Der politische Kodex: Die Kodifikationsarbeiten auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts in Österreich 1780-1818 [1 ed.] 9783428513635, 9783428113637

Parallel zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 sollte in Österreich mit dem so genannten "politischen Ko

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Der politische Kodex: Die Kodifikationsarbeiten auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts in Österreich 1780-1818 [1 ed.]
 9783428513635, 9783428113637

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Stephan Wagner

· Der politische Kodex

Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 70

Der politische Kodex Die Kodifikationsarbeiten auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts in Österreich 1780-1818

Von Stephan Wagner

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Wintersemester 2002/2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0553 ISBN 3-428-11363-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Θ Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern und dem Andenken an meinen Bruder

Dominik

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2002/2003 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Danach erschienene Literatur wurde bis Herbst 2003 berücksichtigt. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Professor Dr. HansJürgen Becker, der mir in allen Phasen der Arbeit mit fachlichem Rat und persönlicher Unterstützung zur Seite stand. Herrn Professor Dr. Dieter Schwab danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für die mir zur Druckfertigstellung dieser Arbeit am Max-Planck-Institut gewährten Freiräume möchte ich Herrn Professor Dr. Reinhard Zimmermann danken. Die Betreuung meiner vorangegangenen Magisterarbeit zur Rechtspolitik im Aufgeklärten Absolutismus durch Professor Dr. Albrecht Ρ. Luttenberger hat mir den Einstieg in die vorliegende Arbeit maßgeblich erleichtert. Stellvertretend für die Mitarbeiter im Österreichischen Staatsarchiv, ohne die diese Arbeit nicht hätte entstehen können, gilt mein Dank Herrn Mag. Gerhard Gonsa. Weiter möchte ich mich bei allen bedanken, die die Arbeit in ihrer Entstehung begleitet und mich dabei auf vielfältige Weise unterstützt haben, insbesondere Sarah Bernardi (Brixen), William D. Godsey Jr. (Wien), Siegfried Grillmeyer (Regensburg), Alexander Koller (Rom), Stefan Krätschmer (München), Christoph Kuntz (Ingolstadt), Melanie und Torsten Mayr (Stockholm), Arnout Mertens (Florenz), Angelika Owen (Hamburg), Jens M. Scherpe (Hamburg) und Stefan Sienell (Wien). Die Mühe des Korrekturlesens hat Stefan Vogenauer (Oxford) auf sich genommen. Ferner gilt mein Dank der Universität Regensburg und dem Freistaat Bayern, die mir als Stipendiat nach dem „Gesetz zur Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses" die grundlegende Forschung in den Archiven überhaupt erst ermöglicht haben. Die Arbeit wurde mit dem Kulturpreis Ostbayern der EON Bayern AG ausgezeichnet. Für die großzügige Dotierung dieses Preises möchte ich mich auch an dieser Stelle noch einmal bedanken. Garmisch-Partenkirchen, 26. Dezember 2003

Stephan Wagner

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

17

I.

Gegenstand der Untersuchung

17

II.

Quellenlage

19

A. Vorgeschichte

24

I.

Erste Ansätze unter Maria Theresia?

24

II.

Joseph von Sonnenfels (bis 1780)

28

B. Die erste Kommission unter Joseph II

31

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II

42

I.

Kontakte zwischen Sonnenfels und Leopold vor 1790

42

II.

Das Promemoria vom 7. April 1790

44

1. Das Promemoria

44

2. Die Aufnahme des Promemoria

53

III. Die Sitzung vom 26. März 1791

55

1. Das Sitzungsprotokoll

55

2. Der „Plan zu einer vollständigen politischen Gesetzsammlung"

60

3. Die Aufnahme dieses Protokolls IV. Ständische Verfassung

62 66

1. Böhmen

73

a) Der Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 für ein Hofdekret an die böhmischen Stände

75

b) Der Entwurf Sonnenfels' vom 12. Februar 1792 für ein Hofdekret an die böhmischen Stände

78

2. Das Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 zur Bittschrift des Landmanns in Steiermark

79

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

88

I.

Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

89

1. Die Einsetzung der Revisionshofkommission

89

2. Die Tätigkeit der Revisionshofkommission

93

4

3. Der „Gegenentwurf Sonnenfels'

96

10

nsverzeichnis a) Die Einleitung des „Gegenentwurfs"

100

b) Die ersten vier Hauptstücke des „Gegenentwurfs"

105

4. Die Vereinigung der Revisionshofkommission mit der Hofkommission in Gesetzsachen II.

111

Die Einsetzung einer eigenen „Hofkommission zur Kompilation der Generalien und Normalien" unter Eger

119

1. Die Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800

119

2. Die Aufnahme dieser Eingabe

122

III. Die „Hofkommission zur Kompilation der Generalien und Normalien" unter Baldacci

128

1. Der Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802

128

2. Der Vortrag Baldaccis vom 4. Oktober 1802

133

3. Der Vortrag Baldaccis vom 19. März 1803

134

4. Der Vortrag Baldaccis von Anfang 1808

136

IV. Die „Hofkommission in politischen Gesetzsachen" unter Rottenhan

138

1. Die Ernennung Rottenhans zum Präsidenten

138

2. Der Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808

139

3. Sonnenfels' „Beytrag zu der Berathschlagung über den Plan des politischen Kodex" vom 21. November 1808

144

4. Der „Vorläufige Plan zur Bearbeitung eines politischen Kodex für die

V.

deutschen Erbländer" vom Dezember 1808

163

5. Der Vortrag Rottenhans vom 9. Dezember 1808

164

6. Das weitere Geschehen nach dem Tode Rottenhans

164

Die Hofkommission unter Chotek

166

1. Der Vortrag Choteks vom 25. März 1809

166

2. Der Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810

168

3. Die weiteren Vorträge Choteks

171

4. Die Sitzung vom 12. September 1810

173

a) Die Eingabe Paschingers vom 15. August 1810

173

b) Das Votum Mesmers vom 25. August 1810

175

c) Das Sitzungsprotokoll vom 12. September 1810

177

5. Der Vortrag Choteks und Sonnenfels' vom 12. November 1810

179

6. Der Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 mit der Vorstellung Gouttas

181

7. Der Vortrag Sonnenfels' vom 12. August 1811

184

nsverzeichnis 8. Die Fortschritte des Jahres 1812

186

a) Der Vortrag Choteks und Sonnenfels' vom 1. Juni 1812

186

b) Der Vortrag Sonnenfels' vom 28. November 1812

187

9. Die Bemerkungen Sonnenfels' vom 27. Februar 1813

188

10. Der Vortrag Choteks vom 8. März 1813

193

11. Der Abschluss der Sammlung durch Goutta

194

a) Die Anzeige Gouttas vom 10. Juni 1813

194

b) Die Anzeige Gouttas vom 29. September 1813

196

c) Der Vortrag Choteks und Sonnenfels' vom 4. Oktober 1813

197

12. Das Handschreiben vom 24. Juli 1815

199

13. Der Vortrag Sonnenfels' vom 3. November 1815

199

VI. Die Hofkommission unter Wurmser bis zu ihrer Auflösung

202

VII. Die Sitzung vom 17. Februar 1818

208

Zusammenfassung

212

Synopse

219

Quellenanhang

235

1.

Promemoria Sonnenfels' vom 7. April 1790

235

2.

Protokoll der Sitzung vom 26. März 1791

245

3.

Plan zu einer vollständigen politischen Gesetzsammlung vom 26. März 1791

4.

Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 flir ein Hofdekret an die böhmischen Stände

5.

284

Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 zur Bittschrift des Landmanns in Steiermark

6.

256

290

Entwurf Sonnenfels' vom 12. Februar 1792 flir ein Hofdekret an die böhmischen Stände

299

Konzept Sonnenfels' vom 4. Januar 1796

301

8.

Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800

303

9.

Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802

310

7.

10. Vortrag Baldaccis vom 4. Oktober 1802

322

11. Kaiserliches Handschreiben vom 14. Oktober 1802

326

12. Vortrag Baldaccis vom 19. März 1803

329

13. Vortrag Baldaccis von Anfang 1808

332

14. Kaiserliches Handschreiben vom 2. März 1808

347

15. Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808

348

12

nsverzeichnis 16. Sonnenfels' „Beytrag zu der Berathschlagung über den Plan des politischen Kodex" vom 21. November 1808

354

17. Vorläufiger Plan zur Bearbeitung eines politischen Kodex für die deutschen Erbländer vom Dezember 1808

389

18. Vortrag Rottenhans vom 9. Dezember 1808

408

19. Kaiserliches Handschreiben vom 23. Februar 1809

409

20. Protokoll der Ratssitzung der Normalien-Hofcommission vom 28. Februar 1809

409

21. Vortrag Choteks vom 25. März 1809

414

22. Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810

418

23. Vortrag Choteks vom 23. April 1810

429

24. Vortrag Choteks vom 8. Mai 1810

430

25. Vortrag Choteks vom 24. Juni 1810

431

26. Eingabe Paschingers vom 15. August 1810

433

27. Votum Mesmers vom 25. August 1810

435

28. Protokoll der Sitzung vom 12. September 1810

440

29. Vortrag Choteks und Sonnenfels' vom 12. November 1810

448

30. Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811

452

31. Vortrag Sonnenfels' vom 12. August 1811

460

32. Vortrag Choteks und Sonnenfels' vom 1. Juni 1812

465

33. Vortrag Sonnenfels' vom 28. November 1812

469

34. Bemerkungen Sonnenfels' vom 27. Februar 1813

472

35. Vortrag Choteks vom 8. März 1813

483

36. Anzeige Gouttas vom 10. Juni 1813

485

37. Anzeige Gouttas vom 29. September 1813

489

38. Vortrag Choteks und Sonnenfels' vom 4. Oktober 1813

492

39. Kaiserliches Handschreiben vom 24. Juli 1815

495

40. Vortrag Sonnenfels' vom 3. November 1815

496

41. Protokoll der Sitzung vom 17. Februar 1818

506

Abbildungen

521

Quellen- und Literaturverzeichnis

527

Personenregister

551

Sachregister

553

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Ansicht

a.a.O.

am angegebenen Ort

ABGB

Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch von 1811

Abt., Abth.

Abteilung, Abtheilung

ADB

Allgemeine Deutsche Biographie

a.E.

am Ende

AGB

Allgemeines Gesetzbuch für die Preußischen Staaten von 1791

ALR

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794

Anm.

Anmerkung

Art.

Artikel, Article

A.S.F.

Archivio di Stato di Firenze (Florenz)

AVA

Allgemeines Verwaltungsarchiv (Wien)

Bd., Bde.

Band, Bände

Bearb.

Bearbeiter

bzw.

beziehungsweise

Chap.

Chapitre

CSCH

Ceskoslovensky casopis historicky

C.Th.

Der Codex Theresianus und seine Umarbeitungen

ders.

derselbe

dies,

dieselbe(n)

dt.

deutsch(e/er)

EAGB

Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten von 1784 bis 1788

ebd.

ebenda

Einl.

Einleitung

Fn.

Fußnote

fol.

folio

frz.

französisch(e/er)

FS

Festschrift

FVS NZ

Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit

GA

Goltdammer's Archiv für Strafrecht und Strafprozeß

Abkürzungsverzeichnis

14 HHStA

Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien)

HRG

Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte

Hrsg., hrsg.

Herausgeber, herausgegeben

HZ

Historische Zeitschrift

ital.

italienisch(e/er)

i.V.m.

in Verbindung mit

JB1

Juristische Blätter

JGS

Justizgesetzsammlung: Gesetze und Verfassungen im Justizfache (1780-1848)

JosGB

Josephinisches Bürgerliches Gesetzbuch von 1786

Kap.

Kapitel

Konv.

Konvolut

lfd.

laufend(e/er)

lit.

Buchstabe

Liv.

Livre

MÖStA

Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen



Numero

NCC

Novum Corpus Constitutionum

NDB

Neue Deutsche Biographie

n.F.

neue Folge

Nr.

Nummer

ÖBL

Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950

OJSt

Oberste Justizstelle

ÖJZ

Österreichische Juristen-Zeitung

ÖZV

Die Österreichische Zentralverwaltung

PGS

Politische Gesetzsammlung: Politische Gesetze und Verordnungen (1793-1848)

r

recto

Rn.

Randnummer

S.

Seite

SB Wien

Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien

s.o.

siehe oben

sog.

so genannt(e/er)

Sp.

Spalte

StR-Index

Index zu den Staatsratsakten

StR-Kaunitz

Kaunitz-Voten zum Staatsrat

Abkürzungsverzeichnis StR-Prot.

Staatsratsprotokolle

s.u.

siehe unten

SUA

Stâtni Ùstredni Archiv ν Praze (Prag)

u.a.

und andere

Übers.

Übersetzung

ν

verso

v.

von, vom

vgl.

vergleiche

vol.

volume

WGGB

Westgalizisches Gesetzbuch

ZHF

Zeitschrift für Historische Forschung

Ziff.

Ziffer

ZNR

Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte

ZRG GA

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung

Einleitung I. Gegenstand der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit den Arbeiten am politischen Kodex, das heißt der Tätigkeit jener Hofkommission, die sich unter wechselnden Präsidenten und unter verschiedenen Namen bemühte, in Österreich parallel zum bürgerlichen Recht auch i m öffentlichen Recht eine K o d i f i kation zu schaffen. Unter der Federführung Joseph v. Sonnenfels verfolgte man das ehrgeizige Ziel, über eine bloße Sammlung hinaus die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts bestehenden Normen in ein systematisches Ganzes zu bringen. Soweit i m Rahmen dieser Arbeit möglich, sollen daher auch Bezüge zu Leben und Werk Sonnenfels ' hergestellt werden, ohne aber einen Anspruch biographischer bzw. dogmatischer Vollständigkeit zu erheben. V o n der Untersuchung ausgenommen sind die österreichischen Polizeiordnungen des 16. Jahrhunderts 1 ebenso wie die Entwicklung der „Polizey" i m 17. und ihre Verwissenschaftlichung i m 18. Jahrhundert. 2 A u c h auf die zeitgenössischen Gesetzsammlungen w i r d nicht näher eingangen, dazu soll hier nur ein kurzer, kursorischer Überblick gegeben werden.

1

Vgl. dazu Brauneder, Die Anfänge der Gesetzgebung am Beispiel der Steiermark, Studien I (1994), S. 413-435, 418 ff.; ders., Zur Gesetzgebungsgeschichte der niederösterreichischen Länder, Studien I (1994), S. 437-462, 452, 456 ff.; ders., Der soziale und rechtliche Gehalt der österreichischen Polizeiordnungen des 16. Jahrhunderts, Studien I (1994), S. 473-487; ders., Das Strafrecht in den österreichischen Polizeiordnungen des 16. Jahrhunderts, Studien I (1994), S. 489-517; ders., Frühneuzeitliche Gesetzgebung: Einzelaktionen oder Wahrung einer Gesamtrechtsordnung?, Studien III (2002), S. 365-384; ders., Die Polizeygesetzgebung in den österreichischen Ländern des 16. Jahrhunderts - Forschungsstand und Perspektiven, Studien III (2002), S. 385-401 mit ausgewählter Literatur, S. 396 f f ; ders., Stellung und Verhältnis sozialer Gruppen in den deutschen Polizeyordnungen des 16. Jahrhunderts, Studien III (2002), S. 403-411. 2

R. Schulze, Polizey und Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert (1982); Wyduckel, lus Publicum - Grundlagen und Entwicklung des Öffentlichen Rechts und der deutschen Staatsrechtswissenschaft (1984), S. 245 ff.; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. I: Reichspublizistik und Polizeywissenschaft 1600-1800 (1988), S. 334 ff., 366 ff.; Pauly, Die Entstehung des Polizeirechts als wissenschaftliche Disziplin - Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts (2000). Ferner die Sammelbände Stolleis (Hrsg.), Polizey im Europa der Frühen Neuzeit (1996); Härter (Hrsg.), Polizey und frühneuzeitliche Gesellschaft (2000). 2 Wagner

18

Einleitung A n erster Stelle sind dabei die beiden amtlichen Gesetzsammlungen zu nen-

nen, die sog. „Justizgesetzsammlung" (JGS: Gesetze und Verfassungen i m Justizfache, 1780-1848) 3 und die sog. „Politische Gesetzsammlung" (PGS: Politische Gesetze und Verordnungen, 1793-1848), die sich aus der unter Leopold II. erschienenen Sammlung entwickelt hatte. 4 A u c h die zahlreichen zeitgenössischen privaten Gesetzsammlungen 5 sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung, für die gesamte Monarchie etwa -

der sechsbändige „Codex Austriacus", der die wichtigsten Gesetze bis z u m Jahre 1770 enthält, 6

-

die in 14 Bänden erschienene Sammlung von Ignaz de Luca mit dem T i t e l „Politischer Codex" (1789-1795), 7

-

die als „Theresianisches Gesetzbuch" betitelte Gesetzsammlung, 8

-

die entsprechende Fortsetzung, 9

-

die sog. Trattnersche Sammlung 1 0 sowie

3

Mahl-Schedl, Art. „Gesetzessammlungen", in: Mischler/Ulbrich (Hrsg.), Österreichisches Staatswörterbuch, 1. Aufl., Bd. I (1895), S. 838-842, 839, I. A. b). Vorliegend wurde mit der Fassung dieses Artikels in der 1. Aufl. gearbeitet, da in der 2. Aufl., Bd. II (1906), S. 460-463, 462 unter II. A. die Gliederungspunkte a) - p) als solche weggelassen wurden, worunter die Übersichtlichkeit der Aufzählung deutlich leidet. Zur JGS ferner Hock/Bidermann, Der österreichische Staatsrath (1879), S. 127 f.; Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte (2001), S. 95; Lehner, Österreichische Verfassungsund Verwaltungsgeschichte (2002), S. 158 Fn. 104. 4

Sr. k. k. Majestät Leopold des zweyten politische Gesetze und Verordnungen für die deutschen, böhmischen und galizischen Erbländer - Auf allerhöchsten Befehl und unter unmittelbarer Aufsicht der politischen Hofstelle herausgegeben, Bd. M V (17911792); vgl. Mahl-Schedl, Art. „Gesetzessammlungen" (1895), S. 838 f., I. A. a); Osterloh (1970), S. 229 Fn. 79; Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte (2001), S. 95; Lehner, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte (2002), S. 158 Fn. 104. 5 Vgl. dazu eine bereits zeitgenössische Übersicht bei Kopetz, Österreichische politische Gesetzkunde, 1. Theil/1. Bd. (1807), §§ 29 f., S. 24-26. b Mahl-Schedl, Art. „Gesetzessammlungen" (1895), S. 840 f., II. A. a); Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte (2001), S. 95. 7 Mahl-Schedl, Art. „Gesetzessammlungen" (1895), S. 841, II. A. h). 8 Kaiserl. Königl. Theresianisches Gesetzbuch, enthaltend die Gesetze von den Jahren 1740 bis 1780, welche unter der Regierung des Kaiser Joseph des II. theils noch ganz bestehen, theils zum Theile abgeändert sind - In einer chronologischen Ordnung, 8 Bde. (1789); vgl. Mahl-Schedl, Art. „Gesetzessammlungen" (1895), S. 841, II. A. e); Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte (2001), S. 95. 9 Handbuch aller unter der Regierung des Kaisers Joseph des II. für die K. K. Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze in einer Sistematischen Verbindung, 18 Bde. (1785-1790); vgl. Mahl-Schedl, Art. „Gesetzessammlungen" (1895), S. 841, II. A. 0; Osterloh (1970), S. 249 Fn. 63; Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte (2001), S. 95.

II. Quellenlage

-

19

die von Kropatschek begründete und später durch Goutta und Pichl fortgeführte Gesetzsammlung.11

Von den privaten Gesetzsammlungen für einzelne Erbländer ist für Böhmen die von Roth begonnene und später von Goutta weitergeführte Sammlung zu erwähnen, für Galizien ferner die Sammlungen von Löwenwolde, Piller und Köfil»

I I . Quellenlage Bei der Darstellung der Geschehnisse bis zum Jahr 1790 soll hier anders als bei Adler, Osterloh und wohl auch Exet 3 nicht schon von vornherein von den 10 Die bei Trattner erschienene: Vollständige Sammlung aller seit dem glorreichsten Regierungsantritt Joseph des Zweyten für die k. k. Erbländer ergangenen höchsten Verordnungen und Gesetze durch privat Fleiß gesammelt, und in chronologische Ordnung gebracht, Theil 1-9 (1788-1791); vgl. Mahl-Schedl, Art. „Gesetzessammlungen" (1895), S. 841,11. A. g). 11 Kropatschek (Hrsg.), Sammlung der Gesetze, welche unter der glorreichsten Regierung des Kaisers Leopold des II. in den sämmentlichen Κ. K. Erblanden erschienen sind, in einer chronologischen Ordnung, Bd. I-V (1791-1792); ders. (Hrsg.), Sammlung der Gesetze, welche unter der glorreichsten Regierung des Kaisers Franz des II. in den sämmtlichen Κ. K. Erblanden erschienen sind, in einer chronologischen Ordnung, Bd. 1-25 (1792-1808); Goutta (Hrsg.), Fortsetzung der von Joseph Kropatschek verfaßten Sammlung der Gesetze - Enthält sämmtliche politische und Justiz-Gesetze, welche unter der Regierung Sr. Majestät, Kaisers Franz des I. in den sämmtlichen k. k. Erblanden erlassen worden sind, in chronologischer Ordnung, Bd. 26-57 (= Fortsetzungsband 1-32) (1812-1833); Pichl (Hrsg.), Fortsetzung der ursprünglich vom Hofsecretär Joseph Kropatschek, später vom Hofsecretär W. G. Goutta redigirten Sammlung der Gesetze im politischen, Cameral- und Justizfache, welche unter der Regierung Seiner k. k. Majestät Franz des I. in den sämmtlichen k. k. Staaten erlassen worden sind, in chronologischer Ordnung, Bd. 58-60 (= Fortsetzungsband 33-35) (1834-1836); ders. (Hrsg.), Fortsetzung der ursprünglich vom Hofsecretär Joseph Kropatschek, später vom Hofsecretär W. G. Goutta redigirten Sammlung der Gesetze im politischen, Cameral- und Justizfache, welche unter der Regierung Sr. k. k. Majestät Ferdinand des I. in den sämmtlichen k. k. Staaten erlassen worden sind, in chronologischer Ordnung, Bd. 61-72 (= Fortsetzungsband 36-47) (1837-1848) = Vollständige Sammlung aller im politischen, Cameral- und Justizfache, unter der Regierung Sr. Majestät Kaiser Ferdinand I. in den k. k. Staaten erlassenen Gesetze und Verordnungen, in chronologischer Ordnung, nebst einem alphabetisch geordneten Materien-Register, Bd. 1-12. Vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 13 (1865), S. 263 f.; Mahl-Schedl, Art. „Gesetzessammlungen" (1895), S. 841,11. A. i) und k). 12 Mahl-Schedl, Art. „Gesetzessammlungen" (1895), S. 841, II. B. d) bzw. h) -1). 13 Exel, Die Kodifikation des öffentlichen Rechts und die Reform des Registraturund Archivwesens in Österreich (1875), S. 3; Adler, Die politische Gesetzgebung in ihren geschichtlichen Beziehungen zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche, FS ABGB, Teil I (1911), S. 99 Fn. 29; Osterloh, Joseph von Sonnenfels und die öster-

2*

20

Einleitung

Mitteilungen ausgegangen werden, die Sonnenfels bzw. die betreffende Kommission später selbst in der Rückschau machen, wie etwa im Promemoria vom 7. April 1790 oder im Sitzungsprotokoll vom 26. März 1791. Stattdessen soll der Gang der Ereignisse anhand der Archivalien des Staatsrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv soweit wie möglich rekonstruiert werden. Dabei wurde zunächst der jeweilige Index zu den Staatsratsakten (StR-Index) der Jahrgänge 1780-179214 unter anderem auf folgende Stichworte hin untersucht: „Codex", „Compilation", „Commission", „Gesetz", „Normalia", „Plan", „politisch", „Project", „Sammlung", „Sonnenfels" und „Vorschlag". Mittels der in diesem Schlagwortkatalog aufgefundenen Aktenzeichen, wie zum Beispiel „252 ex 1781", konnte dann jeweils auf die entsprechende Eintragung in den Staatsratsprotokollen (StR-Prot.) zugegriffen werden: Vermerkt sind dort der Ein- und Ausgang des entsprechenden Vorgangs, sein genauer Betreff sowie der Wortlaut der kaiserlichen Entscheidung. Die einschlägigen Staatsratsakten selbst wurden im Zweiten Weltkrieg vernichtet und stehen der Forschung heute nicht mehr zur Verfügung. Diese Lücke kann in sehr begrenztem Maße durch den Bestand der Kaunitz-Voten zum Staatsrat (StR-Kaunitz) verringert werden, der sich ebenfalls durch die angesprochenen Aktenzeichen erschließen lässt.15 Im Übrigen finden sich manchmal noch ergänzende Quellenzitate in der älteren Literatur, die dann ebenfalls gewisse Aufschlüsse bieten. Das so ermittelte Ergebnis soll im Anschluss die kritische Überprüfung und Bewertung der Äußerungen Sonnenfels ' ermöglichen. Da die Akten der 1791 eingesetzten Kommission im Allgemeinen Verwaltungsarchiv 16 noch vorhanden sind, wenngleich durch den Justizpalastbrand vom 15. Juli 192717 stark beschädigt, war es für den Zeitraum ab 1791 nicht mehr erforderlich, unmittelbar von den Staatsratsprotokollen auszugehen. Insoweit wurde auf den Bestand im Haus-, Hof- und Staatsarchiv nur dann zurückgegriffen, wenn etwa eine kaiserliche Resolution wegen der Brandschäden nicht mehr zu rekonstruieren war. reichische Reformbewegung im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus (1970), S. 205 Fn. 5. 14 Der Index von 1784 stand bei einer ersten Recherche von Mai bis Juli 1998 nicht zur Verfügung; im Juni 1999 sowie im April 2003 war er ebenfalls nicht zugänglich. 15 Daneben besitzen die Kaunitz-Voten noch eine fortlaufende Zählung, die im Folgenden immer an erster Stelle vor dem entsprechenden Aktenzeichen des Staatsrats wiedergegeben wird, etwa im obigen Beispiel: „Votum 20 de 1781 zu 252 ex 1781". 16 AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310-314 bzw. auch Karton 315; vgl. Quellenverzeichnis. 17 Vgl. hierzu Botz, Der „15. Juli 1927", seine Ursachen und Folgen, in: Jelicka/Neck (Hrsg.), Österreich 1927 bis 1938 (1973), S. 31-42; Neck/Wandruszka (Hrsg.), Die Ereignisse des 15. Juli 1927 (1979); insbesondere Botz, Die „Juli-Demonstranten", ihre Motive und die quantifizierbaren Ursachen des „15. Juli 1927", ebd., S. 17-59.

II. Quellenlage

21

Was den Bestand im Allgemeinen Verwaltungsarchiv selbst angeht, so konnte auf diesen bei einem ersten Forschungsaufenthalt von Mai bis Juli 1998 vollständig zurückgegriffen werden. Anlässlich der dann eingeleiteten Restaurierungen wurden Karton 311, 312 und 313 vollständig restauriert und durchgehend unter Mitzählung der nicht zeitgenössischen Mantelbögen foliert. Der Inhalt von Karton 311 wurde dabei auf zwei Halbkartons verteilt: 311a (bis fol. 470) und 31 lb (ab fol. 471). Ebenso der Inhalt von Karton 313: 313a (bis fol. 425) und 313b (ab fol. 426). Leider enthält Karton 314 seit diesem Restauriervorgang nicht mehr die ursprünglich darin vorhandenen Kommissionsakten, sondern andere Akten, die wohl in der Restaurierwerkstätte durch ein Vertauschen in diesen Karton geraten sind. Da sich nicht bestimmen lässt, aus welchem Karton letztere stammen, bleibt es rätselhaft, in welchem Karton nun ihrerseits die Kommissionsakten aus 314 ruhen. Einige wenige Aktenstücke aus Karton 314, die jedoch schon anfangs restauriert waren und daher nicht an diesem Restauriervorgang teilnahmen, konnten gleichwohl für diese Arbeit herangezogen werden. Zur Edition der Brandakten im Quellenanhang: Die Folierung der Erstschrift wird in fett gedruckten runden Klammern angegeben, die einer Zweitschrift in einfachen eckigen Klammern, die einer Drittschrift in einfachen Spitzklammern. Textlücken werden durch eckige Klammern wiedergegeben: -

ein bzw. mehrere fehlende Wörter durch [...]

-

eine bzw. mehrere fehlende Silben durch [ ]

Gegebenenfalls durch eine Zweitschrift geschlossene Lücken werden innerhalb der eckigen Klammern dargestellt. Gegegebenenfalls durch eine Drittschrift geschlossene Lücken werden innerhalb von Spitzklammern dargestellt. Trotz Drittschrift verbliebene Lücken werden durch Spitzklammern wiedergegeben: -

ein bzw. mehrere fehlende Wörter durch (...)

-

eine bzw. mehrere fehlende Silben durch ( )

Wörter und Begriffe, die im Original in lateinischen Buchstaben geschrieben sind, werden gesperrt gedruckt. Unterstreichungen oder andere Hervorhebungen werden beibehalten. Im darstellenden Teil der Arbeit wird auf die Wiedergabe von eckigen und Spitzklammern sowie auf Unterstreichungen in der Regel verzichtet, um den Lesefluss nicht zu stören.

22

Einleitung

Die Wiedergabe der Folierung in Anführungszeichen beruht auf folgendem Umstand: In Karton 310 hatten sich ursprünglich schon einige bereits restaurierte Aktenstücke befunden, die jeweils separat mit 1 beginnend foliert waren. Die des Weiteren benötigten, aber noch nicht restaurierten Aktenstücke wurden nun vermutlich so zum Restaurieren ausgesondert, dass das von oben gesehen erste und damit älteste Stück ganz unten und die folgenden Stücke chronologisch gegenläufig zu liegen kamen, bis sich das unterste und entsprechend jüngste Stück schließlich ganz oben befand. Der auf diese Weise, ohne Berücksichtigung der dazwischen liegenden Aktenstücke entstandene Stapel wurde sodann durchgehend foliert, wobei die nicht zeitgenössischen Mantelbögen gleichfalls mitgezählt wurden. Anschließend wurden die Aktenstücke jedoch wieder in der richtigen Aufeinanderfolge in den Karton eingereiht. So ist die im Ergebnis äußerst merkwürdige und verwirrende Folierung dieses Kartons zu erklären, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung daher immer nur in Anführungszeichen verwendet wird, soweit es sich um Aktenstücke aus dem beschriebenen Restauriervorgang handelt. Folgende Übersicht soll dies veranschaulichen, wobei links die richtige chronologische Reihenfolge und rechts der zu restaurierende Stapel einander gegenüber gestellt werden: April 1790: fol. „ 1 3 7 " - „ 1 4 0 "

Dezember 1809: fol. „1" - „11"

4. Januar 1796: fol. „ 1 3 2 " - „ 1 3 6 "

Dezember 1809: fol. „12" - „19"

ex oct 1799: fol. „ 1 2 7 " - „ 1 3 1 "

April 1809: fol. „20" - „25"

3. Februar 1800: fol. „122" - „126"

24. August 1808: fol. „26" - „31"

4. Juni 1800: fol. „ 1 1 2 " - „ 1 2 1 "

8. März 1808: fol. „32" - „38"

8. November 1801: fol. „107" - „111"

Mai 1803: fol. „39" - „45" 19. März 1803: fol. „ 4 6 " - „ 5 1 " 4. Dezember 1802: fol. „52" - „57"

Da sich zwischen den dann folgenden Stücken keine anderen befanden, wurden diese en bloc in den Stapel übernommen, so dass die Folierung wenigstens hinsichtlich der chronologischen Folge stimmig ist:

II. Quellenlage

17. November 1801: fol. „58" - „60"

17. November 1801: fol. „58" - „60"

1802 versprengte Blätter: fol. „61" - „77"

1802 versprengte Blätter: fol. „61" - „77"

1. September 1802: fol. „78" - „82"

1. September 1802: fol. „78" - „82"

1. September 1802: fol. „83" - „100"

1. September 1802: fol. „83" - „100"

19. Oktober 1802: fol. „101" - „106"

19. Oktober 1802: fol. „101" - „106"

Es folgen wieder gegenläufig falsch: 4. Dezember 1802: fol. „52" - „57"

8. November 1801: fol. „107" - „111"

19. März 1803: fol. „46"-„51"

4. Juni 1800: fol. „112"-„121"

Mai 1803: fol. „39"-„45"

3. Februar 1800: fol. „122" - „126"

8. März 1808: fol. „32"-„38"

ex oct 1799: fol. „127"-„131"

24. August 1808: fol. „26"-„31"

4. Januar 1796: fol. „132" - „136"

April 1809: fol. „20"-„25"

April 1790: fol. „137"-„140"

Dezember 1809: fol. „12" - „19" Dezember 1809: fol. „1"-„11"

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Α. Vorgeschichte Ι . Erste Ansätze unter Maria Theresia? Der Gedanke, auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts eine Kodifikation zu schaffen, tauchte bereits während der Regierungszeit von Maria Theresia auf Unsicher ist allerdings, ab welchem Zeitpunkt man sich damit tatsächlich ernsthaft auseinandersetzte. Im Zusammenhang mit einem Gutachten des Staatsrates vom April 1781, das bei Hock/Bidermann inhaltlich skizziert ist, wird die Äußerung des Freiherrn v. Lohr wiedergegeben, dass man sich schon seit 30 Jahren mit dieser Idee beschäftige. 1 Adler stellt deswegen die Vermutung an, dass bereits im Zuge der 1753 einsetzenden Kodifikationsarbeiten eine Kodifikation des öffentlichen Rechts ins Blickfeld gerückt sei. Allerdings räumt er ein, dass er für diese Annahme keinen unmittelbaren Quellennachweis führen kann; und dies, obwohl er für seinen 1911 erschienenen Beitrag noch auf weitgehend vollständige Aktenbestände zurückgreifen konnte.2 Die Zweifel, die Osterloh gegenüber dieser Ansicht hegt, scheinen insoweit durchaus berechtigt, als er darauf abstellt, dass erst durch die vereinheitlichende Wirkung der Kaunitz'schen Verwaltungsreformen 3 überhaupt die Voraussetzungen für eine solche Kodifikation geschaffen wurden. 4 Festzuhalten bleibt, dass die am 14. Februar 1753 eingesetzte Kompilationskommission5 bereits in ihrer Eröffnungssitzung am 3. Mai 1753 das öffentliche

1

Hock/Bidermann, Der österreichische Staatsrath (1879), S. 124. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 90. 3 Vgl. Klingenstein/Szabo (Hrsg.), Staatskanzler Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg 1711-1794- Neue Perspektiven zu Politik und Kultur der europäischen Aufklärung (1996). 4 Osterloh (1970), S. 205 sowie S. 28. 5 Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 40; ders. (Hrsg.), C.Th., Bd. I (1883), Einleitung, S. 2; Klein-Bruckschwaiger, Art. „Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich)", HRG, Bd. I, Sp. 93; Grass, Art. „Codex Theresianus", HRG, Bd. I, Sp. 629. Zu den Gründungsmitgliedern dieser Kommission vgl. Harrasowsky (1868), S. 44; ders. (Hrsg.), C.Th., Bd. I (1883), Einleitung, S. 2 Fn. 4; Pfaff/Hofmann, Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 8 f. Fn. 36; insoweit ungenau DominPetrushevecz, Neuere österreichische Rechtsgeschichte (1869), S. 45 f. 2

I. Erste Ansätze unter Maria Theresia?

25

Recht ausdrücklich v o n ihrer Tätigkeit ausnahm, 6 was i n der kaiserlichen Resolution v o m 14. M a i 1753 bestätigt wurde. 7 Infolgedessen übernahm auch die sog. „Brünner" Kommission i n ihre „ Grundsätze zur Verfassung nen Rechts für

gesammte

kaiserl.

und

königl

deutsche

des allgemei-

Erblande"

vom

5. November 1753 diese grundlegende Trennung von bürgerlichem und öffentlichem Recht und schloss letzteres i n A r t i k e l X ausdrücklich von ihrer Tätigkeit aus. A r t i k e l X V I I ff. und insbesondere A r t i k e l X I X präzisierten dabei, was mit Rücksicht auf die Verschiedenartigkeit der Länderverfassungen nicht z u m Gegenstand des zu schaffenden einheitlichen Kodex gemacht werden sollte, u m die Stände nicht an den Arbeiten beteiligen zu müssen. 8

6 Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 40, 45; ders. (Hrsg.), C.Th., Bd. I (1883), Einleitung, S. 2; Pfaff/Hofmann, Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 9; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 89. 7 Auszüge der Resolution, allerdings ohne Angabe des Datums, bei Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 48 f.; Domin-Petrus hevecz, Neuere österreichische Rechtsgeschichte (1869), S. 46; Arneth, Geschichte Maria Theresia's, Bd. IV Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 10 f. Der 14. Mai (1870), S. 32; Pfaff/Hofmann, 1753 als Datum dieser Resolution ergibt sich aus den „Grundsätzen" der Brünner Kommission vom 5. November 1753, abgedruckt bei Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. I (1883), Beilage 2, S. 16-23, 16, 18. 8

Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 60 ff., 63; ders. (Hrsg.), C.Th., Bd. I (1883), Einleitung, S. 3, abgedruckt als Beilage 2, S. 16-23, 18 ff.: „X. Ob hingegen es um ein Gesetz zu thun seie, welches tief in die Länderverfassung einschlaget und welches der Gleichförmigkeit halber in einen oder dem andern Land abzuändern von darumen Bedenklichkeit hätte, weil der Hauptzweck des Gesetzes, von der verschiedenen Verfassung des Landes unabtrennlich wäre und zu besorgen stünde, daß bei einzuführender Gleichheit dies- oder jenes ländige Verfassung gestöret und der gesetzgebige Hauptzweck solchländig verfehlet würde. Solchenfalls ist in keine Auswahl oder Vorschlag eines neuen Rechts einzugehen, weil dasjenige, was den statum publicum oder die politische Verfassung ein und des andern Erblandes anbetrifft, von dem objecto des abzufassenden Codicis Theresiani durch das kaiserliche königliche Hofdecretum von 14. Mai 1753 besonders ausgeschlossen und sich hierein nicht einzulassen zur Richtschnur geboten ist. XVI. Gestalten eben wie bevor bei unterschiedenen Ländergesetzen, also auch bei unterschiedenen Gewohnheiten oder Gesetzen und Gewohnheiten gegen einander es also zu nehmen ist, daß wann solche tief in die Länderverfassung einschlagen, sich in die Auswahl oder anderweiten Vorschlag nicht einzulassen, sondern der Unterschied in allen daraus ableitlichen Folgen beizuhalten und als eine auf dergleichen in die Landesverfassung einschlagende Gewohnheit sich beziehende Ausnahme zu bemerken seie. XVII. Es wird aber, wann es um die Frage zu thun, ob ein besonderes Landesgesetz oder Gewohnheit in die Landesverfassung einschlage, nicht eine jedwede entfernte connexion zu beirren haben, ... XIX. Wesentlich und derohalben in der Verabfassung des juris privati nicht zu berühren, ist alles dasjenige, was die landesfürstliche Hoheit, und Regalien, das aerar ium, die jura commercialia, fiscalia, außer wo der Fiscus sich des juris privatorum gebrauchet, und dergleichen anbetrifft.

26

Α. Vorgeschichte

Dies zeigt, dass eine Vereinheitlichung des öffentlichen Rechts schon 1753 zumindest als theoretisch möglich betrachtet wurde, 9 mag sie damals auch aus Sorge vor Widerständen seitens der Stände nicht opportun erschienen sein. Für diese Vermutung spricht ferner eine Stelle in dem anonym gebliebenen „ Vorschlag, daß eine allgemeine Gerichtsordnung und gleiches Landrecht in allen benachbarten österreichisch-deutschen Erblanden einzuführen seie", der unmittelbar vor der Einsetzung der Kompilationskommission eingereicht worden war und der für deren Einrichtung als mitursächlich angesehen wird. 10 Soweit der Forschung bisher bekannt, datiert der nächste Hinweis auf kodifikatorische Ansätze im öffentlichen Recht bemerkenswerterweise aus der Zeit, als der 1766 abgeschlossene Codex Theresianus auf seine Sanktionierung wartete, die schließlich ausbleiben sollte. 11 A m 22. März 1768 nämlich richtete die Kaiserin ein Handschreiben an den Grafen Rudolph Chotek, das zum einen die biblische Geschichte für den Schulunterricht zum Gegenstand hatte, daneben aber der böhmisch-österreichischen Hofkanzlei folgenden Auftrag erteilte: Es sollten von den Länderstellen knappe Auszüge aller geltenden Verordnungen eingeholt, diese sodann auf ihre Brauchbarkeit hin überprüft und anschließend zusammengefasst werden. Dabei sollte insbesondere geprüft werden, ob der Geltungsbereich mancher Verordnungen nicht doch auf alle Länder erstreckt werden könne. 12

Was die Ordnungen, Vorrechte, Privilegia und Freiheiten deren Stände angehet, ist ebenfalls für wesentlich anzusehen. Eben also was die Bestellung deren Gerichte, die Verwaltung gemeinen Wesens, Handhabung der Gerechtigkeit, Ordnung der Polizei und dergleichen anbelangt. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 89; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law - The Struggle for the Codification of Civil Law in Austria 1753-1811, (1967), S. 67 f.; ders ., Privatrechtskodifikation und Staatsbildung in Österreich 1753-1811 (1976), S. 67. 9 Im Ergebnis wohl ähnlich Pfaff/Hofmann, Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 10 Fn. 42. 10 Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 39; ders. (Hrsg.), C.Th., Bd. I (1883), Einleitung, S. 2, abgedruckt als Beilage 1, S. 14-16, 14: „Dahingegen wann eine gleiche Gerichtsverfassung, gleiches Landrecht und Landesverfassung in allen Erblanden eingejuhret wäre, ... ". 11 Vgl. hierzu Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 121 ff.; ders. (Hrsg.), C.Th., Bd. I (1883), Einleitung, S. 8 ff.; Pfaff/Hofmann, Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 13 ff.; Hock/Bidermann, Der österreichische Staatsrath (1879), S. 43 f.; Maasburg, Gutachtliche Äußerung des österreichischen Staatsrathes über den von der Compilationscommission im Entwürfe vorgelegten Codex Theresianus civilis (1881); Voltelini, Der Codex Theresianus im österreichischen Staatsrat, FS ABGB, Teil I (1911), S. 33-82; Klein-Bruckschwaiger, Art. „Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich)", HRG, Bd. I, Sp. 94; Grass, Art. „Codex Theresianus", HRG, Bd. I, Sp. 630. 12 HHStA, StR-Prot. 1768/1 (lfd. Bd. 27), 24 ex 1768:

I. Erste Ansätze unter Maria Theresia?

27

Was die vorangegangenen Beratungen im Staatsrat13 angeht, ist auch das entsprechende Votum des Fürsten Kaunitz vom 17. März 1768 leider nicht weiter aufschlussreich. 14 Jedoch macht Adler, der für seine Arbeit noch auf die Staatsratsakten zurückgreifen konnte, einige Mitteilungen zu den Gutachten der Freiherrn v. Stupan und v. Borié. 15 Nach Adler sei die Kaiserin aber in der Haupt-

„ Curr. Kern der Biblischen Geschichte alten Testaments, so von Hofe herabgelanget ist. Billet an Gr. Rud. Chotek ... Und gleichwie Ich das in Nicht-Befolgung meiner einmal ertheilten Befehle bestehende Hauptgebrechen allenthalben wirksam behoben wissen will; So hat die Canzley von den Länderstellen einen kurzen Auszug aller wesentlichen noch bestehenden allgemeinen Anordnungen in Publicis et Politicis abzufordern, und nach deren Einlangung die Combination zu machen, welche Anordnungen sich auf alle Länder universalisiren lassen, und welche nur specialiter fur dieses oder jenes Land taugen, damit hernach die Gesätze und Ordnungen eines jeden Landes zusammengef asset, zum Druck befördert und zum nutzbaren Gebrauch allgemein kundgemacht werden mögen. Und da in den Preußisch-Schlesischen Patenten und Anordnungen vielleicht dort und da etwas gutes anzutreffen seyn dürfte, so sich auf alle, oder doch einige deutsche Erbländer schicken könnte; so wird von Seiten der Canzley in diesem Werk auch darauf zu reflect iren seyn. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 90; Osterloh (1970), S. 205, jeweils mit einem Auszug dieses Handschreibens. 13 H H S t A , Staatsrat Abschriften, Karton 1 (1761-70) enthält hierzu keine entsprechende Abschrift. 14 HHStA, StR-Kaunitz, Karton 1 (1767-70), zu 24 ex 1768: „Kern der Bibl. Geschichte alten Testaments 1768- Nebst beygelegten 4 Tomis der Samlung der Preuß. Patenten. ich bin mit vorstehenden Votis vollkommen verstanden. " 15 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 91 Fn. 15: „Freiherr v. Stupan erinnert, er habe schon in seinem früheren Votum erwähnt, daß er eine sechsbändige Sammlung preußischer Gesetze samt Register besitze. Er besitze überdies auch zwei preußische Gesetzentwürfe, nämlich das Projekt des Codicis Fridericiani Marchici ,wie alle Prozesse in einem Jahr durch 3 Instanzen zu Ende gebracht werden sollen und möchten4, in quarto , de anno 1749, wie auch das Projekt des Corpus iuris Fridericiani, de anno 1750.- ,In allen diesen Sammlungen kommen verschiedene gute Satzungen vor, jedoch finde ich nichts solches, worauf in Ihro Majestät Erbländer nicht vorlängst, oder in den letzten Zeiten furgedacht worden ist, in so weit sich derlei Satzungen sich allhier schicken. ' - ... v. Stupan meint auch, der Codex Austriacus enthalte vielleicht noch bessere Anordnungen. Der niederösterreichische Regierungskanzler v. Pöck habe sich schon vor einigen Jahren zur Fortsetzung des Werkes angeboten, könne aber vermutlich durch andere Amtsgeschäfte verhindert, damit nicht fertig werden. Bei der Arbeit sei große Vorsicht nötig, damit nur wirklich geltende Anordnungen, nicht etwa auch abgeänderte oder aufgehobene Aufnahme finden. Es sollten auch die Verordnungen fur die böhmischen, die inner-, ober- und vorderösterreichischen Länder dem Nachtrag eingeschaltet werden. Staatsrat Freiherr von B o r i é meint, Österreich habe die preußischen Patente und Ordnungen nicht nötig, Österreich fehle es nicht an guten Ordnungen. ,Diese übertreffen wahrhaftig die anderer Länder. Es fehlt aber leider an der Exekution. ' Der Verordnungen seien zu viele und sie würden zu oft abgeändert. Es müßten also diese

28

Α. Vorgeschichte

sache der Argumentation des Hofkanzlers Graf v. Blümegen gefolgt, nämlich der von ihm vertretenen Differenzierung zwischen politischen Anordnungen, „ die auch wegen der verschiedenen Verfassungen nicht gleichgemacht werden können ", einerseits und solchen Vorschriften, die einer Vereinheitlichung zugänglich sind, andererseits. Die Weisung der Kaiserin, dass zugleich die entsprechende preußische Gesetzgebung auf ihre Brauchbarkeit hin überprüft werden soll, sei ebenfalls auf v. Blümegen zurückzuführen. 16 Gerade dieser Umstand lässt den Schluss naheliegend erscheinen, dass es sich bei dem Vorhaben nicht nur um eine bloße Gesetzsammlung, das heißt eine Kompilation der gerade bestehenden Verordnungen, sondern um eine Kodifikation handeln sollte, für die eben auch Gedanken und Lösungsansätze der auswärtigen Gesetzgebung herangezogen werden sollten.17 Für die Zeit bis 1780 liegen bislang keine weiteren Quellennachweise vor, mit denen sich eine entsprechende Tätigkeit unmittelbar belegen ließe. Insoweit bleibt man auf die Andeutungen Sonnenfels ' angewiesen, die dieser rückblickend in seinem Promemoria von 1790 macht.

I I . Joseph von Sonnenfels (bis 1780) Ehe im Folgenden der weitere Fortgang dargestellt wird, soll zunächst der Werdegang Sonnenfels ' bis 1780 kurz skizziert werden. 18

zahlreichen Gesetze in wenige zusammengefaßt werden. Wenn dies stückweise geschieht, so ist die Vollendung der Arbeit desto eher zu hoffen. Das hindere vorerst nicht die Mandate zu sammeln und aus ihnen einen kurzen Auszug zu machen, der für den Gebrauch sehr nützlich wäre." 16 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 91 f. 17 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 91; Osterloh (1970), S. 205. 18 Zum Stand der Forschung vgl. Reinalter, Joseph von Sonnenfels - Leben und Werk in Grundzügen, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 1-9; eine umfangreiche Literaturauswahl, ebd., S. 245-263. Vgl. ferner Ogris, Bibliographie der Schriften von Joseph von Sonnenfels, in: Sonnenfels, Grundsätze der Polizey (2003), S. 303-308. An biographischen Darstellungen aus dem 19. Jahrhundert vgl. den Nekrolog „Aus der Wiener-Zeitung vom 18. Junius 1817, η. 138" bei C. J. Pratobevera, Miscellen, in: Pratobevera (Hrsg.), Materialien, Bd. 4 (1820), S. 382-420, 405-411; Wurzbach (Hrsg.), Bd. 35 (1877), S. 317-343; Kopetzky, Josef und Franz von Sonnenfels - Das Leben und Wirken eines edlen Brüderpaares (1882); W. Müller, Josef von Sonnenfels - Biographische Studie aus dem Zeitalter der Aufklärung in Österreich (1882); Lustkandl, Sonnenfels und Kudler - Rede auf Josef von Sonnenfels und Josef von Kudler (1891). An Monographien aus dem 20. Jahrhundert vgl. Kann, Kanzel und Katheder - Studien zur österreichischen Geistesgeschichte vom Spätbarock zur Frühromantik (1962), S. 149-257; Osterloh, Joseph von Sonnenfels und die österreichische Reformbewegung im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus (1970); ohne wissenschaftlichen Anspruch Lindner, Der Mann ohne Vorurteil - Joseph von Sonnenfels 1733-1817 (1983).

II. Joseph von Sonnenfels (bis 1780)

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Joseph v. Sonnenfels, 1732 oder 1733 i n Nikolsburg geboren, 1 9 entstammte einer aus Norddeutschland i n die Monarchie eingewanderten jüdischen Famil i e . 2 0 Sein Vater Lipman Perlin trat zwischen 1736 und 1739 mit seinen Söhnen z u m Katholizismus über und nahm den Namen Alois Wiener an. Joseph besuchte zunächst das Piaristenkolleg i n Nikolsburg und anschließend die Philosophische Fakultät i n W i e n (1745-1749), ehe er 1749 als gewöhnlicher Soldat i n das Infanterieregiment „Hoch- und Deutschmeister" eintrat. 2 1 Nach seinem Abschied als Korporal i m Jahre 1754 studierte er bis 1758 Rechtswissenschaft an der Wiener Universität, wo insbesondere Paul Joseph v. Riegger und K a r l A n t o n v. M a r t i n i zu seinen Lehrern zählten. Es folgte eine Anstellung bei seinem Vater als Adjunkt und Übersetzer orientalischer Sprachen für die niederösterreichische Regierung. 1761 verdingte er sich als Rechnungsführer bei der kaiserlichen Arcièrengarde. Bemühungen u m eine Professur für deutsche Literatur an der Wiener Universität blieben ohne Erfolg. Jedoch gelang es i h m 1763, den neu errichteten Lehrstuhl für Polizei- und Kameralwissenschaft an der Wiener Universität zu erhalten. 2 2 Daneben lehrte er am Theresianum und der Savoyischen Ritterakademie.

Daneben finden sich zahlreiche biographische Beiträge, vgl. Muncker, Art. „Sonnenfels", ADB, Bd. 34 (1892), S. 628-635; Stintzing/Landsberg, 3. Abth./l. Halbbd. (1898), S. 401 ff. (Noten S. 263 f.); Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. II (1966), S. 440; Lentze, Joseph von Sonnenfels (1732-1817), in: Österreich in Geschichte und Literatur 16 (1972), Heft 6, S. 297-306 (mit Abbildung S. 307); Hofmann, Art. „Sonnenfels, Joseph", in: Biographisches Wörterbuch zur Deutschen Geschichte, Bd. III, 2. Aufl. (1975), S. 2682 f.; Watzlawick, Lehrzeit eines Reformers, in: Die Pestsäule- In memoriam Federmann (1977), S. 84-90; Glöckner, Art. „Sonnenfels, Joseph v.", HRG, Bd. IV, Sp. 1710-1714; Ogris, Art. „Joseph von Sonnenfels 17321817", in: Brauneder (Hrsg.), Juristen in Osterreich (1987), S. 82-87 und Anhang, S. 355-357; Reinalter, Art. „Sonnenfels, Joseph von", in: Biographisches Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen Bewegung in Europa, Bd. 1 (1992), S. 160 f.; Kremers, Einleitung, in: Sonnenfels, Aufklärung als Sozialpolitik- Ausgewählte Schriften aus den Jahren 1764-1798 (1994), S. 9-33; Acham, Nachwort, ebd. (1994), S. 227-247; Hof Art. „Josef von Sonnenfels (1733-1817)", in: Kleinheyer/Schröder (Hrsg.), Deutsche und Europäische Juristen (1996), S. 378-382; Brauneder, Art. „Sonnenfels, Joseph von (1732/34-1817)", in: Stolleis (Hrsg.), Juristen (2001), S. 592-594; Ogris, Nachwort, in: Sonnenfels, Grundsätze der Polizey (2003), S. 261297. 19 Zum Geburtsjahr Sonnenfels' vgl. Ogris, Nachwort, in: Sonnenfels, Grundsätze der Polizey (2003), S. 264 Fn. ». 20 Zur Verwandtschaft Sonnenfels' vgl. Jäger-Sunstenau, Genealogisches Jahrbuch 10(1970), S. 5-19. 21 Vgl. Duffy , The military World of Joseph von Sonnenfels, in: Das achtzehnte Jahrhundert und Osterreich, Bd. 6 (1990/91), S. 138-143. 22 Wahlberg, Die Reform der Rechtslehre an der Wiener Hochschule seit deren Umwandlung zu einer Staatsanstalt, in: Gesammelte kleinere Schriften, Bd. II (1877), S. 154, 28 ff.

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Α. Vorgeschichte I n den Jahren 1765 ff. entstand sein Hauptwerk „Grundsätze der Polizey,

Handlung und Finanz", 2 3 das rasch i n weiteren Auflagen erschien. 24 Zudem fungierte er i n der Folgezeit i n zahlreichen Nebenämtern, so wurde er etwa Sekretär der Akademie der bildenden Künste (1767), Sekretär des Kupferstichkabinetts (1769), Vorsitzender der Kommission zur Reinigung des Talmud, Zensor am Deutschen Theater 2 5 und Referent der Zensurhofkommission (177072) sowie Polizeireferent der niederösterreichischen Regierung (ab 1773). Die von i h m als Illuminationsdirektor 1776 geschaffene erste ständige Straßenbeleuchtung Europas brachte i h m 1779 den Hofratstitel. Seine Vielseitigkeit dokumentiert die journalistische Tätigkeit als Herausgeber der Wochenschrift „ D e r M a n n ohne Vorurtheil" (1765-67) und der beiden hauptsächlich für einen weiblichen Leserkreis bestimmten Zeitschriften „Theresie und Eleonore" (1766) sowie „Das weibliche Orakel" (1767). 2 6 Hervorzuheben sind aber vor allem Sonnenfels ' Verdienste i m K a m p f gegen die Folter sowie für die Einschränkung der Todesstrafe. 27

23 Vgl. Kremers, Quellenkritische Analyse des ökonomischen Denkens von Joseph von Sonnenfels - Vermittlung und Anpassung, in: Das achtzehnte Jahrhundert, Bd. 1 (1983), S. 50-53; dies., L'œuvre de Joseph von Sonnenfels et ses sources européennes «Problèmes de réception» au X V I I I e siècle, in: Francia 14 (1986), S. 331-367; dies., Das kameralistische Werk von Joseph von Sonnenfels - Einige neue Aspekte der Quellenforschung, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 171-190; dies., Einleitung, in: Sonnenfels, Ausgewählte Schriften aus den Jahren 1764-1798 (1994), S. 15 ff. 24 Vorliegend wurde die bei Kurzbeck erschienene 5. Auflage verwendet: Sonnenfels, Grundsätze der Polizey, Handlung, und Finanz - Zu dem Leitfaden des politischen Studiums, 3 Theile (1787); Teil I dieser Auflage wurde von Ogris neu ediert als Sonnenfels, Grundsätze der Polizey (2003). 25 Vgl. Sonnenfels, Briefe über die Wienerische Schaubühne (1988); Haider-Pregler, Die Schaubühne als „Sittenschule" der Nation - Joseph von Sonnenfels und das Theater, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 191-244, 229 ff. 26 Auszüge aus „Der Mann ohne Vorurtheil", in: Sonnenfels, Ausgewählte Schriften aus den Jahren 1764-1798 (1994), S. 65-115; vgl. dazu Godei, Der Wilde als Aufklärer?- Kulturanthropologisch vermittelte Rezeptionssteuerung in Joseph von Sonnenfels' Mann ohne Vorurtheil, in: Aufklärung 14 (2002), S. 205-232 m.w.N. 27 Wahlberg, Zur Geschichte der Aufhebung der Tortur in Österreich, in: Gesammelte kleinere Schriften, Bd. II (1877), S. 265-272; Conrad, Joseph von Sonnenfels - Zum 150. Todestage eines Vorkämpfers gegen die Folter, Juristen-Jahrbuch, Bd. 8 (1967/68), S. 1-16; Hartl, Humanität und Strafrecht - Zum 200jährigen Jubiläum der Aufhebung der Folter in Österreich, ÖJZ 31 (1976), S. 147-150, 148; Ogris, Joseph von Sonnenfels als Rechtsreformer, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 11-95, 61 ff.; ders., Joseph von Sonnenfels und die Entwicklung des österreichischen Strafrechts, in: La Leopoldina, vol. 10: Illuminismo e dottrine penali (1990), S. 459-482, 469 ff.; Cattaneo, Die Strafrechtsphilosophie der deutschen Aufklärung, in: Aufklärung 5/1 (1991), S. 25-56, 43 ff.; ders., Beccaria und Sonnenfels - Die Abschaffung der Folter im theresianischen Zeitalter, dt. Übers. (1998), S. 49-62; Schmoeckel, Humanität und Staatsräson (2000), S. 69 f.

Β. Die erste Kommission unter Joseph I I . Für die Jahre 1778/79/80 wurde im jeweiligen Index zu den Staatsratsakten keine einschlägige Eintragung gefunden, mit der sich die Aufnahme der Arbeiten an einem politischen Kodex unmittelbar belegen ließe.1 Sonnenfels selbst erklärt später jedoch im Konzept seines Beitrags vom 21. November 1808 sowie im Vortrag vom 12. August 1811,2 dass er für dieses Projekt 1778 zum Hofrat bei der Hofkanzlei befördert worden sei.3 Nach der 1 In HHStA, StR-Index 1778 wurde überhaupt keine Eintragung zu „Codex", „Compilation", „Commission", „politisch", „Sammlung" oder „Sonnenfels" gefunden. HHStA, StR-Index 1779 verweist unter „Codex" bzw. „Compilations-Coon" nur auf Vorgänge zum „Codex criminalis" und der „allgemeinen Gerichtsordnung". Unter „Sonnenfels" wird auf 432 ex 1779 verwiesen: „Plan einer Leihbank - Anregung seiner künftigen Stellung". HHStA, StR-Prot. 1779/11 (lfd. Bd. 67), 432 ex 1779 selbst gibt keinen weiteren Aufschluss: ,, Circuì. Ein weiterer Vorschlag zu einem SchuldtilgungsFond mittels einer Leihebank mit einigen zur Erörterung nöthigen Anmerkungen. - auf allerhöchsten Befehl wird dieser Vorschlag resonirt. "

Auch HHStA, StR-Index 1780 verweist unter „Compilations-Coon" usw. nur auf Vorgänge zur „Gerichtsordnung". Unter „Sonnenfels" wird auf 2001 ex 1780 verwiesen: „Hofrath erhält ein Privilegium impressorium über sein herausgeben wollendes Lehrbuch für den GeschäftsStyl." HHStA, StR-Prot. 1780/III (lfd. Bd. 71), 2001 ex 1780 selbst gibt keinen weiteren Aufschluss: „Circuì. Protocoll der StudienCoon de dato 14er 1780 - Die vorgeschlagene Verlängerung des Cursus philosophic i, und die allenfällige Verminderung der Facultäts-Lehrer betr. - ... Übrigens kann dem Sonnenfels das eingerathene Privilegium impressorium, da die Freyheit zum Schreiben, und zum Denken möglichst zu befördern ist, ertheilet werden. " 2 s.u., S. 144 ff. bzw. S. 149 ff. 3 Ohne Jahresangabe der Beitrag Sonnenfels' vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 2 r, ν in seiner Letztfassung: „..., da die höchstselige Für st inn mich eigentlich, um eine politische Gesetzsammlung zu bearbeiten zum H of rathe der Hoßcanzley beförderte. " Mit Jahresangabe das Konzept Sonnenfels' zu diesem Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 2 r] an dieser Stelle: „..., da der Vorschlag zu einer systematischen Sammlung der politischen Gesetze zuerst von mir kam, und ich von der höchstseligen Maria Theresia eigentlich mit der Bestimmung, diese Sammlung zu bearbeiten, bereits im Jahre 1778 zum Hofrat he der Hoflcanzley befördert wurde. " Ebenso der Vortrag Sonnenfels' vom 12. August 1811 (Anhang Nr. 31), fol. 679 ν: „ Übrigens könne er, Vicepräsident, nicht umhin, beyzurücken: er sey einiger Massen berechtiget, die Idee eines politischen Codex als die seinige zu betrachten: der vorzüglichste Anstoß zu einem solchen Werke sey von ihm gekommen, und er dieses Werkes wegen im Jahre 1778 als Η of rath zur Kanzley versetzt worden. "

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Β. Die erste Kommission unter Joseph II.

Darstellung i n seinem Promemoria v o m 7. A p r i l 1790 bzw. dem Sitzungsprotok o l l v o m 26. März 1790 habe er seinen entsprechenden ersten Vorschlag noch zu Lebzeiten Maria Theresias i m Jahre 1780 vorgelegt. 4 A m Ende des v o m 25. März 1781 datierenden Handbillett, welches die Herstellung einer effizienteren Verwaltung zum Gegenstand hatte, 5 erkundigte sich jedenfalls Joseph II. nach dem Stand der Arbeiten am politischen Kodex. 6 A u c h Kaunitz hatte i n seinem vorangegangen V o t u m auf dieses Vorhaben Bezug genommen. 7 Es bestand also durchaus ernsthaftes Interesse an dessen Fortgang. Anlässlich des Vortrags der Hofkanzlei v o m 20. A p r i l 1781 über den Stand der Dinge verwarf der Staatsrat i m M a i 1781 die Idee einer Kodifikation und sprach sich stattdessen mehrheitlich für eine bloße Gesetzsammlung aus. Dabei sollte, wie Kreßel vorschlug, mit der Zusammenstellung der böhmischen Gesetze begonnen und anschließend ein Abgleich mit den österreichischen Gesetzen durchgeführt werden, u m diese soweit wie möglich einander anzupassen und zu vereinheitlichen. 8 Hatzfeld äußerte darüber hinaus scharfe K r i t i k an der fach-

4 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 135 r, ν (s.u., S. 47 Fn. 23); Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 14 ν, 15 r (s.u., S. 56 Fn. 67). 5 Vgl. dazu Walter (Bearb.), ÖZV, II. A b t , Bd. 1/2, Teil 1: Die Zeit Josephs II. und Leopolds II. 1780-1792 (1950), S. 4. 6 HHStA, StR-Prot. 1781/1 (lfd. Bd. 74), 252 ex 1781: „Circuì. Puncten allerhöchst Sr des Römischen Kaisers Majestät- Wie künftig die Hof und Länderstellen zu Befolgung der allerhöchsten Befehlen, und zu Verrichtung ihrer Amtsobliegenheiten angewiesen werden könnten. Billet an die Böhm. Ö. Kanzley ... 5 t0 ... Im übrigen gewärtige von der Kanzley demnächstens die Anzeige, ob das Geschäft mit der Compilation des polit. Codicis, seinen Fortgang gewinne, und wie weit es mit dieser so notwendigen Ausarbeitung schon gekommen. " 7 HHStA, StR-Kaunitz, Karton 3 (1777-81), Votum 20 de 1781 zu 252 ex 1781: „ad Circuì. 252. - Die Zustandbringung eines ächten Staatssystems betr. Die zur Staatsräthlichen Überlegung vorgelegten 4 Fragen scheinen hauptsächlich zum Endzwecke zu haben, daß in die Staatsverwaltung, so wie derselben Maschine dermal besteht /: und worinnen sich verschiedene GrundMängel befinden, die nicht anders als das durch Umgestaltung des Ganzen zu heben seyn dürften :/ einsweilen mehrere Activität und Genauigkeit gebracht werde. Ad l m. Setzt die Befolgung der Gesetze eine verlässige Kundmachung und genaue Aufsicht voraus. Von der erstem könnte man sich bey neuen Gesetze auf die in den StaatsRäthlichen Votis vorgeschlagene Art, und bey den alten durch die schlechterdings nothwendige auszugsweise Compilation derselben versichern, an der dem Vernehmen nach bey der Böhmischen Hoßcanzley wirklich gearbeitet wird, folglich von ihr diesfalls die Auskunft könnte abgefodert werden. ... " * Hock/Bidermann, Der österreichische Staatsrath (1879), S. 124 f. machen hierzu folgende Angaben: „ L o h r beklagte, daß man bereits 30 Jahre lang sich mit dem Gedanken etwas derartiges zu Stande zu bringen, trage, gleichwohl aber nicht recht wisse, was daraus werden soll. Er verwarf die Ausarbeitung eines Gesetzbuches und meinte: eine mit Ver-

Β. Die erste Kommission unter Joseph II.

liehen Eignung und der Person Sonnenfels' 9 - eine Kritik, die er zehn Jahre später wiederholen sollte. 10 Kaunitz schloss sich dem Standpunkt Kreßels und Geblers an. 11

meidung aller Widersprüche und Wiederholungen angelegte Sammlung wäre das Zweckmäßigste. Doch trug er Bedenken, eine solche Revision dem Gutdünken des H. R. Sonnenfels allein anheimzustellen; vielmehr müßte jeder von diesem zur Veröffentlichung vorbereitete Theil einer Überprüfung durch eine eigene Hofcommission unterzogen und das so richtig gestellte Elaborat jeweilen dem Kaiser zur Genehmigung seines Inhaltes vorgelegt werden. Geb 1er war der nämlichen Ansicht, wünschte aber außerdem die Herausgabe eines gemeinnützigen Kalenders, dem von Jahr zu Jahr die wichtigeren Gesetze und Verordnungen einzuschalten wären. Es war das eine ursprünglich vom Hofrathe M a r g e l i k ausgeheckte Idee. K r e sei befürwortete den Abschluß der für Böhmen vorbereiteten Sammlung der hier geltenden Gesetze und glaubte, es werde genügen, wenn in der Zwischenzeit für die altösterreichischen Provinzen das Gleiche in Angriff genommen wird; dabei würde es sich auch zeigen, welche Lücken die Gesetzgebung hat, und um diese auszufüllen, könnte die mit der Arbeit zu betrauende Commission gleich Anträge formuliren, welche in der Form von Protokollen Grundlagen weiterer Beratungen würden." Vgl.ferner Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 95; Osterloh (1970), S. 207. 9 HockJBidermann, Der österreichische Staatsrath (1879), S. 125; Adler, FS ABGB, Teil 1(1911), S. 95 f. Fn. 20: „Dem die Geschäftskenntnis und seinen Schriften nach zu urteilen auch die erforderliche Bescheidenheit mangle, - seiner auf Kosten der Verständlichkeit oft allzu zierlichen Schreibart nicht zu gedenken. " 10

s.u., S. 63 Fn. 105. HHStA, StR-Kaunitz, Karton 3 (1777-81), Votum 53 de 1781 zu 1003 ex 1781: „ Vortrag der B: 0:e" Hofkanzley vom 20. April 1781. - Die höchst abverlangte Auskunft, wie weit es mit der Sammlung des Politischen Codicis gekommen sey? betr. ich finde den von dem Hofrath v. Sonnenfels eingereichten Plan vortrefflich verfaßt, und wäre ihm also nach solchem die ganze Ausarbeitung aufzutragen. Daß diese Compilation der Gesetze für die Böhmischen von jener für die Österreichischen Länder abzusondern, daß mit der ersten der Anfang zu machen, und mittlerweile zugleich alles nöthige wegen Sammlung der Österreichischen Gesetze zu bewerkstelligen sey, hierinfalls bin ich mit den vorstehenden Votis verstanden. Insonderheit trette ich auch dem Einrathen des Freyherrn v. Kreßl bey, daß eine besondere Commission niederzusetzen wäre, und Hofrath v. Sonnenfels hiebey über seine Arbeit zu referiren hätte. Bey dieser Arbeit kommt es nun zwar hauptsächlich nicht auf eine neue Legislation, sondern hauptsächlich darauf an, daß die bisherigen Patente und sonstige Verordnungen kurz und deutlich extrahiret und nach den vorgeschlagenen Rubriken in ein zusammenhängendes Sistem gebracht werden. Gleichwohl aber könnte Hofrath v. Sonnenfels und die hierzu bestimmte Commission bey dieser Gelegenheit weiter gehen, und dasjenige, was sie etwa bey den bestehenden Gesetzen defectuos, oder widersprechend finden dürften, jedesmal anmerken, Vorschläge zur Verbesserung machen, und hierüber das Gutachten erstatten. 11

Was die besser Einrichtung der Kalender betrifft, v. Gebler bey. " 3 Wagner

trette ich dem Voto des Freyherrn

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Β. Die erste Kommission unter Joseph II. D i e kaiserliche Resolution v o m 9. M a i 1781 machte sich die i m Staatsrat

vorgebrachten Gedanken bezüglich der Arbeitsweise zu eigen, hielt aber an der Person Sonnenfels' fest. 1 2 Der Plan eines politischen Kodex war damit also keineswegs aufgegeben. 13 Nach den Angaben bei Hock/Bidermann

und Adler

soll Sonnenfels seine

beiden ersten ausgearbeiteten Hefte mit legislatorischen Anträgen i n Bezug auf bevölkerungspolitische Maßnahmen versehen haben. Angesichts der zentralen Bedeutung, die dieses Thema bei Sonnenfels einnimmt, erscheint dies äußerst stichhaltig. 1 4 Diese wären anlässlich ihrer Revision i m Juli 1781 zwar seitens der Kommission m i t Stimmenmehrheit gebilligt worden, dagegen hätten sie sei-

12 HHStA, StR-Prot. 1781/1 (lfd. Bd. 74), 1003 ex 1781; zum Teil abgedruckt bei Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 96 Fn. 21: „Circuì: Vortrag der böhm. ö. Kanzley v. 20e" April 1781 - Die Anzeige ob das Geschäft mit der Compilation des politischen Codicis seinen Fortgang gewinne, und wie weit es mit dieser Arbeit gekommen sey e betr. Re s ο lut io Es ist dem Sonnenfels nach seinem Plan die ganze Ausarbeitung aufzutragen: der erste Anfang kann mit der Compilation für die Böhmischen Länder, und zu gleicher Zeit alles Nöthige, wegen vorläufiger Sammlung in den Österreichischen Ländern eingeleitet werden. Man wird sodann zu Gewinnung der Zeit allemal, wie ein Gegenstand in dem Böhmischen Codice reguliret ist, selben sogleich mit den Österreichischen Gesätzen compariren, und den Unterschied erwegen, ob nicht die gleiche Ausmessung auch allhier vollkommen oder mit kleinen Abänderungen anpassen könne. Von Seiten der Kanzley ist in dem Geschäft eine Commission zu bestellen, bey welcher Sonnenfels seine Ausarbeitung zu referiren hat. In Betreff der Kalender wird die Kanzley auf die Anmerkungen des Margelick den diensamen Bedacht nehmen. Meine Gesinnung gehet dahin, keines der dermaligen Kalender-Privilegien erneuern zu lassen, sondern auch in diesem nicht unbeträchtlichen Handlungszweige, so wie in allen andern vollkommene Freyheit, jedoch unter der nöthigen politischen LeitungJurohin zu gestatten. " 13

Adler, FS ABGB, Teil I ( 1911 ), S. 95 Fn. 19. Vgl. Sonnenfels, Grundsätze I: Polizey (1787), §§25-31 sowie §§ 32-42; ders., Über das Wort Bevölkerung, in: Politische Abhandlungen (1777), S. 231-270; ders., Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. I (1798), §§ 28-35, S. 92 ff. sowie §§ 3654, S. 115 ff. Nach Hock/Bidermann, Der österreichische Staatsrath (1879), S. 61 soll sich schließlich schon 1767 der Wiener Erzbischof über die von Sonnenfels veröffentlichte Bevölkerungslehre beschwert haben, die Mehrheit des Staatsrats habe ihn damals aber in Schutz genommen. Vgl. auch R.Schulze, Polizey und Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert (1982), S. 101 Fn. 6. Herdmann, Montesquieurezeption in Deutschland im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert (1990), S. 187 ff. weist bezüglich der Bevölkerungspolitik eine eingehende Auseinandersetzung Sonnenfels' mit dem Gedankengut Montesquieus nach. Zum geistesgeschichtlichen Hintergrund vgl. Fuhrmann, ZNR 22 (2000), 31-51, 33 ff.; ders., Aufklärung 13 (2001), S. 243-282, 246 f.; ders., Volksvermehrung als Staatsaufgabe?Bevölkerungs- und Ehepolitik in der deutschen politischen und ökonomischen Theorie des 18. und 19. Jahrhunderts (2002), insbesondere S. 59 ff. 14

Β. Die erste Kommission unter Joseph II.

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tens der Hofkanzlei deshalb eine abschlägige Würdigung erfahren. 15 A u c h i m Staatsrat waren die Ansichten hierüber geteilt: Während Lohr das Vorgehen Sonnenfels ' scharf kritisierte, wurde es von Gebler verteidigt. 1 6 Kaunitz schloss sich i n seinem V o t u m dem Standpunkt Geblers an. 1 7 Joseph II. selbst entschied über diesen Vortrag der Hofkanzlei v o m 21. Juli 1781 am 31. August 1781 und stellte dabei klar, dass er nicht die Absicht gehabt habe, eine neue Gesetzgebung zu veranlassen. Vielmehr habe sich die Kompilationskommission darauf zu beschränken, die bestehenden Verordnungen i n eine systematische Ordnung zu bringen, u m durch diese Zusammenfassung gegebenenfalls vorhandene Widersprüche und Undeutlichkeiten zu beseitigen; etwaige Anträge der Kommission auf Neuerungen oder Ergänzungen seien i h m über die Hofkanzlei zur Entscheidung vorzulegen. 1 8 W i e schon Adler 15

Hock/B idermann, Der österreichische Staatsrath (1879), S. 125; Adler, FS ABGB, Teil 1(1911), S. 96. 16 Hock/B idermann, Der österreichische Staatsrath (1879), S. 125 f. machen hierzu folgende Mitteilungen: „ L o h r erblickte in dem Vorgehen des H. R. Sonnenfels einen Übergriff und bestritt auch das Recht der Commission, neue Gesetze zu entwerfen. Gebier fand es begreiflich und gerechtfertiget, daß Sonnenfels sowohl als die Commission es nicht beim bloßen Anzeigen bestehender Lücken bewenden ließen, sondern diese gleich auszufüllen sich anschickten." Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 96. Zum engeren Verhältnis zwischen Gebler und Sonnenfels vgl. auch Wahlberg, Die Reform der Rechtslehre an der Wiener Hochschule seit deren Umwandlung zu einer Staatsanstalt, in: Gesammelte kleinere Schriften, Bd. II (1877), S. 35; Leibbrandt (1997), S. 40 ff., 42 f. 17 HHStA, StR-Kaunitz, Karton 3 (1777-81), Votum 90 de 1781 zu 1808 ex 1781: „ Vortrag der B: Ö: Hofkanzley vom 2 l ten Julius 1781.- Zur Begleitung der Zwey ersten Protokollen der zur Ausarbeitung des politischen Codicis aufgestellten CompillationsCommission. ich sehe die ganze Sache überhaupt vollkommen so wie der Freyherr v. Gebler an, und bin aus den von demselben angeführten Gründen mit dessen Voto gänzlich verstanden. " 18 HHStA, StR-Prot. 1781/11 (lfd. Bd. 75), 1808 ex 1781; zum Teil abgedruckt bei Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 96 f. Fn. 24: „Circuì: Vortrag der Böhm. Ö. Kanzley de dato 21. Julii 1781 - Mit Überreichung der 2 ersten Protokollen der zu Ausarbeitung des allgemeinen politischen Codex aufgestellten CompilationsHof commission. Re soluti ο Über das erste Protokoll begnehmige lediglich das Einrathen. Bey dem zwey ten Protokoll: ist der Sinn Meiner ertheilten Anordnung, da Ich den vorgelegten Sonnenfeisischen Plan in der guten Eintheilung der Materie und der Art der Abfassung dieses Codicis genehm gehalten, dahin nicht gerichtet gewesen, eine ganz neue Legislation zu veranlassen, sondern die Compilations-Commission hat sich bey diesem aufgetragenen Geschäfte bloß in den Schranken zu halten, die bisherigen Patenten und Verordnungen nach den wohl entworfenen Rubriken in ein zusammenhängendes System zu bringen, dieses kurz und deutlich in einem Codicem zusammenzufassen, die bisherigen Anordnungen und Generalien zwar allerdings von Widersprüchen und Undeutlichkeit zu reinigen, jedoch keine neue Legislation zu

3*

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Β. Die erste Kommission unter Joseph II.

hervorhebt, war das Fortbestehen der Kommission zu diesem Zeitpunkt somit nicht i n Frage gestellt. 1 9 Z u erwähnen bleibt ferner, dass Sonnenfels zu dieser Zeit der Weisung des Kaisers nachkam, Richtlinien für den Stil und den Schriftverkehr der Behörden aufzustellen, und i h m schließlich die Durchsicht „jeden hinausgehenden tes, so viel den Styl beträfe'\

paten-

aufgetragen wurde. 2 0

I m Handbillett v o m 13. A p r i l 1782 verlangte Joseph II. von der Hofkanzlei Auskunft darüber, wie weit Sonnenfels mit seinem Auszug der zu bearbeitenden politischen Anordnungen gekommen sei bzw. bis wann die eigentliche Ausarbeitung fertig gestellt sein könnte. 2 1

entwerfen. Sollten gleichwohlen in der Verhandlung solche Gegenstände vorkommen, bey denen die Commission auf jenem, was die bisherigen Anordnungen vorschreiben, nicht zu beharren, sondern eine Änderung einzubringen für nöthig fände, oder sollte dieselbe auch in der bisherigen Gesetzgebung ein oder anderes nicht gänzlich erschöpfet, mithin auf eine neue bestimmte Anordnung noch anzutragen erachten, so muß in jeglichem derley Fall dasjenige, was vorgeschlagen wird, mit einem besonderen Gutachten durch den Weg der Böhm. Ost. Kanzley zu Meiner Schlußfassung vorgelegt werden. " Osterloh (1970), S. 207 nennt als Datum der kaiserlichen Resolution den 21. Juli 1781, doch datiert darunter der Vortrag der Hofkanzlei. 19 Adler, FS ABGB, Teil I ( 1911 ), S. 97. 20 Walter (Bearb.), ÖZV, II. A b t , Bd. 1/2, Teil 1: Die Zeit Josephs II. und Leopolds II. 1780-1792 (1950), S. 3 Fn. 6 m.w.N. Vgl. Sonnenfels, Versuch über die Grundsätze des Stils in privat und öffentlichen Geschäften, 2 Theile (1781), hier zitiert nach Ogris, Bibliographie, in: Sonnenfels, Grundsätze der Polizey (2003), S. 306, Nr. 68; Sonnenfels, Über den Geschäftsstil - Die ersten Grundlinien für angehende österreichische Kancleybeamten (1784). Schon 1771 hatte Sonnenfels eine klare Gesetzessprache postuliert, vgl. Sonnenfels, Ueber die Liebe des Vaterlandes (1771), IV. Hauptstück: „Vortheile zur Verbreitung der Vaterlandsliebe in den Gesetzen ", S. 52-73; dazu Brauneder, Gesetzeskenntnis und Gesetzessprache in Deutschland von 1750 bis 1850 am Beispiel der Habsburgermonarchie, Studien I (1994), S. 519-543, 524, 528 ff.; zu Sonnenfels' Konzept des Patriotismus vgl. Wangermann, Joseph von Sonnenfels und die Vaterlandsliebe der Aufklärung, in: Das achtzehnte Jahrhundert und Österreich, Bd. 2 (1985), S. 41 f.; ders, Joseph von Sonnenfels und die Vaterlandsliebe der Aufklärung, in: Sammelband Sonnenfels (1988), S. 157-169; Klueting, „Bürokratischer Patriotismus"- Aspekte des Patriotentums im theresianisch-josephinischen Österreich, in: Aufklärung 4/2 (1989), S. 37-52, 41 ff.; Stauber, Vaterland - Provinz - Nation. Gesamtstaat, Länder und nationale Gruppen in der österreichischen Monarchie 1750-1800, in: Aufklärung 10/2 (1995), S. 5572, 68 ff. 21 HHStA, StR-Prot. 1782/1 (lfd. Bd. 78), 1065 ex 1782: „Circuì: Nota des N. Ö ViceStatthalters Grafen von Herberstein de dato 2. April 1782- Über die Vorstellung eines Anonimi wegen der schlechten Polizey- und Sicherheitsanstalten auf dem Land.

Β. Die erste Kommission unter Joseph II. A u f den Vortrag der Hofkanzlei hin, die nach Hock/Bidermann

nur mehr

„einen kurzen Auszug zum Gebrauche der Beamten" in Aussicht stellte, empfahl der Staatsrat in seiner Mehrheit, trotzdem an der ursprünglich geplanten Sammlung festzuhalten und diese mit dem Jahr 1782 abzuschließen. 22 Kaunitz folgte i n seinem V o t u m den Ansichten von Kreßel und Hatzfeld. 2 3 Demgemäß wurde mit kaiserlicher Resolution v o m 31. M a i 1782 das Ende des Jahres 1782 z u m „terminum

ad quem"

für die Sammlung der Verordnun-

gen bestimmt; zugleich wurde von Sonnenfels ein Gutachten darüber verlangt, wie dieses Vorhaben am besten bewerkstelligt werden könnte. 2 4

Re sol. Billet an die Β. Ö. Kanzley ... Von der Kanzley gewärtige Ich übrigens die Auskunft nach vorläufiger Vernehmung des Sonnenfels, wie weit er mit dem ihm aufgetragenen Auszuge der politischen Anordnungen gekommen sey, auch wann er mit seiner Arbeit fertig zu werden gedenke? wobey ihm zugleich aufgetragen werden kann, einen Theil des schon zu Stande gebrachten zur Einsicht vorzulegen. " 22 Hock/Bidermann, Der österreichische Staatsrath (1879), S. 126 schildern dies wie folgt: „Allein im April 1782 gab eine Erkundigung des Kaisers nach dem Stande der Sonnenfels'sehen Arbeit zu Erörterungen Anlaß, welche das Geständnis hervorriefen, daß Sonnenfels planlos nur diejenigen Materien bearbeite und abschließe, von welchen er meint, daß der Kaiser sie bei sich als abgeschlossen betrachte. Die böhm.österr. Hofkanzlei und die mehrerwähnte Commission entschuldigten dieses Vorgehen mit der Unfertigkeit der Gesetzgebung und bezeichneten einen kurzen Auszug zum Gebrauche der Beamten als das, was nun vor Allem noth thue. Geb 1er trat dieser Ansicht bei; die ü b r i g e n M i t g l i e d e r des Staatsrathes aber drangen auf die Durchführung des früher Beschlossene und riethen, die Sammlung mit dem Jahre 1782 abzuschließen." 23 HHStA, StR-Kaunitz, Karton 4 (1782-83), Votum 168 de 1782 zu 1642 ex 1782: „ Vortrag der B. Österr. Hofkanzley vom lS en May 1782. - Die allergdgst. abverlangte Auskunft, wie weit der Hofrath von Sonnenfels mit dem ihm auf getragenen Auszuge der politischen Anordnungen gekommen sey betr. ich bin ad l mum et 2du m mit dem ersten, ad 3tiu m mit dem Voto des Freyh. v. Kreßl und der weitem Erinnerung des H. Grafen v. Hatzfeld vollkommen verstanden. " 24 HHStA, StR-Prot. 1782/11 (lfd. Bd. 79), 1642 ex 1782: „Circuì: Vortag der Böhm. Ö. Kanzley de dato 18. May 1782- Die Auskunft, wie weit der Hof rath ν. Sonnenfels mit dem ihm aufgetragenen Auszug der politischen Anordnungen gekommen seye, Betr. Resolut io Ad Γ et 2m beangenehme das Einrathen der Kanzley. Ad 3" um Muß alsogleich mit der Sistematischen Sammlung der Generalien, Patenten und Circularien zu Werke gegangen, und das Ende des heurigen Jahres einsweilen zum terminum ad quem bestimmet, hiebey aber die vorzügliche Rücksicht darauf genommen werden, womit hierinn alle jene alten Verordnungen, welche von Zeit Meiner angetrettenen Regierung abgeändert worden, gänzlich hindanngelassen werden. Wie jedoch diese Arbeit am leichtesten und besten zu Stande zu bringen? darüber muß allem bevor noch der v. Sonnenfels mit seinem Gutachten vernommen werden. "

Β. Die erste Kommission unter Joseph II.

38 Nach Adler

stellte dieser daraufhin ein Register bis z u m Jahresende 1782

und den eigentlichen Kodex binnen viereinhalb Jahren in Aussicht. 2 5 Die Stimmen i m Staatsrat waren angesichts dieser Antwort zwiespältig. Mart i n i unterstützte das Vorbringen Sonnenfels' mit der Maßgabe, dass der Hofkonzipist Kröhny heranzuziehen sei, falls Sonnenfels den Termin für die Erstellung des Auszuges nicht einhalten könne. Hatzfeld stellte die Durchführbarkeit des Vorhabens generell i n Frage, wobei er auf die Verschiedenheit der Länderverfassungen abstellte, die für ein politisches Gesetzbuch noch größere Schwierigkeiten aufwerfen würde, als man sie ohnehin schon bei der Schaffung des Z i vilgesetzbuch habe. 2 6 Kaunitz schloss sich den Ausführungen Hatzfelds und Martinis an. 2 7 Joseph II. gab letztlich in der Resolution v o m 16. November 1782 das Proj e k t eines politischen Kodex auf. Zur Begründung wurde dabei auf die Gefahr verwiesen, dass i n dem Zeitraum von viereinhalb Jahren, der für die Aufarbei-

25

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 97 Fn. 25; Osterloh (1970), S. 207. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 97 macht folgende Angaben: „Freiherr von M a r t i n i sprach sich für das Anerbieten des Sonnenfels aus, aber mit dem Zusätze, daß, wenn Sonnenfels den Termin fur die Ablieferung des Auszuges nicht einhalten sollte, der bisherige Bearbeiter des Auszuges der böhmischen Gesetze zur Ergänzung seiner Arbeit aufzufordern sei. Graf H a t z f e l d meinte, der Endzweck der Arbeit des Sonnenfels sei, dem Publikum in möglichst kurzem Begriff alles vorzulegen, was seit Maria Theresia anbefohlen und nicht abgeändert wurde, nicht aber, daß ein dem Codici civili gleicher Codex politicus herausgegeben werde, welcher so wie ersterer alle streitbaren Gegenstände erledigt, alle politischen Gegenstände durch die Gesetzgebung erschöpfe; eine solche Arbeit würde besonders wegen Verschiedenheit der Länderverfassungen die Vernehmung aller Gubernien und Stände erfordern, und in der Ausführung noch beschwerlicher als der Codex civilis werden." Vgl. ferner die Mitteilungen hierzu bei Hock/B idermann, Der österreichische Staatsrath (1879), S. 126: „... obschon H a t z f e l d sich diese Gelegenheit nicht entgehen ließ, den H. R. Sonnenfels der Anmaßung zu zeihen und M a r t i n i es gerathen fand, den Concipisten K r ö h n y mit der einstweiligen Fortfuhrung der von ihm begonnenen Repertorien bis zum Jahre 1782 zu betrauen." 27 HHStA, StR-Kaunitz, Karton 4 (1782-83), Votum 357 de 1782 zu 3838 ex 1782: ,, Vortrag der Böhmisch Österreichischen Hofkanzley de dato 8: Nov: 1782. - Womit die Äusserung des HofRaths von Sonnenfels wegen des ihm auf getragenen Auszuges der politischen Anordnungen allerunterthänigst vorgeleget wird, ich bin überhaupt mit dem Voto des Freyherrn v. Martini verstanden, obgleich vor Erledigung der ganzen HauptCompilation von dem Concipisten Kröhny nicht wohl eine ganz vollständige und verläßliche Arbeit geliefert werden kann, so werden doch seine Auszüge inzwischen für das Publicum immer von Brauchbarkeit seyn, auch dem v. Sonnenfels zu Erleichterung seiner eigenen Arbeit dienen. Den übrigen Erinnerungen des Herrn Grafen v. Hatzfeld trette ich gleichfalls bey. " Vgl. ferner Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 98. 26

Β. Die erste Kommission unter Joseph II. tung der bis 1782 erschienenen Gesetze veranschlagt wurde, w o h l zwei Drittel der Bestimmungen mittlerweile hinfällig geworden sein könnten. Anstelle eines dann obsoleten Gesetzbuchs sei daher besser ein Register der Patente und Befehle fur den Behördengebrauch anzufertigen. 28 M i t dieser neu definierten Zielvorgabe setzte sich die politische Kompilationskommission daraufhin i n einem Sitzungsprotokoll v o m 18. Februar 1783 auseinander, das v o n der Hofkanzlei mit Vortrag v o m 6. März 1783 vorgelegt wurde. W i e aus dem entsprechenden V o t u m v o n Kaunitz hervorgeht, äußerte die Kommission w o h l Bedenken, dass nicht alle einschlägigen Verordnungen hinreichend veröffentlicht worden seien und selbst die Sammlungen der Behörden keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben könnten. E i n bloßes Register allein nutze folglich nichts, wenn keine zuverlässige Nachschlagemöglichkeit bestehe. Aus diesem Grund sei statt eines bloßen Registers einerseits oder einer streng wissenschaftlich ausgearbeiteten Sammlung andererseits vielmehr eine Kompromisslösung aus beiden vorzuziehen. Dieser Mittelweg wurde von Kaunitz i n seinem V o t u m ebenfalls favorisiert. 2 9

28

HHStA, StR-Prot. 1782/III (lfd. Bd. 80), 3838 ex 1782: „ Circuì: Vortrag der Böhm. Österr. Kanzley de dato 8. Novembris 1782 - Womit die Äußerung des Hofrathes von Sonnenfels wegen des ihm auf getragenen Auszuges der politischen Anordnungen vorgelegt wird. Re sol: Das einstigste, was man von dieser Sammlung zu erwarten hat, oder wünschen kann, ist, daß die Gubernia, Kreißämter und Dominien je eher je besser nur eine Art Register bekommen, in welchem die zu verbleiben habende Patente und Befehle zum Nachschlagen in allen politischen Fällen sich versammelt finden. Dieses Register muß so eingerichtet werden, daß in selbem wohl combiniret werde, daß die Gesetze, so durch spätere Verordnungen entweder gänzlich aufgehoben, oder änderst modificiret worden, gänzlich ausgelassen oder schon verändert angesetzet werde. Diese Art Register ist das einzige Nutzbare und Gemächliche, so man von dieser ganzen Arbeit zu erwarten hat; also ist an selbem mit allem Eifer Hand anzulegen, und kann auch diese Ausarbeitung nicht lange Zeit brauchen. Das Gesetzbuch also hat vollkommen auszubleiben, da nur um bis ad terminum ad quem von Anno 1782 fertig zu werden 4 V2 Jahr gebrauchet, und in diesen Jahren vielleicht 2/3 deren mühsam im Gesetzbuch colligirten und bestimmten Gesetzen wieder abgeändert worden seyn dürften, wodurch also dieses Buch bey seiner Erscheinung schon falsch und unnütz seyn würde. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 98; Osterloh (1970), S. 207 f.; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 178; ders, Privatrechtskodifikation und Staatsbildung (1976), S. 67. 29 HHStA, StR-Kaunitz, Karton 4 (1782-83), Votum 69 de 1783 zu 871 ex 1783: „ Vortrag der vereinigten Β: Ö: Hofkanzley de dato 6. März 1783. - Womit das Protokoll der politischen CompilationsHofCoon vom 18: Februar wegen des statt des zu unterbleiben habenden politischen Gesetzbuchs zu verfassenden Registers zum Nachschlagen mit vollkommenen Beytritte vorgelegt wird. der erste Vorschlag und der nach denselben eingerichtete Entwurf A scheinet zwar dem Buchstäblichen Inhalt der Allerhöchsten Resolution am meisten gemäß zu seyn.

40

Β. Die erste Kommission unter Joseph II.

Auch Joseph II. entschied sich in der Resolution vom 15. März 1783 für diesen dritten Lösungsvorschlag. Die nun doch, wenngleich in modifizierter Art und Weise zu erstellende Sammlung sollte keine inzwischen aufgehobenen Verordnungen enthalten und von einem Verleger herausgegeben werden. 30 1785 findet sich für die „politische CompilationsCommission" und die ihr aufgetragene „Sammlung der Gesetze" eine Belegstelle in der (auf den Vortrag der Hofkanzlei vom 20. August 1785 ergangenen) kaiserlichen Resolution vom 9. September 1785.31

Allein diese Resolution fordert ein Register zum Nachschlagen, das ist, wenn ich den Sinn derselben wohl verstehe, eine kurze Anzeige, daß über diese oder jene Materie diese oder jene Verordnung existire, welche bey vorkommenden Fällen in dem gedruckten oder geschriebenen Original nachgeschlagen, das ist in extenso eingesehen werden soll Nun wird aber in dem Protokoll die Erinnerung gemacht, daß die nachzuschlagenden Verordnungen theils nicht gemein gemacht, theils nur in sehr kostbaren, oder selten gewordenen oft beynahe ganz vergriffenen Sammlungen zu finden sind, und daß es mit Grunde bezweifelt werden könne, ob selbst in irgend einer öffentlichen Registratur eine vollständige Gesetzsammlung anzutreffen sey. Dieses vorausgesetzt würde zwar der erste Vorschlag den Buchstaben der Allerhöchsten Resolution erfüllen, keineswegs aber dem Sinn und dem Endzwecke derselben entsprechen, denn was sollte ein Register zum Nachschlagen nützen, wenn man in mehrern Fällen das nachzuschlagende exhibitum nicht bey Händen hat? Eben diese Betrachtungen überzeugen mich dahero, daß der abgezielte Allerhöchste Endzweck nicht sicherer zu erreichen, und zugleich die Lücke der ganz abgehenden oder sehr selten gewordenen Verordnungen nicht vollständiger auszufüllen seyn dürfte, als durch die in dem dritten Vorschlage angetragene Compilation, die zwar im Styl weniger rein und in der sistematischen Ordnung weniger scientifisch als die zweyte Art der Compilation ausfallen, in der Hauptsache aber desto zuverläßlicher, gemeinnütziger und der Allerhöchsten Absicht gemäser seyn wird. " 30

HHStA, StR-Prot. 1783/1 (lfd. Bd. 82), 871 ex 1783: „ Circuì: Vortrag der Β: Ö: Kanzley de dato 6. März 1783 - Über ein Protokoll der politischen CompilationsCoon vom 18. Febr. a: c: Resol: Ich begnehmige, daß nach dem dritten Vorschlag die Sammlung gefasset, und angetragenermaßen durch einen Verleger herausgegeben werde. Es sind aber nicht nur die wirklich abgeschafte Anordnungen, sondern auch jene, die zur Beobachtung gar nicht mehr gehören, oder durch entgegengesetzte Entscheidungen oder Befehle gehoben worden sind, hinwegzulassen, damit dadurch nichts unnützes oder überflüssiges in der Sammlung erscheine. " Osterloh (1970), S. 208 Fn. 13 datiert den Vortrag der Hofkanzlei auf den 18. Februar 1783, dies ist jedoch das Datum des Protokolls der politischen Kompilationskommission, vgl. auch das entsprechende Votum Kaunitz' (s.o., S. 39 Fn. 29). 31 HHStA, StR-Prot. 1785/III (lfd. Bd. 93), 3647 ex 1785: „Circuì: Vortrag der Böhm: Österr: Kanzley de dato 20. Aug: 1785 - Wegen Verminderung der Schreibereyen und Erweiterung der Aktivität der Länder stellen. Resol: Ad l m: a. Hat es lediglich bey jener Vorschrift zu verbleiben, nach welcher die politische CompilationsCommission die Sammlung der Gesetze zu machen angewiesen worden ist, nur muß selbe kürzer, klärer, und wohl überlegt werden. ..."

Β. Die erste Kommission unter Joseph II.

Wie Kopetz später im August 1807 mitteilt, sei dieses Register schließlich in den Jahren 1784-1787 in mehreren Heften erschienen, die allerdings nur für den internen Gebrauch der Behörden bestimmt waren und lediglich die Jahre 17801784 zum Gegenstand hatten.32 Auch Baldacci nimmt später in seinem Vortrag vom 1. September 1802 auf diese „geheime Sammlung" Bezug. 33

32

Kopetz, Österreichische politische Gesetzkunde, 1. Theil/1. Bd. (1807), Vorerinnerung, ohne Seitenzahlen: „Diese Sammlung ist bloß unter die Staatsbeamten vertheilt worden, und niemahls in den Buchhandel gekommen; sie ist bey Trattnern J 784-1787 in 4to gedruckt, und reicht vom Regierungsantritte Josephs II bis zum Schluße des Jahres 1784. " Osterloh (1970), S. 208. 33 s.u., S. 131 Fn. 188.

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold I I . I. Kontakte zwischen Sonnenfels und Leopold vor 1790 Schon vor seinem Regierungsantritt i n den Erblanden 1790 war Leopold bei seinen Besuchen i n W i e n mit Sonnenfels direkt i n Kontakt gekommen. B e i seinem Wienaufenthalt v o n 1778/79 anlässlich des Bayerischen Erbfolgekrieges 1 vermerkt Leopold i n der von i h m eigenhändig verfassten „Relazione" 2 einige Unterredungen mit Sonnenfels, welche die Polizei und die Finanzen z u m Gegenstand hatten. 3 Dabei charakterisiert er Sonnenfels wie folgt: „insgesamt ist er ein Mann mit Talent, aber mit einer zu glühenden und enthusiastischen Vorstellungskraft, die gebremst werden sollte. " 4

1

Vgl. dazu Wandruszka, Die Persönlichkeit Kaiser Leopolds II., HZ 192 (1961), S. 295-317, 309 ff.; ders., Leopold II. - Erzherzog von Österreich, Großherzog von Toskana, König von Ungarn und Böhmen, Römischer Kaiser, Bd. I: 1747-1780 (1963), S. 324 ff.; ders., Pietro Leopoldo- Un grande riformatore, ital. Übers. (1968), S. 353 ff.; ders., Österreich am Ende der Regierungszeit Maria Theresias, Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse 111 (1974), S. 41-60. 2

„Relazione di S.A.R. sopra il suo soggiorno in Vienna, Li Affari che vi ha trattati, Fogli che ha avuto alle Mani e Sessioni avute con diversi Ministri dal di 6 Settembre 1778 fino al di 8 Marzo 1779, scritta di propria mano di S.A.R. in aria di Diario giorno per giorno, con vari Allegati dal N° 1 fino al N° 96", HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 14; leider befinden sich nicht alle 96 „Allegati" im HHStA in Wien. Wandruszka, HZ 192 (1961), S. 310; ders., Leopold, Bd. I: 1747-1780 (1963), S. 333; ders., Pietro Leopoldo (1968), S. 353; ders., Österreich am Ende der Regierungszeit Maria Theresias (1974), S. 50. 3

-

-

Relazione 1778/79, HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 14, carta 20-22: „Sessione col Consigliere Sonnenfels sopra le cose dipulizzia " carta 43-45 : „ Sessione col Consr e Sonnenfels sopra diverse materie " carta 649-653 : „ Sessione col Consigliere Sonnenfels per il suo progetto di finanze " carta 1019-1022: „Sessione col Consr e Sonnenfels e suo Progetto di finanze per l'estinzione dei debiti publici - Allegato di N° 80 " carta 1098: „ Progf 0 del Consr e Sonnenfels per una creazione di 30 Millioni d ' annuita e l'estinzione loro - Allegato di N° 86" carta 1103: „Rimessa fatta da mé dei Progetti di finanze di Sonnenfels all 'Imperatrice " Ferner wird folgende Denkschrift erwähnt: carta 518:,, Memoria contro il Consigliere di Sonnenfels - Allegato di N° 56 ". 4 Relazione 1778/79, HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 14, carta 44 f.:

I. Kontakte zwischen Sonnenfels und Leopold vor 1790

43

„ e r ist ein Mann, der viel Talent und Fähigkeiten besitzt, ist sehr aktiv, arbeitsam und bemüht, uneigennützig und jemand, der auf dem Papier gute Entwürfe macht, aber der sehr von sich selbst und seinem Wissen überzeugt ist, sich immer selbst lobt, sehr kritisch ist und alle anderen missachtet, deswegen den Hass aller auf sich gezogen hat, und er ist ein Hitzkopf, der Verwendung finden, aber dabei zur Pflichterfüllung angehalten werden sollte. " 5 I m dritten , A l l e g a t o " zu dieser „Relazione", i n der Leopold die wichtigsten Beamten behandelt, 6 erfährt Sonnenfels bei aller Wertschätzung seiner Fähigkeiten wiederum eine durchaus kritische Beurteilung seiner Person: „Dieser Sonnenfels ist Sohn eines getauften Juden, ein Mann von großem Talent, Tätigkeit, sehr fähig und ein großer Arbeiter, aber voll Anmaßung und Eitelkeit, lobt sich immer selbst, äußerst fanatisch, macht alle Sachen mit dem größten Aufsehen und Publizität, spricht zu viel und rühmt sich zu viel, übernimmt viele Verpflichtungen, die er dann nicht erfüllen kann und er macht sich dann lächerlich "? A u c h über die Reise, die Leopold i m Juli 1784 nach W i e n unternahm, u m seinen Sohn, den Thronfolger Erzherzog Franz, bei seinem Bruder Kaiser Joseph II. zur weiteren Ausbildung abzuliefern, 8 existiert eine „Relazione", welche nach Wandruszka zwar nicht eigenhändig v o n Leopold verfasst wurde, die aber nach Stil und Formulierung dessen Diktat erkennen lässt. 9 I n dieser „Rela-

„..., in somma, è uomo di talento ma di immaginaz e troppo calda e entusiasta che và raffrenata. " 5 Relazione 1778/79, HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 14, carta 1019 f.: „..., lui è un uomo che à molto talento e capacità, è molto attivo, laborioso e fatigante, disinteressato e che distende bene in carta, mà à una grandissima aria presunzione di se medesimo e del suo sapere e sempre si loda, ed è molto critico e disprezza tutti gli altri, per questo si è attirato l'odiosità di tutti, ed è una testa calda che và impiegato mà molto tenuto a dovere. " 6 „Impiegati Principali a Vienna e nello Stato secondo i rispettivi Dipartimenti e carattere loro ", HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 15, Allegato di N ° 3 ; Wandruszka , HZ 192 (1961), S. 310 f.; ders ., Leopold, Bd. I: 1747-1780 (1963), S. 333; ders., Pietro Leopoldo (1968), S. 384; ders , Österreich am Ende der Regierungszeit Maria Theresias (1974), S. 51. 7 Dt. Übers, nach Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 325; „Impiegati Principali ", HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 15, Allegato di N° 3, carta 34: „... questo Sonnenfels èfiglio di un 'ebreo battezzato, uomo di gran ' talento, attività, molto capace e gran ' lavorante, ma pieno di presunzione e vanità, sempré si loda dasé, fanatico ali 'eccesso, fà tuttele cose col maggiore rumore e publicità, parla troppo e si vanta troppo, prende molti impegni che poi non puole adempiere e si f à poi deridere, ... ". 8 Vgl. dazu Wandruszka , Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 82 ff.; ders, Pietro Leopoldo (1968), S. 472 ff. 9 „Relazione del viaggio e soggiorno fatto da S.A.R. in Vienna nel Luglio 1784", HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 16; Wandruszka , Leopold, Bd. II: 17801792 (1965), S. 82; ders, Pietro Leopoldo (1968), S. 472.

44

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

zione" v o m Juli 1784 findet sich die überaus bemerkenswerte Eintragung, dass Sonnenfels bei Leopold mit dem ausgearbeiteten Plan einer politischen Gesetzgebung vorstellig wurde: „Allegato N° 23 - Es werden gleichfalls beigefügt ein Projekt und ein System, das Seiner Königlichen Hoheit vom Hofrat Sonnenfels vorgestellt wurde, über einen Plan der politischen Gesetzgebung, der unter N° 23 folgt. Der genannte Hofrat ist nun aber von wenig Ansehen und ist allein angestellt, um alle Gesetze und Verordnungen, die erlassen werden, in gutes Deutsch zu übertragen. " 10 Entsprechende Nachforschungen nach dem Verbleib dieser Denkschrift i m Haus-, Hof- und Staatsarchiv

(Wien), dem Archivio

di Stato di Firenze

(Flo-

renz) sowie dem Stàtni ùstredni archiv (Prag) blieben ergebnislos. 11 Daher kann man nur mutmaßen, wie groß die Ähnlichkeiten dieser Denkschrift mit dem späteren Promemoria v o m 7. A p r i l 1790 waren. Festzuhalten bleibt aber die Tatsache, dass Sonnenfels sich für sein Vorhaben selbst 1784 noch b e i m Bruder des Kaisers einsetzte, obwohl die Entscheidung Josephs II. hierüber j a schon längst i m oben dargestellten Sinne gefallen war.

I I . Das Promemoria vom 7. April 1790 1. Das Promemoria V o r diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Sonnenfels nur kurze Zeit nach dem T o d Josephs II. am 20. Februar 1790 bereits am 7. A p r i l 1790 1 2 ein

10 Relazione 1784, HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 16, carta 601 f.: „Allegato di N° 23 - Si danno parimente annessi un Progetto, e Sistema stato presentato a S. A. R. dal Consiglier Sonnenfels sopra un piano di Legislazione Politica, che si da sotto N° 23. Il predetto Consigliere è ora in poco credito, ed è unicamente impiegato per tradurre in buono stile Tedesco tutte le Leggi, e Editti, che escono. " 11 In HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 16 befindet sich abgesehen von den „Cose Particolari" keine einzige Beilage zu dieser „Relazione". Das Repertorio dell'Inventario della Segreteria di Gabinetto im A.S.F. (Florenz) wurde ohne Erfolg unter anderem auf folgende Stichworte hin untersucht: „piano", „politico", „progetto", „Relazione", „Sonnenfels" und „Vienna". Nach Auskunft des SUA (Prag) hat der dortige Bestand des Rodinny archiv toskânskych Habsburku lediglich Reisen Peter Leopolds in der Toskana zum Gegenstand. 12 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 92 datiert dieses Promemoria zwar auf 1791, was wohl auf einem Redaktionsversehen beruhen muss, denn auf S. 99 f. ordnet er es in den zeitlichen Zusammenhang des April 1790 ein. Es scheint, dass das Promemoria von 1790 und das spätere Sitzungsprotokoll der Kommission vom 26. März 1791 in der Darstellung bei Adler miteinander vermengt wurden (s.u., S. 56 Fn. 65); ähnlich wohl auch bei Strakosch, Privatrechtskodifikation und Staatsbildung (1976), S. 68 oben.

II. Das Promemoria vom 7. April 1790

„Allerunterthänigstes Promemoria über die Wiederherstellung Kommission " einreichte. 13

45

der politischen

Gleich am Anfang des Promemoria umreißt Sonnenfels das programmatische Ziel seines Vorhabens. Ausgehend von dem Postulat einer „rechtmäßigen Regierung" ohne Willkür und Anarchie folgert er die Notwendigkeit einer „Staatsverfassung". Diese bedingt ihrerseits eine systematische Gesetzgebung, die genau die wechselseitigen Rechte und Pflichten im Verhältnis des Einzelnen zum Gemeinwesen regelt. Ein „System in der Gesetzgebung" setzt wiederum „festgestellte Grundsätze" voraus, um Widersprüche und Unklarheiten von vornherein auszuschließen.14 Sonnenfels betont die Wichtigkeit dieses Zusammenhanges, indem er die Gefahr einer unumschränkten Machtausübung unterstreicht, die selbst bei einem Regenten mit den besten Absichten droht. Mit Adler und Osterloh kann dies durchaus als eine unverhohlene Anspielung auf den Herrschaftsstil Josephs II. angesehen werden. 15 Wie die unumschränkte Gewalt unter einem skrupellosen Thronfolger pervertiert werden kann, belegt Sonnenfels sodann mit dem Beispiel des auf Marc Aurel folgenden Commodus. Ebenfalls aus der römischen Kaisergeschichte wird Claudius als Muster eines unfähigen Regenten angeführt, der von seiner schlechten Umgebung gesteuert und manipuliert wird. 16 An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, wie intensiv der Meinungsaustausch zwischen Sonnenfels und Leopold bei den Kontakten von 1778/79 bzw. 1784 war. Denn im Rahmen der Arbeiten am Verfassungsentwurf für die Toskana17 setzte sich Leopold gleich zu Beginn, das heißt unmittelbar nach sei13 HHStA, Kaiser-Franz-Akten, Karton 146 (alt 149), N° 6, fol. 131 r - 147 r, abgedruckt im Anhang Nr. 1; ein weiteres, wenngleich nur fragmentarisches Exemplar in AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, April 1790, fol. „138" r - „139" v; vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 99 f. Fn. 30; Wangermann, Von Joseph II. zu den Jakobinerprozessen, dt. Übers. (1966), S. 115; Osterloh (1970), S. 208 ff.; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 134; Ogris, Sonnenfels als Rechtsreformer, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 49. 14 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 133 r, v; vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 100 Fn. 30; Osterloh (1970), S. 209; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 177; ders, Privatrechtskodifikation und Staatsbildung (1976), S. 68 oben. 15 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 133 v, 134 r; vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 100 Fn. 30; Osterloh (1970), S. 209. 16 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 134 r; vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 100 Fn. 30; Osterloh (1970), S. 209. 17 J. Zimmermann , Das Verfassungsprojekt des Großherzogs Peter Leopold von Toskana (1901); Aglietti , La Costituzione per la Toscana del Granduca Pietro Leopoldo, Rassegna Nazionale 164 (1908), S. 273-295, 441-453; Francovich , La Rivoluzione Americana e il progetto di costituzione del Granduca Pietro Leopoldo, Rassegna Storica

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C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

ner Rückkehr aus Wien im Frühjahr 1779 in der „Idea sopra il progetto della creazione dei stati" 1* eingehend mit diesem Grundproblem der Monarchie auseinander. 19 Folgt man der Auffassung von Wandruszka, dass das negative Bild, del Risorgimento 41 (1954), S. 371-377; Wandruszka, Joseph II. und das Verfassungsprojekt Leopolds II. - Die Abolition und Wiedererrichtung der toskanischen Sekundogenitur, HZ 190 (1960), S. 18-30; ders ., Leopold, Bd. I: 1747-1780 (1963), Kap. „Das Toskanische Verfassungsprojekt", S. 368-390 mit Anm. 1-57 (S. 443-447); unverändert abgedruckt in: Aretin (Hrsg.), Der aufgeklärte Absolutismus (1974), S. 264-284; ders., Pietro Leopoldo (1968), S. 390-407; Monetti , Dalla riforma comunitativa al progetto di costituzione sotto Pietro Leopoldo, Granduca di Toscana (1765-1790), Rassegna Storica Toscana 28/2 (1982), S. 185-217; ders., Una Costituzione liberale - Il progetto costituzionale di Pietro Leopoldo, Rassegna Storica Toscana 30/2 (1984), S. 149-264; ders. , Rappresentanza effettiva e rappresentanza formale nei regolamenti comunitativi di Pietro Leopoldo, Rassegna Storica Toscana 33/1 (1987), S. 105-110; ders., La costituzione inattuata - Pietro Leopoldo Granduca di Toscana: dalla riforma comunitativa al progetto di costituzione (1991); Sordi, L'amministrazione illuminata - Riforma delle comunità e progetti di costituzione nella Toscana leopoldina (1991); La Rosa, Apparenza e realtà del potere - Le amministrazioni locali nella Toscana di Pietro Leopoldo, Nuova Rivista Storica 76/1 (1992), S. 99-134; Graf, Der Verfassungsentwurf aus dem Jahr 1787 des Granduca Pietro Leopoldo di Toscana (1998). 18 Das Florentiner Exemplar dieser Denkschrift abgedruckt bei J. Zimmermann (1901), Anhang Nr. 6, S. 182-195; zur zeitlichen Einordnung ebd., S. 82 f.; Wandruszka, Leopold, Bd. I: 1747-1780 (1963), S. 375, insbesondere Anm. 21 (S. 445); Sordi (1991), S. 318; Graf( 1998), S. 164 und S. 171, insbesondere Fn. 45. Das demgegenüber mit Ergänzungen versehene Wiener Exemplar mit dem Titel „ Primo Disteso ed Idee sopra la formazione degli Stati e nuova Costituzione pubblica" in HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 12, N° 1, fol. 268 - 302. 19 „Idea sopra il progetto della creazione dei stati" bei J. Zimmermann (1901), Anhang Nr. 6, S. 190: ,,... un solo, che oltre ad avere come uomo tutte le altre passioni, e vicj comuni a tutti li uomini, di più guastato dalla vita comoda, dalla fortuna, dall 'educazione, grado, e rango, e dall'adulazione di quelli, che lo circondano ...un solo uomo destinato a caso a questo posto dalla nascita, il quale il più delle volte se lo crede destinato per eredità come un patrimonio, senza considerare, e senza essersi mai sentito insegnare, nè rammentare i doveri, obblighi, e pesi del suo stato, d'un uomo che può essere un imbecille, un matto, un furioso, un scellerato, un vizioso, ambizioso, infingardo, ο debole, il quale per lo più, per la depravità degli uomini, che è anche maggiore nelle persone di un alto rango, ο è, ο diventa tale, ο rischia di diventarlo, ο dipende omniamente dai capricci d'un ministro, d'un favorito, d'un subalterno, d'una donna, etc. ..." Dt. Übers, nach Wandruszka, Leopold, Bd. I: 1747-1780 (1963), S. 377: „außer daß er als Mensch alle anderen Leidenschaften und Fehler hat, die allen Menschen gemeinsam sind, weiterhin verdorben ist durch das bequeme Leben, Glück, Erziehung, Stand, Rang und die Schmeichelei seiner Umgebung ... der durch Zufall zu dieser Stellung durch seine Geburt gekommen ist, und der sie sich meist durch Erbschaft bestimmt glaubt als einen Besitz, ohne zu betrachten und ohne je darüber unterrichtet oder erinnert worden zu sein an die Pflichten, Verpflichtungen und Lasten seines Standes, ein Mensch, der ein Schwachkopf sein kann, ein Narr, ein Tobsüchtiger, ein Verbrecher, ein Lasterhafter, Ehrgeiziger, Heuchler oder Schwächling, der meistens durch die Verderbtheit der Menschen, die in den hochgestellten Personen noch größer ist, es auch ist, oder es wird, oder es zu werden droht,

II. Das Promemoria vom 7. April 1790

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das Leopold 1778/79 von der Regierungsweise seines Bruders Joseph in Wien gewonnen hatte, „ein wesentliches auslösendes Moment für das Verfassungsprojekt - wenngleich nicht das einzige" war, 20 und unterstellt man, dass dies Sonnenfels bei seinen Begegnungen mit Leopold wohl nicht völlig verborgen blieb, so scheint er geradezu bewusst hierauf anzuspielen. Ein Beweis für diese Vermutung kann gleichwohl nicht geführt werden. Mit der Gefahr des Machtmissbrauchs leitet das Promemoria nun zu einer Darstellung der jüngsten Bemühungen auf dem Gebiete der politischen Gesetzgebung über. Sonnenfels beruft sich dabei zunächst auf die „ Seelengrösse Marien There siens indem er auf deren 1768 ergangenen Befehl 21 zur Sammlung der politischen Verordnungen verweist. Er unterstellt dabei, dass die Kaiserin in der Absicht, „eine Gewalt, die Sie nicht mißbrauchen wollte, zu massigen, daß solche nach ihr nicht gemißbraucht werden könnte", bereits 1768 einen „allgemeinen politischen Kodex " im Auge hatte. Diese Annahme begründet Sonnenfels mit der überaus positive Aufnahme seiner späteren Eingabe von 1780, die, wie er berichtet, von der Monarchin „mit beinahe zuvoreilender Huld aufgenommen wurde ". 22 Es folgt nun die Schilderung seiner eigenen Bemühungen um einen politischen Kodex. Dabei zitiert Sonnenfels einen ganzen Absatz aus seinem damaligen ersten Vorschlag zur Abfassung eines „nach einem überdachten Plane gefaßten politischen Codex " im Wortlaut, so dass dadurch die Quellenlage für die Zeit um 1780 etwas mehr erhellt wird. 23 Mit Osterloh kann wohl zu recht ange-

oder ganz abhängt von den Launen eines Ministers, eines Favoriten, eines Subalternen, einer Frau usw. ..." 20 Wandruszka, HZ 192 (1961), S. 312; ders., Leopold, Bd. I: 1747-1780 (1963), S. 368 f.; differenzierter Graf( 1998), S. 161 f f , 164; vgl. ferner A. Huber, Die Politik Kaiser Josephs II. beurtheilt von seinem Bruder Leopold von Toscana (1877). 21 s.o., S. 26 Fn. 12. 22 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 134 ν; vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 92 f , insbesondere Fn. 17; Osterloh (1970), S. 209 sowie S. 205 a.E. 23 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 135 r, v, Zitat aus dem ersten Vorschlag (von 1780): „,Nichts beweise so sehr die Kraft einer Verwaltung, nichts zeige zuverlässiger von dem Glücke der Bürger, als Einstimmigkeit in Grundsätzen, von welchen die Übereinstimmung in Vorkehrungen, in Entscheidungen, die Gleichförmigkeit in Handlungen abhängt; wo kein auf das Allgemeine sich beziehender Gegenstand dem Ungefähr, oder Seitenabsichten überlassen, wo jedes besondere Gesetz nach dem allgemeinen Ziele hingerichtet ist, jede einzelne Vorkehrung einen abgepaßten Theil des Ganzen ausmacht, jede einzelne Handlung, wenn ich so sagen darf, in ein Geleis geleitet wird, worin sie desto sicherer zu Befestigung des allgemeinen Hauptplanes, desto gewisser zur Erreichung des gemeinschaftlichen Zweckes laufen muß. ' "

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C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

nommen werden, dass Sonnenfels von Anfang an vor hatte, sein eigenes System zur Grundlage des „ allgemeinen Hauptplanes " zu machen.24 Jedenfalls betont Sonnenfels in seiner Rückschau mehrfach, damals die eigentlichen Ziele und Mittel seines Vorhabens nie verborgen, sondern - ganz im Gegenteil - völlig offen vertreten zu haben.25 Hinsichtlich der Arbeitsweise habe er damals schon folgendes Vorgehen empfohlen und dabei auch die volle Unterstützung der Hofkanzlei besessen: „ Zuerst: der Entwurf einer Ordnung, nach welcher die Gegenstände in dem Kodex ihre Verbindung haben sollen. Dann, die vorläufige Bestimmung der Grundsätze, oder der Direktivregeln, nach welchen die Verordnungen und Anstalten gewählt, oder, wo sie abgängig, ersetzt werden sollten. Endlich, nach der entworfenen Ordnung und den bestimmten Grundsätzen: die wirkliche Sammlung. " 26

Da sein Vorschlag in dieser Form die allerhöchste Genehmigung erfahren habe und er infolgedessen mit der weiteren Ausarbeitung beauftragt worden sei, habe er die „ Ordnung, nach welcher die Gegenstände in der Sammlung ihren Platz haben würden" entworfen, zusammen mit einem „Umriß" und einer „ Tabelle " zur Erläuterung der dort verfolgten Systematik bzw. zur Veranschaulichung der inneren Staatsverwaltung. 27 Auch diese Ausarbeitungen hätten wiederum die Zustimmung der Hofkanzlei erhalten, so dass Joseph II. „ unter dem Namen politische Kompilationskommission zum Unterschiede von der Kompilationskommission, welche die Rechtsgegenstände bearbeitet, " eine eigenständige Kommission habe einrichten lassen, bei der er, Sonnenfels, dann das Referat versehen hätte. Die Beisitzer seien „ theils Länder, theils Materienreferenten " gewesen. Den Vorsitz habe zunächst Graf v. Auersperg geführt, später dann Graf v. Chotek. Wie Sonnenfels weiter anmerkt, bestünde diese Kommission zum Teil jetzt noch (das heißt 1790), wenngleich sie mittlerweile ihre Tätigkeit eingestellt habe.28

Dieser Textabschnitt wird auch bei Osterloh (1970), S. 206 wiedergegeben, wenngleich ohne ausdrücklichen Hinweis auf seinen Charakter als Zitat aus dem ersten Vorschlag. Vgl. ferner das Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 14 ν, 15 r (s.u., S. 56 Fn. 67), wo dieselbe Stelle in beinahe wortwörtlicher Übereinstimmung ein weiteres Mal als Zitat auftaucht und dabei explizit auf 1780 datiert wird. 24 Osterloh (1970), S. 209. 25 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 135 ν, 136 r. 26 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 135 ν, 136 r. 27 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 136 r, ν; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 93; Osterloh (1970), S. 206; Ogris , Sonnenfels als Rechtsreformer, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 49. 28 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 136 v, 137 r; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 93; Osterloh (1970), S. 206; Ogris, Sonnenfels als Rechtsreformer, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 49.

II. Das Promemoria vom 7. April 1790

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Nachdem die „ Ordnung" also wie vorgeschlagen genehmigt worden sei, habe er sich dem nächsten Arbeitsschritt zugewandt, der „Bestimmung der Grundsätze, wornach bei der Menge und dem nicht seltnen Widerspruche der bestehenden Verordnungen die Wahl, oder Hinweglassung derselben geleitet werden sollte". 29 Wie Sonnenfels weiter berichtet, sei nun aber seit „Einreichung des ersten Vorschlags" mehr als ein Jahr verstrichen, ohne dass ein Bescheid hierüber an ihn ergangen wäre. Bei der Fortsetzung seiner „ersten Ausarbeitung" habe er es daher tunlichst vermieden, diese nun „durch einen Eingang einzuleiten ", um etwaigen Gegnern seines Vorhabens keine Angriffsfläche zu bieten. Stattdessen habe er die „einfachste Benennung eines Protokolls " gewählt und alles unterlassen, was auf ein zusammenhängendes System hindeuten konnte. 30 Als Urheberin des Widerstandes macht Sonnenfels die damalige Hofkanzlei aus, weshalb er an dieser Stelle einen Auszug aus dem Vortrag der Hofkanzlei zitiert, mit dem diese sein „Kompilationsprotokoll" kommentierte. Die Hofkanzlei äußert darin überaus scharfe Kritik am Stil und an der Vorgehensweise Sonnenfels'; so habe er seine Kompetenzen als Referent insoweit überschritten, als er nicht nur die bestehenden Gesetze sammle, sondern diese auch inhaltlich überprüfe und sogar Vorschläge für neue Gesetze mache. Insbesondere aber erhob die Hofkanzlei den Vorwurf, dass eine Erschütterung des Staates in seinen Grundfesten zu befürchten sei, da auf die Verschiedenheit der Länderverfassungen in den Anträgen keine Rücksicht genommen worden wäre. 31

29 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 137 r; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 93; Osterloh (1970), S. 206. 30 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 137 r - 138 r; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 93 f.; Osterloh (1970), S. 207. 31 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 138 ν, 139 r: „Sie stellte vor: ,durch das zweyte Kompilationsprotokoll werde beinahe ganz von der vorschriftmässigen Behandlungsart abgegangen, und gerade dem Zwecke entgegen gearbeitet, als der sich bloß auf die Sammlung der schon bestehenden Verordnungen beschränke, da hier mit Vorbeigehung und Hinweglassung derselben von dem Referenten auf neue Gesetze Anträge gemacht würden. Diese Anträge selbst aber, bei denen auf die Verschiedenheit der Länderverfassungen, Verträge, und ständischen Vorrechte gar nicht zurückgesehen werde, seyen von der äussersten Bedenklichkeit und Hessen die Erschütterung und den Umsturz der Grundverfassungen der Länder, und selbst für den ganzen Staat die gefährlichsten Folgen besorgen. Überhaupt beschäftige sich der Referent größten Theils mit weitwendiger Kritisirung der schon eingeführten Gesetze, statt deren nach seinem Vorschlage neue von ihm erfundene eintreten sollen. Er verliere sich in unnöthigen Räsonnements und weitläufigen Erörterungen theoretischer auf die Länderverfassung gar nicht anwendbarer Sätze, die mehr zur Schule, als einer Dikasterialbehandlung gehörten. Sollte nun auf diese Art weiter fortgefahren werden, so würde die Ausarbeitung des Werkes zu lange verzögert, da gleichwohl dessen möglichste Beförderung und

4 Wagner

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C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

Die Mitteilungen, die Sonnenfels damit über den Vortrag der Hofkanzlei macht, verbessern zwar die Quellenlage, doch lässt sich nicht mit endgültiger Sicherheit sagen, ob dies der Vortrag vom 20. April 1781 (mit Resolution vom 9. Mai 1781) 32 oder doch eher der vom 21. Juli 1781 (mit Resolution vom 31. August 1781 ) 3 3 sein soll. 34 Jedenfalls weist Sonnenfels die damaligen Vorwürfe der Hofkanzlei als unbegründet und völlig haltlos zurück. Insbesondere verwahrt er sich nachdrücklich gegen die Unterstellung, er habe den Umsturz der Verfassungen der Länder geplant. Dabei zitiert einen Absatz aus dem „ ersten Vortrage ", der ausdrücklich die Einvernahme der Länder im Rahmen der Arbeiten vorsah. 35 Sonnenfels erhebt vielmehr seinerseits den Vorwurf, dass gerade wegen des Mangels an Verwaltungsgrundsätzen später die Grundverfassung der Länder erschüttert worden sei. 36 Schließlich hätte man damals schon aus dem Umstand, dass von der 1768 anbefohlenen Sammlung bis zum Jahre 1781 überhaupt nichts erschienen war, erkennen können und müssen, dass ohne leitende Grundsätze ein solches Vorhaben nicht vorangebracht werden könne. 37 Leider sei es ihm jedoch damals nicht möglich gewesen, die Einwände der Hofkanzlei zu entkräften, da diese vor ihm geheim gehalten worden seien. Auch das hierüber schließlich ergangene Dekret habe er nur in Abschrift erhalten. Gleichwohl ist Sonnenfels in der Lage, dieses Dekret nun fast wortwörtlich zu zitieren, welches somit eindeutig als die Resolution vom 31. August 1781 38 identifiziert werden kann. 39

Vollendung zum nothwendigen Augenmerke genommen werden müsse, um das Publikum der Wohlfahrt einer politischen Sammlung, der es mit so vieler Sehnsucht entgegen sehe, sobald als möglich theilhaft zu machen. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 94; Osterloh (1970), S. 207. 32 s.o., S. 34 Fn. 12. 33 s.o., S. 35 Fn. 18. 34 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 95 stuft die Aussagen zeitlich vor dem Mai 1781 ein, so dass sie dem Vortrag vom 20. April 1781 zuzuordnen wären. Der Umstand, dass Sonnenfels im vorliegenden Promemoria kurz nach dieser Textstelle die Resolution vom 31. August 1781 zitiert und die Verwendung des Begriffs „Protokoll" sprechen dagegen mehr für den Vortrag vom 21. Juli 1781. 35 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 140 ν, Zitat aus dem ersten Vortrag: „ ,Je, wie eine Abtheilung vollendet seyn würde, davon eine Abschrift an alle Länder zu geben, um von denselben zu vernehmen, was nach der besondern Verfassung, den Ortsumständen u. s. w. anwendbar, oder auf welche Weise, mit welchen Mässigungen es anwendbar seyn möchte? ' " 36 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 140 ν. 37 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 140 ν, 141 r. 38 s.o., S. 35 Fn. 18. 39 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 141 r - 142 r.

II. Das Promemoria vom 7. April 1790

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Diesen Vorwurf der Intrige wiederholt Sonnenfels im Übrigen auch in seiner Eingabe vom 22. Juli 1790. 40 Das Fehlen von leitenden Grundsätzen habe jedenfalls die Kompilationskommission gezwungen, ihre Tätigkeit seitdem einzustellen, da in der Folgezeit die Menge und Sprunghaftigkeit der (josephinischen) Gesetzgebung eine inhaltlich widerspruchsfreie und systematisch geordnete Sammlung unmöglich gemacht habe.41 Stattdessen hätten sich private Gesetzsammlungen der Materie angenommen, jedoch ohne jegliche Systematik, so dass deren Elaborate mehr zwischenzeitlich aufgehobene, als noch geltende Verordnungen enthielten. Mit Osterloh ist dies sehr wahrscheinlich als Anspielung auf die von Kropatschek veranstalteten Sammlungen42 anzusehen.43 Im Anschluss hieran wendet sich Sonnenfels nun unmittelbar der Person des neuen Monarchen zu, „ der sich über das Besorgnis empor gehoben hat, seine Macht beschränkt zu sehen, weil er nicht nach Willkühr, sondern nach Gesetzen und durch Gesetze zu herrschen " entschlossen sei. Daher sei jetzt der Zeitpunkt für den „ Vorschlag zu einer auf Grundsätze erbauten Gesetzsammlung " erfolgversprechend, um „dadurch wenigstens den Grund zu einer Staatsverfassung zu legen ". 44 Da hiermit „die wechselseitigen Rechte und Pflichten aller Klassen des Volks " im Hinblick auf die öffentliche Wohlfahrt festgeschrieben würden, werde wiederum die Position der Monarchie gestärkt, was angesichts der revolutionären Ereignisse in Europa von besonderer Bedeutung sei. 45 Als weiteres, noch schlagkräftigeres Argument für eine nach einheitlichen Grundsätzen arbeitende Verwaltung wird deren Integrationskraft auf die verschiedenen Provinzen hervorgehoben. Diese Grundsätze würden einerseits verhindern, dass die einzelnen Provinzen durch einen zentralistischen, uniformie40 „Nota von Hofrath Sonnenfels an S. M. den 22. Juli 1790 überreichet - über welche er alsogleich eine Entscheidung haben wollte, die seinen Charakter und seine DenkungsArt entwickelt HHStA, Vertrauliche Akten, Karton 41 (alt 62), N° 16, fol. 356 - 363, 357 v Anm. *: „Der Aufsatz, den ich Eurer Majestät über die politische Kompilation übergeben habe, liefert ein Beyspiel, daß selbst die Hofstelle sich zu diesem Kunstgriffe erniedriget, um einen schon genehmgehaltenen Vorschlag zu vereiteln. " 41 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 142 r, v; Adler, FS ABGB, Teil 1(1911), S. 98. 42 Vgl. Mahl-Schedl, Art. „Gesetzessammlungen" (1895), S. 841, II. A. e) und f)· 43 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 142 v, 143 r; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 98 f.; Osterloh (1970), S. 208. 44 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 143 r; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 100 Fn. 30; Osterloh (1970), S. 209; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 134. 45 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 143 ν.

4*

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C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

renden Ministerialdespotismus vergewaltigt werden, den er als Prokrustesbett bezeichnet. 4 6 Andererseits sorgen sie für den notwendigen inneren Zusammenhalt des Gesamtstaates. Der Ausgleich zwischen den Partikularinteressen und denen des Gesamtstaates werde am besten dadurch erreicht, dass allgemeine Grundsätze für den gesamten Staat einheitlich festgesetzt würden. Dabei seien aber die Provinzen dahingehend anzuhören, was die unmittelbare Anwendung vor Ort angeht, da schließlich auch der V o l l z u g der Grundsätze den Provinzen schon aus Gründen der Zweckmäßigkeit übertragen werden müsse: „Auf Art herrscht

Einheit

Verschiedenheit

der Absicht bei der Regierung

der Mittel bei der Provinzialleitung

im Ganzen verbunden

mit

", 47

W e n n Sonnenfels in diesem Zusammenhang auf die „Mannigfaltigkeit Sitten, der Karaktere,

diese

der

des Klima, der Erzeugnisse, selbst der Bedürfnisse " ver-

weist, scheinen Einflüsse Montesquieus nahezuliegen. 48 Schließlich greift Sonnenfels nochmals die revolutionären Zustände i n Europa auf, die ihren Ursprung in willkürlichen Gesetzen hätten, die den Anspruch

46 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 144 r, ν. Diesen Vergleich verwendet Sonnenfels im selben Zusammenhang auch später wieder, vgl. Sonnenfels, Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. I (1798), Anm. 23, S. 504 ff., 505 zu § 171 (S. 467 ff.): „Aber eine weiters getriebene Gleichheit artet in einen Zwangstand aus, und gleichet dem schrecklichen Bette des Prolust es [sie!], worin die Reisenden, wenn sie die Länge des Lagers nicht erreichten, mit Auslenkung der Glieder gestrecket, oder ihnen, wenn sie darüber hinausreichten, die Füsse abgehauen wurden. " 47 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 144 ν, 145 r; Osterloh (1970), S. 209 f.; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 134. 48 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 145 ν. Vgl. Montesquieu, De l'Esprit des Lois, Li v. I, Chap. 3, Œuvres complètes, Tome I (1950), S. 9 (vgl. ferner Liv. X I V ff.): „Elles doivent être relatives au physique du pays; au climat glacé, brûlant ou tempéré ; à la qualité du terrain, à sa situation, à sa grandeur; au genre de vie des peuples, laboureurs, chasseurs ou pasteurs; elles doivent se rapporter au degré de liberté que la constitution peut souffrir; à la religion des habitants, à leurs inclinations, à leurs richesses, à leur nombre, à leur commerce, à leurs moeurs, à leurs manières. " Dt. Übers, nach Forsthoff (Hrsg.), Vom Geist der Gesetze, Bd. 1 (1951), Buch I, Kap. 3,S. 16: „Sie müssen weiter der Natur des Landes entsprechen, seinem kalten, heißen oder gemäßigten Klima, der Beschaffenheit des Bodens, seiner Lage und Größe, der Lebensweise der Völker, ob Ackerbauer, Jäger oder Hirten; sie müssen dem Grad von Freiheit entsprechen, der sich mit der Verfassung verträgt; der Religion der Bewohner, ihren Neigungen, ihrem Reichtum, ihrer Zahl, ihrem Handel, ihren Sitten und Gebräuchen. " Mit diesem Aspekt bei Sonnenfels setzt sich Herdmann, Montesquieurezeption in Deutschland (1990), S. 187 ff. nicht auseinander. Zur Wirkungsgeschichte dieser Maxime Montesquieus vgl. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. II (1966), S. 383; Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte (1999), Rn. 1397 ff.

II. Das Promemoria vom 7. April 1790

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der Völker auf Glückseligkeit als Staatsziel nicht ausreichend oder überhaupt nicht berücksichtigten. Daher rühre auch das momentane Bestreben der Völker, die Legislative selbst zu übernehmen und den Monarchen lediglich noch die Exekutive zu belassen.49 Es sei auch nicht von der Hand zu weisen, „daß die Nation selbst am sichersten, was sie glücklich machen kann, beurtheilt, weil sie das eigne Gefühl dabei zu Rath zieht: daß die Nation am aufrichtigsten, sich glücklich zu machen wünschet, daß sie daher auch berechtiget ist, selbst zu erklären, wie und wodurch sie glücklich werden kann. " 50

Der Ausweg könne daher nicht darin bestehen, „ einer Nation dieses Recht zu entreissen, das unverjährbar, unveräusserlich ist, wie die Pflicht der Selbsterhaltung, der es zusagt"; vielmehr sei es das Gebot der Stunde, durch eine sachgerechte, dem Gemeinwohl verpflichtete Gesetzgebung dem Wunsch der Nation nach einer Beteiligung an der Regierung die Grundlage zu entziehen.51 Sonnenfels erkennt hier also zwar das Recht der Nationen an, ihre Glückseligkeit gegebenenfalls sogar selbst zu verwirklichen, aber zugleich will er die Ausübung dieses Rechts durch die sachgerechte Gesetzgebung einer sich reformierenden Regierung verhindern. Das Promemoria unterstreicht am Ende schließlich nochmals die Hoffnungen, die allgemein mit dem Regierungsantritt Leopolds verbunden werden, und weist auf die durch eine politische Gesetzsammlung sich bietenden Möglichkeiten hin. 52

2. Die Aufnahme des Promemoria Adler und Osterloh halten es für sehr wahrscheinlich, dass dieses Promemoria tatsächlich dem Kaiser unmittelbar vorgelegt wurde und bei ihm sogleich auf reges Interesse gestoßen sei. 53 Jedenfalls trägt das Exemplar des Promemoria im Haus-, Hof- und Staatsarchiv folgende, eher negative Beurteilung in zeitgenössischer Schrift, die nicht von der Hand Leopolds II. stammt, möglicherweise aber von ihm diktiert wurde: „ E stravagante, e da non farsene alcun uso"; das heißt, das Vorhaben wird 49 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 145 ν, 146 r; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 100 Fn. 30; Osterloh (1970), S. 210. 50 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 146 r. 51 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 146 r, v; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 100 Fn. 30; Osterloh (1970), S. 210. 52 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 146 ν, 147 r; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 100 Fn. 30. Vgl. dazu H.-J. Becker , Herrschertugenden im Wandel - Zu Mozarts Krönungsoper „La clemenza di Tito", FS Kroeschell (1997), S. 116, 13 ff. 53 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 99 Fn. 30; Osterloh (1970), S. 210.

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C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

als weitschweifig betrachtet, weshalb man davon keinen Gebrauch machen werde. 5 4 A u c h ist das Promemoria mit anderen Eingaben des Jahres 1790 abgelegt, die allesamt wegen ihrer Weitschweifigkeit keine Beachtung finden sollten. 5 5 Ebenso mahnt die Tatsache, dass zwischen der Eingabe v o m A p r i l 1790 und der Entscheidung des Kaisers hierüber i m Februar 1791 mehr als ein Dreivierteljahr verstreichen sollte, zu einer zurückhaltenden Beurteilung hinsichtlich des kaiserlichen Meinungsbildungsprozesses. M a g sein, dass Leopold II. zunächst einfach nicht die Zeit fand, eine entsprechende Entscheidung zu treffen, da er nach seinem Regierungsantritt dringendere Aufgaben zu erledigen hatte. 5 6 Es kann aber auch durchaus sein, dass er dem Vorhaben Sonnenfels' anfangs doch eine erhebliche Skepsis entgegenbrachte. Ungeachtet aller derartigen Spekulationen verlangte Leopold mit Handschreiben an den Grafen Kollowrat v o m 12. Februar 1791 die Reorganisation der politischen Kompilationskommission, deren Referat wieder Sonnenfels zu übertragen sei. 5 7 I n einem zweiten Handschreiben an den Grafen Kollowrat v o m

54 Promemoria vom 7. April 1790 (Anhang Nr. 1), fol. 131 r: „Progetto del Consiglier Sonnenfels del 7. Aprile 1790. - in rapporto alla compilazione di un nuovo Codice Politico." Reinöhl, Geschichte der k. u. k. Kabinettskanzlei (1963), S. 35 weist nach, dass Leopold den Sekretär Thomas Young, den er schon in Florenz beschäftigt hatte, ab 1790 auch in Wien als sog. Kabinettsoffizial weiter verwendet hat; insoweit wäre also die italienische Diktion sehr gut nachvollziehbar. 55 HHStA, HHStA, Kaiser-Franz-Akten, Karton 146 (alt 149), fol. 3 r: „Progetti diversi, che per la loro stravaganza non sono stati attesi, -presentati nell'anno 1790. " 56 Zu den innen- und außenpolitischen Schwierigkeiten, mit denen Leopold nach Josephs Tod zu kämpfen hatte, vgl. Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 249 ff. 57 HHStA, Kabinettskanzlei, Protokolle, Bd. 78b (1791), Nr. 213, 12. Februar 1791, fol. 56 r; ferner abgedruckt bei Kopetzky (1882), S. 321 : „Ich habe beschlossen, eine Commission zu Compilirung der politischen Gesetze niederzusetzen, wozu sie Mir die erfoderlichen Individuen vorzuschlagen haben. Das diesfallige Referat will Ich dem Hofrathe von Sonnenfels, dem älteren, wie er solches schon vorhin geführet hat, übertragen, und haben sie ihn von allen übrigen Aufträgen zu entheben, doch wird er den gewöhnlichen Rathssitzungen beywohnen, und Ich will ihm den dermaligen Practicanten Leicher als Concipisten mit der ausgemessenen Besoldung beigeben. "

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 101; Wangermann (1966), S. 115; Osterloh (1970), S. 210; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 178; ders., Privatrechtskodifikation und Staatsbildung (1976), S. 68; ders., Das Problem der ideologischen Ausrichtung des österreichischen aufgeklärten Absolutismus, Forschungsband Zeiller (1980), S. 210-225, 220; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 135.

III. Die Sitzung vom 26. März 1791

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8. März 1791 hielt er zur besonderen Eile an, was zugegebenermaßen für ein nun stark vorhandenes Interesse spricht. 58 Daraufhin wurde Sonnenfels und dem „Praktikanten bey der böhm. österr. Hoflcanzley" Felix Leicher die Ernennung zum Referenten bzw. zum Konzipisten mitgeteilt, wie sich aus dem Konzept der entsprechenden Schreiben vom 17. März 1791 ergibt. 59 Dies widerlegt wohl eindeutig die von Exel geäußerte Auffassung, dass es „aber zur Errichtung dieser Commission ... vorerst nicht" gekommen sei. 60

I I I . Die Sitzung vom 26. März 1791 1. Das Sitzungsprotokoll Schon am 26. März 1791 kam es dann zur konstituierenden Sitzung der Kommission. 61 Das entsprechende Sitzungsprotokoll nimmt eingangs Bezug auf das kaiserliche Kabinettschreiben vom 8. März 1791.62 Anschließend werden wiederum die bisherigen Anstrengungen für eine politische Gesetzsammlung kurz dargestellt, wenngleich knapper und geraffter als im Promemoria Sonnenfels' vom 7. April 1790. Schon allein dieser Umstand verdeutlicht die zahlreichen Parallelen zwischen dem vorangegangenen Pro-

58 Original des Handbilletts in A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 26. März 1791, fol. 16 r; HHStA, Kabinettskanzlei, Protokolle, Bd. 78b (1791), Nr. 329, 8. März 1791, fol. 82 r, v; ferner abgedruckt bei Kopetzky (1882), S. 321: „Da der Vorschlag über die politische Kompilationskommission nicht erfolget ist, und ich diesen wichtigen Gegenstand nicht will verzögern lassen, so befehle ich ihnen, dem Hofrathe von Sonnenfels als von mir dazu bestimmten Referenten aufzutragen, daß er diesen Vorschlag entwerfe, damit mir derselbe zur Bestätigung vorgeleget werde, daß Hofrath von Sonnenfels den Rathssitzungen beiwohne, und der Praktikant Leicher, der ohnehin einer der ältesten ist, ihm als Konzipist zugegeben werde. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 101 mit Auszügen in Fn. 31; Osterloh (1970), S. 210; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 135. 59 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 17. März 1791, fol. 1 r, v. 60 Exel (1875), S. 4; allerdings widerspricht sich Exel insofern selbst, als er ebd., S. 2 von einer „von 1768 bis 1818 bestandenen Commission in politischen Gesetzsachen" ausgeht. 61 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 26. März 1791, fol. 13 r - 27 r, abgedruckt im Anhang Nr. 2; vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 101 ff.; Wangermann (1966), S. 115 f.; Osterloh (1970), S. 210 ff.; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 135; Ogris, Sonnenfels als Rechtsreformer, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 50. 62 Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 13 r, ν.

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C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold I

memoria und dem Sitzungsprotokoll der Kommission vom 26. März 1791, das zum Teil fast wortwörtlich Textabschnitte des ersteren wiederholt. So wird etwa im Anschluss an das Promemoria 63 auch im Protokoll zunächst auf den Beschluss Maria Theresias aus dem Jahre 1768 zur Abfassung eines allgemeinen politischen Kodex verwiesen. 64 Da man dabei aber nur eine „ blosse mechanische Sammlung" angegangen sei, hätten die entsprechenden Arbeiten bis zum Jahre 1781 nicht den erwünschten Erfolg gezeitigt: „Die ganze Frucht einer durch zwölf Jahre fortgesetzten Arbeit war ein unförmliches Gehäufe von Bänden, welches von Seite der Wahl und Zusammenstellung der darin enthaltenen Verordnungen sich auch nicht durch das geringste Verdienst auszeichnet, ... ", 65

Wie im Promemoria vom 7. April 179066 folgt sodann im Protokoll ein wörtliches Zitat aus dem ersten Vorschlag, den Sonnenfels 1780 noch zu Lebzeiten der Kaiserin eingereicht hatte.67 Dieser Vorschlag sei zwar von Joseph II. genehmigt worden, so dass eine entsprechende Kommission eingesetzt worden sei, jedoch habe der damalige Oberste Kanzler Graf v. Blümegen die weitere Umsetzung des Vorhabens hintertrieben. 68 Das Protokoll nennt also als Ausgangspunkt des Widerstandes ausdrücklich v. Blümegen, während das Promemoria noch ganz allgemein die Hofkanzlei als Widersacherin bezeichnet hatte.69 Nach diesem Rückblick wendet sich das Protokoll der eigentlichen Aufgabe der Kommission zu, der Beseitigung der in der politischen Gesetzgebung vorhandenen Missstände. Insbesondere gehe es darum, die Flut kasuistischer Rege-

63

s.o., S. 47 Fn. 22. Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 13 ν. 65 Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 13 ν, 14 r; Auszug bei Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 92, der allerdings das Protokoll von 1791 und das Promemoria von 1790 nicht genau auseinanderhält (s.o., S. 44 Fn. 12); Osterloh (1970), S. 205 f. 66 s.o., S. 47 Fn. 23. 67 Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 14 ν, 15 r, Zitat aus dem ersten Vorschlag von 1780: „,Nichts ', heißt es daselbst, , beweist so sehr die Kraft einer Verwaltung, nichts zeigt zuverlässiger von dem Glücke der Bürger, als Einstimmigkeit in Grundsätzen, von welcher die Übereinstimmung in Vorkehrungen und Entscheidungen, von welcher die Gleichförmigkeit in der Befolgung abhängt, wo kein auf das Allgemeine sich beziehender Gegenstand dem Ungefähr, oder Nebenabsichten überlassen, wo jedes besondere Gesetz nach dem allgemeinen Ziele hingerichtet ist, jede einzelne Vorsehung einen zugepaßten Theil des Ganzen ausmacht, jede einzelne Handlung, wenn man so sagen darf nach einer bestimmten Richtung gelenkt wird, um zu desto sicherer Befestigung des angenommenen Hauptplanes, zu desto gewisserer Erreichung des gemeinschaftlichen Zwecks zu laufen. 64

68 69

Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 15 r, ν. s.o., S. 49 Fn. 31.

III. Die Sitzung vom 26. März 1791

57

lungen einzudämmen, weil die Bürger und Beamten als Nonnadressaten gar nicht mehr erkennen könnten, welche Regelungen zu befolgen seien.70 Ferner seien oftmals zu verschiedenen Zeiten diverse Verordnungen über den gleichen Regelungsgegenstand ergangen, die ohne inneren Zusammenhang weit zerstreut seien. Deswegen hätten sich zudem häufig inhaltliche Widersprüche eingeschlichen. Schließlich gebe es trotz der ungeheuren Masse an Vorschriften immer noch Regelungslücken.71 Folglich bestehe die Arbeit der Kommission darin, einerseits überhaupt erst einmal die „ Übersicht der vorhandenen politischen Verordnungen " zu gewinnen, um dann andererseits an die „Systemisirung und Sammlung derselben " zu gehen.72 Aus der „ Übersicht " ließe sich feststellen, wo Mehrfachregelungen bestünden, sowie welche Widersprüche hieraus resultierten und wo noch Regelungsbedarf herrsche. Damit sei aber noch kein inhaltlicher Maßstab gewonnen, welche Verordnungen beibehalten bzw. aufgehoben werden sollten und wie man die festgestellten Lücken ausfüllen solle. Angesichts der ungeheuren Menge würde es jedoch den zeitlichen Rahmen sprengen, wenn man schrittweise von Verordnung zu Verordnung vorgehen würde. 73 Deshalb sei es unumgänglich, gleichzeitig auch mit der „Systemisirung " zu beginnen, wozu ein „Plan der Zusammenstellung" und die „Aufstellung leitender Grundsätze " notwendig seien.74 Der „Plan der Zusammenstellung" würde von vornherein den „Umriß des Werkes selbst" bilden. Ausgehend vom „gemeinschaftlichen Endzweck" bestehe eine Zielharmonie in den Gegenständen der öffentlichen Verwaltung. Folglich seien auch die jeweiligen Verordnungen sehr wohl in einem entsprechenden inneren Zusammenhang darstellbar. 75 Die aus der „ Verbindung der Maßregeln " resultierende Deutlichkeit ersetze für den Beamten gleichsam den Unterricht. Zudem nähere man sich durch die Deutlichkeit auch mehr der Rechtsüberzeugung des Bürgers an, was die Einhaltung der Normen verbessern würde, denn die „Überzeugung des Verstandes" mache den „Willen folgsamer"? 6 Eine systematische Zusammenstellung vermeide Wiederholungen und schaffe damit die Voraussetzung für eine weitgehende Kürze. Ferner verbürge

70 Protokoll S. 210. 71 Protokoll 72 Protokoll 73 Protokoll 74 Protokoll 75 Protokoll 76 Protokoll

vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 15 ν, 18 r; Osterloh (1970), vom 26. März vom 26. März vom 26. März vom 26. März vom 26. März vom 26. März

1791 (Anhang Nr. 1791 (Anhang Nr. 1791 (Anhang Nr. 1791 (Anhang Nr. 1791 (Anhang Nr. 1791 (Anhang Nr.

2), fol. 2), fol. 2), fol. 2), fol. 2), fol. 2), fol.

18 r, ν. 19 r. 19 r, ν. 19 ν, 20 r. 20 r, v. 20 ν.

58

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

sie die Vollständigkeit der Sammlung. Schließlich seien in einer „auf die Natur der bürgerlichen Verfassung gegründeten Ordnung" spätere Nachträge und Änderungen leichter einzubauen, mit denen immer gerechnet werden müsse.77 Der dem Protokoll beigefügte „Umriß" samt einer „ Tabelle ", der nun von der jetzigen Kommission zur Entscheidung vorgelegt werde, sei bereits als Ausarbeitung der ehemaligen Kommission schon einmal genehmigt worden. 78 Was die „Aufstellung der leitenden Grundsätze" angeht, wird folgendermaßen differenziert: Zum einen gebe es Grundsätze, die „allen Staaten gemein" und „stäts und überall unveränderlich " sind, da sie „ innig mit der Wesenheit eines Staates verbunden sind", wie etwa die „Rechte der Menschheit" und die „Rechte der Bürger". Gerade diese beiden Begriffe werden an dieser Stelle ausdrücklich gegen etwaige Vorbehalte in Schutz genommen, die man angesichts der Auswüchse der Französischen Revolution hegen könnte. Das Protokoll sieht eine Gefahr vielmehr für den Fall, dass man diese Begriffe verschweigen würde. Denn dann entstünde der falsche Eindruck, die „Rechte des Menschen und Bürgers" wären in der Monarchie nicht geschützt, obwohl sie doch gerade „nirgends sicherer bewahret" seien „als in dem Herzen Leopolds"? 9 Zum anderen bestünden aber auch Grundsätze, die wegen der „ Verschiedenheit der politischen und physischen Umstände " in den einzelnen Provinzen unterschiedlich ausfallen müssten. An dieser Stelle folgt daher die eindringliche Warnung vor einem zentralistischen Ministerialdespotismus, 80 die wiederum fast wortwörtlich mit dem Promemoria übereinstimmt. 81 Unter der jetzigen Regierung Leopolds sei es aber ausgeschlossen, dass „der Nation eine von ihr nicht dafür erkannte Wohlfahrt" aufoktroyiert werde. Vielmehr entspreche es der jetzigen Regierungsweise, „mit der Nation selbst über die Mittel zu Rath zu gehen, wodurch die gemeinschaftliche Wohlfahrt gegründet, befördert werden soll". Das Protokoll schlägt daher vor, sobald einmal die erarbeiteten einheitlichen Grundsätze vom Kaiser genehmigt seien, „über die Anwendung, oder wie man sie nennen möchte, über die Partikularisirung

77

Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 21 r, ν. Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 21 ν; Osterloh (1970), S. 211. 79 Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 22 r, v; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 101 Fn. 32; Osterloh (1970), S. 211, der in Fn. 21 diesen Passus dem Einfluss der Hofkanzlei zuschreibt; Kleinheyer, Grundrechte - zur Geschichte eines Begriffs (1977), S. 14; Grimm, Das Verhältnis von politischer und privater Freiheit bei Zeiller, Forschungsband Zeiller (1980), S. 94-106, 96; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 135 f. 80 Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 22 ν, 23 r. 81 s.o., S. 52 Fn. 46. 78

III. Die Sitzung vom 26. März 1791

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derselben von jeder Provinz die Äusserung abzufordern"* 1 In dieser Frage schließt sich das Protokoll somit ebenfalls vollständig dem Promemoria Sonnenfels' an. Nicht zuletzt folgt auch hier wieder die gleiche Passage, die insofern Anklänge an Montesquieu aufweist, 83 als auf „Mannigfaltigkeit der Sitten, der Charaktere des Clima ..." in den verschiedenen Provinzen hingewiesen wird. 84 Ganz ähnlich wie im Promemoria sind dies deutliche Spitzen gegen die Regierungsweise Josephs II. 8 5 Die „Beruhigung der Völker und Sicherheit der Throne" als „laute Forderung der gegenwärtigen Zeitläufte ", womit wohl erneut auf die Auswirkungen der Französischen Revolution angespielt wird, werde durch die vorgeschlagene „Systemisirung" gewährleistet. Das „Ansehen und die Unabhängigkeit des Thrones" und das „Recht der Nation und der Provinzen bey Angelegenheiten, die ihre Wohlfahrt betreffen, gehört zu werden, " sollen durch die angesprochene Vorgehensweise miteinander in Einklang gebracht werden. Die Souveränität des Monarchen wird dadurch gewahrt, dass dieser „die Grundsätze, nach welchen die Nation geleitet werden soll, ganz und einzig" festlegt, während sich die Mitbestimmung der Provinzen „in den vorläufigen Meinungen ... über die Anwendung der Grundsätze" manifestiert. 86 Das Protokoll macht sich also auch diesbezüglich den Standpunkt zu eigen, den Sonnenfels in seinem Promemoria vertreten hatte. Dagegen stößt die von Sonnenfels gewünschte Einsetzung einer eigenständigen Kommission nun im Protokoll auf deutliche Ablehnung seitens der Hofkanzlei. Diese äußert vielmehr gerade wegen der Wichtigkeit dieses Vorhabens den Wunsch, selbst in der „ ordentlichen vollen Rathssitzung " die entsprechenden Aufgaben wahrzunehmen. Sie zeigt sich bereit, hierzu gegebenenfalls auch außerordentliche Sitzungen abzuhalten und sich dabei insbesondere mit anderen Stellen oder Kommissionen abzustimmen, soweit deren Tätigkeitsfeld berührt werden sollte. 87 Adler gründet auf dem Umstand, dass die Hofkanzlei bestrebt war, keine besondere Kommission zuzulassen, die Vermutung, dass sie wieder „das Werk zu verzögern, wenn nicht zu vereiteln bedacht war". 88 Jedenfalls hät-

82 Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 23 r, v; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 135. 83 s.o., S. 52 Fn. 48. 84 Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 24 r. 85 So auch Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 102. 86 Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 24 ν; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 102. 87 Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 25 r - 26 r; Adler, FS ABGB, Teil 1(1911), S. 102 f. 88 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 103.

60

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

te sich ihr damit die Möglichkeit zur „besseren Kontrolle" von Sonnenfels geboten (Osterloh). 89 Nichtsdestotrotz weist die Hofkanzlei zum Schluss des Protokolls auf die Tragweite des Vorhabens hin, wenn sie sogar von der Möglichkeit spricht, „die Verbindlichkeit und Rechte des Ganzen gegen die Theile und der Theile gegen das Ganze, die Verhältnisse aller Stände, aller Klassen wechselseitig zu bestimmen, und zu beschützen, und durch Gründung eines dauerhaften Systems in der Gesetzgebung der Monarchie eine Verfassung zu geben ". 90 Somit bleibt festzuhalten, dass sich die Hofkanzlei in ihrem Protokoll bei aller Zurückhaltung doch in der Hauptsache den Argumenten anschloss, die von Sonnenfels in seinem Promemoria vorgebracht worden waren. 91

2. Der „Plan zu einer vollständigen politischen Gesetzsammlung" Dem Protokoll wurde der von Sonnenfels eingereichte „Plan zu einer vollständigen politischen Gesetzsammlung" beigefügt. Das wohl einzige existierende Exemplar dieses Plans im Allgemeinen Verwaltungsarchiv ist nur noch zum Teil erhalten. Was den fehlenden Anfang angeht, ist man daher wieder auf die Mitteilungen von Adler angewiesen, wonach auf eine allgemeine Einleitung die vier Hauptteile (1) „Militare", (2) „Politicum", (3) „Commerciale" und (4) „ Camerale" gefolgt seien.92

89

Osterloh (1970), S. 214. Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 26 ν; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 103. 91 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 101, 103; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 178; Osterloh (1970), S. 211. 92 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 26. März 1791, fol. 29 r - 50 r, abgedruckt im Anhang Nr. 3; vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 103 Fn. 33: „Dem Aktenstück liegt der von Sonnenfels konzipierte ,Plan zu einer vollständigen Gesetzsammlung ' bei, in welchem es einleitungsweise heißt, daß der Plan einer politischen Gesetzsammlung einerlei ist, mit dem Gegenstande der öffentlichen Verwaltung, das heißt mit den in Ausübung gesetzten Maßregeln, durch welche die Glückseligkeit des Staates, oder die gesellschaftliche Wohlfahrt erhalten werden soll. Diese ist ein aus der Sicherheit und Leichtigkeit der Erwerbung zusammengesetzter Begriff. Die Sicherheit muß gehandhabt werden gegen die Feinde von außen und innen. Die Leichtigkeit der Erwerbung hängt von der Vermehrung der Beschäftigung und diese wieder von der inneren und äußeren Handlung ab. Die äußere und innere Sicherheit, die Anstalten zur Vergrößerung der Handlung, kurz, die sämtlichen Zweige der Regierung können ohne Aufwand und diese ohne Staatseinkünfte nicht bestehen. Daraus folgt die Gliederung der Verwaltung in vier Hauptteile: l . D i e äußere Sicherheit, 2. die innere Sicherheit, 3. die Handlung, 4. das Finanzwesen. Nach dieser Haupteinteilung muß sich auch die Gesetzsammlung gliedern (Militare, Politicum, Commerciale und Camerale). Die Bevölkerung ist einer der vorzüg90

III. Die Sitzung vom 26. März 1791

61

Der heute noch vorhandene Rest beginnt mit einem Fragment, das „ Grundobrigkeiten", „Magistrate" und „ Wachen" aufzählt, was bei einem Vergleich mit „Grundsätze I: Polizey" als Abschnitt „Politicum" einzustufen ist. 93 Daran schließen zwei verhältnismäßig gut erhaltene Abschnitte an, die mit „ Commerciale" bzw. „ Cammerale " überschrieben sind. Folglich dürfte der von Adler geschilderte Aufbau mehr als wahrscheinlich sein. Denn es erscheint weiter naheliegend, dass hier ebenso wie in „Grundsätze I: Polizey" eine nun vernichtete allgemeine Einleitung vorausgeschickt wurde, in der die Bevölkerungslehre eine Schlüsselstellung einnahm.94 Für die Existenz eines auf diese Einleitung folgenden Abschnitts „Militare " spricht die systematische Vollständigkeit, auch die Verordnungen bezüglich der äußeren Sicherheit unter einer Rubrik zusammenzustellen, wenngleich an sich eine Entsprechung in den „Grundsätzen" Sonnenfels' fehlt. 95 Was den die innere Sicherheit behandelnden Abschnitt „Politicum " angeht, ist das erhaltene Quellenmaterial überaus schmal. Bemerkenswert ist dabei die erhaltene Textstelle, in welcher die Aufnahme der „Instructionen der Stellen, Aemter, der einzelnen Beamten, Wachen, u. d. g. " nachdrücklich befürwortet wird, denn die „bürgerliche Freiheit" verlange, „daß Jedermann wiße, wie weit jeder Beamte, jede Stelle in ihren Verrichtungen gehen könne". Dies schließt also auch Vorschriften mit ein, welche Interna der Verwaltung betreffen: „Selbst die gewöhnlichen Verrichtungen der Stellen gegen Stellen, oder Beamten gegen Stellen können von keiner solchen Beschaffenheit seyn, daß dem Publikum davon ein Geheimnis gemacht werden müßte. " 96

Nach heutiger Dogmatik und Terminologie sollten also auch die so genannten Verwaltungsvorschriften ohne Außenwirkung mit erfasst werden. 97

lichsten Gegenstände der Regierung. Als allgemeiner Grundsatz hat zu gelten, daß die Macht eines Staates, der Ruhm des Fürsten auf der möglichst großen Menge glücklicher Bürger beruht. Die Bevölkerungslehre gehört also allen Teilen gleichmäßig an und wird daher am besten die allgemeine Einleitung bilden." Osterloh {1970), S. 211 ff. 93 Plan zu einer vollständigen Gesetzsammlung (Anhang Nr. 3), fol. 30 r. Vgl. Sonnenfels·, Grundsätze I: Polizey (1787), §§ 389-416, 396 ff., 401 ff.; vgl. ferner die Synopse, s.u. S. 219 ff. 94 Osterloh (1970), S. 211 f. zu den Mitteilungen bei Adler, FS ABGB, Teil 1(1911), S. 103 Fn. 33. Vgl. Sonnenfels, Grundsätze!: Polizey (1787), Allgemeine Einleitung, §§ 1-42, zur Bevölkerungslehre §§ 25-31 sowie §§ 32-42 (s.o., S. 34 Fn. 14). 95 Osterloh (1970), S. 212. Vgl. aber Sonnenfels, Grundsätze I: Polizey (1787), §§ 12, 14, 17 und 18 sowie ders., Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. I (1798), §§ 14, 16, 19 und 20, wo jeweils die äußere Sicherheit zumindest angesprochen wird. 96 Plan zu einer vollständigen Gesetzsammlung (Anhang Nr. 3), fol. 30 r; Osterloh (1970), S. 212.

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C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

Die Gliederung des Abschnitts „ Commerciale " ist schließlich fast buchstäblich den Überschriften in „Grundsätze II: Handlung" entlehnt.98 Ebenso spiegelt der letzte Abschnitt „ Cammerale" nahezu identisch „Grundsätze III: Finanz" wider. 99 Daher kann man wohl mit guten Gründen annehmen, dass sich auch der nun überwiegend vernichtete Abschnitt „Politicum " in seinem Aufbau sehr stark an „Grundsätze I: Polizey" orientiert hatte. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle somit noch der Umstand, dass der Regelungsgegenstand des „Plan zu einer vollständigen politischen Gesetzsammlung" von 1791 allein die Verwaltung war; die eigentliche Verfassung, die später im Jahre 1808 vorangestellt werden sollte, 100 wurde hier also nicht mit einbezogen. 101

3. Die Aufnahme dieses Protokolls Der Staatsrat 102 war in der Beurteilung dieses Protokolls gespalten. Während sich mit Eger, Izdenczy und Reischach ein Teil der Staatsräte für die Annahme durch den Kaiser aussprach, fiel die eingehende Stellungnahme Hatzfelds überaus kritisch aus. So hielt er die Formulierung von allgemeinen Menschenrechten für unstatthaft, da diese nur im vorstaatlichen Urzustand Geltung hätten, in dem 97 Vgl. dazu Woljf/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1 (1999), § 24, Rn. 21 ff.; Ossenbühl, Rechtsquellen und Rechtsbindungen der Verwaltung, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht (2002), § 6, Rn. 30 f f , jeweils m.w.N. 98 Plan zu einer vollständigen Gesetzsammlung (Anhang Nr. 3), fol. 31 r - 43 r; Osterloh (1970), S. 212 f., insbesondere Fn. 25-27; vgl. ferner die Synopse, s.u. S. 219 ff. 99 Plan zu einer vollständigen Gesetzsammlung (Anhang Nr. 3), fol. 43 ν - 50 r; Osterloh (1970), S. 213, insbesondere Fn. 28 f.; vgl. ferner die Synopse, s.u. S. 219 ff. 100 s.u., S. 160 ff. 101 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 103 Fn. 33; Osterloh (1970), S. 212. 102 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 104 Fn. 34 gibt als Quellennachweis Staatsratsakten 3424 ex 1791 an. HHStA, StR-Prot. 1791/III (lfd. Bd. 122), 3424 ex 1791, „Circuì: Vortrag der in Gesetzsachen angeordneten Hofkommission de dato ló.Julii 1791 - Die Berichtigung des ersten Theils des allgemeinen bürgert. Gesetzbuches betr." mit einer kaiserlichen Resolution vom 28. Oktober 1791 behandelt aber ausschließlich Zivilrecht (vor allem Ehe- und Familienrecht). Auch datiert Adler, ebd., S. 105 die darauf ergangene kaiserliche Resolution auf den 3. August 1791, was mit 3424 ex 1791 nicht zusammenpassen kann. Der richtige Quellennachweis ist daher also: HHStA, StR-Prot. 1791/11 (lfd. Bd. 121), 1715 ex 1791, „Circuì: Protokoll der Vorberathschlagung vom 26. März 1791 - Über die Einrichtung der politischen Gesetzkompilation". Dort wird auch als Ausgangsdatum der kaiserlichen Resolution der 3. August 1791 genannt, was durch AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 26. März 1791, fol. 26 r - 27 r, linke Sp. bestätigt wird (s.u., S. 64 Fn. 108). Auch stimmt 1715 ex 1791 mit dem entsprechenden Kaunitz-Votum überein (s.u., S. 63 Fn. 106).

III. Die Sitzung vom 26. März 1791

63

sich aber die österreichischen Staatsbürger gerade nicht mehr befänden; deshalb sei es vorzuziehen, diesbezüglich nur von den Rechten des Bürgers zu sprechen. Was die Beteiligung der Stände betreffe, so seien diese nicht über die bereits feststehenden Grundsätze zu hören, sondern lediglich soweit wichtige A b änderungen i m Räume stünden; denn vorrangiges Z i e l sei, die größtmögliche Einheitlichkeit der Gesetze i n allen Provinzen herzustellen. 1 0 3

Schließlich

sprach sich Hatzfeld auch für die künftige Beratung der Arbeiten i n pleno der Hofkanzlei aus, da er ähnliche Bedenken wie bereits i m Jahre 1 7 8 1 1 0 4 gegen die Anschauungen Sonnenfels' äußerte. 1 0 5 Kaunitz und der Thronfolger Erzherzog Franz schlossen sich dem V o t u m Hatzfelds a n . 1 0 6

103 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 104; Osterloh (1970), S. 214; Grimm, Forschungsband Zeiller (1980), S. 96. 104 s.o., S. 33 Fn. 9. 105 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 104 zitiert aus dem Gutachten Hatzfelds wörtlich: „ denn obwohlen ich die Geschicklichkeit des v. Sonnenfels nicht mißkenne, so steht er doch in dem allgemeinen Ruf, er sey von den zur Mode gewordenen übertriebenen philosophischen Grundsätzen allzusehr eingenommen. Ja, ich läugne es nicht, daß mir die Lesung einiger seiner Schriften diesen Argwohn auch beygebracht hat. Es ist also höchst nothwendig, daß seine Anträge von mehreren Männern verschiedener Denkungsart geprüft werden, ehe sie für den Thron gelangen. Diese philosophischen Grundsätze sind der Macht des Monarchen so entgegengesetzt, daß für ihn und den Staat gefährlich wäre, die Gesetzgebung nach diesen Grundsätzen einzurichten. " Wangermann (1966), S. 116; Osterloh (1970), S. 214 Fn. 32; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 178; ders., Privatrechtskodifikation und Staatsbildung (1976), S. 68; ders., Forschungsband Zeiller (1980), S. 220; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 136.

Weitere sachliche Kritikpunkte skizzierte/er, ebd. Fn. 35 wie folgt: „Graf H a t z f e l d macht überdies eine Reihe einzelner »Erinnerungen' über den Plan des S o n n e n f e l s , die von großem Interesse sind und denen der Kaiser zum Teile Gehör schenkte. Den Angriffen von Sonnenfels gegen die Gemeinschädlichkeit des »angehäuften Reichtums4, begegnet Graf H a t z f e l d mit der Einwendung, daß es in Österreich kaum fünf Personen gebe, die mehr als 200.000 Gulden Reineinkommen haben; und mit der Einwendung, daß die Aufständischen in Frankreich ebenso wie die Unzufriedenen in Ungarn und Siebenbürgen mit wenigen Ausnahmen nicht aus begüterten Familien, sondern aus den besitzlosen Klassen, und insbesondere aus dem verarmten Adel stammen." 106

HHStA, StR-Kaunitz, Karton 6 ( 1791 -94), Votum 46 de 1791 zu 1715 ex 1791 : „Protokoll der Böhmisch Oesterreichischen Hofkanzley vom 26 e" März 1791. - Welches die Vorberathschlagung derselben über die Einrichtung der politischen GesetzCompilation enthält. ich bin mit den Erinnerungen des nächst vorstehenden Voti verstanden. " Damit dürfte das Votum Hatzfelds gemeint sein, vgl. Adler, FS ABGB, Teil 1(1911), S. 104.

64

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II. I n der Resolution v o m 3. August 1791 folgte auch Leopold II. i m Wesent-

lichen der Position Hatzfelds und ordnete an, dass von den „Rechten Menschheit " keine Rede sein dürfe, „sondern nur von jenen

der

des Bürgers ".

A u c h seien die Stände nur i n den angesprochenen engen Grenzen zu beteiligen, „um ihnen nicht sonst den Weg und die Gelegenheit zu neuen Beschwerden

zu

eröffnen ". I m Übrigen sei der Geschäftsgang von der Hofkanzlei i n pleno zu verfolgen. Ansonsten ordnete der Kaiser inhaltlich lediglich bei der Rubrik „ Verzweiflung

des Landwirthes

" 1 0 7 Ergänzungen a n . 1 0 8

Die Eingabe Sonnenfels' hatte somit von Seiten Leopolds II. grünes Licht erhalten. I n den A k t e n der Kommission befindet sich i n Abschrift ein entsprechender undatierter Vermerk Sonnenfels', der auf diese kaiserlichen Resolution v o m 3. August 1791 Bezug n i m m t . 1 0 9

107

Vgl. Plan zu einer vollständigen Gesetzsammlung (Anhang Nr. 3), fol. 33 r, v. A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 26. März 1791, fol. 26 r - 27 r, linke Sp, abgedruckt im Anhang Nr. 2; eine Abschrift, ebd., fol. 52 r, v; HHStA, StR-Prot. 1791/11 (lfd. Bd. 121), 1715 ex 1791, „Circuì: Protokoll der Vorberathschlagung vom 26. März 1791 - Über die Einrichtung der politischen Gesetzkompilation "; vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 105, zum dortigen Quellennachweis in Fn. 36 i.V.m. S. 104 Fn. 34 auf Staatsratsakten 3424 ex 1791, s.o. S. 62 Fn. 102; Wangermann (1966), S. 116; Osterloh (1970), S. 214; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 178 f.; ders., Privatrechtskodifikation und Staatsbildung (1976), S. 68; Kleinheyer, Grundrechte - zur Geschichte eines Begriffs (1977), S. 14; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 136; Ogris, Sonnenfels als Rechtsreformer, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 50. 108

109

Abschrift A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 26. März 1791, fol. 52 ν, 53 r: „Man wird diese allerhöchste Entschliessungpflichtmässig zur Richtschnur nehmen und derselben zu Folge 1.) die 4 besonders angezeigten Gegenstände an den in Verbindung zukömmlichsten Orten einzuschalten nicht unterlassen. 2.) Den durch die Umstände des Augenblickes abgewürdigten Ausdruck von den Rechten der Menschheit sorgßltig vermeiden. Ohnehin war die Absicht niemahls, den Rechten der Menschheit eine eigene Abtheilung zu geben. Man machte davon bloß unter dem Gesichtspunkte Erwähnung, unter welcher die Veränderungen, wel[ ] auf die Natur [...] [ ]ben, allen Provinzen gemein, und [ ] unabänderlich sind. Eben so ist 3.) Die Erinnerung, daß die Stände nirgend über die Grundsätze, sondern bloß über die Anwendung vernommen werden sollen, eine huldreiche Bestätigung des in dem Protokolle wirklich gemachten Vortrages, nach welchem das Ansehen und die Unabhängigkeit des Thrones sich dadurch in voller Kraft behaupten [ ] daß die Grundsätze, nach welchen die Nation geleitet wird, ganz und einzig durch den Ausspruch Sr Majestät bestimmt und festgesetzt werden. Übrigens wird man sich auch die allergnädigste Erinnerung in dem Laufe der ganzen Bearbeitung gegenwärtig halten, nirgend zu neuen Beschwerden der Stände eine Veranlassung zu geben, zur Vermeidung kleinfügiger Fragen, oder Zweifel, die Provinzen nur über wichtige Abänderungen einzuvernehmen, und so wie es immer thunlich ist, in den Theilen der Monarchie Gleichförmigkeit einzuleiten. Sonnenfels m. p. " (ohne eigenhändige Unterschrift).

III. Die Sitzung vom 26. März 1791 B e i Beidtel

65

findet sich schließlich noch ein Hinweis zur Umsetzung einer

v o m 4. August 1791 datierenden kaiserlichen Resolution durch ein Hofdekret v o m 7. September 1791 an die böhmischen Stände, das die politischen Gesetze zum Gegenstand h a t 1 1 0 und auf das sich auch Sonnenfels i n seinem Entwurf v o m 8. Dezember 1791 bezieht. 1 1 1 Weitere Quellennachweise über entsprechende Tätigkeiten der Kommission während der Regierungszeit Leopolds II. liegen nicht vor. Da schon Adler diesbezüglich nicht fündig geworden ist, steht zu vermuten, dass es zu keinen weiteren Sitzungen mehr k a m . 1 1 2 I n diesem Zusammenhang bleibt aber noch zu erwähnen, dass Sonnenfels auf seinen Antrag hin durch kaiserliches Kabinettschreiben am 5. August 1791 von seinen Lehrverpflichtungen entbunden w u r d e ; 1 1 3 somit konnte er sich auf die 110 Beidtel, Über die Veränderungen in den Feudalverhältnissen in den österreichischen Staaten unter der Regierung Leopold's II. (20. Februar 1790 - 1. März 1792), SB Wien, Bd. 1 1 (1853), S. 486-499, 493 f.: „dass die sämmtlichen politischen Gesetze in Übersicht genommen, wo solche bei einem Gegenstande zu gehäuft sind, oder zu sehr in das Kleine herabsteigen, die überflüssigen ausgeschieden, die wahrgenommenen Lücken ergänzet und in ein zusammenhängendes System geordnet werden sollen. Um in dieser wichtigen Bearbeitung eine sichere Grundlage zu haben, werden Se. Majestät von Gegenstand zu die öffentliche Gegenstand die Grundsätze bestimmen, durch deren Einförmigkeit Verwaltung Einheit und die sämmtlichen Provinzen der Monarchie diejenige Verbindung erhalten, deren Vortheil nicht verkannt werden könne. Aber um die Verordnungen auch den aus Verschiedenheit der Umstände entspringenden verschiedenen Bedürfnissen jeder Provinz anzupassen, sollen bei allen wichtigen Veränderungen die Stände über die wirkliche Anwendung der Grundsätze gehört werden, damit solchergestalt die Gesetze eine Einrichtung erhalten, wie dieselbe dem Wohl jeder Provinz, ohne dem Wohl der ganzen Monarchie zu widersprechen, angemessen ist. Se. Majestät befehlen diese Ihre Entscheidung den Ständen zu bedeuten und - sehen mit Vergnügen den Eröffnungen entgegen, durch welche die Stände das ihnen zugestandene Recht mit dem Recht der übrigen Classen der Nation in Vereinigung zu setzen, sich willfahrig zeigen werden. "

Vgl. ders., Über die Justizreformen unter Kaiser Leopold II. und ihren Einfluss auf den gesellschaftlichen Zustand, SB Wien, Bd. 9 (1852), S. 233-243, 241; ders., Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung 1740-1848, Bd. I: 1740-1792 (1896), S. 425 f.; Toman, Das Böhmische Staatsrecht (1872), S. 193, 196. Die Suche nach diesem Hofdekret vom 7. September 1791 in HHStA, Kabinettskanzlei, Protokolle, Bd. 78b (1791) blieb erfolglos. 1.1 s.u., S. 76 Fn. 163. 1.2 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 105; Osterloh (1970), S. 214. 1.3 HHStA, Kabinettskanzlei, Protokolle, Bd. 78b (1791), Nr. 387, 5. August 1791, fol. 227 ν, 228 r; ferner abgedruckt bei Kopetzky (1882), S. 322: „Ich habe fur gut gefunden, dem Hofrath von Sonnenfels die angesuchte Entlassung vom Lehramte der politischen Wissenschaften und des Geschäftsstils zu bewilligen, und die durch seine Austretung erledigte Kanzel der politischen Wissenschaften mit der des Professors Watteroth, diejenige aber des Geschäftsstils mit der des Professors Hoffmann zu vereinigen. Da nun durch diese Vereinigung die Geschäfte der obbenannten Professoren merklich vermehrt werden, so werden sie Mir den Vorschlag machen, was man ihnen fur eine Besoldungszulage gestatten könnte. " 5 Wagner

66

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

anderen i h m übertragenen Aufgaben konzentrieren, zu denen insbesondere die Reorganisation der Wiener Polizei gehörte. 1 1 4

IV. Ständische Verfassung I m Folgenden soll nun untersucht werden, in welcher Weise Sonnenfels versuchte, auf die Entwicklung i m Zusammenhang mit den ständischen Landtagen der Jahre 1790-92 Einfluss zu nehmen. So hatte er schon i n einer Eingabe v o m 22. Juli 1790 angeboten, neben anderen Tätigkeiten „ a u c h die Grundsätze einer

allgemeinen

Verfassung

nach dem Eurer

Majestät

behändigten

zu

Vor-

Osterloh (1970), S. 150 Fn. 61 a.E.; Lettner, Das Rückzugsgefecht der Aufklärung in Wien 1790-1792(1988), S. 58 f. HHStA, StR-Index 1791 enthält hierzu unter „S" folgenden Eintrag: „v. Sonnenfels Hofrath wird von seinem Lehramt entlassen, behält aber sein dafür bezohenen Genuß à 1200 fl. " mit Verweis auf 3987 ex 1791. HHStA, StR-Prot. 1791/III (lfd. Bd. 122), 3987 ex 1791 bietet aber unter dem 4. September 1791 nur folgende Information: „Circuì: Vortrag der Böhm. Ö. Kanzley vom 30. Aug. 1791 - Womit die gewöhnl. Protokollen vom 12. Aug. 1791 überreichet werden. Resol. loco Vidit Consilium Status." Der dortige Randverweis auf 4537 ex 1791 ist aber jedenfalls einschlägig. HHStA, StR-Prot. 1791/IV (lfd. Bd. 123), 4537 ex 1791, Resolution vom 8. Oktober 1791: „ Circuì: Vortrag der Studien- und Zensurs- HofKommission de dato 3. Oct. 1791 Über der von Sr. Maj. abgefoderten Vorschlag einer Gehalts- Vermehrung fur die Professoren alhier Watteroth und Hofmann, wovon jener nebst der Statistik die politischen Wissenschaften, dieser nebst dem deutschen Style den Geschäftsstyl lehren soll. Resol. Was den Professor Watteroth betrift begnehmige Ich den Vorschlag der StudienHofCoon, und Professor Hof mann wird mit 1800 fl. Besoldung angestellt werden. " Zum Verhältnis zwischen Sonnenfels und Watteroth bzw. Hoffmann vgl. den Brief Hoffmanns an Leopold II. vom 21. Juli 1791, abgedruckt bei Silagi, Ungarn und der geheime Mitarbeiterlàeis Kaiser Leopolds II. (1961), Anhang Ill.a., S. 121-123 sowie den undatierten Brief Watteroths an Leopold II., abgedruckt ebd., Anhang IV.a., S. 132-135. Kopetzky (1882), S. 323 ff.; Lettner (1988), S. 81 f f , 134 ff.; Albrecht, Gegenaufklärerischer Absolutismus um 1800, in: Reinalter/Klueting (Hrsg.), Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich (2002), S. 291-299, 297 ff. 114 Wangermann (1966), S. 110 ff.; Osterloh (1970), S. 150 ff.; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 130 ff.; zum Vorbildcharakter der Florentinischen Polizeiverfassung vgl. Benna, Die Polizeihofstelle (1942), S. 121; Wandruszka, Leopold, Bd. I: 1747-1780 (1963), S. 310 f. und Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 339 f.; kritisch dagegen Osterloh (1970), S. 154 Fn. 79. Zur „polizia" in der Toskana allgemein Napoli , Polizia d'Antico Regime: Frammenti di un concetto nella Toscana e nel Piemonte del X V I I e X V I I I secolo, in: Stolleis (Hrsg.), Polizey im Europa der Frühen Neuzeit (1996), S. 1-53, 20 ff.

IV. Ständische Verfassung

67

schlage bearbeiten " zu können. 1 1 5 Dass Sonnenfels dabei den Beschwerden der Stände nicht unkritisch gegenüberstand, geht aus einem Protokoll der Studienhofkommission hervor, welches der kaiserlichen Resolution v o m 6. Januar 1791 zugrunde l a g . 1 1 6 Leopold, der sich nachweislich noch i n den späten 1780er Jahren, insbesondere unter dem Eindruck der Französischen Revolution, eingehend mit Fragen der Verfassung und Repräsentation auseinandergesetzt hatte, beschäftigte sich w o h l auch nach seinem Regierungsantritt i n W i e n weiterhin mit theoretischen Lösungsansätzen zu dieser T h e m a t i k . 1 1 7 So liegen denn aus dem inoffiziellen Mitarbeiterkreis Leopolds zwei bemerkenswerte Verfassungsentwürfe vor: Der von Ignaz v. M a r t i n o v i c s 1 1 8 erstellte ungarische Verfassungsentwurf, der zwar erst i m Spätsommer 1793 (also nach

115 „Nota von Hofrath Sonnenfels an S. M. den 22. Juli 1790 überreichet - über welche er alsogleich eine Entscheidung haben wollte, die seinen Charakter und seine DenkungsArt entwickelt", HHStA, Vertrauliche Akten, Karton 41 (alt 62), N° 16, fol. 356 - 363, 361 ν; Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 325, 373 f.; Körner, Andreas Riedel (1969), S. 92. 116 HHStA, StR-Prot. 1790/1V (lfd. Bd. 118), 4075 ex 1790: ,, Circuì: Nota des Obersten Grafen von Kollowrat de dato 28. Dec. 1790 - Über das StudienHof-KommissionsProtokoll vom 7. Dezember d. J., welches ihm mittelst einer Nota des Bar. v. Martini vom 23. Dezember überreicht worden, worin er den Antrag macht, wie die LänderStände über ihre Beschwerden in Ansehung des Studiums und Lehranstalten zu verbescheiden wären, und daß der Hofrath v. Sonnenfels wegen seiner ironischen Behandlung dieser Beschwerden zu Recht gewiesen werden möchte. Resol: Auf das StudienProtokoll Ad Num. 707. Ref. Sonnenfels: Sind die steyr. Stände in Absicht auf ihre Klagen gegen die allgemeinen Erziehungs- und Lehranstalten auf die bereits getroffene, und jetzt auch auf die Provinzen anzuwendende neue Einrichtung zu verweisen. Ad Num. 346. Ref. Pirkenstock, 154. Ref. Zippe und ad Num. 48. In Censurssachen genehmige Ich das Einrathen der Commission. Der übrige Inhalt des Protokolls dient zur Nachricht. " 117 Für diese Annahme spricht nicht zuletzt der Umstand, dass Leopold umfangreiches Material aus Florenz mit nach Wien gebracht hatte, welches sich in HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 12 und 13 befindet. Vgl. dazu Graf (1998), S. 260, 266 ff. 118 Zu Ignaz v. Martinovics (1755-1795) vgl. Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770-1815 (1951), S. 195 ff.; Silagi, Ungarn und der geheime Mitarbeiterkreis Kaiser Leopolds II. (1961), S. 43, 95 ff.; ders., Jakobiner in der Habsburger-Monarchie - Ein Beitrag zur Geschichte des aufgeklärten Absolutismus in Österreich (1962), S. 111 ff., 117 ff.; ders., Aktenstücke zur Geschichte des Ignaz von Martinovics, in: Reinalter (Hrsg.), Jakobiner in Mitteleuropa (1977), S. 405-416; Benda, Die ungarischen Jakobiner, in: Reinalter (Hrsg.), Jakobiner in Mitteleuropa (1977), S. 381-404, 391 f f ; ders., Art. „Martinovics, Ignaz Josef von", in: Biographisches Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen Bewegung in Europa, Bd. 1 (1992), S. 182 f.

*

68

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

dem Tode Leopolds) ausgearbeitet wurde, 119 aber gleichwohl leopoldinisches Gedankengut enthält; 120 sowie der von Andreas Riedel 121 am 31. Juli 1791 eingereichte Verfassungsentwurf. 122 Riedel könnte bei seiner Anstellung als 119

Der Zweitschrift des lateinischen Entwurfs wurde von Martinovics selbst eine deutsche Übersetzung beigefugt, abgedruckt bei Valjavec (1951), Anhang III, S. 490505; Silagi, Jakobiner in der Habsburger-Monarchie (1962), S. 153 f.; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 100 f. m

Silagi, Jakobiner in der Habsburger-Monarchie (1962), S. 155 ff. Vgl. zum Verhältnis zwischen Leopold und Martinovics zu Beginn des Jahres 1792 ebd., S. 119 ff.; ders., Ungarn und der geheime Mitarbeiterkreis Kaiser Leopolds II. (1961), S. 115 f.; Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 379 f.; Wangermann (1966), S. 121. 121 Zu Andreas Riedel (1748-1837) vgl. Valjavec (1951), S. 192 ff.; Körner, Andreas Riedel - Ein politische Schicksal im Zeitalter der Französischen Revolution (1969); ders., Die Wiener Jakobiner (1972), S. 7 ff.; ders., Andreas Riedel (1748-1837) - Zur Lebensgeschichte eines Wiener Demokraten, in: Reinalter (Hrsg.), Jakobiner in Mitteleuropa (1977), S. 321-343; ders., Art. „Riedel, Maria Andreas Nicolaus Tolentin", in: Biographisches Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen Bewegung in Europa, Bd. 1 (1992), S. 158 f.; Reinalter, Andreas Riedel als Staatsgefangener in Kufstein - Ein Wiener Jakobiner im Zeitalter der Französischen Revolution, in: Österreich und die Französische Revolution (1988), S. 100-109 mit Anm. 1-64 (S. 191-195) und Anhang, S. 195-208. 122

HHStA, Vertrauliche Akten, Karton 41 (alt 62), N° 20, fol. 388 - 441 mit der Aufschrift, fol. 388 „ Vorschlag und Versuch einer Ankündigung um eine Revolution in die Monarchie und eine neue Constitution einzuführen " enthält folgende Schriftstücke: - fol. 389 f.: Anschreiben in frz. Sprache, vgl. Valjavec (1951), Anhang IIa, S. 454 - fol. 391 -398: „Essai d'une Proclamation", frz. Fassung des darauffolgenden Stücks, vgl. Valjavec (1951), Anhang IIa, S. 454 - fol. 399 - 408: „ Versuch einer Ankündigung" im Stil einer Präambel, abgedruckt bei Valjavec (1951), Anhang IIb, S. 455-463 sowie bei Körner, Die Wiener Jakobiner (1972), S. 19-26 - fol. 409-440: „Innhalt" - Untertitel „Versuch einer Unterweisung des Volkes auf was Art es den Volksrath zum erstenmale aufstellen könne" als Wahlordnung, abgedruckt bei Valjavec (1951), Anhang Ile, S. 463-490; in Auszügen bei Körner, Die Wiener Jakobiner (1972), S. 26-30. Vgl. Silagi, Ungarn und der geheime Mitarbeiterkreis Kaiser Leopolds II. (1961), S. 90; Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 374; Wangermann (1966), S. 89 f.; Körner, Andreas Riedel (1969), S. 45 ff.; ders., Die Wiener Jakobiner (1972), S. 18; ders., Zur Lebensgeschichte eines Wiener Demokraten (1977), S. 323; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 99 f. HHStA, Vertrauliche Akten, Karton 41 (alt 62), N° 19, fol. 382 - 387 trägt auf dem Mantelbogen (fol. 382) die Aufschrift: „Projekt des Riedels, um eine neue Constitution in die Monarchie einzuführen "; eingelegt ist aber ein eigenhändiges Schreiben Riedels an Leopold I I , in dem er sich für eine Verwendung bei vertraulichen Aufgaben anbietet, fol. 383 - 386, abgedruckt bei Silagi, Jakobiner in der Habsburger-Monarchie (1962), Anhang lit. a, S. 203-206. Körner hält es daher für möglich, dass sich in diesem Mantelbogen ursprünglich ein anderes, nunmehr verschollenes Aktenstück befunden hat, welches als Hauptstück die eigentliche Verfassung behandelt habe, vgl. Körner, Andreas Riedel (1969), S. 72 f. i.V.m. S. 41 Fn. 123 sowie ders., Zur Lebensgeschichte eines Wiener Demokraten (1977), S. 323 f.

IV. Ständische Verfassung

69

Mathematiklehrer von 1779 bis 1790 am großherzoglichen H o f i n Florenz i n engeren Kontakt mit L e o p o l d 1 2 3 und mit dessen toskanischen Verfassungsprojekt gekommen sein. 1 2 4 V o r dem Hintergrund des kurze Zeit nach dem Regierungsantritt Leopolds aufgehobenen josephinischen Steuer- und Urbarialpatentes 1 2 5 wurden die ständischen Landtage i n Böhmen, Mähren, Schlesien, Oberösterreich, 1 2 6 Steiermark, Kärnten, Krain, Görz, T i r o l und Vorderösterreich durch kaiserliches Handbillett an den Grafen Kollowrat v o m 29. A p r i l 1790 (bzw. durch das daraufhin ergangene Reskript der Regierung v o m 1. M a i 1790) einberufen und aufgefordert, sich zu folgenden drei Gegenständen zu äußern: Erstens z u m Steuer- und Urbarialsystem einschließlich der Robotfrage, zweitens zur W i e derherstellung der ständischen Verfassung und drittens zu den übrigen Beschwerden und Wünschen der Stände insbesondere hinsichtlich des Z i v i l - und Strafrechtes, aber auch bezüglich der politischen und Kameralverfügungen. 1 2 7

123

Körner, Andreas Riedel (1969), S. 22, 37 f.; ders., Die Wiener Jakobiner (1972), S. 7; ders., Zur Lebensgeschichte eines Wiener Demokraten (1977), S. 322 f.; Reinalter, Andreas Riedel als Staatsgefangener in Kufstein (1988), S. 101. Vgl. dazu folgende Eintragungen in den Reiseaufzeichnungen Leopolds (s.o., S. 42 Fn. 2 bzw. S. 43 Fn. 9): Relazione 1778/79, HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 14, carta 1147: „condizioni stabilite per prendere al mio servizio il professore Riedl" Relazione 1784, HHStA, Familienarchiv, Sammelbände, Karton 16, carta 562: ,,Suppliche di Riedel- S.A.R. presenta a S.M. L'Imperatore le 2 Suppliche del Professore di Mattematica a Firenze Riedel a favore di sua Madre , e Fratello per ottenere delle penioni; ha promesso di esaminarle, e farle informare. " 124 Wandruszka , Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 374; Körner, Andreas Riedel (1969), S. 37, 89 f., 122 ff.; ders., Die Wiener Jakobiner (1972), S. 19; ders., Zur Lebensgeschichte eines Wiener Demokraten (1977), S. 323. 125 Vgl. Beidtel, Zur Geschichte der Feudal-Verfassung in den deutschen Provinzen der österreichischen Monarchie unter der Regierung Kaiser Joseph's II., SB Wien, Bd. 9 (1852), S. 925-938, 933 ff.; ders., Über die Veränderungen in den Feudalverhältnissen in den österreichischen Staaten unter der Regierung Leopold's II., SB Wien, Bd. 11 (1853), S. 486-499; Grünberg, Die Bauernbefreiung und die Auflösung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in Böhmen, Mähren und Schlesien, Teil I (1894), S. 349 ff. bzw. Teil II (1893), S. 455 ff.; Eibl, Das Robot-Provisorium für Niederösterreich vom 20. Juni 1796 - Ein Beitrag zur Geschichte der österreichischen Agrarpolitik unter Kaiser Franzi., Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 7 n.F. (1908), S. 235-275, 238 ff.; Rosdolsky, Die große Steuer- und Agrarreform Josefs II. - Ein Kapitel zur österreichischen Wirtschaftsgeschichte (1961), S. 163 ff.; ders., Untertan und Staat in Galizien - Die Reformen unter Maria Theresia und Joseph II., dt. Übers. (1992), S. 239 ff.; Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 254 ff. 126 Die Stände von Niederösterreich hatten sich schon zuvor versammelt und die BeÖsterreich unter Maria Theratungen aufgenommen, vgl. Wolf/Zwiedineck-Südenhorst, resia, Joseph II. und Leopold II. (1884), S. 361. 127 Bidermann, Die Verfassungs-Krisis in Steiermark (1873), S. 21, abgedruckt als Beilage I, S. 70 f.; vgl. ferner Wolf/Zwiedineck-Südenhorst (1884), S. 361 f.; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 99 nennt noch ein weiteres vorangegangenes kaiserliches

70

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II. Eine Sonderstellung nahm gewissermaßen Galizien ein, wo man aus Sorge

vor einer Rebellion des Adels auf die Einberufung einer förmlichen Ständeversammlung bewusst verzichtete und stattdessen nur eine gemeinsame Sitzung des Guberniums mit fünf Mitgliedern des Ständeausschusses i n Lemberg durchführt e . 1 2 8 Die weitere Entwicklung i n Polen mit der Verabschiedung der Polnischen Verfassung v o m 3. M a i 1 7 9 1 1 2 9 veranlasste Leopold II. schließlich sogar, am 3. August 1791 eine Untersuchung anzuordnen, „was man diesseits für den galizischen Bürger-

und Bauernstand,

bessere Umstände, schlagen

als jene

um ein und anderen soviel möglich noch in

in Pohlen zu setzen, für

Massnehmungen

einzu-

habe". 13°

Eine umfassende Untersuchung und Analyse der Politik Leopolds gegenüber den ständischen Landtagen i n den Jahren 1790-92 liegt bislang noch nicht v o r . 1 3 1 Die Forschung kann derzeit lediglich auf Beiträge hinsichtlich der Tätigkeit der Landtage einzelner Erbländer zurückgreifen, etwa zu B ö h m e n , 1 3 2

Handschreiben vom 26. April 1790; Kerner, Bohemia in the Eighteenth Century (1932), S. 86, 92; Hämmerle, Der Staatsrat Kaiser Leopold II. (1939), S. 29. f.; Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 257; Stollberg-Rilinger, Vormünder des Volkes?- Konzepte landständischer Repräsentation in der Spätphase des Alten Reiches (1999), S. 181. 128 Rosdolsky, Untertan und Staat in Galizien (1992), S. 235 ff.; ebd., S. 237 ff. zu den Verhandlungen mit der drei Wochen später nach Wien entsandten Deputation des galizischen Adels. Vgl. ferner Anonym, Magna Charta von Galizien oder Untersuchung der Beschwerden des Galizischen Adels pohlnischer Nation über die österreichische Regierung (1790). 129 (Hrsg.), Europäische VerfasDt. Übers, des frz. Originaltextes bei Willoweit/Seif sungsgeschichte (2003), S. 281-291; vgl. dazu Reinalter/Leisching (Hrsg.), Die polnische Verfassung vom 3. Mai 1791 vor dem Hintergrund der europäischen Aufklärung (1997). 130 Rosdolsky, Die große Steuer- und Agrarreform Josefs II. (1961), S. 169 Fn. 39; ders, Untertan und Staat in Galizien (1992), S. 248; Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792(1965), S. 364. 131 Hassinger, Ständische Vertretungen in den althabsburgischen Ländern und in Salzburg, in: Gerhard (Hrsg.), Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert (1969), S. 247-285, S. 250 Fn. 6 i.V.m. S. 284 Fn. 141; Klingenstein, Skizze zur Geschichte der erbländischen Stände im aufgeklärten Absolutismus der Habsburger (etwa 1740 bis 1790), in: Baumgart (Hrsg.), Ständetum und Staatsbildung in Brandenburg-Preußen (1983), S. 373-380. Zum 16./17. Jahrhundert vgl. Floßmann, Landrechte als Verfassung (1976). Ein allgemeiner Überblick über Quellen und Literatur schließlich bei Krüger, Die Landständische Verfassung (2003), S. 111 ff. 132

Anonym (Hrsg.), Historische Aktenstücke über das Ständewesen in Österreich, Bd. II (1848), S. 64-151; Toman, Das Böhmische Staatsrecht und die Entwickelung der Österreichischen Reichsidee vom Jahre 1527 bis 1848- Eine rechtsgeschichtliche Studie (1872), S. 181 ff.; Wolf/Zwiedineck-Südenhorst (1884), S. 363 f.; Kalousek, Ôeské stâtni pravo (1892), S. 489 f f , 632 ff.; Denis, La Bohême depuis la Montagne-Blanche, Tornei: Le Triomphe de l'Église - Le Centralisme (1903), S. 610 ff.; Celakovsky , Ο uéasti prâvnikûv a stavû ze zemi ceskych na kodifikaci obéanského prava rakouského (1911), Anhang, S. 49-58; Kerner , Bohemia in the Eighteenth Century - A Study in Po-

IV. Ständische Verfassung

71

Mähren, 133 Österreichisch-Schlesien, 134 Niederösterreich, 135 Oberösterreich, 136 Steiermark, 137 Krain 1 3 8 und Tirol. 1 3 9 Ein derartiger Ansatz greift jedoch zu kurz, liticai, Economic, and Social History With Special Reference to the Reign of Leopold II 1790-1792 (1932), mit umfangreicher Bibliographie, S. 375 ff.; Kutnar, Predehra velkého leopoldovského snèmu r. 1790, in: ÖSCH 16 (1968), S. 669-686 mit dt. Zusammenfassung, S. 686; Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus in Deutschland, dt. Übers. (1973), S. 484 ff.; Hanke, Das Zeitalter des Zentralismus 1740-1848, in: Bosl (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, Bd. II (1974), §43, S. 520 ff. m.w.N. zur tschechischen Literatur, S. 525 ff.; Drabek, Die Desiderien der böhmischen Stände von 1791 - Überlegungen zu ihrem ideellen Gehalt, FS Bosl (1983), S. 132-142; Hoensch, Geschichte Böhmens (1997), S. 306 f.; Rentzow, Die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Vernewerten Landesordnung für das Königreich Böhmen von 1627 (1998), S. 145-147. 133 d'Elvert, Die Desiderien der mährischen Stände vom Jahre 1790 und ihre Folgen, in: Schriften der historisch-statistischen Section der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde, Bd. 14 (1865), S. 101-364; ders., Zur Oesterreichischen Verwaltungs-Geschichte, mit besonderer Rücksicht auf die böhmischen Länder (1880), S. 505 f.; Wolf/Zwiedineck-Südenhorst (1884), S. 364 f. 134 d 'Elvert, Die Verfassung und Verwaltung von Oesterreichisch-Schlesien, in ihrer historischen Ausbildung, dann die Rechtsverhältnisse zwischen Mähren, Troppau und Jägerndorf, so wie der mährischen Enklaven zu Schlesien, in: Schriften der historischstatistischen Section der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde, Bd. 7 (1854), S. 191 ff. Anm. *). 135 Wolf/Zwiedineck-Südenhorst (1884), S. 362 f.; Eibl, Die Restauration der niederösterreichischen Landesverfassung unter Kaiser Leopold II. - Ein Beitrag zur Geschichte der österreichischen Stände und inneren Staatsverwaltung (1902); ders., Die niederösterreichischen Stände und die Französische Revolution, Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 2 n.F. (1903), S. 77-97, 81 ff. 136 Hinweise bei Sturmberger, Der Weg zum Verfassungsstaat - Die politische Entwicklung in Oberösterreich von 1792-1861 (1962), S. 12 f. 137 Eidermann, Die Verfassungs-Krisis in Steiermark zur Zeit der ersten Französischen Revolution, in: Mittheilungen des Historischen Vereines für Steiermark X X I (1873), S. 15-105; Wolf/Zwiedineck-Südenhorst (1884), S. 365 ff.; Mayer, Jakobiner in Steiermark, Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte 4 (1887), S. 368-378; ders., Steiermark im Franzosenzeitalter - Nach neuen Quellen (1888), S. 1 ff.; ders., Geschichte der Steiermark mit besonderer Rücksicht auf das Kulturleben (1913), S. 469 f.; Ilwof Die Grafen von Attems, Freiherren von Heiligenkreuz- in ihrem Wirken in und für Steiermark (1897), S. 37 ff.; ders., Der Ständische Landtag des Herzogtums Steiermark unter Maria Theresia und ihren Söhnen (1913), S. 57 ff.; Meli, Grundriß der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Landes Steiermark (1929), S. 626 ff.; Führer, Jakobiner in der Steiermark (1965), S. 9 ff.; Stacher, Kaiser Leopold II. und die Umgestaltung der ständischen Verfassung - Bestrebungen der Bürger, Bauern und „Volksfreunde" unter den Beamten am Beispiel der Steiermark, in: Das achtzehnte Jahrhundert und Österreich, Bd. 2 (1985), S. 43-72; C. Mueller, Reform in Styria, in: Consortium on Revolutionary Europe 1750-1850, Proceedings 21 (1992), S. 328-336; Levy, Commentary, ebd., S. 337 f. 138

Costa, Ein Beitrag zur Geschichte des Ständewesens in Krain, in: Mittheilungen des historischen Vereins für Krain X I V (1859), S. 29-31 ; Dimitz, Geschichte Krains von der ältesten Zeit bis auf das Jahr 1813 - Mit besonderer Rücksicht auf Kulturentwick-

72

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

zumal i m Rahmen einer solchen Untersuchung auch die Geschehnisse i n Ungarn und den österreichischen Niederlanden vor dem Hintergrund der außenpolitischen Lage in den B l i c k w i n k e l rücken müssten. 1 4 0 Die Bewertung der Innenpolitik Leopolds II. als „aufklärungsfeindlich" bzw. „reaktionär" durch Stacher bzw. Lettner

141

ist so jedenfalls auf Ablehnung ge-

stoßen. Das Schrifttum hält i m Ergebnis vielmehr an der differenzierteren Einschätzung der Politik Leopolds durch Wangermann

und Wandruszka fest: „ e i n

Schritt zurück - zwei Schritte vorwärts". 1 4 2

lung, Bd. IV (1876), S. 235 ff.; ders., Kurzgefaßte Geschichte Krains mit besonderer Rücksicht auf Culturentwicklung (1886), S. 117 f.; Wolf/Zwiedineck-Südenhorst (1884), S. 368 f f ; Globocnik, Übersicht der Verwaltungs- und Rechtsgeschichte des Landes Krain (1893), S. 22 f.; Zwitter-Tehovnik, Wirkungen der Französischen Revolution in Krain (1975), S. 37 ff. 139 Egg er > Geschichte Tirols von den ältesten Zeiten bis in die Neuzeit, Bd. III (1884), S. 370 f.; Werunsky, Öster(1880), § 6, S. 128 ff.; Wolf/Zwiedineck-Südenhorst reichische Reichs- und Rechtsgeschichte (1894-1938), S. 1177; Reinalter, Aufklärung Absolutismus - Reaktion. Die Geschichte Tirols in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts (1974), S. 96 ff. und Anhang, S. 286 ff.; Wandruszka, Leopold IL, die „Welschen Confinen" und die Stände Tirols, FS Blaas, MÖStA 31 (1978), S. 156-160; Levy , Leopold II and the 1790 Italian Movement in Tyrol - A case study of politics in the Habsburg Monarchy (1982); dies., Leopold II, Joseph von Aschauer, and the role of the Estates in the Habsburg Monarchy, MÖStA 38 (1985), S. 197-222; dies., Governance and Grievance Habsburg Policy and Italian Tyrol in the Eighteenth Century (1988). 140 Vgl. dazu Zeissberg, Zwei Jahre belgischer Geschichte (1791, 1792), l.Theil: Von der Convention im Haag bis zum Tode Kaiser Leopolds II., SB Wien, Bd. 123 (1891), VII. Abhandlung; Adler, Ungarn nach dem Tode Kaiser Josefs II. (1907); Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 273 ff. bzw. S. 315 ff.; Levy, Count Samuel Teleki and His Reform Project: Comments on Habsburg Hungary in 1790, in: East Central Europe II/2 (1975), S. 152-170; Adriaenssen, Der Kampf zweier aufrührerischer Völker zur Erhaltung ihrer Verfassung im Spiegel der zeitgenössischen politischen Literatur - Erste Ansätze zu einer vergleichenden Darstellung der belgischen Provinzen und Ungarns in den Jahren 1789/92, in: Das achtzehnte Jahrhundert und Österreich, Bd. 6 (1990/91), S. 119-131; Barcsay, Herrschaftsantritt im Ungarn des 18. Jahrhunderts- Studien zum Verhältnis zwischen Krongewalt und Ständetum im Zeitalter des Absolutismus (2002), S. 20 ff., 31 ff., 45 ff., 66 ff., 74 ff., 77 f f , 139 ff. 141

Stacher, in: Das achtzehnte Jahrhundert und Österreich, Bd. 2 (1985), S. 43-72; Lettner (mS), S. 33 ff. 142 Reinalter, Rezension zu Lettner, Das Rückzugsgefecht der Aufklärung in Wien 1790-1792, in: Aufklärung 5/1 (1990), S. 135 f.; C. Müller, Reform in Styria, in: Consortium on Revolutionary Europe 1750-1850, Proceedings 21 (1992), S. 332 f f , 336: „... the material unearthed by Gerda Stacher will probably support the more complex and contextualized view initiated by Wangermann and Wandruszka thirty years ago." Vgl. Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 249 ff.; Wangermann (1966), S. 69 ff.; Benda, Probleme des Josephinismus und des Jakobinertums in der Habsburgischen Monarchie, in: Reinalter (Hrsg.), Jakobiner in Mitteleuropa (1977), S. 271-290, 276 f.; Graf ( \998), S. 300 f.

IV. Ständische Verfassung

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1. Böhmen Mit dem bereits erwähnten Reskript vom 1. Mai 1790 waren die böhmischen Stände aufgefordert worden, Wünsche und Beschwerden vorzubringen sowie sich über „ Wiedereinführung der ständischen Verfassung und ihre Wirksamkeit" zu äußern, allerdings mit der Maßgabe, dabei von der Regierungszeit Maria Theresias auszugehen.143 Die böhmischen Stände formulierten daraufhin auf dem großen Landtag ihre Forderungen bezüglich der Steuer- und Robotfrage (sog. „Erste Hauptschrift"), der Verfassungsfrage (sog. „Zweite Hauptschrift") sowie im Hinblick auf die „bürgerlichen und Strafgesetze" und die „politischen und Kamerai-Verfügungen" (sog. „Dritte Hauptschrift"). 144 Formell wurde in den „Zweiten Hauptschrift" die Verneuerte Landesordnung von 1627 nicht in Frage gestellt, materiell jedoch eine Revision des verfassungsrechtlichen Status quo in Böhmen angestrebt. 145 „Euer Majestät geruhten ... durch Behebung der mit dem gemeinschaftlichen und des Landes nicht vereinbarlichen Artikel dieser LandesWohl Euer Majestät ordnung, ..., dann durch Bestättigung der übrigen das Jus publicum betreffenden Artikel eine unabänderliche Constitution den treuesten Ständen zu geben, die auf diese Art verbesserte Landesordnung selbst gnädigst zu beschwören. - Höchstdero Nachfolger zu einem gleichen Eide Constitutionsmäßig zu verbinden, und dieses große Werk, ... von nun an mit Höchstdero Namen zu bezeichnen, ... der Leopoldinischen Landesordnung, ... ". 146

Diese Landesordnung sei „förmlich für ein Fundamental Landesgesetz zu erklären " und könne als solches nicht mehr (wie bislang die Verneuerte Landesordnung von 1627) einseitig vom Landesherrn allein, sondern nur noch gemeinsam mit den Ständen abgeändert werden. 147 Ferner wurde der Wunsch nach einer formalen Beteiligung der Stände an der Landesgesetzgebung geäußert. 148

143 Anonym (Hrsg.), Historische Aktenstücke über das Ständewesen in Österreich, Bd. II (1848), S. 64 f.; Toman, Das Böhmische Staatsrecht (1872), S. 182; Kerner, Bohemia in the Eighteenth Century (1932), S. 86, 92; Drabek, FS Bosl (1983), S. 134. 144 Abdruck der „Zweiten Desideria" bei Anonym (Hrsg.), Historische Aktenstücke, Bd. II (1848), S. 67-143; vgl. dazu Toman, Das Böhmische Staatsrecht (1872), S. 183 ff.; Kerner, Bohemia in the Eighteenth Century (1932), S. 112 ff.; Drabek, FS Bosl (1983), S. 135 Fn. 14. 145 Drabek, FS Bosl (1983), S. 135; Rentzow (1998), S. 145 f. 146 Anonym (Hrsg.), Historische Aktenstücke, Bd. II (1848), S. 92; Toman, Das Böhmische Staatsrecht (1872), S. 185; Drabek, FS Bosl (1983), S. 136 Fn. 17. 147 Anonym (Hrsg.), Historische Aktenstücke, Bd. II (1848), S. 93 ff.; Toman, Das Böhmische Staatsrecht (1872), S. 186; Kerner, Bohemia in the Eighteenth Century (1932), S. 130; Drabek, FS Bosl (1983), S. 136 f. 148 Anonym (Hrsg.), Historische Aktenstücke, Bd. II (1848), S. 95. Der Landtag hatte sich allerdings erst nach einer heftigen internen Auseinandersetzung mit knapper Mehr-

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C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II. Das kaiserliche Hofdekret v o m 12. August 1791 k a m diesen Forderungen der

„Zweiten Hauptschrift" allerdings nur i n geringem Umfang entgegen. 1 4 9 Nach einem Bericht des preußischen Gesandten v o m 24. September 1791 soll Leopold sich bereit erklärt haben, dem Königreich Böhmen eine Verfassung zu geben. 1 5 0 Dies deckt sich mit der Schilderung des englischen Botschafters, der am 15. Oktober 1791 über erste Vorbereitungen für eine Verfassungsreform anlässlich der Krönung Leopolds zum Böhmischen K ö n i g berichtet: „Seine kaiserliche Majestät soll zur Überzeugung gekommen sein, daß die gefährliche Ansteckung der französischen Revolution kaum verhindert oder doch wenigstens der katastrophale Fortschritt des Geistes der Gleichheit nur dann wirklich in Schranken gehalten werden kann, wenn der Herrscher zu Konzessionen bereit ist und die Verfassungen seiner Länder reformiert... Es scheint des Kaisers Absicht zu sein, mit Böhmen anzufangen ... und diesem Lande eine bestimmte Verfassung mit regelmäßigen Versammlungen von Bürgern und Bauern zu geben... Dieser Plan soll dem Vernehmen nach der Gegenstand der ernstesten Überlegungen Seiner Majestät sein. " 151

heit hierfür entschieden, denn zwei Minderheitsvoten wollten auch eine materielle Mitwirkung der Landstände an der Legislative erreichen. Vgl. Kerner, Bohemia in the Eighteenth Century (1932), S. 131 ff.; Drabek, FS Bosl (1983), S. 139 f. 149 Abgedruckt bei Anonym (Hrsg.), Historische Aktenstücke, Bd. II (1848), S. 144151, 145: „2. ... Die Vernehmung der Stände wird Platz greifen, wenn, wie Se. Majestät es schon mehrmals zu erkennen gegeben haben, es um die Festsetzung oder Abänderung der Konstitution oder solcher Gesetze zu thun ist, so das ganze Land betreffen, doch bleibt den Ständen immerhin unbenommen, sowohl gegen die einzuführenden Gesetze, als auch gegen alle andern Verordnungen auch damals, wenn selbe bereits Sr. Majestät Bestätigung erhalten haben, ihre geziemenden Vorstellungen zu machen, welche aber keinen effectum suspensionem zur Folge haben sollen. " Rentzow (1998), Anhang B, Nr. 2, S. 235-238, 235; vgl. dazu ebd., S. 146; Toman, Das Böhmische Staatsrecht (1872), S. 189 f f , 192 f.; Kerner, Bohemia in the Eighteenth Century (1932), S. 129 f. 150 Heigel, Bd. 1(1899), S. 458. 151 Dt. Übers, nach Wangermann (1966), S. 120; das englische Original abgedruckt bei ders, From Joseph II to the Jacobin Trials (1959), S. 104: „His Imperial Majesty is supposed to have adopted the Idea that the dangerous contagion of French Reform can hardly be averted or at least that the fatal progress of levelling spirit cannot be so effectually circumscribed as by new modelling the Constitution of several of the countries which belong to his dominions by voluntary concessions on the part of the Sovereign. ... [It] seems to be the Emperor's Wish to begin by granting Bohemia ... a determinate Constitution and regular meetings of Citizens and Peasants ... Such a project is believed to occupy His Imperial Majesty's most serious thoughts. " Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 140; Peham, Leopold II. (1987), S. 264 f.

IV. Ständische Verfassung

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a) Der Entwurf Sonnenfels ' vom 8. Dezember 1791 für ein Hofdekret an die böhmischen Stände Mit Schreiben vom 8. Dezember 1791 legte Sonnenfels dem Kaiser den Entwurf für ein Hofdekret an die böhmischen Stände152 vor, da er diesen Gegenstand gerade auch wegen der zu dieser Zeit eingegangenen Petition der steirischen Bauern 153 für dringlich hielt. 1 5 4 Ob dieser Entwurf, wie im beigefügten Konzept eines Kabinettsschreibens vorgesehen, 155 dann tatsächlich nach Prag übermittelt wurde, ist bislang nicht erwiesen. 156 Ausgangspunkt und Gegenstand dieses Entwurfs ist die Frage, wie das den Ständen bereits „bewilligte Recht: über die Anwendung der in der politischen Gesetzgebung bestimmten Grundsätze vorläufig gehört zu werden, mit dem Rechte der übrigen Klassen ihrer Mitbürger in eine billige Übereinstimmung zu bringen" sei. 157 Dem Kaiser obliege es in diesem Zusammenhang, durch seine Regierung für die „Wohlfahrt der ganzen Nation", das heißt die „Wohlfahrt aller Bürger" Sorge zu tragen. Da das Feudalsystem keine Geltung mehr beanspruchen könne, verkörpere der begüterte Adel „nicht mehr allein die Nation" und sei auch „nicht mehr der einzige Bürger des Staates". Vielmehr komme die Eigenschaft des Bürgers mit den damit verbundenen Rechten ebenso allen „ übrigen Volksklassen" zu, da diese „alle Bürgerpflichten in gleichem Masse" wie der Adel zu erfüllen hätten. 158 Deshalb werde dem begüterten Adel nahe gelegt, selbst einen Vorschlag zu machen, wie künftig die ständische Versammlung aus allen Bürgerklassen zu bilden sei. 159 Sollte unter dem böhmischen Adel jemand immer noch die gegenwärtige Verfassung der Stände als unabänderlichen Status quo betrachten,

152 HHStA, Vertrauliche Akten, Karton 41 (alt 62), N° 18, fol. 376 r - 379 v, abgedruckt im Anhang Nr. 4; vgl. Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 374; Körner, Andreas Riedel (1969), S. 92; Osterloh (1970), S. 214; Ogris, Sonnenfels als Rechtsreformer, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 50 Fn. 153. 153

s.u., S. 79 ff. HHStA, Vertrauliche Akten, Karton 41 (alt 62), N° 18, fol. 375 r, abgedruckt im Anhang Nr. 4. 155 HHStA, Vertrauliche Akten, Karton 41 (alt 62), N° 18, fol. 376 r, linke Sp, abgedruckt im Anhang Nr. 4. 156 Wandruszka, Leopold, Bd. II: 1780-1792 (1965), S. 374 mit Anm. 8 (S. 437) bleibt den Nachweis für diese Annahme schuldig; daher zurecht kritisch Osterloh (1970), S. 215, insbesondere Fn. 35. 157 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 376 r; Osterloh (1970), S. 214. 158 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 376 r. 159 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 376 ν. 154

76

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

so beruhe dies auf einer Fehleinschätzung; denn weder sei die Landstandschaft ein ausschließliches Vorrecht des Adels, noch werde der Regent durch irgend etwas daran gehindert, im Interesse des Allgemeinwohls auch den „andern Klassen der Staatsbürger " die Landstandschaft zu verleihen. 160 Um so mehr sei es ein Zeichen des kaiserlichen Wohlwollens, wenn in dieser Frage eine einvernehmliche Lösung angestrebt werde, was nicht zuletzt auch im eigenen Interesse des Adels liege. 161 Wie die Landstände künftig zweckmäßiger zu organisieren wären, sei in Grundzügen schon durch das Hofdekret vom 7. September 1791 162 festgelegt worden. 163 Demnach bestünde die Aufgabe der Stände darin, der Regierung Auskunft zu geben, wie die in den Verordnungen vorgegebenen Grundsätze unter Berücksichtigung der böhmischen Gegebenheiten vor Ort am besten umgesetzt werden könnten. Da diese Verordnungen und Vorkehrungen aber nicht nur den Großgrundbesitz beträfen, sondern darüber hinaus auch den „ Grundbesitz in kleinen Wirtschaftsstücken" und die „Betriebsamkeit der Gewerbe, des Kunstfleisses und der Handlung", reiche die Sachkenntnis des Adels hierfür bei weitem nicht mehr aus. 164 Damit die Stände ihre Funktion erfüllen könnten, sei es daher unumgänglich, auch die übrigen „Bürgerklassen " hinzuzuziehen, so dass die landständische Versammlung künftig aus vier „Abtheilungen, oder wenn man sie so nennen will, Ständen " bestehen würde: „Der geistliche, der Stand der adelichen Güterbesitzer, der Industriaistand, der Bauernstand". 165 Der „geistliche Stand" habe ursprünglich die Landstandschaft an sich nur in seiner Eigenschaft als Güterbesitzer erworben. Es sei aber untunlich, allein deshalb nun die geistliche Bank aufzuheben und mit dem begüterten Adel zu vereinigen, denn der Klerus habe sein wohlerworbenes Recht durch nichts verwirkt. Darüber hinaus sei die Religion „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Ruhe der bürgerlichen Gesellschaft unentbehrlich " ,166

160

Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 376 ν, 377 r. Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 377 r. 162 s.o., S. 65 Fn. 110. 163 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 377 ν. 164 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 377 ν; Osterloh (1970), S. 214 f. 165 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 378 r; Osterloh (1970), S. 215. 166 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 378 r. Sonnenfels spricht sich also gerade nicht dafür aus, in Böhmen den grundbesitzenden Klerus mit dem grundbesitzenden Adel zu vereinigen, so aber Stollberg-Rilinger (1999), S. 230 Fn. 158. 161

IV. Ständische Verfassung

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Die „adelichen Güterbesitzer" seien künftig als ein einheitlicher Stand zu begreifen, da die hergebrachten Unterschiede und Abstufungen nur auf Zufälligkeiten beruhen würden. 167 Der „Industriaistand" soll Kaufleute und Fabrikanten umfassen, aber auch die Hauseigentümer in den Städten, die mit ihren Häusern ein bestimmtes Einkommen erwirtschaften. 168 Ein Gedanke der unweigerlich an das toskanische Reformwerk Leopolds erinnert. 169 Der „Bauernstand" schließlich bestehe aus allen Grundbesitzern, die in der Lage sind, eine bestimmte Höhe an Abgaben zu entrichten. 170 Was die „Repräsentation" des Industrial- und Bauernstandes in der neu organisierten ständischen Versammlung angehe, so müssten alle vier Stände in „gleichem Verhältnis" vertreten sein, um ein „Gleichgewicht der Beratschlagung und Schlußfassung" zu gewährleisten. 171 Die Repräsentanten· des Industrial- und Bauernstandes seien gegenwärtig durch die Regierung für eine Dauer von drei Jahren zu ernennen, um Wahlversammlungen zu vermeiden, die einen Unruheherd bilden könnten. Da dies das erste Mal sei, dass überhaupt Vertreter dieser beiden Stände in den Landtag berufen werden, sei gegen eine Bestimmung durch die Regierung auch kein Widerstand dieser beiden Stände zu erwarten. In der Zukunft könne die Wahl der Repräsentanten dann nach dem Vorbild der Tiroler Stände erfolgen. 172 Der Geschäftsgang erfordere schließlich eine Aufteilung der Geschäfte zwischen „den grossen oder den eigentlichen Landtagen " und „den kleineren, den sogenannten Deputationen "; denn um die Zahl der Landtage nicht unnötig zu vermehren, sollten dort nur wichtige Gegenstände behandelt werden, während die laufenden Geschäfte von geringerer Bedeutung durch die Deputationen erledigt werden sollten. 173 Die Schlussfassung auf dem Landtag habe nach dem Mehrheitsprinzip zu erfolgen, jedoch seien die Stimmen dabei „nicht kopfweise" zu zählen, sondern nur die vier Kuriatstimmen der vier Stände („ Curiata ") insgesamt.174

167

Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 378 r, v. Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 378 ν. 169 Dort findet sich hinsichtlich des passiven Wahlrechts ein ähnlicher Anknüpfungspunkt, vgl. J. Zimmermann (1901), S. 36 f.; Wandruszka, Leopold, Bd. I: 1747-1780 (1963), S. 383; Grafi 1998), S. 153, 205, 211 f. 170 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 378 ν. 171 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 378 ν. 172 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 378 ν, 379 r. 173 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 379 r. 174 Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 379 r. 168

78

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

Die „ Deputation " zur Erledigung der laufenden Geschäfte sei permanent in Prag zu errichten, wobei sich Sonnenfels am Vorbild des so genannten ständischen Ausschusses175 orientiert haben mag. Um vor allem dem Bauernstand dort eine ständige Teilnahme zu ermöglichen, werde es den Ständen freigestellt, sich vertreten zu lassen, allerdings unter Ausschluss der „ Advokaten, und was sonst den Partheyen bey Rechtsstellen dienet". 176

b) Der Entwurf Sonnenfels ' vom 12. Februar 1192 für ein Hofdekret an die böhmischen Stände Anlässlich der Anwesenheit böhmischer Abgeordneter, die im Februar 1792 nach Wien gekommen waren, um mit der Hofkanzlei die Wiedereinführung des josephinischen Steuerkatasters in Böhmen zu erörtern, reichte Sonnenfels mit Schreiben vom 12. Februar 1792 einen weiteren Entwurf für ein Hofdekret ein. 177 Wie aus dem Begleitschreiben hervorgeht, hatte Sonnenfels wohl selbst einer Sitzung der Hofkanzlei mit diesen böhmischen Abgeordneten beigewohnt, da er infolge der dortigen Eindrücke die Notwendigkeit unterstreicht, „dem noch überall herrschenden Feodalgeiste eine Verfassung von wahrem Bürger178

geiste entgegenzusetzen . In diesem Entwurf wird eingangs auf ein Hofdekret vom 4. November 1791 Bezug genommen, worin der Kaiser die böhmischen Stände bereits von seiner Absicht in Kenntnis gesetzt haben soll, eine Verfassungsreform zugunsten der Nichtprivilegierten durchzuführen. 179 Danach wiederholt Sonnenfels im Wesentlichen seine bereits dargestellte Argumentation: Wegen der Verantwortlichkeit des Regenten für „das Beste des Ganzen das heißt seiner Pflicht „für das Beste aller Stände, aller Bürger175

Vgl. dazu Kerner, Bohemia in the Eighteenth Century (1932), S. 146 ff. Entwurf Sonnenfels' vom 8. Dezember 1791 (Anhang Nr. 4), fol. 379 ν. 177 HHStA, Kaiser-Franz-Akten, Karton 8 (alt 10a, Konv. 2), fol. 2 r - 3 v , abgedruckt im Anhang Nr. 6; vgl. Wangermann (1966), S. 121; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 140. 178 HHStA, Kaiser-Franz-Akten, Karton 8 (alt 10a, Konv. 2), fol. 1 r, abgedruckt im Anhang Nr. 6. 179 Die Suche nach dem Hofdekret vom 4. November 1791 in HHStA, Kabinettskanzlei, Protokolle, Bd. 78b (1791) blieb erfolglos; insoweit bleibt es daher bei der Bezugnahme im Entwurf Sonnenfels' vom 12. Februar 1792 (Anhang Nr. 6), fol. 2 r: ,,Es werde ihnen ehestens näher bekannt gemacht werden, auf welche Art Ε: M:, das ihnen bewilligte Recht, in wichtigen Veränderungen über die Anwendung der von dem Staate bestimmten Grundsätze gehöret zu werden, mit dem Rechte der übrigen Bürgerklassen in Übereinstimmung gebracht zu sehen wünschen. " Vgl. Wangermann (1966), S. 120; Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution (1980), S. 140; Peham, Leopold II. (1987), S. 265. 176

IV. Ständische Verfassung

79

klassen gleich zu sorgen ", und mit Blick auf die Reichweite der zu erlassenden Verordnungen sei es erforderlich, die Meinung der Normadressaten einzuholen. Der Regelungsgegenstand sei aber so vielgestaltig, dass der Sachverstand des Adels nicht mehr ausreiche, weshalb man auch die übrigen Stände in gleicher Weise beteiligen müsse. 180 Als Konsequenz sei die ständische Versammlung künftig in die schon dargestellten vier „Stände" einzuteilen: „den Geistlichen, der obrigkeitlichen Grundbesitzer, den Industriaistand, den Landmann". 181 Es folgen kurze Ausführungen zu den einzelnen Ständen, die aber im Großen und Ganzen keine neuen Gedanken enthalten.182 Lediglich hinsichtlich des geistlichen Standes folgt die bemerkenswerte Erklärung, dieser bestehe aus „öffentlichen Religions- und Moralitätsbeamten", weshalb ihm auch die „Universitätslehrer" zugerechnet werden. 183 Diese Feststellung ist wohl in Zusammenhang mit der Verleihung der Landstandschaft an die Universität Wien 1 8 4 sowie mit entsprechenden Bemühungen der Universität Prag um deren Erwerb zu sehen.185

2. Das Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 zur Bittschrift des Landmanns in Steiermark Auf dem Landtag des Sommers 1790 hatte der so genannte Städtemarschall als Vertreter der Städte und Märkte ein Gesuch eingereicht, das (beglaubigt von den Bevollmächtigten der Bürger aller fünf steirischen Kreise) eine ange-

180

Entwurf Sonnenfels' vom 12. Februar 1792 (Anhang Nr. 6), fol. 2 r, v. Entwurf Sonnenfels' vom 12. Februar 1792 (Anhang Nr. 6), fol. 2 ν. 182 Entwurf Sonnenfels' vom 12. Februar 1792 (Anhang Nr. 6), fol. 2 ν, 3 r. 183 Entwurf Sonnenfels' vom 12. Februar 1792 (Anhang Nr. 6), fol. 2 ν. 184 Vgl. Kropatschek (Hrsg.), Sammlung der Gesetze, welche unter der glorreichsten Regierung des Kaisers Leopold des II. in den sämmentlichen K.K. Erblanden erschienen sind, in einer chronologischen Ordnung, Bd. V (1792), S. 22, Nr. 1014, Hofresolution Niederösterreich betreffend vom 11. Jänner 1791: „Daß Herr Rektor Magnißkus als Repräsentant der Universität bei der ständischen Versammlung auf der Prälatenbank Sitz und Stimme habe. " 181

185 Vgl. Adler, Die Unterrichtsverfassung Kaiser Leopolds II. (1917), S. 78 i.V.m. Beilage D, S. 136. Nach Toman, Das Böhmische Staatsrecht (1872), S. 201 sei bereits durch ein Hofdekret vom 5. Dezember 1791 der Universität Prag als Besitzerin eines landtäflichen Guts, in Person ihres Rektors, Sitz und Stimme auf der geistlichen Bank des Landtags zugesprochen worden; eine entsprechende Suche in HHStA, Kabinettskanzlei, Protokolle, Bd. 78b (1791), in Sr. k. k. Majestät Leopold des zweyten politische Gesetze und Verordnungen, Bd. III: Zweyte Hälfte des Jahrs 1791 (1792) und Bd. IV (1792), „Alphabetisches Register" sowie in Kropatschek (Hrsg.), Bd. V (1792), „Hauptverzeichniß" blieb ergebnislos.

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C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

messene Vertretung im Landtag selbst sowie im so genannten VerordnetenKollegium erbat. 186 Da die privilegierten Stände diese Eingabe als ordnungswidrig verworfen hatten, wandten sich die Bevollmächtigten der Städte mit einer Petition an Leopold nach Wien, wo es ihnen gelang, von der Kommission für die ständischen Begehren angehört zu werden. 187 Die daraufhin erlassene Hofresolution vom 17. Mai 1791 gewährte den steirischen Städten das Recht, künftig neben dem Städtemarschall zusätzlich zwei Abgeordnete je Kreis, insgesamt also weitere zehn Abgeordnete, in den Landtag zu entsenden, sowie einen Vertreter in das Verordnetenkollegium. 188 Durch den Erfolg der Bürger ermutigt, wählten nach deren Vorbild nun auch die Bauern bis Ende Juli Bevollmächtigte. 189 In der Bittschrift, die dem neuen, am 9. August 1791 (mit den bürgerlichen Abgeordneten) zusammengetretenen Landtag vorgelegt wurde, forderten diese Bevollmächtigten mit einer eingehenden Begründung für die Bauern ebenfalls eine Vertretung im Landtag durch drei Abgeordnete je Kreis. 190 Der Landtag lehnte jedoch eine Erörterung ohne schriftliche Begründung ab, so dass auch die Bevollmächtigten der Bauern in Wien vorstellig wurden und dort am 25. November 1791 ein Majestätsgesuch einreichten. 191 Leopold übermittelte mit Handbillett vom 4. Dezember 1791 diese Petition der Hofkanzlei und verlangte von jedem Hofrat ein individuelles Gutachten hierzu. 192 Bei der Mehrzahl der Hofräte fiel das Votum zugunsten der steiri186

Bidermann, Die Verfassungs-Krisis in Steiermark (1873), S. 33; Wangermann (1966), S. 91 f. 187 Bidermann, Die Verfassungs-Krisis in Steiermark (1873), S. 33; Wangermann (1966), S. 92, 119. 188 Bidermann, Die Verfassungs-Krisis in Steiermark (1873), S. 37; Wangermann (1966), S. 92, 119. 189 Wangermann (1966), S. 92 f. 190 Wangermann (1966), S. 93 f.; ebd. abgedruckt: „Die Beweggründe!" der Bauern für ihre Bittschrift an den Landtag, HHStA, Kaiser-Franz-Akten, Karton 8 (alt 10a, Konv. 1), fol. 14 r - 15 r. 191 Wangermann (1966), S. 94. 192 Original des Handbilletts in HHStA, Kaiser-Franz-Akten, Karton 8 (alt 10a, Konv. 1), fol. 2 r; ferner HHStA, Kabinettskanzlei, Protokolle, Bd. 78b (1791), Nr. 871, 4. Dezember 1791, fol. 368 r: „Lieber Graf Kollowrath! Die Bauern Steyermarks haben mit nebenkommender Bittschrift das Ansuchen gemacht, als natürliche Stände zu den Landtagen ihre Deputaten und Verordneten schicken zu dürfen. Da dieser Gegenstand in allem Anbetrachte sehr wichtig ist, und alle Rücksicht verdienet, so werden sie ihn bei der Kanzlei unverzüglich untersuchen und im Rathe vornehmen lassen, und Mir so nach einem Bericht samt ihrer Wohlmeinung, wie auch jener des Hofkanzlers Freiherrn v. Kresel und der sämmtlichen Hofräthe separirter zu Meiner Einsicht und Schlußnehmung heraufgeben. Wien den 4. Dezember 1791 Leopold" (eigenhändige Unterschrift) Wangermann (1966), S. 119.

IV. Ständische Verfassung

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sehen Bauern aus, zumal ein Hofrat mutmaßte, dass die Entscheidung über das „ob" beim Kaiser schon gefallen sei und es nur mehr um das „wie" ginge. 193 Auch Sonnenfels gab daraufhin ein eingehendes Gutachten ab, 194 das deutliche Parallelen zu seinem Entwurf vom 8. Dezember 1791 für die böhmischen Stände aufweist. 195 Gleich eingangs betont Sonnenfels darin die besondere Tragweite dieses Gegenstandes, der sich nicht auf die Steiermark beschränke, sondern alle Erbländer betreffe. 196 Ausschlaggebend sei die Beantwortung folgender drei Kardinalfragen: Zum ersten, ob die Bauern ein Recht hätten, ebenfalls an den ständischen Versammlungen teilzunehmen. Zweitens, ob die dort bereits vertretenen Klassen Einwendungen gegen diesen Anspruch erheben könnten. Und schließlich drittens, ob der Landesfürst gegebenenfalls auch gegen solche Einwendungen dem Bauernstand die Landstandschaft bewilligen könne. 197 Was den Anspruch der Bauern auf die Landstandschaft anginge, dürften Begriff und Zweck der Landtage nicht außer Acht gelassen werden. Diesbezüglich wird auch auf den fünften Punkt in den „ Beweggründen " der Petition 198 Bezug genommen. Die Stände würden im Landtag zusammentreten, „um dem Regenten über Gegenstände, die das Wohl des ganzen Landes betreffen, Aufklärung zu geben Das Wohl des ganzen Landes sei wiederum mit dem Wohl aller Bürgerklassen gleichzusetzen. Wegen der starken Verflechtung und den Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Klassen sei es für die öffentliche Verwaltung unumgänglich, Mitglieder aller Bürgerklassen in die Landtage zu berufen. 199

193 Wangermann (1966), S. 119 f. Vgl. die einzelnen Voten in HHStA, Kaiser-FranzAkten, Karton 8 (alt 10a, Konv. 1): Kollowrat, fol. 80 r - 83 r; Kreßel, fol. 84 r - 85 r; Haan, fol. 86 r - 9 1 r; Gröller, fol. 92 r - 9 7 v; Saurau fol. 98 r - 106 r; Grohmann, fol. 108 r - 109 r; Sonnenfels, fol. 110 r - 115 r; Edling, fol. 116 r - 118 r; Greiner, fol. 120 r - 121 r; Koller, fol. 122 r - 127 v. 194 HHStA, Kaiser-Franz-Akten, Karton 8 (alt 10a, Konv. 1), fol. 110 r - 115 r, abgedruckt im Anhang Nr. 5; vgl. Wangermann (1966), S. 89; Reinalter, Joseph von Sonnenfels als Gesellschaftstheoretiker, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 139-156, 143 f. 195 s.o., S. 75 ff. 196 Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 110 r. 197 Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. l l O r ; Reinalter, Sonnenfels als Gesellschaftstheoretiker, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 143 f. 198 Vgl. „Die Beweggründe/", HHStA, Kaiser-Franz-Akten, Karton 8 (alt 10a, Konv. 1), 14 ν, 15 r; ferner abgedruckt bei Wangermann (1966), S. 94: „5 tens Die Stände erscheinen bey dem Landtage um Seiner Majestät über Gegenstände, die das Wohl des ganzen Landes, und folglich auch des Bauern betrefen, Aufklärung zu geben; sein eigen Wohl, und Weh kennt der Bauer am gewissesten. " 199 Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 110 ν; Wangermann (1966), S. 89.

6 Wagner

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C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

Daneben sei es ein Gebot der Billigkeit, dass der Bauer als Bürger die Landstandschaft erhielte, da er ja schließlich auch alle Lasten der Bürgerschaft trage. Dabei wird ausdrücklich auf den vierten Punkt in den „ Beweggründen " der Petition 2 0 0 verwiesen. So würden die Bauern etwa bei der Landesverteidigung einen höheren Blutzoll entrichten als der Adel, ohne aber dessen steuerliche Vergünstigungen zu genießen.201 Im Übrigen sei die Feudalverfassung aufgehoben, so dass kein Bauer mehr als Untertan seines Grundherren angesehen werden könne. Denn kein Bürger könne der Untertan eines Mitbürgers sein. Lediglich hinsichtlich des bäuerlichen Besitzrechtes sei noch zwischen „Grundhold, Pächter, Kolon oder Grundsaß" zu differenzieren. 202 Ferner sei zu bedenken, dass der Bauernstand nicht nur der nützlichste Stand, sondern auch der zahlreichste an Bevölkerung und Besitz sei. Es würde daher Sinn und Zweck des Landtages vollkommen widersprechen, wenn man weiterhin darauf verzichten wollte, den größten Bevölkerungsteil nicht zu Gegenständen zu hören, die ihn beträfen und an denen dieser den größten Anteil nehmen würde. 203 Dem Bauern stehe somit ein gebührender Anspruch auf die Landstandschaft zu: „als Bürger des Staats; als der zahlreichste Stand der Staatsbürger; als der Stand, von dem die Verwaltung über die auf ihn sich beziehenden Vorkehrungen die zuverlässigste Aufklärung erwartet" Die zweite eingangs gestellte Frage, ob die bislang privilegierten Klassen irgendwelche Einwendungen gegen die Landstandschaft der Bauern erheben könnten, wird klar verneint. Soweit sie ihre eigene Landstandschaft auf die „ Wesenheit der Bürgerschaft" zurückführten, sei es schlechterdings unmöglich den Bauer davon auszuschließen, da auch dieser „Bürger" sei. Soweit sie bezüglich ihrer Landstandschaft auf die „ Verleihung der Regenten " abstellten, bleibe festzuhalten, dass der Monarch durch keinerlei Abrede daran gehindert sei, weitere Verleihungen vorzunehmen. Soweit sich die privilegierten Klassen schließlich auf ein „längeres Herkommen" beriefen, sei dies ebenfalls nicht geeignet, eine weitere Verleihung der Landstandschaft zu unterbinden. Denn 200 Vgl. „Die Beweggründe!", HHStA, Kaiser-Franz-Akten, Karton 8 (alt 10a, Konv. 1), 14 v; ferner abgedruckt bei Wangermann (1966), S. 93 f.: „4tens Der zu den Lasten des Staates das meiste beyträgt, der soll auch bey den Beratschlagungen über die Landesangelegenheiten eine Stimme zu geben befugt seyn; der Bauer trägt diese Lasten am meisten gedrücket, und gibt über dieß seine ihm hilfreichen Söhne zur Vertheidigung des Vaterlandes her. " 201 Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 110 ν; Reinalter, Sonnenfels als Gesellschaftstheoretiker, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 144. 202 Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 110 v. 203 Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 111 r; Reinalter, Sonnenfels als Gesellschaftstheoretiker, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 144. 204 Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 111 r.

IV. Ständische Verfassung

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weder die Rechte noch die Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag seien der Verjährung unterworfen. So könne der Regent weiterhin ohne Einschränkung die Landstandschaft verleihen, wenn er dies für das Allgemeinwohl als zuträglich erachte. Die Bürger wiederum seien ihres Rechtes auf die Landstandschaft nie verlustig gegangen, da dieses zu keiner Zeit und i n keiner A r t für ihre V o r fahren disponibel gewesen sei. 2 0 5 I m H i n b l i c k auf die dritte Frage werde der Landesfürst daher folgerichtig durch nichts daran gehindert, den Bauernstand gegebenenfalls auch gegen den Widerstand der übrigen Stände i n den Landtag aufzunehmen. Der Regent komme insofern nur seiner Pflicht als Schiedsrichter zwischen den widerstreitenden Interessen der verschiedenen Klassen nach, wenn er den „unbilligen

Anma-

ssungen " der einen Klasse Schranken setze und die andere Klasse wieder i n den Besitz eines Rechtes einweise, „dessen sie nur drückung, te". 206

durch den Zusammenßuß

Unwissenheit,

der Umstände unterstützet,

oder

Unter-

entsetzt hat-

Unweigerlich fühlt man sich durch all diese Formulierungen Sonnenfels'

bezüglich der Restitution politischer Rechte an leopoldinisches Gedankengut erinnert. 2 0 7

205

Votum Sonnenfels* vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 111 r, ν. Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 111 ν. 207 Vgl. „Punti ed osservazioni sopra l'affare della formazione delli stati " Mai 1780 bei J. Zimmermann (1901), Anhang Nr. 3, S. 112: alli componenti il Gran Ducato di Toscana quella loro libertà, ed M ... da restituire autorità naturale a cui non hanno mai renunziato, nè potuto, anche volendo, renunziare, ..." Dt. Übers, nach Dickmann (Bearb.), Geschichte in Quellen, Bd. III (1966), Nr. 329, S. 651 f f , 652: „... den Bewohnern des Großherzogtums Toskana die angeborene Freiheit und Selbstbestimmung zurückzugeben, auf die sie nie verzichtet haben, nie verzichten konnten und auch nicht verzichten wollten, ..." „Proemio " 1782 bei J. Zimmermann (1901), Anhang Nr. 4, S. 128 f.: „... di restituire a tutti i sudditi del nostro granducato di Toscana, la loro piena libertà naturale ..., nonostante tutto ciò che direttamente, ο indirettamente potesse addursi in contrario in vigore delle loro obligazioni stipulate, e promesse fatte per mezzo di altri atti, ο consensi ... che nè i viventi nostri sudditi, nè i loro autori potevano mai essere spogliati, nè essi spogliarsi di quelle facoltà legittime delle quali nacquero già investiti dalla natura nella società politica, ο sia nello Stato che fu la loro patria. " 206

„Proemio " 1787 bei Grafi 1998), S. 23: di restituire a tutti i Sudditi del nostro GranDucato di Toscana, la loro piena libertà naturale ..., non ostante tutto ciò che direttamente ò indirettamente potesse addursi in contrario in vigore delle loro obligazioni stipulate, e Promesse fatte per mezzo di altri Atti ο Consensi ... che nè i viventi nostri Sudditi, nè i loro Autori potevano mai esser spogliati, nè essi spogliarsi legittimamente di quelle facoltà delle quali nacquero già investiti dalla Natura nella Società politica ο sia nello Stato che fu la loro Patria. " 6*

84

C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

Nach diesem eher theoretischen Teil geht das Votum nun auf die möglichen Konsequenzen und die Tragweite der Entscheidung ein. Dabei wird festgestellt, dass die allgemeine Stimmung gegen die öffentliche Verwaltung nicht die beste sei. Dies sei zwar nicht zuletzt noch eine Erblast der vorangegangenen Regieerfolgte rung, doch habe auch die neue durch „ die mit so vieler Eilfertigkeit Aufhebung der Steuerregulirung" die Gräben zwischen den Klassen eher vertieft. 208 Angesichts dieser kritischen Ausgangslage und des Umstandes, dass die Petition durch eine Vollmacht von 1600 Bauern getragen werde, was auf eine hinreichende Organisation der Bauern schließen lasse, bleibe der Regierung keine andere Wahl mehr, als den Anträgen stattzugeben. Es komme nur noch darauf an, möglichst großen Nutzen aus der Bewilligung zu ziehen und das Ansehen der Regierung wieder zu verbessern. 209 Die Bauern in den anderen Provinzen der Monarchie und in ganz Deutschland könnten sich das Verhalten der steirischen Bauern in absehbarer Zeit zum Vorbild nehmen und ähnliche Forderungen erheben. Es gelte daher, Zusammenschlüsse der Bauern in den einzelnen Provinzen oder gar über mehrere Provinzen hinweg zu vermeiden, indem die Regierung schnell und entschlossen die erhobenen Forderungen erfülle. 210 Deshalb sei in dieser Angelegenheit von den Ständen keine weitere Stellungnahme mehr einzuholen, da die adeligen Güterbesitzer ohnehin keine erheblichen Einwendungen geltend machen könnten. Im Übrigen sei von Seiten der Stände nur weiterer Widerstand zu befürchten, der wertvolle Zeit kosten würde. Schließlich sollte man diese Gelegenheit nutzen, durch die Gewährung der Landstandschaft das Ansehen der Regierung beim weitaus größten Teil der Nation zu verbessern. 211 Aus diesem Grunde sei es ratsam, in allen Provinzen die ständische Versammlung nach einem „allgemeinen Plan" zu reformieren, um dadurch „in einem vorzüglichen Theile der Verfassung Gleichförmigkeit" herzustellen. 212 Dt. Übers, nach Graf{ 1998), S. 79: „... allen Untertanen Unseres Großherzogtums Toskana ihre volle natürliche Freiheit wiedergeben ..., ungeachtet all dessen, was direkt oder indirekt dagegen angeführt werden könnte, durch vereinbarte Verpflichtungen oder durch gegebene Versprechen mittels anderer Akte oder Übereinkünfte ..., daß weder Unseren jetzt lebenden Untertanen noch ihren Vorfahren jemals rechtmäßigerweise diese Befugnisse, mit denen sie schon von Natur aus ausgestattet in die Gesellschaft oder in den Staat, der ihre Heimat ist, hineingeboren wurden, genommen werden konnten, noch sie sich ihrer selbst entledigen konnten. " 208 209 210 211 2,2

Votum Sonnenfels' Votum Sonnenfels' Votum Sonnenfels' Votum Sonnenfels' Votum Sonnenfels'

vom vom vom vom vom

14. Dezember 14. Dezember 14. Dezember 14. Dezember 14. Dezember

1791 (Anhang Nr. 1791 (Anhang Nr. 1791 (Anhang Nr. 1791 (Anhang Nr. 1791 (Anhang Nr.

5), fol. 5), fol. 5), fol. 5), fol. 5), fol.

112 r. 112 ν. 113 r. 113 r, ν. 113 ν.

IV. Ständische Verfassung

85

Denn die ständischen Versammlungen könnten ihre eigentliche Aufgabe, dem Regenten „ über Gegenstände, die das Beste des ganzen Landes betreffen,

Auf-

klärung zu geben ", nur erfüllen, wenn i n ihnen hinreichender Sachverstand aus allen Klassen vertreten sei. 2 1 3 Hieraus folge die Notwendigkeit, die Provinzialstände in vier Klassen oder wie man sie sonst nennen will"

so wie i m Entwurf v o m 8. Dezember 1 7 9 1 2 1 4 auch hier in: „Die der adelichen Landmannes"

Güterbesitzer: }xs

die Klasse des Industriaistandes:

Zurecht weist Reinalter

„Abtheilungen,

umzustrukturieren, nämlich ebenGeistliche:

die

die Klasse des

daraufhin, dass diese Einteilung der

Stände, die Sonnenfels hier vornimmt, von der i n seinen Politischen Abhandlungen aus dem Jahre 1777 abweicht. 2 1 6 Die „Geistlichkeit"

sei zwar ursprünglich nur als Güterbesitzer i n die Land-

tage aufgenommen worden und stelle daher eigentlich keinen besonderen Stand dar, jedoch habe sie keinen Anlass gegeben, ihr die Landstandschafit zu entziehen. Zudem sei es ein Gebot der Klugheit, die Geistlichkeit, die einen so großen Einfluss auf das V o l k auszuüben vermag, nicht i n ihren Rechten zu kränken. Daneben führt Sonnenfels einen gegenüber dem Entwurf v o m 8. Dezember 1791 neuen, eher taktischen Gedanken ins Feld: Wenn der geistliche Stand

213

Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fçl. 113 v. s.o., S. 76 Fn. 165. 215 Votum Sonnenfels' vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 114 r. 216 Reinalter, Sonnenfels als Gesellschaftstheoretiker, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 144 f. i.V.m. S. 143. Vgl. Sonnenfels, Versuch über das Verhältniß der Stände, in: Politische Abhandlungen (1777), S. 89-152, 108 f.: „Die allgemeinste Eintheilung der Stände die sich darstellet, ist die Eintheilung in plattes Land, und Städte. Jenes ist von Ackersleuten, und derjenigen Gattung von Menschen bewohnt, die sich mit der Landwirthschaft beschäftigen. Diese fassen verschiedene Stände in sich, die sich am föglichsten in vier Classen eintheilen lassen. Die erste Classe ist der Adel im weitesten Verstände. Die zweyte sind diejenigen, welche dem Staate durch ihre Bemühungen alles verschaffen, was er zu seiner Erhaltung bedarf Diese enthält Handelsleute, Manufakturisten, nutzbare Künstler, Handwerker. In der dritten werden diejenigen gerechnet, welche ihren Unterhalt von dem Staate ziehen, dem sie entgegen ihre Dienste widmen. Hieher zähle ich die Geistlichkeit, die Hofstat, die Truppen, Gelehrte mit ihren Unterabtheilungen, belustigende Künstler, Dienstgesinde. Die vierte Classe endlich begreift diejenigen, welche ihren Unterhalt von dem Staate umsonst ziehen, nicht nur ohne dagegen wieder einige Dienste zu leisten, sondern selbst mit allgemeinem Nachtheile. Dergleichen sind, die von ihren Zinsen leben, unbedienstete Leute, Bettler. Durch diese Eintheilung will ich gar nicht den Vorzug der Stände bestimmet haben. Ich habe sie erwählet, weil sie mich zu stückweisen Betrachtungen am föglichsten zu lenken scheinet. " Vgl. dazu Kann, Kanzel und Katheder (1962), S. 170; Lentze, Österreich in Geschichte und Literatur 16 (1972), Heft 6, S. 301; Stollberg-Rilinger (1999), S. 229 Fn. 155. 214

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C. Die Wiederaufnahme der Arbeiten unter Leopold II.

weiter neben dem der adeligen Güterbesitzer bestehen bleibt, könnten diese beiden Stände ein Gleichgewicht gegen die beiden anderen Stände schaffen, so dass bei einem derartigem Patt dem Regenten selbst die ausschlaggebende Entscheidung zufallen würde. 217 Die Ausführungen zur Klasse der „ adelichen Güterbesitzer ", zum „ Industri alstand" und zur „Klasse des Landmanns" stimmen mit dem Entwurf vom 8. Dezember 1791 218 völlig überein. 219 Auch bezüglich der folgenden Gesichtspunkte argumentiert Sonnenfels wie in seinem Entwurf vom 8. Dezember 1791: 220 So wird im Hinblick auf die Wahl der Repäsentanten wiederum auf das Vorbild der Tiroler Verfassung abgestellt. 221 Die „Repräsentation" der Stände auf dem Landtag sei in ein „gleiches Verhältniß" zu bringen, um ein „Gleichgewicht der Berathschlagung und Schlußfassung" zu gewährleisten. Da sich der Landtag nicht aus „homogenen ", sondern aus „heterogenen Theilen" zusammensetze, wird wiederum eine „kopfweise" Abstimmung verworfen und stattdessen eine Abstimmung nach den vier Ständen, den „ Curiata ", befürwortet, wobei das Mehrheitsprinzip entscheiden solle. 222 Um schließlich die Zahl der abzuhaltenden „Landtage" nicht unangemessen zu erhöhen, wiederholt Sonnenfels die von ihm vorgeschlagene Aufgabenteilung zwischen den eigentlichen Landtagen und dem „beständigen Ausschuß", der zur Erledigung der „geringeren und laufenden Geschäfte" in der Hauptstadt jeder Provinz einzurichten sei und auf dem sich die Stände in der bereits dargestellten Weise vertreten lassen könnten. 223 Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass sich Sonnenfels 1791/92 nachdrücklich für eine Reform der Landstände in seinem Sinne einsetzte. Dabei, so Stollberg-Rilinger, betrachtete er die Stände nicht als „Inhaber politischer Partizipationsrechte", sondern als „hierarchisch gestufte wirtschaftlich-soziale Funktionsgruppen, deren Verhältnisse untereinander und vor allem zum Staatsganzen der genauen Steuerung und Kontrolle bedurften, damit ihre divergierenden Einzelinteressen zum gemeinsamen Endzweck zusammen liefen". 224 Die von Sonnenfels vorgesehene Unterteilung der Stände in die vier dargestellten Gruppen 217 2,8 219 220 221 222 223 224

Votum Sonnenfels' s.o., S. 77. Votum Sonnenfels' s.o., S. 77 f. Votum Sonnenfels' Votum Sonnenfels' Votum Sonnenfels' Stollberg-Rilinger

vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 114 r, ν. vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 114 ν. vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 114 ν. vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 115 r. vom 14. Dezember 1791 (Anhang Nr. 5), fol. 115 r, ν. (1999), S. 229.

IV. Ständische Verfassung

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blieb letztlich hinter dem Standpunkt Leopolds zurück, den dieser im Rahmen seines toskanischen Verfassungsprojekts vertreten hatte: Dort war der Geistlichkeit, den Städten und dem Adel die Eigenschaft eines eigenen Standes überhaupt abgesprochen worden und stattdessen nur noch zwei Bevölkerungsgruppen anerkannt, die Besitzenden und die Nicht-Besitzenden.225 Hervorzuheben ist aber, dass Sonnenfels seinem Standpunkt auch später treu blieb, als er eine angemessene Vertretung aller Volksklassen in den ständischen Versammlungen befürwortete, um so eine Gesetzgebung zu gewährleisten, die das gemeinsame Wohl aller im Auge hatte. 226

225

„Idea sopra il progetto della creazione dei stati" bei J. Zimmermann (1901), Anhang Nr. 6, S. 192: „In molti paesi ove vi sono ancora stati, questi si dividono in ecclesiastici, nobiltà, ed anche, in qualche luogo, le città fanno uno stato da sè; ma questo è tutto erroneo ; in nessuno Stato, ο società vi può essere più di uno stato, tutt ' al più diviso in due classi, cioè di possessori, e non possessori, giacché chiunque possieda, ed abita nello Stato ha un ugual diritto alla quiete, sicurezza ed assicurazione delle proprietà, ed ha l'inspezione delli affari dello Stato, senza distinzione di rango, ο condizioni. Li ecclesiastici non possono formare uno stato, ... Non le città, ...La nobiltà può fare molto meno uno stato a parte ; ..." Vgl. dazu ebd, S. 85; Wandruszka, Leopold, Bd. I: 1747-1780 (1963), S. 374 f.; Graf ( 1998), S. 172. 226 Sonnenfels, Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. I (1798), §166, S. 460 ff.; vgl. dazu Stollberg-Rilinger ( 1999), S. 230.

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz I I . (I.) Anlässlich der durch kaiserliches Handschreiben vom 13. November 1792 angeordneten Vereinigung der böhmisch-österreichischen Hofkanzlei mit der Hofkammer zum sog. „Direktorium" wurde ausdrücklich betont, dass Sonnenfels mit der Leitung der politischen Gesetzsammlung auch weiterhin betraut bleibe.1 Vom 4. Januar 1796 datiert ein Schriftstück, das eingangs keine Anrede aufweist und am Ende die Unterschrift von Sonnenfels erkennen lässt, die allerdings ungültig gemacht wurde, so dass es als Konzept oder Abschrift einzustufen sein dürfte. 2 Inhaltlich wird darin zunächst auf drei Vorträge vom 7. [...] 1792, 3. Februar 1792 und 25. Au[ ] 1792 Bezug genommen, die allesamt nicht erhalten sind.3 In der Folge kreidet Sonnenfels privaten Gesetzsammlungen einige schwere Mängel an. So seien Einzelfallregelungen ohne entsprechenden Hinweis auf ihren beschränkten zeitlichen Geltungsanspruch eingereiht worden. 4 Auch hätten manche Verordnungen nach ihrem Regelungsgegenstand keine Aufnahme finden dürfen, während wiederum andere einschlägige Verordnungen

1 HHStA, StR-Prot. 1792/1V (lfd. Bd. 128), 5421 ex 1792; ferner abgedruckt bei Walter (Bearb.), ÖZV, II. Abt., Bd. V: Die Zeit Franz' II. (I.) und Ferdinands I. 17921848 - Aktenstücke (1956), Nr. 61, S. 297-306, 305: „Die Aufhebung der Böhmisch Öen Hoßcanzley, und Hqfkammer, und Zusammenziehung bey der H of stellen in ein Directorium betr. Allerh. Handbillet an Graf Kollowrath Ich habe nach reifer Überlegung den Entschluß gefaßt, Meine Böhm. Öe Hofkanzley mit der das hung, siebenb. Kamerale zugleich besorgenden Hofkammer in die engste Verbindung zu bringen. In dieser Absicht geht mein Wille dahin: ... §31 Dem Hofrathe von Sonnenfels bleibt, ohne den DirectorialRathssitzungen persönlich beizuwohnen, die Rectificirung des Styls von Patenten, und gedruckten Verordnungen, und so auch die Leitung der politischen Gesetzsammlung wie bisher noch fernerhin aufgetragen. ..." Osterloh (1970), S. 215. Zur Errichtung des Direktorium vgl. Walter (Bearb.), ÖZV, II. Abt., Bd. 1/2, Teil 2: Die Zeit Franz'II. (I.) und Ferdinands I. 1792-1848 (1956), S. 217 ff. 2 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 4. Januar 1796, fol. „133" r - „134" v, abgedruckt im Anhang Nr. 7; vgl. Osterloh (1970), S. 215. 3 Konzept Sonnenfels' vom 4. Januar 1796 (Anhang Nr. 7), fol. „133" r. 4 Konzept Sonnenfels' vom 4. Januar 1796 (Anhang Nr. 7), fol. „133" ν.

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

89

fehlten. 5 Schließlich seien Sprache und Stil der österreichischen Gesetzgebung immer noch unbefriedigend, was auf zwei verschiedene Textierungen zurückzuführen sei. 6 I m Anschluss an Osterloh ist daher mit guten Gründen anzunehmen, dass die Arbeiten am politischen Kodex nicht v ö l l i g einschliefen. 7

I. Die Tätigkeit Sonnenfels 9 in der Revisionshofkommission Unterdessen sollte sich für Sonnenfels sogar die Möglichkeit eröffnen, unmittelbar auf die Arbeiten an der Kodifikation des Zivilrechts Einfluss zu nehmen und dort ebenfalls seine staats- und rechtstheoretischen Ansichten einzubringen. Wegen der Auswirkungen auf die Arbeiten am politischen Kodex soll hierauf i m Folgenden näher eingegangen werden.

1. Die Einsetzung der Revisionshofkommission Die unter dem Vorsitz Martinis mit der Redaktion des bürgerlichen Gesetzbuchs befasste Hofkommission i n Gesetzsachen hatte den sechs Hauptstücke umfassenden Ersten T e i l ihres Entwurfes (sog. „ E n t w u r f von 1794" 8 ) m i t V o r -

5

Konzept Sonnenfels' vom 4. Januar 1796 (Anhang Nr. 7), fol. „134" r. Konzept Sonnenfels' vom 4. Januar 1796 (Anhang Nr. 7), fol. „134" ν. 7 Osterloh (1970), S. 215. 8 Der „Entwurf von 1794" ist weder mit dem von Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886) edierten „Entwurf Martini" noch mit dem WGGB völlig identisch, vgl. Pfaff Rezension zu Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bde. IV und V, in: JB1 16 (1887), S. 270 Fn. 42. Soweit Hebeis, Karl Anton von Martini (1996), S. 112 Fn. 59 behauptet, dass der bei Pf äff Zur Entstehungsgeschichte des WGGB (1890), als „Entwurf von 1794" bezeichnete Entwurf der „Entwurf Martini" sei, so ist dies missverständlich: Denn der „Entwurf von 1794", soweit man ihn denn als einen jüngeren „Entwurf Martini" bezeichnen möchte, weicht von dem durch Harrasowsky edierten, älteren „Entwurf Martini" an einigen Stellen durchaus ab, worauf in den Anmerkungen bei C.Th., Bd. V (1886) auch stets hingewiesen wird, zum Beispiel ebd., S. 4 Anm. 1. 6

Dem „Entwurf Martini" bei Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886) liegt „eine die Beschlüsse der Commission wiedergebende Abschrift zu Grunde. ... Über die Abänderungen, welche der Entwurf nach dem Ende der commissionellen Berathungen erfahren hat, fehlt es an jeder Aufklärung." Vgl. C.Th., Bd. IV (1886), Einleitung, S. 9 Fn. 21. Mithin ist dieser „Entwurf Martini" eine Vorstufe des „Entwurfs von 1794". Der „Entwurf von 1794" stellt seinerseits wiederum eine Vorstufe des WGGB dar, da zwischen beiden „in vielen Nebenpunkten" Abweichungen bestehen, vgl. Pfaff Zur Entstehungsgeschichte des WGGB (1890), S. 14 f. Fn. 30; ebd., S. 15 ff. finden sich in den Fußnoten wertvolle Hinweise auf den „Entwurf von 1794". Das WGGB selbst existiert in einer nicht publizierten und einer veröffentlichten Ausgabe, deren jeweilige Fassung bei Pfaff Zur Entstehungsgeschichte des WGGB

90

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

trag vom 3. Mai 17949 zur Sanktionierung direkt dem Kaiser vorgelegt, dem Direktorium aber lediglich das Sechste Hauptstück über das Dienstbotenrecht übermittelt, was dort nachdrücklichen Widerstand hervorrief. 10 Die Hofkommission in Gesetzsachen signalisierte daraufhin in der von Keeß entworfenen Note vom 10. Mai 1794, mit der sie auf das Ersuchen des Direktorium um Mitteilung des gesamten Ersten Teils antwortete, ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Entgegenkommen.11 Doch auch der Staatsrat befürwortete angesichts die(1890), S. 15 ff. einander gegenübergestellt wird. Vorliegend wurde allerdings der in JGS 1797, Nr. 337, S. 258-472 veröffentlichte Text verwendet; Zitierweise nach Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. II (1966), S. 392. Der sog. „Urentwurf' schließlich, wie er sich bei Ofner (Hrsg.), Urentwurf, Bd. I (1889), S. I-CLII findet, war Grundlage der Beratungen der Jahre 1801 ff.; allerdings stimmt er mit dem WGGB fast wörtlich überein, ebd., S. C X L V I I I Anm. *. Die durch Ofner erfolgte Edition wurde daher zum Teil als unnütz und überflüssig kritisiert, da andere wichtige Quellen, wie etwa der „Verneuerte Entwurf von 1792", nicht ediert sind, vgl. Pfaff Rezension zu Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bde. IV und V, in: JB1 16 (1887), S. 269 Fn. 38; ders., Rezension zu Ofner (Hrsg.), Urentwurf, in: JB1 18 (1889), S. 303, insbesondere Fn. 8. Die Replik hierauf Ofner, JB1 18 (1889), S. 397-399. 9 „ Vortrag ... vermittelst welchem der 1. Theil des bürgerlichen Gesetzbuchs, welcher die Begriffe über Recht und Gesetz, über den Stand der Bürger und über die verschiedenen Familienverhältnisse in sich fasset, vorgelegt wird", worin „mit Hinweisung auf den Text des Entwurfes die Ursachen der neuen Zusätze, der Hinweglassung dessen was bestand und der wichtigsten Abänderungen in 48 Bemerkungen ausgeführt" wurden, vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 107 f.; Binder/Suchomel, Zur Lebensgeschichte des Hofrates Franz Georg Edlen von Keeß - Mitteilungen aus dem Archive des k. k. Justizministeriums, FS ABGB, Teil I (1911), S. 355-377, 372 f.; Auszüge bei Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefi 2-4 (1889), S. 379 f.; Pfaff, Zur Entstehungsgeschichte des WGGB (1890), S. 14 ff. Fn. 30 und 32. 10

Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 156 ff.; ders. (Hrsg.), C.Th., Bd. IV (1886), Einleitung, S. 9; Pfaff/Hofmann, Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 20; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 106 f.; Binder/Suchomel, FS ABGB, Teil I (1911), S. 373; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 187 f.; ders., Privatrechtskodifikation und Staatsbildung (1976), S. 75; Osterloh (1970), S. 180; Hebeis, Karl Anton von Martini (1996), S. I l l ; Neschwara, Art. „Westgalizisches Gesetzbuch", HRG, Bd. V, Sp. 1308-1313, 1309. 11 Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 380 Fn. 11: „Die Note spricht die Geneigtheit der Hofcommission aus, mit dem Directorium bei allen neuen Gesetzentwürfen das Einvernehmen zu pflegen, ,in dem freundschaftlichen Vertrauen daß das Directorium ,nur in diejenigen Gegenstände einzugehen belieben werde, welche auf das publico-politicum wirklich reellen Einfluß haben, maßen die Bestimmung über Recht und Pflicht von der Art ist, daß je mehr sich der Einfluß in die Stimmgebung erweitert, desto mehr sich auch das Reich der Meinungen verbreite, so meistens auch die Schreiberei ohne Zweck vermehrt, gleichwie die eingelangten Berichte deren in den gesammten Provinzen zusammengesetzten Commissionen den Beweis darstellen, wo nicht ein einziger Punkt durch die Allgemeinheit oder die Mehrheit der Stimmen angegriffen, vielmehr der ganze Entwurf nach der Mehrheit der Stimmen begnehmiget worden, sondern die vorgefallenen hundert und abermal hundert Bemerkungen sich beinahe durchgehends auf isol irte Meinungen zurückziehen, bei denen jeder Kopf andere Ideen faßte, wodurch die Arbeit nur auf einen unendlichen Zeitraum hinausgedehnet, unnütz erschweret, vom

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

91

ses Verstoßes gegen den üblichen Geschäftsgang eine stärkere Einbindung des Direktoriums. 12 Zwar versuchte die Hofkommission in Gesetzsachen durch ihren Vortrag vom 5. Juli 1794 unter Hinweis auf den drohenden Zeitverlust ihr Vorgehen nochmals zu rechtfertigen. 13 Gleichwohl erreichte das Direktorium, dass der Entwurf von der Hofkommission in Gesetzsachen wieder zurückgenommen und ihm zur Begutachtung

Ziele der Gesetzgebung, statt sich selbem zu nähern, sich nur entfernet und alle Übereinstimmung der Grundsätze, aller Zusammenhang der einzelnen Theile verfehlet wird. ' " 12 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 108 f. skizziert die Voten der Staatsräte Eger, Izdenczy und Zinzendorf. 13 Vgl. dazu Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 26 Fn. 1: „Dieser Vortrag (beschlossen am 5. Juli 1794 von v. M a r t i n i , v. Haan, v. F r o i d e v o , v. R ü s t e l , v. Stupan als Ref. und v. G r z e m b s k i ) enthält im wesentlichen Folgendes: Als am 3. Mai 1794 der neu redigirte I. Theil des G. B. dem Kaiser überreicht wurde, ,ward das anmit verbundene einzige neue Kapitel von den Rechten und Pflichten zwischen Dienstgebern und Dienstpersonen beim Director ium ' mitgetheilt, und dabei des Näheren entwickelt, warum das fragliche Hauptstück eben nur die in demselben besprochenen und nicht auch andere Seiten des Rechtsverhältnisses zwischen Dienstgebern und Dienstpersonen regele. ,Das Directorium äußerte sich ... daß selbes gegen das mitgetheilte Kapitel so Manches, was aber nicht bestimmt wurde, zu erinnern habe, allein vor Allem der Mittheilung des ganzen I. Theiles ... entgegensehe. Die Hofcommission ... erbot sich zu dieser Mittheilung' sobald der Entwurf an sie vom Kaiser zurückgelangt sein werde, ersuchte aber vor Allem um Mittheilung der nicht genannten Bedenken gegen das neue Kapitel durch einen Repräsentanten des Directoriums. Letzteres wiederholte jedoch seine Forderung, obgleich der Entwurf, in den anderen fünf Kapiteln keine neuen Gegenstände, sondern nur solche Materien enthält, die schon durch alle möglichen Wege der Erfahrungen, der Vorberichte und Vernehmungen aller in den Ländern zusammengesetzten Commissionen in einer Verwendung von beinahe vier Jahren mit aller Sorgfalt durchgearbeitet sind. ' Die Hofcommission hielt es einerseits zur Vermeidung aller gegen einander laufenden Verfügungen räthlicherwenn das Directorium die Erledigung des Vortrages vom 3. Mai abwartete, und besorgte von einer sofortigen Mittheilung, daß sie ,das Geschäft in eine neue und unendliche Weitläufigkeit und Verzögerung ziehen werde'. Dennoch bittet sie nun um Erlaubniß, dem Directorium das ganze Werk mittheilen zu dürfen, wenn nur für möglichste Beschleunigung der Äußerung dieser Behörde, die ja das ganze Werk ohnedies durch ihre Repräsentanten schon vordem gebilligt habe, gesorgt werde. Darum bittet sie, das Directorium möge seinen Referenten anweisen, den ersten Theil des G. B. längstens binnen drei Monaten vollkommen zu erledigen, jene Gegenstände, die bereits mit Einverständniß der politischen Hofstelle berichtiget worden sind, nicht weiter zu berühren und ,mit Ueberlegung der Dienstbotenordnung den Anfang zu machen, weil dieser Gegenstand sehr dringend ist, und von den übrigen Hauptstücken des b. G. B. ganz und gar nicht abhängt', obgleich dieser Gegenstand, da er sich auch schon in Z e n k e r ' s und H o r t e n ' s Bearbeitung im ersten Theile findet, ,als ein Contract zu dem Wirkungskreise dieser Hofcommission allerdings gehörig somit durch seine Behandlung kein Eingriff,/« den politischen Wirkungskreis' gemacht ist." Osterloh (1970), S. 181, der in Fn. 9 auf Pfaff/Hofmann, statt S. 26 „Anm. 1" verweist.

a.a.O., S. 26 „Anm. 26"

92

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

vorgelegt werden musste. Darüber hinaus gelang es dem Direktorium sogar, durch kaiserliche Resolution v o m 21. Juli 1794 die Einsetzung einer eigenen, ausschließlich aus Verwaltungsbeamten bestehenden Kommission zu erwirken, welche unter dem Vorsitz des Grafen Rottenhan 1 4 den Entwurf einer Revision unterziehen sollte. 1 5 Diese sog. „Revisionshofkommission" 1 6 sollte sich nach einer gegenüber dem Präsidium der Hofkommission i n Gesetzsachen abgegebenen kaiserlichen Erklärung dabei jedoch auf die Prüfung beschränken, ob der Entwurf mit den politischen Gesetzen und Verfassungen zu vereinbaren sei. 1 7

14

Zu Rottenhan s.u., S. 138 Fn. 235. HHStA, StR-Prot. 1794/11 (lfd. Bd. 136), 1683 ex 1794; ferner abgedruckt bei Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 26-28: „ Circuì : Vortrag der Hofkommission in Gesetzsachen vom 3. May 1794- Mit Vorlegung des ersten Theils des allgemeinen bürgert. Gesetzbuchs. Resol: Allerhöchstes Handbillet an den O.D.M. Grafen v. Kollowrat. Nebenschlüssig übermache Ich ihnen den Vortrag der Hofkommission in Gesetzsachen, nebst demselben beygeschlossenen Entwurf des l ten Theils des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und allen darauf Beziehung habenden Beylagen: damit nun dieses Werk mit jener Aufmerksamkeit überleget und untersuchet werde, welche die Wichtigkeit desselben erheischet, habe ich beschlossen, selbes durch eine besondere Commission unter Vorsitz des Grafen Rottenhan, wozu von Seite des Directorii einige Hofräthe oder andere aus den Quiescenten, oder bey den Länderstellen angestellte dazu geeignete Personen Mir vorzuschlagen seyn werden, aufnehmen zu lassen. Diese Commission wird sowohl den vorgeschlagenen Entwurf, als die durch sämtliche Länderstellen darüber eingesendete Berichte genau überlegen, und dann nach gefasster Meinung sich mit der Hofkommission in Gesetzsachen darüber ins Einvernehmen setzen, wornach Mir das Resultat des gemeinschäftlichen Einverständnisses oder die getheilten Meinungen mit sämtlichen Akten vorzutragen seyn werden. " Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 159; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 109 f.; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 188; Osterloh (1970), S. 180 f.; Kocher, Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechtskodifikation (1979), S. 99. 16 Zum Teil, etwa bei Pfaff/Hofmann, Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 20 ff. sowie dies, Excurse, Bd. I/Hefì 1 (1877), S. 26 ff. und Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 380 ff., wird diese Kommission auch als „Revisionscommission" bezeichnet; zum Teil, etwa bei Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), als „Directions-Commission". Den Vorsitz führte dabei Rottenhan und nicht Sonnenfels, so aber Neschwara, Art. „Westgalizisches Gesetzbuch", HRG, Bd. V, Sp. 1310. 17 Vgl. Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 27 Fn. 2: „Eine an das Directorium gerichtete Note vom 29. December 1795 (Handschrift von Keeß), mit welcher dem Directorium auf sein Verlangen (Note v. 30. Nov. 1795) eine Uebersicht der Stoffvertheilung des ganzen G. B. mitgetheilt wird, zeigt, daß die Aufgabe des Directoriums eine wesentlich begrenztere hätte sein sollen, als der Wortlaut des a. h. Handschreibens glauben macht. Es heißt in der Note: ,Nach den an das Präsidium dieser k. k. Hofkommission in Gesetzsachen von Seiten Sr. des Kaisers Majestät gegebenen Erklärung besteht die Einschreitung eines lobi. k. k. Directoriums in die Beurtheilung des b. G. B. einzig und allein darin, nur zu erwägen, ob die entworfenen Gesetze mit den politischen Gesetzen und Verfassungen überein15

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

93

2. Die Tätigkeit der Revisionshofkommission Da die Akten der Revisionshofkommission beim Justizpalastbrand 1927 vernichtet wurden, 1 8 lässt sich ihre Tätigkeit und das W i r k e n Sonnenfels' quellenmäßig nur noch mittelbar erschließen: zum einen aus den Protokollen der späteren

Hofkommission

in

Gesetzsachen,

die

sich

in

ihren

mit

dem

21. Dezember 1801 beginnenden Sitzungen noch häufig hiermit auseinandersetzen

sollte, 1 9

Pfaff/Hofmann,

und

zum

anderen

Harrasowsky

und

aus den entsprechenden Adler}

Hinweisen

bei

0

Erst rund ein Jahr nach ihrer Einsetzung trat die Revisionshofkommission unter dem Vorsitz des Grafen Rottenhan am 30. November 1795 zur ersten ihrer insgesamt neun Sitzungen zusammen. Als Kommissionsmitglieder fungierten dabei die Hofräte Koller, Haan, Sonnenfels, Grohmann, Oßwalder, Fechtig und Strobl, wobei statt des letztgenannten an den letzten drei Sitzungen der Hofrat Zippe teilnehmen sollte. 2 1 Bereits in seiner Eröffnungsrede machte Rottenhan deutlich, dass die Tätigkeit der neuen Kommission sich nicht auf die Überprüfung des Entwurfs beschränken, sondern vielmehr auf dessen grundlegende Umgestaltung hinauslaufen sollte. 2 2 Denn schon an den naturrechtlich

stimmen, und nichts geordnet werde, was den politischen Rücksichten ganz zuwider oder auch nur abträglich wäre ... ' Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 110 Fn. 42 bemerkt zurecht, dass das Datum der betreffenden kaiserlichen Erklärung nicht wiedergegeben wird. 18 Osterloh (1970), S. 181 Fn. 13. Nach Pfaff Rezension zu Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bde. IV und V, in: JB1 16 (1887), S. 269 Fn. 38 füllten die „Verhandlungen der Revisionshofcommission von 1795 und 1796 ... einen leidlich starken (geschriebenen) Folioband'4. 19 Diese Beratungsprotokolle sind ediert bei Ofner (Hrsg.), Urentwurf, Bd. I (1889), S. 1 ff. 20 Vgl. die Mitteilungen bei Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefi 1 (1877), S. 27 Fn. 2 sowie Bd. I/Hefi 2-4 (1889), S. 380 ff., 415 ff.; Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 3 ff. in den Anmerkungen; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 109 ff. 21 Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 159; ders. (Hrsg.), C.Th., Bd. IV (1886), Einleitung, S. 10; Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefi 1 (1877), S. 27 Fn. 2 verweist diesbezüglich auf die Protokolle vom 30. November 1795, 14. Dezember 1795, 11. Januar 1796, 25. Januar 1796, 14. März 1796, 11. April 1796 und 26. August 1796, wobei letzteres die Beratungen dreier Sitzungen enthalte. 22 Zu dieser Rede Rottenhans vgl. Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefi 1 (1877), S. 27 Fn. 2: „Er rechnet zu ihren Aufgaben auch ,die Vergleichung dieser Arbeit mit den neueren gleichzeitigen Erscheinungen des Auslandes' und nennt das zu Leistende ,ein Werk ..., das so viel wissenschaftliche Erudition, eine so genaue Bekanntschaft mit den Geschäften des bürgerlichen Lebens und so viel philosophischen Geist fordert'. ,Die erste Arbeit ... werde nach der Natur des Geschäftes die Berathung der zu befolgenden Verfahrungsart und die Entscheidung der Vorfrage sein, wie die Grenzlinie ihres Geschäftskreises gezogen werden solle. ' Davon , werde es abhängen, ob man bei der Zergliederung der vorgelegten einzelnen Sätze stehen bleiben könne, oder in wie

94

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

geprägten Vorschriften des „Entwurfs von 1794" wurde seitens der Revisionshofkommission Anstoß genommen.23 Martini 24 hatte ursprünglich im sog. „Entwurf Martini" in den ersten drei Paragraphen des Ersten Hauptstücks das Verhältnis von Gesellschaft, Gesetzgebung und bürgerlichem Recht entwickelt; allerdings waren davon die beiden ersten Paragraphen 25 bereits im „Entwurf von 1794" durch acht neue ersetzt, 26 deren Fassung fast wörtlich mit dem späteren WGGB übereinstimmte. 27

weit' es nothwendig sei, ,in den Plan und in den Zusammenhang der Ideen selbst einzudringen, wenn etwa über die Gründe, durch welche die einzelnen Gesetze motivirt sind, über die Bestimmtheit der Erklärungen und über die, aus der Natur der Sache entstehende Unterordnung der Gegenstände, insoferne sie zu diesem oder zu einem anderen Hauptzweige der Gesetzgebung gehören, erhebliche Bedenklichkeiten auffallen sollten. ' " Vgl. ferner Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 110. 23 Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 157 f. ist der Ansicht, dass eben diese Vorschriften „das Haupthinderniss der Sanctionirung des Entwurfes" dargestellt haben. Femer Pfaff/Hofmann, Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 20 Fn. 104. 24 Vgl. Martini, Lehrbegriff des Natur-, Staats- und Völkerrechts, Übers. Hiltenbrand, 4 Bde. (1783/84); ders., Erklärung der Lehrsätze über das allgemeine Staats- und Völkerrecht - Nach dem Geiste der öffentlichen Vorlesungen an der Wiener hohen Schule, 2 Teile (1791); ders., Lehrbegriff des Naturrechts zum Gebrauch der öffentlichen Vorlesungen in den k. k. Staaten - Ganz neue von dem Verfaßer selbst veranstaltete Uebersetzung (1799). Hierzu Menzel, Ein österreichischer Staatsphilosoph des XVIII. Jahrhunderts, Österreichische Rundschau I (1904), S. 295-301; Voltelini, Die naturrechtlichen Lehren und die Reformen des 18. Jahrhunderts, HZ 105 (1910), S. 65-104, 70 ff., 96, 101 ff.; KleinBruckschwaiger, Die Geschichte der Rechtsphilosophie in der Naturrechtslehre von Karl Anton von Martini, Z R G G A 7 1 (1954), S. 374-381; Mock, Anmerkungen zur Rechts- und Staatsphilosophie Carl Anton Martinis, FS Hellbling (1971), S. 563-572; Schlosser, Art. „Karl Anton Freiherr von Martini zu Wasserberg 1726-1800", in: Brauneder (Hrsg.), Juristen in Österreich (1987), S. 77-82 und Anhang, S. 336 f.; Hof, Art. „Karl Anton Freiherr von Martini (1726-1800)", in: Kleinheyer/Schröder (Hrsg.), Deutsche und Europäische Juristen (1996), S. 266-270; Hebeis, Karl Anton von Martini (1726-1800)- Leben und Werk (1996), S. 135 ff.; ders., Das juristische Werk des Karl Anton von Martini, Tagungsband Martini (1999), S. 93-112; Palme, Der naturrechtliche Hintergrund Martinis, Tagungsband Martini (1999), S. 113-136; Klenner, Über Martinis Naturrechtsbegriff, Tagungsband Martini (1999), S. 195-220; Kalb, Grundrechte und M a r t i n i - eine Annäherung, Tagungsband Martini (1999), S. 235-260; Neschwara, Art. „Martini, Karl Anton von (1726-1800)", in: Stolleis (Hrsg.), Juristen (2001), S. 422-424. 25 Entwurf Martini 1/1 § 1 Bei einer jeden Gesellschaft werden Bestimmungen und Vorschriften zum Grunde geleget, nach welchen die darin vereinigten Mitglieder ihre Handlungen zur Erreichung eines vorgesetzten Endzweckes einzurichten verbunden sind. 1/1 § 2 Für die bürgerliche Gesellschaft oder einen Staat sind dergleichen Grundsatzungen und Rechtsvorschriften noch mehr erforderlich; nur durch diese kann derselbe seinen Hauptendzweck, die Sicherheit der Personen, des Vermögens und übri-

95

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

I n der zweiten Sitzung v o m 14. Dezember 1795 sprach sich die Revisionshofkommission nach dem Sitzungsprotokoll einhellig für die völlige Streichung dieser Vorschriften aus, da sie „für

den gemeinen Mann nicht faßlich

den, dennoch aber zu schiefen Auslegungen Anlaß geben könnten

sein wür-

". 28

Was den i n § 5 des „Entwurfs von 1 7 9 4 " 2 9 verankerten Gesellschaftsbegriff betraf, war die Kommission der Auffassung, dass er „bedenkliche contractu sociali bei dem gemeinen unstudirten

Ideen vom

Manne " hervorrufen könnte. 3 0

A n § 8 des „Entwurfs von 1794" 3 1 störte sich die Kommission an der Formulierung, dass das Oberhaupt des Staates Vorschriften,,entwirft", könnte auf den Irrwahn

führen,

mand anderem zur Bestätigung

„denn

als müßten hier solche Vorschriften

dies

noch je-

vorgelegt werden ", 32

Die Mehrheit der Kommission erachtete es für sachgerecht und angemessen, „die

echten Begriffe

der natürlichen,

dann

der gesetzlichen,

bürgerlichen

gen Rechte erzielen. Diese von dem Staatsoberhaupte gegebenen rechtlichen Vorschriften heißen Gesetze. 26 Im Vortrag der Hofkommission in Gesetzsachen vom 3. Mai 1794 (s.o., S. 90 Fn. 9) besagten die „Bemerkungen" bezüglich der §§ 1-7 des Ersten Hauptstücks nach Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 108 folgendes: „Diese Paragraphe wurden geändert, weil die eigentliche Bestimmung über Recht und Gesetz, dann die Auseinandersetzung der angebohrenen natürlichen und gesetzlichen bürgerlichen Rechte und Pflichten mangelte. " 27 Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1; Hebeis, Karl Anton von Martini (1996), S. 110. 28 Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 110 f.; Wellspacher, Das Naturrecht und das ABGB, FS ABGB, Teil I (1911), S. 173-207, 180; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 190; ders., Privatrechtskodifikation und Staatsbildung (1976), S. 76; ders., Forschungsband Zeiller (1980), S. 222 f.; Osterloh (1970), S. 181; Grimm, Forschungsband Zeiller (1980), S. 96. 29

Nach Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1 stimmt auch § 5 im Wortlaut mit dem WGGB überein: WGGB I § 5 Menschen, die sich miteinander vereinigen, um nach gewissen Vorschriften einen gemeinschaftlichen Zweck zu erreichen, heissen eine Gesellschaft. 30 Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 111; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 190; ders., Privatrechtskodifikation und Staatsbildung (1976), S. 76; ders., Forschungsband Zeiller (1980), S. 223; Grimm, Forschungsband Zeiller (1980), S. 96. 31 Der geänderte Text lautete dann: WGGB I § 8 Die zur Erreichung dieses Endzweckes nothwendigen Vorschriften oder Regeln giebt das Oberhaupt des Staates und sie heissen Gesetze. 32 Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 111.

96

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Rechte und Pflichten " in einem Proömium oder im Kundmachungspatent darzustellen, deren Gestaltung sie sich vorbehalten wollte. 33

3. Der „Gegenentwurf" Sonnenfels' Sonnenfels ging sogar noch einen Schritt weiter und legte in der vierten Sitzung vom 25. Januar 1796 bzw. der fünften vom 14. März 1796 seinerseits umfassende „ Bemerkungen " nebst einem bereits ausformulierten besonderen „Gegenentwurf' vor. 34 In den „Bemerkungen " setzte sich Sonnenfels eingehend mit der Aufgabe der „politischen Behörde " bei der Gesetzgebung auseinander: Da Ausgangspunkt aller Erwägungen des Gesetzgebers die Nützlichkeit für das Allgemeinwohl sei, müsse die Gesetzgebungsinitiative folgerichtig von der politischen Verwaltung ausgehen, denn diese sei mit den praktischen Auswirkungen am besten vertraut. Die „rechtliche Behörde" habe dann lediglich noch das Entworfene auf dessen Vereinbarkeit mit dem Recht hin zu überprüfen und gegebenenfalls ihr Veto einzulegen.35 Hinsichtlich des Rechtsbegriffs müsse dabei unterschieden werden zwischen der absoluten „Rechtlichkeit an sich" und der relativen, durch die jeweiligen Verhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft „bedingten Rechtlichkeit". 36 Im bürgerlichen Recht wiederum finde nur wenig 33 Harrasowsky (Hrsg.), C.Th, Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 111; Osterloh ( 1970), S. 181. 34 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 112. 35 Vgl. Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefi 1 (1877), S. 27 f. Fn. 2: „ Wenn die Nothwendigkeit, Gesetze ...zu erlassen, eintritt, so spricht die Regierung niemals: Ich will gerechte Gesetze geben - und dann erst: diese Gesetze sollen aber zugleich nützlich sein; sie spricht im Gegentheile: Ich will dieses dem gemeinen Wohl nützliche Gesetz erlassen - und setzet dann hinzu: Doch nur wenn es der Gerechtigkeit nicht entgegen ist. Die Gesetzgebung wird also zwar beständig Recht nicht weniger als Zuträglichkeit vor Augen haben ... aber bei dieser Verbindung ist Zuträglichkeit, d. i. Übereinkommen mit dem gesellschaftlichen Wohl, welches nur nach politischen Verhältnissen beurtheilet werden kann, Beweggrund und Gegenstand; das Recht ist blos unumgängliches Bedingniß (conditio sine qua non) des Gesetzes. Und da solchergestalt die Zuträglichkeit bejahend, das Recht blos verneinend bei Erlassung der Gesetze einfließt so könnte man insoferne die politische Behörde die Zuträglichkeit, die Rechtsbehörde das Recht vertritt, nicht unrichtig sagen, der politische Behörde komme es im eigentlichen Sinne zu, Gesetze in Anregung und Vorschlag zu bringen, der rechtlichen Behörde könne nur (und einzig in Rücksicht auf Rechtlichkeit) das Veto zukommen. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 113. 36 Nach Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefi 1 (1877), S. 28 Fn. 2 habe „bei positiven Gesetzen das Wort Rechtlichkeit den ganz auf Rechtlichkeit an sich (justum absolute) eingeengten Begriff; die bedingte Rechtlichkeit, unter den vorausgesetzten Umständen der bürgerlichen Gesellschaft (jus tum hypo the-

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

97

absolutes Recht Eingang, dagegen aber viel relatives. 3 7 Deshalb käme der „ p o l i tischen Behörde"

Behörde"

trotz der entsprechenden Kontrolle durch die „rechtliche

an und für sich die federführende Rolle z u . 3 8 Dieses grundsätzlich

angestrebte Primat der politischen Behörde ist nach Osterloh

letztlich nur die

Konsequenz der „Präponderanz des Nützlichkeitsaspektes vor dem Rechtsgedanken", 3 9 wie sie i m Denken Sonnenfels' vorherrschte. 40 N u r allein der Umstand, dass eine getrennte Beratung durch die beiden Behörden die Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse i n sich birgt, was wiederum zu Verzögerungen führen könne, veranlasste Sonnenfels, gleichwohl die „Errichtung einer ordentlichen,

aus politischen

und Justizräthen

bestehenden Gesetz-

commission " vorzuschlagen, u m das Verfahren zu beschleunigen. 41

ti ce in statu civitatis) wird nur erst und ganz nach Verschiedenheit der Verfassung von politischen äußeren und inneren Verhältnissen angegeben und bestimmt, welches dadurch unwidersprechlich offen liegt, daß in verschiedenen Staaten zwei ganz entgegenstehende, sich widersprechende Gesetze sowohl für den befolgenden Bürger, als die ausübende Rechtspflege Richtschnur werden können, und als rechtliche Vorschriften verehret werden müssen. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 113. 37 Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 28 Fn. 2: „ S o n n e n f e l s sucht nun an einer Reihe von Beispielen zu zeigen, ,wie wenig bei dem bürgerlichen Privatrechte hauptsächlich Rücksicht auf ein absolutes Recht einfließet, sondern daß beinahe überall Stoff und Form des Gesetzes von politischen Beziehungen angegeben werden ... von der Forderung der gesellschaftlichen Zuträglichkeit in Rücksicht auf Verfassung und andere politische Umstände ' Nach Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 113 f. wurde dabei verwiesen auf die Bestimmungen über Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft, über die Bindung der österreichischen Staatsbürger im Ausland an die österreichischen Gesetze, der Ausländer in Österreich an die inländischen Gesetze, über Ehehindernisse, über die Auflösung der Ehe, das Vormundschaftsrecht, das Testaments- und Erbfolgerecht, viele Grundsätze des Vertrags- und Eigentumsrechtes, die Verjährung und die Ersitzung. 38 Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 28 Fn. 2: „ S o n n e n f e l s ... betont wiederholt, es sollten darum ,auch die Gesetze eigentlich von den politischen Behörden entworfen, und dann erst die entworfenen Gesetze von der Rechtsbehörde in Hinsicht auf Recht in Erwägung genommen werden. ' " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 114. 39 Osterloh (1970), S. 182 Fn. 16 i.V.m. S. 54 f. 40 Sonnenfels, Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. I (1798), Anm. 5, S. 210 ff., 211 zu §62 (S. 171 f.): „Die Zuträglichkeit, über welche nach den Regeln der Klugheitslehre entschieden wird, hat hier die Initiative der Gesetze, wenigstens in den meisten Fällen: und Vernunft von ihrer Seite, übet bey den von der Zuträglichkeit gemachten Anträgen nur das Veto aus, in so fern als diese Anträge sich mit der Moralität, das ist, mit der allgemeinen Gerechtigkeit im Widerspruche fänden. " 41 Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 28 Fn. 2; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 114; Osterloh (1970), S. 182. 7 Wagner

98

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Nach der Konzeption des eigentlichen Gegenentwurfs Sonnenfels' sollte der Stoff der ersten beiden Hauptstücke des „Entwurfs von 1794" auf eine Einleitung sowie vier Hauptstücke verteilt werden. Dabei sollte die Einleitung „ von dem Rechte des Bürgers, der bürgerlichen Freiheit, der Pflicht des Bürgers, dem allgemeinen Grund der Gesetze zu befolgen, vom bürgerlichen Privatrecht und dessen Eintheilung " handeln, die auf sie folgenden vier Hauptstücke „ Von den verschiedenen persönlichen Verhältnissen der Bürger" (1), „Von den Pflichten des Staatsbürgers in Ansehung der Gesetze überhaupt" (2), „Von dem Rechte des Staatsbürgers gegen Staatsbürger " (3) und „ Von dem Rechte des Staatsbürgers gegen Fremde und entgegen " (4). 42 Ausdrücklich befürwortete Sonnenfels in seinen begleitenden „Bemerkungen " die Aufnahme einer allgemeinen Einleitung, da deren Inhalt auf Dauer angelegt sei, während das Kundmachungspatent nur vorübergehenden Charakter besäße.43 Jedoch griff er das Erste Hauptstück des „Entwurfs von 1794" („Von Rechten und Gesetzen überhaupt") inhaltlich scharf an, wie etwa die in § 1 des „Entwurfs von 1794" 44 gegebene Definition des Rechts.45 Überhaupt sei angesichts der Ereignisse in Frankreich äußerste Vorsicht beim Gebrauch von Begriffen wie „Menschenrechte" oder „Freiheit und Gleichheit" angebracht. 46 Zwar habe man angesichts der patriotischen Einstellung der österreichischen Bevölkerung ähnliche Auswüchse nicht zu befürchten, gleichwohl dürfe man

42 Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 112 Fn. 50 und S. 122 Fn. 57; Osterloh (1970), S. 185. 43 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 114 f. 44 Nach Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1 stimmt § 1 im Wortlaut mit dem WGGB überein: WGGB I § 1 Recht ist alles, was an sich selbst gut ist, was nach seinen Verhältnissen und Folgen etwas Gutes enthält, oder hervorbringt, und zur allgemeinen Wohlfahrt beiträgt. 45 Vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 115: „ bis zu der einfachsten Erklärung des Rechts zurückzugehen und dadurch sich den Weg zu bahnen, die durch den Prunk demagogischer Kunstwörter irregeleiteten Volksbegriffe über die Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft, über die anerschaffenen und über die bei dem gesellschaftlichen Vertrage durch den eigenen Willen beschränkten Rechte und übernommenen Pflichten zu berichtigen. " 46 Vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 115: „Die schreckbaren Ausbrüche, die sogleich dem Anfange der französischen Revolution zur Seite gingen und bald das Reich von einem Ende zu dem andern zum Schauplatze der unerhörtesten, unglaublichsten Grausamkeiten und Schandtaten machten, zeigen, wie der Haufe die ihm behutsam angebotenen Sätze von Menschenrechten, von Freiheit und Gleichheit versteht und kommentiert. " Osterloh (1970), S. 183; Grimm, Forschungsband Zeiller (1980), S. 97; Hebeis, Karl Anton von Martini (1996), S. 111 f.; ders, Das juristische Werk des Karl Anton von Martini, Tagungsband Martini (1999), S. 103; Barta, Martini-Colloquium - Begrüßung und Einleitung, Tagungsband Martini (1999), S. 15-92, S. 65 Fn. 78.

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

99

keine zu hohen Erwartungen an das Verständnis staatsrechtlicher Grundbegriffe stellen.47 Eine Grundsatznorm wie § 79 Einl. AGB, 4 8 die sich nicht an den Normunterworfenen richte, sondern an den Gesetzgeber, gehöre infolgedessen nicht in ein Gesetzbuch, sondern in eine „ Constitution ", da es dem einzelnen nicht zukommen könne, eine Norm auf ihre Zweckmäßigkeit für das Allgemeinwohl hin zu überprüfen. 49 Eine Ansicht, die Sonnenfels auch in seinen publizierten Werken vertrat. 50 Denn wenngleich er dort das Modell des Sozialvertrags nicht 47

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 115 f.: „Aber ich habe zu dem Kopfe, ich habe zu der Fähigkeit keines Volkes auf Erden so großes Zutrauen, daß es die abgezogenen Begriffe des Staatsrechtes gehörig fassen, nach dem wahren Sinn verstehen, daß es dieselben, auch wenn sie mit aller der in Deutlichkeit und Bestimmtheit vorgetragen sind, welche Freiherr von Martini seine Einleitung zu legen gewußt hat, nicht auf eine oder die andere Art unrichtig deuten sollte. Diese Betrachtungen müssen jedem Gesetzgeber die größte Behutsamkeit vorzüglich in Ansehung solcher Sätze zur Pflicht machen, die als unangewendete Vordersätze hingelegt, die Anwendung und Folgerung dem Volke überlassen, bei dem sich nicht leicht logische Richtigkeit im Schließen erwarten, aber welches nur zu leicht durch Trugschlüsse und zu Trugschlüssen irre leiten läßt. " 48 Conrad, Die geistigen Grundlagen des ALR (1958), Anhang S. 46: § 79 Einl. AGB (im ALR gestrichen) Die Gesetze und Verordnungen des Staats dürfen die natürliche Freiheit und Rechte der Bürger nicht weiter einschränken, als es der gemeinschaftliche Endzweck erfordert. Vgl. dazu Conrad, Rechtsstaatliche Bestrebungen im Absolutismus Preußens und Österreichs am Ende des 18. Jahrhunderts (1961), S. 22 f.; ders., Das ALR als Grundgesetz des friderizianischen Staates (1965), S. 15 f.; Schwennicke, Die Entstehung der Einleitung des ALR (1993), S. 299 f f , 333 ff.; Finkenauer, Vom AGB zum ALR - preußische Gesetzgebung in der Krise, ZRG G A 113 (1996), S. 40-216, 123 ff. 49

Adler, FS ABGB, Teil I ( 1911 ), S. 116: „Dieser Rechtssatz gehört ohne Zweifel unter die den Nomotheten zur Leitung dienenden Grundsätze, deren Inbegriff die neueren, durch die Begebenheiten gewarnteren Schriftsteller Frankreichs unter dem Worte , Constitution ' sorgfältig von den davon abgeleiteten Gesetzen selbst unterscheiden. Er ist also Richtschnur und ist Vorschrift für den Gesetzgeber; aber was kann er jur den Befolgenden sein? Nichts anderes als eine Veranlassung, gleichsam das eingeräumte Befugnis, die Anwendung auf die wirklichen Gesetze zu machen und sich darüber ein Urteil, das ist verwegenes Vernünfteln, zu erlauben, ob der Staat nicht weiter, als er darf gegangen, nicht natürliche Freiheit und Recht zu sehr eingeschränkt habe. Solche for den bürgerlichen Gehorsam gefährlichen Klippen bei Seite zu weisen setzte ich die bürgerliche Gesellschaft als schon entstanden voraus. " Osterloh (1970), S. 183; Grimm, Forschungsband Zeiller (1980), S. 97; Kalb, Grundrechte und Martini, Tagungsband Martini (1999), S. 251. 50 Sonnenfels, Grundsätze I: Polizey (1787), § 158: „Hat die gesetzgebende Gewalt Gränzen? Und welche sind es? ... Allein das Urtheil, ob eine Handlung gleichgültig sey, oder nicht? muß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, weil er allein auf der Höhe steht, wo der Zusammenhang aller Umstände, durch welche die Nothwendigkeit eines Gesetzes veranlasset wird, übersehen werden kann. ..." τ

100

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

v ö l l i g verwarf, so wandte er sich gleichwohl gegen die Annahme eines vorgesellschaftlichen Naturzustands von isolierten Menschen, dem er den Zusammenschluss der Menschen als empirische Realität entgegenstellte. 51

a) Die Einleitung

des „ Gegenentwurfs "

Seine aus 13 Paragraphen bestehende Einleitung beschäftigt sich daher überhaupt nicht mit der Grundlegung des Rechts i m Allgemeinen, den angeborenen Rechten des Einzelnen oder dessen Vergesellschaftung, sondern setzt die bürgerliche Gesellschaft als gegeben voraus, u m sich folgenden Punkten zuzuwen-

Ebd, § 134: „Der Nichtgebrauch, oder eigentlicher die Nichtbeobachtung, wie sie immer bemäntelt werde, ist Ungehorsam, der für das Ansehen der Gesetzgebung, wie für das allgemeine Wohl gleich nachtheilig ist. Könnte ein Gesetz durch die Nichtbeobachtung abgeschafft werden, so läge die Kraft desselben ganz in dem Willen dessen, der dadurch verbunden werden sollte; er beobachtet es nicht, aus einer Folge seines Ungehorsams, oder weil er dafür hält, es sey nicht schicklich. Also wird der einzelne Bürger zum Richter der Gesetzgebung erhoben, das allgemeine Wohl der besondern Einsicht eines jeden unterworfen, dem Vernünftler die Unabhängigkeit eingeräumt, und das Gesetz fur denjenigen allein geschrieben, der für sich zu denken, zu träge ist. " Ders, Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. I (1798), § 180, S. 479 f.: abgeschafft werden, so läge die „Könnte ein Gesetz durch Nichtbeobachtung Kraft desselben ganz und einzig in dem Willen desjenigen, der dadurch verbunden werden soll. Seine Nichtbeobachtung aber ist entweder eine Folge des Ungehorsams, oder weil er urtheilet, das Gesetz sey dem Zwecke nicht angemessen, nicht den Umständen zusagend. Für den ersten Fall werde ich mich begnügen, zu fragen: Kann Ungehorsam Gesetze aufheben? Im zweyten Falle: wird der gemeinschaftliche Wille dem einzelnen untergeordnet, wird der einzelne Bürger zum Richter der Gesetzgebung erhoben, wird das allgemeine Wohl der besonderen Einsicht eines jeden unterworfen, dem Vernünftler die Unabhängigkeit eingeräumt: und das Gesetz ist nur für denjenigen allein geschrieben, der zu bescheiden, die Gesetze zu beurtheilen, oder der für sich zu denken, zu träg oder zu unfähig ist. " Vgl. dazu Osterloh (1970), S. 183; R. Schulze, Polizey und Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert (1982), S. 103 f. m.w.N. 51 Sonnenfels, Grundsätze I: Polizey (1787), § 1: „Der einzelne Mensch ist nicht der Mensch im Stande der Natur: ... Der natürliche Zustand des Menschen ist also der Stand der Gesellschaft : ... " Ders, Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. I (1798), § 1, S. 3 f. mit Anm. 1 (S. 29 f.): „Der einzeln lebende Mensch ist nicht der Mensch in dem Stande der Natur. ... Der natürliche Zustand des Menschen ist also der Stand der Gesellschaft. " Vgl. dazu Osterloh (1970), S. 39 f.; Garber, Recht und Utilitarismus: Joseph von Sonnenfels und das späte Naturrecht, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 97-138, 106 f.; Reinalter, Sonnenfels als Gesellschaftstheoretiker, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 140 f.

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission den: „ v o n dem Rechte des Bürgers„von der Pflicht bürgerliche

des Bürgers ", „allgemeiner Privatrecht

und dessen

der bürgerlichen

101

Freiheit",

„von

Grund, die Gesetze zu befolgen

„das

Einteilung".

S1

Ausgangspunkt ist somit in § 1 der Zweck der bürgerlichen Vereinigung, der i n der gemeinschaftlichen Wohlfahrt ihrer Mitglieder " gesehen wird, das heißt der Sicherheit der Person und des Eigentums sowie der sich darauf beziehenden Rechte. 5 3 § 2 umreißt die Aufgabe der Gesetze als Mittel, diesen Zweck, nämlich das Gemeinwohl, zu erreichen. 54 Dabei betont Sonnenfels i n seiner Erläuterung, dass „gleichgültige", das heißt neutrale Handlungen, die keinen mittelbaren oder unmittelbaren Einfluss auf das Gemeinwohl haben, nicht durch die Gesetze beschränkt werden können. 5 5 Nach Adler

definiert § 3 „den Begriff des Wortes bürgerliches Recht 4 als

Recht, das gesetzlich Erlaubte zu tun, und das nicht Gebotene zu unterlassen", § 4 „den Begriff der bürgerlichen Freiheit als versicherten Genuss des bürgerlichen Rechtes". 5 6 Dies erscheint plausibel, denn bereits anlässlich der stilisti-

52

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 114, 116 f.; Osterloh (1970), S. 182 f. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 117: „Zur Erreichung dieses Zweckes müssen die Handlungen der Bürger eine zu der gemeinschaftlichen Wohlfahrt übereinstimmende Richtung erhalten. " Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefi 2-4 (1889), S. 415; Osterloh (1970), S. 183. Vgl. auch Sonnenfels, Grundsätze I: Polizey (1787), §§ 1 ff., 11; ders., Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. I (1798), §§ 1 ff., 11. 54 Nach Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 117: Gegenentwurf Einl. § 2 „Die allgemeinen Vorschriften, die den Handlungen der Bürger nach Verschiedenheit der Gegenstände die zweckmäßigste Richtung geben, heißen , Gesetze " Osterloh (1970), S. 183 Fn. 24. Vgl. auch Sonnenfels, Grundsätze I: Polizey (1787), §6: „Nach Verschiedenheit der Vorfalle und Umstände, sind auch die Anstalten und Maßregeln, zur Erreichung des gemeinschaftlichen Endzweckes verschieden. ... Allein, soll es nun zu einem wirklichen Entschlüsse kommen, soll dasjenige, was entschlossen worden, alle Glieder verbinden, das ist, ein Gesetz werden; ... 55 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 117. Vgl. auch Sonnenfels, Grundsätze I: Polizey (1787), § 158: „Hat die gesetzgebende Gewalt G ranzen? Und welche sind es? Was immer das gemeine Wohl foderi: aber nur so viel, als dieses Wohl foderi, kann ein Gegenstand der Gesetzgebung werden. ... Alle Handlungen also, welche in die allgemeine Wohlfahrt weder einen mittelbaren, noch unmittelbaren Einfluß haben, die man daher gleichgültige Handlungen nennet, und wären sie auch offenbare Lächerlichkeiten, liegen außer den Gränzen der Gesetzgebung. ..." Osterloh (1970), S. 183. 53

56

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 117; das Quellenzitat bei Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1 a.E. bezieht sich wohl auf § 3: „... sowohl das Ver-

102

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

sehen Berichtigung des „ E n t w u r f Horten" hatte Sonnenfels die Verwendung des Begriffs der „ natürlichen

Freiheit " i n 1/2 § l 5 7 kritisiert, da diese nur den vor-

staatlichen Zustand betreffe, und versucht, stattdessen den Ausdruck „bürgerliche Freiheit"

einzuführen. 5 8

§ 5 behandelt die Pflicht des Bürgers, die Gesetze zu befolgen, § 6 statuiert die Wechselbezüglichkeit zwischen Rechten und Pflichten. 5 9 I n den § § 7 - 1 0 folgt eine Rechtfertigung der absoluten Monarchie als der besten Staatsform, die ganz dem Denken Sonnenfels' entspricht: 6 0 Das Ge-

mögen zu thun was durch die Gesetze nicht verboten, als zu unterlassen, was durch die Gesetze nicht geboten ist"; Osterloh (1970), S. 183. Vgl. auch Sonnenfels, Grundsätze I: Polizey (1787), § 157: „Der in dem Staate lebende Mensch ist Kraft des gesellschaftlichen Vertrags zu Pflichten gegen seine Mitbürger, wie diese ihm entgegen zu Gegenpflichten, verbunden; er setzt also sich selbst engere Schranken: er entsaget der natürlichen, gegen die bürgerliche Freyheit: er behält also nur das Recht zu allen Handlungen, welche den bürgerlichen Gesetzen, das ist, dem Endzwecke seines Vertrags nicht entgegen sind. ... so schwächt es auch den Begriff der bürgerlichen Freyheit nicht, daß sie nur auf Handlungen sich erstreckt, welche den Gesetzen nicht zuwider sind; man könnte sagen, auf diejenigen Handlungen, welche mit Bey behaltung des Endzwecks möglich sind." 57 Nach Harrasowsky (Hrsg.), C.Th, Bd. IV (1886), S. 24: Entwurf Horten 1/2 § 1 Unter dem Schutze und der Leitung Unserer Gesetze genießen alle Unsere Unterthanen ohne Ausnahme das Recht der natürlichen Freiheit. Nach Klueting (Hrsg.), Der Josephinismus, FVS NZ, Bd. 12a (1995), Nr. 161, S. 358 f f , 359; Zitierweise nach Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. II (1966), S. 392: JosGB II § 1 Unter dem Schutze, und nach der Leitung der Landesgesetze gemessen alle Unterthanen ohne Ausnahme die vollkommene Freyheit. 58 Harrasowsky (Hrsg.), C.Th, Bd. IV (1886), S. 24 Anm. 1; Pfaff Rezension zu Harrasowsky (Hrsg.), C.Th, Bde. IV und V, in: JB1 16 (1887), S. 320; Kocher, Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechtskodifikation (1979), S. 151 f. Fn. 176. Zur stilistischen Revision des JosGB durch Sonnenfels und seinem Versuch, dabei auch Einfluss auf den Inhalt zu nehmen, vgl. Hock/Bidermann, Der österreichische Staatsrath (1879), S. 304 f.; Osterloh (1970), S. 179 f.; Ogris, Sonnenfels als Rechtsreformer, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 47. 59 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 117. 60 Vgl. Sonnenfels, Grundsätze I: Polizey (1787), § 8: „... Daher andere Nationen in der hausväterlichen Regierung ein Urbild suchten, wornach sie, aus Zutrauen zu der Weisheit eines Einzigen, zu seiner Gerechtigkeit und Liebe, alles an Einen übertrugen, der ihr Vater, ihr Gesetzgeber und Rath, ihr Haupt seyn, der, mit der nothwendigen Einsicht begabt, keinen von dem allgemeinen abgesonderten Vortheil kennen sollte. Dieses sind Monarchien. ..." Ders, Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. I (1798), § 8, S. 9 f f , 10 f. mit Anm. 14 (S. 42 ff.): „... Daher andere Nationen in der hausväterlichen Verwaltung ein Urbild suchten, wornach sie, aus Zutrauen zu der Weisheit und Tugend eines Bürgers die Verwaltung an Einen übertrugen, der ihr Gesetzgeber, ihr Haupt seyn, der ...

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

103

meinwohl verlange bei der Gesetzgebung die Berücksichtigung aller Umstände; den dafür entsprechend notwendigen Überblick aber besitze allein der Monarch (§ 7 ) , 6 1 der auch keine Veranlassung habe jemanden zu bevorzugen (§ 8 ) . 6 2 Da sein eigenes W o h l mit dem Allgemeinwohl zusammenfalle, sei er gegen sachfremde Erwägungen gefeit (§ 9 ) . 6 3 Deshalb werde der Einsicht des Monarchen bezüglich der Gesetzgebung berechtigtes Vertrauen entgegengebracht, so dass schließlich auch die Gesetze eine höhere Akzeptanz fänden und bereitwilliger befolgt würden (§ 10). 6 4 Nach Adler bemerkte Sonnenfels zu diesen §§ 1-10, dass sie unterschiedslos sowohl auf die politischen Gesetze als auch auf die bürgerliche Rechtsverwaltung anwendbar seien. Deshalb habe i n einem allgemeinen Gesetzbuch an sich nach § 10 die Zergliederung der Staatsverwaltung i n ihre Hauptzweige zu erfolgen, woran sich auch die Unterteilung des Gesetzbuchs selbst orientieren müsste. Da der vorliegende Entwurf jedoch nicht für ein allgemeines Gesetz-

auch keinen von dem allgemeinen abgesonderten Vortheil kennen ... sollte. Diese Verwaltung ward Monarchie genannt. ..." Ebd., Anm. 12, S. 493 f. zu § 167 (S. 462 f.): „In so fern das günstige Vorurtheil fur die Gesetze davon abhängt, daß keine besondere, einseitige Absicht in die Veranlassung oder Entscheidung eingeflossen zu seyn, besorget werde, hat die unbeschränkte Monarchie den Vorzug vor der beschränkten. ... Der Fürst, der hier bereits alles vermag, und mit allen Rechten, welche zur Erfüllung der großen Pflicht, seine Unterthanen glücklich zu machen, nothwendig sind, ausgerüstet ist, kann vernünftiger Weise keine von dem allgemeinen Wohl getrennte Absicht haben; er findet alles, was seine Größe, seine Glückseligkeit ausmachet, in dem allgemeinen Wohl, und findet es nur in demselben." Osterloh (1970), S. 183. 61

Nach Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 415: Gegenentwurf Einl. § 7 M ... aus der Übersicht aller Umstände und Beziehungen in Verbindung mit Wirkungen und Folgen beurtheilen. Eine solche Übersicht aber und durch dieselbe die zur Gesetzgebung nöthige Einsicht kann nach seinem Standorte nur allein der Regent haben. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 118. 62 Nach Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 415: Gegenentwurf Einl. § 8 „... mit allen Classen der Bürger sowohl, als mit einzelnen Bürgern in einem gleichen Verhältnisse, nach welchem sich ihm von keiner Seite ein Beweggrund anbietet, einzelne Classen oder Bürger durch die Gesetze einseitig zu begünstigen ". Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 118. 63 Nach Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 415 f.: Gegenentwurf Einl. § 9 „... das selbsteigene Wohl des Regenten mit der gemeinschaftlichen Wohlfahrt so innig und untrennbar verbunden, daß derselbe, um sein eigenes Wohl sicherzustellen, bei den Gesetzen stets nur die Handhabung und Vergrößerung der gemeinschaftlichen Wohlfahrt zur Absicht nehmen kann ". Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 118. 64 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 118.

104

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

buch bestimmt sei, sondern nur für das Privatrecht, also einen T e i l dessen, bedürfe es eines Übergangs v o m allgemeinen Begriff des Gesetzes „durch einen , M i t t e l b e g r i f f auf das bürgerliche Privatrecht". 6 5 I n § 11 des „Gegenentwurfs" erfolgt daher nun eine Begriffsbestimmung des bürgerlichen Privatrechts. 6 6 D e m entspricht funktionell der aus 1/1 § 3 des „ E n t w u r f M a r t i n i " 6 7 hervorgegangene § 9 des „Entwurfs von 1794", 6 8 an dessen Satz 2 sich schon die Revisionshofkommission insofern gestört hatte, als sie die Formulierung „für Erbländer

des österreichischen

alle

alle böhmische

und öster-

§ 11 des „Gegenentwurfs" lautete dagegen diesbezüglich: „für

die sämt-

reichische Erbländer"

Staats " durch „für

ersetzen w o l l t e . 6 9

lichen Österreichisch-Deutschen

Erbländer

Fassung Sonnenfels' die Worte „unter Worte „nach ihren mannigfachen

". Wichtiger ist jedoch, dass i n der

sich"

gestrichen und stattdessen die

Verhältnissen " eingefügt werden sollten.

Nach Adler bemerkte Sonnenfels hierzu, dass die Revisionshofkommission bislang zwar seinem Vorbringen dahingehend gefolgt sei, den betreffenden Zusatz einzuschieben, jedoch habe sie es unterlassen, zugleich die Worte

65

„unter

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 118 f.; Osterloh (1970), S. 184. Nach Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 118 f. Fn. 56: Gegenentwurf Einl. § 11 „Nach den verschiedenen Zweigen der öffentlichen Verwaltung werden auch die diesen Zweigen zusagenden Gesetze untergetheilet. Gegenwärtiges Gesetzbuch, welches der bürgerlichen Rechtsverwaltung zur Richtschnur dienet, begreift das bürgerliche Privatrecht, wodurch für die sämtlichen ÖsterreichischDeutschen Erbländer die Rechte und Pflichten der Bürger nach ihren mannigfaltigen Verhältnissen bestimmt werden. " 67 Entwurf Martini 1/1 § 3 Der Inbegriff der Gesetze, durch welche die Rechte, Pflichten und Obliegenheiten aller Bürger und Landeseinwohner unter sich bestimmt werden, macht eigentlich das Privat-, Civil- oder bürgerliche Recht aus; solches wird nun für alle deutschen Erbländer des österreichischen Staats in diesem Gesetzbuch vorgetragen. 68 Wie der genaue Wortlaut des § 9 des „Entwurf von 1794" war, ergibt sich weder aus Harrasowsky (Hrsg.), C.Th, Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1 noch aus Pfaff/Hofmann, Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 21 Fn. 111 oder Pfaff Zur Entstehungsgeschichte des WGGB (1890), S. 15: WGGB I § 9 Der Inbegriff aller Gesetze, wordurch die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt werden, macht das bürgerliche Privatrecht desselben aus. Dieses Privatrecht ist für Westgalizien im gegenwärtigen Gesetzbuche enthalten. Urentwurf I § 9 Der Inbegriff aller Gesetze, wordurch die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt werden, macht das bürgerliche Privatrecht desselben aus. Dieses Privatrecht ist im gegenwärtigen Gesetzbuch enthalten. 69 Harrasowsky (Hrsg.), C.Th, Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 111 Fn. 49. 66

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

105

sich " zu tilgen. Gerade diese beiden Worte würden die Definition aber i n unzuträglicher Weise verengen, da diese nur i m H i n b l i c k auf das vorliegende Gesetzbuch zutreffen würde. Wegen des Fehlens eines allgemeinen Gesetzbuches sei es aber notwendig, einiges i n das vorliegende Gesetzbuch einzubeziehen, was gerade nicht die „Pflichten

und Rechte der Bürger

sondern die öffentliche Verwaltung.

70

unter sich " betreffe,

I m Ergebnis wollte Sonnenfels somit die

Konzeption einer eigenständigen Kodifikation des Privatrechts sprengen, u m öffentliches Recht einführen zu können. 7 1 N i c h t zuletzt deswegen wurde die Einleitung des „Gegenentwurfs" von der Revisionshofkommission i n ihrer vierten Sitzung v o m 25. Januar 1796 verwor-

b) Die ersten vier Hauptstücke

des „ Gegenentwurfs "

Das Erste Hauptstück des „Gegenentwurfs" ( „ Von den verschiedenen sönlichen

Verhältnissen

die Gesetze verbinden?

der Bürger")

per-

setzt sich mit der Frage, „ w e n und wie

auseinander. 73

70

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 119 f. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 120; Osterloh (1970), S. 184. 72 Vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 120 f.: „Man verkennt zwar nicht das Gute dieser mühsamen, mit vielem philosophischen Geiste und logischer Anordnung gelieferten Arbeit. Allein man erachtet gleichwohl, soviel anvorderst die in diesem Entwurf vorkommende Einleitung betrifft, bei dem in den vorigen Kommissionssitzungen einstimmig schon angenommenen Satze lediglich bestehen zu sollen, daß nämlich die Erklärung derjenigen Begriffe und Grundsätze, die aus dem Natur- und allgemeinen Staatsrechte zur Erörterung und Begründung der individuellen und einzelnen Gegenstände des bürgerlichen Gesetzbuchs dienen mögen, nicht in dem Gesetzbuche selbst zu erscheinen, sondern dieses lediglich mit dem bürgerlichen Privatrechte, sowie die Textirung des ersten Hauptstückes bereits gefaßt worden, anzufangen hätte, die obgedachten allgemeinen Begriffe aber in einem dem Gesetzbuche vorstehenden besonderen Proemio zu erklären und zu dieser Arbeit erst nach vollständiger Berichtigung des Gesetzbuches selbst Hand anzulegen wäre; wobei aber alles, was bloß und allein zu dem allgemeinen Staatsrecht gehört, somit bei dem bürgerlichen Gesetzbuche keine schickliche Anwendung hätte und ohnedies der Fassung des gemeinen Mannes nicht angemessen, zu schiefen Auffassungen Anlaß geben dürfte, soweit möglich hinwegzubleiben haben würde. " Osterloh (\91Q), S. 184 f.

71

73

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 122 Fn. 57. Nach Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 416 unterscheidet er dabei „(§. 1) ,die persönlichen Verhältnisse, in Ansehung welcher Rechte erworben und Pflichten auferleget werden' in allgemeine, da sie unmittelbar aus der allgemeinen Eigenschaft eines Bürgers entspringen ' (Verhältniß des Bürgers zu dem Regenten und den Gesetzen, zu den Mitbürgern, zu Fremden, §. 2) und ,besondere ', die theils ,aus der besonderen Beziehung zu einer häuslichen Gesellschaft abge-

106

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Das Zweite Hauptstück ( „ Von den Pflichten der Gesetze überhaupt")

behandelt nach Adler

des Staatsbürgers

in Ansehung

i n § 1 den B e g r i f f des Staats-

bürgers und Untertans, i n §§ 2-8 die österreichische Staatsbürgerschaft und i n §§ 9-14 die Kundmachung, Rückwirkung und Auslegung der Gesetze; § 15 behält die Einschränkung und Aufhebung der Gesetze dem Gesetzgeber vor, § § 1 6 - 1 8 regeln die Statuten. 74 Das 13 Paragraphen umfassende Dritte Hauptstück {„Von Staatsbürgers

gegen Staatsbürger

dem Rechte des

") bestimmt i n §§ 1-2, dass auf österreichi-

schem Boden keine Leibeigenschaft existiert. 7 5 I n § 3 folgt die Feststellung, dass jeder österreichische Staatsbürger vor dem Gesetz gleich sei. 7 6 Hierzu bemerkt Sonnenfels, „daß Staaten gesetzlich keine Unterscheidung, setz das nämliche für Jedermann

in den österreichischen

noch Classe bestimmt ist, da das Ge-

ist, sowohl wenn es schützet, als wenn es be-

strafet " . 7 7 Es werde dadurch auch nicht etwa ein neuer Grundsatz eingeführt, da „kein

Gesetz vorhanden

aufgehoben

sei, welches die ursprüngliche

habe, oder durch Ausnahmen für

auch nur verändert

hätte"™

bürgerliche

Gleichheit

irgend eine Klasse der Bürger

Der Begriff der „Classe"

sei i n Österreich nur i m

leitet werden' (Verhältniß der Eheleute zu einander, der Eltern und Kinder, verwandtschaftliches und vormundschaftliches Verhältniß, §. 3), theils aber ,aus einer solchen persönlichen Beschaffenheit, auf welche die Gesetze besondere Rücksicht zu nehmen Grund gefunden haben' (,das Geschlecht, das Alter, der Zustand des Geistes und Gemüths, nach welchem eine mindere Fähigkeit oder gänzliche Unfähigkeit zur Geschäftsführung vermuthet wird', §. 4)." Osterloh ( 1970), S. 185. 74

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 122 Fn. 57; Osterloh (1970), S. 185. Vgl. auch Sonnenfels, Grundsätze I: Polizey (1787), § 162 zur Bekanntmachung der Gesetze. 75 Nach Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 122 bemerkt Sonnenfels hierzu in seiner Erläuterung: „Es schiene nur der österreichischen milden Regierung allerdings würdig, durch die ausdrücklich Aussage eines Gesetzes zu erklären, daß sie die Menschheit bei sich zur Sklaverei nicht abwürdigen läßt, daß wie anderswo der Grund eigen, in Österreich der Grund frei macht. " 76 Nach Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 416: Gegenentwurf 3. Hauptstück § 3 „Die österreichischen Gesetze erkennen in der Eigenschaft des Staatsbürgers keinen Unterschied, noch Classe. Wie sie den Staatsbürgern ohne Unterschied alle Rechte versichern, der Fähigkeit und dem Verdienste ohne Unterschied gleiche Ansprüche zu allen öffentlichen Ämtern offen halten, so unterwerfen sie auch den Staatsbürger ohne Unterschied gleichen Pflichten. Alle Rechte also, deren ein Staatsbürger sich nach den Gesetzen zu erfreuen hat, kommen auch dem andern gegen denselben zu. Nicht weniger ist jeder Staatsbürger dem andern durch und nach den Gesetzen zu gleichen Pflichten verbunden. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 123; Osterloh (1970), S. 185 Fn. 33. 77 Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 416. 11 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 123.

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

107

gesellschaftlichen Sprachgebrauch von Bedeutung, aber nicht in juristischer Hinsicht, 79 was er dergestalt schon in seiner 1794 gehaltenen Rektoratsrede ausgeführt habe.80 Nach § 4 sind daher Abstufungen durch Adel, Amt und Grundherrschaft sehr wohl mit der bürgerlichen Gleichheit vor dem Gesetz vereinbar. 81 79

Vgl. Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefi 2-4 (1889), S. 417: „Konnte ich bei dem Entwürfe des gegenwärtigen Gesetzes vergessen haben, daß die allgemeine Masse der Bürger in zahlreiche, mannigfaltige, besondere Unterabtheilungen zerfällt? Wenn nun aber in der nicht an rechtliche Genauheit gebundenen Sprache des geselligen Lebens zu Bezeichnung dieser Untertheilungen das Wort Classe in Gewohnheit ist, so geschieht dieses insgemein bei allen Untertheilungen; und wie man spricht: die Classe des Adels, des Bürgers - so spricht man ebenfalls: die Classe der Reichen, der Armen, der Capitalisten, der Bürger, der Gelehrten, der Künstler, der Handwerksleute, der Gewerbtreibenden, des Tagelöhners, des Städters, des Landvolks, der Dienstboten u. s. w., wodurch man nichts anderes versteht, als die zufällige Verschiedenheit, welche die Bürger nach den Glücksumständen, der Beschäftigung, der Erwerbung, dem Ansitze in Gattungen zusammenstellet, ohne jedoch mit diesem willkürlich geordneten Gesammtwesen den Sinn von bürgerlichen Abstufungen zu verbinden, oder dadurch gesetzliche Unterscheidungen und Classen in der Eigenschaft des Staatsbürgers anzudeuten. Nur dann wird mit Grund der Bestand gesetzlicher Unterscheidungen und Classen in der Eigenschaft der Staatsbürger behauptet werden können, wenn man darthun wird, daß einer Abtheilung von Staatsbürgern durch die Gesetze besondere Rechte, d. i. Vorrechte zugestanden sind, welche sie durch eine eigene gesetzliche Beziehung gegen einander von den übrigen Mitbürgern unterscheiden. Die österreichischen Gesetze kennen solche Vorrechte in der Eigenschaft ihrer Staatsbürger nicht. " 80

Vgl. Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 417: „Der Bürger der österreichischen Staaten erfreuet sich neben seiner gesicherten Freiheit auch einer billigen Gemeinschaft der Rechte und Gesetze, deren Schutz sich ohne Unterschied gleich über alle Stände des gemeinen Wesens, über alle Classen des Volkes verbreitet; oder vielmehr: vor den Gesetzen verschwindet aller Unterschied der Classen und Stände. Die bürgerliche Rechtspflege ist für beide, den Adelichen und Unadelichen gleich: gleiche Vorschrift der gerichtlichen Ordnung, gleiche Rechte, gleicher Ausspruch, gleiche Entscheidung. Der Adeliche und Unadeliche werden als Verbrecher nach gleichen Gesetzen verurtheilt und bestraft. Besitz und Vermögen der Adelichen und Unadelichen werden nach einer gleichen Schätzung auch gleichen Abgaben und Entrichtungen unterworfen; und um Alles mit Einmal zusammenzufassen: da, wo durch die zufallige Verschiedenheit von Aemtern, Geburt, Vermögensumständen eine Trennung oder Unterscheidung zu bestehen scheint, ist durch die Gleichförmigkeit der Recht und Gesetze und den gemeinschaftlichen Namen der Staatsbürger Alles wieder vereinbaret und einander durchaus gleich gemacht. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 124. 81 Excurse, Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 416: Nach Pfaff/Hofmann, Gegenentwurf 3. Hauptstück § 4 „Die bürgerliche Gleichheit wird durch den Geburts-, (Erb-, Familien-) Adel, den Amtsrang und das Verhältniß zwischen Grundobrigkeit und Grundholde (Grundsasse) keineswegs verändert oder aufgehoben: denn diese Verschiedenheiten gründen weder in Ansehung der bürgerlichen Rechte einen Vorzug, noch in Ansehung der bürgerlichen Pflichten eine Ausnahme. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 124.

108

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

In §§5-13 werden die Privilegien eingehend geregelt, 82 die „der bürgerlichen Gleichheit nicht entgegen " wären, da sie nur für öffentliche Verdienste um das Gemeinwohl verliehen würden und somit für jedermann erreichbar seien. 83 Was das Vierte und letzte Hauptstück des „Gegenentwurfs" {„Von dem Rechte des Staatsbürgers gegen Fremde und entgegen ") anbelangt, so findet sich im Sitzungsprotokoll der späteren Hofkommission in Gesetzsachen vom 1. Februar 1802 folgende Bezugnahme auf die von Sonnenfels vor der Revisionshofkommission geäußerte Meinung: „Fremde unter sich sind ungebunden, und können ihre Geschäfte in hiesigen Ländern nach hiesigen oder den Gesetzen ihres Landes behandeln. " 84 Auf diese vier Hauptstücke seines „Gegenentwurfs" sollte nach der Vorstellung Sonnenfels' nun wieder der „Entwurf von 1794" ohne dessen beiden ersten Hauptstücke folgen, das heißt beginnend mit dem Dritten Hauptstück, das nunmehr das Fünfte bilden würde. 85 Ob er schließlich diese Abänderungsanträge inhaltlich zurückzog oder nicht, ist umstritten. 86 Jedenfalls sprach sich die Revisionshofkommission bei der Beratung des Zweiten Hauptstücks am 14. März 1796 dafür aus, unter anderem die (aus 1/2 §§1-2 des „Entwurf Martini" 8 7 hervorgegangenen 88) §§ 28-29 des „Entwurf

82 83

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 124.

Excurse, Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 417 f., dort aber jeweils Nach Pfaff/Hofmann, ohne Angabe der Paragraphenzahlen: Gegenentwurf 3. Hauptstück § χ „Befreiungen, welche von einer Verbindlichkeit entheben, werden nur äußerst selten, insgemein nur wegen Verdienste um das allgemeine Wesen verliehen, und können nach Umständen jedem Bürger zu Theil werden. Ebenso kann ein besonderes Befugniß, wodurch Jemandem ein ausschließendes Recht oder Vorrecht auf bestimmte Zeit eingeräumt wird, zur Ermunterung oder Unterstützung jeder Bürger erhalten, der durch sein Vermögen, seine Fähigkeit, seinen Betrieb dem gemeinen Wesen einen besonderen Nutzen zu schaffen fähig ist. Der Gegenstand eines besonderen Befugnisses aber kann nie etwas solches werden, was zur Erreichung des allgemeinen Zwecks nothwendig ist. " § y „Da jedoch Privilegien noch unter dieser Bestimmung gegen die nicht Privilegirten immer eine unbeliebte Ausnahme machen, so sind dieselben nach Umfang und Dauer in den genauesten Gränzen zu erhalten. " Vgl. auch Sonnenfels, Grundsätze I: Polizey (1787), § 135; ders., Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. I (1798), § 181, S. 481 f. 84 Ofner (Hrsg.), Urentwurf, Bd. I (1889), Vorrede Fn. 1 i.V.m. S. 51. 85 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 125; Osterloh (1970), S. 186. 86 Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 28 Fn. 2 a.E. und Bd. I/Heft 2So Pfaff/Hofmann, 4 (1889), S. 415; a.A. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 125 Fn. 63. 87 Entwurf Martini 1/2 § 1 Wenn Menschen in einer bürgerlichen Gesellschaft vereiniget sind, so hören deshalb die ihnen angebornen Rechte so wenig auf, als ihre natürlichen Pflichten; nur eine gewisse Richtung und Beschränkung derselben findet

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

109

von 1 7 9 4 " 8 9 wegzulassen, da diese zu Missverständnissen und „ Verirrungen

in

den Gesinnungen Anlaß geben könnten "; insbesondere störte man sich dabei an dem „ Rechte, seine Leibes- und Geisteskräfte zu veredeln ", denn dieses würde „mit

dem Conscriptions-

und Recrutirungssysteme

gewissermaßen

im Wider-

spruche stehen ". 90 Der Landesreferent für die Vorlande, Hofrat Fechtig legte i n der sechsten Sitzung v o m 11. A p r i l 1796 „ Unmaßgebliche

Erinnerungen

" bezüglich der er-

sten beiden Hauptstücke von 53 Seiten vor, worin er es für angebracht hielt, überhaupt auf „alles

Zeug von Menschenrechten,

natürlicher,

bürgerlicher

Freiheit " zu verzichten. 9 1

alsdann insoferne statt, als diese zur Erreichung des oben angeführten Endzweckes nöthig ist. 1/2 § 2 Zu den von dem Menschen untrennbaren Naturrechten gehört vorzüglich das Recht, sein Leben zu erhalten, und die dazu erforderlichen Mittel oder Sachen sich eigen zu machen, seine Geistes- und Leibeskräfte auszubilden und zu veredeln, sich und seine Sachen zu verteidigen, einen unbescholtenen Leumund zu behaupten, und überhaupt mit dem, was ihm angehöret, nach freier Willkür schalten und walten zu können. 88 Im Vortrag der Hofkommission in Gesetzsachen vom 3. Mai 1794 (s.o., S. 90 Fn. 9) besagten die „Bemerkungen " bezüglich dieser Vorschriften des Ersten Hauptstücks nach Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 108 folgendes: „die §§ 28 bis 33 und § 42 sind ganz neu entworfen, weil in dem alten Text die allgemeinen Verhältnisse des Bürgers nach Alter, Seelenkraft und Körperschwäche nicht auseinandergesetzt waren, und weil es nöthig ist, den Bürger in seinem gesellschaftlichen Zustand darzustellen, und ihn einerseits mit den Wohlthaten der Gesetze bekannt zu machen, andererseits aber den Begriff zu zerstören, als ob der gesellschaftliche Zustand alle natürlichen Rechte vernichte. Aus eben dem Grund wurden in den §§ 7 und 41 die Grenzen der Selbstvertheidigung näher entwickelt und ausgemessen. " 89 Der Wortlaut der §§ 28-29 korrespondiert mit WGGB I §§ 28-29, vgl. Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 16 Anm. 2; Pfaff Zur Entstehungsgeschichte des WGGB (1890), S. 16 Fn. 32: WGGB I § 28 Menschen, die sich in eine bürgerliche Gesellschaft vereinigen, legen deswegen weder ihre natürlichen Pflichten, noch die ihnen angebohrnen Rechte ab. Nur eine gewisse Richtung und Beschränkung dieser Rechte findet insofern statt, als sie zur Erreichung der allgemeinen Wohlfahrt nothwendig ist. WGGB I § 29 Zu den angebohrnen Rechten der Menschen gehören vorzüglich das Recht sein Leben zu erhalten, das Recht die dazu nöthigen Dinge sich zu verschaffen, das Recht seine Leibes- und Geisteskräfte zu veredeln, das Recht sich und das Seinige zu vertheidigen, das Recht seinen guten Leumund zu behaupten, endlich das Recht mit dem, was ihm ganz eigen ist, frey zu schalten und zu walten. 90 Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 16 Anm. 2; Wellspacher, FS ABGB, Teil 1(1911), S. 180. 91 Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 27 Fn. 2; vgl. ferner Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 4 Anm. 1: „Die motivirenden Aussprüche schienen ihm ,eher in eine sogenannte Constitution' zu gehören; er hielt sie für Rechtfertigungen ', deren Aufnahme Jetzt gerade noch

110

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Nachdem die Beratung der ersten beiden Hauptstücke in dieser Sitzung vom 11. April 1796 abgeschlossen werden konnte, übersandte Graf Rottenhan die Kommissionsakten einschließlich der Sitzungsprotokolle mit Vortrag vom 24. Mai 1796 an Martini, den Präsidenten der Hofkommission in Gesetzsachen.92 Bemerkenswert ist der Umstand, dass sich Sonnenfels bemüßigt fühlte, seinen „Gegenentwurf' mitsamt den dazugehörigen „Bemerkungen" seinem ehemaligen Lehrer Martini 93 zukommen zu lassen und sich in einem Begleitschreiben zu rechtfertigen. 94

doppelt am Unrechten Platze wäre, denn sie schienen Furcht zu verrathen. ' Der Hinweisung auf das preußische Gesetzbuch begegnete er mit der Bemerkung, daß dasselbe mehr einem Schulbuche gleiche, und als ,gelehrtes Werk dem Verfasser Ehre' mache. Uebrigens meinte er, ,der preußische Geschmack ist schon just allemal nicht der beste' und forderte ,alles Zeug von Menschenrechten, natürlicher, bürgerlicher Freiheit ' auszulassen." Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 125 f.; Wellspacher, FS ABGB, Teil I (1911), S. 180; Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 180, 190; ders., Privatrechtskodifikation und Staatsbildung (1976), S. 76; ders, Forschungsband Zeiller (1980), S. 223; Hebeis, Karl Anton von Martini (1996), S. 111. 92 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 126 f.; Osterloh (1970), S. 186. 93 Vgl. die oft zitierte Äußerung Sonnenfels' nach de Luca, Das gelehrte Österreich Ein Versuch, Bd. 1/2 (1778), S. 150: „Ich bin Martini die Gerechtigkeit zu gestehen schuldig, daß sein gedrängter, überzeugender Vortrag mich zuerst wahrhaft denken gelehrt, und wenn heute Ordnung, Klarheit und Bündigkeit in meinen Schriften und Vorlesungen nicht ganz vermißt werden, so habe ich es viel dem Unterrichte dieses Mannes zuzuschreiben, der dem Staate so viele Jünglinge gebildet hat, die nun mit Ruhm ansehnliche Ämter bekleiden und durch ihre Geschicklichkeit ihren Lehrer ehren. " Vgl. Menzel, Österreichische Rundschau I (1904), S. 301; Voltelini, HZ 105 (1910), S. 71; Klein-Bruckschwaiger, Karl Anton von Martini in der Zeit des späten Naturrechts, FS Haff (1950), S. 120-129, 127; Osterloh (1970), S. 30; Hebeis, Karl Anton von Martini (1996), S. 32 Fn. 20; Ingenhaejf, Martini als Lehrer Zeillers, Tagungsband Martini (1999), S. 261-275,267. 94 Vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 127 f. Fn. 70: „Das Schreiben beginnt mit den Worten: ,Ich gebe Euerer Excellenz das unzweideutigste Merkmal meiner Verehrung und des hohen Begriffs, den ich von Ihrer Denkungsart habe durch Übersendung beifolgender , Bemerkungen '. Ich hoffe darin die Freimüthigkeit der Meinung, die ich meinem Amte schuldig bin, mit der Hochachtung gegen die hohen Einsichten meines Lehrers, die eine Pflicht meines Herzens ist, vereinbart zu haben. ... ' Das Schreiben betont dann, daß Sonnenfels nicht im Ziele, nur in den Mitteln zum Ziele von M a r t i n i teilweise abweiche. Sonnenfels will auf dem Wege des bürgerlichen Gesetzbuchs ,der Welt die glückliche Freiheit' und Gleichheit, deren wir Österreicher ohne Zwang der Revolution genießen, vor Augen legen. ,Die Österreicher ahnen selbst nicht das Glück ihrer Lage, Fremde haben keinen Begriff davon'·, vielleicht liege einem großen Teil der Welt daran ,dieses Geheimnis nicht durchdringen zu lassen, nicht durch gesetzliches Ansehen eine Verfassung befestigt zu sehen, die von jeher der Stolz des österreichischen Staats-

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission Die Beratungen über das Dritte Hauptstück („Rechte und Pflichten leute")

111 der Ehe-

des Ersten Teils wurden erst nach drei weiteren Sitzungen

am

26. August 1796 beendet. 9 5

4. Die Vereinigung der Revisionshofkommission mit der Hofkommission in Gesetzsachen Nachdem die Hofkommission i n Gesetzsachen die Beratung des Dritten Teils i m Oktober 1796 abgeschlossen hatte, 9 6 überreichte sie am 29. Oktober 1796 einen v o m 20. Oktober 1796 datierenden Vortrag. 9 7 Darin wurde scharfe K r i t i k am schleppenden Arbeitstempo der Revisionshofkommission geübt, 9 8 die durch ihre Vorgehensweise, „mit Entwurf b. G. B.

der Commission liefert"

einer unverkennbaren

Mühe nicht einen revidirten

in Gesetzsachen, sondern einen neuen Entwurf

zum

99

Was die „Diction"

betreffe, so sei seitens der Revisionshofkommission

ebenfalls überwiegend unnötiger Aufwand betrieben worden, wenngleich man

bürgers sein konnte, in diesem Zeitpunkt Staat und Gesellschaft selbst gegen jeden Wunsch der Neuerung sichert. Gewohnt, mich den Anfällen ... auszusetzen (es ist nicht ersichtlich, wen Sonnenfels meint), habe ich, was Euer Exzellenz, darf ich sagen, zu behutsam nur andeuten, recht herausgehoben und um dieses zu können, mir durch eine eigene Ordnung Ort und Gelegenheit verschaffen müssen, wonach ich sogleich wieder nach Euerer Exzellenz Plan einlenke. Die Kommission hat einzelnes von mir, aber wie in einer andern Absicht, also auch in einer andern Form und Verbindung aufgenommen. ' Das Schreiben (die Unterstreichung einzelner Worte rührt von Sonnenfels selbst her) schließt mit den Worten: ,Sollten Euer Excellenz bei gefälliger Zurücksendung meiner Hefte mich einiger belehrender Erinnerungen würdigen, so werden Sie an mir noch stets Ihren aufmerksamen Schüler finden. ' " Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 191. 95 Osterloh ( 1970), S. 186. 96 Hebeis, Karl Anton von Martini (1996) S. 112; die Protokolle des Jahres 1796 zu den Beratungen über die letzten Hauptstücke des Zweiten Teils und den Dritten Teil waren bereits vor dem Justizpalastbrand 1927 unauffindbar, vgl. Harrasowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. IV (1886), Einleitung, S. 10 Fn. 24; Binder/Suchomel, FS ABGB, Teil I (1911), S. 375. 97

Abgedruckt bei Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefì 1 (1877), S. 28-33; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 128; Binder/Suchomel, FS ABGB, Teil I (1911), S. 375. 98 Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 29: „Sind 113 Paragraphen nur nach 27 Monaten zu Stande gekommen, so werden 1800 Paragraphen über 35 Jahre fordern. Rechnet man aber auch nur nach dem Gange des zweiten Operates, ..., so werden doch immer, wenn 54 Paragraphen beinahe 5 Monate forderten, 1800 Paragraphen beinahe 14 Jahre fordern. " 99 Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefì 1 (1877), S. 30; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 128.

112

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

seinerseits durchaus dazu bereit sei, auf die Verwendung der Begriffe „ von bürgerlicher

Freiheit,

von Gleichheit

der Rechte " zu verzichten. 1 0 0

Da sich der Staatsrat diesen vorgebrachten Kritikpunkten i m Ergebnis anschloss, 1 0 1 wurde durch Allerhöchstes Handbillett v o m 20. November 1796 die Bildung einer einzigen aus Mitgliedern beider Kommissionen zusammengesetzten Kommission angeordnet (Ziff. 4), die aber erst nach Eintreffen der Gutachten der eingesetzten Länderkommissionen ihre Tätigkeit aufnehmen sollte (Ziff. 2); daneben sollte nach preußischem V o r b i l d 1 0 2 der Entwurf gedruckt und ein öffentliches Preisausschreiben i m In- und Ausland veranstaltet werden (Ziff. I ) . 1 0 3

100

Vgl. Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 31: „... und sich hierin die ... Hofcommission ... den diesfalligen Verbesserungen ganz gerne fügen wird: wenn sie ζ. B. ganz gerne die aus den Umständen der Zeiten so verhaßt gewordenen Worte von bürgerlicher Freiheit, von Gleichheit der Rechte ganz hinweglassen will, in der Überzeugung, daß deswegen dem Kopfe und dem Herzen des Gesetzgebers sowie seiner Rathgeber zu einer klugen, sanften und gerechten Regierung die der Ruhe und Zufriedenheit der Völker so nothwendige Lehre tief eingeprägt bleiben werde, daß Recht und Pflicht alle Classen der Unterthanen in gleicher Weise treffen, und die Freiheit des Menschen nicht weiter, als es das wahre Wohl der bürgerlichen Gesellschaft fordert, beschränkt werden soll; ...". Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 160; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 128 f. 101

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 129 f. Zur Publikation des preußischen EAGB (1784-1788) und den dabei veranstalteten Preisausschreiben vgl. Hattenhauer (Hrsg.), ALR (1996), Einführung, S. 9 f.; Barzen, Die Entstehung des EAGB (1999), S. 129 f f , 148 f f , 177 f f , 198 f , 204 f , 213. 103 HHStA, StR-Prot. 1796/IV (lfd. Bd. 148), 3707 ex 1796; ferner abgedruckt bei Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 33-35: „Circuì: Vortrag der HofCoon in Gesetzsachen de dato 2(f en Octobris 1796- Über den dermaligen Gang des Geschäftes der Gesetzgebung. Resol: Allerh. Handbillet an die GesetzRevisionsCoon: Da Mir die baldmöglichste Zustandbringung des für das Wohl der bürgerlichen Gesellschaft höchst wichtigen vollständigen Gesetzbuches sehr am Herzen liegt und Ich alle dieser so heilsamen Absicht entgegen stehenden Hindernisse beseitiget wissen will, so habe Ich nachstehende zum Zwecke führende Maßregeln hiermit zu bestimmen befunden: J' e" s Müssen die nunmehr vollendeten drei Theile des bürgerlichen Gesetzbuchs vor Allem den in den Ländern aufgestellten Commissionen zur Beratschlagung mitgetheilet, ihnen aber auch, um die Sache nicht in das weite Feld hinauszuschieben, zu ihrer Berichtigung eine Zeitfrist von höchstens zwei Jahren bestimmt werden. Auch wird, so wie es in Preußen mit gutem Erfolge geschah, das Ganze unter der Gestalt eines Entwurfes zu einem allgemeinen Gesetzbuch als eine Privatarbeit in Druck zu legen, dann dem in- und auswärtigen Publico zur Beurtheilung hinauszugeben, und demjenigen, der in hinlänglicher Zeitfrist die besten Bemerkungen über das Gesetzbuch beybrächte, eine bestimmte Belohnung zu versprechen seyn, welche Bemerkungen sodann bey der über das Ganze vorzunehmenden weiteren gemeinschaftlichen Prüfung benutzet werden könnten. 102

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission Bei der ersten „gemeinschaftlichen

Zusammentretung"

113

am 14. Dezember

1796 wurde einstimmig darum ersucht, von der Mitteilung an das Publikum abzusehen, sondern stattdessen nur von den vier erbländischen juristischen Fakultäten Gutachten erstellen zu lassen, wofür aber ein Jahr ausreichen w ü r d e . 1 0 4 I m H i n b l i c k auf den dadurch entstehenden Zeitgewinn von einem vollen Jahr wurde weiter beantragt, die neue Kommission sofort in „Dasein setzen, denn schon jetzt bestünde „genügliche

und Thätigkeit"

Beschäftigung",

zu

da Rückfragen

aus Westgalizien zu erwarten wären bzw. die Arbeiten am Wechsel- und Lehen-

2tc m Hat bis zur Einlangung der von den Länder-Commissionen allenfalls zu machenden Erinnerungen all fernere Revision zu unterbleiben. 3te" s Wo die einhelligen Stimmen oder die überwiegende Pluralität an den Entwürfen keine Bedenken gefunden haben, da soll es bey denselben platterdings verbleiben, wenn anders nicht auch in einzelnen Meinungen einleuchtende, wichtige, schädliche Folgen dargestellt werden können. 4lens Wird zur Verbesserung der anerkannten Fehler oder zur Beurtheilung der von den Länder-Commissionen erregten Anstände eine eigene einzige Hofcommission in Gesetzsachen aus einigen Mitgliedern der beiden Commission zusammenzusetzen sein, welche 5 tens wöchentlich an einem bestimmten Tage zusammen zu treten, die Beratschlagungen kapitelweise vorzunehmen, ihre Schlüsse nur per majora zu fassen, und dann, sowie ein Capitel berichtiget ist, solches samt ihren Berathschlagungsprotokolle sogleich Meiner Entscheidung und Sanctionirung vorzulegen haben wird. Endlich 6tens will Ich dieser neuen Hofcommission auch die Controlle über die Befolgung des sanctionirten Gesetzes und die Bearbeitung über die erregten Anfragen, sowie über die nöthigen Nachträge zuweisen. Nach diesen Grundsätzen wird demnach die Revisionshof commission einverständlich mit der Hofcommission in Gesetzsachen das Nöthige ungesäumt einleiten, und mit vereinten Kräften zur endlichen Berichtigung dieses höchst wichtigen Gegenstandes wirken. Auf den Vortrag der HofCoon in Gesetzsachen Was Ich in Ansehung dieses wichtigen Gegenstandes an die GesetzRevisionsHofCoon: erlassen habe, ist aus nebengehender Abschrift zu ersehen. " Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 161; Binder/Suchomel, FS ABGB, Teil I (1911), S. 375; dieses Handbillett wurde durch Zeiller in der 1. Sitzung der späteren Hofkommission in Gesetzsachen am 21. Dezember 1801 im Wortlaut verlesen, daher ebenfalls im Protokoll abgedruckt bei Ofner (Hrsg.), Urentwurf, Bd. I (1889), S. 10 f. 104 Pfajf/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 34 Fn. 2: „daß Sr. Majestät gefällig sein möchte, es von dieser weiteren Mittheilung an das Publikum abkommen zu lassen; jedoch um die Meinungen und Urtheile der Berufsgelehrten in ihrem Fache nicht zu vermissen, ... zu genehmigen, daß ... auch der nunmehr vollendete Entwurf des G. B. der juridischen Lehrerversammlung der vier inländischen Universitäten um ihre Bemerkungen zugesendet werde. " Binder/Suchomel, FS ABGB, Teil I (1911), S. 375. Vgl. dazu Schott (Hrsg.), Das Freiburger ABGB-Gutachten 1797 (2000), S. 14 ff. 8 Wagner

114

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

recht und eventuell am politischen Kodex voranzutreiben seien. 1 0 5 Letzterer sei überhaupt äußerst wichtig, u m „die Geschäftsleitung ständen und die eigentliche Geleise zu bringen.

Organisierung

in den politischen

Gegen-

der Stellen in das zweckmäßigste

" 106

Der Staatsrat setzte sich i n seinen Gutachten Ende Dezember 1796 m i t der Frage auseinander, wer als Präsident der neu gebildeten Kommission fungieren sollte. 1 0 7 Die Resolution v o m 6. Januar 1797 k a m den dargestellten Anträgen nach, ohne allerdings explizit auf den politischen Kodex einzugehen. Ferner wurde angeordnet, dass grundsätzlich das Präsidium aus der einen, das Vizepräsidium aus der anderen der fusionierenden Kommissionen zu besetzen sei, eine endgültige Personalentscheidung jedoch erst getroffen werde, wenn diesbezüglich ein Vorschlag seitens der Kommission gemacht worden sei. 1 0 8 I n einer Note der Hofkommission in Gesetzsachen v o m 12. Januar 1797 wurde schließlich mitgeteilt, dass Martini auf eigenen Wunsch nicht mehr zur

105

Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 35 Fn. 4. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 130 Fn. 74. 107 Nach Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 130 f. erklärte sich Eger als Schwager Martinis für befangen, Vogl und Izdenczy sprachen sich für Martini aus, während Graf Rottenhan „sich sehr zurückhaltend äußerte"; Hebeis, Karl Anton von Martini (1996), S. 115. 106

108

HHStA, StR-Prot. 1796/1V (lfd. Bd. 148), 4361 ex 1796: „Circuì: Protokoll über die am 14. Dezember 1796 abgehaltene gemeinschaftliche Zusammentretung in Betref der Zustandbringung des bürgert. Gesetzbuches. Resol: Aus den von der Hofkoon angeführten Gründen hat es von der Mittheilung des vollendeten Entwurfes des Gesetzbuches an das Publikum in Absicht auf die weitere Prüfung desselben gegen Prämien abzukommen; dafür aber ist die angetragene Vernehmung der juridischen Lehrerversammlung der 4 deutscherbländischen Universitäten sogleich einzuleiten, jedoch versteht es sich, daß wenn vom In- oder Auslande gleichsam von selbst Bemerkungen über den gedruckten Entwurf ans Licht kämen, solche wo es noch an der Zeit ist, gehörig benützt werden müssen; auch genehmige Ich den Mir vorgelegten hier rückfolgenden Entwurf der Verordnung an sämtliche Appellationsgerichte. Wie aber aus den dermal igen zweien eine einzige Hofkoon in Gesetzsachen zusammenzusetzen sei, und aus welchen Individuen solche zu bestehen habe? um bis zur Einlangung der Erinnerungen der Universitäten, und der Länderkommissionen mit den vorfallenden Zwischenarbeiten, und Vorbereitung zur fördersameren Berichtigung des Ganzen sich zu beschäftigen, darüber erwarte Ich noch den weiteren Vorschlag der Hofkoon: wobei sich vorläufig zur Richtschnur zu nehmen ist, daß das Präsidium von einer, das VizePräsidium von der anderen, und die Votanten aus beiden Hofkoonen in gleicher Zahl gewählt werden. Das Präsidium hiezu behalte Ich Mir bevor, erst dann zu bestimmen, wenn Mir der diesfallige Vorschlag überreichet werden wird. " Pfaff/Hofmann, (1911), S. 130.

Excurse, Bd. I/Hefì 1 (1877), S. 35 Fn. 5; Adler, FS ABGB, Teil I

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission

115

Verfügung stehe. 1 0 9 Ausweislich des Sitzungsprotokolls der alten Hofkommission i n Gesetzsachen v o m 17. Februar 1795 hatte er wegen des nachhaltigen Widerstandes des Direktoriums schon früher mit Rücktrittsgedanken gespielt. 1 1 0 Zeiller

macht später in seinem Vortrag v o m 21. Dezember 1801 ausdrücklich

„ mannigfaltige antwortlich. 1 1 1

dabei erlittene Kränkungen

" für diesen Schritt Martinis mitver-

Der pointierten Ansicht von Adler,

dass Sonnenfels

hierzu

„durch seinen Gegenentwurf und vor allem durch dessen Begründung wesentlich beigetragen" habe, ist ein wahrer Kern wohl nicht abzusprechen. 112 B e i der folgenden „gemeinschaftlichen

Zusammentretung"

unter dem V o r -

sitz Rottenhans v o m 25. Januar 1 7 9 7 1 1 3 hob dieser in seinem Personalvorschlag die besonderen Fähigkeiten Sonnenfels' hervor, die gerade i m H i n b l i c k auf die Redaktion des politischen Gesetzes unentbehrlich seien. 1 1 4

109

Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 35 Fn. 5: „wienach seine dermal noch sehr geschwächten Leibes- und Gemüthskräfte ... ihm ... um so minder gestatteten, bei dieser Hofcommission dermal einzuschreiten, als er seines Orts das G. B. nach seinen Kenntnissen dermaßen bearbeitet habe, daß er zu dessen Verbesserung oder Abänderung in seiner dermaligen Lage nichts beitragen könne, sondern diese gleichwohl anderweiten Einsichten überlassen müsse". Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 131 Fn. 76; Hebeis, Karl Anton von Martini (1996), S. 115. 110

Binder/Suchomel, FS ABGB, Teil I (1911), S. 374: so wäre er hingegen in Erwägung, daß von Seiten der Direktorialhofstelle allen und jeden ersprießlichsten Unternehmungen dieser Hofkommission so viele beschwerliche Hindernisse im Wege gelegt oder wohl gar solche auf alle Art zu verewigen getrachtet werde, mithin nach diesem Vorgehen auch von der besten Bearbeitung nie eine Ehre sondern immer nur Schande und Spott zu erwarten stehe, nunmehr ganz entschlossen, ... hieran keine Feder mehr anzulegen ... 111 Abgedruckt bei Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 36 f f , 38; Ofner (Hrsg.), Urentwurf, Bd. I (1889), S. 1 f f , 3. Auch Harrasowsky, Geschichte der Codification (1868), S. 163 sowie Pfaff/Hofmann, Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 22 Fn. 118 sehen in der Verbitterung Martinis das Hauptmotiv seines freiwilligen Rücktritts. 1.2

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 131. Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefì 1 (1877), S. 35 Fn. 5 sowie Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 386 ff. 114 Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 2-4 (1889), S. 389 Fn. 31: „3. Hof rath ν. Sonnenfels, der sich ebensosehr durch seinen unermüdeten Amtsßeiß, als durch den philosophischen Geist auszeichnet, der in seinen gelehrten Schriften herrscht, konnte die Wahl nicht unentschieden lassen. Er hat den größten Antheil an der systematischen Zusammenstellung der Gesetze, mit welcher man in den Protokollen der Gesetzrevisions-Hofcommission den Urentwurf der Gesetzsammlung begleitet hat. Überhaupt läßt sich nicht verkennen, daß der Umfang von Kenntnissen, die dieser durch seine über die Theorie der Regierungskunst gelieferten Werke auch im Auslande berühmte Mann durch anhaltendes Studium und durch eine langjährige Ausübung seiner eigenen Grundsätze bei der Provinzial- und Hofstelle erworben; daß endlich die Fertigkeit, Geschäftsgegenstände wissenschaftlich zu be1.3

8*

116

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

In der hierüber ergehenden Resolution vom 25. Februar 1797 wurde Graf Cavriani zum Präsidenten und Oberstlandrichter Haan zum Vizepräsidenten der neuen Hofkommission bestimmt, in welche auch Sonnenfels wieder aufgenommen wurde. 115 Der Vortrag des neuen Präsidenten Cavriani vom 21. März 1797, durch den der Tätigkeitsbereich der neuen Hofkommission in Gesetzsachen abgesteckt werden sollte, bezeichnete zuletzt „als das wichtigste und dieser Hofkommission als ein neuer Gegenstand zugewiesene Werk den Entwurf des politischen

handeln, diesem so rühmlich bekannten Gelehrten einen vorzüglichen Anspruch auf Arbeiten von der Art geben, wie Gesetzredaction ist, die ihm nun auch bei der neuen vereinten Hofcommission nebst der vorläufigen Prüfung der von der Justizseite vorkommenden Arbeit hauptsächlich in Hinsicht auf das politische Gesetz obliegen würde. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 132 Fn. 78; Osterloh (1970), S. 187 Fn. 40. 115 HHStA, StR-Prot. 1797/1 (lfd. Bd. 150), 412 ex 1797: „Circuì : Protokoll gemeinschaftl. de dato 25. Jan. 1797 - Über die eigentliche Bestehung und Organisirung der neu angeordneten GesetzgebungsHofCoon Resol: Ich genehmige die zu Leitung der neuen Hoflcommission angenommenen Grundsätze. Zu Beisitzern derselben benenne Ich von Seite des JustizDepartements die Hofräthe: Kees, Stupan, Lyro, und den N. Ö. Appellationsrath Zeiller. Von Seiten der politischen Stelle die Hofräthe Koller, Haan, Sonnenfels, Strobl, und Zippe; und ist in besonderen Fällen ein oder der andere Hofrath von dem politischen oder dem Justizfache, und so auch ein Individuum von Seite der Kammerprokuratur beizuziehen, welch letzteres Individuum, in allen Materien, wo das Rechtsverfahren wird bestimmt werden, nicht zwar als Votant, sondern nur um seine Erinnerungen über die Rechtspraxis zu machen, den Sitzungen beizuwohnen haben wird. Das Präsidium dieser Hofkommission trage ich hiemit dem vormaligen Obersten Burggrafen Gr: Cavriani in Gnaden auf, und bestimme ihm zum Vizepräsidenten den Obersten Landrichter v. Haan, dessen gründliche Kenntnisse Ich bei dieser Coon allerdings benützt wissen will. Den Baron Martini aber will Ich in Rücksicht seiner kränklichen Umstände, und zunehmenden Alters, und da Mir an dessen längerer Erhaltung gelegen ist, von dem bisher geführten Präsidio gesagter HofCoon gänzlich entheben, und ist ihm über seine in diesem wichtigen Geschäfte mit so vielem Ruhme geleisteten Dienste Meine gnädigste Zufriedenheit mit dem Beisatz zu versichern, daß Ich von seinem Mir bekannten Diensteifer erwarte, derselbe werde nach seinen Kräften noch immer bereit seyn, Mir bei diesem das Wohl und Glück Meiner Länder so nahe angehenden Werke mit seinen tiefen Einsichten, Kenntnissen, und klugen Rathschlägen an Hand zu gehen, welche Ich Mir auf alle Art zu benützen auch hiemit ausdrücklich vorbehalte. In Gemäßheit dieser Meiner Gesinnung ist das weiters nöthige sogleich zu verfiigen, und hiernach die obgesagten Präsidenten und Hofräthe durch ihre Behörden zu verständigen. " Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Hefì 1 (1877), S. 35 Fn. 5 nennen kein Datum; Maasburg, Geschichte der OJSt (1891), S. 94 und S. 310 Fn. 11 führt ein Handbillett vom 23. Februar 1797 an; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 131 datiert die kaiserliche Resolution auf den 25. Februar 1797; ebenso Binder/Suchomel, FS ABGB, Teil I (1911), S. 375; Coulon, Mathias Wilhelm Edler von Haan - Ein Lebensbild, FS ABGB, Teil I (1911), S. 303-353, 332 führt ein Dekret vom 24. Februar 1797 bezüglich der Ernennung Haans zum Vizepräsidenten der Gesetzgebungshofkommission an.

I. Die Tätigkeit Sonnenfels' in der Revisionshofkommission Kodex, dessen Bearbeitung ist""

dem Hofrathe

von Sonnenfels übertragen

117 worden

6

Aus den Gutachten des Staatsrats hierzu ist insbesondere das V o t u m Rottenhans hervorzuheben, der den von Sonnenfels bei der Revisionshofkommission eingebrachten „Gegenentwurf 4

mitsamt seiner Erinnerungen wegen seiner

Qualität nun auch z u m Gegenstand der neuen Beratungen über das bürgerliche Gesetzbuch machen w o l l t e . 1 1 7 Demgemäß entschied die Resolution v o m 27. A p r i l 1797, dass die bis zu den Ehesachen reichenden Arbeiten der Revisionshofkommission 1 1 8 und der „Gegenentwurf 4 Sonnenfels' i n die nunmehrigen Beratungen der neuen Kommission einzubeziehen seien (Ziff. 2); was das von Sonnenfels begehrte Personal angeht, wurde die Verwendung des Konzipisten Bartsch als vierter Aktuar bei Bedarf i n Aussicht gestellt, die Anstellung des Praktikanten Dorfner als K o n zipist dagegen abgelehnt (Ziff. 8 bzw. 9 ) . 1 1 9

116

Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 132 f.; Kocher, Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechtskodifikation (1979), S. 85 Fn. 67. 117 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 133 Fn. 80 mit den Voten von Rottenhan und Zinzendorf; Osterloh (1970), S. 187. 118 Die Revisionshofkommission hatte den Entwurf nur bis zum Dritten Hauptstück („ Von den Rechten zwischen Eheleuten ") des Ersten Teils durchberaten, s.o. S. 111 Fn. 95. 119 HHStA, StR-Prot. 1797/1 (lfd. Bd. 150), 987 ex 1797: „ Circuì: Vortrag des Praesidii der Hofkommission in Gesetzsachen vom 21. März 1797 - Einige Vorschläge zum Besten gedachter Kommission, nebst Einbegleitung derselben Vortrags hierüber vom 20. März 1797 Resol: Aug: auf den Vortrag der Hofkoon l tens Absatz I ad l um hat die nunmehr bestehende Hofkommission auch die neuerlich entworfene allgemeine Gerichtsordnung in nochmalige Prüfung zu nehmen, zu diesem Ende vorläufig mehrere wohl accreditirte Advokaten gutächtlich zu vernehmen, und dann der Deliberation auch ein Fiscalamtslndividuum beizuziehen. 2tens ad 3um da von der vormaligen RevisionsKommission wichtige Erinnerungen über den neuen Entwurf des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches sowohl in Ansehung einzelner Sätze als des Zusammenhangs und der Ordnung des ganzen Werkes gemacht worden sind, welche die KompilationsKoon nicht beantwortet hat, so sind auch diese von der Revisionskoon gelieferte bis zu den Ehesachen inclusive reichenden Arbeiten bei der dermaligen Koon in Überlegung zu ziehen, zu welchem Ende Hofrath Sonnenfels aufzufordern ist, die von ihm schon bearbeitete andere Eintheilung der Materien der Koon vorzulegen, damit indessen über den Plan des Werkes deliberirt, und die Eintheilung der Materien bestimmt werde, bis die Gutachten über einzelne Sätze des neuen Entwurfs aus den Ländern zurückkommen werden. 3te" s Absatz I ad 5 um ergehet an das Direktorium unter einst der Auftrag, daß das von der ehemaligen Hofkommission in Gesetzsachen schon längst bearbeitete an daßelbe vor mehreren Jahren gelangte Seegesetz bei jenen, denen es zur Einsicht und Beurtheilung mitgetheilet worden, mit allem Nachdrucke betrieben, und an die Hofkoon ohne weitere Verzögerung abgegeben werden soll.

118

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Doch auf Vortrag der Hofkommission in Gesetzsachen vom 12. Juni 1797 hin gelang es, durch die Resolution vom 24. Juni 1797 die Genehmigung zur Verwendung der beiden zu erwirken. 120 Unterdessen war das WGGB durch Patent vom 13. Februar 1797 in Westgalizien bzw. Patent vom 8. September 1797 in Ostgalizien jeweils zum 1. Januar 1798 in Kraft gesetzt worden. 121 In organisatorischer Hinsicht ist ferner zu er-

4tens Absatz II ad 2um will Ich der Hofkommission das Befugnis einräumen, zu Abkürzung des Geschäftenganges die nöthigen Data, Facta, und Auskünfte, kurz blosse Instructiva von den Länderkommissionen unmittelbar einzuholen, wohingegen die wirklichen Dispositiva durch den Weg der verwaltenden Hofstellen geleitet werden müssen. 5 tens Absatz III ad 3um kann eine beständige Refer atenZutheilung derzeit noch, und in so lange ausgesetzt bleiben, bis das Präsidium sich eine genauere Personen- und Sachkenntniß beigelegt haben wird. 6tens ad 7" m hat es bei dem Antrage der Koon zu bewenden, jedoch muß den Votanten immer frey bleiben, die etwa nothwendige Versetzung ganzer § und Titeln anzugeben, wenn einer oder der andere über die Ordnung der Gegenstände und den Geist einer zusammenhängenden Reihe von §§ Erinnerung zu machen findet. 7 tens ad l(? m hat die Hofkoon die ihr obliegende Gesetzbefolgungskontrole in dem gemäßigten Sinne ganz recht genommen. 8tens bei dem lV en Absätze kann seiner Zeit, wenn die Anstellung eines 4ten Actuars nöthig seyn sollte, auf den Konzipisten Bartsch Bedacht genommen werden. 9tens dagegen hat es von der Anstellung des Praktikanten Dorfner als Konzipist mit 400 fl. abzukommen. ltf ens der Hofrath Zippe hat allen Beratschlagungen über ecclesiastica oder mit diesen in Verbindung stehenden Geschäften beizuwohnen. In allen übrigen hier nicht besonders berührten Punkten genehmige Ich das Einrathen der Hoflcommission. Allerh. Handbillet an das Direktorium Das Direktorium hat das von der ehemaligen Hofkommission in Gesetzsachen schon längst bearbeitete, an daßelbe vor mehreren Jahren gelangte Seegesetz bei jenen, denen es zur Einsicht und Beurtheilung mitgetheilet worden, mit allem Nachdrucke zu betreiben, und an die dermal bestehende Hofkommission in Gesetzsachen ohne weitere Zögerung abzugeben, da an baldiger Zustandbringung wesentlich gelegen ist. " Osterloh (1970), S. 187. 120 HHStA, StR-Prot. 1797/11 (lfd. Bd. 151), 1692 ex 1797: „Circuì: Vortrag der HofCoon in Gesetzsachen de dato 12. Juny 1797- Die von dem Hof rath ν. Sonnenfels gebetene Unterstützung bey den ihm auf getragenen Arbeiten betr. Resolut: August: Nach dem Einrathen des Präsidenten der Kommission Grafen Cavriani genehmige Ich, daß Hofrath Sonnenfels den Hofkoncipisten Bartsch, und den Praktikanten Dorfner, um ihm in seinen Arbeiten zu helfen, verwenden könne. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 133 Fn. 79. 121 Patent vom 13. Februar 1797, JGS 1797, Nr. 337, S. 258-472; Patent vom 8. September 1797, JGS 1797, Nr. 373, S. 502. Vgl. dazu Brauneder, Europas erste Privat-

II. Die Einsetzung einer eigenen Hofkommission unter Eger

119

wähnen, dass durch Handschreiben v o m 7. Oktober 1797 bzw. Patent v o m 20. November 1797 die Oberste Justizstelle mit dem Direktorium zu einer einzigen Stelle unter der Bezeichnung „Böhmisch-Österreichische Hofkanzlei" zusammengefasst wurde; doch nur knappe fünf Jahre später sollte durch Kabinettschreiben v o m 22. August 1802 bzw. Hofdekret v o m 26. August 1802 die Selbständigkeit der Obersten Justizstelle wiederhergestellt werden. 1 2 2 A u f die Tätigkeit Sonnenfels' als Verfasser des Zweiten Teils „ Von den schweren

Polizei-Übertretungen

und dem Verfahren

bei denselben " i m „Ge-

setzbuch über Verbrechen und schwere Polizei-Übertretungen" v o m 3. September 1 8 0 3 1 2 3 und seine Rolle bei der endgültigen Abfassung des A B G B in den Jahren 1801 f f . 1 2 4 kann hier nicht näher eingegangen werden.

I I . Die Einsetzung einer eigenen „Hofkommission zur Kompilation der Generalien und Normalien" unter Eger 1. Die Eingabe Sonnenfels 9 vom 4. Juni 1800 Nach dem T o d Cavrianis am 24. Dezember 1 7 9 9 1 2 5 wurde durch Handschreiben v o m 30. Januar 1800 Graf v. Clary zum neuen Präsidenten der Hofkommission in Gesetzsachen ernannt. 1 2 6 A n diesen wandte sich Sonnenfels mit

rechtskodifikation - Das Galizische Bürgerliche Gesetzbuch, Tagungsband Martini (1999), S. 303-320, 318 ff.; ders., Vergessene Jubiläen, JuS 2000, S. 15-17, 16. 122 Domin-Petrushevecz, Neuere österreichische Rechtsgeschichte (1869), S. 213; Maasburg, Geschichte der OJSt (1891), S. 37 ff.; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 133; Walter (Bearb.), ÖZV, II. A b t , Bd. 1/2, Teil 2: Die Zeit Franz' II. (I.) und Ferdinands I. 1792-1848 (1956), S. 226 f , 233 f.; ders. (Bearb.), ÖZV, II. A b t , Bd. V: Aktenstücke 1792-1848 (1956), Nr. 64, S. 315 ff. 123 Vgl. dazu Hoegel, Geschichte des österreichischen Strafrechtes, Heft I (1904), S. 87 ff. und Heft II (1905), S. 208 ff.; Hatschek, Studien zum österreichischen Polizeistrafrecht, GA 57 (1910), S. 1-120, S. 22 ff.; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. II (1966), S. 450 f.; Osterloh (1970), S. 175 ff.; Ogris, Sonnenfels als Rechtsreformer, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 46, 84 ff. 124 Vgl. dazu Pfaff/Hofmann, Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 22-35; dies., Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 36-86; Ofner (Hrsg.), Urentwurf, - Bd. I (1889), S. 1-495 sowie Bd. II (1889), S. 1-325 = Erste Lesung: erste Sitzung vom 21. Dezember 1801 - letzte, 132. Sitzung vom 22. Dezember 1806 - Bd. II (1889), S. 327-464 = Revision: erste, insgesamt 133. Sitzung vom 4. Mai 1807 - letzte, insgesamt 160. Sitzung vom 14. Januar 1808 - Bd. II (1889), S. 491-586 = Superrevision: erste, insgesamt 161. Sitzung vom 13. November 1809 - letzte, insgesamt 174. Sitzung vom 4. Januar 1810. Ogris, Sonnenfels als Rechtsreformer, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 86 ff. 125 Maasburg, Geschichte der OJSt (1891), S. 94. 126 A V A , Hofkanzlei, III A, 3, Karton 310, 3. Februar 1800, fol. „124" r:

120

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

einer Eingabe vom 4. Juni 1800, deren Abschrift erhalten ist, um das Vorhaben des politischen Kodex voranzutreiben. 127 Darin wird eingangs auf die „Beendigung des Strafgesetzes " verwiesen, 128 das heißt zum einen auf den Abschluss der kommissioneilen Beratungen zu dessen Zweitem Teil („Schwere Polizeyübertretungen") unter dem Referat Sonnenfels' am 23. September 1799 und zum anderen auf die weit vorangeschrittenen Beratungen zum Übertretungsverfahren, die dann am 23. Juni 1800 beendet werden sollten. 129 Weiter wird auf einen früheren vom 12. Januar 1797 datierenden Vortrag Bezug genommen, der die letzten drei Jahre keine Ergebnisse gezeitigt hätte, so dass er, wie auch Adler vermutet, wohl schlicht und einfach unerledigt geblieben war. 130 Der Gegenstand eines politischen Kodex wird einerseits negativ abgegrenzt, durch „alles, was nicht in dem bürgerlichen und dem Strafgesetze vorkommt". Positiv ausgedrückt, gehöre somit alles hinein, was bezüglich der „ Verhältnisse und Verbindlichkeiten der Bürger zu dem Staate und in Ansehung der öffentlichen Vorkehrungen " und der „ vielfältigen Verhältnisse der Bürger unter sich, nach Stand, Beschäftigung, und den daraus entspringenden wechselseitigen Rechten und Pflichten " einschlägig sei; eine Formulierung die stark an § 11 der Einleitung des „Gegenentwurfs" erinnert. 131 Im Ergebnis werde somit durch den Ausschluss der zeitlich nur vorübergehend geltenden Vorschriften eine erschöpfende Regelung der „gesamten inneren Staatsverwaltung" erreicht. 132 Ein solchen Maßstäben genügender politischer Kodex existiere ungeachtet der umfangreichen vorliegenden Sammlungen von Polizei- und politischen Verordnungen bislang nicht. 133

„Note - Die in Gesetzsachen verordnete Hofkommission gibt sich die Ehre Einer löbl: k. k. böhmisch oesterreichischen Hofkanzley bekannt zu machen, daß Se k. k. Majestät vermittelst höchsten Handschreibens von 30. verwichenen Monats das durch den Tod des Herrn Grafen von Cavriani erledigte Präsidium dieser Hofkommission höchstdero Staatsminister Herrn Grafen v. Clary allergnädigst zu übertragen geruhet haben. Wien den 3. Hornung 1800. Mathias von Haan " (eigenhändige Unterschrift). Maasburg, Geschichte der OJSt (1891), S. 76. 127 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 4. Juni 1800, fol. „113" r - „120" v, abgedruckt im Anhang Nr. 8; vgl. Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 134 mit Auszügen in Fn. 83; Osterloh (1970), S. 216. 128 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. „113" r. 129 HoegeU Heft I (1904), S. 88; Osterloh (1970), S. 216. 130 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. „113"r; Adler, FS ABGB, Teil 1(1911), S. 134. 131 s.o., S. 104 Fn. 66. 132 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. „113" r, v. 133 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. „113" ν.

II. Die Einsetzung einer eigenen Hofkommission unter Eger

121

Aussicht auf Erfolg bestehe jedoch nur, wenn die vorhandene Menge an gesammelten Verordnungen und die langjährige Erfahrung in ein durchdachtes wissenschaftliches System eingebracht würden; dessen Konzeption traue er sich angesichts seiner 29jährigen Lehrtätigkeit und seines mittlerweile in fünfter Auflage erschienenen Lehrbuchs immer noch zu, auch wenn er erstmals einräumt, dass er die Vollendung des Werks womöglich nicht mehr erleben wird. Aber ein nach seinen Grundsätzen vollständig bis in „alle Einteilungen" und „einzelnen Unterabtheilungen" durchgegliederter „Plan des Ganzen" ermögliche es dann gegebenenfalls auch seinem Nachfolger, die Arbeiten erfolgreich abzuschließen.134 Um in Erfüllung seiner Pflichten nun diese Arbeiten noch aufnehmen zu können, benötige er hierzu „die Hilfsmittel und die Ermunterung-:15

Unter „Hilfsmittel" wird dabei das für das umfangreiche, arbeitsintensive Vorhaben erforderliche, qualifizierte Personal verstanden: 136 zum ersten der erfahrene Hofkonzipist Bartsch, der Charakter und Gehalt eines Hofsekretärs erhalten solle; 137 dann der Konzeptspraktikant Dorfner, dessen Fähigkeiten schon in den Vorträgen vom 20. März 1797 und 12. Juni 1797 hinreichend dargestellt worden seien, der aber insbesondere auch in der Lage sei, die altersbedingt schlechte Handschrift Sonnenfels' zu lesen und sich in dessen Manuskripten zurechtzufinden, so dass er mit Charakter und Gehalt eines Hofkonzipisten zu verwenden sei. 138 Schließlich sei für die Schreibarbeiten neben dem bislang gegenwärtigen Kanzlisten noch eine weitere Schreibkraft erforderlich. 139 Unter „Ermunterung" versteht Sonnenfels materielle, insbesondere finanzielle Zuwendungen für seine eigene Person. 140 Dabei wird auf das Vorbild einer lebenslangen Zulage verwiesen, die Keeß „für die Bearbeitung eines Theils der Gesetze" von Joseph II. erhalten habe. 141 Dem gegenüber habe er so manche Zurücksetzung erfahren, 142 obwohl er seiner „Pflicht gegen Vaterland und Landesfürst... als Mann von Wissenschaft, als Schriftsteller, als Lehrer, als Rath und Geschäftsmann " stets gewissenhaft nachgekommen sei: Unbestreitbar seien dabei seine Leistungen und Verdienste um die „Reinigung der Nationalbühne von dem Wüste der Sittenlosigkeit und 134 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), Osterloh (1970), S. 216. 135 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. 136 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. 137 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. 138 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. 139 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. 140 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. 141 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. 142 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol.

fol. „113" ν, „114"r; „114" „114" „114" „115" „116" „116" „117" „117"

r, v. ν. ν, „115" r. r - „116" v. ν. ν. r. ν.

122

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

des Unsinnes ", um die „ Verbesserung der Litteratursprache, der Sprache der Gesetze und Geschäfte des gesellschaftlichen Umganges " und zu guter Letzt anlässlich der Fertigstellung des Zweiten Teils des Strafgesetzes („Über schwere Polizeiübertretungen"). 143 Weiterhin habe er schon unter Maria Theresia begonnen, Vorlesungen über den Geschäftsstil zu halten, zum Teil sogar außerordentlich und unentgeltlich; als Joseph II. letztere zu einer ordentlichen Pflichtveranstaltung umwandelte und nach der Höhe einer entsprechenden Vergütung anfragen ließ, habe er darauf verzichtet, um „ in dem Bewußtseyn, meinem Vaterlande, meinem Fürsten, und meinen Mitbürgern nützlich zu seyn " seine „ganze und einzige Belohnung zu finden ", wie er aus seiner damaligen Erklärung zu dem betreffenden Protokoll der Studienhofkommission vom 26. Mai 1784 zitiert. 144 Die ihm 1791 anlässlich der Entbindung von seinen Lehrverpflichtungen durch Leopold II. belassene persönliche Zulage in Höhe von 1.200 Gulden 145 könne nicht einfach mit der nächsten Beförderung abgerechnet werden. 146 Schließlich schildert Sonnenfels seine häuslichen Umstände, die durch persönliche Einschränkungen geprägt seien, was sich auch auf seine Gesundheit auswirke, deren Erhaltung für die Erfüllung der übertragenen Aufgabe unentbehrlich

2. Die Aufnahme dieser Eingabe Erst nachdem Clary am 23. November 1800 gestorben war, 148 wurde diese Eingabe Sonnenfels' (mitsamt dem dazu noch von Clary selbst erstatteten Vortrag vom 22. September 1800) durch kaiserliche Resolution vom 17. Januar 1801 dem Obersten Kanzler Graf Lazanzky zur Begutachtung übersandt, wobei insbesondere die Frage aufgeworfen wurde, ob Sonnenfels die angesprochene Zulage noch erhalte. 149

143

Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. „117" ν, „118" r. Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. „118" ν, „119" r. 145 s.o., S. 65 Fn. 113. 146 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. „119" ν. 147 Eingabe Sonnenfels' vom 4. Juni 1800 (Anhang Nr. 8), fol. „120" r, v. 148 Maasburg,, Geschichte der OJSt (1891), S. 76. 149 HHStA, StR-Prot. 1800/III (lfd. Bd. 167), 3152 ex 1800: „Circuì: Vortrag des Staatsministers Gr. Clary vom 22. Sept. 1800- Über die von dem Joseph v. Sonnenfels bei der Hofkommission in Gesetzsachen zur ämtlichen Beförderung eingelegte Schriften in Bezug auf die demselben aufgetragene Verfassung des politischen und PolizeyKodex. 144

II. Die Einsetzung einer eigenen Hofkommission unter Eger

123

Unterdessen wurde durch Handbillett v o m 7. September 1801 Graf v. Rottenhan z u m Präsidenten der Hofkommission i n Gesetzsachen ernannt. 1 5 0 A m 3. November 1801 schließlich wurde durch kaiserliches Handschreiben die Bildung einer eigenen Kommission unter dem Vorsitz des Hofkanzlers Friedrich v. E g e r 1 5 1 und unter Hinzuziehung Sonnenfels' angeordnet, „ welche alle bestehenden Generalien, und Normalien /: ausschließlich der in Pensionssachen :/ nach den Materien zu sammeln, daraus ein Ganzes zu formen, mit Klarheit, und Bestimmtheit zu zergliedern, die Widersprüche zu beseitigen, und überhaupt ein solches Werk zu liefern hat, daß den Behörden die Entscheidung in einzelnen besonderen Fällen erleichtert, und die vielfaltigen Anfragen, und Erläuterungen ganz unnöthig gemacht werden. " 152 Hieraus w i r d deutlich, dass der Kaiser nicht nur eine bloße Gesetzsammlung i m Auge hatte, sondern vielmehr ein systematisches Gesetzbuch, einen K o d e x . 1 5 3 Weiterhin ist festzuhalten, dass für Franz II. vornehmlich praktische

Resolut. A. Handbillet an den Grafen Lazanzky Über beyliegenden Vortrag Meines nun verstorbenen Staatsministers u. Präsidenten der Hofkoon in Gesetzsachen Grafen v. Clary vom 22. Sept. des letzt verflossenen Jahres gewärtige Ich ihre Äusserung, u. zugleich die Auskunft, ob der Hofrath v. Sonnenfels die ihm bey seinem Austritte von der Professur beygelassenen jährl. 1200 fl. noch bezieht. " Osterloh (1970), S.216Fn. 43. 150 151

Maasburg, Geschichte der OJSt (1891), S. 78. Zu Friedrich Freiherr v. Eger (1734-1812) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 3 (1858),

S. 432. 152 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 8. Nov. 1801, fol. „109" r, v; Ergänzungen in eckigen Klammern aus der Abschrift, ebd., fol. „110"r; Ergänzungen in Spitzklammern aus HHStA, StR-Prot. 1801/IV (lfd. Bd. 173), 3793 ex 1801, „Höchstes Handbillet an O. Kanzler Grafen v. Lazanski vom 3en November 1801 ": „[(...)] Graf Lazanzky ! Ich finde für das Beßte [des] Dienstes nothwendig, unter dem Vorsitze des [{Hof)]kanzlers Freyherrn v. Eger, und mit Beiziehung [des] Hofraths Joseph v. Sonnenfels eine eigene Kom[{miss)]ion zusammenzusetzen, welche alle bestehenden [Ge]neralien, und Normalien /: ausschlüßlich der in [{Pen)]sionssachen :/ nach den Materien zu sammeln, [da]raus ein Ganzes zu formen, mit Klarheit, und Bestimmtheit zu zergliedern, die Widersprüche zu beseitigen, und überhaupt ein solches Werk zu liefern hat, daß den Behörden die Entscheidung in einzelnen besonderen Fällen erleichtert, und die vielfaltigen Anfragen, und Erläuterungen ganz unnöthig gemacht werden. Sie haben hiernach die Einleitung gleich zu treffen, und dieser Kommission diejenigen Räthe, und andere Beamte zuzuweisen, welche bei [diesem Geschäfte mit Nutzen verwendet werden kö[nnen und] hierzu nothwendig sind. Das Resultat ist Mir seiner Zeit [Materien]weise zu Meiner weiteren Entschließung [vorzulegen. Wien den 3. November 1801. Franz" (eigenhändige Unterschrift). Exel (1875), S. 4; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 135; Osterloh (1970), S. 216 f.: Der dort in Fn. 43 gegebene Quellennachweis „3798 aus 1801" beruht auf einem Druckfehler.

124

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Erwägungen im Hinblick auf einen möglichst reibungslosen Geschäftsgang der Verwaltung ausschlaggebend waren. Die daraus von Osterloh abgeleitete Einschätzung, dass der „naturrechtliche Gedanke einer öffentlich-rechtlichen Selbstbindung des Staatsapparates ... selbstverständlich bei einem Mann wie Franz II. keinerlei Echo finden" konnte, 1 5 4 greift etwas zu kurz. Denn schließlich wurde gerade von Franz II. das WGGB mit den naturrechtlich motivierten ersten beiden Hauptstücken in Kraft gesetzt, wie sie dergestalt schon im „Entwurf von 1794" angelegt waren. Darüber hinaus formulierte der Kaiser später im Handschreiben vom 23. August 1802 ausdrücklich auch den Schutz seiner Untertanen vor Behördenwillkür als gleichrangiges Ziel des politischen Kodex. 155 Mag dabei der Akzent insgesamt durchaus auf dem Postulat einer leistungsfähigen Verwaltung liegen, so schließt ein „schlanker" Staat die Bindung der Administration an die bestehenden Gesetze und Verordnungen jedenfalls nicht schon per se aus. Auf diese Resolution hin wurden umgehend die weiteren Schritte veranlasst, wie das Konzept des vom 8. November 1801 datierenden Benachrichtigungsschreiben an v. Eger zeigt, der aufgefordert wurde, Vorschläge wegen der weiteren Besetzung der Kommission zu machen. 156 Zu Beisitzern wurden in der Folge die Hofräte Johann Franz v. Strobl, Joseph v. Pitreich 157 und Joseph v. Wallis 1 5 8 ernannt. 159 Aus den von Sonnenfels abgezeichneten Dekretsentwürfen vom 17. November 1801 160 geht hervor, dass 153

Im Ergebnis ebenso Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 135; Osterloh (1970),

S. 217. 154

Osterloh (1970), S. 217. s.u., S. 128 Fn. 171. 156 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 8. November 1801, fol. „108" r: „Aus der abschriftlichen Anlage werden Euer Exc. zu ersehen belieben, was für eine höchste Entschliessung Se. Maj. wegen Bestellung einer eigenen Kommission unter Deroselben Vorsitz, zu Sammlung u. Berichtigung der bestehenden Generalien u. Normalien, zu fassen geruht haben. Da ich diesen höchsten Befehl Euer Exc. zu eröffnen, mir die Ehre gebe, so erwarte ich zugleich Deroselben gefällige Äusserung, was für Käthe u. Individuen Euer Exc. zu dieser Koon zu wählen, u. beyzuziehen, belieben werden. Den 8. November 1801. " Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 135 Fn. 85. 157 Zu Joseph Ritter v. Pitreich (1751-1809) vgl. Maasburg, Geschichte der OJSt (1891), S. 184 f. 158 Zu Joseph Graf v.Wallis (1767-1818) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 52 (1885), S.265-267; Maasburg, Geschichte der OJSt (1891), S. 80 f. 159 Hof- und Staatsschematismus (1802), S. 34; Osterloh (1970), S. 217 Fn. 45. 160 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 17. November 1801, fol. „59" r, v: „[...] Hojkonzipisten Bartsch. - Se Maj. haben unter dem Vorsitz Sr Excell. des Böhm. Oesterr. Hojkanzlers Freyherrn v. Eger, eine eigene Hojkommission mit dem Auftrage, niedergesetzt, die bestehenden politischen Gesetze und Verordnungen voll155

125

II. Die Einsetzung einer eigenen Hofkommission unter Eger

es i h m gelang, seine Personalwünsche i m H i n b l i c k auf eine Verwendung des Hofkonzipisten Konrad Bartsch als Aktuar und des Konzeptspraktikanten Georg Dorfner als Aktuariats-Adjunkt bei dieser Kommission durchzusetzen. 161 Schon am 19. November 1801 trat die neu gegründete „Hofkommission zur Revision der bestehenden Generalien und Normalien" zu ihrer ersten konstituierenden Sitzung zusammen, deren Protokoll sich allerdings nicht mehr i n den A k t e n befindet. 1 6 2 I n der auf dieses Protokoll ergehenden Resolution v o m 28. November 1801 stellte der Kaiser klar, dass seine Absicht nicht dahingehe, „die Generalien,

und Normalien

abzuändern,

bestehenden

und diesfalls neue Grundsätze aufzu-

stellen, sondern sie geht, wie die Hofkommission

es wohl einnimmt, blos dahin:

daß die bestehenden Generalien,

nach Haupt, und Unterabthei-

lungen materienweise

und Normalien

bündig, und auch für den gemeinen Mann faßlich

net, dann die sich hiebei etwa entdeckenden sich bei einer Materie neue Vorschrift

wirklich

Widersprüche

beseitiget,

eine Lücke zeiget, das abgängige

geordund wo

durch

eine

ergänzet werde. " 1 6 3 I m H i n b l i c k auf bestehende Widersprüche

ständig zu sammeln, und in eine systematische Ordnung zu bringen: Der Hofkonzipist Bartsch wird, in Folge dessen hiermit durch das Präsidium angewiesen, diese Arbeit, nach der Anleitung des Herrn Hofraths v. Sonnenfels, sich mit Eifer zu widmen, und bey den abzuhaltenden Kommissions-Sitzungen, das Actuariat zu versehen. Wien, den 17. November 1801. Dekret [...] den Konzepts-Praktikanten Dorfner. - Zu der von Sr Maj., mittelst einer, unter dem Präsidio des Böhm. Oesterr. Hofkanzlers, Freyherrn v. Eger Exc. aufgestellten Hofkommission, angeordneten Bearbeitung einer systematischen Gesetzsammlung, wird derselbe dem Herrn Hofrathe v. Sonnenfels hiermit [...] [ ]nau, zu den [...] nach seiner bisher an Tag [...] [ ]schicklichkeit und Fleiß [...] verwenden, auch nöthig[] [...] Actuariate der Hoßcom[] [ ]chen zu lassen. Wien, den 17. November [...]." Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 135 Fn. 85 a.E. 161 Hof- und Staatsschematismus (1802), S. 34; Osterloh (1970), S. 217 Fn. 45. 162 Osterloh (1970), S. 218 Fn. 46. 163 HHStA, StR-Prot. 1801/IV (lfd. Bd. 173), 4045 ex 1801: „Protokoll der Hofkommission zu Revision der bestehenden Generalien und Normalien vom 19. Nov. 1801 Resolut: Meine Absicht ist schon keineswegs die bestehenden Generalien, und Normalien abzuändern, und diesfalls neue Grundsätze aufzustellen, sondern sie geht, wie die Hofkommission es wohl annimmt, blos dahin: daß die bestehenden Generalien, und Normalien nach Haupt, und Unterabtheilungen materienweise bündig, und auch für den gemeinen Mann faßlich geordnet, dann die sich hiebei etwa entdeckenden Widersprüche beseitiget, und wo sich bei einer Materie wirklich eine Lücke zeiget, das abgängige durch eine neue Vorschrift ergänzet werde. Bei der Beratschlagung über derlei Widersprüche, und neue Vorschriften worüber Mir die Gegenstände bei einer jeden Materie mit einem raisonirten Gutachten insbesonders, und abgesondert vorzulegen sind, wird sich vorzüglich das Principium analogiae gegenwärtig zu halten, und wo dieses angewendet werden kann, auf

126

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

oder Lücken habe sich die Kommission überhaupt an das Analogieprinzip zu halten, aber nicht auf neue Grundsätze zu verfallen, und ihre Vorschläge dann mit jeweils begründeten Gutachten vorzulegen. Insoweit besteht große Ähnlichkeit m i t der Resolution Josephs II.

vom

31. August 1781, der sich damals ebenfalls gegen eine neue Gesetzgebung ausgesprochen hatte. 1 6 4 I n organisatorischer Hinsicht wurden die getroffenen Personalentscheidungen genehmigt, ein wöchentlicher Sitzungszwang hingegen verworfen. Schließlich sollte die eigentliche Aufgabe der Kommission programmatisch auch i n ihrem Namen deutlich z u m Ausdruck kommen. So wurde angeordnet, dort statt des Begriffs der „Revision " den der „Kompilazion " i m H i n b l i c k auf die Generalien und Normalien zu verwenden. 1 6 5

andere Grundsätze nicht leicht zu verfallen seyn, um dadurch nicht etwa in andere schon bestehende klare Generalien und Normalien neue Zweifel zu legen. Die vorgeschlagene Organisirung der Kommission erhält hiemit Meine Genehmigung, die Auswahl des etwa noch weiters erfoderlichen untergeordneten Personals überlasse Ich ihnen, jedoch immer einverständlich mit dem Obersten Kanzler, nur sind schon wirklich dienende Beamten oder Praktikanten ohne neue Gehalte, oder Zulagen hiezu zu verwenden, auch will Ich die Kommission keineswegs verbinden, gerade wöchentlich, sondern blos dann Sitzungen zu halten, wenn Hofrath v. Sonnenfels den Plan, so fort die Ausarbeitungen nach und nach selbst vorzulegen vorbereitet seyn wird. In die Benennung der Hofkommission ist statt Revision - Kompilazion zu setzen. Übrigens dient Mir das Veranlaßte, und Angezeigte zur guten Nachricht. " Exel (1875), S. 4, allerdings ohne sie als kaiserliche Resolution vom 28. November 1801 kenntlich zu machen; Osterloh (1970), S. 217: Der dort in Fn. 44 gegebene Quellennachweis „5463 aus 1801" ist allerdings fehlerhaft, da der letzte Band dieses Jahrgangs, StR-Prot. 1801/IV (lfd. Bd. 172) nur bis 4627 ex 1801 reicht. 164

s.o., S. 35 Fn. 18. Der Begriff der „Generalien" bzw. „Normalien" ist als solcher von der Forschung noch nicht geklärt, so findet sich auch in den einschägigen Hand- und Wörterbüchern kein Eintrag hierzu, vgl. etwa Mischler/Ulbrich (Hrsg.), Österreichisches Staatswörterbuch, 2. Aufl., Bd. II (1906), S. 358 bzw. Bd. III (1907), S. 709 ff.; Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. IV (1939-1951), Sp. 212 ff. bzw. Bd. IX (1992-1996), Sp. 1539 ff.; HRG, Bd. I, Sp. 1518 ff. bzw. Bd. III, Sp. 1038 ff. Eine zeitgenössische Definition der „Generalien" bietet hingegen Sonnenfels, Über den Geschäftsstil (1784), S. 360: „Benennung und Bedeutung sind ... schwankend und unbestimmt geblieben. Man nennt Generalien in Druck erschienene Gesetze, welche sich auf alle Länder der Monarchie erstrecken: aber in der Registratur nennt man auch so einzelne, nur schriftlich ergehende Gelegenheitsverordnungen, deren Inhalt in Zukunft fur ähnliche Fälle entscheidend ist. " 165

II. Die Einsetzung einer eigenen Hofkommission unter Eger

127

Das Protokoll der zweiten Sitzung der „Hofkommission zur Kompilation der bestehenden Generalien und Normalien" vom 14. Januar 1802 ist ebenfalls nicht mehr in den Kommissionsakten aufzufinden. 166 Bemerkenswerterweise konstatierte Sonnenfels gerade zu dieser Zeit bei den Beratungen der Hofkommission in Gesetzsachen über das Zweite Hauptstück des „Urentwurfs", dass mit der Erstellung eines allgemeinen politischen Kodex, „in welchem die allgemeinen Grundsätze über die Rechte und Pflichten der Bürger im Staate überhaupt bestimmet werden könnten und müßten ", wegen der Weitläufigkeit der Gegenstände nicht so schnell gerechnet werden könne. Deshalb müssten zumindest die „allgemeinsten Bestimmungen" über das „allgemeine Verhältniß der Bürger unter sich " in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen werden. 167 Mit kaiserlichem Handschreiben vom 22. August 1802 wurde v. Eger in den Ruhestand versetzt und die „Hofkommission zur Kompilation der Generalien und Normalien" in ihrer bisherigen Zusammensetzung aufgelöst. 168 Gleichzeitig wurde durch ein weiteres Handschreiben vom 23. August 1802 169 an den Staats- und Konferenzrat v. Baldacci 170 der Auftrag erteilt, dieses Geschäft mit neuem Personal fortzuführen. Dabei wird Sinn und Zweck dieses Vorhabens aus der Sicht Franz II. sehr genau umrissen, wenn er die Absicht äußert: „durch genaue normalien und Vorschriften in den politischen geschäften so zu regieren, wie ich im justizwesen durch meine gesetze es bereits thue. " 166

Osterloh (1970), S. 218 Fn. 46 datiert dabei diese zweite Sitzung auf den 17. Januar 1802; ausweislich der späteren Schilderung Baldaccis hatte sie jedoch am 14. Januar 1802 stattgefunden, vgl. den Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „84" ν. 167 Protokoll der (4.) Sitzung vom 18. Januar 1802 bei Ofner (Hrsg.), Urentwurf, Bd. 1 (1889), S. 36 f f , 38: „Erinnerte v. Sonnenfels: Da ein allgemeiner politischer Kodex bei der so großen Menge und Mannigfaltigkeit der Gegenstände noch so bald nicht zu Stande kommen dürfte, in welchem die allgemeinen Grundsätze über die Rechte und Pflichten der Bürger im Staate überhaupt bestimmet werden könnten und müßten, so halte er für nothwendig, in dem gegenwärtigen Gesetzbuche wenigstens die allgemeinsten Bestimmungen hierüber aufzuführen, weil doch das allgemeine Verhältniß der Bürger unter sich zuerst ausgemachet sein müsse, bevor besonderen Rechten und Pflichten derselben gegen einander die Rede ist. " 168

Walter (Bearb.), ÖZV, II. A b t , Bd. V: Aktenstücke 1792-1848 (1956), Nr. 64, S. 317 f f , 318, Ziff. 9. 169 Walter (Bearb.), ÖZV, II. A b t , Bd. V: Aktenstücke 1792-1848 (1956), Nr. 64, S. 317 f f , 319, Ziff. 11 datiert das Handschreiben auf den 22. August 1802; Exel (1875), S. 4 und im Anschluss an ihn Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 144 Fn. 108 nennen dagegen den 23. August 1802; ebenso auch der eigene Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „84" r. 170

Zu Anton Maximilian Freiherr v. Baldacci (1762-1841) vgl. Wurzbach Bd. 1 (1856), S. 131 f.; ÖBL, Bd. 1 (1957), S. 46 m.w.N.

(Hrsg.),

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

128

Hervorzuheben ist, dass der Kaiser auf diesem Wege sowohl eine Vereinfachung seiner Administration als auch einen verbesserten Schutz seiner Untertanen vor Behördenwillkür zu erreichen hofft: „Hierdurch

wird mir das regie -

rungsgeschäft

theil desselben ge-

erleichtert,

mir die zeit zu dem wichtigsten

gönnet und meine unterthanen

vor der willkühr

meiner stellen gesichert.

" 171

I I I . Die „Hofkommission zur Kompilation der Generalien und Normalien" unter Baldacci 1. Der V o r t r a g Baldaccis vom 1. September 1802 I n seinem Vortrag v o m 1. September 1 8 0 2 1 7 2 stellt Baldacci eingangs dar, wie er sich i n Befolgung des kaiserlichen Kabinettsschreibens v o m 23. August 1802 anhand der Aktenlage m i t dem Stand der von der bisherigen Kommission geleisteten Arbeiten vertraut gemacht habe. 1 7 3

171 Walter (Bearb.), ÖZV, II. A b t , Bd. V: Aktenstücke 1792-1848 (1956), Nr. 64, S. 317 f f , 319, Ziff. 11: „Ich finde mich bewogen, ihnen das geschäft, welches die bisher unter dem Vorsitze des freyherrn v. Eger gestandene hojkommission zur Sammlung der normalien zu stände bringen sollte, anzuvertrauen. Damit sie aber bey dieser arbeit meinen absiebten genug zu thun im stände seyn mögen, so will ich sie mit dem zwecke, den ich mir dabey vorgenommen habe, genauer bekannt machen. Meine gesinnung gehet dahin, durch genaue normalien und Vorschriften in den politischen geschäften so zu regieren, wie ich im justizwesen durch meine gesetze es bereits thue. Hierdurch wird mir das regierungsgeschäft erleichtert, mir die zeit zu dem wichtigsten theil desselben gegönnet und meine unterthanen vor der willkühr meiner stellen gesichert.

Um zu diesem Zwecke zu gelangen, werden sie alle gegenwärtig bestehenden normalien, Verordnungen etc. nach den hauptmaterien, welche sie betreffen, sammlen lassen, die sich widersprechenden aufführen, und wo sich eine lücke in selben ergiebt, anzeigen, und diese arbeit nach und nach, vor allem aber den plan, nach welchem sie selbe vorzunehmen gedenken, mir zur genehmigung vorlegen. Auch werden sie mir jene aus meinen beamten vorschlagen, welche sie hiezu zu verwenden gedenken und die nicht so sehr männer von ausgezeichneten talenten als vielmehr genaue, unermüdete und eifrige leute seyn müssen. Dieses geschäft werden sie sich selbst eifrigst angelegen seyn lassen und es, sobald als möglich, zu stände zu bringen suchen, indem sie sich dadurch meiner gnade vorzüglich würdig machen werden. Dasjenige, was die bereits bestehende kommission in diesem geschäfte bereits verhandelt hat, und die dazu gehörigen akten werden sie bey dem freyherrn von Eger abholen und zu ihrem künftigen gebrauche verwenden. " 172 AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 1. September 1802, fol. „84" r - „97" r, abgedruckt im Anhang Nr. 9; vgl. Exel (1875), S. 5; Osterloh (1970), S. 218 Fn. 46 a.E. 173 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „84" r.

III. Die Hofkommission unter Baldacci

129

Danach sei die damalige Kommission auf das Kabinettschreiben vom 3. November 1801 hin am 19. November 1801 zu ihrer ersten Sitzung zusammengetreten, über deren Protokoll eine kaiserliche Resolution (vom 28. November 1801) 174 ergangen sei. 175 Das Protokoll der darauf folgenden, zweiten Sitzung vom 14. Januar 1802 mit dem Entwurf eines Patents über die Führung der Personenstandsregister sei von der damaligen Kommission über den Obersten Hofkanzler Graf v. Lazanzky am 19. Februar 1802 dem Kaiser vorgelegt worden. Da eine Entscheidung hierüber bislang ausgeblieben sei, habe die bisherige Kommission mit der Fortführung ihrer Arbeiten gewartet. 176 Nach diesem Abriss versucht Baldacci, die Ursachen für die große Menge der in politischen und Kameralangelegenheiten ergangenen Normen aufzuzeigen. So seien zwar viele Verfügungen im Zeitpunkt ihres Erlasses zweckmäßig und erschöpfend, doch würden sie dann im Laufe der Zeit nicht mehr auf die veränderten Umstände passen; andere Verfügungen seien schon von vornherein nicht hinreichend bestimmt, sondern missverständlich formuliert; wiederum andere seien trotz hinreichender Bestimmtheit in ihrem Regelungsbereich auf wenige Fälle beschränkt. Dies alles bedinge zahlreiche Anfragen, deren Beantwortung die Zahl der Verfügungen noch einmal vervielfache. Da niemand diese ungeheure Menge mehr überblicken könne, bestehe sowohl für den Beamten als auch für den Privatmann schon seit langem das Bedürfnis nach einer „ vollständigen und bündigen Sammlung der politischen Gesetze und Verordnungen ". 177 Beispielsweise sei mehrfach der Versuch unternommen worden, eine Sammlung der in Galizien erlassenen Verordnungen zu schaffen, also nur für eine einzelne Provinz, die noch nicht einmal dreißig Jahre dem österreichischen Staatsverband angehörte; doch weder habe die 1785 durch das Gubernium veranlasste Arbeit des Universitätsprofessors und späteren Gubemialrats v. Köfil den beabsichtigten Erfolg gezeitigt, noch seien die Bemühungen des Hofrates Franz v. Sonnenfels oder des Freiherrn v. Margelik zum Abschluss gekommen, an die 1794 bzw. 1796 ein entsprechender Auftrag des Kaisers ergangen sei. 178 Dieses Scheitern verdeutliche daher umso mehr, „daß eine vollständige, bündige, und zweckmässige Gesetzsammlung kein so leichtes, und mechanisches Werk, sondern selbst für den sachkündigen, mit den nöthigen Hilfsmitteln versehenen Geschäftsmann eine beschwerliche, viele Zeit, Aufmerksamkeit, und 174

s.o., S. 125 Fn. 163. Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „84" r, v. 176 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „84" ν, „85" r. 177 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „85" v, „86" r; Exel (1875), S. 4 f. 178 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „86" ν - „88" r; Exel (1875), S. 4; Osterloh (1970), S. 215 f.; zur Sammlung von Köfil vgl. MahlSchedl, Art. „Gesetzessammlungen" (1895), S. 841, II. Β. 1). 175

9 Wagner

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D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

eine richtige Beurtheilungskraft erheischende Arbeit ist. " Hierbei würden die bisherigen Sammlungen allesamt keine zuverlässige Grundlage bieten, sondern könnten allenfalls zur Kontrolle herangezogen werden, so dass es unerlässlich sei, direkt auf die einzelnen Verordnungen unmittelbar Zugriff zu nehmen. 179 Ausweislich des Kommissionsprotokolls vom 19. November 1801 habe Sonnenfels schon damals betont, dass vor der wirklichen Ausarbeitung überhaupt erst einmal entsprechende, davon zu trennende Vorarbeiten geleistet werden müssten, nämlich „ das Sammeln der über jeden Gegenstand vorhandenen Verordnungen und das Ausziehen dieser Verordnungen ". 18° Was den von der Sammlung zu erfassenden Zeitraum betrifft, so müsse nach Ansicht Baldaccis sinnvollerweise grundsätzlich bis zum Regierungsantritt Maria Theresia (1740) zurückgegangen werden, mit Ausnahme von Ost- bzw. Westgalizien, wo auf die „Revindikation" (1772) bzw. die „feyerliche Besitznahme" (1795) abzustellen sei. 181 Die einzelnen Arbeitsschritte bestünden im Durchgehen der Registratursprotokolle, dem Ausheben aller Generalien und Normalien und dem Abfassen entsprechender Auszüge; soweit ein Dekret oder Reskript mehrere Regelungen über verschiedene Gegenstände enthalte, so müsse jede einzeln für sich genau erfasst werden. 182 Inhaltlich habe sich die Arbeit dabei an den Richtlinien und Zielvorgaben zu orientieren, wie sie durch das Kabinettschreiben vom 23. August 1802 und die Resolution vom 28. November 1802 (über das Sitzungsprotokoll vom 19. November 1801) aufgestellt worden waren, nämlich insbesondere die Verwaltungsarbeit zu vereinfachen und die Untertanen vor Behördenwillkür zu schützen.183 Dazu müsse die politische Gesetzgebung in „Hauptmaterien " und diese wiederum in „ Untergattungen " gegliedert werden; die zu jeder „ Unterabtheilung" ergangenen Normalien seien chronologisch zu ordnen, damit für die Kommission überhaupt erkennbar werde, was inzwischen sowieso schon aufgehoben und obsolet geworden sei, wo noch Widersprüche und Unklarheiten bestünden, und wie letzteren abgeholfen werden könne. Um den Tätigkeitsbereich der Kommission nicht zu überdehnen, habe man sich allerdings bei der Ergän-

179

Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „88" r. Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „88" ν. 181 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „88" ν. 182 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „88" v, „89" r; Exel (1875), S. 5. 183 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „89" r, v. 180

III. Die Hofkommission unter Baldacci

131

zung von Lücken auf das Wesentliche zu beschränken, da man ohnehin nicht alles bis ins letzte Detail regeln könne. 184 An dieser Stelle müsse man sich aber mit zwei Grundsatzfragen auseinandersetzen: die erste, wie mit den bisher ungedruckten Normalien zu verfahren sei, die entweder „nur den Staatsbeamten zur Richtschnur zu dienen hättendas heißt im heutigen Sinne den Verwaltungsvorschriften, oder die man einfach für eine Veröffentlichung ungeeignet gehalten hatte. Diesbezüglich sei es im Hinblick auf den Umfang des Werks und dessen Hauptzweck, den Baldacci in der Verwaltungsvereinfachung sieht, am sinnvollsten, solche Vorschriften auch künftig nicht in die zu veröffentlichende Sammlung einzuschalten, sondern diese lediglich in einen Anhang für den Behördengebrauch aufzunehmen. Die zweite Frage, was mit solchen Verordnungen geschehen solle, die nur in einem oder mehreren, aber nicht in allen Erbländern gelten, könne immer nur für den Einzelfall beantwortet werden. Denn gerade auch für eine angestrebte Vereinheitlichung sei es entscheidend, ob der räumliche Geltungsbereich einer Vorschrift versehentlich oder mit Rücksicht auf besondere regionale Umstände beschränkt worden sei. 185 Auch die von den Länderstellen eigenmächtig erlassenen Verordnungen könnten aus Gründen der Vollständigkeit nicht einfach unberücksichtigt bleiben. Deshalb müssten diese angewiesen werden, binnen drei Monaten förmliche Abschriften einzusenden, was zwar gegenüber der Abfassung von bloßen Auszügen einen Mehraufwand bedeute, der jedoch durch die größere Zuverlässigkeit gerechtfertigt sei. 186 Soweit man sich bei der eigentlichen Gliederung der Haupt- und Unterabteilungen, dem „Plan im eigenen Verstände", an den bereits vorhandenen Sammlungen orientieren wolle, so sei die 1784 erschienene so genannte „geheime Sammlung " , 1 8 7 die den Zeitraum vom Regierungsantritt Josephs II. bis 1783 erfasst, eine brauchbare Vorlage. 188 Gleichwohl sei der von Sonnenfels vorgelegte Plan vorzugswürdig, da er sich zum einen durch eine größere Systematik auszeichne und zum anderen weitgehend mit dem „Leitfaden " übereinstimme,

184 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „89" v, „90" r; Exel( 1875), S. 5. 185 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „90" ν - „91" v. 186 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „91" v, „92" r; Ere/(1875), S. 5. 187 s.o., S. 41 Fn. 32. 188 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „92" r, v; Exel (1875), S. 5.

9*

132

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

nach dem die Vorlesungen in politischen und Kameralwissenschaften gehalten würden, was gerade für die Beamten ein erhebliche Erleichterung darstelle. 189 Was das zum Sammeln und „Ausziehen" der Normalien erforderliche Personal anbelangt, so schlägt Baldacci die durch die Auflassung der galizischen Hofkanzlei frei gewordenen Adjunkten Drottner und Paschinger sowie den Kanzlisten Pfeiffer vor; zugleich setzt er sich dafür ein, dass die Dienstleistung bei der aufzustellenden Kommission im Rahmen der ordentlichen Beförderungen berücksichtigt wird. 1 9 0 Zum Ordnen der gesammelten Auszüge und zum Überwachen der Materialsammlung benötige er daneben noch ein weiteres „Individuum ", dessen Charakter und Gehalt er der Entscheidung des Kaisers anheim stelle, dessen endgültige Benennung er aber einem späteren Vorschlag vorbehalten möchte. 191 Die endgültige Redaktion sei schließlich durch Sonnenfels vornehmen, zu dessen Entlastung angesichts seines Alters und seiner zahlreichen Dienstverpflichtungen in anderen Hofkommissionen noch die Professoren Zizius 192 und Gustermann 193 herangezogen werden sollten, was keine zusätzlichen Kosten bedinge. 194 Dagegen könne bei den in nächster Zeit anfallenden Arbeiten auf die Verwendung weiterer Hofräte in der Kommission verzichtet werden; diese sei erst angezeigt, wenn es später um die Beseitigung inhaltlicher Widersprüche und Lücken ginge. 195 Hinsichtlich der „Gretchenfrage", wann er selbst mit der Fertigstellung des Vorhabens rechne, hält sich Baldacci bedeckt. 196 Er bringt jedoch die Hoffnung zum Ausdruck, durch die fortwährende, sukzessive Vorlage bereits fertig gestellter Teilabschnitte eine möglichst effiziente Arbeitsweise zu gewährleisten; eine zusätzliche Beschleunigung könne schließlich dadurch erreicht werden, dass auch die Fachbehörden die in ihr Ressort fallenden Normalien sammeln

189 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „92" v; Exel (1875), S. 5. 190 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „93" r - „94" r; Exel (1875), S. 5; Osterloh (1970), S. 218 spricht von einem „Kanzlisten Pfister". 191 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „94" r, v; Exel (1875), S. 5. 192 Zu Johann Nepomuk Zizius (1772-1824) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 60 (1891), S. 192 f. 193 Zu Anton Wilhelm Gustermann (1750-1823) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 6 (1860), S. 44 f.; ÖBL, Bd. II (1959), S. 110 f. m.w.N. 194 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „94" ν - „95" ν; Exe/ (1875), S. 6. 195 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „95" ν. 1 Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „ " r.

III. Die Hofkommission unter Baldacci

133

und diese direkt oder über ihre vorgesetzte Hofstelle der Kommission vorlegen würden. 197 Die darauf ergangene Resolution Franz II. genehmigte alle von Baldacci vorgetragenen Punkte, sowohl in personeller als auch in methodischer Hinsieht. 198

2. Der Vortrag Baldaccis vom 4. Oktober 1802 Mit Vortrag vom 4. Oktober 1802 199 legte Baldacci die Entwürfe 200 für die vom Kaiser an die Hofstellen zu erlassenden Aufträge vor und unterstrich die Notwendigkeit einer baldigen Umsetzung der bereits genehmigten Maßnahmen. 201 So hoffte Baldacci durch die Benachrichtigung von Hofkanzlei und Hofkammer, sowohl „ die Entstehung neuer Privatsammlungen " unterbinden zu können, als auch eine reibungslose Zusammenarbeit sicherzustellen. 202 In organisatorischer Hinsicht schlug er vor, die Akten der Kommission und das zu seiner Unterstützung bewilligte „Individuum " ebenfalls in dem Büro unterzubringen, das er in seiner Funktion als Staatsrat nutze, da auf diese Weise ein effizientes Arbeiten am besten gewährleistet sei; die Stelle solle infolgedessen auch förmlich dem Personal des Staatsrats zugerechnet werden. 203 Hinsicht-

197

Vortrag Baldaccis vom 1. September 1802 (Anhang Nr. 9), fol. „96" r - „97" r; Exel (1875), S. 6. 198 AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 1. September 1802, fol. „96" r - „97" r, linke Sp, abgedruckt im Anhang Nr. 9; vgl. Exel (1875), S. 6. In HHStA, StR-Index 1802 wurde kein einschlägiger Verweis zu dieser Resolution gefunden. 199 AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 4. Dezember 1802, fol. „53" r - „56" v, abgedruckt im Anhang Nr. 10. 200 Die beiden Konzepte des Handschreibens an den Obersten Kanzler Graf Ugarte sind auf zwei Kartons verteilt: Der Anfang des einen Konzepts befindet sich als Fragment in AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 1802, fol. „74" r - „75" v; die sich daran nahtlos anschließende Fortsetzung, das gleichsam komplementäre Fragment, ist dagegen nach dem vom Kaiser letztlich unterschriebenen Handschreiben in Karton 315, 1802 Kompilationshofkomm, fol. 7 r - 8 ν zu finden. Das andere Konzept befindet sich vollständig in Karton 310, 1802, fol. „66" r - „68" v, rechte Sp. Vgl. die beiden Konzepte des Handschreibens an den Präsidenten der Hofkammer, Graf Zichy, a.a.O., Karton 310, 1802, fol. „70" r - „73" r sowie ebd., fol. „66" r „68" ν, linke Sp.; es ist in seiner einleitenden Passage mit dem an Ugarte gerichteten Handschreiben weitestgehend deckungsgleich und unterscheidet sich eigentlich nur in der Aufzählung der zu ergreifenden Maßnahmen. 201 Vortrag Baldaccis vom 4. Oktober 1802 (Anhang Nr. 10), fol. „53" r, v. 202 Vortrag Baldaccis vom 4. Oktober 1802 (Anhang Nr. 10), fol. „53" ν, „54" r. 203 Vortrag Baldaccis vom 4. Oktober 1802 (Anhang Nr. 10), fol. „53" ν - „55" v.

134

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

lieh der Besetzung dieser Stelle machte sich Baldacci für die Verwendung des Konzeptspraktikanten v. Metzburg stark. 204 In der entsprechenden Resolution erklärte sich Franz II. wiederum mit dem Vorschlägen Baldaccis vollkommen einverstanden und forderte diesen zur Stellungnahme auf, ob künftig nicht überhaupt alle privaten Normaliensammlungen einzustellen seien. 205 Folglich erging durch kaiserliches Handschreiben vom 14. Oktober 1802 an den Obersten Kanzler Ugarte die förmliche Weisung im Hinblick auf die angesprochenen Punkte. 206 Dass daneben auch der Präsident der Hofkammer Graf Zichy gleichfalls eine den Entwürfen entsprechende Weisung erhielt, ist zu vermuten. In Ausführung dieses Handschreibens übermittelte der Oberste Kanzler Ugarte sämtlichen Referenten der Länderstellen den Auftrag, binnen drei Monaten Abschriften der von ihnen erlassenen Normalien einzusenden, wie aus dem entsprechenden Entwurf vom 19. Oktober 1802 hervorgeht. 207 Der nächste Vortrag Baldaccis vom 19. Oktober 1802 befindet sich zwar nicht mehr in den Kommissionsakten, kann aber durch eine spätere Bezugnahme im Vortrag Baldaccis von Anfang 1808 belegt und in groben Umrissen skizziert werden. 208

3. Der Vortrag Baldaccis vom 19. März 1803 Den weiteren, eher schleppenden Fortgang der Kommissionsgeschäfte führt Baldacci in seinem Vortrag vom 19. März 1803 209 auf seine zahlreichen anderweitigen Aufgaben und eingetretene Personalengpässe zurück. So habe er den eigentlich für die Kommission vorgesehenen Metzburg zur Erledigung staatsrätlicher Aufgaben abziehen müssen; auch stünden für die Arbeiten in der Registratur der Hofkanzlei nur der Adjunkt Paschinger und der Kanzlist Pfeiffer zur Verfügung, bei der Registratur der Hofkammer sei erst gar niemand tätig 204

Vortrag Baldaccis vom 4. Oktober 1802 (Anhang Nr. 10), fol. „55" ν - „56" v. A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 4. Dezember 1802, fol. „56" r, ν, linke Sp., abgedruckt im Anhang Nr. 10. In HHStA, StR-Index 1802 wurde kein einschlägiger Verweis zu dieser Resolution gefunden. 206 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 315, 1802 Kompilationshofkomm, fol. 2 r 6 v, abgedruckt im Anhang Nr. 11. 207 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 19. Oktober 1802, fol. „102" r - „103" v; Osterloh (1970), S. 218 Fn. 47. 208 s.u., S. 137 Fn. 228. 209 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 19. März 1803, fol. „47" r - „50" r, abgedruckt im Anhang Nr. 12; vgl. Osterloh (1970), S. 218. 205

III. Die Hofkommission unter Baldacci

135

geworden. 210 Die Länderstellen dagegen hätten in ihrer Mehrzahl schon Sammlungen der von ihnen erlassenen Normalien eingesendet, gleichwohl sollten sie angewiesen werden, die dabei etwa übersehenen Stücke noch bis zum Jahresende nachzureichen. 211 Der an sich von der Hofkammer an die Kommission abgetretene Hofsekretär Fischer werde angesichts seines Alters und seiner bisherigen Verwendung wohl den Anforderungen nicht genügen, so dass stattdessen der Hofkonzipist Mesmer für die Kommission abgestellt werden sollte. 2 1 2 Im Übrigen müsse der Kommission auch das erforderliche Hilfspersonal zur Verfügung gestellt werden, da sie entsprechend geeignete und motivierte Kräfte benötige. 213 Schließlich müsse die Hofkammer dazu angehalten werden, in Befolgung der kaiserlichen Weisung vom 14. Oktober 1802 die Normalien im Kamerai- und Gefällsfache unmittelbar durch die Gefällsbehörden ausheben und einschicken zu lassen und nicht, wie von ihr stattdessen vorgeschlagen, durch die Hofbuchhaltereien. Die entsprechenden Entwürfe für die an die Hofstellen zu erlassenden Resolutionen seien dem Vortrag beigefügt. 214 Die entsprechende Resolution des Kaisers fiel kurz und knapp aus, eine weitergehende Interpretation lassen jedoch die starken Brandschäden nicht zu. 2 1 5 Ausweislich der Kommissionsakten war die Kommission die nächsten fünf Jahre in ihrem eigentlichen Aufgabengebiet nicht mehr tätig, sondern beschäftigte sich stattdessen etwa mit dem Entwurf der Dienstboten- bzw. Gesindeord216

nung. Auch außerhalb der Kommission bestand eine gewisse Skepsis bezüglich der Fortschritte des politischen Kodex, mit dessen Fertigstellung Watteroth im Jahre 1807 „nicht sobald" rechnete. 217

210

Vortrag Baldaccis vom 19. März 1803 (Anhang Nr. 12), fol. „47" r. Vortrag Baldaccis vom 19. März 1803 (Anhang Nr. 12), fol. „47" ν, „48" r. 212 Vortrag Baldaccis vom 19. März 1803 (Anhang Nr. 12), fol. „48" r, v; Osterloh (1970), S. 218. 213 Vortrag Baldaccis vom 19. März 1803 (Anhang Nr. 12), fol. „48" ν, „49" r. 214 Vortrag Baldaccis vom 19. März 1803 (Anhang Nr. 12), fol. „49" ν, „50" r. Die Entwürfe der entsprechenden Resolutionen, a.a.O., Mai 1808, fol. „40" r - „42" v. 215 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 19. März 1803, fol. „50" r, linke Sp, abgedruckt im Anhang Nr. 12. In HHStA, StR-Index 1803 wurde kein einschlägiger Verweis zu dieser Resolution gefunden. 216 Vgl. AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 22. März 1806, 5. Mai 1806, 16. Mai 1806, 16. Februar 1807, 17. Februar 1807, 12. April 1807, Juli 1807, 12. Juli 1807, 17. Juli 1807, 2. August 1807 und Dezember 1807; Osterloh (1970), S. 218 f , insbesondere Fn. 50. 217 Watteroth, in: Kopetz, Österreichische politische Gesetzkunde, 1. Theil/1. Bd. (1807), Vorrede, S. IV f.: ,, Unsere politischen Gesetze, die der Gegenstand dieses Unterrichtes seyn sollen; sind unter verschiedenen Benennungen zu einer solchen Masse angewachsen, daß 211

136

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.) 4. Der V o r t r a g Baldaccis von Anfang 1808

Erst Anfang 1808 k a m wieder Bewegung i n die Arbeiten am politischen Kodex. Unmittelbarer Anlass hierzu dürfte, wie schon Osterloh

vermutete, 2 1 8

der Abschluss der Revision des bürgerlichen Gesetzbuches am 14. Januar 1808 gewesen sein, 2 1 9 der mit Vortrag v o m 19. Januar 1808 dem Kaiser angezeigt w u r d e . 2 2 0 Denn in der Beilage zu diesem Vortrag, dem „ Vortrag zur Einführung in das Bürgerliche

Gesetzbuch ", wurden das öffentliche Recht und die

politischen Verordnungen angesprochen und als Gegenstand des bürgerlichen Gesetzbuchs ausgenommen. 2 2 1

wir von ihnen nachsprechen können, was Livius und Tacitus von den römischen schreiben; mit der fortgehenden Anhäufung dieser Gesetze werden die abschreckenden Schwierigkeiten immer zunehmen, eine nach den Gegenständen der Staatsverwaltung, und zugleich chronologisch geordnete Sammlung zu machen. Unter allen bis itzt auf Anregung theils der Regierung, theils des Buchhändlerlohnes gemachten Sammlungen, schien die auf Befehl Josephs II. nach der Ordnung der Materien angefangene, aber nicht fortgesetzte Sammlung, die Aussicht auf besondere so nöthige politische Codexe zu eröffnen; die von Neuem erregte, und von dem allgemein gefühlten Bedürfnisse der Staatsverwaltung genährte Hofnung zu einer, durch die Revision der Gesetzgebung legalisirten Sammlung, kann nach der Natur des damit verbundenen Geschäftsganges nicht sobald in Erfüllung gehen. " 218

Osterloh (1970), S. 219. Pfaff/Hofmann, Commentar, Bd. I/Abth. 1 (1877), S. 30 Fn. 162; Ofner (Hrsg.), Urentwurf, Bd. II (1889), S. 458-463. 220 Abgedruckt bei Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 49-51 sowie Ofner (Hrsg.), Urentwurf, Bd. II (1889), S. 463 f. Fn. 2. 221 Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 52-86, 55; Ofner (Hrsg.), Urentwurf, Bd. II (1889), S. 465-489, 468 f.: „ Um so mehr muß man 3. das öffentliche Recht, welches mit der Verfassung des Staates und dem (öffentlichen) Rechtsverhältnisse der Unterthanen zur obersten Macht sich beschäftiget, sowie auch 4. die mit demselben verflochtenen politischen Verordnungen, welche sich mit den zur Erhaltung und Kultur des bürgerlichen Zustandes nothwendigen und nützlichen Mitteln sich beschäftigen, von dem Civil-Codex absondern. Die politischen Verordnungen sind, so wie die Umstände, von denen sie abhängen, zufällig und veränderlich, und können, weil sie sich auf die Verschiedenheit der Stände und der Beschäftigungen beziehen, weder gleiche Rechte, noch gleiche Verbindlichkeiten gründen. Werden sie mit den Rechtsgesetzen vermengt, so bekommen die letzteren gar bald ein eben so schwankendes, von dem Winke der obersten Macht abhängendes Ansehen; eine Vorstellungsart, die auf das Zutrauen in die Verwaltung der Gerechtigkeit, worunter man sich eine feststehende, für alle gleich geltende Norm denken muß, keinen günstigen Einfluß haben kann. ...". Vgl. dazu Strakosch, State Absolutism and the Rule of Law (1967), S. 60 Fn. 42, S. 210 f.; ders., Privatrechtskodifikation und Staatsbildung (1976), S. 28, 83. Zur Abgrenzung von öffentlichem und Privatrecht s.u., S. 152 Fn. 330. 219

III. Die Hofkommission unter Baldacci

137

Wohl aufgrund dessen hatte Baldacci Anfang 1808 über den Stand der Dinge Bericht zu erstatten. 222 Dieser Vortrag Baldaccis von Anfang 1808 wiederholt zunächst fast wortwörtlich die Ausführungen seines ersten Vortrags vom 1. September 1802: 223 So schildert er die Vorarbeiten, die er bei der Übernahme der Kommission vorgefunden hatte, um dann wieder eingehend die Probleme und die methodische Vorgehensweise darzustellen. 224 Da alle seine entsprechenden Anträge genehmigt worden seien, habe er mit seinem Vortrag vom 4. Oktober 1802, 225 den er anschließend kurz skizziert, die Entwürfe der an die Hofkanzlei und Hofkammer zu erlassenden Handschreiben vorgelegt, die dergestalt ebenfalls erlassen wurden. 226 Weiter umreißt er in groben Zügen den Inhalt seines Vortrags vom 19. Oktober 1802, was diesbezüglich die Quellenlage verbessert, da hiervon in den Kommissionsakten kein entsprechendes Original mehr zu finden ist: 2 2 7 Danach hatte sich Baldacci damals mit der Frage beschäftigt, ob künftig alle privaten Normaliensammlungen zu untersagen seien. Hinsichtlich der bereits bestehenden privaten Sammlungen hatte er es für unbillig gehalten, deren Einstellung anzuordnen, da sowohl die Unternehmer als auch die Käufer entsprechende Dispositionen getroffen hätten. Im Übrigen hatte er einzelne, eher technische Verfahrensfragen der Sammeltätigkeit aufgeworfen. 228 Daran schließt sich eine Zusammenfassung des Vortrags vom 19. März

1 c m 2 2 9 o«

230

1803 an. Was den gegenwärtigen Stand der Arbeiten betrifft, muss Baldacci eingestehen, dass das Geschäft zwangsläufig ins Stocken geraten sei, da das so dringend benötigte Personal von den Hofstellen nicht abgestellt worden war und darüber hinaus seine Aufgaben als Staatsrat derart zugenommen hatten, dass er den ihm zugeteilten Offizial nur noch zur Erledigung dieser Arbeiten verwenden konnte. 231 Lediglich der Hofkonzipist Mesmer sowie die beiden Registra-

222 A V A , Hofkanzlei, III A 3 , Karton 310, 1808, fol. 1 r - 2 0 v , abgedruckt im Anhang Nr. 13. 223 s.o., S. 128 ff. 224 Vortrag Baldaccis von Anfang 1808 (Anhang Nr. 13), fol. 1 r - 12 r. 225 s.o., S. 133 f. 226 Vortrag Baldaccis von Anfang 1808 (Anhang Nr. 13), fol. 12 r - 13 v. 227 s.o., S. 134 Fn. 208. 228 Vortrag Baldaccis von Anfang 1808 (Anhang Nr. 13), fol. 13 ν - 15 v. 229 s.o., S. 134 f. 230 Vortrag Baldaccis von Anfang 1808 (Anhang Nr. 13), fol. 15 ν - 17 v. 231 Vortrag Baldaccis von Anfang 1808 (Anhang Nr. 13), fol. 17 ν - 1 8 v; Exel (1875), S. 6; Osterloh (1970), S. 219.

138

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

tursadjunkten Paschinger und Zenzinger seien den Geschäften der Kommission nachgegangen.232 Die feindliche Invasion habe die Arbeiten schließlich völlig zum Erliegen gebracht, da dann auch diese drei Arbeitskräfte nur noch bei ihren Hofstellen verwendet wurden. 233 Die dem Vortrag beigefugte Aufstellung der von den Länderstellen und anderen Behörden gesammelten Materialien lässt erkennen, dass sowohl Hofkanzlei als auch Hofkammer nur mit eher mäßigem Erfolg tätig geworden waren, während die Länderstellen, von Böhmen einmal abgesehen, wenigstens ihre Normalien bis zu den Jahrgängen 1802 bzw. 1803 eingereicht hatten. 234

IV. Die „Hofkommission in politischen Gesetzsachen" unter Rottenhan 1. Die Ernennung Rottenhans zum Präsidenten Mit kaiserlichem Handschreiben vom 2. März 1808 wurde die Leitung der Hofkommission dem Grafen Rottenhan235 übertragen. 236 Hierzu habe sich der Kaiser „schon vor einiger Zeit" entschieden.237 Der Vortrag Baldaccis über den Stand der bisher geleisteten Arbeiten mitsamt dem entsprechenden Verzeichnis der gesammelten Normalien sei beigefügt. 238 Insbesondere wurde dem neuen Präsidenten anheim gestellt, das von Baldacci entwickelte System, welches in dieser Gestalt seinerzeit die kaiserliche Genehmigung erhalten habe, auch künftig beizubehalten, es abzuwandeln oder stattdessen einen vollkommen neuen Plan zu entwerfen. 239

232

Vortrag Baldaccis von Anfang 1808 (Anhang Nr. 13), fol. 18 v; Exel (1875), S. 6; Osterloh (1970), S. 219. 233 Vortrag Baldaccis von Anfang 1808 (Anhang Nr. 13), fol. 19 r; Exel (1875), S. 6; Osterloh (1970), S. 219. 234 Vortrag Baldaccis von Anfang 1808 (Anhang Nr. 13), fol. 20 r; Osterloh (1970), S. 219. 235 Zu Heinrich Franz Graf v. Rottenhan (1737-1809) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 27 (1874), S. 162 f.; Maasburg, Geschichte der OJSt (1891), S. 77 f f , insbesondere Fn. 18 zur Schreibweise des Nachnamens. 236 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 8. März 1808, fol. „35" r - „37" r, abgedruckt im Anhang Nr. 14; HHStA, StR-Prot. 1808/1 (lfd. Bd. 205), 758 ex 1808, „Allerhöchstes Handbillet an den Staats, und Konferenzminister Grafen v. Kollowrat von 2ten Merz 1808"; vgl. Exel (1875), S. 6; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 144 Fn. 108; Osterloh (1970), S. 219. 237 Kaiserliches Handschreiben vom 2. März 1808 (Anhang Nr. 14), fol. „35" r. 238 Kaiserliches Handschreiben vom 2. März 1808 (Anhang Nr. 14), fol. „35" r, v. 239 Kaiserliches Handschreiben vom 2. März 1808 (Anhang Nr. 14), fol. „35" v, „36" r.

I . Die Hofkommission unter

a

139

Die These, dass am 2. März 1808 die bisherige Hofkommission in Gesetzsachen in zwei Kommissionen aufgeteilt worden sei (eine zur Bearbeitung der Justizgesetze, die andere zur Bearbeitung der politischen Gesetze), wie dies im Anschluss an Pratobevera mehrfach vertreten wurde, 240 lässt sich nicht auf dieses kaiserliche Handschreiben stützen. Schon Adler hatte sich entschieden gegen diese „Trennungsthese" gewandt. 241 Mag die Kommission unter Baldacci zuletzt in ihrer Tätigkeit eingeschlafen sein, so wurde sie nun, am 2. März 1808 nicht durch eine Aufteilung der Hofkommission in Gesetzsachen neu geschaffen, sondern unter einem neuen Präsidenten wieder belebt.

2. Der Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 In seinem ersten Vortrag vom 29. März 1808 242 unterbreitete Rottenhan seine Vorschläge bezüglich der Organisation der Arbeiten, um „nach dem Muster der bürgerlichen Gesetzbücher eine vollständige, nach dem wesentlichen Zusammenhange der Gegenstände der öffentlichen Verwaltung geordnete Sammlung aller in Ausübung stehenden Verordnungen, die nicht zum Justizfache gehören, zu Stande zu bringen. " 2 4 3 Erklärtes Vorbild war also das bürgerliche Gesetzbuch, nur der Gegenstand sollte nach der genannten Negativdefinition ein anderer sein. Die diesbezüglich einschlägigen Verordnungen seien in den mehr als 60 Jahren seit dem Regierungsantritt Maria Theresias zu einer solch unüberschaubaren Menge angewachsen und hätten so viele Abänderungen erfahren, dass niemand mehr einen Überblick über die derzeit geltenden Gesetze habe, weder diejenigen, die diese Normen zu befolgen, noch diejenigen, welche die Einhaltung dieser Normen zu überwachen hätten. Die Sammlung der Verordnungen auf dem Gebiet der öffentlichen Verwaltung sei daher ebenso wichtig

240 C. J. Pratobevera, Beyträge zur neuesten Geschichte der Oesterreichischen Gesetzgebung, in: Pratobevera (Hrsg.), Materialien, Bd. 1 (1814), S. 237-247, 237; Domin-Petrushevecz (1869), S. 251; Maasburg,, Geschichte der OJSt (1891), S. 310 scheint anzunehmen, die 1796/97 aus der Hofkommission in Gesetzsachen und der Revisionshofkommission gebildete „neue, einzige Gesetzgebungscommission" sei am 2. März 1808 einfach wieder getrennt worden; Osterloh (1970), S. 219 f.; Neschwara, FS Palme (2002), S. 372. 241 Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 144 Fn. 108 a.E.; auch Exel (1875), S. 6 spricht mit keinem Wort von einer Aufteilung. 242 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, August 1808, fol. 1 r - 6 ν, abgedruckt im Anhang Nr. 15; Exel (1875), S. 6 f. umreißt den Inhalt dieses Vortrags, ohne das Datum anzugeben; Osterloh (1970), S. 220. 243 Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 1 r; Exel (1875), S. 6.

140

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

wie die Redaktion der die Justizpflege betreffenden Gesetze.244 Trotz des ungeheuren Aufwands sei es gleichwohl ebenso gut möglich wie bei den Justizgesetzen, „ein vollständiges Ganzes aus der politischen Gesetzsammlung zu machen ", wenn die Arbeiten jetzt von Anfang an entsprechend effektiv organisiert würden. 245 Was die für eine systematische Sammlung notwendigen Materialien angehe, so stünden diese, „ohne daß es eines ängstlichen Aufsuchens bedürfte, in einer Menge schon aus Privatfleiß veranstalteten Sammlungen und Auszügen zur Auswahl bereit". Auch die Auszüge Baldaccis stellten eine „ungemein nützliche Vorarbeit " dar. 246 Rottenhan nahm also an, mit dem vorhandenen Material auskommen zu können, und befasste sich daher in seinem Vortrag nicht mehr näher mit der eigentlich entscheidenden Frage, wie künftig weiteres Material beschafft, das heißt Verordnungen gesammelt werden sollten. Die Ursache für diese sich später bitter rächende Fehleinschätzung vermutet Osterloh in den Erfahrungen Rottenhans, die dieser bei den Arbeiten am bürgerlichen Gesetzbuch gemacht hatte, wo redaktionelle Arbeiten im Vordergrund gestanden hatten. 247 So wandte er sich auch hier vornehmlich redaktionellen Fragen zu: Es komme vor allem darauf an, dass hinreichend qualifizierte Männer verwendet würden. Auf der Grundlage der schon vorhandenen Sammlungen seien die noch geltenden Verordnungen „ nach einer vorher zu bestimmenden systematischen Reihung " zu ordnen und dabei, soweit erforderlich, bereits auch Vorschläge zu deren Änderung oder Ergänzung zu machen.248 „Ein solcher nicht aus einzelnen zusammengetragenen Verordnungen bestehender, sondern in eine precise Gesetzaussage, aber immer mit Hinweisung auf die Quellen, nähmlich auf die der Zeitfolge über jede Materie zusammengestellten Verordnungen, geordneter Text des allgemeinen politischen Codex "

sei das angestrebte Zwischenergebnis. Dieser wäre anschließend jeweils von „einer von den politischen Landesstellen mit Zuziehung der Fiscalämter in den Provinzen zu bestellenden Commission " dahingehend zu begutachten, welche Abweichungen nach den Eigenheiten einer jeden Provinz angezeigt und deshalb als „Provinciairechte zu sanctioniren " seien. 249

244

Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 1 r, v. Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), f o l . l v , 2 (1875), S. 6. 246 Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 2 r; Exel S. 6. 241 Osterloh ( 1970), S. 221. 248 Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 2 r, v; Exel S. 6 f. 249 Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 2 v; Exel S. 7; Osterloh (1970), S. 220. 245

r; Exel (1875),

(1875), (1875),

IV. Die Hofkommission unter Rottenhan

141

Auf der Grundlage der „ von den Länderstellen einlaufenden Gutachten und berichtigten Gesetzentwürfe " hätte die aufzustellende Hofkommission am Ende die „Entwürfe der allgemeinen und der besonderen Provinzial Verordnungen " zu erarbeiten und diese dem Kaiser direkt zur Sanktionierung vorzulegen. Die Mitglieder dieser Kommission wären dabei aus der für die Justizgesetze bestellten Hofkommission, der vereinigten Hofkanzlei und der Finanzstelle auszuwählen. 250 Wegen der Wandelbarkeit der durch sie geregelten Verhältnisse seien die politischen Verordnungen, anders als die „Justizgesetze und Rechtsverhältnisse", ständigen Veränderungen ausgesetzt, so dass künftig „alle im Allgemeinen, oder für einzelne Provinzen zu erlassenden neuen Verordnungen nach der einmahl angenommenen systematischen Reihung der Materien und mit Hinweisung auf jene Verordnung, die dadurch abgeändert wird, gleichsam als Novellen in eine fortlaufende Sammlung " aufgenommen werden müssten.251 Was die inhaltliche Gestaltung neuer Verordnungen angehe, so sei es im Hinblick auf eine möglichst einheitliche Gesetzgebung nur konsequent, wenn keine Norm mehr „ von einer andern Stelle die eigentliche gesetzliche Textirung erhalte, als von dieser für die Legislation eigentlich aufgestellten Hofcommission, zu deren Berathungen die administrirenden Stellen nur eigentlich die initiative, nehmlich die motivine Angabe des Stoffes einzuleiten hätten. " Auch in Zukunft wollte Rottenhan somit der Kommission eine mehr als einflussreiche Stellung erhalten. 252 Die personelle Zusammensetzung und die Aufgabenverteilung innerhalb der Kommission könne derzeit noch nicht endgültig festgelegt werden. 253 Aufgrund seiner Erfahrungen bei der Hofkommission in Gesetzsachen halte er es für tunlich, zunächst eine Einigung über den „ Umriß des aufzunehmenden Gebietes " zu erzielen und dann „schon vollkommen ausgearbeitete Entwürfe" zum Gegenstand der Beratungen zu machen. Da es zudem wenig Erfolg verspreche, Referenten, die schon mit anderweitigen Aufgaben voll und ganz beschäftigt seien, auch noch einzelne Teile der Gesetzredaktion zu übertragen, schlägt Rottenhan im Hinblick auf eine vorläufige, „erste Organisation" der Kommission vor, Sonnenfels zu ihrem Vizepräsidenten zu ernennen und diesen mit der „ Berichtigung des Planes, nach welchem dieser politische Codex verfasset werden

250

Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 3 r; Exel (1875),

S. 7. 251

Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 3 r; Exel (1875),

S. 7. 252

Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 3 ν, 4 r; Osterloh (1970), S. 220. 253 Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 4 r.

142 soll",

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.) zu betrauen. 2 5 4 Daneben seien „zur

denen Verordnungen

auszuziehenden

Bearbeitung

des aus den

und nach Umständen zu

vorhan-

berichtigenden

Textes " zwei Referenten zu verwenden, 2 5 5 nämlich Professor E g g e r 2 5 6 und Professor K o p e t z . 2 5 7 A l s Beisitzer sollte man die Hofräte v. Z e i l l e r , 2 5 8 P i t r e i c h 2 5 9 und Pratobevera 2 6 0 v o n der Hofkommission i n Gesetzsachen, ferner die Hofräte v. Geißlern, Hingenau, 2 6 1 Gruber und H a u e r 2 6 2 v o n der vereinten Hofkanzlei, sowie den Hofrat v. Erben, den Commercialreferenten Graf Herberstein 2 6 3 und „einen stelle"

in Mauth

und Geföllssachen

heranziehen.

264

bewanderten

Hofrath

von der

Finanz-

Schließlich wünsche er sich noch als Sekretär den Hof-

254

Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 4 ν; Osterloh (1970), S. 220 f. 255 Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 4 ν, 5 r; Osterloh (1970), S. 221. 256 Zu Franz Ritter v. Egger (1765-1851) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 4 (1858), S. 1 f.; ÖBL, Bd. I (1957), S. 222; Oberkofler, Art. „Franz von Egger 1765-1851", in: Brauneder (Hrsg.), Juristen in Österreich (1987), S. 113-116 und Anhang, S. 315. 257 Zu Wenzel Gustav Ritter v. Kopetz (1782-1857) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 12 (1864), S. 432-435; ÖBL, Bd. IV (1969), S. 115 m.w.N. 258 Zu Franz Edler v. Zeiller (1751-1828) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 59 (1890), S. 283-287; Selb/Hofmeister (Hrsg.), Forschungsband Zeiller (1980); Oberkofler, Art. „Franz Anton Felix von Zeiller 1751-1828", in: Brauneder (Hrsg.), Juristen in Österreich (1987), S. 97-102 und Anhang, S. 374 f.; Floßmann, Art. „Zeiller, Franz von", HRG, Bd. V, Sp. 1637-1642; Hof Art. „Franz von Zeiller (1751-1828)", in: Kleinheyer/ Schröder (Hrsg.), Deutsche und Europäische Juristen (1996), S. 459-462; Kohl, Art. „Zeiller, Franz von (1751-1821)", in: Stolleis (Hrsg.), Juristen (2001), S. 687-689. 259

Zu Pitreich s.o., S. 124 Fn. 157.

260

Zu Carl Joseph Freiherr v. Pratobevera-Wiesborn (1769-1853) vgl. A. Pratobevera, Zur Erinnerung an Carl Freiherrn von Pratobevera-Wiesborn, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung 5 (1854), 117-120, 122-128; Wurzbach (Hrsg.), Bd. 23 (1872), S. 210-215; ÖBL, Bd. V I I I (1983), S. 247; Baiti , Art. „Carl Joseph Freiherr Pratobevera von Wiesborn 1769-1853", in: Brauneder (Hrsg.), Juristen in Österreich (1987), S. 119-124 und Anhang, S. 342 f.; Höslinger, Als Student im josephinischen W i e n - Aus Carl Joseph Pratobeveras Selbstbiographie, in: Springer/Kammerhofer (Hrsg.), Archiv und Forschung (1993), S. 139-151; Neschwara, Uber Carl Joseph von Pratobevera und Franz von Zeiller - Ein Beitrag zur Gesetzgebungsgeschichte des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, FS Baiti (1998), S. 205-224; ders., Art. „Pratobevera v. Wiesborn, Carl Joseph", in: NDB, Bd. 20 (2001), S. 675 f.; ders., Über Carl Joseph von Pratobevera - Ein Beitrag zur Gesetzgebungs- und Wissenschaftsgeschichte des österreichischen Rechts im Vormärz, FS Palme (2002), S. 369-394. 261

Zu Bernhard Gottlieb Freiherr v. Hingenau (1760-1833) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 23 (1872), S. 38 f. 262 Z u Franz Seraph Freiherr v.Hauer (1777-1822) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 8 (1862), S. 59. 263 Zu Joseph Franz Stanislaus Graf v. Herberstein (1757-1816) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 8 (1862), S. 346 f. 264 Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 5 r; Osterloh (1970), S. 221.

I . Die Hofkommission unter

a

143

Sekretär Benisch, der zusammen mit dem Ratsprotokollisten Goutta 265 die Protokolle fuhren sollte. 266 Diese Personalvorschläge begründete Rottenhan wie folgt: Für die Ernennung Sonnenfels' spreche der Umstand, „daß das Vicepräsidium nicht wohl in besseren Händen seyn kann, als wenn es ... dem Schöpfer der in einer sistematischen Theorie zuerst von ihm aufgestellten Staatswissenschaft anvertraut wird". 261 Damit unterstrich Rottenhan einmal mehr seine Wertschätzung für die Person und das Werk Sonnenfels', der unter ihm schon in der Revisionshofkommision gearbeitet hatte. 268 Für Professor Egger sei dessen „litterarischer Ruhm" und die „vormahlige Verwendung in dem Fache der politischen Gesetzkunde " ins Feld zu führen. 269 Zudem hatte sich auch Sonnenfels, als er selbst 1791 von seinen Lehrverpflichtungen entbunden worden war, 270 für Egger als Nachfolger auf seinem Lehrstuhl eingesetzt.271 Die unstreitige Qualifikation von Professor Kopetz werde durch „sein über die oesterreichische Gesetzkunde herausgegebenes Werk und dessen Vorrede " dokumentiert, 272 so dass dieser selbst nach Abschluss der unmittelbaren Arbeiten am politischen Kodex weiter als Referent bei der politischen Gesetzgebung verwendet werden sollte. 273 Bemerkenswert ist insoweit die Bezugnahme auf die betreffende „ Vorrede ", die von Watteroth stammte.274 Was die Zahl der Referenten betrifft, so mache schon der enorme Umfang der Arbeiten die Anstellung von zwei Referenten unumgänglich.275 Die Anstellung von Benisch und Goutta beantrage er schließlich, „weil sie beyde sich ein eigenes Geschäft aus der oesterreichischen Gesetzkunde gemacht haben " , 2 7 6 womit Rottenhan auf die Mitarbeit Gouttas bei verschiedenen Gesetzsammlungen anspielt. 277

265

Zu Wilhelm Gerhard Goutta vgl. Maasburg, Geschichte der OJSt (1891), S. 327

Fn. 12. 266

Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 5 r, v. Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 5 v; Osterloh (1970), S. 220. 268 s.o., S. 93 ff. 269 Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 5 ν, 6 r. 270 s.o., S. 65 Fn. 113. 271 Osterloh (1970), S. 221 Fn. 55 i.V.m. S. 253. 272 Kopetz, Österreichische politische Gesetzkunde, 1. Theil/1. Bd. (1807); vgl. dazu Osterloh (1970), S. 259 f. 273 Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 6 r. 274 s.o., S. 135 Fn. 217. 275 Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 6 r, v. 276 Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808 (Anhang Nr. 15), fol. 6 ν. 277 s.o., S. 19 Fn. 11 f. 267

144

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Die kaiserliche Resolution vom 23. August 1808 genehmigte im Wesentlichen alle Anträge Rottenhans. Lediglich anstelle des inzwischen anderweitig verwendeten Freiherrn v. Hingenau und des nach Prag berufenen Professors Kopetz sollten andere Mitglieder vorgeschlagen werden. Des Weiteren wurde die Hinzuziehung des Hofrats Ley als Beisitzer angeordnet. Schließlich wurde auch der Vorschlag verworfen, nach Vollendung des politischen Kodex einen Referenten bei der politischen Gesetzgebung noch weiter zu beschäftigen. 278 Nichtsdestotrotz stand Rottenhan nun ein Stab äußerst qualifizierter Mitarbeiter fiir die ihm gestellte Aufgabe zur Verfügung, so dass er am 27. August 1808 Sonnenfels, Pitreich, Zeiller und Pratobevera über ihre Ernennung zum Vizepräsidenten bzw. zu Beisitzern der neuen Hofkommission unterrichten konnte. 279

3. Sonnenfels 9 „Beytrag zu der Berathschlagung über den Plan des politischen Kodex" vom 21. November 1808 Sonnenfels erarbeitete daraufhin einen vom 21. November 1808 datierenden ausfuhrlichen „Beytrag zu der Berathschlagung über den Plan des politischen Kodex " , 2 8 0 den er mit Begleitschreiben vom 4. Dezember 1808 vorlegte. 281 In diesem Begleitschreiben erwähnt Sonnenfels eingangs, dass Professor Egger einen eigenen, neuen Plan vorgelegt habe, weshalb er selbst eigentlich keinen weiteren Plan mehr entwerfen wollte, zumal ein alter, von ihm früher schon entworfener noch vorhanden sein müsste.282 Durch „wissenschaftliche Grundbegriffe " in der vorliegenden, insgesamt eher wissenschaftlich gehaltenen Denkschrift hoffe er, gleichwohl einen Beitrag zur „praktischen Ausführung" leisten zu können. 283 278

AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, August 1808, fol. 6 r, v, linke Sp, abgedruckt im Anhang Nr. 15; HHStA, StR-Prot. 1808/11 (lfd. Bd. 206), 1182 ex 1808, „Vortrag des Obersten JustizPräsidenten Grafen v. Rottenhan von 29te" Merz 1808"\ vgl. Exel (1875), S. 7. Osterloh (1970), S. 221 datiert die Resolution allerdings auf den 29. August 1808. 279 Entsprechende Konzepte A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 27. August 1808, fol. 1 r bzw. 3 r, v. 280 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, 4. Dezember 1808, fol. 1 r - 4 4 v , abgedruckt im Anhang Nr. 16; vgl. Exel (1875), S. 7 f. ohne Angabe des Datums; Osterloh (1970), S. 221 f. 281 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, Dezember 1808, [fol. 22 r - 23 r], abgedruckt im Anhang Nr. 16. 282 Begleitschreiben Sonnenfels' (Anhang Nr. 16), [fol. 22 r, v]. Der angesprochene neue Plan Eggers, den auch Exel (1875), S. 7 noch erwähnt, ist nicht mehr in den Akten zu finden, vgl. Osterloh (1970), S. 226 Fn. 68. 283 Begleitschreiben Sonnenfels' (Anhang Nr. 16), [fol. 23 r].

I . Die Hofkommission unter

a

145

In dieser Denkschrift reißt Sonnenfels eingangs erneut kurz an, welche Anstrengungen unter seiner Mitwirkung seit Maria Theresia im Hinblick auf die „Sammlung der politischen Gesetze" immer wieder vergeblich unternommen worden waren; insbesondere nimmt er dabei auf seinen alten „Plan" Bezug, den er schon in den ersten Anfängen vorgelegt habe und der sich eigentlich immer noch bei den Akten der zuletzt von Baldacci geleiteten Kommission befinden müsste. 284 Trotz des Scheiterns der bisherigen Bemühungen bestehe nun angesichts der vom Kaiser zugesicherten Unterstützung berechtigte Aussicht auf Erfolg. 285 Der Umstand, dass fast alle, selbst kleinste Staaten ein bürgerliches Gesetzbuch haben, führe dazu, dass „ von rechtlichen, nach einer mehr oder minder wohlgewählten, wenigstens aber immer nach einer vorgezeichneten Ordnung verfaßten Rechts-Kodizen ein solcher Vorrath vorhanden ist", aus dem man bei der Kodifikation eines Zivilgesetzbuchs schöpfen könne, dass es jeweils nur noch um eine entsprechende „Anwendung und Modifikation " ginge. 286 Im Gegensatz dazu gebe es für einen „systematisch geordneten politischen Kodex " gar kein Vorbild, an dem man sich orientieren könne, obwohl ein solcher im Hinblick auf die praktischen Erfordernisse „von der öffentlichen Verwaltung für ungleich wesentlicher, für dringender nothwendig hätte betrachtet werden sollen Entsprechend nachteilig mache sich daher auch das Fehlen eines solchen Kodex in der täglichen Verwaltungspraxis bemerkbar. 287 Das Hauptaugenmerk müsse diesbezüglich auf das „Eigenschafts-Wort systematische Sammlung" gelegt werden. Denn es fehle zwar nicht an Sammlungen, in die seit langem alles aufgenommen worden sei, „was von öffentlichen Verordnungen in bürgerlichen und Kriminal-Gesetzbüchern nicht Platz und Anweisung fand". 288 Diese in der Regel ohne inhaltliche Systematik, sondern nur auf möglichste Vollständigkeit angelegten Sammlungen könne man aber nur als „unförmliche Gehäufe" bezeichnen, die, wenn sie denn überhaupt eine Einteilung aufweisen würden, meist nur nach dem Zufallsprinzip, bestenfalls noch nach dem Alphabet oder der Chronologie geordnet seien. 289 Von dieser Qualität wären alle Sammlungen, ob sie nun alle Verwaltungszweige behan-

284

Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 2 r, v. Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 3 r. 286 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 3 ν, 4 r; Exel (1875), S. 7; Osterloh (1970), S. 222. 287 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 4 r, v; Exel (1875), S. 7; Osterloh (1970), S. 222. 288 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 5 r, v; Exel (1875), S. 8; Osterloh (1970), S. 222. 289 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 6 r; Osterloh (1970), S. 222. 285

10 Wagner

146

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

delten oder nur besondere, so dass man sie höchstens als Materialienvorrat oder zum Abgleichen heranziehen könne. 290 Im Hinblick auf die Erstellung einer systematische Sammlung der politischen Gesetze würden sich somit zwei Kardinalfragen stellen: „ Welches sind die Gegenstände, die in diese Sammlung aufgenommen werden sollen? Nach welcher Ordnung sollen diejenigen, welche aufzunehmen, bestimmt wird, gereihet werden? " 29]

Was die erste Frage nach den in die Sammlung aufzunehmenden Gegenständen anbelange, so müsse zunächst überhaupt erst einmal „die Bedeutung des Begriffs politische Gesetze auf das genaueste bestimmt werden"} 91 Eine derartige, scharfe Begriffsbestimmung könne man, wie Sonnenfels mit einem Seitenhieb bemerkt, „von praktischen Geschäftsmännern, dergleichen die Gesetzsammler meistens waren kaum erwarten; aber selbst bei den antiken und modernen Autoren sei eine befriedigende Definition nicht zu finden, was er nun näher ausführt. 293 Die Griechen, allen voran Plato und Aristoteles, hätten nicht zwischen politischen und bürgerlichen Gesetzen unterschieden. Selbst diese Begriffe seien ihnen unbekannt gewesen: „ Wie das Wort Politela /: Staatsverwaltung :/ die Bezeichnung des Inbegriffs der gesammten Staatsverwaltung war, eben so war Ν ο mos /: Gesetz :/ der gemeinschaftliche Name aller von der öffentlichen Gewalt ausgegangenen Vorschriften, was immer für einen Gegenstand sie betrafen, mit welcher äusseren Form sie auch bekleidet seyn mochten. " 94

Daneben hätten sie noch den Begriff „Psephisma" (lateinisch „Decretum") für Verordnungen mit zeitlich befristeter Geltungsdauer verwendet. 295 Mit dieser letzten Feststellung wiederholt Sonnenfels seine Einschätzung aus dem Handbuch der inneren Staatsverwaltung von 1798. 296

290

Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 6 ν. Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 7 r; Osterloh (1970), S. 222. 292 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 7 r, v; Exel (1875), S. 8; Osterloh (1970), S. 222. 293 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 7 ν - 12 ν; Exel (1875), S. 8; Osterloh (1970), S. 222. 294 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 7 ν, 8 r. 295 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 8 r. 296 Sonnenfels, Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. I (1798), Anm. 25, S. 507 f. zu § 174 (S. 471 f.): „Die griechischen Gesetzgeber bezeichneten die veränderlichen und unveränderlichen Gesetze sogleich durch die Benennung. Sie nannten Ν ο mos was be291

IV. Die Hofkommission unter Rottenhan

147

A u c h bei den Römern, insbesondere bei Cicero, sei keine Unterteilung i n politische und bürgerliche Gesetze zu finden. Soweit dieser „ das lus civile dem juri

politico

" gegenüberstelle, so betreffe letzteres nur eine Angelegenheit, die

vor die Volksversammlung statt vor den Prätor oder das Zentumviralgericht zu bringen war. I m Übrigen sei „ L e x civilis " nicht mit „ bürgerliche

", sondern mit

„ Staatsgesetze " zu übersetzen. 2 9 7 A u f Autoren wie unter anderem Bodin, Conring und Hobbes wolle er nicht näher eingehen, u m sich gleich mit dem „ Verfasser

des Esprit des loix"

aus-

einandersetzen zu können. Montesquieu habe seiner Ansicht nach als erster überhaupt zwischen politischen und bürgerlichen Gesetzen unterschieden, ohne allerdings diesbezüglich schon aussagekräftige Begriffsmerkmale zu verwenden. Denn „ der französische terscheidung,

Plato scheint über die staatswissenschaftliche

die er doch dadurch festsetzen wollte, sich selbst nicht

Un-

vollkom-

men deutlich gewesen zu seyn. " 2 9 8 Diese These versucht Sonnenfels dadurch zu untermauern, dass er nun einige Belegstellen aus dem „Esprit des L o i s " zitiert und ins Deutsche übersetzt: 2 9 9 „ Wie die Menschen ihrer natürlichen Unabhängigkeit entsagt haben, um unter politischen Gesetzen zu leben, eben so haben sie der natürlichen Gütergemeinschaft entsaget, um unter bürgerlichen Gesetzen zu leben, die Erstem erwarben ihnen die Freyheit, die Zweyten das Eigenthum. " 30° „Die bürgerlichen Gesetze hängen von den politischen ab, denn es ist [...] die Gesellschaft, von der sie erlassen werden. " 301

ständig erlassen ward, und Psephistna eine Zeitverordnung. Die deutsche Gesetzgebung und Sprache könnte diese genauere Bestimmung leicht nachahmen, wenn sie stets Nomos durch Gesetz, und Psephisma, durch Verordnung, bezeichnete. " Vgl. dazu Conrad, Staatsgedanke und Staatspraxis des aufgeklärten Absolutismus (1971), S. 43 f. mit Hinweis auf Martini, Lehrbegriff des Natur-, Staats- und Völkerrechts, Bd. III: Lehrbegriff des allgemeinen Staatsrechts (1783), §§ 71 f. 297

Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 8 r, v. Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 9 r; Osterloh (1970), S. 222. 299 Vgl. ferner Montesquieu, De l'Esprit des Lois, Table des Matières, Stichwort „Loixpolitiques Œuvres complètes, Tome I (1950), S. 579. 300 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 9 v Anm. (*): „Comme les hommes ont renoncé à leur indépendence naturelle pour vivre sous des loix politiques, ils ont renoncé à la communauté naturelle des biens, pour vivre sous les loix civiles. Les premieres loix leur acquièrent la liberté, les secondes la propriété. L: XXIV Ch: XV " Hier wird „L: XXIV Ch: XV" als Fundstelle angegeben, richtig ist aber Liv. X X V I , Chap. 15, vgl. Montesquieu, Œuvres complètes, Tome I (1950), S. 147. 301 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 10 r Anm. (*): „Les loix civiles dépendent des loix politiques, parce que c'est toujours par une société, qu 'elles sont faites. L: XXIX Ch: XIII. " 298

1*

148

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

„Die Gesetzgeber haben die Menschen durch die politischen und bürgerlichen setze zu ihren Pflichten zurückgejuhret. " 302

Ge-

Jedenfalls habe Montesquieu „Begriff und Sinn der politischen Gesetze bloß auf die Grundgesetze der Verfassung und des Verhältnisses der Bürger zu dem Subjekte der öffentlichen Verwaltung, beschränkt ". 303 Dieser Einteilung hätten sich auch Rousseau304 und die übrigen französischen Autoren angeschlossen, so dass sie im Ergebnis „sämmtliche die Leitung der innern Staatsverwaltung betreffende Vorkehrungen, und Anordnungen, selbst die Gesetze über die Civil- und Criminalgerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen, in das Gebiet der bürgerlichen Gesetze verweisen " würden. 305 Nicht ohne Ironie konstatiert Sonnenfels, sich bei französischen Autoren ohnehin schon „mehr an einen blühenden, als richtigen Ausdruck" gewöhnt zu haben. Doch auch die „philosophische Strenge der Bezeichnung ", die demgegenüber die deutschen Autoren auszeichne, bringe nicht die erhoffte begriffliche Trennung von politischen und bürgerlichen Gesetzen.306 Dabei verweist er stellvertretend auf die Werke von Schlözer 307 und Schmalz 308 , „zwey der bekanntesten Schriftsteller von Verdienst und Ruf Doch trotz ihrer eingehenden „Analysen" der Staatsverwaltung werde diese Frage weder „ausdrücklich und unmittelbar" behandelt, noch könne man „mittelbar und mit Zuhilfnahme der scharfsinnigsten Hermeneutik " dort fundig werden. 309

Die hier angegebene Fundstelle „L: XXIX Ch: XIII" ist richtig, vgl. Montesquieu, Œuvres complètes, Tome I (1950), S. 281. 302 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 10 r Anm. (**): „Les législateurs ont rendu, /: l'homme :/ à ses dévoirspar les loixpolitiques et civiles. " Zwar ohne Angabe der Fundstelle, aber eindeutig als Liv. I, Chap. 1, letzter Satz einzustufen, vgl. Montesquieu, Œuvres complètes, Tome I (1950), S. 4. 303 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 10 ν; Osterloh (1970), S. 222. 304 Zur Auseinandersetzung Sonnenfels' mit Rousseau im Handbuch der inneren Staatsverwaltung (1798), vgl. Stollberg-Rilinger (1999), S. 228. 305 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 10 ν, 11 r. 306 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 11 r, ν. 307 Schlözer (Hrsg.), Stats-Anzeigen (1782-1793); ders., Allgemeines Statsrecht und Statsverfassungslere (1793); vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. I (1988), S. 317 f. 308 Schmalz (Hrsg.), Annalen der Rechte des Menschen, des Bürgers und der Völker, Hefte I-II (1794/95); ders., Das reine Naturrecht, 2. Aufl. (1795); ders., Das natürliche Staatsrecht, 2. Aufl. (1804); hierzu Kraus (1999), S. 309, 363 ff. Ferner R.Schulze, Polizey und Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert (1982), S. 201 f. 309 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 11 ν, 12 r; Osterloh (1970), S. 222.

I . Die Hofkommission unter

a

149

Soweit Osterloh in diesem Zusammenhang noch auf die Kritik Sonnenfels' an Achenwall, Bielfeld und Justi eingeht, so befindet sich die betreffende Passage zwar noch im Konzept an dieser Stelle, sie wurde aber in der Letztfassung hier herausgenommen und weiter unten in eine Anmerkung eingeschaltet.310 In dem dann folgenden Abschnitt des Konzepts, der überhaupt nicht in die Letztfassung übernommen wurde, 311 setzt sich Sonnenfels zunächst eingehend mit zwei weiteren Abhandlungen von zeitgenössischen deutschen Autoren auseinander, die er im Ergebnis aber als völlig unbrauchbar verwirft. 312 Hervorzuheben ist dagegen der Umstand, dass er in diesem Abschnitt des Konzepts danach noch einen kurzen Blick auf die ehrgeizigsten Kodifikationsvorhaben seiner Zeit wirft, nämlich in Russland, Preußen und, „nach so manchen Schwankungen von Konstitution zu Konstitutionauch in Frankreich. 313 Die geistigen Grundlagen dieser Vorhaben und ihre Systematik seien dabei „am sichersten aus den vorausgegangenen Einleitungsarbeiten zu erkennen ", auf die man zudem ohne Schwierigkeiten zugreifen könne, nämlich: 314 „Die Instruction Katharinens II. für die zur Verfertigung neuen Gesetzbuche verordnete Kommission ", 315

des Entwurfs

zu einem

,,Die Sammlung von Urkunden, und Aktenstücken zur Geschichte des neuen preußischen Gesetzbuches " 3 1 6 sowie

310

Vgl. Osterloh (1970), S. 222 f.; s.u., S. 157 Fn. 360. AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, Dezember 1808, [fol. 8 r - 12 r], abgedruckt im Anhang Nr. 16: mit Blick auf die Letztfassung werden die fol. des Konzepts aus Gründen der Übersichtlichkeit in eckigen Klammern angegeben und Lücken durch Spitzklammern dargestellt. 312 Konzept Sonnenfels' zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 8 r - 10 v]: „Uiber die politischen Fragen: Was sind Justizsachen? Welche Gegenstände (...) Ideengang in Hinsicht (...) aufgestellt wird: Von Friedrich (...)" sowie „Hofgerichtsrath Doctor Müller. Der Titel: Beytrag zu dem Entwürfe eines systematischen Werkes der Gesetzgebung". 313 Konzept Sonnenfels' zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 10 ν - 12 r]; Osterloh (1970), S. 223 f. 314 Konzept Sonnenfels' zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 10 ν]. 315 Katharina II., Instruction für die zu Verfertigung des Entwurfs zu einem neuen Gesetzbuche verordnete Commission (1767); vgl. dazu Sacke, Die Gesetzgebende Kommission Katharinas II. - Ein Beitrag zur Geschichte des Absolutismus in Rußland (1940), S. 61 f f ; Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte (1999), Rn. 1463 f.; Omel cenko, Die „Kommission zur Verfertigung des Entwurfs zu einem neuen Gesetzbuch"- Einige neue Beobachtungen im Zusammenhang mit dem gesetzgeberischen Werk der Fachausschüsse, in: Hübner/Kusber/Nitsche (Hrsg.), Russland zur Zeit Katharinas II. (1998), S. 169-180. 316 EAGB (1784-1788); vgl. dazu Barzen, Die Entstehung des EAGB (1999). 311

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

150

„ Der Vorschlag zu dem bürgerlichen Kodex überreicht von der dazu von der Regierung benannten Kommission ", bestehend aus Tronchet, Portalis, Bigot de Préameneu und Maleville. 3 1 7 Der Instruktion Katharinas II. w i r d ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis ausgestellt. I n den Augen Sonnenfels' zieht sie lediglich „aus alten und neuen politischen Schriftstellern geborgte Stellen unter sehr allgemeinen Rubriquen oder Titeln zusammen, die ohne eine andere als bloß örtliche Reihfolge, von einem geordneten, oder nur beabsichtigten Plane zu einer ganzen neuen Gesetzgebung nicht einmahl ein Anzeichen geben fur jeden Fachmann könne sie daher nur ein „ Gehäufe " darstellen. 3 1 8 W e n n etwa mit großem Aufwand der Satz bewiesen werden soll, „ D a ß Rußland eine Europäische Eingange

Macht ist. (: I. Hauptstück

so sehr mißgriffen

6. 7. :) " 3 1 9 oder „sogleich

wird, den Ruhm der Bürger,

Regenten als Zweck der Regierung

unterzulegen

/: II. Hauptstück:

erübrige sich jede weitere Auseinandersetzung d a m i t .

am

des Staats und des 15 : / " , 3 2 0 so

321

A u c h die K r i t i k an der preußischen Gesetzgebung fällt eher harsch aus. Das wichtigste

Dokument,

„hauptsächlich

die

Kabinettsordre

in einer Aufzählung

vom

14. A p r i l 1786, 3 2 2

der Gebrechen der Justitzpflege (\

hoben werden sollten. 3 2 3 I m H i n b l i c k auf den „Plan

des neuen

bestehe die be-

Gesetzbuchs"

sei dort angeordnet worden, das Corpus Juris zu dessen Grundlage zu machen, wie Carmer i n seiner Vorerinnerung zu dem neuen Gesetzbuche selbst ausfüh-

317

„Projet de la Commission du Gouvernement de Tan VIH" bei Fenet (Hrsg.), Tome II (1827), S. 3-413; vgl. dazu Leiser, Art. „Code Civil", HRG, Bd. I, Sp. 619-626, 620; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. II (1966), S. 397; Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte (1999), Rn. 1587. 318 Konzept Sonnenfels* zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 10 ν]. 319 Vgl. Katharina //., Instruction (1767): I. Kap. § 6 Rußland ist eine Europäische Macht. I. Kap. § 7 Hier ist der Beweiß davon. Die Veränderungen die Peter der Große mit Rußland vorgenommen, haben einen um so viel glücklichern Erfolg gehabt, weil die Sitten der damaligen Zeiten gar nicht dem Klima gemäß und uns durch die Vermischung verschiedener Völker, und durch die Eroberung fremder Länder, zugebracht worden waren. Da Peter der Erste Europäische Sitten und Gebräuche bey einem Europäischen Volke einführte, fand er daßelbe hiezu aufgelegter, als er selbst je vermutet hatte. 320 Vgl. Katharina //., Instruction (1767): II. Kap. § 15 Das Augenmerk und der Endzweck unumschrenkter Regierungen, ist der Ruhm der Bürger, des Stats, und des Beherrschers. 321 Konzept Sonnenfels* zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 11 r]; Osterloh (1970), S. 223 Fn. 62. 322 NCC, Bd. VI, Sp. 1935-1944 sowie Hattenhauer (Hrsg.), ALR (1996), S. 37-41; vgl. dazu ebd., Einführung, S. 7 f. 323 Konzept Sonnenfels' zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 11 r].

151

IV. Die Hofkommission unter Rottenhan

re. " Der schlimmste Fehler der preußischen Kodifikatoren bestehe aber darin, dass sie „zu sehr erschöpfen wollten"

und infolgedessen „ein

in das Große gesehen werden soll, zu einer kleinlichen Darüber hinaus seien dort „wie in der Tribonianischen administrative,

bürgerliche,

politische

Werk,

Kasuistik" Sammlung,

Gesetze, bloße

worin

nur

mutiert sei. konstitutive,

Polizeyverordnungen"

oft einfach nur konnotativ aneinander gereiht worden. 3 2 5 Der französische „Discours sten Beobachtungen

praeliminaire"

und lichtvollsten

dings auch dort weder etwas „zur

326

sei dagegen „voll

der schärf-

Ansichten " , 3 2 7 Leider könne man allerpraktischen

Konstrucktion

eines Gesetz-

systems " noch i m H i n b l i c k auf die „ Gränze zwischen rechtlichen

und politi-

schen Gesetzen " finden. Zwar werde an einer Stelle der Ansatz zu einer solchen Grenzziehung angedeutet: „Die Gesetze von welcher Natur sie seyn mögen, betreffen zugleich das Publikum, und die Einzelnen /: Private :/ die, welche unmittelbarer die Gesellschaft als die Einzelnen betreffen, machen das öffentliche Recht einer Nation aus: das Privatrecht sind diejenigen Gesetze, welche unmittelbar die Einzelnen als das Publikum betreffen. " 328

324

Konzept Sonnenfels' zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 11 r]. Vgl. Carmer, in: EAGB, Erster Theil (1784), Vorerinnerung, S. 5: „Nach der oft angeführten Cabinetsordre steht bereits fest: daß bey der Ausarbeitung dieses allgemeinen Gesetzbuchs das Corpus Juris vom Kayser Justinian, welches seit Jahrhunderten auch in unsern Staaten als ein subsidiarisches Recht angenommen ist, hat zum Grunde gelegt werden sollen. " Vgl. die Kabinettsordre vom 14. April 1780, in: NCC, Bd. VI, Sp. 1940 f. sowie Hattenhauer (Hrsg.), ALR (1996), S. 39 f.: „..., das Corpus Juris vom Kayser Justinian als das subsidiarische Gesetzbuch fast aller europäischen Staaten von vielen Jahrhunderten her auch bey Uns angenommen worden ist, so kann dieses auch künftig nicht ganz ausser Acht gelassen werden. " 325 Konzept Sonnenfels' zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 11 ν]; Osterloh (1970), S. 223 Fn. 62. 326 Vgl. den „Discours Préliminaire" bei Fenet (Hrsg.), Tome I (1827), S. 463-523. 327 Konzept Sonnenfels' zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 11 ν]. 328 Konzept Sonnenfels' zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 12 r], ohne Angabe der Fundstelle. Dieses Zitat ist jedoch nicht aus dem „Discours Préliminaire", sondern aus dem „Projet de la Commission du Gouvernement de l'an VIII", Livre Préliminaire, Titre II: Division des lois, Art. 2, vgl. Fenet (Hrsg.), Tome II (1827), S. 3-413, 5: „Les lois, de quelque nature qu'elles soient, intéressent à la fois, et le public et les particuliers. Celles qui intéressent plus immédiatement la société que les individus, forment le droit public d'une nation. Dans le droit privé sont celles qui intéressent plus immédiatement les individus que la société. " Vgl. hierzu Plesser , Jean Etienne Marie Portalis und der Code civil (1997), S. 57 ff.

152

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Dieser Ansatz sei aber zu allgemein gehalten und nicht näher im Einzelnen fortgeführt worden, da in Frankreich ja nur ein bürgerliches Gesetzbuch geschaffen werden sollte. 329 Wie in Konzept und Letztfassung nun wieder übereinstimmend geschlussfolgert wird, müsse die Kommission daher selbst eine Lösung auf diese Fragen finden. 330 Dadurch könne ihr aber auch das Verdienst zufallen, „der Regierung Franzens und der österreichischen Gesetzgebung den Ruhm zu erwerben, allen Gesetzgebungen mit einem Systeme der politischen Gesetze vorangegangen zu seyn."™ Auf die daher erneut zu stellende Frage, welche Gegenstände in den politischen Kodex aufzunehmen seien, dränge sich die folgende Antwort gleichsam von selbst auf: „Alles, was nicht in dem Kodex der bürgerlichen Gesetze enthalten ist. " - eine jedoch nur auf den ersten Blick befriedigende Antwort. 332 Sofern ein Staat überhaupt kein Gesetzbuch besitze, also weder ein politisches noch ein bürgerliches Gesetzbuch, greife diese Negativdefinition schlicht ins Leere und biete daher keinen brauchbaren Ansatzpunkt. 333 Sofern, wie in Österreich, schon ein bürgerliches Gesetzbuch vorhanden sei, sehe man sich mit dem selben Problem in anderer Gestalt wieder konfrontiert: „ Ob nicht in dem bürgerlichen Gesetzbuche Gegenstände aufgenommen sind, die offenbar mehr zur politischen Bestimmung gehören? " 3 3 4 Und dies sei nach Auffassung Sonnenfels' in dem „Entwürfe des neuen Gesetzbuchs" sehr wohl

329

Konzept Sonnenfels' zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 12 r]. An außerhalb dieser Kommission vorgeschlagenen Lösungsansätzen vgl. Schott (Hrsg.), Das Freiburger ABGB-Gutachten 1797 (2000), § 8, S. 33 f. und Anm., S. 172 m.w.N.; Zeillers Vortrag vom 21. Dezember 1801 bei Pfaff/Hofmann, Excurse, Bd. I/Heft 1 (1877), S. 36-49, 36 f. sowie Ofner (Hrsg.), Urentwurf, Bd. I (1889), S. 112, 1 f.; Zeiller, Das natürliche Privat-Recht, 1. Aufl. (1802), § 14, S. 18 f.; 3. Aufl. (1819), § 14, S. 27 ff.; Zeillers „Vortrag zur Einführung in das Bürgerliche Gesetzbuch" Excurse, Bd. I/Heft 1 als Beilage zum Vortrag vom 19. Januar 1808 bei Pfaff/Hofmann, (1877), S. 52-86, 55 sowie Ofner (Hrsg.), Urentwurf, Bd. II (1889), S. 465-489, 468 f. (s.o., S. 136 Fn. 221); ders., Commentar, Bd. I (1811), Vorkenntnisse, §§ X V f., S. 15 ff. sowie § 1, S. 31 f f ; ders., Abhandlung über die Principien des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichisehen Monarchie, in: Pratobevera (Hrsg.), Materialien, Bd. 2 (1816), S. 166-198, 170 f.; ferner C. J. Pratobevera, Ueber die Gränzlinien zwischen Justiz- und politischen Gegenständen, und das Verhältniß der Gerichtshöfe zur landesherrlichen Macht - Ein fragmentarischer Versuch, in: Pratobevera (Hrsg.), Materialien, Bd. 1 (1814), S. .1-55, §§ I-V, insbesondere S. 36 f. 331 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 12 v; Exel (1875), S. 8; Osterloh (1970), S. 224. 332 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 12 ν. 333 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 13 r, ν. 334 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 13 ν, 14 r. 330

I . Die Hofkommission unter

a

153

der Fall, da sich dort einige Bestimmungen befänden, „deren Aufnahme als /: Postulate :/ Lehrsätze zwar der Zusammenhang angerathen haben mochte die aber eigentlich Gegenstand der politischen Gesetzgebung wären wie etwa „die Bestimmung, daß in den österreichischen Staaten keine Leibeigenschaft Statt finde" oder „die Verfügung: „ Wie die österreichische Staatsbürgerschaft erworben, Wie dieselbe verlohren werde? " Insbesondere der Erwerb oder Verlust der Staatsbürgerschaft betreffe ausschließlich das Verhältnis des Einzelnen zum Staat und gerade nicht das Verhältnis der Einwohner unter sich, so dass diese Bestimmung nach der Legaldefinition in § 1 gar nicht in den Geltungsbereich der bürgerlichen Gesetze falle. 335 Somit sieht sich Sonnenfels in seiner Einschätzung bestätigt, „daß bürgerliche Gesetze ohne unmittelbare oder doch mittelbare Beziehung auf eine politische Verfügung nicht bestehen". Seiner Ansicht nach folge daraus „die an sich wesentliche Unterscheidung der politischen Gesetze, insofern diese sich als gründende Vordersätze zu den bürgerlichen Gesetzen, als zu davon manchmal abgeleiteten, stäts als darauf sich stützenden Folgen verhalten ". Für die bevorstehende Arbeit sei dadurch aber immer noch nichts gewonnen, da diese Feststellung keine aussagekräftigen Kriterien zur Unterscheidung von politischen und bürgerlichen Gesetzen an die Hand gebe. 336 Festzuhalten bleibt somit, dass Sonnenfels das öffentliche Recht als Basis des bürgerlichen Rechts betrachtete und durch einen politischen Kodex wohl richtungsweisend Einfluss nehmen wollte. Die Vermutung von Osterloh, dass Sonnenfels „seine Lieblingsidee, sämtliche österreichischen Kodifikationen in einer allgemeinen systematischen Einleitung begrifflich zusammenzufassen, noch keineswegs aufgegeben hatte", liegt somit tatsächlich nahe, auch wenn er sich mit Rücksicht auf die Kommissionsmitglieder Zeiller und Pratobevera eine gewisse Zurückhaltung auferlegt haben mag. 337 Die am Anfang des bürgerlichen Gesetzbuchs gegebene Definition der bürgerlichen Gesetze könne hinsichtlich der politischen Gesetze immerhin ein Ausschlusskriterium bieten, da der „vorzüglich bezeichnende Begriff dieser Erklärung ... in den Worten: Privatrechte und Pflichten der Einwohner unter sich, " im Umkehrschluss „alle Gesetze, die sich auf Verhältnisse zu der öffentlichen Ordnung beziehen, " der politischen Gesetzgebung zuweise. 338 Durch dieses negative Abgrenzungsmerkmal wisse man aber eigentlich nur, welche Gegenstände in das bürgerliche Gesetzbuch gehören, weil sie „die Rechte und Pflichten 335

Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 14 r, ν. Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 15 r, ν; Osterloh (\9Ί0), S. 224. 337 Osterloh (1970), S. 224. 338 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 15 v; Exel (1875), S. 8. 336

154

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

der Bürger unter sich bestimmen ", aber immer noch nicht: „ Was entgegen eigentlich und wesentlich in die politische Sammlung aufzunehmen sey". Deshalb bedürfe es unbedingt noch einer positiven Begriffsbestimmung der politischen Gesetze, die er folgendermaßen formuliert: „ Der Inbegriff aller Einrichtungen der innern Staatsverwaltung, wodurch die allgemeine Wohlfarth gegründet und erhalten wird, und worüber zu wachen, der vollstreckenden Gewalt von Amts wegen obliegt. " 339

Dass er damit sowohl im Hinblick auf die „ Vollständigkeit des Begriffs " als auf die „ richtige Gränzbezeichnung des Umfangs" eine befriedigende Definition anbieten kann, möchte Sonnenfels durch eine Analyse der einschlägigen „ Gegenstände und Mittel" untermauern. „ Gegenstand" eines politischen Kodex seien „alle Einrichtungen der innern Staatsverwaltung ", das heißt: „Alles, wodurch die öffentliche Sorgfalt die Sicherheit der Bürger zu schirmen, und ihrer Bequemlichkeit, in der reichhaltigsten Bedeutung des Wortes, vorzusehen, verpflichtet ist. " 340

Sonnenfels ist überzeugt, dass wiederum „ unter die beyden Gesamtbegriffe, Sicherheit und Bequemlichkeit, alle untergeordneten Theilbegriffe der allgemeinen Wohlfahrt, bis zu welchen die Gesetzgebung in ihren Verfugungen herabsteigen muß, nach einer ungezwungenen Folge eingereihet werden können". Dies habe er bereits hinreichend durch sein „Elementarwerk Grundsätze der politischen Wissenschaften dargethan ", deren Rang und Stellenwert nicht zuletzt dadurch deutlich werde, dass „die öffentliche Verwaltung dieses Werk nicht nur zur Grundlage des öffentlichen Unterrichts der Staatsbeamten, sondern auch in mancher praktischer Anwendung nicht ungeeignet zu finden, gewürdiget hat. " 341 Als „Mittel zur Begründung und Erhaltung der allgemeinen Wohlfahrt" wären „nicht nur Gesetze, sondern auch Anstalten " anzusehen, so dass neben den Gesetze auch die „Anstalten" in einen politischen Kodex unbedingt mit aufgenommen werden müssten, während im Unterschied dazu in einen bürgerlichen Kodex nur Gesetze Eingang finden würden. 342 Hinsichtlich der Definition des

339 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 16 r, ν; Exel (1875), S. 8; Osterloh (1970), S. 224. 340 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 17 r; Osterloh (1970), S. 224 f. 341 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 17 r, ν; Osterloh (1970), S. 225. 342 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 17 ν, 18 r; im Konzept, a.a.O., [fol. 14 ν] hatte Sonnenfels für die „Mittel zur Begründung und Erhaltung der allgemeinen Wohlfahrt " auch noch den „ Gesammtbegr iff Einrichtungen " verwendet, „welcher nicht nur Gesetze, sondern auch Vorkehrungen als Untertheilungs-

IV. Die Hofkommission unter Rottenhan

155

Begriffs der „Anstalten " könne man natürlich „philosophische [...] Erörterungen " 3 4 3 anstellen und bis auf die „Idee des gesellschaftlichen Vereins also das Modell des Gesellschaftsvertrags zurückgehen, das Sonnenfels nun kurz anreißt. Danach erhalte der vergesellschaftete Mensch im Gegenzug für die der Regierung übertragenen Herrschaftsbefugnisse einen Anspruch „ auf die öffentliche Beschirmung und auf die öffentliche Vorsorge ", und eben diese machten den „grossen Umfang der öffentlichen Anstalten " aus. 344 Doch brauche man nicht soweit auszuholen, da es wohl „dem gemeinsten Verstände von selbst einleuchtet ", „daß im vorliegenden Sinne unter Anstalten, solche Vorkehrungen, die nur von der Vorsichtigkeit und Machtvollkommenheit der Staatsverwaltung erwartet werden können; als Veranstaltung des öffentlichen Unterrichts, Vorkehrungen in Ansehung des allgemeinen Gesundheitszustandes, Vorkehrungen, das Bedürfniß von [ ]bensmitteln zu bedecken, Strassenbau und d: g: zu verstehen sind".

Deswegen sei alles, was der „öffentlichen Bestandteil des politischen Kodex. 345

Vorsorge"

diene, unweigerlich

Abschließend wiederholt Sonnenfels noch einmal die eingangs gegebene Definition des Begriffs der Mittel als: „Sämmtliche, die Begründung der allgemeinen Wohlfahrt bezweckenden Gesetze und Anstalten. " 346 Nun wendet sich Sonnenfels den einschränkenden Begriffsmerkmalen seiner Definition der politischen Gesetze zu. Erstens werde „durch den Beysatz innere Staatsverwaltung" alles ausgeschlossen, was die auswärtigen Beziehungen zu anderen Staaten betrifft, also insbesondere auch alle Fragen der Verteidigung. 347 Zweitens werde „durch den Beysatz: Worüber ...zu wachen, der vollstrekkenden Gewalt von Amts wegen obliegt" das Offizialprinzip als ein weiteres Abgrenzungskriterium herangezogen. Denn im Gegensatz dazu herrsche im Zivilprozess, also bei der Durchsetzung der Ansprüche eines Bürgers gegen den

glieder" umfassen sollte, wobei er „Vorkehrungen" als „/. gleichbedeutend mit dem sinnverwandten Wort Anstalten ./"definierte. 343 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 18 r mit einer kurzen Textlücke von einem Wort; im Konzept, a.a.O., [fol. 15 r] heißt es stattdessen „philosophischen Erörterungen des allgemeinen Rechts". Deshalb stellt Osterloh (1970), S. 224 die Vermutung an, Sonnenfels habe geplant, „dem Verwaltungsgesetzbuch eine »philosophische Erörterung des allgemeinen Rechts4 gleichsam als generelle Einleitung zu den einzelnen Zweigen der Legislation vorauszuschicken, so daß die gesamte österreichische Gesetzgebung als einheitliches Ganzes begriffen worden wäre." 344 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 18 r, ν. 345 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 18 ν, 19 r. 346 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 19 ν. 3 7 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 1 ν.

156

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

anderen, Parteibetrieb: „Ohne Kläger gibt es keinen Richter". Die Ursache hierfür sieht Sonnenfels in der Dispositionsmaxime: Während „der Bürger sich seines Rechtes gegen seinen Mitbürger ausdrücklich oder stillschweigend begeben kann", erwachsen aus den politischen Gesetzen „nur der Gemeinheit Rechte, dem einzelnen Bürger aber Verbindlichkeiten, die er in Erfüllung bringen muß - Verbindlichkeiten, denen er also nicht entsagen kann. " 3 4 8 In der Konsequenz sei deshalb „die obrigkeitliche Dazwischenkunft, kein Erkenntniß über ein Recht, sondern eine Hinweisung auf eine Verbindlichkeit, nöthigen Falls mit Anwendung der zusagenden Betreibungsmittel zu derselben Erfüllung. " 3 4 9 Dies wird anhand des Beispiels der Brückenbaulast näher ausgefuhrt. 350 Im Folgenden setzt sich Sonnenfels mit dem Problem auseinander, dass das von ihm für die politischen Gesetze herangezogene „Kriterium des selbsteintretenden Amtes " auch auf „die Verrichtungen des adeligen Richteramtes und die Kriminalgesetze " zutrifft und wie deshalb diese von den politischen Gesetzen abzugrenzen seien. 351 Was das adelige Richteramt angeht, das „officium nobile judicis", so wird in den Augen Sonnenfels' durch dessen Selbsteintritt an sich schon der Begriff des Richters, als „ eines zwischen rechtenden Partheyen entscheidenden Beamten ", verletzt. 352 Im Übrigen wären bei „Verfassung der Gesetzbücher" die „Vorschriften und Vorkehrungen des sogenannten adeligen Richteramtes " mit den „ Vorschriften der bürgerlichen Rechtspflege " lediglich noch aus Gründen der Praktikabilität in eine allerdings auch „nur örtliche Verbindung" gebracht worden, während die „Kriminalgesetze " gleich völlig abgetrennt worden seien. 353 Die „Kriminalrechtspflege" ist nach Ansicht Sonnenfels' „unverkennbar noch ein Theil und gewisser Massen nur eine Ergänzung der Polizey, welche, als hohe Sicherheits-Anstalt, unbezweifelt in das Gebiet der politischen Gesetzgebung fällt. " 3 5 4 Die Abtrennung der Strafrechtspflege könne nur mit Blick auf deren entscheidende Bedeutung gerechtfertigt werden sowohl „für die Privatsicherheit /: um den in Verdacht verfallenen Schuldlosen nicht zu unverdienter Strafe zu verurtheilen : / " als auch „für die gemeinschaftliche Sicherheit /: um 348

Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 20 r. Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 20 ν. 350 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 20 ν - 21 v. 351 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 22 r, v. 352 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 23 r; ebd. in Anm. (*) möchte Sonnenfels folgende Begrifflichkeiten etablieren: „Für officium nobile judicis, das selbsteintretende Richteramt: Für officium mercenarium judicis, das angerufene Richteramt. " 353 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 23 ν, 24 r. 354 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 24 r. 349

I . Die Hofkommission unter

den wirklichen sen :/". 355

Verbrecher

der verdienten

a

157

Strafe nicht entgehen zu las-

Alles in allem wären die diesbezüglich auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten, wenn überhaupt, eher als „Anomalien der bürgerlichen, als der politischen Gesetze" zu bewerten. Im Übrigen könne man „bey den vielen Berührungspunkten, der politischen und bürgerlichen Geschäfte, bey den der zusagenderen Wirksamkeit wegen häufig in einander greifenden, und sich wechselseitig unterstützenden Vorkehrungen " Überschneidungen nicht gänzlich vermeiden. Aber allein im Hinblick auf „solche Lokalanomalien " ein „in den Haupttheilen wohl geordnetes System des Ganzen " zu verwerfen, sei unangebracht. Soweit an sich sachfremde Vorschriften eingeschaltet werden, müsse man vielmehr nur darauf achten, dass dies nach einem eingängigen und leicht nachvollziehbaren Zusammenhang geschehe.356 Damit leitet Sonnenfels zu der zweiten, eingangs aufgeworfenen Kardinalfrage über, nämlich: „Nach welcher Ordnung sollen die Gegenstände, die in die Sammlung aufzunehmen bestimmt wird, gereihet werden? " 357 Im Hinblick auf den „Plan der Zusammenstellung", der als „Umriß des Werkes selbst " dienen soll, zitiert er aus dem Protokoll vom 26. März 1791 fast wortwörtlich eine längere Passage, so dass auf die dazu bereits gemachten Ausführungen verwiesen werden kann. 358 Wie Sonnenfels ohne Scheu einräumt, habe er den „ Leitfaden " seines „Elementarwerkes der politischen Wissenschaften " auch diesem „ Umriß" zu Grunde gelegt. 359 Dies versucht er nun in einer über mehrere Seiten gehenden Anmerkung, die sich im Konzept noch im eigentlichen Text, allerdings weiter vorne befunden Selbstliebe" zu hatte, „gegen die Beschuldigung einer schriftstellerischen rechtfertigen. 360 Auf die im Zuge der 1727 an den Universitäten Halle und Frankfurt „eingeführten Polizey und Kammeralwissenschaften " erschienenen Werke von Gasser 361 und anderen wolle er erst gar nicht eingehen, denn in diesen „ Vöriese355

Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 24 r, v. Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 25 r, v. 357 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 26 r. 358 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 26 ν - 28 ν; Protokoll vom 26. März 1791 (Anhang Nr. 2), fol. 20 r - 21 ν; s.o., S. 57 f. 359 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 29 r; Osterloh (1970), S. 225. 360 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 29 ν - 32 ν Anm. (*)\ Konzept Sonnenfels' zum Beitrag, a.a.O., [fol. 6 r - 8 r]; s.o., S. 149 Fn. 310. 361 Gasser, Einleitung zu den Oeconomischen, Politischen und Cameralwissenschaften (1729); vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. I (1988), S. 375 Fn. 36 und 40. 356

158

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz I

büchern " ergehe man sich zwar „ über die beste Bereitung das Brauwesen

aber dort würde „niemand

ten Staatsverwaltung Die „Lehrsätze

suchen. der Politik"

(I.) des Kraftmehls,

über

die grossen Umrisse der gesamm-

" 362 von A c h e n w a l l 3 6 3 seien allenfalls „systematische

Aphorisme ", aber kein „Lehrgebäude

der Politik".

A u c h die „Institutiones

Po-

litiques " v o n B i e l f e l d 3 6 4 würden ihrem Titel nicht i m geringsten gerecht. So habe er lediglich die „Staatswirthschaft"

von Justi 3 6 5 wegen des ausgesprochenen

Reichtums an Materialien bei Antritt seines Lehramtes mit Gewinn verwenden können, obwohl „diesem rung mangelte

arbeitsammen

Schriftsteller

die Gabe der Konstrui-

". 366

A l s unter Maria Theresia an der Wiener Universität für ihn der Lehrstuhl der politischen Wissenschaften eingerichtet wurde, habe er festgestellt, „daß die österreichische Monarchie dem Lehrer ein unbeschränkteres Feld eröffnete, und ihn aufforderte, die Gegenstände der Staatsverwaltung im Grossen zu behandeln, wozu aber die vorhandenen Lehrbücher wenig geeignet waren. So sah ich mich gewisser Massen in die Nothwendigkeit versetzt, als Bedürfniß des erweiterten Gesichtskreises der politischen Wissenschaften die Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz zu entwerfen. " 367 Damit habe er auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet: „Ich bin nicht zuversichtlich genug, mir das Verdienst zuzueignen, daß meine Grundsätze die Aufmerksamkeit der Schriftsteller Deutschlands gewecket, und sie veranlaßt haben, in der politischen und ökonomischen Staatslehre einen höheren Schwung, bis zur Transzendentalen oder Metapolitik zu nehmen; doch weiset wenigstens die Chronologie mir vor denselben insgesammt eine Stelle an. " 368

362 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 29 v, 30 r Anm. (*); Osterloh (1970), S. 222 f. 363 Vgl. Achenwall, Abriß der neuesten Staatswissenschaft der vornehmsten Europäischen Reiche und Republicken zum Gebrauch in seinen Academischen Vorlesungen (1749); ders., Die Staatsklugheit nach ihren ersten Grundsätzen entworfen, 4. Aufl. (1779); vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. I (1988), S. 316 f. 364 Bielfeld, Lehrbegriff der Staatskunst, 2 Bde., dt. Übers. (1761). 365 Justi, Staatswirthschaft, 2 Bde., 2. Aufl. (1758); vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 (1988), S. 295 f., S. 376 Fn. 52, 379 ff.; Kleinheyer/Schröder (Hrsg.), Deutsche und Europäische Juristen (1996), Anhang, S. 486 f.; Ahl, Art. „Justi, Johann Heinrich Gottlob von (1717-1771)", in: Stolleis (Hrsg.), Juristen (2001), S. 340 f. 366 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 30 r, ν Anm. (*). 367 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 30 v, 31 r Anm. (V, Osterloh (1970), S. 223 Fn. 61. 368 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 31 r Anm. (*); Osterloh (1970), S. 223.

159

IV. Die Hofkommission unter Rottenhan

Aber allein deswegen habe er sich jetzt keineswegs für sein eigenes Werk entschieden. Vielmehr habe er bei anderen Autoren schlicht und einfach keine ansprechende Systematik vorgefunden. Zweifellos hätten etwa A c h e n w a l l , 3 6 9 Schlettwein, 3 7 0 Schlözer 3 7 1 und Schmalz 3 7 2 sehr fundierte Arbeiten geschaffen, während i h m die Natur „statt des nur höhern Fähigkeiten zugangbaren Tiefsinnes ihrer Werke, bey dem Meinigen das weniger glänzende, aber für Anwendung und Ausübung mehr benutzund einer zu der allgemeinen Faßlichkeit bare Talent der Leichtverständlichkeit herabsteigenden Darstellung gewähret hat, und auf diese bescheidene Gabe, die ich durch Nachsinnen und Übung auszubilden, nicht vernachlässiget habe, auf diese allein gründe ich die Vorwahl die ich meiner Analyse vor den oben erwähnten und zuverläßlich unter den Neuern vorzüglichsten systematischen Grundrissen Schlötzers und Schmalzens gebe ". 373 Diese Selbsteinschätzung untermauert Sonnenfels, indem er sich mit Schlözer und Schmalz noch eingehender auseinandersetzt. 374 I m Konzept hatte Sonnenfels die Vorzugswürdigkeit seines Systems des Weiteren noch durch einen Hinweis auf das schon mehrfach angesprochene Werk Kopetz' von der „österreichischen selbe ganz nach meinem Elementarwerke Anlage,

Gesetzkunde" bearbeitet,

begründet, „weil

das-

in Beziehung auf Plan und

mit diesem eines ist. " 3 7 5 Abschließend bringt Sonnenfels die Eigen-

werbung für seinen „ Umriß"

noch einmal auf den Punkt:

„Ich werde daher nicht sagen: Der von mir verfaßte Umriß sey der Beste, welcher zu einer politischen Sammlung verfaßt werden kann: Aber mit Zuversicht: der Beste, den ich zu verfassen, die Fähigkeit besitze. " Der „ Umriß" abtheilungen

selbst sei der Verwaltungspraxis entsprechend i n drei

" gegliedert: „ in die Staatspolizey

nach der umfassenderen

„HauptBedeu-

369

Zu Achenwall s.o., S. 158 Fn. 363. Schlettwein, Grundfeste der Staaten oder die politische Oekonomie (1779); ders. y Die Rechte der Menschheit oder der einzige wahre Grund aller Gesetze, Ordnungen und Verfassungen (1784); vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. I (1988), S. 384 Fn. 96; Gerteis, Kurzbiographie Johann August Schlettwein (1731-1802), in: Aufklärung 4/1 (1989), S. 105-107. 370

371

Zu Schlözer s.o., S. 148 Fn. 307. Zu Schmalz s.o., S. 148 Fn. 308. 373 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 31 ν Anm. (*)\ Osterloh (1970), S. 223. 374 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 32 r, ν Anm. (*). Vgl. Schlözer, Allgemeines Statsrecht und Statsverfassungslere (1793), §§ 5 f., S. 17 ff.; Schmalz, Annalen, Heft I (1794), S. 72-88, 74 unten, 76; vgl. hierzu Kraus ( 1999), S. 401 ff. 375 Konzept Sonnenfels' zum Beitrag (Anhang Nr. 16), [fol. 20 r] Anm. (:*:); Osterloh (1970), S. 225 i.V.m. S. 259 f. Vgl. Kopetz, Osterreichische politische Gesetzkunde, l . T h e i l / l . B d . (1807). 376 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 31 r, ν. 372

160

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

tung des Wortes, in die politische Handlungsleitung und die Finanz. " Die in dem Entwurf von 1791 noch vorgesehene Abteilung „Militare' 377 ist also weggefallen, da diesbezüglich der Hofkriegsrat an einer besonderen Sammlung arbeitete. 378 Diese „Hauptabtheilungen " wären dann systematisch weiter zu unterteilen „ bis zu den einzelnen Gegenständen hinab, insofern sie nach irgend einer Beziehung, Gegenstände der öffentlichen Leitung werden können: daß also dieser Umriß, indem er die Aufnahme der Gesetze auf die innere Staatsverwaltung einschränkt; zugleich auch die Gesetze und Vorkehrungen der inneren Staatsverwaltung vollkommen erschöpfet. " 379 Wie Sonnenfels anmerkt, habe er „den Urentwurf dieses ungefähr vor 30 Jahren verfaßten Umrisses aus Händen gegeben, ohne eine Abschrift davon zurückzubehalten", so dass er „auf bestimmte Bemerkungen über einzelne Rubriken nicht eingehen: jedoch im Allgemeinen " durchaus noch Ergänzungen und Modifikationen vornehmen könne. 380 Dies nimmt er zum Anlass, um in einem Exkurs auf einen bereits früher erstatteten Vortrag einzugehen, mit dem er den „Entwurf" für einen „Polizeykodex" vorgelegt habe. Denn schon damals habe er sich bemüht, „die Scheidungslinie der Polizey von andern Verwaltungszweigen auszuzeichnen, und dadurch den eigentlichen Wirkungskreis derselben zu bestimmen. " Weshalb er sich auch dort mit der Frage beschäftigen musste: „ Welcher Zweig der öffentlichen Vorkehrungen wird unter der Benennung Polizey bezeichnet? " 381 Nach diesem Exkurs kehrt Sonnenfels zum eigentlichen „nach der IdeenFolge dieses Systems geleiteten Umrisse" zurück. So habe sich der alte, „den damaligen Umständen der Zeit und Veranlassung zusagend verfaßte Entwurf des politischen Kodex" auf den „dispositiven Theil", das heißt die „Staatsverwaltung" beschränkt. Der „konstitutive Theil", das heißt die „Staatsverfassung", sei damals „als gänzlich ausser dem Gesichtskreise der Sammlung gestellet, betrachtet" worden, eine Einschätzung, die nun korrigiert wird: „Gleichwohl werden durch die konstitutiven Gesetze nicht weniger, als durch die dispositiven wichtige Rechte und Pflichten bestimmet, welche als Gegenstand des Genusses, und der Befolgung, gleich andern Gesetzen zur allgemeinen Kenntnisse gebracht werden müssen, die also in der Gesetzsammlung, zu welcher die Kommission sich beauftraget findet, nicht vermisset werden können, ... ". 382

377

s.o., S. 60 f. Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 32 r - 3 3 r; Osterloh (1970), S. 226 Fn. 67. 379 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 33 r. 380 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 33 ν. 381 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 33 ν - 35 r. 382 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 35 r, v; Osterloh (1970), S. 226. 378

I . Die Hofkommission unter

a

161

Denn der Kaiser habe der Kommission ja ausdrücklich den Auftrag erteilt, im Zusammenspiel mit dem bereits vorhandenen Straf- bzw. Zivilgesetzbuch für ein vollständiges System der Gesetzgebung zu sorgen. 383 Die systematische Stellung der „konstitutiven Gesetze" in der Sammlung ergebe sich gewissermaßen schon aus der „Natur der Sache": „ Wie zuerst die Staatsverfassung geordnet seyn muß, bevor die Staatsverwaltung thätig werden, und wirken kann, so muß in einem vollständigen politischen Gesetzbuche der konstitutive Theil vor dem dispositiven hergehen^ und gleichsam den Prodromus oder den Einleitungstheil desselben ausmachen. "

Wie sich Sonnenfels den Aufbau dieser Einleitung vorstellt, umreißt er daraufhin in einer „Skizze". 3* 5 Darin geht es zunächst um die Grundlegung der gesetzgebenden Gewalt. Ausgehend von der „obersten Staatsgewalt" in den Händen des „Monarchen" wird „Österreichs Monarchie" als „unbeschränkt" definiert, so dass alle Gesetze aus dieser „Machtvollkommenheit der obersten Gewalt" abgeleitet seien. Anschließend wird auf die „Form" und die verschiedenen Arten der Gesetze eingegangen: „Allgemeine Gesetze„Provinzialgesetze'\ „Zeitgesetze" und ,, Vorkehrungen". Ausdrücklich wird betont, dass sich die „Macht" des Monarchen, durch Gesetze und Vorkehrungen für die allgemeine Wohlfahrt zu sorgen, auf alle Provinzen und Einwohner der Monarchie erstreckt. 386 In den nun folgenden Bemerkungen über die „Einwohner" wird der Begriff „Unterthan als Ausdruck der Pflichten" gegenüber der obersten Gewalt verwendet und festgestellt, dass „alle Unterthanen" die „gleichen Pflichten" haben, denn: „Der Inbegriff aller Unterthanspflichten ist volle Unterwerfung unter die Gesetze nach Umfang und Zeit. " 3 8 7 Weiter wird für alle ständigen Einwohner der Begriff „Staatsbürger" eingeführt, der allen „g[ ] Rechte zu allen Würden, [ ]tern nach Maß ihrer F[ ]keit" vermittelt. 388 Da alle Staatsbürger 383

Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 35 ν. Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 36 r; Osterloh (1970), S. 226. 385 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 36 r - 44 v. 386 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 36 r - 37 v. 387 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 38 r. 388 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 38 ν. Vgl. dazu den noch an Leopold II. gerichteten „ Vorschlag des Hofr. Sonnenfels um die Chargen aller per Concursutn zu vergeben HHStA, Vertrauliche Akten, Karton 41 (alt 62), N° 17, fol. 364 - 373 mit dem „Entwurf eines Kabinetschreibens als ein Nachtrag zu der über die Dienstbesetzungen ergangenen Verordnung vom 7 ten May dieses Jahresebd., fol. 365 ν, 366 r: „... daß künftig bey Diensterledigungen, jedermann ohne Unterschied sich darum zu bewerben, und von seinen Fähigkeiten Beweise zu geben, Gelegenheit an Hand gelassen; den Amtswerbern jeder Seitenweg, sich einzudringen, oder einzuschleichen 384

II Wagner

162

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

freie, nur den Gesetzen unterworfene Menschen seien, existiere „keine Leibeigenschaft". Es folgt die Regelung von Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft. Dabei bringt Sonnenfels in einer Anmerkung noch einmal seine Auffassung zum Ausdruck, dass entsprechende Vorschriften hierher und nicht in ein bürgerliches Gesetzbuch gehörten. 389 Anschließend wird auf das „ Verhältniß nach Korporationen " und deren Begriff eingegangen, nämlich öffentliche Korporationen wie „Orden" und „Landes-Stände" zum einen und „Privatkorporationen" zum anderen. 390 Von oben nach unten werden die verschiedenen Klassen der Staatsbürger aufgeführt, wozu auch die Angehörigen des Kaiserhauses selbst gezählt werden, denn: „Diese Klasse ist zwar über andere Klassen erhoben: aber von der Höhe des Regenten betrachtet, gehört sie in die Klasse der Staatsbürger und Unterthanen. " Es folgen der „Geburts-Adelder „mit keinem bürgerlichen Vorrecht verbunden" ist, der „Dienst-Adel", der „Gewerbsstand" und schließlich das „Landvolk". 391 Das „ Verhältniß nach dem Wohnorte" führt zu einer weiteren Unterscheidung in „Unmittelbare Bürger - oder Bürger" einerseits und „Mittelbare Bürger" wie „Freysassen ", „ Grundsassen " und „ Grundholden " andererseits. 392 Sonnenfels hält also auch hier an einer ständischen Gliederung der Gesellschaft fest, die in seinen Augen aber sehr wohl mit der Gleichheit vor dem Gesetz zu vereinbaren ist - eine Auffassung, die er bereits 1796 in der Revisionshofkommission vertreten hatte. 393 Die Ausführung der Gesetze habe die „oberste Staatsgewalt" den vollstreckenden Behörden übertragen, die nun ihrer Hierarchie entsprechend von der vereinigten Hofkanzlei über die Landesstellen bis hin zu den örtlichen Be-

benommen, der Partheylichkeit bey den Vorschlägen, bey den Entschliessungen der Überraschung nicht Platz gelassen ... werde. ... l tens: daß von nun an die öffentlichen Bedienungen nicht anders als durch Konkurs vergeben werden sollen. ..." Adelige Abstammung sollte nur noch ein allerletztes Kriterium bei absolut gleicher Qualifikation von Bewerbern für Spitzenpositionen darstellen, ebd., fol. 370 ν, 371 r: „ 14tens: ... Auf Geburt soll also nur bey übrigens ganz gleichen Eigenschaften, und vorzüglich nur bey höheren Bedienungen zurückgesehen werden. ..." Zur Einstellung Sonnenfels' gegenüber dem Adel vgl. Kann, Kanzel und Katheder (1962), S. 172; Reinalter, Sonnenfels als Gesellschaftstheoretiker, Sammelband Sonnenfels (1988), S. 146. 389 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 38 ν, 39 r. 390 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 39 r, v. 391 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 40 r - 41 r. 392 Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 41 r, v. 393 Gegenentwurf 3. Hauptstück §§ 3 und 4 (s.o., S. 106 Fn. 76 bzw. S. 107 Fn. 81).

IV. Die Hofkommission unter Rottenhan

163

hörden aufgeführt werden. An dieser Stelle sollen die Vorschriften über das „ Verfahren in politischen Angelegenheiten " ebenfalls ihren Platz finden. 394 Abschließend verwahrt sich Sonnenfels gegen den Vorwurf, sich mit diesem Beitrag insgesamt „ mehr der didaktischen als gesetzgeberischen Form " angenähert (lit. a) bzw. sich auf das „ Gebiet der Staatenkunde " begeben zu haben (lit.b). 3 9 5

4. Der „Vorläufige Plan zur Bearbeitung eines politischen Kodex für die deutschen Erbländer" vom Dezember 1808 Diesem Aufbau entsprechend ist der „ Vorläufige Plan zur Bearbeitung eines politischen Kodex für die deutschen Erbländer " vom Dezember 1808 gegliedert. 396 In den einführenden Bemerkungen wird noch einmal darauf hingewiesen, dass alle Justiz- und Militärgesetze von diesem Kodex ausgeschlossen sind. 397 Der politische Kodex zerfalle systematisch in „zwey Haupttheile ", die Staatsverfassung und die Staatsverwaltung, der „zweyte Theil" wiederum in „zwey Unterabtheilungen nämlich in „ Verwaltungsbehörden (Stellen und Beamten) " und in „ Verwaltungsangelegenheiten " , 3 9 8 Der Aufbau der zweiten Unterabteilung über Verwaltungsangelegenheiten entspreche sowohl „den neuesten Systemen der inneren Staats-Politik" wie etwa im II. Theil der Staatslehre von Pölitz 3 9 9 als auch dem älteren System Sonnenfels' und somit insbesondere dem daran ausgerichteten „Leitfaden der politischen Gesetzkunde" von Kopetz. 400 Für die Beibehaltung des System Sonnenfels' seien insoweit drei Gründe ins Feld zu führen. Zum ersten sei die Verwaltungspraxis an dieses System bereits gewöhnt, zum zweiten orientiere sich auch die Ausbildung an ihm und zum dritten könne das Werk Kopetz' künftig noch weiter verwendet werden. 401 Der eigentliche Plan spiegelt die dargestellte Gliederung wider. Der „Erste Teil" über die Staatsverfassung behandelt die Rechte des Monarchen und seiner

394

Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 41 ν - 43 r. Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 43 r - 44 v. 396 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, Dezember 1808, fol. 1 r - 25 ν, abgedruckt im Anhang Nr. 17; vgl. Osterloh (1970), S. 225 f. 397 Vorläufiger Plan vom Dezember 1808 (Anhang Nr. 17), fol. 1 r - 2 r. 398 Vorläufiger Plan vom Dezember 1808 (Anhang Nr. 17), fol. 2 ν, 3 r. 399 Pölitz, Die Staatslehre für denkende Geschäftsmänner, Kammeralisten und gebildete Leser, II. Theil (1808). 400 Vorläufiger Plan vom Dezember 1808 (Anhang Nr. 17), fol. 3 ν, 4 r; vgl. Osterloh (1970), S. 259. 401 Vorläufiger Plan vom Dezember 1808 (Anhang Nr. 17), fol. 4 ν, 5 r. 395

1*

164

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Familie (Erste Abteilung) sowie die politischen Rechte der Untertanen (Zweite Abteilung). 402 Der „Zweite Teil" über die Staatsverwaltung beschäftigt sich in seinem Ersten Buch mit den Verwaltungsbehörden, nämlich den politischen Behörden (Erste Abteilung) und den politischen Beamten (Zweite Abteilung). 403 Das Zweite Buch über die Verwaltungsangelegenheiten orientiert sich an den „Grundsätzen" Sonnenfels' über die „Polizey" (Erste Abteilung), 404 „Handlung" (Zweite Abteilung, Erster Abschnitt) 405 und „Finanz" (Zweite Abteilung, Zweiter Abschnitt), 406 wie dies bereits der Plan von 1791 getan hatte. 407

5. Der Vortrag Rottenhans vom 9. Dezember 1808 Unter Bezugnahme auf die über seinen letzten Vortrag ergangene Resolution, in der damals die Ernennung von Professor Kopetz zum Referenten abgelehnt worden war, 408 schlug Rottenhan mit Vortrag vom 9. Dezember 1808 den Hofsekretär Dorfner von der Hofkammer und Professor Zizius von der Theresianischen Ritterakademie als Referenten vor. 4 0 9 Der Kaiser ordnete am 5. Januar 1809 jedoch an, zu dieser Frage eine „GremialBerathung der Hofkommission zu veranstalten " und erst dann wieder vorstellig zu werden. 410

6. Das weitere Geschehen nach dem Tode Rottenhans Auf den Tod Rottenhans am 14. Februar 1809 411 hin erging durch kaiserliches Handschreiben vom 23. Februar 1809 an den Obersten Kanzler Graf 402

Vorläufiger Plan vom Dezember 1808 (Anhang Nr. 17), fol. 5 ν; Osterloh (1970), S. 225 Fn. 66. 403 Vorläufiger Plan vom Dezember 1808 (Anhang Nr. 17), fol. 5 ν - 8 v. 404 Vorläufiger Plan vom Dezember 1808 (Anhang Nr. 17), fol. 9 r - 14 v. 405 Vorläufiger Plan vom Dezember 1808 (Anhang Nr. 17), fol. 14 ν - 23 v. 406 Vorläufiger Plan vom Dezember 1808 (Anhang Nr. 17), fol. 23 ν - 25 v. 407 Vgl. ferner die Synopse, s.u. S. 219 ff. 408 s.o., S. 144 Fn. 278. 409 AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, Dezember 1808, fol. 3 r, v, abgedruckt im Anhang Nr. 18. 4.0 AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, Dezember 1808, fol. 3 ν, linke Sp., abgedruckt im Anhang Nr. 18; HHStA, StR-Prot. 1808/1V (lfd. Bd. 208), 4569 ex 1808, „ Vortrag des Präsidenten der O: Justizstelle vom 9* € η Dezember 1808 - Wegen Aufstellung zwei Referenten bei der Normalien Hofltoon ". 4.1 Wurzbach (Hrsg.), Bd. 27 (1874), S. 162; Maasburg,, Geschichte der OJSt (1891), S. 79. Osterloh (1970), S. 226 f. datiert den Tod Rottenhans auf den „Januar des Jahres 1809".

IV. Die Hofkommission unter Rottenhan

165

Ugarte der Auftrag, dass die Hofkommission unter der kommissarischen Leitung ihres Vizepräsidenten Sonnenfels ihre Tätigkeit aufnehmen sollte, bis ein neuer Präsident ernannt werden würde. 412 Daraufhin trat die Hofkommission ausweislich des Protokolls 28. Februar 1809 zu ihrer ersten Sitzung zusammen.413

vom

Dieses Protokoll schildert eingangs noch einmal kurz die Einsetzung der jetzigen Kommission: Mit Kabinettschreiben vom 2. März 1808 sei das bis dahin durch Baldacci besorgte Geschäft auf Rottenhan übertragen worden. Die personellen und organisatorischen Vorschläge, die dieser daraufhin in seinem Vortrage vom 29. März 1808 gemacht habe, seien durch die kaiserliche Resolution vom 23. August 1808 weitgehend genehmigt worden. Lediglich anstelle des „zum Vizepräsidenten bey dem Inner-Österreichischen Landesgubernium beförderten " Freiherrn v. Hingenau und des nach Prag berufenen Professor Kopetz müssten noch andere Beisitzer vorgeschlagen werden. Was die vom Kaiser genehmigte Verwendung eines in Maut- und Gefällssachen bewanderten Rates anginge, so sei inzwischen durch Präsidialnote des Hofkammerpräsidenten Grafen v. Zichy der Hofrat v. Breinl abgestellt worden. 414 Durch das Verscheiden Rottenhans habe die Hofkommission aber ihre Tätigkeit nicht aufgenommen, so dass der Oberste Kanzler Graf Ugarte durch kaiserliches Handschreiben vom 23. Februar 1809 damit beauftragt worden sei, die dazu nötigen Schritte zu veranlassen. 415 In Befolgung dieses Auftrags eröffnete Ugarte die Sitzung, indem er zunächst den Wortlaut des angesprochenen kaiserlichen Handschreibens vom 23. Februar 1809 verlas, um anschließend den Mitgliedern der Kommission, vor allem aber dem Vizepräsidenten Sonnenfels seinen Respekt und sein besonderes Vertrauen in ihre Fähigkeiten auszusprechen.416 Nachdem sich Sonnenfels daraufhin für dieses Vertrauen bedankt hatte, gedachte er des verstorbenen Präsidenten der Hofkommission, Graf Rottenhan, in welchem „der Thron und Fürst einen [...] innigst ergebenen Unter[]nen, die öffentlichen Geschäfte einen der einsichtsvollesten Staatsmänner, der bescheidene, und darum

412 AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, Februar 1809, fol. 12 r, abgedruckt im Anhang Nr. 19; eine Abschrift, ebd., fol. 18 r; HHStA, StR-Prot. 1809/1 (lfd. Bd. 210), 590 ex 1809, „A: Handbillet an den ob: Kanzler vom 23te" Horn: 1809"; vgl. Exel (1875), S. 8. 413 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, Februar 1809, fol. 1 r - 7 ν, abgedruckt im Anhang Nr. 20. 414 Protokoll vom 28. Februar 1809 (Anhang Nr. 20), fol. 2 r - 3 r; Osterloh (1970), S. 221 Fn. 57. 415 Protokoll vom 28. Februar 1809 (Anhang Nr. 20), fol. 3 r. 4,6 Protokoll vom 28. Februar 1809 (Anhang Nr. 20), fol. 3 ν - 4 v.

166

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

meistens nicht gekannte Verdienst einen unaufgeforderten Wortführer, alles Nützliche, alles Gute einen warmen Beförderer, Rechtlichkeit und Tugend ein Beyspiel, und, wenn nach so vielen Titeln auf die allgemeine Hochachtung, noch der Privatdankbarkeit etwas hinzuzusetzen vergönnet ist, in welchem ich einen Beschützer, warum soll ich meinem Herzen eine Benennung versagen, womit mich der Selige so oft beehrte, in welchem ich einen liebvollen Freund verloren habe. " 417

Dies verdeutlicht einmal mehr das enge, geradezu freundschaftliche Verhältnis, das zwischen Sonnenfels und Rottenhan bestanden hatte. Für Sonnenfels ist Wohlthäters" Ver„ das mir ewig theure Andenken meines freundschaftlichen pflichtung und Ansporn, die Arbeiten im Sinne des Verstorbenen fortzuführen. 418 Dies könne er aber nicht allein erreichen, sondern nur gemeinsam mit den anderen Mitgliedern. Daneben bedürfe die Kommission aber auch der besonderen Fürsprache des Obersten Kanzlers Graf Ugarte. 419 Nachdem Ugarte an dieser Stelle die Sitzung verlassen hatte, wurde nur noch die Frage behandelt, auf welche Weise die Errichtung dieser Hofkommission in den Zeitungen publiziert werden sollte. Im Übrigen wurden die Beratungen auf den 13. März 1809 vertagt. 420 Von der nächsten Sitzung unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten Sonnenfels am 13. März 1809 findet sich zwar kein Protokoll in den Kommissionsakten, sie ist aber durch eine spätere Bezugnahme im Vortrag Choteks vom 25. März 1809 belegt und kann in groben Umrissen skizziert werden. 421

V. Die Hofkommission unter Chotek 1. Der Vortrag Choteks vom 25. März 1809 Der neu ernannte Präsident der Hofkommission Graf Chotek 422 unterbreitete mit Vortrag vom 25. März 1809 neue Vorschläge hinsichtlich der personellen Besetzung und der finanziellen Ausstattung der Kommission. 423 Was die beiden noch offenen Referentenstellen betreffe, so habe der frühere Präsident der Hofkommission Graf Rottenhan mit Vortrag vom 9. Dezember 417

Protokoll vom 28. Februar 1809 (Anhang Nr. 20), fol. 4 ν, 5 r. Protokoll vom 28. Februar 1809 (Anhang Nr. 20), fol. 5 ν. 4,9 Protokoll vom 28. Februar 1809 (Anhang Nr. 20), fol. 6 r, v. 420 Protokoll vom 28. Februar 1809 (Anhang Nr. 20), fol. 7 r, v. 421 s.u., S. 167 Fn. 427. 422 Exel (1875), S. 8; Adler, FS ABGB, Teil I (1911), S. 144 Fn. 108; Osterloh (1970), S. 227. Zu Johann Rudolph Graf v. Chotek (1749-1824) vgl. Wurzbach (Hrsg.), Bd. 2 (1857), S. 362 f.; ÖBL, Bd. I (1957), S. 146 m.w.N. 423 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, Dezember 1809, fol. „13" r - „18" r, abgedruckt im Anhang Nr. 21. 418

. Die Hofkommission unter

167

1808 für die eine statt des nicht ernannten Professors Kopetz den Professor Zizius und für die andere den Sekretär Dorfner von der Hofkammer vorgeschlagen. 424 Die entsprechende kaiserliche Resolution habe daraufhin allerdings angeordnet, dass diese Frage erst noch von der gesamten Kommission beraten werden solle. 425 Dies sei inzwischen in der Sitzung vom 13. März 1809 unter der Leitung des Vizepräsidenten Sonnenfels geschehen.426 Dabei sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass von einer Ernennung des Professors Zizius abzuraten sei, da ihm ungeachtet seiner theoretischen Kenntnisse die erforderliche praktische Erfahrung fehle und er überdies mit der Betreuung von zwei Lehrstühlen ohnehin zeitlich voll ausgelastet sei. Der stattdessen vom Vizepräsidenten Sonnenfels vorgeschlagene Hofkonzipist Mesmer von der Hofkammer brächte dagegen alle notwendigen Kenntnisse mit, so dass die Kommission ihn und den Hofsekretär Dorfner für bestens geeignet halte. 427 Als Präsident befürworte er daher deren Verwendung „als Referenten oder eigentlich als Rédacteurs" mit besonderem Nachdruck. Allerdings sei daneben noch die Anstellung eines weiteren „dritten Mitarbeiters" notwendig. Denn obgleich der Vizepräsident Sonnenfels angeboten habe, selbst einen Teil der Redaktion zu übernehmen, sei „ es dermahlen, und zwar noch durch eine geraume Zeit, mehr an der Vorarbeitung der Materialien als an der Zahl der consultirenden Mitglieder gelegen " . 4 2 8 Man war sich also der ausschlaggebenden Bedeutung der noch zu bewältigenden Vorarbeiten durchaus bewusst. In Befolgung der (auf den Vortrag vom 29. März 1808 ergangenen) kaiserlichen Resolution vom 23. August 1808 429 schlägt Chotek anstelle des nach Graz beförderten Freiherrn v. Hingenau den Hofsekretär Debrois als Beisitzer vor. 4 3 0 Um nicht in das Ressort und die Kompetenzen des Hofkriegsrats einzugreifen, hält er es ferner für wünschenswert, dass Hofrat v. Ockel vom Hofkriegsrat als Beisitzer für die einschlägigen Beratungen dieser Hofkommission abgestellt werde, da sich diese Vorgehensweise bei der Hofkommission in Gesetzsachen bereits bewährt habe. 431 Für die Betreuung des schon vorhandenen, insbesondere unter Baldacci gesammelten Materials und die Erledigung der in der Registratur anfallenden Ar424 425 426 427 428 429 430 431

s.o., S. 164. Vortrag Choteks vom 25. März s.o., S. 166 Fn. 421. Vortrag Choteks vom 25. März Vortrag Choteks vom 25. März s.o., S. 144 Fn. 278. Vortrag Choteks vom 25. März Vortrag Choteks vom 25. März

1809 (Anhang Nr. 21), lit. a), fol.„13" r, v. 1809 (Anhang Nr. 21), lit. a), fol.„13" ν - „14" v. 1809 (Anhang Nr. 21), lit. a), fol.„14" v, „15" r. 1809 (Anhang Nr. 21), lit. b), fol.„15" r, v. 1809 (Anhang Nr. 21), lit. c), fol.„15" V.

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D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

beiten möchte Chotek den Registratursadjunkten Paschinger von der Hofkanzley verwenden, für die Verrichtung der Schreibarbeiten zwei oder drei Tagschreiber. 432 Daneben bittet Chotek um die Bewilligung kleinerer Zulagen zur Motivation der subalternen Beamten, wie den „Rathsthürhütter" und den „Hausknecht", 433 Ferner benötige die Hofkommission natürlich alle einschlägigen Werke im Hinblick auf in- und ausländische Gesetzsammlungen. Die entsprechenden Anschaffungskosten sowie der Bedarf an Schreibmaterial sollten durch einen jährlichen Betrag von 600 fl. abgedeckt werden. 434 Da der Hofkommission derzeit im Gebäude der Hofkanzlei nur ein einziger Raum zur Verfugung stünde, den sie als Registratur nutze, komme man kaum umhin, noch anderweitig ein Arbeitszimmer zu beschaffen. So habe der Vizepräsident Sonnenfels zu diesem Zwecke der Hofkommission ein Zimmer in seiner Privatwohnung angeboten, wofür er nur den Ersatz seiner Unkosten verlangen würde. Der dadurch bedingte Aufwand von 300 fl. erscheine daher mehr als vertretbar. 435 Zu guter Letzt stellt Chotek fest, dass die derzeit geführte Bezeichnung „Normalien-Hofcommission" unglücklich gewählt sei, da sie „eine zu umfassende Bedeutung anbiethet, und auch die Militar- und gerichtlichen Gegenstände, welche jedoch dieser Hofcommission nicht zugewiesen sind, in sich begreift". Es sei daher angeraten künftig die Benennung „Hofcommission in politischen Gesetzsachen " zu führen, um sich eindeutig und unmissverständlich von der „in gerichtlichen Sachen aufgestellten Hofcommission" zu unterscheiden. 436 Die kaiserliche Resolution vom 26. Dezember 1809 beschränkte sich auf die Weisung, dass hierauf noch einmal „die nöthige Rücksicht genommen " werden solle. 437

2. Der Vortrag Sonnenfels 9 vom 3. Januar 1810 Die Hofkommission trat daraufhin am 3. Januar 1810 zu ihrer nächsten Sitzung zusammen, bei der Ley das Referat führte. 438 Die aufgeworfenen organi432

Vortrag Choteks vom 25. März 1809 (Anhang Nr. 21), lit. d), fol. „16" r. Vortrag Choteks vom 25. März 1809 (Anhang Nr. 21), lit. e), fol. „16" r, v. 434 Vortrag Choteks vom 25. März 1809 (Anhang Nr. 21), lit. f), fol. „16" ν, „17" r. 435 Vortrag Choteks vom 25. März 1809 (Anhang Nr. 21), lit. g), fol. „17" r, v. 436 Vortrag Choteks vom 25. März 1809 (Anhang Nr. 21), lit. h), fol. „17" ν, „18" r. 437 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 310, Dezember 1809, fol. „18" r, linke Sp., abgedruckt im Anhang Nr. 21. 438 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 la, 3. Januar 1810, fol. 23 r - 42 r. Vom Abdruck dieses Protokolls im Anhang wurde abgesehen, da es innerhalb der Kommission 433

. Die Hofkommission unter

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satorischen Fragen wurden in neun Gliederungspunkten zusammengefasst und abgehandelt. Das entsprechende Ergebnis dieser Beratungen konnte Sonnenfels mit Vortrag vom 3. Januar 1810 dem Kaiser mitteilen. 439 Was die Zahl und Person der Redakteure angeht, so sei fur die erste Stelle bereits Professor Egger bestimmt und fur die zweite der Hofsekretär Dorfner vorgeschlagen worden. 440 Hinsichtlich der dritten Stelle habe man zwar zwischenzeitlich den Hofkonzipist Mesmer favorisiert, doch halte man nun doch wieder Professor Zizius angesichts seiner wissenschaftlichen Qualifikation für die bessere Wahl. 4 4 1 Im Übrigen werde die Stellenbezeichnung als „Redacteur ohne Zusatz " einerseits den tatsächlichen Anforderungen nicht gerecht; da andererseits die Bezeichnung „Referent" wiederum einer höheren Dienststellung vorbehalten sei, halte man die Bezeichnung „ referir ender Redacteur" für angemessen.442 Schließlich befürwortet die Kommission einstimmig die Ernennung Professor Eggers zum niederösterreichischen Regierungsrat. 443 Die Stelle des verstorbenen Beisitzers Pitreich müsse nach einhelliger Ansicht eigentlich überhaupt nicht mehr nachbesetzt werden, da der Kommission ja immer noch zwei Beisitzer von Seiten der Obersten Justizstelle angehören würden. Sollte gleichwohl ein dritter Beisitzer dieser Stelle für notwendig erachtet werden, so schlage man hierfür Freiherrn v. Werner vor. 4 4 4 Ebenso einstimmig wird die Ernennung des Hofsekretärs Debrois zum Beisitzer als Nachfolger des nach Graz beförderten Hingenau unterstützt. 445 Auch die Einbindung des Hofkriegsrats durch die Abstellung des Hofrats v. Ockel als Beisitzer dieser Kommission wird einhellig befürwortet. 446 Während Vizepräsident Sonnenfels darüber hinaus erreichen möchte, dass auch umgekehrt bei der Sammlung der

bezüglich der neun Gliederungspunkte keine nennenswerten Differenzen gab. So wurde dieses Protokoll stilistisch leicht modifiziert, aber inhaltlich unverändert zur Grundlage des Vortrags vom 3. Januar 1810. Das vom 2. Januar 1810 datierende Konzept mit dem Ley sein Referat für diese Sitzung vorbereitet hatte, befindet sich ebd., fol. 54 r - 61 r; auf den Abdruck im Anhang wurde aus den gleichen Gründen ebenfalls verzichtet. 439 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 la, 15. April 1810, fol. 198 r - 2 0 9 r, abgedruckt im Anhang Nr. 22. 440 Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. I., fol. 199 r, v. 441 Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. I., fol. 199 ν, 200 r. 442 Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. I., fol. 200 ν. 443 Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. L, fol. 201 r, v. 444 Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. I I , fol. 201 ν, 202 r. 445 Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. I I I , fol. 202 ν. 446 Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. I V , fol. 202 ν 203 v.

170

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Militärgesetze ein ständiger Beisitzer aus seiner Kommission hinzugezogen wird, halten dies die Beisitzer nicht flir erforderlich. 447 Zur Besorgung der Registratur und der Schreibarbeiten wird die vorgeschlagene Verwendung des Registratursadjunkten Paschinger von der Kommission nachdrücklich befürwortet. Was die Zahl der Tagschreiber angeht, glaubt man statt mit zwei oder drei einstweilen mit einem auskommen zu können, jedoch mit dem Vorbehalt, dass bei Bedarf jederzeit ein zweiter herangezogen werden kann. 448 Die Kommission betont einhellig die Notwendigkeit der von Chotek beantragten finanziellen Mittel zur Bestreitung der Zulagen und Belohnungen449 sowie zur Beschaffung der in- und ausländischen Gesetzsammlungen450. Auch die Anmietung eines Arbeitszimmers in der Wohnung Sonnenfels' wird mit Hinweis auf den akuten Raumbedarf der Kommission und das Alter des Vizepräsidenten befürwortet. 451 Schließlich unterstützen alle Mitglieder der Kommission den Antrag, diese in „Hofcommission in politischen Gesetzsachen" umzubenennen, damit sie sich besser von der „ in gerichtlichen Sachen aufgestellten Hofcommission " absetzen könne. 452 Die kaiserliche Resolution vom 12. April 1810 beendete das Hin und Her bezüglich der dritten Redakteursstelle, indem der Hofkonzipist Mesmer zu einem weiteren, „vierten referirenden Redacteur" der Kommission ernannt wurde. Ferner wurde angeordnet, dass die Stelle des verstorbenen Beisitzers Pitreich nicht neu zu besetzen sei. Die beantragten finanziellen Mittel wurden bewilligt. Hinsichtlich ihres künftigen Namens wurde der Hofkommission aufgegeben, sich diesbezüglich erst mit der „ in Gesetzsachen aufgestellten Hofkommission " in Verbindung zu setzen und dann wieder vorstellig zu werden. Alle übrigen Anträge der Kommission wurden ohne Einschränkung genehmigt und Goutta zu ihrem Sekretär ernannt. 453

447

Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. IV., fol. 203 ν -

205 v. 448

Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. V., fol. 205 ν,

205a r. 449

Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. VI., fol. 205a v,

206 r. 450 451

Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. VII., fol. 206 r, v. Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. VIII., fol. 206 ν -

209 r. 452

Vortrag Sonnenfels' vom 3. Januar 1810 (Anhang Nr. 22), Ziff. IX., fol. 209 r. A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 la, 15. April 1810, fol. 208 ν - 209 r, linke Sp., abgedruckt im Anhang Nr. 22. 453

. Die Hofkommission unter

171

In Umsetzung dieser Resolution entspann sich ein Notenwechsel zwischen Chotek und den betroffenen Hofstellen, wodurch insbesondere den Redakteuren der Zugang zu den betreffenden Registraturen ermöglicht wurde. 454

3. Die weiteren Vorträge Choteks Mit Vortrag vom 23. April 1810 äußerte Chotek die Befürchtung, dass der Hofsekretär Dorfner und der Hofkonzipist Mesmer wegen ihrer neuen Verwendung als referierende Redakteure der Kommission bei ihrer angestammten Stelle, der Hofkammer, Nachteile hinsichtlich ihres Fortkommens erleiden könnten. Sie würden daher eigentlich nur ungern von ihrem dortigen Dienst gänzlich entbunden werden. Die dadurch bedingte Doppelbelastung rechtfertige eine jährliche Zulage, für die sich Chotek nachdrücklich einsetzte, um diese beiden Redakteure zu motivieren. 455 Dies zeigt, dass der Dienst bei dieser Hofkommission für Beamte der Hofstellen nicht unbedingt attraktiv war, sondern eher als Karrierehindernis empfunden wurde, dem man sich nach Möglichkeit wohl lieber entziehen wollte. Die kaiserliche Resolution vom 19. März 1811 lehnte die Gewährung einer Zulage zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab und stellte eine angemessene Belohnung erst nach geleisteter Arbeit in Aussicht. 456 Dass die Bewilligung der Zulagen also von dem Erbringen erster Resultate abhängig gemacht wurde, ist um so besser nachzuvollziehen, wenn man bedenkt, dass die Hofkommission bislang fast ausschließlich mit organisatorischen Fragen beim Kaiser vorstellig geworden war und noch keine greifbaren Ergebnisse geliefert hatte. Mit Note vom 30. April 1810 hatte die Hofkommission in Gesetzsachen geantwortet, „ daß sie es angemessenfinde, statt der bisher geführten generellen 454 Vgl. die Konzepte der Noten Choteks vom 15. April 1810 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 311a, 15. April 1810, fol. 197 r, ν und 211 r - 212 v; die entsprechenden Antworten der Hofkammer vom 22. April, a.a.O., 22. April 1810, fol. 215 r, ν bzw. der Hofkanzlei vom 23. April 1810, a.a.O., 23. April 1810, fol. 219 r sowie des Grafen Roling vom 3. Mai 1810, a.a.O., 3. Mai 1810, fol. 236 r, v. Vgl. weiter die Note Choteks vom 24. April 1810 in Reinschrift, a.a.O., 1. Mai 1810, fol. 418 r - 419 r sowie als Konzept, a.a.O., 24. April 1810, fol. 223 r, ν und 226 r; die entsprechende Antwort der Hofkanzlei vom 1. Mai 1810, a.a.O., 1. Mai 1810, fol. 229 r bzw. des Grafen Roling vom 3. Mai 1810, a.a.O., 3. Mai 1810, fol. 233 r. Vgl. schließlich die Konzepte bezüglich der Anstellung der Tagschreiber Nick v. Nickenfeld und Claudius Fino, a.a.O., 5. Mai 1810, fol. 240 r sowie Leopold Filippi, a.a.O., 15. Mai 1810, fol. 248 r. 455 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 311a, 23. April 1811, fol. 411 r, v, abgedruckt im Anhang Nr. 23. 456 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 la, 23. April 1811, fol. 411 ν, linke Sp, abgedruckt im Anhang Nr. 23.

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D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Benennung einer Hofcommission in Gesetzsachen die bestimmtere Benennung der Hofcommission in Justizgesetzsachen zu führen. ,AS1 Daraufhin konnte Chotek hinsichtlich der Frage der Benennung der beiden Kommissionen mit Vortrag vom 8. Mai 1810 wieder vorstellig werden. 458 Die kaiserliche Resolution vom 11. Juni 1810 entsprach dem Ansinnen der beiden Hofkommissionen, so dass die bisherige „Hofkommission in Gesetzsachen" künftig die Bezeichnung „Hofkommission in Justizgesetzsachen" und die bisherige „NormalienKompilations-Hofkommission" dagegen nun die Bezeichnung „Hofkommission in politischen Gesetzsachen" zu fuhren hatte. 459 Hierüber unterrichtete Sonnenfels die „Hofkommission in Justizgesetzsachen" am 18. Juni 1810. 460 In seinem nächsten Vortrag vom 24. Juni 1810 machte sich Chotek dafür stark, den ehemaligen Konzeptspraktikanten Zeidler auf dessen Ansuchen hin als zweiten Aktuar bei der Hofkommission anzustellen, nachdem dieser vom Vizepräsidenten Sonnenfels beste Referenzen erhalten hatte. 461 Die Resolution vom 19. Oktober 1810 hielt aber die Beschäftigung eines zweiten Aktuars im Moment noch nicht für erforderlich. 462

457

A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 311a, 25. Juni 1811, fol. 338 r. A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 la, 25. Juni 1810, fol. 337 r, abgedruckt im Anhang Nr. 24. 459 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 311a, 25. Juni 1810, fol. 337 r, linke Sp, abgedruckt im Anhang Nr. 24; HHStA, StR-Prot. 1810/11 (lfd. Bd. 214), 1333 ex 1810, „ Vortrag des Grafen v. Chotek als Präsidenten der Hofkoon in politischen Gesetzsachen vom 8ten May 1810- Wegen künftiger Benennung der beiden in Gesetzsachen aufgestellten Hofkommissionen "; vgl. Exel (1875), S. 8; Adler, FS ABGB, Teil 1(1911), S. 144 Fn. 108. 460 Vgl. die Note Sonnenfels' vom 18. Juni 1810 in Abschrift, AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 la, 25. Juni 1810, fol. 286 r; die Rückantwort der Hofkommission in Justizgesetzsachen im Original, a.a.O., 25. Juni 1810, fol. 336 r sowie in Abschrift, a.a.O., 25. Juni 1810, fol. 284 r. 461 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 la, 22. November 1810, fol. 404 r, v, abgedruckt im Anhang Nr. 25; vgl. die beiden Bittschriften Zeidlers vom 24. bzw. 29. April 1810, ebd., fol. 394 r, ν bzw. fol. 395 r, v, 400 r; das Empfehlungsschreiben Sonnenfels' an den Kaiser vom 4. Juli 1810, ebd., fol. 402 r - 403 v. Der Kaiser hatte davor hierzu ausdrücklich ein Gutachten der Kommission selbst verlangt, HHStA, StR-Prot. 1810 (lfd. Bd. 214), 1155 ex 1810: „Promemoria des Joseph Wenzl Zeidler Hauptmanns und angestellt bei Sonnenfels als Praktikant - seine Anstellung als Hofkonzipist und 2er Aktuar bei der Hofkoon in Gesetzsachen betr. Res. All. Handb. An den Gr. Chotek Über das Anliegende Gesuch des Hauptmanns Zeidler gewärtige Ich das Gutachten der Hofkoon in politischen Gesetzsachen. " 462 AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 la, 22. November 1810, fol. 404 ν, linke Sp, abgedruckt im Anhang Nr. 25; HHStA, StR-Prot. 1810/11 (lfd. Bd. 214), 1838 ex 1810, „ Vortrag des Staatsministers Grafen v. Chotek vom 24. Juny 1810- über die Bitte des Jos. Wenzel Zeidler, Hauptmann bey der N. Ö. Landwehr, ihn zum 2ten Akutar bey der 458

. Die Hofkommission unter

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Außer den organisatorischen Belangen, wie der Ernennung der vier Redakteure, hatte die Hofkommission im Ergebnis substantiell nicht viel erreicht. Osterloh hat also nicht völlig unrecht, wenn er feststellt, dass „das Gremium für den Fortgang der Arbeiten nichts" geleistet hatte. 463 Jedoch muss man auch in Rechnung stellen, dass die Hofkommission auch durch die Gutachten in Anspruch genommen wurde, die sie etwa zur Gesindeordnung, zur Änderung einzelner Paragraphen der schweren Polizeiübertretungen, vor allem aber zu der Sammlung der militärischen Normalien abzugeben hatte, an dem die schon erwähnte Kommission des Hofkriegsrates arbeitete. 464

4. Die Sitzung vom 12. September 1810 Nachdem Sonnenfels die referierenden Redakteure im Juli des Jahres aufgefordert hatte, sich über ihre Ressortwünsche zu äußern, traten diese unter seinem Vorsitz am 12. September 1810 465 zur nächsten Kommissionssitzung zusammen, um die kommissionsinterne Geschäftsverteilung festzulegen; des Weiteren wurde auch noch der Beisitzer v. Ley hinzugezogen.466 Im Vorfeld hatten jedoch Paschinger und Mesmer besorgniserregende Mitteilungen gemacht.

a) Die Eingabe Paschingers vom 15. August 1810 Wie sich der Stand der eigentlichen Arbeiten tatsächlich darstellte, ergibt sich aus der drastischen Schilderung Paschingers in seiner Eingabe vom 15. August 1810. 467 Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist er darin eingangs auf den Vortrag Baldaccis aus dem Jahre 1808, wo bereits ausgeführt worden sei, nach welchem Plan die Arbeiten vorangetrieben worden wären, was demgemäß bis zu

Hoßioon in politischen Gesetzsachen mit dem Range und Emolumentum eines Hoßconzipisten zu ernennen ". 463 Osterloh (1970), S. 227. 464 Vgl. A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 la, 1810, fol. 13-20; 29. Januar 1810, fol. 67 - 84; 16. Februar 1810, fol. 87 - 153; 6. April 1810, fol. 169- 190. Exel (1875), S. 8 f.; Osterloh, S. 227 Fn. 72. 465 AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 lb, 8. Mai 1811, fol. 497 r - 507 v, abgedruckt im Anhang Nr. 28; vgl. Exel (1875), S. 9 f.; Osterloh (1970), S. 227 Fn. 73 datiert das Sitzungsprotokoll allerdings auf den 12. November 1810. 466 Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 497 r - 498 r. 467 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton311b, 8. Mai 1811, fol. 494 r - 495 r, abgedruckt im Anhang Nr. 26; vgl. Osterloh (1970), S. 227.

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D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

diesem Zeitpunkt erreicht, insbesondere wie viel Material bis dahin schon gesammelt worden sei. 468 Wie Paschinger weiter feststellt, sollten nach den bisher verfolgten Bearbeitungsgrundsätzen die Vorarbeiten, das heißt das Sammeln und Ausziehen der seit 1740 ergangenen Normalien, zuerst abgeschlossen sein, bevor man in einem zweiten Arbeitsgang mit der eigentlichen Ausarbeitung beginne. Wie weit diese Vorarbeiten augenblicklich gediehen seien, könne bezüglich der in das Ressort der Hofkammer fallenden Normalien der dafür zuständige Hofsekretär Mesmer besser beurteilen, denn er selbst habe die in das Ressort der Hofkanzlei fallenden Normalien bearbeitet. Hier habe aber wohl nur das galizische Registratursdepartement „vollständig, und gut gearbeitet". Denn während dieses aus den ersten 20 Jahren mehr als 4.000 Normalien ausgehoben habe, brächten es die übrigen vier zusammen gerade einmal auf 3.000 Stücke. 469 Vorsichtig geschätzt seien bei der Hofkanzlei wenigstens 20.000 Verordnungen jährlich erlassen worden. Für die 70 Jahre von 1740 bis 1810 komme man daher allein für diese Hofstelle auf insgesamt 1.400.000 Normalien. Nach seinen bisherigen Erfahrungswerten seien davon etwa 10 vom Hundert für die Hofkommission relevant, was eine Zahl von 140.000 ergebe. Unterstelle man weiter, dass ein Mitarbeiter maximal etwa 1.500 Stück im Jahr ausziehen bzw. abschreiben könne, so wären zehn Mitarbeiter fast zehn Jahre lang allein hiermit beschäftigt. 470 Dabei sei aber immer noch nicht geklärt, wer überhaupt aus den 1.400.000 Exemplaren die Auswahl der relevanten Stücke treffen solle. Schließlich müsse auch noch in Rechnung gestellt werden, dass während der nächsten zehn Jahre weitere 200.000 neue Verordnungen hinzukämen. Da derzeit also nur ein Bruchteil der Vorarbeiten geleistet sei, „für welche schon seit einigen Jahren nichts geschieht müsse hierauf jetzt das Hauptaugenmerk gerichtet werden, wenn man denn das bisherige „BearbeitungsSystem" beibehalten wolle. Ansonsten gleiche das Unterfangen einem Bauvorhaben, bei dem zwar „die geschicktesten Architecten, und die besten Handwerker in hinlänglicher Anzahl bereits angestellt sind, welche aber auch mit dem besten Willen nichts aufzubauen vermögen, wenn nicht die erforderlichen Ziegeln, und übrigen BauMaterialien vorhanden sind. " 471

468

Eingabe Eingabe 470 Eingabe (1970), S. 227. 471 Eingabe 469

Paschingers vom 15. August 1810 (Anhang Nr. 26), fol. 494 r. Paschingers vom 15. August 1810 (Anhang Nr. 26), fol. 494 r, v. Paschingers vom 15. August 1810 (Anhang Nr. 26), fol. 494 ν; Osterloh Paschingers vom 15. August 1810 (Anhang Nr. 26), fol. 495 r.

. Die Hofkommission unter

175

b) Das Votum Mesmers vom 25. August 1810 Auch das Votum Mesmers vom 25. August 1810 kam zu einem ähnlich ernüchternden Ergebnis. 472 Gleich eingangs stellt er fest, dass die Sammlung der Normalien eigentlich in den Wirkungskreis der einzelnen Hofstellen fallen würde, da es „ die wesentliche Pflicht eines jeden Beamtens " und daher „ um so mehr auch die wesentliche Pflicht einer jeden Hofstelle" sei, die Verordnungen des jeweiligen Ressorts „zu sammeln, zu studiren, und solche in eine systematische Ordnung zu bringen". 473 Eine externe Hofkommission greife daher automatisch in den Wirkungskreis der Hofstellen ein, was zwangsläufig Kompetenzstreitigkeiten nach sich ziehen müsse. Dies sei auch der Grund, warum seit der Einsetzung der Kommission im Jahre 1791 bis zur Übernahme der Geschäfte durch Baldacci „eigentlich gar nichts geleistet worden ist. " 4 7 4 Erst dann hätte die Arbeit nennenswerte Fortschritte gemacht, weil man sich unter dessen Leitung bewusst „blos auf das physische Sammeln und Abschreiben der Normalien beschränkte " und dabei das wenige Personal äußerste Anstrengungen auf sich genommen habe. Doch angesichts der geringen Mittel und der ausbleibenden Unterstützung durch die Hofstellen habe das Geschäft zwangsläufig ins Stocken geraten müssen. 475 Die gegenwärtige Situation sei schlechter denn je, zumal bei der Hofkammer ein „statistisches Bureau" im Entstehen begriffen sei, mit dem neue Kompetenzstreitigkeiten im Hinblick auf das Sammeln der Verordnungen vorprogrammiert seien. Zwar sei das Präsidium der Kommission bei Chotek und Sonnenfels in den besten Händen, wie auch die Leistungsbereitschaft der referierenden Redakteure außer Zweifel stehe: „Allein es mangelt an Bau-Materialien, und an gemeinen Arbeitsleuten zu dem vorhabenden Gebäude. " 476 Aus eigener Erfahrung wisse er nur zu gut, dass auf die in den Registraturen der Hofstellen eingesetzten Beamten kein Verlass sei. Wenn man eine zuverlässige Materialsammlung für die Redaktion gewinnen wolle, so müsse die Kommission es schon selbst auf sich nehmen, sämtliche Registraturen „einmal und nur einmal (semel pro semper) " durchzugehen. Dabei seien alle Verordnungen in Kopie zu erfassen und dann systematisch zu ordnen, ehe man sich vernünftigerweise an die endgültige Redaktion machen könne. 477 Wenn allerdings künf472 AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 lb, 8. Mai 1811, fol. 509 r - 513 r, abgedruckt im Anhang Nr. 27; vgl. Osterloh (1970), S. 228. 473 Votum Mesmers vom 25. August 1810 (Anhang Nr. 27), fol. 509 r. 474 Votum Mesmers vom 25. August 1810 (Anhang Nr. 27), fol. 509 r. 475 Votum Mesmers vom 25. August 1810 (Anhang Nr. 27), fol. 509 r - 510 r. 476 Votum Mesmers vom 25. August 1810 (Anhang Nr. 27), fol. 510 r. 477 Votum Mesmers vom 25. August 1810 (Anhang Nr. 27), fol. 510 ν.

176

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

tig nicht erheblich mehr Personal eingesetzt werde als die drei Tagschreiber, die unter seiner Leitung gegenwärtig die Registratur der ehemaligen Hofrechenkammer und die Bankalregistratur bearbeiteten, so müsse man allein hierfür mindestens fünfzehn Jahre veranschlagen, ohne dass die anderen Registraturen der Hofkammer oder gar die der Hofkanzlei mit eingerechnet seien. Wolle man dagegen ernsthafte Fortschritte machen, so müsse man für das Kopieren der Normalien mindestens dreißig Schreiber und einen Hausknecht verwenden. 478 Gleichzeitig müssten die referierenden Redakteure Verzeichnisse der Normalien anlegen und dabei bereits eine Auswahl im Hinblick auf die künftige Redaktion treffen, da nur sie den dazu erforderlichen Sachverstand besäßen. Eine weitere Beschleunigung könne dadurch erreicht werden, dass alle außer Kraft getretenen Normalien bzw. die in ihnen getroffenen obsoleten Regelungen erst gar nicht kopiert würden. Um diese Vorfrage zu klären, sei es sinnvoll, sich nicht nur aus der Vergangenheit chronologisch vorwärts zu arbeiten, sondern parallel dazu gegenläufig aus der Gegenwart rückwärts zu gehen. 479 Wenn die Kommission auf diese Weise sämtliche Verordnungen gesammelt und kopiert hätte, so hätte sie ihrem Namen nach eigentlich die ihr gestellte Aufgabe erfüllt: Bezeichnenderweise verwendet Mesmer das ganze Votum hindurch den alten programmatischen Namen der „NormalienSammlungsHofkommißion" und nicht den neuen der „Hofkommission in politischen Gesetzsachen". Folgerichtig möchte er „die kopirten Normalien nach den verschiedenen Zweigen der Staats Verwaltung so den betreffenden Hofstellen zur Redakzion übergeben ", die somit nicht mehr Sache der Hofkommission wäre. 480 Sollte man die eigentliche Redaktion dagegen doch durch die Hofkommission vornehmen lassen wollen, so begännen die Probleme erst richtig, da ihr die hierfür notwendige Sachkenntnis fehle. Wenn es sich schon kein Departement der Hofkammer ernsthaft zutrauen würde, etwa die Normalien eines anderen Departements zu bearbeiten, so könne eine fachfremde Hofkommission erst recht nichts Vernünftiges zustande bringen. Mit dieser entscheidenden Frage, durch wen die eigentliche Redaktion erfolgen solle, müsse man sich schon jetzt auseinandersetzen, um die entsprechenden Vorkehrungen treffen zu können. 481 Zu Recht hebt Osterloh hervor, dass Mesmer dadurch die ursprüngliche Konzeption Sonnenfels' der zentralen Redaktion eines einheitlichen politischen Kodex auf den Kopf stellt, wenn er diese auf die einzelnen Hofstellen übertragen will. 4 8 2 478

Votum Mesmers vom 25. August 1810 (Anhang Nr. 27), fol. 511 r. Votum Mesmers vom 25. August 1810 (Anhang Nr. 27), fol. 511 r, ν. 480 Votum Mesmers vom 25. August 1810 (Anhang Nr. 27), fol. 512 r. 481 Votum Mesmers vom 25. August 1810 (Anhang Nr. 27), fol. 512 r, ν; Osterloh (1970), S. 228 Fn. 75. 482 Osterloh (1970), S. 228. 479

. Die Hofkommission unter

c) Das Sitzungsprotokoll

177

vom 12. September 1810

Mit diesen ernüchternden Stellungnahmen sah sich die Kommission am 12. September 1810 also konfrontiert. 483 Regierungsrat Egger sprach sich dafür aus, bei der Sammlung und Redaktion der Normalien weiter nach dem Leitfaden des Vizepräsidenten Sonnenfels zu verfahren. Er selbst bot sich dabei an „zur Bearbeitung des politischen Theiles des neu zu verfassenden Codex, nach Maß, als ihm dieser vorzüglich in publico ecclesiasticis zugewiesen würde. " 484 Hofsekretär Dorfner war der Auffassung, dass vorab noch einige Fragen angesprochen werden müssten. Die „ Ordnung " werde seiner Ansicht nach bereits durch den „Plan" vorgegeben, den der Vizepräsident Sonnenfels vor langer Zeit entworfen habe, und der dergestalt 1791 von Leopold II. genehmigt worden sei und der auch später 1801 von der Kommission unter Eger zur Arbeitsgrundlage gemacht wurde. 485 Weiterhin sei zu klären, ob, und gegebenenfalls wie, die Länderstellen in die Arbeiten einzubinden wären; dabei skizziert er näher, dass man diese Frage bislang durchaus kontrovers beurteilt habe, nämlich im Protokoll vom 26. März 1791 und der darauf ergangenen kaiserlichen Resolution (vom 3. August 1791), dann unter Eger und zuletzt im Vortrag Rottenhans vom 29. März 1808. 486 Dorfner selbst ist der Auffassung, dass angesichts des Umfangs des vorliegenden Vorhabens anders als beim Straf- und Bürgerlichen Gesetzbuch eine Beteiligung von Länderkommissionen untunlich sei. 487 Schließlich müsse auch noch entschieden werden, wie bzw. wann die Redaktion vorgenommen werden sollte. Unter Eger sei man derart verfahren, dass man zuerst „durch Hülfe aller bekannten, in Druck erschienenen, die österreichischen Staaten betreffenden Gesetzsammlungen, und der chronologischen Auszüge der Länder stellen, Materien-Weise, von allen in einer Materie bestehenden Gesetze und Verfügungen Kenntniß zu erlangen suchte Anschließend sei man die materienweise Redaktion angegangen.488 Unter Baldacci habe man dagegen die Registraturen der Hofstellen durchsucht und alle dort aufgefundenen Normalien „im ausgedehntesten Sinne" in Abschrift erfasst; gleichzeitig hätten auch die Länderstellen alle von ihnen erlassenen Vorschriften einge-

483

s.o. S. 173 Fn. 465 m.w.N. Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 498 r. 485 Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 498 r, v. 486 Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 498 ν - 499 v. 487 Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 500 r, v. 488 Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 501 r; Exel (1875), S. 9, ohne den Namen Dorfners zu nennen. 484

12 Wagner

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

178

reicht. Die endgültige Redaktion sei erst nach Abschluss dieser Materialsammlung vorgesehen gewesen.489 Wolle man dieses letztere Verfahren auch künftig beibehalten, so müsse man sich nun zuerst darauf konzentrieren, „ die hiernach angefangene, allgemeine Materialien-Sammlung" abzuschließen, nachdem diese bislang allenfalls bis zur Hälfte gediehen sei. 490 Abschließend machte Dorfner deutlich, dass es entscheidend darauf ankomme, die eingesetzten Beamten entsprechend zu motivieren: „Bey dieser für die Beamten der Registratur mit so vieler Mühe und Beschwerlichkeit verbundenen außerordentlichen, und für das ganze Geschäft so wichtigen Arbeit, wäre aber nöthig auf ein Mittel zu denken, wie die Beamte, die sich diesem Geschäfte unterziehen, willig und dauerhaft unverdrossen gemacht werden können. " Sonst laufe man Gefahr, dass Mitarbeiter aus Sorge um ihr Aus- und Fortkommen abspringen würden, bis man wie Baldacci am Ende „ohne hinlängliches arbeitendes Personale" dastünde.491 Da Hofsekretär Mesmer in dieser Sitzung auf seinem Standpunkt beharrte, den er zuvor in seinem Votum dargetan hatte, 492 kann insofern auf die dazu gemachten Ausführungen verwiesen werden. 493 Professor Zizius erklärte sich ohne Umschweife dazu bereit, die Bearbeitung des statistischen Faches zu übernehmen; diesbezüglich regte er an, eine Anfrage zu stellen, was es mit dem erwähnten „Statistischen Bureau" bei der Hofkammer auf sich habe. 494 Hofrath v. Ley sprach sich dafür aus, mit den vorhandenen Normalien zu arbeiten und bei Entdeckung von Gesetzeslücken Vorschläge zu machen, wie diese am besten zu schließen seien. Daneben sprach auch er das Problem an, dass die Beamten zumeist schon mit ihrer eigentlichen Dienstleistung voll ausgela495

stet seien. Da also in dieser Sitzung, statt wie erwartet, nicht jeder Redakteur einfach nur seinen Ressortwunsch geäußert hatte, sondern vielmehr erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Vorgehensweise der Kommission laut geworden waren, beschloss Sonnenfels in seiner Eigenschaft als Vizepräsident, hierüber die Entscheidung des Präsidenten der Kommission einzuholen: 489 490 491

Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 501 v; Eté/(1875), S. 9. Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 501 v; Exe/(1875), S. 9. Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 502 r, v; Exel (1875),

S. 9 f. 492

s.o., S. 175 f. Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 502 ν - 506 r; Exel (1875), S. 10, ohne den Namen Mesmers zu nennen. 494 Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 506 ν. 495 Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 506 ν, 507 r. 493

V. Die Hofkommission unter „ A Soll vorerst gesammelt und dann redigirt;

ote

179

oder aber

Β Soll nach einem allgemeinen Plane gearbeitet werden? "

Mit Ausnahme von Mesmer waren alle übrigen Anwesenden dafür, die Redaktionsarbeiten schon jetzt mit den vorhandenen Hilfsmitteln aufzunehmen, ohne weitere vorbereitende Materialsammlungen abzuwarten. 496

5. Der Vortrag Choteks und Sonnenfels' vom 12. November 1810 Ohne Umschweife gestand das Präsidium der Hofkommission daraufhin in seinem Vortrag vom 12. November 1810 497 dem Kaiser, dass man „sich in die (unbeliebte) Notwendigkeit versetzt" sehe, „die Lage mit Offenheit darzustellen, in welcher sie die Vorbereitung zu der ihr übertragenen Bearbeitung eines politischen Kodex gefunden hat. " 4 9 8 Der „langsame Vorschritt" sei dabei „wenigstens nicht der erschlaffenden Thätigkeit der Kommission, noch dem Mangel ihres pflichtmässigen Eifers ... zuzurechnen" Man sei davon ausgegangen, durch die frühere, mehr als vier Jahre dauernde Sammlung der in den Registraturen vorhandenen Verordnungen bereits „einen vollständigen Vorrath zur Hand" zu haben, mit dem nach Verteilung der Ressorts unter den Redakteuren „sogleich unmittelbar ..., ohne Aufenthalt also zur planmässigen Bearbeitung geschritten werden könne. " 500 Folgerichtig dachte man nur noch, „die Materialien, ... in Übersicht zu nehmen, und sich von der Zulänglichkeit derselben, von ihrer Anwendbarkeit versichert halten zu können. " 501 Um so überraschender sei nun das Ergebnis, mit dem man sich durch den Aufsatz des Registratursadjunkten Paschingers konfrontiert sehe: „Man ist nicht wohl im Stande zu entscheiden, welches aus beyden grösser war, das Befremden, oder die Verlegenheit der Koon, als man aus dem beygeschlossenen Aufsätze die unwillkommene Entdeckung machte, wie weit der gesammelte Vorrath

496

Protokoll vom 12. September 1810 (Anhang Nr. 28), fol. 507 r, v; Exel (1875),

S. 10. 497 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 lb, 8. Mai 1811, fol. 515 r - 518 r, abgedruckt im Anhang Nr. 29; vgl. Exel (1875), S. 10 ohne Angabe des genauen Datums; Osterloh (1970), S. 227 f. 498 Vortrag vom 12. November 1810 (Anhang Nr. 29), fol. 515 r; Osterloh (1970), S. 227. 499 Vortrag vom 12. November 1810 (Anhang Nr. 29), fol. 515 r; Osterloh (1970), S. 227. 500 Vortrag vom 12. November 1810 (Anhang Nr. 29), fol. 515 r, v; Exel (1875), S. 10. 501 Vortrag vom 12. November 1810 (Anhang Nr. 29), fol. 515 ν; Osterloh (1970), S. 227.

12*

180

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

unter der Erwartung steht, dasjenige zu erreichen, was davon als unbezweifelt ausgesetzt worden. " 502

vor-

Da Paschinger als „ein ausgezeichneter, fähiger Registraturs-Beamter" seit langer Zeit an der Sammlung mitgearbeitet habe, sei seine Auskunft als stichhaltig anzusehen. Man sei zwar nicht derart pessimistisch wie dieser, „wenn er das Ende einer vollständigen, zweckmässigen Aktensammlung auf eine abschreckende Ferne so vieler Jahre hinaussetzet". Gleichwohl teile man seine Überzeugung, dass die Materialsammlung nur bis zum Jahre 1764 reiche und schon allein wegen der seitdem in der Verwaltung erfolgten erheblichen Veränderungen „nur eine äusserst beschränkte Brauchbarkeit" aufweise. Und selbst das Vorhandene könne nicht ohne Bedenken bei den jetzigen Arbeiten herangezogen werden, da „die von den Verordnungen gemachten Auszüge bey weiten nicht eine solche Zuverlässigkeit haben". Wie schon Baldacci bemängelt habe, sei dies hauptsächlich darauf zurückzufuhren, dass „die zu der von ihm veranstalteten Sammlung abgegebenen Individuen meistens Diejenigen wären, bey denen die Stellen in Ansehung ihrer Fähigkeit die geringste Einbusse zu leiden glaubten. " 503 Schließlich habe dann noch „die durch den feindlichen Einfall veranlaßte tumultuarische Versendung der sämmtlichen Registraturen " ein solches Chaos verursacht, dass die Materialsammlung „gegenwärtig vollends unbenutzbar" geworden sei. 504 Alles in allem biete die Materialsammlung daher „ wegen Unvollständigkeit in Ansehung der Gegenstände, wegen Unzuverlässigkeit der Auszüge und wegen gänzlicher Unordnung, in welche sie durch die Zeitumstände gerathen ist, " für die Arbeiten der Kommission „keine hinreichende und beruhigende Hil/e".505

Wie sich aus dem beigefügten Protokoll ergebe, hätten die Professoren Egger und Zizius die Bearbeitung bestimmter Ressorts übernommen, während die Hofsekretäre Dorfner und Mesmer „weitläufige Untersuchungen" angestellt hätten. Letzterer befürchte wegen der Kompetenzstreitigkeiten mit den Hofstellen, persönliche Nachteile zu erleiden, und trage sich deswegen offen mit Rücktrittsgedanken. 506 Bis auf Mesmer hätten alle Redakteure sowie der hinzugezogene Hofrat Ley darin übereingestimmt, sich mit den vorhandenen Gesetz502 Vortrag vom 12. November 1810 (Anhang Nr. 29), fol. 515 v; Osterloh (1970), S. 228 und 227. 503 Vortrag vom 12. November 1810 (Anhang Nr. 29), fol. 516 r, v; Exel (1875), S. 10; Osterloh (1970), S. 228. 504 Vortrag vom 12. November 1810 (Anhang Nr. 29), fol. 516 v; Exe/(1875), S. 10; Osterloh (1970), S. 228. 505 Vortrag vom 12. November 1810 (Anhang Nr. 29), fol. 516 ν, 517 r. 506 Vortrag vom 12. November 1810 (Anhang Nr. 29), fol. 517 r, ν.

V. Die Hofkommission unter Chotek

181

Sammlungen und Registraturen zu behelfen und die eigentlichen Redaktionsarbeiten aufzunehmen, „ ohne eine andere Vorsammlung abzuwarten ". 507 Die kaiserliche Resolution vom 24. März 1811 schlug einen ungewohnt scharfen Ton an. Ohne näher auf die vorgetragenen Schwierigkeiten einzugehen, wurde erneut angeordnet, mit einem „Leitfaden oder Plan" vorstellig zu werden. Überhaupt verlangte der Kaiser „in einer angemessenen Zeit" die „ Vorlegung der Beweise der Thätigkeit der Hofkommission ", welche zu seinem „größten Mißfallen nichts reeles annoch geleistet" habe. Dem Hofsekretär Mesmer wurde freigestellt, aus der Hofkommission auszuscheiden, falls er dies wolle. Für diesen Fall sei bei Bedarf jemand anders vorzuschlagen, da er „in diesem wichtigen Gegenstande mit Ernst und Thätigkeit bedient seyn " wolle. 508 Im März/April 1811 kam es daraufhin wieder zu einem Notenwechsel mit der Hofkammer bzw. der Hofkanzlei, um künftig sicherzustellen, dass die Kommission auch wirklich von diesen beiden Hofstellen über neu erlassene Verordnungen in Kenntnis gesetzt würde. 509

6. Der Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 mit der Vorstellung Gouttas Mit Vortrag vom 8. Mai 1811 entsprach Chotek diesen kaiserlichen Befehlen im Hinblick auf „a)" den zu entwerfenden „Plan" und „ b ) " die weitere Verwendung Mesmers. 510 Was den Plan angehe, so sei der schon vor langer Zeit vom Vizepräsidenten Sonnenfels entworfene Plan, der dergestalt auch von Baldacci ausweislich des Vortrags vom 1. September 1802 als „Leitfaden" übernommen worden war, dem letzten Vortrage der Kommission „in dem Urentwurfe und der Originalabschrift" beigefugt gewesen, so dass man ihn nun abermals vorlege. 511 Die

507

Vortrag vom 12. November 1810 (Anhang Nr. 29), fol. 517 v, 518 r. A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 lb, 8. Mai 1811, fol. 518 r, linke Sp, abgedruckt im Anhang Nr. 29; HHStA, StR-Prot. 1810/IV (lfd. Bd. 216), 3292 ex 1810, „Vortrag der HofCommission in politischen Gesetzsachen vom 12. November 1810 Uiber die noch im Wege liegende Hinderniße zum schnellen Fortgang ihrer Geschäfte "; vgl. Exel (1875), S. 10; Osterloh (1970), S. 228 f. 509 Vgl. die Konzepte vom 28. März 1811, AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 la, 28. März 1811, fol. 452 r - 453 ν bzw. vom 29. März 1811, a.a.O., Karton 31 la, April? 1811, fol. 456 r, v; die entsprechenden Noten der Hofkanzlei vom 10. April 1811, a.a.O., Karton 311a, 10. April 1811, fol. 466 r, ν bzw. der Hofkammer vom 11. April 1811, a.a.O., Karton 31 lb, 13. Juni 1811, fol. 557 r, v. 510 AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton311b, 16. September 1811, fol. 626 r - 631 v, abgedruckt im Anhang Nr. 30; vgl. Exel (1875), S. 10 f. ohne Angabe des Datums; Osterloh (1970), S. 229. 511 Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 (Anhang Nr. 30), fol. 626 r, v. 508

182

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

„praktische Anwendbarkeit dieses Planes" habe der Vizepräsident „durch Vergleichung mit mehreren Plänen berühmter politischer Schriftsteller " in einem „mühsamen und lichtvoll verfaßten Aufsatze" hinreichend dargetan; dabei habe er ,, insbesondere die bisher, nicht ohne Verlegenheit der Nomotheten so unbestimmt gewesene Gränze zwischen der politischen und rechtlichen Gesetzgebung schärfer und genauer auszuzeichnen gesucht. " 5 1 2 Damit ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Beitrag Sonnenfels' vom 21. November 1808 gemeint. 513 Da die Kommission den ersten Auftrag daher als erfüllt betrachte, wolle man nach der „vorgezeichneten Ordnung" nun unverzüglich die eigentliche Bearbeitung in Angriff nehmen, indem man nur auf die zahlreichen gedruckten Gesetzsammlungen zurückgreift, „ohne aus allen Registraturen der administrirenden Behörden erst noch eine weitere Vorsammlung /: welche mehrere Jahre, und zahlreiche Arbeiter erfordern würde :/ abzuwarten. " 5 1 4 Zwar erhalte man auf diese Weise nur eine „unvollkommene Art der Sammlung", aber die Erstellung einer „ganz tadellosen Gesetzsammlung, worin auch keine in dem langen Zeiträume von 50 und mehreren Jahren erlassene Normalverordnung fehlen solle, " würde viel Personal, lange Zeit und somit erhebliche Kosten bedingen. 515 Überhaupt habe der Präsident der Kommission in seiner bislang unerledigt gebliebenen Note vom 16. November 1810, die Frage aufgeworfen, ob es nicht sinnvoller sei, den Hofstellen selbst die Sammlung der Verordnungen zu übertragen, nachdem deren Erlass auch in ihren Wirkungskreis fallen würde. Chotek hatte sich also insofern vom Standpunkt Mesmers 516 durchaus beeinflussen lassen. 517 Was die künftige Verwendung des Hofsekretärs Mesmer angehe, so habe dieser gegenüber dem Präsidenten der Hofkommission erneut um seine Entlassung gebeten.518 Der Vizepräsident Sonnenfels befürworte die Nachbesetzung dieser Redakteursstelle mit dem Appellationsrat Spiegel, der sich selbst für eine

512 513 514

Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 (Anhang Nr. 30), fol. 627 r. s.o., S. 144 ff. Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 (Anhang Nr. 30), fol. 627 v; Exel (1875),

S. 10 f. 5,5 Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 (Anhang Nr. 30), fol. 627 v, 628 r; Exel (1875), S. 11. 516 s.o., S. 176 Fn. 480 und S. 178 Fn. 493. 517 Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 (Anhang Nr. 30), fol. 628 r, v; Osterloh (1970), S. 228 Fn. 74. Die besagte Note Choteks vom 16. November 1810 ist in den Kommissionsakten nicht mehr zu finden. 518 Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 (Anhang Nr. 30), fol. 628 ν, 629 r.

V. Die Hofkommission unter Chotek

183

Verwendung bei dieser Hofkommission beworben habe. 519 Er als Präsident dagegen lehne die Anstellung Spiegels ab, da diesem mangels der entsprechenden Kenntnisse die Eignung zum Redakteur fehlen würde und zudem für diesen „eine eigene Besoldung" geschaffen werden müsste.520 Im Schlussteil seines Vortrags 521 beschäftigt sich Chotek eingehend mit der als Anlage beigefügten Vorstellung Gouttas, die deswegen gleich an dieser Stelle näher dargestellt werden soll. 522 Goutta hatte darin angeboten, neben seinen eigentlichen Aufgaben als Aktuar der Kommission auch die Sammlung der von der Hofkanzlei erlassenen Verordnungen zu übernehmen, weil er seit 1802 die „politische Gesetzsammlung " bearbeite und infolgedessen bis zum Jahre 1810 ohnehin auf dem laufenden sei. 523 Da der Regierungsantritt Maria Theresias unter Baldacci als Anfangszeitpunkt gewählt worden sei, wolle er mit diesem beginnend die Registratursprotokolle sämtlicher Departements der Hofkanzlei nun Jahrgang für Jahrgang durchgehen und mit den gedruckten Gesetzsammlungen abgleichen; hinsichtlich der dort bereits veröffentlichten Vorschriften reiche eine entsprechende Anmerkung aus, so dass lediglich die noch nicht gedruckten Vorschriften im Original ausgehoben und abgeschrieben werden müssten. Auf diese Weise käme man mit den derzeit schon vorhandenen drei Tagschreibern aus und würde darüber hinaus noch Zeit und Kosten sparen. 524 Er selbst wolle sein Möglichstes tun, um die Arbeiten voranzutreiben, und verweist insofern darauf, dass er „binnen 4 Jahren 9 Jahrgänge der politischen Gesetzsammlung in 19 Bänden ganz allein bearbeitet, und zum Druck befördert, 7 Bände der für Böhmen bestimmten Rothischen Privat-Gesetzsammlung geliefert, und so eben auch die Justiz-Gesetzsammlung vom J: 1798, bis zum 1. März 1811, mithin 13 Jahrgänge beendet habe." 515 Um sich allerdings ohne materielle Sorgen dieser neuen Aufgabe widmen zu können, erbitte er nur die Gewährung einer Zulage zu seinem Gehalt als Sekretär. 526

519 Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 (Anhang Nr. 30), fol. 629 r, v. Das Gesuch Spiegels war der Hofkommission mit Note des Präsidenten der OJSt ÖttingenWallerstein vom 19. April 1811 überstellt worden, vgl. ebd, fol. 638 r. 520 Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 (Anhang Nr. 30), fol. 629 ν, 630 r. 521 Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 (Anhang Nr. 30), fol. 630 r - 631 v. 522 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 lb, 16. September 1811, fol. 634 r - 637 v, abgedruckt im Anhang Nr. 30; vgl. Osterloh (1970), S. 229. 523 Vorstellung Gouttas (Anhang Nr. 30), fol. 634 r, v. 524 Vorstellung Gouttas (Anhang Nr. 30), fol. 634 ν - 635 ν; Osterloh (1970), S. 229. 525 Vorstellung Gouttas (Anhang Nr. 30), fol. 635 ν, 636 r; Osterloh (1970), S. 229 Fn. 80; zur PGS s.o., S. 18 Fn. 4; zur Sammlung Roths für Böhmen, deren Fortsetzung Goutta besorgte, s.o., S. 19 Fn. 12; zur JGS s.o., S. 18 Fn. 3. 526 Vorstellung Gouttas (Anhang Nr. 30), fol. 636 r - 637 v; Exel (1875), S. 11.

184

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Angesichts dieser vielversprechenden Erfolgsaussichten unterstützte Chotek in seinem Vortrag daher den Antrag und das Gesuch Gouttas nachdrücklich. 527 Die kaiserliche Resolution vom 18. Juni 1811 betonte noch einmal, dass der nun unterbreitete „Plan " nicht, wie jetzt behauptet, bereits mit dem letzten Vortrag vom 12. November 1810 vorgelegt worden sei. Der Hofsekretär Mesmer wurde von der Redaktion entbunden. Ob diese Stelle nachzubesetzen sei, habe die Kommission in ihrer vollen Besetzung zu beraten, ebenso wie das Angebot bzw. Gesuch Gouttas. Eine Verwendung des Freiherrn v. Spiegel käme jedenfalls nicht in Frage. 528 Entsprechend wurde Spiegel eine Absage erteilt und den Beisitzern der Kommission aufgegeben, sich über die beiden aufgeworfenen Fragen zu äuBern. 529 In der Zwischenzeit hatte die Kommission wieder einmal Gutachten zu anderen Rechtsfragen erstellen müssen, wie etwa das am 26. Juni 1811 erstellte Protokoll der Sitzung vom 14. Juni 1811 dokumentiert. 530

7. Der Vortrag Sonnenfels' vom 12. August 1811 Da die Beisitzer bis Ende Juli 1811 ihre Stellungnahmen zur Nachbesetzung der vierten Redakteursstelle und zur Vorstellung Gouttas abgegeben hatten, 531 konnte Sonnenfels mit Vortrag vom 12. August 1811 die Meinung der gesamten Kommission referieren. 532

527

Vortrag Choteks vom 8. Mai 1811 (Anhang Nr. 30), fol. 631 ν. A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 lb, 16. September 1811, fol. 631 ν, linke Sp, abgedruckt im Anhang Nr. 30; HHStA, StR-Prot. 1811/11 (lfd. Bd. 219), 1471 ex 1811, „ Vortrag des Präsidenten der Hofkoon in politischen Gesetzsachen vom 8ten May 1811 - Mit wiederholter Vorlegung des Planes zur Politischen Gesetzsammlung"; vgl. Exel (1875), S. 10; Osterloh (1970), S. 230 Fn. 83. 528

529 Konzept der Absage vom 16. September 1811, AVA, Hofkanzlei, III A 3, Karton 311b, 16. September 1811, fol. 623 r; „Circulandum" an die Beisitzer vom 9. Juli 1811, ebd, fol. 625 r. 530 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 lb, 26. Juni 1811, fol. 573 r - 576 r: bezüglich des „militärischen Administrazions-Kodex'\ fol. 573 r - 574 r; bezüglich der „Anwendung der hiesigen Gesindordnung", fol. 574 r, v; bezüglich der „schweren PolizeyÜbertretungen ", fol. 574 ν - 576 r. 531 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 lb, 25. September 1811, fol. 651 r - 659 r: Ley vom 19. Juli 1811, fol. 651 r - 6 5 3 v; Gruber vom 21. Juli 1811, fol. 655 r; Hauer ohne Datum, fol. 655 r; Unterschrift verbrannt (vermutlich Debrois) vom 26. Juli 1811, fol. 657 r - 658 v; Zeiller vom 27. Juli 1811, fol. 658 ν; Pratobevera vom 28. Juli 1811, fol. 658 ν, 659 r.

. Die Hofkommission unter

185

Hinsichtlich der vierten Redakteursstelle sprachen sich alle Beisitzer gegen eine Neubesetzung aus, da man zum gegenwärtigen Zeitpunkt ohnehin noch mit den Vorarbeiten beschäftigt sei, nach deren Abschluss die eigentliche Redaktion erst beginnen könne. Im Übrigen besäße die Hofkommission in Hofsekretär Dorfher einen fähigen Redakteur fur das Kameralfach, so dass es bei der ursprünglich vorgesehenen Zahl von drei Redakteuren bleiben könne. 533 Im Hinblick auf den Antrag Gouttas lehnte Hofrat Hauer zwar eine Beförderung oder Gehaltszulage mit der Begründung ab, dass die Kommission eigentlich noch keine Ergebnisse vorzuweisen hätte. 534 Dagegen hielten alle übrigen Beisitzer die Vorschläge Gouttas für äußerst vielversprechend. Seine bisherigen Leistungen als Bearbeiter der verschiedenen Gesetzsammlungen verhießen ,, nebst dem Vortheile der Vereinfachung auch wirklichen Gewinn an Zeit und Kosten ". Die beantragte Zulage sei angesichts der damit verbundenen Mehrarbeit durchaus gerechtfertigt. 535 Zeiller hob dabei insbesondere noch die Verdienste Gouttas bei der Abfassung des gerade kundgemachten ABGB hervor. 536 Pratobevera nutzte die Gelegenheit, um darauf hinzuweisen und gleichsam den Finger in die Wunde zu legen, „ daß an der Verlegenheit oder vielleicht an der Unmöglichkeit eine vollständige, verläßliche Normalien-Sammlung zu bewerkstelligen im Grunde die bisherige schlechte Verfassung und Leitung der öffentlichen Archive und Registraturen Schuld trage. " Zwar sei es für die Vergangenheit nicht mehr möglich, „den Augias-Stall zu reinigen", doch für die Zukunft sei „eine bessere Ordnung und Aufsicht in den Registraturen nach allgemeinen Grundsätzen, ... eben so dringend als nothwendig. " 537 Auch der Vizepräsident Sonnenfels selbst hielt die Anstellung eines vierten Redakteurs für überflüssig und unterstützte wie die Mehrheit der Beisitzer die Anträge Gouttas. Allerdings konnte er nicht umhin, wieder einmal zu betonen, dass „die Idee eines politischen Codex als die seinige zu betrachten " sei. Trotz der mehr als berechtigten Kritik Pratobeveras an der schlechten Verfassung der

532 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 lb, 12. Oktober 1811, fol. 676 r - 680 v, abgedruckt im Anhang Nr. 31; vgl. Exel (1875), S. 11 f. ohne Angabe des Datums; Osterloh (1970), S. 229 f. mit Angabe des Datums in Fn. 81. 533 Vortrag Sonnenfels' vom 12. August 1811 (Anhang Nr. 31), fol. 676 r, v. 534 Vortrag Sonnenfels' vom 12. August 1811 (Anhang Nr. 31), fol. 676 ν, 677 r. 535 Vortrag Sonnenfels' vom 12. August 1811 (Anhang Nr. 31), fol. 677 r - 678 r. 536 Vortrag Sonnenfels' vom 12. August 1811 (Anhang Nr. 31), fol. 678 r. 537 Vortrag Sonnenfels' vom 12. August 1811 (Anhang Nr. 31 ), fol. 678 r - 679 r; Exel (1875), S. 11 f. zitiert Pratobeveras Ansicht fast wörtlich, ohne diesen namentlich zu nennen.

186

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Registraturen vertraue er darauf, dass die Arbeiten unter Goutta nun rasche Fortschritte machen würden. Es sei ihm, „in dem Bewußtseyn seiner durch 48 Jahre dem Studium der Legislation und Staatsverwaltung gewidmeten Verwendung und darin gesammelten Kenntnissen erlaubt zu hoffen, daß er von dem Fleiße und der Geschicklichkeit dieses Mannes unterstützt, der Arbeit einen Trieb geben werde, wodurch wenn ihm ein Alter von 78 Jahren die Vollendung abzusehen nicht erlaubt, wenigstens einem seiner Nachfolger nicht schwer fallen soll, in Verfolgung der von ihm gegebenen Richtung dieses, so dann in seiner Art einzige Ehrendenkmal der Regierung Franzens zu vollenden. " 538

Die Resolution vom 20. September 1811 gab daraufhin grünes Licht für den Antrag Gouttas und bewilligte die erbetene Zulage. 539 Inzwischen hatte Graf Ugarte mit Note vom 6. September 1811 die Hofkommission um ihre Stellungnahme gebeten, wie sie der von ihm befürworteten Fortsetzung der Gesetzsammlung Kropatscheks durch Goutta gegenüberstehe, woraufhin sich die Hofkommission gleichfalls für eine Fortsetzung aussprach. 540

8. Die Fortschritte des Jahres 1812 a) Der Vortrag Choteks und Sonnenfels ' vom 1. Juni 1812 Mit Vortrag vom 1. Juni 1812 berichteten Chotek und Sonnenfels über die Fortschritte, welche die Arbeiten unter der Leitung Gouttas gemacht hatten. 541 Zunächst wird darin noch einmal sehr ausführlich darauf eingegangen, was sich zuvor in den letzten beiden Jahren ereignet hatte: 542 Vortrag vom 12. November 1810 mit Resolution vom 24. März 1811, 543 Vortrag vom 8. Mai

538

Vortrag Sonnenfels' vom 12. August 1811 (Anhang Nr. 31 ), fol. 679 r - 680 v; Osterloh (1970), S. 230. 539 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 lb, 12. Oktober 1811, fol. 680 ν, linke Sp., abgedruckt im Anhang Nr. 31; HHStA, StR-Prot. 181 l / I I (lfd. Bd. 219), 2574 ex 1811, „ Vortrag der Hofkoon in politischen Gesetzsachen vom 12. August 1811 - wegen Ernennung eines andern referirenden Redakteurs statt des Hofsekretärs Meßmer, und über den Vorschlag des Hofsekretärs Goutta, wegen Sammlung der Gesetze"; vgl. Exel (1875), S. 12; Osterloh (1970), S. 230. 540 Konzept vom 25. September 1811, A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 31 lb, 25. September 1811, fol. 669 r; Note Ugartes vom 6. September 1811, ebd., fol. 670 r; zur Sammlung Kropatscheks, deren Fortsetzung Goutta besorgte, s.o., S. 19 Fn. 11. 541 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 312, Juli 1812, fol. 175 r - 179 r, abgedruckt im Anhang Nr. 32; vgl. Osterloh (1970), S. 230 mit Angabe des Datums in Fn. 84. 542 Vortrag vom 1. Juni 1812 (Anhang Nr. 32), fol. 175 r - 177 ν. 543 s.o., S. 179 ff.

V. Die Hofkommission unter Chotek

187

1811 mit Resolution vom 18. Juni 181 1 5 4 4 und Vortrag vom 12. August 1811 mit Resolution vom 20. September 1811. 545 Auftragsgemäß habe sich daraufhin Goutta an die Arbeit gemacht, so dass man nun erste Ergebnisse vorlegen könne; ausweislich der als Anlage beigefügten „ kurzen Summarien und Verzeichnisse der politischen Verordnungen " sei von Niederösterreich, Böhmen, Mähren und Schlesien der Zeitraum von 1740 bis 1760 und von Innerösterreich der Zeitraum von 1740 bis 1749 erfasst. 546 Angesichts dieser raschen Fortschritte und im Hinblick darauf, dass Goutta in Aussicht gestellt habe, jedes Vierteljahr 15 Jahrgänge zu bearbeiten, könnte die Sammlung Ende November bereits das Jahr 1790 erreichen, den Zeitpunkt, mit dem die „unter Leitung der Hofstellen herauskommende Gesetzsammlung" (das heißt die PGS) einsetzte. Somit bestünde die berechtigte Hoffnung, gegen Ende des Jahres endlich mit der eigentlichen Redaktion beginnen zu können. 547 Die entsprechende Resolution vom 15. Juli 1812 verrät deutlich die zunehmende Ungeduld des Kaisers, „ob endlich einmal Hand an die Redaction gelegt werde, und falls dieses nicht geschehen sollte, welche Hinderniße noch im Wege stehen, und wie diese gehoben werden könnten? " 548

b) Der Vortrag Sonnenfels ' vom 28. November 1812 Tatsächlich konnte Sonnenfels in seinem nächsten Vortrag vom 28. November 1812 weitere Fortschritte vermelden. 549 Einleitend bezog er sich darin noch einmal auf den Vortrag vom 12. August 1811 mit Resolution vom 20. September 1811 und den letzten Vortrag vom 1. Juni 1812 mit Resolution vom 15. Juli 1812. 550 Als Anlage könne er nun die von Goutta angefertigten „Realverzeichnisse und summarische Auszüge der

544

s.o., S. 181 ff. s.o., S. 184 ff. 546 Vortrag vom 1. Juni 1812 (Anhang Nr. 32), fol. 178 r; die Anlage ist nicht mehr in den Akten zu finden; Osterloh (1970), S. 230. 547 Vortrag vom 1. Juni 1812 (Anhang Nr. 32), fol. 178 ν; Osterloh (1970), S. 230; zur PGS s.o., S. 18 Fn. 4. 548 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 312, Juli 1812, fol. 179 r, linke Sp, abgedruckt im Anhang Nr. 32; HHStA, StR-Prot. 1812/11 (lfd. Bd. 223), 1975 ex 1812, „Vortrag des Präsidiums der Hofkommission in politischen Gesetzsachen vom l ten Juny 1812 Über den Fortgang der Gesetzsammlung zur Redaction des politischen Codex"; vgl. Exel (1875), S. 12; Osterloh (1970), S. 230 mit Angabe des Datums in Fn. 85. 549 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 312, Dezember 1812, fol. 238 r - 242 r, abgedruckt im Anhang Nr. 33; Osterloh (1970), S. 230 Fn. 86 datiert den Vortrag allerdings auf den 28. Dezember 1812. 550 Vortrag Sonnenfels' vom 28. November 1812 (Anhang Nr. 33), fol. 238 r - 239 r. 545

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D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Gesetze und Verordnungen " aller Erbländer für den Zeitraum von 1740 bis 1790 vorlegen. 551 Es müssten nur noch die Vorschriften, die in keiner Gesetzsammlung enthalten seien, im Original aus den Registraturen ausgehoben und abgeschrieben werden; sofern hierfür noch einige Tagschreiber abgestellt würden, könnte die Sammlung durch Goutta bis Juni des nächsten Jahres endgültig fertig gestellt und anschließend mit der Redaktion selbst begonnen werden. 552 Allerdings werde nach der diesbezüglich äußerst pessimistischen Einschätzung Sonnenfels' „ auch fürohin der Gang der Redaction nicht anders als langsam, und mit einem sehr in die Ferne hinausgesetzten Ziel beendiget werden, es sey denn, daß die in der Anlage der Commission und in Vertheilung der Arbeit wahrgenommenen Grundgebrechen gehoben werden ". Dies stehe aber nicht dem Vizepräsidenten, sondern nur dem Präsidenten der Hofkommission selbst zu. 5 5 3 Die Resolution vom 29. Dezember 1812 entsprach der Bitte um Abstellung weiterer Tagschreiber, verlangte im Gegenzug aber, dass die Sammlung durch Goutta bis Juni 1813 abgeschlossen sein müsse. Hinsichtlich der angesprochenen „Grundgebrechen ... in der Anlage der Kommission und in der Vertheilung der Arbeit" wurde Sonnenfels aufgetragen, diese eingehend mit den Mitgliedern der Kommission zu erörtern, um anschließend mit Vorschlägen zu deren Abhilfe wieder vorstellig zu werden. 554 Dies zeigt einmal mehr, dass dem Kaiser sehr daran gelegen war, das Vorhaben eines politischen Kodex endlich in richtige Bahnen gelenkt zu sehen.

9. Die Bemerkungen Sonnenfels 9 vom 27. Februar 1813 Sonnenfels verfasste daraufhin seine „Bemerkungen über die in der Organisation und Vertheilung der Arbeiten bey der Hofcommission in politischen Gesetzsachen wahrgenommenen Gebrechen und die Mittel, denselben abzuhelfen " vom 27. Februar 1813. 555 Darin zitiert er einleitend aus seinem letzten Vortrag

551

Vortrag Sonnenfels' vom 28. November 1812 (Anhang Nr. 33), fol. 239 ν. Vortrag Sonnenfels' vom 28. November 1812 (Anhang Nr. 33), fol. 240 r - 241 r. 553 Vortrag Sonnenfels' vom 28. November 1812 (Anhang Nr. 33), fol. 241 ν, 242 r. 554 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 312, Dezember 1812, fol. 241 ν, 242 r, linke Sp., abgedruckt im Anhang Nr. 33; HHStA, StR-Prot. 1812/III (lfd. Bd. 224), 3792 ex 1812, ,, Vortrag des Vizepräsidenten der Hofkoon in politischen Gesetzsachen Joseph v. Sonnenfels vom 28. November 1812 - Über den Fortgang der Gesetzsammlung zur Redaction des politischen Codex "; vgl. Exel (1875), S. 12; Osterloh (1970), S. 230 Fn. 86. 555 A V A , Hofkanzlei, III A 3, Karton 313a, 1815, fol. 33 r - 46 r, abgedruckt im Anhang Nr. 34; vgl. Exel (1875), S. 12 f., allerdings ohne Angabe des Datums; Osterloh (1970), S. 230 f. mit Angabe des Datums in Fn. 87. 552

V. Die Hofkommission unter

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vom 28. November 1812 und der kaiserlichen Resolution vom 29. Dezember 18 1 2. 5 5 6 Die „ Organisation " der Kommission resultiere aus den Ansichten über den zu bearbeitenden „ Gegenstand", über die dazu vorhandenen „Hülfsmittel" und über die entsprechende „ Art und Möglichkeit der Bearbeitung". 551 Der „ Gegenstand " eines politischen Kodex hätte niemals mit dem eines bürgerlichen Gesetzbuches verglichen werden dürfen, wie dies etwa bei der Einsetzung der Kommission geschehen sei. Eine Parallele zwischen diesen beiden Gesetzgebungszweigen verbiete sich gänzlich, „ nach dem Gegenstande sowohl, als nach den Hülfsmitteln an sich ". 558 Wie bereits in seinem Beitrag vom 21. November 1808 grenzt Sonnenfels den politischen Kodex vom bürgerlichen Gesetzbuch dadurch ab, dass er der im bürgerlichen Gesetzbuch gegebenen Legaldefinition auch hier wieder die von ihm damals entwickelte Begriffsbestimmung des politischen Kodex gegenüberstellt: „Der Gegenstand des bürgerlichen Gesetzbuches ist nach Aussage der Erklärung, die diesem Werke zum Grunde gelegt ist, auf die Bestimmung der Privat-Rechte und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich beschränkt. Der Gegenstand eines politischen Codex entgegen ist von einem beynahe unübersehbaren Umfange, und begreift Vorschriften und Anstalten der inneren Staatsverwaltung, wodurch die allgemeine Wohlfahrt gegründet, wodurch selbe erhalten wird; worüber sodann zu wachen, der vollstreckenden Gewalt von Amts wegen obliegt. " 559

Während jeder Staat in Europa bürgerliche Gesetze besitze, an denen man sich bei der Abfassung eines bürgerlichen Gesetzbuchs orientieren könne, gebe es für einen politischen Kodex keine Vorbilder. 560 Hervorzuheben ist der Seitenhieb gegen das WGGB und das neue ABGB, den Sonnenfels nun macht: „Auch das neue österreichische bürgerliche Gesetzbuch ist, die Ordnung ausgenommen, im Wesentlichsten nach den preußischen Landrechten geformet, wobey Freyherr v. Martini nicht aller Orten glücklich nachgeschrieben, da er ζ: Β: in seinem Entwürfe die Dienstbotenordnung in das bürgerliche Gesetzbuch, offenbar an einem für diese Polizey- Vorschrift unzukömmlichen Orte, und was noch sonderbarer auffallt, den Satz: daß in Österreich keine Leibeigenschaft Statt finde, darum in die Dienstbotenordnung aufgenommen, weil diese Unschicksamkeit sich in den karmerischen Landrechten fand. " 56]

556

Bemerkungen Sonnenfels' vom 27. Februar 1813 (Anhang Nr. 34), fol. 33 r, v. Bemerkungen Sonnenfels' vom 27. Februar 1813 (Anhang Nr. 34), fol. 34 r. 558 Bemerkungen Sonnenfels' vom 27. Februar 1813 (Anhang Nr. 34), fol. 34 r, v; Exel (1875), S. 12. 559 Bemerkungen Sonnenfels' vom 27. Februar 1813 (Anhang Nr. 34), fol. 34 ν, 35 r. Vgl. Sonnenfels' Beitrag vom 21. November 1808 (Anhang Nr. 16), fol. 15 ν - 16 v. 560 Bemerkungen Sonnenfels' vom 27. Februar 1813 (Anhang Nr. 34), fol. 35 r 36 v; Exel (1875), S. 12. 561 Bemerkungen Sonnenfels' vom 27. Februar 1813 (Anhang Nr. 34), fol. 35 ν; Osterloh (1970), S. 186 Fn. 37 i.V.m. S. 230 Fn. 87. Zum Dienstbotenrecht Harra557

190

D. Der Fortgang der Arbeiten unter Franz II. (I.)

Aber selbst vom Inkrafttreten des WGGB im Jahre 1797 bis zum Inkrafittreten des ABGB seien noch 15 weitere Jahre vergangen, so dass eigentlich nun niemand daran Anstoß nehmen könne, wenn die Abfassung des politischen Kodex noch längere Zeit beanspruchen werde. 562 Hinsichtlich der vorhandenen „Hülfsmittel" sei man ebenfalls von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Denn die in Druck erschienenen Gesetzsammlungen stellten nur „unförmliche Gehäufe" dar, die allenfalls im Hinblick auf ihre Register mit Gewinn herangezogen werden könnten. Auch die durch Baldacci betriebene Materialiensammlung sei im Prinzip als Arbeitsgrundlage völlig unbrauchbar. Dieser habe sich damals somit völlig zurecht über die mangelnde Qualifikation der dazu abgestellten Arbeitskräfte beklagt. 563 Infolgedessen sei man bezüglich der „Art und Möglichkeit der Bearbeitung" einer Fehlvorstellung erlegen, wenn man geglaubt habe, diese beschränke sich auf eine Redaktion im Stile einer „Registraturarbeit", so dass der politische Kodex „zu einem blossen Fachwerke gemacht würde". 564 Gerade dies widerspreche aber den systematischen und methodischen Grundsätzen, die bereits durch den Vortrag vom 29. März 1808 festgeschrieben worden seien, aus dem Sonnenfels wörtlich zitiert, nämlich: M ... ,was noch in der Ausübung steht, nach einer systematischen Reihung der Materialien zu ordnen, bey jedem Gesetzauszuge das materielle Gutachten beyzufügen, was etwa als dem Geiste der Zeit nicht angemessen, abzuändern, und was bey Ent-

sowsky (Hrsg.), C.Th., Bd. V (1886), S. 74 Anm. 1; Pfaff Rezension zu Harrasowsky (Hrsg.), C.Th, Bde. IV und V, in: JB1 16 (1887), S. 259 Fn. 20. Allgemein Charmatz (1937), S. 181 f. - ebd., S. 178 f. Fn. 10, S. 195 Fn. 84 auch Auszüge aus einem Brief Martinis an Carmer von 1791; Brauneder, Das ALR und Österreichs Privatrechtsentwicklung, in: Dölemeyer/Mohnhaupt (Hrsg.), 200 Jahre Allgemeines Landrecht (1995), S. 415-436, 415 ff.; Barta, Zur Kodifikationsgeschichte des österreichischen bürgerlichen Rechts in ihrem Verhältnis zum preußischen Gesetzbuch: Entwurf Martini ( 1 796), (W)GGB ( 1797), ABGB ( 1811 ) und ALR ( 1794) - Dargestellt an ausgewählten Beispielen: Schadenersatzrecht, Lehre vom Vertragsschluß (Antragsbindung), Rechtsbesitz, Tagungsband Martini (1999), S. 321-441, 441, der das Ergebnis seiner Untersuchung durch folgende „Abstammungsmetapher" ausdrückt: Martini als „Mutter", Zeiller als „Geburtshelfer" und das ALR als „unehelicher Vater" des ABGB. Vgl. ferner M. Friedrich, „... wer wird es nicht sehr schwer und kützlicht finden, nach Homer eine Iliade zu schreiben?" - K. A. v. Martinis Reaktion auf die Publikation des „Allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen Staaten", Tagungsband Martini (1999), S. 443-505. 562 Bemerkungen Sonnenfels' vom 27. Februar 1813 (Anhang Nr. 34), fol. 36 r, v. 563 Bemerkungen Sonnenfels' vom 27. Februar 1813 (Anhang Nr. 34), fol. 36 ν, 37 r; Exel (1875), S. 12. 564 Bemerkungen Sonnenfels' vom 27. Februar 1813 (Anhang Nr. 34), fol. 37 r, v; Osterloh (\910), S. 231.

V. Die Hofkommission unter

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deckung irgend einer Lücke in Gesetzen erst neuerlich angeordnet werden sollte Vorschlag zu bringen. " 565

in

Sollte die bisherige Vorgehensweise beibehalten werden, rücke das Ende einer richtigen, systematischen Redaktion in weite Ferne, was Sonnenfels mit einer eigenen Rechnung illustriert. Auch er geht dabei von mindestens 160.000 Verordnungen aus und kommt bei einem Schnitt von 10 bearbeiteten Verordnungen am Tag zu einer Bearbeitungsdauer von 46 bis 48 Jahren, die sich auch durch eine Verteilung der Arbeiten auf mehrere Schultern nicht wesentlich verkürzen lasse, da dann wiederum zeitraubende Beratschlagungen stattfinden müssten.566 Gleichwohl habe man „als läge alles so zur Hand bereit, daß unmittelbar sogleich zur Redaction geschritten werden könnte, die Commission nebst den Präsidien aus 9 berathenden, und 2 oder 3 redigirenden Beysitzern, organi sirt (