne sein Einverständnis eine bewusstseinsverändernde Substanz verabreicht hat oder verabreichen lässt. Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn das Opfer sich selbst betrinkt oder selbst Drogen einnimmt. Jeder weiß heutzutage um die Auswirkungen von Drogen. Dem Opfer obliegt daher eine gewisse Eigenverantwortung für sein Handeln im betäubten Zustand. Das Einverständnis kann 1414 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 684; ähnliche Kritik: Loveless, Criminal Law, S. 522. 1415 Allen, Criminal Law, S. 398 f.; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 684 f.; Loveless, Criminal Law, S. 523. 1416 Loveless, Criminal Law, S. 523, die dann die Anwendung der Vermutungsklausel verneint und die Frage des Einverständnisses gemäß s. 74 SOA 2003 beurteilen will.

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daher nicht kategorisch von vornherein als unwirksam erklärt werden. Vielmehr muss die Jury in einem solchen Fall nach s. 74 SOA 2003 entscheiden, ob das Opfer die Fähigkeit besaß, ein Einverständnis abzugeben.1417 Auch hier wurde durch die Widerlegbarkeit der Vermutung die Möglichkeit offen gehalten, dass dem Opfer zwar eine überwältigende Substanz beigebracht wurde, diese sich aber nicht auf seine Entscheidungsfähigkeit ausgewirkt hat.1418 (3) Allgemeines Einverständnis Die Vermutungsvoraussetzungen für ein fehlendes Einverständnis sind nicht abschließend. Wenn Umstände vorliegen, die sich nicht mit den Vermutungsvoraussetzungen decken, muss die allgemeine Definition des Einverständnisses, s. 74 SOA 2003, angewandt werden.1419 Danach muss das Opfer die Freiheit und die Fähigkeit gehabt haben, eine Entscheidung zu treffen. Hat das Opfer einer sexuellen Handlung zugestimmt, ohne diese Freiheit oder geistige Fähigkeit zu besitzen, so liegt kein Einverständnis vor. Es kommt dann nicht darauf an, ob sich das Opfer gewehrt oder protestiert hat. Geschützt werden sollen gerade Opfer, die starr vor Angst unfähig sind, sich zu äußern oder zu wehren.1420 Das erste Element der Definition des Einverständnisses betrifft die Entscheidung als solche. Wie auch im Gewohnheitsrecht ist es nicht notwendig, dass das Opfer die Handlung ausdrücklich abgelehnt hat, sondern es genügt, dass es nicht zugestimmt hat. Auch muss der entgegenstehende Wille nicht verbalisiert werden.1421 Den inneren Willen des Opfers zu bewerten, ist die Aufgabe der Jury.1422 Das Treffen einer Entscheidung setzt Kenntnis der Umstände voraus, zu der das Opfer einen Willensentschluss fassen soll. Daher muss das Opfer die vorgeschlagene sexuelle Handlung und die Identität des anderen (Täters) kennen. Nicht klar ist, ob das Opfer eine informierte Entscheidung treffen kann, wenn der Täter gewisse Fakten verschweigt oder vortäuscht. Wenn er beispielsweise vorgibt, ein Kondom beim Geschlechtsverkehr zu verwenden oder die Prostituierte für den Geschlechtsverkehr bezahlen zu wollen, so würde sich das Opfer meist bei Kenntnis der wahren Tatsachen nicht mit der sexuellen Handlung einverstan1417 Vgl. Bree, (2007) EWCA Crim 256; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 432; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 684 f. 1418 Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 431 f. 1419 Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 342, Rn. 9.13; Smith/Hogan, Cases & Materials, Rn. 20.2.1. 1420 Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.8; Allen, Criminal Law, S. 392; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 673 f.; Loveless, Criminal Law, S. 514 f. 1421 Malone, (1998) 2 Cr App R 447; McAllister, (1997) Crim LR 233. 1422 Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 342, Rn. 9.13; Loveless, Criminal Law, S. 515.

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den erklären.1423 Besonders problematisch ist der Fall, dass der Täter den Umstand verschweigt, dass er HIV-positiv ist. Die Gefahr der Ansteckung mit einer lebensbedrohenden Geschlechtskrankheit wie Aids stellt eine schwere Schädigung des Opfers dar. Es wird teilweise argumentiert, dass die Unwissenheit, dass der Täter HIV-positiv ist, ein Einverständnis zum Geschlechtsverkehr negiert. Teilweise wird argumentiert, dass das Einverständnis des Partners mit dem Geschlechtsverkehr in diesem Fall unwirksam sei. Unterlasse der Täter bei einem ungeschützten Geschlechtsverkehr die Aufklärung darüber, dass er an einer Geschlechtskrankheit leidet, so könne das Opfer keine informierte Entscheidung treffen und der Täter begehe Vergewaltigung.1424 Diese Argumentation ist jedoch nicht plausibel. Das Verschweigen der Geschlechtskrankheit ist eine Information, die sich nicht direkt auf die sexuelle Handlung oder die in die Handlung involvierte(n) Person(en) bezieht. Bereits im alten Fallrecht wurde bei Täuschungen, die sich nicht auf die Natur oder den Zweck der Handlung bezogen, das Einverständnis des Opfers als gültig angesehen.1425 Der Grund ist das geschützte Rechtsgut der Sexualdelikte. Die ss. 1–4 SOA 2003 stellen auf die freie informierte Entscheidung des Partners zur sexuellen Handlung ab und schützen das sog. sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers. Das Opfer soll sich frei entscheiden können, wann, wie und mit wem es sexuelle Handlungen vollzieht. In den Beispielsfällen wurde das Opfer zwar über gewisse Tatsachen getäuscht (Empfängnisverhütung, Zahlungsbereitschaft, Krankheit), aber nicht über solche, die die eigentliche sexuelle Handlung mit dem fraglichen Partner betreffen. Das Opfer wurde nicht in seiner sexuellen Autonomie beeinträchtigt, weil es sich ohne Zwang oder Täuschung dafür entschieden hat, zu jenem Zeitpunkt mit dem Partner die fragliche sexuelle Handlung vorzunehmen. Die Ansteckung mit einer lebensbedrohlichen Krankheit ist ein schwerwiegender Angriff auf die Gesundheit – und wenn die Krankheit zum Tode führt, auch auf das Leben der Person – aber nicht auf die sexuelle Selbstbestimmung. Es ist nicht zulässig, den Täter wegen eines Sexualdelikts zu verurteilen, nur weil die Gesundheitsbeschädigung durch eine sexuelle Handlung bewirkt wurde. Es stehen diesbezüglich Körperverletzungs- und Tötungsdelikte zur Verfügung, um die Schädigung des Opfers adäquat zu sühnen.1426

1423 Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.10 ff.; Allen, Criminal Law, S. 392. 1424 Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.14; B2.9; Konzani, (2005) 2 Cr App R 198. 1425 Papadimitropoulos, (1957) 98 CLR 249 (Geschlechtskrankheit); R v B, (2006) 150 SJ 1392 (Geschlechtskrankheit); Linekar, (1995) Crim LR 320 („geprellte Prostituierte“); Loveless, Criminal Law, S. 526 f. 1426 So auch: Keating/Clarkson, Criminal Law, S. 641; Loveless, Criminal Law, S. 528; Dica, (2004), EWCA Crim 1103, Judge LJ, para. 37; R v B, (2006) EWCA Crim 2945.

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Eine weitere Voraussetzung ist die geistige Fähigkeit, eine Entscheidung zu treffen. Daran fehlt es, wenn das Opfer nicht in der Lage ist, die Bedeutung und die Auswirkungen der sexuellen Handlung zu verstehen. Dies ist der Fall, wenn das Opfer zu jung ist1427, um die Handlung zu begreifen, mental nicht in der Lage ist, seinen Widerwillen kundzutun oder, wenn eine Geisteskrankheit das Verständnis der Handlung unmöglich macht.1428 Die geistige Fähigkeit kann auch nur zeitweilig eingeschränkt sein, etwa wenn das Opfer berauscht oder sein Bewusstsein beeinträchtigt ist.1429 Die dazu notwendige medizinische Bewertung des Geisteszustands des Opfers kann von der Jury anhand der objektiven Fakten noch relativ einfach vorgenommen werden.1430 Schwieriger wird es bei der metaphysischen Frage, ob das Opfer die Freiheit hatte, eine Entscheidung zu treffen. Das Opfer muss die Entscheidung frei von Zwängen, welche die Willensbildung beeinträchtigen können, getroffen haben. Die Jury muss entscheiden, welche Einwirkungen oder Umstände eine Entscheidung unfrei machen. Solche Faktoren können Gewalt, Drohung mit Gewalt oder sonstige Zwänge sein, wie sie bereits in den Vermutungen aufgezählt sind, aber auch andere Umstände, die hinter den Vermutungserfordernissen zurückbleiben, wie das Versprechen eines Vorteils (höhere Gehaltszahlung) oder die Drohung mit einem anderen Nachteil als einer Gewaltanwendung (Kündigung, Sach1427 Einem Opfer, das jünger als 13 Jahre alt ist, fehlt nach dem Gesetz die Fähigkeit, ein Einverständnis zu geben. Daher existieren parallele Vorschriften zur Vergewaltigung und den anderen Penetrationstatbeständen für Opfer unter 13 Jahren. Wenn das Opfer jünger als 16 Jahre alt ist, kann es zwar mit der sexuellen Handlung einverstanden gewesen sein, so dass die Tatbestände ss. 1–4 SOA 2003 nicht zur Anwendung kommen. Das minderjährige Opfer wird aber dennoch durch Missbrauchstatbestände geschützt, bei denen es nicht darauf ankommt, ob das Opfer einverstanden war. Dies liegt daran, dass eine Person erst mit 16 Jahren und älter die Reife zugesprochen wird, einer solchen Handlung zuzustimmen. Siehe dazu: Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 337, Rn. 9.3. 1428 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 679; Loveless, Criminal Law, S. 514; Howard, (1965) 50 Cr App R 56. 1429 Clarkson/Keating, Criminal Law, S. 638 f.; Bree, (2007) EWCA Crim 256; kritisiert wurde die Entscheidung des Richters, welcher die Jury anwies, den Angeklagten nicht schuldig zu sprechen, weil das Opfer aufgrund der Alkoholisierung kein Einverständnis hatte geben können. Der Rausch hätte unter dem Aspekt der geistigen Fähigkeit des Opfers, ein Einverständnis geben zu können, diskutiert werden müssen. Siehe auch: Dougal, (2005) Swansea Crown Court, welcher den Täter nicht schuldig sprach, weil das Opfer aufgrund der Alkoholisierung kein Einverständnis geben konnte. 1430 In s. 30 Abs. 2 findet sich eine Definition zur Unfähigkeit, eine sexuelle Handlung abzulehnen: B is unable to refuse if – (a) he lacks the capacity to choose whether to agree to the touching (whether because he lacks sufficient understanding of the nature or reasonably foreseeable consequences of what is being done, or for any other reason), or (b) he is unable to communicate such a choice. Vgl. auch: Blackstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.8; Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 343, Rn. 9.16; Allen, Criminal Law, S. 395; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 428.

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beschädigung) oder einer zukünftigen Gewaltanwendung.1431 Das Problem ist, dass der Gesetzgeber den Begriff der „Freiheit“ nicht eingegrenzt hat. Dies wäre möglich gewesen, wenn ein gewisser Grad von Zwang in der Vorschrift des s. 74 SOA 2003 vorausgesetzt worden wäre. Es wäre auch möglich gewesen, einen weiteren Tatbestand mit einer geringeren Strafe für Drohungen einzuführen, die unterhalb der Schwelle der gegenwärtigen Gewalt gegenüber einer Person liegen, aber trotzdem rechtswidrigen Druck auf die Willensfreiheit und damit auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht ausüben.1432 Es ist meines Erachtens unlogisch, über die allgemeine Formel des s. 74 SOA 2003 alle anderen Fälle einer Willensbeeinflussung zu berücksichtigen, die der Gesetzgeber in den Vermutungsklauseln gerade nicht hat genügen lassen. Angesichts der hohen Strafandrohung der Vergewaltigung und sonstiger Penetrationstatbestände erscheint eine restriktive Auslegung des Zwangs durchaus angebracht. Denn ein gewisser Selbstrespekt und eine gewisse Willenskraft, sich nicht dem Ansinnen des Täters zu beugen, wenn der angedrohte Nachteil unerheblich ist, kann einem Opfer durchaus abverlangt werden.1433 Da es an jeglicher Begrenzung fehlt, wird jedoch angenommen, dass jede willensbeeinflussende Handlung genügt, um ein Einverständnis auszuschließen. Eine ungesetzliche Verhaftung, eine Entführung, Gewalt bzw. Drohung mit Gewalt gegenüber Sachen, die Drohung, die eigenen Kinder wegzunehmen bzw. keinen Zugang zu ihnen zu gewähren, die Drohung mit einer Kündigung oder mit einer Strafanzeige und sogar die Verweigerung von Unterstützung an einen illegalen Immigranten sollen danach ausreichen, um einen Freiheitsmangel beim Einverständnis zu begründen. Ob das Opfer tatsächlich in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt war, müsse anhand einer Gesamtschau aller relevanten Fakten (Alter, geistige Fähigkeiten und Abwehrmöglichkeiten des Opfers sowie die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts) entschieden werden.1434 In dieser Gesamtschau sollen aber Zwänge oder Ängste, die das Opfer selbst herbeigeführt hat, unberücksichtigt bleiben. Ein äußerer Zwang sei nur gegeben, wenn eine Schadensverwirklichung angedroht wird oder tatsächlich eintritt. Wird nur das Vertrauen des anderen ausgenutzt, so liege bei einem gesunden Erwachsenen kein Mangel in der Entscheidungsfähigkeit vor. Es könne sich dann eine Strafbarkeit höchstens aus den Missbrauchstatbeständen ergeben, die nicht auf ein fehlendes Einverständnis des Opfers abstellen.1435 1431

Siehe die Beispielsfälle bei: Loveless, Criminal Law, S. 516. Vorschlag in: Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 682. 1433 So stellte auch schon das Gericht in McAllister, (1997) Crim LR 233, CA, auf die konkrete Situation und Beziehung zwischen Täter und Opfer ab, um den erforderlichen Zwang einzuengen. Der Druck des konkreten Täters müsse so stark sein, dass das konkrete Opfer ihm vernünftigerweise nicht widerstehen kann. 1434 Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 343 f., Rn. 9.17. 1435 Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 343 f., Rn. 9.17. 1432

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Nach dieser Ansicht werden die Fälle ausgeschlossen, in denen der Täter dem Opfer lediglich einen Vorteil verspricht; erfasst ist aber jegliche Drohung mit einem Nachteil, unabhängig davon, ob der Nachteil schwerwiegend oder mit legalen Mitteln abwendbar ist. Wie schon nach der früheren Rechtslage1436, obliegt die Entscheidung, welche Handlungen oder Umstände genügen, um das Einverständnis des Opfers unwirksam zu machen, letztlich der Jury. Da sich die Jury aus Menschen unterschiedlicher Herkunft und Bildung mit unterschiedlichen Moralvorstellungen zusammensetzt, müssen die Urteile über das fehlende Einverständnis gemäß s. 74 SOA 2003 zu einer ungleichmäßigen Rechtsprechung führen.1437 Die Kritik in der Literatur, dass die frühere Unsicherheit bzgl. der Auslegung des fehlenden Einverständnisses auch im SOA 2003 nicht behoben wurde, ist daher berechtigt.1438 cc) New York Da sich das US-amerikanische Recht in fast allen Staaten von dem Konzept eines brutalen, gewaltsamen Geschlechtsverkehrs zu einer das sexuelle Selbstbestimmungsrecht verletzenden sexuellen Handlung entwickelt hat, kommt besonders dem Einverständnis des Opfers und nicht mehr der Gewaltanwendung oder -androhung des Täters eine entscheidende Rolle bei der Frage zu, ob ein sexuelles Verhalten als kriminell einzustufen ist oder nicht.1439 Dies hat der Gesetzgeber von New York in s. 130.05 Abs. 1 N.Y.P.L. damit hervorgehoben, dass selbst wenn das fehlende Einverständnis in einzelnen Sexualstraftatbeständen nicht explizit aufgeführt ist, es trotzdem ein Tatbestandsmerkmal ist und folglich von der Staatsanwaltschaft bewiesen werden muss. Insofern liegt der Schwerpunkt nicht 1436 Entscheidungen zum fehlenden Einverständnis vor der Reform von 2003: R. v. Olugboja (1981) 3 All ER 443 (konkludente Drohung); R. v. Malone (1998) 2 Cr.App.R. 447, CA (Identitätstäuschung); R. v. Mayers (1872) 12 Cox 311 (Schlaf); R. v. Young (1878) 14 Cox 114 (Schlaf); R. v. Larter (1995) Crim LR 75 (Schlaf, Minderjährigkeit); R. v. Howard, 50 Cr.App.R. 56, CCA (Alter); R. v. Lang (1975) 62 Cr.App. 50 CA (Alkohol), R. v. Fletcher (1859) Bell 63; R. v. Ryan (1846) 2 Cox 115; R. v. Fletcher (1866) L.R. 1 C.C.R. 39; R. v. Barrett (1873) L.R. 2C.C.R. 81 (Geisteskrankheit); R. v. Pressy (1867) 10 Cox 635, CCR (Geisteskrankheit); R. v. Camplin (1845) 1 Cox CC 220 (Ohnmacht, Alkohol); Papadimitropoulos, 1957, 98 CLR 249 (gültiges Einverständnis, obwohl Täter die Geschlechtskrankheit nicht bekannt gegeben hatte). 1437 So auch: Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 673 f.; Allen, Criminal Law, S. 392; Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.8; Loveless, Criminal Law, S. 516; Clarkson/Keating, Criminal Law, S. 638, 643; Jefferson, Criminal Law, S. 574, der noch auf die besondere Ungerechtigkeit angesichts der hohen Strafandrohung für die Sexualdelikte hinweist. Eine Jury mag ein Einverständnis des Opfers aufgrund einer Alkoholisierung verneinen (lebenslange Freiheitsstrafe), während eine andere Jury ein Einverständnis eines alkoholisierten Opfers für gültig erklärt (Freispruch). 1438 Allen, Criminal Law, S. 392; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 674 ff.; Smith/Hogan, Cases & Materials, 20.2; Blachstone’s Criminal Practice, 2007, Rn. B3.14; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 428, 434; Loveless, Criminal Law, S. 515. 1439 Vgl. Dressler, Criminal Law, S. 330 f.

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wie in Kontinentaleuropa auf der Nötigungshandlung, sondern wie in England auf dem fehlenden Einverständnis des Opfers. Im Unterschied zum englischen Recht, das bei der Entscheidung über die Strafbarkeit allein auf das Einverständnis abstellt, kann die Gewalt aber trotzdem ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal und nicht nur ein Beweismittel für ein fehlendes Einverständnis sein. Das New Yorker Sexualstrafgesetz ist in viele Straftatbestände mit gestaffelten Strafrahmen unterteilt. Wie bereits oben bei der sexuellen Handlung aufgezeigt, existieren mehrere Verbrechen, die unterschiedliche sexuelle Handlungen beinhalten, aber auch unterschiedliche Formen der Willensbeeinflussung des Opfers aufführen. So wird der Geschlechtsverkehr mit einer der höchsten Strafe („class B felony“) bedroht (Vergewaltigung ersten Grades), wenn er mit Gewalt erzwungen wurde oder das Opfer körperlich hilflos oder jünger als 11 bzw. 13 Jahre alt war. Der Geschlechtsverkehr ist hingegen mit geringerer Strafe bedroht („class E felony“), wenn das Opfer unfähig war, sein Einverständnis zu geben, oder jünger als 17 Jahre alt war oder wenn es aus einem anderen Grund kein Einverständnis gegeben hat (Vergewaltigung dritten Grades). Wesentlich für die Höhe der Strafandrohung einer Verbrechenskategorie ist somit der Grad der Beeinträchtigung der geistigen und körperlichen Widerstandsfähigkeit des Opfers. Die sexuelle Handlung bestimmt nur die Einteilung in eine Verbrechenskategorie wie z. B. Vergewaltigung oder kriminelle sexuelle Handlung. Es macht nun wenig Sinn, jede Strafvorschrift einzeln zu interpretieren. Die Gründe für eine illegitime Willensbeeinträchtigung wiederholen sich in den vielen Vorschriften. Zudem enthält das Gesetz eine Definition zum fehlenden Einverständnis und Auslegungshilfen zu einzelnen Begriffen sowie Strafausschließungsgründe („defenses“), die sich auf das Einverständnis beziehen. Diese Definitionen bzw. Strafausschließungsgründe sind allgemein auf alle Verbrechen anwendbar. Es gilt eine Systematik aus dem sehr unübersichtlichen Gesetzestext zu erarbeiten, um aufzeigen zu können, welche Umstände ein Einverständnis des Opfers ausschließen bzw. ungültig machen und welche Bedingungen einen Täter straffrei stellen, obwohl das Opfer der Handlung nicht zugestimmt hat. Die folgenden Gründe schließen ein Einverständnis des Opfers aus: – Sexuelles Fehlverhalten: – Ohne Einverständnis des Opfers. – Vergewaltigung dritten Grades, Kriminelle sexuelle Handlung dritten Grades, Schwerer sexueller Missbrauch vierten Grades: – Das Opfer ist unfähig aufgrund eines anderen Umstands als jünger als 17 Jahre alt zu sein, ein Einverständnis zu geben. (Einzige Variante beim sexuellen Missbrauch mit zusätzlichem Hinweis, dass ein Verhalten, welches aus einem gültigen medizinischen Grund durchgeführt wird, nicht den Tatbestand verletzt).

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– Der Täter ist 21 Jahre alt oder älter und das Opfer ist jünger als 17 Jahre. – Fehlendes Einverständnis des Opfers aufgrund eines anderen Faktors als der Unfähigkeit, ein Einverständnis zu geben. – Vergewaltigung zweiten Grades, Kriminelle sexuelle Handlung zweiten Grades: – Der Täter ist 18 Jahre alt oder älter und das Opfer ist jünger als 15 Jahre. (Rechtfertigungsgrund, dass der Täter weniger als vier Jahre älter ist als das Opfer). – Das Opfer ist unfähig ein Einverständnis zu geben, weil es geistig behindert oder geistig beeinträchtigt ist. – Vergewaltigung ersten Grades, Kriminelle sexuelle Handlung ersten Grades, Schwerer sexueller Missbrauch dritten, zweiten und ersten Grades: – Mittels gewaltsamer Nötigung (s. o. Nötigungsmittel). – Das Opfer ist unfähig ein Einverständnis zu geben, weil es körperlich hilflos ist. – Das Opfer ist jünger als 11 Jahre. – Das Opfer ist jünger als 13 Jahre (ausgenommen beim schweren sexuellen Missbrauch). – Zusatz beim sexuellen Missbrauch: Ein Verhalten, welches aus einem gültigen medizinischen Grund durchgeführt wird, verletzt nicht den Tatbestand. Die Straftatbestände – eine Art Besonderer Teil des Sexualstrafgesetzes – sind in vier Gruppen unterteilt. Die leichteste Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts liegt vor, wenn das Opfer kein Einverständnis erklärt hat.1440 Der Vorteil dieses Auffangtatbestands ist, dass es nur auf den Willen des Opfers ankommt und nicht mehr auf eine Gewaltanwendung oder Drohung mit Gewalt. Früher wurde stets die Gewalt neben dem fehlenden Einverständnis gefordert, so dass Opfer, die sich passiv verhielten und keine Gegenwehr zeigten, gar nicht erst mit Gewalt zur sexuellen Handlung gezwungen werden mussten. Obwohl in den meisten Fällen feststand, dass das Opfer starr vor Angst war und nicht mit der Handlung einver1440 Das Einverständnis setzt voraus, dass das Opfer die Zustimmung gegeben hat. Es komme nicht darauf an, was das Verhalten und die Einstellung des Opfers waren, sondern was gesagt oder getan wurde, dass als eine Erteilung einer Zustimmung gewertet werden könnte. Brett, CJLJ 11, 1998, S. 69–88, zit. in: Nemeth, Criminal Law, S. 210. Ein subjektiver Ansatz, der sich auf das Verhalten des Opfers konzentriert, gibt Raum für Argumente wie der Glaube an ein Einverständnis aufgrund einer früheren Beziehung, aufgrund der sexuellen Bereitschaft oder des sexuellen Vorlebens des Opfers etc. Es würde jedem Angeklagten leicht gemacht, Zweifel an einem Vorsatz hinsichtlich eines fehlenden Einverständnisses zu erzeugen.

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standen war, konnte der Täter mangels Gewalt oder Drohung mit Gewalt nicht verurteilt werden. Dies hatte zu einer extensiven Auslegung des Gewaltbegriffs geführt, um auch solche Täter bestrafen zu können.1441 Man kann daher feststellen, dass das New Yorker Strafgesetz dem Verlangen der Rechtsprechung und der Literatur in den USA, einen Straftatbestand mit einem niedrigeren Strafrahmen neben der klassischen Vergewaltigung mittels Gewalt oder Drohung mit Gewalt einzuführen, nachgekommen ist. Einem schwereren Strafrahmen unterliegt der Täter, wenn das Opfer unfähig war, ein Einverständnis zu geben oder aus einem anderen Grund nicht zugestimmt hat. Eine noch höhere Strafe droht dem sexuellen Verhalten, wenn das Opfer jünger als 15 Jahre alt oder geistig behindert bzw. beeinträchtigt war. Die schwerste Form des Sexualverbrechens ist gegeben, wenn Gewalt angewandt wurde, das Opfer sich körperlich nicht wehren konnte oder extrem jung war (jünger als 11 oder 13 Jahre). Wie vor eine Klammer gezogen, sind diesen Straftatbeständen Definitionen vorangestellt, die die genannten Umstände eines fehlenden Einverständnisses näher bestimmen. Der Grund für diese Positionierung vor den Tatbeständen ist, dass sie auf alle bzw. mehrere Tatbestände gleichzeitig Anwendung finden sollen. Die Systematik gleicht insoweit einem Allgemeinen Teil in kontinentaleuropäischen Strafgesetzbüchern. In s. 130.05 Abs. 2 N.Y.P.L. ist das fehlende Einverständnis definiert, dass in allen Straftatbeständen vorausgesetzt wird. Ein positives Einverständnis setzt den Willen des Betroffenen zu einer Handlung voraus. Ein Einverständnis kann natürlich nur durch einen Menschen gegeben werden, der dazu auch in der Lage ist, d. h. die körperlichen und geistigen Fähigkeiten besitzt, eine Entscheidung zu treffen. Ferner muss er in seiner Entscheidung frei sein. Dies ist er aber nur, wenn kein illegaler Zwang auf seinen Willen ausgeübt wurde.1442 Diese Grundsatzüberlegung ist in s. 130.05 Abs. 2 jedoch in der negativen Form verankert. Die Vorschrift zählt die Gründe auf, die ein Einverständnis zur sexuellen Handlung ausschließen. Damit wollte der Gesetzgeber sehr wahrscheinlich etwaigen Auslegungsproblemen entgegen wirken, die zuvor in der USamerikanischen Rechtsprechung Probleme ausgelöst hatten. Es ist nämlich nicht einfach festzustellen, wann ein Mensch frei und fähig ist, ein Einverständnis zu geben. Es kommt auf einen inneren Willenszustand an, der anhand von Handlungen des Opfers und des Täters sowie der Gesamtumstände ermittelt werden muss. Der Mensch unterliegt zudem stets in seinen Entscheidungen irgendwelchen Zwängen oder Beeinträchtigungen seiner Psyche oder seines Körpers. Die Frage ist, welche Zwänge unzulässig sind und welche körperlichen und seelischen Be1441 1442

Siehe dazu die oben zitierten Fälle Rusk, Alston und Berkowitz. Nemeth, Criminal Law, S. 209 f.

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einträchtigungen die Entscheidungsfähigkeit dermaßen angreifen, dass nicht mehr von einem Willen zur Handlung gesprochen werden kann.1443 Um diese Frage im Einzelfall beantworten zu können, hat der Gesetzgeber die Umstände genannt, die ein Einverständnis unmöglich machen. Sollte also einer dieser vier Umstände vorliegen, mangelt es an einem gültigen Einverständnis: a) Wenn das Opfer gewaltsam gezwungen wurde; oder b) Wenn das Opfer unfähig war, ein Einverständnis zu geben; oder c) Wenn das Opfer beim sexuellen Missbrauch und bei einem erzwungenen Berühren der Handlung nicht ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hat; oder d) Wenn das Opfer bei der Vergewaltigung dritten Grades oder kriminellen sexuellen Handlung dritten Grades während der Tathandlung klar zum Ausdruck gebracht hat, dass es nicht zustimmt und eine vernünftige Person in der Situation des Täters die Worte und Handlungen des Opfers unter Berücksichtigung der Gesamtumstände als Ausdruck eines fehlenden Einverständnisses verstanden hätte. Die Gewalt nach a) wurde bereits weiter oben unter dem Abschnitt der Nötigungsmittel erörtert. Der dritte Grund ist nur auf den einfachen „sexuellen Missbrauch“ und das „erzwungene Berühren“ anwendbar; zwei Tatbestände, die bei der hiesigen Untersuchung keine Rolle spielen. Daher sind an dieser Stelle nur die Gründe nach b) und d) für die relevanten Sexualstraftaten von Interesse. Der Gesetzgeber hat ausführlich im dritten Absatz des s. 130.05 die Umstände aufgeführt, die ein Opfer gemäß 130.05 Abs. 2 b) unfähig stellen, eine Entscheidung zu treffen. Dazu muss das Opfer zum Tatzeitpunkt: a) jünger als 17 Jahre alt sein; oder b) geistig behindert sein; oder c) geistig beeinträchtigt sein;1444 oder 1443 Unklar ist, welche Zwänge das sexuelle Selbstbestimmungsrecht verletzen. Das Recht zur sexuellen Selbstbestimmung kann nicht beinhalten, dass man bei seiner Entscheidung frei von allen Zwängen ist. Man muss aber frei von solchen Zwängen sein, die unsere Gesellschaft als rechtswidrig ansieht. Die Freiheit ist durch das Recht zur Unantastbarkeit der körperlichen Integrität und persönlichen Unabhängigkeit geprägt (Schulhofer, U.Pa.L.Rev. 143, 1995, S. 2151, abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 530 ff.). 1444 Das Gesetz beinhaltet eine Beweiserschwernis für ein geistig behindertes oder beeinträchtigtes Opfer. Der Täter kann nicht allein auf der Basis der Zeugenaussage des Opfers für die Begehung oder den Versuch einer der Straftaten dieses Artikels verurteilt werden, wenn es sich um ein geistig behindertes oder geistig unfähiges Opfer handelt. Es muss ein weiterer Beweis zur Opferaussage hinzutreten, der den Versuch zur sexuel-

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

d) körperlich hilflos sein; oder e) sich in der Obhut oder Gewalt einer staatlichen Erziehungsstelle oder eines Krankenhauses befinden und der Täter muss ein nicht mit dem Opfer verheirateter Angestellter dieser Anstalt bzw. dieses Dienstes sein; oder f) sich in der Obhut oder Gewalt eines örtlichen Erziehungsheims befinden und der Täter muss ein nicht mit dem Opfer verheirateter Angestellter dieser Anstalt sein; oder g) in eine Kinder- und Familienfürsorgedienststelle eingewiesen oder dieser unterstellt sein und der Täter muss ein nicht mit dem Opfer verheirateter Angestellter dieses Dienstes sein; oder h) ein Klient bzw. Patient des Täters sein, welcher ein (Geistes-) Gesundheitsfürsorgeleistender ist und die sexuelle Handlung der ss. 130.25, 40, 65a, 55 während einer Behandlung, Konsultation, Gespräch oder Untersuchung vornimmt. S. 130.00 enthält Definitionen zu den in s. 130.05 Abs. 3 verwendeten Begriffen. Gemäß s. 130.00 Abs. 5 ist jemand geistig behindert („mentally disabled“), wenn er oder sie an einer Geisteskrankheit oder einem Geistesdefekt leidet, welche den Betroffenen unfähig stellt, die Natur seines Verhaltens einzuschätzen.1445 Eine Person ist gem. s. 130.00 Abs. 6 geistig beeinträchtigt („mentally incapacitated“), wenn sie zeitweise unfähig ist, ihr Verhalten aufgrund der Wirkung eines Betäubungsmittels oder einer giftigen Substanz einzuschätzen oder zu kontrollieren, welche(s) ihr ohne ihr Einverständnis beigebracht wurde.1446

len Handlung stützt und den Täter mit der Begehung oder dem Versuch der Tat in Verbindung bringt, s. 130.16. 1445 Im Fall Scherzer war das Opfer geistig gestört. Es hatte einen IQ von 64 und verhielt sich sexuell aggressiv. Es hatte den sexuellen Handlungen zugestimmt und die Natur der Handlung erkannt, verstand aber nicht das Konzept, dass es eine sexuelle Handlung ablehnen konnte. Es sah Sex als ein Mittel an, eine Freundschaft zu schließen oder zu behalten. Das Gericht schloss daher ein Einverständnis des Opfers aus, weil es das Opfer für geistig unfähig befand, ein Einverständnis zu geben (State v. Scherzer, 301 N.J. Super. 363, 694 A.2d A. 2d 196 (1997) zit. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 534 ff.). Vgl. auch: Commonwealth v. Burke, 105 Mass. 376, 7 Am. Rep. 531 (1870) zit. in: Klotter, Criminal Law, S. 133. 1446 In Kansas fand das Gericht, dass das Opfer nicht zustimmen konnte, weil es körperlich und seelisch beeinträchtigt war, weil es unter Medikamenteneinfluss stand und an einem medizinischen Zustand litt (State v. Reuena, 41 P.3d 862 (Kan. 2001); zit. in: Klotter, Criminal Law, S. 143). Das Gericht in Nevada zweifelte nicht, dass es an einem Einverständnis fehlt, wenn das Opfer mit Alkohol oder Drogen vergiftet wird. Ist das Opfer aber im vollen Besitz seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten und versteht die Natur der Handlung, ist sein Einverständnis gültig (State v. Lung, 21 Nev. 209, 28 P. 235 (1891) zit. in: Klotter, Criminal Law, S. 134).

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Körperlich hilflos („physically helpless“) ist nach s. 130.00 Abs. 7 jemand, der bewusstlos oder aus einem anderen Grund körperlich unfähig ist, seinen Widerwillen zur Handlung kundzutun.1447 Ein Gesundheitsfürsorgeleistender („health care provider“) ist gemäß s. 130.00 Abs. 12 eine Person, die qualifiziert oder registriert ist bzw. von der gefordert wird, qualifiziert oder registriert zu sein, oder eine Person, die sich als qualifiziert oder registriert ausgibt oder Dienste anbietet, als ob sie in dem Beruf der Medizin, Chiropraktik, Zahnmedizin oder Kindermedizin unter den Artikeln 131, 132, 133, 141 des Erziehungsgesetzes qualifiziert oder registriert wäre.1448 Ein Gesundheitsfürsorgeleistender für die Psyche („mental health care provider“) ist ein qualifizierter Arzt, qualifizierter Psychologe, eine registrierte professionelle Krankenschwester, ein qualifizierter klinischer Sozialarbeiter oder ein qualifizierter Sozialarbeiter unter der Aufsicht eines Arztes, Psychologen oder qualifizierten klinischen Sozialarbeiters, s. 130.00 Abs. 13. Die Voraussetzungen der Unfähigkeit sind somit klar definiert. Es kommt entweder auf das Alter des Opfers, eine mentale oder körperliche Beeinträchtigung oder eine besondere Aufenthalts- und Pflegesituation des Opfers an. Die Definitionen zu den einzelnen Konditionen vermeiden Auslegungsschwierigkeiten. Der New Yorker Gesetzgeber hat sich bemüht alle Situationen zu erfassen, die in der US-amerikanischen Rechtsprechung im Hinblick auf ein fehlendes Einverständnis diskutiert worden waren. Dies machen die Bezüge in den Fußnoten auf Fälle in anderen Rechtsordnungen der USA deutlich. Das Strafgesetz ist insofern sehr ausführlich, unmissverständlich und abschließend. Das Strafgesetz weist zudem einige Gründe in s. 130.10 aus, die eine Strafbarkeit ausschließen („defenses“), obwohl eine Unfähigkeit des Opfers, eine Entscheidung zu treffen, nachgewiesen werden konnte und damit das Einverständnis des Opfers eindeutig fehlte.

1447 Vgl. People v. Wankowitz, 564 N.Y.S. 2d 488 (1991), zit. in: Klotter, Criminal Law, S. 143: Das Opfer war zwar geistig wach, konnte sich aber aufgrund der Verabreichung von Lachgas körperlich nicht zur Wehr setzen. Siehe auch: Lancaster v. State, 168 Ga. 470, 148 S.E. 139 (1929); zit. in: Klotter, Criminal Law, S. 133: Es fehlte an einem Einverständnis, weil das Opfer zur Tatzeit bewusstlos war. 1448 In vielen Staaten ist ein durch Täuschung über die Tatsachen der sexuellen Handlung erlangtes Einverständnis ungültig (State v. Ely, 114 Wash. 185, 194 N.W. 988 (1921); zit. in: Klotter, Criminal Law, S. 134). So wurde ein Arzt verurteilt, der mit einer Patientin Geschlechtsverkehr hatte, ihr gegenüber aber vorgab, eine medizinische Untersuchung durchzuführen (Pomeroy v. State, 94 Ind. 96 (1883); Dressler, Understanding Criminal Law, S. 636; Dressler, Criminal Law, S. 334). Dagegen wurde eine Vergewaltigung verneint, wenn ein Arzt eine Frau belügt, er könne sie von einer Krankheit heilen, wenn sie mit ihm schläft. In dem Fall wusste die Frau, dass sie einem Beischlaf zustimmte. Die Täuschung bezog sich nicht auf die Tatsache des Geschlechtsverkehr, sondern auf die Überredung zum Geschlechtsverkehr (Dressler, Understanding Criminal Law, S. 636 m.w. N.; Dressler, Criminal Law, S. 332 f.).

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Es ist nach Abs. 1 ein Strafausschließungsgrund, dass der Täter nicht die Fakten oder Bedingungen kannte, welche das Opfer unfähig machen, ein Einverständnis zu geben. Diese Unkenntnis betrifft somit den Vorsatz zur Handlung und wird an entsprechender Stelle des Tatbestandsirrtums erörtert werden. Nach Abs. 2 ist ein Verhalten nicht tatbestandsmäßig, wenn es zu einem medizinischen Zweck an einem willensunfähigen Patienten nach 130.05 h) durchgeführt wurde. Im Fall des s. 130.05 h) stellt nach Abs. 3 das Einverständnis des Opfers ein Rechtfertigungsgrund dar, wenn der Gesundheitspfleger das Opfer ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Handlung nicht zu einem medizinischen Grund durchgeführt wird. Nach Abs. 4 handelt es sich um einen Rechtfertigungsgrund, wenn das Opfer mit dem Täter verheiratet war, obwohl es unfähig war, ein Einverständnis zu geben, weil es jünger als 17 Jahre, geistig behindert oder ein Klient bzw. Patient des Täters war. Konnte nun die gewaltsame Nötigung oder die Unfähigkeit, ein Einverständnis zu geben, nachgewiesen werden, ist das fehlende Einverständnis des Opfers etabliert. Da es sich um objektive Voraussetzungen handelt, dürfte der Nachweis dieser Umstände relativ einfach gelingen. Schwieriger wird es aber, wenn die innere Willenseinstellung des Opfers bewiesen werden muss, um den Erfordernissen in s. 130.05 Abs. 2 d) zu genügen. Das Opfer muss klar zum Ausdruck gebracht haben, dass es der Handlung nicht zustimmt. Es wird ein objektiver Beweisstandard verlangt. Es kommt auf die Sichtweise eines vernünftigen Dritten an, der die Handlungen und Worte des Opfers in der fraglichen Situation als das Fehlen eines Einverständnisses interpretiert hätte. Da das Sexualverhalten zwischen Mann und Frau nicht immer eindeutig ist und auch oft widersprüchlich erscheinen mag, birgt diese Variante die schwerste Beweissituation.1449 Aus der Systematik des Gesetzestextes ergibt sich zweifellos, dass nicht erwartet wird, dass sich das Opfer körperlich zur Wehr gesetzt hat. Die physische Kraftentfaltung wird nicht einmal vom Täter bei dieser Tatvariante gefordert und kann daher noch weniger vom Opfer verlangt werden.1450 Es sollte 1449 Z. B.: Ein Einverständnis zu einer nackten Massage beinhaltet kein Einverständnis zum Geschlechtsverkehr (People v. Reed, 373 N.E. 2d 538 (Ill. 1978); zit. in: Klotter, Criminal Law, S. 134). Andererseits wird ein Einverständnis zum Geschlechtsverkehr nicht ungültig, weil sich eine Frau in der Notlage befindet, kein Dach über dem Kopf zu haben und der Mann keine rechtliche Verpflichtung hatte, die Frau finanziell zu unterstützen (vgl. Schulhofer, U.Pa.L.Rev. 143, 1995, S. 2151, abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 532). 1450 Wenn ein Opfer keine Verletzungen hat, sich nicht körperlich gewehrt hat und nur schwachen verbalen Widerstand gezeigt hat, läuft der Fall zwangsweise auf nach-

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auch nicht allein auf ein unwidersprüchliches „Nein“ von einem Vergewaltigungsopfer abgestellt werden, wenn man es mit der sexuellen Autonomie ernst meint. Ein Einverständnis sollte bei einer sexuellen Handlung nicht anders bewertet werden als ein Einverständnis zu einer z. B. medizinischen Maßnahme. Es gibt viele Wege ein Einverständnis bzw. eine Ablehnung der fraglichen Handlung mitzuteilen. Schweigen oder Gleichgültigkeit können hingegen nicht als eine Erlaubnis zur Handlung gewertet werden.1451 Letztlich kommt es auf die gerichtliche Bewertung der Gesamtumstände im Einzelfall an. Damit ist s. 130.05 Abs. 2 d) die einzige Fallkonstellation, die eine Auslegung des Gerichts (Jury) erfordert. Alle anderen Voraussetzungen sind klar definiert und daher relativ unproblematisch. dd) Kalifornien Das kalifornische Strafgesetz unterteilt die Sexualtatbestände nur nach den sexuellen Handlungen, aber nicht wie das New Yorker Strafgesetz nach den unterschiedlichen Methoden der Willensbeeinträchtigung. Es existieren daher keine Abstufungen ersten, zweiten oder dritten Grades eines Tatbestandes. Es werden aber innerhalb der Tatbestände des Oral- und Analverkehrs sowie der sexuellen Penetration mit fremden Objekten unterschiedliche Strafen angedroht, wenn das sexuelle Selbstbestimmungsrecht aufgrund der Tatumstände weniger oder mehr beeinträchtigt wird. So droht dem Täter beispielsweise eine geringere Strafe, wenn er den Oralverkehr mit einer Person unter 18 Jahren durchführt oder einer Person, die sich im Gefängnis befindet, als wenn er den Oralverkehr mit Gewalt gegen den Willen des Opfers erzwingt. Die beiden Vergewaltigungstatbestände (ss. 261, 262 PC) wurden hingegen nur mit einer Strafandrohung versehen. Die in ss. 261, 262, 286, 288a, 289 Penal Code genannten sexuellen Handlungen müssen grundsätzlich ohne das Einverständnis des Opfers durchgeführt werden.1452 Das Einverständnis ist abstrakt-positiv definiert, d. h. es wurde gemäß s. 261.6 ein abstrakter Grundsatz aufgestellt, wann ein gültiges Einverständnis vorliegt, sollte in den einzelnen Tatbeständen das Einverständnis des Opfers zur vollziehbare Zweifel hinaus. Daher sollte sich nach einer Ansicht in der Literatur die Bewertung des Falls nicht nur auf die objektive Wirklichkeit (Verletzungen, Worte, Widerstand, Angriff), sondern auch auf die subjektive Kenntnis der Tatumstände des Opfers beziehen. Siehe dazu: Nemeth, Criminal Law, S. 210. 1451 Schulhofer, U.Pa.L.Rev. 143, 1995, S. 2151, abgedr. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 532. 1452 SS. 261.6 und 261.7 sind ausdrücklich sowohl auf die Vergewaltigung als auch auf die anderen Tatbestände der ss. 262, 286, 288a und 289 PC anwendbar. Die Anordnung im Gesetzestext ist insofern unglücklich, weil ihre Position im Anschluss an den Vergewaltigungstatbestand und vor den weiteren Straftatbeständen suggeriert, dass sie sich allein auf die Vergewaltigung gemäß s. 261 beziehen. Es wäre sinnvoller gewesen, die beiden allgemeinen Vorschriften vor die Tatbestände zu ziehen, wie es der Dogmatik allgemein anwendbarer Vorschriften entspricht.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Debatte stehen. Danach liegt ein Einverständnis vor, wenn der Betroffene frei und willentlich handelt und die Natur der fraglichen Handlung oder Transaktion kennt. Die freie Willensbetätigung muss sich in seiner Handlung und Haltung als eine positive Kooperation widerspiegeln. Eine frühere Beziehung oder eine Ehe können nach s. 261.6 PC kein Einverständnis des Opfers begründen. Auch reicht der Vorschlag, das Verlangen oder die Mitteilung des Opfers an den Täter, ein Kondom oder ein anderes Verhütungsmittel zu verwenden, nicht ohne zusätzlichen Beweis aus, um ein Einverständnis zu begründen. S. 261.7 trägt der Situation Rechnung, dass Vergewaltigungsopfer versuchen, sich wenigstens vor einer Schwangerschaft oder einer Infektion mit einer Geschlechtskrankheit zu schützen, wenn sie denn die sexuelle Handlung nicht verhindern können. Aus diesem Opferverhalten wurde vorschnell eine Kooperation – also ein Einverständnis des Opfers zur sexuellen Handlung – abgeleitet, ohne auf weitere Umstände des Falles einzugehen. Nun muss ein zusätzlicher Beweis für ein Einverständnis des Opfers erbracht werden.1453 Das Einverständnis muss bis zur Vollendung der Tat vorliegen. Heutzutage ist unstreitig, dass eine Person sein Einverständnis vor Beendung der sexuellen Handlung zurücknehmen kann. Fährt der Täter, obwohl ihm bewusst ist, dass das Opfer sein Einverständnis zurückgenommen hat, trotzdem mit der sexuellen Handlung fort, ist der Straftatbestand erfüllt.1454 In den einzelnen Tatbeständen sind nun die konkreten Gründe für ein fehlendes bzw. ungültiges Einverständnis aufzufinden. Der abstrakt-positiv formulierte Grundsatz des Einverständnisses ist somit in Zusammenhang mit den konkretnegativen Umständen für ein fehlendes Einverständnis zu lesen. Erst die Bedingungen der Tatumstände in den Tatbeständen geben Aufschluss, ob es überhaupt auf ein Einverständnis des Opfers ankommt. 1453

So auch: Klotter, Criminal Law, S. 134 m.w. N. Wenn das Opfer sein Einverständnis vor Beendigung der Tat zurückzieht und der Täter selbst mit Gewalt die Handlung fortsetzt, fand das Gericht im Fall Vela, dass, der Täter keine Vergewaltigung begehe. Das Argument war, dass, wenn das (weibliche) Opfer der Penetration erst einmal zugestimmt hat, mit der Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs nicht mehr ihre Gefühle und ihre Weiblichkeit verletzt werden könnten (People v. Vela, 218 Cal. Rptr. 161, 172 Cal. App. 3d 237 (1985); People v. Burroughs, 19 Cal. Rptr. 344, 200 Cal. App. 2d 629 (1992); Klotter, Criminal Law, S. 133; Lee/Harris, Criminal Law, S. 521). Im Fall John lehnte das Gericht dann diese Rechtsprechung endgültig ab. Es fand, dass ein Opfer dennoch schwer verletzt werden kann, wenn es vor Beendigung des Geschlechtsverkehrs sein Einverständnis zurückzieht. Section 261 PC definiere die Handlung als eine Handlung gegen den Willen des Opfers und stelle dabei nicht auf die Beeinträchtigung ab. Jede wie auch immer leichte Penetration genüge. Die Beeinträchtigung sei lediglich der Grund für die Bestrafung, aber kein Verbrechenselement. Es sei unwichtig, wann das Opfer sein Einverständnis zurücknehme, solange dies dem Täter mitgeteilt wird [Lee/Harris, Criminal Law, S. 522; In re John Z., 29 Cal. 4th 756, 60 P.3d 183, 128 Cal.Rptr. 2d 783 (S.C.Cal. 2003)]. 1454

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Bereits unter dem Abschnitt der Nötigung wurden die Methoden behandelt, die sich mit der Zwangsausübung wie der Anwendung von Gewalt, der Drohung mit Gewalt oder anderen Nachteilen für das Opfer oder eine dritte Person auseinandersetzen. Sie werden an dieser Stelle nicht noch einmal erwähnt. Der Fokus liegt nun auf den zwangslosen Tatumständen. Es folgt ein Überblick über die unterschiedlichen Gründe in den fünf Tatbeständen, die ein Einverständnis ausschließen: – Vergewaltigung, Vergewaltigung in der Ehe, Analverkehr, Oralverkehr, sexuelle Penetration mit einem fremden Objekt: • Die sexuelle Handlung wird gegen den Willen des Opfers mit Mitteln der Kraft, Gewalt, Zwang, Drohung oder Angst vor einer kurz bevorstehenden und rechtswidrigen Körperverletzung des Opfers oder eines Dritten begangen (s. o. Nötigungshandlung). • Das Opfer ist sich zur Tatzeit nicht über die Natur der Handlung bewusst und dies ist dem Täter bekannt. Dies ist der Fall, wenn das Opfer unfähig ist, sich der Handlung zu widersetzen, weil es – bewusstlos war oder schlief; – sich nicht bewusst war, oder nicht wusste oder verstand, dass die Handlung geschah; – die wesentlichen Eigenschaften der Handlung aufgrund einer Täuschung über Fakten durch den Täter nicht kannte oder verstand; – die wesentlichen Eigenschaften der Handlung aufgrund einer vortäuschenden Darstellung des Täters, dass die sexuelle Penetration einem Zweck diente, wenn sie in Wirklichkeit keinem professionellen Zweck diente, nicht kannte oder verstand. • Das Opfer war aufgrund einer vergiftenden oder anästhetischen oder irgendeiner kontrollierten Substanz in seinen Abwehrfähigkeiten beeinträchtigt und diese Bedingung war dem Täter bekannt oder hätte ihm zumutbar bekannt sein müssen. – Vergewaltigung, Analverkehr, Oralverkehr, sexuelle Penetration mit einem fremden Objekt: – Das Opfer ist unfähig, ein Einverständnis zu geben, weil es geistig beeinträchtigt, in der Entwicklung zurückgeblieben oder körperlich behindert ist und dies ist dem Täter bekannt oder sollte ihm zumutbar bekannt sein. – Das Opfer gibt unter dem Eindruck nach, dass die Person, welche die Handlung vollzieht, der Ehepartner des Opfers ist. Der Täter ruft diesen Glauben durch einen Trick, Vorwand oder eine Täuschung vorsätzlich hervor.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

– Analverkehr, Oralverkehr, sexuelle Penetration mit einem fremden Objekt: – Das Opfer ist jünger als 18 Jahre. – Das Opfer ist jünger als 16 Jahre und der Täter ist älter als 21 Jahre. – Das Opfer ist jünger als 14 Jahre und 10 Jahre jünger als der Täter. – Das Opfer ist zur Tatzeit unfähig, ein Einverständnis zu geben, weil es geistig beeinträchtigt, in der Entwicklung zurückgeblieben oder körperlich behindert ist und dies ist dem Täter bekannt oder sollte ihm zumutbar bekannt sein. Beide Beteiligten – das Opfer und der Täter – befinden sich zur Tatzeit in einem Staatskrankenhaus oder in einer anderen anerkannten öffentlichen oder privaten Anstalt zur Pflege und Behandlung einer geistigen Behinderung. – Analverkehr, Oralverkehr: – Der Täter oder Teilnehmer an einem Oral- oder Analverkehr ist zur Tatzeit in einem Staatsgefängnis oder einer örtlichen Haftanstalt inhaftiert. – Oralverkehr: – Der Täter oder Teilnehmer muss wissentlich mit einer anderen Person zusammenwirken und den Oralverkehr mit dem Opfer vollziehen. Das Opfer ist zur Tatzeit unfähig, ein Einverständnis zu geben, weil es geistig beeinträchtigt, in der Entwicklung zurückgeblieben oder körperlich behindert ist und dies ist dem Täter bekannt oder sollte ihm zumutbar bekannt sein. Fasst man die Gründe für ein fehlendes Einverständnis zusammen, ergibt sich ein ähnliches Bild wie nach dem Gesetzestext in New York. Es fehlt an einem Einverständnis des Opfers, wenn das Opfer zur Zeit der Tatbegehung: – genötigt wird, – geistig oder körperlich behindert ist, – zu jung ist, – bewusstlos ist, – schläft, – die Handlung nicht kennt, wahrnimmt oder versteht, – berauscht ist, – über die Identität des Täters, über die Fakten der Tat oder den Zweck getäuscht wird oder – der Täter in einem Staatsgefängnis inhaftiert ist. Das kalifornische Strafgesetz hat auf weitere Auslegungshilfen im Gesetzestext verzichtet. Es mangelt aber nicht an einer Bestimmtheit der einzelnen Elemente. Das Alter, die Unkenntnis bzw. das Unverständnis der sexuellen Hand-

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lung, die Bewusstlosigkeit, der Schlaf des Opfers sowie die Inhaftierung des Täters in einem Gefängnis sind eindeutig nach dem Wortlaut zu verstehen. Es bedarf keiner komplizierten Auslegung des Wortsinns. Ausgelegt werden müssen einzig die geistige oder körperliche Behinderung, die Vergiftung mit einem Betäubungsmittel sowie die Täuschungsmodalitäten. Ergibt sich die Bedeutung nicht aus dem Gesetzestext, ist die Rechtsprechung der kalifornischen Gerichte und im Hilfsfall auch anderer Staaten heranzuziehen. Bei der geistigen oder körperlichen Behinderung oder Beeinträchtigung gibt die Rechtsprechung, aber auch die allgemeine Definition des Einverständnisses des s. 261.6 PC Aufschluss über das erforderliche Ausmaß der Behinderung. Die geistige Behinderung oder Beeinträchtigung muss demnach so gravierend sein, dass das Opfer sich nicht über die Natur oder das Ausmaß der Handlung im Klaren war bzw. nicht verstand, dass es eine Wahl hatte, die Handlung abzulehnen oder ihr zuzustimmen.1455 Die körperliche Behinderung muss ebenfalls die freie Willensbetätigung beeinträchtigt haben, in der Form, dass das Opfer aufgrund der Behinderung in seinen Abwehrmöglichkeiten eingeschränkt war. Es reicht, dass das Opfer seinen Gegenwillen nicht kundtun konnte.1456 Beim Rausch fehlt es an einem Einverständnis, wenn das Opfer aufgrund von giftigen, anästhetischen oder kontrollierten Substanzen (Betäubungsmittel, Alkohol) während der sexuellen Handlung in seinen Abwehrfähigkeiten eingeschränkt war. Der Täter muss von dieser Bedingung gewusst haben oder hätte vernünftigerweise davon wissen müssen. Es kommt also nicht darauf an, ob der Täter dem Opfer die Substanz beigebracht hat, er kann das Opfer auch einfach nur berauscht vorgefunden haben. Es ist allerdings im Einzelfall schwierig zu überprüfen, ob das Opfer tatsächlich aufgrund der Drogen oder dem Alkohol in seinen Abwehrfähigkeiten eingeschränkt war. Das Opfer muss mehr als nur angeheitert gewesen sein, wozu logischerweise der Nachweis einer erheblichen Menge Alkohol bzw. anderer Drogen im Blut zu erbringen ist. Um aber einen umfangreichen Opferschutz garantieren zu können, sollte im Zweifelsfall auf das Vorhandensein einer solchen Substanz und nicht auf den Nachweis einer einschränkenden Wirkung abgestellt werden. Ferner existieren drei Täuschungsvarianten, die aufgrund der unumstrittenen Rechtsprechung in Kalifornien keine größeren Interpretationsprobleme bereiten. Die Täuschung über die Natur der Handlung („fraud in the factum“) ist seit langem im anglo-amerikanischen Fallrecht anerkannt. Sie ist im kalifornischen Gesetzestext in zwei Varianten aufgeteilt. Zum einen die Täuschung über Fakten der 1455 In People v. Howard wurde der Täter gemäß ss. 266, 288a verurteilt, weil er den oralen und analen Geschlechtsverkehr mit einem geistig behinderten Mädchen durchgeführt hatte. Sie hatte die Handlung nicht begriffen. State v. Scherzer, 301 N.J. Super. 363, 694 A.2d A. 2d 196 (1997), zit. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 534 ff. 1456 Vgl. LaFave, Substantive Criminal Law, S. 644.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Handlung, zum anderen die Täuschung über einen professionellen Zweck der Handlung. In beiden Fällen wird das Opfer über die Natur der Handlung getäuscht, so dass es nicht weiß oder nicht begreift, dass es sich bei der Handlung um einen Geschlechtsverkehr oder eine sonstige sexuelle Penetration handelt. Die Bedeutung der ersten Variante ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Der Täter muss das Opfer über Fakten der sexuellen Handlung getäuscht haben. Das Opfer darf die sexuelle Handlung, die der Täter mit dem Opfer vollzieht, entweder nicht gekannt oder verstanden haben.1457 In der zweiten Variante ist die Täuschung über den Zweck der Handlung unter Strafe gestellt, wenn aufgrund dieser Täuschung das Opfer die Natur der Handlung nicht versteht oder kennt. Danach muss der Täter aufgrund einer Täuschungshandlung beim Opfer den Irrtum hervorrufen, dass die Handlung einem professionellen Zweck dient. Es reicht nicht, dass der Täter sich einen Irrtum des Opfers zu Nutze macht. Er muss die Täuschung selbst hervorrufen. Das Opfer muss somit der Handlung zugestimmt haben, weil es dem Irrtum über den Zweck der Handlung erlag und ihm damit die tatsächliche Handlung nicht bewusst war oder es diese nicht verstand. Durch die Art der Formulierung wird deutlich, dass eine Kausalität zwischen der Täuschungshandlung und dem Irrtum sowie dem Einverständnis zur Handlung gegeben sein muss. Mit dieser Tatvariante werden die Fälle erfasst, in denen ein Arzt einem Patienten vorspiegelt eine medizinische Untersuchung oder Behandlung durchzuführen, er in Wirklichkeit aber den Geschlechtsverkehr oder eine andere sexuelle Handlung am Opfer vollzieht, von der das Opfer keine Kenntnis hat.1458 Davon zu unterscheiden ist jedoch der Fall, wenn ein Arzt behauptet, er werde den Geschlechtsverkehr mit der Patientin vollziehen, um sie von einer Krankheit zu heilen. Der Patientin sind dann die wesentlichen Eigenschaften der Handlung, nämlich der Geschlechtsverkehr, bekannt. Sie irrt sich nur, dass der Täter diesen nicht – wie vorgetäuscht – zu Heilzwecken durchführt. Damit fehlt es an der erforderlichen Unkenntnis oder dem Unverständnis der wesentlichen Eigenschaften der sexuellen Handlung. Das Einverständnis des Opfers ist gültig.1459 1457 Vgl. dazu: Lee/Harris, Criminal Law, S. 542 ff.; Boro v. Superior Court, 163 Cal. App. 3d 1224, 210 Cal. Rptr. 122 (Ct. App. 1985). 1458 Im Fall People v. Minkowski hatte der Täter Patientinnen wegen Menstruationsproblemen medizinisch behandelt und erst ein medizinisches Objekt in die Vagina eingeführt und dann seinen Penis, ohne dass die Patientinnen dies wussten. Sie waren sich nicht darüber im Klaren gewesen, dass der Arzt den Geschlechtsverkehr mit ihnen vollzog. Der Täter war wegen Vergewaltigung verurteilt worden („fraud in the factum“). Zit. in: Lee/Harris, Criminal Law, S. 542 ff. 1459 Im Fall Boro gab der Täter vor, Arzt zu sein und informierte das Opfer an einer lebensbedrohlichen Krankheit zu leiden. Diese könne entweder durch eine 9.000 $ teure Operation oder durch einen Geschlechtsverkehr mit einem anonymen Spender, der mit einem Serum behandelt worden sei, für 1000 $ geheilt werden. Das Opfer erklärte sich daraufhin zum Geschlechtsverkehr mit dem Spender (Täter) bereit. Das Gericht fand,

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Seit kurzem besteht allerdings in Kalifornien nach s. 266c PC die Möglichkeit, auch die Täuschung über die Herbeiführung des Geschlechtsverkehrs mit einer geringeren Strafe verurteilen zu können („fraud in the inducement“). Die Täuschung muss beim Opfer eine Angst auslösen und ein vernünftiges Opfer dazu bringen können, in die fragliche sexuelle Handlung einzuwilligen.1460 Damit ist die Täuschung auf die Fälle beschränkt, die einen nachvollziehbaren Zwang beim Opfer auslösen. Ansonsten könnte jede Lüge zur Erreichung des Geschlechtsverkehrs als Vergewaltigung angeklagt werden, was zu einer ausufernden Gerichtsbelastung führen würde. Die dritte Täuschung bezieht sich im Grunde auch auf Fakten zur sexuellen Penetration, diesmal aber auf die Identität des Täters. Der Täter muss beim Opfer vorsätzlich den Irrtum hervorrufen, dass es sich um dessen Ehepartner handelt. Die Mittel der Irrtumserregung sind im Grunde gleichgültig. Das Gesetz nennt einen Trick, Vorwand oder eine Täuschung, womit jede Art der Irrtumsherbeiführung abgedeckt ist. Entscheidend ist, dass das Opfer ein Einverständnis zur Handlung gibt, weil es dem Irrtum über die Identität unterliegt. Sollte sich das Opfer trotz einer Täuschungshandlung nicht über die Identität des Täters geirrt haben, ist die Handlung des Täters nicht tatbestandsmäßig. Es muss somit ein Kausalzusammenhang zwischen der Täuschungshandlung, dem Irrtum und dem Einverständnis vorliegen. Eine Handlung, die zwar einen Irrtum beim Opfer hervorruft, aber nicht vorsätzlich vom Täter eingefädelt wurde, ist ebenfalls nicht ausreichend. Ferner ist nur die Täuschung über die Identität des Ehepartners strafbar. Eine Täuschung über die Identität eines Lebenspartners, Liebhabers oder aber über bestimmte Qualitäten einer Person (berühmter Schauspieler oder Millionär zu sein) erfüllt den Tatbestand nicht. Dieser Gesetzesstand entspricht dem alten, mittlerweile überholten, englischen Fallrecht, welches heutzutage die Täuschung

dass das Opfer sich über die Natur der Handlung (Geschlechtsverkehr) im Klaren gewesen sei, lediglich die Motivation (Heilung einer Krankheit) sei durch eine Täuschung erzielt worden („fraud in the inducement“). Die Täuschung über die Motivation zum Einverständnis ist nach s. 261 subs. 4 irrelevant, weil nur der Betrug hinsichtlich der Natur der Handlung relevant ist. Handelt es sich um einen Betrug über den Zweck, wie hier die medizinische Heilung, bleibt nach dem Statut das Einverständnis wirksam. Boro v. Supreme Court, 163 Cal. App. 3d 1224, 210 Cal. Rptr. 122 (1985), abgedr. in: Gardner/Singer, Criminal Law, S. 684 f. 1460 Section 266c: Every person who induces any other person to engage in sexual intercourse, sexual penetration, oral copulation, or sodomy when his or her consent is procured by false or fraudulent representation or pretense that is made with the intent to create fear, and which does induce fear, and that would cause a reasonable person in like circumstances to act contrary to the person’s free will, and does cause the victim to so act, is punishable by imprisonment in a county jail for not more than one year or in the state prison for two, three, or four years. As used in this section, „fear“ means the fear of physical injury or death to the person or to any relative of the person or member of the person’s family. Siehe auch: Lee/Harris, Criminal Law, S. 546.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

über die Identität des Ehepartners auf eine Täuschung über die Identität einer dem Opfer bekannten Person ausgedehnt hat. Damit sind zwar alle Tatumstände eines fehlenden Einverständnisses hinreichend bestimmt. Bei der Aufzählung der einzelnen Umstände, die ein Einverständnis ausschließen bzw. ungültig machen, erstaunt jedoch der inkonsequente und damit wenig nachvollziehbare Aufbau der Tatbestände. Die behandelten Umstände sind nicht gleichmäßig auf alle Tatbestände anwendbar. Vergleicht man die Anordnung der Bedingungen eines fehlenden Einverständnisses in den einzelnen Tatbeständen, zeichnet sich ein eher merkwürdiges Bild der Gesetzessystematik ab. Einzig und allein die Bewusstlosigkeit, der Schlaf, die Betäubung oder die Unkenntnis, dass die Handlung geschieht sowie die Täuschung des Opfers über die Fakten und den Zweck sind gemeinsame Gründe in allen fünf Straftatbeständen, die ein Einverständnis ausschließen. Bei der Vergewaltigung in der Ehe sind die geistige oder körperliche Behinderung sowie die Täuschung über die Identität des Ehemannes ausgenommen und somit nur gemeinsame Gründe für ein fehlendes Einverständnis in den anderen vier Tatbeständen. Es ist durchaus verständlich, warum bei der Vergewaltigung in der Ehe die Täuschung über die Identität des Täters als Ehemann ausgenommen ist. Es ist gerade das entscheidende Element der Vergewaltigung in der Ehe, dass der Täter mit dem Opfer verheiratet ist. Der Täter kann also nicht vortäuschen, der Ehepartner des Opfers zu sein, sondern er muss es sein. Ferner wird sich der Täter nicht mit einer behinderten Person verheiraten, um somit eine sexuelle Beziehung mit einem Opfer zu erreichen, dass sich aufgrund der Beeinträchtigung seinem Ansinnen nicht widersetzen kann. Sollte der Ehepartner geistig oder körperlich behindert sein, hat er gültig in eine Ehe eingewilligt und kann damit auch in sexuelle Beziehungen einwilligen. Die Behinderung ist somit irrelevant, wenn es um die Fähigkeit einer Person geht, ein Einverständnis zu geben. Es muss ein weiterer Umstand hinzutreten, bevor von einer Vergewaltigung gesprochen werden kann. Erstaunlich ist aber, dass beim Oral- und Analverkehr sowie bei der sexuellen Penetration mit fremden Objekten zusätzliche Tatumstände eingefügt sind. Danach kann der Täter auch wegen eines Oral- oder Analverkehrs oder einer sexuellen Penetration mit fremden Objekten bestraft werden, wenn das Opfer zum Tatzeitpunkt minderjährig war. Der Strafrahmen variiert entsprechend des Alters. Je jünger das Opfer und je größer der Altersunterschied zwischen dem Täter und dem Opfer ist, desto höher ist die Strafandrohung. Es wird unterstellt, dass ein minderjähriges Opfer kein informiertes Einverständnis geben kann. Das junge Alter des Opfers führt aber nicht zur Annahme des Vergewaltigungstatbestands. Dies liegt wohl daran, dass ein separater Missbrauchstatbestand zum vaginalen Geschlechtsverkehr gemäß s. 261.5 PC existiert und somit kein Bedarf an einem

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weiteren Schutz für Minderjährige im Vergewaltigungstatbestand bestand.1461 Aber auch für den Oral- und Analverkehr sowie die sexuelle Penetration gemäß ss. 286, 288a, 289 existieren besondere Jugendschutznormen in s. 288 PC. Es wäre sinnvoller, den Minderjährigenschutz vor sexuellen Handlungen in separaten Vorschriften zu den Sexualvorschriften zu behandeln, welche die sexuelle Selbstbestimmung, also den Willen des Opfers schützen, wie es auch bei der Vergewaltigung gehandhabt wurde. Insofern hat der Gesetzgeber aus nicht ver1461 261.5. PC: (a) Unlawful sexual intercourse is an act of sexual intercourse accomplished with a person who is not the spouse of the perpetrator, if the person is a minor. For the purposes of this section, a „minor“ is a person under the age of 18 years and an „adult“ is a person who is at least 18 years of age. (b) Any person who engages in an act of unlawful sexual intercourse with a minor who is not more than three years older or three years younger than the perpetrator, is guilty of a misdemeanor. (c) Any person who engages in an act of unlawful sexual intercourse with a minor who is more than three years younger than the perpetrator is guilty of either a misdemeanor or a felony, and shall be punished by imprisonment in a county jail not exceeding one year, or by imprisonment in the state prison. (d) Any person 21 years of age or older who engages in an act of unlawful sexual intercourse with a minor who is under 16 years of age is guilty of either a misdemeanor or a felony, and shall be punished by imprisonment in a county jail not exceeding one year, or by imprisonment in the state prison for two, three, or four years. (e) (1) Notwithstanding any other provision of this section, an adult who engages in an act of sexual intercourse with a minor in violation of this section may be liable for civil penalties in the following amounts: (A) An adult who engages in an act of unlawful sexual intercourse with a minor less than two years younger than the adult is liable for a civil penalty not to exceed two thousand dollars ($ 2,000). (B) An adult who engages in an act of unlawful sexual intercourse with a minor at least two years younger than the adult is liable for a civil penalty not to exceed five thousand dollars ($ 5,000). (C) An adult who engages in an act of unlawful sexual intercourse with a minor at least three years younger than the adult is liable for a civil penalty not to exceed ten thousand dollars ($ 10,000). (D) An adult over the age of 21 years who engages in an act of unlawful sexual intercourse with a minor under 16 years of age is liable for a civil penalty not to exceed twenty-five thousand dollars ($ 25,000). (2) The district attorney may bring actions to recover civil penalties pursuant to this subdivision. From the amounts collected for each case, an amount equal to the costs of pursuing the action shall be deposited with the treasurer of the county in which the judgment was entered, and the remainder shall be deposited in the Underage Pregnancy Prevention Fund, which is hereby created in the State Treasury. Amounts deposited in the Underage Pregnancy Prevention Fund may be used only for the purpose of preventing underage pregnancy upon appropriation by the Legislature. (3) In addition to any punishment imposed under this section, the judge may assess a fine not to exceed seventy dollars ($ 70) against any person who violates this section with the proceeds of this fine to be used in accordance with Section 1463.23. The court shall, however, take into consideration the defendant’s ability to pay, and no defendant shall be denied probation because of his or her inability to pay the fine permitted under this subdivision.

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ständlichen Gründen mit der logischen Trennung zwischen Missbrauchstatbeständen und Sexualstraftaten gebrochen. Die Tatbestände der ss. 286, 288a und 289 PC schützen nun sowohl das sexuelle Selbstbestimmungsrecht als auch Minderjährige vor einer Entwicklungsstörung. Genauso unverständlich ist der Umgang mit dem Erfordernis, dass das Opfer zur Tatzeit unfähig war, ein Einverständnis zu geben, weil es geistig oder körperlich behindert bzw. beeinträchtigt war. Dieser Umstand schließt bereits bei allen vier Tatbeständen (außer bei der Vergewaltigung in der Ehe) ein Einverständnis aus. Allein bei den drei letzten Sexualtaten wird dieser Umstand mit der Ergänzung zusätzlich aufgeführt, dass sich sowohl der Täter als auch das Opfer in einem Staatskrankenhaus oder in einer anderen anerkannten öffentlichen oder privaten Anstalt zur Pflege und Behandlung einer geistigen Behinderung aufhalten müssen. Die Strafe ist im Unterschied zu einem Täter, der nicht zur Pflege und Behandlung in einem Krankenhaus oder einer Anstalt untergebracht ist, von 3, 6 oder 8 Jahren auf maximal ein Jahr Freiheitsstrafe verkürzt. Eine Erhöhung der Strafe wurde zusätzlich allein beim Oralverkehr aufgenommen, wenn der Täter oder Teilnehmer mit einer anderen Person vorsätzlich zusammenwirkt. Es kommt nicht auf eine Mittäterschaft an, weil der Tatbeteiligte explizit auch nur ein Gehilfe sein kann. Die Straferhöhung liegt in der Gefahr einer Eskalation der Handlung sowie in den geringeren Abwehrmöglichkeiten, weil sich das Opfer zwei Personen gegenüber sieht. Sollte also zu der Behinderung oder Beeinträchtigung des Opfers hinzutreten, dass zwei Personen die Tat verüben, können die Beteiligten mit 5, 7 oder 9 Jahren bestraft werden. In diesen Varianten ist zwar die unterschiedliche Strafandrohung nachvollziehbar, weil die Gründe für eine höhere (mehrere Beteiligte) oder niedrigere Strafe (vermindert geistige Fähigkeiten des Täters) einleuchten. Nicht plausibel ist hingegen, warum diese Varianten nur beim Oral- und Analverkehr und der sexuellen Penetration bzw. nur beim Oralverkehr und nicht bei allen Tatbeständen gleichmäßig eingefügt wurden. Es spricht meines Erachtens nichts dagegen, die gleichen Umstände auch bei der Vergewaltigung bzw. bei dem Analverkehr oder der sexuellen Penetration aufzuzählen, wenn man denn diese unterschiedlichen Strafrahmen für wesentlich hält. Auch überrascht die alleinige Bestrafung des Oral- und Analverkehrs, wenn sich beide – Täter und Opfer – zur Tatzeit im Gefängnis befinden. Es kann durchaus argumentiert werden, dass ein eingesperrtes Opfer eingeschüchtert und damit in seinen Abwehrmöglichkeiten eingeschränkt ist und somit kein freiwilliges Einverständnis geben kann. Da aber darauf bestanden wird, dass nur der Oral- und Analverkehr zwischen Insassen verboten ist, schützt diese Vorschrift weniger das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Gefängnisinsassen, als dass es die Sittlichkeit und Moralvorstellungen der amerikanischen Gesellschaft schützt.

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Käme es auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht an, wäre es unwesentlich, ob der Täter ein Insasse, Wärter oder eine sonstige Person ist. Es wäre auch der Geschlechtsverkehr oder die sexuelle Penetration mit Objekten in Gefängnissen unter Strafe gestellt worden. Es hätte allein die Inhaftierung des Opfers und seine eingeschränkte Freiheit ein Einverständnis zu geben, eine Rolle gespielt. Es sollte mit dieser Tatvariante vielmehr unterbunden werden, dass Insassen homosexuelle Sexualpraktiken einvernehmlich ausüben. Es wird in der Vorschrift nämlich nicht erwähnt, dass die Handlung gegen den Willen des Opfers durchgeführt werden muss. Es obliegt aber nicht dem Strafrecht bestimmte Moralvorstellung über die Sexualität mittels Strafe durchzusetzen. Es geht gerade darum, das Individuum frei von Zwang zu stellen, um somit eine eigene, informierte Entscheidung zur sexuellen Handlung treffen zu können. Nimmt man es mit dem sexuellen Selbstbestimmungsrecht ernst, stellt diese Vorschrift eher ein Rückschritt in der Entwicklung des Sexualstrafrechts dar. Insgesamt kann festgehalten werden, dass das kalifornische Strafgesetzbuch einen weitreichenden Schutz vor sexuellen Handlungen an geistig behinderten, körperlich eingeschränkten oder in der Entwicklung gestörten Personen bietet. Zu bemängeln ist jedoch die unübersichtliche Anordnung der Vorschriften über die Sexualstraftaten. Es erscheint dogmatisch misslungen, weil es mehrere Schutzrichtungen (sexuelles Selbstbestimmungsrecht, Jugendschutz, Moral und Sittlichkeit und Tierschutz) in einem Tatbestand vermischt und bestimmte Verhaltensweisen in einem Tatbestand unter Strafe stellt und in einem anderen unbenannt lässt, obwohl keine sachlichen Gründe für diese abweichende Behandlung der Tatbestände erkenntlich sind. ee) Übereinstimmungen und Abweichungen der vier Rechtsordnungen bzgl. des fehlenden Einverständnisses Das Grundprinzip der anglo-amerikanischen Rechtsordnungen ist einfach festzustellen: Bestraft wird ein Sexualverhalten, wenn es ohne ein Einverständnis des anderen vorgenommen wird. Geschützt wird damit das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, zu bestimmen, wann es an einem gültigen Einverständnis fehlt. Das französische und englische Gesetz sowie die beiden US-amerikanischen Strafgesetzbücher stimmen in den folgenden Punkten überein: (1) Gewalt und Drohung Es fehlt ganz eindeutig an einem Einverständnis des Opfers, wenn der Täter Gewalt angewandt bzw. das Opfer mit Gewalt oder einem anderen schweren Nachteil bedroht hat. Die Voraussetzungen der untersuchten Rechtsordnungen wurden bereits unter dem Abschnitt der Nötigungshandlung erörtert.

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(2) Körperliche und geistige Beeinträchtigung Ferner sind sich die Rechtsordnungen Englands, New Yorks, Kaliforniens und Frankreichs einig, dass ein körperlich oder geistig behindertes Opfer nicht in der Lage ist, ein Einverständnis zu geben. Die körperliche Behinderung muss das Opfer in seinen Abwehrmöglichkeiten eingeschränkt haben. Dazu gehört auch die Unfähigkeit des Opfers, seinen Widerwillen dem konkreten Täter mitteilen zu können. Versteht jedoch der Täter das Opfer, weil er z. B. die Zeichensprache kennt, kommt die Vermutung des fehlenden Einverständnisses in England nicht zum Tragen. Dies kann auf die Strafgesetze New Yorks, Kaliforniens und Frankreichs übertragen werden. Denn wenn sich das Opfer dem Täter gegenüber verständlich machen kann, liegt keine körperliche Behinderung vor, die es dem Opfer unmöglich macht, seinen Widerwillen kundzutun. Die geistige Behinderung muss so schwer sein, dass das Opfer die Handlung selbst bzw. die Auswirkungen der sexuellen Handlung sowie sein Recht, eine solche Handlung ablehnen zu können, nicht begreift. Dies kann der Fall sein, wenn das Opfer unter einer Geisteskrankheit, einem Geistesdefekt oder einer Lernschwäche leidet. Es werden aber auch vorübergehende Geistesbeeinträchtigungen wie eine Alkoholisierung, Betäubung mit Drogen oder eine Bewusstseinsbeeinträchtigung darunter erfasst1462, die das Opfer geistig unfähig stellen, eine Entscheidung zu treffen. Der Täter muss sich über die geistige Beeinträchtigung im Klaren sein bzw. hätte von ihr wissen müssen. Nicht erforderlich ist, dass der Täter den geminderten Geisteszustand verursacht hat. In New York („geistig beeinträchtigt“) und England (s. 75 Abs. 2 f) „Verabreichung einer überwältigenden Substanz“) wird darauf abgestellt, dass das Opfer mit der Einnahme von Alkohol oder Betäubungsmitteln nicht einverstanden war. In Kalifornien und Frankreich wird auch die selbstbeigebrachte Alkoholisierung oder Drogeneinnahme als zureichend angesehen. In England besteht nach der allgemeinen Definition gemäß s. 74 zusätzlich zu s. 75 Abs. 2 f) SOA 2003 die Möglichkeit, ein Einverständnis des Opfers abzulehnen, wenn dem Opfer die geistige Fähigkeit aufgrund von Betäubungsmitteln oder anderen giftigen Substanzen fehlte, unabhängig davon, ob es der Einnahme zugestimmt hat oder nicht. Letztlich kommt es auf die Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten des Opfers an, eine Entscheidung treffen zu können. Diese Fähigkeiten können in gleicher Weise beeinträchtigt sein, wenn das Opfer die Drogen freiwillig eingenommen hat. Der Unterschied liegt im Vorwurf an das Opfer, dass es sich betrunken oder betäubt hat und somit in Kauf genommen hat, dass seine Geistesfähigkeiten geschwächt werden. Allerdings spricht für die Ansicht der englischen, kalifornischen und französischen Strafgesetze zum einen der weitere Opferschutz, zum anderen, dass sowohl bei einer fremd- als auch selbstherbeigeführten Vergiftung der Täter 1462 In Kalifornien fällt diese Beeinträchtigung der Geistesfähigkeiten unter den separaten Grund des Rausches und nicht der geistigen Behinderung.

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die geminderte Geistesfähigkeit zum Zeitpunkt des zu gebenden Einverständnisses zu einer sexuellen Handlung bewusst ausnutzt. Insofern ist mit der Mehrheit der untersuchten Rechtsordnungen der Grundsatz festzuhalten, dass es nicht darauf ankommt, ob das Opfer mit der Betäubung oder Alkoholisierung einverstanden war.1463 Schwierig ist jedoch der Nachweis im Nachhinein, ob sich das Betäubungsmittel oder der Alkohol auf die Entscheidungsfähigkeit des Opfers ausgewirkt hat. In Zweifelsfällen wird darauf abgestellt, dass eine solche Substanz in einer gewissen Menge im Körper des Opfers nachgewiesen werden konnte, welche in der Regel zu einer geistigen Unfähigkeit des Opfers führt, sein Verhalten einschätzen oder kontrollieren zu können. (3) Bewusstlosigkeit und Schlaf Alle vier untersuchten Rechtsordnungen sind weiterhin der Meinung, dass ein schlafendes oder bewusstloses Opfer kein Einverständnis geben kann. In England handelt es sich allerdings um eine widerlegbare Vermutung, welche die Ausnahme zulässt, dass der Täter tatsächlich an ein Einverständnis des schlafenden Opfers geglaubt haben kann, wenn zwischen den Partnern die Gewohnheit bestand, sich gegenseitig mit sexuellen Handlungen aufzuwecken. Diese Ausnahme besteht in den US-amerikanischen Rechtsordnungen nicht. Im New Yorker Gesetzbuch ist die Bewusstlosigkeit sowie ein anderer Grund (z. B. Schlaf), seinen Willen nicht äußern zu können, als ein Grund für ein fehlendes Einverständnis unter dem Begriff der körperlichen Hilflosigkeit angesiedelt, während die Bewusstlosigkeit und der Schlaf in Kalifornien und England unter dem Absatz der „Unwissenheit der Natur der Handlung“ aufgeführt sind. In Frankreich wird bei einem bewusstlosen oder schlafenden Opfer davon ausgegangen, dass der Täter das Opfer überrascht hat. Die Bewusstlosigkeit bzw. der Schlaf machen es dem Opfer unmöglich, ein Einverständnis zur Handlung zu geben. Die Ansichten der drei Rechtsordnungen weichen jedoch von einander ab, wenn es um die Frage des Alters, Täuschungshandlungen, Gefangenschaft oder den Aufenthalt in einer Fürsorgeanstalt geht. (4) Gefangenschaft Nur in England wird ein fehlendes Einverständnis vermutet, wenn sich das Opfer in einer rechtswidrigen Gefangenschaft befindet. Der Täter muss nicht derjenige sein, der das Opfer gefangen hält, er muss aber von der Festnahme 1463 Zu bemerken ist aber, dass eine ohne den Willen des Opfers beigebrachte Alkoholisierung oder Betäubung, welche das Opfer in seinen Abwehrfähigkeiten beeinträchtigt, bereits als Gewalt gewertet werden kann.

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wissen. Den amerikanischen Rechtsordnungen ist diese Bedingung unbekannt. In Kalifornien existiert nur eine Vorschrift zum Schutz der Moral in Staatsgefängnissen. Danach kommt es nicht darauf an, dass sich das Opfer in Gefangenschaft befindet und somit einem Druck auf seinen Willen ausgesetzt ist, sondern dass sich der Täter ebenfalls in Gefangenschaft befindet. Folglich sollte der homosexuelle Oral- und Analverkehr zwischen Insassen unterbunden werden. Dieser Strafrechtsschutz zur Moral und Sittlichkeit in Staatsgefängnissen ist allen anderen Rechtsordnungen fremd. Die Sittlichkeit stellt heutzutage kein legitim geschütztes Rechtsgut der Sexualdelikte dar. Daher ist diese Vorschrift auf internationaler Ebene irrelevant. Das Einsperren oder Festhalten des Opfers wird jedoch als Gewalt gehandhabt, so dass eine rechtswidrige Gefangenschaft grundsätzlich als Gewaltanwendung interpretiert werden kann. Damit kann der Rechtsvergleichung der Grundsatz entnommen werden, dass eine rechtswidrige Festnahme durchaus ausreicht, um von einer unfreien und damit erzwungenen Entscheidung auszugehen und eine Vergewaltigung zu bejahen. Da aber alle hier untersuchten Rechtsordnungen den Gewaltbegriff in ihren Vergewaltigungstatbestand aufgenommen haben und nur der englische SOA 2003 über die Vermutungsvorschrift der rechtswidrigen Gefangennahme verfügt, überzeugt es eher, allein den Begriff der Gewalt und nicht zusätzlich der rechtswidrigen Gefangennahme im internationalen Tatbestand der Vergewaltigung zu verwenden.

(5) Alter Eine weitere Diskrepanz der Rechtsordnungen konnte hinsichtlich des Alters des Opfers festgestellt werden. In England kann die Jury nach der allgemeinen Definition (s. 74 SOA 2003) eines fehlenden Einverständnisses zum Ergebnis kommen, dass dem Opfer die geistige Reife fehlte, ein Einverständnis zu geben, weil es zu jung war und daher die sexuelle Handlung sowie ihre Auswirkungen nicht verstand. Gesetzlich ist ein Opfer unfähig, ein Einverständnis zu geben, wenn es jünger als 13 Jahre alt ist. Unter 16 Jahren kann ein Opfer zwar ein Einverständnis zur Handlung geben, wird aber trotz seines Einverständnisses noch nach Missbrauchsvorschriften, die gerade nicht auf ein Einverständnis abstellen, geschützt (ss. 5–10 SOA 2003). Die Regelungen der ss. 1–4, welche ein fehlendes Einverständnis voraussetzen, kommen dann nicht zur Anwendung, es sei denn, dass Opfer war mit der Handlung nicht einverstanden. In New York wird ein Opfer, das jünger als 17 Jahre alt ist, für unfähig gehalten, ein Einverständnis zu sexuellen Penetrationen geben zu können. Es finden sich zwar weitere Abstufungen hinsichtlich des Alters in den verschiedenen Graden der Sexualdelikte, jedoch führt das jüngere Alter des Opfers lediglich zu einer höheren Strafandrohung. In Kalifornien wird sogar ein minderjähriges Opfer, welches also jünger als 18 Jahre alt ist, für unfähig befunden, ein Einverständnis zum Anal- und Oralverkehr sowie zur sexuellen Penetration mit fremden

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Objekten geben zu können. Die Vergewaltigung enthält diese Voraussetzung nicht. Eine Erklärung ist, dass ein separater Missbrauchstatbestand für ein minderjähriges Opfer zum vaginalen Geschlechtsverkehr existiert, s. 261.5 PC. In Frankreich war die Frage umstritten, ob das junge Alter zu einem Ausnutzen einer Überraschung des Opfers führen kann, welches ein Einverständnis zur sexuellen Handlung ausschließt. Nach der neusten Rechtsprechung kann das Alter aber kein Grund für ein fehlendes Einverständnis sein, weil das junge Alter bereits der Grund für eine Strafverschärfung gemäß Art. 222-24 CP ist. Hier zeigt sich ganz deutlich, dass die US-amerikanischen Rechtsordnungen Sexualstraftaten, welche ohne den Willen des Opfers erfolgen, mit den Missbrauchsvorschriften, welche junge Menschen, unabhängig von ihrem Willen vor den Auswirkungen sexueller Handlungen beschützen wollen, vermischen. Die „Civil Law“-Rechtsordnungen und der englische Gesetzgeber ziehen es vor, ein junges Opfer vor sexuellen Handlungen mittels Missbrauchsvorschriften zu schützen. Letztlich kann der US-amerikanische Ansatz nicht überzeugen. Sollte allein die Minderjährigkeit der Grund für ein fehlendes Einverständnis sein, bedeutet dies, dass selbst einem Minderjährigen bzw. einem unter 17-Jährigen kein eigenständiger Wille zugebilligt wird. Selbst wenn ein Minderjähriger der Handlung zugestimmt haben sollte, wird ein fehlendes Einverständnis unterstellt, weil es allein auf das Alter ankommt, um den Tatbestand zu erfüllen („strict liability element“). Diese juristische Wertung ist nicht nur realitätsfremd, weil die überwiegende Anzahl Jugendlicher dieser Welt vor dem 18. Lebensjahr einvernehmlichen Sexualkontakt haben, sondern führt zu einer unfairen Benachteiligung des Täters. Der Täter wird trotz einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs (New York) oder sonstiger einvernehmlicher sexueller Penetration (New York und Kalifornien) als Vergewaltiger bzw. als ähnlich schwerer Sexualverbrecher verurteilt. Selbst England und Frankreich, die ein fehlendes Einverständnis annehmen, wenn das Opfer unfähig ist, ein Einverständnis zu geben, haben im Fall einer Minderjährigkeit anerkannt, dass diese Opfer trotzdem geistig in der Lage sein können, einer sexuellen Handlung zuzustimmen. In England sind Minderjährige nach einem minderschweren Strafrahmen schützenswert (Missbrauchstatbestand) und in Frankreich führt das junge Alter (jünger als 15 Jahre) zu einer Strafverschärfung (Qualifikationstatbestand), wenn die Handlung gegen den Willen des Opfers erfolgte. Ein jugendliches Alter (13–18 Jahre) allein kann demnach nicht für eine Vergewaltigung strafbegründend sein. Das Alter kann ein Einverständnis nur dann ausschließen bzw. ungültig machen, wenn das Opfer die sexuelle Handlung sowie ihre Auswirkungen nicht kennt oder versteht. Es ist daher mit der Mehrheit der untersuchten Rechtsordnungen auch auf internationaler Ebene an der Trennung zwischen Jugendschutztatbeständen und nicht gewollten Sexualstraftatbeständen festzuhalten.

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(6) Täuschung Interessant ist die Täuschungsvariante, die den kontinentaleuropäischen Ländern grundsätzlich fremd ist. Bereits im „Common Law“ war ein Einverständnis ungültig, wenn das Opfer über die Natur des Geschlechtsverkehrs getäuscht wurde. Die Täuschung musste dem Opfer falsche Tatsachen über die Handlung vorspiegeln, so dass das Opfer nicht verstand, dass es sich um einen Geschlechtsverkehr handelte. So hatte ein Opfer ihrem Gesangslehrer geglaubt, dass der durchgeführte Geschlechtsverkehr, ihre Singstimme verbessern würde. Dieser Grundsatz wurde in England in s. 76 SOA 2003 als unwiderlegbare Vermutung und in Kalifornien als „fraud in the factum“ in allen fünf Sexualstraftatbeständen (ss. 261, 262, 286, 288a, 289 PC) verankert. Das französische Strafgesetzbuch erkennt ebenfalls eine Täuschung über Fakten der Handlung an, welche ein Einverständnis ungültig macht, weil das Opfer nicht der wahren Handlung hat zustimmen können („Ausnutzen einer Überraschung“, s. 222-23). Entscheidend ist, dass der Täter einen Irrtum über die sexuelle Handlung in der Art hervorruft, dass das Opfer nicht begreift, dass es sich um einen Geschlechtsverkehr oder eine andere sexuelle Penetration handelt. Erweitert wurde die Täuschung über die Natur der Handlung um die Täuschung über den Zweck der Handlung. Das Opfer begreift zwar, dass es sich um eine sexuelle Handlung handelt. Es glaubt aber dem Täter, dass die Handlung zu einem bestimmten Zweck (z. B. medizinische Untersuchung) ausgeführt wird, wenn in Wirklichkeit der Arzt zu seiner eigenen sexuellen Befriedigung handelt oder gar kein qualifizierter Arzt ist. Erfasst werden auch die Fälle, in denen ein Arzt vorspiegelt eine medizinische Untersuchung vorzunehmen, in Wirklichkeit aber einen Geschlechtsverkehr mit dem Opfer vollzieht. Bei Kenntnis des wahren Grundes für die Handlung, hätte das Opfer nicht zugestimmt. Es muss also auch bei der zweiten Täuschungsvariante eine Kausalität zwischen Täuschung, Irrtum und Einverständnis des Opfers vorliegen. Es genügt nicht, wenn der Täter lediglich einen Irrtum ausnutzt. Nicht erfasst werden die Fälle, in denen ein Arzt vorgibt den Geschlechtsverkehr zur Heilung zu vollziehen, weil dem Opfer bekannt ist, dass es sich um einen Geschlechtsverkehr handelt. Das Opfer hat dann dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, wurde aber nur über die Motivation und nicht die Fakten der Handlung getäuscht. Andere Täuschungen wie die Lüge, eine Prostituierte nach dem Geschlechtsverkehr zu bezahlen, das Opfer zu heiraten, ein Kondom zu benutzen oder das Verschweigen einer Geschlechtskrankheit reichen nicht aus, um ein Einverständnis für nichtig zu erklären. Allein in Kalifornien besteht neuerdings die Möglichkeit auch gewisse Täuschungen über die Herbeiführung des Geschlechtsverkehrs („fraud in the inducement“) nach einem geringeren Strafrahmen zu bestrafen. Jedoch reicht nicht jede

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Lüge oder Täuschung aus, um ein Einverständnis ungültig zu machen. Die Täuschung muss eine Angst beim Opfer auslösen, die das Opfer zum Einverständnis motiviert. Da aber keine der anderen Rechtsordnungen sich für einen so weiten Strafrechtsschutz entschieden hat, ist diese Meinung für das Ergebnis der Rechtsvergleichung unbeachtlich. Ferner führt in England, Kalifornien und auch Frankreich die Vorspiegelung der Identität einer dem Opfer bekannten Person (s. 76 SOA 2003, Art. 222-23 CP) bzw. des Ehepartners (ss. 261 f) 5, 286 f), 288a j), 289 f) PC) zu einem ungültigen Einverständnis des Opfers. Die Täuschung über die Identität des Ehepartners stammt in Kalifornien noch aus dem veralteten „Common Law“. Dieses schützte nicht das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers, sondern die Moral und Sittlichkeit der Gesellschaft. Insoweit verkörpert das kalifornische Gesetz den veralteten Rechtsstand. Das englische Strafgesetz hingegen trägt mit der Erweiterung der Täuschung auf einen dem Opfer bekannten Personenkreis dem Schutz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts und den Sozialnormen einer modernen Gesellschaft Rechnung, welche auch Sexualbeziehungen außerhalb der Ehe akzeptiert. Ebenso hat sich das französische Recht weiterentwickelt. Es stellt nicht allein auf eine Täuschung über die Identität des Ehemannes, sondern auf eine Irrtumserregung beim Opfer ab, die zu einem erschlichenen und damit ungültigen Einverständnis geführt hat. Es kommt nur darauf an, ob das Opfer nicht der wahren Handlung, was auch die Entscheidung über den Sexualpartner einschließt, zugestimmt hat. Unerheblich ist nach der modernen Auslegung der Überraschung die Beziehung (wie eine Ehe) zwischen dem Opfer und der vom Täter vorgetäuschten Identität. Da in allen hier untersuchten Rechtsordnungen das zu schützende Rechtsgut der Sexualdelikte das sexuelle Selbstbestimmungsrecht ist und nicht die Sittlichkeitsvorstellungen der Gesellschaft, kann es nicht darauf ankommen, dass der Täter vorgab, der Ehepartner des Opfers zu sein, sondern es muss auf die Täuschung über die Identität einer dem Opfer bekannten Person abgestellt werden. Unstreitig werden keine Täuschungen erfasst, die sich lediglich auf bestimmte Qualitäten der Person beziehen (etwa eine berühmte Persönlichkeit zu sein). In diesem Fall irrt sich das Opfer nicht über die Identität der Person und ist daher nicht schutzbedürftig. Wichtig ist wiederum die Kausalität. Der Täter muss das Opfer getäuscht haben, welches bei ihm den Irrtum über die Identität hervorgerufen hat. Der Irrtum muss das Einverständnis bewirkt haben. Hat sich das Opfer trotz Täuschungshandlung nicht geirrt, oder hat der Täter den Irrtum beim Opfer nicht vorsätzlich erregt, ist das Einverständnis des Opfers gültig. In New York führt allerdings keine Täuschungshandlung zur Ungültigkeit eines Einverständnisses. Der Gesetzgeber hat es vorgezogen, Opfer, die besonders verletzlich sind, in der Weise zu schützen, dass er diese Personen von vornherein

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für unfähig erklärt, ein Einverständnis zu einer sexuellen Handlung geben zu können. Eine solche besondere Verletzlichkeit kann sich etwa daraus ergeben, dass diese Personen entweder sehr jung, körperlich oder geistig beeinträchtigt sind oder sich in bestimmten Situation befinden, in der sie unter Druck gesetzt werden können (Krankenhaus, Erziehungsanstalt, Arztbesuch). Es kommt gar nicht mehr auf den Nachweis einer Täuschungshandlung und der Kausalität zwischen Irrtumserregung und dem gegebenen Einverständnis an. Damit werden Täuschungshandlungen über den Zweck der Handlung, wie sie in England und Kalifornien vor einem Arzt oder in einer anderen Fürsorgebeziehung zwischen dem Personal und dem Patient geschildert wurden, ebenfalls als Vergewaltigung bzw. anderes schweres Sexualdelikt behandelt. Die Täuschungen über die Identität des Sexualpartners sowie über die Natur der Handlung werden jedoch nach dem New Yorker Strafgesetzbuch nicht erfasst. Auch wenn in New York keine Täuschungshandlungen bestraft werden, kann prinzipiell festgehalten werden, dass die Mehrheit der hier zur Debatte stehenden Rechtsordnungen (Frankreich, England und Kalifornien) ein Einverständnis ausschließt, wenn das Opfer über wesentliche Eigenschaften der sexuellen Handlung wie die Art oder den Zweck der Handlung oder den Sexualpartner getäuscht wird. (7) Ergebnis Die Rechtsvergleichung zum Tatbestandsmerkmal des fehlenden Einverständnisses hat ergeben, dass ein solches nicht vorliegt, wenn das Opfer entweder keinen freien oder informierten Willen erklären konnte oder aber nicht in der Lage war, einen Willen zur Durchführung der sexuellen Handlung zu fassen. Es fehlt an einer freien Willensbetätigung, wenn das Opfer durch eine Gewaltanwendung oder eine Drohung mit einem empfindlichen Übel unter Druck gesetzt wurde. Ferner liegt keine informierte Entscheidung vor, wenn es über Fakten der sexuellen Handlung (Natur, Zweck oder Identität) getäuscht wurde. Das Opfer ist nicht in der Lage, einen Willen auszuüben, wenn ihm die Fähigkeit fehlt, ein Einverständnis zu geben, weil es schläft, bewusstlos ist, schwer betrunken oder betäubt ist, geistig oder körperlich behindert ist oder aufgrund des Alters unfähig ist, die Handlung zu verstehen (mindestens jünger als 13 Jahre). Das Tatbestandsmerkmal des fehlenden Einverständnisses sollte mit folgenden Punkten definiert werden: Es fehlt an einem gültigen Einverständnis des Opfers zur Tathandlung, wenn das Opfer – durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt wird; – über relevante Fakten der Handlung getäuscht wird;

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– schläft; – bewusstlos ist; – schwer betrunken oder betäubt ist; – geistig behindert oder beeinträchtigt ist; – körperlich behindert oder hilflos ist; – zu jung ist, um die Handlung zu verstehen.

g) Auswertung der beiden Tatbestandsalternativen: Nötigungshandlung versus fehlendes Einverständnis Die Rechtsvergleichung der sechs Staaten hat grundsätzlich zwei Lösungsvorschläge erbracht. Danach besteht die Möglichkeit das Verbrechen der Vergewaltigung von einer einvernehmlichen sexuellen Handlung abzugrenzen, indem man entweder wie die „Civil Law“-Staaten auf Nötigungsmittel abstellt, die den Willen des Opfers beugen oder sogar brechen, oder indem man wie die „Common Law“-Staaten ein fehlendes Einverständnis des Opfers fordert, welches anhand bestimmter Umstände nachgewiesen werden kann. Folgt man dem Ansatz der „Civil Law“-Staaten, sollte der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht zwei Nötigungsmittel enthalten, die Gewaltanwendung und die Drohung mit einem empfindlichen Übel. Der „Common Law“Ansatz hingegen nimmt das Element des fehlenden Einverständnisses auf. Dabei wurde in den untersuchten Rechtssystemen festgestellt, dass der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht sich nicht auf die Nennung des fehlenden Einverständnisses beschränken sollte, weil dieses zu unbestimmt wäre und in der Vergangenheit auf nationaler Ebene zu willkürlichen Entscheidungen geführt hatte. Die Definition sollte stattdessen eine Negativliste aller Umstände enthalten, die ein gültiges Einverständnis des Opfers ausschließen. Einigkeit bestand hinsichtlich der Situationen, in denen das Opfer mit Gewalt gegen eine Person oder durch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel zur sexuellen Handlung gezwungen wurde. Gleiches gilt für den Fall, dass das Opfer unfähig war, ein Einverständnis zu geben, weil es zum Tatzeitpunkt schlief, bewusstlos, betäubt, geistig oder körperlich behindert war oder eine verminderte Verstandesreife aufwies oder aber, wenn es über wesentliche Eigenschaften der Handlung (Natur, Zweck, Identität) getäuscht wurde. Es fällt zwar auf, dass der kleinste gemeinsame Nenner beider Rechtsysteme die Gewaltanwendung und die einfache Drohung ist. Aus dieser Gemeinsamkeit kann aber nicht der Grundsatz entnommen werden, dass nun auf internationaler Ebene diese beiden Nötigungsmittel in den Tatbestand integriert und alle anderen Merkmale des fehlenden Einverständnisses weggelassen werden können. Es kann gerade nicht auf eine zahlenmäßige Auswertung in dem Sinne ankommen, dass

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gefragt wird, wie viele Länder sich für ein Tatbestandsmerkmal wie z. B. die Gewalt entschieden haben und entsprechend der höheren Anzahl wird die favorisierte objektive Lösung ins internationale Recht übernommen. Denn das Merkmal der Gewalt stellt nur eine Komponente des fehlenden Einverständnisses im „Common Law“ dar. Es muss im Zusammenhang mit der vollständigen Auslegung des fehlenden Einverständnisses gesehen werden. Es reicht ebenso wenig, zu bemerken, dass in den „Civil Law“-Staaten neben der Gewalt und Drohung auch sexuelle Handlungen als Missbrauch bestraft werden, wenn das Opfer aus den gleichen Gründen wie in den „Common Law“Rechtsordnungen unfähig ist, ein Einverständnis zu geben. Die gleichen Situationen werden zwar strafrechtlich erfasst, aber eben nicht als Vergewaltigung, sondern nach einem niedrigeren Strafrahmen und einem Missbrauchstatbestand, der eine ganz andere Schuld des Täters zum Ausdruck bringt als der Tatbestand der Vergewaltigung. Es handelt sich bei der Abwägung der Nötigungshandlung gegenüber dem fehlenden Einverständnis eben nicht um eine Entscheidung für oder gegen ein Tatbestandselement wie dies zuvor bei anderen Elementen geschehen war, sondern vielmehr um eine Entscheidung für ein Konzept im Aufbau des Vergewaltigungstatbestands. Es stehen sich hier die dogmatischen Überzeugungen beider Rechtssysteme gegenüber. Es kommt auf eine rechtliche Bewertung beider Konzepte dahingehend an, welches es aufgrund einer Abwägung der Vor- und Nachteile verdient, auf internationaler Ebene bevorzugt zu werden. Dabei können Aspekte des Völkerstrafrechts ebenso beachtlich sein. aa) Höherer Unrechts- und Schuldgehalt Ein entscheidender Aspekt für die Begrenzung der Vergewaltigung auf sexuelle Handlungen, die mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel erzwungen werden, ist, dass die Willensbeugung oder gar der Willensbruch ein schwereres Unrecht und eine höhere Schuld des Täters verkörpert als eine Sexualhandlung, die schlicht ohne die Zustimmung des Opfers erfolgt. Eine solche Willensbeugung wird vom Opfer als besonders traumatisierend empfunden und stellt daher einen weitaus schwereren Eingriff in sein sexuelles Selbstbestimmungsrecht dar.1464 Wird Gewalt angewandt, geht die sexuelle Handlung mit körperlichen Verletzungen einher, so dass auch das Rechtsgut der Unantastbarkeit der körperlichen Integrität verletzt wird. Zudem wird der seelische Gesundheits1464 Vgl. hierzu: Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 190; Harbeck, Einheitstatbestand, S. 127, die die höhere Strafandrohung bei einer Vergewaltigung gegenüber einem Missbrauchstatbestand rechtfertigen. Dressler, Understanding Criminal Law, S. 632 f., schlägt insofern vor, die Formen des ungewollten Geschlechtsverkehrs mit einem niedrigeren Strafrahmen als die gewaltsamen Varianten zu versehen.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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zustand eines Menschen stark und meist für den Rest seines Lebens beeinträchtigt, während ein Missbrauchsopfer, das die Tat nicht mitbekommt oder nicht versteht, nicht den gleichen Kontrollverlust, Todesangst und mangels der Körperverletzung auch nicht den gleichen Schmerz empfindet.1465 Die körperliche Kraft und besonders die mentale Energie, die der Täter aufbringen muss, ist bei einer Gewaltanwendung oder Drohung sehr viel höher, als wenn er lediglich eine Behinderung oder einen sonstigen geschwächten Bewusstseinszustand des Opfers ausnutzt, um die sexuelle Handlung vollziehen zu können. Denn er muss die natürliche Hemmschwelle vor der Verletzung des Körpers und der seelischen Gesundheit des Opfers beim Einsatz von willensbeugenden Maßnahmen sehr viel weiter überschreiten. Als besonders verwerflich stellt sich daher bei einer Vergewaltigung im Unterschied zum Missbrauch die kriminelle Einstellung des Täters zur Tat dar. Der Egoismus des Täters, sein Ziel ohne Rücksicht auf die körperlichen und seelischen Verletzungen, die er mit der Anwendung von Zwang einem anderen Menschen zufügt, durchzusetzen, negiert wesentlich einschneidender und weitreichender die Grundrechte eines Anderen und macht ein soziales Zusammenleben von Menschen unmöglich. Dem Missbrauchstäter kann gerade nicht der Vorwurf gemacht werden, um jeden Preis seinen Willen durchsetzen zu wollen. Er erwartet vielmehr bei der Tatdurchführung auf keinerlei Hindernisse – wie die Äußerung eines Widerwillens oder einer physischen Gegenwehr – zu stoßen. Die geistige Schwäche des Opfers ist seine Motivation zur Tat, ohne Widerstand seine sexuelle Befriedigung zu erreichen. Sollte sich jedoch das Opfer wehren, muss sich der Täter entscheiden, ob er einen Schritt weitergehen will, nämlich den nun entgegenstehenden Willen des Opfers mittels Zwang zur Erreichung seines Ziels zu beugen. Dass nicht jeder Täter, der bereit ist eine Schwäche eines Anderen zu seiner sexuellen Befriedigung auszunutzen, ebenfalls gewillt ist, mit Gewalt oder einer Drohung sein Anliegen zu

1465 Miller, Wash. & Lee L.Rev. 64, 2007, S. 1356: „Sex is violation of bodily integrity. It undermines an indiviudal’s dignity and autonomy. The role of consent, therefore, is to mitigate the effects of these violations. In the role of process of reinforcing women’s subjectivity – by eliminating the humiliating effects of considering consent alone in rape legislation (effectively placing the burden of proof on the victim to show that she did not in fact „want it“) – contemporary international law is effectively criminalizing all sex. Rape is a crime not because there is an absence of consent but because sex is an assault on politically defined bodily borders. The purpose of proving consent is again, simply to turn what is already a crime – sex – into something slightly less horrific.“ MacKinnon, CJTL 44, 2006, S. 954 f.: „In most legal settings outside recognized zones of conflict, a woman charging rape is still effectively presumed to have wanted the act, an assumption for which consent is a proxy, no matter how much force was involved. This effectively turns the act back into sex on specific body parts interactions, presumptive consent that she must rebut, often with little more than her word. Akayesu in effect reversed this presumption for rapes proven inflicted as part of war, genocide, or crimes against humanity, defining rape in terms of its function in collective crimes.“

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

erzwingen, sollte eigentlich am Anschaulichsten den Unterschied im Unrechtsund Schuldgehalt der Tat verständlich machen. Die Vergewaltigung sowie die hier gleichbehandelten Penetrationstatbestände werden in allen Rechtsordnungen mit einer äußerst hohen Strafe bedroht. Erst diese Willensbeugung rechtfertigt die hohe Strafandrohung. Eine ebenso hohe Strafe bei sexuellen Handlungen auszusprechen, die zwar ohne das Einverständnis des Opfers durchgeführt, aber eben nicht vom Täter erzwungen wurden, erscheint unverhältnismäßig.1466 Dieses Rechtsempfinden teilten auch viele Richter/Juroren der US-amerikanischen Rechtsordnungen. Sie erkannten zwar an, dass das Opfer nicht mit der sexuellen Handlung einverstanden war und insofern ein strafwürdiges Verhalten vorlag. Sie weigerten sich aber trotzdem, den Täter wegen Vergewaltigung zu verurteilen, wenn er keine Gewalt angewandt hatte. Die hohe Strafe der Vergewaltigung (a. F.) vor den Reformen erschien den (Laien-)Richtern für einen ungewollten, aber gewaltlosen Sexualkontakt übertrieben.1467 bb) Bestimmtheit Kritiker der „Common Law“-Lösung bringen ferner vor, dass für einen Laien nicht verständlich ist, wann eine Vergewaltigung vorliegt, weil dies vom inneren Willenszustand des Opfers abhängt, der sich in oft missverständlicher Weise manifestieren kann.1468 Eine allein das fehlenden Einverständnis voraussetzende Vorschrift ist nicht fähig, den Bürger wissen zu lassen, wann ein strafbares Verhalten vorliegt. Es stellt sich stets die Frage, welche Einwirkung noch zulässig ist oder bereits die Grenze zur Strafbarkeit übersteigt.1469 Ein fehlendes Einverständnis gibt keinen Aufschluss, was das Opfer tun muss, um seinen Widerwillen kundzutun, welche Tatumstände bzw. welches Täterverhalten ein Einverständnis ausschließen oder ungültig machen. Zwar wird das Einverständnis grundsätzlich nach drei Komponenten ausgelegt. Es kommt auf die geistige Fähigkeit des Opfers an, ein Einverständnis geben zu können; weiterhin muss das Opfer die Entscheidung informiert und freiwillig, d. h. ohne Zwang, treffen. Dennoch sind aus dieser Auslegung die Grenzen eines fehlenden oder nichtigen Einverständnisses nicht ersichtlich. Es wurden in der Literatur und der Rechtsprechung zahlreiche

1466

Schulhofer, Rape, in: Robinson, Criminal Law, S. 822. Vgl. dazu die unterschiedlichen Ergebnisse der einzelnen Instanzen in den Fällen: State v. Alston, 310 N.C. 399, 312 S.E. 2d 470 (1984); Commonwealth v. Berkowitz, 415 Pa. Super. 505, 609 A.2d 1338 (Super. Ct. 1992); Rusk v. State, 43 Md. App. 476, 406 A.2d 624 (Ct. Spec. App. 1979); Hazel v. State, 157 A.2d 922, 925 (Md. 1960). 1468 Vgl. dazu: Bryden, in: Robinson, Criminal Law, S. 824 ff. 1469 Zahlreiche Fälle wurden weiter oben erörtert, die in der anglo-amerikanischen Literatur und Rechtsprechung für Diskussionen gesorgt hatten, siehe 4. Kapitel III. 3. f) bb). 1467

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Fälle diskutiert, die ein unsicheres und obskures Bild hinsichtlich der Beurteilung einer Strafbarkeit der Vergewaltigung hinterließen.1470 Die „Civil Law“-Rechtsordnungen haben dieses Problem nicht. Aufgrund der ständigen Rechtsprechung zur Gewalt und der Drohung sowie dem Verständnis im allgemeinen Sprachgebrauch ist sichergestellt, dass jedermann weiß, wann die sexuelle Handlung gegen den Willen des Opfers verstößt und somit den Straftatbestand der Vergewaltigung erfüllt. Die Gesetzgebungen Englands, New Yorks und Kaliforniens haben inzwischen die Definition des fehlenden Einverständnisses mit konkreten Tatumständen und Opfermerkmalen objektiviert.1471 Eine Negativliste nennt objektive Tatbestandsmerkmale, die ein Einverständnis konkret ausschließen. Zwar hat England lediglich Beweisregelungen in sein Strafgesetz aufgenommen, die bei Vorliegen bestimmter Umstände ein fehlendes Einverständnis entweder widerlegbar oder unwiderlegbar vermuten lassen. Sie führen aber wie Tatbestandsmerkmale zu einem klaren Ergebnis, wann es an einem gültigen Einverständnis mangelt. Der Nachteil ist jedoch, dass die allgemeine Regel des fehlenden Einverständnisses (s. 74 SOA 2003) weiterhin zur Anwendung kommt. So ist es für die Jury praktisch möglich, dennoch wieder jegliches Verhalten einer unbestimmten Prüfung zu unterziehen, ob das Opfer mit der Handlung einverstanden war oder nicht. Aufgrund der allgemeinen Regelung des fehlenden Einverständnisses fehlt es zumindest im englischen Recht an der erforderlichen Bestimmtheit. 1470 Das einfache Verschweigen von Informationen oder das Vorspiegeln falscher Tatsachen verhindern eine informierte Entscheidung. Hätte das Opfer von der Geschlechtskrankheit des Täters gewusst, hätte es sich niemals zum Geschlechtsverkehr bereit erklärt. Auch wäre die Prostituierte nicht mit der sexuellen Handlung einverstanden gewesen, wenn sie von der Zahlungsunwilligkeit des Mannes gewusst hätte. Jedoch kann nicht jede fehlende Information zu einem nichtigen Einverständnis führen. Dann könnte auch jemand bestraft werden, der vorgibt, das Opfer zu lieben oder es zu heiraten. Gerichte wären gezwungen, sich mit gescheiterten Beziehungen auseinander zu setzen. Besonders schwierig ist die Beurteilung, ob das Opfer freiwillig zugestimmt hat. Wurde das sexuelle Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigt, wenn eine Frau mit Kindern ohne finanzielle Mittel einen Zwang empfindet, mit ihrem Freund zu schlafen, um weiterhin ein Dach über dem Kopf zu haben? Wenn eine Frau mit ihrem Boss schläft, um eine Gehaltskürzung zu vermeiden oder um eine Erhöhung zu bekommen, löst dies ebenfalls einen psychischen Druck aus? Vgl. Dressler, Understanding Criminal Law, S. 635 ff. Vgl. auch die Ausführung zum fehlenden Einverständnis im 4. Kapitel III. 3. f) bb). 1471 Vgl. die Argumentation, warum ein Einverständnis als Strafbarkeitskriterium einer sexuellen Handlung ungeeignet ist: Fischer, ZStW 112, 2000, S. 87 f.: Die Rechtsgutsschranke soll widerrechtliche Eingriffe Dritter abwehren. Sie deckt sich mit der durch den individuellen Willen frei bestimmbaren Grenzlinie des Einverständnisses. Diese Grenze kann nicht ohne weiteres in strafrechtliche Tatbestände übernommen werden. Ihre Bestimmung kann nicht dem Einzelnen und den Zufälligkeiten seines Willens überlassen werden, denn für den potentiellen Täter wäre nicht vorhersehbar, wann er tatbestandsmäßig handelt, wenn die Grenze allein durch das innere Interesse des Opfers bestimmt wäre.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Überzeugender ist die US-amerikanische Lösung, die eindeutige Tatbestandsmerkmale aufführt, welche ein Einverständnis des Opfers ausschließen. Damit ist es durchaus möglich, die Definition des fehlenden Einverständnisses durch eine Liste verschiedener Umstände so einzuengen, dass deutlich wird, welches Verhalten den Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt. Allerdings existiert im Statut von New York eine ähnliche Problematik wie nach der allgemeinen Regelung des s. 74 SOA 2003. Danach kann es zwar an einem Einverständnis des Opfers fehlen, wenn das Opfer zur Handlung gezwungen wurde oder aber mental oder physisch unfähig war, der Tat zuzustimmen. Nach s. 130.25 ss. 3 und s. 130.40 ss. 3 N.Y.P.L. kommt es aber auf das fehlende Einverständnis des Opfers an, welches aus seinem Verhalten und der Situation ermittelt werden muss. Ebenso existiert ein einfacher Tatbestand des sexuellen Fehlverhaltens („Sexual misconduct“, s. 130.20 N.Y.P.L.), der gerade keine Voraussetzungen wie die Gewaltanwendung oder Beeinträchtigungen der Geistesfähigkeiten oder der körperlichen Abwehrfähigkeiten nennt, die es einer Person unmöglich machen, ein gültiges Einverständnis zu geben. S. 130.20 setzt allein ein fehlendes Einverständnis des Opfers voraus und weist damit eine identische Unbestimmtheit auf wie s. 74 SOA 2003. Nur das Strafgesetz von Kalifornien enthält keinen Tatbestand, der offen lässt, welche Umstände ein Einverständnis ausschließen oder ungültig machen. Jeder Tatbestand führt die Gründe für ein fehlendes Einverständnis auf. Damit kann festgehalten werden, dass die Nötigungsmittel aufgrund jahrelanger Praxis einfacher auszulegen sind als ein fehlendes Einverständnis, welches schwer zu definieren ist, weil es aus dem Opferverhalten deduziert werden muss und von zu Fall zu Fall anders zum Vorschein treten kann. Da inzwischen die untersuchten anglo-amerikanischen Rechtsordnungen das fehlende Einverständnis durch objektive Vermutungs- bzw. Tatbestandsmerkmale ergänzt haben, wurde diese Unsicherheit zumindest eingedämmt. Nur in den genannten Ausnahmesituationen (s. 74 SOA 2003, s. 130.20, 130.25 ss. 3, 130.40 ss. 3 N.Y.L.C.) ist das fehlende Einverständnis noch als vage zu bezeichnen, welches die Gefahr einer von Fall zu Fall abweichenden Rechtsprechung durch die Jury in sich birgt.

cc) Beweislage Die Beweislage gestaltet sich bei der Nötigungsvariante sehr viel einfacher als bei einem fehlenden Einverständnis des Opfers. Die Nötigung zur sexuellen Handlung erfordert den Beweis, dass Gewalt gegenüber einer Person angewandt bzw. eine Drohung mit einem einfachen Übel gegenüber dem Opfer ausgesprochen wurde. Wurde das Opfer genötigt, fand die sexuelle Handlung gegen den Willen des Opfers statt, so dass kein weiterer Beweis für ein fehlendes Einverständnis erbracht werden muss. Die Handlung der Gewalt oder der Drohung des Täters treten äußerlich in Erscheinung.1472 Die Gewalt hinterlässt häufig Spuren

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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am Körper des Opfers und ruft in der Regel eine Gegenwehr oder zumindest eine verbale Ablehnung beim Opfer hervor, auch wenn ein Widerstand des Opfers heutzutage nicht mehr erforderlich ist. Beim fehlenden Einverständnis kommt es dagegen auf den Nachweis einer subjektiven Einstellung des Opfers zur fraglichen Handlung an. Innere Willenszustände sind sehr viel schwerer nachzuweisen als Handlungen des Täters, weil sie eben nicht äußerlich erkennbar sind, sondern aus einem äußerlich vernehmbaren Verhalten des Opfers in der konkreten Tatsituation erst abgeleitet werden müssen.1473 Es wurde zwar darauf hingewiesen, dass die anglo-amerikanischen Rechtsordnungen bestimmte Gründe für ein fehlendes Einverständnis in ihren Vergewaltigungstatbeständen aufgenommen haben, so dass sich der Nachweis auf diese objektiven Umstände beschränken kann und damit dem Schwierigkeitsgrad des Beweises von Nötigungsmitteln entspricht. Allerdings fällt diese Erleichterung der objektiven Beweislast weg, wenn allein auf ein fehlendes Einverständnis des Opfers im Tatbestand (s. 74 SOA 2003, s. 130.20, 130.25 ss. 3, 130.40 ss. 3 N.Y.L.C.) abgestellt wird. Es kommt dann wieder auf das Verhalten des Opfers und des Täters in der konkreten Situation an, um somit die innere Einstellung des Opfers zur sexuellen Handlung deduzieren zu können. Da das Sexualverhalten zwischen Mann und Frau aber oft missverständlich ist, weil von einem Mann ein eher dominantes, ein die sexuelle Handlung einleitendes Vorgehen erwartet wird und für eine Frau ein zurückhaltendes, erst einmal abweisendes Verhalten typisch ist, bevor sie sich dann doch auf die sexuelle Handlung einlässt, gibt das äußerlich wahrnehmbare Opferverhalten nicht immer einen eindeutigen Aufschluss über dessen wahren Willen. Ein „Nein“ des Opfers, ohne dass der Täter Gewalt angewandt oder eine Drohung ausgesprochen hat oder die Situation bedrohlich wirkte, wird daher weder vom Täter noch vom Gericht als ein fehlendes Einverständnis erkannt, sondern vielmehr als ein geschlechtstypisches „Zieren“ interpretiert. Selbst wenn das Gericht (Jury) von einem fehlenden Einverständnis in der konkreten Tatsituation ausgeht, kann sich der Täter sehr viel leichter auf einen vorsatzausschließenden Irrtum über das fehlende Einverständnis berufen, indem er behauptet, an das klassische sexuelle Rollenspiel von Mann und Frau geglaubt zu haben. Zwar bestand früher in den Rechtsordnungen, die auf Nötigungsmittel abstellen, eine ähnliche Problematik, dass dieses klassische Rollenverständnis von Mann und Frau dazu führte, dass sogar die angewandte Gewalt als eine der Frau 1472 So auch die Meinung MacKinnon, CJTL 44, 2006, S. 955, im Zusammenhang mit der Akayesu-Entscheidung, die sich für die Nötigungskomponente im Vergewaltigungstatbestand ausgesprochen hatte. 1473 Es wird argumentiert, dass ein fehlendes Einverständnis ohne Gewalt und Widerstand nicht bewiesen werden könne. Das Opfer solle wenigstens seinen Gegenwillen äußern müssen, als dass der Täter ein Einverständnis einholen müsse. Vgl. dazu: Dressler, Criminal Law, S. 331.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

willkommene Vorgehensweise interpretiert wurde („vis haud ingrata“). Die erwünschte Gewalt wurde daraus abgeleitet, dass sich die Frau nicht standhaft gewehrt hatte. Allerdings ist es heute nicht mehr erforderlich, dass das Opfer sich gegen das sexuelle Ansinnen körperlich gewehrt haben muss. Der Gegenwille kann in jeder Form zum Ausdruck kommen, so dass ein „Nein“ oder leichte Abwehrsignale für die Glaubwürdigkeit der Opferaussage genügen.1474 Das Weglassen des Widerstandserfordernisses hat dazu geführt, dass die Konstruktion der „erwünschten Gewalt“ nicht mehr zulässig ist. Hat der Täter Gewalt angewandt oder das Opfer bedroht, muss er sich zumindest über die Bereitschaft des Sexualpartners erkundigen. Er kann sich nicht mehr darauf berufen, dass er das Opfer nur sexuell erregen wollte und sich insofern über das fehlende Einverständnis geirrt habe. Lediglich die konkludente Drohung lässt noch das Vorbringen eines Irrtums zu, jedoch können die Umstände der Tat Aufschluss über die Bedeutung des schlüssigen Täterverhaltens geben. Die konkludente Drohung ist nämlich aus objektiver und nicht aus subjektiver (Täter-)Sicht zu ermitteln. Die Irrtumsproblematik reduziert sich erheblich, wenn man auf die besagten Nötigungsmittel abstellt.1475 Denn das Verhalten des Opfers ist bei der Nötigungsvariante nicht ausschlaggebend für den Beweis eines tatsächlich entgegenstehenden Willens.1476 Die US-amerikanischen Staaten wiederum wirken der Schutzbehauptung eines Irrtums entgegen, indem sie die Unterscheidung zwischen einem nachvollziehbaren und einem unrealistischen Irrtum über ein fehlendes Einverständnis vornehmen. Ein subjektiver, unrealistischer Irrtum führt nicht zum Vorsatzausschluss.1477 Ebenso setzt der englische Gesetzgeber auf eine objektive Beurteilung der Frage eines Irrtums, um so absurde Irrtümer ausschließen zu können. In der Verschiebung von der subjektiven Täterperspektive auf eine objektive Betrachtungsweise der Irrtumsproblematik in den anglo-amerikanischen Rechtsordnungen kann durchaus eine wirksame Kontrolle zur Vermeidung von Schutzbehauptungen gesehen werden. Das Tatbestandsmerkmal des fehlenden Einverständnisses bringt jedoch einen weiteren Nachteil im Prozess mit sich. Da es für die Strafbarkeit auf den Willen des Opfers ankommt, liegt der Fokus im Prozess auf dem Opferverhalten, weil hauptsächlich aus diesem der Wille abgeleitet werden muss.1478 Dies hat dazu 1474

Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 86 ff. Vgl. dazu: Bryden, in: Robinson, Criminal Law, S. 824 ff. 1476 Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 25. 1477 In den „Civil Law“-Staaten führt hingegen jeder Irrtum zu einem Vorsatzausschluss. Vgl. dazu die Ausführungen beim Irrtum weiter unten. 1478 So auch: Miller, Wash. & Lee L.Rev. 64, 2007, S. 1356; Hansen-Young, CJIL 6, 2005, S. 489; Cole, ICLR 8, 2008, S. 79, die besonders Bezug auf unnötige, entwürdigende Befragungen der Opfer hinsichtlich des Einverständnisses im Prozess nimmt (Prosecutor v. Kunarac, IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, 22.02.2001, Para. 183). 1475

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geführt, dass Strafverteidiger jede Möglichkeit nutzten, das Opfer so darzustellen, als wenn es die sexuelle Handlung gewollt oder sogar provoziert hatte. Das sexuelle Vorleben, die Kleidung, ein erotisches Verhalten vor der Tat wurden im Prozess ausgeschlachtet, so dass das Opfer ein zweites Mal im Prozess viktimisiert wurde. Diese Vorgehensweise diente allein dazu das Opfer zu diffamieren, dessen Ruf zu schädigen und die Jury zu einer das Opfer ablehnenden Haltung zu motivieren. Denn auch wenn die Sittlichkeit nicht mehr durch den Vergewaltigungstatbestand geschützt wird, so kann nicht angenommen werden, dass Laienrichter dieser juristischen Abstraktion fähig sind. Halten sie ein Opfer für unsittlich, werden sie sich schwerer tun, einen Vergewaltiger zu verurteilen, als wenn sie ein Opfer als sexuell unerfahren einschätzen.1479 Die anglo-amerikanischen Rechtsordnungen haben inzwischen die Verunglimpfung der Opfer mit sog. „rape shield laws“ unter Kontrolle gebracht.1480 Da keinerlei Erkenntnisse bestehen, dass ein bestimmtes sexuelles Verhalten mit der Glaubwürdigkeit der Person in Zusammenhang gebracht werden kann, haben sie Regelungen eingeführt, wonach das Vorleben des Opfers nicht mehr in die Beweisaufnahme eingebracht werden darf.1481 Ferner hat das englische Strafgesetz durch die Aufnahme der Vermutungsregeln den Schwerpunkt auf die objektiven Umstände und damit weg vom Opferverhalten gelenkt. Den US-amerikanischen Rechtsordnungen ist dies dadurch gelungen, dass sie den Tatbestand mit den jeweiligen objektiven Merkmalen ausgestattet haben, die ein Einverständnis ausschließen bzw. ungültig machen. Jedoch verfügt das Strafgesetz von New York über einige Straftatbestände, die diese Merkmale nicht aufweisen und nur auf das fehlende Einverständnis abstellen (s. 130.20, 130.25 ss. 3, 130.40 ss. 3 N.Y.L.C.), so wie auch in England noch die allgemeine Definition des fehlenden 1479 Vgl. dazu: Brownmiller, Against our Will, S. 369; Fitzgerald, The International Response to Rape, S. 88 f.; Prosecutor v. Mucic´, IT-96-21-T, Decision on Motion, Para. 48. 1480 Vgl. Dressler, Understanding Criminal Law, S. 642 ff. 1481 Vergleiche dazu auch: Dripps, CLR 92, 1992, 1794 f., der bestätigt, dass im „Common Law“ sog. „rape shield laws“ eingeführt wurden, um Beweise zum sexuellen Vorleben des Opfers entweder als irrelevant oder vorverurteilend ausschließen zu können. Auch wurde früher eine Opferaussage als unglaubwürdig abgestempelt, wenn sie nicht durch ein weiteres Beweismittel unterstützt wurde. Der lateinische Grundsatz „unus testis, nullus testis“ (ein Zeuge, kein Zeuge), ist ebenfalls heute in den meisten anglo-amerikanischen Rechtsordnungen ausgeschlossen. Die meisten Rechtssysteme (explizit die kontinentaleuropäischen Rechtssysteme) kennen diesen Grundsatz nicht oder wenden ihn nicht an. Vergleiche dazu die Stellungnahme im Prosecutor v. Tadic´, IT-94-1-T, 07.05.1997, Para. 536–538 und Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4-T, 02.09. 1998, Para. 134–135; Prosecutor v. Musema, ICTR-96-13-T, 27.01.2000, Para. 45–46. Piragoff, in: Fischer, International and National Prosecution, S. 391; Temkin, Rape and the Criminal Justice System, S. 278 m.w. N.: „The supposed tendency for women to make false charges was traditionally attributed to their vengeful natures, their malice when spurned. The rules have thus been said to owe their origin to ,atavistic suspicion‘ and misogyny.“; Fitzgerald, The International Response to Rape, S. 87 f.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Einverständnisses (s. 74 SOA 2003) ohne Konkretisierungen zur Anwendung kommt. Es kann natürlich nicht von der Hand gewiesen werden, dass auch in den „Civil Law“-Staaten zu solch verwerflichen Verteidigungsstrategien gegriffen wird, das Opfer auf jede nur denkbare Weise zu diskreditieren. Jedoch liegt eine ganz andere Ausgangsituation für die Verteidigung vor. Die Staatsanwaltschaft muss die Anwendung von Nötigungsmitteln beweisen. Der Verteidiger kann aber die Gewalt oder Drohung des Täters nicht mit dem sexuellen Vorleben, einem erotischen Verhalten oder der Kleidung des Opfers widerlegen. Kann der Verteidiger nicht bestreiten, dass der Täter Nötigungsmittel angewandt hat, spielt das Opferverhalten keine Rolle mehr, ganz gleichgültig wie sexuell provozierend sich ein Opfer auch benommen haben mag. Vor allem kann mit dem sexuellen Vorleben, der Kleidung etc. nicht an die Moralvorstellung von Laien appelliert werden, weil in den „Civil Law“-Staaten nicht nur Geschworene, sondern (auch) professionelle Richter zu Gericht sitzen. Die Motivation zu einer Verunglimpfung des Opfers ist erheblich geringer. Jedenfalls wurde es in den kontinentaleuropäischen Staaten nicht für notwendig befunden, „rape shield laws“ einzuführen. dd) Weitreichender Opferschutz Überwiegendes Argument für die Aufnahme des fehlenden Einverständnisses anstelle einer Nötigung in die Vergewaltigungsdefinition ist der weite Opferschutz, der nicht nur diejenigen Opfer schützt die zur Handlung gezwungen werden, sondern auch diejenigen, die Schwierigkeiten haben, ihren Gegenwillen zu bilden bzw. auszuüben. Gerade die US-amerikanischen Fälle Berkowitz, MTS, Brown und Alston, in denen es an Gewalt oder Drohungen fehlte (bzw. die konkludente Drohung sehr eng ausgelegt wurde), es aber dennoch so offensichtlich war, dass die sexuelle Handlung gegen den Willen des Opfers vollzogen wurde, hatten gezeigt, dass das Sexualstrafrecht einer Reformierung bedurfte. Dies führte zu einer ablehnenden Haltung gegenüber den beiden Nötigungsmitteln, die der Grund für die Nichtverurteilung von strafwürdigen Verhaltensweisen waren. Die ersten Reformvorschläge gingen daher in die Richtung, den Vergewaltigungstatbestand von dem Erfordernis einer Gewalthandlung oder Drohung gänzlich zu „befreien“ und die Strafbarkeit einer sexuellen Handlung nur noch vom Willen des Opfers abhängig zu machen. Dies wurde mit dem Sinn und Zweck des Vergewaltigungstatbestands erklärt, welcher das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung möglichst umfassend schützen sollte. Die sexuelle Selbstbestimmung beinhaltet das Recht einer Person, über Zeitpunkt, Form und Bedeutung ihrer sexuellen Betätigung frei zu entscheiden; darin enthalten ist die Freiheit der Partnerwahl.1482 Die Freiheit, über die eigene Sexualität zu bestimmen, 1482

Fischer, ZStW 112, 2000, S. 87.

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ist unantastbarer Kernbereich der Persönlichkeit und Ausdruck der Willens- und Handlungsfreiheit.1483 Aus diesem Schutzzweck des Vergewaltigungstatbestands wurde in den anglo-amerikanischen Rechtsordnungen abgeleitet, dass es allein darauf ankomme, ob die Person die sexuelle Handlung wolle.1484 Die Gewalt oder Drohung beweise zwar, dass die Tat gegen den Willen des Opfers erfolgte, sie sei aber nicht der einzige Weg, den entgegenstehenden Willen des Opfers auf sexuellem Gebiet zu missachten.1485 Es findet sich in der Literatur des Öfteren der Vergleich zum Diebstahl. Wie ein Bestohlener nicht „nein“ zur Wegnahme seines Eigentums sagen muss, sollte auch bei der Vergewaltigung nicht verlangt werden, dass das Opfer sich verbal gegen sexuelle Handlungen gewehrt hat. Es sollte vielmehr ein Einverständnis des Opfers eingeholt werden.1486 Auf den ersten Blick mag daher das fehlende Einverständnis einen besseren Schutz des Rechtsguts der sexuellen Selbstbestimmung liefern als ein Tatbestand, der die Anwendung von Gewalt und Drohung durch den Täter verlangt. Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht wird nicht schlechthin, sondern nur gegen besonders massive Angriffsformen geschützt. Es muss eine bestimmte Strafwürdigkeitsgrenze überschritten werden, d. h. es muss eine hinreichend intensive Gefahr für das Rechtsgut bestehen. Denn nicht jedes das Rechtsgut verletzende Verhalten ist strafwürdig. Dies wiederum ergibt sich aus dem Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts. Das Strafrecht kommt nur zum Einsatz, wenn dies zum Schutz der Gesellschaft unvermeidlich ist.1487 Würde jede Einwirkung auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht – wie dies der Fall ist, wenn man nur auf ein fehlendes Einverständnis abstellt – eine Strafbarkeit nach sich ziehen, würde dies zu uferlosen Gerichtszuständigkeiten führen. Die Abgrenzung der erlaubten von der verbotenen Einwirkung hängt zum einen von der rechtlichen Anerkennung der Entscheidungsfreiheit der Person ab. Nur wo die Einwilligung des Opfers nicht mehr Ausdruck einer personalen Handlungsfreiheit ist, kann eine Strafwürdigkeit gegeben sein. Die Sittlichkeit ist heutzutage kein Entscheidungsfaktor einer Strafbarkeit mehr. Eine normative Strafbarkeit ergibt sich allein aus den tatsächlichen Beschränkungen der personalen Willensfreiheit selbst. Unproblematisch sind daher die Fälle einer Nötigung. Es handelt sich um einen Willensbruch bzw. eine Willensbeugung aufgrund einer äußeren Einwirkung des Täters. Das Opfer war offensichtlich nicht frei in seiner Entscheidung. Weiterhin existieren Fälle des Missbrauchs und des Ausnutzens fehlerhafter Zustimmungen. Der Täter kennt eine gravierende Einschränkung der 1483

Fischer, ZStW 112, 2000, S. 88. Dressler, Understanding Criminal Law, S. 632 f. 1485 Dressler, Understanding Criminal Law, S. 632 f. 1486 Dressler, Understanding Criminal Law, S. 634; so auch: State in the interest of M.T.S., 609 A.2d 1266 (N.J. 1992). 1487 Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 48 f. 1484

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Entscheidungsfreiheit des Opfers und macht sich dessen hiervon beeinflusste, tatsächliche bzw. fehlende Zustimmung zu nutzen, ohne dies zu dürfen. Allerdings sind auch hier die denkbaren Fallkonstellationen uferlos. Unter Geltung der Handlungsfreiheit und des Bestimmtheitsgebotes kann es nicht bei Strafe verboten sein, intellektuelle, charakterliche oder soziale Schwächen anderer auszunutzen.1488 Die Schwelle des Strafrechts liegt höher. Es muss eine Einschränkung der Schutzlage vorliegen, aufgrund derer regelmäßig oder typisch mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Willensfreiheit zu rechnen ist.1489 Heutzutage haben sich viele US-amerikanische Rechtsordnungen von einem alle Verhaltensweisen umfassenden Vergewaltigungstatbestand abgewandt und stattdessen mehrere Tatbestände nicht nur hinsichtlich der unterschiedlichen sexuellen Handlungen, aber auch hinsichtlich der unterschiedlichen Grade der Willensbeeinflussung vorgenommen, so dass es nicht mehr richtig ist, zu argumentieren, dass es bei der Vergewaltigung allein auf die Zustimmung des Opfers ankomme. Es wird vielmehr auf konkrete schutzwürdige Situationen abgestellt, die typischerweise zu einer Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts führen. Neben der Gewalt und Drohung sind dies der Schlaf, die Bewusstlosigkeit, der Rausch, ein Abhängigkeitsverhältnis, die verminderte Verstandesreife eines Kindes, psychische Krankheiten oder körperliche Behinderungen sowie die Täuschung über Natur und Zweck der Handlung sowie die Identität des Täters. Die englische Gesetzgebung hat ähnliche Bedingungen in den prozessrechtlichen Vermutungsregelungen verankert, bei deren Vorliegen, das Fehlen eines Einverständnisses unterstellt wird, ss. 76, 75 SOA 2003. Zudem werden in New York die Fälle, in denen das Opfer nicht mit der sexuellen Handlung einverstanden war, allerdings keine weiteren Umstände wie die Gewaltanwendung, Drohung des Täters oder die geistige bzw. körperliche Unfähigkeit des Opfers hinzutreten, nicht als Verbrechen der Vergewaltigung behandelt, sondern nach dem niedrigeren Strafrahmen eines sexuellen Vergehens („Sexual misconduct“, s. 130.15 PC) verfolgt. Nur in England besteht nach der Auffangregelung des s. 74 SOA 2003 die Möglichkeit, eine sexuelle Handlung als Vergewaltigung zu bestrafen, wenn das Opfer lediglich nicht mit der Tat einverstanden war. Grundsätzlich begrenzen aber die präzisen Vermutungsregelungen der ss. 75, 76 SOA 2003 die Fälle des fehlenden Einverständnisses, in dem 1488

Fischer, ZStW 112, 2000, S. 92 f. Ähnlich: Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 49; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 84; Günther, JuS 1978, S. 8 ff. Mildenberger stellt bei der Bestimmung der Strafwürdigkeit – (allerdings bei der dritten Tatalternative im deutschen Vergewaltigungstatbestand) – auf die Gewichtung des Handlungs- und Erfolgsunwerts ab. Je höher der Erfolgsunwert ist, d. h. die Verletzung oder Gefährdung des Rechtsguts, um so geringere Anforderungen sind an den Handlungsunwert, die Art und Weise der Rechtsgutsbeeinträchtigung, zu stellen. Je schutzbedürftiger das Opfer ist, desto intensiver ist das Rechtsgut gefährdet. 1489

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die in den Vermutungsregelungen angesprochenen Fallkonstellationen aus der allgemeinen Definition des fehlenden Einverständnisses ausgeschlossen sind. Ein absoluter Schutz gegenüber jeder sexuellen Handlung, der nicht ausdrücklich zugestimmt wurde, besteht daher in den „Common Law“-Systemen auch nicht mehr. Ein Opfer, das geistig behindert oder zeitweise geistig beeinträchtigt ist, aufgrund seines Alters eine mangelnde Verstandesreife aufweist, über wesentliche Eigenschaften der Tat getäuscht wurde oder aber körperlich in seinen Abwehrfähigkeiten beeinträchtigt ist, befindet sich gegenüber dem sexuellen Ansinnen des Täters in einer inferioren Position. Es ist dem Täter möglich, den Willen des Opfers auch ohne Gewalt zu umgehen. Insofern sind extrem junge Menschen, geistig oder körperlich beeinträchtigte Menschen durchaus schutzbedürftiger. Allerdings muss hier in Frage gestellt werden, ob es neben der Gewalthandlung und Drohung mit einem einfachen Übel ausreicht, den Handlungsunwert lediglich auf ein Ausnutzen dieser menschlichen Schwächen zu reduzieren. Es handelt sich zwar um eine Beeinträchtigung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts, welche an sich strafwürdig erscheint. Auch ist das Rechtsgut bei diesen Personen in der Regel in größerer Gefahr, beeinträchtigt zu werden als bei einem gesunden, informierten Erwachsenen. Das Ausnutzen dieser Schwäche steht aber erheblich hinter dem Handlungsunwert der Nötigung zurück, so dass es an der Gleichwertigkeit der anderen Alternativen des fehlenden Einverständnisses innerhalb des Vergewaltigungstatbestands mangelt. Dieser Aussage steht aber nicht entgegen diese Alternativen nach einem Missbrauchstatbestand und damit einem niedrigeren Strafrahmen zu verfolgen.1490 ee) Systematische Trennung zwischen Nötigungsund Missbrauchstatbeständen Bisher hat die Auswertung der beiden Konzepte gezeigt, dass der Tatbestand des „Common Laws“ auch besonders schutzbedürftige Opfer in den Schutzbereich der Vergewaltigung aufnimmt, die nach dem Konzept der „Civil Law“-Staaten nur von Missbrauchstatbeständen erfasst werden können. Nach beiden Konzepten besteht eine Strafbarkeit dieser Fälle. Es stellt sich somit die Frage, was für eine systematische Trennung zwischen den Nötigungstatbeständen und Missbrauchstatbeständen spricht.

1490 New York hat diesem Prinzip folgend die gleiche sexuelle Handlung in mehrere Straftaten aufgespalten, um so den unterschiedlichen Angriffsmethoden mittels einer adäquaten Strafe gerecht zu werden. Auch findet sich in den „Civil Law“-Staaten eine Strafbarkeit des Missbrauchs von Kindern, in einem Abhängigkeitsverhältnis stehenden Personen, körperlich oder geistig Behinderten oder vorübergehend in den Geistesfähigkeiten beeinträchtigten Menschen.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Dies kann nur vom Rechtsgut her entschieden werden. Grundsätzlich ist die Schutzrichtung bei einem Vergewaltigungstatbestand eine andere als bei einem Missbrauchstatbestand. Beim Vergewaltigungstatbestand wird der entgegenstehende Wille des Opfers mittels angewandten Zwangs gebeugt oder sogar gebrochen; beim Missbrauchstatbestand wird an einem in seinen Abwehrmöglichkeiten eingeschränkten Opfer eine Handlung durchgeführt, ohne dass es auf dessen Zustimmung ankommt. Aus dem „Nötigungs-Vergewaltigungstatbestand“ scheiden in den untersuchten „Civil Law“-Staaten daher alle Fälle aus, in denen das Opfer eine Zustimmung gegeben hat, die nicht erzwungen wurde, oder aber in denen das Opfer keinen Gegenwillen zu erkennen gegeben hat. Der Unterschied liegt in der Mitwirkung des Opfers und in der fehlenden Zwangswirkung für das Opfer. Wurde das Opfer getäuscht, hat es zwar keine informierte Entscheidung getroffen, es hat aber durch die Zustimmung bei der Handlung mitgewirkt; eine Mitwirkungsmöglichkeit, die einem genötigten Opfer gerade nicht zur Verfügung steht.1491 Wurde das Opfer über die Tat getäuscht, war das Opfer geistig behindert, bewusstlos, betrunken, betäubt, minderjährig oder schlief es, konnte das Opfer gar keinen Widerwillen zur sexuellen Handlung aufbauen. Es fehlt in diesen Fällen bereits an einer Zwangswirkung auf den Willen des Opfers.1492 Gemeinsam ist diesen beiden Fallkonstellationen der Mitwirkung des Opfers und der fehlenden Zwangswirkung, dass ein in der Abwehr geschwächtes Opfer benutzt wurde, ohne dass der Täter dies durfte. Dies stellt einen Missbrauch dar, welcher bereits mit dem Begriff des Nötigens nicht vereinbar ist.1493 Der körperliche und seelische Schaden, den der Täter mit einer Willensbeugung des Opfers zur sexuellen Handlung anrichtet, ist sehr viel größer als bei einer sexuellen Handlung, der das Opfer – wie auch immer irregeführt – zugestimmt hat oder gegen welche es gar keinen Widerwillen gebildet hat. Neben diesem höheren Unrechtsgehalt, ist dem Täter ein gesteigerter Schuldvorwurf zu machen. Die besondere Verwerflichkeit der Tat kommt in der kriminellen Einstellung des Täters zum Ausdruck, wenn er das Opfer mit Gewalt oder einer Drohung zur Handlung zwingt. Der Grad der Beeinträchtigung des Widerwillens und der Widerstandskraft des Opfers ist somit ein entscheidender Faktor der Strafwürdigkeit und damit der Höhe der Strafandrohung.1494 Wenn nun der Gesetzgeber die aufgezählten Missbrauchssituationen mit der Nötigung gleichstellt, indem es sie unter dem gleichen Tatbestand mit der gleichen Überschrift verurteilt, führt das dazu, dass das Unrecht einer Nötigungsver1491 1492 1493 1494

Fischer, ZStW 112, 2000, S. 90. Folkers, NStZ 2005, S. 181. Fischer, ZStW 112, 2000, S. 96. MK-Renzikowski, § 177, Rn. 41.

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gewaltigung gemildert bzw. der eines Missbrauchs über das erforderliche Maß gesteigert wird. Wenn aber unterschiedliche Handlungen mit unterschiedlichem Unrechts- und Schuldgehalt strafrechtlich gleichbehandelt werden, stellt dies einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot dar. Sowohl wird der Täter benachteiligt, wenn ein Missbrauch unter einem zu hohen Strafrahmen und der Überschrift „Vergewaltigung“ verurteilt wird, und umgekehrt wird das Unrecht, dass dem Opfer aufgrund einer Nötigung widerfahren ist, durch diesen Einheitstatbestand nicht adäquat gesühnt. In den „Common Law“-Staaten hat allein der New Yorker Gesetzgeber erkannt, dass unterschiedliche Eingriffe in die Willens- und Handlungsfreiheit sowie die unterschiedlichen geminderten Abwehrfähigkeiten des Opfers eine differenzierte Bestrafung verlangen, um eben weder den Täter noch das Opfer zu benachteiligen. Das Strafgesetzbuch nimmt innerhalb der Vergewaltigungstatbestände Abstufungen nach Graden mit verschiedenen Strafrahmen vor und bedroht dieselbe sexuelle Handlung mit einer unterschiedlichen Strafe, je nach dem in welcher Weise der Täter auf das Opfer einwirkt bzw. unter welchen verminderten Abwehrfähigkeiten das Opfer leidet. Dabei wurde allerdings nicht zwischen Nötigung und Ausnutzen eines im Widerstand geschwächten Opfers unterschieden. Mit der Nötigung des Opfers wurde das extrem junge Alter des Opfers (jünger als 11 oder 13 Jahre) auf die gleiche Stufe (erster Grad) gestellt. Zwar lässt sich argumentieren, dass die Auswirkungen auf die Entwicklung eines Kindes durch eine sexuelle Handlung schwer wiegen können. Es ist aber immer noch ein Unterschied, ob ein Opfer keinen Widerwillen bilden kann, weil es zu jung ist oder aber es einen Widerwillen gebildet hat und dieser durch den Einsatz von Gewalt überwunden wird.1495 Dieser Unterschied kann nicht nur mittels einer Abstufung im Strafrahmen kompensiert werden, sondern verlangt nach einer Unterscheidung bereits im Tatbestand. Denn die Stigmatisierung und Schuldzuweisung ist nach dem Vergewaltigungstatbestand eine andere als nach einem Missbrauchstatbestand. Es stellt folglich einen aus strafrechtlicher Sicht nicht zu erklärenden Systembruch dar, bereits die schlichte – d. h. ohne Einsatz von Nötigungsmitteln erfolgte Vornahme einer sexuellen Handlung an einer widerstandsunfähigen oder minderjährigen Person als gleichschweres Verbrechen zur Vergewaltigung einzustufen.1496 Somit ist im Grundsatz die systematische Trennung zwischen Nötigungs- und Missbrauchstatbeständen zu befürworten. ff) Überprüfung anhand der Fälle im Völkerstrafrecht Die Gegenüberstellung hat bereits ergeben, dass die Nötigungsvariante einige Vorzüge gegenüber dem fehlenden Einverständnis aufweist. Unter anderem ist 1495 1496

MK-Renzikowski, § 177, Rn. 45 f. Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 74 ff.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

die Beweislage und damit die Reduzierung von Irrtumsfällen günstiger, wenn man sich mit den „Civil-Law“-Staaten für das Konzept der Nötigung entscheidet. Weiterhin ist eine Trennung zwischen Nötigungstatbeständen und Missbrauchstatbeständen systematisch und dogmatisch sinnvoller, um so dem höheren Unrechtsgehalt und der vom Täter aufgewandten kriminellen Energie, also seiner ihm vorgeworfenen Schuld, gerecht zu werden, die durch die Anwendung von Nötigungsmitteln zu Tage tritt. Eine erzwungene sexuelle Penetration und eine gewaltlose sexuelle Handlung an einem willenlosen oder widerstandsunfähigen Opfer unter den gleichen Strafrahmen zu stellen, würde gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot verstoßen. Ein gewichtiges Gegenargument der Anhänger der „Common Law“-Definition ist allerdings, dass der Opferschutz beim fehlenden Einverständnis erheblich weiter greift und damit durchaus strafwürdige Fälle erfasst, in denen die sexuelle Handlung ohne oder gegen den Willen des Opfers durchgeführt wurde, der Täter aber keine Gewalt angewandt bzw. keine Drohung mit einem empfindlichen Übel ausgesprochen hat. Es macht daher Sinn zu eruieren, ob ein so weiter Schutzbereich im Völkerstrafrecht überhaupt notwendig ist. Hilfreich ist dabei die Betrachtung der jüngsten Rechtsprechung der Ad-hocTribunale. Es kam zu mehreren Verurteilungen und ausführlichen Erörterungen hinsichtlich der Definition der Vergewaltigung. Es findet sich in der rechtlichen Analyse in den letzten Urteilen zwar eine Befürwortung des Elements des fehlenden Einverständnisses (siehe 4. Kapitel, II.). Das Argument ist der weite Opferschutz vor Beeinträchtigungen des sexuellen Selbstbestimmungsrechts und die damit geschaffene Flexibilität des Richters, im Einzelfall entscheiden zu können, welche Vorgehensweisen strafbar sind. Es wird durch das Tatbestandsmerkmal des fehlenden Einverständnisses sicher gestellt, dass jede sexuelle Penetration, die ohne das Einverständnis des Opfers vollzogen wird, erfasst werden kann, während bei der Aufzählung von konkreten Nötigungsmitteln die Möglichkeit besteht, dass eine solche Handlung den Tatbestand nicht erfüllt, wenn die Gewalt nicht gravierend war oder die Drohung aus objektiver Sicht nicht eindeutig erschien. Der Nachteil ist wiederum, dass dem Richter ein sehr weiter Auslegungsspielraum zugestanden wird, welcher Kritik an der Bestimmtheit des Tatbestands zulässt. Allerdings findet sich in den Abschnitten der Rechtsfindung, d. h. der Subsumierung des Tatgeschehens unter der Definition der Vergewaltigung, kein einziger Fall, der nicht auch von den Nötigungsmitteln erfasst worden wäre. Jede verurteilte Vergewaltigung zeigte die Anwendung von Gewalt (Schläge, Festhalten, Einsperren) oder einer Drohung gegen das Leben oder die körperliche Integrität des Opfers oder einer ihr nahestehenden Person (Einsatz oder „Beisichführen“ von Waffen, Anwesenheit von bewaffneten Soldaten, Drohung mit Verstümmelungen oder mit der Tötung eines Angehörigen, Tötungen von anderen Gruppenangehörigen vor den Augen des Opfers).1497

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Ferner wurde ein Überblick über die typischsten Vergewaltigungsszenarien während eines bewaffneten Konflikts im zweiten Kapitel gegeben. Schaut man sich die Beispiele an, ist die Gewaltanwendung oder die (konkludente) Drohung, das Opfer oder einen nahen Angehörigen zu töten oder zu misshandeln offensichtlich. Die Opfer waren meist Gefangene in Häusern, Schulen, Hotels oder Lagern unter ständiger Bewachung von schwer bewaffneten Soldaten. Sie konnten sich dem Einfluss des Täters nicht entziehen. Darin allein liegt bereits die Anwendung von Gewalt. Meist wurden die Opfer geschlagen, getreten oder mit Messern verletzt. In anderen Situationen brauchte der Täter keine direkte Gewalthandlung auszuführen, weil das Opfer sich mehreren Tätern mit schweren Waffen gegenüber sah oder aber wie in den Fällen der VN-Offiziere, dem Opfer konkludent die Tötung des entführten Kindes oder sonstiger entführter Verwandter in Aussicht gestellt wurde. Eine ebenso eindeutige konkludente Drohung lag vor, wenn ein Hutu-Mann sich eine Tutsi-Frau als „Ehefrau“ nahm. Dabei erklärte sich das Opfer zwar zum Geschlechtsverkehr mit dem Feind einverstanden und deklarierte sich selbst zudem noch widersprüchlicherweise als dessen „Ehefrau“. Dem Täter war aber bewusst, dass das Opfer nur aus Angst in den Geschlechtsverkehr einwilligte, um nicht noch von anderen Hutus vergewaltigt, verstümmelt und getötet zu werden. Das Opfer befand sich meist in den Händen der feindlichen Soldaten, war eingesperrt oder wurde bereits vor ein Massengrab zur Vergewaltigung und Ermordung geführt. Dem Opfer war klar, dass es von dem Willen des Täters („Ehemann“) abhing, ob es getötet, vergewaltigt oder verstümmelt worden wäre, wenn es sich seinem sexuellen Ansinnen nicht hergegeben hätte. Oftmals sperrten die Täter die Frauen in ihrem Haus ein, damit sie nicht fliehen konnten, sie drohten den Frauen, sie der Hutu-Miliz auszuliefern oder misshandelten sie körperlich, so dass neben der Drohung meist auch Gewalt angewandt wurde. Sowohl die Beispielsfälle im zweiten Kapitel als auch in der Rechtsprechung der beiden Ad-hoc-Tribunale zeigen, dass die typischen Vergewaltigungsabläufe mittels schwerster Gewalt und Drohungen gegen den Leib oder das Leben des Opfers oder einer ihm nahestehenden Person erzwungen wurden. Es konnte daher im Völkerstrafrecht kein wirklicher Bedarf für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vergewaltigung auf widerstandsunfähige Opfer mittels des Tatbestandsmerkmals des fehlenden Einverständnisses nachgewiesen werden. Eine derartige Gleichstellung ist nicht angezeigt, wenn man sich die Fälle vor Augen führt, in denen die Opfer unfähig sind, einen Widerwillen zur Handlung

1497 Es kann hier aus Platzgründen nicht das Tatgeschehen aller verhandelten Fälle dargestellt werden. Es findet sich aber im 3. Kapitel III. 1. c) ee) und ff) eine komplette Abhandlung aller Vergewaltigungsfälle vor den beiden Ad-hoc-Tribunalen für das frühere Jugoslawien und Ruanda. Die Sachverhalte sind bereits kurz wiedergegeben und es finden sich dort zur weiteren Einsicht die Fundstellen aller Entscheidungen.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

zu bilden oder einen solchen kundzutun, etwa weil sie schlafen, bewusstlos, betäubt, geistig oder körperlich behindert oder zu jung sind, um die Tat zu begreifen. Im Rahmen eines Völkermords, eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder eines Kriegsverbrechens weicht die lediglich ohne Zustimmung vollzogene sexuelle Handlung erheblich weiter vom Fall der Gewaltanwendung ab als in Friedenszeiten. Denn das Opfer sieht sich dort meist zahlreichen Gewalttaten und Drohungen gegenüber. Würde man nun auch solche Handlungen unter den Vergewaltigungstatbestand erfassen, die neben der Anwendung von Nötigungsmitteln lediglich ohne das Einverständnis des Opfers erfolgen, würden zwei krass von einander abweichende Unrechtshandlung unter einem Strafrahmen zusammengefasst werden. Diese Ausweitung auf Missbräuche an widerstandsunfähigen Menschen würde aber dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Ungleiches nicht gleich zu behandeln) widersprechen und gleichzeitig dem Verbrechen der Vergewaltigung die Schwere nehmen, die es rechtfertigt unter den drei Rahmenverbrechen aufgenommen zu werden. Außerdem ist es nicht Sinn und Zweck des Strafrechts alle möglichen Angriffe auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht zu verhindern. Es existiert in keinem Strafrecht ein lückenloser Schutz vor Rechtsgutsverletzungen.1498 Ein ausreichender Opferschutz liegt bereits dann vor, wenn das Recht auf freie sexuelle Selbstbestimmung lückenlos vor besonders massiven und für das Rechtsgut besonders gefährlichen Begehungsformen geschützt wird.1499 Die gesteigerte Subsidiarität des Völkerstrafrechts, nur die schwersten Verbrechen zu verfolgen, gebietet es erst Recht, sich auf die Verbrechen zu begrenzen, die einen besonders hohen Unrechts- und Schuldgehalt aufweisen. Ein Vergewaltigungstatbestand, der auch Missbrauchssituationen erfasst, ist meines Erachtens mit dem Prinzip der Subsidiarität des Völkerstrafrechts nicht mehr vereinbar. Es macht daher auf internationaler Ebene wenig Sinn, einen solch weitgreifenden Opferschutz zu propagieren. gg) Ergebnis Nach den anglo-amerikanischen Strafgesetzen können weitere Fälle erfasst werden, die nach der Nötigungslösung nicht als Vergewaltigung bestraft werden können. Darunter fallen vor allem die Täuschungssituationen wie auch sexuelle Übergriffe auf geistig oder körperlich behinderte Opfer, schlafende, bewusstlose, betrunkene oder sonst wie betäubte Menschen. Somit erreicht die „Common Law“-Lösung einen weitreichenderen Opferschutz zum sexuellen Selbstbestimmungsrecht als das „Civil Law“-Konzept. 1498 Harbeck, Einheitstatbestand, S. 116; siehe zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts auch: Jescheck/Weigend, AT, S. 52 ff. 1499 Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 160.

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Demgegenüber konnte aber aufgezeigt werden, dass das Tatunrecht erhöht ist und ein besonderer Grad an Verwerflichkeit in der Tätergesinnung vorliegt, wenn eine sexuelle Handlung mit Nötigungsmitteln erzwungen als wenn lediglich kein Einverständnis des Opfers gegeben wird. Der Unterschied in der Willensbeeinträchtigung legt eine saubere Trennung zwischen reinen Nötigungssituationen und Missbräuchen nahe, um nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verletzen. Da alle bisher bekannten Situationen unter die Nötigungsmittel subsumiert werden konnten, konnte nachgewiesen werden, dass ein so weiter Schutz wie im „Common Law“ im Völkerstrafrecht gar nicht notwendig ist. Der Grundsatz der Subsidiarität gebietet es zudem, nur die schwersten Verbrechen im Völkerstrafrecht zu verfolgen, wozu Missbräuche nicht gehören. Ferner sind die objektiven Nötigungsmittel bestimmt, während das fehlende Einverständnis mit weiteren objektiven Tatbestandsmerkmalen oder Vermutungsvoraussetzungen ausgestattet werden musste, um einen vergleichbaren Bestimmtheitsgrad zu erfahren. Wenn aber wie in England und New York teilweise allein auf ein fehlendes Einverständnis im Tatbestand abgestellt wird, muss ein innerer Willenszustand des Opfers nachgewiesen werden. Bei den Nötigungsmitteln ist der Nachweis hingegen auf objektive, äußerlich erkennbare Merkmale begrenzt, womit in der „Common Law“-Lösung auch noch ein Beweisnachteil zu verzeichnen ist. Im Ergebnis empfiehlt es sich, auf den Begriff des fehlenden Einverständnisses im Völkerstrafrecht zu verzichten und stattdessen die besagten Nötigungsmittel in den Tatbestand aufzunehmen. Die Nötigung ist somit essentieller Bestandteil des Vergewaltigungstatbestands im Völkerstrafrecht. h) Ergebnis der Rechtsvergleichung zum objektiven Tatbestand der Vergewaltigung Die wertende Rechtsvergleichung hat ergeben, dass der objektive Tatbestand der Vergewaltigung die folgenden Elemente enthalten muss: – Sexuelle Handlung – Vaginaler Geschlechtsverkehr; – Analverkehr; – Oralverkehr (Manipulation der Zunge an Penis, Vagina, Anus genügt); – Einführen von anderen Körperteilen als dem Penis (z. B.: Zunge, Finger, Faust) in die Vagina oder den Anus; – Einführen von beweglichen Gegenständen (z. B.: Dildo, Flasche, Banane) in die Vagina oder den Anu; – Sich-Penetrieren-Lassen („umgekehrte Vergewaltigung“); – Sexuelle Handlung muss sich zwischen Täter und Opfer abspielen (keine Masturbation oder Handlung mit Dritten).

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

– Täter – Jedermann. – Opfer – Jedermann. – Nötigungshandlung – Gewalt; – Drohung mit einem empfindlichen Übel; – Kausalität (Mittel-Zweck-Relation). 4. Subjektiver Tatbestand der Vergewaltigung in den sechs staatlichen Rechtsordnungen Der subjektive Tatbestand umfasst alle Merkmale, die sich auf die innere Einstellung des Täters beziehen. Ein Täter wird nur dann bestraft, wenn er vorsätzlich (bzw. ausnahmsweise bei expliziter Strafbarkeit auch fahrlässig) gehandelt hat. Alle hier untersuchten Rechtsordnungen haben gemeinsam, dass sie die subjektiven Voraussetzungen unter den allgemeinen Regeln des Strafgesetzbuches bzw. den allgemeinen Prinzipien des Fallrechts zur gleichmäßigen Anwendung auf alle Tatbestände angesiedelt haben. Nur wenn die allgemeine Vorsatzregel nicht oder weitere subjektive Voraussetzungen zur Anwendung kommen sollen, werden subjektive Erfordernisse im Tatbestand selbst aufgeführt. a) Vorsatz aa) Deutschland Der subjektive Tatbestand ist in §§ 15, 16 StGB geregelt.1500 Nach herrschender Auffassung genügt gemäß § 15 StGB ein bedingter Vorsatz zu allen Tatbestandsmerkmalen. Der Vorsatz muss sich auf den Einsatz der Nötigungsmittel zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands erstrecken. Danach muss der Täter in Kauf nehmen, dass er nur über den Widerstand des Opfers hinweg zu seinem Ziel kommen kann und dass durch sein Verhalten ein begonnener oder erwarteter Widerstand ausgeschaltet werden soll.1501 Ferner muss der Vorsatz die Geschlechtsbezogenheit der sexuellen Handlung umfassen.1502 1500 In Deutschland besteht zwar die Besonderheit, dass es sich bei der Vergewaltigung nicht um einen Tatbestand handelt, sondern um ein Regelbeispiel mit der Folge, dass die Vorsatzregelungen des Allgemeinen Teils des StGB nicht direkt anwendbar sind. Es ist aber allgemein anerkannt, dass die §§ 15, 16 StGB analoge Anwendung auf Regelbeispiele finden. Siehe dazu: BGHSt 26, 176, 180 ff.; Jescheck/Weigend, AT, § 29 II 3c; Harbeck, Einheitstatbestand, S. 151 m.w. N. 1501 A. A.: LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 119, die betont, dass es nicht darauf ankommt, dass sich der Vorsatz des Täters auch auf einen erwarteten Widerstand des Opfers erstreckt. Auch wenn der Täter damit rechnet, dass eine unterlegene oder

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Die finale Verknüpfung des Nötigungsmittels mit der sexuellen Handlung muss ebenfalls vom Vorsatz umfasst sein. Der Täter muss erkennen, dass das Opfer die Handlungen nur vornimmt oder erduldet, weil es infolge der Gewaltanwendung, Drohung oder aufgrund der schutzlosen Lage in seinen Abwehrfähigkeiten beeinträchtigt ist.1503 Beim dritten Nötigungsmittel ist die finale Verknüpfung problematisch, wenn die nötigende Handlung in der Vornahme der sexuellen Handlung besteht, also im Unterschied zu den beiden anderen Nötigungsmitteln insgesamt nur eine Handlung vorliegt. Der Täter muss hier die Voraussetzungen der Schutzlosigkeit als Bedingung für das Erreichen sexueller Handlungen erkennen und nutzen, also zumindest für möglich halten und billigen, dass das Opfer trotz entgegenstehenden Willens die Handlung nur wegen seiner Schutzlosigkeit erduldet oder ausführt.1504 An dem Vorsatz zur finalen Verknüpfung fehlt es zum Beispiel, wenn eine Gewaltanwendung zu einem anderen Zweck (Raub, Erpressung) als der sexuellen Handlung ausgeführt wurde und der Täter im Anschluss an die beendete Gewalthandlung einen neuen Entschluss fasst, die sexuelle Handlung vorzunehmen. Der Vorsatz zur sexuellen Handlung muss schon bei Anwendung der Nötigungsmittel vorliegen.1505 Allerdings ist es möglich, dass ein Vorsatzwechsel eingetreten ist. Wurde Gewalt zu einem anderen Zweck eingesetzt und tritt dann ein Vorsatzwechsel ein, muss die Gewalt nach dem Wechsel weiter zum Einsatz kommen. Daran fehlt es, wenn der Täter lediglich die fortwirkende Zwangslage zur Vergewaltigung ausnutzt, ohne dass die aktive Gewaltanwendung andauert. Entscheidend ist, ob die Gewaltanwendung und sexuelle Handlung sich noch als einheitliches, zeitlich-örtliches Geschehen darstellen, wobei an diesen zeitlich-örtlichen Zusammenhang strengere Anforderungen zu stellen sind, wenn die Gewalt ursprünglich mit einer anderen Zielrichtung begangen wurde.1506 Fehlt es an dieschüchterne Person sich nicht wehren würde, macht er sich strafbar, wenn er Gewalt anwendet oder eine Drohung einsetzt. 1502 Fischer, § 177, Rn. 51 f.; GA 1956, S. 316; 39, 245 m. Anm. Vitt, JR 1994, S. 199; NStZ 1982, S. 26; 1999, S. 452 f.; NStZ 2004, S. 440; 2005, S. 267 f.; NStZRR 2003, S. 32; LK-Laufhütte/Roggenbuck, § 177, Rn. 117; Lackner/Kühl, § 177, Rn. 10; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 114; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 218 f.; NStZ 1983, S. 71 m.w. N. Eine andere Ansicht in der Literatur verlangt jedoch, dass der Sexualkontakt unter Zwang bezweckt und die Absicht bereits bei der Nötigung vorhanden sein müsse. Unschädlich sei es aber, wenn der Täter daneben noch andere Ziele verfolge. Im Übrigen genüge aber ein bedingter Vorsatz. Siehe dazu: Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 13; SK-Horn, § 177, Rn. 13 f.; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 55; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, Rn. 51 ff.; BGH, NJW 1984, S. 1632. 1503 Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 134; SK-Horn, § 177, Rn. 18. 1504 Fischer, § 177, Rn. 53; BGH, 45, 260; NStZ 2003, S. 233 f.; 2005, S. 267 f.; StV 2005, S. 269 f. 1505 SK-Horn, § 177, Rn. 18. 1506 Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 130 f.; Kieler, Tatbestandsprobleme, S. 142 f.; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 230 ff.

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sem Zusammenhang, kommt aber noch aufgrund der Fortwirkung der früheren Gewaltanwendung eine vorsätzliche Nötigung mittels einer konkludenten Drohung in Betracht, erneute Gewalt anzuwenden.1507 Für den Vorsatz des Täters zur Kausalität ist wiederum unbeachtlich, wenn der Täter anstatt des angestrebten Geschlechtsverkehrs mit dem Opfer eine weniger schwerwiegende Handlung wie z. B. eine manuelle Befriedigung erreicht. Es handelt sich dann nur um eine unwesentliche Abweichung des tatsächlichen Kausalverlaufs von der Tätervorstellung.1508 bb) Frankreich Der französische Gesetzgeber verlangt ebenfalls nur einen einfachen Vorsatz gemäß Art. 121-3 CP zur Vergewaltigung.1509 Unter dem einfachen Vorsatz wird das Bewusstsein oder der Wille des Täters verstanden, die fragliche verbotene Handlung, also die objektiven Tatbestandsmerkmale, zu begehen. Auf eine Absicht – wie z. B. eine sexuelle Befriedigung – kommt es nicht an.1510 Somit handelt der Täter vorsätzlich, wenn er die Sexualbezogenheit der Penetration erkannt 1507

BGH, NJW 1984, S. 1632; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 55. Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 13; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 55. 1509 Art. 121-3 CP setzt grundsätzlich ein vorsätzliches Handeln voraus, es sei denn, das Gesetz lässt auch eine Fahrlässigkeit genügen. „Il n’ y a point de crime ou de délit sans intention de le commettre. Toutefois, lorsque la loi le prévoit, il y a délit en cas de mise en danger délibérée de la personne d’autrui. Il y a également délit, lorsque la loi le prévoit, en cas de faute d’imprudence, de négligence ou de manquement à une obligation de prudence ou de sécurité prévue par la loi ou le règlement, s’il est établi que l’auteur des faits n’a pas accompli les diligences normales compte tenu, le cas échéant, de la nature de ses missions ou de ses fonctions, de ses compétences ainsi que du pouvoir et des moyens dont il disposait. Dans le cas prévu par l’alinéa qui précède, les personnes physiques qui n’ont pas causé directement le dommage, mais qui ont créé ou contribué à créer la situation qui a permis la réalisation du dommage ou qui n’ont pas pris les mesures permettant de l’éviter, sont responsables pénalement s’il est établi qu’elles ont, soit violé de façon manifestement délibérée une obligation particulière de prudence ou de sécurité prévue par la loi ou le règlement, soit commis une faute caractérisée et qui exposait autrui à un risque d’une particulière gravité qu’elles ne pouvaient ignorer. Il n’y a point de contravention en cas de force majeure.“ 1510 Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 24; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 30. Die Rechtsprechung unterstellte lediglich in einem Fall eine solche Befriedigungsabsicht, als sie das Einführen eines Stockes in den Anus eines Jungen zum Zweck der Erpressung nicht als Vergewaltigung anerkannte. Damit gab die Entscheidung zu verstehen, dass der Täter eine sexuelle Befriedigung mit der Handlung hätte erzielen müssen, um nach dem Vergewaltigungstatbestand verurteilt werden zu können. Diese Entscheidung wurde jedoch allerseits abgelehnt. Der Täter hätte sowohl für die Erpressung als auch die Vergewaltigung in Tateinheit verurteilt werden müssen. Siehe dazu: Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 516; 9.12.1993, B. 383; Dr. pén. 1994, chr. 26, conclusion Perfetti et comm. 83 Rapport Nivose; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 30. 1508

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hat und wenn ihm bewusst war, dass er die sexuelle Handlung mittels einer der Tatmittel ohne das Einverständnis des Opfers vorgenommen hat bzw. hat vornehmen lassen. Ob der Täter wusste, dass das Opfer nicht mit der sexuellen Handlung einverstanden war, ergibt sich aus Indizien wie z. B. einer Gewaltanwendung oder Täuschungshandlung. Aber auch andere Tatumstände und Verhaltensweisen des Täters und des Opfers können Aufschluss über die innere Einstellung des Täters geben.1511 Insofern kann auf die gleichen Umstände, die bereits von der deutschen Rechtsprechung aufgelistet wurden, verwiesen werden. cc) Spanien Auch das spanische Strafrecht setzt nur einen einfachen Vorsatz zu den objektiven Tatbestandsmerkmalen der Vergewaltigung voraus.1512 Der Vorsatz beinhaltet ebenfalls ein „Wissens“- und ein „Wollenselement“. Daher muss der Täter die zwangsweise Penetration gewollt und die Sexualbezogenheit der Handlung erkannt haben. Es muss ihm bewusst gewesen sein, dass das Opfer mit der sexuellen Handlung nicht einverstanden war. Der Vorsatz des Täters wird aus den Gesamtumständen der Tat wie dem Zeitpunkt, dem Ort des Geschehens, dem Täter- und Opferverhalten deduziert.1513 Weitere subjektive Elemente wie eine Befriedigungsabsicht werden nicht vorausgesetzt.1514 dd) England Auch in England sind die Vergewaltigung sowie die anderen Sexualdelikte in ss. 1–4 SOA 2003 einfache Vorsatzdelikte. Danach muss der Täter die Handlung bewusst und gewollt durchgeführt haben („basic intent“). Eine Absicht ist nicht erforderlich.1515 Im Detail bedeutet dies für die Vergewaltigung, dass der Täter willentlich („intentionally“) die Vagina, den Anus oder Mund des Opfers mit seinem Penis penetriert und von dem fehlendem Einverständnis des Opfers bzw. von dem Risiko gewusst haben muss, dass das Opfer vielleicht mit der Handlung nicht ein1511

Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 516; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 28. Auch im spanischen Recht muss der Täter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Eine Straftat kann aber nur fahrlässig begangen werden, wenn die fahrlässige Begehungsweise ausdrücklich im Gesetz unter Strafe gestellt ist. Artículo 5 CP: No hay pena sin dolo o imprudencia. Artículo 12: Las acciones u omisiones imprudentes sólo se castigarán cuando expresamente lo disponga la ley. 1513 Sánchez Melgar, Código Pénal, Art. 178, Rn. 5; STSS 7.6.2000; 10.3.2000. 1514 Muñoz Conde, Derecho Penal, S. 217; Sánchez Melgar, Código Pénal, Art. 178, Rn. 5; STS 3.5.1999. 1515 Allen, Criminal Law, S. 403; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 698 f., 703; Blackstone’s Criminal Practice, B3.29; Loveless, Criminal Law, S. 531. 1512

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

verstanden war. Der Wortlaut der Vorschrift verlangt nämlich, dass der Täter nicht nachvollziehbar an ein Einverständnis des Opfers geglaubt hat. Er muss sich also über die Möglichkeit, dass die andere Partei nicht zugestimmt hat, bewusst gewesen sein.1516 Es reicht folglich für das fehlende Einverständnis ein bedingter Vorsatz ( „recklessness“) aus.1517 Der Nachweis des vorsätzlichen Eindringens in den Körper des Opfers bereitet in der Praxis keine Schwierigkeiten. Eine ungewollte Penetration ist nur vorstellbar, wenn der Täter das Einverständnis zum vaginalen Geschlechtsverkehr hatte, aber versehentlich den Anus des Opfers penetriert hat, wozu das Opfer kein Einverständnis gegeben hatte.1518 Umstritten ist lediglich, ob ein allgemeiner Vorsatz zur Penetration ausreicht oder, ob sich der Penetrationsvorsatz auf eine konkrete Körperöffnung beziehen muss. Nach dem früheren Fallrecht erfasste die Vergewaltigung nur den Geschlechtsverkehr, so dass ein allgemeiner Vorsatz zur Penetration des Körpers des Opfers genügte. Heute werden im SOA 2003 die Wege, auf denen in den Körper eingedrungen werden kann, spezifiziert, so dass eine Literaturmeinung daraus folgert, dass sich der Vorsatz des Täters auf die genaue Handlung konkretisieren muss.1519 Kritisiert wird an dieser Meinung zu Recht, dass der Täter straffrei wäre, wenn er Vorsatz zum Analverkehr hat, aber durch ein Versehen, das Opfer vaginal penetriert. Dabei handelt es sich nur um eine unwesentliche Abweichung des tatsächlichen Kausalverlaufs von der Tätervorstellung. Es ist somit der Ansicht den Vorzug zu geben, dass ein allgemeiner Vorsatz zur Penetration genügt.1520 Die obigen Ausführungen zum Vorsatz sind auch auf den Penetrationstatbestand gemäß s. 2 SOA 2003 übertragbar. Auch hier muss der Täter das Opfer vorsätzlich („intentionally“) mit einem Körperteil oder Gegenstand vaginal oder anal penetrieren. Zum fehlenden Einverständnis genügt wieder nur ein bedingter Vorsatz ( „recklessness“). Die einzige Unklarheit besteht hinsichtlich des Merkmals „sexuell“. Eine Meinung geht davon aus, dass der Vorsatz des Täters das Element „sexuell“ nicht 1516 R. v. Khan (1990) 1 WLR 13; R. v. S (Satnam) (1984) 78 Cr.App.R. 149; R. v. Breckenridge (1983) 79 Cr.App.R. 244; R. v. Pigg (1982) 1 WLR 762; R. v. Morgan (1976) AC 182 at 215; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 698 ff.; Allen, Criminal Law, S. 375; Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 347, Rn. 9.26; Loveless, Criminal Law, S. 532. 1517 Blackstone’s Criminal Practice, B3.29; Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 347, Rn. 9.26; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 698; Jefferson, Criminal Law, S. 576; Simester/Sullivan, Criminal Law Theory, S. 437. 1518 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 698; Loveless, Criminal Law, S. 531. 1519 Allen, Criminal Law, S. 399. 1520 Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 346 f., Rn. 9.25.

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einschließen müsse. Als Grund für diese Auslegung wird vorgebracht, dass der Täter ansonsten vorbringen könnte, dass beispielsweise das Einführen einer Flasche in die Vagina des Opfers nicht sexuell war, weil er dies allein deshalb getan hätte, um das Opfer zu verletzen.1521 Daran ist auszusetzen, dass sich der Vorsatz grundsätzlich auf jedes objektive Element beziehen muss. Meines Erachtens ist diese Interpretation dogmatisch verfehlt. Der Vorsatz erfordert die Kenntnis der objektiven Tatbestandsmerkmale. Dazu muss der Täter geistig und körperlich in der Lage sein, zu erkennen, dass die Handlung sexueller Natur ist bzw. sein kann und aufgrund der ihm bekannten Umstände auch als sexuell einzustufen ist (siehe dazu s. 78 SOA 2003). Es kommt aber nicht darauf an, dass der Täter ein sexuelles Ziel mit der Handlung verfolgt. Es wird gerade keine Befriedigungsabsicht für die Sexualdelikte nach ss. 1–4 SOA 2003 verlangt. Insofern ist es für den Vorsatz zur sexuellen Penetration völlig irrelevant, wenn der Täter vorbringt, er habe kein sexuelles Ziel verfolgt, sondern habe nur eine Verletzung des Opfers angestrebt. Es genügt, dass der Täter wusste, dass die Penetration einer Körperöffnung wie der Vagina oder des Anus des Opfers mit einem Objekt oder einem Körperteil sexueller Natur ist und, dass er auch eine solche sexuelle Penetration durchführen wollte. Es besteht daher keine Notwendigkeit, die subjektiven Erfordernisse zu beschränken. Der Vorsatz kann auf das objektive Element „sexuell“ eine ganz gewöhnliche Anwendung finden. Sollte sich die Staatsanwaltschaft auf eine Vermutungsklausel (ss. 76, 75 SOA 2003) stützen, muss der Täter Vorsatz zu den objektiven Voraussetzungen der Vermutungsklausel gehabt haben. Im Fall des s. 76 muss der Täter gewusst haben, dass er das Opfer über die Natur oder den Zweck getäuscht hat oder aber, dass er beim Opfer den Irrtum über eine dem Opfer bekannte Person herbeigeführt hat, um so sein Einverständnis zu erschleichen.1522 Nach s. 75 SOA 2003 muss der Täter die Umstände der objektiven Voraussetzungen a)–f) gekannt haben.1523 Ein Eventualvorsatz ( „recklessness“) zu den Vermutungsvoraussetzungen genügt nicht. Sollte der Täter aber bedingt vorsätzlich ( „reckless“) gehandelt haben, ist dieser Umstand relevant für die Irrtumsproblematik. Es bestehen nämlich erhebliche Zweifel an einem guten Glauben an ein Einverständnis, wenn der Täter von der Möglichkeit ausgegangen ist, dass sich das Opfer entweder über die Natur, den Zweck oder die Identität seiner Person getäuscht hat bzw. wenn er es für möglich gehalten hat, dass eine der Voraussetzung in s. 75 a)–f) vorgelegen haben.1524

1521 Der Täter muss allerdings keinen Vorsatz gehabt haben, dass das Eindringen in die fraglichen Körperöffnungen „sexuell“ war. Blackstone’s Criminal Practice, B3.29; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 703. 1522 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 685. 1523 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 680. 1524 Allen, Criminal Law, S. 399; Jefferson, Criminal Law, S. 576.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

ee) New York Der subjektive Tatbestand („mens rea“) ist in den allgemeinen Vorschriften des Strafgesetzbuches von New York verankert. Nach s. 15.15 werden Straftaten grundsätzlich nur bestraft, wenn sie dem Täter subjektiv vorgeworfen werden können. Ein Verhalten, dass ohne ein Verschulden des Täters (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) eine Strafe nach sich zieht (sog. „strict liability“), stellt eine Ausnahme dar und muss besonders im Gesetz festgeschrieben sein. S. 15.15 stellt somit eine Vermutung auf, dass alle Straftaten – bis auf die wenigen ausdrücklichen verschuldensunabhängigen Delikte – vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden müssen. Teilweise ist im Tatbestand selbst ein spezielles subjektives Element aufgeführt, welches in der Regel auf den gesamten Tatbestand anwendbar ist. Nennt jedoch der Gesetzestext keine besondere subjektive Voraussetzung im Tatbestand, bedeutet dies nicht, dass kein Vorsatz vorliegen muss, sondern dass die einfachste Vorsatzform bezüglich der Tatbestandsmerkmale ausreicht.1525 Da das New Yorker Statut keine expliziten Vorsatzregelungen in den Tatbeständen der Vergewaltigung und den anderen sexuellen Penetrationstatbeständen aufgenommen hat, diese sexuellen Handlungen aber seit dem „Common Law“ 1526 notwendigerweise vorsätzlich begangen werden müssen, muss die konkrete Vorsatzform für das jeweilige Tatbestandselement bestimmt werden. 1525 Section 15.15 Construction of statutes with respect to culpability requirements: 1. When the commission of an offense defined in this chapter, or some element of an offense, requires a particular culpable mental state, such mental state is ordinarily designated in the statute defining the offense by use of the terms „intentionally,“ „knowingly,“ „recklessly“ or „criminal negligence,“ or by use of terms, such as „with intent to defraud“ and „knowing it to be false,“ describing a specific kind of intent or knowledge. When one and only one of such terms appears in a statute defining an offense, it is presumed to apply to every element of the offense, unless an intent to limit its application clearly appears. 2. Although no culpable mental state is expressly designated in a statute defining an offense, a culpable mental state may nevertheless be required for the commission of such offense, or with respect to some or all of the material elements thereof, if the proscribed conduct necessarily involves such culpable mental state. A statute defining a crime, unless clearly indicating a legislative intent to impose strict liability, should be construed as defining a crime of mental culpability. This subdivision applies to offenses defined both in and outside this chapter. 1526 Die Vergewaltigung wird im „Common Law“ grundsätzlich als ein allgemeines Vorsatzdelikt umschrieben, dass keine besondere Absicht (wie z. B. eine Befriedigungsabsicht) erfordert. Der Täter muss gewusst haben, dass er einen Geschlechtsverkehr (bzw. eine der anderen sexuellen Penetrationen) mit dem Opfer durchführt und, er muss bewusst das Risiko missachtet haben, dass das Opfer nicht mit der sexuellen Handlung einverstanden war. Vgl. dazu: Steve v. State, 875 P.2d 110, 115 (Alaska Ct.App. 1994); State v. Cantrell, 673 P.2d 1147, 1154 (Kan. 1983); Commonwealth v. Grant, 464 N.E. 2d 33, 36 (Mass. 1984); State v. Goodwin, 94-867 (New Hampshire Sp. Ct. 1996), zit. in: Schubert, Criminal Law, S. 276 f.; Dressler, Understanding Criminal Law, S. 637; Reynolds v. State, 664 P.2d 621 (Alaska App. 1983), zit. in: Dubber/Kelman, American Criminal Law, S. 820 f.

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Das Strafgesetzbuch erkennt gemäß s. 15.05 vier Verschuldensformen an, wobei es diese unterschiedlich hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale (Erfolg, Handlung, begleitende Umstände) definiert. Entweder muss der Täter absichtlich, wissentlich, rücksichtslos oder fahrlässig1527 gehandelt haben.1528 Die sexuelle Penetration stellt in allen zur Debatte stehenden Tatbeständen eindeutig eine Handlung („conduct“) dar. Die einfachste Vorsatzform für eine Handlung ist dessen Kenntnis. Der Täter muss sich also der sexuellen Penetration bewusst („aware“) sein. Für das fehlende Einverständnis, welches einen begleitenden Umstand der Tat („circumstance“) verkörpert, reicht jedoch ein Eventualvorsatz ( „recklessness“) aus, d. h. der Täter muss nicht positiv von dem fehlenden Einverständnis gewusst haben, sondern es genügt, dass er die Möglichkeit eines fehlenden Einverständnisses erkannt hat und es ihm gleichgültig war, ob er gegen den Willen des Opfers handelte. Er muss bewusst das Risiko missachtet haben, dass das Opfer mit der sexuellen Handlung nicht einverstanden war. Da der Tatbestand sich nicht auf die Nennung eines fehlenden Einverständnisses beschränkt, muss ebenfalls zur Bestimmung der subjektiven Seite nach Handlungen und Umständen, die ein Einverständnis ausschließen, unterschieden wer1527 Das New Yorker Strafgesetz enthält nur vier Fahrlässigkeitsdelikte, so dass alle anderen verschuldensabhängigen Delikte einen Vorsatz voraussetzen. Die subjektive Minimalvoraussetzung für die strafrechtliche Verantwortlichkeit ist die Rücksichtslosigkeit (Eventualvorsatz). Vgl. dazu: Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 72. 1528 Section 15.05 Culpability; definitions of culpable mental states The following definitions are applicable to this chapter: 1. „Intentionally.“ A person acts intentionally with respect to a result or to conduct described by a statute defining an offense when his conscious objective is to cause such result or to engage in such conduct. 2. „Knowingly.“ A person acts knowingly with respect to conduct or to a circumstance described by a statute defining an offense when he is aware that his conduct is of such nature or that such circumstance exists. 3. „Recklessly.“ A person acts recklessly with respect to a result or to a circumstance described by a statute defining an offense when he is aware of and consciously disregards a substantial and unjustifiable risk that such result will occur or that such circumstance exists. The risk must be of such nature and degree that disregard thereof constitutes a gross deviation from the standard of conduct that a reasonable person would observe in the situation. A person who creates such a risk but is unaware thereof solely by reason of voluntary intoxication also acts recklessly with respect thereto. 4. „Criminal negligence.“ A person acts with criminal negligence with respect to a result or to a circumstance described by a statute defining an offense when he fails to perceive a substantial and unjustifiable risk that such result will occur or that such circumstance exists. The risk must be of such nature and degree that the failure to perceive it constitutes a gross deviation from the standard of care that a reasonable person would observe in the situation. Siehe auch die vereinfachte tabellarische Darstellung des subjektiven Tatbestands des New Yorker Strafgesetz bei: Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 63 f.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

den. Die Gewaltanwendung und die Drohung sind Handlungen, die daher vom Täter mit seiner Kenntnis vorgenommen werden müssen. Die anderen Tatumstände wie die Behinderung, der Schlaf, die Bewusstlosigkeit des Opfers oder das Arzt-Patienten-Verhältnis oder ein sonstiger Aufenthalt in einer Fürsorgeanstalt müssen wiederum nur vom Eventualvorsatz des Täters erfasst werden. Das Alter des Opfers stellt hingegen ein verschuldensunabhängiges Tatbestandsmerkmal („strict liability-element“) dar.1529 ff) Kalifornien Auch im kalifornischen Strafgesetzbuch ist das Erfordernis eines subjektiven Tatbestands in den allgemeinen Regeln festgelegt. Nach s. 20 PC ist eine Strafbarkeit nur gegeben, wenn der Täter den objektiven Tatbestand vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat.1530 Eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ist aber die Ausnahme; sie muss ausdrücklich im Tatbestand vorausgesetzt werden. S. 7 PC bietet zwar eine Auslegungshilfe zu den einzelnen Vorsatzformen, die grundsätzlich in den Tatbeständen des Gesetzes verwendet werden.1531 Diese Auslegungshilfe ist 1529 Nach s. 130.10. ss. 1 N.Y.P.L. stellt die Unkenntnis über einen Umstand, der die Fähigkeit betrifft, ein Einverständnis geben zu können, eine vorsatzausschließende Verteidigung (Tatbestandsirrtum) dar. Das Alter wurde bewusst aus dieser Verteidigungsvorschrift ausgenommen, was bedeutet, dass die Unkenntnis des jungen Alters des Opfers nicht den Vorsatz zur Tat entfallen lässt. Die Kenntnis des Alters wird dem Täter nicht vorgeworfen, womit dieses Merkmal eine verschuldensunabhängige Haftung nach sich zieht. Siehe auch: s. 15.20 ss. 3. 1530 Vorsatzregelung nach dem kalifornischen Penal Code: Section 20. In every crime or public offense there must exist a union, or joint operation of act and intent, or criminal negligence. Section 21. (a) The intent or intention is manifested by the circumstances connected with the offense. (b) In the guilt phase of a criminal action or a juvenile adjudication hearing, evidence that the accused lacked the capacity or ability to control his conduct for any reason shall not be admissible on the issue of whether the accused actually had any mental state with respect to the commission of any crime. This subdivision is not applicable to Section 26. Es gibt im US-amerikanischen Recht zwei Arten von Vorsatz: „general intent“ und „specific intent“. In People v. Hood, 1 Cal.3d 444, 456–457, 82 Cal.Rptr. 618, 462 P.2d 370 (Cal. 1969), versuchte der Supreme Court den Unterschied der beiden zu erklären: „When a definition of a crime consists of only the description of a particular act, without reference to intent to do a further act or achieve a future consequence, we ask whether the defendant intended to do the proscribed act. This intention is deemed to be a general criminal intent. When the definition refers to defendant’s intent to do some further act or achieve some additional consequence, the crime is deemed to be one of specific intent.“ Damit handelt es sich bei der Vergewaltigung und den anderen Sexualtatbeständen um „general intent“-Vorschriften. 1531 Auszug aus Section 7 PC: 1. The word „willfully,“ when applied to the intent with which an act is done or omitted, implies simply a purpose or willingness to commit the act, or make the omission referred to. It does not require any intent to violate law, or to injure another, or to acquire any advantage.

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jedoch für die Sexualtatbestände zunächst fruchtlos, weil in diesen Tatbeständen die definierten Begrifflichkeiten nicht verwendet werden. In den fraglichen objektiven Sexualtatbeständen werden teilweise subjektive Voraussetzungen genannt. Es sollen hier zum schnelleren Auffinden der subjektiven Voraussetzungen die einzelnen Passagen aus den langen Tatbeständen nochmals aufgeführt werden: – Das Opfer ist sich zur Tatzeit nicht über die Natur der Handlung bewusst und dies ist dem Täter bekannt. Dies ist der Fall, wenn das Opfer unfähig ist, sich der Handlung zu widersetzen, weil es – bewusstlos war oder schlief; – sich nicht bewusst war, oder nicht wusste oder verstand, dass die Handlung geschah; – die wesentlichen Eigenschaften der Handlung aufgrund einer Täuschung über Fakten durch den Täter nicht kannte oder verstand; – die wesentlichen Eigenschaften der Handlung aufgrund einer vortäuschenden Darstellung des Täters, dass die sexuelle Penetration einem Zweck diente, wenn sie in Wirklichkeit keinem professionellen Zweck diente, nicht kannte oder verstand. – Das Opfer war aufgrund einer vergiftenden oder anästhetischen oder irgendeiner kontrollierten Substanz in seinen Abwehrfähigkeiten beeinträchtigt und diese Bedingung war dem Täter bekannt oder hätte ihm zumutbar bekannt sein müssen. – Das Opfer ist unfähig, ein Einverständnis zu geben, weil es geistig beeinträchtigt, in der Entwicklung zurückgeblieben oder körperlich behindert ist und dies ist dem Täter bekannt oder sollte ihm zumutbar bekannt sein. – Das Opfer gibt unter dem Eindruck nach, dass die Person, welche die Handlung vollzieht, der Ehepartner des Opfers ist. Der Täter ruft diesen Glauben durch einen Trick, Vorwand oder eine Täuschung willentlich hervor. Danach wird vorausgesetzt, dass der Täter positive Kenntnis (im Sinne eines direkten Vorsatzes) vom Schlaf, von der Bewusstlosigkeit, vom mangelnden Verständnis der Handlung bzw. vom Irrtum über die Natur oder den Zweck der sexu2. The words „neglect,“ „negligence,“ „negligent,“ and „negligently“ import a want of such attention to the nature or probable consequences of the act or omission as a prudent man ordinarily bestows in acting in his own concerns. 4. The words „malice“ and „maliciously“ import a wish to vex, annoy, or injure another person, or an intent to do a wrongful act, established either by proof or presumption of law. 5. The word „knowingly“ imports only a knowledge that the facts exist which bring the act or omission within the provisions of this code. It does not require any knowledge of the unlawfulness of such act or omission.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

ellen Handlung hatte. Im Fall des Irrtums über die Identität des Ehepartners wird sogar ein zielgerichteter Wille gefordert. Hinsichtlich des Betäubungszustandes des Opfers bzw. dessen geistige oder körperliche Behinderung wird darauf abgestellt, dass dem Täter der gewisse Zustand des Opfers bekannt sein muss bzw. hätte zumutbar bekannt sein müssen. Damit wurde neben einem direkten Vorsatz („aware“) auch ein Fahrlässigkeitsstandard für ausreichend erachtet. Der Ausdruck „reasonably should have known“ legt eine objektive Sichtweise fest.1532 Es kommt auf einen objektiven Dritten an, der in der fraglichen Situation hätte vorhersehen können, dass das Opfer geistig oder körperlich beeinträchtigt war. Es wird dem Täter somit vorgeworfen, dass er die geistige oder körperliche Beeinträchtigung des Opfers hätte vorhersehen können und diese trotzdem pflichtwidrig missachtet hat.1533 Mit diesen vereinzelten Äußerungen zur subjektiven Seite der Tatbestände wurde aber nicht geklärt, welche subjektiven Voraussetzungen für die sexuelle Handlung und die Nötigungsmaßnahmen verlangt werden. Ist die subjektive Seite nicht der Strafnorm selbst zu entnehmen, kann diese nur aus dem „Common Law“ hergeleitet werden. Wie schon zum subjektiven Tatbestand von New York und England erklärt, kommt es hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale wie der sexuellen Handlung und der Nötigungshandlung hauptsächlich auf einen direkten Vorsatz an. Der Täter muss bewusst und willentlich die sexuelle Handlung und die Nötigungshandlung durchgeführt haben.1534

1532 Mit Fahrlässigkeit wird die Kenntnis des Risikos aus der Sicht eines objektiven Dritten bezeichnet. Vgl. Williams v. Garcetti, 5 Cal.4th, p. 574, 20 Cal.Rptr.2d 341, 853 P.2d 507: „[I]f a reasonable person in defendant’s position would have been aware of the risk involved, then defendant is presumed to have had such an awareness.“ 1533 People v. Valdez, 27 Cal.4th 778, 789–790, 118 Cal.Rptr.2d 3, 42 P.3d 511 (Cal 2002): „Criminal negligence is a standard for determining when an act may be punished under the penal law because it is such a departure from what would be the conduct of an ordinarily prudent or careful person under the same circumstances.“ Auch wenn hier nicht ausdrücklich Fahrlässigkeit („negligence“) in der Vorschrift genannt wird, so wird dies mit dem „should have known“-Standard indiziert, womit letztlich die Definition von „Negligence“ gemäß s. 7 ss. 4 PC relevant wird. „Negligence“ kann im deutschen Strafrecht mit der bewussten Fahrlässigkeit gleichgesetzt werden. Danach handelt bewusst fahrlässig, wer die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erkennt, zwar nicht mit ihr einverstanden ist, aber entgegen seiner Einsicht pflichtwidrig handelt. Die Abgrenzung zum Eventualvorsatz gestaltet sich in der Praxis schwierig, weil beide Täter die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erkennen, der bedingt vorsätzlich Handelnde aber den Eintritt des Erfolgs billigend in Kauf nimmt und der bewusste fahrlässig Handelnde auf den Nichteintritt des Erfolgs vertraut (BGHSt 36, S. 10; GA 1979, S. 107; NStZ 1983, S. 407). 1534 Die Vergewaltigung stellt ein „general intent crime“ dar, welches nur den Willen des Täters voraussetzt, den Geschlechtsverkehr ohne das Einverständnis des Opfers zu begehen, People v. Burnham, 176 Cal.App.3d 1134, 1140, 222 Cal.Rptr. 630 (Cal. 1986); People v. Dillon, 199 Cal. 1, 7, 248 P. 230 (Cal. 1926); Frank v. Superior Court, 48 Cal.3d 632, 642, 257 Cal.Rptr. 550, 770 P.2d 1119 (Cal. 1989) (conc. opn. of Kauf-

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Der subjektive Tatbestand wurde somit im kalifornischen Strafgesetzbuch nur teilweise und sehr verwirrend normiert. Man kann aber das Fazit ziehen, dass eine Handlung (sexuelle Handlung, Nötigungshandlung, Täuschungshandlung) sowie der Umstand des Schlafs, Bewusstlosigkeit und Unkenntnis des Opfers mit einem direkten Vorsatz, das fehlende Einverständnis aufgrund einer permanenten oder zeitweisen geistigen oder körperlichen Beeinträchtigung lediglich bewusst fahrlässig ( „negligent“) begangen werden muss. gg) Übereinstimmungen und Abweichungen bzgl. des Vorsatzes in den sechs Rechtsordnungen Der Vorsatz ist hinsichtlich der materiell-rechtlichen Bestimmung seines Inhalts ein unproblematisches Tatbestandsmerkmal in der hiesigen Rechtsvergleichung. Es werden keine weit voneinander abweichenden Ansichten zur subjektiven Tatbestandsseite in den sechs Rechtsordnungen vertreten. Einigkeit besteht, dass der Täter den objektiven Tatbestand vorsätzlich verwirklicht haben muss. Keine Rechtsordnung verlangt ein darüber hinausgehendes zielgerichtetes Handeln wie z. B. eine sexuelle Befriedigungsabsicht. Da der Vorsatz sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen muss, ergeben sich Abweichungen entsprechend der unterschiedlichen objektiven Voraussetzungen in den sechs Rechtsordnungen. Die „Civil Law“-Staaten Deutschland, Frankreich und Spanien setzen einen bedingten Vorsatz zur sexuellen Handlung und zu den einzelnen Nötigungsmitteln voraus. Die drei „Common Law“-Staaten erachten einen bedingten Vorsatz ( „recklessness“) nur für das Element des fehlenden Einverständnisses für ausreichend, während sie für die sexuelle Penetration jedoch einen direkten Vorsatz (Wissen = „knowledge“) verlangen. Bei allen anderen Tatbestandsmerkmalen oder Vermutungsvoraussetzungen, die ein fehlendes Einverständnis unterstellen, gehen die Meinungen entsprechend unterschiedlicher systematischer Entwicklungen in England und den USA auseinander. So muss der Täter in England die objektiven Vermutungsvoraussetzungen wissentlich und willentlich (direkter Vorsatz) begangen haben. In New York und Kalifornien ist ein direkter Vorsatz zur Gewalt- und Täuschungshandlung erforderlich. In Kalifornien muss der Täter ebenfalls eine eindeutige Kenntnis über den Schlaf, die Bewusstlosigkeit und das mangelnden Verständnis des Opfers über die Natur der Handlung gehabt haben. Hinsichtlich der Beeinträchtigung der geistigen und körperlichen Abwehrfähigkeiten des Opfers ist in New York wiederum nur ein bedingter Vorsatz und in Kalifornien sogar nur eine bewusste Fahrlässigkeit erforderlich.

man, J.), People v. Sargent, 19 Cal.4th 1206, 1215, 81 Cal.Rptr.2d 835, 970 P.2d 409 (Cal. 1999): „General criminal intent thus requires no further mental state beyond willing commission of the act proscribed by law.“

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Alle Rechtsordnungen stimmen somit im Grundsatz überein, dass der Täter die Möglichkeit eines fehlenden Einverständnisses erkannt und in Kauf genommen haben muss. Dass einige Rechtsordnungen bei der sexuellen Handlung, aber auch bei der Nötigungs- oder Täuschungshandlung, einen direkten Vorsatz verlangen und damit im Gegensatz zum Eventualvorsatz die Wissenskomponente betonen, führt zu keiner abweichenden Behandlung dieser Rechtsfälle in den einzelnen Rechtsordnungen. Denn der Täter kann schlecht behaupten, dass er nur das Risiko, eine sexuelle Handlung vornehmen zu wollen, erkannt und dieses missachtet hat. Hat der Täter eine Handlung vorgenommen, hatte er entweder direkten Vorsatz oder aufgrund einer Schuldunfähigkeit gar keinen Vorsatz zur Handlung. Ein lediglich bedingter Vorsatz zur Handlung ist nicht vorstellbar.1535 Der Eventualvorsatz spielt daher nur eine Rolle beim fehlenden Einverständnis des Opfers. Denn der Täter kann entweder von dem fehlenden Einverständnis gewusst haben oder nur die Möglichkeit erkannt haben, dass das Opfer nicht einverstanden war. Selbst wenn der Täter nicht absolut sicher war, dass er das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers mit der sexuellen Handlung verletzen wird, das Risikos eines fehlenden Einverständnisses aber erkannt hat und außer Acht lässt, um rücksichtslos sein sexuelles Ziel durchzusetzen, muss als verwerflich angesehen werden.1536 Es ist somit wichtig, dass bereits ein bedingt vorsätzliches Handeln hinsichtlich des fehlenden Einverständnisses unter Strafe gestellt wird.1537 1535 Siehe auch: Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 66 f. m.w. N., der erklärt, dass eine vom Willen getragene Handlung (naturalistischer Handlungsbegriff) nicht bedingt vorsätzlich begangen werden kann, weil sie das „bewusste oder gewohnheitsmäßige Produkt einer Willensbetätigung“ sein muss. „Recklessness“ hingegen bedingt, dass der Täter bewusst das Risiko missachtet hat, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt. Wenn sich der Täter aber nur der Wahrscheinlichkeit bewusst ist, eine gewisse Handlung zu tätigen, kann dieses Verhalten nicht als willkürliche Handlung bezeichnet werden. Die Handlung erfordert daher als Mindestvorsatzform den direkten Vorsatz (Wissen = „knowledge“). 1536 Das gleiche Argument für eine bedingt vorsätzliche Strafbarkeit des fehlenden Einverständnisses kann auch auf alle Umstände, die eine Unfähigkeit begründen, ein Einverständnis geben zu können, übertragen werden. Denn wenn der Täter die Möglichkeit eines geschwächten Geisteszustands oder einer körperlichen Behinderung erkannte, diese aber missachtete, muss ihm diese Rücksichtslosigkeit vorgehalten werden. Er hätte sich über die Behinderung oder Schwäche Gewissheit verschaffen müssen, wenn er sich nicht strafbar machen wollte. 1537 Grundsätzlich ist nicht ersichtlich, warum ein Tatbestandselement der Vergewaltigung nur unter Strafe gestellt werden sollte, wenn der Täter mit einer erhöhten Vorsatzform gehandelt hat. Eine Ausnahme in der Rechtsvergleichung stellt allerdings das englische Recht dar, welche erhöhte Anforderungen an den Vorsatz hinsichtlich der Vermutungsvorschriften stellt. Der Täter muss eine positive Kenntnis der Vermutungsvoraussetzungen gehabt haben. Sind die Voraussetzungen der Vermutungsregelungen erfüllt, wird ein fehlendes Einverständnis unterstellt, welches den Täter im Verfahren in seinen Verteidigungsmöglichkeiten einschränkt. Um diesen beweisrechtliche Nachteil zu kompensieren, wurde auf subjektiver Seite darauf bestanden, dass sich der Täter zu-

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Es eröffnen sich zwei Wege: Entweder kann man der Dogmatik des angloamerikanischen Rechts folgen, welche unterschiedliche Interpretationen des Vorsatzes bezüglich der Tatbestandsmerkmale Handlung, Tatumstände und Erfolg befürwortet. Somit könnte für den Tatumstand des fehlenden Einverständnisses oder der Gründe, die ein Opfer unfähig stellen, ein Einverständnis geben zu können, ein Eventualvorsatz festgelegt und für die sexuelle Handlung, Nötigungsoder Täuschungshandlungen ein direkter Vorsatz zur Bedingung gemacht werden. Oder man legt, – wie die „Civil Law“-Staaten – einen Mindeststandard für den gesamten Tatbestand fest. Die Einordnung eines Tatbestandsmerkmals als Handlung, Erfolg oder begleitenden Tatumstand ist in der Praxis nicht immer einfach und kann zu einer sehr komplizierten Bestimmung des Vorsatzes führen.1538 Da der Eventualvorsatz hinsichtlich des fehlenden Einverständnisses in allen Rechtsordnungen genügt, wäre es bei weitem einfacher, diesen als Mindeststandard eines subjektiven Tatbestands für die Vergewaltigung im Völkerstrafrecht aufzunehmen. Denn damit könnten auch wissentlich begangene Handlungen strafrechtlich erfasst werden. Es kann somit festgehalten werden, dass der völkerstrafrechtliche Tatbestand der Vergewaltigung mindestens einen bedingten Vorsatz erfordert. b) Irrtum Die Vergewaltigung verletzt das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen, wenn jemand einer sexuellen Handlung ausgesetzt wird, die er nicht gewollt hat. Sollte jedoch die fragliche Handlung im Einvernehmen der beteiligten Personen geschehen, so liegt keine Straftat vor. Der Wille des Opfers ist entscheidend für die Strafbarkeit einer sexuellen Handlung, unabhängig davon, ob nun vorausgesetzt wird, dass der Wille des Opfers mittels Nötigungsmitteln gebrochen wird oder, dass das Opfer einfach nicht zugestimmt hat. Ist der Täter nun irrtümlich davon ausgegangen, dass das Opfer mit der sexuellen Handlung einverstanden war, kann er keinen Vorsatz zu einer Nötigung bzw. zu einem fehlenden Einverständnis gehabt haben. Dieser Irrtum schließt den Tatbestand aus. Folglich liegt die Hauptproblematik des Vorsatzes nicht auf der Bestimmung seines materiellrechtlichen Inhalts, sondern auf einem eventuellen Irrtum des Täters über ein Einverständnis des Opfers.

mindest über die Bedingungen, die ein fehlendes Einverständnis unterstellen, im Klaren gewesen sein muss. Da in allen anderen Rechtsordnungen keine Beweiserleichterungsvorschriften existieren, ist diese vereinzelte Voraussetzung eines direkten Vorsatzes im Hinblick auf die Prinzipiengewinnung unerheblich. 1538 Vgl. Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 52 ff., der detailliert aufzeigt, wie schwerfällig und kompliziert die amerikanische Dogmatik zum Vorsatz ist.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

aa) Deutschland Der Vorsatz ist ausgeschlossen, wenn der Täter irrtümlich von einem Einverständnis des Opfers ausgeht. Dies kann der Fall sein, wenn er die Abwehr des Opfers nicht ernst genommen oder nicht gewusst hat, dass das Opfer seine anfängliche Bereitschaft zurückgenommen hat.1539 Jedoch liegt ein bedingter Vorsatz vor, wenn der Täter die Ernsthaftigkeit des Widerstands für möglich hält und das Risiko der Tatbestandsverwirklichung auf sich nimmt. Dies ist zu bejahen, wenn das Opfer einen Widerwillen artikuliert hat und keinen Grund für die Annahme eines Einverständnisses geliefert hat.1540 Keine Bedeutung hat das Einverständnis des Opfers unter dem Druck der Nötigung, weil es Widerstand für zwecklos hält oder zum Schutz vor Geschlechtskrankheiten oder einer Schwangerschaft ein Kondom verlangt. Das Einverständnis kann auch jederzeit widerrufen werden.1541 Besonders schwierig ist die Beurteilung beim dritten Nötigungsmittel, wenn das Opfer auf jegliche Gegenwehr verzichtet hat. Vereinzelt wird vertreten, dass kein vorsatzausschließender Irrtum daraus abgeleitet werden kann, wenn der Täter seine eigene Attraktivität überschätzt oder er das Opfer geringwertig einschätzt, welches zur Fehleinschätzung der Situation führt.1542 Jedoch können an den Tatbestandsirrtum bei einer Vergewaltigung keine strengeren Anforderungen gestellt werden als bei anderen Delikten.1543 Beweisschwierigkeiten können nicht 1539 Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 13; Fischer, § 177, Rn. 54; Lackner/Kühl, § 177, Rn. 10 f.; SK-Horn, § 177, Rn. 17; Mildenberger, Schutzlos – Hilflos – Widerstandsunfähig, S. 86; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, Rn. 54 f.; Holtz MDR 1991, S. 707; NJW 1993, S. 1807; BGH, NStZ-RR 2003, S. 325; BGH, EZSt Nr. 5; BGH, MDR/H 91, S. 701; NStZ 1999, S. 506; BGHSt 39, S. 244 mit Anm. Vitt, JR 94, S. 199 zu § 177 a. F.; a. A.: Hörnle, ZStW 112, 2000, S. 356, 372 fordert zu weitgehend die Einführung einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, wenn es sich um absurde Irrtümer, also eine Schutzbehauptung des Täters, handele. 1540 Fischer, § 177, Rn. 54; a. A.: Hörnle, ZStW 112, 2000, S. 356 ff., die ein Problem gerade bei der Nötigung sieht, weil die Rechtsprechung dazu neigte, auch bei massivsten Drohungen und Gewaltanwendungen, dem Täter die Behauptung abzunehmen, irrtümlicherweise an ein Einverständnis geglaubt zu haben. Als Beweis der Problematik beruft sie sich auf einzelne Gerichtsentscheidungen (BGH, NStZ 1982, 26; BGH, NStZ 1999, 453), die absolut eindeutige Schutzbehauptungen der Täter als einen vorsatzausschließenden Irrtum zugelassen haben. Dabei bemerkt Hörnle aber richtigerweise, dass die Anwendung von Nötigungsmitteln in der Regel einen guten Glauben an ein Einverständnis ausschließt, es sei denn, die äußeren Tatumstände heben diese Indizwirkung wieder auf. Das Problem der Rechtsprechung lag in der Beweiswürdigung und nicht im materiellen Recht. Diese Fehlinterpretationen beruhten auf veralteten, sexistischen Vorstellungen der meist männlichen Richter über die Sexualität von Mann und Frau. Inzwischen – wenn auch nicht vollständig – haben sich diese sexistischen Ansichten in dem zumindest jüngeren Berufsstand geändert. 1541 MK-Renzikowski, § 177, Rn. 50 m.w. N. 1542 Fischer, § 177, Rn. 54.

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damit ausgeräumt werden, dass ein bedingter Vorsatz unterstellt wird, wenn der Täter sich vorher nicht über die Einwilligung des Opfers Gewissheit verschafft hat.1544 Allerdings sind entsprechende Schutzbehauptungen des Täters häufig. Der Richter wird deshalb das Vorhandensein von Umständen genau prüfen müssen, aus denen der Täter abgeleitet haben will, dass das Opfer trotz Widerstands einverstanden gewesen sei.1545 Es kommt auf die Sicht des Täters an. Der Richter sollte sich daher die Frage stellen, ob der Täter bei einem Raub dasselbe Opferverhalten als freiwillige Schenkung beurteilt hätte.1546 bb) Frankreich Auch in Frankreich führt ein Irrtum über das Einverständnis des Opfers zum Vorsatzausschluss. Hat der Täter ernsthaft an ein Einverständnis geglaubt, kann ihm sein Verhalten nicht vorgeworfen werden, weil er glaubte, sich rechtstreu zu verhalten.1547 Problematisch ist nur der Nachweis des (fehlenden) Irrtums in der Praxis. Die einfachste Konstellation ist, wenn der Täter gewalttätig gegenüber dem Opfer geworden ist. In dem Fall ist ein guter Glaube an ein Einverständnis schlecht vorstellbar.1548 Wie in Deutschland wurde auch vor französischen Gerichten vom Täter oft vorgebracht, er habe die Gegenwehr des Opfers nicht ernst genommen, weil das Opfer sich vor der Tat weder prüde noch zurückhaltend ihm gegenüber verhalten hätte. Früher wurde besonders auf das Vorleben des Opfers abgestellt, um nachzuweisen, dass die Gegenwehr nicht ernst gemeint sei.1549 Dies wird heute nicht mehr zugelassen, auch ein leichtlebiges Opfer oder eine Prostituierte haben das Recht, eine sexuelle Handlung abzulehnen. Heute neigen einige Autoren und Urteile zum anderen Extrem, nämlich den Beweis des guten Glaubens an ein Einverständnis dem Täter aufzuerlegen.1550 1543 Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 13; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 59; BGH, NStZ 1983, S. 71; GA 1956, S. 317; GA 1970, S. 57. 1544 Schönke/Schröder-Perron, § 177, Rn. 13; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 59; so jedoch BGH, GA 1956, 316; krit.: Maurach, GA 1956, S. 305; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 193; ZStW 103, S. 62 ff. 1545 SK-Horn, § 177, Rn. 17; BGH, NStZ 1991, S. 400. 1546 MK-Renzikowski, § 177, Rn. 59. 1547 Dalloz, Code Pénal, S. 460, Rn. 32; Court Assise Haute-Rhin, 21.4.1959, D. 1960.369, note Aberkane. 1548 Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 25; Cass. crim. 11.10.1978, D. 1979, IR 120. 1549 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 516; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 29; Dalloz, Code Pénal, S. 460, Rn. 32; Encyclopédie Dalloz, Pénal VII Viol, Rn. 25; Crim., 11.10.1978, D. 1979.IR.120. 1550 V. Cass crim. 10.7.1973, B. 322 RSC 1974.594, obs. G. Levasseur; CA Toulouse, 29.03.2001, Juris-Data no 2001.148007.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Dies ist jedoch juristisch nicht vertretbar, weil der Nachweis des Vorsatzes zum fehlenden Einverständnis und damit auch der fehlende gute Glaube des Täters an ein Einverständnis der Staatsanwaltschaft obliegt.1551 Insgesamt lässt sich aber die Tendenz verzeichnen, dass die französischen Gerichte mittlerweile zurückhaltender werden, einen guten Glauben des Täters anzunehmen. Es kann hier nur der gleiche Grundsatz wie im deutschen Strafrecht zur Lösung beitragen, dass der Richter die Umstände genauestens prüfen muss, aus denen der Täter ein Einverständnis hat entnehmen wollen. Dabei darf er bei der Beurteilung der Situation nicht sexistischen Vorurteilen (sexuelles Vorleben, aufreizende Kleidung oder provozierendes Verhalten) erliegen. cc) Spanien Das spanische Recht setzt sich nicht eingehend mit der Irrtumsproblematik auseinander. Es konstatiert nur, dass das Opfer jederzeit sein Einverständnis zurücknehmen kann, selbst wenn es einige Intimitäten mit dem Täter bereits ausgetauscht hat. Da im spanischen Recht der Täter entweder Gewalt angewandt oder eine Drohung ausgesprochen haben muss, um den Vergewaltigungstatbestand zu erfüllen, ist eine Irrtumssituation schwer vorstellbar. Wer einen anderen Menschen mit solchen Zwangsmaßnahmen drangsaliert, kann sich im Nachhinein schlecht auf einen Irrtum über das Einverständnis seitens des Opfers berufen. Sollte der Täter also Nötigungsmittel angewandt haben, ist der Vorsatz begründet. Ansonsten hätte sich der Täter eines Einverständnisses vergewissern müssen.1552 Die fehlende Rechtsprechung bestätigt, dass das Problem eines vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums im spanischen Strafprozess selten vorzukommen scheint. dd) England Auch im englischen Recht führt die begründete irrtümliche Annahme eines Einverständnisses des Opfers zum Vorsatzausschluss. Denn der Täter muss bedingt vorsätzlich von einem fehlenden Einverständnis ausgegangen sein.1553 Es wird im Tatbestand der Sexualverbrechen sogar explizit (s. 1 ss. 1 c) bzw. ss. 2 und 4 ss. 1 d) SOA 2003) darauf hingewiesen, dass der Täter nicht an ein Einverständnis geglaubt haben darf. Wie auch beim Nachweis eines fehlenden Einverständnisses kann sich die Staatsanwaltschaft zur Beweiserleichterung auf die Vermutungsklauseln der ss. 76, 1551 Rassat, Droit Pénal Spécial, Rn. 516 m.w. N.; Juris-Classeur, Art. 222-22-33-1, Rn. 29. 1552 Climent Duràn, Código Penal, Art. 179, 1.6; STS 510/98, 14-4. 1553 Siehe zur Problematik allgemein: Setting the Bounderies: Reforming the Law on Sexual Offences, 2000, Para. 2.13.1–2.12.2; Clarkson/Keating, Criminal Law, S. 646 f.; Pickard, UTLJ 30, 1980, S. 77 ff.

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75 SOA 2003 berufen. Gelingt es der Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen der Vermutungsklauseln nachzuweisen, wird ein fehlender guter Glaube an ein Einverständnis unterstellt, ohne dass es auf den konkreten Nachweis des fehlenden guten Glaubens ankommt. Lediglich im Fall der Vermutungsvorschrift des s. 75 SOA 2003 hat der Täter die Möglichkeit, die Vermutung zu widerlegen. Sollten die Beweise des Täters genügen, um Zweifel an einem fehlenden guten Glauben hervorzurufen, muss der Richter die Jury entscheiden lassen, ob der Täter gutgläubig war. Die Vermutung wirkt sich dann nicht aus.1554 Die Beurteilung, ob der Täter nachvollziehbar an ein Einverständnis geglaubt hat, erfolgt nunmehr nach objektiven Kriterien, um so das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers besser schützen zu können.1555 Früher konnte ein Mann nicht wegen Vergewaltigung verurteilt werden, wenn er ernsthaft – wie auch immer absurd – an ein Einverständnis des Opfers geglaubt hatte.1556 Es war für den Täter einfach, einen guten Glauben vorzutragen und schwierig für die Staatsanwaltschaft das Gegenteil zu beweisen. Folge dieser Rechtsprechung war die Botschaft an die Gesellschaft, es sei akzeptabel, die Gefahr einzugehen, dass der Partner einer sexuellen Handlung nicht zugestimmt hat. Diese Interpretation der Rechtsprechung wurde kritisiert, weil sie die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung eines Vergewaltigers erheblich herabsetzte und damit auch dazu führte, dass Vergewaltigungen weniger angezeigt wurden. Es erschien notwendig, die Überprüfung des fehlenden guten Glaubens aus Sicht eines objektiven Beobachters vorzunehmen. Nach s. 1 ss. 2 (bzw. ss. 2 und 4 ss. 2) SOA 2003 müssen nun zur Feststellung eines begründeten Glaubens alle Umstände berücksichtigt werden, inklusive aller Schritte, die der Täter unternommen hat, um sich über das Einverständnis des Opfers zu vergewissern.1557 Der Vernunfttest verpflichtet den Täter zwar nicht, bestimmte Schritte zu unternehmen, sich über das Einverständnis Gewissheit zu verschaffen. Aber wenn der Täter Schritte unternommen hat, müssen sie bei der Entscheidung eines vernünftigen Glaubens an ein Einverständnis berücksichtigt werden. Äußerungen des Ministeriums machen deutlich, dass auch relevante 1554 Siehe dazu die obigen Ausführungen zur Rechtsfolge der Vermutungsklausel unter 4. Kapitel III. 3. f) bb). 1555 Allen, Criminal Law, S. 400; Loveless, Criminal Law, S. 533: „semi-objective test“. 1556 Damit wurde die Entscheidung DPP v. Morgan, welche einen subjektiven Test bzgl. eines guten Glaubens an ein Einverständnis angewandt hatte, verworfen. Vgl. dazu: DDP v Morgan, 1976, AC 182; Satnam, 1983, 78 Cr App R 149; Blackstone’s Criminal Practice, B3.17; Clarkson/Keating, Criminal Law, S. 648; Allen, Criminal Law, S. 400; Jefferson, Criminal Law, S. 576; Smith/Hogan, Cases & Materials, 20.2.1; Loveless, Criminal Law, S. 532 f. 1557 Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 347, Rn. 9.26; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 700; Allen, Criminal Law, S. 400; Smith/Hogan, Cases & Materials, 20.2.1; Loveless, Criminal Law, S. 534.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Merkmale des Täters (Alter, Lernschwäche, sexuelle Erfahrung) beachtet werden müssen. Ein rein objektiver Test wurde demnach doch nicht zugelassen.1558 Das „Home Affairs Committee“ sah die Gefahr der Ungerechtigkeit in einem rein objektiven Test, weil bestimmte individuelle Fakten (Lernschwäche, Geisteskrankheit) nicht hätten berücksichtigt werden können, die gerade beim fraglichen Täter das Verständnis seiner Handlung und damit seinen Vorsatz eingeschränkt hätten. Nicht erfasst werden sollen allerdings unvernünftige Umstände wie sexistische Ansichten des Täters, dass er Frauen in engen Hosen unwiderstehlich findet oder einen Minirock als Einverständnis zur sexuellen Berührung ansieht. Aber auch Umstände wie eine provozierende Kleidung des Opfers oder der Tatort sind nicht geeignet, das Täterverständnis über das Einverständnis des Opfers zu beeinflussen.1559 Andererseits sind eine frühere Beziehung zum Täter oder das Opferverhalten zur Tatzeit relevante Fakten für das Verständnis des Täters in Bezug auf den Opferwillen.1560 Da es an einer zeitlichen Begrenzung der relevanten Umstände fehlt, ist es wohl auch erlaubt, das Vorleben des Opfers vor Gericht zu erörtern.1561 Die selbst beigebrachte Alkoholisierung oder Betäubung mit Drogen hat jedoch keine Auswirkungen auf den guten Glauben des Täters.1562 Ein Rausch schließt den einfachen Vorsatz nicht aus. Bereits das „Common Law“ beurteilte einen begründeten Glauben an ein Einverständnis aus der Sicht eines nüchternen Täters.1563 Es ist nicht geklärt, ob auch kulturelle Einstellungen des fraglichen Täters hinsichtlich der Rolle von Mann und Frau berücksichtigt werden dürfen wie z. B., dass Frauen die Pflicht hätten, sich den sexuellen Wünschen des Mannes zu unterwerfen.1564 Dagegen spricht, dass der Staat die Aufgabe hat, seine Bürger vor unmenschlichen und degradierenden Handlungen zu schützen.1565 Das Recht gemäß Art. 8 EMRK (Schutz der Familie und der Privatsphäre) ist nicht absolut 1558 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 700 m.w. N.; Blackstone’s Criminal Practice, B3.17; Loveless, Criminal Law, S. 533 f.; Woods, (1982) 74 Cr App R 312; Fotheringham, (1989) 88 Cr App R 206. 1559 Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 347, Rn. 9.26. 1560 Card/Cross/Jones, Criminal Law, S. 347, Rn. 9.26; schwer kritisiert von: Temkin/Ashworth, CLR 2004, S. 341, die die Formulierung „aller Umstände“ als Einladung der Jury empfinden, das Verhalten des Opfer unter die Lupe zu nehmen, um darin irgendetwas zu finden, was einen begründeten Glauben an ein Einverständnis bewirkt haben könnte. Insofern ändere der SOA nichts an den Stereotypen über Mann und Frau in der Gesellschaft. 1561 Allen, Criminal Law, S. 401. 1562 Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 700. 1563 Blackstone’s Criminal Practice, B3.17; Woods, (1982) 74 Cr App R 312; Fotheringham, (1989) 88 Cr App R 206. 1564 Allen, Criminal Law, S. 400 f. 1565 A. v. UK, (1999) 28 EHRR 603.

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und findet seine Grenze, wenn es den anderen in seinen Freiheitsrechten beeinträchtigt.1566 Es ist somit nicht ganz eindeutig, welche Umstände relevant für die Entscheidung eines vernünftigen Glaubens sind. Man einigte sich zwar mit der neuen Vorschrift in den Absätzen 2 der ss. 1–4 SOA 2003 auf einen Mittelweg. Danach müssen der gute Glaube an ein Einverständnis sowie die Art und Weise wie dieser Glaube zustande kommt, aus objektiver Sicht bestimmt werden. Gleichwohl dürfen persönliche Merkmale und Überzeugungen des Täters, die gerade ihn in seiner Verständnisfähigkeit eingeschränkt haben, nicht unbeachtet bleiben.1567 Es ist jedoch enttäuschend, dass die Frage, welche konkreten Umstände eine Rolle bei der Beurteilung eines vernünftigen Glaubens an ein Einverständnis spielen, vom Gesetzgeber nicht geklärt wurde. Es wurde stattdessen dem Richter bzw. der Jury überlassen, zu entscheiden, welche Fakten berücksichtigt werden dürfen.1568Die Formulierung „alle Umstände“ gibt der Jury die Möglichkeit, alle Aspekt in dem Verhalten des Opfers unter die Lupe zu nehmen, welche den Irrtum beim Täter hervorgerufen haben könnten. Insofern hat der SOA 2003 keine Änderung an den sozialen Normen und Stereotypen über die Beziehung zwischen Mann und Frau oder über homosexuelles Verhalten gebracht, sondern lässt es im Grunde zu, dass diese Stereotypen die Entscheidung über einen begründeten Glauben an ein Einverständnis weiterhin beherrschen.1569 ee) New York Der Tatbestandsirrtum ist im New Yorker Strafgesetz eine Verteidigungsmöglichkeit, wenn er die jeweilige Vorsatzform des Delikts aufhebt (s. 15.20 ss. 1 a) N.Y.P.L) oder, wenn ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, dass ein solcher Irrtum einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund darstellt (s. 15.20 ss. 1 b) N.Y.P.L) oder, wenn der Tatbestandsirrtum einen Rechtfertigungsgrund nach s. 35 unterstützt (s. 15.20 ss. 1 c) N.Y.P.L).1570 1566

Allen, Criminal Law, S. 401. Setting the Bounderies: Reforming the Law on Sexual Offences, 2000, Para. 2.13.1–2.12.2; Clarkson/Keating, Criminal Law, S. 647; Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 699. 1568 Clarkson/Keating, Criminal Law, S. 648; Temkin/Ashworth, CLR 2004, S. 341 f. 1569 So auch: Smith/Hogan/Omerod, Criminal Law, S. 701; Allen, Criminal Law, S. 401 mit den entsprechenden Nachweisen; Clarkson/Keating, Criminal Law, S. 648; Temkin/Ashworth, CLR 2004, S. 342. 1570 Section 15.20 Effect of ignorance or mistake upon liability 1. A person is not relieved of criminal liability for conduct because he engages in such conduct under a mistaken belief of fact, unless: (a) Such factual mistake negatives the culpable mental state required for the commission of an offense; or (b) The statute defining the offense or a statute related thereto expressly provides that such factual mistake constitutes a defense or exemption; or 1567

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Ebenso wie in England wird auch in New York nur ein bedingter Vorsatz zum fehlenden Einverständnis des Opfers vorausgesetzt, d. h. der Täter muss das Risiko erkannt haben, dass das Opfer vielleicht nicht mit der sexuellen Handlung einverstanden war.1571 Hat der Täter jedoch irrtümlicherweise an ein Einverständnis des Opfers zur sexuellen Handlung geglaubt, kann er gerade dieses Risiko des fehlenden Einverständnisses nicht erkannt haben, was gemäß s. 15.20 ss. 1 a) N.Y.P.L. den Vorsatz zu diesem Tatbestandsmerkmal entfallen lässt. Der Täter erlangt Straffreiheit. Der Täter darf somit entsprechend der Vorsatzform zum fehlenden Einverständnis nicht bedingt vorsätzlich ( „reckless“) dem Irrtum eines Einverständnisses erlegen sein. Nur ein begründeter (nachvollziehbarer) Irrtum stellt sich als nicht bedingt vorsätzlich dar.1572 Aus dieser Überlegung heraus hat sich im (c) Such factual mistake is of a kind that supports a defense of justification as defined in article thirty-five of this chapter. 2. A person is not relieved of criminal liability for conduct because he engages in such conduct under a mistaken belief that it does not, as a matter of law, constitute an offense, unless such mistaken belief is founded upon an official statement of the law contained in (a) a statute or other enactment, or (b) an administrative order or grant of permission, or (c) a judicial decision of a state or federal court, or (d) an interpretation of the statute or law relating to the offense, officially made or issued by a public servant, agency or body legally charged or empowered with the responsibility or privilege of administering, enforcing or interpreting such statute or law. 3. Notwithstanding the use of the term „knowingly“ in any provision of this chapter defining an offense in which the age of a child is an element thereof, knowledge by the defendant of the age of such child is not an element of any such offense and it is not, unless expressly so provided, a defense to a prosecution therefor that the defendant did not know the age of the child or believed such age to be the same as or greater than that specified in the statute. 4. Notwithstanding the use of the term „knowingly“ in any provision of this chapter defining an offense in which the aggregate weight of a controlled substance or marihuana is an element, knowledge by the defendant of the aggregate weight of such controlled substance or marihuana is not an element of any such offense and it is not, unless expressly so provided, a defense to a prosecution therefor that the defendant did not know the aggregate weight of the controlled substance or marihuana. 1571 Im „Common Law“ bestand die Vergewaltigung in einem mit Gewalt herbeigeführten Geschlechtsverkehr, ohne dass das Opfer ein Einverständnis gegeben hat. Gewalt und Einverständnis sind grundsätzlich zwei Elemente, die unabhängig von einander bewiesen werden müssen. Da aber die Anwendung von Gewalt auch das fehlende Einverständnis beweist, wurde nie besonders auf den Vorsatz zum fehlenden Einverständnis geachtet. Geschichtlich gesehen wurde nie ein Vorsatz zum fehlenden Einverständnis gefordert. Es genügte, dass der Täter den Geschlechtsverkehr mit Gewalt wollte und der Beweis, dass das Opfer kein Einverständnis gegeben hatte. Der Tatbestandsirrtum fand daher in den heutigen Vergewaltigungsstatuten wenig Beachtung. Commonwealth v. Lopez, 433 Mass. 722, 745 N.E. 2d 961 (2001), zit. in: Dubber/Kelman, American Criminal Law, S. 825 ff.; vgl. auch Fn. 1513. 1572 Vgl. die Ausführungen zum Tatbestandsirrtum in: Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 81 ff.

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„Common Law“ die Regel entwickelt, dass ein tatbestandsausschließender Irrtum über das fehlende Einverständnis des Opfers ernsthaft und begründet sein muss.1573 Der Irrtum lässt sich in eine subjektive und eine objektive Komponente aufspalten. Subjektiv muss der Täter ernsthaft und ehrlich an ein Einverständnis geglaubt haben und objektiv muss der Irrtum aufgrund der Tatumstände nachvollziehbar sein. Die objektive Komponente bedingt, dass der Täter nachweisen muss, dass sich das Opfer widersprüchlich verhalten hat, aufgrund dessen er überhaupt erst von einem – wenn auch fehlerhaften – Einverständnis hatte ausgehen können. War das Verhalten des Opfers jedoch eindeutig, besteht für das Gericht keine Veranlassung, die Jury über einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum („mistake of facts“) zu belehren.1574 Damit reicht es heutzutage nicht mehr, dass der Täter einfach nur behauptet, dass er an ein Einverständnis geglaubt hat. Der Täter ist nur dann unschuldig, wenn er einen wahren und nachvollziehbaren Glauben an ein freiwillig gegebenes Einverständnis des Opfers zur sexuellen Handlung hatte.1575 1573 Der Irrtum über Tatbestandsmerkmale ist in den USA unter dem Begriff „mistake of facts“ anerkannt. Einige Rechtsordnungen haben sich gegen die Anwendung der „Mistake of facts-Regel“ entschieden, so dass selbst der begründete Irrtum über Fakten zum fehlenden Einverständnis kein legitimes Verteidigungsvorbringen ist (Commonwealth v. Ascolillo, 541 N.E.2d 570, 575 (Mass. 1989). Es wurde befürchtet, dass das Opfer aufgrund der Lehre des Tatbestandsirrtums faktisch gezwungen wird, Widerstand zu leisten, um somit die Behauptung des Angeklagten, einen guten Glauben an ein Einverständnis gehabt zu haben, widerlegen zu können. Das Widerstandserfordernis widerspricht dem Grundsatz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts, wonach ein „nein“ und nicht erst eine physische Gegenwehr gegenüber einem sexuellen Ansinnen genügt. Das Widerstandserfordernis wurde zudem abgeschafft, um eine Eskalation von Gewalthandlungen gegenüber einem sich wehrenden Opfer zu unterbinden (Clifton v. Commonwealth, 468 S.E. 2d 155, 158 (Va. Ct. App. 1996); Commonwealth v. Lopez, 433 Mass. 722, 745 N.E. 2d 961 (2001), zit. in: Dubber/Kelman, American Criminal Law, S. 825 ff.; Dressler, Understanding Criminal Law, S. 638). 1574 People v. Mayberry, 15 Cal.3d 143, 125 Cal.Rptr. 745, 542 P.2d 1337 (Cal. 1975), zit. in: Dubber/Kelman, American Criminal Law, S. 821 ff.: Der Richter hatte eine Belehrung an die Jury bzgl. eines Tatbestandsirrtums abgelehnt, weil das Opfer nichts getan hatte, was als widersprüchlich hinsichtlich eines Einverständnisses hätte interpretiert werden können. Die Jury hatte vielmehr zu entscheiden, ob sie dem Vortrag des Opfers oder des Täters über den Tathergang Glauben schenkte (Siehe auch: Commonwealth v. Lopez, 433 Mass. 722, 745 N.E. 2d 961 (2001), zit. in: Dubber/Kelman, American Criminal Law, S. 825 ff.; Commonwealth v. Ascolillo, 405 Mass. 456, 541 N.E. 2d 570 (1989). 1575 People v. Stitely, 108 P.3d 182, 208 (Cal. 2005); State v. Smith, 554 A 2d 713, 717 (Conn. 1989); State in the Interest of M.T.S., 609 A.2d 1266, 1279 (N.J. 1992): “ The State must demonstrate either that the defendant did not actually believe that affirmative permission had been freely given or that such a believe was unreasonable under all of the circumstances.“; United States v. Everett, 41 M.J. 847, 852 (A.F.C.M.R. 1994); People v. Mayberry, 15 Cal. 3d 143, 125 Cal. Rptr. 745, 542 P.2d 1337 (1975), zit. in: Dubber/Kelman, American Criminal Law, S. 822; Dressler, Understanding Criminal Law, S. 637 f.; Lee/Harris, Criminal Law, S. 518 f.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Betrachtet man die Irrtumsproblematik praktisch, spielt sie keine Rolle, wenn der Täter bei der Vergewaltigung oder den sonstigen sexuellen Handlungen Gewalt angewandt oder angedroht hat. Ein normaler Mensch weiß, dass die sexuelle Handlung erzwungen wurde und damit gegen den Willen des Opfers verstieß, wenn er das Opfer mit solchen Gewalthandlungen oder Drohungen drangsaliert. Sollte das Opfer Widerstand leisten, beweist dies noch deutlicher, dass das Opfer nicht mit der Handlung einverstanden war. Der Täter kann bereits nicht glaubwürdig vorbringen, dass er ernsthaft an ein Einverständnis geglaubt hat.1576 Der Tatbestandsirrtum wird jedoch relevant, wenn die Sexualtatbestände ausgeweitet werden und nicht mehr auf eine Gewalthandlung des Täters abstellen. Nach dem New Yorker Strafgesetzbuch ist der Täter neben der Zwangsanwendung strafbar, wenn das Opfer entweder geistig oder körperlich behindert war, zeitweise geistig beeinträchtigt war, jünger als 17 Jahre alt war, sich in der Obhut oder Fürsorge eines Krankenhauses, Erziehungsheims, Fürsorgestelle oder eines Arztes befand oder es seinen Gegenwillen ausdrücklich oder konkludent kundgetan hat. In s. 130.10 ss. 1 ist gesetzlich bestimmt, dass der Vorsatz entfällt, wenn der Täter irrtümlicherweise davon ausgeht, dass Opfer sei fähig, ein Einverständnis zu geben. Die Unkenntnis des Täters über die geistige Beeinträchtigung oder Behinderung sowie die körperliche Hilflosigkeit des Opfers führt zur Straflosigkeit. Der Täter kann keinen Vorsatz zum fehlenden Einverständnis gehabt haben, weil er die Umstände nicht kannte, die zur Unfähigkeit führten, ein Einverständnis geben zu können. Die Unkenntnis der Minderjährigkeit des Opfers wurde jedoch nicht darin erwähnt, obwohl das junge Alter des Opfers ebenfalls einen Umstand verkörpert, der das Opfer unfähig stellt, ein Einverständnis geben zu können. Daraus kann schon geschlossen werden, dass der Vorsatz des Täters nicht entfällt, wenn er das Alter des Opfers nicht kannte oder sich darüber geirrt hat. In s. 15.20 ss. 3 wird diese Schlussfolgerung bestätigt. Der Vorsatz des Täters muss sich nicht auf das Alter des Kindes erstrecken und der Irrtum des Täters über das Alter stellt keine tatbestandsausschließende Verteidigung dar, es sei denn, dass dies im Tatbestand festgelegt ist, was bei den Sexualdelikten gerade nicht der Fall ist. Die Unkenntnis des Alters des Opfers schützt den Täter somit nicht vor seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Es handelt sich beim Alter des Opfers um ein verschuldensunabhängiges Tatbestandsmerkmal („strict liability-element“). Ein das Alter betreffender Irrtum ist unbeachtlich.1577 1576 United States v. Arab, 55 M.J. 508 (2001), zit. in: Podgar/Henning/Taslitz/Garcia, Criminal Law, S. 345 ff.: Das Militärgericht hatte einen ernsthaften und begründeten Glauben an ein Einverständnis abgelehnt, weil der Täter das Opfer geschlagen, an den Haaren gezogen, mit einem Messer verletzt und verbrannt hatte. Niemand kann bei einem solchen Tathergang ernsthaft von einem Einverständnis des Opfers ausgehen.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Bei den Varianten, bei denen sich die Unfähigkeit, ein Einverständnis zu geben, aus dem Aufenthalt des Opfers in einer Anstalt (Erziehungsanstalt, einem Krankenhaus oder unter einer Kinder- bzw. Familienbetreuung) ergibt, ist ausdrücklich bestimmt, dass der Täter ein Fürsorgeleistender oder Angestellter der Anstalt sein muss und zumutbar wissen sollte, dass das Opfer sich in der Pflege und Verantwortung der Anstalt befindet. Der Umkehrschluss bedeutet, dass wenn der Täter keinen Grund hatte, zu wissen, also nicht die Möglichkeit erkannt hatte, dass sich das Opfer zum Tatzeitpunkt in der besagten Pflege oder der Untersuchung befand, sein Vorsatz ebenfalls entfällt.1578 Somit kann sich der Täter über das fehlende Einverständnis des Opfers an sich, die geistige oder körperliche Beeinträchtigung sowie das Obhutsverhältnis zwischen dem Fürsorgeleistenden und dem Patienten irren, welches seinen Vorsatz zur Tat und damit seine Strafbarkeit entfallen lässt. Lediglich der Irrtum über das Alter des Opfers ist unbeachtlich; er führt zu keinem Vorsatzausschluss. ff) Kalifornien Die Rechtslage ist in Kalifornien ähnlich wie in New York. Nach s. 26 ss. 3 PC führt die Unkenntnis bzw. der Irrtum über ein Tatbestandsmerkmal zum Vorsatzausschluss.1579 Hinsichtlich eines fehlenden Einverständnisses des Opfers genügt 1577 Siehe die Erläuterungen zur verschuldensunabhängigen Haftung beim Tatbestandsmerkmal des Alters bei: Dubber, Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, S. 82 ff. 1578 Es sind in s. 130.10 keine weiteren Regelungen enthalten, welche den Vorsatz ausschließen. Es finden sich aber in den folgenden Absätzen weiter Strafausschließungsgründe. Nach Subs. 2 liegt bereits keine tatbestandliche Handlung vor, wenn sie durch einen Gesundheitspfleger zu einem medizinischen Zweck ausgeführt wird. Ebenso liegt nach subs. 3 keine Straftat vor, wenn der Arzt oder Gesundheitspfleger den Klienten oder Patienten ausdrücklich darauf hinweist, dass die Handlung keinem medizinischen Zweck dient und der Betroffene der Handlung zustimmt. Nach subs. 4 ist der Täter straflos, wenn er mit dem Opfer verheiratet ist und die Unfähigkeit ein Einverständnis zu geben, darauf beruht, dass das Opfer zur Tatzeit entweder jünger als 17 Jahre alt ist, geistig behindert oder ein Klient oder Patient des Täters ist und der Täter ein Gesundheitsfürsorgeleistender ist. 1579 Section 26 PC: All persons are capable of committing crimes except those belonging to the following classes: 1 – Children under the age of 14, in the absence of clear proof that at the time of committing the act charged against them, they knew its wrongfulness. 2 – Persons who are mentally incapacitated. 3 – Persons who committed the act or made the omission charged under an ignorance or mistake of fact, which disproves any criminal intent. 4 – Persons who committed the act charged without being conscious thereof. 5 – Persons who committed the act or made the omission charged through misfortune or by accident, when it appears that there was no evil design, intention, or culpable negligence.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

ein Eventualvorsatz des Täters. Geht der Täter irrtümlicherweise von einem vernünftigen Einverständnis des Opfers aus, fehlt es an dem bedingten Vorsatz. Der Täter ist dann nicht strafbar. Es reicht aber nicht, dass der Täter lediglich einen guten Glauben an ein Einverständnis vorträgt. Vielmehr muss der Irrtum ernsthaft und begründet sein. Die kalifornische Rechtsprechung hat die sog. „mistake of facts-Regel“ mehrfach angewandt und konkretisiert. Neben der bereits oben erwähnten Entscheidung im Fall Mayberry1580, entschied der Oberste Gerichtshof in Kalifornien erneut, dass der Irrtum nicht nur auf dem wahren subjektiven Glauben des Täters begründet sein darf, sondern noch viel wichtiger, er muss zudem aus der Sicht eines Dritten in der gleichen Tatsituation objektiv nachvollziehbar sein. Um den Irrtum objektiv nachvollziehen zu können, obliegt dem Täter der Nachweis eines widersprüchlichen Opferverhaltens. Prozessrechtlich wird dieser Nachweis damit durchgesetzt, dass eine Jurybelehrung über einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum nur zulässig ist, wenn der Angeklagte substanzielle Beweise eines widersprüchlichen Opferverhaltens vorlegt, welche einen guten Glauben an ein gültiges Einverständnis rechtfertigen können.1581 Welche Verhaltensweisen als widersprüchlich zu bewerten sind, ist im Einzelfall zu entscheiden. Nach dem Strafgesetz ist es zumindest verboten, allein auf das Verlangen eines Verhütungsmittels abzustellen, s. 261.7. Auch ist ein Opferverhalten nicht als widersprüchlich anzusehen, wenn sich das Opfer zuvor zu sexuellen Handlungen bereit erklärt hat, weil das Opfer sein anfängliches Einverständnis jederzeit zurückziehen kann. Es kommt darauf an, dass das Opfer kein Einverständnis gegeben hat, sich aber mit Worten oder durch Taten missverständlich ausgedrückt hat, woraus ein objektiver Dritter ein Einverständnis hätte ableiten können. Interessant ist insofern die Bewertung des Opferverhaltens im Fall Williams. Das Berufungsgericht hatte ein widersprüchliches Opferverhalten darin gesehen, dass es mit dem Täter in ein Hotelzimmer gegangen war, keinen Einwand erhoben hatte, als dem Täter Bettlaken ausgehändigt worden waren sowie, dass der Hotelmanager keine Schreie gehört hatte. Der Angeklagte trug im Prozess vor, dass das Opfer sich zum Geschlechtsverkehr bereit erklärt und anschließend 50 $ verlangt hätte. Als er nicht zahlen wollte, habe es ihm gedroht, sich zu rächen. Das Opfer schilderte, dass der Angeklagte es unter dem Vorwand, Fernsehen zu wollen, in das Hotelzimmer eingeladen und es dann mit Gewalt zum Ge6 – Persons (unless the crime be punishable with death) who committed the act or made the omission charged under threats or menaces sufficient to show that they had reasonable cause to and did believe their lives would be endangered if they refused. 1580 People v. Mayberry, 15 Cal.3d 143, 125 Cal.Rptr. 745, 542 P.2d 1337 (Cal. 1975), zit. in: Dubber/Kelman, American Criminal Law, S. 821 ff. 1581 People v. Williams, 4 Cal. 4th 354, 841 P.2d 961,966 (Cal. 1992); siehe auch: People v. Stitely, 108 P.3d 182, 208 (Cal. 2005).

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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schlechtsverkehr gezwungen hätte. Der Oberste Gerichtshof schenkte der Tatschilderung des Opfers Glauben und verurteilte den Angeklagten wegen Vergewaltigung gemäß s. 261 Cal. PC. Es sei durchaus verständlich, dass ein wohnungsloses Opfer, welches in einem überfüllten Wohnheim unterkommt, sich nach einer Privatsphäre sehnt und die Einladung annimmt, in einem Hotelzimmer fernzusehen, zumal der Angeklagte betont hatte, dass er eine Tochter im gleichen Alter habe. Es stehe jeder Person zu, einen Geschlechtsverkehr abzulehnen, selbst wenn sie mit dem Täter allein sein wollte. Auch ist es nachvollziehbar, die sauberen Bettlaken anzunehmen, wenn man vom Bett aus fernsieht. Dass der Angestellte keine Schreie gehört hatte, sagt nichts über die Gesinnung des Täters aus.1582 Das Gericht verneinte daher ein zweideutiges Opferverhalten. Der Vortrag des Angeklagten, wenn man ihn als wahr unterstellt, belegt außerdem keinen guten Glauben an ein Einverständnis, sondern ein Einverständnis. Es standen sich zwei divergierende Aussagen der beiden Parteien gegenüber. Die Aufgabe der Jury sei gewesen, zu entscheiden, wem sie Glauben schenkt und nicht, ob sich der Täter über ein Einverständnis geirrt hatte. Damit verweigerte der Oberste Gerichtshof die Mayberry-Belehrung an die Jury. Er hob zusätzlich hervor: Gelinge es dem Täter, substanzielle Beweise für ein widersprüchliches Verhalten des Opfers vorzulegen, müsse die Jury nicht nur über einen begründeten Irrtum unterwiesen werden, der zur Straflosigkeit führe. Weiter sei der Hinweis erforderlich, dass auch dann kein begründeter Irrtum des Täters gegeben sei, wenn das widersprüchliche Opferverhalten durch Gewalt, Zwang, Drohung oder Angst vor einer kurz bevorstehenden rechtwidrigen Körperverletzung verursacht wurde.1583 Es kommt somit bei der Irrtumsproblematik entscheidend auf die Nachvollziehbarkeit des Irrtums aus objektiver Sicht eines Dritten an.1584 Der Täter muss erst die richterliche Hürde (Zulässigkeit der „Mayberry-Belehrung“) mittels des Nachweises eines widersprüchlichen Opferverhaltens nehmen, bevor sich die Jury überhaupt mit der Frage eines begründeten Irrtums über ein Einverständnis auseinandersetzen kann. Kann der Täter bereits kein zweideutiges Opferverhalten vorbringen, kommt es gar nicht erst zur Entscheidung über einen Irrtum. Damit werden absurde Schutzbehauptungen des Täters bereits auf richterlicher Entscheidungsebene unterbunden, die nur dazu dienen, die Jury in der Entscheidung zu irritieren, ob sie dem Vortrag des Täters oder des Opfers Glauben schenkt.

1582 People v. Williams, 4 Cal. 4th 354, 841 P.2d 961, 14 Cal. Rptr. 2d 441 (Cal. 1992), zit. in: Dubber/Kelman, American Criminal Law, S. 823. 1583 People v. Williams, 4 Cal. 4th 354, 841 P.2d 961, 14 Cal. Rptr. 2d 441 (Cal. 1992), zit. in: Dubber/Kelman, American Criminal Law, S. 824. 1584 Dressler, Understanding Criminal Law, S. 639.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

gg) Übereinstimmungen und Abweichungen in den sechs Rechtsordnungen zum Irrtum Es besteht Einigkeit in allen sechs Rechtsordnungen, dass eine irrtümliche Annahme eines Einverständnisses seitens des Opfers zum Vorsatzausschluss und damit zur Straflosigkeit führt. Insofern kann sicher festgehalten werden, dass ein Irrtum („mistake of facts“) auch im Völkerstrafrecht anzuerkennen ist. Die Ansichten gehen lediglich hinsichtlich der Fehlvorstellungen, welche einen solchen Irrtum begründen können und der Beurteilungsperspektive des Irrtums auseinander. Da in den kontinentaleuropäischen Ländern die Nötigungsmittel der Gewalt und der Drohung vorausgesetzt werden, bleibt nur noch wenig Raum für die Anwendung eines Irrtums. Sobald die Nötigungsmittel nachgewiesen werden können, kann der Täter logischerweise nicht an ein Einverständnis geglaubt haben, es sei denn, die äußeren Umstände heben diese Indizierung wieder auf.1585 Es müssen schon besondere Umstände vorliegen, die dennoch den Glauben an ein Einverständnis rechtfertigen könnten. Denkbar sind Fälle, in denen die Beteiligten bereits zuvor sado-masochistische Sexualpraktiken ausgeübt hatten und der Täter trotz der Gewaltanwendung an ein Einverständnis geglaubt hat. Auch kann zu einem Missverständnis führen, wenn sich das Opfer zuerst einverstanden erklärt hat und im Verlauf der Handlung sein Einverständnis zurücknimmt. Jedoch muss der Täter die Handlung mit der Anwendung von Gewalt oder einer Drohung fortsetzen, so dass er relativ unglaubwürdig erscheint, wenn er behauptet, ihm sei der plötzliche Widerwille des Opfers nicht bewusst geworden. Ferner besteht bei einer konkludenten Drohung die Möglichkeit eines Irrtums, wenn das Opfer sich ohne Widerworte dem sexuellen Ansinnen hergibt und der Täter nicht realisiert, dass das Opfer der Handlung nur nachgegeben hat, weil es aufgrund seines einschüchternden Verhaltens Angst vor einer Schadenszufügung hatte. Sollte allerdings eine solche Ausnahmesituation nicht vorliegen, muss die Behauptung des Täters trotz der Gewaltanwendung oder der Drohung an ein Einverständnis geglaubt zu haben, als unglaubhaft verworfen werden. Schutzbehauptungen des Täters werden somit in der Beweiswürdigung ausgeschlossen.1586 1585 Vgl. stellverstretend die deutsche Rechtsprechung, die für eine sorgfältige Überprüfung der inneren Tatseite anhand der objektiven Tatumstände plädiert: BGHSt 39, 245. 1586 Problematisch war in der älteren Praxis gewesen, dass die Gerichte trotz massivster Gewalthandlungen und Drohungen der Irrtumsbehauptung des Täters Glauben schenkten und eine Verurteilung wegen Vergewaltigung ausschlossen. Vgl. dazu: BGH, NStZ 1982, S. 26; BGH, NStZ 1999, S. 453. Jedoch ist dies ein Problem der Beweiswürdigung und nicht des materiellen Strafrechts. Insofern bedarf es keiner Gesetzesänderung (wie die geforderte Erweiterung auf eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, vgl. dazu: Hörnle, ZWSt 112, 2000, S. 356 ff.), sondern vielmehr einer Veränderung der Einstellung der Gesellschaft zur Sexualität zwischen Mann und Frau, welche sich in den letzten Jahren abzuzeichnen scheint. Wie Hörnle, ZWSt 112, 2000, S. 375, selbst bemerkt,

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Es ist zu bezweifeln, dass der Irrtum eine größere Rolle spielt, wenn man auch andere Gründe anerkennt, die ein Einverständnis ausschließen wie dies die angloamerikanischen Rechtsordnungen tun. Wie bereits mehrfach erwähnt, haben die reformierten Strafgesetze die Rechtsunsicherheit1587 des fehlenden Einverständnisses mit der Hinzufügung von objektiven Merkmalen überwunden, welche objektiv beweisen, dass es an einem gültigen Einverständnis fehlt. In den USamerikanischen Rechtsordnungen sind die Umstände, die ein Einverständnis ausschließen als Tatbestandsmerkmale und in England als Vermutungsvoraussetzungen normiert. Von Interesse sind hier nur die Bedingungen (Gewalt, Drohung, Täuschung, Schlaf, Bewusstlosigkeit, Betäubung, geistige oder körperliche Behinderung und kindliche Verstandesreife), die in den drei Rechtsordnungen übereinstimmend festgestellt wurden, weil alle weiteren Bedingungen ohnehin keine Berücksichtigung im internationalen Tatbestand finden können. Fehlt dem Täter die Kenntnis eines dieser objektiven Voraussetzungen, die ein fehlendes Einverständnis begründen, liegt bereits kein Vorsatz vor. Dass trotz eines Vorsatzes zu den objektiven Merkmalen noch ein Irrtum über das fehlende Einverständnis möglich sein sollte, ist ebenfalls nur in Ausnahmesituationen erklärbar. Die Gewalt, die Drohung sowie die Täuschung sind Handlungen, die vom Täter ausgeführt werden müssen, so dass es relativ unwahrscheinlich ist, dass dem Täter nicht bewusst war, dass das Opfer der sexuellen Handlung nicht zugestimmt hat. Diese Handlungen des Täters dienen gerade dem Überwinden eines erwarteten Widerwillens des Opfers. Ein Irrtum über ein Einverständnis ist daher relativ selten glaubwürdig, wenn der Täter das Opfer gezwungen oder getäuscht hat. Bei den anderen Varianten handelt es sich um Opfermerkmale wie die geistigen bzw. körperlichen Abwehrfähigkeiten, die dem Täter erst bewusst werden müssen und seiner Bewertung dahingehend unterfallen, ob das Opfer die Fähigkeit besitzt, ein Einverständnis geben zu können. Der Schlaf oder die Bewusstlosigkeit des Opfers sind wohl kaum zu übersehen oder misszuverstehen, so dass dem Täter klar sein sollte, dass das Opfer der Handlung nicht zugestimmt haben kann. Eine Aufhebung dieser Indizwirkung wäre das Strafrecht überfordert, männliche Verhaltens- und Denkweisen zu verändern. So auch: Fischer, ZWSt 112, S. 103 ff. 1587 Das oft mehrdeutige Verhalten zwischen Mann und Frau in der Anbahnung von sexuellen Handlungen hatte bereits auf der objektiven Ebene zu Missverständnissen geführt. Diese Unsicherheit in der Bestimmung, ob im konkreten Fall ein Einverständnis fehlte, führte natürlich auf der subjektiven Ebene zum weiteren Problem, dass selbst wenn nun objektiv kein Einverständnis vorlag, der Täter allerdings leicht vorbringen konnte, ernsthaft an ein Einverständnis geglaubt zu haben. Insofern haben die Konditionen eines fehlenden Einverständnisses zu einer erheblichen Einschränkung von Schutzbehauptungen des Täters geführt.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

könnte die Gewohnheit zwischen den Beteiligten bewirken, sich gegenseitig mit sexuellen Handlungen aufzuwecken, so dass der Täter durchaus Grund hatte, bei einem schlafenden Opfer an ein Einverständnis zu glauben. Eine solche Gewohnheit dürfte allerdings bei einer Bewusstlosigkeit kaum bestanden haben, weil eine Bewusstlosigkeit grundsätzlich nicht wie der Schlaf wiederholt auftritt. Die Alkoholisierung bzw. der anderweitige Drogenkonsum muss eine schwere Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten des Opfers bewirkt haben, bevor von einem ungültigen Einverständnis auszugehen ist. Da das Verhalten des Betäubten nicht immer eindeutig auf das Ausmaß des Rausches schließen lässt, kann es durchaus zu einer Fehlvorstellung über die tatsächliche Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit kommen. Ebenso können dem Täter die Schwere der geistigen oder körperlichen Behinderung nicht aufgefallen sein, so dass er sich lediglich über die Fähigkeit, ein Einverständnis geben zu können, geirrt hat. Dies bedeutet aber, dass der Täter bereits keinen Vorsatz hatte, einen betrunkenen, behinderten oder minderjährigen Menschen zu einer sexuellen Handlung ohne oder gegen seinen Willen zu missbrauchen.1588 Sollte der Täter aber die Umstände gekannt haben, welche die geistigen oder körperlichen Fähigkeiten des Opfers einschränken, einen Gegenwillen zu bilden bzw. kundzutun, ist ein Irrtum über das Einverständnis genauso schlecht vorstellbar wie bei einer Gewalthandlung oder Drohung. Selbst wenn sich das behinderte oder kindliche Opfer zur sexuellen Handlung einverstanden erklärt, ist das Einverständnis aufgrund der verminderten Geistesfähigkeit oder Verstandesreife ungültig. Irrt sich der Täter über diese rechtliche Konsequenz, handelt es sich nicht um einen Tatbestands-, sondern einen Verbotsirrtum, der den Vorsatz nicht entfallen lässt. Damit sind Irrtümer über ein fehlendes Einverständnis in den „Common Law“-Staaten aufgrund der Konkretisierung des fehlenden Einverständnisses in den Tatbeständen oder in den Vermutungsklauseln genauso begrenzt möglich wie in den „Civil Law“-Staaten.1589 Ein Unterschied ist allerdings in der Beurteilungsperspektive der sechs untersuchten Strafgesetze festzustellen. Die beiden amerikanischen Rechtsordnungen

1588 Siehe dazu den New Yorker Gesetzestext, der besonders hervorhebt, dass kein Vorsatz vorliegt, wenn der Täter nicht wusste, dass das Opfer geistig behindert war. 1589 Lediglich England hat aufgrund der allgemeinen Regel zum Einverständnis gemäß s. 74 SOA 2003 das Problem, wenn die Vermutungsvoraussetzungen nicht greifen, dass das fehlende Einverständnis uneingeschränkt weit interpretiert werden kann und somit wieder zahlreichen Irrtumsmöglichkeiten die Tür geöffnet wird. Nach der hier vertretenden Auffassung, sollte allerdings eine als Vermutungsvoraussetzung erfasste Situation nicht erneut unter der allgemeinen Regel diskutiert werden dürfen. Ebenso weist das Strafgesetz von New York eine hohe Irrtumsmöglichkeit auf, wenn lediglich auf das fehlende Einverständnis des Opfers abgestellt wird (s. 130.20, 130.25 ss. 3, 130. 40 ss. 3 N.Y.P.L.).

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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verlangen nicht nur, dass der Täter wahrhaftig an ein Einverständnis geglaubt hat, sondern, dass der Irrtum aus objektiver Sicht nachvollziehbar („reasonable“) war. Ein nachvollziehbarer Irrtum liegt dann vor, wenn das Verhalten des Opfers im Zusammenhang mit den äußeren Umständen und dem Verhalten des Täters auch einen vernünftigen Dritten zu der Annahme eines Einverständnisses bewogen hätten.1590 Die rechtliche Konsequenz dieser subjektiv-objektiven Beurteilung ist, dass selbst ein wahrhaftiger Irrtum des Täters, der sich aus objektiver Sicht in der betreffenden Situation als abwegig darstellt, nicht zur Straflosigkeit führt. Die prozessrechtliche Bedingung, die Jury erst über einen Irrtum zu belehren, wenn sich das Opfer widersprüchlich verhalten hat, führt weiterhin dazu, dass ein rein subjektiv empfundener Irrtum der Jury nicht vorgetragen werden darf. Mit diesen materiell-rechtlichen wie auch prozessualen Vorschriften haben die amerikanischen Gesetzgeber sichergestellt, dass absurde Irrtümer bereits auf materiellrechtlicher Ebene ausgeschlossen werden und eine Argumentation über einen absurden Irrtum im Prozess keinesfalls stattfindet. Auch in England ist die Beurteilung eines Einverständnisses nunmehr aus objektiver Sicht vorzunehmen, um somit Schutzbehauptungen des Täters sicher ausschließen zu können. Allerdings wurde eine rein objektive Sichtweise nicht für zulässig erachtet. Tätermerkmale, die einen Einfluss auf die Verständnisfähigkeit des Täters haben können, das Opferverhalten und die Tatsituation falsch einzuschätzen, müssen bei der Beurteilung eines Irrtums berücksichtigt werden. Insofern kommt es – ähnlich wie in den USA – auf eine gemischt objektiv-subjektive Betrachtungsweise an. In den kontinentaleuropäischen Ländern hingegen scheidet eine objektive Beurteilung des Irrtums völlig aus, weil es auf die Schuld des Täters ankommt, welche sich aus dem Handlungsunrecht mit der dazugehörigen inneren Willenseinstellung zur Handlung ergibt und somit dogmatisch nur aus seiner Handlungsperspektive beurteilt werden kann. Denn das Handlungsunrecht, ob der Täter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, kann nicht aus der Sicht eines Dritten beantwortet werden. Einen unvernünftigen, aber wahren Irrtum des Täters als unbeachtlich zu behandeln, würde zu einer unangemessenen Benachteiligung des Täters führen, weil dem Täter allenfalls vorgeworfen werden kann, dass er sich nicht genügend über die Korrektheit seiner Annahme vergewissert habe. Der Vorwurf nicht sorgfältig gehandelt zu haben, verkörpert allerhöchstens eine Fahrlässigkeits-, aber keine 1590 Der Fokus wurde in den USA aufgrund der immer häufiger auftretenden Vergewaltigungskonstellation des sog. „date rape“ von der Ernsthaftigkeit auf die Nachvollziehbarkeit des Irrtums verschoben. Die Nachvollziehbarkeit des Irrtums hat eine besondere Bedeutung, wenn sich Täter und Opfer vor der Tat kannten oder bereits intime Handlungen ausgetauscht hatten. So auch: Hörnle, ZStW 112, 2000, S. 359; Bryden, BCLR 3, 2000, S. 325 m.w. N.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Vorsatzschuld. Die hohe Mindeststrafe des Vergewaltigungstatbestands wäre insofern nicht proportional zum verwirklichten Tatunrecht.1591 Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass der Vorteil der objektivsubjektiven Betrachtungsweise der „Common Law“-Staaten darin liegt, dass absurde Irrtümer gänzlich unbeachtlich sind, der Täter somit strafbar ist, auch wenn er sich tatsächlich geirrt haben sollte, während in den „Civil Law“-Staaten der Vorsatz entfiele und der Täter straffrei ausginge. Der Opferschutz ist insofern in den anglo-amerikanischen Staaten weiter. Auch ist es mit Sicherheit leichter nachzuweisen, dass der Täter sich aus Sicht eines vernünftigen Dritten in der gegebenen Situation geirrt hat, als dass sich der Richter in den Täter mit seinem Weltbild hineindenken muss, um die Frage eines subjektiven Irrtums beantworten zu können.1592 Die subjektive Beurteilungsperspektive in den „Civil Law“-Staaten trägt hingegen dem Nachweis der Schuld des Täters Rechnung, indem sie den Täter für dessen Wissen und Intention zur Handlung bestraft und nicht danach fragt, was ein vernünftiger Dritter in der gleichen Situation verstanden und gewollt hätte. Den Täter trotzdem mit einer Vorsatzstrafe zu bestrafen, obwohl er sich geirrt hat, widerspricht der Tradition und Systematik des Strafrechts, welches einen Fahrlässigkeitsvorwurf nach einem erheblich niedrigen Strafrahmen verfolgt oder meist – wie im Fall der Vergewaltigung – sogar straffrei stellt. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die objektive Nachvollziehbarkeit in den USA im Grunde nur für die sog. „date rape“-Situationen tatsächlich relevant wird, nämlich wenn die Beteiligten sich vor der Tat kannten oder bereits Intimitäten ausgetauscht hatten, und die männlichen Täter schwache Abwehrsignale schlicht überhörten, übersahen, als ein „weibliches Zieren“ interpretierten oder den Willen des weiblichen Opfers als geringwertig ansahen und ihre eigene Attraktivität überschätzten, so dass es notwendig erschien, den Irrtum aus objektiver Sicht zu beurteilen. Diese „date-rape“-Situationen sind für das Völkerstrafrecht bedeutungslos. Die Vergewaltigung muss im Rahmen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord oder Kriegsverbrechen begangen werden. Es handelt sich um höchst gewalttätige Szenarien, in denen sich Opfer und Täter meist fremd sind und verfeindeten Gruppen angehören, so dass sich das Problem eines widersprüchlichen Opferverhaltens zwischen Sexualpartnern und einer falschen Interpretation weiblicher Abwehrsignale gar nicht erst stellt. Somit spielen die Gründe für die Befürwortung einer objektiven Betrachtungsweise im Völkerstrafrecht keine Rolle. Es erscheint aus den genannten Gründen dogmatisch sinnvoller, bei der Frage des Vorsatzes bzw. des vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums auf das subjektive 1591 1592

Siehe die detaillierte Erörterung in: Hörnle, ZStW 112, 2000, S. 367 ff. Bryden, BCLR 3, 2000, S. 336.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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Vorstellungsbild des Täters abzustellen. Es sollte also auf internationaler Ebene die subjektive Sichtweise Deutschlands, Frankreichs und Spaniens zur Anwendung kommen. Da die objektiven Tatumstände auch bei der Beurteilung aus der Täterperspektive beachtet werden, können bei einer sorgfältigen Überprüfung der Beweislage reine Schutzbehauptung des Täters in der Beweiswürdigung entlarvt werden. c) Ergebnis der Rechtsvergleichung zum subjektiven Tatbestand der Vergewaltigung Die wertende Rechtsvergleichung hat ermittelt, dass die Vergewaltigung auf internationaler Ebene folgende subjektive Tatbestandsmerkmale enthalten sollte: – Wissen und Wollen der sexuellen Handlung, der Nötigungshandlung bzw. der objektiven Elemente, die ein Einverständnis ausschließen; – Möglichkeit/Risiko eines fehlenden Einverständnisses erkennen und in Kaufnehmen/missachten; – Subjektiver Irrtum über das fehlende Einverständnis führt zum Vorsatzausschluss. Aus Gründen des Aufbaus wurde bereits am Ende des objektiven Tatbestands der Vergleich zwischen dem Ansatz eines fehlenden Einverständnisses des „Common Law“-Konzepts und den Nötigungsmitteln des „Civil Law“-Konzepts vorgenommen. Zugleich wurde auf internationaler Ebene der Nötigungsvariante der Vorzug gegeben. Dies führt dazu, dass sich der Vorsatz zur Vergewaltigung im Völkerstrafrecht dementsprechend nur auf die sexuelle Handlung, die beiden Nötigungsmittel und den Kausal- und Finalzusammenhang erstrecken muss. 5. Tauglichkeitsprüfung Die sog. „Tauglichkeitsprüfung“ hat die Aufgabe zu überprüfen, ob der aus der Rechtsvergleichung gezogene Grundsatz mit dem Völkerstrafrecht im Einklang steht. Sollten völker(straf-)rechtliche Prinzipien der aus dem staatlichen Recht ermittelten Definition der Vergewaltigung entgegenstehen, kann diese nicht auf das Niveau des Völkerstrafrechts übertragen werden.1593

1593 Vgl. dazu: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 602; Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 146; Heintschell v. Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 17, Rn. 3; Herdegen, Völkerrecht, § 17, Rn. 1 ff.; Nill-Theobald, Defences, S. 389 ff.; Kreß, ZStW 111, 1999, S. 597, 606, Fn. 58; Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 178: „account must be taken of the specificity of international criminal proceedings when utilising national law motions. In this way a mechanical importation or transposition from national law into international criminal proceedings is avoided.“ A. A.: Ambos, AT, S. 48.

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4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Welche Prinzipien einer Transformierung von Rechtssätzen des nationalen Rechts auf die internationale Ebene entgegenstehen, wurde weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung abschließend geklärt. Dies mag daran liegen, dass mittlerweile viele Grundsätze im materiellen Völkerstrafrecht1594, Völkerrecht1595 und im Völkerstrafprozessrecht1596 anerkannt werden, und sich stets weitere Grundsätze herauskristallisieren. Im Einzelfall ist daher zu überprüfen, um welche Rechtsmaterie es sich handelt und, welche allgemeinen Grundsätze dieser Rechtsmaterie einem nationalen Grundsatz widersprechen könnten. Sollte sich die Rechtsvergleichung z. B. auf ein strafprozessuales Problem beziehen, so liegt es nahe, dass der Übertragung dieses Rechtssatzes ins Völkerstrafrecht Überlegungen des Völkerstrafprozessrechts entgegengehalten werden könnten. Da sich das hier untersuchte materielle Völkerstrafrecht hauptsächlich aus dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten entwickelt hat, muss der gewonnene Rechtsgrundsatz somit auch im Einklang mit den Grundprinzipien dieser Rechtsdisziplinen stehen. Die Kammer im Furundzˇija-Urteil verurteilte den Oralverkehr als Vergewaltigung und zog dabei den Grundsatz des Schutzes der menschlichen Würde sowohl im humanitären Völkerrecht als auch in den Menschenrechten heran. Insofern ist die Kammer von der Bewertung dieses Verhaltens lediglich als sexuelle Nötigung abgewichen, wie dies noch in vielen unreformierten Rechtsordnungen üblich war. Zudem bezog sie sich auf den allgemeinen strafrechtlichen Grundsatz „nullum crimen sine lege“. Obwohl die Hälfte der Rechtsordnungen den Oralverkehr als ein minder schweres Verbrechen in Bezug auf Vergewaltigung ansah, fand die Kammer den Grundsatz nicht verletzt, weil der Oralverkehr zumindest ein anerkanntes Verbrechen in allen nationalen Rechtsordnungen sei. Die Argumentation der Kammer vermittelt einen guten Eindruck einer Vereinbarung des staatlichen Rechts mit den Prinzipien des Völkerstrafrechts: The Trial Chamber holds that the forced penetration of the mouth by the male sexual organ constitutes a most humiliating and degrading attack upon human dignity. The essence of the whole corpus of international humanitarian law as well as human rights law lays in the protection of the human dignity of every person, whatever his 1594 Es sind folgende allgemeine Grundsätze im Völkerstrafrecht anerkannt: Das Prinzip der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit, der Gesetzlichkeitsgrundsatz („nullum crimen, nulla poena sine lege“), das Auslegungsprinzip „zu Gunsten des Angeklagten“ („favor rei“). Siehe dazu: Cassese, International Criminal Law, S. 32 ff.; Cassese, International Law, S. 135 ff. 1595 Ein allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts ist beispielsweise Treu und Glauben. 1596 Allgemeine Grundsätze des Völkerstrafprozessrechts sind die Unschuldsvermutung, die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der Richter, der Anspruch des Angeklagten auf ein faires und unverzügliches Verfahren sowie das Verbot eines Strafverfahrens in Abwesenheit des Angeklagten. Vgl. dazu: Cassese, International Criminal Law, S. 378 ff.; Cassese, International Law, S. 389 ff.

III. Vergewaltigungsdefinitionen im nationalen Recht

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or her gender. The general principle of respect for human dignity is the basic underpinning and indeed the very raison d’être of international humanitarian law and human rights law; indeed in modern times it has become of such paramount importance as to permeate the whole body of international law. This principle is intended to shield human beings from outrages upon their personal dignity, whether such outrages are carried out by unlawfully attacking the body or by humiliating and debasing the honor, the self-respect or the mental well being of a person. It is consonant with this principle that such an extremely serious sexual outrage as forced oral penetration should be classified as rape. Moreover, the Trial Chamber is of the opinion that it is not contrary to the general principle of nullum crimen sine lege to charge an accused with forcible oral sex as rape when in some national jurisdictions, including his own, he could only be charged with sexual assault in respect of the same acts. It is not a question of criminalizing acts which were not criminal when they were committed by the accused, since forcible oral sex is in any event a crime, and indeed an extremely serious crime. Indeed, due to the nature of the International Tribunal’s subject-matter jurisdiction, in prosecutions before the Tribunal forced oral sex is invariably an aggravated sexual assault as it is committed in time of armed conflict on defenseless civilians; hence it is not simple sexual assault but sexual assault as a war crime or crime against humanity. Therefore so long as an accused, who is convicted of rape for acts of forcible oral penetration, is sentenced on the factual basis of coercive oral sex – and sentenced in accordance with the sentencing practice in the former Yugoslavia for such crimes, pursuant to Article 24 of the Statute and Rule 101 of the Rules – then he is not adversely affected by the categorization of forced oral sex as rape rather than as sexual assault. His only complaint can be that a greater stigma attaches to being a convicted rapist rather than a convicted sexual assailant. However, one should bear in mind the remarks above to the effect that forced oral sex can be just as humiliating and traumatic for a victim as vaginal or anal penetration. Thus the notion that a greater stigma attaches to a conviction for forcible vaginal or anal penetration than to a conviction for forcible oral penetration is a product of questionable attitudes. Moreover any such concern is amply outweighed by the fundamental principle of protecting human dignity, a principle which favors broadening the definition of rape.1597

Die Kammer wog die sich gegenüberstehenden allgemeinen Rechtsgrundsätze – Schutz der menschlichen Würde und Gesetzlichkeitsgrundsatz – miteinander ab. Die besonderen Umstände, in denen eine Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurde, rechtfertigen eine Anpassung der nationalen Gesetzgebungen dahingehend, den Oralverkehr nach dem Qualifikationstatbestand und nicht nach dem Grundtatbestand zu verurteilen. Damit trug die Kammer den Eigenheiten des Völkerstrafrechts in besonderem Maße Rechnung und verhinderte, dass die „Pattsituation“ der Rechtsansichten in den Weltrechtsordnungen zu diesem Thema zu einer Lahmlegung der internationalen Rechtsfindung führte. Denn hätte man keine Mehrheitslösung ausmachen können, hätte

1597

Prosecutor v. Furundzˇija, IT-95-17/1-T, 10.12.1998, Para. 183.

562

4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

man kein Prinzip aus der Rechtsvergleichung ableiten und als Rechtssatz ins Völkerstrafrecht übertragen können. In der hiesigen Untersuchung war der Gesetzlichkeitsgrundsatz für die umfangreiche Rechtsvergleichung der nationalen Rechtsordnungen zum Vergewaltigungstatbestand ausschlaggebend. Die Rechtsvergleichung wurde in einer wertenden Betrachtung durchgeführt, so dass bereits staatliche Normen zugunsten anderer Vorschriften, die eher im Einklang mit dem Völkerstrafrecht oder den Menschenrechten stehen, der Vorzug gegeben wurde.1598 Diese Methode war besonders bei Abweichungen in der Rechtsvergleichung entscheidend, um trotz der unterschiedlichen Formulierungen einen Grundsatz ableiten zu können. Um einige Beispiele zu nennen, wurde dem nationalen Lösungsvorschlag der Vorzug gegeben, der einen besseren Rechtsgutsschutz im Sinne des sexuellen Selbstbestimmungsrechts für das Opfer vermittelte (einfache Drohung anstelle der qualifizierten Drohung) oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau befürwortete (Strafbarkeit für weibliche Täter bei der erzwungenen Penetration ihres Körpers mit dem Penis des Opfers). Aber auch die Subsidiarität des Strafrechts (Beschränkung der Vergewaltigung auf Nötigungsmittel anstatt auf ein fehlendes Einverständnis), die Unschuldsvermutung bzw. der Grundsatz für den Angeklagten im Zweifelsfall die vorteilhaftere Interpretation zu wählen, spielte bei der Befürwortung einer Rechtsansicht (z. B. subjektive Sichtweise beim Irrtum) eine Rolle. Da den strafrechtlichen Grundsätzen, den Prinzipien des humanitären Völkerstrafrechts und der Menschenrechte bereits bei der wertenden Rechtsvergleichung stete Beachtung geschenkt wurde, sind keine weiteren Überlegungen dieser Rechtsmaterien ersichtlich, die der gefundenen Definition der Vergewaltigung entgegen gehalten werden könnten. Im Gegenteil, die Tatbestandsmerkmale vermitteln gerade einen ausgiebigen Schutz vor schweren Beeinträchtigungen des sexuellen Selbstbestimmungsrechts und der menschlichen Würde ohne über das notwendige Maß (wie z. B. eine Strafbarkeit von Missbrauchssituationen) hinaus zu gehen. Die ermittelten Tatbestandsmerkmale sind für die Anwendung im Völkerstrafrecht tauglich. 6. Ergebnis der Rechtsvergleichung Die Rechtsvergleichung der sechs ausgewählten Rechtsordnungen der Welt hat folgende völkerrechtliche Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung erbracht: – Sexuelle Handlung – Vaginaler Geschlechtsverkehr; – Analverkehr; 1598 Siehe: Ambos, AT, S. 48, der eine Tauglichkeitsprüfung für überflüssig hält, wenn man eine wertende, prinzipienorientierte Rechtsvergleichung durchführt.

IV. Ergebnis des vierten Kapitels

563

– Oralverkehr (Manipulation der Zunge an Penis, Vagina, Anus genügt); – Einführen von anderen Körperteilen als dem Penis (z. B.: Zunge, Finger, Faust) in die Vagina oder den Anus; – Einführen von beweglichen Gegenständen (z. B.: Dildo, Flasche, Banane) in die Vagina oder den Anus; – Sich-Penetrieren-Lassen („umgekehrte Vergewaltigung“); – Sexuelle Handlung muss sich zwischen Täter und Opfer abspielen (keine Masturbation oder Handlung mit Dritten). – Täter – Jedermann. – Opfer – Jedermann. – Nötigungshandlung – Gewalt; – Drohung mit einem ähnlich empfindlichen Übel; – Kausalität (Mittel-Zweck-Relation). – Vorsatz – Wissen und Wollen der sexuellen Handlung und der Nötigungshandlung; – Möglichkeit eines fehlenden Einverständnisses erkennen und in Kaufnehmen; – Subjektiver Irrtum über das fehlende Einverständnis führt zum Vorsatzausschluss. Aus diesen Tatbestandsmerkmalen sowie in Anlehnung an nationale Formulierungsweisen wird folgende Tatbestandsformulierung der Vergewaltigung vorgeschlagen: Wer durch Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Leib- oder Lebensgefahr oder mit einem ähnlich empfindlichen Übel gegenüber einer Person bewirkt, dass er mit einem Körperteil oder einem Gegenstand in die Vagina oder den Anus einer anderen Person oder mit dem Penis in den Mund einer anderen Person eindringt, oder wer mit denselben Mitteln einen Mann dazu nötigt, mit seinem Penis in die Vagina, den Anus oder den Mund des Täters einzudringen, wird . . . bestraft. Zur Erfüllung des Tatbestandes genügt bereits eine geringe Penetration.

IV. Ergebnis des vierten Kapitels Das vierte Kapitel hat eine ausführliche Analyse aller auffindbaren Vergewaltigungstatbestände der internationalen und nationalen Ebene geliefert. Diese

564

4. Kap.: Die Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung

Analyse hat gezeigt, dass sich letztlich drei Definitionen der Vergewaltigung – mit natürlich unterschiedlichem, rechtlichem Wert – gegenüberstehen. Der Vergewaltigungstatbestand der beiden Ad-hoc-Tribunale: (i) The sexual penetration, however slight: of the vagina or anus of the victim by the penis of the perpetrator or any other object used by the perpetrator; or of the mouth of the victim by the penis of the perpetrator; (ii) where such sexual penetration occurs without the consent of the victim. Consent for this purpose must be given voluntarily, as a result of the victim’s free will, assessed in the context of the surrounding circumstances.

Der Vergewaltigungstatbestand gemäß Art. 7 (1) (g) -1; Art. 8 (2) (b) (xxii)-1; Art. 8 (2) (e) (vi)-1 EOC: 1. The perpetrator invaded50 the body of a person by conduct resulting in the penetration, however slight, of any part of the body of the victim or of the perpetrator with a sexual organ, or of the anal or genital opening of the victim with any object or any other part of the body. 2. The invasion was committed by force, or by threat of force or coercion, such as that caused by fear of violence, duress, detention, psychological oppression or abuse of power, against such person or another person, or by taking advantage of a coercive environment, or the invasion was committed against a person incapable of giving genuine consent.51 50

The concept of „invasion“ is intended to be broad enough to be gender-neutral.

51

It is understood that a person may be incapable of giving genuine consent if affected by natural, induced or age-related incapacity. This footnote also applies to the corresponding elements of article 7 (1) (g)-3, 5, 6; Art. 8 (2) (b) (xxii)-3, 5, 6; Art. 8 (2) (e) (vi)-3, 5, 6.

Der aus der Rechtsvergleichung der sechs Rechtsordnungen von Deutschland, Frankreich, Spanien, England, New York und Kalifornien gewonnene Vergewaltigungstatbestand: Wer durch Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Leib- oder Lebensgefahr oder mit einem ähnlich empfindlichen Übel gegenüber einer Person bewirkt, dass er mit einem Körperteil oder einem Gegenstand in die Vagina oder den Anus einer anderen Person oder mit dem Penis in den Mund einer anderen Person eindringt, oder wer mit denselben Mitteln einen Mann dazu nötigt, mit seinem Penis in die Vagina, den Anus oder den Mund des Täters einzudringen, wird . . . bestraft. Zur Erfüllung des Tatbestandes genügt bereits eine geringe Penetration.

Wie bereits zu Beginn des vierten Kapitels erörtert, ist die einzig universalverbindliche Rechtsquelle hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung, die aus der Rechtsvergleichung der wichtigsten Staaten dieser Welt ermittelte Definition. Sowohl die Rechtsprechung der beiden Ad-hoc-Tribunale als

IV. Ergebnis des vierten Kapitels

565

auch die EOC erheben den Anspruch ihrer Gültigkeit aus der Rechtsquelle der allgemeinen Prinzipien, welche nur aus einer Rechtsvergleichung gewonnen werden konnte. Die hier durchgeführte Rechtsvergleichung repräsentiert den heutigen Tatbestand der Vergewaltigung. Die Tatbestände der Ad-hoc-Tribunale und der EOC sind zeitlich überholt. Damit ist die hier ermittelte Definition aus der Rechtsvergleichung der sechs Rechtsordnungen ausschlaggebend für einen aktuellen, universalverbindlichen Tatbestand. Es stellt sich im letzten Kapitel nur noch die Frage, inwieweit die Ergebnisse der beiden Definitionen mit der hier erarbeiteten Definition übereinstimmen bzw. von einander abweichen, um auf Grund dessen die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Definition aufzeigen zu können. Erst die sachbezogene Abwägung der einzelnen Tatbestandsmerkmale lässt eine kriminalpolitische Bewertung und damit Lenkung der Entwicklung eines allgemeingültigen Völkerstrafrechts zu.

Fünftes Kapitel

Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht Die Aufgabe des letzten Kapitels ist es, alle im vierten Kapitel aufgezeigten Definitionen der Vergewaltigung nun noch einmal sachlich mit der aus der nationalen Rechtsvergleichung ermittelten Tatbestandsfassung zu vergleichen. Die aktuelle Tatbestandsfassung der Vergewaltigung ergibt sich zwar momentan aus der dritten subsidiären Rechtsquelle des Völkerrechts, den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der wichtigsten Staaten dieser Welt. Das vierte Kapitel endet mit der aktuellen Definition der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht. Unter kriminalpolitischen Aspekten stellt sich aber die Frage, ob es empfehlenswert ist, diese Definition oder aber die anderweitigen Definitionen der Gerichtsentscheidungen der Ad-hoc-Tribunale bzw. der EOC zur Anwendung zu bringen. Wie bereits aufgezeigt, neigt der IStGH selbst dazu, den Verbrechenselementen den Status von Völkervertragsrecht zuzuweisen, ohne groß zu überprüfen, ob die Verbrechenselemente tatsächlich dem geltenden Statutenrecht, Völkergewohnheitsrecht oder wie im konkreten Fall den allgemeinen Rechtsgrundsätzen entsprechen.1599 Durch eine wiederholte Anwendung der EOC-Definition entweder vor internationalen oder nationalen Gerichten oder durch die Übernahme dieses Tatbestands ins innerstaatliche Strafrecht wird diese allen leicht zugängliche Norm kurz über lang zu Völkergewohnheitsrecht erstarken. Dies mag zwar rechtsdogmatisch nicht die „sauberste“ Lösung sein, sie ist aber durchaus eine Realistische. Die Weltgemeinschaft wird sich weiterhin an den Verbrechenselementen zum IStGH-Statut orientieren wollen, weil die Norm schriftlich fixiert ist, während sich eine zu wiederholende Rechtsvergleichung der wichtigsten nationalen Strafnormen sehr umständlich darstellt. Es besteht ein dringendes Bedürfnis im Völkerstrafrecht, einen schriftlich klar erkennbaren Tatbestand dem Rechtsanwender völkerrechtlicher Verbrechen zur Verfügung zu stellen. Will man nun entgegen dieser pragmatischen Lösung dennoch die hier ermittelte Definition im Völkerstrafrecht durchsetzen, weil sie den aktuellen, all1599 Decision of Confirmation of Charges, Lubanga PTC I, ICC 01/04-01/06, 29.01. 2007, in der die Vorverfahrenskammer den EOC den gleichen Status wie dem IStGHStatut selbst eingeräumt hat, indem es die EOC wie einen völkerrechtlichen Vertrag zur Anwendung vor dem Gerichtshof gebracht hat. Im Hauptverfahren entschied sich die Kammer zwar gegen die Anwendung der EOC-Vorschrift und wandte Art. 30 IStGHStatut an. Sie ließ aber den Status der EOC ungeklärt, vgl. Prosecutor v. Lubanga, ICC01/04-01/06, 14.03.1012, Para. 1007–1018, 1015.

I. Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der ermittelten Definitionen

567

gemeingültigen Vergewaltigungstatbestand im Völkerstrafrecht verkörpert, sollte es sich nicht nur formal, sondern auch sachlich um den überzeugenderen Vorschlag handeln. Es stellen sich mithin zwei Unterfragen: zum einen, inwieweit die Tatbestandsmerkmale der verschiedenen Definitionen inhaltlich (nicht nur begrifflich) zu divergierenden Lösungen kommen und zum anderen, welche Lösungen es aus völkerstrafrechtlichen Gesichtspunkten verdienen, den Vorrang zu erhalten. Kriminalpolitisch muss hier eine Aussage getroffen werden, ob sich die zukünftigen nationalen wie auch internationalen Gerichte an der aus der Rechtsvergleichung gewonnenen Definition zu orientieren haben, oder sich auf die in einem internationalen Dokument schriftlich festgehaltene Tatbestandsfassung der EOC verlassen sollen. Eine diesbezüglich richtungsweisende Empfehlung bedingt eine rein sachliche Auseinandersetzung mit den einzelnen Tatbestandsmerkmalen, unabhängig von dem Rechtsquellenstatus des Dokuments. Es werden hier sowohl die letzte Auslegung der Tribunale im Sinne der Kunarac-Definition und der EOC-Tatbestand dem Vergewaltigungstatbestand der Rechtsvergleichung gegenübergestellt. Da die deutsche Interpretation des IStGH-Statuts im VStGB auf den Auslegungen des JStGH, RStGH und den Verbrechenselementen beruht, kann ein materiell-rechtlicher Vergleich mit den §§ 6–8 VStGB unterbleiben.

I. Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der ermittelten Definitionen 1. Sexuelle Handlung Die Vergewaltigungsdefinition der Ad-hoc-Tribunale umfasst die vaginale, anale sowie orale Penetration des Opfers mit dem Penis des Täters und die Einführung von Objekten in die Vagina oder den Anus des Opfers. Die Einführung von anderen Körperteilen als dem Penis (wie z. B. Finger, Zunge) wird nicht im Tatbestand erwähnt. Die EOC-Definition behandelt jede Invasion des Körpers des Opfers oder des Täters mit einem Sexualorgan sowie die Penetration des Anus oder der Genitalien des Opfers mit einem Gegenstand oder einem anderen Körperteil als den Penis als Vergewaltigung. Damit wurde der vaginale, anale, orale Geschlechtsverkehr, die Einführung des Penis in andere Körperöffnungen als die Vagina, Anus oder Mund sowie die Einführung von Gegenständen oder anderen Körperteilen (wie Finger, Zunge) in die analen oder genitalen Körperöffnungen kriminalisiert. Der aus der Rechtsvergleichung der wichtigsten Nationen ermittelte Tatbestand enthält ebenfalls den vaginalen, analen, oralen Geschlechtsverkehr sowie das Einführen von anderen Körperteilen als dem Penis und das Einführen von beweglichen Gegenständen in die Vagina oder den Anus. Einigkeit besteht nach allen Tatbeständen, dass andere besonders erniedrigende Sexualpraktiken (Fäkalerotik, Urinieren oder Ejakulieren auf das Opfer,

568

5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

entwürdigende Körperhaltungen) nicht als Vergewaltigung, sondern nur nach dem Grundtatbestand des sexuellen Angriffs verurteilt werden können. Ebenso scheiden sexuelle Handlungen an sich selbst oder mit Dritten aus, weil alle Tatbestände voraussetzen, dass sich die sexuellen Handlungen zwischen dem Täter und dem Opfer abspielen müssen.1600 Damit ist der von den Ad-hoc-Tribunalen angewandte Tatbestand die engste Fassung. Er stellt weder die Manipulation der Zunge an der Vagina oder dem Anus, noch die Einführung von anderen Körperteilen als dem Penis in die analen oder vaginalen Körperöffnungen unter Strafe. Auch erfasst er nicht die sog. „umgekehrte Vergewaltigung“, wenn der Täter das Opfer zur Penetration seiner Körperöffnung mit dem Geschlechtsorgan des Opfers zwingt. Die Tatbestände der EOC und der allgemeinen Rechtsgrundsätze sind hinsichtlich der sexuellen Handlung fast identisch. Dass nach der Formulierung des EOC-Tatbestands auch das Einführen des Penis in andere Körperöffnungen als die Vagina, der Anus oder der Mund erfasst wird, dient mehr dem Zweck, theoretische alle Penetrationen des Körpers vollständig zu erfassen, sollte aber in der Praxis keine Rolle spielen. Denn andere Körperöffnungen eines Menschen sind die Nasenlöcher und der Gehörgang. Es erscheint geradezu absurd, auch eine Penetration dieser Körperöffnungen mit einem Penis in den Vergewaltigungstatbestand aufzunehmen. Da beim Einführen von anderen Körperteilen als dem Penis in die Vagina oder den Anus sowie bei der „umgekehrten Vergewaltigung“ die Genitalien des Täters und/oder des Opfers in die Handlung mit einbezogen werden, weisen sie einen erhöhten Sexualbezug auf und erniedrigen das Opfer in gleich schwerer Weise wie die anderen erfassten sexuellen Penetrationen. Sie werden vom Opfer als höchst ekelerregend empfunden. Dadurch, dass entweder ein Körperteil wie Finger oder eine Zunge in den Körper des Opfers oder der Penis des Opfers in den Körper des Täters eingeführt wird, sind diese Tatvarianten dem Geschlechtsverkehr sehr ähnlich. Es wäre sachlich verfehlt, die Penetration mit anderen Körperteilen als dem Penis oder das „Sich-Penetrieren-Lassen“ aus dem Tatbestand auszuschließen, nur weil diese Handlungen seltener vorkommen als der vaginale, anale oder orale Geschlechtsverkehr durch einen männlichen Täter. Auch würde eine Straflosigkeit einer Frau gegenüber einer gleichzeitigen Strafbarkeit eines Mannes für ein identisches Verhalten gegen das Verbot der Ungleichbehandlung verstoßen. Die Tatbestände der EOC und der aus der hiesigen Rechtsvergleichung gewonnenen allgemeinen Rechtsgrundsätze überzeugen daher durch ihre vollständige Berücksichtigung aller schweren Eingriffe in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht, die mit einem Eindringen in den Körper eines anderen verbunden sind.

1600

So auch: Cole, ICLR 8, 2008, S. 81 hinsichtlich der Tribunals-Definition.

I. Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der ermittelten Definitionen

569

2. Täter/Opfer Aus der Umschreibung der Tathandlung der JStGH/RStGH-Definition ergibt sich, dass der Täter des vaginalen, analen und oralen Geschlechtsverkehrs nur ein Mann sein kann, weil der Täter die Penetration mit seinem Penis vollziehen muss. Damit wurde die Möglichkeit ausgeschlossen, dass eine Frau als Täter in Frage kommt, indem sie einen Mann zur Penetration ihres Körpers zwingt. Das Einführen von Objekten in die Vagina und den Anus kann aber auch durch eine Frau bewerkstelligt werden. Auf der Opferseite bedeutet dies, dass beim Einführen von Objekten sowohl ein Mann als auch eine Frau als Opfer in Betracht kommen. Ferner kann das Opfer aufgrund seiner Anatomie beim analen und oralen Geschlechtsverkehr auch ein Mann sein (homosexuelle Handlung); beim vaginalen Geschlechtsverkehr bedingt allerdings der Körperbau, dass das Opfer eine Frau sein muss. Sowohl die EOC-Definition als auch der Tatbestand der allgemeinen Rechtsgrundsätze favorisieren einen absolut geschlechtsneutralen Ansatz. Eine Frau kann somit auch Täter der Vergewaltigung sein, indem sie die Penetration mit dem Geschlechtsorgan des männlichen Opfers oder einem sonstigen Körperteil in ihren Körper bewirkt. Wie bereits mehrfach erwähnt, gebietet der Gleichheitsgrundsatz, nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen eine Strafbarkeit für einen ungewollten Geschlechtsverkehr vorzusehen. Die Definition der Ad-hocTribunale hatte eine solche Täterstellung der Frau in ihrer ermittelten Definition sehr wahrscheinlich nicht angegeben, weil solche Fälle eher selten in der Praxis vorkommen und die Strafkammern sich nicht mit einer solchen Konstellation konfrontiert sahen. Nichtsdestotrotz ist es aber biologisch möglich, dass eine Frau einen Mann zur Penetration zwingen kann, was eine tatbestandsmäßige Erfassung dieser Handlung fordert. Es ist zu erwarten, dass durch die Aufnahme von Frauen ins Militär und ihr Vordringen in politische Machtpositionen zukünftig auch Frauen die Täterrolle übernehmen und nicht nur Opfer der Vergewaltigung sein werden.1601 Daher ist eindeutig dem geschlechtsneutralen Ansatz der Vorzug zu geben. 3. Nötigungshandlung und/oder fehlendes Einverständnis Die Tribunalsdefinition der Vergewaltigung stellt allein auf ein fehlendes Einverständnis des Opfers ab. Der Vorteil des fehlenden Einverständnisses ist ein weiter Opferschutz, der es aufgrund der Interpretationsnotwendigkeit erlaubt, 1601 Ein gutes Beispiel für die relevant werdende Täterrolle von Frauen bei Sexualdelikten verdeutlichen die Straftaten der weiblichen US-Soldaten an männlichen muslimischen Gefangenen im Abu Ghraib-Gefängnis im Irak. Vgl. auch: Engle, AJIL 99, 2005, S. 812 f. m.w. N., die hervorhebt, dass Frauen genauso Täter sexueller Gewalt werden können wie Männer, wenn sie die Macht dazu bekommen.

570

5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

jede Form der Willensbeeinträchtigung des Opfers und damit jede Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts zu berücksichtigen. Die EOC haben sich weder für die „Common Law“-Lösung noch die „Civil Law“-Lösung entschieden, sondern haben auf eine Kombination der Nötigungsmittel mit Gründen für ein fehlendes Einverständnis gesetzt. Absatz 2 der Art. 7 (1) (g) -1; 8 (2) (b) (xxii)-1; 8 (2) (e) (vi)-1 EOC enthält drei Alternativen, bei deren Vorliegen die in Absatz 1 genannten Handlungen zur Vergewaltigung werden: – Anwendung von Gewalt, Drohung mit Gewalt oder Zwang, – Ausnutzen einer Zwangsumgebung oder – das Opfer war eine willensunfähige Person. Der Zwang wurde mittels Beispielen näher bestimmt. Danach liegt ein Zwang vor, wenn das Opfer oder ein Dritter Gewalt fürchtet, sich in einer Notsituation, im Gefängnis oder unter psychologischem Druck befindet oder eine Machtposition missbraucht wird. Eine Zwangsumgebung stellt beispielsweise eine Kriegssituation oder eine Völkermordkampagne dar. Ferner spielt ein Einverständnis des Opfers keine Rolle, wenn die sexuelle Handlung an einer Person begangen wird, die aufgrund ihres Alters, einer beigebrachten oder aber natürlichen Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten (siehe die Erläuterung in Fußnote 51) unfähig ist, ihr Einverständnis zu geben. Eine solche Beeinträchtigung der Geistesfähigkeiten kann auf den Schlaf, eine Bewusstlosigkeit, einen Rausch, eine geistige Behinderung oder auf eine verminderte Verstandesreife zurückzuführen sein. Die Rechtsvergleichung der wichtigsten Nationen hat dagegen ergeben, dass bei der Vergewaltigung auf eine Nötigung zur sexuellen Handlung abzustellen ist. Als Nötigungsmittel werden die Gewalt und die Drohung mit einem empfindlichen Übel anerkannt. Es muss ferner eine Kausalität (Mittel-Zweck-Relation) zwischen dem Nötigungsmittel und der sexuellen Handlung bestehen. Somit stehen sich drei Konzepte gegenüber: Das „Common Law“-Konzept, das nur ein fehlendes Einverständnis im Tatbestand aufführt, der „Civil Law“Ansatz, der nur die Nötigung zur sexuellen Handlung als Vergewaltigung genügen lässt und das Kombinationsmodell, welches sowohl auf einen Zwang beim Opfer als auch auf seine geistige Fähigkeit, ein Einverständnis geben zu können, abstellt. Das Konzept des fehlenden Einverständnisses, ohne dass weitere konkretisierende objektive Merkmale in der Definition dazu kommen, welche zu erkennen geben, wann es an einem Einverständnis fehlt, kann nicht überzeugen. Wie bereits im vierten Kapitel bei der Auswertung der Nötigungshandlung gegenüber

I. Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der ermittelten Definitionen

571

einem fehlenden Einverständnis festgestellt wurde, mangelt es solch einem Tatbestand an Bestimmtheit. Es wäre für den Bürger nicht ersichtlich, wann eine Vergewaltigung vorliegt, weil eine Unmenge an Einwirkungen auf den Opferwillen denkbar ist, die ein Einverständnis ungültig werden lassen können. Diese Rechtsunsicherheit muss zu einer willkürlichen Rechtsprechung führen, was sich gerade in der damaligen noch nicht reformierten, englischen Rechtsprechung offenbart hatte.1602 Da ein innerer Willenszustand des Opfers nachgewiesen werden muss, welcher nicht wie die Gewalt oder die Drohung äußerlich in Erscheinung tritt, ist das Konzept des fehlenden Einverständnisses auch hinsichtlich der Beweislage gegenüber einer mit Nötigungsmitteln versehenen Definition im Nachteil. Denn es muss erst aus einem äußerlich wahrnehmbaren Verhalten des Opfers und der Tatumstände abgeleitet werden. Da das Sexualverhalten zwischen Mann und Frau oft mehrdeutig ist, können aus dem Opfer- und Täterverhalten sowie der Tatumstände falsche Schlüsse gezogen werden. Selbst wenn das Gericht, ein fehlendes Einverständnis aus allen Tatumständen deduzieren kann, muss dies noch nicht für den Täter gelten. Dieser kann sexistischen oder überholten Sexualvorstellungen erlegen sein und das durchaus ablehnende Verhalten des Opfers als bloßes „Zieren“ und damit als Zustimmung interpretiert haben. Ein Irrtum über ein Tatbestandsmerkmal würde dann den Vorsatz und somit die Strafbarkeit entfallen lassen.1603 Zwar werden durch das Abstellen auf den Willen des Opfers auch diejenigen Opfer geschützt, die sich schwer tun, einen Gegenwillen zu bilden oder kundzutun, weil es nur darauf ankommt, dass das Opfer der sexuellen Handlung nicht zugestimmt hat. Nach dem reinen Zwangsmodell werden diese Fälle nicht als Vergewaltigung behandelt, sondern können höchstens als sexueller Missbrauch bestraft werden. Das Argument des weitreichenden Opferschutzes kann allerdings nicht genügen, wenn die Definition als zu vage zu bezeichnen ist. Das fehlende Einverständnis ohne objektive Negativliste der Gründe, die ein Einverständnis ausschließen, führt zu einer unbestimmten Strafnorm. Diese allein auf ein fehlendes Einverständnis abstellende Definition ist daher in der Gesamtschau der ermittelten Definitionen abzulehnen. Es verbleibt nunmehr die Definition der EOC und der Tatbestand der Rechtsvergleichung des vierten Kapitels gegeneinander abzuwägen. Beide Tatbestände können als bestimmt bezeichnet werden, weil sie über objektive Tatbestandsmerkmale oder Erläuterungen zur Unfähigkeit, ein Einverständnis geben zu können, verfügen. Der Unterschied liegt vielmehr in der Abweichung der Nötigungsmittel und der einseitigen Ergänzung der Nötigungsmittel in den EOC um eine Beeinträchtigung der Geistesfähigkeiten des Opfers, welche ein Einverständnis unmöglich macht. 1602 1603

Siehe die Argumentation im 4. Kapitel III. 3. g) bb). Siehe die Argumentation im 4. Kapitel III. 3. g) cc).

572

5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Beide Definitionen verlangen eine qualifizierte Gewaltanwendung. Der EOCTatbestand fordert weiterhin eine qualifizierte Drohung mit Gewalt. Die wertende Rechtsvergleichung hingegen hatte ergeben, dass es auf internationaler Ebene sinnvoll ist, die Anforderungen an die Drohung zu mindern, anstelle eine zu enge qualifizierte Drohung zu normieren, um sie dann mit weiteren Nötigungsmitteln (Zwang, Drohung mit zukünftigen Übeln oder Ausnutzung einer schutzlosen Lage) im Tatbestand zu ergänzen. Die EOC sind aber genau diesem Weg gefolgt. Da die qualifizierte Drohung nicht alle illegalen Zwangsmaßnahmen erfasst, fügten die Delegierten weitere Nötigungsmittel – wie hier den Zwang und die Zwangsumgebung – den beiden traditionellen Nötigungsmitteln hinzu. Auf den ersten Blick scheint die Aufnahme eines weiten Nötigungsmittels wie dem Zwang sinnvoll, um so jede denkbare Nötigung des Opfers erfassen zu können. Auch nimmt das Erfordernis der Zwangsumgebung besondere Rücksicht auf die Eigenheiten des Völkerstrafrechts. Denn die Vergewaltigung geschieht unter den Rahmenbedingungen einer Völkermordkampagne, massenhaften oder systematischen Tötungen und Körperverletzungen oder während eines Krieges, so dass es im Einzelfall nicht mehr auf eine individuelle Nötigung des Opfers durch den Täter ankommen muss, wenn das Opfer durch die Angriffe auf seine Bevölkerungsgruppe bereits so eingeschüchtert ist, dass es keine körperliche oder verbale Abwehr dem sexuellen Verlangen entgegen setzen kann.1604

1604 Vgl. Hansen-Young, CJIL 6, 2005, S. 489 ff., die sich für eine reine Zwangsdefinition ohne ein Einverständniselement – wie zuerst in der Akayesu-Entscheidung entwickelt – ausspricht: „The ICTY and ICC definitions . . . are based on domestic rape laws, which assume that consent is always a possibility. These definitions are based on the assumption that individuals are able to make rational and informed choices concerning their best interests and that they have the opportunity to do so in a noncoercive environment. To the extent that the ICTY and ICC definitions highlight the concept that individuals are able to make rational and informed choices, they reinforce the view that women and men are autonomous, with equal rights to make rational choices about their lives. Upon closer examination, however, this reinforcement is merely theoretical. In practice, this notion of consent permits defendants to degrading questions.“ Ähnlich: Cole, ICLR 8, 2008, S. 75 f., 79; MacKinnon, CJTL 44, 2006, S. 941: „Yet, conceptually speaking, emphasis on nonconsent as definitive of rape views the crime fundamentally as a deprivation of sexual freedom, a denial of individual self-acting. Emphasis on coercion as definitive, on the other hand, sees rape fundamentally as a crime of inequality, whether of physical or other force, status, or relation. Where coercion definitions of rape see power – domination and violence – nonconsent definitions envision love or passion gone wrong. Consent definitions accordingly have proof of rape turn on victim and perpetrator mental state: who wanted what, who knew what when. This crime basically occurs in individual psychic space. Coercion definitions by distinction turn on proof of physical acts, surrounding context, or exploitation of relative position: who did what to whom and sometimes why. Accordingly, while consent definitions tend to frame the same events as individuals engaged in atomistic one-at-a-time interactions, coercion definitions are the more expressly social, contextual, and collective in the sense of being group-based.“

I. Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der ermittelten Definitionen

573

Der Begriff des Zwangs tauchte bereits in einigen nationalen Tatbeständen (Frankreich, Kalifornien) auf, wurde aber nach einer wertenden Betrachtung der einzelnen Definitionen als zu unbestimmt abgelehnt, weil aus dem Wort selbst nicht abzuleiten war, welcher Zwang neben einer Gewaltanwendung oder einer Drohung gemeint sein könnte. Die EOC-Vorschrift versucht diesem Bestimmtheitsproblem entgegen zu wirken, indem sie dem Zwang eine Auslegungshilfe bereitstellt. Zum einen liegt ein Zwang vor, wenn das Opfer oder ein Dritter Gewalt fürchtet. Damit muss der Täter dem Opfer mit der Anwendung von Gewalt ausdrücklich oder konkludent gedroht haben. Eine solche Drohung existiert bereits im Tatbestand. Der Zwang wiederholt somit lediglich die qualifizierte Drohung. Weiterhin genügt es, wenn sich das Opfer in einer Notlage oder im Gefängnis befindet. Eine Notlage kann nur bedeuten, dass das Opfer hilflos war. Entweder ist es in seinen mentalen oder körperlichen Verteidigungsfähigkeiten eingeschränkt oder es fehlt an Fluchtmöglichkeiten. Diese Variante erinnert an die deutsche Konstruktion der Ausnutzung einer schutzlosen Lage. Allerdings bedeutet dies, dass das Opfer eine Nachteilszufügung durch den Täter befürchten muss, ansonsten könnte es sich der sexuellen Handlung widersetzen. Die hilflose Lage allein, veranlasst niemanden einen Geschlechtsverkehr über sich ergehen zu lassen, sondern nur die Gefahr, sich dem Täter ohne Verteidigungschancen gegenüber zu sehen. Daraus muss aber gefolgert werden, dass das Opfer eine größere Schadenszufügung als die sexuelle Handlung erwartet, wenn es dem Ansinnen des Täters nicht nachgibt. Aus dem Täterverhalten muss sich schlüssig ergeben, dass dem Opfer ein empfindlicher Schaden droht, wenn es sich nicht der sexuellen Handlung hingibt. Wenn ein Opfer eingesperrt wird, liegt darin bereits eine Gewaltanwendung. Das Opfer wird nämlich in seinen Abwehrfähigkeiten durch das Einsperren lahmgelegt; es kann sich der sexuellen Handlung nicht entziehen, womit ein Willensbruch erreicht wird. Insofern wird die Inhaftierung in einem Gefängnis bereits durch das Zwangsmittel der Gewalt abgedeckt.1605 Selbst wenn der Vergewaltiger nicht persönlich für das Einsperren verantwortlich ist, sondern das Opfer lediglich in dieser Lage vorfindet, so macht er sich die Gefangennahme des Opfers zunutze. Es spielt keine Rolle, wer die Gewalt verübt. Die Gewalthandlung kann auch von einem Mittäter oder Gehilfen durchgeführt werden.1606 1605 Lackner/Kühl, § 177, Rn. 4; Fischer, § 177, Rn. 5–6 m.w. N.; Rössner, in: FS für Leferenz, S. 257; Hillenkamp, NStZ 1989, S. 529; Kruse/Sczesny, KJ 1993, S. 336; Sick, Sexuelles Selbstbestimmungsrecht, S. 148; SK-Horn, § 177, Rn. 10; LK-Laufhütte/ Roggenbuck, § 177, Rn. 43 ff. mit weiteren Beispielen; MK-Renzikowski, § 177, Rn. 24 mit vielen Beispielen von Gewaltanwendungen. 1606 Vgl. dazu die Ausführung oben: 4. Kapitel III. 3. e) gg) (1); ferner: Quintero Olivares/Valle Muñiz, Comentarios al Nuevo CP, S. 293 f.; Vives Anton/Orts Berenguer, Derecho Penal, Lección XI, I, 2.3.3; Blackstone’s Criminal Practice, B3.11; Jefferson, Criminal Law, S. 574.

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5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Ferner kann ein psychologischer Druck einen Zwang beim Opfer hervorrufen. Was genau unter einem psychologischen Druck zu verstehen ist, ist nicht sicher. Allerdings bedarf auch ein Druck entweder eine Gewaltanwendung oder ein Inaussichtstellen eines Nachteils, ansonsten könnte das Opfer keinen Zwang auf seine Willensfreiheit verspüren. Da nur von einem psychologischen Druck gesprochen wird, ist davon auszugehen, dass es sich nicht um eine Gewaltanwendung handeln kann, weil diese einen körperlichen Zwang auslösen würde. Der psychologische Druck kann somit nur von einer Drohung ausgehen. Die Wortwahl „psychologischer Druck“ gegenüber einer Drohung mit einem konkreten Nachteil vermittelt den Eindruck, dass das in Aussicht gestellte Übel unterhalb der Schwelle einer Körperverletzung und Tötung liegt. Es kann somit durchaus die Ansicht vertreten werden, dass eine einfache Drohung mit einem empfindlichen Übel anstatt einer qualifizierten Drohung ausreicht. Jedoch muss das angedrohte Übel mit einer Vergewaltigung vergleichbar sein, weil die Drohung ansonsten nicht in der Lage wäre, den Willen des Opfers zu beugen. Zum Schluss wird noch der Machtmissbrauch als Zwangsmoment genannt. Geht der Missbrauch von einer staatlichen oder sonst organisierten Macht aus, ist das Opfer dem Täter faktisch schutzlos ausgeliefert. Es kann sich dem Ansinnen des Täters nicht widersetzen, ohne einen Nachteil durch den Funktionsträger (Inhaftierung, „Verschwinden-Lassen“ eines Angehörigen, finanzielle Einbußen, Gewalt) zu erleiden. Insofern liegt auch in dem Machtmissbrauch wieder eine Androhung eines Nachteils für das Opfer, wenn es sich der sexuellen Handlung entgegen stellen sollte. Da sich der Zwang stets in eine mentale und körperliche Komponente aufteilen lässt, wird er jeweils von der Gewalt oder der einfachen Drohung erfasst und ist eigentlich neben diesen traditionellen Nötigungsmitteln überflüssig. Auch kann die Zwangsumgebung nicht anders bewertet werden. Sie hilft dem Rechtsanwender nur, darauf zu achten, dass auch die Umstände der Tat gewalttätig sein (z. B. Massentötungen, Massenvergewaltigung, Verstümmelungen vor den Augen des Opfers an Angehörigen seiner Bevölkerungsgruppe) und eine solche Angst beim Opfer hervorrufen können, dass es nicht mehr nötig ist, dass der Täter eine Drohung ausspricht oder konkret Gewalt gegenüber dem Opfer anwendet. Jedoch liegt in der Verwendung der äußeren Schreckensumstände eine konkludente Drohung des Täters, die gleiche Gewalt am Opfer zu verüben, wenn es sich der sexuellen Handlung verweigert. Damit hätten alle Zwangssituationen durchaus unter dem Zwangsmittel der einfachen Drohung erfasst werden können. In der Aufzählung der einzelnen Gründe für einen Zwang und der Zwangsumgebung kann eine Interpretationshilfe für die Gewaltanwendung und die einfache Drohung gesehen werden. Diese Zwangsmomente, die grundsätzlich keine Rolle bei einer Vergewaltigung in Friedenszeiten spielen, werden durch die Aufzählung als separate Nötigungsmittel besonders hervorgehoben, und machen darauf aufmerksam, dass die völkerrechtliche Vergewaltigung im Rahmen ei-

I. Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der ermittelten Definitionen

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nes Kriegsverbrechens, Menschlichkeitsverbrechens und Völkermords begangen wird. Auch wenn sich formal-rechtlich die beiden Vergewaltigungsdefinitionen bezüglich der Nötigung unterscheiden, stimmen sie jedoch materiell-rechtlich überein. Die einfache Drohung inkludiert sowohl den Zwang als auch die Zwangsumgebung. Die Aufzählung der Zwangsvarianten und der Zwangsumgebung dient dazu, den Rechtsanwender darauf hinzuweisen, dass die Vergewaltigung als Einzeltat innerhalb eines völkerrechtlichen Rahmenverbrechens begangen wird, welche bereits das Vorliegen von Zwangsumständen voraussetzen. Es ist nicht zu erwarten, dass die unterschiedliche Ausformulierung zu einer abweichenden Behandlung gleich gelagerter Fälle in der Praxis führen wird. Zwar ist die mit der Aufnahme der Tatbestandsmerkmale des Zwangs und der Zwangsumgebung beabsichtigte Sensibilisierung der Praktiker nicht bedeutungslos, weil die staatliche Jurisprudenz in der Vergangenheit dazu neigte, sehr subtile Drohungen zu übersehen, welche sich aus den Gesamtumständen der Tat konkludent ergaben. Jedoch hat sich diese engstirnige Sichtweise nach den Reformen im staatlichen Recht und der feinfühligen Rechtsprechung der beiden Ad-hoc-Tribunale auf internationaler Ebene korrigiert, so dass heutzutage nicht mehr die Gefahr besteht, dass zu hohe Anforderungen an die konkludente Drohung gestellt werden. Nachteilig an diesen Tatmitteln ist aber, dass sie im nationalen Recht eher unbekannt sind und somit einer Auslegung bedürfen, was nicht nur umständlich ist, sondern durchaus Anlass zum Streit über die Bedeutung dieser Tatbestandselemente geben kann. Auslegungsbedürftige Begriffe können unterschiedliche Interpretationen und damit eine abweichende Gerichtspraxis hervorrufen. Damit führen diese neuen Begriffe des Zwangs und der Zwangsumgebung eher zu einer Verunsicherung des Norminhalts, als dass sie eine Klarstellung des zu eng angewandten Merkmals der konkludenten Drohung bewirken. Die Beschränkung auf lediglich zwei traditionelle Nötigungsmittel, deren Inhalt in allen Rechtsordnungen der Welt bekannt ist, bietet eine größere Rechtsklarheit und damit Rechtssicherheit. Die eigentliche Abweichung der zwei zu untersuchenden Tatbestände ergibt sich vielmehr aus der einseitigen Erweiterung der Nötigungsmittel um die geistige Unfähigkeit, ein Einverständnis geben zu können. Nach dem Tatbestand, der aus der hiesigen Rechtsvergleichung ermittelt wurde, werden nicht erzwungene sexuelle Handlungen an einem willensunfähigen Opfer nicht erfasst. Das Opfer muss geistig in der Lage gewesen sein, eine Zustimmung zu geben. War es jedoch aufgrund seiner altersbedingten, verminderten Verstandesreife, aufgrund einer geistigen Behinderung oder beigebrachten Beeinträchtigung der Geistesfähigkeiten (Alkohol, Drogen, Bewusstlosigkeit, Schlaf) unfähig, die Handlung oder ihre Auswirkungen zu verstehen oder einen Gegenwillen zur sexuellen Handlung zu bilden, stellt die sexuelle Handlung keine Vergewaltigung dar.

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5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

In den „Civil Law“-Rechtsordnungen wird eine solche Person meist nur nach einem Missbrauchstatbestand geschützt, der über einen geringeren Strafrahmen verfügt als eine erzwungene sexuelle Handlung. Missbrauchsopfer sind insofern nicht schutzlos gestellt. Im Völkerstrafrecht existieren jedoch keine Missbrauchsvorschriften neben der Vergewaltigung, so dass solche in den Geistesfähigkeiten beeinträchtigte Opfer aufgrund der Nötigungsvoraussetzung faktisch ohne Strafrechtsschutz dastehen. In den anglo-amerikanischen Rechtsordnungen und Frankreich existiert allerdings auch neben einer Nötigung die Alternative des Ausnutzens einer fehlenden Geistesfähigkeit im Vergewaltigungstatbestand. Folglich stellt sich die Frage, ob die Aufnahme der geistigen Beeinträchtigung neben den Nötigungsmitteln aufgrund der limitieren Sexualtatbestände im Völkerstrafrecht eine sinnvolle Lösung darstellt. Im vierten Kapitel wurde eine Gegenüberstellung der anglo-amerikanischen Lösung gegenüber der kontinentaleuropäischen Lösung vorgenommen mit dem Ergebnis, dass die Vorteile der kontinentaleuropäischen Lösung gegenüber den Nachteilen der anglo-amerikanischen Lösung überwiegen.1607 Dabei wurde festgestellt, dass ein Vergewaltigungstatbestand, der sich auf Nötigungsmittel beschränkt, der Bewertung entspricht, eine erzwungene sexuelle Handlung sei ein schwereres Unrecht als das von einem Täter verwirklichte, der lediglich den Schwächezustand eines anderen Menschen ausnutzt. Zudem tritt im ersten Fall die besonders verwerfliche Gesinnung des Täters hinzu. Die systematische Trennung zwischen Nötigungssexualtatbeständen und sexuellen Missbrauchstatbeständen in kontinentaleuropäischen und teilweise auch – aufgrund der zahlreichen Abstufungen der Sexualtatbestände – in den amerikanischen Rechtsordnungen, basiert gerade auf diesem Unterschied des Tatunrechts und des Schuldvorwurfs an den Täter. Das Verbot der Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte verbietet es, unterschiedlich schwere Strafhandlungen unter demselben Tatbestand mit demselben Strafrahmen zu kumulieren. Würde die Missbrauchshandlung unter dem gleichen Tatbestand der Vergewaltigung verfolgt werden, muss darin eine Benachteiligung des Täters gesehen werden. Im Umkehrschluss wird das vom Täter verwirklichte Unrecht nicht ausreichend geahndet, wenn ein erzwungener Geschlechtsverkehr unter einem Tatbestand abgehandelt wird, der auch ein sexuelles Verhalten unter Strafe stellt, das ohne einen entgegenstehenden Willen zu brechen oder zu beugen, durchgeführt wurde. Problematisch ist allerdings bei der Ablehnung einer Kombination des genötigten Opfers und des willensunfähigen Opfers in einem Tatbestand, dass auch die Penetration an einem geistig oder körperlich behinderten oder zeitweise beeinträchtigten Menschen generell strafwürdig ist, weil sie in den meisten Rechtsordnungen unter Strafe gestellt wird, im Völkerstrafrecht bisher aber keine Miss1607

Siehe die Argumentation im 4. Kapitel III. 3. g).

I. Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der ermittelten Definitionen

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brauchstatbestände existieren. Es könnte vorgebracht werden, dass es nach dem Gerechtigkeitsgedanken materiell-rechtlich besser wäre, diese Missbrauchsvariante unter dem Tatbestand der Vergewaltigung einzufügen, als sie ungestraft zu lassen. Es bestünde auf der Strafzumessungsebene die Möglichkeit, das geringere Tatunrecht aufgrund des Fehlens einer Nötigung mittels einer gemilderten Strafe zu kompensieren. Diese Argumentation würde zwar aus der Sicht einiger „Civil Law“-Länder einen Systembruch zwischen Nötigung und Missbrauch einleiten, auf der anderen Seite aber eine strafwürdige Handlung nicht straflos stellen. Die Lücke im Völkerstrafrecht, die schlicht daher rührt, dass nur eine begrenzte Anzahl an Straftatbeständen als Einzeltaten eines Rahmenverbrechens entwickelt wurden, könnte rechtfertigen, dogmatisch „saubere“ Lösungen zugunsten einer „praktikablen“ Gerechtigkeit zurücktreten zu lassen. Ob die Aufnahme eines widerstandsunfähigen Opfers im Vergewaltigungstatbestand dem Gerechtigkeitsgedanken entspricht, bleibt aber zweifelhaft. Konkret streitig sind nur diejenigen Fälle, in denen die Opfer keinen Widerwillen fassen können. D.h. das Opfer muss bewusstlos, schlafend, oder so betrunken, betäubt oder geistig zurückgeblieben sein, dass es die Handlung nicht begreift oder nicht wahrnimmt. Es handelt sich im Völkerstrafrecht aber um Vergewaltigungen in Krisenzeiten wie einer Völkermordkampagne, während eines Krieges, systematischen oder massenhaften Tötungen und anderen Gewalthandlungen. Es stehen sich mindestens zwei Bevölkerungsgruppen feindlich gegenüber. Die Vergewaltigung wird sich nicht wie in Friedenszeiten an einem ruhigen, verlassenen Ort zwischen sich meist bekannten Tätern und Opfern abspielen, sondern zwischen den verfeindeten Bevölkerungsgruppen mit dem entsprechenden Hass und Misstrauen seit mehreren Generationen. Die in der Übermacht stehende Bevölkerungsgruppe wird Mitglieder der verfeindeten, unterlegenen Gruppe in ihren Häusern, Straßen, Schulen, mit mehreren Soldaten überfallen, in Schach halten, in Lager einsperren. Der Fall, dass der Täter sich an einem zeitweise geistig beeinträchtigen Opfer (betrunken, betäubt, schlafend) vergeht, ist in diesem Umfeld zwar möglich, aber stellt allerhöchstens nur eine Randerscheinung der massenhaften Vergewaltigungen im bewaffneten Konflikt dar. Es geht den Tätern meist um die Entwürdigung und Terrorisierung des Opfers und seiner Bevölkerungsgruppe, um somit die Moral der Feindesgruppe zu zerstören, Rache zu nehmen, ein Fliehen der unerwünschten Menschen zu beschleunigen und/oder eventuell eine Rückkehr in militärisch gewonnene Gebiete zu verhindern.1608 Diese Ziele können aber nicht verwirklicht werden, wenn lediglich eine mentale Schwäche ausgenutzt wird, ohne dass das Opfer einen Gegenwillen gebildet hat. Dies soll nicht heißen, dass nicht durchaus geistig beeinträchtigte Opfer Ziel eines sexuellen Übergriffs werden können. Wichtig ist zu verste1608 Siehe dazu die Vergewaltigungsbeispiele und Erläuterungen zur Vergewaltigung im Krieg im 2. Kapitel.

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5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

hen, dass es sich eben nicht um einen Missbrauch handelt, nur weil ein geistig unterlegener oder behinderter Mensch das Objekt der sexuellen Handlung ist. Selbst ein Kind, das die sexuelle Handlung noch nicht begreift, wird sich verbal und körperlich gegen die mit Gewalt und Schmerzen durchgeführte sexuelle Handlung wehren. Das Gleiche muss für einen geistig zurückgebliebenen Menschen gesagt werden. Der Fall existierte, dass Soldaten in Visegrad in Ex-Jugoslawien in ein Heim für behinderte Menschen eingedrungen waren. Die Mädchen hatten sich aus Angst vor den bewaffneten Männern versteckt, geweint oder geschrien.1609 Der Gegenwille dieser behinderten Opfer war durchaus präsent und äußerlich feststellbar. Es handelte sich gerade nicht um die typische Missbrauchsform eines geistig eingeschränkten Menschen, der leichter zu einer Handlung motiviert, überredet, getäuscht werden kann als ein gesunder erwachsener Mensch, der das egoistische Ansinnen eines anderen und die Tat als solche sowie sein Recht, sich zur Wehr setzen zu können, richtig einschätzen kann. Auch in den nationalen Strafordnungen wird eine Strafbarkeit nach den Nötigungssexualtatbeständen nicht aufgrund der Existenz von Missbrauchstatbeständen aufgehoben.1610 Hat sich das behinderte Opfer gewehrt oder ablehnend gezeigt, und der Täter hat die Handlung mit einer Kraftentfaltung oder Drohung durchgeführt, besteht eine Strafbarkeit wegen Vergewaltigung. Missbrauchstatbestände haben vielmehr nur eine Auffangfunktion, wenn ein geistig geschwächter Mensch gegenüber einem gesunden erwachsenen Menschen im Hintertreffen liegt, weil er nicht gleich versteht, dass er sich und wie er sich gegen den Täter wehren kann und der Täter aufgrund dieser Schwäche gar keine Nötigungsmittel einsetzen muss. Wird aber ein behinderter oder sonst wie geistig beeinträchtigter Mensch mit Gewalt oder sonstigen Zwang zu einer sexuellen Handlung gezwungen, steht ihm der gleiche Strafrechtsschutz zu wie einem gesunden Menschen. Ansonsten würde man einen geistig beeinträchtigten Menschen diskriminieren. Nimmt man nun in einem Vergewaltigungstatbestand sowohl die Nötigungshandlung als auch einen Missbrauch an einem willensunfähigen Opfer auf, muss wie bereits erwähnt wurde, die geringere Schuld des Angeklagten auf Strafzumessungsebene kompensiert werden. Die Gefahr besteht nun, dass die Tat als ein Missbrauch eines geistig behinderten Menschen behandelt wird, wenn Anzeichen für eine eingeschränkte Geistesfähigkeit vorliegen, obwohl sich das Opfer gegen die Tat gewehrt oder ausgesprochen hat, also genauso wie ein gesunder Mensch zur Tat genötigt wurde. Das Unrecht würde dann über die Tatvariante der eingeschränkten Geistesfähigkeiten zu einem minder schweren Fall auf der Strafzumessungsebene degradiert werden. Aufgrund der Rahmenbedingungen einer völkerstrafrechtlichen Vergewaltigung, reduziert sich der Anwendungsbereich eines Missbrauchs faktisch auf be1609 1610

Siehe: CID, Ich flehte um meinen Tod, S. 165–168. Vgl. die Argumentation bei: Oberlies, ZStW 114, 2002, S. 130–147.

I. Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der ermittelten Definitionen

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wusstlose oder so schwer behinderte Menschen, die zu keinen geistigen Aktivitäten mehr fähig sind; eine Gruppe von Menschen, die relativ gering ist.1611 Grundsätzlich kann die Anzahl der möglichen Opfer kein ausschlaggebendes Kriterium sein, weil dies dem Grundsatz eines gerechten Strafrechts zu wider laufen würde. Im Völkerstrafrecht ist aber ganz besonders der Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts zu würdigen. Bisher hat sich in der Spruchpraxis der Tribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda kein wirkliches Bedürfnis für eine Strafbarkeit dieser Fälle der Willensunfähigkeit gezeigt. Die Gerechtigkeit einer Strafrechtsordnung lässt sich nicht daran messen, dass alles strafwürdige Verhalten unter Strafe gestellt wird. Nur ein Strafrecht, das sich am Unrechtsgehalt einer Tat und an der kriminellen Kraftentfaltung und Einstellung eines Täters orientiert, ist verhältnismäßig und kann dem Anspruch eines gerechten Strafens genügen. Diese Verhältnismäßigkeit der Tatbestände zueinander zeigt sich auch in nationalen Strafgesetzen. Die Straftaten werden nach der Verletzung des Rechtsguts katalogisiert und innerhalb eines Abschnitts werden weitere Unterscheidungen im Tatunrecht mittels verschiedener Tatbestände berücksichtigt. Erst die Unterscheidungen ermöglichen es, einen Tatbestand mit einer fairen Strafandrohung zu versehen. Wer, nur um eine mögliche und dazu noch relativ seltene, strafwürdige Missbrauchshandlung nicht ungesühnt zu lassen, diese in einen Gewalttatbestand integriert, verwirft diesen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, indem er das Tatunrecht des Missbrauchs eines geistig beeinträchtigten Opfers nicht mit einer angemessenen Schuldzuweisung und Strafandrohung versieht. Es ist sachlich gerechtfertigt und konsequent zu vertreten, im völkerrechtlichen Vergewaltigungstatbestand eine Kombination der Nötigungsvariante mit einem Missbrauchstatbestand zu vermeiden und allein auf eine Nötigung zur sexuellen Handlung abzustellen.1612 4. Vorsatz Die Ad-hoc-Tribunale haben sich nicht mit der subjektiven Seite des Tatbestands auseinandergesetzt. Art. 30 IStGH-Statut setzt grundsätzlich ein vorsätzliches Handeln voraus, es sei denn, es ist eine andere subjektive Voraussetzung in den EOC aufgeführt, was bei der Vergewaltigung nicht der Fall ist. Entsprechend der unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale „Verhalten“, „Folge“ und „Umstand“, muss der Täter ent1611 Dies beweist auch die Tatsache, dass in all den Büchern und Artikeln, die sich der Wiedergabe von Vergewaltigungen in bewaffneten Konflikten widmen, nur ein Fall in Ex-Jugoslawien gefunden wurde, indem auch behinderte Menschen Opfer der Vergewaltigungen wurden. 1612 Es spricht allerdings nichts dagegen, einen separaten Missbrauchstatbestand in die Reihe der Sexualdelikte einzuführen, um diesen Opferkreis entsprechend schützen zu können, sollten die Vertragsstaaten ein soziales Bedürfnis für eine solche Strafbarkeit sehen.

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5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

weder den Umstand gekannt haben bzw. von einer hohen Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts bei gewöhnlichem Tatverlauf ausgegangen sein oder aber die Handlung gewollt bzw. den Erfolgseintritt akzeptiert haben. Auf die Vergewaltigung bezogen bedeutet dies, dass der Täter die sexuelle Invasion sowie die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit Gewalt oder Zwang gewollt haben muss. Das Vorliegen einer Zwangsumgebung muss ihm bekannt gewesen sein. Ferner muss er gewusst haben, dass die Anwendung von Gewalt, die Drohung, der Zwang oder das Ausnutzen der Zwangsumgebung zur Willensbeugung des Opfers geführt hat, welches ihm die Durchführung des Sexualverkehrs ermöglicht bzw. erleichtert hat. Sollte er ein willensunfähiges Opfer vergewaltigt haben, muss er die geistige Beeinträchtigung gekannt haben. Der Täter muss ebenfalls vom Fehlen eines Einverständnisses des Opfers gewusst haben.1613 Es ist somit in Bezug auf die Handlungen und die Tatumstände der Vergewaltigung ein direkter Vorsatz („dolus directus“ 2. Grades) erforderlich. Die Rechtsvergleichung hat dagegen ergeben, dass ein Eventualvorsatz für die Vergewaltigung genügt. Zwar war das Ergebnis aufgrund der so unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale der verschiedenen staatlichen Vergewaltigungstatbestände nicht so einfach darzustellen. Deutschland, Frankreich und Spanien setzen generell einen Eventualvorsatz voraus; England und die USA stimmen dem hinsichtlich des Merkmals des fehlenden Einverständnisses und der Beeinträchtigung der geistigen und körperlichen Abwehrfähigkeiten zu. Lediglich die Vermutungsvoraussetzungen in England und die Gewalt- und Täuschungshandlungen in den USA müssen mit einem direkten Vorsatz begangen werden. In Kalifornien wird zusätzlich ein direkter Vorsatz für die das Einverständnis ausschließenden Gründe (wie Schlaf, Bewusstlosigkeit und das mangelnde Verständnis des Opfers über die Natur der Handlung) verlangt.1614 Es ist als unproblematisch zu betrachten, wenn die anglo-amerikanischen Tatbestände wie auch das IStGH-Statut grundsätzlich einen direkten Vorsatz für eine Handlung voraussetzen. Auch nach der kontinentaleuropäischen Mindestvoraussetzung des Eventualvorsatzes wird stets ein direkter Vorsatz zu einer Täterhandlung vorliegen. Denn der Täter muss in dem Moment, in dem er die Handlung ausführt, gewusst haben, dass er die Handlung begeht. Es ist schlecht möglich, dass er nur die Wahrscheinlichkeit seines Handelns erkannt hat oder die von seinem Willen getragene Handlung nur billigend in Kauf genommen hat. Die Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Vorsatz kann nur bei den anderen beiden Tatbestandsmerkmalen wie dem Erfolg und der Tatumstände eine Rolle spielen. Da die Vergewaltigung kein Erfolgsdelikt ist, spielt der Eventualvorsatz eigentlich nur beim Tatumstand eine Rolle. Tatumstände sind nach beiden Defi-

1613 1614

Siehe dazu oben: 4. Kapitel II. 2. d). Siehe dazu oben: 4. Kapitel III. 4. a) ff).

I. Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der ermittelten Definitionen

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nitionen die Beeinträchtigung der Geistesfähigkeiten (positives Tatbestandsmerkmal) und das fehlende Einverständnis (negatives Tatbestandsmerkmal). Nach Art. 30 IStGH-Statut kommt es auf eine positive Kenntnis der Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten und des fehlenden Einverständnisses an. Nach den staatlichen Rechtsordnungen reicht hingegen ein Eventualvorsatz ( „recklessness“) zum fehlenden Einverständnis und soweit im objektiven Tatbestand enthalten, zur geistigen Beeinträchtigung des Opfers aus. Es ist grundsätzlich widersinnig, einen Täter straffrei zu stellen, wenn er zwar nicht positiv wusste, aber aufgrund der Tatsituation hätte wissen müssen, dass das Opfer nicht zugestimmt hat oder dass es aufgrund einer geistigen Beeinträchtigung nicht hätte zustimmen können. Ein Täter, der die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit erkennt, dass das Opfer kein Einverständnis gegeben hat oder geben konnte, hat keine geringere Schuld auf sich geladen, als ein Täter, der positiv weiß, dass das Opfer die Handlung nicht wollte oder es ihr nicht zustimmen konnte. Letztlich hat er gewusst, welchen Schaden er dem Opfer zufügt und diesen hingenommen, obwohl es ihm ein Leichtes war, diesen Schaden durch Nachfragen zu verhindern. Daher wird – wie in der Rechtsvergleichung dargestellt – in allen Rechtsordnungen ein Täter bestraft, der zwar keine positive Kenntnis von den fraglichen Tatumständen hatte, er aber die Möglichkeit eines fehlenden Einverständnisses erkannte. Die Vorverfahrenskammer des IStGH versuchte die Voraussetzung des direkten Vorsatzes in Art. 30 IStGH-Statut hinsichtlich des Erfolgsmerkmals herabzusetzen und dem „Civil Law“-Verständnis des „dolus eventualis“ anzunähern. Auf eine entsprechende Auslegung ist hinsichtlich des fehlenden Einverständnisses zu hoffen.1615 1615 Decision of Confirmation of Charges, Lubanga PTC I, ICC 01/04–01/06, 29.01.2007: Die Vorverfahrenskammer hatte den in Element 3 zu Art. 8 (2) (b) (xxvi) IStGH-Statut geringeren Vorsatzstandard („the perpetrator knew or should have known“) an Stelle des direkten Vorsatzes nach Art. 30 IStGH-Statut („with intent and knowledge“) zur Anwendung gebracht, obwohl es dafür weder im Statut noch im Völkergewohnheitsrecht eine Grundlage gab. In der Einführung zu den EOC unter Nr. 2 ist festgelegt, dass subjektive Tatbestandsmerkmale in den EOC der allgemeinen Vorsatzregelung gem. Art. 30 IStGH-Statut nur dann vorgehen, wenn sie auf dem Statut basieren. Die Hauptverfahrenskammer wandte letztlich einen direkten Vorsatz an, weil die Staatsanwaltschaft nicht auf die Verurteilung der Angeklagten nach einem geringen Vorsatzstandard („should have known“) bestanden hatte, Prosecutor v. Lubanga, ICC01/04–01/06, 14.03.1012, Para. 1007–1018, 1015. Auch wurde bereits vor der Entscheidung der Vorverfahrenskammer des IStGH zu Art. 30 IStGH argumentiert, dass zwar nach dem Wortlaut ein Dolus Eventualis hinsichtlich eines Erfolgs nicht genüge, jedoch eine Gleichgültigkeit hinsichtlich eines Umstandes (wie z. B. das Alter des Opfers) nach Art. 30 vertretbar sei. Vgl. Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC-Commentary, S. 933: „With regard to consequences dolus eventualis is indeed excluded as, according to Art. 30 Abs. 2 b), the perpetrator must be aware that the consequence will occur in the ordinary course of events, thus requiring certainty and not mere speculation, whilst indifference may suffice with regard to other elements of the crime, such as the age of the victim.“

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5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Ferner spricht für das generelle Erfordernis eines Eventualvorsatzes entsprechend des Ergebnisses der Rechtsvergleichung, dass es einfacher ist, einen Mindeststandard für den gesamten Tatbestand aufzustellen, als für jedes Tatbestandsmerkmal eine unterschiedliche Vorsatzform festzulegen.1616 Zum einen, weil nicht immer einfach festzustellen ist, ob es sich um ein Verhalten, einen Tatumstand oder eine Folge der Handlung handelt. Zum anderen, weil nach dem Gerechtigkeitsgedanken, dem verwirklichten Tatunrecht und des Schuldvorwurfs, eine solche Strafbarkeitserweiterung geboten ist. Es ist daher auf internationaler Ebene zu empfehlen, den Eventualvorsatz als subjektives Mindestunrecht eines jeden Tatbestandsmerkmals festzulegen. 5. Irrtum Der Irrtum wurde vor den Ad-hoc-Tribunalen nicht problematisiert. Es trat kein Fall auf, bei dem sich der Täter auf einen guten Glauben an ein Einverständnis des Opfers berufen hatte. Die Situationen waren von Gewalt geprägt und meist waren sich Täter und Opfer fremd, so dass der Vortrag eines Irrtums über ein Einverständnis geradezu lächerlich gewesen wäre. Nach Art. 32 IStGH führt eine Fehlvorstellung des Täters über einen tatbegleitenden Umstand zu einem Vorsatzausschluss („mistake of fact“). Auch ist nach der Rechtsvergleichung ein Irrtum über ein Einverständnis möglich, welcher den Vorsatz zur Tat ausschließt. Der Täter muss der Fehlvorstellung erlegen sein, dass das Opfer mit der Handlung einverstanden war. Der Irrtum muss nicht aus Sicht eines objektiven Dritten nachvollziehbar sein, es genügt, dass der Täter ernsthaft an ein Einverständnis geglaubt hat. Allerdings sind die (objektiven) Tatumstände nicht irrelevant. Absurde Irrtümer können insoweit auf der Beweisebene als Schutzbehauptungen des Täters entlarvt werden, wenn nicht feststellbar sein sollte, woraus der Täter aus seiner subjektiven Sicht bei dem ermittelten Sachverhalt ein Einverständnis des Opfers entnommen haben will. Wie schon die Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale gezeigt hat, ist aber kaum mit einer Irrtumsproblematik von Vergewaltigungen unter den Rahmenbedingungen eines Völkermords, Menschlichkeits- und Kriegsverbrechen zu rechnen. Der Irrtum ist bei einer völkerrechtlichen Vergewaltigung eher ein theoretisches Problem. 6. Ergebnis Die Definition der beiden Ad-hoc-Tribunale hat sich eindeutig als unvollständig und nicht mehr zeitgemäß erwiesen. Beide neueren Definitionen der Verge1616 Dass Art. 30 IStGH-Statut als nicht besonders gelungen zu bezeichnen ist, wurde bereits weiter oben erwähnt, siehe 4. Kapitel II. 2. d). Kritik wurde an der unlogischen Vermischung kognitiver und voluntativer Komponente in der Vorsatzdefinition in Art. 30 Abs. 2 IStGH-Statut geäußert.

I. Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der ermittelten Definitionen

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waltigung – sowohl nach den EOC als auch nach der Rechtsvergleichung – haben die Tathandlung um weitere sexuelle Handlungen (Einführung von Körperteilen, „umgekehrte Vergewaltigung“) bereichert. Die Definitionen sind eindeutig geschlechtsneutral, was bedeutet, dass nun jedermann Täter oder Opfer der Tat sein kann. Durch die Aufnahme des „Ausnutzens einer Zwangsumgebung“ im EOCTatbestand wird der Besonderheit des Völkerstrafrechts Rechnung getragen, dass eine Vergewaltigung im Rahmen eines Krieges, einer Völkermordkampagne oder von systematischen bzw. massenhaften Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wird, was zur Folge hat, dass das Opfer bereits ohne besonderes Zutun des Täters einen schweren, meist körperlichen Zwang empfindet. Auch der Zwang als Nötigungsmittel, welcher typische Situationen in Kriegsgebieten (Machtmissbrauch, Gefangennahme, Notlage) aufgreift, unterstreicht den besonderen völkerstrafrechtlichen Aspekt des Verbrechens. Es ist anzunehmen, dass die Delegierten mit den Tatbestandselementen des „Zwangs“ und des „Ausnutzens einer Zwangsumgebung“ der bekannten restriktiven Auslegung der traditionellen Nötigungsmittel der Gewalt und der Drohung im nationalen Strafrecht begegnen wollten, um sicherzustellen, dass jede denkbare Zwangslage erfasst wird, die das Opfer an seiner freien Willensbetätigung hindern könnte. Letztlich hat sich aber gezeigt, dass diese „neuen“ Zwangsmittel durchaus von den traditionellen Nötigungsmitteln erfasst werden. Um sicher zu gehen, dass auch andere, für das Opfer genauso schweren Zwänge wie die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit einer Gefahr für Leib oder Leben Berücksichtigung finden, wurde im Vergewaltigungstatbestand der Rechtsvergleichung die einfache Drohung mit einem empfindlichen Übel als Kompromiss zum vagen Zwang und anderen, nur vereinzelt vorkommenden Nötigungsmitteln (wie zukünftige Drohungen, Ausnutzung einer schutzlosen Lage) aufgenommen. Es konnte hier aufgezeigt werden, dass auch auf internationaler Ebene eine solche Vorgehensweise der Dogmatik des Strafrechts und dem Gleichheitsgrundsatz entspricht und die in den EOC aufgenommenen zusätzlichen Zwangsmethoden zwar auf den besonderen Ablauf der Vergewaltigung in bewaffneten Konflikten hinweisen, aber mehr der Konkretisierung der konkludenten Drohung dienen. Nicht geteilt werden konnte die Ansicht, dass es im Vergewaltigungstatbestand einer Strafbarkeit eines Missbrauchs geistig beeinträchtigter Menschen bedarf. Dagegen sprach das schwere Tatunrecht, dass mit einer Gewalthandlung oder Drohung verwirklicht wird sowie die schwere Traumatisierung und körperliche Verletzung des Opfers, die mit einer erzwungenen sexuellen Handlung einhergeht. Ferner ist die Tätergesinnung um einiges verwerflicher, wenn er sein sexuelles Ansinnen mit Gewaltmitteln ohne Rücksicht auf das körperliche und seelische Leid, welches er dem Opfer zufügt, erzwingt. Weiterhin sprach gegen eine Vereinigung der Nötigungsvergewaltigung mit einer sexuellen Missbrauchssituation, das Verbot, Ungleiches gleich zu behandeln.

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5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

Das zwar unstreitig strafwürdige Verhalten des Täters, einen geschwächten Menschen zu seiner eigenen rücksichtslosen Befriedigung zu einem Lustobjekt zu degradieren, es aber in einem grundsätzlich auf der Nötigung basierenden Vergewaltigungstatbestand einzugliedern, konnte dogmatisch nicht überzeugen. Gerade der Gerechtigkeitsgedanke fordert eine Systematisierung bestimmter Handlungen nach dem Tatunrecht und dem Täter zu machenden Schuldvorwurf mit einer adäquaten Strafandrohung in einen Strafkatalog. Die Verurteilung eines sexuellen Missbrauchs mit der gleichen Schärfe einer Nötigungsvergewaltigung würde dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Schutz des Angeklagten vor einer ungerechtfertigten Härte des Gesetzes zuwider laufen. Das Völkerstrafrecht verfügt nur über wenige materiell-rechtliche Vorschriften. Dies führt zu einem nicht nur wie im staatlichen Strafrecht fragmentarischen, sondern auch oft zu einem undifferenzierten bzw. lückenhaften materiellen Strafrecht. Der Grund ist offenkundig. Das Völkerstrafrecht greift schwerwiegend in die Souveränität der Staaten ein. Eine Einigkeit zwischen den Staaten, welche für die Rechtsschaffung von Nöten ist, kann daher nur selten und nur für die schwersten Verbrechen erzielt werden. Eine differenzierte Strafkompetenz wie auf staatlicher Ebene zu fordern, wäre aber auch aus praktischen Gründen nicht ratsam. Die nationalen und internationalen Strafgerichte könnten den daraus resultieren Arbeitsumfang gar nicht bewältigen, so dass der strenge Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts im Völker(straf)recht durchaus angebracht ist. Sachlich zutreffend ist es daher, im Vergewaltigungstatbestand eine Nötigung vorauszusetzen und nicht auch ein reines Ausnutzen einer Schwäche des Opfers genügen zu lassen.

II. Kriminalpolitische Empfehlung Das Ergebnis der Rechtsfindung eines völkerrechtlichen Tatbestands der Vergewaltigung hat ergeben, dass dieser nur aus einer wertenden Rechtsvergleichung nationaler Vorschriften gewonnen werden kann. Die Analyse der Gerichtspraxis der Ad-hoc-Tribunale bzw. der Vorbereitungskommission zu den Verbrechenselementen der Vergewaltigung haben gezeigt, dass sie nicht mehr den aktuellen Stand des Vergewaltigungstatbestands wiedergeben und nach einer Gegenüberstellung dieser Tatbestandsvarianten mit der rechtsvergleichenden Vergewaltigungsdefinition auch nicht wirklich in der Sache für sich den Zuschlag gewinnen. Problematisch an dieser Rechtsfindungsmethode im Völkerstrafrecht ist aber, dass ein in der Praxis überzeugender Nachweis einer Strafnorm über die subsidiäre Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht wirklich durchführbar ist. Denn zum einen wird dabei von einem Praktiker eine erheblich zu zeitaufwendige Recherche verlangt. Nationale Strafgesetze werden von Zeit zu Zeit Reformen unterzogen, womit sich die aus einer Rechtsvergleichung gewonnene

II. Kriminalpolitische Empfehlung

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Vorschrift im Fluss befindet. Dies bedeutet, dass die Rechtsvergleichung stets erneut durchgeführt werden muss, um den aktuellen Stand des Rechts wiedergeben zu können. Zum anderen kann das Ergebnis aufgrund der subjektiven Bewertungsmethode jederzeit in Frage gestellt werden. Die subjektive, also vom Verfasser abhängige, Auswertung des Untersuchungsmaterials beginnt bereits bei der Auswahl der Staaten, die an der Rechtsvergleichung teilnehmen sollen. Dies hängt hauptsächlich von den Sprachkenntnissen, aber auch vom Interesse des Verfassers ab (so z. B. die unterschiedlichen Zielrichtungen eines Staatsanwalts oder eines Strafverteidigers). Ferner kann ein Tatbestandsmerkmal nicht nach einem Mehrheitssystem aufgenommen oder abgelehnt werden, sondern die Entscheidung für eine Tatbestandsvariante bedarf einer subjektiven Wertung, welches Tatbestandsmerkmal sachlich zu befürworten ist, um auf diesem Wege eine unentschiedene Rechtslage oder eine fehlende bzw. nicht ganz eindeutige Übereinstimmung in den untersuchten Rechtsordnungen zu vermeiden. Um eine solche sachliche Wertung vornehmen zu können, wird der Rechtsanwender nicht verhindern können, dass staatliche Rechtsüberzeugungen und die in seinem Staat erlernte Dogmatik in die Auslegung einfließen werden. Zudem besteht die Gefahr, dass mangelnde Kenntnisse ausländischer Gesetze zu Fehlinterpretationen führen. Zwar wurde mit der Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze ein Mittel gegen die Stagnation des Völkerstrafrechts aufgrund der fehlenden Staatenpraxis gefunden.1617 Sie verhilft viele Lücken im Völkerstrafrecht zu schließen, so auch hier die Frage nach einem allgemeingültigen Vergewaltigungstatbestand. Allerdings bleibt ein unbefriedigendes Gefühl, sich aufgrund der zahlreichen subjektiven Entscheidungen für oder gegen konkrete, nationalrechtliche Regelungen, um auf diese Weise gemeinsame Grundsätze mit supranationalem Geltungsanspruch abzuleiten, sich an der Grenze zur Rechtsschaffung zu bewegen. Um die völkerstrafrechtliche Rechtsfindung nicht nur zu vereinfachen, sondern auch sicherer zu gestalten, besteht ein politisches Bedürfnis das hier gefun1617 Nach Ansicht der meisten Autoren kann die fehlende Staatenpraxis im Völkergewohnheitsrecht mit einer stärkeren Betonung der allgemeinen Rechtsgrundsätze kompensiert werden. Auch wenn die allgemeinen Rechtsgrundsätze nur subsidiär zur Anwendung kommen sollen, kommt ihnen angesichts des lückenhaften Zustands des geschriebenen und ungeschriebenen Völkerstrafrechts eine besondere Bedeutung zu. Stellvertretend für andere: Kreß, ZStW 111, 1999, S. 608 ff.; Ambos, Internationales Strafrecht, S. 86, Rn. 7 m.w. N. Nicht richtig ist aber die häufige Vorgehensweise, anstatt eine Staatenpraxis nachzuweisen, sich auf die Zitierung von internationalen Urteilen zu beschränken. Dass die Vergewaltigung vor den Ad-hoc-Tribunalen verfolgt wurde und insofern eine weitrechende Praxis existiert, ist richtig. Die Strafkammern der Ad-hoc-Tribunale sind aber unbestreitbar kein Teil der Judikative eines Staates. Sie stellen somit keine staatliche Praxis dar, sondern weisen nur den Inhalt einer völkerrechtlichen Norm nach. Die völkerrechtliche Norm der Vergewaltigung basiert auf der subsidiären Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze der wichtigsten Staaten dieser Welt.

586

5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

dene Ergebnis auf eine andere Rechtsquelle des Völkerstrafrechts zu übertragen. Die juristisch optimale Lösung wäre ein Völkerstrafgesetzbuch mit dem hier ermittelten Tatbestand der Vergewaltigung zu schaffen. Der Vorteil wäre, dass durch die Ratifikation des Vertrags der wichtigsten Staaten dieser Erde ein universelles Völkerstrafgesetz kodifiziert werden könnte, welches klar und einfach für jedes internationale, semi-internationale und nationale Gericht einen völkerrechtlichen Tatbestand der Vergewaltigung zur Verfügung stellen würde. Die Rechtsfindung wäre im Vergleich zum Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Strafbarkeit und der besonders schwierigen Ermittlung der dritten Völkerrechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze um ein Vielfaches einfacher. Sie würde der nationalen Situation, dem Vorfinden von Rechtsnormen in Strafgesetzen, gleichen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Arbeiten an einem universellen Völkerstrafgesetzbuch sind zum Erliegen gekommen. Das IStGH-Statut wird von den Staaten wie ein Quasi-Völkerstrafgesetzbuch behandelt. Es scheint, dass das Statut von Rom der letzte Vertragsschluss zum materiellen Völkerstrafrecht bleibt.1618 Solange es an einem entsprechenden Vertragswerk zu den Verbrechenselementen fehlt1619, müssen das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze als konstruktiver Ausgangspunkt völkerstrafrechtlicher Normenbildung betrachtet werden, auch wenn sie schwierig zu identifizieren sind. Ein weiterer Vorschlag zur Vereinfachung der Rechtsfindung des Vergewaltigungstatbestands ist, anstatt auf eine vertragliche Entwicklung zu warten, eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung des hiesigen Tatbestands voranzutrei1618 Ambos, Internationales Strafrecht, S. 82 f., Rn. 2; BR-Drs. 716/1999, 99; ähnlich: Lagodny, ZStW 113, 2001, S. 801, 808. Denkschrift der Bundesregierung zum deutschen Ratifikationsgesetz: „Es ist damit gelungen, das Völkerstrafrecht unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Strafrechtssysteme der Mitgliedstaaten der VN mit ihren jeweiligen Traditionen in einem einheitlichen Kodifikationswerk zusammenzuführen und fortzuentwickeln.“ 1619 Die EOC sind zwar auf den völkerrechtlichen Vertrag zum IStGH-Statut von Rom zurückzuführen. Die Unterzeichnerstaaten des völkerrechtlichen Vertrags haben eine Expertengruppe autorisiert, die Verbrechenselemente auszuformulieren und schließlich 4 Jahre später angenommen. Die Experten durften sich aber lediglich auf das bestehende Völkergewohnheitsrecht bzw. die allgemeinen Rechtsgrundsätze berufen, weil sie keine Kompetenz hatten, neues Recht zu schaffen, sondern nur zur Klarheit des bestehenden Rechts beitragen sollten. Somit sind die Verbrechenselemente nicht Teil eines völkerrechtlichen Vertrags, sondern beruhen auf Völkergewohnheitsrecht oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Hätte man den EOC den Rang eines völkerrechtlichen Vertrags zubilligen wollen, hätten sie in den völkerrechtlichen Vertrag mit aufgenommen werden müssen. Denn nur dann hätten alle Vertragsparteien die EOC tatsächlich ratifiziert, anstatt sie nachträglich über eine 2/3 Mehrheit der Vertragsparteien bestätigen zu lassen. Die Vertragsverhandlungen wären vermutlich gescheitert. Daher wurden sie dem Gerichtshof nur als Auslegungshilfe und nicht als verbindliche Rechtsquelle an die Hand gegeben.

III. Fazit der Untersuchung

587

ben. Der Vorzug wäre, dass eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung einer Norm auch diejenigen Staaten bindet, die sich weigern, dem IStGH-Statut und konsequenterweise auch weigern würden, sich einem potentiellen Völkerstrafgesetzbuch anzuschließen. Zwar gestaltet sich generell der Nachweis einer ungeschriebenen, völkergewohnheitsrechtlichen Norm schwieriger als einen abstrakten Tatbestand aus einem Vertragstext zu entnehmen. Jedoch könnte der Tatbestand durch die zukünftige Anwendung vor Gericht aus einem Urteil in Form einer abstrakten Regelung gelesen werden.1620 Es wäre für den Rechtsanwender im Einzelfall nicht mehr notwendig, alle Instrumente erneut durchzuarbeiten, sondern er könnte zum Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm auf bestehende Untersuchungen verweisen. Eine Universalität eines Vergewaltigungstatbestands über eine fast weltweite Ratifikation eines neuen Vertrags zu erreichen, würde vermutlich sehr viel länger dauern. Der entscheidende Nutzen wäre, dass die erneute und sehr aufwendige Rechtsvergleichung verschiedener Staaten vermieden würde, um den jeweils aktuellen Stand dieser Rechtsquelle wiedergeben zu können. Da der EOC-Vergewaltigungstatbestand bisher noch nicht einmal zur Anwendung gekommen ist, geschweige denn zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt ist, steht einer völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung des hier ermittelten formell und materiell rechtmäßigen Tatbestands nichts im Wege. Es empfiehlt sich daher, den folgenden völkerrechtlichen Tatbestand der Vergewaltigung auf internationaler und nationaler Ebene anzuwenden, um ihn zu Völkergewohnheitsrecht erstarken zu lassen: Wer durch Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Leib- oder Lebensgefahr oder mit einem ähnlich empfindlichen Übel gegenüber einer Person bewirkt, dass er mit einem Körperteil oder einem Gegenstand in die Vagina oder den Anus einer anderen Person oder mit dem Penis in den Mund einer anderen Person eindringt, oder wer mit denselben Mitteln einen Mann dazu nötigt, mit seinem Penis in die Vagina, den Anus oder den Mund des Täters einzudringen, wird . . . bestraft. Zur Erfüllung des Tatbestandes genügt bereits eine geringe Penetration.

III. Fazit der Untersuchung Die Untersuchung hat gezeigt, dass das Völkerstrafrecht als relativ „junges“ Rechtsgebiet im Bereich des materiellen Rechts noch nicht vollständig entwickelt ist. Gerade Sexualstraftaten wurden bis Anfang der 1990iger Jahre vernachlässigt, so dass im Völkergewohnheitsrecht lediglich eine Strafbarkeit, aber kein Tatbestand nachgewiesen werden konnte. Die Tatbestandselemente konnten 1620 Die Anwendung vor dem IStGH und den Ad-hoc-Tribunalen würde dem Inhaltsnachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm behilflich sein, während die wiederholte Anwendung des Tatbestands vor nationalen Gerichten die Normentstehung bewirken könnte (Akt der Judikative). Ebenso trägt die Übernahme des Tatbestands in innerstaatliche Gesetze zur Normbildung bei (Akt der Legislative).

588

5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

nur aus der dritten, subsidiären Völkerrechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze mittels einer mühsamen Rechtsvergleichung der Sexualstrafgesetze der wichtigsten Staaten der Welt hergeleitet werden. Die Strafkammern der Ad-hoc-Tribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda hatten diesen Lösungsansatz zur Überwindung des lückenhaften Völkergewohnheitsrechts entwickelt. Sie deduzierten Tatbestandsdefinitionen aus einer allerdings verkürzten Rechtsvergleichung, um sexuelle Gewalt entsprechend des Bestimmtheitsgrundsatzes verurteilen zu können. Eine weitere Definition wurde von einer Vorbereitungskommission („Prep Com“) zur Ausformulierung der Verbrechenselemente (EOC) zu den Verbrechen des IStGH-Statuts zwischen 2000–2002 erarbeitet. Auch sie konnte nur aus der Herausarbeitung einer Übereinstimmung der wesentlichen Staaten der Welt zu den Tatbestandsmerkmalen der Vergewaltigung stammen, denn es stand dieser Expertengruppe nicht zu, neues Rechts zu verfassen, sondern lediglich bestehendes Recht zu deklarieren. Die EOC sind eben nicht Bestandteil des völkerrechtlichen Vertrags zu Rom.1621 Bis dato konnten Tatbestandsmerkmale der Vergewaltigung nur aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen staatlicher Rechtsordnungen entnommen werden, welche durch die Urteile zur Vergewaltigung der Ad-hoc-Tribunale inhaltlich festgehalten wurden. Da die hier erarbeitete Definition und die beiden anderen ermittelten Tatbestände nicht identisch sind, folgt daraus zumindest eine materiell-rechtliche Konkurrenz. Eine glaubwürdige kriminalpolitische Empfehlung verlangte eine Gegenüberstellung der drei Tatbestände in Bezug auf ihre Vor- und Nachteile. Materiell-rechtlich ergab die Abwägung der drei Definitionen, dass der aus der hiesigen Rechtsvergleichung gewonnene Vergewaltigungstatbestand völkerstrafrechtlich die angemessene Lösung darstellt. Der Kunarac-Definition mangelte es an der Aufnahme einer strafwürdigen und mit den anderen strafbaren Varianten vergleichbaren sexuellen Handlung (Einführen von Körperteilen) in den Tatbestand sowie der nötigen Geschlechtsneutralität. Weiter fehlte es dem uneingeschränkten Merkmal des fehlenden Einverständnisses an Bestimmtheit. Die EOC-Definition führte neben den Nötigungsmitteln auch ein Tatbestandselement des fehlenden Einverständnisses (Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten) ein und erweiterte damit eine gewaltsame Vergewaltigung um einen Missbrauchstatbestand. Diese Erweiterung war im Völkerstrafrecht nicht mit einem weitgreifenden Opferschutz zu rechtfertigen, weil nicht jede Verletzung schützenswerter Rechtsgüter im Völkerstrafrecht unter Strafe gestellt ist, sondern nur höchst gewaltsame Handlungen mit schwersten körperlichen und seelischen Folgen für das Opfer geeignet sind, als Einzeltat eines völkerrechtlichen Verbrechens aufgenommen zu werden. Außerdem stellen die hier ermittelten Tatbestandsmerkmale der 1621

Vgl. die Ausführungen im 3. Kapitel III. 1. b) ff).

III. Fazit der Untersuchung

589

Gewaltanwendung und der Drohung mit einem empfindlichen Übel auf eine in fast allen Rechtsordnungen bekannte Terminologie ab. Diese beiden Nötigungsmittel sind durch die innerstaatlichen Rechtsprechungen und Literaturmeinungen bis ins Detail bekannt, während die EOC-Definition weitere, vage oder im staatlichen Strafrecht eher unbekannte Nötigungsmittel wie den Zwang oder die Zwangsumgebung mit einbezieht. Aber auch formell gesehen besteht eine Konkurrenz zwischen den Tatbeständen. Zwar beruhen alle drei Tatbestände auf derselben Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze, lediglich die Aktualität variiert. Da sich die Rechtsquelle wesentlichen Änderungen unterzogen hat, d. h. viele staatliche Rechtsordnungen haben besonders seit dem Ende der 1990iger Jahre das Sexualstrafrecht reformiert, geben besonders die Tribunals-Definition, aber auch die 2002 verabschiedete EOC-Definition nicht mehr den aktuellen Stand der staatlichen Rechtsordnungen wieder und müssen von der hier 2013 ermittelten Definition als zeitlich überholt betrachtet werden. Eine formelle Konkurrenz besteht aber zwischen dem EOC-Tatbestand und dem aus der Rechtsvergleichung stammenden Tatbestand. Die EOC wurden nur für die Anwendbarkeit auf die Verbrechen des IStGH-Statuts niedergelegt. Sie haben keinen universalverbindlichen Charakter für die Anwendung vor anderen Gerichten, es sei denn, sie verkörpern den Stand des jetzigen, allgemeingültigen Rechts. Da aber die wertende Rechtsvergleichung eine Trennung zwischen einer Nötigung und einem Missbrauch zur sexuellen Handlung als Ergebnis erbracht hat, kann der EOC-Tatbestand nicht als konform mit dem allgemeinverbindlichen Tatbestand der Vergewaltigung erachtet werden. Der Aufspaltung in einen vor dem IStGH anzuwendenden Vergewaltigungstatbestand und einen weiteren, der vor allen anderen Gerichten anzuwenden ist, ist entgegenzutreten. Denn er führt zu einer Verunsicherung im Hinblick auf den tatsächlich aktuellen universellen Vergewaltigungstatbestand. Er ist somit der Fortentwicklung eines allgemein anerkannten Völkerstrafrechts eher hinderlich. Denn sollte die im EOC-Dokument niedergelegte Ausformulierung materiell-rechtlich nicht (mehr) mit dem Völkergewohnheitsrecht bzw. den allgemeinen Rechtsgrundsätzen übereinstimmen, müssten die Verbrechenselemente zur Vergewaltigung – ähnlich einer Verfassungswidrigkeit im staatlichen Recht – als nicht mit dem IStGH-Statut in Einklang bewertet werden.1622 Denn die in den EOC enthaltene Vergewaltigungsdefinition würde aufgrund der fehlenden Kompetenz der Vorbereitungskommission zum Abschluss von Völkerverträgen nicht (mehr) auf einer Rechtsquelle des Völkerstrafrechts beruhen. Die Annahme der EOC durch die Vertragsstaatenversammlung kann einen solchen Fehler nicht beheben. Hätten

1622 A. A.: Decision of Confirmation of Charges, Lubanga PTC I, ICC 01/04–01/06, 29.01.2007, in der die Vorverfahrenskammer den EOC den gleichen Status wie dem IStGH-Statut selbst eingeräumt hat. Offengelassen in: Prosecutor v. Lubanga, ICC-01/ 04–01/06, 14.03.1012, Para. 1007–1018, 1015.

590

5. Kap.: Der Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht

die Staatsdelegierten ihre eigenen Verbrechenselemente schaffen wollen, hätten sie diese durch einen völkerrechtlichen Vertrag annehmen müssen. Da sie sich nur zur Ausformulierung des damaligen Völkerstrafrechts geeinigt hatten, konnten sie nur die Definition der Vergewaltigung aufnehmen, die durch eine wertende Rechtsvergleichung innerstaatlicher Gesetze ermittelt werden konnte. Ob nun das Recht damals ein anderes war als heute, soll dahinstehen. Es kann hier keine zweite intensive Rechtsvergleichung zum damaligen Recht erbracht werden. Die amerikanischen Gesetzgebungen deuten zumindest im Vergleich zum englischen Tatbestand, welcher noch die Nötigung und das Ausnutzen von Schwächen des Opfers in einem Tatbestand vereint, eine Änderung an. Sie unterscheiden zwar nicht wie die „Civil Law“-Staaten zwischen einem Gewaltverbrechen und einem Missbrauch, sie erkennen aber Grade von Sexualdelikten an, die entsprechend einer Nötigung oder Defekten der Willensbetätigung unterschiedliche Strafrahmen festlegen. Da der rechtsvergleichende Tatbestand der Vergewaltigung vom EOC-Tatbestand abweicht, besteht die Möglichkeit des Gerichtshofs, die EOC als nicht mehr konform mit der Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze zu erklären. Der IStGH ist nicht gezwungen die EOC-Definition anzuwenden, sondern es steht ihm frei, das bestehende Recht selbst zu ermitteln.1623 Dem IStGH obliegt sogar eine Pflicht, die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens der anzuwendenden Norm zu überprüfen, denn es kann den Verbrechenselementen nicht selbst überlassen werden, ihren Status zu klären. Der Gerichtshof kann durchaus zum Ergebnis kommen, dass der rechtsvergleichende Vergewaltigungstatbestand dem EOC-Tatbestand vorzuziehen ist. Der hier ermittelte Tatbestand kann somit vor jedem nationalen, semi-internationalen und internationalen Gericht – theoretisch auch vor dem IStGH – zur Anwendung kommen. Die Arbeit hat insgesamt den Nachweis erbracht, dass ein allgemeinverbindlicher Tatbestand der Vergewaltigung im Völkerstrafrecht existiert. Ferner überzeugt dieser Tatbestand im Vergleich zum EOC-Tatbestand sachlich. Er ist daher besser geeignet, durch wiederholte Anwendung zu Völkergewohnheitsrecht zu erstarken.

1623 Das IStGH-Statut beruht auf einem völkerrechtlichen Vertrag i. S. d. Art. 38 Abs. 1 a) IGH-Statut. Das schließt die Anwendung von Völkergewohnheitsrecht und allgemeinen Prinzipien nicht aus. Art. 21 Abs. 1 b) verweist sogar ausdrücklich auf die „principles and rules of international law“ und damit auf das Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsprinzipien i. S. v. Art. 38 IGH-Statut. Art. 21 Abs. 1 c) nimmt überdies auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze im rechtsvergleichenden Sinne als subsidiäre Rechtsquelle Bezug.

Annex I

Tabellarische Übersichten

Sexuelle Handlung

• Beischlaf • Analverkehr • Oralverkehr (Fellatio) • Einführen von Objekten in Vagina/Anus • Einführen von Körperteilen in Vagina/Anus • Besonders erniedrigende Handlungen (z. B. Fäkalerotik, Vierfüßlerstand, lange Dauer im Freien) • „Sich-PenetrierenLassen“ • Keine Masturbation oder sexuelle Handlung mit einem Dritten (eigenhändiges Delikt). Kann aber einen schweren Fall der sex. Nötigung darstellen

Deutschland

• Beischlaf • Analverkehr • Oralverkehr (Fellatio) • Einführen von Objekten in Vagina/Anus • Einführen von Körperteilen in Vagina/Anus • Keine Masturbation oder sexuelle Handlung mit einem Dritten

Frankreich • Beischlaf • Analverkehr • Oralverkehr (Fellatio) • Einführen von Objekten in Vagina/Anus • Einführen von Körperteilen in Vagina/Anus • „Sich-PenetrierenLassen“ • Keine Masturbation oder sexuelle Handlung mit einem Dritten

Spanien Vergewaltigung: • Beischlaf

New York

Orale Kopulation: • Oralverkehr (Kontakt zwischen Mund und Penis, Vagina oder Anus)

Sodomie: • Analverkehr

Ehe-Vergewaltigung: • Beischlaf

Vergewaltigung: • Beischlaf

Kalifornien

Sex. Penetration mit fremden Objekten: • Einführen von Objekten in Vagina/Anus • Einführen von Sex. Fehlverhalten: Körperteilen in • Beischlaf Vagina/Anus • Oralverkehr

Kriminelle sex. Handlung: • Analverkehr (Kontakt) • Oralverkehr Penetrationsangriff: (Kontakt zwischen • Einführen von Mund und Penis, Objekten in Vagina oder Anus) Vagina/Anus • Einführen von Schwerer Körperteilen in sex. Missbrauch: Vagina/Anus • Einführen von • „Sich-Penetrieren- Objekten in Lassen“ Vagina/Anus/ Penis/Harnröhre Keine Masturbation • Einführen eines oder sexuelle Hand- Fingers in Vagina/ lung mit einem Anus/Penis/HarnDritten röhre

Vergewaltigung: • Beischlaf • Analverkehr • Oralverkehr (Fellatio) • Kein „Sich-Penetrieren-Lassen“

England

Nationale Vergewaltigungstatbestände

592 Annex I

• Jedermann

• Jedermann

Täter

Opfer

Alle anderen Penetrationen: • Jedermann

Beischlaf • Nur eine Frau

Alle anderen Penetrationen: • Jedermann • Jedermann

Vaginaler, oraler, • Jedermann analerGeschlechtsverkehr: • Nur ein Mann

Alle anderen Penetrationen: • Jedermann

Beischlaf: • Nur eine Frau

Penetrationsangriff: • Jedermann

Vergewaltigung: • Nur ein Mann

• Jedermann

• Jedermann

(Fortsetzung nächste Seite)

• Jedermann

• Jedermann

• Sex. Handlung an „Sich-PenetrierenTieren oder Lei- Lassen“ bei allen chen sex. Handlungen möglich „Sich-Penetrieren- Keine Masturbation Lassen“ bei allen oder sexuelle sex. Handlungen Handlung mit eimöglich nem Dritten Keine Masturbation oder sexuelle Handlung mit einem Dritten

Nationale Vergewaltigungstatbestände 593

Nötigung

• Gewalt gegen Opfer oder nahestehende bzw. hilfeleistende Person (str.) • Drohung mit gegenwärtiger Leiboder Lebensgefahr für das Opfer oder eine nahestehende Person • Ausnutzen einer schutzlosen Lage & einfache Gewalt oder Drohung mit empfindlichem Übel • Kausal- und Finalzusammenhang • Opferperspektive • Nötigender und Vergewaltigender müssen identisch sein

Deutschland

• Gewalt gegen Opfer • Drohung mit empfindlichem Übel für das Opfer oder eine nahestehende Person • Zwang muss sich auf die Widerstandsfähigkeit des Opfers auswirken • Kausalität

Frankreich • Gewalt gegen Opfer • Drohung mit gegenwärtigem, empfindlichem Übel für Opfer oder Dritten • Kausalität • Objektive Sichtweise

Spanien

(Fortsetzung Tabelle „Nationale Vergewaltigungstatbestände“)

Keine Tbmerkmale, sondern Vermutungsklausel, welche ein fehlendes Einverständnis unterstellt bei: • Gewalt gegen Opfer oder Dritten • Drohung mit gegenwärtiger Gewalt (Tod oder Körperverletzung) für Opfer oder Dritten • Kausalität

England

Kalifornien

• Gewalt gegen • Gewalt gegen Opfer oder DritOpfer oder Dritten ten • Drohung mit ge- • Drohung mit genwärtiger Leib- gegenwärtiger oder LebensgeLeib- oder Lefahr oder Entfühbensgefahr für rung für das Opdas Opfer oder fer oder Dritten Dritten • Opferperspektive • Drohung mit ei• Kausalität ner zukünftigen Vergeltung für das Opfer oder Dritten (Entführung, Inhaftierung, Schmerzen, Leib- oder Lebensgefahr) • Drohung mit Verhaftung oder Auslieferung, Opfer muss begründet an Beamtenstellung des Täters glauben. Täter muss nicht tatsächlich Beamter sein

New York

594 Annex I

(Fortsetzung nächste Seite)

• Zwang (Auffangfunktion): Drohung mit einer gegenwärtigen oder zukünftigen Gewaltanwendung, Gefahr oder Vergeltung. Nachteil muss erheblich sein • bei zukünftigen Drohungen: wahrscheinliche Erfolgsrealisierung • Opferperspektive

Nationale Vergewaltigungstatbestände 595

Fehlendes Einverständnis

England

New York

• Ausnutzen einer • Sex. Handlung muss ohne • Sex. Handlung muss ohne Überraschung: Einverständnis des Opfers Einverständnis des Opfers Geistige oder erfolgen erfolgen körperliche Beein- • Kein Widerstand des Opfers • Kein Widerstand des Opfers trächtigung, nötig nötig Schock, Schlaf, • Vermutung eines unwiderleg- • Einverständnis fehlt, wenn Bewusstlosigkeit, baren fehlenden Einverständdas Opfer: Betäubung, Irrtum nisses, s. 76: – genötigt wird (s. o.) – Täuschung über Natur oder – unfähig ist, ein EinverZweck der sex. Handlung ständnis zu geben (jünger – Vorspiegelung der Identität als 17, geistig oder körpereiner dem Opfer bekannten lich behindert ist oder sich Person in der Obhut einer Anstalt, • Vermutung eines widerlegbaKrankenhaus oder Fürsorgeren fehlenden Einverständnisstelle oder Arzt-Patientenses, s. 75: verhältnis befindet) – Gewalt oder Drohung mit – beim sex. Missbrauch (und gegenwärtiger Gewalt beim erzwungenen Berühggü Opfer ren) der Handlung nicht – Gewalt oder Drohung mit ausdrücklich oder konklugegenwärtiger Gewalt dent zugestimmt hat ggü Drittem – bei der Vergewaltigung 3. – Rechtswidrige GefangenGrades oder kriminellen seschaft xuellen Handlung 3. Grades – Schlaf oder Bewusstlosigwährend der Tathandlung keit klar zum Ausdruck ge– Physische Behinderung bracht hat, dass es nicht zustimmt und eine vernünf-

Frankreich

(Fortsetzung Tabelle „Nationale Vergewaltigungstatbestände“)

• Sex. Handlung muss ohne Einverständnis des Opfers erfolgen • Kein Widerstand des Opfers nötig • Einverständnis liegt vor, wenn der Betroffene frei und willentlich handelt und die Natur der fraglichen Handlung oder Transaktion kennt. Die freie Willensbetätigung muss sich als eine positive Kooperation darstellen • Einverständnis kann bis zur Beendung der Tat zurückgezogen werden • Einverständnis fehlt, wenn das Opfer zur Zeit der Tatbegehung: – mit Gewalt oder Drohung genötigt wird (s.o) – geistig oder körperlich behindert ist – minderjährig ist – bewusstlos ist – schläft – die Handlung nicht kennt, wahrnimmt oder versteht,

Kalifornien

596 Annex I

– Verabreichung einer überwältigenden Substanz • Fehlendes Einverständnis gem. s. 74, wenn: – Keine informierte Entscheidung: Keine Kenntnis der sexuellen Handlung und ihrer Auswirkung. Täuschungen über die Zahlungsbereitschaft für Sex oder Geschlechtskrankheit schließen Einverständnis nicht aus – Keine geistige Fähigkeit: Geisteskrankheit, Lernschwäche oder Rausch – Keine Entscheidungsfreiheit: äußerer Zwang auf Opfer: Gewalt gegen Sachen, Drohung mit einem Übel, keine Vorteilsversprechung. Beurteilung nach Alter, Abwehrmöglichkeiten d. Opfers und Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts tige Person in der Situation des Täters die Worte und Handlungen des Opfers unter Berücksichtigung der Gesamtumstände als Ausdruck eines fehlenden Einverständnisses verstanden hätte (obj. Sichtweise)

(Fortsetzung nächste Seite)

– berauscht ist, – über die Identität des Täters, die Fakten zur Tat oder den Zweck getäuscht wird oder – der Täter in einem Staatsgefängnis inhaftiert ist Nationale Vergewaltigungstatbestände 597

Vorsatz

Eventualvorsatz: • Sex. Handlung • Nötigungsmittel • Kausal-Final-Zusammenhang

Deutschland

Eventualvorsatz: • Sex. Handlung • Nötigungsmittel • Überraschung • Kausalität

Frankreich Eventualvorsatz: • Sex. Handlung • Nötigungsmittel • Kausalität

Spanien

(Fortsetzung Tabelle „Nationale Vergewaltigungstatbestände“)

Eventualvorsatz: • Fehlendes Einverständnis

Direkter Vorsatz: • Sex. Handlung • Objektive Voraussetzungen der Vermutungsklauseln

England

Kalifornien

Direkter Vorsatz: • Sex. Handlung • Nötigungshandlung Eventualvorsatz: • Täuschungshand• Fehlendes Einlung verständnis • Schlaf • Geistige oder • Bewusstlosigkeit körperliche • Mangelndes Ver• Beeinträchtigung ständnis • Schlaf • Bewusstlosigkeit Fahrlässigkeit: • Arzt-Patienten • Betäubung oder Anstalts-Pa- • Beeinträchtigung tientenverhältnis der geistigen oder körperlichen FäVerschuldenshigkeiten unabhängig (strict liability) • Alter des Opfers

Direkter Vorsatz: • Sex. Handlung • Nötigungsmittel

New York

598 Annex I

Irrtum

• Tatbestandsirrtum • Tatbestandsirrtum • Tatbestandsirrtum • Tatbestandsirrtum über das fehlende über das fehlende über das fehlende über das fehlende Einverständnis Einverständnis Einverständnis Einverständnis schließt Vorsatz schließt Vorsatz schließt Vorsatz schließt Vorsatz aus und führt zur aus und führt zur aus und führt zur aus und führt zur Straflosigkeit Straflosigkeit Straflosigkeit Straflosigkeit • Ernsthafter Irr• Ernsthafter Irr• Ernsthafter Irr• Vermutungstum Beurteilung tum Beurteilung tum Beurteilung klauseln schlieaus Tätersicht aus Tätersicht aus Tätersicht ßen guten Glauaufgrund der obj. aufgrund der obj. aufgrund der obj. ben an ein EinTatumstände Tatumstände Tatumstände verständnis aus • Objektive Betrachtungsweise unter Berücksichtigung aller obj. Tatumstände, subj. Tätermerkmale und Schritte, die der Täter unternommen hat, um sich über das Einverständnis zu vergewissern • Tatbestandsirrtum über das fehlende Einverständnis schließt Vorsatz aus und führt zur Straflosigkeit • Irrtum über das Alter des Opfers ist unbeachtlich • Ernsthafter und begründeter Irrtum (subj.-obj. Sichtweise) • Eine IrrtumsBelehrung wird an die Jury nur gegeben, wenn der Täter nachweisen kann, dass sich das Opfer widersprüchlich verhalten hat • Tatbestandsirrtum über das fehlende Einverständnis schließt Vorsatz aus und führt zur Straflosigkeit • Ernsthafter und begründeter Irrtum (subj.-obj. Sichtweise) • Eine Irrtumsbelehrung wird an die Jury nur gegeben, wenn der Täter nachweisen kann, dass sich das Opfer widersprüchlich verhalten hat • Gewalt, Zwang, Drohung oder Angst vor einer kurz bevorstehenden rechtwidrigen Körperverletzung schließen einen begründeten Irrtum aus

Nationale Vergewaltigungstatbestände 599

600

Annex I Internationale Vergewaltigungstatbestände JStGH/RStGH

EOC

Rechtsvergleichung

Sexuelle Handlung

• • • •

Täter

• Vaginaler, oraler, • Jedermann analer Geschlechtsverkehr: Mann • Einführung von Objekten: Jedermann

• Jedermann

Opfer

• Beischlaf: Frau • Jedermann • Alle anderen Penetrationen: Jedermann

• Jedermann

Nötigung

• Gewalt, Drohung sind • Gewalt • Gewalt gegen Opfer nur Indizien für ein • Drohung mit Gewalt • Einfache Drohung fehlendes Einver• Zwang: Furcht, Not- • Kausalität ständnis situation, Gefangennahme, psychischer Druck, Machtmissbrauch. • Zwangsumgebung • Minderjährigkeit • Geistige Beeinträchtigung

Fehlendes Einverständnis

• Ohne Einverständnis: Wenn weitreichende oder systematische Verbrechen begangen werden, Krieg herrscht, eine Gefangenschaft besteht oder kein freier Wille ausgeübt wurde.

Beischlaf • Beischlaf Oralverkehr (Fellatio) • Oralverkehr (ManiAnalverkehr pulation der Zunge Einführung von an Penis, Vagina, Objekten in Vagina/ Anus genügt) Anus • Analverkehr • Einführung von Objekten in Vagina/ Anus • Einführung von Körperteilen in Vagina/ Anus • Sich-PenetrierenLassen

• Beischlaf • Oralverkehr (Manipulation der Zunge an Penis, Vagina, Anus genügt) • Analverkehr • Einführung von Objekten in Vagina/ Anus • Einführung von Körperteilen in Vagina/ Anus • Sich PenetrierenLassen

• Einverständnis schließt den Tatbestand aus

Internationale Vergewaltigungstatbestände JStGH/RStGH

EOC

601 Rechtsvergleichung

Der freie Wille ist im Zusammenhang mit den Tatumständen zu ermitteln Vorsatz

• (Direkter) Vorsatz zur • Direkter Vorsatz zur Penetration und zum Penetration und zum fehlenden Einverfehlenden Einverständnis ständnis Art. 30 IStGH-Statut

Irrtum

• Nicht problematisiert • Irrtum über ein Ein- • Irrtum über ein Einverständnis führt zum verständnis führt zum Vorsatzausschluss Vorsatzausschluss („mistake of facts“, Art. 32)

• Eventualvorsatz

Annex II

Nationale Straftatbestände der Vergewaltigung Ägypten Art. 267 Penal Code (i) Any person who copulates with a female without her consent is punished by penal servitude for life or for a certain period of time. If the offender is related to the child or responsible for the child’s upbringing or having authority over the child or serving her against salary or one of those previously mentioned, penalty of penal servitude of life is inflicted. Art. 268 Penal Code (i) Every one that rapes a human being by violence or threat or attempted to do so is punished by penal servitude for 3 to 7 years.

Albanien Art. 102 Penal Code – Nonconsensual sexual intercourse with mature women Commission of sexual intercourse with adult women by force is punished by three to ten years of imprisonment. If the sexual intercourse by force is committed in collusion with others, or repeatedly, or if serious consequences to health have been caused to the injured woman, it is punished by five to fifteen years of imprisonment. When the act lead to the death or suicide of the victim, it is punishable by ten to twenty years of imprisonment. Art. 102/a Penal Code – Homosexual intercourses by force with adults Commission of homosexual intercourse with adults by force is punished by two to seven years of imprisonment. If the homosexual intercourse by force is committed in collusion with others, or repeatedly, or if serious consequences are caused to the health of the victim, it is punished by five to ten years of imprisonment. If the offense results in the death or suicide of the victim, it is punished by ten to twenty years of imprisonment.

Nationale Straftatbestände der Vergewaltigung

603

Art. 103 Penal Code – Sexual and homosexual intercourse with persons unable to protect themselves Commission of sexual or homosexual intercourse, profiting from the physical or mental incapacity of the victim, or from putting him into an unconscious state, is punished by five to ten years of imprisonment. If the sexual or homosexual intercourse is committed in collusion with others, or repeatedly, or if serious consequences are caused to the health of the victim, it is punished by seven to fifteen years of imprisonment. If the offense results in the death or suicide of the victim, it is punished by ten to twenty years of imprisonment. Algerien Art. 335 Code Pénal Est puni de la réclusion à temps, de cinq à dix ans, tout attentat à la pudeur consommé ou tenté avec violence contre des personnes de l’un ou de l’autre sexe. Si le crime a été commis sur la personne d’un mineur de seize ans, le coupable est puni de la réclusion à temps, de dix à vingt ans. Art. 336 Code Pénal Quiconque a, commis le crime de viol est puni de la réclusion à temps, de cinq à dix ans. Si le viol a été commis sur la personne d’une mineure de seize ans, la peine est la réclusion à temps, de dix à vingt ans. Argentinien Art. 119 Código Pénal Será reprimido con reclusión o prisión de seis meses a cuatro años el que abusare sexualmente de persona de uno u otro sexo, cuando ésta fuera menor de trece años o cuando mediare violencia, amenaza, abuso coactivo o intimidatorio de una relación de dependencia, de autoridad, o de poder, o aprovechándose de que la víctima por cualquier causa no haya podido consentir libremente la acción. La pena será de cuatro a diez años de reclusión o prisión cuando el abuso, por su duración o circunstancias de su realización, hubiere configurado un sometimiento sexual gravemente ultrajante para la víctima. La pena será de seis a quince años de reclusión o prisión cuando mediando las circunstancias del primer párrafo hubiere acceso carnal por cualquier vía. En los supuestos de los dos párrafos anteriores, la pena será de ocho a veinte años de reclusión o prisión si:

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Annex II

a) Resultare un grave daño en la salud física o mental de la víctima, b) El hecho fuere cometido por ascendiente, descendiente, afín en línea recta, hermano, tutor, curador, ministro de algún culto reconocido o no, encargado de la educación o de la guardia, c) El autor tuviere conocimiento de ser portador de una enfermedad de transmisión sexual grave, y hubiere existido peligro de contagio, d) El hecho fuere cometido por dos o más personas, o con armas. e) El hecho fuere cometido por personal perteneciente a las fuerzas policiales o de seguridad, en ocasión de sus funciones. – f) El hecho fuere cometido contra un menor de dieciocho años, aprovechando la situación de convivencia preexistente con el mismo. En el supuesto del primer párrafo, la pena será de tres a diez años de reclusión o prisión si concurren las circunstancias de los incisos a), b), d), e), ó f). Armenien Art. 138 Penal Code – Rape 1. Rape, sexual intercourse of a man with a woman against her will, using violence against the latter or some other person, with threat thereof, or taking advantage of the woman’s helpless situation, is punished with imprisonment for the term of 3 to 6 years. 2. The rape which: 1) was done by a group of persons; 2) was done against the aggrieved or other person with particular cruelty; 3) was done against a minor; 4) caused the death of the aggrieved or heavy consequences, by negligence; 5) committed by a person previously convicted under Articles 138 and 139 of this Code; is punished with an imprisonment for the term of 4 to 10 years. 3. The actions mentioned in part 1 or 2 of this Article, against an aggrieved under 14 years of age, is punished with an imprisonment for the term of 8 to 15 years. Australien – New South Wales 61HA Crimes Act 1900 – Consent in relation to sexual assault offences (1) This section applies for the purposes of the offences under sections 61I, 61J and 61JA. (2) Meaning of consent A person „consents“ to sexual intercourse if the person freely and voluntarily agrees to the sexual intercourse. (3) Knowledge about consent A person who has sexual intercourse with another person without the consent of the other person knows that the other person does not consent to the sexual intercourse if:

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(a) the person knows that the other person does not consent to the sexual intercourse, or (b) the person is reckless as to whether the other person consents to the sexual intercourse, or (c) the person has no reasonable grounds for believing that the other person consents to the sexual intercourse. For the purpose of making any such finding, the trier of fact must have regard to all the circumstances of the case: (d) including any steps taken by the person to ascertain whether the other person consents to the sexual intercourse, but (e) not including any self-induced intoxication of the person. (4) Negation of consent A person does not consent to sexual intercourse: (a) if the person does not have the capacity to consent to the sexual intercourse, including because of age or cognitive incapacity, or (b) if the person does not have the opportunity to consent to the sexual intercourse because the person is unconscious or asleep, or (c) if the person consents to the sexual intercourse because of threats of force or terror (whether the threats are against, or the terror is instilled in, that person or any other person), or (d) if the person consents to the sexual intercourse because the person is unlawfully detained. (5) A person who consents to sexual intercourse with another person: (a) under a mistaken belief as to the identity of the other person, or (b) under a mistaken belief that the other person is married to the person, or (c) under a mistaken belief that the sexual intercourse is for medical or hygienic purposes (or under any other mistaken belief about the nature of the act induced by fraudulent means), does not consent to the sexual intercourse. For the purposes of subsection (3), the other person knows that the person does not consent to sexual intercourse if the other person knows the person consents to sexual intercourse under such a mistaken belief. (6) The grounds on which it may be established that a person does not consent to sexual intercourse include: (a) if the person has sexual intercourse while substantially intoxicated by alcohol or any drug, or (b) if the person has sexual intercourse because of intimidatory or coercive conduct, or other threat, that does not involve a threat of force, or (c) if the person has sexual intercourse because of the abuse of a position of authority or trust. (7) A person who does not offer actual physical resistance to sexual intercourse is not, by reason only of that fact, to be regarded as consenting to the sexual intercourse.

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Annex II

(8) This section does not limit the grounds on which it may be established that a person does not consent to sexual intercourse. Section 61I Crimes Act 1900 – Sexual assault Any person who has sexual intercourse with another person without the consent of the other person and who knows that the other person does not consent to the sexual intercourse is liable to imprisonment for 14 years. Section 61J Crimes Act 1900 – Aggravated sexual assault (1) Any person who has sexual intercourse with another person without the consent of the other person and in circumstances of aggravation and who knows that the other person does not consent to the sexual intercourse is liable to imprisonment for 20 years. (2) In this section, „circumstances of aggravation“ means circumstances in which: (a) at the time of, or immediately before or after, the commission of the offence, the alleged offender intentionally or recklessly inflicts actual bodily harm on the alleged victim or any other person who is present or nearby, or (b) at the time of, or immediately before or after, the commission of the offence, the alleged offender threatens to inflict actual bodily harm on the alleged victim or any other person who is present or nearby by means of an offensive weapon or instrument, or (c) the alleged offender is in the company of another person or persons, or (d) the alleged victim is under the age of 16 years, or (e) the alleged victim is (whether generally or at the time of the commission of the offence) under the authority of the alleged offender, or (f) the alleged victim has a serious physical disability, or (g) the alleged victim has a cognitive impairment, or (h) the alleged offender breaks and enters into any dwelling-house or other building with the intention of committing the offence or any other serious indictable offence, or (i) the alleged offender deprives the alleged victim of his or her liberty for a period before or after the commission of the offence. (3) In this section, „building“ has the same meaning as it does in Division 4 of Part 4. Australien – Südaustralien Section 46 Criminal Law Consolidation Act 1935 – 20-12-2009 – Consent to sexual activity (1) In this section – sexual activity includes sexual intercourse. (2) For the purposes of this Division, a person consents to sexual activity if the person freely and voluntarily agrees to the sexual activity.

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(3) Without limiting subsection (2), a person is taken not to freely and voluntarily agree to sexual activity if – (a) the person agrees because of – (i) the application of force or an express or implied threat of the application of force or a fear of the application of force to the person or to some other person; or (ii) an express or implied threat to degrade, humiliate, disgrace or harass the person or some other person; or (b) the person is unlawfully detained at the time of the activity; or (c) the activity occurs while the person is asleep or unconscious; or (d) the activity occurs while the person is intoxicated (whether by alcohol or any other substance or combination of substances) to the point of being incapable of freely and voluntarily agreeing to the activity; or (e) the activity occurs while the person is affected by a physical, mental or intellectual condition or impairment such that the person is incapable of freely and voluntarily agreeing; or (f) the person is unable to understand the nature of the activity; or (g) the person agrees to engage in the activity with a person under a mistaken belief as to the identity of that person; or (h) the person is mistaken about the nature of the activity. Example – A person is taken not to freely and voluntarily agree to sexual activity if the person agrees to engage in the activity under the mistaken belief that the activity is necessary for the purpose of medical diagnosis, investigation or treatment, or for the purpose of hygiene. Section 47 CLCA 1935 – Reckless indifference For the purposes of this Division, a person is recklessly indifferent to the fact that another person does not consent to an act, or has withdrawn consent to an act, if he or she – (a) is aware of the possibility that the other person might not be consenting to the act, or has withdrawn consent to the act, but decides to proceed regardless of that possibility; or (b) is aware of the possibility that the other person might not be consenting to the act, or has withdrawn consent to the act, but fails to take reasonable steps to ascertain whether the other person does in fact consent, or has in fact withdrawn consent, to the act before deciding to proceed; or (c) does not give any thought as to whether or not the other person is consenting to the act, or has withdrawn consent to the act before deciding to proceed. Section 48 CLCA 1935 – Rape (1) A person (the offender) is guilty of the offence of rape if he or she engages, or continues to engage, in sexual intercourse with another person who –

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Annex II

(a) does not consent to engaging in the sexual intercourse; or (b) has withdrawn consent to the sexual intercourse, and the offender knows, or is recklessly indifferent to, the fact that the other person does not so consent or has so withdrawn consent (as the case may be). Maximum penalty: Imprisonment for life. (2) A person (the offender) is guilty of the offence of rape if he or she compels a person to engage, or to continue to engage, in – (a) sexual intercourse with a person other than the offender; or (b) an act of sexual self-penetration; or (c) an act of bestiality, when the person so compelled does not consent to engaging in the sexual intercourse or act, or has withdrawn consent to the sexual intercourse or act, and the offender knows, or is recklessly indifferent to, the fact that the person does not so consent or has so withdrawn consent (as the case may be). Maximum penalty: Imprisonment for life. (3) In this section – compels – a person compels another person if he or she controls or influences the other person’s conduct by means that effectively prevent the other person from exercising freedom of choice; sexual self-penetration means the penetration by a person of the person’s vagina, labia majora or anus by any part of the body of the person or by any object.

Section 48A CLCA 1935 – Compelled sexual manipulation (1) A person (the offender) is guilty of an offence if he or she, for a prurient purpose, compels a person to engage, or to continue to engage, in – (a) an act of sexual manipulation of the offender; or (b) an act of sexual manipulation of a person other than the offender; or (c) an act of sexual self-manipulation, when the person so compelled does not consent to engaging in the act, or has withdrawn consent to the act, and the offender knows, or is recklessly indifferent to, the fact that the person does not so consent or has so withdrawn consent (as the case may be). Maximum penalty: (a) for a basic offence – imprisonment for 10 years; (b) for an aggravated offence – imprisonment for 15 years. (2) In this section – compels – a person compels another person if he or she controls or influences the other person’s conduct by means that effectively prevent the other person from exercising freedom of choice; prurient purpose – a person acts for a prurient purpose if the person acts with the intention of satisfying his or her own desire for sexual arousal or gratification or of providing sexual arousal or gratification for someone else;

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sexual manipulation means the manipulation by a person of another person’s genitals or anus (whether or not including sexual intercourse); sexual self-manipulation means the manipulation by a person of his or her genitals or anus (whether or not including sexual self-penetration, within the meaning of section 48). Australien – Queensland Section 116 Penal Code – Rape A person must not have sexual intercourse with anyone without the other person’s consent. Maximum penalty – life imprisonment. Section 117 Penal Code – Sexual assault A person must not unlawfully and indecently assault anyone. Maximum penalty – (a) life imprisonment, if the person – (i) inserts a part of the person’s body, other than the penis, or inserts anything else into the other person’s vagina, vulva or anus; or (ii) inserts the person’s penis into the other person’s mouth; or (b) 14 years imprisonment, if – (i) immediately before, when or immediately after committing the offence, the person – (A) does, or threatens to do bodily harm to anyone; or (B) is, or pretends to be, armed with a dangerous or offensive weapon or instrument; or (C) is in company with anyone; or (ii) the other person is under 16 years or at least 60 years; or (iii) the other person relies on a guide dog, wheelchair or other remedial device; or (c) 7 years imprisonment, in any other case. Australien – Victoria Section 38 Crimes Act 1958 – Rape (1) A person must not commit rape. Penalty: Level 2 imprisonment (25 years maximum). (2) A person commits rape if – (a) he or she intentionally sexually penetrates another person without that person’s consent – (i) while being aware that the person is not consenting or might not be consenting; or (ii) while not giving any thought to whether the person is not consenting or might not be consenting; or

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Annex II

(b) after sexual penetration he or she does not withdraw from a person who is not consenting on becoming aware that the person is not consenting or might not be consenting. (3) A person (the offender) also commits rape if he or she compels a person – (a) to sexually penetrate the offender or another person, irrespective of whether the person being sexually penetrated consents to the act; or (b) who has sexually penetrated the offender or another person, not to cease sexually penetrating the offender or that other person, irrespective of whether the person who has been sexually penetrated consents to the act. (4) For the purposes of subsection (3), a person compels another person (the victim) to engage in a sexual act if the person compels the victim (by force or otherwise) to engage in that act – (a) without the victim’s consent; and (b) while – (i) being aware that the victim is not consenting or might not beconsenting; or (ii) not giving any thought to whether the victim is not consenting or might not be consenting.

Section 38A Crimes Act 1958 – Compelling sexual penetration (1) A person must not compel another person to take part in an act of sexual penetration. Penalty: Level 2 imprisonment (25 years maximum). (2) A person (the offender) compels another person (the victim) to take part in an act of sexual penetration if – (a) the offender compels the victim to introduce (to any extent) an object or a part of his or her body into his or her own anus or, in the case of a female victim, her own vagina, other than in the course of a procedure carried out in good faith for medical or hygienic purposes; or (b) the offender compels the victim to take part in an act of bestiality within the meaning of section 59. (3) For the purposes of subsection (2), a person compels another person (the victim) to take part in an act of sexual penetration if the person compels the victim (by force or otherwise) to engage in that act – (a) without the victim’s consent; and (b) while – (i) being aware that the victim is not consenting or might not be consenting; or (ii) not giving any thought to whether the victim is not consenting or might not be consenting.

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Azerbajian Art. 149 Penal Code – Rape 149.1. Rape, is the sexual relations with application of violence or with threat of its application to the victim either to other persons, or with use of a helpless condition of the victim – is punished by imprisonment for the term of four to eight years. 149.2. The same action: 149.2.1. committed by a group of persons, by a group with a premeditated conspiracy or by an organized group; 149.2.2. which resulted in a victims infection of a venereal disease; 149.2.3. committed against the person, who is wittingly known as a minor to the guilty; 149.2.4. committed with a threat of murder or serious health damage of the victim or other persons, and also with cruelty; 149.2.5. committed repeatedly – is punished by imprisonment for the term of five to ten years. 149.3. The same action: 149.3.1. on negligence brought the death of the victim; 149.3.2. on negligence resulted by infection of the victim with a virus HIV or other serious consequences; 149.3.3. committed wittingly against a person under age of 14 – is punished by imprisonment for the term of eight to fifteen years.

Art. 150 Penal Code – Violent actions of sexual nature 150.1. Buggery or other actions of sexual nature, with application of violence or with threat thereof against the victim (male, female) or to other persons, or with use of a helpless condition of the victim (male, female) – is punished by imprisonment for the term of three to five years. 150.2. The same actions: 150.2.1. committed by a group of persons, by a group with a premeditated conspiracy or by an organized group; 150.2.2. which resulted in a victim’s (male, female) infection with venereal disease; 150.2.3. committed against the person, who is wittingly known as a minor to the guilty; 150.2.4. carried out with a particular cruelty against the victim (male, female) or against other individuals; 150.2.5. committed repeatedly – is punished by imprisonment for the term of five to eight years. 150.3. The same action: 150.3.1. on negligence brought the death of the victim (male, female);

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Annex II

150.3.2. on negligence resulted by infection of the victim with a virus HIV or other serious consequences; 150.3.3. committed wittingly against a person under age of 14 – is punished by imprisonment for the term of eight to fifteen years. Bahamas Section 3 of the Sexual Offences and Domestic Violence Act 1991 Rape is the act of any person not under fourteen (14) years of age having sexual intercourse with another person who is not his spouse – a) without the consent of that other person; b) with consent which has been extorted by threats or fear of bodily harm; c) with consent obtained by personating the spouse of that other person; or d) with consent obtained by false and fraudulent representations as to the nature and quality of the act. Section 4 of the Sexual Offences and Domestic Violence Act 1991 For the purpose of this act ,sexual intercourse‘ includes – a) sexual connection occasioned by any degree of penetration of the vagina of any person or anus of any person, or by the stimulation of the vulva of any person, by or with – i) any part of the body of another person, or ii) any object used by another person, – except where the penetration, or stimulation is carried out for proper medical purposes; and b) sexual connection occasioned by the introduction of any part of the penis of any person into the mouth of another person; and any reference in this Act to the act of having sexual intercourse includes a reference to any stage or continuation of that act. Section 6 of the Sexual Offences and Domestic Violence Act 1991 (1) Any person who commits rape is guilty of an offence and liable to imprisonment for life, subject to, on a first conviction for the offence, a minimum term of imprisonment of seven years and, in the case of a second or subsequent conviction for the offence, a minimum term of imprisonment of fourteen years unless the court having regard to the exceptional mitigating circumstances of the case sees fit to impose a lesser term of imprisonment than the minimum term. (2) Any person who attempts to commit rape, or assault any person with intent to commit rape, is guilty of an offence and liable to imprisonment for fourteen years, subject to, in the case of a second or subsequent conviction for the offence being a conviction on information, a minimum term of imprisonment of eight years unless the court

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having regard to the exceptional mitigating circumstances of the case sees fit to impose a lesser term of imprisonment than the minimum term.

Bahrein Art. 344 Penal Code Any person who assaults a female shall be liable for a prison sentence for a period not exceeding 10 years. A prison sentence shall be the penalty if the victim is less than 16 years of age. Art. 346 Penal Code A prison sentence for a period not exceeding 7 years shall be the punishment for any person who assaults a person against his will. The punishment shall be a prison sentence if the victim is less than 7 years of age. The penalty shall be imprisonment for a term no more than 10 years if the victim is more than seven years of age but has not reached the age of sixteen. Art. 353 Penal Code No penalty shall be inflicted against a person who has committed one of the crimes set forth in the preceding Articles if he was subject to a final court judgment before concluding the marriage, such judgment shall be subject to a stay of execution and its penal effects shall cases. Belgien Art. 375 Code Pénal Tout acte de pénétration sexuelle, de quelque nature qu’il soit et par quelque moyen que ce soit, commis sur une personne qui n’y consent pas, constitue le crime de viol. Il n’y a pas consentement notamment lorsque l’acte a été imposé par violence, contrainte ou ruse, ou a été rendu possible en raison d’une infirmité ou d’une déficience physique ou mentale de la victime. Quiconque aura commis le crime de viol sera puni de réclusion de cinq ans à dix ans. Si le crime a été commis sur la personne d’un mineur âgé de plus de seize ans accomplis, le coupable sera puni de la peine de la réclusion de dix à quinze ans. Si le crime a été commis sur la personne d’un enfant âgé de plus de quatorze ans accomplis et de moins de seize ans accomplis, le coupable sera puni de la peine de la réclusion de quinze à vingt ans. Est réputé viol à l’aide de violences tout acte de pénétration sexuelle, de quelque nature qu’il soit et par quelque moyen que ce soit, commis sur la personne d’un enfant qui n’a pas atteint l’âge de quatorze ans accomplis. Dans ce cas, la peine sera la réclusion de quinze à vingt ans. Elle sera de la réclusion de vingt ans à trente ans si l’enfant était âgé de moins de dix ans accomplis.

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Annex II Bolivien Art. 308 Código Penal (Violacíon)

El que tuviere acceso carnal con persona de uno u otro sexo, incurrirá en privación de libertad de cuatro a diez años, en los casos siguientes: 1) Si se hubiere empleado violencia física o intimidación. 2) Si la persona ofendida fuere una enajenada mental o estuviere incapacitada, por cualquier otra causa, para resistir. Si la violación fuere a persona menor que no ha llegado a la edad de la pubertad, el hecho se sancionará con la pena de diez a veinte años de presidio; y si como consecuencia del hecho se produjere la muerte de la víctima, se aplicará la pena correspondiente al asesinato. Bosnien-Herzegowina Art. 203 Penal Code – Rape (1) Whoever coerces another by force or by threat of immediate attack upon his life or limb, or the life or limb of someone close to that person, to sexual intercourse or an equivalent sexual act, shall be punished by imprisonment for a term between one and ten years. (2) Whoever perpetrates the criminal offence referred to in paragraph 1 of this Article in a particularly cruel or humiliating manner or if on the same occasion a number of perpetrators perform a number of acts of sexual intercourse or equivalent sexual acts against the same victim, shall be punished by imprisonment for a term between three and fifteen years. (3) If, by the criminal offence referred to in paragraph 1 of this Article, the death of the raped person is caused, or serious bodily injury is inflicted on the raped person or his health is severely impaired, or the raped female is left pregnant, the perpetrator shall be punished by imprisonment for not less than three years. (4) The punishment referred to in paragraph 2 of this Article shall be imposed on whoever perpetrates the criminal offence referred to in paragraph 1 of this Article out of hatred on the grounds of national or ethnic origin, race, religion, sex or language. (5) Whoever perpetrates the criminal offence referred to in paragraph 1 of this Article against a juvenile, shall be punished by imprisonment for not less than three years. (6) Whoever perpetrates the criminal offence referred to in paragraphs 2, 3 and 4 of this Article against a juvenile, shall be punished by imprisonment for not less than five years. (7) If, by the criminal offence referred to in paragraph 2 of this Article, the consequences referred to in paragraph 3 of this Article are caused, the perpetrator shall be punished by imprisonment for not less than five years.

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Botswana Section 141 Penal Code – Definition of rape Any person who has unlawful carnal knowledge of another person, or who causes the penetration of a sexual organ or instrument, of whatever nature, into the person of another for the purposes of sexual gratification, or who causes the penetration of another person’s sexual organ into his person, without the consent of such other person, or with such person’s consent if the consent is obtained by force or means of threats or intimidation of any kind, by fear of bodily harm, or by means of false pretences as to the nature of the act, or, in the case of a married person, by personating that person’s spouse, is guilty of the offence termed rape. Section 142 Penal Code – Punishment for rape (1) Any person who is charged with the offence of rape shall – ... (2) Where an act of rape is attended by violence resulting in injury to the victim, the person convicted of the act of rape shall be sentenced to a minimum term of 15 years’ imprisonment or to a maximum term of life imprisonment with or without corporal punishment. (3) Any person convicted of the offence of rape shall be required to undergo a Human Immune-system Virus test before he or she is sentenced by the court. (4) Any person who is convicted under subsection (1) or subsection (2) and whose test for the Human Immune-system Virus under subsection (3) is positive shall be sentenced – (a) to a minimum term of 15 years’ imprisonment or to a maximum term of life imprisonment with corporal punishment, where it is proved that such person was unaware of being Human Immune-system Virus positive; or (b) to a minimum term of 20 years’ imprisonment or to a maximum term of life imprisonment with corporal punishment, where it is proved that on a balance of probabilities such person was aware of being Human Immune-system Virus positive. (5) Any person convicted and sentenced for the offence of rape shall not have the sentence imposed run con-currently with any other sentence whether the other sentence be for the offence of rape or any other offence. Brasilien Art. 213 Código Penal – Estupro Constranger alguém, mediante violência ou grave ameaça, a ter conjunção carnal ou a praticar ou permitir que com ele se pratique outro ato libidinoso Pena – reclusão, de 6 (seis) a 10 (dez) anos. § 1o Se da conduta resulta lesão corporal de natureza grave ou se a vítima é menor de 18 (dezoito) ou maior de 14 (catorze) anos: Pena – reclusão, de 8 (oito) a 12 (doze) anos. § 2o Se da conduta resulta morte: Pena – reclusão, de 12 (doze) a 30 (trinta) anos.

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Annex II Art. 213 StGB – Vergewaltigung: (freie Übersetzung der Verfasserin)

Wer einen anderen zu einem Geschlechtsverkehr oder zur Vornahme oder Duldung einer anderen sexuellen Handlung zwingt, wird mit Freiheitsstrafe von 6 bis zu 10 Jahre bestraft. § 1 Wenn das Verhalten zu einer schweren Körperverletzung des Opfers führt oder das Opfer jünger als 18 oder älter als 14 Jahre alt ist, wird der Täter mit Freiheitsstrafe von 8 bis zu 12 Jahren bestraft. § 2 Wenn das Verhalten zum Tod des Opfers führt, wird der Täter mit Freiheitsstrafe von 12 bis zu 30 Jahren bestraft.

Brunei Art. 375 Penal Code – Rape (1) Any man who penetrates the vagina of a woman with his penis – (a) without her consent; or (b) with or without her consent, when she is under 14 years of age, shall be guilty of an offence. (2) Subject to subsection (3), a man who is guilty of an offence under this section shall be punished with imprisonment for a term which may extend to 20 years, and shall also be liable to fine or to caning. (3) Whoever – (a) in order to commit or to facilitate the commission of an offence under subsection (1) – (i) voluntarily causes hurt to the woman or to any other person; or (ii) puts her in fear of death or hurt to herself or any other person; or (b) commits an offence under subsection (1) with a woman under 14 years of age without her consent, shall be punished with imprisonment for a term of not less than 8 years and not more than 20 years and shall also be punished with caning with not less than 12 strokes. (4) No man shall be guilty of an offence under subsection (1) against his wife, who is not under 13 years of age, except where at the time of the offence – (a) his wife was living apart from him – (i) under an interim judgment of divorce not made final or a decree nisi for divorce not made absolute; (ii) under an interim judgment of nullity not made final or a decree nisi for nullity not made absolute; (iii) under a judgment or decree of judicial separation; or (iv) under a written separation agreement;

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(b) his wife was living apart from him and proceedings have been commenced for divorce, nullity or judicial separation, and such proceedings have not been terminated or concluded; (c) there was in force a court injunction to the effect of restraining him from having sexual intercourse with his wife; (d) there was in force a protection order under section 65 or an expedited order under section 66 of the Women’s Charter (Cap. 353) made against him for the benefit of his wife; or (e) his wife was living apart from him and proceedings have been commenced for the protection order or expedited order referred to in paragraph (d), and such proceedings have not been terminated or concluded. (5) Notwithstanding subsection (4), no man shall be guilty of an offence under subsection (1) (b) for an act of penetration against his wife with her consent.

Art. 376 Penal Code – Sexual assault by penetration (1) Any man (A) who – (a) penetrates, with A’s penis, the anus or mouth of another person (B); or (b) causes another man (B) to penetrate, with B’s penis, the anus or mouth of A, shall be guilty of an offence if B did not consent to the penetration. (2) Any person (A) who – (a) sexually penetrates, with a part of A’s body (other than A’s penis) or anything else, the vagina or anus, as the case may be, of another person (B); (b) causes a man (B) to penetrate, with B’s penis, the vagina, anus or mouth, as the case may be, of another person (C); or (c) causes another person (B), to sexually penetrate, with a part of B’s body (other than B’s penis) or anything else, the vagina or anus, as the case may be, of any person including A or B, shall be guilty of an offence if B did not consent to the penetration. (3) Subject to subsection (4), a person who is guilty of an offence under this section shall be punished with imprisonment for a term which may extend to 20 years, and shall also be liable to fine or to caning. (4) Whoever – (a) in order to commit or to facilitate the commission of an offence under subsection (1) or (2) – (i) voluntarily causes hurt to any person; or (ii) puts any person in fear of death or hurt to himself or any other person; or (b) commits an offence under subsection (1) or (2) against a person (B) who is under 14 years of age, shall be punished with imprisonment for a term of not less than 8 years and not more than 20 years and shall also be punished with caning with not less than 12 strokes.

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Annex II Bulgarien Art. 152 Penal Code

(1) Who copulates with a female person: 1. unable to defend herself and without her consent; 2. by compelling her to it by force or threat; 3. by bringing her to a helpless state, shall be punished for rape by imprisonment of two to eight years. (2) The punishment for rape shall be imprisonment of three to ten years: 1. if the raped has not accomplished sixteen years of age; 2. if she is a descending kinswoman; 3. if it is committed for a second time. (3) The punishment for rape shall be imprisonment of three to fifteen years: 1. if it has been committed by two or more persons; 2. if an average bodily harm has been caused; 3. if a suicide attempt has followed; 4. if it represents a dangerous recidivism. (4) If the rape has caused a serious bodily harm or a suicide has followed, as well as in other particularly grave cases the punishment shall be imprisonment of ten to twenty years.

Art. 157 Penal Code (1) Who carries out sexual intercourse or an act of sexual satisfaction with a person of the same sex by using force or threat or using a state of dependence or supervision, as well as with a person unable to defend himself, shall be punished by imprisonment of one to five years, as well as by public reprobation. (2) The same punishment shall also be imposed on a person who carries out such homosexual activities with a person under 16 years of age. (3) The punishment under para 1 shall also be imposed to a person of age who carries out such homosexual activities with a minor person or with a person who could not have understood the nature and the importance of the act. (4) Who carries out homosexual activities openly or in a scandalous way or in a way inciting another to perversion shall be punished by imprisonment of up to two years or by corrective labour, as well as by public reprobation. (5) Who carries out homosexual activities with the purpose of acquiring possession or incites another for such a purpose, as well as one who, by providing or promises benefit, incites another to homosexual activity, shall be punished by imprisonment of up to three years and by a fine of up to six levs, and the court can rule mandatory settlement.

Burundi Art. 554 Code Pénal Est réputé viol avec violences tout acte de pénétration sexuelle, de quelque nature qu’il soit et de quelque moyen que ce soit, commis par une personne adulte sur un mineur de moins de dix-huit ans même consentant. Est également réputé viol avec violences, le seul fait du rapprochement charnel des sexes commis sur un mineur de moins de dix-huit ans, même consentant.

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Le viol domestique est puni d’une servitude pénale de huit jours et une amende de dix mille francs à cinquante mille francs ou d’une de ces peines seulement.

Art. 555 Code Pénal Commet un viol, soit à l’aide de violences ou menaces graves ou par contrainte à l’encontre d’une personne, directement ou par l’intermédiaire d’un tiers, soit par surprise, par pression psychologique, soit à l’occasion d’un environnement coercitif, soit en abusant d’une personne qui, par le fait d’une maladie, par l’altération de ses facultés ou par toute autre cause accidentelle aurait perdu l’usage de ses sens ou en aurait été privé par quelques artifices, et même si la victime est l’époux de cette personne: 1 ë. Tout homme, quel que soit son âge, qui introduit son organe sexuel, même superficiellement dans celui d’une femme ou toute femme, quel que soit son âge, qui a obligé un homme à introduire, même superficiellement, son organe sexuel dans le sien; 2 ë. Tout homme qui a fait pénétrer, même superficiellement, par la voie anale, la bouche ou tout autre orifice du corps d’une femme ou d’un homme son organe sexuel, toute autre partie du corps ou tout autre objet quelconque; 3 ë. Toute personne qui introduit, même superficiellement, toute autre partie du corps ou un objet quelconque dans le sexe féminin; 4 ë. Toute personne qui oblige à un homme ou une femme de pénétrer, même superficiellement, son orifice anal, sa bouche par un organe sexuel; Est puni de cinq ans à quinze ans de servitude pénale et d’une amende de cinquante mille francs à cent mille francs.

Chile Art. 361 Código Penal La violación será castigada con la pena de presidio menor en su grado máximo a presidio mayor en su grado medio. Comete violación el que accede carnalmente, por vía vaginal, anal o bucal, a una persona mayor de doce años, en alguno de los casos siguientes: 1 ë Cuando se usa de fuerza o intimidación. 2 ë Cuando la víctima se halla privada de sentido, o cuando se aprovecha su incapacidad para oponer resistencia. 3 ë Cuando se abusa de la enajenación o trastorno mental de la víctima.

Art. 362 Código Penal El que accediere carnalmente, por vía vaginal, anal o bucal, a una persona menor de doce años, será castigado con presidio mayor en cualquiera de sus grados, aunque no concurra circunstancia alguna de las enumeradas en el artículo anterior.

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Annex II China Art. 236 Penal Code – Rape

Whoever rapes a woman by violence, coercion or any other means shall be sentenced to fixed-term imprisonment of not less than three years but not more than 10 years. Whoever has sexual intercourse with a girl under the age of 14 shall be deemed to have committed rape and shall be given a heavier punishment. Whoever rapes a woman or has sexual intercourse with a girl under the age of 14 shall, in any of the following circumstances, be sentenced to fixed-term imprisonment of not less than 10 years, life imprisonment or death: (1) the circumstances being flagrant; (2) raping a number of women or girls under the age of 14; (3) raping a woman before the public in a public place; (4) raping a woman with one or more persons in succession; or (5) causing serious injury or death to the victim or any other serious consequences.

Costa Rica Artículo 156 Código Penal – Violación Será sancionado con pena de prisión de diez a dieciséis años, quien se haga acceder o tenga acceso carnal por vía oral, anal o vaginal, con una persona de uno u otro sexo, en los siguientes casos: 1) Cuando la víctima sea menor de trece años. 2) Cuando se aproveche de la vulnerabilidad de la víctima o esta se encuentre incapacitada para resistir. 3) Cuando se use la violencia corporal o intimidación. La misma pena se impondrá si la acción consiste en introducirle a la víctima uno o varios dedos, objetos o animales, por la vía vaginal o anal, o en obligarla a que se los introduzca ella misma. Dänemark § 216 StGB (1) Wer sich durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt den Beischlaf erzwingt, wird wegen Vergewaltigung mit Gefängnisstrafe bis zu 8 Jahren bestraft. Mit Gewalt gleichgestellt ist die Versetzung in einen Zustand, in welchem die betreffende Person außerstande ist, sich der Handlung zu widersetzen. (2) Die Strafe kann auf Gefängnisstrafe bis zu 12 Jahren erhöht werden, wenn die Vergewaltigung von besonders gefährlicher Art gewesen ist oder im übrigen besonders erschwerende Umstände vorliegen.

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§ 217 StGB Wer anstatt durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt sich den Beischlaf durch andere Nötigung gemäß § 260 verschafft, wird mit Gefängnisstrafe bis zu 4 Jahren bestraft.

Demokratische Republik Kongo Art. 168 Code Pénal L’attentat à la pudeur commis avec violences, ruses ou menaces sur des personnes de l’un ou de l’autre sexe sera puni d’une servitude pénale de six mois à cinq ans. Si l’attentat a été commis sur les personnes ou à l’aide des personnes désignées à l’article précédent, la peine sera de cinq à vingt ans. Article 170 Code Pénal Est puni d’une servitude pénale de cinq à vingt ans celui qui aura commis un viol, soit à l’aide de violences ou menaces graves, soit par ruse, soit en abusant d’une personne qui, par l’effet d’une maladie, par l’altération de ses facultés ou par toute autre cause accidentelle, aurait perdu l’usage de ses sens ou en aurait été privée par quelque artifice. Est réputé viol à l’aide de violences, le seul fait du rapprochement charnel des sexes commis sur les personnes désignées à l’article 167.

Deutschland § 177 StGB – Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung (1) Wer eine andere Person 1. mit Gewalt, 2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder 3. unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn 1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen läßt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder 2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

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Annex II

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter 1. eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, 2. sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder 3. das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt. (4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter 1. bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder 2. das Opfer a) bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder b) durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt. (5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 3 und 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen. Djibuti Art. 343 Code Pénal – Viol Tout acte de pénétration sexuelle, de quelque nature qu’il soit, commis sur la personne d’autrui par violence, contrainte, menace ou surprise est puni d’une peine de dix ans qui peut être doublée s’il est commis sur un mineur de quinze ans, sur une personne particulièrement vulnérable ou encore lorsqu’il est commis par un ascendant légitime, naturel ou adoptif ou par toute autre personne ayant autorité sur la victime. Dominica Art. 49 of the Offences Against the Person Act, Laws of Dominica – Rape Any person who is convicted of the crime of rape is liable to imprisonment for ten years. Dominikanische Republik Art. 331 Código Penal Constituye una violación todo acto de penetración sexual, de cualquier naturaleza que sea, cometido contra una persona mediante violencia, constreñimiento, amenaza o sorpresa. La violación será castigada con la pena de diez a quince años de reclusión y multa de cien mil a doscientos mil pesos. Sin embargo, la violación será castigada con reclusión de diez a veinte años y multa de cien mil a doscientos mil pesos cuando haya sido cometida en perjuicio de una persona particularmente vulnerable en razón de su estado de gravidez, invalidez o de una discapacidad física o mental.

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Será igualmente castigada con la pena de reclusión de diez a veinte años y multa de cien mil a doscientos mil pesos cuando sea cometida contra un niño, niña o adolescente, sea con amenaza de un arma, sea por dos o más autores o cómplices, sea por ascendiente legítimo, natural o adoptivo de la víctima, sea por una persona que tiene autoridad sobre ella, o por una persona que ha abusado de la autoridad que le confieren sus funciones, todo ello independientemente de lo previsto en los Artículos 121, 126 a 129, 187 a 191 del Código para la Protección de Niños, Niñas y Adolescentes.

Ecuador Art. 512 Código Penal Violacin es el acceso carnal, con introduccin parcial o total del miembro viril por vı´a vaginal, anal o bucal, con personas de uno u otro sexo, en los siguientes casos: 1. Cuando la vı´ctima fuere menor de catorce aos; 2. Cuando la persona ofendida se hallare privada de la razn o del sentido, o cuando por enfermedad o por cualquier otra causa no pudiera resistirse; y, 3. Cuando se usare de violencia, amenaza o de intimidacin. Art. 512.1 Código Penal Se aplicarán las mismas penas del art’culo anterior, en caso de agresin sexual consistente en la introduccin de objetos distintos al miembro viril por vı´a vaginal o anal, realizado en las mismas circunstancias del art’culo 512. Art. 513 Código Penal El delito de violacin será reprimido con reclusin mayor de ocho a doce aos, en el caso primero del art’culo anterior; y con reclusin mayor de cuatro a ocho aos, en los casos segundo y tercero del mismo art’culo.

Elfenbeinküste Art. 354 Code Pénal Le viol est puni de l’emprisonnement de cinq à vingt ans. La peine est celle de l’emprisonnement à vie si l’auteur: 1. Est aidé dans son crime par une ou plusieurs personnes; 2. Est le père, un ascendant ou une personne ayant autorité sur la victime, s’il est chargé de son éducation, de sa formation intellectuelle ou professionnelle. La peine est également celle de l’emprisonnement à vie si la victime est mineure de quinze ans.

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Annex II England & Wales Section 1 Sexual Offences Act 2003 – Rape

(1) A person (A) commits an offence if – (a) he intentionally penetrates the vagina, anus or mouth of another person (B) with his penis, (b) B does not consent to the penetration, and (c) A does not reasonable believe that B consents. (2) Whether a belief is reasonable is to be determined having regard to all the circumstances including any steps A has taken to ascertain whether B consents. (3) Sections 75 and 76 apply to an offence under this section. (4) A person guilty of an offence under this section is liable, on conviction on indictment, to imprisonment for life. Section 2 SOA 2003 – Assault by Penetration (1) A person (A) commits an offence if – (a) he intentionally penetrates the vagina or anus of another person with a part of his body or anything else, (b) the penetration is sexual, (c) B does not consent to the penetration, and (d) A does not reasonable believe that B consents. (2) Whether a belief is reasonable is to be determined having regard to all the circumstances including any steps A has taken to ascertain whether B consents. (3) Sections 75 and 76 apply to an offence under this section. (4) A person guilty of an offence under this section is liable, on conviction on indictment, to imprisonment for life. Section 4 SOA 2003 – Causing a person to engage in sexual activity without consent (1) A person (A) commits an offence if – (a) he intentionally causes another person (B) to engage in an activity, (b) the activity is sexual, (c) B does not consent to engaging in the activity, and (d) A does not reasonable believe that B consents. (2) whether a belief is reasonable is to be determined having regard to all the circumstances, including any Stepps A has taken to ascertain whether B consents. (3) Sections 75 and 76 apply to an offence under this section.

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(4) A person guilty of an offence under this section, if the activity caused involved – (a) penetration of B’s anus or vagina, (b) penetration of B’s mouth with a person’s penis, (c) penetration of a person’s anus or vagina with a part of B’s body or by B with anything else, or (d) penetration of a person’s mouth with B’s penis, is liable, on conviction on indictment, to imprisonment for life. (5) Unless subsection (4) applies, a person guilty of an offence under this section is liable – (a) on summary conviction, to imprisonment for a term not exceeding 6 months or to a fine not exceeding the statutory maximum or both; (b) on conviction on indictment, to imprisonment for a term not exceeding 10 years.

Section 74 SOA 2003 – Consent For the purpose of this part, a person consents if he or she agrees by choice and has the freedom and capacity to make that choice.

Section 75 SOA 2003 – Evidential Presumption (1) If in proceedings for an offence to which this section applies it is proved – (a) that the defendant did the relevant act, (b) that any of the circumstances specified in subs (2) existed, and (c) that the defendant knew that those circumstances existed, (d) the complainant is to be taken not to have consented to the relevant act unless sufficient evidence is adduced to raise an issue as to whether he consented, and the defendant is to be taken not to have reasonably believed that the complainant consented unless sufficient evidence is adduced to raise an issue as to whether he reasonably believed it. (2) The circumstances are that: (a) any person was, at the time of the relevant act or immediately before it began, using violence against the complainant or causing th e complainant to fear that immediate violence would be used against him; (b) any person was, at the time of the relevant act or immediately before it began, causing the complainant to fear that violence was being used, or that immediate violence would be used, against another person. An example would be where violence is threatened against the complainants child unless she aggrees to have sexual intercourse. The person using violence or making the threat need not to be the one who has the sexual activity procured thereby, nor need the other be related in any way to the complainant;

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Annex II

(c) the complainant was, and the defendant was not, unlawfully detained at the time of the relevant act; (d) the complainant was asleep or otherwise unconscious at the time of the relevant act; (e) because of the complainant’s physical disability, the complainant would not have been able at the time of the relevant act to communicate to the defendant whether the complainant consented; (f) any person had administered to or caused to be taken by the complainant, without the complainant’s consent, a substance which, having regard to when it was administered or taken, was capable of causing or enabling the complainant to be stupefied or overpowered at the time of the relevant act. Section 76 SOA 2003 – Conclusive Presumption (1) If in proceedings for an offence to which this section applies it is proved that the defendant did the relevant act, and that any of the circumstances specified in subs (2) existed, it is conclusively presumed – (a) that the complainant did not consent to the relevant act, and (b) that the defendant did not believe that the complainant consented to the relevant act. (2) The circumstances are that: (a) the defendant intentionally deceived the complainant as to the nature or purpose of the relevant act; (b) the defendant intentionally induced the complainant to consent to the relevant act by impersonating a person known personally to the complainant. Section 78 SOA 2003 – Sexual For the purpose of this part (except s. 71) penetration, touching or any other activity is sexual if a reasonable person would consider that – whatever its circumstances or any person’s purpose in relation to it, it is because of its nature sexual, or because of its nature it may be sexual and because of its circumstances or the purpose of any person in relation to it (or both) it is sexual. Estland § 141 Penal Code – Rape (1) Sexual intercourse with a person against his or her will by using force or taking advantage of a situation in which the person is not capable of initiating resistance or comprehending the situation is punishable by 1 to 5 years’ imprisonment. (2) The same act, if: 1) committed against a person of less than 18 years of age; 2) committed by two or more persons;

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3) serious damage is thereby caused to the health of the victim; 4) it causes the death of the victim; 5) it leads the victim to suicide or a suicide attempt, or 6) it was committed by a person who has previously committed a criminal offence provided in this Division, – is punishable by 6 to 15 years’ imprisonment. Fiji Section 149 Penal Code – Definition of rape Any person who has unlawful carnal knowledge of a woman or girl, without her consent, or with her consent if the consent is obtained by force or by means of threats or intimidation of any kind, or by fear of bodily harm, or by means of false representations as to the nature of the act, or in the case of a married woman, by personating her husband, is guilty of the felony termed rape. Section 150 Penal Code – Punishment of rape Any person who commits the offence of rape is liable to imprisonment for life, with or without corporal punishment. Section 151 Penal Code – Attempted rape Any person who attempts to commit rape is guilty of a felony, and is liable to imprisonment for seven years, with or without corporal punishment.’ Section 154 Penal Code – Indecent assaults on females (1) Any person who unlawfully and indecently assaults any woman or girl is guilty of a felony, and is liable to imprisoriment for five years, with or without corporal punishment. (2) It is no defence to a charge for an indecent assault on a girl under the age of sixteen years to prove that she consented to the act of indecency. (3) It shall be a sufficient defence to a charge for an indecent assault on a girl under the age of sixteen years to prove that she consented to the act of indecency and that the person se, charged had reasonable cause te, believe and did in fact believe that the girl was of or above the age of sixteen years. (4) Whoever, intending to insult the modesty of any woman or girl, utters any word, makes any sound or gesture, or exhibits any object, intending that such word or sound shall be heard, or that such gesture or object shall be seen, by such woman or girl, or whoever intrudes upon the privacy of a woman or girl by doing an act of a nature likely to offend her modesty, is guilty of a misdemeanour, and is liable to imprisonment for one year.

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Annex II Finnland Section 1 Penal Code – Rape

(1) A person who coerces another into sexual intercourse by the use or threat of violence shall be sentenced for rape to imprisonment for at least one year and at most six years. (2) A person shall also be sentenced for rape if he/she takes advantage of the incapacity of another to defend himself/herself and has sexual intercourse with him/her, after rendering him/her unconscious or causing him/her to be in such a state of incapacity owing to fear or another similar reason. (3) An attempt is punishable. Section 10 Penal Code – Definitions (1) For the purposes of this chapter, sexual intercourse means the sexual penetration, by a sex organ or directed at a sex organ, of the body of another. (2) For the purposes of this chapter, a sexual act means an act whose purpose is sexual arousal or satisfaction and which is sexually significant in view of the circumstances and the persons involved. Frankreich Art. 222-23 Code Pénal – Viol Vergewaltigung ist jede Form sexueller Penetration, die an einer anderen Person unter Anwendung von Gewalt, Zwang, Drohung oder Ausnutzung von Überraschung begangen wird. Die Vergewaltigung wird mit 15 Jahren Zuchthaus bestraft. Georgien Art. 137 of the Criminal Code – Rape 1. Rape, i. e. sexual intercourse through violence, threat of violence or abusing the helplessness of the victim, – shall be punishable by imprisonment extending from three to seven years in length. 2. The same action perpetrated: a) repeatedly; b) by the one who had previously committed one of the offences set forth in Articles 138–141 of this Code, – shall be punishable by prison sentences ranging from five to ten years in length. 3. Rape: a) by a group; b) of a pregnant woman or other person at the previous knowledge of the offender;

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c) under extreme violence against the victim or other person; d) by using one’s official position; e) that through negligence has resulted in the death of the victim; f)

that through negligence has been corollary to the victim’s contraction of AIDS, serious rupture of health or other grave consequence, – shall be punishable by imprisonment for the term extending from five to fifteen years in length.

4. Raping of a person under fourteen years, – shall be punishable by imprisonment for the term extending from ten to twenty years. Article 138. Sexual Abuse under Violence 1. Homosexuality, lesbianism or other sexual intercourse distorted in form committed under violence, threat of violence or abusing the helplessness of the victim, – shall be punishable by prison sentences ranging from three to seven years in length. 2. The same action perpetrated: a) repeatedly; b) by the one who had previously committed any of the offences referred to in Articles 137, 138 and 141 of this Code; c) against a pregnant woman or a minor at the previous knowledge of the offender, – shall be punishable by imprisonment extending from five to fifteen years in length. 3. Sexual abuse under violence: a) against the one who has not reached fourteen years; b) by a group; c) that through negligence has resulted in the death of the victim; d) that through negligence has been corollary to the victim’s contraction of AIDS, serious health rupture or other grave consequence; e) under extreme violence; f)

by using one’s official position, – shall be punishable by prison sentences ranging from ten to twenty years in length.

Griechenland Article 336 of the Greek Penal Code One who by physical force or threat of serious and immediate danger forces another into extra-marital intercourse or attempts an indecent act, is punished with confinement. If the act of rape is committed by two or more perpetrators who were acting jointly, the persons are punished with confinement of at least 10 years.

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Annex II

If the act of rape causes the death of the victim, confinement of at least ten years or life-imprisonment is imposed. Penal Prosecution is exercised in officio.

Guatemala Art. 173 Código Penal – Violación Comete delito o violación quien yaciere, con mujer, en cualquiera de los siguientes casos: 1 ë. Usando de violencia suficiente para conseguir su propósito. 2 ë. Aprovechando las circunstancias, provocadas o no por el agente, de encontrarse la mujer privada de razón o de sentido o incapacitada para resistir. 3 ë. En todo caso, si la mujer fuere menor de doce años. En los casos prescritos la pena a imponer será de seis a doce años.

Guyana Art. 76: Everyone who commits rape shall be guilty of a felony and liable to imprisonment for life. Art. 77: Everxone who induces a married woman to permit him to have carnal knowledge of her, by peronating her husband shall be deemed to be guilty of rape.

Honduras Art. 140 Código Penal El acceso carnal con persona de uno u otro sexo mediante violencia o amenaza de ocasionarle al sujeto pasivo, al cónyuge de éste o compañero de hogar o a uno de sus parientes dentro del cuarto grado de consanguinidad o segundo de afinidad un perjuicio grave e inminente, constituye el delito de violación. Son casos especiales de violación el acceso carnal con persona de uno u otro sexo cuando concurra cualquiera de las circunstancias siguientes: 1) Que la víctima sea menor de catorce (14) y mayor de doce (12) años; 2) Que la víctima se halle privada de razón o de voluntad o cuando por cualquier causa no pueda oponer resistencia. En igual pena incurrirá quien intencionalmente drogue o embriague a una persona con el fin de violarla; 3) Cuando el sujeto activo esté encargado de la guarda o custodia de la víctima y se valga de su condición de autoridad para tener acceso a la misma; y, 4) Cuando el culpable se hace pasar por otra persona.

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El autor del delito de violación será sancionado con reclusión de nueve (9) a trece (13) años. Si la víctima es menor de doce (12) o mayor de setenta (70) años o si la violación se comete por más de una persona, o por alguien reincidente, la pena será de quince (15) a veinte (20) años. La pena a que se refiere el párrafo anterior se aplicará también a los que a sabiendas que son portadores del Síndrome de Inmuno Deficiencia Adquirida/Virus de Inmuno Deficiencia Humano (SIDA/VIH) o una enfermedad contagiosa incurable, cometen la violación. Para los efectos de este Artículo se entenderá por acceso carnal el que se tenga por vía vaginal, anal o bucal. Indien Section 375 Penal Code – Rape A man is said to commit „trap“ who, except in the case hereinafter excepted, has sexual intercourse with a woman under circumstances falling under any of the six following descriptions: – (i) Against her will. Secondly (ii) Without her consent. (iii) With her consent, when her consent has been obtained by putting her or any person in whom she is interested in fear of death or of hurt. (iv) With her consent, when the man knows that he is not her husband, and that her consent is given because she believes that he is another man to whom she is or believes herself to be lawfully married. (v) With her consent, when at the time of giving such consent, by reason of unsoundness of mind or intoxication or the administration by him personally or through another of any stupefying or unwholesome substance, she is unable to understand the nature and consequences of that to which she gives consent (vi) With or without her constitute, when she is under sixteen years of age. Explanation: Penetration is sufficient to constitute the sexual intercourse necessary to the offence of rape. Exception: Sexual intercourse by a man with his own wife, the wife not being under fifteen years of age, is not rape. Section 376 Penal Code – Punishment for rape (1) Whoever, excepted in the cases provided for by sub-section (2), commits rape shall be punished with imprisonment of either description for a term which shall not be less than seven years but which may be for life or for a term which may extend to ten years and shall also be liable to fine unless the women rape is his own wife an is not under twelve years of age, in which cases, he shall be punished with imprisonment of either description for a tem which may extend to two years or with fine or with both: provided that the court may, for adequate and special reasons to be mentioned in the judgment impose a sentence of imprisonment for a term of less than seven years.

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Annex II

(2) Whoever, – a) being a police officer commits rape i. within the limits of the police station to which he is appointed; or ii. in the premises of any station house whether or not situated in the police station to which he is appointed; or iii. on a woman in his custody or in the custody of a police officer subordinate to him; or b) being a public servant, takes advantage of his official position and commits rape on a woman in his custody as such public servant or in the custody of a public station subordinate to him; or c) being on the management or on the staff of a jail, remand home or other place of custody established by or under any law for the time being in force or of a woman’s or children’s institution takes advantage of his official position and commits rape any inmate of such jail, remand home, place or institution; or d) being on the management or on the staff of a hospital, takes advantage of his official position and commits rape on a woman in that hospital; or e) commits rape on a woman knowing her to be pregnant; or shall be punished with rigorous imprisonment for a term which shall not be less than ten years but which may be for lie and shall also be liable to fine: Provided that the court may, for adequate and special reasons to be mentioned in the judgment, impose a sentence of imprisonment of either description for a term of less than ten years. Explanation 1. – Where a woman is raped by one or ,ore in a groups of parsons acting in furtherance of their common intention, each of the parsons shall be demeaned to have committed gang rape within the meaning of this sub-section. Explanation 2. – „Women’s or children’s institution“ means an institution, whether called an orphanage or a home for neglected woman or children or a widows, home or by any other name, which is established and maintained for the reception and care of woman or children. Explanation 3. – „Hospital“ means the precincts of the hospital and includes the precincts of any institution for the reception and treatment of person during convalescence or of persons requiring medical attention or rehabilitation.

Section 377 Penal Code Whoever voluntarily has carnal intercourse against the order of nature with any man, woman or animal, shall be punished with imprisonment for life, or with imprisonment of either description for a term which may extend to ten years, and shall also be liable to fine. Explanation: Penetration is sufficient to constitute the carnal intercourse necessary to the offence described in this section. Sex with a female under fifteen (15) years of age is considered rape, even if wedded.

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Indonesien Art. 285 Penal Code Any person who by using force or threat of force forces a woman to have sexual intercourse with him out of marriage shall, being guilty of rape, be punished by a maximum imprisonment of 12 years. Art. 286 Penal Code Any person who out of marriage has carnal knowledge of a woman whom he knows that she is unconscious or helpless, shall be punished by a maximum imprisonment of 9 years. Iran Art. 63 – Unerlaubter Geschlechtsverkehr ist die geschlechtliche Vereinigung eines Mannes mit einer Frau, mit der ihm diese verboten ist, auch durch Analverkehr oder auf ähnliche Weise, sofern nicht ein Irrtumsfall vorliegt. Art. 64 – Der unerlaubte Geschlechtsverkehr zieht eine hadd-Strafe nach sich, wenn beim Täter bzw. der Täterin folgende Eigenschaften vorlagen: Mündigkeit, geistige Gesundheit, Freiwilligkeit, Kenntnis der Vorschrift und der Tatsachen. Art. 65 – Wissen eine Frau oder ein Mann, daß der Geschlechtsverkehr mit dem jeweils anderen verboten ist, weiß dieser das aber nicht, sondern vermutet es nur, so ist die Tat für ihn erlaubt; wer jedoch in Kenntnis des Verbots handelt, wird zu der hadd-Strafe für unerlaubten Geschlechtsverkehr verurteilt. Art. 66 – Behaupten ein Mann und eine Frau, die miteinander Geschlechtsverkehr haben, sich geirrt oder in Unkenntnis des Verbots gehandelt zu haben, so wird die Behauptung ohne Zeugen und Eid für wahr angesehen, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, daß sie aufrichtig sind, und die hadd-Strafe entfällt. Art. 67 – Behauptet ein Mann oder eine Frau, daß er bzw. sie zum unerlaubten Geschlechtsverkehr gezwungen worden sei, so wird diese Behauptung für wahr angesehen, wenn das Gegenteil nicht zweifelsfrei feststeht.

Irland Section 4 Criminal Law ( Rape Amendment ) Act, 1990 (1) In this Act „rape under section 4“ means a sexual assault that includes – a) penetration (however slight) of the anus or mouth by the penis or; b) penetration (however slight) of the vagina by any object held or manipulated by another person (2) A person guilty of rape under section 4 shall be liable on conviction on indictment to imprisonment for life. (3) Rape under section 4 shall be a felony.

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Annex II Island § 194 of the Icelandic Penal Code

Any person who, by using force or threat of force, compels a person to participate in sexual intercourse or other sexual acts, shall be imprisoned for a term of at least 1 year, and a maximum of 16 years. ,Force‘ here includes the deprivation of freedom of action by means of confinement, drugs or other comparable means. § 195 of the Icelandic Penal Code Any person who, by means of any other unlawful means of coercion, compels a person to participate in sexual intercourse or other sexual acts, shall be imprisoned for a term of up to 6 years. Italien Art. 609 Bis Code Pénal – Violence sexuelle Celui qui, en abusant de la violence ou des menaces ou bien de son autorité, contraint une autre personne à accomplir ou subir des actes sexuels, est condamné à 5 jusqu’à 10 ans de détention. La même peine sera purgée par celui qui mène quelqu’un à accomplir ou subir des actes sexuels: 1) en abusant des conditions d’infériorité physique ou psychique de la victime au moment où la violence est perpétrée; 2) en parvenant à tromper sa victime par la ruse, à savoir par la fait de prendre la place d’une autre personne. Dans les cas moins graves la peine est réduite de 2/3 maximum. ,Circonstances aggravantes‘, Les circonstances aggravantes sont énumérées à l’article 609Ter du Code Pénal Italien „Une peine de détention allant de 6 à 12 ans est prévue au cas où las délits visés à l’article 609Bis seraient perpétrés: 1) au préjudice d’un enfant mineur de quatorze (14) ans; 2) en utilisant des armes ou bien des produits alcoholiques, des stupéfiants ou des substances grièvement préjudiciables pour la santé de la victime; 3) par une personne qui fait semblant d’être un officier public ou bien préposée à une fonction publique; 4) au préjudice d’une personne subissant des contraintes de sa liberté personnelle exercées par le responsable du délit; 5) au préjudice d’un enfant mineur de seize (16) ans dont le coupable est le père même adoptif ou le tuteur légitime. La détention de 7 à 14 ans est prévue pour le cas où le délit a été commis au préjudice des mineurs de 10 ans.“

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Art. 609 Octies du Code Pénal –Violence sexuelle en groupe „La violence sexuelle en groupe consiste en la participation de plusieurs personnes s’étant regroupées à des actes de violence visés à l’article 609Bis. Celui qui a commis des actes de violence sexuelle en groupe doit purger une peine allant de six à douze ans de détention. La peine est augmentée si l’une des circonstances aggravantes prévues par l’article 609Ter est envisagée dans le procédure. Par contre, la peine est allégée pour celui qui, tout en participant à l’acte de violence, a joué un rôle tout à fait négligeable dans l’organisation et accomplissement du crime. En outre, la peine est également réduite au cas où il aurait été mené à perpétrer le délit dans les conditions visées à l’article 112, alinéas 1 et 3.“

Japan Art. 177 Penal Code – Rape A person who, through violence or intimidation, has sexual intercourse with a female person of not less than thirteen (13) years of age commits the crime of rape and shall be punished with imprisonment at forced labour for a limited term of not less than three years. The same shall apply to a person who has sexual intercourse with a female person under thirteen (13) years of age.

Art. 176 Penal Code – Indecency through compulsion A person who, through violence or intimidation, commits an indecent act upon a male or female person of not less than thirteen (13) years of age shall be punished with imprisonment at forced labour for not less than six months nor more than ten years. The same shall apply to a person who commits an indecent act upon a male or female person under thirteen (13) years of age.

Kanada Section 159 Penal Code – Anal Intercours (1) Every person who engages in an act of anal intercourse is guilty of an indictable offence and liable to imprisonment for a term not exceeding ten years or is guilty of an offence punishable on summary conviction. (2) Subsection (1) does not apply to any act engaged in, in private, between (a) husband and wife, or (b) any two persons, each of whom is eighteen years of age or more, both of whom consent to the act. (3) For the purposes of subsection (2),

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Annex II

(a) an act shall be deemed not to have been engaged in in private if it is engaged in in a public place or if more than two persons take part or are present; and (b) a person shall be deemed not to consent to an act (i) if the consent is extorted by force, threats or fear of bodily harm or is obtained by false and fraudulent misrepresentations respecting the nature and quality of the act, or (ii) if the court is satisfied beyond a reasonable doubt that the person could not have consented to the act by reason of mental disability.

Section 271 – Sexual Assault (1) Every one who commits a sexual assault is guilty of (a) an indictable offence and is liable to imprisonment for a term not exceeding ten years; or (b) an offence punishable on summary conviction and liable to imprisonment for a term not exceeding eighteen months. (2) Repealed Section 273.1 Penal Code – Meaning of consent (1) Subject to subsection (2) and subsection 265(3), „consent“ means, for the purposes of sections 271, 272 and 273, the voluntary agreement of the complainant to engage in the sexual activity in question. (2) No consent is obtained, for the purposes of sections 271, 272 and 273, where (a) the agreement is expressed by the words or conduct of a person other than the complainant; (b) the complainant is incapable of consenting to the activity; (c) the accused induces the complainant to engage in the activity by abusing a position of trust, power or authority; (d) the complainant expresses, by words or conduct, a lack of agreement to engage in the activity; or (e) the complainant, having consented to engage in sexual activity, expresses, by words or conduct, a lack of agreement to continue to engage in the activity. Subsection (2) not limiting (3) Nothing in subsection (2) shall be construed as limiting the circumstances in which no consent is obtained.

Section 273.2 Penal Code – Belief in consent It is not a defence to a charge under section 271, 272 or 273 that the accused believed that the complainant consented to the activity that forms the subject-matter of the charge, where

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(a) the accused’s belief arose from the accused’s (i) self-induced intoxication, or (ii) recklessness or wilful blindness; or (b) the accused did not take reasonable steps, in the circumstances known to the accused at the time, to ascertain that the complainant was consenting. Kazakhastan Art. 120 Penal Code – Rape 1. Rape, that is sexual intercourse accompanied by violence, or a threat of violence to a victim, or to other persons, or with the use of the helpless state of a victim, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from three to five years. 2. Rape: a) committed by a group of persons, or group of persons upon a preliminary collusion, or by an organised group; b) combined with a threat to kill, as well as committed with especial brutality with regard to a victim or to other persons; c) which entailed infection of a victim with a venereal disease; d) committed repeatedly or by a person who earlier committed violent acts of a sexual character; e) of a juvenile, a given convict being aware of that fact, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from five] to ten years. 3. Rape: a) which by negligence entailed the death of a victim; b) which by negligence entailed the causation of severe damage to the victim’s health, her infection with HIV/ AIDS, or other serious consequences; c) of a victim who has not reached fourteen years of age, a given convict being aware of that fact; d) with the use of conditions of social disaster, or in the course of mass unrest, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from eight to fifteen years. Art. 121 Penal Code – Violent Actions of a Sexual Character 1. Sodomy, lesbianism, or other acts of a sexual character accompanied by violence or a threat of violence with regard to a given victim (male or female), or to other persons, or with the use of the helpless state of a given victim, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from three up to five years. 2. The same acts: a) committed by a group of persons, a group upon a preliminary collusion, or by an organised group;

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Annex II

b) combined with a threat to kill, as well as those committed with special brutality with regard to a victim or to other persons; c) which entailed an infection of a victim with a venereal disease; d) committed repeatedly or by a person who earlier committed rape; e) committed with regard to a juvenile person, a given convict being aware of that fact, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from five up to ten years. 3. Acts stipulated by the first and the second parts of this Article, if they: a) due to negligence, entailed the death of a given victim; b) due to negligence, entailed the causation of severe damage to a victim’s health, or his (her) infection with HIV/ AIDS, or other serious consequences; c) were committed with regard to a person who did not reach fourteen years of age, a given convict being aware of that, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from eight to fifteen years.

Kenia Section 3 Sexual Offences Act No 3 of 2006 (1) A person commits the offence termed rape if – (a) he or she intentionally and unlawfully commits an act which causes penetration with his or her genital organs; (b) the other person does not consent to the penetration; or (c) the consent is obtained by force or by means of threats or intimidation of any kind. (2) In this section the term „intentionally and unlawfully“ has the meaning assigned to it in section 43 of this Act. (3) A person guilty of an offence under this section is liable upon conviction to imprisonment for a term which shall not be less than ten years but which may be enhanced to imprisonment for life.

Section 5 Sexual Offences Act No 3 of 2006 (1) Any person who unlawfully – (a) penetrates the genital organs of another person with – (i) any part of the body of another or that person; or (ii) an object manipulated by another or that person except where such penetration is carried out for proper and professional hygienic or medical purposes; (b) manipulates any part of his or her body or the body of another person so as to cause penetration of the genital organ into or by any part of the other person’s body, is guilty of an offence termed sexual assault.

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(2) A person guilty of an offence under this section is liable upon conviction to imprisonment for a term of not less than ten years but which may be enhanced to imprisonment for life. Kolumbien Art. 205 Código Penal – Acceso carnal violento El que realice acceso carnal con otra persona mediante violencia, incurrirá en prisión de doce (12) a veinte (20) años. Art 206 Código Penal – Acto sexual violento El que realice en otra persona acto sexual diverso al acceso camal mediante violencia, incurrirá en prisión de ocho (8) a dieciséis (16) años. Art. 207 Código Penal – Acceso carnal o acto sexual en persona puesta en incapacidad de resistir El que realice acceso carnal con persona a la cual haya puesto en incapacidad de resistir o en estado de inconsciencia, o en condiciones de inferioridad síquica que le impidan comprender la relación sexual o dar su consentimiento, incurrirá en prisión de doce (12) a veinte (20) años. Si se ejecuta acto sexual diverso del acceso carnal, la pena será de ocho (8) a dieciséis (16) años. Art. 212 Código Penal – Acceso carnal Para los efectos de las conductas descritas en los capítulos anteriores, se entenderá por acceso carnal la penetración del miembro viril por vía anal, vaginal u oral, así como la penetración vaginal o anal de cualquier otra parte del cuerpo humano u otro objeto.

Kroatien Art. 188 Penal Law – Rape (1) Whoever coerces another by force or by threat of immediate attack upon his/her life or limb, or the life or limb of a person close to him/her, to sexual intercourse or a sexual act of the same nature shall be punished by imprisonment for one (1) to ten (10) years. (2) Whoever commits the crimminal offense referred to in paragraph 1 of this Article in a particularly cruel or humiliating way, or if on the same occasion a number of perpetrators perform a number of acts of sexual intercourse or sexual acts of the same nature against the same victim shall be punished by imprisonment for not less than three (3) years. (3) If, by the criminal offense referred to in paragraph 1 of this Article, the death of the raped person is caused, or serious bodily injury is inflicted on the raped person or his/

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Annex II

her health is severely impaired, or the (raped) female is left pregnant, the perpetrator shall be punished by imprisonment for not less than three (3) years. (4) If, the criminal offense referred to in paragraph 1 of this Article, is committed to the detriment of a minor, the perpetrator shall be punished by imprisonment for not less than three (3) years. (5) If the criminal act referred to in paragraph 2 and 3 of this Article is committed to the detriment of a minor, the perpetrator will be punished by imprisonment for not less than five (5) years. (6) If, by the criminal offense referred to in paragraph 2 of this Article, the consequences referred to in paragraph 3 of this Article are caused, the perpetrator shall be punished by imprisonment for not less than five (5) years. Kuba Art. 298 Código Penal – Violación Se considera delito de violación tener acceso carnal con una mujer, sea por vía normal o contra natura siempre que en el hecho concurra alguna de las circunstancias siguientes: 1) Uso de fuerza o intimidación suficiente, agravado si se ejecuta con el concurso de dos o más personas, vistiendo de uniforme militar o aparentando ser funcionario público. 2) Hallarse la víctima en estado de enajenación mental o trastorno mental transitorio, o privada de razón o de sentido por cualquier causa o incapacidad para resistir, o carente de la facultad de comprender el alcance de su acción o de dirigir su conducta. 3) Ser la víctima menor de 12 años de edad. Lettland Section 159 Penal Code – Rape (1) For a person who commits an act of sexual intercourse by means of violence, threats or taking advantage of the state of helplessness of a female victim (rape), the applicable sentence is deprivation of liberty for a term not exceeding seven years, with or without police supervision for a term not exceeding three years. (2) For a person who commits rape where commission is by a person who has previously committed rape or commission is by a group of persons, or who commits rape of a female minor, the applicable sentence is deprivation of liberty for a term of not less than five years and not exceeding fifteen years, with or without police supervision for a term not exceeding three years. (3) For a person who commits rape, if serious consequences are caused thereby, or commits rape of a female juvenile, the applicable sentence is life imprisonment, or deprivation of liberty for a term of not less than ten years and not exceeding twenty years, with or without police supervision for a term not exceeding three years.

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Section 160 Penal Code – Forcible Sexual Assault (1) For a person who commits pederastic or lesbian or other unnatural sexual acts of gratification, if such acts have been committed using violence or threats or by taking advantage of the state of helplessness of a person, the applicable sentence is deprivation of liberty for a term not exceeding six years, or custodial arrest. (2) For a person who commits the same acts, if commission thereof is on a minor, or is repeated, or by a person who has previously committed rape, or by a group of persons, the applicable sentence is deprivation of liberty for a term of not less than three years and not exceeding twelve years. (3) For a person who commits acts provided for in Paragraphs one or two of this Section, if serious consequences are caused thereby, or if commission thereof is on a juvenile, the applicable sentence is deprivation of liberty for a term of not less than five years and not exceeding fifteen years. Libanon Art. 503 Code Pénal Quiconque aura contraint une personne à l’acte sexuel hors mariage, par force ou par intimidation, sera puni de travaux forés pour une durée minimum de cinq (5) ans. Cette peine sera pour une durée minimum de sept (7) ans, si la victime n’a pas atteint l’âge de 15 ans accomplis. Art. 522 Code Pénal In the event a legal marriage is concluded between the person who committed any of the crimes mentioned in this chapter [including rape, kidnaping and statutory rape], and the victim, prosecution shall be stopped and in case a decision is rendered, the execution of such decision shall be suspended against the person who was subject to it. Prosecution or the execution of the penalty shall be resumed before the lapse of three years in cases of misdemeanors and five years in cases of felonies, in the event such marriage ends by the divorce of the woman without a legitimate reason or by a divorce which is decided by court in favor of the woman. Liberia Section 14.70 Penal Code 1. Offence: A person who has sexual intercourse with another person (male or female) has committed rape if: a) (i) He intentionally penetrates the vagina, anus, mouth or any other opening of another person (male or female) with his penis, without the victim’s consent; or, (ii) He/She intentionally penetrates the vagina or anus or another person with a foreign object or with any other part of the body (other than the penis), without the victim’s consent.

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Annex II

b) The victim is less than eighteen (18) years old, provided the actor is eighteen (18) years of age or older. 2. Gang Rape: A person has committed Gang Rape, a first degree felony if: He or she purposely promotes or facilitates rape or agrees with one or more persons to engage in or cause the performance of conduct which shall constitute Rape. 3. Definitions a) Sexual Intercourse (i) Penetration, however slight, of the vagina, anus or mouth, or any other opening of another by the penis; or (ii) Penetration, however slight, of the vagina or anus of another person by a foreign object or any other part of the body (other than the penis). b) Consent (i) For the purposes of this felony, a person consents if he/she agrees by choice and has the freedom and capacity to make that choice. (ii) There shall be a presumption of lack of consent in the following circumstances: (a) Any person, who at the time of the relevant act or immediately before it began, was using violence against the victim or causing the victim to fear that immediate violence would be used against him/her; (b) Any person, at the time of the relevant act or immediately before it began, was causing the victim to fear that violence was being used, or that violence would be used, against another person; (c) The victim was detained at the time of the relevant act; (d) The victim was asleep or otherwise unconscious at the time of the relevant act; (e) Because of the victim’s physical disability, he or she could not have been able, at the time of the relevant act, to communicate to the perpetrator whether he or she consented; (f) Where the victim had been administered or caused to take without his/her consent, a substance which, having regard to when it was administered or taken, was capable of causing or enabling him or her to be stupefied or overpowered at the time of the relevant act; (g) The defendant intentionally induced the victim to consent to the relevant Act by impersonating a person known personally to the victim. 4. Grading and Sentencing a) Rape is a felony of the first degree where: (i) The victim was less than 18 years of age at the time the offense was committed; or, (ii) The offense involves gang rape as defined in sub-paragraph 2 above; or (iii) The act of rape complained of results in either permanent disability or serious bodily injury to the victim; or (iv) At the time of the relevant act or immediately before it began, the defendant threatened the victim with a firearm or other deadly weapon;

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b) The maximum sentence for first-degree rape shall be life imprisonment. And for the purposes of bail, it shall be treated as per capital offenses under Section13.1.1; Capital Offenses of the Criminal Procedure Law. c) Rape is second degree felony where the conditions set out in Section 4(a) (i)–(iv) above are not met. The maximum sentence for second-degree rape shall be ten (10)-year imprisonment.

Liechtenstein § 200 StGB – Vergewaltigung 1) Wer eine Person mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden sexuellen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. 2) Wer ausser dem Fall des Abs. 1 eine Person mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden sexuellen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. 3) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) zur Folge oder wird die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt oder in besonderer Weise erniedrigt, so ist der Täter im Fall des Abs. 1 mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, im Fall des Abs. 2 mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Hat die Tat den Tod der vergewaltigten Person zur Folge, so ist der Täter im Fall des Abs. 1 mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren, im Falle des Abs. 2 mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren zu bestrafen.

Litauen Art. 149 Penal Code A person who had a sexual intercourse with a person against his/her will by using physical abuse or threatening to use it immediately, or in any other way depriving of the possibility to resist or taking advantage of the victim’s helpless state is punished with imprisonment up to seven years.

Luxemburg Art. 375 Code Pénal Tout acte de pénétration sexuelle, de quelque nature qu’il soit et par quelque moyen que ce soit, commis sur la personne d’autrui, soit à l’aide de violences ou de menaces graves, soit par ruse ou artifice, soit en abusant d’une personne hors d’état de donner

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Annex II

un consentement libre ou d’opposer de la résistance, constitue un viol et sera puni de la réclusion de 5 à 10 ans. Est réputé viol commis en abusant d’une personne hors d’état de donner un consentement libre tout acte de pénétration sexuelle, de quelque nature qu’il soit et par quelque moyen que ce soit, commis dur la personne d’un enfant qui n’a pas atteint l’âge de 14 ans accomplis. Dans ce cas le coupable sera puni de la réclusion de 10 à 15 ans. Si un viol a été commis sur la personne d’une enfant âgée de moins de 14 ans accomplis, il n’est pas nécessaire de constater spécialement, en tant qu’élément constructif de l’infraction, que l’enfant a été hors d’état de donner un consentement libre ou d’opposer de la résistance, alors que, dans le cas de viol consommé sur la personne d’une enfant âgée de moins de 14 ans accomplis, la loi présume d’une façon irréfragable que la victime a été incapable d’émettre un consentement libre à l’acte sexuel qu’on exigeait d’elle. Macao Section 157 Penal Code – Rape 1) For the purpose of section 157 a man commits rape if: a) He procures a woman by violence or serious threats, or has sexual intercourse after making her being unconscious or forces her into a situation whereby she is unable to offer resistance, or b) he uses the same methods to compel a woman to have sexual intercourse with another person. Punishment: imprisonment for 3 to 12 years. 2) The same punishment is applicable to a person who under the above circumstances has anal sex with that person or compels to have it with another person.

Malaysia Art. 375 Penal Code – Rape A man is said to commit „rape“ who, except in the case hereinafter excepted, has sexual intercourse with a woman under circumstances falling under any of the following descriptions: (a) against her will; (b) without her consent; (c) with her consent, when her consent has been obtained by putting her in fear of death or hurt to herself or any other person, or obtained under a misconception of fact and the man knows or has reason to believe that the consent was given in consequence of such misconception; (d) with her consent, when the man knows that he is not her husband, and her consent is given because she believes that he is another man to whom she is or believes herself to be lawfully married or to whom she would consent;

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(e) with her consent, when, at the time of giving such consent, she is unable to understand the nature and consequences of that to which she gives consent; (f) with or without her consent, when she is under sixteen years of age. Explanation – Penetration is sufficient to constitute the sexual intercourse necessary to the offence of rape. Exception – Sexual intercourse by a man with his own wife by a marriage which is valid under any written law for the time being in force, or is recognized in Malaysia as valid, is not rape. Explanation 1 – A woman – (a) living separately from her husband under a decree of judicial separation or a decree nisi not made absolute; or (b) who has obtained an injunction restraining her husband from having sexual intercourse with her, shall be deemed not to be his wife for the purposes of this section. Explanation 2 – A Muslim woman living separately from her husband during the period of ,iddah, which shall be calculated in accordance with Hukum Syara‘, shall be deemed not to be his wife for the purposes of this section. Art. 376 Penal Code – Punishment for rape Whoever commits rape shall be punished with imprisonment for a term of not less than five years and not more than twenty years, and shall also be liable to whipping.

Malta Section 198 Penal Code – Rape or carnal knowledge with violence. Whosoever shall, by violence, have carnal knowledge of a person of either sex, shall, on conviction, be liable to imprisonment for a term from three to nine years, with or without solitary confinement. Marokko Art. 485 Code Pénal – Attentat la Pudeur Est puni . . . tout attentat à la pudeur consommé ou tenté avec violences contre des personnes de l’un ou l’autre sexe. Art. 486 Code Pénal – Viol L’acte par lequel un homme a des relations sexuelles avec une femme contre le gré de celle-ci. Ces crimes sont passible d’une peine de cinq dix ans de prison.

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Annex II Mauritius

Art. 249 Penal Code – Rape, attempt upon chastity and illegal sexual intercourse (1) Any person who is guilty of the crime of rape, shall be liable to penal servitude. ... (3) Any person who commits an indecent act, even without violence and with consent, upon a child of either sex under the age of twelve (12) shall be liable to penal servitude for a term not exceeding five (5) years. Any person who has sexual intercourse with a female under the age of sixteen (16), even with consent, shall be liable to penal servitude not exceeding ten (10) years. (a) Any person who has sexual intercourse with a specified person, even with consent, shall commit an offense and shall on conviction, be liable to penal servitude. Any person who commits an indecent act, even without violence and with consent, upon a specified person shall commit an offence and , on conviction, be liable to penal servitude for a term not exceeding eight (8) years. In this subsection, ,specified person‘ – means any person who, in relation to the person charged, comes within the prohibited degrees set out in articles 151 and 152 of the Code Napoleon; includes – a step child or an adopted child, of whatever age, of the person charged; a child of whatever age whose custody or guardianship has been entrusted to the person charged by virtue of any other enacment or of an order of a court.

Mazedonien Art. 120 Penal Code – Rape 1. Rape, that is sexual intercourse accompanied by violence, or a threat of violence to a victim, or to other persons, or with the use of the helpless state of a victim, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from three to five years. 2. Rape: a) committed by a group of persons, or group of persons upon a preliminary collusion, or by an organised group; b) combined with a threat to kill, as well as committed with especial brutality with regard to a victim or to other persons; c) which entailed infection of a victim with a venereal disease; d) committed repeatedly or by a person who earlier committed violent acts of a sexual character; e) of a juvenile, a given convict being aware of that fact, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from five] to ten years.

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3. Rape: a) which by negligence entailed the death of a victim; b) which by negligence entailed the causation of severe damage to the victim’s health, her infection with HIV/ AIDS, or other serious consequences; c) of a victim who has not reached fourteen years of age, a given convict being aware of that fact; d) with the use of conditions of social disaster, or in the course of mass unrest, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from eight to fifteen years. Art. 121 Penal Code – Violent Actions of a Sexual Character 1. Sodomy, lesbianism, or other acts of a sexual character accompanied by violence or a threat of violence with regard to a given victim (male or female), or to other persons, or with the use of the helpless state of a given victim, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from three up to five years. 2. The same acts: a) committed by a group of persons, a group upon a preliminary collusion, or by an organised group; b) combined with a threat to kill, as well as those committed with special brutality with regard to a victim or to other persons; c) which entailed an infection of a victim with a venereal disease; d) committed repeatedly or by a person who earlier committed rape; e) committed with regard to a juvenile person, a given convict being aware of that fact, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from five up to ten years. 3. Acts stipulated by the first and the second parts of this Article, if they: a) due to negligence, entailed the death of a given victim; b) due to negligence, entailed the causation of severe damage to a victim’s health, or his (her) infection with HIV/ AIDS, or other serious consequences; c) were committed with regard to a person who did not reach fourteen years of age, a given convict being aware of that, – shall be punished by deprivation of freedom for a period from eight to fifteen years. Mexiko Art. 265 Código Penal Al que por medio de la violencia física o moral realice copula con persona de cualquier sexo, se le impondrá prisión de ocho a catorce años. Para los efectos de este artículo, se entiende por cópula, la introducción del miembro viril en el cuerpo de la víctima por vía vaginal, anal u oral, independientemente de su sexo.

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Annex II

Se considerará también como violación y se sancionará con prisión de ocho a catorce años, al que introduzca por vía vaginal o anal cualquier elemento o instrumento distinto al miembro viril, por medio de la violencia física o moral, sea cual fuere el sexo del ofendido. Art. 265 bis Código Penal Si la víctima de la violación fuera la esposa o concubina, se impondrá la pena prevista en el artículo anterior. Este delito se perseguirá por querella de parte ofendida.

Moldova Art. 171 Penal Code – Rape (1) Rape, i. e. sexual intercourse committed by the physical or mental coercion of the person, or by taking advantage of the victim’s incapacity to defend himself/herself or to express his/her will shall be punished by imprisonment for 3 to 5 years. (2) Rape: a) committed by a person who has previously committed rape as set forth in par. (1); b) committed knowingly against a juvenile; c) committed knowingly against a pregnant woman; d) committed by two or more persons; e) committed for the intentional contamination of the victim with a sexually transmitted disease; f) involving torture of the victim; shall be punished by imprisonment for 5 to 12 years. (3) Rape: a) of a person under the care, custody, protection, education, or treatment of the perpetrator; b) of a juvenile under the age of 14; c) involving deliberate contamination with AIDS; d) that causes by imprudence severe bodily injury or damage to health; e) that causes by imprudence the death of the victim; f) that results in other severe consequences, shall be punished by imprisonment for 10 to 20 years or by life imprisonment. Art. 172 Penal Code – Violent Actions of a Sexual Character (1) Homosexuality or satisfying sexual needs in perverted forms committed through the physical or mental coercion of the person or by taking advantage of the person’s incapacity to defend himself/herself or to express his/her will shall be punished by imprisonment for 3 to 5 years. (2) The same actions: a) committed by a person who has previously committed rape as set forth in par. (1);

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b) committed knowingly against a juvenile; c) committed knowingly against a pregnant woman; d) committed by two or more persons; e) committed for the intentional contamination of the victim with a venereal disease; f) involvingtortureofthevictim; shall be punished by imprisonment for 5 to 12 years. (3) The actions set forth in par.(1) or (2): a) committed against a person certainly known to be under the age of 14; b) that cause deliberate contamination with AIDS; c) that cause by imprudence severe bodily injury or damage to health; d) that cause by imprudence the death of the victim; e) that result in other severe consequences; shall be punished by imprisonment for 10 to 20 years or by life imprisonment. Art. 173 Penal Code – Coercion to Actions of a Sexual Character Coercing a person to sexual intercourse, homosexuality, or to the commission of other actions of a sexual character by blackmail or by taking advantage of financial, workrelated or any other form of dependence of the victim shall be punished by a fine in the amount of 300 to 500 conventional units or by community service for 140 to 240 hours or by imprisonment for up to 3 years. Monaco Art. 262 Code Pénal – Viol Quiconque aura commis le crime de viol sera puni de la eclusion de dix à vingt ans. Si le crime a été commis sur la personne d’un mineur au-dessous de l’âge de seize ans eclusion, le coupable encourra le maximum de la eclusion à temps. Mongolei Art. 125 Penal Code – Satisfaction of sexual desire in unnatural manner 125.1. Satisfaction of sexual desire in an unnatural manner by violence or threat of violence or by taking advantage of the helpless situation of the victim, as well as by humiliation shall be punishable by imprisonment for a term of 2 to 5 years. Art. 126 Penal Code – Rape 126.1. Sexual intercourse by physical violence, threat of violence or in other forms, or by taking advantage of helpless state of the victim, as well as by humiliating the victim shall be punishable by imprisonment for a term of up to 5 years.

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Annex II

126.2. The same crime committed: 126.2.1. by humiliating or torturing the victim; 126.2.3. inflicting a severe or a less severe bodily injury; 126.2.4. repeatedly; 126.2.5. rape of a person under the legal age; 126.2.5. in a group or by group at an advance agreement shall be punishable by imprisonment for a term of more than 5 to 10 years. 126.2.6. The same crime committed by a recidivist, rape of a child under the age of 14, or rape entailing death of the victim or another grave harm shall be punishable by imprisonment for a term of more than 15 to 25 years or the death penalty.

Montenegro Art. 204 Penal Code – Rape (1) Anyone who forces another person to sexual intercourse or an act equal to it by using coercion or by threats to attack the life or body of that or some other person, shall be punished by an imprisonment penalty of two to ten years. (2) If a person commits an act referred to in Paragraph 1 of this Article against somebody under threats of doing something that would harm his/her honour or reputation or by serious threat of some other severe evil, s/he shall be punished by an imprisonment sentence of one to eight years. (3) If due to acts referred to in Paragraphs 1 and 2 of this Article a severe bodily injury is inflicted on a person, or if the act is made by more persons in an especially cruel manner or in an especially humiliating manner, or to a juvenile, or the consequence of the act is pregnancy, the perpetrator shall be punished by an imprisonment sentence of three to fifteen years. (4) If due to acts referred to in Paragraphs 1 and 2 of this Article a person died or the act is done to a child, the perpetrator shall be punished by an imprisonment sentence of five to eighteen years. Art. 205 Penal Code – Sexual intercourse with a helpless person (1) Anyone who performs sexual intercourse or an equal act taking advantage of a person’s mental ilness, mental retardation or other mental disorder, disability or some other state of that person due to which s/he is not capable of resistance, shall be punished by an imprisonment sentence of one to ten years. (2) If due to acts referred to in Paragraph 1 of this Article a severe bodily injury is inflicted on a disabled person or if the act is committed by more persons or in a specially cruel or humiliating manner or it is done to a juvenile or the act resulted in a pregnancy, the perpetrator shall be punished by an imprisonment sentence of two to twelve years. (3) If due to an act referred to in Paragraphs 1 and 2 of this Article a person suffering the act died or it is done to a child, the perpetrator shall be punished by an imprisonment sentence of five to eighteen years.

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Myanmar Art. 375 Penal Code – Rape A man is said to commit „rape“ who, except in the case hereinafter excepted, has sexual intercourse with a woman under circumstances falling under any of the five following descriptions First. – Against her will. Secondly. – Without her consent. Thirdly. – With her consent, when her consent has been obtained by putting her in fear of death or of hurt. Fourthly. – With her consent, when the man knows that he is not her husband, and that her consent is given because she believes that he is another man to whom she is or believes herself to be lawfully married. Fifthly. – With or without her consent, when she is under fourteen years. Explanation. – Penetration is sufficient to constitute the sexual intercourse necessary to the offence of rape. Exception. – Sexual intercourse by a man with his own wife, the wife not being under thirteen years of age, is not rape. Art. 376 Penal Code – Punishment of Rape Whoever commits rape shall be punished with transportation for life, or with imprisonment of either description for a term which may extend to ten years, and shall also be liable to fine, unless the woman raped is his own wife and is not under twelve years of age, in which case he shall be punished with imprisonment of either description for a term which may extend to two years, or with fine, or with both. Art. 377 Penal Code – Unnatural Offences Whoever voluntarily has carnal intercourse against the order of nature with any man, woman or animal shall be punished with transportation for life, or with imprisonment of either description for a term which may extend to ten years, and shall also be liable to fine. Namibia Definitions 1. (1) In this Act, unless the context otherwise indicates – „complainant“, in relation to an offence of a sexual or indecent nature, means a person towards or in connection with whom any such offence is alleged to have been committed, irrespective of whether or not that person has actually laid a complaint or gives evidence in the criminal proceedings in question;

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Annex II

„perpetrator“ means a perpetrator as referred to in section 2(1); „sexual act“ means – (a) the insertion (to even the slightest degree) of the penis of a person into the vagina or anus or mouth of another person; or (b) the insertion of any other part of the body of a person or of any part of the body of an animal or of any object into the vagina or anus of another person, except where such insertion of any part of the body (other than the penis) of a person or of any object into the vagina or anus of another person is, consistent with sound medical practices; carried out for proper medical purposes; or (c) cunnilingus or any other form of genital stimulation; „vagina“ includes any part of the female genital organ. (2) Any reference in any other law to rape shall, subject to the provisions of this Act, be construed as including a reference to rape under this Act. Rape 2. (1) Any person (in this Act referred to as a perpetrator) who intentionally under coercive circumstances – (a) commits or continues to commit a sexual act with another person; or (b) causes another person to commit a sexual act with the perpetrator or with a third person, shall be guilty of the offence of rape; (2) For the purposes of subsection (1) „coercive circumstances“ includes, but is not limited to – (a) the application of physical force to the complainant or to a person other than the complainant; (b) threats (whether verbally or through conduct) of the application of physical force to the complainant or to a person other than the complainant; (c) threats (whether verbally or through conduct) to cause harm (other than bodily harm) to the complainant or to a person other than the complainant under circumstances where it is not reasonable for the complainant to disregard the threats; (d) circumstances where the complainant is under the age of fourteen years and the perpetrator is more than three years older than the complainant; (e) circumstances where the complainant is unlawfully detained; (f) circumstances where the complainant is affected by – (i) physical disability or helplessness, mental incapacity or other inability (whether permanent or temporary); or (ii) intoxicating liquor or any drug or other substance which mentally incapacitates the complainant; or (iii) sleep, to such an extent that the complainant is rendered incapable of understanding the nature of the sexual act or is deprived of the opportunity to communicate unwillingness to submit to or to commit the sexual act;

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(g) circumstances where the complainant submits to or commits the sexual act by reason of having been induced (whether verbally or through conduct) by the perpetrator, or by some other person to the knowledge of the perpetrator, to believe that the perpetrator or the person with whom the sexual act is being committed, is some other person; (h) circumstances where as a result of the fraudulent misrepresentation of some fact by, or any fraudulent conduct on the part of, the perpetrator, or by or on the part of some other person to the knowledge or the perpetrator, the complainant is unaware that a sexual act is being committed with him or her; (i) circumstances where the presence of more than one person is used to intimidate the complainant. (3) No marriage or other relationship shall constitute a defence to a charge of rape under this Act. Penalties 3. (1) Any person who is convicted of rape under this Act shall, subject to the provisions of subsections (2), (3) and (4), be liable – (a) in the case of a first conviction – (i) where the rape is committed under circumstances other than the circumstances contemplated in subparagraphs (ii) and (iii), to imprisonment for a period of not less than five years; (ii) where the rape is committed under any of the coercive circumstances referred to in paragraph (a), (b) or (e) of subsection (2) ofsection2, to imprisonment for a period of not less than ten years; (iii) where – (aa) the complainant has suffered grievous bodily or mental harm as a result of the rape; (bb) the complainant – (A) is under the age of thirteen years; or (B) is by reason of age exceptionally vulnerable; (cc) the complainant is under the age of eighteen years and the perpetrator is the complainant’s parent, guardian or caretaker or is otherwise in a position of trust or authority over the complainant; (dd) the convicted person is infected with any serious sexually transmitted disease and at the time of the commission of the rape knows that he or she is so infected; (ee) the convicted person is one of a group of two or more persons participating in the commission of the rape; or (ff) the convicted person uses a firearm or any other weapon for the purpose of or in connection with the commission of the rape, to imprisonment for a period of not less than fifteen years; (b) in the case of a second or subsequent conviction (whether previously convicted of rape under the common law or under the common law or under this Act) – (i) where the rape is committed under circumstances other than the circumstances contemplated in subparagraphs, (ii) and (iii), to imprisonment for a period of not less than ten years;

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Annex II

(ii) where the rape in question or any other rape of which such person has previously been convicted was committed under any of the coercive circumstances referred to in paragraph (a), (b) or (e) of subsection (2) of section 2, to imprisonment for a period of not less than twenty years; (iii) where the rape in question or any other rape of which such person has previously been convicted was committed under any of the circumstances referred to in subparagraph (iii) of paragraph (a), to imprisonment for a period of not less than forty-five years. (2) If a court is satisfied that substantial and compelling circumstances exist which justify the imposition of a lesser sentence than the applicable sentence prescribed in subsection (1), it shall enter those circumstances on the record of the proceedings and may thereupon impose such lesser sentence. (3) The minimum sentences prescribed in subsection (1) shall not be applicable in respect of a convicted person who was under the age of eighteen years at the time of the commission of the rape and the court may in such circumstances impose any appropriate sentence. (4) If a minimum sentence prescribed in subsection (1) is applicable in respect of a convicted person shall, notwithstanding anything to the contrary in any other law contained, not be dealt with under section 297(4) of the Criminal Procedure Act, 1977 (Act No. 51 of 1977): Provided that, if the sentence imposed upon the convicted person exceeds such minimum sentence, the convicted person maybe so dealt with in regard to that part of the sentence that is in excess of such minimum sentence.

Niederlande Art. 242 Penal Code A person who by an act of violence or another act or by threat of violence or threat of another act compels a person to submit to acts comprising or including sexual penetration of the body is guilty of rape and liable to a term o imprisonment of not more than twelve years or a fine of the fifth category.

Niger Art. 282 Code Pénal Quiconque aura commis un acte impudique ou contre nature avec un individu de son sexe, mineur de vingt-et-un an, sera puni d’un emprisonnement de six mois à trois ans et d’une amende de 10.000 à 100.000 francs. Art. 283 Code Pénal (Loi n ë2003-25 du 13 juin 2003).Tout acte de pénétration sexuelle, de quelque nature qu’il soit, commis sur la personne d’autrui par violence, contrainte, menace ou surprise est un viol.

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Art. 284 Code Pénal Quiconque aura commis le crime de viol sera puni d’un emprisonnement de dix à vingt ans. Si le crime a été commis sur la personne d’un enfant au-dessous de l’âge de treize ans, le coupable sera puni d’un emprisonnement de quinze à trente ans.

Nigeria Section 357 Criminal Code Act Any person who has unlawful carnal knowledge of a woman or girl, without her consent, or with her consent, if the consent is obtained by force or by means of threats or intimidation of any kind, or by fear of harm, or by means of false and fraudulent representation as to the nature of the act, or, in the case of a married woman, by personating her husband, is guilty of an offence which is called rape.

Section 358 Criminal Code Act Any person who commits the offence of rape is liable to imprisonment for life, with or without caning. Section 359 Criminal Code Act Any person who attempts to commit the offence of rape is guilty of a felony, and is liable to imprisonment for fourteen years, with or without caning.

Section 360 Criminal Code Act Any person who unlawfully and indecently assaults a woman or girl is guilty of a misdemeanour, and is liable to imprisonment for two years.

Norwegen § 192 Penal Code – Rape Any person who by force or by inducing fear for any person’s life or health compels any person to commit an act of indecency or is accessory thereto shall be guilty of rape and liable to imprisonment for a term not exceeding 10 years, but not less than one year if the act of indecency was sexual intercourse. If as a consequence of the act the aggrieved person dies or sustains serious injury to body or health, or the offender has previously been convicted and sentenced pursuant to this section or section 195, a sentence of imprisonment for a term not exceeding 21 years may be imposed. Venereal disease shall always be regarded as serious injury to body or health pursuant to this section.

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Annex II Österreich § 201 StGB – Vergewaltigung

(1) Wer eine Person mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu bestrafen. (2) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) oder eine Schwangerschaft der vergewaltigten Person zur Folge oder wird die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt oder in besonderer Weise erniedrigt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, hat die Tat aber den Tod der vergewaltigten Person zur Folge, mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen. Oman Art. 218 Penal Code The penalty of imprisonment from five years to fifteen years shall be applied to any person who: has sexual intercourse with a female outside marriage without her consent, whether by coercion, threat or deception; abducts another person by the same means with intent to commit the carnal act on him; commits the carnal act on a person who is below the age of fifteen or is physically or mentally defective, even if the act takes place without coercion, threat, or deception, or if the culprit is an ancestor of the victim or a person charged with his care, or a person having authority on the victim or any servant of such person. Pakistan Section 375 Penal Code – Rape A man is said to commit rape who has sexual intercourse with a woman under circumstances falling under any of the five following descriptions, (i) against her will, (ii) without her consent, (iii) with her consent, when the consent has been obtained by putting her in fear of death or of hurt, (iv) with her consent, when the man knows that he is not married to her and that the consent is given because she believes that the man is another person to whom she is or believes herself to be married; or (v) With or without her consent when she is under sixteen years of age.

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Explanation: Penetration is sufficient to constitute the sexual intercourse necessary to the offence of rape. Section 376 Penal Code – Punishment for rape (1) Whoever commits rape shall be punished with death or imprisonment of either description for a term which shall not be less than ten rears or more, than twenty-five years and shall also be liable to fine. (2) When rape is committed by two or more persons in furtherance of common intention of all, each of such persons shall be punished with death or imprisonment for life.

Polen Art. 197 StGB § 1. Wer mit Gewalt, durch rechtswidrige Drohung oder Arglist eine Person zum Geschlechtsverkehr veranlasst, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. § 2. Veranlasst der Täter in der in § 1 bezeichneten Art und Weise eine Person, sich einer anderen sexuellen Handlung zu unterwerfen oder eine solche Handlung auszuüben, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. § 3. Handelt der Täter bei der Begehung einer in §§ 1 und 2 bezeichneten Vergewaltigung mit besonderer Grausamkeit oder gemeinsam mit einer anderen Person, wird er mit Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu zwölf Jahren bestraft. Art. 198 StGB Wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer Hilflosigkeit oder ihrer auf einer geistigen Behinderung oder psychischen Krankheit beruhenden Unfähigkeit, die Bedeutung ihrer Handlung zu erkennen oder ihr Verhalten zu steuern, zum Geschlechtsverkehr veranlasst oder dazu verleitet, sich einer anderen sexuellen Handlung zu unterwerfen oder eine solche Handlung auszuüben, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu acht Jahren bestraft. Portugal Art. 164 Code Pénal 1. Celui qui en usant la force/violence ou menace grave, ou qui, pour parvenir au résultat désiré la rend inconsciente ou l’a met hors d’état de résister, ou qui la contraint à subir ou à accomplir avec lui ou avec autrui une relation sexuelle, ou anale ou buccale sera puni d’une peine d’emprisonnement de 3 à 8 ans. 2. Celui qui par abus d’autorité et profitant d’une relation de dépendance hiérarchique, économique ou professionnelle, aura contraint une personne par usage d’autorité ou menace non visées dans le cas précédent, a accomplir ou à subir avec lui ou avec autrui une relation sexuelle, ou anale ou buccale sera puni d’une peine d’emprisonnement jusqu’à 3 ans.

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Annex II Puerto Rico Art. 142 Cdigo Penal – Agresin sexual

Toda persona que lleve a cabo una penetracin sexual, sea vaginal, anal, orogenital, digital o instrumental, en cualquiera de las circunstancias que se exponen a continuacin incurrirá en delito grave de segundo grado: (a) Si la vı´ctima al momento del hecho no ha cumplido dieciséis (16) aos. (b) Si por enfermedad o incapacidad mental, temporal o permanente, la vı´ctima está incapacitada para comprender la naturaleza del acto en el momento de su realizacin. (c) Si la vı´ctima fue compelida al acto mediante el empleo de fuerza fı´sica, violencia, intimidacin o amenaza de grave e inmediato dao corporal. (d) Si a la vı´ctima se le ha anulado o disminuido sustancialmente, sin su conocimiento o sin su consentimiento, su capacidad de consentir a través de medios hipnticos, narcticos, deprimentes o estimulantes o de sustancias o medios similares. (e) Si al tiempo de cometerse el acto, la vı´ctima no tuviera conciencia de su naturaleza y esa circunstancia fuera conocida por el acusado. (f) Si la vı´ctima se somete al acto mediante engao, treta, simulacin u ocultacin en relacin a la identidad del acusado. (g) Si a la vı´ctima se le obliga o induce mediante maltrato, violencia fı´sica o sicolgica a participar o involucrarse en una relacin sexual no deseada con terceras personas. (h) Si el acusado tiene una relacin de parentesco con la vı´ctima, por ser ascendiente o descendiente, por consanguinidad, adopcin o afinidad, o colateral por consanguinidad o adopcin hasta el tercer grado. (i) Cuando el acusado se aprovecha de la confianza depositada en él por la vı´ctima por existir una relacin de superioridad por razn de tenerla bajo su custodia, tutela, educacin primaria, secundaria o especial, tratamiento médico o sicoterapéutico, consejerı´a de cualquier ´ındole, o por existir una relacin de liderazgo de creencia religiosa con la vı´ctima. Si la conducta tipificada en el inciso (a) se comete por un menor que no ha cumplido dieciocho (18) aos, incurrirá en delito grave de tercer grado, de ser procesado como adulto. Art. 143 Cdigo Penal – Circunstancias esenciales del delito de agresin sexual El delito de agresin sexual consiste esencialmente en la agresin inferida a la integridad fı´sica, sico-emocional y a la dignidad de la persona. Al considerar las circunstancias del delito se tomará en consideracin el punto de vista de una persona igualmente situada con respecto a la edad y género de la vı´ctima. La emisin no es necesaria y cualquier penetracin sexual, sea ésta vaginal, anal, orogenital, digital o instrumental, por leve que sea, bastará para consumar el delito.

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Ruanda Art. 359 Code Pénal L’attentat à la pudeur commis avec violences, ruses ou menaces sur une personne âgée de seize ans au moins de l’un ou l’autre sexe, sera puni d’un emprisonnement de six mois à cinq ans. Si l’attentat avec violences, ruses ou menaces, a été commis sur une personne âgée de moins de seize ans, la peine sera un emprisonnement de cinq à vingt ans. Si l’attentat a causé la mort de la personne sur laquelle il a été commis, le coupable sera puni de mort. Art. 360 Code Pénal Est puni d’un emprisonnement de cinq à dix ans celui qui aura commis un viol. Est assimilé à la violence le fait d’abuser d’une personne qui, par l’effet d’une maladie, par l’altération de ses facultés ou par toute autre cause accidentelle, a perdu l’usage de ses sens ou en a été privé par quelque artifice. Si le viol a été commis sur la personne d’un enfant âgé de moins de seize ans, le coupable sera puni d’emprisonnement de dix à vingt ans. Si le viol a causé la mort de la personne sur laquelle il a été commis, le coupable sera puni de mort. Rumänien Art. 217 Penal Code – Rape (1) Sexual intercourse, of any kind, with a person of the opposite sex or of the same sex, by coercion of this person or taking advantage of the person’s inability for defence or to express will, shall be punished by strict imprisonment from 3 to 10 years and the prohibition of certain rights. (2) The penalty shall be severe detention from 15 to 20 years and the prohibition of certain rights, if: a) the act has been committed by two or more persons together; b) the victim is under the care, protection, education, guard or treatment of the perpetrator; c) the victim is a family member; d) the victim is a minor under the age of 15; e) the victim suffered serious injury of corporal integrity or health. (3) If the act resulted in the victim’s death or suicide, the penalty shall be severe detention from 15 to 25 years and the prohibition of certain rights. (4) Criminal action for the act provided in para. (1) is initiated upon prior complaint by the person injured.

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Annex II Rußland Art. 131 StGB – Vergewaltigung

1. Vergewaltigung, das ist der Beischlaf unter Anwendung von Gewalt oder unter Drohung mit ihrer Anwendung gegenüber der Verletzten oder anderen Personen oder unter Ausnutzung des hilflosen Zustands der Verletzten, wird mit Freiheitsentzug für die Dauer von drei bis sechs Jahren bestraft. 2. Eine Vergewaltigung, a) gestrichen b) die von einer Personengruppe, einer Personengruppe nach vorheriger Verabredung oder von einer organisierten Gruppe begangen wurde, c) die mit einer Drohung mit Tötung oder der Herbeiführung eines schweren Gesundheitsschadens verbunden war, sowie eine solche, die mit besonderer Grausamkeit gegenüber der Verletzten oder anderen Personen begangen wurde, d) die eine Ansteckung der Verletzten mit einer Geschlechtskrankheit nach sich gezogen hat, e) einer Minderjähigen in Kenntnis dieser Tatsache, wird mit Freiheitsentzug für die Dauer von vier bis zu zehn Jahren bestraft. 3. Eine Vergewaltigung, a) die infolge von Fahrlässigkeit den Tod der Verletzten nach sich gezogen hat, b) die infolge von Fahrlässigkeit die Herbeiführung eines schweren Gesundheitsschadens bei der Verletzten, ihre Ansteckung mit einer AIDS-Infektion oder sonstigen schweren Folge nach sich gezogen hat, c) einer Verletzten unter vierzehn Jahren in Kenntnis ihres Alters, wird mit Freiheitsstrafe für die Dauer von acht bis zu fünfzehn Jahren bestraft. Art. 132 StGB – Gewaltsame Handlungen sexuellen Charakters 1. Homosexualität, lesbischer Verkehr oder sonstige Handlungen sexuellen Charakters unter Anwendung von Gewalt oder unter der Drohung mit ihrer Anwendung gegenüber dem Verletztem (der Verletzten) oder gegenüber anderen Personen oder unter Ausnutzung des hilflosen Zustands des Verletzten (der Verletzten) werden mit Freiheitsentzug für die Dauer von drei bis zu sechs Jahren bestraft. 2. Die gleichen Taten werden, wenn sie a) gestrichen b) von einer Personengruppe, einer Personengruppe nach vorheriger Verabredung oder von einer organisierten Gruppe begangen wurden, c) mit einer Drohung mit Tötung oder der Herbeiführung eines schweren Gesundheitsschadens verbunden waren, sowie wenn sie mit besonderer Grausamkeit gegenüber dem Verletzten (der Verletzten) oder gegenüber anderen Personen begangen wurden, d) die Ansteckung des Verletzten (der Verletzten) mit einer Geschlechtskrankheit nach sich gezogen haben,

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e) wissentlich gegenüber einem Minderjähigen (einer Minderjährigen) begangen wurden, wird mit Freiheitsentzug für die Dauer von vier bis zu zehn Jahren bestraft. 3. die in Abs. 1 oder 2 des Artikels genannten Taten werden, wenn sie a) infolge von Fahrlässigkeit den Tod des Verletzten (der Verletzten) nach sich gezogen haben, b) infolge von Fahrlässigkeit die Herbeiführung eines schweren Gesundheitsschadens bei dem Verletzten (der Verletzten), ihre Ansteckung mit einer AIDS-Infektion oder sonstigen schweren Folge nach sich gezogen haben, c) gegenüber einer Person, die wissentlich nicht vierzehn Jahre alt ist, begangen wurden, mit Freiheitsstrafe für die Dauer von acht bis zu fünfzehn Jahren bestraft. Art. 133 StGB – Nötigung zu Handlungen sexuellen Charakters Die Nötigung einer Person zum Beischlaf, zur Homosexualität, zum lesbischen Verkehr oder zur Vornahme sonstiger Handlungen sexuellen Charakters durch Drohung mit Enthüllungen, durch Drohung mit der Zerstörung, der Beschädigung oder der Wegnahme von Eigentum oder unter Ausnutzung der materiellen oder sonstigen Abhängigkeit des Verletzten (der Verletzten), wird mit Geldstrafe in Höhe von zweihundert bis zu dreihundert Mindestbeträgen des Arbeitslohns oder in Höhe des Arbeitsentgelts oder eines sonstigen Einkommens des Verurteilten für die Zeit von zwei bis drei Monaten, mit Besserungsarbeit für die Dauer bis zu zwei Jahren oder mit Freiheitsentzug für die Dauer bis zu einem Jahr bestraft. Salvador Art. 158 Código Penal – Violación El que mediante violencia tuviere acceso carnal por vía vaginal o anal con otra persona, será sancionado con prisión de seis a diez años. Art. 159 Código Penal – Violación con menor o incapaz El que tuviere acceso carnal por vía vaginal o anal con menor de doce años de edad o con otra persona aprovechándose de su enajenación mental, de su estado de inconsciencia o de su incapacidad de resistir, será sancionado con prisión de diez a catorce años. Quien mediante engaño coloque en estado de inconsciencia a la víctima o la incapacite para resistir, incurrirá en la misma pena, si realiza la conducta descrita en el inciso primero de este artículo. Schweden § 1 StGB – Vergewaltigung (1) Wer eine Person durch Gewalt oder durch Drohung, die eine dringende Gefahr darstellt oder für die bedrohte Person als solche erscheint, zum Beischlaf zwingt oder zu einem anderen sexuellen Umgang, sofern die Tat im Hinblick auf die Art der Kränkung

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Annex II

und die sonstigen Umstände einem erzwungen Beischlaf vergleichbar ist, wird wegen Vergewaltigung zu Gefängnisstrafe von mindestens zwei und höchstens sechs Jahren verurteilt. Der Gewalt gleichgestellt ist es, jemanden in Ohnmacht oder einen anderen derartigen Zustand zu versetzen. (2) Ist die Straftat im Hinblick die Art der Gewalt oder Drohung und die sonstigen Umstände als weniger schwerwiegend anzusehen, so wird auf Gefängnisstrafe von höchstens vier Jahren erkannt. (3) Ist die Straftat schwer, so wird wegen schwerer Vergewaltigung von mindestens vier und höchstens zehn Jahren erkannt. Bei der Beurteilung, ob die Straftat schwer ist, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Gewalt lebensgefährlich war oder ob der Täter eine schwere Schädigung oder ernste Krankheit verursacht oder hinsichtlich der Vorgehensweise oder des geringen Alters des Opfers oder in anderer Hinsicht besondere Rücksichtslosigkeit oder Rohheit gezeigt hat.

Schweiz Art. 189 StGB – Sexuelle Nötigung (1) Wer eine Person zur Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. (2) aufgehoben (3) Handelt der Täter grausam, verwendet er namentlich eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Art. 190 StGB – Vergewaltigung (1) Wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. (2) aufgehoben (3) Handelt der Täter grausam, verwendet er namentlich eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Senegal Art. 320 Code Pénal Tout acte de pénétration sexuelle, de quelque nature qu’il soit, commis sur la personne d’autrui par violence, contrainte, menace ou surprise est un viol. Le viol sera puni d’un emprisonnement de cinq à dix ans.

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S’ il a entraîné une mutilation, une infirmité permanente ou si l’infraction a été commise par séquestration ou par plusieurs personnes, la peine ci-dessus sera doublée. S’ il a entraîné la mort, les auteurs seront punis comme coupable d’assassinat. Si l’infraction a été commise sur un enfant au dessous de 13 ans accomplis ou une personne particulièrement vulnérable en raison de son état de grossesse, de son âge avancé ou de son état de santé ayant entraîné une déficience physique ou psychique, le coupable subira le maximum de la peine. Quiconque aura commis ou tenté de commettre un attentat à la pudeur, consommé ou tenté avec violence, contre des individus de l’un ou l’autre sexe sera puni d’une peine d’emprisonnement de cinq à dix ans. Si le délit a été commis sur la personne d’un enfant au-dessous de l’âge de 13 ans accomplis ou d’une personne particulièrement vulnérable en raison de son état de grossesse, de son âge avancé ou de son état de santé ayant entraîné une déficience physique ou psychique, le coupable subira le maximum de la peine. Serbien Art. 178 Penal Code – Rape (1) Whoever forces another to sexual intercourse or an equal act by use of force or threat of direct attack against the body of such or other person, shall be punished with imprisonment from two to ten years. (2) If the offence specified in paragraph 1 of this Article is committed under threat of disclosure of information against such person or another that would discredit such person’s reputation or honour, or by threat of other grave evil, the offender shall be punished with imprisonment from one to eight years. (3) If the offence specified in paragraphs 1 and 2 of this Article resulted in grievous bodily harm of the person against whom the offence is committed, or if the offence is committed by more than one person or in a particularly cruel or particularly humiliating manner or against a juvenile or the act resulted in pregnancy, the offender shall be punished with imprisonment from three to fifteen years. (4) If the offence specified in paragraphs 1 and 2 of this Article results in death of the person against whom it was committed or if committed against a child, the offender shall be punished with imprisonment from five to eighteen years. Singapur Art. 375 Penal Code – Rape (1) Any man who penetrates the vagina of a woman with his penis – (a) without her consent; or (b) with or without her consent, when she is under 14 years of age, shall be guilty of an offence.

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Annex II

(2) Subject to subsection (3), a man who is guilty of an offence under this section shall be punished with imprisonment for a term which may extend to 20 years, and shall also be liable to fine or to caning. (3) Whoever – (a) in order to commit or to facilitate the commission of an offence under subsection (1) – (i) voluntarily causes hurt to the woman or to any other person; or (ii) puts her in fear of death or hurt to herself or any other person; or (b) commits an offence under subsection (1) with a woman under 14 years of age without her consent, shall be punished with imprisonment for a term of not less than 8 years and not more than 20 years and shall also be punished with caning with not less than 12 strokes. (4) No man shall be guilty of an offence under subsection (1) against his wife, who is not under 13 years of age, except where at the time of the offence – (a) his wife was living apart from him – (i) under an interim judgment of divorce not made final or a decree nisi for divorce not made absolute; (ii) under an interim judgment of nullity not made final or a decree nisi for nullity not made absolute; (iii) under a judgment or decree of judicial separation; or (iv) under a written separation agreement; (b) his wife was living apart from him and proceedings have been commenced for divorce, nullity or judicial separation, and such proceedings have not been terminated or concluded; (c) there was in force a court injunction to the effect of restraining him from having sexual intercourse with his wife; (d) there was in force a protection order under section 65 or an expedited order under section 66 of the Women’s Charter (Cap. 353) made against him for the benefit of his wife; or (e) his wife was living apart from him and proceedings have been commenced for the protection order or expedited order referred to in paragraph (d), and such proceedings have not been terminated or concluded. (5) Notwithstanding subsection (4), no man shall be guilty of an offence under subsection (1) (b) for an act of penetration against his wife with her consent. Art. 376 Penal Code – Sexual assault by penetration (1) Any man (A) who – (a) penetrates, with A’s penis, the anus or mouth of another person (B); or (b) causes another man (B) to penetrate, with B’s penis, the anus or mouth of A, shall be guilty of an offence if B did not consent to the penetration.

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(2) Any person (A) who – (a) sexually penetrates, with a part of A’s body (other than A’s penis) or anything else, the vagina or anus, as the case may be, of another person (B); (b) causes a man (B) to penetrate, with B’s penis, the vagina, anus or mouth, as the case may be, of another person (C); or (c) causes another person (B), to sexually penetrate, with a part of B’s body (other than B’s penis) or anything else, the vagina or anus, as the case may be, of any person including A or B, shall be guilty of an offence if B did not consent to the penetration. (3) Subject to subsection (4), a person who is guilty of an offence under this section shall be punished with imprisonment for a term which may extend to 20 years, and shall also be liable to fine or to caning. (4) Whoever – (a) in order to commit or to facilitate the commission of an offence under subsection (1) or (2) – (i) voluntarily causes hurt to any person; or (ii) puts any person in fear of death or hurt to himself or any other person; or (b) commits an offence under subsection (1) or (2) against a person (B) who is under 14 years of age, shall be punished with imprisonment for a term of not less than 8 years and not more than 20 years and shall also be punished with caning with not less than 12 strokes.

Slovenien Section 180 Penal Code (1) Whoever compels a person of the same or opposite sex to submit to sexual intercourse with him by force or threat of imminent attack on life or limb, shall be sentenced to imprisonment for not less than one (1) and not more than ten (10) years. (2) If the offence under the preceeding paragraph has been committed in a cruel or extremely humiliating manner or successively by at least two perpetrators or against an offender serving sentence in a closed or semi-open type of penal institution, the perpetrator (s) shall be sentenced to imprisonment for not less than three (3) years. (3) Whoever compels a person of the same or opposite sex to submit to sexual intercourse by threatening him/her with large loss of property to him/her or to his/her relatives or with the disclosure of any matter concerning him/her or his/her relatives which is capable of damaging him/her or his/her relatives’ honor and reputation shall be sentenced to imprisonment for not less than six (6) months and not more than five (5) years. (4) If offences under the first or third paragraphs of the present article have been committed against a spouse or an extra-marital partner, the prosecution shall be initiated upon a complaint.

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Annex II Spanien Art. 178 Código Penal

El que atentare contra la libertad sexual de otra persona, con violencia or intimidación será castigado como responsable de agresión sexual con la pena de prisión de uno a cuatro anos. Art. 179 Código Penal Cuanda la agresión sexual consista en acceso carnal por vía vaginal, anal o bucal, o introducción de miembros corporales u objectos por alguna de las dos primeras vías, el responsable será castigado como reo de violación con la pena de prisión de seis a 12 anos. Sri Lanka Section 363 Penal Code – Rape A man is said to commit „rape“ who enactment has sexual intercourse with a woman under circumstances falling under any of the following descriptions: (a) without her consent even where such woman is his wife and she is judicially separated from the man; or (b) with her consent when her consent has been obtained, by use of force or threats or intimidation or by putting her to fear of death or hurt, or while she was in unlawful detention; or (c) with her consent when her consent has been obtained at a time when she was of unsound mind or was in a state of intoxication Induced by alcohol or drugs, administered to her by the man or by some other person; or (d) with her consent when the man knows that he is not her husband, and that her consent is given because he believes that he is another man to whom she is, or believed herself to be, lawfully married; or (e) with or without her consent when she is under sixteen years of age, unless the woman is his wife who is over twelve years of age and is not judicially separated from the man. Südafrika Section 1 – Sexual offences and related matters amendment act 2007 – Definitions and Interpretation of Act ... „sexual penetration“ includes any act which causes penetration to any extent whatsoever by – (a) the genital organs of one person into or beyond the genital organs, anus, or mouth of another person; (b) any other part of the body of one person or, any object, including any part of the body of an animal, into or beyond the genital organs or anus of another person; or

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(c) the genital organs of an animal, into or beyond the mouth of another person, and „sexually penetrates“ has a corresponding meaning; „sexual violation“ includes any act which causes – (a) direct or indirect contact between the – (i) genital organs or anus of one person or, in the case of a female, her breasts, and any part of the body of another person or an animal, or any object, including any object resembling or representing the genital organs or anus of a person or an animal; (ii) mouth of one person and – (aa) the genital organs or anus of another person or, in the case of a female, her breasts; (bb) the mouth of another person; (cc) any other part of the body of another person, other than the genital organs or anus of that person or, in the case of a female, her breasts, which could – (aaa) be used in an act of sexual penetration; (bbb) cause sexual arousal or stimulation; or (ccc) be sexually aroused or stimulated thereby; or (dd) any object resembling the genital organs or anus of a person, and in the case of a female, her breasts, or an animal; or (iii) mouth of the complainant and the genital organs or anus of an animal; (b) the masturbation of one person by another person; or (c) the insertion of any object resembling or representing the genital organs of a person or animal, into or beyond the mouth of another person, but does not include an act of sexual penetration, and „sexually violates“ has a corresponding meaning; . . . Section 3 Sexual offences and related matters amendment act 2007 – Rape Any person („A“) who unlawfully and intentionally commits an act of sexual penetration with a complainant („B“), without the consent of B, is guilty of the offence of rape. Section 4 Sexual offences and related matters amendment act 2007 – Compelled Rape Any person („A“) who unlawfully and intentionally compels a third person („C“), without the consent of C, to commit an act of sexual penetration with a complainant („B“), without the consent of B, is guilty of the offence of compelled rape. Swaziland Having sexual offence with a women without her consent constitutes the offence of rape. It an only be committed by a man, but a woman can be prosecuted as an accomplice in rape when she assists a man to commit a rape.The offence of rape is provided by Common Law and by Girls and Woman protection Act.

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Annex II

Sodomy-it is sexual intercourse per anus between two human males. All these categories are covered by Common Law Offences. Syrien Art. 489 Code Pénal Quiconque, à l’aide de violences ou de menaces, contraint une personne à l’acte sexuel hors mariage, sera puni des travaux forcés pour 15 ans au moins. La peine ne sera pas inférieure à 21 ans si la victime n’avait pas 15 ans révolus. Art. 493 Code Pénal Quiconque contraint une autre personne, par la violence ou la menace, à subir ou a commettre un acte d’outrage aux bonnes moeurs est puni de 12 ans de travaux forcés au moins. La peine ne sera pas inférieure à 18 ans si la victime avait moins de 15 ans révolus. Tajikistan Art. 138 Penal Code – Rape (1) Rape, that is sexual intercourse using force or with the threat of force towards the victim or other persons, or using the helpless condition of the victim, is punishable by deprivation of freedom for a period of 3 to 7 years. (2) Rape: a) committed for the second time or by an offender who has previously committed forcible actions of sexual character; b) by a group of persons or a group of persons in a conspiracy; c) jointly with the threat of murder or major bodily injury; d) committed with an extreme brutality in relation to the victim or other persons; e) causing the infection of a venereal disease; f) of a minor woman, g) two or more persons, is punishable by deprivation of freedom for a period of 7 to 10 years. (3) Rape: a) of a girl at the age under 14 years old or a close relative; b) committed by an organized group; d) in the course of a public calamity or mass riots, or caused grave consequences; e) with using a weapon or with the threat of using it or objects which can be used as a weapon, is punishable by imprisonment for a period of 15 to 20 years, or by death penalty.

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Art. 139 Penal Code – Forcible Actions of Sexual Character (1) Homosexuality or lesbianism or satisfaction of sexual desire using force or threat of force towards the victim or other persons, or using the helpless condition of the victim, is punishable by imprisonment for a period of 5 to 7 years. (2) The same actions: a) committed for the second time, or by an offender who has previously committed a rape; b) by a group of individuals or by a group of individuals in a conspiracy; c) committed with extreme brutality in relation to the victim or other persons; d) communicating venereal disease to the victim; e) committed in relation to a minor, are punishable by deprivation of freedom for a period of 8 to 12 years. (3) The same actions: a) committed towards two or more persons; b) committed towards a close relative, are punishable by deprivation of freedom for a period of 10 to 15 years. (4) The actions specified by Parts 1 and 2 of the present article: a) committed in regard to a person at the age under 14 years old; b) in case of especially dangerous recidivism; c) by an organized group;d) in the course of mass disorders or using the conditions of a public disaster, are punishable by imprisonment for a period of 15 to 20 years.

Art. 140 Penal Code – Compulsion to Actions of Sexual Character Compulsion of a person to sexual intercourse, homosexuality, lesbianism or other actions of sexual character by blackmailing, threat of destroying, damaging or taking property, or using official, financial or other dependence of the victim, is punishable by a fine in the amount of 500 to 700 times the minimum monthly wage, or correctional labor for up to 2 years, up to 2 years of imprisonment.

Tansania Section 130 Penal Code as amended by Section 5 of the Sexual Offences Special Provisions Act 1998 – Rape (l) It is an offence for a male person to rape a girl or (2) A male person commits the offence of rape if he has sexual intercourse with a girl or woman under circumstances falling, under any of the following descriptions: (a) not, being his wife, or being his wife who is separated from him without her consenting to it at the time of the sexual intercourse;

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Annex II

(b) with her consent where, the consent has been – obtained by the, use of force, threats or intimidation or by putting her in fear of death or of hurt while she is in unlawful detention; (c) with her consent when her consent has been at a time when she was of unsound state of intoxication induced by any drugs, matter or thing, administered to her by the, man or by some other person unless proved that there was prior con – (d) with her consent when the man knows that is not her husband, and that her consent is given because she has been made to believe that he is another man to whom she is or believes herself to be lawful married; (e) with or without her consent when she is under eighteen years of age, unless the woman is his wife who is fifteen or more years of age and is not separated from the man. (3) Whoever – (a) being a person in a position of authority, takes advantage of his official position, and commits rape on a girl or woman in his official relationship or wrongfully restrains and commits rape on the girl or woman; (b) being on the management or on the staff of a remand home or other place of custody, established by or under law, or of a women’s or children’s institution, takes advantage of his position and commits rape on any woman inmate of the remand home, place of custody or (c) being on the management or staff of a hospital, takes advantage of his position and commits rape on a girl or woman; (d) being a traditional healer, takes advantage of his position and commits rape on a girl or woman who is his client for healing purposes; sent between the two; (e) being a religious leader takes advantage of his position and commits rape on a girl or woman, is liable to imprisonment for a term prescribed under subsection (1) of section 131. (4) For the purposes of proving the offence of rape –, (a) penetration however, slight is sufficient to constitute the sexual intercourse necessary to the offence; and (b) evidence of resistance such as physical injuries to the body is not necessary to prove that sexual intercourse took place without consent.

Art. 131 Penal Code (1) Any person who commits rape is, except in the cases provided for in the renumbered subsection (2), liable to be punished with imprisonment of not less than thirty years with corporal punishment and with fine and shall in addition be ordered to pay compensation of an amount determined by the court to the person in respect of whom the offence was committed for the injuries caused to such person. (2) Notwithstanding the provision of any law, where the offence is committed by a boy who is of the age of eighteen years or less, he shall –

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(a) if a first offender, be sentenced to imprisonment only (b) if a second time offender, be sentenced to imprisonment for a term of twelve months with corporal punishment (c) if a third time and recidivist offender he shall be sentenced to life imprisonment pursuant to subsection (1). (3) Notwithstanding the preceding provisions of this section whoever committs an offence of rape to a girl under the ten years shall on conviction be sentenced to life imprisonment. Thailand Section 276 Penal Code Whoever has sexual intercourse with a woman, who is not his wife, against her will, by threatening by any means whatever, by doing any act of violence, by taking advantage of the woman being in the condition of inability to resist, or by causing the woman to mistake him for another person, shall be punished with imprisonment of four to twenty years and fined of eight thousand to forty thousand Baht. If the offence as mentioned in the first paragraph is committed by carrying or using any gun or eyplosive, or participation of persons in the nature of destroying the woman, the offender shall be punished with imprisonment of fifteen to twenty years and fined of thirty thousand to forty thousand Baht, or imprisonment for life. Section 278 Penal Code Whoever, committing an indecent act to the person out of fifteen years of age by threatening with any means, by doing any act of violence, by taking advantage of that person to be in the condition of inability to resist, or by causing that person to mistake him for another person, shall be imprisoned not out of ten years or fined not out of twenty thousand Baht, or both. Trinidad und Tobago Section 2 Penal Code . . . ,grievous sexual assault‘ means – (a) the penetration of the vagina or anus of the complainant by a body part other than the penis of the accused or third person as the case may be; (b) the penetration of the vagina or anus of the complainant by an object manipulated by the accused or third person, as the case may be, except when such penetration is accomplished for medically recognised treatment; (c) the placing of the penis of the accused or third person, as the case may be, into the mouth of the complainant; or (d) the placing of the mouth of the accused or third person as the case may be, onto or into the vagina of the complainant.

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Annex II Section 4 Penal Code – Rape

(1) Subject to subsection (2), a person („the accused“) commits the offence of rape when he has sexual intercourse with another person (,the complainant‘) – (a) without the consent of the complainant where he knows that the complainant does not consent to the intercourse or he is reckless as to whether the complainant consents; or (b) with the consent of the complainant where the consent – (i) is extorted by threat or fear of bodily harm to the complainant or to another; (ii) is obtained by personating someone else; (iii) is obtained by false or fraudulent representations as to the nature of the intercourse; or (iv) is obtained by unlawfully detaining the complainant. (2) A person who commits the offence of rape is liable on conviction to imprisonment for life and any other punishment which may be imposed by law, except that if – (a) the complainant is under the age of twelve years; (b) the offence is committed by two or more persons acting in concert or with the assistance or in the presence, of a third person; (c) the offence is committed in particularly heinous circumstances; (d) the complainant was pregnant at the time of the offence and the accused knew that the complainant was pregnant; or (e) the accused has previously been convicted of the offence of rape, he shall be liable to imprisonment for the remainder of his natural life. (3) The Court or body may order a person who is convicted of an offence under this Act, to pay to the complainant adequate compensation which shall be a charge on the property of the person so convicted. (4) The provisions of subsection (3) shall not deprive the complainant of the right to claim compensation in any other Court, save that the Court that awards further compensation may take the order under subsection (4) into account when it makes a further award. (5) This section also applies to a husband in relation to the commission of the offence of rape on his wife. (6) In subsection (5) „husband“ or „wife“ includes a cohabitant within the meaning of the Cohabitational Relationships Act, 1998. Section 4a Penal Code – Grievous sexual assault (1) Subject to subsection (2), a person (,the accused‘) commits the offence of grievous sexual assault when he commits the act on another person (,the complainant‘) – (a) without the consent of the complainant where he knows that the complainant does not consent to the act or he is reckless as to whether the complainant consents; or

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(b) with the consent of the complainant where the consent – (i) is extorted by threat or fear of bodily harm to the complainant or to another; (ii) is obtained by personating someone else; (iii) is obtained by false and fraudulent representations as to the nature of the act; (iv) is obtained by unlawfully detaining the complainant. (2) Subsections (2) to (4) of section 4 applies, mutatis mutandis, to the offence of grievous sexual assault as it does to the offence of rape. (3) This section also applies to a husband in relation to the commission of the offence of grievous sexual assault on his wife. (4) In subsection (3) „husband“ or „wife“ includes a cohabitant within the meaning of the Cohabitational Relationships Act, 1998. Tschechien Art. 241 Criminal Code (1) A person who by violence or by threat of imminent violence forces a woman to copulate or abuses her helpless state and has sexual intercourse with her, shall be sentenced to imprisonment for at least two and at most eight years. (2) A person shall be sentenced to imprisonment for at least five and at most twelve years if: he inflicts serious injury by the offence mentioned in paragraph 1; or he commits this offence against a woman under fifteen (15) years of age. (3) A sentence to imprisonment for at least ten and at most fifteen years shall be imposed if the offender causes a death by the offence mentioned in paragraph 1. Türkei Art. 102 Penal Code – Sexual abuse (1) Any person who attempts to violate sexual immunity of a person, is sentenced to imprisonment from two years to seven years upon compliant of the victim. (2) In case of commission of offense by inserting an organ or instrument into a body, the offender is punished with imprisonment from seven years to twelve years. In case of commission of this offense against a spouse, commencement of investigation or prosecution is bound to complaint of the victim. (3) If the offense is committed; a) Against a person who cannot protect himself because of corporal or spiritual disability, b) By undue influence based on public office, c) Against a person with whom he has third degree blood relation or kinship,

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Annex II

d) By using arms or participation of more than one person in the offense, the punishments imposed according to above subsections are increased by one half. (4) In case of use of force during the commission of offense in such a way to break down victim’s resistance, the offender is additionally punished for felonious injury. (5) In case of deterioration of corporal and spiritual health of the victim as a result of the offense, the offender is sentenced to imprisonment not less than ten years. (6) In case of death of vegetal existence of a person as result of the offense, the offender is sentenced to heavy life imprisonment.

Tunesien Art. 227 Code Pénal Est puni de mort: Le crime de viol commis avec violence, usage ou menace d’usage d’arme. Est puni d’emprisonnement à vie, le crime de viol commis en dehors des cas précédents. Est puni d’emprisonnement à vie, le crime de viol commis en dehors des cas précédents. Art. 228 Code Pénal Est puni d’un emprisonnement pendant six ans, l’attentat à la pudeur, commis sur une personne de l’un ou de l’autre sexe sans son consentement. La peine est portée à douze ans de prison si la victime est âgée de moins de dix-huit ans accomplis. L’emprisonnement sera à vie si l’attentat a été commis par usage d’arme, menace, séquestration ou s’en est suivi blessure ou mutilitation ou défiguration ou tut autre acte de nature à mettre la vie de la victime en danger.

Ukraine Art. 152 Penal Code – Rape 1. Rape, that is sexual intercourse combined with violence, threats of violence, or committed by taking advantage of the victim’s helpless condition, – shall be punishable by imprisonment for a term of three to five years. 2. Rape, where it was repeated, or committed by a person who previously committed any of the offenses provided for by Articles 153 to 155 of this Code, – shall be punishable by imprisonment for a term of five to ten years. 3. Rape committed by a group of persons, or rape of a minor, – shall be punishable by imprisonment for a term of seven to twelve years. 4. Rape which caused any grave consequences, and also rape of a young child, – shall be punishable by imprisonment for a term of eight to fifteen years.

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Ungarn Section 197 Penal Code – Rape 1) A person who by violent action or direct menace against life or limb forces a woman to have sexual intercourse, or uses the incapacity of the woman for defence or for the manifestation of her will for sexual intercourse, commits a felony and shall be punishable with imprisonment between 2 and 8 years. 2) The punishment shall be imprisonment from 5 to 10 years if: a) the victim is under 12 years of age b) the victim is under the education, supervision, care or medical treatment of the perpetrator c) more than one person have sexual intercourse with the victim on the same occasion, knowing about each other’s acts. 3) The punishment shall be imprisonment between 5 to 15 years if the provisions of paragraph b) or c) of subsection 2) also apply to rape committed against a victim under 12 years of age. Section 198 Penal Code – Assault against decency 1) A person who by violence or direct menace against life or limb forces another person to engage in sodomy or to the endurance there of, or uses for sodomy the incapacity of another person for defence or for the manifestation of will, commits a felony and shall be punishable with imprisonment between 2 to 8 years. 2) The punishment shall be imprisonment from 5 years to 10 years, if: a) the victim is under 12 years of age b) the victim is under education, supervision, care or medical treatment of the perpetrator c) if several persons sodomize the victim on the same occasion, knowing about each other’s act. 3) the punishment shall be imprisonment between 5 to 15 years if the provisions of paragraph b) or c) of subsection 2) also apply to the sexual assault committed against a victim under 12 years of age. USA – Kalifornien Section 261 Penal Code – Rape (a) Rape is an act of sexual intercourse accomplished with a person not the spouse of the perpetrator, under any of the following circumstances: (1) Where a person is incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the provisions of the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving consent.

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Annex II

(2) Where it is accomplished against a person’s will by means of force, violence, duress, menace, or fear of immediate and unlawful bodily injury on the person or another. (3) Where a person is prevented from resisting by any intoxicating or anesthetic substance, or any controlled substance, and this condition was known, or reasonably should have been known by the accused. (4) Where a person is at the time unconscious of the nature of the act, and this is known to the accused. As used in this paragraph, „unconscious of the nature of the act“ means incapable of resisting because the victim meets one of the following conditions: (A) Was unconscious or asleep. (B) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant that the act occurred. (C) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraud in fact. (D) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraudulent representation that the sexual penetration served a purpose when it served no professional purpose. (5) Where a person submits under the belief that the person committing the act is the victim’s spouse, and this belief is induced by any artifice, pretense, or concealment practiced by the accused,with intent to induce the belief. (6) Where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat. As used in this paragraph, „threatening to retaliate“ means as threat to kidnap or falsely imprison, or to inflict extreme pain, serious bodily injury, or death. (7) Where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to use the authority of a public official to incarcerate, arrest, or deport the victim or another, and the victim has a reasonable belief that the perpetrator is a public official. As used in this paragraph, „public official“ means a person employed by a governmental agency who has the authority, as part of that position, to incarcerate, arrest, or deport another. The perpetrator does not actually have to be a public official. (b) As used in this section, „duress“ means a direct or implied threat of force, violence, danger, or retribution sufficient to coerce a reasonable person of ordinary susceptibilities to perform an act which otherwise would not have been performed, or acquiesce in an act to which one otherwise would not have submitted. The total circumstances, including the age of the victim, and his or her relationship to the defendant, are factors to consider in appraising the existence of duress. (c) As used in this section, „menace“ means any threat declaration, or act which shows an intention to inflict an injury upon another. Section 261.6 Penal Code – Consent In prosecutions under Section 261, 262, 286, 288a, or 289, in which consent is at issue, „consent“ shall be defined to mean positive cooperation in act or attitude pursuant to an exercise of free will. The person must act freely and voluntarily and have knowledge of the nature of the act or transaction involved.

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A current or previous dating or marital relationship shall not be sufficient to constitute consent where consent is at issue in a prosecution under Section 261, 262, 286, 288a, or 289. Nothing in this section shall affect the admissibility of evidence or the burden of proof on the issue of consent. Section 261.7 Penal Code – Condom and birth control devices In prosecutions under Section 261, 262, 286, 288a, or 289, in which consent is at issue, evidence that the victim suggested, requested, or otherwise communicated to the defendant that the defendant use a condom or other birth control device, without additional evidence of consent, is not sufficient to constitute consent. Section 262 Penal Code – Spousal rape (a) Rape of a person who is the spouse of the perpetrator is an act of sexual intercourse accomplished under any of the following circumstances: (1) Where it is accomplished against a person’s will by means of force, violence, duress, menace, or fear of immediate and unlawful bodily injury on the person or another. (2) Where a person is prevented from resisting by any intoxicating or anesthetic substance, or any controlled substance, and this condition was known, or reasonably should have been known, by the accused. (3) Where a person is at the time unconscious of the nature of the act, and this is known to the accused. As used in this paragraph, „unconscious of the nature of the act“ means incapable of resisting because the victim meets one of the following conditions: (A) Was unconscious or asleep. (B) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant that the act occurred. (C) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraud in fact. (4) Where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat. As used in this paragraph, „threatening to retaliate“ means a threat to kidnap or falsely imprison, or to inflict extreme pain, serious bodily injury, or death. (5) Where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to use the authority of a public official to incarcerate, arrest, or deport the victim or another, and the victim has a reasonable belief that the perpetrator is a public official. As used in this paragraph, „public official“ means a person employed by a governmental agency who has the authority, as part of that position, to incarcerate, arrest, or deport another. The perpetrator does not actually have to be a public official. (b) Section 800 shall apply to this section. However, no prosecution shall be commenced under this section unless the violation was reported to medical personnel, a member of the clergy, an attorney, a shelter representative, a counselor, a judicial officer, a rape crisis agency, a prosecuting agency, a law enforcement officer, or a firefighter within

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one year after the date of the violation. This reporting requirement shall not apply if the victim’s allegation of the offense is corroborated by independent evidence that would otherwise be admissible during trial. (c) As used in this section, „duress“ means a direct or implied threat of force, violence, danger, or retribution sufficient to coerce a reasonable person of ordinary susceptibilities to perform an act which otherwise would not have been performed, or acquiesce in an act to which one otherwise would not have submitted. The total circumstances, including the age of the victim, and his or her relationship to the defendant, are factors to consider in apprising the existence of duress. (d) As used in this section, „menace“ means any threat, declaration, or act that shows an intention to inflict an injury upon another. (e) If probation is granted upon conviction of a violation of this section, the conditions of probation may include, in lieu of a fine, one or both of the following requirements: (1) That the defendant makes payments to a battered women’s shelter, up to a maximum of one thousand dollars ($ 1,000). (2) That the defendant reimburses the victim for reasonable costs of counseling and other reasonable expenses that the court finds are the direct result of the defendant’s offense. For any order to pay a fine, make payments to a battered women’s shelter, or pay restitution as a condition of probation under this subdivision, the court shall make a determination of the defendant’s ability to pay. In no event shall any order to make payments to a battered women’s shelter be made if it would impair the ability of the defendant to pay direct restitution to the victim or court-ordered child support. Where the injury to a married person is caused in whole or in part by the criminal acts of his or her spouse in violation of this section, the community property may not be used to discharge the liability of the offending spouse for restitution to the injured spouse, required by Section 1203.04, as operative on or before August 2, 1995, or Section 1202.4, or to a shelter for costs with regard to the injured spouse and dependents, required by this section, until all separate property of the offending spouse is exhausted.

Section 263 Penal Code – Sexual penetration The essential guilt of rape consists in the outrage to the person and feelings of the victim of the rape. Any sexual penetration, however slight, is sufficient to complete the crime. Section 264 Penal Code – Punishment (a) Rape, as defined in Section 261 or 262, is punishable by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (b) In addition to any punishment imposed under this section the judge may assess a fine not to exceed seventy dollars ($ 70) against any person who violates Section 261 or 262 with the proceeds of this fine to be used in accordance with Section 1463.23. The court shall, however, take into consideration the defendant’s ability to pay, and no defendant shall be denied probation because of his or her inability to pay the fine permitted under this subdivision.

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Section 286 Penal Code – Sodomy (a) Sodomy is sexual conduct consisting of contact between the penis of one person and anus of another person. Any sexual penetration, however slight, is sufficient to complete the crime of sodomy. (b) (1) Except as provided in Section 288, any person who participates in an act of sodomy with another person who is under 18 years of age shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for not more than one year. (2) Except as provided in Section 288, any person over the age of 21 years who participates in an act of sodomy with another person who is under 16 years of age shall be guilty of a felony. (c) (1) Any person who participates in an act of sodomy with another person who is under 14 years of age and more than 10 years younger than he or she shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (2) Any person who commits an act of sodomy when the act is accomplished against the victim’s will by means of force, violence, duress, menace, or fear of immediate and unlawful bodily injury on the victim or another person shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (3) Any person who commits an act of sodomy where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (d) Any person who, while voluntarily acting in concert with another person, either personally or aiding and abetting that other person, commits an act of sodomy when the act is accomplished against the victim’s will by means of force or fear of immediate and unlawful bodily injury on the victim or another person or where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat, shall be punished by imprisonment in the state prison for five, seven, or nine years. (e) Any person who participates in an act of sodomy with any person of any age while confined in any state prison, as defined in Section 4504, or in any local detention facility, as defined in Section 6031.4, shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for not more than one year. (f) Any person who commits an act of sodomy, and the victim is at the time unconscious of the nature of the act and this is known to the person committing the act, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. As used in this subdivision, „unconscious of the nature of the act“ means incapable of resisting because the victim meets one of the following conditions: (1) Was unconscious or asleep. (2) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant that the act occurred. (3) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraud in fact.

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(4) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraudulent representation that the sexual penetration served a professional purpose when it served no professional purpose. (g) Except as provided in subdivision (h), a person who commits an act of sodomy, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving consent. (h) Any person who commits an act of sodomy, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act, and both the defendant and the victim are at the time confined in a state hospital for the care and treatment of the mentally disordered or in any other public or private facility for the care and treatment of the mentally disordered approved by a county mental health director, shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for not more than one year. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving legal consent. (i) Any person who commits an act of sodomy, where the victim is prevented from resisting by an intoxicating or anesthetic substance, or any controlled substance, and this condition was known, or reasonably should have been known by the accused, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (j) Any person who commits an act of sodomy, where the victim submits under the belief that the person committing the act is the victim’s spouse, and this belief is induced by any artifice, pretense, or concealment practiced by the accused, with intent to induce the belief, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (k) Any person who commits an act of sodomy, where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to use the authority of a public official to incarcerate, arrest, or deport the victim or another, and the victim has a reasonable belief that the perpetrator is a public official, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. As used in this subdivision, „public official“ means a person employed by a governmental agency who has the authority, as part of that position, to incarcerate, arrest, or deport another. The perpetrator does not actually have to be a public official. (l) As used in subdivisions (c) and (d), „threatening to retaliate“ means a threat to kidnap or falsely imprison, or inflict extreme pain, serious bodily injury, or death. (m) In addition to any punishment imposed under this section, the judge may assess a fine not to exceed seventy dollars ($ 70) against any person who violates this section,

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with the proceeds of this fine to be used in accordance with Section 1463.23. The court, however, shall take into consideration the defendant’s ability to pay, and no defendant shall be denied probation because of his or her inability to pay the fine permitted under this subdivision. Section 288a Penal Code – Oral copulation (a) Oral copulation is the act of copulating the mouth of one person with the sexual organ or anus of another person. (b) (1) Except as provided in Section 288, any person who participates in an act of oral copulation with another person who is under 18 years of age shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for a period of not more than one year. (2) Except as provided in Section 288, any person over the age of 21 years who participates in an act of oral copulation with another person who is under 16 years of age is guilty of a felony. (c) (1) Any person who participates in an act of oral copulation with another person who is under 14 years of age and more than 10 years younger than he or she shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (2) Any person who commits an act of oral copulation when the act is accomplished against the victim’s will by means of force, violence, duress, menace, or fear of immediate and unlawful bodily injury on the victim or another person shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (3) Any person who commits an act of oral copulation where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (d) Any person who, while voluntarily acting in concert with another person, either personally or by aiding and abetting that other person, commits an act of oral copulation (1) when the act is accomplished against the victim’s will by means of force or fear of immediate and unlawful bodily injury on the victim or another person,or (2) where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat, or (3) where the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act, shall be punished by imprisonment in the state prison for five, seven, or nine years. Notwithstanding the appointment of a conservator with respect to the victim pursuant to the provisions of the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime described under paragraph (3), that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving legal consent. (e) Any person who participates in an act of oral copulation while confined in any state prison, as defined in Section 4504 or in any local detention facility as defined in Sec-

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tion 6031.4, shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for a period of not more than one year. (f) Any person who commits an act of oral copulation, and the victim is at the time unconscious of the nature of the act and this is known to the person committing the act, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. As used in this subdivision, „unconscious of the nature of the act“ means incapable of resisting because the victim meets one of the following conditions: (1) Was unconscious or asleep. (2) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant that the act occurred. (3) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraud in fact. (4) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraudulent representation that the oral copulation served a professional purpose when it served no professional purpose. (g) Except as provided in subdivision (h), any person who commits an act of oral copulation, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act, shall be punished by imprisonment in the state prison, for three, six, or eight years. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the provisions of the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving consent. (h) Any person who commits an act of oral copulation, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act, and both the defendant and the victim are at the time confined in a state hospital for the care and treatment of the mentally disordered or in any other public or private facility for the care and treatment of the mentally disordered approved by a county mental health director, shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for a period of not more than one year. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the provisions of the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving legal consent. (i) Any person who commits an act of oral copulation, where the victim is prevented from resisting by any intoxicating or anesthetic substance, or any controlled substance, and this condition was known,or reasonably should have been known by the accused, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. (j) Any person who commits an act of oral copulation, where the victim submits under the belief that the person committing the act is the victim’s spouse, and this belief is

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induced by any artifice, pretense, or concealment practiced by the accused, with intent to induce the belief, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. (k) Any person who commits an act of oral copulation, where the act is accomplished against the victim’s will by threatening to use the authority of a public official to incarcerate, arrest, or deport the victim or another, and the victim has a reasonable belief that the perpetrator is a public official, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. As used in this subdivision, „public official“ means a person employed by a governmental agency who has the authority, as part of that position, to incarcerate, arrest, or deport another. The perpetrator does not actually have to be a public official. (l) As used in subdivisions (c) and (d), „threatening to retaliate“ means a threat to kidnap or falsely imprison, or to inflict extreme pain, serious bodily injury, or death. (m) In addition to any punishment imposed under this section, the judge may assess a fine not to exceed seventy dollars ($ 70) against any person who violates this section, with the proceeds of this fine to be used in accordance with Section 1463.23. The court shall, however, take into consideration the defendant’s ability to pay, and no defendant shall be denied probation because of his or her inability to pay the fine permitted under this subdivision.

Section 289 Penal Code – Sexual penetration with an foreign object (a) (1) Any person who commits an act of sexual penetration when the act is accomplished against the victim’s will by means of force, violence, duress, menace, or fear of immediate and unlawful bodily injury on the victim or another person shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (2) Any person who commits an act of sexual penetration when the act is accomplished against the victim’s will by threatening to retaliate in the future against the victim or any other person, and there is a reasonable possibility that the perpetrator will execute the threat, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (b) Except as provided in subdivision (c), any person who commits an act of sexual penetration, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act or causing the act to be committed, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. Notwithstanding the appointment of a conservator with respect to the victim pursuant to the provisions of the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving legal consent. (c) Any person who commits an act of sexual penetration, and the victim is at the time incapable, because of a mental disorder or developmental or physical disability, of giving legal consent, and this is known or reasonably should be known to the person committing the act or causing the act to be committed and both the defendant and the

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victim are at the time confined in a state hospital for the care and treatment of the mentally disordered or in any other public or private facility for the care and treatment of the mentally disordered approved by a county mental health director, shall be punished by imprisonment in the state prison, or in a county jail for a period of not more than one year. Notwithstanding the existence of a conservatorship pursuant to the provisions of the Lanterman-Petris-Short Act (Part 1 (commencing with Section 5000) of Division 5 of the Welfare and Institutions Code), the prosecuting attorney shall prove, as an element of the crime, that a mental disorder or developmental or physical disability rendered the alleged victim incapable of giving legal consent. (d) Any person who commits an act of sexual penetration, and the victim is at the time unconscious of the nature of the act and this is known to the person committing the act or causing the act to be committed, shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. As used in this subdivision, „unconscious of the nature of the act“ means incapable of resisting because the victim meets one of the following conditions: (1) Was unconscious or asleep. (2) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant that the act occurred. (3) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraud in fact. (4) Was not aware, knowing, perceiving, or cognizant of the essential characteristics of the act due to the perpetrator’s fraudulent representation that the sexual penetration served a professional purpose when it served no professional purpose. (e) Any person who commits an act of sexual penetration when the victim is prevented from resisting by any intoxicating or anesthetic substance, or any controlled substance, and this condition was known, or reasonably should have been known by the accused, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. (f) Any person who commits an act of sexual penetration when the victim submits under the belief that the person committing the act or causing the act to be committed is the victim’s spouse, and this belief is induced by any artifice, pretense, or concealment practiced by the accused, with intent to induce the belief, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. (g) Any person who commits an act of sexual penetration when the act is accomplished against the victim’s will by threatening to use the authority of a public official to incarcerate, arrest, or deport the victim or another, and the victim has a reasonable belief that the perpetrator is a public official, shall be punished by imprisonment in the state prison for a period of three, six, or eight years. As used in this subdivision, „public official“ means a person employed by a governmental agency who has the authority, as part of that position, to incarcerate, arrest, or deport another. The perpetrator does not actually have to be a public official. (h) Except as provided in Section 288, any person who participates in an act of sexual penetration with another person who is under 18 years of age shall be punished by imprisonment in the state prison or in the county jail for a period of not more than one year.

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(i) Except as provided in Section 288, any person over the age of 21 years who participates in an act of sexual penetration with another person who is under 16 years of age shall be guilty of a felony. (j) Any person who participates in an act of sexual penetration with another person who is under 14 years of age and who is more than 10 years younger than he or she shall be punished by imprisonment in the state prison for three, six, or eight years. (k) As used in this section: (1) „Sexual penetration“ is the act of causing the penetration, however slight, of the genital or anal opening of any person or causing another person to so penetrate the defendant’s or another person’s genital or anal opening for the purpose of sexual arousal, gratification, or abuse by any foreign object, substance, instrument, or device, or by any unknown object. (2) „Foreign object, substance, instrument, or device“ shall include any part of the body, except a sexual organ. (3) „Unknown object“ shall include any foreign object, substance, instrument, or device, or any part of the body, including a penis, when it is not known whether penetration was by a penis or by a foreign object, substance, instrument, or device, or by any other part of the body. (l) As used in subdivision (a), „threatening to retaliate“ means a threat to kidnap or falsely imprison, or inflict extreme pain, serious bodily injury or death. (m) As used in this section, „victim“ includes any person who the defendant causes to penetrate the genital or anal opening of the defendant or another person or whose genital or anal opening is caused to be penetrated by the defendant or another person and who otherwise qualifies as a victim under the requirements of this section. USA – New York Section 130.00 Penal Law – Sex offenses; definitions of terms The following definitions are applicable to this article: 1. „Sexual intercourse“ has its ordinary meaning and occurs upon any penetration, however slight. 2. (a) „Oral sexual conduct“ means conduct between persons consisting of contact between the mouth and the penis, the mouth and the anus, or the mouth and the vulva or vagina. (b) „Anal sexual conduct“ means conduct between persons consisting of contact between the penis and anus. 3. „Sexual contact“ means any touching of the sexual or other intimate parts of a person not married to the actor for the purpose of gratifying sexual desire of either party. It includes the touching of the actor by the victim, as well as the touching of the victim by the actor, whether directly or through clothing. 4. For the purposes of this article „married“ means the existence of the relationship between the actor and the victim as spouses which is recognized by law at the time the actor commits an offense proscribed by this article against the victim.

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5. „Mentally disabled“ means that a person suffers from a mental disease or defect which renders him or her incapable of appraising the nature of his or her conduct. 6. „Mentally incapacitated“ means that a person is rendered temporarily incapable of appraising or controlling his conduct owing to the influence of a narcotic or intoxicating substance administered to him without his consent, or to any other act committed upon him without his consent. 7. „Physically helpless“ means that a person is unconscious or for any other reason is physically unable to communicate unwillingness to an act. 8. „Forcible compulsion“ means to compel by either: a. use of physical force; or b. a threat, express or implied, which places a person in fear of immediate death or physical injury to himself, herself or another person, or in fear that he, she or another person will immediately be kidnapped. 9. „Foreign object“ means any instrument or article which, when inserted in the vagina, urethra, penis or rectum, is capable of causing physical injury. 10. „Sexual conduct“ means sexual intercourse, oral sexual conduct, anal sexual conduct, aggravated sexual contact, or sexual contact. 11. „Aggravated sexual contact“ means inserting, other than for a valid medical purpose, a foreign object in the vagina, urethra, penis or rectum of a child, thereby causing physical injury to such child. 12. „Health care provider“ means any person who is, or is required to be, licensed or registered or holds himself or herself out to be licensed or registered, or provides services as if he or she were licensed or registered in the profession of medicine, chiropractic, dentistry or podiatry under any of the following: article one hundred thirty-one, one hundred thirty-two, one hundred thirty-three, or one hundred forty-one of the education law. 13. „Mental health care provider“ shall mean a licensed physician, licensed psychologist, registered professional nurse, licensed clinical social worker or a licensed master social worker under the supervision of a physician, psychologist or licensed clinical social worker. Section 130.05 Penal Law – Sex offenses; lack of consent 1. Whether or not specifically stated, it is an element of every offense defined in this article that the sexual act was committed without consent of the victim. 2. Lack of consent results from: (a) Forcible compulsion; or (b) Incapacity to consent; or (c) Where the offense charged is sexual abuse or forcible touching, any circumstances, in addition to forcible compulsion or incapacity to consent, in which the victim does not expressly or impliedly acquiesce in the actor’s conduct; or (d) Where the offense charged is rape in the third degree as defined in subdivision three of section 130.25, or criminal sexual act in the third degree as defined in subdivision

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three of section 130.40, in addition to forcible compulsion, circumstances under which, at the time of the act of intercourse, oral sexual conduct or anal sexual conduct, the victim clearly expressed that he or she did not consent to engage in such act, and a reasonable person in the actor’s situation would have understood such person’s words and acts as an expression of lack of consent to such act under all the circumstances. 3. A person is deemed incapable of consent when he or she is: (a) less than seventeen years old; or (b) mentally disabled; or (c) mentally incapacitated; or (d) physically helpless; or (e) committed to the care and custody of the state department of correctional services or a hospital, as such term is defined in subdivision two of section four hundred of the correction law, and the actor is an employee, not married to such person, who knows or reasonably should know that such person is committed to the care and custody of such department or hospital. For purposes of this paragraph, „employee“ means (i) an employee of the state department of correctional services who performs professional duties in a state correctional facility consisting of providing custody, medical or mental health services, counseling services, educational programs, or vocational training for inmates; (ii) an employee of the division of parole who performs professional duties in a state correctional facility and who provides institutional parole services pursuant to section two hundred fifty-nine-e of the executive law; or (iii) an employee of the office of mental health who performs professional duties in a state correctional facility or hospital, as such term is defined in subdivision two of section four hundred of the correction law, consisting of providing custody, or medical or mental health services for such inmates; or (f) committed to the care and custody of a local correctional facility, as such term is defined in subdivision two of section forty of the correction law, and the actor is an employee, not married to such person, who knows or reasonably should know that such person is committed to the care and custody of such facility. For purposes of this paragraph, „employee“ means an employee of the local correctional facility where the person is committed who performs professional duties consisting of providing custody, medical or mental health services, counseling services, educational services, or vocational training for inmates; or (g) committed to or placed with the office of children and family services and in residential care, and the actor is an employee, not married to such person, who knows or reasonably should know that such person is committed to or placed with such office of children and family services and in residential care. For purposes of this paragraph, „employee“ means an employee of the office of children and family services or of a residential facility who performs duties consisting of providing custody, medical or mental health services, counseling services, educational services, or vocational training for persons committed to or placed with the office of children and family services and in residential care; or (h) a client or patient and the actor is a health care provider or mental health care provider charged with rape in the third degree as defined in section 130.25, criminal sexual

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act in the third degree as defined in section 130.40, aggravated sexual abuse in the fourth degree as defined in section 130.65-a, or sexual abuse in the third degree as defined in section 130.55, and the act of sexual conduct occurs during a treatment session, consultation, interview, or examination. Section 130.10 Penal Law – Sex offenses; limitation; defenses 1. In any prosecution under this article in which the victim’s lack of consent is based solely upon his or her incapacity to consent because he or she was mentally disabled, mentally incapacitated or physically helpless, it is an affirmative defense that the defendant, at the time he or she engaged in the conduct constituting the offense, did not know of the facts or conditions responsible for such incapacity to consent. 2. Conduct performed for a valid medical or mental health care purpose shall not constitute a violation of any section of this article in which incapacity to consent is based on the circumstances set forth in paragraph (h) of subdivision three of section 130.05 of this article. 3. In any prosecution for the crime of rape in the third degree as defined in section 130.25, criminal sexual act in the third degree as defined in section 130.40, aggravated sexual abuse in the fourth degree as defined in section 130.65-a, or sexual abuse in the third degree as defined in section 130.55 in which incapacity to consent is based on the circumstances set forth in paragraph (h) of subdivision three of section 130.05 of this article it shall be an affirmative defense that the client or patient consented to such conduct charged after having been expressly advised by the health care or mental health care provider that such conduct was not performed for a valid medical purpose. 4. In any prosecution under this article in which the victim’s lack of consent is based solely on his or her incapacity to consent because he or she was less than seventeen years old, mentally disabled, or a client or patient and the actor is a health care provider, it shall be a defense that the defendant was married to the victim as defined in subdivision four of section 130.00 of this article. Section 130.16 Penal Law – Sex offenses; corroboration A person shall not be convicted of any offense defined in this article of which lack of consent is an element but results solely from incapacity to consent because of the victim’s mental defect, or mental incapacity, or an attempt to commit the same, solely on the testimony of the victim, unsupported by other evidence tending to: (a) Establish that an attempt was made to engage the victim in sexual intercourse, oral sexual conduct, or sexual contact, as the case may be, at the time of the occurrence; and (b) Connect the defendant with the commission of the offense or attempted offense. Section 130.20 Penal Law – Sexual misconduct A person is guilty of sexual misconduct when: 1. He or she engages in sexual intercourse with another person without such person’s consent; or

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2. He or she engages in oral sexual intercourse with another person without such person’s consent; or 3. He or she engages in sexual conduct with an animal or a dead human body. Sexual misconduct is a class A misdemeanor. Section 130.25 Penal Law – Rape in the third degree A person is guilty of rape in the third degree when: 1. He or she engages in sexual intercourse with another person who is incapable of consent by reason of some factor other than being less than seventeen years old; 2. Being twenty-one years old or more, he or she engages in sexual intercourse with another person less than seventeen years old; or 3. He or she engages in sexual intercourse with another person without such person’s consent where such lack of consent is by reason of some factor other than incapacity to consent. Rape in the third degree is a class E felony. Section 130.30 Penal Law – Rape in the second degree A person is guilty of rape in the second degree when: 1. being eighteen years old or more, he or she engages in sexual intercourse with another person less than fifteen years old; or 2. he or she engages in sexual intercourse with another person who is incapable of consent by reason of being mentally disabled or mentally incapacitated. It shall be an affirmative defense to the crime of rape in the second degree as defined in subdivision one of this section that the defendant was less than four years older than the victim at the time of the act. Rape in the second degree is a class D felony. Section 130.35 Penal Law – Rape in the first degree A person is guilty of rape in the first degree when he or she engages in sexual intercourse with another person: 1. By forcible compulsion; or 2. Who is incapable of consent by reason of being physically helpless; or 3. Who is less than eleven years old; or 4. Who is less than thirteen years old and the actor is eighteen years old or more. Rape in the first degree is a class B felony.

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Annex II Section 130.40 Penal Law – Criminal sexual act in the third degree

A person is guilty of criminal sexual act in the third degree when: 1. He or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with a person who is incapable of consent by reason of some factor other than being less than seventeen years old; 2. Being twenty-one years old or more, he or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with a person less than seventeen years old; or 3. He or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with another person without such person’s consent where such lack of consent is by reason of some factor other than incapacity of consent. Criminal sexual act in the third degree is a class E felony. Section 130.45 Penal Law – Criminal sexual act in the second degree A person is guilty of criminal sexual act in the second degree when: 1. being eighteen years old or more, he or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with another person less than fifteen years old; or 2. he or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with another person who is incapable of consent by reason of being mentally disabled or mentally incapacitated. It shall be an affirmative defense to the crime of criminal sexual act in the second degree as defined in subdivision one of this section that the defendant was less than four years older than the victim at the time of the act. Criminal sexual act in the second degree is a class D felony. Section 130.50 Penal Law – Criminal sexual act in the first degree A person is guilty of criminal sexual act in the first degree when he or she engages in oral sexual conduct or anal sexual conduct with another person: 1. By forcible compulsion; or 2. Who is incapable of consent by reason of being physically helpless; or 3. Who is less than eleven years old; or 4. Who is less than thirteen years old and the actor is eighteen years old or more. Criminal sexual act in the first degree is a class B felony. Section 130.65-a Penal Law – Aggravated sexual abuse in the fourth degree 1. A person is guilty of aggravated sexual abuse in the fourth degree when: (a) He or she inserts a foreign object in the vagina, urethra, penis or rectum of another person and the other person is incapable of consent by reason of some factor other than being less than seventeen years old; or

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(b) He or she inserts a finger in the vagina, urethra, penis or rectum of another person causing physical injury to such person and such person is incapable of consent by reason of some factor other than being less than seventeen years old. 2. Conduct performed for a valid medical purpose does not violate the provisions of this section. Aggravated sexual abuse in the fourth degree is a class E felony. Section 130.66 Penal Law – Aggravated sexual abuse in the third degree 1. A person is guilty of aggravated sexual abuse in the third degree when he inserts a foreign object in the vagina, urethra, penis or rectum of another person: (a) By forcible compulsion; or (b) When the other person is incapable of consent by reason of being physically helpless; or (c) When the other person is less than eleven years old. 2. A person is guilty of aggravated sexual abuse in the third degree when he or she inserts a foreign object in the vagina, urethra, penis or rectum of another person causing physical injury to such person and such person is incapable of consent by reason of being mentally disabled or mentally incapacitated. 3. Conduct performed for a valid medical purpose does not violate the provisions of this section. Aggravated sexual abuse in the third degree is a class D felony. Section 130.67 Penal Law – Aggravated sexual abuse in the second degree 1. A person is guilty of aggravated sexual abuse in the second degree when he inserts a finger in the vagina, urethra, penis, or rectum of another person causing physical injury to such person: (a) By forcible compulsion; or (b) When the other person is incapable of consent by reason of being physically helpless; or (c) When the other person is less than eleven years old. 2. Conduct performed for a valid medical purpose does not violate the provisions of this section. Aggravated sexual abuse in the second degree is a class C felony. Section 130.70 Penal Law – Aggravated sexual abuse in the first degree 1. A person is guilty of aggravated sexual abuse in the first degree when he inserts a foreign object in the vagina, urethra, penis or rectum of another person causing physical injury to such person:

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Annex II

(a) By forcible compulsion; or (b) When the other person is incapable of consent by reason of being physically helpless; or (c) When the other person is less than eleven years old. 2. Conduct performed for a valid medical purpose does not violate the provisions of this section. Aggravated sexual abuse in the first degree is a class B felony. Uzbekistan Art. 118 Penal Code – Rape Rape, that is, a sexual intercourse committed by force, threats, or abuse of helpless – shall be punished with imprisonment from three to seven years. Rape of at least two persons; committed repeatedly, by a dangerous recidivist or a person previously committed a crime envisaged by Article 119 of this Code; committed by a group of individuals; committed with a threat to kill – shall be punished with imprisonment from seven to ten years. Rape of a person known to be under eighteen years of age; of a close relative; committed by a member of a mass disorder; committed by a special dangerous recidivist; that resulted in a grave consequences – shall be punished with imprisonment from ten to fifteen years. Rape of a person known to be under fourteen years of age – shall be punished with imprisonment from fifteen to twenty years. Art. 119 Penal Code – Forceful Sexual Intercourse in Unnatural Form Sexual intercourse in unnatural form committed by force, threats, or abuse of helpless – shall be punished with imprisonment from three to seven years. The same actions: in respect of at least two persons; committed repeatedly, by a dangerous recidivist or a person who previously committed a crime envisaged by Article 118 of this Code; committed by a group of individuals; committed with a threat to kill – shall be punished with imprisonment from seven to ten years. Actions envisaged by Paragraphs 1 and 2 of this Article: committed in respect of a person known to be under eighteen years of age; committed in respect of a close relative; committed by a member of a mass disorder; committed by a special dangerous recidivist;

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that resulted in a grave consequences – shall be punished with imprisonment from ten to fifteen years. Rape of a person known to be under fourteen years of age – shall be punished with imprisonment from fifteen to twenty years. Article 120 Penal Code – Besoqolbozlik (Homosexual Intercourse) Besoqolbozlik, that is, voluntary sexual intercourse of two male individuals – shall be punished with imprisonment up to three years.

Venezuela Art. 374 Código Penal – Violación Quien por medio de violencias o amenazas haya constreñido a alguna persona, de uno o de otro sexo, a un acto carnal por vía vaginal, anal u oral, o introducción de objeto por alguna de las dos primeras vías, o por vía oral se le introduzca un objeto que simulen objetos sexuales, el responsable será castigado, como imputado de violación, con la pena de prisión de diez años a quince años. Si el delito de violación aquí previsto se ha cometido contra una niña, niño o adolescente, la pena será de quince años a veinte años de prisión. La misma pena se le aplicará, aun sin haber violencias o amenazas, al individuo que tenga un acto carnal con persona de uno u otro sexo: 1 ë. Cuando la víctima sea especialmente vulnerable, por razón de su edad o situación, y, en todo caso, cuando sea menor de trece años. 2 ë. O que no haya cumplido dieciséis años, siempre que para la ejecución del delito, el responsable se haya prevalido de una relación de superioridad o parentesco, por ser ascendiente, descendiente o hermano, por naturaleza o adopción, o afines con la víctima. 3 ë. O que hallándose detenida o detenido, condenada o condenado, haya sido confiado o confiada la custodia del culpable. 4 ë. O que no estuviere en capacidad de resistir por causa de enfermedad física o mental; por otro motivo independiente de la voluntad del culpable o por consecuencia del empleo de medios fraudulentos o sustancias narcóticas o excitantes de que éste se haya valido. Weißrußland Art. 166 Penal Code – Rape Rape is sexual intercourse contrary to the will of a victim with the use of violence or threats to use violence towards the woman or her relatives or with making use of the helpless state of a victim. Rape of underage person or rape that caused death of a victim or heavy physical injuries of a victim or AIDS infection or any other grave consequences is punishable to 8–15 years of imprisonment.

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Annex II Art. 167 Penal Code – Buggery

Buggery, lesbianism and other sexual actions performed contrary to the will of a victim with the use of violence or threats to use violence towards the victim or with making use of helpless state of a victim is punishable to 3–7 years of imprisonment. The same actions perpetrated against the underage person or the sexual actions that caused death of a victim or heavy physical injuries of a victim or AIDS infection or any other grave consequence is punishable to 8–15 years of imprisonment.

Zypern Section 144 Criminal Code CAP. 154 Any person who has unlawful carnal knowledge of a female, without her consent, or with he consent, if the consent is obtained by force or fear of bodily harm, or, in the case of a married woman, by personating her husband, is guilty of the felony termed rape. Section 145 Criminal Code CAP. 154 Any person who commits the offence of rape is liable to imprisonment for life.

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Sachwortverzeichnis Ad-hoc-Tribunale 17 ff., 149 ff., 218 ff., 567 ff. Allgemeiner Teil 21, 338, 410, 486 American Law Institute 350 Andere unmenschliche Handlungen 159, 166 f., 184 f., 221, 259, 265, 289 – Apartheid 101, 182 ff. – erzwungene Schwangerschaft 22, 180 ff., 202, 287 – Nötigung zur Prostitution 22, 114 ff., 167, 182, 184, 188 f., 229, 237, 241 f., 266, 283, 343 – sexuelle Sklaverei 22, 182, 184, 188 f., 210, 343 – Verfolgung 134 ff., 158, 166, 170, 182 ff., 199 ff., 220 f., 236, 243, 249 ff., 280 ff., 300, 303 – Versklavung 36 f., 44, 50, 109, 111 ff., 122, 128, 136, 140 ff., 159, 166, 182 ff., 212, 215, 220, 241, 245 ff., 260 ff., 287 ff., 300, 319 – Zwangssterilisation 22, 182, 184, 188 f. Androhung der Vergewaltigung 119 f., 167, 236 f., 304 Asiatische Nachfolgeprozesse 212 ff. – Entführung zum Zweck der Prostitution 215 – erzwungene Prostitution 215 f., 289 – vorsätzliche Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger mit Dritten 216 – regelmäßige und vorsätzliche Förderung sexueller Handlungen anderer mit Dritten 216 Ausnutzung einer schutzlosen Lage 357, 435 ff., 467 f., 572 f., 583 – Abwehrmöglichkeiten 436 – Ausgeliefertsein 357, 435 ff., 467, 574

– äußerlich schutzlos 436 – Einsamkeit des Ortes 328, 344, 357 f., 429, 431, 435 f., 467, 470 – Einwirkung 344, 357, 435, 437 – Entführung 436 – Fehlen von Fluchtmöglichkeiten 436 – geringere Angriffsintensität 465 – hohe Schutzbedürftigkeit 465 – innere Schutzlosigkeit 436 – körperliche Unterlegenheit 436, 467 – psychische Hemmung 436 – soziale Schutzlosigkeit 437 – Wehrlosigkeit 436, 465, 469 Auswertung der beiden Tatbestandsalternativen 509 ff. – Beweislage 514, 524 – Einschränkung der Schutzlage 520 – gesteigerter Schuldvorwurf 522 – kriminelle Einstellung 511, 522, 531, 579 – kriminelle Energie 522 – Opferschutz 518, 524, 526 – Strafwürdigkeit 519 ff. – Subsidiarität des Strafrechts 519, 526 f. – Systematische Trennung zwischen Nötigungs- und Missbrauchstatbeständen 521 ff. – Unrechts- und Schuldgehalt 510 ff., 520 ff., 526, 557, 576 – Unverhältnismäßigkeit 512 – Verwerflichkeit 522, 527 Auswirkungen der Vergewaltigung 39 ff. – Abtreibung 27, 41, 43, 46 – Aids 40 f., 44 – Angst 34, 42 ff. – Demütigung 38, 46

730 – – – – – – – – – – – – – – – –

Sachwortverzeichnis

Depressionen 43, 125 Geschlechtskrankheiten 41, 44 Gesellschaftliche Zerstörung 44 Isolation 44 physische Verletzungen 39 posttraumatische Stressstörung 42 psychologische Verletzungen 42 psychosomatisch 43 PTSD siehe posttraumatische Stressstörung Schamgefühl 43 f. Schwangerschaft 27, 41 f. Selbstmord 44 Stigma 43 f. Stresssymptome 42 Traumata 45 Verunreinigung des Blutes 45

Bindungswirkung 64, 74, 79, 212, 325 chapeau-crimes siehe Rahmenverbrechen Comfort Women 27 f., 37, 43, 127, 212 ff.. Date rape 557 f. Default-rule 332 Defenses 98, 356, 366, 410, 484, 489 Deutschland 53, 88, 135, 139, 143, 147, 170, 295, 303, 337 ff., 354 ff., 381, 418 ff., 463 ff. 528, 539, 542 f., 564, 580 Diebstahl 140, 455, 519 Diskriminierungsverbot 348 Doppelbestrafung 444 Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind 82 Drogenhandel 48, 51 Drohung 433 ff., 442, 447 f., 450, 456 f., 459, 461 ff., 501, 569 f. – Auslieferung 461 f., 464, 469, 594 – Ausweisung 447, 465

– empfindliches Übel 431, 434, 439, 442 f., 464 ff., 508, 524, 528, 563 f., 570, 574, 583, 587, 589 – Erheblichkeit 345, 434, 447, 461 – frühere Gewalthandlungen 457, 466 – Funktionsträger 462, 464, 466, 574 – Gefahr für Leib oder Leben 344, 357, 429, 434 f. 583 – gegenwärtige ~ 434, 448, 450, 461, 464, 467 469 f., 482 – Inhaftierung 442, 457, 461, 464, 466, 495, 501, 573 f. – Klima der Gewalt 434 f. – konkludente ~ 432 ff., 443 f., 439, 449 ff., 466 ff., 483, 516 ff., 530, 550, 554, 573 ff., 583 – Kündigung 481 f. – kurz bevorstehend 437, 448, 450, 452, 460, 462, 493, 553 – Strafanzeige 482 – Über-Unterordnungsverhältnis 443 – Vergeltung 461 f., 465 ff. – zukünftige ~ 450, 457, 462, 464, 466, 470, 482, 567, 572 Durchsetzungsmechanismen 17, 52 – Direct Enforcement Model 56 – Indirect Enforcement Model 52 eigenhändiges Delikt 391, 419, 592 Einwilligung 240, 247, 358, 519, 543 (siehe auch fehlendes Einverständnis) England 53, 309, 354, 360, 405, 418, 421 ff., 449, 463, 472, 484, 502 ff., 513, 517, 520, 531, 538 f., 544, 548, 555 ff., 564, 580 Entwürfe der Völkerrechtskommission 90 EOC 18 ff., 122, 171 ff., 190 ff., 293, 309, 311, 326 ff., 564 ff., 579 ff. – Ausnutzen einer Zwangsumgebung 331, 335 f., 570 ff., 580, 583, 589 – Inhaftierung 328 – psychologischer Druck 331, 570, 574

Sachwortverzeichnis – Machtmissbrauch 328, 331, 574, 583, 600 – willensunfähige Person 331, 570 – Zwang 330 ff. ethnische Säuberung 26 ff., 126, 330 Expertenkommissionen siehe Prep Com Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia 17, 201 fehlendes Einverständnis 312 ff., 470 ff., 569 ff. – Abwehrfähigkeiten 472, 493, 495, 503, 514, 521, 523, 529, 537, 555, 573, 580 – Aids 480 – Alkohol 477 f., 483, 488, 495, 502 f., 575 – Arzt-Patienten-Verhältnis 536 – Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten 331, 336, 470, 472, 502, 556, 570 f. 575, 581, 588 – Betäubung 495, 498, 502 f., 508 f., 522, 526, 546, 555, 577 – Bewusstlosigkeit 471 f., 477 f., 489, 493 ff., 503, 508 f., 520, 522, 526, 536 ff., 555, 570, 575, 577, 580, 596 – Bewusstseinsbeeinträchtigung 502 – Drogen 471 f., 477 f., 488, 495, 502, 546, 556, 575 – Erziehungsheim 488, 550 – Fraud in the factum 457, 466 – Fraud in the inducement 497, 506 – freiwillige Entscheidung 316 ff., 325, 337, 454, 477, 500, 502, 512 f. – Fürsorgeanstalt 503, 536 – Geistesdefekt 488, 502 – Geisteskrankheit 481, 483, 488, 502, 546 – geistige Behinderung 336 f., 467, 472, 481 ff. 493 ff., 500, 502, 508, 512, 521, 537, 550, 570, 575, 577, 580 – Geschlechtskrankheiten 480, 483, 492, 506, 513, 542, 596, 660

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– Gesundheitsfürsorgeleistender 488 f., 551 – HIV-positiv 480 – Hypnose 471 – Identitätstäuschung 471 ff., 479, 494, 497 f., 507 ff., 520, 533, 538 – informierte Entscheidung 479 f., 501, 508, 512 f., 522 – innerer Willenszustand 474, 486, 512, 515 – Kinder- und Familienfürsorgedienststelle 488 – körperlich hilflos 484 ff. – körperliche Behinderung 477, 493 f., 498, 500, 508 f., 526, 537, 550 – Krankenhaus 488, 550 – Lernschwäche 502, 546 – medizinische Untersuchung 471, 474 f., 489, 496, 506 – Minderjährigkeit 483, 498, 504 f., 522, 550 – objektive Negativliste 571 – Rausch 471, 481, 495, 502, 508 ff., 520, 522, 539, 546, 570, 577 – Schlaf 337, 470 ff., 477, 483, 493, 495, 498, 503, 509, 520, 522, 536 ff., 555, 570, 575, 580, 596 – Täuschung 471 ff., 480, 489, 493, 495 ff., 506 ff., 520, 531, 537 ff., 555 – Täuschung über Fakten der Handlung 496, 506, 508 – Täuschung über die Natur der Handlung 472, 488, 493 ff., 503, 506, 508, 537, 539, 580 – Täuschung über den Zweck der Handlung 471 ff., 480, 496, 506 ff., 520, 528 ff., 537, 551, 568 – Überraschung 358, 430, 441, 444, 451, 470 ff., 505 ff. – Unkenntnis/Unverständnis 494, 496, 498 – Verabreichung einer überwältigenden Substanz 502 – Verlangen eines Verhütungsmittels 480, 492, 506, 552

732

Sachwortverzeichnis

– verminderte Verstandesreife 331, 509, 520 f., 555 f., 570, 575 – wesentliche Eigenschaften der Handlung 493, 496, 537 – willenseingeschränkte Opfer 305 – Willenseinstellung des Opfers 452, 469, 537 – willensunfähige Opfer 331, 570 – Zahlungsbereitschaft 480 Feminismus 350 Flugzeugentführung 48 Folter 17, 29, 42 ff., 93, 101, 108 ff., 116 ff., 219 ff. – Autoritätsperson 225 f., 234 f., 268, 275 f., 282 f., 312 Folterung 107 ff., 144, 219, 264 Frankreich 24, 53, 66, 125, 143, 155, 179, 294, 300, 351, 354 ff., 393, 418, 422 ff., 441, 463 ff., 502 ff., 530, 539, 543, 564, 573, 576, 580 Frauenrechte 348 Funktion des Völkerstrafrechts 52 Gebotsnorm siehe Verbotsnorm gemeinschaftlich 198, 269, 357, 393, 462 Gesundheitsschädigung 358, 434 Gewalt 430 ff., 441, 445 f., 449, 452 ff., 458, 462 ff., 501, 569 – Einsperren 431, 463, 504, 524, 573 – erwünschte Gewalt siehe vis haud ingrata – Festhalten 430, 453, 463, 467, 504, 524 – Festnahme 503 – ~ gegenüber Sachen 432, 440, 450, 452, 463, 482 – Gefangenschaft 477, 503, 573, 583, 600 – Inhaftierung 317, 320, 328, 573 ff. – Kraftentfaltung 431 f., 435, 441, 445, 450 ff., 578 f.

– Ohrfeige 431, 434, 450, 464 – sado-masochistische Sexualpraktiken 430, 450 – Schläge 431, 445 ff., 463, 524 – Stöße 445, 463 – Tritte 445, 463 – Verhaftung 462, 465, 469, 482 – vis absoluta 430, 445 – vis compulsiva 430, 432 – vis haud ingrata 430, 516 Gewaltenteilung 59 Gleichbehandlungsgrundsatz 348, 425, 427, 523, 526 f., 569, 576, 583, 322, 403 f., 406, 503, 506 f., 551, 558, 565 Gleichberechtigung 348, 397, 562 Hauptkriegsverbrecherprozess 212 f. horizontale Analyse 22 humanitäres Völkerrecht 67, 100, 233, 303, 560 ff. – Aggression 27, 93, 95, 146, 171 ff. – Aide-mémoire 89 – Angriffskrieg 49, 171, 213 (siehe auch Aggression) – Beeinträchtigung der persönlichen Würde 110, 116, 119, 167, 188, 192, 195, 204, 219, 238 f., 241 f., 260, 263 ff., 283 f., 287 ff. – Bürgerkrieg 109, 118, 154 ff., 165, 224, 304 ff. – Bürgerkriegsverbrechen 155, 167, 204, 304 ff. – einfache Verletzungen siehe Zuwiderhandlungen – Genfer Abkommen 104 ff., 222 ff. – grausame Behandlung 106, 110 f., 119, 167, 188, 194, 204, 219, 221, 237 f., 246, 249 f., 260, 263 ff., 281, 289 f., 304 – Grave breaches siehe schwere Verletzungen – Haager Konventionen 99, 102, 139 – Haager Recht 100, 156, 191, 205

Sachwortverzeichnis – HLKO 102 f., 137, 148 ff., 191 ff., 206, 215, 231, 240, 287, 291, 301, 303 – internationaler bewaffneter Konflikt 49, 102, 109, 114, 117 f., 140, 153 ff., 165, 168, 188, 192 ff., 222 f., 303 ff., 339 – Kriegsstrategie 26, 46 – Kriegsverbrechen 55 ff., 100 ff., 136 ff., 205 ff., 281 ff., 301 ff., 316, 319, 327, 339 ff., 558, 582 – Leitmotiv 106, 108, 119 f. – Lieber Code 103 f., 137, 231, 240, 301, 303 – Militärhandbücher 69, 77, 90, 103, 310 – nicht-internationaler bewaffneter Konflikt 49, 109 – Oxford Manual 301 – schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit 107, 109, 151 f., 188, 219, 229, 261, 264, 289 f. – schwere Verletzungen 56, 92, 96, 107, 112, 151 ff., 163 f., 189 ff., 204, 222 f., 228 ff., 327, 343 – Täterkreis 111, 153, 168, 191 – unmenschliche Behandlung 106 ff., 116, 120, 151 f., 188, 190, 208, 219, 221, 228, 238, 250 f., 257 ff., 264, 289, 305 – Verbrechen gegen den Frieden 96, 136, 143 ff., 160, 173, 205, 208 ff., 245 – Verstoß gegen die Gesetze und Gebräuche des Kriegs 219, 264, 266, 287 – Verstümmelungen 33, 46, 285, 524, 574 – vorsätzliche Verursachung großer Leiden 107, 109, 152, 188, 229, 261, 290, 305 – Zusatzprotokoll I 70 ff., 114, 118, 120, 154 ff., 192 ff., 303, 306 – Zusatzprotokoll II 52, 118, 120, 157, 167 ff., 192, 196 f., 203 f., 240 – Zuwiderhandlungen 96, 112 f., 118, 156

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IDI 82 IGH-Statut 19, 60 ff., 73, 77 f., 83, 296, 343, 590 ILA 82 ILC 17, 82 f., 135, 157 ff., 173, 192 IMG 134 ff., 205 ff., 296 ff. – Misshandlungen 127, 136 ff., 144, 189, 195, 205 ff., 215 f., 225, 235, 289 f., 301 – Gräueltaten 104, 110, 164, 206 ff. IMGFO 56, 146 ff., 170, 184, 208 f., 212 f., 217 f., 240, 246, 288, 296 f., 301 f. Inkriminierungsprozess 93 f. Institut de Droit International 82 International Law Association 82 Internationale Menschenrechte 30, 52, 93, 100 f., 106, 115, 119 f., 134, 174, 184, 224, 226, 233, 240, 250 f., 280, 313, 323, 353 f., 560, 562 Iraqi High Tribunal 17, 201 IStGH 17 ff., 49 ff., 170 ff., 288 ff., 332 ff., 580 ff. JStGH 149 ff., 218 ff., 312 ff. Judenvernichtung 121 Jugendschutznormen 499 Jurisdiction 54, 133, 147, 172 f., 201, 333, 561 (siehe auch Zuständigkeit) Juristenkommissionen 82 Jury 454 ff., 473 ff., 491, 504, 513 ff., 545 ff., 553 Kalifornien 351, 354, 370, 409, 414 ff., 458 ff., 491, 495 ff., 502 ff., 514, 536, 539, 551 f., 564, 573, 580 Kausalität 335, 356, 412, 433 f., 447 f., 453, 464 ff., 496 f., 506 ff., 528, 530, 559, 563, 570, 594, 598, 600 – Dauergefahr 434 – Finalzusammenhang 433 f., 440, 559 – Mittel-Zweck-Relation 563, 570

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Sachwortverzeichnis

– unwesentliche Abweichung des tatsächlichen Kausalverlaufs von der Tätervorstellung 530, 532 – zeitlich-räumlicher Zusammenhang 447, 467, 529 Kombinationslösung 317, 320 Komplementaritätsprinzip 56 Kontrollratsgesetz Nr. 10 135, 143 ff., 160 ff., 207, 231, 240, 247, 288, 296 ff., 341 Körperverletzung 46, 123 ff., 140 ff., 167, 184, 193, 207, 228 f., 250, 260 ff., 268, 273, 305, 412 f., 434, 442 ff., 493, 511, 553, 572 ff. kriminalpolitische Empfehlung 567 Lager 26, 40 f., 127, 227, 254, 257, 317, 322, 525 Laienrichter 512, 517 f. (siehe auch Jury) Makrokriminalität 50 f., 56 Marital exemption rule 411 f. Massentötungen 26, 574 Massenvergewaltigungen 21, 24 ff., 38 ff., 105, 126 f., 149, 180, 212, 260 574 Materiell-rechtliche Gegenüberstellung der Vergewaltigungsdefinitionen 567 ff. – Beweislage 571 – Gesinnung des Täters 557, 576 – Grundsatz eines gerechten Strafrechts 579 – Opferschutz 569, 571, 588 – Schuldvorwurf 576, 582 – Schutz des Angeklagten 584 – Subsidiarität des Strafrechts 579, 584, 590 – Tatunrecht 520 f. 557, 576 ff., 582 ff. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 579, 584 Menschenrechte siehe Internationale Menschenrechte Minderjährigenschutz 499, 472, 481 Miniaturkonvention 110

Misdemeanor 363, 367, 413, 499 Missbrauch 243, 246, 255, 331, 346, 484 ff., 510 f., 522 f., 571, 574, 577 f., 589 ff., 596 Missbrauchstatbestand 23, 410, 415, 438, 472, 498, 500, 504 f., 510, 521 ff., 576 ff., 588 Model Penal Code 350, 452 Nanking, Rape of 148, 209 ff., 240 ne bis in idem siehe Doppelbestrafung Nekrophilie 398, 414, 428 New York 26, 30, 351, 354, 363, 409, 411, 416 ff., 426, 451 ff., 464, 469, 483, 494, 502 ff., 514, 517, 520 f., 527, 534, 538 f., 547 f., 551, 556, 564 Nötigung 312 ff., 330, 429 ff., 569 ff. – Angst 431, 437, 446, 448, 453, 456 ff., 467 ff., 479, 485, 493, 497, 507, 525, 553 f., 574, 578 – Gegenwehr siehe Widerstand – Gegenwille siehe Widerwille – Widerstand 314 ff., 325, 357, 429 ff., 441, 446, 448, 452 ff., 460, 463, 467, 485, 490, 511, 515, 523, 528, 542 f., 549 f., 596 – Widerwille 472, 481, 489, 502, 512, 516, 522 ff., 542, 577 f. – Willensbeeinträchtigung 325, 329, 457, 484, 491, 527, 570 – Willensbeugung 315, 331, 335 f., 346, 429 f., 449, 454, 460, 469, 510, 512, 519, 522, 580 – Willensbruch 460, 469, 510, 519, 573 – Zwangswirkung 410 f., 414, 416, 422, 444, 502 Nötigungsmittel 23, 317 ff., 429 ff., 458, 462 – qualifizierte ~ 79, 142, 293, 393, 431 ff., 438, 440 ff., 450, 457, 464 f., 572 ff. Non-liquet 86, 91 Notsituation 331, 570, 600 Nulla poena sine lege 91, 322, 560

Sachwortverzeichnis Nullum crimen sine lege 18 f., 53, 91, 308, 322, 355, 560, 561 – Analogieverbot 83, 91, 222 – Bestimmtheitsgrundsatz 19, 83, 91 ff., 141, 290, 308 ff., 313 ff., 323, 343, 520, 588 – Gesetzlichkeitsgrundsatz 18, 53, 60, 78, 83, 91, 293 f., 308, 340, 560 ff. – Rückwirkungsverbot 83, 91, 140 f., 151 f., 168 f., 295, 300, 308 Nürnberger Nachfolgeprozesse 25, 133, 143, 162, 191, 207 objektiver Tatbestand 357 ff. – Actus reus 255, 281, 310, 356 f. – Ergebnis der Rechtsvergleichung 527 – Tatbestandsmerkmale 17 ff., 308 ff., 340 ff. Opfer 330, 428, 569 ff. Opferperspektive 325, 329, 436, 448, 594 patriarchalische Gesellschaft 348 Piraterie 48, 56 Präjudizien 80, 309, 355 Prep Com 174 ff., 187, 190, 584, 588 f. Rahmenverbrechen 17, 50 ff., 148, 159 f., 168, 174, 184 ff., 196 f., 222, 227, 231, 243 ff., 248, 251, 260 f., 267, 282, 289 f., 298, 300, 327, 340 f., 343, 526, 575, 577 – Acts 50 – Einzeltaten 17, 122, 129, 136, 152 ff., 160, 167, 177, 181 ff., 197, 205, 219, 222, 243, 250 ff., 261 ff., 280, 284, 290, 298, 300, 340, 343, 345, 577 – Gesamttaterfordernisse 99, 187 Rape shield laws 517 f. – Beziehung zum Täter 457, 546 – erotisches Verhalten 518 – provozierende Kleidung 517 f., 544, 546 – provozierendes Verhalten 544

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– Vorleben des Opfers 325, 485, 517, 543 f., 546 Rassendiskriminierung, 101 (siehe auch Diskriminierungsverbot) Raub 455, 529, 543 Rechtfertigungsgrund 97, 319, 485, 490, 547 Rechtsanwendung 59, 174, 176, 308 Rechtsausschuss der VN 123, 131, 384 Rechtserzeugung 59 Rechtsfindung 19 ff., 47, 58 ff., 289, 308 ff., 347, 584 ff. Rechtsgrundsätze 22, 60 f., 83, 86, 88, 91, 97, 140 f., 160, 301, 310 f., 342, 353, 585 Rechtsgut 108, 385, 465, 480, 504, 507, 510, 518 ff., 526 – Kern der Persönlichkeit 385, 388, 392, 519 – körperliche Unversehrtheit 22, 118 ff., 388, 428 – körperliches Wohlbefinden 459 – menschliche Würde 22, 108, 190, 228, 313, 385, 560 ff. – persönliche Willens- und Handlungsfreiheit 385, 519, 523 – sexuelles Selbstbestimmungsrecht 22, 86, 320 ff., 332, 352 ff., 385 ff., 398 ff., 418, 421 f., 428, 444, 452, 475, 480, 482 ff., 487, 491, 500 f., 507, 513, 519 ff., 526, 540 f., 545, 549, 562, 568, 570 – Sittlichkeit 394, 396, 475, 500 f., 504, 507, 517, 519 Rechtskreise und -systeme 67, 87 ff., 347 ff., 355 – asiatische und afrikanische Rechtsordnungen 88 – Civil Law 53, 67, 87 f., 293, 308 f., 333, 337, 351 ff., 418, 429, 451, 470 ff., 505, 509 ff., 539 ff., 556 ff., 576 ff., 590 – Common Law 53, 67, 87 ff., 309 ff., 337, 350 ff., 405 ff., 452, 463, 470, 474 ff., 506 ff., 546 ff., 556 ff., 667 f.

736

Sachwortverzeichnis

– Sharia Islamiya 87 f., 352 Rechtsquelle 19 ff., 59 ff. – allgemeine Rechtsgrundsätze 59 ff., 83 ff. – allgemeinverbindlich 20, 62, 75, 89, 175, 301, 565, 587 ff. – Beschlüsse 73 ff. – Doppelfunktion 69, 78, 81 – Generalversammlung der VN 64, 68, 73 ff., 90, 151, 160, 162, 173 – Gerichtsstatut 95 – Hilfsquelle siehe Rechtserkenntnisquelle – internationale Gerichtsentscheidungen 78 f., 80 f., 90 – nationale Gerichtsentscheidungen 78, 90, 95 – nationale Strafgesetze 77, 90 – Quasi-Universalität 61, 75, 135 – Rechtserkenntnisquelle 60, 62, 77 ff., 82, 294 – Rechtswissenschaft 48, 60 ff., 81 f., 90, 133, 163, 175, 549 – Sicherheitsrat der VN 57, 68, 75, 90, 149 ff., 160 ff., 170, 200, 245, 291 f., 301, 304 – sekundäre Rechtsquelle siehe Rechtserkenntnisquelle – Soft laws 65, 73 f. – subsidiär 56, 61 f., 84, 118, 194, 196, 438, 519, 527, 562, 579, 584 f., 590 – universalverbindlich siehe allgemeinverbindlich – völkerrechtliche Verträge 61 ff. Rechtsschaffung 584 f. Rechtssicherheit 18, 91, 308, 575 Rechtsvergleichung 19 ff., 59, 85 ff., 310 ff., 347 ff. – Abweichungen 67, 147, 160, 176, 338, 340, 501, 539, 554, 562 – Auswahl der Staaten 347 ff. – funktionale ~ 85 f., 91 – normativ-deskriptive ~ 85

– Reformen 23, 347, 350, 353, 423, 512, 575, 584 – Reformmangel 348 – Übereinstimmungen 417, 462, 501, 539, 554 – Übersetzungen 350 ff. – wertende ~ 86 ff. Regelbeispiele 309, 381 Regulation 64 Panels in Kosovo 17 RStGH 163 ff., 265 ff. Sachbeschädigung 432, 457, 482 Schuldausschließungsgrund 356 Schuldunfähigkeit 356, 540 sexuelle Handlung 312 ff., 329, 381 ff., 567 ff. – ähnliche sexuelle Handlungen 383 – Analverkehr 312 ff., 329, 383 ff., 394 f., 400, 405, 411 ff., 416 f., 567 ff. – äußere Schamlippen 399, 406, 410, 415, 419 – Beendung 429, 492 – Beischlaf 312 ff., 329, 382, 394 f., 399, 405, 410, 415, 417, 567 – beischlafsähnlich 384 – Berührung 272, 396, 399 f., 411 ff., 546 – besondere Erniedrigung 382 ff., 421 f. – Conjunctio membrorum 399 – Cunnilingus 321, 329, 390, 398, 402, 417 – Eindringen in den Körper 321, 329 f., 357, 382 ff., 398 ff., 423, 532, 568 – Einführen von anderen Körperteilen 360, 387, 401 f., 407, 422, 588 – Einführen von Fingern 321, 329, 384, 395, 399, 401, 407 f., 412 f., 425, 527, 563, 567 f. – Einführen von Gegenständen 312, 321, 324, 329, 383, 398, 401, 404, 409, 413 ff., 458, 491 ff., 498, 504, 567 ff., 600 – Ejakulieren 329, 389 f., 398, 414, 421, 423, 567

Sachwortverzeichnis – erniedrigende Körperstellungen 414 – Fäkalerotik 321, 329, 389, 398, 404, 408, 414, 421, 567, 592 – genitale Körperöffnungen siehe Genitalien – Genitalien 270, 329 f., 386, 390, 395, 416 f., 567 ff. – geschlechtsneutral 106, 117, 328, 330, 336, 392, 397, 403, 408 ff., 423, 426 ff., 569, 583 – Geschlechtsorgan siehe Genitalien – Geschlechtsteil siehe Penis – Geschlechtsverkehr siehe Beischlaf – Harnröhre 412 f., 419 – homosexuelle Handlung 324, 569 – Hymen 400, 406, 410, 419 – Invasion 312, 320, 323, 329 ff., 567, 580 – Körperkontakt 344 f., 383 ff., 419 f. – Kot 423 – kriminelle sexuelle Handlung 409, 411 ff., 451, 484, 487 – Lecken 402, 422 – Manipulation der Zunge 390, 402, 413, 422, 425, 527, 563, 568 – männliches Glied siehe Penis – Masturbation 345, 391, 404, 406, 419, 425 f., 527, 563 – medizinische Untersuchung 408, 412, 474 f., 489, 496, 506 – Oralverkehr 312 ff., 329, 383, 400, 405, 411 ff., 416 f., 567 f. – Penetration 313 ff., 328 ff., 491 ff., 530 ff., 562 ff. – Penis 277, 312 ff., 329 ff., 382 ff., 395, 400, 405, 417 – Rektum 40, 412 f. – Scheide 382, 386 ff., 394, 399, 402, 408, 419 – Scheidenvorhof 382, 399 – Schlucken des Ejakulats 389, 398 – Schwangerschaft 382 f., 387, 399 f., 406 f., 492, 542

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– schwerer sexueller Missbrauch 412 f., 452, 484 – Sexualbezogenheit 388, 530 f. – Sexualbezug 384, 386, 389 f., 395, 568 – ~ Aggression 397 – ~ Befriedigung 395 f., 401, 408, 471, 475, 506, 511 – sexuelle Gewalt 21, 184, 194, 207, 270, 343 – ~ ~ an einem Dritten 391, 406, 420, 425 f., 527, 563 – sexuelle Nötigung 263, 313, 321 ff., 343 ff., 354, 381 ff., 390 ff., 414, 420 ff., 429 ff., 446 – sexuelles Fehlverhalten 514 – sexuelles Vergehen 387, 409, 413, 484 – Sich-Penetrieren-Lassen 396 ff., 403 f., 407, 411, 416, 421 ff., 527, 563, 568, 583 – Sodomie 414, 458 – Stigmatisierung 407 f., 418, 426, 523 – Umgekehrte Vergewaltigung siehe Sich-Penetrieren-Lassen – Urinieren 322, 329, 389, 398, 421 ff., 567 – Vaginalverkehr siehe Beischlaf – Vierfüßlerstand 389 – violación inversa 403, 423 (siehe auch Sich-Penetrieren-Lassen) – Vollendung 382, 400, 429, 492 – Zungenkuss 389, 392 Sklaverei 37, 48, 101, 210, 246 f., 343 Souveränitätsprinzip 52, 97, 109, 131, 584 Spanien 54, 294, 351, 354, 359, 398, 418, 422 f., 426, 445, 463 f., 469, 472, 531, 539, 544, 564, 580 Special Court for Sierra Leone 17 Special Panel for Serious Crimes in East Timor 17 Special Tribunal for Lebanon 17 staatsverstärkte Kriminalität siehe Makrokriminalität

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Sachwortverzeichnis

Strafbarkeit der Vergewaltigung 47 ff., 91 ff. – Act-of-State-Doctrine 97, 99, 142, 149, 161 – Anerkennung des Individuums als Völkerrechtssubjekt 94 – Handeln auf Befehl 97, 99, 149, 161 – Immunität 55, 97 ff., 414 – individuelle Strafbarkeit 91 f., 95 ff., 103, 130 ff., 142 f., 154 f., 161, 168 f., 198 f., 223, 310 – Strafandrohung 94, 97, 99 – Strafausschließungsgründe 97 ff., 142, 146, 149, 484, 551 – Theorie der Hoheitsakte siehe Act-of-State-Doctrine Strafbarkeitslücken 21, 59 ff., 70, 74, 78 ff., 86, 89, 96, 173, 301, 345, 351, 355, 431, 435, 577, 585 Strafgewalt 52, 56, 66, 91, 95 f., 341, 346 – Aut dedere aut judicare 54 f., 95, 112 – Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege 54 f. – staatlicher Strafanspruch 96 – Täterstaat 55, 57, 341 – Tatortstaat 55 ff., 113, 131 ff., 293 – Territorialitätsprinzip 96, 131, 135, 143 – Weltrechtsgrundsatz/-prinzip 54 ff., 79, 95 f., 112, 131 ff. Strafwürdigkeit 94 ff., 519 ff. Strafzumessung 87, 227, 262, 265, 277 f., 314, 363, 388, 405 ff., 577 f. subjektiver Tatbestand 528 ff. – Absicht 339 f., 356, 384, 396, 408, 459 ff., 535, 538 f. – bedingter Vorsatz 326, 334, 356, 338, 532 ff., 552, 580 ff., 598, 601 – direkter Vorsatz 326, 539, 580 – Fahrlässigkeit 528 ff., 542, 554, 557, 598 – intentionally 360 ff., 531 ff.

– Kenntnis siehe Wissen – mens rea 255, 281, 310, 321, 326, 356 f., 534 – Mindeststandard 541, 582 – recklessness 326, 356 f., 532 ff., 581 – strict liability 505, 534, 536, 550 – verschuldensunabhängiges Tatbestandsmerkmal 536, 550 – Vorwerfbarkeit 356 – Wissen 310, 320, 326, 332 f., 335 f., 356, 405, 471 ff., 491, 494 ff., 502 ff., 512, 533 ff., 551, 555, 558 f., 563, 581, 596 – Wollen 310, 326, 335, 356, 492, 531, 537 ff., 559, 563 – Unkenntnis 490 ff., 536, 539, 550 f. – zumutbar bekannt 493 f., 537 f. Tabuisierung 292, 347 f. Tatbestandsirrtum 332, 336, 430, 471, 475, 496 f., 506 f., 515 f., 533, 536 f., 541 ff., 547 ff., 571, 582 – absurder ~ 516, 542, 553, 557 f. – Beurteilungsperspektive 554, 556, 558 – ernsthaft 448, 543, 545, 549 ff., 582 – guter Glaube 474, 476, 533, 542 ff., 582 – kulturelle Einstellungen 546 – Mayberry-Belehrung 553 – Mistake of facts 336, 549 ff., 582 – nachvollziehbar 532, 545, 549, 552 f., 557, 582 – Qualitäten der Person 476, 507 – Schutzbehauptung 516, 542 f., 554 ff., 582 – sexistische Ansichten 546 – Stereotypen 546 f. – Vorsatzausschluss 336, 516, 543 f., 551, 554, 559, 563, 582 Täter 312 ff., 330, 425 ff., 569 Tauglichkeitsprüfung 89, 349, 353, 559, 562 Terrorismus 48 ff., 93

Sachwortverzeichnis Ungleichbehandlung 383, 402, 568 (siehe auch Gleichbehandlungsgrundsatz) Unschuldsvermutung 83, 112, 560, 562 Verbotsirrtum 556 Verbotsnorm 91 ff., 193, 289 Verbrechen gegen die Menschlichkeit 134 ff., 245 ff., 296 ff. Verbrechenselemente siehe EOC Vereinte Nationen 57, 73 ff., 121, 124, 149, 151, 170, 173, 199, 201, 299 ff., 306 Vergewaltigung in der Ehe 427, 458, 493, 498 Vermutungsklauseln 474, 482, 449, 540, 544, 556 – unwiderlegbare Vermutung 473 ff., 506 – widerlegbare Vermutung 473, 476 f., 503 Verteidigungsvorbringen 94, 142, 161, 549 vertikale Analyse 23 VN-Folterkonvention 101, 224, 226, 232, 275, 312, 323 Völkergewohnheitsrecht 62 ff., 289 ff., 584 ff. – Courtoisie 66, 68 – dauerhaft 64, 66 f. – einheitlich 64, 66 f. – Entstehungsvoraussetzungen 59, 62 f., 69 – in statu nascendi 71 – lex lata 70 – lex/lege ferenda 71, 168 – Nachweis der Geltung 63, 69 ff., 82 ff., 289 ff., 306, 311 – Nachweis des Inhalts 69, 71, 77, 83, 90, 289, – opinio juris siehe Rechtsüberzeugung – Rechtsüberzeugung 59 ff., 154, 162, 291 ff.

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– Staatenpraxis 50, 59 ff., 90, 113, 154 ff., 289 ff., 338, 585 – Übung siehe Staatenpraxis Völkermord 121 ff., 149 ff., 242 ff., 267 ff., 291 ff. – fehlende grundlegende medizinische Versorgung 126, 179 f. – fehlende Unterkunft 126 – gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe 121, 157, 165 – körperlicher Schaden 39, 123 f., 178 – lebensbedrohliche Unterernährung 125 – seelischer Schaden 122 ff., 177 ff., 192, 243, 267, 269, 290, 522 – Sterilisation 128, 274 – Trennung der Geschlechter 128, 274 – Verbot der Heirat 128 – Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind 121, 128, 157, 165, 176, 180, 274, 286, 288 – Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe 121 f., 157, 165, 176 f., 220, 264 f., 267, 269, 286, 288 – vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen 121, 125, 157, 165, 220, 273, 286 – Zerstörungsabsicht 51, 122, 159, 244 Völkermordkampagne 28, 122, 320, 325, 331, 336 f., 570, 572, 577, 583 Völkermordkonvention 121 ff. Völkerrecht 47 ff. völkerrechtliches Verbrechen 47 ff. – ~ ~ im engeren Sinn 48 f., 56 – ~ ~ im weiteren Sinn 48 – völkerrechtliches Delikt 48 – transnationaler Charakter 48 – Delicta juris gentium 48, 132 Völkerstrafgesetzbuch 17, 20, 62, 83, 135, 158, 161, 173, 294, 333, 337, 586 f.

740

Sachwortverzeichnis

Völkerstrafprozessrecht 560 Vorbereitungskommission siehe Prep Com VStGB 20, 22, 55 f., 81, 124 ff., 177 f., 299, 305, 333 ff., 567 War Crimes Chamber in Bosnia and Herzegovina 17, 201 War Crimes Chamber of the Belgrade District Court 17, 201 weibliches Zieren 430, 515, 571, 558 Zuständigkeit 54 ff., 74, 96, 130, 134, 136, 143, 147, 150 ff., 163 ff., 199, 202, 239 ff., 291 f., 299 f., 304 f.

Zustimmung 71, 83 124, 293, 299, 303, 314 ff., 325, 328, 331, 337, 430, 485, 510, 520, 522, 526, 571, 575 (siehe auch fehlendes Einverständnis) Zwang 315 f., 330 ff., 431 ff., 480 ff., 511 ff., 569 ff. – Autoritätsmissbrauch 442 ff. – Medizinische Untersuchung 471 ff. – Überlegenheit des Täters 431, 443 f., 448, 468 Zwangsbordelle 40, 127, 212 Zwangsmittel siehe Nötigungsmittel Zweistufentest 408