Der parergonale Raum: Zum Verhältnis von Bild, Raum und Performanz in der spätbarocken Benediktinerabtei Zwiefalten 9783205201908, 9783205797012

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Der parergonale Raum: Zum Verhältnis von Bild, Raum und Performanz in der spätbarocken Benediktinerabtei Zwiefalten
 9783205201908, 9783205797012

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Nicolaj van der Meulen

DER PARERGONALE RAUM ZUM VERHÄLTNIS VON BILD, RAUM

UND PERFORMANZ IN DER SPÄTBAROCKEN BENEDIKTINERABTEI ZWIEFALTEN

2016 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR



Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Klosterkirche Zwiefalten, Langhaus

© 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG,Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Meinrad Böhl, Leipzig Einbandgestaltung: Michael Haderer,Wien Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-79701-2



Barbara





Inhalt

VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 EINLEITUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 METHODISCHER EINGANG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 HISTORISCHER RAHMEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

AUSSEN 1

PROZESSION UND RITUELLES HANDELN . . . . . . . . . . . . . . . . 39

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

Anmerkungen zur Wallfahrtsforschung . . . . . . . . . . . . . Translation der hll. Exuperia und Vitalis (1669/85) . . . . . . . Die Prozession anlässlich der Säkularfeier: Deo gratias (1689) . . Figur und Pose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Prozessionsbild um 1700 . . . . . . . . . . . . . . . . . Der prozessionale Raum: Montage der Chronotopoi . . . . . .

44 47 51 57 66 70

ZWISCHEN 2

FASSADE: DOMUS MARIAE (1750–1759) . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

2.1 2.2 2.3 2.4 3

Distanz und Nähe: Die Fassade von Zwiefalten . . . . . . . . . Beschreibungswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Raumfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Architektonische Transparenz (perspicuitas) . . . . . . . . . . .

77 80 83 89

BEGRIFFSGESCHICHTLICHE ÜBERLEGUNGEN ZUM MALERISCHEN . . 94

3.1 Vom Malerischen … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.2 … zum Bildhaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

8

Inhalt

4

VORHALLE: DEVOTIO FUNDATORUM ET BENEFACTORUM NOSTRORUM NOBILIUM ERGA BEATAM VIRGINEM IN FUNDATIONE DOTATIONE MONASTERIJ NOSTRI (1763) . . . . . . . 103

4.1 Entwurf, Narration, Adaption . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.2 Attentum parare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.3 Die Vorhalle als rhetorische Bau- und Ausstattungsaufgabe . . . 114 5

ARCHITEKTONISCHE BILDLICHKEIT UND GEFALTETER RAUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119

INNEN 6

GROTTENBEICHTSTÜHLE UND ANDERE BEKENNTNISRÄUME (UM 1770) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .127

6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 7

Eine Planke nach dem Schiffbruch: Zur Geschichte des Bekenntnisses . . . . . . . . . . . . . . . 131 Bauanleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Architektonische Schließung – ikonische Öffnung . . . . . . . 134 Hand und Auge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Neugeburt aus der Grotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

LANGHAUSFRESKO: CULTUS BEATAE  VIRGINIS MARIAE PER SANCTUM ORDINEM NOSTRUM IN TOTO ORBE PROPAGATUS (1751) . . . . . . . . . . . .148

7.1 Enérgeia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 7.2 Rhetorik und Eigenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . 165 7.2 Das Gnadenbild von Zwiefalten . . . . . . . . . . . . . . . . 171 7.4 Zwischen Gnadenbild und Langhausfresko . . . . . . . . . . 173 7.5 Imago Thaumaturga – Bildästhetik des Staunens . . . . . . . . 177 7.6 Topo-Chrono-Stemmatographica . . . . . . . . . . . . . . . 184 7.7 Kartierung einer Terra Mariana . . . . . . . . . . . . . . . . 187 7.8 Der Horizont zwischen Ornatus und Ornament . . . . . . . . 198 8

LANGHAUSKARTUSCHEN: CULTUS MARIANUS – 4 PROPRIETATES (1751) . . . . . . . . . . . . .205

8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6

Allegorie und ornamentaler Überschuss . . . . . . . . . . . . 206 Sinnliche Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Duftraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Die Anwendung der Sinne – Applicatio Sensuum . . . . . . . 217 Beständigkeit der Sinne: Constantia . . . . . . . . . . . . . . 223 Gesamtkunstwerk? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Inhalt

9

KANZELENSEMBLE: VERBUM CARO FACTUM EST (UM 1767/68) . . . 231

9. 1 Wort und Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 9.2 Synästhetischer Tiefenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 9.3 Nivellierung der Bühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 10 SEITENKAPELLEN (1766–1771) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252

10.1 Bewegungsumlenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 10.2 Kapellenfresken: Marienleben (1766) . . . . . . . . . . . . . 261 10.3 Beichtstuhlaufsätze (1770): Imitatio Christi . . . . . . . . . . 266 10.4 Altarordnungen (1769/70) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 10.5 Lesbarkeit und Typologie (Josefskapelle) . . . . . . . . . . . . 270 10.6 Verflechtung von Text und Textur . . . . . . . . . . . . . . . 275 10.7 Parergon als unendliche Operation . . . . . . . . . . . . . . 281 11 EMPORENFRESKEN: MATER MONACHORUM (1765) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

11.1 Transkriptionen und Transformationen . . . . . . . . . . . . 288 12 ORGELFRESKO: PRAECINENTEM BEATAM MARIAM VIRGINEM SUUM MAGNIFICAT, SEQUENTUR BENEDICTINI IN CANTU CHORALI ET FIGURATO (1764) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .292 13 KUPPELFRESKO: MARIA REGINA SANCTORUM OMNIUM (1749) . . . . . . . . . . . . 299

13.1 Das Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 13.2 Spiral- oder Ringordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 13.3 Globusspiel und Heiligenhimmel . . . . . . . . . . . . . . . 314 13.4 Unter der besten aller möglichen Welten . . . . . . . . . . . 318 14 QUERHAUS (1745–1776) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .323

14.1 Gelebtes Gestorbensein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 14.2 Modellierung des Todes: Die Katakombenheiligen . . . . . . . 329 14.3 Praktiken ästhetischer Vergegenwärtigung . . . . . . . . . . . 333 14.4 Wirkkraft des Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 14.5 Querhaus-Ornatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 14.6 Ornamentum: Schöner Schmuck – geschmückte Schönheit . . 344 15 CHORRAUM: TÄGLICHES MARTYRIUM (1744–1755) . . . . . . . . . .350

15.1 Mönchschor- und Presbyteriumsfresko (1747/48) . . . . . . . 353 15.2 Das Chorgestühl (1744–1752) . . . . . . . . . . . . . . . . 363 15.3 Hochaltar: Maternitas B. V. secundum Matthaeum (1753/66) . . 375

9

10

Inhalt

AUSGANG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391

ANHÄNGE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 ANHANG 1: DATEN ZUR BAU- UND AUSSTATTUNGSGESCHICHTE . . . . . . . . . . . . . . . .401

1730–1745 Planungs- und Bauphase . . . . . . . . . . . . . . . . 401 1746–1754 Erste Ausstattungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 1755–1760 Zwischenphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 1763–1777 Zweite Ausstattungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . 403 ANHANG 2: KONZEPTFRAGMENTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

Übersicht über die Konzeptfragmente . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld . . . . . . . . . . . . 411

BIBLIOGRAFIE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463

ABBILDUNGSVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

REGISTER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit zwei Fragen. Erstens: Wie lässt sich das Verhältnis von Architektur und Ausstattung im Sakralraum des 18. Jahrhunderts angemessen beschreiben? Zweitens: In welcher Beziehung steht dieses Verhältnis zu einem gesamtkörperlichen Erleben, das ästhetische und religiöse Erfahrung als Einheit begreift? Es versteht sich von selbst, dass die Beschäftigung mit diesen Fragen nicht identisch mit ihrer Beantwortung ist.Vielmehr ist es das Ziel dieser Arbeit, entlang einer ausgedehnten exemplarischen Untersuchung der Klosterkirche von Zwiefalten Einsichten zu den oben genannten Fragen zu gewinnen. Dabei war es meine Absicht, sowohl die historische Sachlage und die Quellen zu berücksichtigen als auch auf aktuelle Theorien zum Bild, zur Architektur und zur ästhetischen Erfahrung zurückzugreifen, sofern sie mir zur Klärung der obigen Fragen nützlich schienen. Das Ergebnis ist ein zum Teil heterogenes und kantiges Gebilde, dem ich durch eine überschaubare Textordnung entgegenzuwirken suchte. Mir ist klar, dass ein Leser, der glaubt, man müsse vom eigenen zeitlichen Kontext absehen, um größtmögliche historische Nähe zum Phänomen zu gewinnen, an breiten Passagen dieses Buches ebenso wenig Gefallen finden wird wie jene, die lokale Quellen und Archivalien für den „großen Blick“ für unergiebig erachten. So mag sich diese Untersuchung am ehesten an jene richten, die an die gleichwertige Berechtigung beider Seiten glauben, aber auch um ihre Unversöhnbarkeit oder schwierige Balance wissen. Ursprünglich war eine Gliederung nach theoretischen Gesichtspunkten geplant, in welche Analysen zu einzelnen Ausstattungsstücken der Klosterkirche Zwiefalten einfließen sollten. Ich stellte aber fest, dass ich mich auf diese Weise zusehends von dem Gegenstand, dem meine eigentliche Leidenschaft gilt, entfernte. So ordnete ich das gewonnene Material nach gut zwei Jahren neu und wählte eine sehr langsame Bewegung durch den Sakralraum von Zwiefalten als Grundstruktur. Bei dieser Neuordnung stand mir nicht zuletzt die Äußerung eines Kirchenbesuchers vor Augen, der sein Zwiefalter Raumerlebnis einmal mit den Worten begleitete: „Da läuft einem der Schauer den Buckel runter.“ Mir schien es eine passende Maxime für das Gelingen dieses Buchs, möglichst viel von dieser Erregung in die Reflexion hinüberzuretten. Die Recherchen in Bibliotheken und Archiven halfen mir, das anschauliche Material zu verstehen und einzuordnen. Den folgenden Bibliotheken danke ich für ihre Unterstützung: Universitätsbibliothek und Handschriftenabteilung Basel, Bibliothek des Kunstmuseums Basel, Staatsbibliothek Berlin, Klosterbibliothek

12

Vorwort

Einsiedeln, Stiftsbibliothek Einsiedeln, Diözesanarchiv Freiburg, Universitätsbibliothek Freiburg, Universitätsbibliothek und Bayerische Staatsbibliothek München, Erzbischöfliche Akademische Bibliothek Paderborn, Hauptstaatsarchiv und Landesbibliothek Stuttgart, Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Staatsarchiv Ludwigsburg, Universitätsbibliothek Tübingen, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Graphische Sammlung Städel Museum. Erich und Andreas Schäfer boten in Zwiefalten stets ihre überaus hilfreiche Unterstützung an. Ihnen sei herzlich gedankt. Ohne ein großzügiges Forschungsstipendium der Fritz Thyssen Stiftung wären die umfassenden Recherchen für diese Arbeit nicht möglich gewesen. Hierfür möchte ich der Stiftung herzlich danken. Ein Aufenthalt in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel bot mir gegen Ende der Arbeit die passenden Voraussetzungen für die Niederschrift der letzten Kapitel. Mit der Geburt von Paula und Aurelia erfuhr die anschließende Gesamtüberarbeitung dieser Untersuchung eine lebensnahe Abrundung. Während der Arbeit erhielt ich fachliche Anregungen und Hinweise von verschiedenen Personen. Zu nennen sind unter anderem Winfried Aßfalg, Professor em. Dr. Wolfgang Brückner, Professor Dr. Barbara Bauer-Mahlmann, Dr. Meinrad von Engelberg, Professor Dr. Bernd Wolfgang Lindeman, Dr. Friedrich ­Polleross, Peter Paul Stöckli (Wettingen), Dr. Werner Telesko.Vor allem der Austausch mit Professor em. Dr. Franz Quarthal war für die Einschätzung der historischen Begleitumstände erhellend. Christoph Bauer (Singen) und PD Dr. Ursula Zeuch stellten mir freundlicherweise ihre Arbeiten über das Zwiefalter Chorgestühl und über die Umkehrung der Sinneshierarchie bei Herder zur Verfügung. Danken möchte ich Dr. Ingo Seufert für die Durchsicht meiner Transkriptionen sowie vor allem Dr. Mechthild Pörnbacher, die die lateinischen Transkriptionen kurz vor der Drucklegung noch einmal gründlich prüfte. Marion Fink danke ich für die sachgerechte Unterstützung in fotografischen und gestalterischen Fragen und den hieraus entstandenen wertvollen theoretischen Rückschlüssen für die Wahrnehmung des Raumes. Dr. Rosmarie Anzenberger war die Idealbesetzung für die Übernahme des Lektorats, das vom Institut Visuelle Kommunikation (Professor Michael Renner) der HGK Basel/FHNW großzügig unterstützt wurde. Ein weiteres Lektorat erfolgte durch den Böhlau Verlag, dem ich auch für die Aufnahme des Buches in das Verlagsprogramm sowie für die gute Zusammenarbeit herzlich danke. Bettina Waringer vom Böhlau Verlag hat diese Arbeit mit großer ästhetischer Sensibilität gesetzt. Meine Hochachtung hierfür. Ein großer Dank gilt noch einmal der Fritz Thyssen Stiftung, welche die Kosten für den Druck des Buches übernahm.

Vorwort

Viele freundschaftliche Gespräche, vor allem mit Nikolaus Meier, haben zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Professor Dr. Rolf Elberfeld, Professor Dr. Thomas Lange und Professor em. Dr. Gottfried Boehm danke ich für die überaus gewogene Begutachtung der vorliegenden Untersuchung. Das bildtheoretische Fundament Gottfried Boehms, seine langjährige und großmütige Unterstützung verhalfen dieser Arbeit zu ihrer langjährigen, ursprünglich viel kürzer geplanten Geburt. Ihm gilt mein besonderer Dank. Dank Barbara, Paula und Aurelia hatte ich das große Privileg, diese Arbeit in einem glücklichen Familienumfeld fertigstellen zu dürfen. Blauen, im April 2016

13



001 Klosterkirche Zwiefalten, Innenraum (NvdM)

Einleitung

Als gäbe es einen Fortschritt, außer in der Vernetzung und Verstrickung. Arnold Stadler, Mein Stifter

Diese Studie ist wie ein Kirchenführer aufgebaut, der sich Schritt für Schritt durch einen Raum bewegt. Während jedoch ein Kirchenführer gewöhnlich wie aus der Vogelperspektive die betrachtenden Bewegungen des Besuchers lenkt und jederzeit die Herrschaft über seine Leser behalten möchte, soll diese Perspektive hier umgekehrt werden: Die Bewegungen des Besuchers durch den ­Kirchenraum werden zum Ausgangspunkt einer sich vortastenden Untersuchung über einen der erstaunlichsten Sakralräume des späten 18. Jahrhunderts. Noch heute dürfte für Besucher gelten, was Bernardus Schurr schon 1910 von einem Reisenden berichtete, der, ohne Ungewöhnliches zu ahnen, in den Raum von Zwiefalten eintrat: Er wurde „urplötzlich von Staunen ergriffen“.1 Fassade und Vorhalle durchschreitend, hielt er an der Schwelle zum Langhaus unwillkürlich inne [Abb. 1 u. 2]. Noch bevor Tiefe, Höhe und Breite des Raumes metrisch erfasst sind, eröffnet sich ein unermessliches Bilduniversum: Ein Netz aus Fresken und Gemälden tut sich auf und leitet den Blick in unterschiedlichen Bewegungen durch den Raum. Allein das die vier Joche des Langhauses verschleifende Hauptfresko füllt eine Fläche von rund 520 m2. Hierum ordnen sich kranzförmig 13 Kartuschen- und Emporenfresken, nördlich und südlich je vier von den Wänden bis an die Decken ausgestattete Seitenkapellen, ferner ein umfangreiches Kanzelprogramm und zehn reich dekorierte Beichtstühle. Hiermit ist nur das Ausstattungsvolumen des Langhauses umrissen – Vierung und Chor weisen verwandte Konstellationen auf. Nicht grundlos glaubte sich schon der Besucher des späten 18. Jahrhunderts beim Eintritt in den Sakralraum von Zwiefalten in eine „halbe Galerie“ versetzt.2 Die Benediktinerabtei Zwiefalten zählt zu den letzten Großprojekten spät­ barocker Bau- und Ausstattungskunst [Abb. 3–5]. Unter Beteiligung des Architekten Johann Michael Fischer, der Maler Franz Joseph Spiegler, Meinrad von Au und Franz Sigrist, des Stuckateurs Johann Michael Feichtmayr, des Bildhauers Johann Joseph Christian, der Orgelbauer Joseph Gabler und Joseph Martin erstreckten sich die von 1739 bis etwa 1780 dauernden Bau- und Ausstattungsarbeiten über die Regierungszeit dreier Äbte: Augustin Stegmüllers, Benedikt Mauzens und Nikolaus Schmidlers. Unter diesen nimmt der von 1744 bis 1765

002 Klosterkirche Zwiefalten, Grundriss und Aufriss (HIRMER/LIEB, bearbeitet)

1 2

SCHURR 1910, S. 86. So Johann Nepomuk Hauntinger bei seinem Besuch in Zwiefalten 1784, siehe: HAUNTINGER 1964, S. 143.

16

Einleitung

003 Ansicht der Klosters Zwiefalten kurz vor seiner Auflösung 1803, Privatbesitz Kaiser, Stuttgart (PRETSCH 1986)

3

4

Vgl. etwa die Beschreibung von Matthäus Merian d. Ä.: „Zwar man in einer Relation gefunden / dass Zwiefalten nie kein Stand / sondern ein frey / und exempt Closter deß Reichs / und demselben der Weltlichkeit halber / ohne Mittel / gleich wie die freye Reichs Ritterschafft / underworffen solle gewest / gleichwohl zu den Reichstägen beschriben worden seyn ...“ MERIAN 1643, S. 225 f. Zwiefalten zahlte an Württemberg für die Reichsunmittelbarkeit 290.000 fl. Ferner trat es die Herrschaften Neuhausen an der Erms, Kolberg, Groß-Engstringen, Oedenwaldstetten und Gefälle und Gerechtsame in 30 Ortschaften ab, insgesamt einen Kapitalwert von 360.000 fl. Dabei beliefen sich die Jahreseinkünfte des Klosters Zwiefalten auf rund 100.000 fl. Vgl. LINDNER 1910, S. 47; QUARTHAL 1990, S. 422. Dies entsprach etwa dem Jahreshaushalt des Herzogtums Sachsen-Weimar. Vgl. ENGELBERG 2005, S. 38. Vgl. zu den Ereignissen: BETZ-WISCH­­NATH/ PRETSCH 2001, S. 8.

amtierende Benedikt Mauz beim konzeptuellen Entwurf und bei der künstlerischen Ausführung der Innenraumgestaltung eine zentrale Rolle ein [Abb. 6]. 1750, also noch während der Bauzeit, erkaufte sich Zwiefalten unter enormen Kosten die Reichsunmittelbarkeit und konnte sich fortan offiziell als das titulieren, als was es unausgesprochen und durch befristete Verträge festgehalten schon seit einigen Jahrhunderten galt, nämlich als „Reichsabtei“.3 1802, also nur wenig mehr als zwanzig Jahre nach Vollendung des spätbarocken Kirchenbaus, wurde das Benediktinerkloster Zwiefalten säkularisiert. Der über vierzig Jahre dauernden Bauzeit steht somit eine nur etwa halb so lange klösterliche Nutzung des Kirchengebäudes gegenüber. Die 713. Wiederkehr der legendären Gründung Zwiefaltens im Zeichen von Mariä Geburt (am 8. September 1089) fiel auf den Tag mit der Besetzung des Klostergebietes durch württembergische Truppen zusammen.4 Zahlreiche Ausstattungsstücke wie die Hauptorgel, das Gestühl, die Glocken und einige Beichtstühle wurden ausgeräumt, teilweise nach Stuttgart abtransportiert und im Zweiten Weltkrieg zerstört. Wenige Jahre nach der Säkularisation erfolgte eine Neunutzung der Klostergebäude als psychiatrische Klinik und der Klosterkirche als Pfarrkirche. Abgesehen von fünf Skizzen (Spiegler), sechs Altarentwürfen (Straub, Feichtmayr), einem Bozetto für eine Skulptur (Christian), der lückenhaften Chronik eines Laienbruders (Baumann) zur Bau- und Ausstattungsgeschichte, außerdem einem rund fünfzig Seiten umfassenden Konvolut aus Konzeptfragmenten für die Fresken (Stuttgart, HStA, B 551, BÜ 28) sowie einigen wenigen Dokumenten wie Rechnungen, Korrespondenzen und einem Testament (Spiegler) sind keine nennenswerten Quellen zur Entstehungsgeschichte des spätbarocken Baus erhalten geblieben.

Einleitung

17

004 Kupferstich mit Ansicht des Klosters Zwiefalten: „Wir Geschwohrne Ober und Unter Meister …“, 1786, 45 x 54 cm (Gesellen­ urkunde), Auktion 103, Zeller, Dez. 2009

005 Ansicht der Klosters Zwiefalten kurz vor seiner Auflösung 1803, Privatbesitz Kaiser, Stuttgart (PRETSCH 1986)

Die zweite Ausstattungsphase (ca. 1763–1777) der Klosterkirche fiel mit dem Beginn einer Krise der monastischen Bild- und Zeremonialkultur zusammen, die sich im süddeutschen Raum und auf österreichischem Reichsgebiet mit innovativen künstlerischen Leistungen kreuzte: Entgegen der wachsenden Kritik der Aufklärung am Mönchtum, entgegen auch den Reformen Josephs II. zugunsten des Säkularklerus ließen einige monastische Gemeinschaften in beispielloser Weise Bilder zum Erhalt ihrer Rituale anfertigen. Zwei Jahre vor dem Ausbruch der Französischen Revolution brachte ein Festprediger des Klosters St. Blasien im Schwarzwald die historische Zäsur auf den Punkt: „Wir leben in einem Jahrhunderte, welches für den ganzen Mönchsstand nicht betrübender sein könnte.“5

5

Quarthal 2002, S. 63; vgl. auch STRÖBELE 2005, S. 44–92.

18

Einleitung

006 Anonym: Porträt Abt Bendikt Mauz, Ende 18. Jh., Aufgang Orgeltribüne Zwiefalten

6 7

Philipp Doll, Kapitular des Reichsstiftes Weingarten, JUBELFEIER 1789, S. 42. JUBELFEIER 1789, S. 137.

Einige Prediger suchten die heftig kritisierten üppigen Raumausstattungen spätbarocker Kirchenräume mit dem Argument zu rechtfertigen, es handle sich hierbei doch lediglich um eine „heilige Verschwendung“ im Dienst der höheren Ehre Gottes, „weit über iene Gott gefällig, wo zeitlicher Uiberfluß durch unheilige Hände und Schwelgerei im Schlamm der Sünde vergeudet wird“.6 Aber jene „heilige Verschwendung“ blieb eine prekäre Angelegenheit. Am Ende ging die gescheiterte ästhetische Rettung des Rituals nicht nur, aber auch auf eigene Kosten: Das religiös-rituelle Erleben wich im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmend einem – wenn auch ästhetisch anspruchsvollen – „religiösen Spektakel“. Insgesamt sind die historischen Entwicklungen aber weitaus komplizierter. Sehr summarisch könnte man sagen, dass sich im 18. Jahrhundert die bildenden Künste im monastischen Leben Süddeutschlands in einem Kräftefeld zwischen dem Erhalt der Rituale und der Erneuerung der ästhetischen Konzepte bewegten. Um den tradierten katholischen Ritualen weiterhin Geltung zu verschaffen, griff man zu innovativen ästhetischen Maßnahmen, die mit den internationalen Kunstentwicklungen durchaus Schritt halten konnten: Engmaschige Netze, geknüpft aus Bildern und Plastiken, wurden unter Einschluss von Musik, wohlkalkulierter Rede und Weihrauch so im Raum ausgelegt, dass sie im gläubigen Besucher ein Maximum an Lebendigkeit freisetzten. Der Rheinauer Prior Meinrad Lehner fasste die hiermit verbundene Wirkungsabsicht, die im liturgisch aktivierten Kirchenraum erzeugt werden sollte, anlässlich des siebenhundertjährigen Klosterjubiläums von Zwiefalten 1789 anschaulich zusammen. Er bediente sich dabei einer synästhetischen Metaphorik und forderte unter der Hand, die hiermit verbundene Wahrnehmung als Ausrichtung auf Gott zu begreifen: „Alles, was in die Augen fällt reizet zur Andacht, und zeigt im Kleinen die Majestät des Allerhöchsten. Der liebliche Musikton, der hier von Zeit zu Zeit angestimmet wird, erquikt die Ohren, und ermuntert das Herz zum Lobe des Schöpfers; die erhabenen Kirchengebräuche, die heiligen Zeremonien erweken in dem ganzen Menschen ehrerbiethige Gottesfurcht, die mit sanfter Liebe und kindlicher Zuversicht durchwürzet ist.“7 Bei diesem „religiösen Virtuosentum“ (Barbara Stafford) kam den körper­ lichen Bewegungsabläufen in und außerhalb der Liturgie eine tragende Rolle zu. Sie erlaubten es, das Gesehene sich einzuverleiben und als eine individuelle Form von Glaubenspraxis zu erfahren. Die Betonung lag hierbei auf dem individuellen Charakter der von der ästhetischen Erfahrung übertragenen Glaubenserfahrung. Die theologischen Voraussetzungen hierfür lieferte nicht zuletzt die ignatianische Gebetspraxis. Ignatius von Loyolas „Anwendung der Sinne“ (applicatio sensuum) als Visualisierungstechnik bei der Gebetsmeditation beabsichtigte nicht nur, ein Höchstmaß an körperlicher Lebendigkeit freizusetzen – es ging ihr auch um ein auf körperlicher Erfahrung fußendes Erkenntnismodell, das den Meditierenden affektiv auf das Schöpfungswerk ausrichtete. Ein ausgearbeitetes ästhetisches Konzept war mit den ignatianischen Meditationsanweisungen noch nicht gegeben. Doch lieferten sie das Fundament für ein leibgestütztes Erkenntnismodell, das sich hervorragend auf den Kirchenraum anwenden ließ.

Methodischer Eingang

Neben der Rhetorik und einigen anderen wirkungsästhetischen Leitmodellen floss das ignatianische Erkenntnismodell indirekt in das ästhetische Konzept des spätbarocken Sakralraumes ein:Was die Bilder und die übrigen Ausstattungs­ stücke darboten, sollte in der ritualisierten Körperbewegung Lebendigkeit erlangen. In dieser Sicht folgte der maximale Einsatz von Bildern einem persuasiven Interesse, das darin bestand, den Besucher – entgegen der zeitgenössischen Kritik – von der fortwährenden Geltung des Rituals zu überzeugen. Dabei gehörte es zu den Pointen jener Rhetorik von Raum und Bild, die Wirkungsabsicht an individuelle Handlungsmodi zu koppeln. Das Zusammenspiel von Architektur und Ausstattung sollte eine Seh- und Körperbewegung lenken, die mit der leiblichen Aneignung von Ritualen und theologischen Inhalten korrespondierte. Diesen Weg möchte die vorliegende Studie schrittweise nachverfolgen.

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Methodischer Eingang

Was man üblicherweise „Architekturanalyse“ nennt, weitet sich unter dem oben beschriebenen Blickwinkel zu einer Bewegungsanalyse aus, die auf das Zusammenspiel von Architektur und Ausstattung fokussiert. Nimmt man den häufig zitierten Gedanken Friedrich Nietzsches ernst, nach dem sich der Barockstil wie keine andere Epoche durch ein rhetorisches Wirkungskalkül auszeichnet,8 so stellt sich die Frage, wie der spätbarocke Raum unter diesen Voraussetzungen zu untersuchen wäre – und zwar einerseits im Sinn einer Adaption oder Einhaltung rhetorischer Paradigmen, die sich in Konzepten, Entwürfen und Bildprogrammen niederschlagen (Preimesberger, Büttner), andererseits aber auch im Sinn einer auf Sichtbarkeit angelegten persuasiven Technik, welche die Bewegungen des Beschauers in die affektive Formation von Raum und Bild involviert.Wenn man Werk und Wahrnehmung als zwei Seiten desselben Wirkungskalküls betrachtet, so dürften sich anhand des Wechselspiels von Raumgestaltung und Bewegungsentfaltung auch Aufschlüsse über die Grundeigenschaften der spätbarocken ­Ästhetik gewinnen lassen. Gemessen an etablierten Methoden und Perspektiven, die den spätbarocken Bau als Objekt der Baugeschichte (Hirmer), der Ikonologie (Rupprecht,Telesko) beziehungsweise als ein rhetorisches (Büttner, Hundemer) oder theatralisches (Tintelnot, Alewyn, Bauer) Gebäude betrachten, nähert sich diese Arbeit ihrem Gegenstand von einer etwas anderen Seite. Sie will aus den ritualisierten oder ­ästhetischen Körperbewegungen das Zusammenspiel von Architektur und Ausstattung rekonstruieren. Hierzu greift sie gelegentlich auf eine der oben genannten Perspektiven zurück, ohne jedoch eine von ihnen als Generalschlüssel zu verwenden. Gegen einige der oben genannten Ansätze, insbesondere diejenigen der Theatralität und der Bildhaftigkeit, werden einige Einwände formuliert werden. Und zwar nicht, weil diese Perspektiven unzutreffend wären, sondern weil man sich bei einer ausschließlich „bildhaften“ Wahrnehmung des Raumes und bei der vollkommenen Identifikation des Sakralraumes mit einem Theater fragen muss, von welchem Sakralraum, welchem Theater und welchem Bild denn eigentlich die Rede ist. Der Generalschlüssel öffnet gewissermaßen die Tür, aber zeigt noch nicht die Eigenschaften des Raumes und der Körpererfahrung. Die vorliegende Arbeit betrachtet den Raum weniger als ein von der ­Architektur vorgeprägtes metrisches Ordnungssystem, sondern als eine im Bewegungsakt erst entstehende, veränderliche Konstellation. Im Zentrum stehen die beiden miteinander verbundenen Fragen, wie sich der spätbarocke Raum an die

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NIETZSCHE [1878/79] 1988, S. 436, Nr. 144.

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SEDLMAYR 1982; RUPPRECHT 1959, S. 5– 10, 33, 39; BAUER 1992; LOERS 1976. 10 RUPPRECHT 1959, S. 33; BAUER 1960, S. 4, 71. 11 TINTELNOT 1939. 12 Ansatzweise: SEDLMAYR 1978, später HARRIES 1983 und FRANZ 1998. 13 DAMASIO 2010; JOHNSON 1987; FISCHER-LICHTE 2004; BELTING 2001; TOMASELLO 2009; STAFFORD 1991; WULF/ KAMPER 2002. 14 Vgl. den grundlegenden Aufsatz von CANCIK/MOHR 1988. Wichtig ist für die vorliegende Arbeit auch die Hervorhebung des Kinetischen für die religiöse Erfahrung bei MOHR 2004 sowie die Diskussion des Verhältnisses von Religionsphänomenologie und Religionsästhetik durch MOHN 2004. Die bei CANCIK/MOHR 1988 verhandelten Ansätze zu einer Religionsästhetik bewegen sich zwischen den Polen einer Anerkennung der grundlegenden Bedeutung sinnlicher Wahrnehmung bei der Erzeugung von Sinn (S. 132–142) und einer prätendierten Suche der Wahrnehmung nach Zeichen (142–152). Die Verknüpfung von Wahrnehmung und Zeichen („Die Religionsästhetik untersucht, inwiefern auf der sinnlichen Ebene religiöse Zeichensysteme verankert sind und sich wandeln.“ KOCH 2004, Vorwort) stellt eine verhältnismäßig schwache Bestimmung des Sinnlichen für die religiöse Erfahrung dar, weil sie die Möglichkeit der Unmittelbarkeit der sinnlichen Wahrnehmung für eine starke religiöse Erfahrung nicht vorsieht. MOHN 2004, S. 305, knüpft das Sinnliche ebenfalls an eine semiotische Dimension: „Religionsästhetik geht hierbei von einem Ästhetik-Begriff aus, der sich der griechischen Bedeutung von aisthesis annähert und den Prozess der menschlichen Wahrnehmungstätigkeit zur Grundlage der Untersuchung von Zeichenprozessen erhebt.“ Gerade der konstitutive Verweis auf Symbol- und Zeichensysteme scheint das eigentliche Potenzial der sinnlichen Wahrnehmung zu unterschätzen. In diesem Sinne betonen andere religionsästhetische Arbeiten auch die erkenntnisbegründende Funktion des Körperlichen (MÜNSTER 2001; LANWERD 2002; LANWERD 2003; POTH/ BAHR 2004; WILKE/GUGGENMOOS 2008;

performativen Akte der Besucher richtete und welche Rolle das Zusammenspiel von Architektur und Bild dabei spielt. Die kunsthistorische Forschung des 20. Jahrhunderts, die seit Hans Sedlmayr, Bernhard Rupprecht, Hermann Bauer und Henry-Russell Hitchcock unter dem Etikett „Rokokokirche“ der süddeutschen und österreichischen Sakralbaukunst des späten 18. Jahrhunderts eigene stilistische Gesetzmäßigkeiten zuzuschreiben suchte, kam unter Schlagworten wie Ikonologie, Rokoko, Gesamtkunstwerk, Theatrum sacrum und Illusionismus auch immer wieder auf den Raum zu sprechen.9 Der damit verbundenen Frage nach der körperlichen Erfahrung im Raum ging man jedoch aus dem Weg. Kinästhetischen und körperlichen Erfahrungen im spätbarocken Raum stellte sich auch die im Anschluss an Jacob Burckhardt, Heinrich Wölfflin und August Schmarsow vielfach wiederholte Formel von der „bildhaften“, „malerischen“ Wirkung spätbarocker Räume in den Weg. Wie ich zeigen möchte, führte die Konzeption des Malerischen zu einer schematischen Gegenüberstellung von Raum und Betrachter, die den Raum letztlich auf Distanz hielt und auf ineinander verschachtelte zweidimensionale Flächen reduzierte.10 In einem wesentlichen Punkt zog die Diskussion um das Bildhafte und Malerische hier keine oder aber die falschen Konsequenzen aus ihren Einsichten. Ähnlich verhält es sich mit der vor allem im Anschluss an Hans Tintelnot häufig gezogenen Parallele zwischen dem barocken Sakralraum und dem Theater.11 Wie das Konzept des „bildhaften“ Raumes verrät auch das des theatralischen Raumes nichts über den Umgang des spätbarocken Raumes mit dem Verhältnis von Architektur und Bild und ignoriert, welche Rolle Leib und Körper hierbei spielen. Ansätze, die in eine andere Richtung gehen und den barocken Bau aus der Warte prozessualer Raum- oder Seherfahrungen betrachten, wurden meist nur beiläufig zur Kenntnis genommen.12 Dies ist bedauerlich, helfen sie doch nicht nur, die Zusammenhänge von Ritual, Raum und Bild besser zu verstehen, sondern auch Aufschluss darüber zu gewinnen, wo eigentlich die ästhetisch innovativen Leistungen des spätbarocken Raumes liegen: selten, so möchte man behaupten, in spektakulären Architekturerfindungen oder Bildfindungen, eher in einer Neukombination von Bild und Raum und in einer bemerkenswerten Gewichtsverlagerung von der Architektur hin zu ihrer Ausstattung. Mit dieser Verschiebung gelang es den Bauherren spätbarocker Kirchenräume, ein so noch nicht da gewesenes Raumerlebnis zu ermöglichen Die jüngeren Arbeiten zur Bewusstseinsforschung, zum Embodiment, zur Performativität, zur (Bild-)Anthropologie und zur Geschichte des Körpers verbindet die gemeinsame Einsicht, dass jedes Wissen in körperlicher Erfahrung wurzelt und dass sich Räume nicht ohne Menschen verstehen lassen, die in ihnen handeln.13 Auch die Religionsästhetik als jüngere Teildisziplin der Religionswissenschaft bietet für unseren Zusammenhang fruchtbare Anschlussstellen. Und zwar insbesondere dort, wo sie nicht von einem konstitutiven Symbol- und Zeichensystem hinter der sinnlichen Tätigkeit ausgeht, sondern vielmehr danach fragt, wie Religion den Körper und die Sinne so aktiviert, dass hierdurch Transformationsprozesse in Gang gebracht werden.14 Letzteres scheint insbesondere auf die jüngsten Ansätze der Religionsästhetik zuzutreffen. Unter diesen Vor-

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aussetzungen scheint auch das Zusammenspiel von Bild, Raum und Körper in Sakral­räumen des 18. Jahrhunderts auf eine neue Grundlage gestellt. Der methodische Weg dieser Arbeit, den Raum von der Seite performativer Praktiken her zu betrachten, verbindet die theologischen, typologischen und monografischen Einzeluntersuchungen zum Spätbarock15 mit den jüngeren Erkenntnissen zur Bedeutung von Körperlichkeit und richtet sie auf einen gemeinsamen Nukleus aus: auf die Frage, wie der spätbarocke Raum beim Besucher eine charakteristische Form von Lebendigkeit entfacht. In diese Fragestellung lassen sich Aspekte des rhetorischen Kalküls und der barocken Inszenierungspraxis einbeziehen, ohne sie als ausschließliche Modelle zu verwenden.16 Wie erwähnt, hat diese Arbeit monografischen Charakter. Sie schließt an die Resultate der Zwiefalten-Forschung an und verbindet sie mit den Forschungen zur Barockpredigt und Liturgie.17 Von hier aus sollen die Zusammenhänge zwischen Bild, Raum und Bewegung beim ambulativen Durchschreiten des Innenraumes, bei der Beichte, der Kanzelpredigt und anderen rituellen Handlungen wie der Prozession schrittweise aufgeschlüsselt werden. Meine Beobachtungen setzen mit einer Untersuchung des barocken Prozessionswesens ein, da dieses sozusagen die liturgische Verbindung von Außen- und Innenraum darstellte. Die ersten Kapitel werden von der barocken Prozessionskultur ausgehen und nach der ästhetischen und religiösen Funktion von Bewegung als einer kollektiven Raumerfahrung fragen. Wie erwähnt, entspricht der Weg der Untersuchung einem Gang vom Außen- in den Innenraum. Dieses Durchschreiten des Raums wird an einzelnen Ausstattungsstücken verweilen, um manchmal historische, manchmal theoretische Brücken zu schlagen. Im Unterstrom fließt stets die Frage mit, ob und ­inwieweit kinästhetische und performative Bewegungen einen historischen wie methodischen Schlüssel zum Verständnis spätbarocker Räume bieten können. Ein zweites, bildtheoretisches Interesse wird diese Untersuchung begleiten. Es betrifft das Verhältnis von Bild und Betrachter, das aus Gründen der Beschreibbarkeit häufig als ziemlich starr angenommen wird. Eine Untersuchung, die das Bild aus der Perspektive wechselnder Raumerfahrungen in den Blick nimmt, wird sich bald nach anderen Bild-Betrachter-Beziehungsmodellen umsehen müssen: Manchmal schauen wir auf ein Bild und sagen, unser Blick ruhe auf ihm. Ein solcher Ausdruck trifft jedoch auf die dynamischen Seherfahrungen in ­einem Raum wie Zwiefalten nicht zu. Hier stehen wir nicht frontal oder oppositiv vor einem Bild; vielmehr finden wir uns situativ in ein komplexes Gefüge von Bildern hineingestellt, das erst in anhaltenden Bewegungsprozessen erschlossen wird [Abb. 7]. Diesen aus dem situativen Verhalten resultierenden optischen Reichtum barocker Kirchenräume beschrieb Heinrich Wölfflin einmal mit der Wendung „Unerschöpflichkeit der möglichen Bilder“. Damit trug er dem Umstand Rechnung, dass der Raum (aus der Perspektive der Wahrnehmung) nicht aus der Summe seiner Teile, sondern aus den Möglichkeiten seiner visuellen Verknüpfungen gebildet ist. Diese Unerschöpflichkeit entfaltet sich prozessual, weshalb eine einzelne Fotografie sie niemals adäquat wiederzugeben vermag: „Jede Abbildung

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TRAUT/WILKE 2015). Hinsichtlich der für die vorliegende Arbeit relevanten Frage nach der Versinnlichung religiöser Gehalte könnte sich die Religionsästhetik als fruchtbarer interdisziplinärer Bezugspunkt erweisen. Allerdings ist der vielfach zitierte Anspruch der Religionsästhetik nach Interdisziplinarität zumindest in Hinblick auf die Kunstwissenschaft noch nicht eingelöst. Voraussetzung für einen Dialog scheint die grundsätzliche Anerkennung, dass ästhetische und religiöse Erfahrung nicht ineinander aufgehen. Positionen der Religionsästhetik sind kompakt bei DÖBLER 2013, S. 162–164, in Hinblick auf dessen Konzepte für das Verständnis mystischen Denkens zusammengefasst. HERZOG 1991; LINDEMANN 1994; HECHT 1994; WEISS 1998; REUTER 2002; OECHSLIN 2003. BÜTTNER 1989; HUNDEMER 1997; BÜTTNER 2001; BROSSETTE 2002. Zum engeren Quellenbestand gehören die Predigtsammlungen zur sechsten und siebten Säkularfeier DEO GRATIAS 1689 und JUBELFEIER [o. J., 1789], die summarische Chronik zum spätbarocken Klosterbau von Bruder Ottmar Baumann, welche von E. PAULUS 1888 ediert wurde; zur Zuverlässigkeit der Quelle Baumann vgl. VAN DER MEULEN 2002, S. 431, Anm. 64, ferner zur Klostergeschichte die Ende des 17. Jahrhunderts verfasste, zweiteilige Geschichtschronik von Sulger 1690 und die mittelalterlichen Chroniken von Ortlieb/ Berthold 1978. Die übrigen Archivalien von Zwiefalten befinden sich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HStAS), vor allem in B 551 sowie B 555 u. B 554. Neben den Konzeptfragmenten B 551, Bü 28 zur Freskenausstattung ist vor allem noch das lateinisch verfasste Manuskript „Notae de Parochiis, Beneficiis, Ecclesiis, Capellis, &c: Imp: Monrii Zwifalten” (B 551, Hs. 14a) zu nennen. Zur Zwiefalter Baugeschichte: HOLZHERR 1887; PAULUS 1888; SCHURR 1910; HALDER 1995; HALDER 1997. Zur Kunstgeschichte die beiden monografischen Abhandlungen von KREUZER 1967 und ZÜRCHER 1967. Als weitere kunsthistorische Literatur sind zu nennen: VETTER 1981; BLUME/LACHMANN 1984; WUNDRAM 1985; HOSCH 1992; HALDER 1992; sowie die beiden Kunstführer von FIECHTER 1927 und SCHÖMIG 1988. Zum Chorgestühl: WEISS 1998; zu Johann Joseph

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007 Klosterkirche Zwiefalten von der zweiten südlichen Seitenkapelle aus mit Blick in den nordwestlichen Abschnitt des Langhausfreskos (NvdM)

Christian die monografischen Arbeiten von MICHALSKI 1926 und HUBER 1960; zu Franz J­oseph Spiegler: POHL 1952; KOLB 1991; zu Mein­rad von Au: BURI/BUCK 1992; zum Reli­quienschatz: SPILLING 1992. Anlässlich des neunhundertjährigen Klosterjubiläums erschien eine umfangreiche Festschrift mit vorwiegend historischen Beiträgen: PRETSCH 1990. Die Festschrift enthält einen kunsthistorischen Beitrag über das spätbarocke Münster von KUMMER 1990. Zur Restaurierung: MEYBERG 1984 sowie INGENHOFF 1982, 1987.

bleibt unzulänglich, weil auch das überraschendste perspektivische Bild eben nur eine Möglichkeit darstellt und der Reiz gerade in der Unerschöpflichkeit der möglichen Bilder liegt.“18 Wölfflins Beobachtung, dass auch der überraschendste Bildeindruck immer nur eine Möglichkeit unter anderen darstellt, formuliert eine Seherfahrung, deren Merkmal darin besteht, dass sie (bezogen auf den barocken Raum) von einem möglichen Bild(eindruck) zum nächsten übergeht. „Mögliches ist partiell Bedingtes, und nur als dieses ist es möglich“, schrieb Ernst Bloch auch mit Blick auf die Heilsgeschichte.19 An den Grenzen dieses „Bedingten“ entfaltet sich das Mögliche räumlich und zeitlich. Als Form der Wahrnehmung verläuft die Seherfahrung im Zwiefalter Innenraum prozessual, im wörtlichen Sinn schrittweise, ambulativ und von einer visuellen Möglichkeit zur nächsten. Selbst das einzelne Bild oder eine einzelne Raumansicht ruht nicht vor den Augen. Das durch den Raum ziehende Licht verändert die Bilder und Ornamente fortwährend und lenkt den Blick auf zuvor nicht gesehene Aspekte. Die Veränderlichkeit der Ansichten im Wechsel von Gehen und Sehen führt zur Möglichkeit neuer Ansichten, zur perspektivischen Verzerrung und zum optischen Aufbau eines Bildes. Veränderlichkeit beschreibt aber nicht allein eine ästhetische Erfahrung, sondern eine besondere Form des Zusammenspiels von Ausstattung und Architektur. Die Dynamik von Bild und Ornament gerät in Spannung zur architektonischen ­Firmitas.

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Der Begriff der „Möglichkeit“ erhält hierbei die Bedeutung einer ästhetischen Kategorie. Sie kennzeichnet eine Seherfahrung, die zu keinem Endpunkt gelangt. Ästhetisch betrachtet endet sie nicht im Kultbild – weshalb es auch zumindest für die Sakralräume nördlich der Alpen nicht genügt, das spätbarocke Bildermeer auf „Rahmendiskurse“ für Gnadenbilder zu reduzieren20 –, sondern präsentiert dessen Wirkungsmacht als unerschöpflich. Nicht das Erreichte, sondern das potenziell Erreichbare, aber nie zu Erreichende, nicht der einzig gültige Bildzusammenhang, sondern die möglichen Verknüpfungen zwischen den Bildern leiten Körper und Sinne von Ort zu Ort. Die komplexen Wechselbeziehungen zwischen den Künsten intendieren visuelle Überraschungen. Die Möglichkeit, nach jedem Bild stets ein weiteres geboten zu bekommen und doch nur zu erahnen, was als Nächstes kommt, kennzeichnet einen Seh- und Bewegungsprozess, der den Betrachter von einem Bild zum nächsten führt. Wie Leibniz’ unendliche Gemächer möglicher Welten oder Borges’ Biblioteca de Babel spiegelt ein solches Konzept einen Universalismusanspruch wider, der, weil er das Ganze meint, dieses nur in der unabschließbaren Möglichkeit ihrer Varianten und Teilansichten präsentieren kann. Das Wechselspiel zwischen dem Eindruck einer optischen Ganzheit, die bei näherem Hinsehen in Teilansichten und mögliche Verknüpfungen zerfällt, gehört, so möchte ich zeigen, zu den ästhetischen Pointen des Zwiefalter Innenraumes. Und wenn hier vom „Zerfallen“ oder von der „Unmöglichkeit des Überblicks“ die Rede ist, so drückt sich darin kein Mangel, sondern eine ästhetische Qualität aus. Sie besteht darin, für eine rational nicht fassbare Idee religiöser Universalität eine Bild- und Raumsyntax entwickelt zu haben, die sich immer an den Grenzen des Wahrnehmbaren bewegt. Nicht der kalte Schrecken angesichts des Erhabenen, sondern das warme Prickeln inmitten der staunenswerten Unermesslichkeit des Ganzen charakterisiert die Wirkungsabsicht spätbarocker Raumausstattungen. Diese Bemerkungen machen deutlich, dass das Verhältnis von Bild und ­Architektur unter dem Blickwinkel performativer Prozesse überaus komplex ist, weil sich das Bild nicht mehr innerhalb der metrischen Gesetze der Architektur bewegt. Vielmehr gehört es zu den bis heute faszinierenden Eigenschaften des spätbarocken Raumes, dass die Bilder an der Decke die architektonischen Gesetze nicht fortschreiben, sondern unterlaufen und überformen. Anders als in San Ignazio oder in der Capella Cornaro fordert in Zwiefalten die RaumBild-­Konstellation keine Fixierung eines idealen Betrachterstandpunkts. Bild und Ornamente wenden sich vielmehr gegen eine mathematische Anordnung architektonischer Ordnungssysteme. Sie veranlassen uns dazu, im Wechselspiel von Standort und Blick stets neue Orte aufzusuchen, unsere Gehbewegung beständig im Fluss zu halten. Unsere Blickbahnen im Raum kennen keine „Rahmenschau“, kein endgültiges Herausheben einzelner Objekte aus der Fülle des Gesehenen.21 Die Blickbahnen verlaufen auch nicht auf einer ebenen Fläche, sondern legen sich rings um unseren Körper. Als Hypothese lässt sich formulieren, dass die Bilder und Plastiken den Raum, für den sie gemacht wurden, wechselweise ein- und ausfalten, sich der metrischen Ordnung widersetzen und so eigene, neue Räume eröffnen, die auf un-

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WÖLFFLIN 1915, S. 78; hier und nachfolgend zitiert nach der zehnten Auflage WÖLFFLIN 1948 [1915], S. 88. BLOCH 1985, S. 260. GANZ 2003, S. 334–378; GANZ/HENKEL 2004, S. 26 f., 173. LANGEN [1934] 1965, S. 8 f.

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DELEUZE [1983] 1998. Vgl. KÖNIG/LUTZ 1995 sowie die Tagungen: „Geschlechter-Räume – Konstruktionen von Gender im Raum“, TU Chemnitz 1998; „Mögliche Räume“, Potsdam 2001; „Reale und symbolische Räume“, TU Berlin 2003; „Gebaute Räume. Zur kulturellen Formung von Architektur und Stadt“, BTU Cottbus, 2003; „Imaginäre Architekturen – Medium, Raum und Fiktion in Kunst und Gestaltung“, UdK Berlin 2004; „Topos RAUM. Die Aktualität des Raumes in den Künsten der Gegenwart“, Akademie der Künste, HU, Berlin 2004. Zum sog. Spatial Turn vgl. zuletzt auch BERING/ROOCH 2008, Bd. 1, Vorbemerkung, Bd. 2, S. 385–416. Die Autoren entwickeln eine Kunst- und Wahrnehmungsgeschichte des Raumes, die allerdings im Wesentlichen mit den tradierten Leitbildern und Leitkategorien der Kunstgeschichte operiert und die fragwürdige ­Intention verfolgt, die Kategorie der Zeit von der der Raumgeschichte zu isolieren. Bericht 1988; KOSELLECK 2000. FRANKL 1999; WÖLFFLIN 2001; SCHMARSOW 2001a; SCHMARSOW 2001b; http:// www.tu-cottbus.de/theoriederarchitektur/ Archiv/Autoren/Schmarsow/Schmarsow1894.htm (letzter Zugriff: 28.01.2013).

ser Bewegungsverhalten zurückwirken. In Zwiefalten verläuft unsere Bewegung nicht entlang von Bildern oder architektonischen Gliedern. Sie reagiert vielmehr auf ihr Zusammenspiel. Für die Frage nach dem Verhältnis von Bild(ern) und Raum liegt der Ausgangspunkt daher bei einer Bewegungs- und Zeitanalyse, wie sie beispielsweise Gilles Deleuze für das Bewegungsbild vorlegte.22 Mit diesen einleitenden Bemerkungen ist die theoretische und methodische Ausgangslage dieser Studie skizziert. Ihre wissenschaftsgeschichtlichen Rahmenbedingungen weichen hiervon teilweise ab: Der „Raum“ gehört neben dem „Bild“ zu den erfolgreichsten Kategorien sowohl der jüngeren Kunstgeschichte wie auch ihrer Nachbardisziplinen und wurde auf zahlreichen Tagungen und Kolloquien der beiden zurückliegenden Jahrzehnte diskutiert.23 Noch der 36. Deutsche Historikertag in Trier von 1986, zu dessen Abschluss Reinhart Koselleck über das Verhältnis von „Raum und Geschichte“ sprach, erhielt eine ungleich geringere fachübergreifende Aufmerksamkeit.24 Dies zu konstatieren führt zur Frage nach den Gründen für die Aktualität des Raumes zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Sie ist zum einen nicht neu, sondern kehrt periodisch wieder, wie sich an der sehr spezifischen Renaissance von Autoren wie Michel de Certeau und Gaston Bachelard oder an dem Darmstädter Gespräch von 1951 zum Thema „Mensch und Raum“ zeigt. Sie greift zum anderen auf die Anfänge der Kunstwissenschaft zurück, wie die Neuauflagen der Prolegomena Heinrich Wölfflins, der Entwicklungsphasen der neueren Baukunst Paul Frankls und einiger Werke August Schmarsows bis hin zu ihrer Online-Zugänglichkeit belegen.25 Die sukzessive Verlagerung kulturtheoretischer Debatten von der „Zeit“ über den „Körper“ zum „Raum“ (zum Bild) zeigt, dass sich „der Raum“ als besonders attraktiv erweist im Versuch, die aktuelle Heterogenität der Künste auf einen Begriff zu bringen und transdisziplinär zu erörtern. Ob diese begriffliche Klammer auch inhaltlich begründet ist oder vielmehr einem äußerlichen Bedürfnis entgegenkommt, sei dahingestellt. Jedenfalls gilt es, sich ebenso über Verwendungsweisen und historische Orte des Raumbegriffs zu verständigen wie darüber, dass sich ohne die Begriffe „Zeit“ und „Körper“ auch nicht viel über den Raum bzw. über Räume aussagen lässt. Es scheint, als sei Wölfflins ebenso lapidar wie kühn formulierte Frage nach dem Verhältnis von „leiblicher Organisation“ und „körperlichen Formen“ aus den Prolegomena bis heute unbeantwortet. Sie wird es wohl auch bleiben, weil sie sich stets neu stellt.Verräumlichung,Vernetzung, Digitalisierung, Globalisierung, Migration, Zuwanderung und Naturkatastrophen sind äußerliche Schlagworte, die jedoch die existenziellen räumlichen Standortbestimmungen jedes Einzelnen bestimmen. Bekanntlich charakterisierte Gilles Deleuze den Barock als die ins „Unendliche gehende Falte“ und den barocken Raum als eine nach innen hin endlos gefaltete Sphäre.26 Dies erinnert an Wölfflins Rede von der „Unerschöpflichkeit möglicher Bilder“. Die „ideale Falte“ nannte Deleuze (mit Heidegger) „Zwiefalt“ oder „,Zwiefaltung‘, ein ‚Zwischen-Zwei‘, in dem Sinn, dass sich die Differenz differenziert“.27 In diesem Dazwischen, dies scheint die zentrale Erkenntnis von Deleuze (jenseits seiner Leibnizlektüre), wo konvexe und konkave Rich-

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tungskräfte das Oberflächenkontinuum durchbrechen, keimt aus der Materie eine Temporalitätserfahrung auf, die über den physikalisch-metrischen Raum hinauswächst: „Die Falten-Materie ist eine Zeit-Materie.“28 – Wenn ein zentraler Gedanke über den spätbarocken Raum von Zwiefalten diesem Buch zugrunde liegt, dann setzt er wohl hier, bei der nicht-linearen Verzeitlichung des Raumes durch die Bewegung des Körpers an. – Dem Namen nach bedeutet Zwiefalten (mit seinen historischen Varianten „Zuiualta“ [1093], „Zwivilden“ [1135], „Zwiefaltach“ [13.–18. Jh.] und „Zwifalt“) zwiefältig, nach den zwei Flussläufen, die dem Tal seine Form gaben: „Nomen autem a duplici fluvio suscepit, quia duplex fluvius Zwifaltaha vocatur.“29 Man kann darin und in der Äußerung von Deleuze auch eine Metapher für das Vorgehen dieser Studie erblicken: die Ein- und Ausfaltungen des Raumes anschaulich auszuleuchten und theoretisch zu vertiefen.

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DELEUZE 2000, S. 197. DELEUZE 2000, S. 24, 53. DELEUZE 2000, S. 17. So die um 1135 entstandene Zwiefalter Chronik des Mönchs Ortlieb. Siehe: WALLACH/KÖNIG/MÜLLER 1978, S. 16; vgl. auch SETZLER 1975, S. 680. ZEDLER 1741, Bd. 64, Sp. 1631–1643: „In dem elften und zwölften Jahrhunderte hieß es Zwivilda, in dem dreyzehnden und vierzehnden Zwifeldaa oder Zwifuldäa und endlich Zwiefulde Duplaquium oder ad duplices acquas, wegen zwey kleiner Flüsse, die bey diesem Kloster zusammen lauffen. [...] in Reichthum und Ansehen übertrift dieses Kloster fast alle Benedictiner-Klöster in Schwaben, indem es die Carthause Gutelstein, die Probstey Mochenthal, die Schlösser und Dörfer Eberstetten, Edelwalstetten, Aychenloch, Reichenstein, sammt der Vogtey Bechingen, theils Kauf-theils Schenckungs-weise an sich gebracht. In diesem Kloster soll auch des Heil. Ertz-Märtyrers Stephans rechte Hand noch unverweset aufbehalten werden, so es von der Königin in Pohlen bekommen.“

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008 Gabriel Bucelin: Zeichnung des romanischen Klosterprospekts von Zwiefalten, 1628, WLB HB V4a, fol. 144 (PRETSCH 1990, Constantia Benedictina)

009 Anonym: Abriss und bezürckh Des Closters Zwiefalten wies Anno 1659 gebauen geweßen, 1659, Privatbesitz Bader (NvdM)

Historischer Rahmen

Der Zwiefalter Sakralbau des 18. Jahrhunderts stellte den Höhepunkt einer um 1680 einsetzenden Entwicklung innerhalb des Klosters dar, die das Ziel verfolgte, die Bedeutung Zwiefaltens unter den benediktinischen Klöstern zu steigern und es als Marienwallfahrtsort von überregionaler Bedeutung zu etablieren. Obwohl ein marianisches Gnadenbild in Zwiefalten spätestens seit 1236 in der Mitte des Kirchenschiffes zu Füßen eines monumentalen Chorbogenkruzifixes aufgestellt war und der Zwiefalter Annalist Arsenius Sulger (1641–1691) in diesem Zusammenhang auch summarisch von wundersamen Ereignissen berichtete, dürfte die Marienverehrung im Mittelalter hier nur lokale Ausmaße besessen haben.30 Das Freskenprogramm des spätbarocken Neubaus jedoch sowie die zentrale Platzierung des Gnadenbildes im Chorgitter legen die Vermutung nahe, dass eine groß angelegte visuelle Inszenierung Zwiefaltens als Marienwallfahrtsort erst das Ergebnis der historischen und politischen Entwicklungen des späten 17. und ­frühen 18. Jahrhunderts war. Zur Legitimierung Zwiefaltens als Wallfahrtsort konnte man auf die Klostergründung (1089) und auf das seither bestehende Patrozinium Mariä Geburt (8. September) verweisen.31 Schon die mittelalterlichen Chroniken Bertholds und Ortliebs hoben (wie später auch Sulger) den besonderen Schutz Zwiefaltens durch die Gottesmutter hervor. Liturgisch beschränkte sich deren Verehrung noch Anfang des 17. Jahrhunderts auf die jährlichen Marienfeste und ab 1622 auch auf ein im Chor regelmäßig abgehaltenes Marienamt.32 Wer allerdings heute die opulente Inszenierung des Zwiefalter Gnadenbildes durch die barocke Raumausstattung betrachtet, wird kaum glauben können, dass die Bedeutung Zwiefaltens als Marienwallfahrtsort im öffentlichen Rechenexempel des 17. und frühen 18. Jahrhunderts als gering eingestuft wurde: Wilhelm von Gumppenbergs sogenannter Atlas Marianus (11657) – ein umfangreicher Katalog mit 1200 verzeichneten marianischen Gnadenbildern – erwähnt in der dritten Auflage von 1673 das Zwiefalter Gnadenbild mit keinem Wort. Auch dem Jesuiten Heinrich Scherer, der auf Grundlage des gumppenbergschen Projekts zwischen 1702 und 1710 einen topografischen Atlas Marianus edierte, ist der Marienwallfahrtsort Zwiefalten nicht mehr als einen knappen namentlichen Vermerk wert. Die folgenden Bemerkungen sollen deshalb zunächst die Entwicklung Zwiefaltens im 17. Jahrhundert skizzieren, um diese dann mit den historischen Entwicklungen des 18. Jahrhunderts in Beziehung zu setzen.

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SULGER (I) 1698, S. 192. ORTLIEB/BERTHOLD 1978, S. 19, 53, 143 (verfasst 1135–1137 bzw. 1137/38); SULGER (I) 1698, S. 13–18. Vgl. zur Klostergründung auch: HALDER 1990, S. 146 f. SULGER (II) 1698, S. 214 f.

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Historischer Rahmen

010 Johann Georg Glückher/Bartholomäus Kilian:Jubiläumsstich: Arcus triumphales Regi saeculorum ob exacta feliciter bis tria saecula anno Jubileo erectus ab imperiali Monasterio Zwiefaltensi Ordines S. Benedicti simul et theologice disputatus ex Legibus ibidem Anno 1689, Kupferstich, Verbleib unbekannt, aus: LINDNER 1910, dort auch ausführliche Beschreibung durch P. Gregor Reitlehrer OSB, St. Peter, Salzburg, S. 99–102 (LINDNER 1910) 011 Detail aus Abb. 009 (LINDNER 1910)

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Vgl. für die folgenden historischen Angaben wohl zuverlässig HOLZHERR 1887, S. 127– 137; PRETSCH 1986, S. 44–50; QUARTHAL 1990, S. 402–406. VAN DER MEULEN 2002. HALDER 1990, S. 200–205; PRETSCH 1990, S. 219. Zu Christoph Raßler siehe LINDNER 1910, S. 5 f., Nr. 41.

Die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges hatten dem Kloster schwere wirtschaftliche Verluste und Verwüstungen beschert.33 Das nach dem Westfälischen Frieden (1648) unter der Amtszeit von Abt Christoph Raßler (1658–1675) einsetzende Aufblühen des Klosters, zu dem auch zahlreiche Baumaßnahmen gehörten (Klosterwestfassade, 1668–1673; Zömeterium,34 1660/62), erfuhr schon 1673 wegen des drohenden Krieges zwischen Österreich und Frankreich und den folgenden Durchmärschen bzw. Einquartierungen der kaiser­ lichen Regimenter (1674/75) wiederholte Unterbrechungen.35 Im Jahr 1679 reagierte Zwiefalten auf die politisch unsicheren Zeiten mit dem Kauf der bei Kreuzlingen im schweizerischen Thurgau gelegenen Schlösser Girsberg und Unter-Castell, die fortan einen sicheren Zufluchtsort bei Kriegsgefahr boten. Denn auch nach dem Frieden von Nimwegen (1679) war das Kloster durch drohende Kriege, Missernten und Kontributionen an das von den Franzosen besetzte Freiburg belastet. Trotzdem gelang es Zwiefalten, mit kostspieligen Bau- und Umbauarbeiten wie der Ergänzung einer südlichen Kapellenreihe am ­alten romanischen Kirchenbau (ab 1680) das bevorstehende sechshundertjährige Kloster­jubiläum vorzubereiten [Abb. 8-14]. Etwa fünfzig Jahre später (1739) wurde unter dem Abbatiat Augustin Stegmüllers der vollständige Abriss des alten und der Bau des neuen, barocken Münsters in Angriff genommen. Damit ging auch der Wunsch einher, das alte Gnadenbild aufzuwerten und zum Gegenstand einer überregionalen Wallfahrt zu machen. Die steigenden Pilgerzahlen des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts, ­welche dem Kloster zu einer frühen Blüte verhalfen, dürften auch für den Kirchenneubau als überzeugendes Argument gedient haben. Überdies stehen sie in direktem Zusammenhang mit der beabsichtigten Aufwertung des Zwiefalter Wallfahrtswesens. Arsenius Sulger zählte für das Jahr 1675 8786 Wallfahrer, 1676 verzeichnet er 10.279, 1677 waren es 10.004 und 1678 ungefähr ebenso viele. 18.261 Wallfahrer im Jahr 1686 und 18.245 zwei Jahre später zeigen, dass

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012 Titelkupfer aus SULGER 1690, um 1690 (NvdM, Universität Basel)

deren Zahl sprunghaft anstieg. 1689, im Jahr des sechshundertjährigen Klosterjubiläums, sollen es sogar 25.580 Besucher gewesen sein. Sulger nennt diese Klosterbesucher „poenitentes“ (also Büßer, Beichtende) oder „peregrini“ (Pilger), was im Übrigen den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Beichte und Wallfahrt deutlich macht.Von der Verköstigung und Einquartierung bis zu den Beichtabnahmen stellten die wachsenden Zahlen neue Anforderungen an die klösterliche Infrastruktur. Aus der 1690 in Weingarten erschienenen Festschrift zur Zwiefalter Sechshundertjahrfeier geht klar hervor, dass es sich bei den Pilgern und Beichtsuchenden im Wesentlichen um Pilger aus den benachbarten Dörfern handelte, die in „Creutzfahrten“, „Creutzgängen“ „Kirchfahrt[en]“, oder „Processionen“ gruppenweise anreisten – motiviert durch den vollkommenen Ablass, den Papst Innozenz XI. dem Kloster für das Jahr 1689 verliehen hatte, angezogen aber auch von den sinnlichen Attraktionen, welche die Feierlichkeiten versprachen.36

36

DEO GRATIAS 1690, S. 92, 110, 136, 160 sowie zum Ablass S. 9, und SULGER (II) 1698, S. 340.

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013 Titelkupfer aus SULGER 1690, Detail der schematischen Darstellung des romanischen Baus, um 1690 (NvdM)

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OECHSLIN 2003, S. 98. SENTI 2003, S. 120. WIEBEL-FANDERL 1987, S. 14 f. KOSELLECK 1972, S. XIV. Vgl. zum Folgenden auch allgemein: KOSELLECK 2000. QUARTHAL 2002, S. 52–54; QUARTHAL 2003, S. 56.

Eine Marienwallfahrt von überregionalen Ausmaßen war damit allerdings nicht erreicht. Zudem relativieren sich die beeindruckenden Pilgerzahlen, die Zwiefalten im Laufe des 17. Jahrhunderts verbuchen konnte, wenn man sie mit den Besucherzahlen Altöttings oder Einsiedelns vergleicht. So sind in Einsiedeln für die Mitte des 17. Jahrhunderts jährlich 80.000 Pilger überliefert.37 1729 haben am Fest der Einsiedler Engelsweihe rund 130.000 Pilger teilgenommen, wenn man vom Verkauf von Wallfahrtsmedaillen auf die Besucherzahlen schließen darf.38 Altötting berichtet für das Ende des 18. Jahrhunderts von jährlich bis zu 200.000 Beichten.39 Der welt- und heilsgeschichtliche Rang, der aus solchen Zahlen abgeleitet wurde, war erheblich und erklärt die akribische Buchhaltung. Wollte sich Zwiefalten als überregionaler Wallfahrtsort etablieren, musste es sich an den Wallfahrtsraten jener bedeutenderen Pilgerstätten messen. Spieglers Langhausfresko lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass sich Zwiefalten keck in die ruhmreichen und geschichtsträchtigen Wallfahrtsorte Rom, Altötting und Einsiedeln einzureihen suchte. Die historischen Rahmenbedingungen, die das gesamte vorderösterreichische Territorium betrafen, stellten sich zu diesen Absichten allerdings bald quer. Die Entstehung des spätbarocken Münsters von Zwiefalten (1739–1780) fiel in die Zeit eines historischen Wandels der monastischen Bild- und Zeremonialkultur, die Reinhart Koselleck in anderem Zusammenhang bekanntlich als „Sattelzeit“ charakterisiert hat.40 Wird im Allgemeinen der epochale Wendepunkt dieser Epoche mit der Französischen Revolution und der Säkularisation festgelegt, so ging diesen Eckdaten eine von der Aufklärung geprägte Übergangsperiode voraus, die im sakralen Bereich zu einer Veränderung des Ritual- und Gottesdienstverständnisses führte. Wie keine andere Gesellschaftsgruppe waren die Mönchsgemeinschaften von den historischen Umbrüchen dieser Zeit betroffen. Sie hatten jahrhundertelang die Kultur Europas maßgeblich beeinflusst, gerieten aber ab etwa 1750 ins Visier einer wachsenden Kritik. Die südwestdeutschen Klöster, selbst zum Teil Gründungen von Reformbewegungen, standen um die Mitte des 18. Jahrhunderts in einem komplexen Beziehungsgefüge aus weltlicher, katholischer und ordensimmanenter Aufklärung. Abhängig von ihrer politischen, territorialen und historischen Bedeutung, reagierten sie hierauf auf sehr unterschiedliche Weise. So ist es zwar möglich, Zusammenhänge zwischen der Strömung „Aufklärung“ und der Ausstattung sakraler Räume herzustellen. Diese lassen sich jedoch nicht auf einen einheitlichen Nenner bringen und sind häufig auch nicht in einem einfachen Sinne „kausal“ zu nennen. Die Kritik der Aufklärung am Mönchtum betraf neben den Vorwürfen des Müßiggangs, der wirtschaftlichen Nutzlosigkeit für den Staat und der Disziplinlosigkeit auch den des unangemessenen Gebrauchs von Bildern und opulentem Schmuckwerk, den sie in Kontinuität mit dem spätmittelalterlichen Ritualverständnis zum Erhalt der christlichen Rituale aufboten und der vonseiten der Kritiker zunehmend als „theatralisch“ und verschwenderisch empfunden wurde. Der Berliner Verleger Friedrich Nicolai (1733–1811), wiewohl er mit den Äbten Martin Gebert und Moritz Ribbele von St. Blasien zeitweise in regelmäßigem Briefwechsel stand,41 fand die religiösen Rituale durch die übermäßige

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014 Stifterrelief aus der Kapitelskapelle Zwiefalten mit schematischer Darstellung des romanischen Baus, 1715 (PRETSCH 1986)

Verwendung von Bildern und Kostümen auf „geistliche Puppenspiele“ reduziert. Der liturgische Zelebrant schien ihm zu einem „Schauspieler“ verkommen, der, „gekleidet wie ein Kastrat in der Oper, mit einem reichen Theaterkleide“, in geradezu lächerlicher Weise die Rituale und Sakramente vollzog.42 Eine 1781 in Augsburg beobachtete katholische Prozession empfand Nicolai bloß noch als fragwürdiges Puppenspiel: „So trugen sie die kindliche aufgeputzte Puppe, unter dem Schalle von Trompeten und Glocken in die Stadt herum [...] und all das sollte Gottesdienst seyn! Es heißt leider! ein solcher elender Umgang oder Wallfahrt, wo allerley unnütze Sachen in einer Stadt oder gar übers Land herumgeschleppt werden, noch bis auf den heutigen Tag in der ganzen katholischen Welt, Gottesdienst; und wenn an solchen Processionen irgend einige ungereimte Umstände abgeschaft werden, so werden schon die Worte Aufklärung und Reformation laut. [...] Wie finster mußte es im katholischen Augsburg aussehen, wenn man erst im Jahre 1783 einsehen lernte, wie widersinnig es ist, ein Grab herumzutragen, und doch glaubt, irgend ein Herumtragen könne Gott besonders angenehm seyn.“43

Diese Äußerung spiegelt auch ein sich wandelndes Gottesdienstverständnis ­wider, das um 1760 einsetzte und sich liturgisch von den üppigen Inszenierungen der katholischen Reform deutlich abzuheben suchte. Die Geistlichen Ratsprotokolle der Diözese Konstanz von 1784 sollten etwa den übermäßigen Gebrauch von Bildern, Statuen und Schmuckwerk regulieren mit dem Ziel, diese nach und nach aus dem Kirchenraum zu entfernen.44 Wie andere Aufklärer, so befürwortete auch Friedrich Nicolai die antimonastische Reformpolitik Maria Theresias und Josephs II. zugunsten des Säkularklerus

42 NICOLAI [1786] 1984, S. 135. 43 NICOLAI [1786] 1984, S. 136–138. 44 Vgl. KIMMINICH 2003, S. 999 f. Allerdings zeigt sich an Friedrich Wilhelm Schellings nur wenige Jahre später formulierter Forderung, sich bei der „vollkommenen Vereinigung“ der Künste durch die Oper am „idealen Drama“ des Gottesdienstes zu orientieren, dass auch nach der Säkularisation eine klare Trennung von „Theatralität“ und „Gottesdienst“ keineswegs allseits vorausgesetzt wurde. SCHELLING [1802/03] 1985, S. 564.

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QUARTHAL 2002, S. 66. Vgl. zuletzt HAUB 2003, S. 79. GABOR 2003, S. 990 mit weiterer Literatur; KIMMINICH 2003, S. 1001 f. 48 QUARTHAL 2002, S. 64 f. 49 QUARTHAL 2002, S. 74 f. 50 Zitiert nach QUARTHAL 2002, S. 63. 51 JUBELFEIER 1789, S. 28. 52 Vgl. zu diesem Ereignis am ausführlichsten: QUARTHAL 1990, S. 422 f.

und des Pfarreiwesens. Für die Zeit ab den späten 1750er-Jahren kann man daher mit einigem Grund sagen, dass die vorderösterreichischen Konvente in einer Art Endzeitstimmung zu leben begannen, die auch die Mönche von Zwiefalten zu spüren bekamen.45 Ab 1762 arbeitete die Böhmisch-Österreichische Hofkanzlei an Vorschlägen zur Verminderung der Zahl der Mönche, denen im Rahmen der josephinischen Klosteraufhebungen (je nach Zählung) 28 Klöster in Vorderösterreich zum Opfer fielen. 1767 und 1773 führte der politische Druck, den die katholischen Könige auf Papst Clemens XIV. ausübten, zunächst zur Aufhebung des Jesuitenordens.46 Ihr folgte auf Veranlassung Josephs II. das Verbot geschlossener Wallfahrten und Prozessionen (1772/77) auf österreichischem Reichsgebiet sowie des Mittragens von Fahnen und Prozessionsfiguren in prunkvoller Kleidung (1781).47 Mit dem Beginn der Alleinherrschaft Josephs II. (1780) verschärfte sich die antimonastische Politik. Die Aufhebung (1782/83) von mehr als tausend Klöstern und Stiften aller Ordensgemeinschaften auf österreichischem Herrschaftsgebiet wurde durch einschränkende Bestimmungen zum Besuch des Klostergottesdienstes und die Auflösung sämtlicher Laienbruderschaften flankiert.48 Im Jahre 1783 zwang Joseph II. die vorderösterreichischen Abteien, denen Abt Nikolaus Schmidler von Zwiefalten zu jenem Zeitpunkt als Präses vorstand, aus der oberschwäbischen Kongregation auszutreten, sodass nur noch eine Rumpfkongregation aus den Reichsabteien Weingarten, Isny, Ochsenhausen, Zwiefalten und Petershausen übrig blieb. Innerhalb der Kongregation wurden die Entwicklungen mit der neuen Gesinnungslage gegen das Mönchtum heftig diskutiert.49 Insgesamt empfanden die Äbte der großen Klöster Vorderösterreichs diese Neuerungen als so „miserabel“, dass sie in ihnen schon den „gänzlichen Untergang“ der monastischen Kultur sich abzeichnen sahen, und ein Festprediger des Klosters St. Blasien äußerte im Jahr 1783: „Wir leben in einem Jahrhundert, welches für den ganzen Mönchsstand nicht betrübender sein könnte.“50 Man kann die Festpredigten anlässlich des siebenhundertjährigen Jubiläums von Zwiefalten als ein Symposium zur Standortbestimmung lesen. So war mit Pater Karl Alois Nack (1751–1828) von Neresheim ein Vertreter der Aufklärung eingeladen, während Pater Philipp Doll von Weingarten die sogenannten Aufklärer mit starken Tönen als „Religionsspötter“ kritisierte.51 Aufgrund der im Jahre 1750 teuer erkauften Reichsfreiheit war Zwiefalten von den Reformen in den angrenzenden vorderösterreichischen Territorialgebieten zwar nur mittelbar betroffen.52 Doch beeinflussten die veränderten politischen Rahmenbedingungen und die Kritik der Aufklärung am Mönchtum die Stimmungslage während der späteren Ausstattungsarbeiten. Reichsunmittelbarkeit (1752) und Kirchenneubau hatten Zwiefalten finanziell stark belastet, was wohl die Verzögerungen bei der Fertigstellung des Baus erklärt. Zum Zeitpunkt der Weihe im Oktober 1752 waren weite Teile des Kirchenraumes (Kapellen, Kanzel, Beichtstühle,Vorhallenfresken, Emporenfresken) unvollendet, bzw. noch nicht vorhanden. 1753 verließen mit Christian, Spiegler und auch Feichtmayr die wichtigsten Künstler die Baustelle. Zeitlich fiel die Aufnahme Zwiefaltens unter die Kreis- und Reichsstände (1751) mit Spieglers Arbeit am Langhausfresko zusammen – und das Thema des Langhausfreskos lässt sich auch als eine Apolo-

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gie auf die unverwüstliche Wirkungsmacht von Gnadenbildern verstehen. Mit dem wiederkehrenden Motiv der Proskynese weltlicher Herrscher vor marianischen Gnadenbildern erinnert das Fresko eindringlich an die tradierten Pflichten der Landesherren, Fürsten, Herzöge und Könige, klösterliche Besitztümer und christliche Rituale zu respektieren und zu schützen. Deutlicher noch reagiert Franz Sigrists Vorhallenfresko rund zwölf Jahre später (um 1763) auf die Ereignisse des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) und nimmt mit dem niederfahrenden Zwiefalter Schutzengel die drohenden Folgen vorweg, die all jene treffen würden, die der klösterlichen Güter habhaft werden wollten. Aber auch die übrigen Ausstattungsstücke (1760–1775), etwa die mit Tropfsteinen und Moosen überwachsenen Altäre und Kanzeln oder die ruinenartigen Grottenbeichtstühle, spiegeln in ihrem Erscheinungsbild die historischen Auflösungsprozesse und indirekt die wachsende Kritik am christlichen Ritual wider. Emblematisch verkürzt bringt einer der Grottenbeichtstühle den zusammenbrechenden Tempel mit der Verletzung des klösterlichen Besitzrechts in Verbindung. Hans Sedlmayrs Rede vom Rokoko als „letzte[r] große[r] Einheit“ (von Heils- und Weltgeschichte), die unsere Auffassung vom Spätbarock bis heute prägt, vergisst, unter welch erschwerten Bedingungen man sich den Eindruck ästhetischer Leichtigkeit in spätbarocken Sakralräumen abrang.53 Die neu erbaute Wallfahrts- und Klosterkirche Zwiefalten erfüllte ihren Zweck wenn überhaupt nur für wenige Jahre. Überspitzt formuliert, wurde ein eben erst installierter und überaus aufwendiger Marienkult nahezu zeitgleich wieder ausgehöhlt. Deshalb trifft die Äußerung Hans Dünningers, dass die südwestdeutschen Wallfahrtsstätten „nur die Gehäuse für ein reiches Angebot an religiös fundierten Festen mit brillanten Arrangements [...]“ gewesen seien, auf Zwiefalten nur noch der Intention nach zu.54 Beschrieb die Jubiläumsschrift zur Sechshundertjahrfeier Zwiefaltens (1689) die Festlichkeiten mit unzähligen Details zur Festprozession, die nur eine schwache Ahnung vom tatsächlichen Aufwand vermitteln, so ist von den „Bittgängen“ anlässlich der Siebenhundertjahrfeier (1789) nur noch mit einigen wenigen nüchternen Sätzen die Rede.55

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SEDLMAYR [1948] 1955, S. 51–53, 144–146. DÜNNINGER 1981, S. 409. JUBELFEIER 1789, Vorrede.



1 Prozession und rituelles Handeln

Nicht erst das 17. und 18. Jahrhundert kennen Formen des christlichen Rituals im Stadt- oder Naturraum wie Prozessionen, Wetter- und Glockenläuten, das Aufstellen von Kreuzen an Weggabelungen, die Errichtung von Kreuzwegen und Weihnachtskrippen.56 Solche Ritualformen wurden auch als Kommunikationsmedien zwischen profanen und sakralen Lebensbereichen gedeutet und die ­religiöse Prozession in diesem Verständnis als Medium der Sakralisierung pro­ faner Räume.57 So zeigte Gerhard Wolf an frühmittelalterlichen römischen Prozessionskulten der Laetaniae septiformis und maior, wie durch das Umhertragen des Gnadenbildes „Salus Populi Romani“ für die ganze Stadt eine vom Papsttum geförderte marianische Schutzherrschaft errichtet wurde, die dann auf das architektonische Ambiente von Santa Maria Maggiore zurückwirkte.58 Allerdings belegte diese Untersuchung auch, dass eine scharfe Trennung zwischen „profan“ und „sakral“ für ein genaueres Verständnis ritueller Praktiken nicht unbedingt hilfreich ist. Nicht nur, weil sich in religiösen rituellen Handlungen auch jederzeit soziale Hierarchien und machtpolitische Interessen ausdrücken, sondern auch, weil jene Rituale oft tief in die profanen Lebensbereiche und Alltags­ praktiken hineinreichen. Rituelle Praktiken werfen einen Außenblick auf Alltagshandlungen, weil sie dazu verhelfen, den eigenen Alltag sinngebend zu ordnen, als bedeutungsvoll zu gestalten und wahrzunehmen. Andere Rituale wiederum – keineswegs alle – ermöglichen ein Handeln in Ohnmachtsituationen, etwa das Wetterläuten.59 Mit unterschiedlichen Akzentsetzungen wertete die Anthropologie im Anschluss an die frühen Studien David Émile Durkheims, Arnold van Genneps und anderer die teils gesteuerten, teils gewählten Rituale als kollektive Formen der Lebensbewältigung (Mary Douglas, Jonathan Z. Smith).60 Diese Einschätzung kann allgemein betrachtet auch für die katholischen Rituale des 17. und 18. Jahrhunderts gelten. Um jenseits scharfer Demarkationslinien zwischen „profan“ und „sakral“, „Macht“ und „Unterwerfung“ ein differenziertes Bild des Rituals als einer Form des Austausches zwischen Individuum und Gemeinschaft, zwischen sakralen und profanen Lebensbereichen zu zeichnen, wurden aus anthropologischer und ethnologischer Sicht vor allem dessen kommunikative und performative Aspekte hervorgehoben. Hierbei ging es auch darum, jenseits des schematischen Begriffspaares „profan“ – „sakral“ danach zu fragen, wie diese Lebensbereiche durch rituelle Handlungen miteinander verbunden sind. Im Rückgriff auf John Austins Sprechakttheorie und Wittgensteins Bemerkung, dass etwas Sagen stets auch ein

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KIMMINICH 1989. FELBECKER 1995, S. 155–157; SCHOLTEN 1995, S. 120. 58 WOLF 1990. 59 Vgl. HAHN 2010, S. 52–52. 60 Vgl. hierzu BELLIGER/KRIEGER 2003, bes. S. 17; BROSE/MICHAELS/SCHRODE 2013, S.  15.

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61 Vgl. TAMBIAH 1990, S. 65–75. TAMBIAHs jüngere Forschungen gehen auf Arbeiten der 1970er- und 1980er-Jahre zurück; TURNER [1982/89] 2002, S. 193–209. 62 WALSDORF 2013. 63 Vgl. LATOUR 2011. 64 BELLIGER/KRIEGER 2003, S. 26; vgl. auch WIRTH 2002, S. 36. 65 Vgl. AUSTIN 2002. 66 Vgl. Baumann, ed. PAULUS 1888, S. 183 (1752, Neuaufstellung des Gnadenbildes, Fest des hl. Aurelius), 186 (1753, Titularfest am 8. Sept., erste Prozession im Kirchenraum). Die Baugeschichte Baumanns wurde zuerst 1888 von Eduard Paulus, dann von SCHURR 1910 herausgegeben, der die Quelle aber von Paulus übernimmt. Ursprünglich im Privatbesitz von Paulus (vgl. HUBER 1948, S. 24, 149), ist die Quelle heute verschollen, sodass nachträgliche Veränderungen nicht mehr geprüft werden können. Im Folgenden zitiert nach PAULUS 1888.

Handeln bedeutet, profilierten Stanley Tambiah und Victor Turner den Ausdruck „rituelles Handeln“ bzw. „ritueller Prozess“ gegenüber dem eher statischen Begriff des Rituals.61 Dies nicht nur, um den temporalen Charakter des Rituellen hervorzuheben, sondern auch, um deutlich zu machen, dass das Ritual ein aktives Handeln mit einschließt und nicht bloß vom Ausübenden stumpf erfüllt oder ausgeführt wird. Auf den aktiven Charakter des rituellen Handelns ist es zurückzuführen, dass die im Alltag erlebten Oppositionen von Mensch und Gemeinschaft, von Mensch und Raum durch das Ritual für eine gewisse Zeit außer Kraft gesetzt werden. Die Differenzierungen Tambiahs,Turners und anderer warfen ein neues Licht auf die Präsenz ritueller und teilweise stereotyper Performanz in allen Lebensbereichen (Sportereignisse, Grußformeln etc.).62 Und sie hoben auch eine zentrale Eigenschaft des rituellen Handelns hervor, nämlich dass rituelles Handeln religiöses, soziales oder historisches Wissen nicht nur konstatiert oder abbildet, sondern im performativen Akt selbst auch erzeugt und realisiert. Erst die rituelle Handlung verleiht dem Ritual Bedeutung. Sie bedarf deshalb auch keiner Verifikation außerhalb des Rituals. So wird das rituelle Wetterläuten nicht deshalb ungültig, weil es keinen Schutz bei Unwetter gewährt. Das Ritual erhält seine Bedeutung bereits im rituellen Handeln selbst, dem Läuten der Glocke. Oder, um zu unserem Thema zurückzukehren: Die Prozession bildet die sozialen ­Hierarchien nicht einfach ab, sondern gestaltet sie und bringt sie selbst mit hervor. Vielleicht ist dies die am schwersten zu ergründende, weil zirkuläre Seite des Rituals: Rituelles Handeln bringt Neues hervor, ohne Innovation, Bruch oder Revolution anzustreben. Es erneuert, ohne das Neue zu wollen.63 Im Erneuern bestätigt es das Bestehende nicht nur, sondern autorisiert dessen Bedeutung. Es verleiht nicht-sichtbaren Strukturen oder Vorstellungen durch Performanz Gestalt. Es bringt das Nicht-Sichtbare als Faktum hervor. „Die Tat ist der Beweis […]. Die rituelle Aussage ist zugleich ihre Geltung und nicht bloß ein Anspruch darauf.“64 Mit John Austin gesprochen, sind rituelle, performative Handlungen illokutionär, weil ihr Wahrheitswert nicht mit einer Aussage über die Welt steht oder fällt, sondern die Handlung eine Realität erzeugt.65 Rituelle Handlung (Präsenz) und rituelles Wissen (Repräsentation) fallen im Ritual zusammen. Die folgenden Bemerkungen nehmen diese Perspektive auf rituelle Performanz auf und wenden ihre teilweise abstrakten und allgemeinen Überlegungen auf einen konkreten Fall an: auf die Barockprozession des späteren 17. Jahrhunderts. Für das Territorialgebiet des Klosters Zwiefalten sind drei herausragende Prozessionen überliefert, die in diesem Kapitel genauer betrachtet werden sollen: die Salutationsprozessionen anlässlich der Translationsfeiern der Katakombenheiligen Exuperia (1669) und Vitalis (1685), deren Abläufe in der lateinischen Chronik Arsenius Sulgers dokumentiert sind; dazu die Triumphprozession zur Sechshundertjahrfeier des Klosters (1689), festgehalten in der 1690 in Weingarten erschienenen Jubiläumsfestschrift.66 Mit dem Rückgriff auf diese Quellen lassen sich die Strukturen und der Verlauf der Prozessionen recht gut rekonstruieren, obwohl sich schon bei der ersten Sichtung der Quellen eine kaum zu überwindende Schwierigkeit abzeichnete: Kennzeichen der Prozessionsbeschreibungen

1 Prozession und rituelles Handeln

aus den Chroniken,Translationsberichten und Festpredigten scheint stets eine redaktionelle Restrukturierung der (zum Teil turbulenten) Ereignisse zu sein. Wir erfahren dabei wenig über die neben den Ordnungsfaktoren der Prozession nicht minder interessanten Affekthandlungen, Konfusionen und Emotionsausbrüche, die offenbar für das Protokoll herausgefiltert wurden und bloß noch zu erahnen sind. Überblickt man die drei erwähnten Prozessionen, so scheinen sie die Überlegung zu bestätigen, dass das Ritual seinen Sinn bereits aus der rituellen Handlung selbst bezieht: Der prozessionale Einzug der Katakombenheiligen Exuperia und Vitalis in Zwiefalten verlieh den römischen Märtyrern Lebendigkeit und bestätigte jenseits der vorausgegangenen Approbationen ihre (oftmals zweifelhafte) Authentizität. Hierzu wurden die Modelle der Salutationsprozession und des Adventus zur Begrüßung lebender Herrscher auf Empfang und Ankunft der Katakombenheiligen übertragen. Dass die Leiber der Märtyrer tot waren, ihre Körper sich durch die prozessionalen Bewegungen aber in das Leben eingliederten, machte die Bedeutung der Translationsprozessionen aus. Ich werde an späterer Stelle genauer darauf eingehen, wie sich im Detail dieser Schwebezustand zwischen Leben und Tod, diese eigentümliche Form des „gestorbenen Lebendigseins“ in den Inszenierungen der Katakombenheiligen im Sakralraum des 18.  Jahrhunderts niederschlägt. Bei der Triumphprozession anlässlich des sechshundertjährigen Bestehens von Zwiefalten liegen die Dinge anders: Hier ging es vor allem um die Verkörperung von Geschichte, wobei die Prozession (im Sinn der oben zitierten Äußerungen Tambiahs und Turners) das propagierte Geschichtsverständnis erst als einen kollektiven Wissensraum hervorbrachte. Die prozessionale Bewegung des gemeinsamen Durchschreitens von Triumphpforten realisierte dabei ein raumzeitliches Geschichtsmodell, das im Durchlaufen von „Schwellenphasen“ (Arnold van Gennep) – allen politischen Schicksalsschlägen und Naturkatastrophen zum Trotz – die historische Kontinuität des Klosters anschaulich vor Augen führte und bestätigte.67 Die Prozession simulierte dabei eine räumlich erfahrbare historische Kontinuität. Beiden Typen, Salutationsprozession wie Triumphprozession, ist gemeinsam, dass sie ihre Teilnehmer durch die rituellen Handlungen mit dem Ereignis in Einklang bringen. Näher betrachtet besitzen die drei Prozessionen weitere gemeinsame Eigenschaften, die ich im Voraus kurz skizzieren möchte: Zum einen vollzogen sie alle die dramaturgische Bewegung der Schleife. Sie gingen vom Kircheninnenraum aus und schritten dann einen Parcours im Außenraum ab, um den feierlichen Umgang am Ende wieder im Sakralraum kulminieren zu lassen.Weshalb wurden Ausgang und Ziel hierbei nicht als identisch erlebt? Die Richtung dieser Frage führt bereits eine These mit sich: Die Bewegungsform der barocken Prozession ist eine des temporalen Übergangs, eines „Rite de passage“ (van Gennep), dem es nicht um einen lapidaren Ortswechsel geht. An den rituell ausgetragenen Ortswechseln wurden vielmehr Veränderungen, historische Zäsuren oder die Erinnerung an sie leiblich erfahren und schrittweise nachvollzogen. Akteure und Adressaten waren bei diesen rituellen Handlungen in der Regel eins, was

67 VAN GENNEP [1909] 2005, S. 28.

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Vgl. FELBECKER 1995, S. 151–172. Dieses Dreierschema wurde in der Ethnologie auch für andere Rituale beobachtet und mit Begriffen wie „Absonderung“, „liminale Phase“ und „Reintegration“ (van Gennep) oder „Eintritt“, „Handlung“ und „Austritt“ (Mauss) beschrieben. Vgl. TAMBIAH 2002, S. 237. Vgl. hierzu jüngst AMBOS/WEINHOLD 2013. KUBLER 1982, S. 133. Allgemein einführend in die Thematik: Hans Peter HAHN 2005 u. KÖNIG 2005. Die folgenden Bemerkungen stehen auch im Kontext von Bruno Latours Überlegungen zu Objekten und Dingen als „Akteuren“. LATOUR 2007, S. 125 u. 127: „Neu für Soziologen der Assoziationen ist nicht die Vielfalt der Objekte, die jeder Handlungsverlauf in seinem Gefolge mobilisiert – niemand hat je bestritten, dass sie zu Tausenden da sind; neu ist, dass Objekte plötzlich nicht nur als vollgültige Akteure hervorgehoben werden, sondern auch als das, was die kontrastreiche Landschaft erklärt, von der wir ausgegangen sind: den Abgrund der Ungleichheiten, die gewaltigen Asymmetrien, die erdrückende Ausübung von Macht. […] Als hinge ein Fluch über den Dingen, verbleiben diese schlafend wie die Dienerschaft eines verwunschenen Schlosses. Doch sobald sie vom Bann erlöst werden, beginnen sie sich zu regen, zu recken und zu murmeln. Sie fangen an, in alle Richtungen auszuschwärmen, schütteln die menschlichen Akteure, wecken sie aus ihrem dogmatischen Schlaf.“

bedeutet: Man „spielte“ vor allem auch für sich selbst. Der Einzelne und die anderen schlossen sich in der prozessionalen Bewegung zu einer Interessengemeinschaft zusammen, die einen liturgischen Spannungsbogen, bestehend aus Ausgangspunkt (Eröffnung),Weg (Zug) und Ziel (Abschluss), abschritt.68 Hierzu gehörten dramaturgische Schleifen, Sequenzierungsregeln, Redundanzen und Verschiebungen im Gebrauch ritueller Gegenstände. Der gemeinsame Akt der Prozession diente unter anderem der visuellen Bestätigung kirchlicher, klösterlicher und weltlicher Ordnungen, aber auch der Gemeinschaftsbildung und der Vergegenwärtigung von Aspekten der Welt- und Heilsgeschichte. Ein von Ritualtheorien vergleichsweise wenig beachteter Aspekt soll im Mittelpunkt der folgenden Erörterung stehen: Bei den barocken Prozessionen kommen rituelle Gegenstände als parergonales Beiwerk der Prozession zum Einsatz, etwa Kulissen, Bilder, Fahnen, Stangen etc. – Objekte, die hier „rituelle Werkzeuge“ genannt werden sollen. Einige dieser Gegenstände dienten dazu, das rituelle Ereignis zu „rahmen“ und aus dem Alltagskontext herauszuheben.69 Die Bezeichnung beschreibt ein Paradox, denn die Rede vom Werkzeug lässt an einen mehr oder weniger perfekten Gegenstand denken, der wie ein Instrument oder Werkzeug durch höhere oder geringere Präzision seinen Dienst besser oder schlechter erfüllt. Aber die Qualität des rituellen Werkzeugs entscheidet sich nicht an der Präzision seiner wiederholten Herstellbarkeit, sondern an der präzisen Repetition seines Gebrauchs. Die Bedeutung des rituellen Werkzeugs liegt in seinem wiederholten Gebrauch. Ähnlich einem Blindenstock ist beim rituellen Werkzeug keine besonders artifizielle Ausführung nötig, damit es seinen „Dienst“ erfüllt – wobei mit „Diensterfüllung“ das rituelle Werkzeug nicht hinreichend genau beschrieben ist. Sein häufig artifizieller Charakter, seine künstlerische Ausgestaltung, seine Ornamentierung deutet nämlich noch auf einen anderen Aspekt hin, der für die Rolle des Objekts im Ritual- bzw. Liturgiekontext wesentlich ist: Das rituelle Werkzeug wird nicht einfach verfügbar gemacht oder einem Dienst unterworfen, es ist kein lebloses, auf bloße Nützlichkeit reduziertes Ding, sondern erzeugt eine „emotionale Erfahrung“ (George Kubler).70 Das rituelle Werkzeug ist ein besonders starkes Beispiel für die Genese von „Dingbedeutung“ innerhalb einer materiellen Kultur.71 Dem rituellen Werkzeug wird ein Potenzial zum Eigenleben und damit auch zur Eigenwirkung zugeschrieben. Es kann „ermächtigen, ermöglichen, anbieten, ermutigen, nahelegen, beeinflussen, verhindern, autorisieren, ausschließen“.72 Für das rituelle Werkzeug gilt, dass es als Akteur etwas mit seiner Umgebung tut und den sozialen Sinn einer Gemeinschaft erzeugt, mit erzeugt – und das nicht bloß, weil ihm dies von Menschen zugestanden wird. Das rituelle Werkzeug kann den Prozessionsteilnehmer zur aktiven Teilnahme an einer Prozession autorisieren. Durch das rituelle Werkzeug entsteht eine Verbindung zwischen dem Prozessionsteilnehmer und der Prozession. Auf diesem Wege kommt es zu einer Aneignung der übergeordneten Intentionen der Prozession, wie Memoria, Bestätigung eines Sozialgefüges etc. Dies ist möglich, weil das rituelle Werkzeug im Akt der Prozession zugleich Gebrauchswie auch Repräsentationsobjekt ist. Das rituelle Werkzeug differenziert die Prozession nach verschiedenen Richtungen hin; seine Wirkungsmacht erklärt sich

1 Prozession und rituelles Handeln

nicht notwendig aus einer überragenden künstlerischen Qualität. Der Einsatz von Bildern, Fahnen etc. war vielfältiger Natur und lässt sich nicht auf eine generelle Formel bringen. Ich möchte deshalb mit einigen vagen, eher skizzenhaften Thesen beginnen, um sie anschließend schrittweise zu vertiefen. Sie lauten: Die in die Prozession einbezogenen Bilder und rituellen Gegenstände bezogen ihre Wirkung vor allem aus der physischen Koppelung von „Bild“ und Bildträger. Diese Koppelung von Bild und Trägersubjekt führte zu einem Akt der wechselseitigen Animation und Belebung: Fahnen und Prozessionsstangen bewegen sich in dem Maße, wie der Träger durch seine Eigenbewegung das rituelle Werkzeug in Bewegung versetzt. Vor allem das (anthropologisch tief verwurzelte) Tragen von Fahnen (Labara) erlaubte es, den Gläubigen unmittelbar einzubeziehen und dabei die statische Prozessionsordnung als eine ebenso lebendige wie rituelle Handlung erscheinen zu lassen. Mittels der Fahne wuchs der Fahnenträger sozusagen über sich selbst hinaus. Sie wurde damit auch zum Siegeszeichen seiner selbst. Die bei der Prozession mitgeführten Bilder repräsentierten und verkörperten die Anliegen ihrer Träger. Dies wird unter anderem an den auf Prozessionsstangen aufgepflanzten Heiligenfiguren deutlich, die für die Identität und das Selbstverständnis einer Bruderschaft, Zunft oder klösterlichen Gemeinschaft einstanden.73 Bezogen auf die bei der Prozession mitgeführten Bilder hat der in der jüngeren Diskussion um den Begriff der „Theatralität“ und in den Ritualtheorien diskutierte Begriff der „Verkörperung“ zwei Aspekte: die „Beseelung“ des Bildes durch den Körper, der es trägt, und die Belebung oder Aktivierung jenes Körpers durch das Bild(werk), das der Körper mit sich führt. So betrachtet kann man die schrittweise Bewegung der Prozessionsteilnehmer und die Mitführung von Bildern in der Prozession als einen sukzessiven Akt wechselseitiger Verlebendigung und Beseelung interpretieren. Auf die damit einhergehende Affektregulierung durch die liturgische Zeremonie werde ich zurückkommen. Elemente der Hoffnung, Aspekte der Erwartung von Segnung und Vergebung durch Bilder und Reliquienschreine, die David Freedberg (neben dem sozialen Druck) als die eigentlichen Motivationsgründe der Wallfahrt nennt, wurden durch die Prozession kanalisiert.74 Wichtig scheint: Die Prozession arrangierte die Grenzen zwischen Mensch und Bild, Leben und Tod, Raum und Körper als fließend. Der Transformation von Menschen oder Heiligenkorpora in Bilder oder Artefakte (Tableaux vivants, plastisch ausgearbeitete Katakombenleiber) kam hierbei eine ebenso wichtige Rolle zu wie der Animation von Bildern (Fahnen) durch charakteristische Bewegungsfiguren ihrer Träger. „Verlebendigung“ (Figuration) wie „Stillstellung“ (Pose) fanden in der Verwischung der Grenzen zwischen Leben und Tod, Gegenwart und Geschichte ihre Schaltstelle. Für die Ästhetik und Erfahrungsweise des spätbarocken Baus erweisen sich die barocken Prozessionen des 17. und 18. Jahrhunderts als besonders aufschlussreich. Zu ihren Pointen gehören charakteristische Interferenzen zwischen Raumsegmenten, Menschen und Bildern bzw. bildhaften Objekten. Man darf vermuten, dass die rituellen Bewegungen in der Prozession auf die spätbarocke Raumästhetik zurückwirkten. In einigen Fällen,

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KATALOG 1981, Bd. 1, S. 717–721. FREEDBERG 1989, S. 100.

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wie in Einsiedeln oder Zwiefalten, zogen wachsende Wallfahrten barocke Neubauten unmittelbar nach sich.

1.1 Anmerkungen zur Wallfahrtsforschung

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FELBECKER 1995; LÖTHER 1999; CEPLAK 1997; CARLEN 1984; FREEDBERG 1987, S. 99–135; BELTING 1990, S. 215–232, 505–509. KATALOG 1984. Versuche einer interdisziplinären Einbettung der barocken Wallfahrt finden sich ferner in der Bruchsaler Barock-Ausstellung von 1981 und der Bad Schussenrieder Ausstellung von 2003. Vgl. KATALOG 1981, KATALOG 2003. FELBECKER 1995. Eine Zusammenfassung der Forschungsgeschichte zum mittelalterlichen und spätmittelalterlichen Prozessionswesen findet sich bei LÖTHER 1999, S. 1–14. DÜNNINGER [1960/61] 1995a, S. 11–31; DÜNNINGER [1963] 1995b, S. 280; BRÜCKNER [1970] 2000c, S. 227–240, 248, 259 f. Vgl. FELBECKER 1995, S. 151–172; FELB­ ECKER 1999, S. 679; REIFENBERG 1995, S. 287; HUEBNER, S. 345. Zur doppelten Bedeutung des Begriffs „laetania“ als Bittgebet bzw. -gesang einerseits und Prozession andererseits vgl. WOLF 1990, S. 133. Die Herkunft des Wortes pompa wäre eine eigene Untersuchung wert. Bei Leon Battista Alberti taucht das Wort im Zusammenhang seiner Überlegungen zum Ornatus auf. Im Schmuck und Pomp (ornamentorum apparatum et pompa) sieht er Formen der Dekoration realisiert, ohne welche „das menschliche Leben kaum bestehen“ könne. In dieser Sicht ließe sich die Prozession als rhetorischer Ornatus ihrer profanen oder sakralen Würdenträger verstehen. Vgl. ­ALBERTI 2005, lib. 6, cap. 2, S. 292.

Lange Zeit wurde die Erforschung des mittelalterlichen und barocken Wallfahrtswesens dem Gebiet der „Volkskunde“ oder Kulturanthropologie zugerechnet und das Prozessionswesen als Teil der Wallfahrtsforschung angesehen. Erst seit den 1980er-Jahren rückten Prozession und Wallfahrt in das Blickfeld liturgieund rechtswissenschaftlicher, historischer und schließlich kunsthistorischer Forschungsinteressen.75 Die vom Bayerischen Nationalmuseum organisierte Ausstellung „Wallfahrt kennt keine Grenzen“ von 1985 bildete einen frühen Versuch, die verschiedenen Aspekte der Prozession interdisziplinär zu diskutieren.76 Für die Fronleichnams- und die Palmsonntagsprozession legte Sabine Felbecker eine theologiegeschichtliche Abhandlung vor.77 Hans Dünninger und Wolfgang Brückner wiesen schon früh auf die engen Beziehungen zwischen Wallfahrt und Prozession hin. Auch darauf, dass vor allem nach 1600 „wallen“ nichts anderes meinte als „processionaliter gehen“ oder „prozessionaler Gang zur Gnadenstätte“.78 In der Etymologie des Wortes drückt sich auch der Stellenwert aus, den die (rituell geordnete) Bewegung als processio (Vorwärtsschreiten) für die Liturgie und Ästhetik der Prozession besaß. Es handelte sich um eine charakteristische Bewegung, um eine choreografierte Bewegungsfigur, die eine spezifische Darstellungspraxis und einen eigenen Rhythmus mit einschloss, der sich etwa vom Gehen, Reisen oder Marschieren klar unterschied. Das Gehen der Prozession ist ein „bedächtiges Gehen“, das sich in der Bewegung sozusagen selbst mitdenkt. In ihrem tatsächlichen Bewegungsverhalten durch den Raum eröffnete sich zugleich die Erinnerung an welt- bzw. heilsgeschichtliche Ereignisse und führte so Präsenz und Memoria zusammen. In der vom einfachen Gehen abgeleiteten Bewegung zeigte sich also ein Doppeltes: der aktuelle Moment und die hinter ihm liegende Geschichte. Als Darstellungs- und Selbstdarstellungspraxis hat die prozessionale Form des Gehens eine lange Tradition. Die Wurzeln der durch das Rituale Romanum (1614) in ihren Umrissen kanonisierten barocken Prozessionen reichen über die frühmittelalterlichen litaniae (bzw. laetaniae) und die profanen und sakralen pompae der lateinischen Antike zurück bis zu den Kultprozessionen der griechischen Polis und verweisen von dort auf das Prozessionswesen der altägyptischen Kultur.79 Brückner und Dünninger ist nicht nur die systematische Begriffsbestimmung des mit der Prozession eng verbundenen Ausdrucks „Wallfahrt“ zu verdanken, sondern auch die Begründung einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem barocken Wallfahrtswesen jenseits lokalhistorischer oder religiöser Interessen. Ein disziplinärer Dialog zwischen den Überlegungen Brückners zur Nomenklatur und Phänomenologie der Wallfahrt und den Gedanken Hubert Mohrs zur Frage nach der Bewegung als einem Grundmotiv religiöser Praxis liegt bislang allerdings nicht vor.Vor allem Wolfgang Brückner forderte in zahl-

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reichen Beiträgen eine Klärung der methodischen und theoretischen Voraussetzungen für eine angemessene Beschäftigung mit dem Thema. Erst eine Differenzierung des Bezugsbereichs des Begriffs „Wallfahrt“ nach quantitativen (Distanz, Zielpunkt und Teilnehmerzahl) und qualitativen (sozialen wie intentionalen) Bestimmungen könne eine Antwort darauf geben, was eigentlich als Wallfahrtsort zu bezeichnen sei.80 Ausgehend von diesen Ansätzen zu einer Bestimmung des Wallfahrtsbegriffs entwickelten sich verschiedene Forschungsperspektiven. Hierzu zählt die monografische Behandlung einzelner Wallfahrtsorte und -gebiete81 ebenso wie die in jüngerer Zeit wachsende Bedeutung der Sachkulturforschung und der Inventarisierung von „Realien“ oder „Dingen“82 (Sakramentalien, Ex voto-, Hinterglas- und Andachtsbilder, Pilgerzeichen, Prozessionsfahnen, -büsten und -stangen, Kult- bzw. Gnadenbilder und ihre Kopien).83 Eine wichtige, bislang noch nicht geschlagene Brücke ließe sich von hier aus zu den jungen Disziplinen der Religionsästhetik bzw. der „materialen Religion“ schlagen.84 Eine interessante und übergreifende kunstwissenschaftliche Perspektive auf die Zusammenhänge von Prozession und Wallfahrt einschließlich ihrer Bildformen lieferte David Freedberg in seinem 1989 erschienenen Werk The Power of Images.85 Angeregt unter anderem durch Freedbergs und Beltings Arbeiten über Kult- und Andachtsbilder hat sich in jüngerer Zeit ein breites Interesse an Gnaden- bzw. „Kultbildern“ im deutschen Sprachraum etabliert.86 Was Brückner die „intentionale Bindung“ der Wallfahrt nannte, führte (im Anschluss an Belting) in der kunstwissenschaftlichen Disziplin jedoch zu einer einseitigen „Diskursivierung“ von Wallfahrten und Prozessionen im Hinblick auf ihre „diskussionswürdigen“ Ziele – nämlich die Gnadenbilder oder Sakralbauten. Es lassen sich also zwei Profile der interdisziplinären Forschung zum Thema Wallfahrt unterscheiden, die sich etwa gleich weit von Dünningers und Brückners Anliegen, eine Phänomenologie des Prozessions- und Wallfahrtswesens zu entwickeln, entfernt haben:Während der kunstwissenschaftliche Blickwinkel die Wallfahrts- und Prozessionsrituale in den Kontext von Architektur und Gnadenbild stellte und dabei die Prozession als ein auch ästhetisch beschreibbares Phänomen vernachlässigte (Freedberg, Belting), interessierten sich Religionsgeschichte und Volkskunde vor allem für kulturgeschichtliche Beschreibungen der Prozession (Felbecker) oder verfolgten typologische Einzeluntersuchungen (Finkenstaedt/Stolt, Fassbinder), die zwar ein überaus reiches Material ans Licht brachten, aber wenig zu verstehen halfen, wie beispielsweise Fahnen oder Prozessionsbüsten konkret innerhalb ritueller Abläufe eingriffen und wirkten. Zwischen diesen beiden Optionen entwickelt sich das Desiderat, die strukturellen Eigenschaften der Prozession selbst in den Blick zu nehmen und dabei eine kulturgeschichtliche Beschreibung mit einer formalen Analyse zu verbinden. Jüngere Ritualtheorien liefern für eine solche Synthese die Basis. So schlagen, wie oben erwähnt, Autoren wie Victor Turner, Stanley J. Tambiah, Richard Schechner und andere vor, den performativen Charakter des Rituals als methodischen Schlüssel zu betrachten, um kulturelle (bzw. kulturgeschichtliche) und formale Überlegungen zusammenzudenken.87 Tatsächlich handelt es sich nämlich nicht um zwei Kampflinien, weil sich in der strukturellen Abfolge ritueller Handlun-

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BRÜCKNER 2000c, S. 225; DÜNNINGER 1995, S. 29. Verwiesen sei hier lediglich auf die wichtigsten Beiträge, unter besonderer Berücksichtigung der jüngeren Publikationen zu Wallfahrtsorten im deutschsprachigen Raum: BINDER 1995 (Weißenau); BROMMER 1990; BOOCKMANN 1982, BOOCKMANN 1983 (Bad Wilsnack); BRÜCKNER 1958 (Walldürn); BRÜCKNER 1997 (Kreuzberg); DETTMER 1990 (Ravensburg); DORN 1957 (Augsburg); DRAŠČEK 1987 (Oberelchingen); HUMMEL 1988 (Ellwangen); HÜTTL 1985 (Süddeutschland/Österreich); KERNER 1993 (Vierzehnheiligen); KÜHNE/RADTKE 2002 (mitteldeutscher Raum); LICHTE 1990 (Havelberg); PÖTZL 2000 (Kobel); OECHSLIN 2003, S. 46–125 (Einsiedeln); SENTI 2003 (Einsiedeln); STAHL 1968 (Regensburg); WIEBEL-FANDERL 1992 (Altötting). Vgl. zur Aufwertung der Dinge im Bereich der Volkskunde: KORFF 1992; KORFF 2002. Verwiesen sei hier nur auf: KRISS-RETTENBECK 1971, 1972; KRISS 1971; HÜTTL 1985, S. 5–16; FINKENSTAEDT/STOLT 1989; TOBLER 1991, bes. S. 11–13; BRÜCKNER/DÜNNINGER 2000; FASSBINDER 2003. PROHL 2012, S. 379–392. FREEDBERG 1989. Vgl. hier auch die jüngeren Beiträge in GANZ/HENKEL 2004; BROSSETTE 2002, bes. S. 327–355. TAMBIAH 2002, bes. S. 214. Vgl. allgemein hierzu: BELLIGER/KRIEGER 2003, S. 7–17.

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Vgl. den begriffsgeschichtlichen Forschungsüberblick bei HENKEL 2004, S. 11– 17, und Ganz/HENKEL 2004, S. 9 f. 89 TAMBIAH 2002, S. 210. 90 KÜPPERS 2003, S. 146. Vgl. auch die Beiträge in SCHREINER 1992, hier insbesondere die begriffgeschichtliche Prolegomena des Hausgebers. 91 Vgl. MAYER 1978, bes. S. 178. Diese Einschätzung bestätigt auch die jüngste Sachkulturforschung von KÜRZEDER 2005, S. 17, 21 f. 92 Vgl. auch: BRÜCKNER 2000d, S. 134; BRÜCKNER [1999] 2000f, S. 511. 93 ZEDLER 1735, Bd. 59, Sp. 2109–2112, hier: Sp. 2109. 94 FREEDBERG 1989. Vgl. auch BELTING 1990, S. 16 u. 55, den Aufsatz von WOLF 1995 und allgemein zu den historischen Zusammenhängen den von BLICKLE/HOLENSTEIN/SCHMIDT 2002 hrsg. Sammelband.

gen auch die Wirksamkeit und die Kommunikationsform des Rituals zu bestimmten Zeitpunkten zu erkennen geben. Zu den fachübergreifenden Termini, die in Kulturanthropologie, Theologie, Religionswissenschaft (Religionsästhetik) und Kunstgeschichte im Zusammenhang mit dem Prozessionswesen diskutiert werden, gehören die Begriffe der „(Volks-)Frömmigkeit“ und des „Kult-“ bzw. „Gnadenbildes“ (figura gratiae).88 Wie sich erst in jüngerer Zeit deutlicher abzeichnet, besteht die Problematik dieser Begriffe weniger in ihrem unscharfen Gebrauch als in allzu scharfen Differenzierungen zwischen dem sogenannten „normalen“ und dem „rituellen“ kommunikativen Verhalten, die im Alltag oft eng verflochten sind. So hob Tambiah hervor, dass sich nicht immer mit absoluter Sicherheit zwischen ­Ritual und Nicht-Ritual unterscheiden lasse.89 Ähnliches gilt für den Begriff der „Volksfrömmigkeit“, dessen tradierte Verwendungsweise von einer Opposition zwischen Eliten- und Massenfrömmigkeit ausging und oft außer Acht ließ, dass unter Umständen auch höhergestellte Kleriker eine „Laien-“ oder „Volksfrömmigkeit“ praktizierten: „Wer, wann, wo welche Frömmigkeitsformen ausübt, lässt sich nicht nach sozialen Schichten unterscheiden.“90 Im umgekehrten Sinne äußerte schon Anton Ludwig Mayer, dass die Liturgie des Spätbarock nicht von einer Elite propagiert wurde, sondern als breit im Volk abgestützte liturgische Orientierung zu verstehen sei, die sich an Architekturen ebenso zeige wie an gemeinschaftlichen Prozessionen und Wallfahrten.91 Die Sache scheint also sehr viel komplizierter zu sein, als dass man die so bezeichnete „Volksfrömmigkeit“ einer bestimmten sozialen Schicht zuweisen könnte. Allerdings lässt sich die These vertreten dass bei der Bildung von „Volksfrömmigkeit“ das „Volk“ ebenso beteiligt war wie jene klerikalen Schichten und Institutionen, die hieraus politischen und strategischen Nutzen ziehen konnten. Solche Differenzierungen innerhalb der Anthropologie und der Religionswissenschaft können dafür sensibilisieren, dass auch das Kult- oder Gnadenbild mit alltäglichen Handlungen und ästhetischen Erfahrungen jenseits der engeren liturgischen Verehrung verknüpft war. Im Gegensatz zu dem seit dem 19. Jahrhundert gebräuchlichen Begriff „Kultbild“ waren im 18. Jahrhundert neben dem neuzeitlichen „Gnadenbild“ vor allem Bezeichnungen wie „mirakulose“ oder „Wunder-“ bzw. „wunderthätige Bilder“ üblich.92 Zedlers Universallexikon definiert:Wundertätige Bilder sind diejenigen, welche „wunder gethan haben, und welchen man davor religieuse Ehre erweiset“.93 Es handelt sich also um Bilder, denen in einem allgemeinen Sinne Verehrung zukam, weil ihnen eine aktive, handelnde Funktion zugemessen wurde; denen man eine Kraft jenseits menschlicher Kräfte und eine potenzielle Fähigkeit zur Vergegenwärtigung von Ungreifbarem zusprach.94 Dabei fand die körperliche Ausrichtung auf das Kultbild nicht erst vor dem Bild statt, sondern bereits in den rituellen Handlungen der Wallfahrt und Prozession oder der Platzierung von Wallfahrtsblättchen und Gnadenbild­ kopien in privaten Räumen. Neben aufwendig gestalteten Reliquienschreinen stellen Gnaden- und Kultbilder die wichtigsten barocken Zielpunkte von Wallfahrten und Prozessionen dar. Ihr Aufsuchen, der Weg zu ihnen war begleitet von weiteren Bildern, die

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in vielen Fällen auf das Ziel der Wallfahrt, das heißt die Reliquie oder das Kultbild, verwiesen. Berichte und Darstellungen sakraler Festprozessionen vermitteln einen Eindruck vom choreografischen Aufwand spätbarocker Prozessionen. Jedoch geht weder der barocke Sakralraum noch die Prozession und ihr Rahmenwerk einfach in einem Theatrum sacrum auf.Vielmehr waren Zuschauerraum und Bühne ebenso miteinander verbunden wie Alltags- und Ritualhandlungen. Versucht man, das Ritual-, Prozessions- und Wallfahrtswesen von seiner jeweiligen Handlungsseite aus zu betrachten, so erscheint es naheliegend, die hier skizzierten Oppositionen und Begriffspaare, wie sie insbesondere von der Kunstgeschichte und der Theologiegeschichte geprägt wurden, aufzuweichen.

1.2 Translation der hll. Exuperia und Vitalis (1669/85) Anders als die Stephanusreliquie oder das Gnadenbild von Zwiefalten, die bis heute Ziel jährlicher Wallfahrten sind, sind die heute in den Querhausaltären aufbewahrten Katakombenleiber der hll.Vitalis und Exuperia als Nachfolger der mittelalterlichen und antiken Miles christiani und Märtyrerinnen weitgehend in Vergessenheit geraten [Abb. 15]. Die Prozessionszüge anlässlich der beiden Translationen (1669/85) gehörten indessen zum Aufwendigsten, was Zwiefalten im Bereich liturgischer Festlichkeiten erlebte. Zeitgleich mit der verfassungsmäßigen Festschreibung dreier Konfessionen und der damit verbundenen konfessionellen Rechtssicherheit im Jahr 1624 begann Ochsenhausen als erstes oberschwäbisches Kloster mit der Translation eines Katakombenheiligen aus Rom.95 Zwei Jahre später (1625) folgten die unmittelbar in Nachbarschaft zu Zwiefalten stehenden Prämonstratenser von Obermarchtal mit der Translation des römischen Katakombenheiligen Tiberius.96 Vielerorts hatten die Exilsaufenthalte während des Dreißigjährigen Krieges die ausländischen Kontakte (vor allem zur Schweiz) gefördert und damit auch die Welle der nach 1648 folgenden Translationen ganzer Leiber aus Rom, sogenannter corpora integra, begünstigt. So auch in Zwiefalten: Zur Erlangung der Katakombenleiber führte der Weg über die Schweiz, genauer: über die Luzerner Witwe des Schweizergarde-Leutnants Rudolf Pfyffer, Agnes Greuth.97 Allerdings zog sich das Prozedere hin, und schon fünf Jahre vor dem tatsächlichen Translationstermin Exuperias wurde in Zwiefalten der sehnlichst erwarteten Heiligen eine Kapelle geweiht. Ob ihre Gebeine nach der Translation dort oder in einer Lipsanothek (Reliquienkasten) in der ­Sakristei verwahrt wurden, ist unklar. Jedoch spricht einiges dafür, dass die Gebeine der Exuperia (wie später auch die des Vitalis) erst mit dem spätbarocken Neubau zu einem vollplastischen Körper umgearbeitet und in das Altararrangement eingesetzt wurden.98 Ich werde darauf zurückkommen. In ihren „Salutationszeremonien“ orientierten sich die Translationsprozessionen der hll. Exuperia und Vitalis am Zeremoniell der Entrée und des Adventus weltlicher Herrscher. Als handele es sich um eine lebende Fürstin, zog man der Heiligen in einem prächtigen Zug salutierend entgegen, bevor man ihre Gebeine dem eigenen Reliquienbestand inkorporierte.99 Die damit einhergehende

015 Klosterprospekt mit Stephansreliquiar und den Katakombenheiligen Exuperia und Vitalis, um 1690 (Graph. Sammlung Kloster Einsiedeln, PRETSCH 1990)

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Vgl. zur Bedeutung des Datums für die folgende Entwicklung auch ENGELBERG 2005, S. 212. POLONYI 1998, S. 92–98. SULGER (II) 1698, S. 295. Vgl. hierzu ACHERMANN 1979, S. 97–99. Zu den historischen Parallelen zur Entrée

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016 Anonym: Abriss und bezürckh Des Closters Zwiefalten wies Anno 1659 gebauen geweßen, 1659, Prozessionsdarstellung, Detail aus Abb. 3 (NvdM) 017 Skizze des Prozessionsverlaufes anlässlich der Translation der hl. Exuperia, 1669 (NvdM)

solenelle vgl. SPAGNOLO-STIFF 1996, bes. S. 66–69. Dass sich säkulare und sakrale Zeremonien wechselseitig aneinander orientierten und bestätigten, zeigt sich etwa an der Integration des „Te Deum“ in die Entrée bei Louis XIV.: SPAGNOLO-STIFF 1996, S. 49, 346. 100 Vgl. ACHERMANN 1979, S. 105. 101 Vgl. SULGER (II) 1698, S. 295; POLONYI 1998, S. 98. 102 Vgl. SULGER (II) 1698, S. 295–297. 103 LINDNER 1910, S. 53, Nr. 1411.

Vorstellung einer repräsentativen „neuen Wohnstätte“, die der Heiligen nach Jahrhunderten des unterirdischen Katakombendaseins längst zustehe, darf wörtlich genommen werden. So konnte man beispielsweise auf einem Spruchband, das den Katakombenheiligen Basilius 1647 im Kloster Rheinau begrüßte, lesen: „Kehr herein du gesegneter des Herren; warum stehst du vor außen?“100 Nach der bischöflichen Approbation und Bestätigung der Authentizität der Gebeine in Konstanz wurde in Zwiefalten am 16. September 1669, also knapp eine Woche nach dem 580. Jubiläum des Klosters, die Translation der Katakombenheiligen Exuperia feierlich begangen.101 Über die Chronik Arsenius Sulgers blieb eine lateinische Beschreibung der liturgischen Festlichkeiten erhalten, die ich im Folgenden resümiere.102 Der Prozessionszug (pompa) nahm unter großem personellen Aufwand und Kerzenschein vom Kirchenraum seinen Anfang [Abb. 16 u. 17, Station 1]. In der hierarchisch gegliederten Prozessionsordnung folgten auf Vertreter der benachbarten Gemeinden sieben Kapuzinermönche, dann Fahnen- und Lichtträger, die Angehörigen benachbarter Konvente, schließlich die Zwiefalter Konventualen mit einem Chor, vier geladene Äbte in Pluvialen, dann die Ministranten, an die sich der Abt von Zwiefalten mit Diakonen und der von zwei Subdiakonen getragene Korpus der hl. Exuperia mit weiteren Reliquien anschlossen. Den Schluss bildete der Konstanzer Suffraganbischof mit weiteren Klerikern und einigen Gästen aus dem Adelsstand.

1 Prozession und rituelles Handeln

Unter Salutschüssen und Musik gelangte der Prozessionszug zu einer Wiese unweit des östlichen Klostertores, auf der die Gebeine der Heiligen unter einer festlich bekränzten Ehrenpforte, flankiert von Ehrenwachen und Kerzen, aufgestellt wurden [Abb. 17, Station 2]. Das Einsetzen der Musik und eine maschinelle Vorrichtung, die Blitze erzeugte, unterstrichen diese Deposition als einen ersten liturgischen Höhepunkt: die Begrüßung der Heiligen an ihrem neuen Wohnort. Hierauf folgte eine oratorische Einlage, welche die Rechtmäßigkeit des Heiligenkorpus verkündigend bestätigte. Der gerade 31-jährige Pater Anton Yelin nahm eine zentrale Rolle bei der Regie der Festlichkeiten ein.103 Vor einer großen Menschenmenge, die sich auf der Wiese eingefunden hatte, predigte er über die Wirkungsmacht des Heiligenkults. Dem folgte eine Bekehrungsszene: Eine junge Adelige schwor öffentlich dem lutherischen Glauben ab. Man wird diesen dramaturgisch geschickt eingesetzten Auftritt als sichtbares Zeichen gelesen haben, das ebenso die Authentizität wie die Realpräsenz der römischen Märtyrerin bestätigte. Der damit verbundene kritische Einwurf gegen die Neugläubigen gehörte zu den obligatorischen Bestandteilen der Translationsrhetorik des 17. Jahrhunderts.104 Nach der Bekehrungsszene wurde der Korpus der hl. Exuperia von Szene zu Szene getragen und vor wechselnde Kulissen gestellt. Unter wiederholt einsetzender Musik und weiteren Salutschüssen zog man mit der römischen Heiligen, flankiert von den anderen Klosterreliquien, dem Kirchenraum entgegen. Vor dem östlichen Tor hielt der Prozessionszug unter einem aus Kränzen und Emblemen gewundenen Triumphbogen inne [Abb. 17, Station 3]. Ein weiteres Mal machte der Zug unmittelbar vor der Klosterkirche an einer bekränzten Bühne Station, wo ein letztes Mal musikalische Einlagen und Salutschüsse die Heilige begrüßten [Abb. 17, Station 4]. Beiderseits rahmten Embleme die Heilige, die umgeben von Blumen, Kränzen und Efeurankenwerk der Verehrung ausgesetzt wurde. Hier erreichte der Prozessionsakt mit dem vom Konstanzer Weihbischof gesungenen Hohen Offizium seinen Höhepunkt. Auf die liturgischen Feierlichkeiten des Vormittags folgte am Nachmittag ein umfangreiches Unterhaltungsprogramm, dem ein opulentes Festmahl für die Ehrengäste vorausging. Für die Nachmittagsfeierlichkeiten hatte Anton Yelin ein Theaterstück (comoedia) mit dem Titel De Monasterii fundatione et incrementum verfasst, das von einem Mitbruder, Modest Kaiblin, mit Musik unterlegt worden war. Die Rotel rühmt Kaiblin als „Musicus insignis, asceta, poeta, cultor B.Virginis singularis“.105 Aufgeführt wurde das Stück wohl im Kirchenraum, in der Kapelle Johannes des Täufers.106 Auch diese theatralische Darbietung, die wohl nicht nur die Gründung und Geschichte Zwiefaltens, sondern auch die Bedeutung der neu hinzugewonnenen Reliquie zum Inhalt hatte, muss man sich in Gegenwart der Katakombenheiligen vorstellen, deren Gebeine in einem Reliquiar (hierotheca) aufbewahrt wurden, welches der Zwiefalter Konventuale und Goldschmied Aurelius Moser nach Entwürfen des damals im süddeutschen Raum berühmten Malers Christoph Storer angefertigt hatte.107 Wenige Jahre später bemühte sich Zwiefalten um einen weiteren Katakombenheiligen aus Rom. Nach Verhandlungen mit Kaspar Ludwig Schnorff in St.

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104 ACHERMANN 1979, S. 103. 105 LINDNER 1910, S. 52, Nr. 1394, zu A. Yelin S. 53, Nr. 1411. 106 Die nördliche Kapelle des Vorgängerbaus befand sich der Vierung am nächsten und in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schutzmantelmadonna. Vgl. HALDER 1990, Bau und Kunstgeschichte, S. 200. 107 Vgl. APPUHN-RADTKE 2000.

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018 Skizze des Prozessionsverlaufes anlässlich der Translation des hl. Vitalis, 1685 (NvdM)

108 LINDNER 1910, S. 48, Nr. 1380. 109 POLONY 1998, S. 99. 110 Vgl. FREI 1990. Zur Schulgeschichte ebd., S. 260; POLONYI 1998, S. 99 f. 111 SULGER (II) 1698, S. 328. 112 SULGER (II) 1698, S. 328. Vgl. für die folgende Beschreibung a. a. O., S. 328–330. 113 LINDNER 1910, S. 6 f., Nr. 42.

Gallen wurde dem Zwiefalter Unterhändler Pater Joachim Morsack108 1676 der Korpus des hl.Vitalis zugesprochen, dessen Gebeine ein Jahr zuvor aus der ­Cyriakuskatakombe erhoben worden waren.109 Morsack selbst war beim Transport und bei der Approbation des Korpus durch die Konstanzer Kurie zugegen. Wegen der Kriegsunruhen mit Frankreich konnte die endgültige Translation erst am 4. September 1685 erfolgen.110 Wieder suchte man den Translationstermin in die Nähe eines Klosterjubiläums (8. September) zu rücken.111 Diesmal wurden die Reliquien auf einer nahe gelegenen, weitläufigen Wiese beim westlich von Zwiefalten gelegenen Gossenzugen in Empfang genommen, wo eine Ehrenpforte aus Emblemen, Kränzen und Statuen errichtet worden war [Abb. 18, Station 2].112 Wie schon 16 Jahre zuvor vollzog sich die Prozession, die den Korpus in den Innenraum führte, in mehreren szenischen Intervallen: Am westlichen Tor des Klosters war eine zweite Triumphpforte aus Blattwerk, Kränzen und Blumen aufgestellt [Abb. 18, Station 3]. Nachdem man das unmittelbar zur Kirche führende Klostertor erreicht hatte, hielt der Zug vor einer mit Kränzen und Blumen dekorierten Ehrenpforte an. Am Eingang zum Kirchenraum waren zahlreiche Bilder und Embleme aufgestellt [Abb. 18, Station 4]. Gleichzeitig rühmten Lieder und Gesänge den himmlischen Lohn des hl.Vitalis. Der Kirchenraum selbst war üppig mit Anagrammen und Bildern dekoriert, die den Namen und die Taten des römischen Märtyrers aufzeigten Der Einzug in die Kirche (introitus) war von einer rauschenden musikalischen Einlage begleitet. Mitgeführte Bildwerke des Heiligen auf Traggestellen (ferculae) ließen ihn gleichsam lebendig mitlaufen und reihten ihn als sichtbares Vorbild in die Gemeinschaft der geladenen Gäste ein. Eine maschinelle Vorrichtung versprühte beim Eintritt in den Innenraum einen himmlischen Goldregen. Hier wurde der Korpus des Heiligen in einer Hierothek zwischen den Altären der hll. Jakobus und Anna ausgestellt. Abt Martin Gleuz zelebrierte umgeben von vier Diakonen das festliche Officium.113 Eingeladen waren neben höheren Klerikern aus den benachbarten Klöstern auch die Äbte von Ochsenhausen, Otto­beuren,

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019 Offene Telari- oder Translationsbühne mit Altar, anlässlich des Constantius-Spiels in Rorschach, 1674 („Die Szenerie zeigt einen mit stattlichen Häusern umstellten Platz. Zwei Tore bilden die vorderen Seitenabschlüsse. Vom Zeichner weggelassen sind vorne rechts die Kanzel und der Kredenztisch, vorne links das Presbyterium“), Federzeichnung, Stiftsbibliothek St. Gallen (ACHERMANN 1979) 20

Obermarchtal und Wiblingen. Zahlreiche Hörer hatten sich eingefunden, als Nicolaus Settelin, Prior von Petershausen, die Predigt hielt. Den Höhepunkt erreichte das Fest unter erneut einsetzender Musik vor dem Hochaltar, wo der Hymnus Ambrosius („Te Deum laudamus“) gesungen wurde.114 Den Schlussakkord bildete nach dem Mittagessen ein vierstündiges Schauspiel, vorgetragen von den Klosterschülern unter der Leitung des zu jener Zeit im Kollegium in Ehingen als Rhetorikprofessor tätigen Zwiefalter Paters Nikolaus Settelin, den die Chronik als „nostrarum Apollo Comoediam“ lobt.115 Es ist anzunehmen, dass der Kirchenraum oder eine Kapelle als Aufführungsort und Rahmenkulisse diente. Aus verwandten Fällen (z. B. der Translation des hl. Constantius nach Rorschach, 1674) sind sogenannte Telaribühnen, also Bühnen für Translationsspiele, überliefert, in die der Altar eingebaut wurde [Abb. 19].116

1.3 Die Prozession anlässlich der Säkularfeier: Deo gratias (1689) Diesen Feierlichkeiten folgte vier Jahre später, 1689, eine fulminante Triumphprozession aus Anlass der Sechshundertjahrfeier des Klosters Zwiefalten. Sie sollte die lange, segensreiche Geschichte des Klosters in Erinnerung rufen und in die Gegenwart hineintragen, um ihr heilsgeschichtliches Fundament den Besuchern

114 Ambrosius kann auch in liturgischer Hinsicht als Förderer des frühen Reliquienkultes gelten. Vgl. DASSMANN 1975, S. 54; POLONYI 1998, S. 11 f. 115 Nicolaus Settelin (1649–1692) war Professor am Lyzeum zu Rottweil, anschließend Superior und Rhetorikprofessor in Ehingen. Vgl. LINDNER 1910, S. 51, Nr. 1389; vgl. zum Zwiefalter Schultheater: FREI 1990, S. 274. 116 ACHERMANN 1979, S. 205, 209 u. Tafel 14, Federzeichnung, Stiftsbibliothek St. Gallen.

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vor Augen zu führen. An eine aristotelische Einheit von Ort, Zeit und Handlung war bei dieser Prozession nicht gedacht, im Gegenteil: Die Triumphprozession verschmolz mit ihren zahlreichen Bildern, Plastiken und schauspielerischen Einlagen heterogene Zeiten und Räume zu einem großartigen Ganzen, das allein durch die aktuelle Bewegung der Prozession zusammengehalten wurde. Über sieben Tage, vom 11. bis 18. September 1689, zog sich das Fest hin. Mit dieser Jahrhundertfeier machte Zwiefalten (gemeinsam mit dem Stift Kremsmünster in Niederösterreich) den Anfang einer langen Kette klösterlicher Säkularfeiern im Habsburgerreich.117 Dabei dürften die vorausgegangenen Translationsfeste bei der Gestaltung der Säkularfeiern jeweils als inszenatorische und dramaturgische Vorbilder gedient haben.Was Zwiefalten angeht, so handelte es sich allerdings um eine opulente Überbietung der beiden vorausgegangenen Translationsfeste. Selbst der Eifer, den Abt Georg von St. Georgen (Schwarzwald) in seine Rede legte, bietet wohl nur noch einen schwachen Abglanz dessen, was sich tatsächlich abspielte:

117 Den Anfang machte die 100-Jahr-Feier von 1640 anlässlich der Bestätigung der Gesellschaft Jesu durch Papst Paul III. Mit der 500-Jahr-Feier der Translation der Armreliquie des hl. Stephanus im Jahr 1141 führte Zwiefalten 1641 die Reihe frühneuzeitlicher Klosterjubiläen im süddeutschen Raum an. Es folgten 1641 die 500-Jahr-Feier von Neustift/Südtirol (Chorherren), 1674 die 600-Jahr-Feier der Karmelitergründung in Straubing, 1677 die 900-Jahr-Feier von Kremsmünster und die 500-Jahr-Feier der Santa-Casa-Übertragung nach Sossau/ Windberg (Chorherren), 1677 die Ankunft der Reliquien nach St. Peter/Salzburg (1100-Jahr-Feier), 1682 die 500-Jahr-Feier der Klostergründung Irsee und 1689 die 600-Jahr-Feier der Klostergründung Zwiefalten. Vgl. zu frühneuzeitlichen Klosterjubiläen ausführlich RÖMMELT 2003, bes. S. 252 f., S. 269–273. 118 DEO GRATIAS 1690, S. 37. 119 DEO GRATIAS 1690; vgl. zu den Predigten auch QUARTHAL 1990, S. 410.

„Bene omnia fecit, alles hat wol getahn die Wolredenheit und Poësis, oder Dichtkunst, dises Gottshauses / in dem dieselbe neben andern annehmlichen Sachen / ein Schauspil mit solcher Anständigkeit / mit so außerwählt- und bestgeübten Comödianten / mit so lieblicher Zusammenstimmung deß Singens und Saitenspils / mit so Kunst-reichem Feür-Werck und andern Seltsamkeiten und Zierden vorgestellt / das alle Gelehrte das höchste Vergnügen und Ergötzlichkeit darauß geschöpfft haben. Bene omnia fecit, alles hat wol getahn das gantze Löbliche Convent, in deme selbes die Procession oder Creutzgang mit füglicher Abtheilung der mitgehenden hoch- und nideren Stands-Personen / mit schönen Triumph-Wägen und Bögen / mit underlauffenden Trompeten / Herr-Paucken / Harpffen und anderer Musicalischer Instrumenten-Klang / mit zierlich- und vollständiger Mitlaütung der Stimmen; mit undersprengten / zwar kurtzen / aber best- ausgearbeiteten Schau-Spilen / angeordnet. Bene omnia fecit, alles hat auch wol verzicht bedüttenes Lobwürdiges Convent, in deme selbes die alltägliche Meß-Aembter und GottsDienst mit sonderbahrer Auferbäülichkeit der Anwesenden gehalten / fast Tag und Nacht dem Beichthören mit unbeschreiblicher Emsigkeit abgewartet / die gantze Nachbarschaft zu Gewinnung deß heiligen vollkommenen Ablaß eingeladen [...].“118

Die neben einem großen Jubiläumsstich (welcher gewissermaßen auch das Bildprogramm der Prozession darstellt) von 1689 [Abb. 10–13] aus diesem Anlass ein Jahr später publizierte Festschrift enthält die überarbeiteten Fassungen der während jener Woche gehaltenen sieben Predigten namhafter Prediger, die (für die Hörer wie für die Prediger) in unermüdlicher Ausdauer die Blüte und den Schutz Zwiefaltens angesichts der zahlreichen historischen Schicksalsschläge illuminieren sollten.119 Nach einem festlichen Vespergottesdienst am Vorabend folgte am frühen Morgen des 11. September eine monumentale Festprozession, die aus nicht weniger

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als 57 Einheiten bestand. Die „Prozessionsordnung“ vermittelt einen Eindruck von der Interaktion zwischen den Teilnehmer/-innen, den mitgeführten Reliquien und Prozessionsrequisiten: „Prozessionsordnung Einer zu Pferdt führte den gantzen Gefolg / mit einer Standarten in der Hand/ an welche die Versicherung und offentliche Zeügnuß / wohin und zu wessen Ehren die Procession und die nachfolgende 8. Ehren-Täg angesehen weyen / gehänget / und diese Worte darauf zu lesen waren: Regi Sæculorum immortali. 2. Nächst disem ritten nebens einer Heer-Paucken 2. Trompter / so durch stätes Marsch-Blasen die Pferde zu springen und Stolzierung aufgeblasen. 3. Auf diese folget eine grosse Fahne / auf deme mit verguldten Buchstaben der Spruch Eccl. 39. verzeichnet: Deus Conspector Sæculorum. 4. Disem tretten nach Genius Loci, oder Zwyfalitscher Geist / mit gehörigem Schildt von noch zweyen begleitet / die eine Insul und stab getragen. 5. Folget zwischen zweyen Liecht-Trageren ein Crucifix-Bild / welches die Eol-Ehrw. Hrn. PP. Franciscaner von Ehingen/ mit von Wachs possierten Bildnussen / Blumenweck und schönen Inschrifften/ alles auf gegenwärtiges Fest wol gereymet und gerichtet /gezieret und verehret haben. 6. Kommen 3. kleinere seydene Fahnen / und waren auf deren erstem der Buchstaben S. auf dem anderen E. und auf dem dritten X. geschriben 7. Ein Triumpf-Wagen / auf welchem die Himmels-Königin Maria etwas erhöchet gesessen / zu dero Füssen die zwey Stiffter Grafen von Achalm das Kloster ablegen / und nun solches under ihren Mütterlichen Schutz zu nemmen / durch annehmliches Gesang bewegten. 8. S. Benedictus, als ein Weltlich- und Romanischer Jüngling / und mit der Überschrifft: Venite Benedicti Patris, bezeichnetes Fähnlein tragender / in mitte zweyer seines Alters Trommel-Schläger / als wollens in grosse Feld deß Benedictinischen Ordens Soldaten zu werben umschlagen / oder schon zu der Fahne schweren. 9. Etwelche in Romanischem Aufzug prangende Page / welche die Wappen deß jenigen Adels führten / der sich Weyland vor der Welt hinder 4. Mauren und finstre Wand deß H. Benedicitnischen Ordens-Gewands in dem Gottshauß Zwyfalten verborgen hat. 10. Gienge einer / so den Welt Erlöser am Kreütz genagleter / zu beeden Seiten von zweyen Liecht-Trageren begleitet/ gehalten: welchem die Wol-Ehrwürdige Hrn. PP. Capuciner von Riedlingen ein zierlich außgetheiltes Blumen-Bethlein angemacht haben. 11. Ihrer gecreützigten Liebe folgten erst-gedachte Hrn. PP. Capuciner und Franciskaner. 1.

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12. Ein Triumphwagen / welchen erst-erwehntes Gottes-Hauses Patro-

13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23.

24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

32. 33. 34. 35. 36. 37.

nen / nemlich/ der H. Ertz-Martyrer Stephanus, die heiligen Romanischen Martyrer Vitalis und Exuperia bestigen. Zwölff in Romanischer Tracht gekleidte Edel-Knaben/ die allerhand Instrumenten und peinliche Marter-Zeüg getragen. Ein künstlich gemacht- und gemahltes unser L. Frauen Bild an einer Stangen. Die Hoch- und Wol-Ehrwürdige Priesterschafft / angethan mit Chor-Röcken und Piretten bedeckt. Ein Triumphwagen / auf welchem die H. Vatter Benedictus mit 2. Geniis deß Gotts-Hauses Zwyfalten singender gefahren. Zween / so auf hohen Stangen 2. brennende Laternen getragen. Ein Rauch-Faß und Schiffel-Trager. Zween Fackel-Trager. Zween mit dem silbernen so genannten Spanischen Gefäß zwischen z. Hatschier. Zween / die ein silbernes Haupt getragen / zu dero Seit 2. Hatschier giengen. Zween mit brennenden Facklen. Zween mit dem silbernen Gefäß / darinn die heilige und unverwesene Hand deß heiligen Ertz-Martyrers Stephani fürgesetzet / von 4. Hatschier begleitet. Tragten zween die silberne Sarck des heiligen Leibs Vitalis, eines Römischen Martyrers. Vier/ welche das grosse silberne Brust-Bild der allerseligisten Mutter Gottes Mariae getragen/ in Mitte 4. Hatschier. Ein Schiffel- und Rauch-Faß-Trager. Vier / so brennende Dorschen getragen. Vier tragen die silberne grosse Brust-Bildenuß deß heiligen Vatters Benedicti, mit Convoye 4. Hatschier. Zween mit angezundenen Wind-Liechter. Zween mit der silbernen Sarcken deß heiligen Leibs der Römischen Martyrin Exuperiæ. Zween / so das silberne Gefäß getragen / worinn ein in Gold reichlich gefasster grosser Antheil deß heiligen Creützes ist / an deme die Menschliche Erlösung vollbracht worden. Zween mit dem silbernen Gefäß / welches ein schönes Heiligthum von dem heiligen Apostel Bartholomæo umfanget. Ein silbernes Haupt von zween getragen / an derer aller Seite 2. oder 4. Hatschir gangen. Zween Fackel-Trager. Ein Rauch-Faß und Schiffel-Trager. Das Creütz / so sonsten pflegt dem Convent vorgeetragen zu werden / in Mitte zweyer Liecht-Trageren. Die Discantisten und Altisten Romanisch gekleidt.

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38. Das Wol-Ehrwürdige Convent von Zwyfalten in ihrem Habit oder 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54.

Floccen und Pireten. 2.Trompeter / 2 Posaunisten / ein Serpentinist und Harpffenist. Die Hoch- und Wol-Ehrwürdigen Herren Gäst deß heiligen Ordens S. Benedicit, in Priesterlichem Ornat und Meß-Gewand. Wurde ein guldenes Creütz in mitte zweyer Liechter getragen. Nach disem kamen alle / so Ihro Gnaden dem Herrn Prælaten zu dem Hoch-Ambt dienten. Ihro Gnaden der Hr. Prælat als Officians, in Bischöfl. Aufzug under einem Baldachin von 2. Diaconen und 2. Ertz-Diaconen begleitet. Der Assistens bey dem Hoch-Ambt. Der Ceremonien-Meister. Ein Triumph- oder Ehren-Wagen / auf welchem die Zeit freüdigst auf der Harpffen gespilet. Die Fürstlich-Hochwürdig-Freyherrlich- und Hoch-Adeliche Stands-Personen und Gäste beydes Geschlechts. Die frembde und hiesige Herren Ober- und andere Beambte. Eine grosse Fahne. Dieser folgte der Fürgesetzte mit samtlichem Geistlichem Rath der Bruderschaft deß heiligen Rosenkrantzes mit ihren Zeichen. Die Gemeinde Mannlichen Geschlechts. Wider eine grosse Fahne. Die Zucht-Frauen gemeldter Bruderschafft mit ihren Wappen. Das End daran machten das gemeine Weiber-Volck.“120

In der aufgeführten Ordnung zog man aus den Mauern des Gotteshauses zu einem (wohl nordöstlich gelegenen) Hügel und machte zunächst an einer grün bekränzten Ehrenpforte Station [Abb. 20, Station 2], die, mit Emblemen und Kränzen geschmückt, chronogrammatisch auf das Jahr 1689 verwies. Sieben Personifikationen, eine für die Zeit (tempus) und weitere sechs für die zurückliegenden Jahrhunderte, traten auf die Bühne und trugen, von der Allegorie der Zeit aufgefordert, die Geschichte Zwiefaltens in der Abfolge der sechs Jahrhunderte vor. Unisono verkündeten sie selbstlos, dass die aktuellen Festlichkeiten keineswegs auf Eitelkeiten beruhten, vielmehr als gebotene Schuldigkeit gegenüber Gott, Maria und Benedikt zu verstehen seien. Anschließend bewegte sich der Prozessionszug zu einer zweiten, zu Ehren Mariens errichteten Ehrenpforte [Abb. 20, Station 3]. Maria begrüßte hier die Angekommenen „mit innmüthiger Stimm und Gesang“. Hiervon angelockt, ritten die beiden Klostergründer Kuno und Luithold mit einem Gefolge herbei und legten der Gottesmutter den Grundriss des Klosters zu Füßen: „Es erzeigte hierab die Mutter der Barmherzigkeit ein sonderes Gefallen zu haben / nimt solchen milt-Herzig an / und saget willfährig zu / das sie von disem Ort ihre Augen niemal abwenden / von keinem Feindlichen Sturm übergwältigen lassen / sondern zu jeder Zeit mit dem Schildt ihrer starcken Hand bedecken / und mit Mütterlicher Sorg in allem Wolstand erhalten wolle.“ – Die Wirkung auf das Pu-

120 DEO GRATIAS 1690, S. 11–14.

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020 Skizze des Prozessionsverlaufes anlässlich der Säkularfeier von 1689 (NvdM)

blikum blieb nicht aus, und Tränen flossen reichlich: „Nicht wenigen / welchen ohne dem schon zu Genügen bekandt war / das nach Gott / sein aller-heiligste Gebährerin Zwyfaltens so vil Jahr viler grossen anhaltenden Trangsaalen und schier verzweiffelten Gefahren befreyet habe / seynd diese Wort ein Blas-Balg gewesen / welcher in dero Hertzen / als einem natürlichem Brenn-Ofen / das Feür der Liebe und Danckbarkeit erwecket / dadurch häufiges Zäher-Wasser gebrennet / und durch Augen herauß gepresset worden.“121 Nach reichlich Musik und Gesang zog der Prozessionszug über das „Obertor“ zum Kloster zurück. In Erinnerung an die Gründungslegende Zwiefaltens, nach der Abt Wilhelm von Hirsau bei der Klostergründung einst mit einer Delegation von zwölf Mönchen unter einem „Salve Regina“ in das Zwiefalter Tal eingezogen war, war an der Klosterpforte ein Ehrengerüst aufgestellt, auf dem eine lebende Personifikation des Hirsauer Reformabtes inmitten zahlreicher Bilder eine zentrale Stellung einnahm [Abb. 20, Station 4]. Im Gedenken an die Gründung stimmte man das „Salve Regina“ an. „Dieser ware aber noch nicht völlig zu Ende gebracht / da begonnte auch der Himmel vor Freüden häuffig Trähnen zu weinen / welche die gantze Procession bewegt / in möglichster Ordnung in die gleich daselbige Kloster-Kirchen zu gehen.“122 Der Einzug in den Kirchenraum war von einem festlichen „Te Deum laudamus“ begleitet [Abb. 20, Station 5]. Das Hochamt wurde gehalten von Abt Georg von St. Georgen, der unter dem Titel „Das Hauß Gottes ist wol gestifft und gegründet“ auch eine weitschweifige Predigt hielt. Für jeden Tag war eine weitere Predigt vorgesehen. Die längeren dieser Predigten füllen bis zu 80 eng bedruckte Seiten. Die Feierlichkeiten der folgenden Tage waren von Messen, Disputationen und Beichtabnahmen begleitet. Insgesamt legten nicht weniger als 9404 Besucher während der achttägigen Feierlichkeiten die Beichte ab.123 121 Beide Zitate aus: DEO GRATIAS 1690, S. 15. 122 DEO GRATIAS 1689, S. 16. 123 Vgl. DEO GRATIAS 1690, S. 210.

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1.4 Figur und Pose Die folgenden Absätze verbinden Aspekte der „materialen Religion“ und der Religionsästhetik mit jüngeren Theorien der Theatralität, der Performativität und des Tanzes. Unsere Frage nach einer Ästhetik der Prozession aus der Perspektive der Bewegung berührt sich mit der zentralen Frage der materialen Religion, wie sich Religion auf materialer Ebene ereignet.124 Hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch der Gedanke Hubert Mohrs, dass Bewegung den Grund­ bestandteil religiöser Praxis darstellt.125 Allerdings möchte ich die paradoxe Formulierung „der Grundbestandteil“ dahin gehend auflösen, dass Bewegung als Grundbestandteil religiöser Praxis im Zusammenspiel mit der Bewegungslosigkeit, also der Stasis und der Pose zu betrachten ist. Man kann also in der Frage nach dem performativen Charakter religiöser Praktiken einen gemeinsamen Angelpunkt erkennen. Aus dem dargelegten Quellenmaterial lässt sich eine These ableiten, die sich auf die performativen Akte der hier beschriebenen Feierlichkeiten bezieht. Demnach stellt die prozessionale Bewegung eine Grundbedingung dar, um die Physis der Bilder mit der ihrer Träger ins Verhältnis zu bringen. Die barocke Prozessionsästhetik, wie sie hier an drei Beispielen beschrieben wurde, beruht auf einem Mixed-Media-Konzept, das mobile Ausstattungsstücke wie Bilder, Traggestelle, Plastiken, aber auch Theater und Musik in einen kinematischen Prozess einbaut. Diese tragen dazu bei, die Bewegung in bestimmten Intervallen entweder affektiv zu beschleunigen oder bis zur Stillstellung (und einer damit einhergehenden Tendenz zur Pose) zu verzögern. Allem Anschein nach liegen den beschriebenen Prozessionen zwei divergente Verhaltensweisen zugrunde: eine statische, die auf Repräsentation bzw. Memoria zielt, und eine zweite, dynamische, der es um Präsenz, Verlebendigung und Aneignung des Gezeigten geht. Ihr Zusammenspiel, das in der Prozessionsordnung durch eine Art Montageverfahren zu einem heterogenen Ganzen verbunden wurde, kann als die eigentliche ästhetische Pointe des barocken Prozessionswesens bezeichnet werden.Von einem Montageverfahren kann insofern die Rede sein, als die Bilder und Requisiten, die ihrerseits verschiedene Momente und Instanzen aus der Kloster-, Ordens- und Heils­ geschichte kadrieren, in der Kinesis der Prozession zu einem Ganzen gefügt werden, ohne die Maxime der aristotelischen Einheit von Ort, Zeit und Handlung zu respektieren. Fragt man in diesem Zusammenhang nach Einheit, so scheint diese eher in der Aktualität des Ereignisses als in der montageartigen Vergegenwärtigung von Geschichte zu liegen. Insgesamt entwickeln sich die hier erwähnten Prozessionen in einem Wechsel aus langsamer Bewegung und einem iterativen Verweilen an herausgehobenen Haltepunkten, die durch Kulissen wie Triumphpforten, Bilder, Embleme und Bühnengestelle markiert sind. Obgleich sich der Prozessionszug in einem kontinuierlichen Ablauf durch den Raum bewegt und hier sozusagen ein kinematisches Ganzes bildet, wird in die Statik der Prozessionsordnung zu keinem Zeitpunkt eingegriffen. Sie bleibt von der Bewegung, die sie äußerlich auszeichnet, innerlich unberührt. Die Prozessionsordnung erzeugt im Bewegungsablauf keine

124 Vgl. PROHL 2012, S. 379, mit Verweisen auf die weitere Literatur. 125 MOHR 2004, S. 319.

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126 Edward MUIR untersuchte die Rolle der Positionen in der Prozession für die venezianische Prozessionskultur der Renaissance. Vgl. bes. MUIR 1981, S. 192. 127 FELBECKER 1995, S. 285–294. 128 PÖRNBACHER 1999, S. 17–65. 129 ACHERMANN 1979, S. 165–168, 176–181. 130 FELDER 1962, S. 67. 131 TENBRUCK 1972, S. 85.

qualitativ neue Ordnung, sondern tritt als ein Posieren vor wechselnden Kulissen und Schauplätzen in Erscheinung. Pose kennzeichnet hier das Festhalten an einer statischen Ordnung, die jede Beweglichkeit ihrer Teile und Glieder reguliert. Im Posieren repräsentiert die Prozessionsordnung ein statisches soziales System von Regeln, welches die klösterlichen Herrschaftsansprüche räumlich sichtbar macht. Die Prozessionsordnung von 1689 kennzeichnet ein für viele Barockprozessionen charakteristisches hierarchisches Gefüge, das seine Spitze in der Mitte hat und zum Anfang und Schluss hin hierarchisch abflacht. Das komplexe soziale „Ranking“ (Edward Muir), das an den 54 Gliedern der Zwiefalter Prozession von 1689 sichtbar wird, stellt in der Prozessionskultur des 17. und 18. Jahrhunderts keine Seltenheit dar.126 Von einer 1770 in Neumarkt durchgeführten Prozession ist eine Kette von 90 Einheiten, unter Einschluss von Bildern und „lebendigen Szenen“, überliefert.127 Bei einer Prozession in Landshut im Jahr 1743 wurde von 43 Gruppen das Alte und Neue Testament vergegenwärtigt. Und bei der Übertragung des „Gegeißelten Heilands“ in die neu erbaute Wieskirche (1749) organisierte sich unter Pauken,Trompeten und Salven ein Festzug aus 26 Einheiten.128 Analoge Beispiele finden sich für die Schweiz, wo es eine 1738 in Wil (Kanton St. Gallen) gehaltene Translationsprozession auf 43 Glieder brachte oder Hagenwil (Kanton Thurgau) im Jahr 1772 eine 91-teilige Prozessionsordnung verzeichnete.129 Solche akribisch festgehaltenen Zahlen sind nicht für sich genommen interessant; in ihnen sollten sich vielmehr die Bedeutung der Handlung und die Macht ihrer Initiatoren ausdrücken. Wird das Ordnungssystem dabei unter das Kriterium einer ästhetischen Struktur gestellt, so sollte sich in der schönen Ordnung zugleich die Funktionsfähigkeit der organisierten Gemeinschaft ausdrücken. Schönheit und Ordnung wurden als äquivalent betrachtet. So erwähnt der Chronist einer 1752 in Wettingen (s. u.) abgehaltenen Prozession zwei mitlaufende Schutzkompanien in der Stärke von 250 Mann, die „in schönster Ordnung“ mitschritten.130 Der Gebrauch von rituellen Werkzeugen wie Fahnen, Tragstangen etc. bildet einen zentralen Bestandteil auch der barocken Prozession. Neben den obigen Beschreibungen der herausragenden Prozessionen, welche im 17. Jahrhundert in Zwiefalten abgehalten wurden, soll hier die bildliche Darstellung einer im Jahr 1652 durchgeführten Translationsprozession des Maris Stella-Klosters Wettingen (Kanton Aargau) beigezogen werden [Abb. 21].Wie wir weiter unten noch sehen werden, griffen auch diese visuellen Prozessionsdokumente auf tradierte Darstellungsordnungen zurück, welche sich im Laufe des frühen 18. Jahrhunderts zu mehr und mehr belebten Szenerien entwickelten. In diesem Zusammenhang soll zunächst nur der Charakter der hier diskutierten Objekte illustriert werden. Für die Prozession ist wesentlich, dass die rituellen Werkzeuge beweglich waren und dass jedes dieser Objekte eine eigene Materialität und Gattungseigenschaft besitzt, die es ideal zu nutzen galt. Die Religionssoziologie hat allgemein auf die bei intensivem Handeln auftretende „Ableitung von Affekten auf die Objekte des Handelns“ hingewiesen.131 Wie elementar dieser Druck zur Ableitung affektiver Energie auf Objekte (des Handelns) sei, zeige sich im Alltag, etwa bei der mutwilligen Beschädigung von Objekten im Fall des Misslingens einer

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­ rbeit oder Aufgabe. Die affektive Energie wird einerseits auf die rituellen WerkA zeuge übertragen, zugleich erlauben diese aber auch die Steuerung und Bildung von Emotionen. Die rituellen Werkzeuge selbst scheinen auf die Emotionen ihrer Benutzer einzuwirken. Letzteres ist wichtig, weil die Motorik auch dadurch aus ihrer Punktualität herausgelöst und zu einer tragenden rituellen Handlung wird. Darauf hat der an Friedrich H. Tenbruck anknüpfende Alois Hahn hingewiesen.132 Auf den rituellen Gebrauch von Objekten bei der Prozession bezogen lässt sich folgern: Das Objekt wird zum potenziellen Mitspieler und Träger affektiver Qualitäten, Emotionen und Affekte sind sozusagen unterschwellig in den Objekten mit enthalten. Gleichzeitig verweisen die Objekte auf wichtige Personen der Heils- und Klostergeschichte oder auf historische Zäsuren. Ihnen ist demzufolge eine doppelte Repräsentationsleistung eigen: Sie repräsentieren die Affekte desjenigen, der das Objekt mit sich führt, wie sie ebenso die heilsgeschichtlichen Instanzen des Klosters repräsentieren. Die rituellen Werkzeuge oder Objekte lassen sich teils dem statischen Charakter der Ordnung, teils der Seite der prozessionalen Bewegung zuordnen: Erstens gibt es statische Bilder wie Reliquienbüsten [Abb. 22, mit 12 bezeichnet], Tableaux vivants [Abb. 22], Ehrenpforten, Embleme und temporäre Bühnenanlagen [Abb. 23–25], die die Bewegung der Prozession in einer bestimmten Weise stillstellen oder verzögern. Dabei bilden die Ehrenpforten historische Schwellen, die der Prozessionszug durchschreitet, um die Klostergeschichte räumlich nachzu-

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021 Anonym: Prozession anlässlich der Trans­ lation der Katakombenheiligen Getulius und Marianus im Jahre 1652, entstanden um 1652, Öl auf Leinwand, 190 x 230 cm, Klosterkirche Wettingen (Kanton Aargau), linkes Seitenschiff [Künstler unbekannt] (NvdM)

132 HAHN 1988, S. 234.

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022 Detail aus Abb. 023: „Der müttlere triumpfbogen dess theatir alwo die HH. Leiber abgeholet worden.“ (NvdM)

023 Detail aus Abb. 023: „Der triumpf zur lincken da die action gehalten worden.“ (NvdM)

024 Detail aus Abb. 023: „Der triumpfbogen so vor der äusseren Porten dess Klosters zu sehen ware.“ (NvdM)

025 Detail aus Abb. 023: „Der Triumpfwagen, dessen höche, 16 werck schu[h]och, die die Lenge 11 die Breite 3 ½ erstreckte auff welcher vor derentheil die Römische Kirch, auff dem Zurück und höchere aber S. Maria Maris[s]tella sassen.“ Vgl. HOEGER 1998, S. 10, 180 f. (NvdM)

erleben Zweitens werden (neben der Musik) bewegliche Bilder wie Schauspiele und Fahnen (bzw. Labara) mitgeführt, die die Momenthaftigkeit des Geschehens betonen und dabei die langsame Bewegung der Prozession übersteigern [Abb. 21]. Drittens lassen die mitgeführten Bewegungsinstrumente wie Triumphwagen (für Tableaux vivants), Ferculae (Traggestelle, häufig für Reliquiare) und Stangen (für plastische Bildaufsätze) [Abb. 26 u. 27] das Interesse erkennen, die statischen

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026 Prozessionsstange einer Marienbruderschaft mit Gottesmutter, Erzengel Michael und Luzifer (Vorderseite), Dießen, 1752 (NvdM)

027 Prozessionsstange einer Marienbruderschaft mit Gottesmutter, Erzengel Michael und Luzifer (Vorderseite), Dießen, 1752 (NvdM)

Bilder dem Fluss der Bewegung unterzuordnen, ohne dabei ihre Tendenz zur statischen Pose anzugreifen. Gemeinsam ist den rituellen Requisiten ein Wiederholungsmuster, wobei ihre Funktion vor allem darin bestand, auf eine herausgehobene Sequenz innerhalb der Prozession hinzuweisen. So gingen in der Zwiefalter Prozessionsordnung von 1689 Fackeln und Fahnen den Reliquienbüsten voraus und ließen in Größe und Sujet Platz für kreative Variationen. Die Prozession hat zwei Gesichter oder Momente, die sich mit den Begriffen „Figuration“ (Bewegungsbild) und „Pose“ (Standbild) charakterisieren lassen und sich durch ein Montageverfahren auf einer höheren Ebene zu einer Figur zusammenschließen. Im Rückgriff auf die antike Rhetorik Quintilians hat ­Johann Georg Sulzer eine analoge Unterscheidung zwischen „Figuren des Ausdrucks“ und „Figuren der Ordnung“ vorgenommen.133 Tritt in der Figuration ein aktuelles, ebenso prozesshaftes wie unabgeschlossenes Handeln in Erscheinung,134 so zeigt die Prozession in der stillgestellten Pose den Gegenstand ihrer eigenen Handlung. Während die figurativen Bilder die langsame Bewegung der Prozession affektiv übersteigern, lässt die zur Objekthaftigkeit tendierende Pose den Gegenstand ihrer Handlung gleichsam erstarren, um ihn auf diese Weise aus dem Bewegungsfluss herauszuheben und vor Augen zu stellen.135 Zum ersten Punkt: Die statischen und posenhaften Elemente sind aus dem Prozessionszug immer ein Stück weit herausgehoben [Abb. 21]. Deutlich wird dies auch an der Zwiefalter Platzierung lebender Bilder auf Triumphwagen: auf einem, „auf welchem die Himmels-Königin Maria etwas erhöchet gesessen/ zu dero Füssen die zwey Stiffter Grafen von Achalm das Kloster ablegen“ (7); auf einem, „welchen erst-erwehntes Gottes-Hauses Patronen/ nemlich/ der H. Ertz-Martyrer Stephanus, die heiligen Romanischen Martyrer Vitalis und Exuperia bestigen“ (12); und auf einem, „auf welchem die H.Vatter Benedictus mit 2. Geniis deß Gotts-Hauses Zwyfalten singender gefahren“ (16).136 Im Gegensatz zur Bewegung der Figuration schaltet die Pose (als Aufstellung vor Triumphpfor-

133 Sulzer nimmt mit den „Figuren der Sachen“ eine weitere Differenzierung vor, während Quintilian lediglich zwischen Gedankenfiguren (figurae sententiarum) und Wort­ figuren (figurae verborum) unterschied und Sulzers „Ausdrucksfiguren“ zusammen mit den „Figuren der Ordnung“ den Wortfiguren zuwies. Vgl. SULZER [1792/93] 1967/70, hier: Bd. II, S. 231; QUINTILIAN 1995, I 8, 16; IX 1, 15–18. Vgl. zum Figurabegriff Quintilians AUERBACH 1967, S. 62–65. Zur Transformation der rhetorischen Figurenlehre in eine Sprachtheorie im 17. und 18. Jahrhundert vgl. TILL 2004, S. 32–42. 134 Vgl. BRANDSTETTER 2002, S. 8. 135 Vgl. zum Verhältnis zwischen Pose und Objekthaftigkeit BARTHES 1989, S. 19–21, 88. 136 Die historischen Wurzeln des Tableau vivant reichen weit vor das 17. Jahrhundert, vermutlich bis in die Antike zurück (JOOS 1999, bes. S. 37; vgl. zur Begriffsbildung ebenda, S. 19–24, und HELAS 1999, S. 2–6). Wie schon im „trionfo“, dem Triumphzug des weltlichen oder geistlichen Herrschers im späten Quattrocento, waren auf Triumphwagen aufgestellte „lebende Bilder “ in ein multimediales Gesamtarrangement eingelassen (vgl. HELAS 1999, S. 183). In der Ordenskultur des 17. und 18. Jahrhunderts konnten „lebende Bilder “ auch zur Überbrückung eines Szenenwechsels im Theater, aber auch in der Predigt Anwendung finden und je nach Bedarf ein- oder mehransichtig angelegt sein (vgl. HERZOG 1991, S. 70). Wie Heinrich Suso Braun und hieran anschließend Ursula Brossette zeigten, gehören die „lebenden Bilder “ neben

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den Altararchitekturen Berninis zur ästhetischen Vorgeschichte von Altarszenarien wie jenen der Himmelfahrt Mariens in Rohr (1717–1723) und des hl. Georg in Weltenburg (1721–1724) von Egid Quirin Asam, die zuletzt von Guido Reuter auf ihren räumlichen Charakter hin ausführlich untersucht wurden (vgl. BRAUN 1964; BROSSETTE 2002, S. 289–289; REUTER 2002, S. 83–107). Insgesamt wird man den Einfluss des „lebenden Bildes“ auf plastische Hochaltäre allerdings nicht überschätzen dürfen. Die Transformation des gemalten Hoch­ altarbildes in eine plastische Szenerie folgt vor allem einer inneren Entwicklungslogik, auf die das lebende Bild wohl nur einen marginalen Einfluss hatte. (Vgl. etwa die Chorgestaltung von Prunners Stiftskirche in Spital am Pyhrn/Österreich, 1714–1739. MÖSENEDER 1999, S. 64 mit Abb. 58.) DELEUZE 1997, S. 21. ... und ganz unabhängig davon, ob die weiteren Schlussfolgerungen Warburgs, die das Programm auf fernöstliche Einflüsse zurückführen, zutreffen, noch immer interessant zu lesen. Vgl. WARBURG [1912] 1998, S. 463; Warburg Tafel 27, S. 46 f., Tafel 36, S. 62 f. Vgl. M. Bertozzi: Il talismano di Warburg: considerazioni sull’impianto astrologico di Palazzo Schifanoia, in: Alla corte degli Estensi. Filosofia, arte e cultura a Ferrara nei secoli XV e XVI, atti del Convegno internazionale di studi, Ferrara 5–7 marzo 1992, a cura di M. Bertozzi, FERRARA 1994, p. 199–208. GOETHE [1809] 1989a, S. 393. TAMBIAH 2002, S. 219. HELAS 1999, S. 183. Vulgata: Liber Jesus Sirach (Ecclesiasticus) 36,19: „secundum benedictionem Aaron de populo tuo / et dirige nos in via iustitiae / et sciant omnes qui inhabitant terram / quia tu es Deus conspector saeculorum”. Die auf die Prozessionsfahne geschriebene Formulierung scheint durch eine Dialektik von Wort und Bild auf die Sichtbarkeit Gottes in der Welt anzuspielen. Vgl. zum genannten Holzschnitt: mit Bezug auf das Brauchtum KRISS 1971, S. 101; und im Zusammenhang mit dem gegenreformatorischen Bilderkult FREEDBERG 1989, S. 100–104; BELTING 1990, S. 505–509. Vgl. zu einer kritischen Interpretation von Ostendorfers Holzschnitt SIGNORI 2004, S. 313, mit weiteren Literaturhinweisen unter der dortigen Anm. 52.

ten oder Tableaux vivants auf Triumphwagen) stets eine übergeordnete zeitliche Instanz in die aktuelle Handlung ein. Sie enthält „transzendente Formelemente“ (Deleuze) und verweist in der Prozession von 1689 auf jene Protagonisten, welche die Gründung und den Fortbestand des Klosters garantierten.137 Die Pose des Sitzens, die Aby Warburg in diesem Zusammenhang an den Triumphwagen der Renaissance interessierte (Palazzo Schifanoia, Ferrara), ist hierbei von wesentlicher Bedeutung.138 Sie isolierte einzelne Körper voneinander und verlieh ihnen eine gesteigerte Intensität. Dabei wurde die idealisierte Gebärde der Ruhe – nämlich die einer unbewegten Bewegung – durch den Triumphwagen in eine raumgreifende Bewegung übersetzt, ohne dass sich die Darsteller selbst übermäßig bewegten. Auf Zwiefalten bezogen: Maria, Benedikt, die Klostergründer und die verehrten Heiligen agierten nicht, sie zeigten sich in einem vermittelten Bewegungsablauf, der auf Aufmerksamkeit und Huldigung zielte. Diskutiert man die lebenden Bilder der Prozession unter dem Aspekt der stillgestellten Pose, so beschreibt dies freilich nur die eine Seite der Medaille. Schon Goethe erkannte in den Wahlverwandtschaften, dass die Wirkungsmacht des Tableau vivant auf einer doppelten Präsenz beruht, die zugleich einer „andern Welt“ wie einer „Gegenwart des Wirklichen“ zugehört.139 Der Darsteller „teilte seinen Körper“ in eine Hälfte, bei der er er selbst blieb, und in eine andere, die ihn zum Bild erstarren ließ. Die Ritualtheorie spricht bei diesem Phänomen allgemein von einer Form der Distanzierung, bei der der Prozessionsteilnehmer oder -akteur im konventionalisierten Handeln des Rituals von sich selbst Abstand nimmt.140 Ihre Kehrseite besteht darin, dass im geregelten Handeln während des Rituals zugleich eine Nähe zwischen dem eigenen Körper und den Inhalten der Prozession hergestellt wird. Wie Philine Helas zeigte, verschränkt das „lebende Bild“ „den ephemeren Charakter des Lebendigen“ mit „Ausdrucksformen der ‚unvergänglichen‘ Kunst“, das heißt mit Darstellungseigenschaften des Bildes.141 Die potenzielle Lebendigkeit eines Schauspielers, der sich in jedem Moment aus seiner Starre lösen könnte, erlaubt es, auch den von ihm dargestellten Protagonisten als Repräsentanten der eigenen Wirklichkeit anzusehen. In der Prozession findet gewissermaßen eine lebendige Aneignung jener „göttlichen“ Instanzen statt, die als Posen der Heilsgeschichte entstammen, aber in ihrer potenziellen Beweglichkeit auch dem aktuellen Leben zugehören. Zum zweiten Punkt: In der Zwiefalter Prozessionsordnung von 1689 führen Fahnen einzelne Gruppen an, wie etwa die Rosenkranzbruderschaft (49, 50). Für andere Fahnen sind Schriftzüge erwähnt („Deus Conspector Saeculorum“, 3; „Venite Benedicti Patris“, 8; „S – E – X“, 6) [vgl. auch die sicher verwandten Formen in Abb. 28–35].142 Spätbarocke Deckenfresken vermitteln einen Eindruck von Gebrauch und Funktion der Fahne innerhalb der Prozession. In ihnen präsentiert sich die Fahne als ein figuratives Bild, das mit den hochaffektiven Gebärden der Wallfahrer in Verbindung steht. Ob man es nun als eine affirmative Bestätigung oder als eine kritische Polemik am Kult lesen mag: Nirgends kommt diese Verschränkung von Fahnenbewegung und Affekt deutlicher zum Ausdruck als in Hans Ostendorfers Holzschnitt der Wallfahrt zur Schönen Maria von Regensburg (1519–1521) [Abb. 31].143 Die

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028 Franz Joseph Degle: Prozessionsfahne aus dem Motiv der Einsetzung des Gnadenbildes durch den Pfarrer von Röhrmoos, aus: Ostabschnitt des Deckenfreskos St. Vitalis, Sigmertshausen (Landkreis Dachau), 6,70 x 6,00 m, 1755 (NvdM)

029 Franz Joseph Spiegler: Prozessionsfahne aus dem nordwestlichen Abschnitt des Langhausfreskos Zwiefalten, 1752 (NvdM)

030 Abgestellte Prozessionsfahnen im Kirchhof, 1752 (Detail aus Abb. 033) (NvdM)

031 Hans Michael Ostendorfer: Wallfahrt zur Schönen Maria von Regensburg (Detail), 1520, Holzschnitt, 56 x 39 cm

Erhebung der Fahne hin zur Muttergottesstatue verkörpert den Wunsch nach Erhebung ihres Trägers durch Maria. Aus den ekstatischen Bewegungen, Krümmungen und Windungen der Pilger scheinen die Bewegungen der Fahnen unmittelbar hervorzugehen. Die Bewegung der Fahne verkörpert die physische und innere Bewegtheit ihrer Träger, die in diesem Augenblick jeder eigenen Trägheit entrissen sind. Als „Richtungsbild“ hatte die Fahne ihre Funktion in der Regel erfüllt, sobald das kultische Ziel, auf das es verwies, erreicht war [vgl. Abb. 30]. In einem Fahnenmotiv der Wallfahrt zur Schmerzhaften Muttergottes von Stein-

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032 Sentiant Umnes Tuum Juvanem – „Niemandt ist der Hilf begehrt, den Maria nit erhört“, Prozessionsfahne mit Motiv der Wallfahrt zur Schmerzhaften Muttergottes, 1750, Museum Steinbach (KATALOG 1981)

033 Detail aus Abb. 34: Brandszene auf Prozessionsfahne, Maria Steinbach, 1750 (NvdM) 034 Detail aus Abb. 34: Bittszene auf Prozessionsfahne, Maria Steinbach, 1750 (NvdM)

144 Vgl. zur Prozessionsstange: WOLFRAM 1964; FINKENSTAEDT/STOLT 1989, KATALOG 1981, I, S. 716–720; KATALOG 2003, I, S. 360.

bach findet Ostendorfers Darstellung ihren Nachklang [Abb. 32–35]. Es handelt sich um eine Art „Meta-Fahnenbild“: Die auf der Prozessionsfahne dargestellte Prozession hat ihren Grund in einem ebenfalls dargestellten Flehen nach Schutz anlässlich eines Brandes in Steinbach. Man muss sich die Fahne in der Bewegung als Teil der Prozession vorstellen, um sich vor Augen führen zu können, wie das Motiv durch die Prozession selbst zu Leben erweckt wird und an Aktualität gewinnt. Anders als die Prozessionsstangen mit ihren aufgepflanzten, posenhaften Bildwerken [vgl. Abb. 26, 27]144 ist die Fahne, während sie getragen wird, in permanenter Bewegung. Aufgrund ihrer Eigenbeweglichkeit und ihrer engen Verbindung mit einem sich bewegenden Träger kann die Fahne im doppelten Sinne ein

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035 Detail aus Abb. 34: Bittszene auf Prozessionsfahne, Maria Steinbach, 1750 (NvdM)

„bewegliches Bild“ genannt werden. Dabei ist die vertikale Beziehung zwischen Fahne und Fahnenträger wichtig. Sie erklärt, weshalb „Himmel“ und „Erde“ in der Aufwärtsbewegung der Fahne eine Communio eingehen konnten. In diesem Sinne sah jedenfalls die Deutsche Encyclopaedie von 1784 eine wesentliche Bedeutung der liturgischen Fahne darin, dass sie den „auffahrenden Heyland selbsten“ verkörpere.145 Hans Dünninger und Wolfgang Brückner wiesen in einem gemeinsam verfassten Artikel auf die Zusammenhänge zwischen Prozessionsfahne und „Labarum“ hin, das im barocken Prozessionsvokabular nominal gelegentlich synonym für „Fahne“ gebraucht wurde.146 Als Herrschafts- und Feldzeichen gehen Labara und Prozessionsfahnen auf das Feldzeichen Konstantins des Großen zurück, also auf das der Legende nach in der Schlacht von 312 auf einem Fahnentuch mitgeführte Christusmonogramm und Kreuzeszeichen (vexillum crucis), welches seit dem 10. Jahrhundert als Kampfzeichen bei Feldzügen breite Verwendung fand.147. Die Barockprozession imitiert gewissermaßen einen Siegeszug im Zeichen Christi. Die Standartenform der Fahne hatte sich hierbei bewahrt. Seit dem 18. Jahrhundert finden sich Prozessionsfahnen, deren Darstellungen auf die Wallfahrt und auf die Beweglichkeit des Mediums ganz unmittelbar Bezug nehmen.148 Eine jüngere Arbeit zur Restauration barocker Prozessionsfahnen lieferte detaillierte Ergebnisse zur maltechnischen Bearbeitung und zum Aufbau der Fahne.149 In der Regel aus einem grundierten Flachsgewebe oder Leder als Bildträger und durch einen schwingenden Querstab und eine Längsstange mit ihrem Träger verbunden, konnte die ein- oder doppelseitig bemalte Fahne (lat. panno; ahd. fano, ‚Tuch‘) mitunter bis zu vier Meter über den Prozessionszug hinausragen.150 Das durchschnittliche Maß des in Öl oder Tempera gemalten Fahnenbildes betrug zwischen 90 cm und 150 cm in der Länge und zwischen 80 cm und 100 cm in der Breite. Der Gebrauch von Fahnen ist kulturanthropologisch tief verwurzelt und reicht selbstverständlich über deren militärische oder religiöse Verwendungen

145 Zitiert nach TRÖGER 2004, S. 5. 146 BRÜCKNER/DÜNNINGER [1992] 2000, S. 243; vgl. auch die Verwendung des Begriffs „Labarum“ als Fahne in der Prozessionsordnung der Wies (1749): PÖRNBACHER 1999, S. 34, 38, 42, 46. 147 AGGERMANN-BELLENBERG 1982, S. 311. Eine frühere liturgische Verwendung der Fahne ist wahrscheinlich. So findet sich eine schriftliche Andeutung bei Gregor von Tours (vgl. FOERSTER/BÖING/BERGER 1995, Sp. 1155), und die Erwähnung von „Labara“ im 10. Jahrhundert beim kleinen und großen Einzug des Kaisers in die Hagia Sophia (vgl. SCHNEIDER 2003, S. 368–370). 148 Vgl. TRÖGER 2004, Abb. I, II. 149 TRÖGER 2004. 150 TRÖGER 2004, bes. S. 6–10.

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151 So bei den Tänzen der Fante Asafo (Ghana), vgl. HEYMER 1993, bes. S. 16, und mit Bezug auf die kulturell übergreifende anthropologische Verwurzelung der Fahne: AGGERMANN-BELLENBERG 1982, S. 308. 152 MERLEAU-PONTY [1964] 1986, S. 292. 153 Vgl. zu den Wettinger Translationsbildern (1652/1752) allgemein: HOEGGER 2003, S. 10, 82, 180–181, 184. Die Beziehung zwischen Wettingen und Zwiefalten im 17. Jahrhundert lässt sich in der Figur Thomas Metzlers (1655) fassen, eines Zwiefalter Konventualen, der als vir literalissimus zu den herausragenden katholischen Schriftstellern seiner Zeit gehörte. 1639 lehrte Metzler in Salzburg Rhetorik, seit 1639 Philosophie und später auch Theologie in Zwiefalten; 1649–1652 unterrichtete er Logik im Zisterzienserstift Wettingen, während er zugleich das Archiv des Klosters ordnete und betreute. In Wettingen dürfte Metzler die Translation der Katakombenheiligen unmittelbar miterlebt haben, bevor er 1653 als Philosophieprofessor wieder nach Zwiefalten zurückkehrte und in unmittelbarer Nähe (Dürenwaldstetten) 1655 starb. Von Metzler haben sich theologische, historische und poetische Schriften erhalten. Vgl. LINDNER 1910, S. 42 f.; NEESEN 2003, S. 152. Zu den Parallelen zu Stichreproduktionen von Herrschereinzügen vgl. die Bemerkungen von SPAGNOLO-STIFF 1996, S. 153–155. 154 DELEUZE 1997, S. 27 ff.

hinaus. Als „tanzende Bilder“ können sie etwa an den ekstatischen Figurationen zeremonieller Tänze unmittelbaren Anteil haben und selbst eine tanzende Figur verkörpern.151 Dabei beruht die Form der Übertragung in aller Regel auf einem Balanceverhältnis zwischen der Physis des beweglichen Fahnenbildes und der des sich bewegenden Fahnenträgers. Beide stehen durch die Vertikalität der Stange in einer Beziehung, die der einer Waage gleicht. Fahne und Bild stehen nicht übereinander, sie sind aus statischen Gründen diagonal versetzt. Die Bewegung des Körpers und die Bewegung der Fahne bilden dadurch eine Form „ausgleichender Verlagerungen“ (Maurice Merleau-Ponty), eine Einheit.152 Im kinematischen Ablauf der Prozession repräsentieren sich Fahne und Fahnenträger wechselseitig. Dabei übernimmt die Fahnenstange die Funktion eines „Übertragungskanals“. Sie überträgt die Bewegung des Körpers auf die Fahne und das, was die Fahne repräsentiert (Heilige, Bruderschaftszeichen etc.), auf den Körper des Fahnenträgers.Wie der Fahnenträger einen auf dem Fahnenbild dargestellten Heiligen lebendig vertritt und seinen Tugenden nacheifert, so geht der im Fahnenbild animierte Heilige jederzeit voraus. Durch das Heben der Fahne wächst sein Träger über sich hinaus und ragt in eine andere, strahlendere Sphäre hinein. Die Mittlerrolle der Fahne zwischen Erde und Himmel lässt die Prozessionsteilnehmer im Augenblick des Kultes im übertragenen Sinne an einem heilsgeschichtlichen Akt teilhaben. Deshalb kann die Fahne auch ein „ekstatisches Bild“ genannt werden, im wörtlichen Sinne als „Ek-stase“, die für das Heraus­ treten der Affekte aus den Körpern der Wallfahrer und deren Übertragung auf das bewegliche Bild steht.

1.5 Das Prozessionsbild um 1700 Zu einigen Barockprozessionen des 17. und 18. Jahrhunderts nördlich der Alpen wurden Gedächtnisbilder angefertigt, die neben ihrem Anspruch auf chronikalische Objektivität die Ordnung der Prozession klarer verdeutlichen konnten als die turbulente Prozession inmitten eines reichen Sinnesangebotes. Die tendenziell flächigen Darstellungen der Wettinger (um 1652) und der St. Galler Translationsprozessionen (um 1680) [Abb. 21 u. 36] haben beispielsweise eher informationsgrafischen Charakter und wollen über das kirchlich-soziale Ranking der Teilnehmer/-innen sowie über die in der Prozession mitgeführten Reliquien Auskunft geben.153 Als Vorlagen bediente man sich nicht der tradierten südalpinen Bildtypen (Gentile Bellini, Giacomo Franco), sondern vernachlässigte den Kontext, den Ort des Geschehens zugunsten der Darstellung des Ereignisses und der Prozessionsordnung. Im Wettinger Gedächtnisbild (um 1652) sind die Prozessionsglieder wie durch einen unsichtbaren Faden miteinander verbunden. Der schlangenförmige Prozessionskörper findet sich zu einer kinematischen Folge zusammen, die ortlos (jenseits von Zeit und Raum) agiert. Die Prozession bildet einen Körper ohne Raum. Die Kadrierung, also das Bildfeld und die Wahl des Ausschnittes, beginnt sich in den Prozessionsbildern um 1700 schrittweise zu wandeln.154 Die Organisa-

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tionsform der Prozession wird immer weniger aus dem Prozessionszug selbst und immer mehr aus dem Bildraum hervorgebracht. Dies gibt Platz für belebte, genreartige Einzelszenen, die nicht nur das Auge unterhalten, sondern auch dokumentarisch wertvoll sind. Die Kadrierung wird von nun an so gewählt, dass sie die Prozessionshandlung in eine Architektur- und Landschaftskulisse hineinstellt, womit auch eine Tendenz zur Aufgliederung und Vervielfachung der Szenen einhergeht. Bereits im erwähnten Translationsbild von St. Gallen neigt sich die Bildebene im Vergleich zu seinen Vorgängerbildern und löst sich ein Stück weit von der tradierten buchhalterischen und vertikalen Auflistung der Prozessionsordnung [Abb. 36]. Die einzige erhaltene, aus dem späteren 17. Jahrhundert stammende Zwiefalter Darstellung einer Prozession folgt diesem Bildkonzept, obgleich sich hier freilich der genrehafte Prozessionszug der Vergegenwürtigung des Klosters unterordnet [Abb. 37, Detail aus Abb. 9]. Das rund fünfzig Jahre später entstandene Gedächtnisbild anlässlich der Rückführung der Heilig-Blut-Reliquie in das Kloster Reichenau (1738) dehnt diese Entfaltung einer Massenordnung in einen „Realraum“ auf beeindruckende Weise aus [Abb. 38]. Man könnte auch sagen, dass der Bildraum selbst die Organisationsform der Prozession entlang der Klostermauern hervorbringt. Die Klostergebäude gehen über kulissenhafte Versatzstücke hinaus und dienen dem Prozessionsfaden sozusagen als Spindel. Aus dem Ineinandergreifen von Handlungsort und Handlung entsteht ein Raumbild, in dem die Prozessionsordnung sich nun temporal organisiert. Auch der heilsgeschichtliche Bezugsrahmen ist als ein reales Geschehen in dieses Raumbild unmittelbar eingelassen. Ging es bei den vorausgegangenen Prozessionsbildern vor allem darum, Ansprüchen der chronikalischen Genauigkeit zu genügen und die hierarchische Ordnung zu betonen, so wird beides nun zugunsten einer beeindruckenden Vervielfachung der Szenen und eines Massen­ effekts zurückgestellt. Die der Prozession zugrunde liegende straffe Regie wird jetzt zum großen Teil an kommentierende Texte und Festberichte delegiert.155

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036 Darstellung der Translation der hll. Erasmus, Hiacynthus, Sergius und Bacchus anlässlich der Translationsprozession, St. Gallen, 15. September 1680, um 1680 (ACHERMANN 1979)

037 Anonym: Abriss und bezürckh Des Closters Zwiefalten wies Anno 1659 gebauen geweßen, 1659, Prozessionsdarstellung, Detail aus Abb. 9 (NvdM)

155 Vgl. zu den Schriftdokumenten BINDER 1994, S. 343 f.

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038 „Abbildung deß von Seiner Hochfürstlichen gnaden Johann Frantz …, Anno 1738 den 26 Maij vorgenommenen Solennen Expositions … des Allerheiligsten Bluts Jesu Christi in dem Hochfürstl: Rechsgottshauß Reichenau.“ Heilig-Blut-Prozession. Gedächtnisbild anlässlich der Rückführung der Heilig-Blut-Reliquie ins Kloster Reichenau am 26. Mai 1738, um 1738, Münster Reichenau, nördliches Seitenschiff (NvdM)

039 Anonym: Prozession anlässlich des 100. Jubiläums der Translation der Katakombenheiligen Getulius und Marianus im Jahre 1752, entstanden nach 1752, Öl auf Leinwand, 207 x 550 cm, Klosterkirche Wettingen (Kanton Aargau), südliches Seitenschiff (NvdM)

156 Öl auf Leinwand, ehemalige Zisterzienserkirche Maris Stella, Wettingen, Seitenschiff. Zur schriftlichen Chronik, die dem Bild vermutlich als Vorlage diente, vgl. BINDER 1994, S. 343 f.; FELDER 1962, S. 67–78.

Das mit seinen Maßen von 255 x 550 cm monumentalste und, soweit bekannt, letzte Gedächtnisbild einer Translationsprozession nördlich der Alpen entstand um 1753 anlässlich der Zentenarfeier zur Translation der Katakombenheiligen Getulius und Marianus nach Wettingen [Abb. 39].156 Mit diesem Bild ist die vollständige Integration der Handlung in einen landschaftlichen Handlungsraum vollzogen, der nun zu einer Raumkomposition mit niedrigem Horizont abgesenkt ist. Eine schnelle Übersicht über einen linearen, kinematischen Ablauf ist hier nicht mehr möglich, aber auch nicht beabsichtigt.Vielmehr soll sich das Auge des Betrachters in den unzähligen Details der Haupt- und Nebenszenen verlieren. Prozessionskörper und Handlungsraum sind untrennbar miteinander verbunden. Die Prozession übersetzt den topografischen Raum, in den sie eingelassen ist, in einen temporalen Handlungsraum. Der gewebeförmige, an den Enden zusammengehaltene Prozessionskörper durchzieht die Landschaft wie sich verzweigende, pulsierende Ströme [Abb. 40 u. 41]. Dabei trägt der Zisterzienserkonvent von Wettingen gleichsam sein gesamtes Kircheninventar in die Landschaft hinaus und integriert aufwendige Bildprogramme, Altäre und

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040 Hinterer Prozessionsabschnitt, Detail aus Abb. 038: Prozessionszug (NvdM)

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041 Mittlerer Prozessionsabschnitt, Detail aus Abb. 038: Spielbühne (NvdM)

042 Bühnenaufbau, Detail aus Abb. 038: Prozessionszug (NvdM)

043 Detail aus Abb. 38: Triumphwagen, 1752: „Der erste Triumphwagen, ‚13 Schuh hoch‘, mit vier Zugpferden, die von den Personifikationen der vier Erdteile geführt wurden. Zuoberst auf dem Wagen thronte unter einem Baldachin die siegreiche Kirche, umgeben von zwei Genien mit den Attributen Tiara und Schlüssel Petri. Zu Füssen der Kirche lagen, an Ketten gefesselt‚ die überwundene Tyranney, Höll und Abgötterey. Auf dem Bug der Karosse, saß ein Meer-Fräulein als das Ehren-Wappen der Klosters, der heiligen Kirchen für so kostbahren Schatz Danck zu erstatten beflissen.“ Aus: Gründlicher Bericht Hoch-feyrlicher hundert-jähriger Übersetzungs-Festivitet Beyder heiligen Leiber der glorwürdigen Blutzeugen Christi Mariani und Getulij ... Gedruckt zu Baden, Bey Joseph Ludwig Baldinger. Kantonsbibliothek Aarau, Klosterbibliothek Muri: Mb. 132. fol (g, h. i). Zit. nach: FELDER 1962, S. 85 f. (NvdM)

Plastiken, Fahnenbilder und Traggestelle in die Natur. Durch Triumphpforten, Schaubühnen und ephemere Kulissen erscheint der Handlungsort als ein in die Landschaft transformierter Sakralraum [Abb. 42 u. 43]. Die Architektur des Sakralraums wird, so könnte man sagen, in einen kinematischen Ablauf übersetzt. Parallel hierzu vollzieht sich im spätbarocken Sakralraum eine umgekehrte Entwicklung: In Sakralräumen wie Steinhausen oder der Wieskirche sind Versatz­ stücke des landschaftlichen Außenraums der Architektur einverleibt.

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1.6 Der prozessionale Raum: Montage der Chronotopoi

157 TARKOWSKI 1989, S. 61 f. 158 MOHR 2004, S. 314. 159 BACHTIN 2008, S. 7–9.

„Zeit und Erinnerung sind einander geöffnet, sind gleichsam zwei Seiten einer Medaille. Es ist vollkommen klar, dass es außerhalb der Zeit auch keine Erinnerung geben kann.“157 Dieser auf filmtheoretischen Prämissen basierende Gedanke kennzeichnet auch einen Aspekt des hier diskutierten Prozessionswesens: In ihm verbinden sich Präsenz und Memoria. Und zwar so, dass sich die Heils- und Ordensgeschichte als vitale Bezugspunkte der Gegenwart und die Gegenwart ihrerseits als Resultat dieser Bezugspunkte zu erkennen geben. Es gibt aber noch eine weitere Verbindung zwischen dem Film und der Prozession, wo die Prozession die Bewegungsbilder und beweglichen Bilder montageartig zu einem Ganzen fügt. Die heterogenen zeitlichen Bezugspunkte, die sich in der Prozession und ihren Requisiten als Aktionen von Figuration und Pose entfalten, werden in der Prozessionsordnung so montiert, dass sie als Wechsel zwischen dem Alten, dem Gegenwärtigen und dem Neuen in einem universalen Ganzen, der Prozession, aufgehen. Die barocke Prozession hat ihre bis in die Antike zurückgehenden rituellen Werkzeuge nicht erfunden, aber sie zehrte von ihrem intermedialen Charakter und brachte es hierin, was die Vielfalt an Objekten, ihre artifizielle Präsenz und ihre Einsatzgebiete angeht, zu einem religiösen „Virtuosentum“. Die prozessionale Bewegung verläuft entlang thematisch und motivisch ausdifferenzierter und sich zum Ende verdichtender Wegstationen. Dieser Bewegungsparcours bezeichnet eine Form der Erinnerung und Aneignung der Kloster- und Heilsgeschichte. Dabei wird der Naturraum zum Raum einer religiösen Erfahrung umcodiert und auf einem rhythmisch durch Bilder, Musik und Sprache gestalteten Weg schrittweise nachvollzogen. Der Raum wird „mit Schreitbewegungen ausgemessen, bewältigt, akzentuiert, umgrenzt“ und hierbei „als sakraler Raum erst konstituiert“.158 In den Theorien der Poetik ist über die zentrale Rolle des Weges nachgedacht worden. Michail Bachtin hat ihn als einen „Chronotopos“, also als „Zeitraum“, beschrieben.159 Wenn der Chronotopos im Verständnis Bachtins ein fiktionales Weltbild bezeichnet, das sich zu einer raumzeitlichen ästhetischen Einheit organisiert, so schöpft der prozessionale Weg seine Wirkung aus der Montage verschiedener Chronotopoi. Die Vielheit der Chronotopoi schließt sich im Prozessionsweg zu einer Einheit aus wechselnden Zeitbezügen zusammen. Anders ausgedrückt: Die vielen Zeitbezüge verräumlichen sich im prozessionalen Weg, den der Prozessionszug als ein großer Körper durchläuft. Der Weg wird dabei auch als eine Form der Memoria verstanden, während das Gehen eine Form der Aneignung ausdrückt. Mit Bezug auf die Barockliteratur des 17. Jahrhunderts und ihre Textgattungen (etwa der Ekloge) wurde auf die Bedeutung des Spazierweges hingewiesen und deutlich gemacht, dass es sich bei den vielfältigen Analogiebildungen zwischen linearem Text und realem Weg nicht um die Erfahrung eines wirklichen Naturraumes, sondern um eine imaginäre Bewegung und ein Gemütsstimulans durch eine „gepflanzte Reihe von erbaulichen Texten“ handelte, deren wesent­ liches Ziel darin bestand, einen „Erkenntnisweg zu Gott“ und den Werken seiner

1 Prozession und rituelles Handeln

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Schöpfung zu bahnen.160 Metaphern vom Leben als Spaziergang, Pilgerweg oder Wegreise haben hier ihre Entsprechung.161 Unter diesen Voraussetzungen kann man festhalten, dass es sich bei dem prozessionalen Raum um einen metaphorisch umgestalteten, um einen transitorischen Raum handelt, der in der Prozessionsbewegung gleichsam hermeneutisch durchschritten wird. Dabei dienen die mobilen Ritualgegenstände wie Fahnen etc. dazu, die Affekte der Prozessionsteilnehmer zu entwickeln, abzuleiten und in den Raum einzuschreiben. Die Pointe der Prozession liegt aber nicht im Raum selbst, sondern in seiner temporalen Aneignung und Umgestaltung, die im erfahrungs- und erkenntnismäßigen Durchlaufen ambulativ realisiert wird. Der Raum ist der Ort der Erfahrung, nicht ihr unmittelbarer Inhalt. Ohne den Raum allerdings wäre eine solch komplexe Form der leiblichen Aneignung von und Teilnahme an Weltgeschichte als Heilsgeschichte gar nicht denkbar. Mit Hinweisen auf Kirchenfeste, Gebetszeiten und Tagesmessen allein lässt sich der temporale Charakter der Prozession nicht fassen.162 Er basiert auf einer Verzeitlichung des Raumes in einem ganz grundlegenden Sinne. Diese erst erlaubt es, die heilsund weltgeschichtlichen Dimensionen der Prozession durch eine ihr zugrunde liegende visuelle Struktur erfahrbar zu machen.163 Insofern unterliegt die Prozession aber nicht nur der Zeit, sie ist selbst ein Bild der Zeit. Sie ist ein Raummodell von Geschichte, in dem Vergangenheit und Gegenwart sich in wechselnden Intervallen verschränken und zur Zukunft hin öffnen. Die prozessionale Bewegung geht einen Weg der Imitatio der durch die „Helden“ dieser Geschichte repräsentierten Tugenden. Motivisch wie formal steht die Barockprozession am Anfang einer temporalen Organisation des Sakralraums, die das Erlebnis des Raumes von der körperlichen Eigenbewegung her entwickelt.

160 Vgl. KELLER 2000, bes. S. 952 f., 964. 161 Hierzu nur: MICHEL 1992; OSTERRIETH 1997. 162 LÖTHER 1999, S. 101–105. 163 KRÄMER 2002, S. 56: „Und da ist als letztes Phänomen der Umstand, dass wir auch die Zeit selbst nur mit Hilfe visueller Schemata, sei es als Zeitpunkt, Zeitpfeil oder Zeitraum, zur Darstellung bringen: Wo immer wir Zeitlichkeit anzeigen, wird Zeit dabei verräumlicht.“

2 Fassade: Domus Mariae (1750–1759)

Die Fassade von Zwiefalten weist eine Besonderheit auf, die man aus der Ferne zunächst kaum bemerkt [Abb. 44]. Aus ästhetischer Sicht scheint sie weniger aus einer denn aus zwei Schichten, also aus einer Doppelmembran vertikaler Mauer­ ebenen zu bestehen, wobei sich die vordere Membran von der hinteren gleichsam ablöst, konvex hervorspringt, öffnet und den Weg in den Innenraum freigibt [Abb. 45–47].164 Der bis heute verwendete Begriff der „Bildhaftigkeit“ oder „bildhaften Wirkung“ von (barocken) Fassaden bedarf in diesem Zusammenhang einer Diskussion. Denn die Fassade von Zwiefalten ist nicht nur selbst tiefenräumlich organisiert, sondern steht darüber hinaus auch mit dem Raum vor und hinter der Fassade in dynamischer Beziehung. Diese dynamische Beziehung der Fassade zu dem Raum vor und hinter ihr ist selbst aus einer zentrierten Position direkt vor der Fassade nicht wegzudenken. Einige allgemeine Bemerkungen zur Sache: Es wird vergleichsweise selten darauf hingewiesen, dass das Architekturelement Fassade in Hinblick auf den Repräsentationscharakter eines Gebäudes zwar zentral, mit Blick auf das Leben und die Handlungen im Innenraum jedoch zu vernachlässigen ist; dass die Fassade zwar aus fester und meist massiver Materie plastisch gebildet, jedoch bildmäßig organisiert ist; dass man vor ihr stehen muss, um sie zu erschließen, ihre Aufgabe jedoch darin besteht, den Ein- und Austritt sichtbar zu machen; dass sie als Gesicht eines Baus bloß dessen Oberfläche ist, vielfach jedoch in Beziehung zur Organisation des Innenraumes steht. So ist die Fassade in Bezug auf ihr Verhältnis zu innen und außen, Raum und Bild, Statik und Bewegung ein interessantes Zwitterwesen, das in unserem Kontext ein Scharnier zwischen den Handlungen im Außenraum und den Bewegungen im Innenraum darstellt. Die historische Entwicklung der Fassade, die Rudolf Wittkower anhand von Palladios Kirchenfassaden einmal als Adaption antiker Tempelfronten und ­Triumphbogenarchitekturen durch die christliche Basilika beschrieben hat, führte im Quattro- und Cinquecento zu mehr oder weniger gelungenen Lösungsansätzen, die Palladio erfolgreich synthetisierte.165 Aus den Fassaden Leon Battista Albertis für Santa Maria Novella (Florenz), San Sebastiano und Sant’Andrea (Mantua), aus Bramantes Fassadenentwurf für Santa Maria presso San Satiro (Mailand) und den Entwürfen Giuliano da Sangallos, Jacopo Sansovinos, Raffaels und Michelangelos für San Lorenzo (Florenz) entwickelte sich die Fassade zu einer gegliederten Wandfläche, bestehend aus Mittelfeld und Seiten-

164 Der Begriff der „Membran“ in Bezug auf Fassadenarchitektur ist STEPHAN 2009, S. 68, 387, entnommen. 165 Vgl. WITTKOWER 1969, S. 74–78.

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046 Johann Michael Fischer: Fassade Zwiefalten, 1750–1759, Untersicht (NvdM) 047 Johann Michael Fischer: Fassade Zwiefalten, 1750–1759, Untersicht (NvdM)

166 LORCH 1999, S. 18–24, 175. Alberti: „Questa faccia [gemeint ist San Francesco in Rimini] chonvien che sia opar da per sé, peroche queste larghezze et altezze delle chapelle mi perturbano.” Zitiert nach LORCH 1999, S. 18. 167 Gutachten Francesco Giorgis zu Jacopo Sansovinos Modell für San Francesco della Vigna (Venedig) von 1535, zitiert nach LORCH 1999, S. 17. 168 Vgl. hierzu: SCHLIMME 1999, S. 12, und LORCH 1999, S. 17 f., teilweise kritisch reflektiert ebd., S. 112.

feldern, die in der weiteren Entwicklung ein komplexes Ineinandergreifen von bildhaften, plastischen und architektonischen Elementen auszeichnet. Die Fassade stellt eine eigene, auf einer eigengesetzlichen Syntax beruhende „Bauaufgabe“ dar, die im Sinn einer opaken Verblendung des Kirchenbaus von Leon Battista Alberti theoretisch reflektiert wurde.166 Diesem Ansatz standen andere Forderungen gegenüber, wie sie etwa Francesco Giorgi in einem Gutachten von 1535 postulierte: Die Fassade möge „dem Inneren des Bauwerks entsprechen, und man solle davon die Gestalt des Baus und alle seine Proportionen ablesen können“.167 Mit diesen zwei Postulaten verbinden sich zwei unterschiedliche Aspekte der Fassadenarchitektur: ihr flächenhafter Bildbezug einerseits und ihre räumliche Beziehung zum Innenraum andererseits. Für die damit verbundene grobe Unterscheidung der Fassade in zwei Typen entwickelte die Forschung verschiedene Begriffe, so etwa „Querschnittfassade“ (Lorenz), „Fassadenmauer“ (Kubach) und „façade-écran“ (Orlowski) für eine transparente Raumbeziehung und „aedicula facade“ (Whitman), „Schirm- oder Blendfassade“ mit Bezug auf ihren opaken Charakter.168 Die Genese dieser begrifflichen Vielfalt geht auf die Heranziehung jeweils unterschiedlicher Beispiele zurück.Von einem phänomenologischen und architekturmorphologischen Standpunkt lässt sich die Fassade

2 Fassade: Domus Mariae (1750–1759)

wohl nur aus zwei ambivalenten Bezugsbereichen – Transparenz und Opazität – heraus verstehen. Fenster bzw. Portal auf der einen Seite und Wandfeld auf der anderen Seite kennzeichnen zwei Pole, welche die Fassade nach beiden Richtungen hin ausdifferenzieren kann, aber nicht muss. Zu Recht hat Hermann Schlimme deshalb vor einigen Jahren unter dem Terminus „reliefierte Kirchenfront“ eine begriffliche Synthese dieser beiden Sachverhalte angeboten.169 Begrifflich ist dem Raumbezug einer Fassade jedoch nur schwach Rechnung getragen. Mit guten Gründen wurde in jüngerer Zeit auf die Leitrolle des Bildes für die Entwurfspraxis und für die Adaption tradierter Fassadengliederungen hingewiesen170 – zumal, neben den Renaissancefassaden selbst, die den Architekturtraktaten Albertis, Palladios und Serlios beigefügten Schautafeln idealer Fassadenrisse für die Tradierung des genannten Bauteils weit bedeutungsvoller gewesen sein dürften als die knappen theoretischen Überlegungen, die sie begleiteten. Die Einengung des Fassadencharakters auf eine lediglich „bildhafte Wirkung“, wie sie August Schmarsow und Heinrich Wölfflin ihren Überlegungen zur barocken Architektur zugrunde legten, beschreibt das Phänomen „Fassade“ nur von der einen Seite. Diesen Aspekt bestätigt auch die jüngere Forschung, wenn sie gerade auch mit Blick auf Schmarsows Formel von der „Architektur als Raumgestalterin“ (die wohl am wenigsten auf die Fassade bezogen gemeint war) versuchte, die Räumlichkeit der Fassade neu zu denken. In diesem Zusammenhang ist Peter Stephans jüngere und an verschiedenen Beispielen wie Berninis Sant’Andrea al Quirinale, 1661 [Abb. 48], Borrominis Sant’Ivo alla Sapienza (1642–1662) und Sankt Peter entwickelte These von der vergessenen „Fassadenräumlichkeit“ neuzeitlicher Bauten zu erwähnen, die Stephan unter anderem aus dem Theatermotiv als Strukturelement zur Verbindung von Raumebenen ableitet. Offen bleibt bei dieser Arbeit freilich die Frage, welche Bedeutung dem Körper bei der Bedeutungsgenese des Fassadenraumes genau zukommen soll.171

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048 Gian Lorenzo Bernini: Fassade von Sant’Andrea al Quirinale, 1661, Rom (http://deu.archinform.net/projekte/7218. htm [letzter Zugriff: 11.08.2015])

2.1 Distanz und Nähe: Die Fassade von Zwiefalten Abgesehen vom Zwiefalter Laienbruder Ottmar Baumann, der in seiner Chronik berichtet, dass 1749 der Bau des „Vorzeichens“ (also der Vorhalle und der Fassade) begonnen und 1759 (mit den Verglasungen) abgeschlossen wurde, existiert aus dem 18. und 19. Jahrhundert keine Beschreibung der Fassade der Klosterkirche.172 So widmete etwa Cornelius Gurlitt in seinem frühen Überblickswerk Geschichte des Barockstiles und des Rococo in Deutschland (1889) zwar der Fassade von Ottobeuren eine detaillierte Beschreibung, musste aber bedauernd feststellen, die „stattliche Architektur“ Zwiefaltens nur von „ungenügenden Zeichnungen“ her zu kennen. Auch von der Ausstattung Zwiefaltens wusste Gurlitt nur mitzuteilen, dass diese als „hervorragend gerühmt“ werde.173 In der Folgezeit blieb Zwiefalten lange fest in der Hand lokaler historischer und baugeschichtlicher Forschungsinteressen. So gab der Zwiefalter Gemeindepfarrer Bernardus Schurr 1910 eine erste Beschreibung der Fassade, die er anläss-

169 SCHLIMME 1999, S. 12. 170 Vgl. BEYER 2001. 171 Vgl. STEPHAN 2009, S. 52–58. Letztgenanntes fällt insbesondere in Teil B, Kap. 4: „Der Raum als Körper “, und Teil C, Kap. 5.3: „Der Fassadenraum als Erzeuger von Kinästhesie“, auf. 172 PAULUS 1888, S. 181–188. 173 GURLITT 1889, S. 306.

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174 SCHURR 1910, S. 74. 175 SCHURR 1910, S. 85 f. 176 FIECHTER 1927, S. 14; FIECHTER/BAUM 1926, S. 150. 177 DISCHINGER 1997, S. 22–28; HALDER 1997, S. 299–306; HALDER 1995, S. 223–233. 178 Vgl. LIEB 1958, S. 72; ZÜRCHER 1967, S. 35; KREUZER 1967, S. 11 f. Die beiden letzt­ genannten Autoren erwähnen notizartig „Verwandtschaften zwischen der Fassade und dem Hochaltar “, ohne diese jedoch unter raumanalytischen Fragestellungen genauer zu erörtern.

lich des 800. Jubiläums der Einweihung des ehemaligen Münsters verfasst hatte. „Den westlichen Abschluss des Baues“, so schrieb Schurr damals, „bildet nach außen eine wellenförmige Fassade. Dieselbe ist ein ziemlich theatralisches Effekt­ stück mit kolossalen Säulenpaaren im vorgebauchten Mittelteil, ununterbrochenem Gurtgesims und geschwungenem Giebelwerk.“174 Bei dem Ausdruck „theatralisches Effektstück“ handelt es sich um eine pejorative Formulierung, in welcher offensichtlich der Zeitgeschmack des Pfarrers mit dessen Identifikation mit dem eigenen Gotteshaus in Konflikt steht. So finden sich bei Schurr denn auch Hinweise auf die „ästhetische Einheit“: „Aber das das Ganze überschauende und in ein Bild zusammenfügende Auge wird doch nach und nach immer milder und freundlicher blicken.“175 Ein Blick auf die von Schurr herangezogene Sekundärliteratur zeigt, wem er den Gedanken einer „einheitsstiftenden Erfahrung“ durch ein „optisches Bild“ verdankte: 1907 war in zweiter Auflage Heinrich Wölfflins Schrift Renaissance und Barock erschienen. An ihr scheint sich auch Ernst Fiechters Beschreibung der „ungeheuer mächtigen Westfront“ von Zwiefalten aus dem Jahre 1927 orientiert zu haben. Die Fassade sah Fiechter „ganz auf Fernwirkung“ eingestellt, obwohl er noch ein Jahr zuvor eine „überzeugende innere Einheit“ an ihr vermisst hatte.176 Diese frühen Beschreibungen mögen hier zunächst genügen, um den Konflikt anzudeuten, der der ambivalenten Beurteilung spätbarocker Räume seit etwa 1890 bis in die 1960er-Jahre hinein zugrunde lag. Auch wenn die Raumdynamik als avanciert erschien, so entsprach die ästhetische Überladung nicht mehr dem von der Jahrhundertwende geprägten Zeitgeschmack. Ebenso stellte das vermeintliche Fehlen eines ästhetischen Angelpunktes ein Beurteilungsproblem dar. So konstatierten Schurr und Fiechter beispielsweise die architektonische Raumdynamik aufgrund der Verschleifung der architektonischen Glieder, suchten diese Dynamik jedoch durch den Hinweis auf das einheitsstiftende „optische Bild“ sozusagen zu beruhigen. Dass man im einheitsgenerierenden Bild und dessen Begriffsvarianten „bildhaft“, „malerisch“, „optisch“ sowohl eine heterogene Raumerfahrung als auch ein Empfinden der Dominanz der Ausstattung gegenüber der Architektur zu kompensieren suchte, hat historische Gründe, auf die wir noch zu sprechen kommen. Allerdings zeichnet sich dabei auch die wohl generelle Frage ab, weshalb sich bis heute der spätbarocke Raum für eine unmittelbare Beschreibung der Raumwahrnehmung als derart resistent erweist? Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich in diesem Sinne weniger mit der in jüngerer Vergangenheit untersuchten Baugeschichte zur Fassade und ihrer Autorschaft.177 Sie unternehmen stattdessen den Versuch, die Fassade, die sich wie kein zweites architektonisches Glied als ein Bild analysieren ließe, auf ihre dynamische Raumwahrnehmung hin zu befragen. Auf der Schwelle zwischen Außen- und Innenraum steht die Fassade in einem räumlichen Bezugsfeld, in dem sie auf den Vorraum ausgerichtet und auf den Raum hinter ihr bezogen ist. Mit einer sachkundigen Bestandsaufnahme der Fassade und ihrer Glieder, wie sie 1953 Norbert Lieb, 1967 Richard Zürcher und im selben Jahr auch Ernst Kreuzer vornahmen, lässt sich nicht über eine fassadenimmanente Analyse hinausgelangen.178 Erst Manfred Wundram erkannte

2 Fassade: Domus Mariae (1750–1759)

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049 Johann Michael Fischer: Fassade Berg am Laim, Untersicht (NvdM)

050 Johann Michael Fischer: Fassade Dießen am Ammersee, Untersicht (NvdM)

in dem vorspringenden Mittelrisalit, der die Fassade aus der Ebene in den Raum führt, ein Kriterium, das die Fassade von Zwiefalten als „bedeutendste Schauseite in Fischers gesamtem Werk“ auszeichnet.179 In gewissem Sinne lieferte Wundram damit auch einen Hinweis in Richtung einer stärker raumorientierten, dynamischen Fassadenanalyse. Dieses vorspringende und aus dem Wandverbund sich ablösende Zentrum, für das keine Parallele in Fischers Werk und jedenfalls kein unmittelbares Vorbild in der Geschichte der Fassadenarchitektur existiert, ist so ungewöhnlich, dass sich die Kunsthistorikerin Gabriele Dischinger nach erneuter Sichtung der Quellen fragte, ob nicht die Beteiligung eines Bildhauers, nämlich

179 WUNDRAM 1985, S. 296.

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051 Johann Michael Fischer: Fassade Dießen am Ammersee, Frontalansicht (NvdM) 052 Johann Dientzenhofer/Joseph Greising: Fassade des Stifts Neumünster Würzburg, 1716 (NvdM) 053 Giuseppe Sardi: Fassade von Santa Maria Maddalena, 1735, Rom (http://shirleylovesroma.blogspot.ch/2011_12_01_archive. html [letzter Zugriff: 30.01.2011])

Johann Joseph Christians, zu erwägen sei.180 In der Tat lässt sich die Fassade von Zwiefalten auch als „begehbare Plastik“ denken, die zugleich architektonische und bildmäßige Dimensionen besitzt.Vielleicht lässt sich auch gerade in diesem Hybrid eine besondere Qualität der spätbarocken Fassade erkennen. Johann Michael Fischer gelang es, aus seinen eigenen Fassaden für Dießen und Berg am Laim und in Verbindung mit Fassaden nach dem Charakter Francesco Borrominis oder Giuseppe Sardis, aber wohl auch unter dem Eindruck Johann Dientzenhofers einen Fassadentypus zu entwickeln, der die Wand in eine raumgreifende Plastik transformiert, die als Raumschale zugleich transparent ist [Abb. 48–53]. Aus diesen Vorüberlegungen lässt sich bereits eine methodische These formulieren: Die konvex-konkaven Schwingungen der Zwiefalter Fassade im Mittelrisalit sperren sich wie wohl kein anderes Fassadenelement gegen eine statische Architekturanalyse, die sich an Plänen und Rissen orientiert. Sie sperren sich aber auch gegen eine Reduktion der Fassade auf ein Bild oder auf eine bildhafte Wirkung. Damit könnte der Fassade von Zwiefalten exemplarischer Charakter für eine von der Raumwahrnehmung ausgehende Fassadenanalyse zukommen.

2.2 Beschreibungswege

180 DISCHINGER 1997, S. 26 f.; vgl. auch: HALDER 1995, S. 228.

Verschiedene Beschreibungswege stützen die These, dass eine Interpretation der Fassade als Bild nicht hinreicht, sondern immer nur einen Aspekt oder Standpunkt einholt.Während zahlreiche italienische Barockfassaden von einem idealen und zentrierten Standpunkt her konzipiert wurden, kalkulierte Johann Michael Fischer die Bewegung vor der Fassade mit ein – eine Art der Bewegung, die sich dadurch auszeichnet, dass sie nicht den kürzesten Weg zum Portal wählt. Damit bereitet die Fassade auch die komplexen Bewegungsmodi im Innenraum wirkungsvoll vor. Der fixierte Idealstandort, der die Fassade gleichsam als Bild

2 Fassade: Domus Mariae (1750–1759)

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054 Johann Michael Fischer: Fassade Zwiefalten, 1750–1759, Gliederung (NvdM)

liest, ist somit lediglich eine von mehreren Betrachtungsweisen. Ein erster Beschreibungsschritt soll aber dennoch hier ansetzen, um dessen Grenzen besser zu verstehen. Angesichts der 45 m hohen und 30 m breiten Schauseite sieht sich der Betrachter vor einer dreigliedrigen, turmlosen Fassade aus grauem Jurakalkstein (sog. Gauinger Stein), die sich mit einem geschwungenen Giebel über die unmittelbar angrenzenden ehemaligen Klostergebäude erhebt [Abb. 44, 45]. Oberhalb einer kurvierten Sockelzone ragt eine zur Mitte hin sich verdichtende Kolossalordnung auf. Gleich einer zweiten Haut lösen sich [Abb. 46, 54/A] die auf das Hauptportal zulaufenden Säulen- und Pilastergruppen schrittweise von der Wand ab, sodass die Pilaster zur Mitte hin den Charakter von Freipfeilern annehmen [Abb. 50]. Der auf der Kolossalordnung aufsitzende gesprengte Giebel [Abb. 54/C] antwortet auf das konvexe Ausschwingen des Mittelrisalits [Abb. 54/B] und trägt zum Eindruck eines aufspringenden, sich öffnenden Mauerwerks bei, welches das Hauptportal freigibt. Wie aus anderen Werken Johann Michael Fischers in Varianten und Abweichungen bekannt,181 liegt auch dem Zwiefalter Fassadenaufriss ein Konstruktionsschema zugrunde, dessen Grundeinheit ein gleichschenkliges Dreieck ist, das die Breite der Fassade bis zum Gesims umschreibt. Dieses stellt in horizontaler Spiegelung das Maß für die Gebälkhöhe (mit Kreuz) dar. Ein Rechteck, das die

181 Vgl. PETER 1995, S. 145–181.

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182 Heute Abgüsse, die Originalskulpturen befinden sich in der Vorhalle und im Peterstor. 183 Im Sinn der Forderungen Vitruvs, vor allem aber Serlios, bei den Maßverhältnissen der Fassade und ihrer Glieder den Standort des Betrachters zu berücksichtigen, erscheinen die unterschiedlich großen Skulpturen als grundsätzlich gleich groß. Vgl. SCHLIMME 1999, S. 39–44 [Serlio I. Buch, fol. 7v u. fig. 8r]. 184 Vgl. SCHURR 1910, S. 75. 185 WUNDRAM 1985, S. 298 f.

Breite des Gebälks und den Höhenabstand zwischen Gebälk und Sockelzone misst, bildet zugleich die Maßeinheit für den Abstand zwischen Gesims und Giebelhöhe. In der Form des auf dem geschwungenen Giebel angebrachten, vergoldeten, 4,45 m hohen Kreuzes [Abb. 54/7] verteilen sich auf der Fassade meist überlebensgroße, frei stehende (3–6) oder von Nischen gerahmte (1, 2) Figuralskulpturen (1–6),182 deren abgestufte Höhenmaße die optisch verzerrte Perspektive des Betrachters einkalkulieren.183 Die Fassade lässt sich als ein ebenso personal wie formal angelegtes Programm für den gesamten Kirchenraum beschreiben: Während die Figuralskulpturen programmatisch die Identität des Klosters verkörpern, interpretieren sie zugleich die Fassadenwand als eine raumbezogene Schaubühne, deren Charakter von der dynamischen Struktur der Fassade weiter unterstützt wird. Dem konvex ausschwingenden Mittelrisalit stehen mit Nische, Fenstervertiefungen, Interkolumnien und Portal konkave Raumimpulse entgegen. Im monumentalen gesprengten Giebel folgen konvexe und konkave Raumimpulse in kurzen Abständen aufeinander. Die Skulpturen im Einzelnen: Auf der vertikalen Mittelachse über dem Hauptportal stehen in einer Nische der hl. Benedikt (1,70 m) (2) und, weit oben und von einer weiteren Nische gerahmt, die Gottesmutter (1) mit dem Jesuskind auf dem Arm (5,40 m). In horizontaler Anordnung oberhalb des Gesimses präsentieren sich auf dem verkröpften Giebel die Stifterbrüder Luithold im Mönchsgewand (5) mit dem Stifterbrief und Kuno von der Achalm als Ritter (6). Sie formulieren programmatisch die Unterstellung weltlicher Herrschaftsansprüche unter den Schutz der Gottesmutter. Auf den Eckpilastern wenden sich ihr die hll. Stephanus (3) und Aurelius (4) (je 3 m) zu. Während die Figurengruppe Benedikt, Kuno und Luithold die Ordens- und Klosterstifter darstellt, weisen Aurelius, Stephanus, die Gottesmutter und das Monumentalkreuz auf die zentralen Kultobjekte bzw. Reliquien des Klosters hin. Die unter dem Giebel angebrachte Inschrift „DOM / Mariae / Virgini Deiparae / Divisque / Tutelaribus / Zwiefulda servata / D[edit] D[onavit] D[edicavit]“ und die in einer darunterliegenden Kartusche angebrachte Jahreszahl „MDCCLIII / 1753“ fassen das Arrangement der steinernen Figuralskulpturen programmatisch zusammen.184 Bis jetzt wurde die Fassade als ein gegliedertes Gefüge mit proportionierten Flächenmaßen und mehreren Raumebenen beschrieben. Auf die „anti-klassischen“ Mehrdeutigkeiten, die aus einer doppelten Zuordnung der mittleren Pfeiler sowohl zum Außen als auch zum Innen resultieren, ist Manfred Wundram eingegangen.185 Sie hängen mit einer auf dem Bewegungsduktus des Mittelrisalits beruhenden Transformation der Fassade von einem Flächen- in einen Raumkörper zusammen. Der planimetrischen Ausdehnung der Wand, die den Eindruck eines Flächenbildes erweckt, stehen mit dem Mittelrisalit, den Nischen und den Skulpturen diverse Raumimpulse entgegen, welche die Fassadenwand vertiefen oder ausweiten. Der aus der Wand sich herausschälende Mittelrisalit verleiht der Fassade eine charakteristische Präsenz, deren besondere Wirkung noch nicht hinreichend betrachtet ist.

2 Fassade: Domus Mariae (1750–1759)

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2.3 Raumfigur Die hier gegebene Beschreibung fällt insofern einseitig aus, als sie zwar die Komposition der Fassade und ihr skulpturales Programm erläutert, dabei aber das potenzielle Raumverhalten des Betrachters ignoriert. Sie folgte dabei der Vorstellung eines schematisierten, geometrischen Idealbildes, das die Fassade nicht als eine räumliche Bezugsgröße versteht. Blickt man jetzt auf die performativen Akte, die mit diversen Bewegungen und Standorten vor der Fassade rechnen, so erscheint unser idealer, zentrierter Standort vor der Fassade lediglich als ein Bezugsort unter anderen; weitere ergeben sich aus wechselnden Distanzen und Betrachtungswinkeln. Bereits der übliche Zugang über das Peterstor (1681) [Abb. 55] präsentiert die Schauseite zunächst in Schrägansicht, die mit der Annäherung an die Fassade anderen Perspektiven Platz macht. Dem Entgegengehen des Betrachters entspricht mit dem sich öffnenden Mittelrisalit sozusagen ein „Ent055 Johann Michael Fischer: Fassade Zwiefalten, 1750–1759 (NvdM)

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186 Vgl. zur phänomenologischen Beziehung zwischen „Kommen“ und „Entgegenkommen“ als einer mobilen Erfahrung Waldenfels 2004, S. 65–88. In dem beschriebenen Sinn bringt Lukrez in Anlehnung an Demokrit figura mit membranae in Zusammenhang, als Abbilder, die sich wie „Häutchen“ von den Gebilden abschälen. Vgl. AUERBACH 1967, S. 58. 187 Ähnliches lässt sich auch für zahlreiche andere barocke Fassaden, zum Beispiel die von Weingarten, Einsiedeln oder Rheinau, quellenkundlich belegen. 188 Die Beziehungen zwischen Fassade und ephemeren Kulissen wie der Triumphpforte sind häufig erörtert worden. Bereits Alberti stellte die Triumphpforte bekanntermaßen mit der Fassade in Beziehung. Vgl. etwa BEYER 1993; LORCH 1999, S. 140 (San Lorenzo); GAIER 2002 (Venedig). 189 Vgl. BROSSETTE 2002, S. 79–89, mit weiteren Literaturhinweisen; vgl. mit Bezug auf die Jesuitenkirche in Laibach (Ljubljana) auch: POLLEROSS 2001, S. 102, und dort die weitere Literatur.

gegenkommen“ der Fassade.186 Im Sinn einer Inversion von Raum und Körper wandelt sich der zentralperspektivisch angelegte Innenraum im Mittelrisalit zu einem konvexen Raumkörper, wird selbst zur Figur, die sich von der Fassadenwand membranartig löst und dem Betrachter entgegentritt.187 Hiermit ist eine Doppelbewegung beschrieben, die Fassade und Betrachter mit einschließt.Vom phänomenologischen Standpunkt aus betrachtet sind der Darstellungsraum der Fassade (in dem sie ihre Repräsentationsaufgabe einlöst) und der Raum der Darstellung nicht identisch. Denn dieser bringt eine temporale Bewegung des Betrachters ins Spiel, die auf die Fassade zurückwirkt und diese in Schwingungen versetzt. Damit wird der Raum der Darstellung von wechselnden Standorten aus nachvollziehbar. Unterschiedliche Blickrichtungen sammeln die als veränderlich erscheinenden Fassadenglieder schrittweise ein und führen sie auf ein simultanes Ganzes zurück [Abb. 45–47, 55]. Der Bewegungsakt und die aus ihm resultierenden Ansichten lassen die Fassade als ein skulpturales Gefüge, als eine veränderliche Raumfigur erfahrbar werden. Die beschriebenen kinästhetischen Bewegungen sind von den historischen Verhaltensweisen vor der Fassade nicht isoliert. Aus den obigen Bemerkungen zum Zwiefalter Prozessionswesen wurde mit Bezug auf die romanische Vorgängerfassade deutlich, dass diese diverse Funktionen bei liturgischen Festakten zu erfüllen hatte. Sie figurierte einerseits als Gipfel einer Folge ephemerer Triumphpforten, die der Prozessionszug durchschritt, bildete also einen Aktionsraum für liturgische Handlungen, die sich im Innenraum fortsetzten.188 Andererseits konnte die Fassade als Bühnenbild oder Schauraum theatralischer Darbietungen dienen. Diese Doppelrolle barocker Fassaden als Schau- und Aktionsraum zugleich ist nicht nur für Zwiefalten, sondern auch für zahlreiche andere Fälle belegt.189 Die Schauseite von Zwiefalten, die wie jede andere als Raumbegrenzung zwischen Außen- und Innenraum figuriert, entfaltete auch in historischer Perspektive einen performativen Repräsentationsraum. Wir verstehen jetzt teilweise, weshalb die Fassade in einem performativen Akt anschauliche Präsenz erlangt und dabei zwischen Bild und Skulptur wechselt. Wechselnde Funktionszusammenhänge und Standorte weisen die Fassade erst in ihrer Vielfalt aus: Statische Repräsentation und Präsenz durch Bewegungsakte sind wechselseitig aufeinander bezogen. Von einem phänomenologischen Standpunkt aus betrachtet greift aber auch die Berücksichtigung wechselnder Standorte noch zu kurz. Denn die Bewegung selbst und die damit verbundenen Konsequenzen für die Wahrnehmung sind hier von Bedeutung. Genauer betrachtet sind es nämlich nicht nur die diversen Standorte, sondern auch die Körperbewegungen zwischen ihnen, während denen die Fassade als ein dynamisches Gefüge wahrgenommen wird. Standortund Bewegungswahrnehmung stehen im Dialog miteinander. Man könnte sagen, vom jeweiligen Standort aus wird realisiert, was sich in der Bewegung verschiebt. Ohne den Bewegungsakt wäre der Blick auf die Fassade vom Standort aus unvollständig. Umgekehrt scheint der Bewegungsakt immer auf einen Haltepunkt hinzugehen, an dem sich das aus der Bewegung heraus Wahrgenommene noch einmal verdichtet. Beispielsweise verschieben sich mit wechselnden Distanzen

2 Fassade: Domus Mariae (1750–1759)

und Seitenverschiebungen die Größenverhältnisse der Kolossalsäulen, scheinen die Portalskulpturen aus ihren Nischen herauszutreten, aktiviert der konvexe Mittelrisalit einen auf den Beschauer gerichteten Bewegungsimpuls. Der kinästhetische Bezug zwischen Betrachter und Fassade entzieht sich einer fotografischen, aber auch einer filmischen Dokumentation, weil jene die Bewegung nur als wechselnde Standorte und diese den Standort nur als Bewegung zu zeigen vermag. Filmische Plausibilisierungsversuche scheinen ungeeignet, gleichzeitig Körperbewegung und Objektbeweglichkeit, Sichbewegen und Bewegung wiederzugeben. Nun sind es aber vor allem die zwischen den fixierbaren Standorten stattfindenden Körperbewegungen, in denen die Kinesis der Bewegung und die Stasis der Fassade in einer gemeinsamen Raumfigur zusammenlaufen – einer Raumfigur somit, in der sich die Fassade erst als ein lebendiges Gefüge etabliert und eine ebenso körperliche wie anschauliche Präsenz erlangt. Maurice Merleau-Ponty artikulierte den hier beschriebenen Sachverhalt in einer späten Notiz aus dem Jahre 1960, die mir als Schlüsselstelle im Hinblick auf dynamische Raumwahrnehmung erscheint: „Wenn ich mich bewege, so unterliegen die wahrgenommenen Dinge einer augenscheinlichen Verschiebung, die umgekehrt proportional ist zu ihrer Distanz – die näheren Dinge bewegen sich stärker. [...] phänomenal gegeben ist mir [...] die Differenz zwischen dem, was sich in dieser und jener anderen Distanz abspielt …“190 Prägnanter, als es die Bewegungstheorie der Situationisten formulierte, die, angeführt von Guy ­Debord, mit Begriffen wie „détournement“ und „dérive“ die materiellen Grenzen von Architektur in einer Raumbewegung zu überwinden suchte,191 hält Merleau-Ponty hier einen entscheidenden Punkt fest. Auf unseren Fall angewendet, macht er deutlich, dass sich die Wahrnehmungsverschiebungen vor der Fassade in physischen Bewegungsabläufen ereignen. Und dass Raumwahrnehmung in Bezug auf eine Konstellation von Objekten eine Differenzwahrnehmung ist, nichts anderes als die Wahrnehmung ihrer permanenten Veränderlichkeit. Genau genommen entwickelt sich ein raumdynamischer Eindruck von der Fassade deshalb nicht aus summierbaren Standorten, sondern aus den Differenzen zwischen ihnen, die durch Bewegung überbrückt werden.Wenn Wilhelm Heinse in seinen berühmten Architekturbeschreibungen des Straßburger Münsters (1780) oder des Pantheons in Rom (1781) Bewegungen vor und in den Räumen unterschied, um das subjektive Seh- und Bewegungserlebnis von Architektur pointiert als „lebendige Form“ zu beschreiben, so entspricht dies in Ansätzen der hier erörterten Zusammenführung von Bewegung des Körpers und Dynamik der Fassade.192 Die Betrachtung von Architektur, welche einer temporalen Raumanalyse folgt, lässt sich im oben genannten Sinne nicht allein auf den performativen Akt reduzieren, sondern steht mit den spezifischen Eigenschaften des ästhetischen Gegenstandes im Wechselverhältnis.193 Die Materialität der Architektur beharrt auf ihrem Eigenwert und steht mit den Körperbewegungen im Dialog. Zum Verständnis dieses Sachverhalts erweist sich die Fassade von Zwiefalten als besonders geeignet, weil der auf die Mittelzone konzentrierte Fassadenentwurf als zwei voneinander sich ablösende und auseinander hervorgehende Raumschichten be-

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190 MERLEAU-PONTY 1986, S. 291. 191 Vgl. hierzu: EHRLICH 2004, bes. S. 271 f. 192 Vgl. hierzu die Ausführungen bei BISKY 2000, S. 49–61. 193 FISCHER-LICHTE 2004, S. 127–160.

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056 Mauch und Kunz: Ansicht des Klosters Zwiefalten, 1866, handkolorierter Holzstich, ca. 15 x 16 cm 057 Fassade des Klosters Zwiefalten, 1907 (INGENHOFF 1984, S. 42) 058 Postkartenansicht des Klosters Zwiefalten, um 1925/30 (?)

reits einer dynamischen Raumerfahrung zuarbeitet. Wir können die besondere Wirkungsweise der Fassade von Zwiefalten nunmehr als ein in der Bewegung des Betrachters sich ereignendes Heraustreten einer Raumfigur beschreiben, die die geschlossene Fassade und den dahinterliegenden Innenraum inversiv öffnet. Auch die kurvierte Grundform, die sich stets gegen eine gleichmäßige Ausleuchtung sperrt, unterstützt eine Raumdynamik, die der Fassade eine vollplastische Qualität verleiht. Der heutige Zustand der Fassade gibt diesen Eindruck nur abgeschwächt wieder. Denn als überraschendes Resultat ergab die Münsterrestaurierung (1974–1984), dass der Haustein ursprünglich (in einer Schicht von etwa 0,5 cm) glatt verputzt und farbig gefasst war. Eher noch ist davon auszugehen, dass es sich um ein geschlämmtes Mauerwerk handelte, sodass sich die

2 Fassade: Domus Mariae (1750–1759)

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059 J. M. Fischer: Fassade Zwiefalten, 1750– 1759, Westfassade Zwiefalten mit der Dießener Farbfassung (NvdM)

Oberflächenstruktur des Natursteins wohl unter der Schlämme noch abzeichnete. Ob die Fassade bereits im Zuge der Bauarbeiten des späten 18. Jahrhunderts farbig gefasst wurde, muss offenbleiben. Historisch gesichert sind die Arbeiten an der Fassade von 1906/07 [Abb. 56] und während der Restaurierung 1974–1984. Während der Restaurierung 1906/07 wurde wohl nicht nur an der Nordfassade ein in einem Ockerton gehaltener Anstrich aufgetragen oder erneuert.194 Abbildungen des Münsters aus dem mittleren 19. und frühen 20. lassen eine bräunlich-ockerfarbene Rahmung erkennen, die dem Fischer-Bau von Berg am Laim ähnelt [Abb. 57, 58]. Bei der Restaurierung 1974–1984 wurden an der nördlichen Langhausfassade, am Nordturm sowie unter dem Dach des an der Nordseite des Münsters angrenzenden ehemaligen „Schwesternheims“ Putzreste und eine steinblaue Farbfassung entdeckt, die seinerzeit als „mehrfach andersfarbig übertünchte“ Originalfassung des späten 18. Jahrhunderts diagnostiziert wurde.195 Auch für die monumentalen Portalskulpturen (Stifter) ergab sich bei der Restaurierung 1974–1984 der Befund einer blaugrauen Fassung.196 Der Bauchronist und Laienbruder Baumann teilt für das Jahr 1752 mit, dass die Fassade „abgeputzt“ wurde, womit wohl eher „abgeschlämmt“ als „verputzt“ gemeint ist.197 Im Jahre 1910 gibt Schurr an, dass diese „schmutzig blaue Tünche“ 1906/07 an der Westfassade entfernt, das Mauerwerk abgemeißelt und in weißer Quadrierung ausgefugt wurde [Abb. 56].198 Offensichtlich wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts die „Materialsichtbarkeit“ des Natursteins an der Fassade als originaler Zustand angenommen und rief diese auch noch in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts die Assoziation echter, „erdhafte[r] Schwere“ wach.199 Wenn die Westfassade

194 KUMMER 1976, S. 45. 195 INGENHOFF 1978, S. 42; HUMBERT 1984, S. 19 f.; KUMMER 1976, S. 46 f. 196 KUMMER 1976, S. 47. 197 SCHURR 1910, S. 75. 198 SCHURR 1910, S. 219. 199 ZÜRCHER 1967, S. 35, ging von einer originalen Rohfassade aus, wenn er schrieb: „Der Stein, der im hellgrauen Jurakalk der Fassade noch in erdhafter Schwere und Konsistenz sichtbar war, ist nunmehr unter dem abstrakten Weiß des Verputzes verschwunden.“ Noch 1997 schrieb DISCHINGER 1997, S. 27: „Die Fassade nimmt sogar in Zwiefalten eine Sonderstellung ein, weil sie sich im Material – statt verputztes Ziegelmauerwerk wurde Haustein verwendet – wie auch im Stil – keine Form der strengen, dezent betonten Außengliederung kehrt an der Eingangsseite wieder – vom restlichen Bau der Kirche unterscheidet.“ Vgl. zur Farbfassung vor allem die Bemerkungen des leitenden Restaurators Hans Dieter INGENHOFF 1978, S. 42 f., und INGENHOFF 1984, S. 202 f. Vgl. auch HUMBERT 1984: „So ist die Originalfassung bis auf den heutigen Tag erkennbar. Die Überraschung vor allem bei den Bürgern des Münsters war groß, hatten sie doch nicht mit einer weißblauen, blassen, nüchternen und keineswegs der üblichen barocken Farbenpracht entsprechenden Kolorierung gerechnet.“

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200 Vgl. zum Erscheinungsbild der Dießener Fassade DISCHINGER 1997, S. 9, 15–18. 201 Vgl. zum Anstrich der Gebäude der Klinik­­ MEYBERG 1990, S. 511; zum Datum 1814 der Neunutzung der Barockkirche als Pfarrkirche PRETSCH 1986, S. 56. – Bei der gegenwärtigen Restaurierung der Westfassade 2012/13 entschied man sich aus nachvollziehbaren Gründen einmal mehr, den Naturstein zu belassen, betonte allerdings den rötlichen Charakter des Steines, aus dem die Portalskulpturen gehauen wurden. 202 Vgl. hierzu GNEHM 2004, S. 102–117, und in einem erweiterten Sinne der Metapher die Beiträge in: HARATHER 1995. 203 Vgl. BENTHIEN 2002, S. 49. Nicht zufällig verwendet BENTHIEN 1999, S. 41, die Fassade als Metapher für die Haut. Wir wählen den umgekehrten Weg. Vgl. BENTHIEN 1999, S. 49–75.

bereits im 18. Jahrhundert farbig gefasst war, dann wohl in dem erwähnten Steinblau, womit die Fassung dem Kolorit des Fischer-Baus von Dießen nahekäme [Abb. 59]. Während eine ockerfarbene Rahmenfassung Berg am Laim ähnelt, käme die wahrscheinlichere steinblaue Fassung dem Bau von Dießen nahe [Abb. 49–51].200 Man darf folglich zur Frage der Fassung resümieren, dass es sich bei dem Steinblau um einen möglichen Zustand des späten 18. Jahrhunderts handelt [Abb. 58]. Aufgrund des völlig hypothetischen Charakters dieser Annahme, lässt sich hieraus jedoch keine zu rekonstruierende Farbfassung für den heutigen Bau ableiten, zumal die Westfassade zwischen 1814 (dem Beginn der Nutzung der Barockkirche als Pfarrkirche) und 1854 (dem Neuverputz und Anstrich aller Gebäude der psychiatrischen Klinik) weitere Veränderungen erlebt haben dürfte.201 Auffassungen funktionaler Materialsichtbarkeit standen der Fassade vermutlich weit ferner als Vorstellungen einer „Bekleidung“ durch Farbe, Schlämme und Verputz. Während aber die Bekleidungsmetapher des 19. Jahrhunderts, wie sie Karl Bötticher (1840) oder Gottfried Semper (1851) im Sinn hatten, einem struktiven oder symbolischen Verhältnis zur Architektur entsprechen sollte,202 wählt die spätbarocke Fassade einen ästhetischen Zwischenweg: Die farbig gefasste Schauseite von Zwiefalten, sollte sie in der von Ingenhoff erwogenen Weise existiert haben, dürfte weniger auf die Sichtbarmachung der statischen und struktiven Verhältnisse des Gebäudes gezielt haben.Vielmehr sollte das Mauerwerk (wie in der Birnau, in Steinhausen, Dießen oder der Wieskirche) wohl als leicht und schwebend erlebt werden; der opake Rohstein verwandelt sich unter diesen Voraussetzungen in eine ebenso reflektierende wie durchlässige Fläche. An eine deutlich markierte Raumgrenze durch eine opake Fassade war wohl nicht gedacht, eher an ein durchlässiges Beziehungsverhältnis, das Außen und Innen einander vermittelte.Versteht man die Farbfassung als „Bekleidung“, so lässt sich an diese metaphorische Beschreibung eine zweite anfügen – nämlich die der Wand als „Haut“ des architektonischen Körpers; einer Haut, die – und hierin deckt sich die spätbarocke „Fassadenhaut“ mit dem körperlichen Hautverständnis des 18. Jahrhunderts – einen „Ort der Durchlässigkeit“ markiert und an ihrer Oberfläche einen Blick in die Tiefe gewährt.203 Diese Bemerkungen rücken die folgende Frage in den Blick: Wie gelingt es der Fassade, zwischen Außen und Innen zu vermitteln, den funktionalen Aspekt des Durchschreitens mit dem des Schauraumes zu verbinden? Wir haben die Fassade zunächst von ihrer bildhaften, dann von ihrer skulpturalen Seite her beschrieben. Kommt im Moment des Durchschreitens eine architektonische Seite mit ins Spiel, so treten bildhafte und skulpturale Aspekte beiseite. Dabei scheinen alle drei Aspekte der Fassade – der bildhafte, der skulpturale und der architektonische – in ihr angelegt: Ihr flächiges Erscheinungsbild aus der Distanz kommt einem bildhaften Verständnis entgegen. Ihr skulpturaler Schmuck und die Bewegung vor der Fassade unter wechselnden Ansichten bringen skulpturale Aspekte ins Spiel. Als Durchgangsort lässt sich nun ein dritter Aspekt der Fassade betrachten. Und es scheint gerade zu den Charakteristika des Architekturelements „Fassade“ zu gehören, dass sie ihre Darstellungsebenen zwischen Bildhaftigkeit, Skulptur und Architektur anlegt.

2 Fassade: Domus Mariae (1750–1759)

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2.4 Architektonische Transparenz (perspicuitas) 060 Transparenz zwischen Fassade, Chorgitter und Hochaltar (NvdM)

Was oben angedeutet wurde, heißt nichts anderes, als die Fassade unter dem Gesichtspunkt ihrer Transparenz zu betrachten. Zwar entspricht der Transparenz eine räumliche Ordnung, die Fassade und Innenraum als eine simultane „Wahrnehmung von verschiedenen räumlichen Lagen“ begreift. 204 Doch eröffnet sie sich nicht aus einer theoretischen Vogelperspektive sondern in einer performativen Bewegungsfigur vor der Fassade und im Durchschreiten des Raumes. Das transparente Raumfeld beinhaltet deshalb eine Zeiterfahrung. Es ist der Wechsel zwischen Bewegung und Schauen, in dem einzelne architektonische Glieder sich schrittweise konfigurieren und als ein transparentes Gefüge zusammenrücken: Die eben durchschrittene Kolossalordnung und Gliederung der Fassade klingt im Hochaltar, aber auch in der Anlage des Chorgitters wieder an. Die Fassade stellt deshalb eine auf die Längsachse bezogene transparente Raumkomprimierung des Innenraums dar. Die Fassade präfiguriert den Raum, ohne ihn bereits zu zeigen, lässt erahnen, was sich als visuelle Überraschung entfalten wird. Bevor nun Fassade, Chorgitter und Hochaltar als drei aufeinander bezogene Raumschnitte betrachtet werden [Abb. 60], lohnt es sich, einige Bemerkungen zur Bau- und Entstehungsgeschichte der genannten drei Teile vorauszuschicken. Eine knappe Rekonstruktion zeigt, dass sie parallel zueinander entstanden sind und die beteiligten Handwerker und Künstler einander zuarbeiteten. So lieferte der Bildhauer Joseph Christian Teile für Fassade und Hochaltar, der Stuckateur Johann Michael Feichtmayr205 die Architektur des Hochaltars und die Stuckgestaltung für die zusammen mit der Fassade errichtete Vorhalle, der Schmied das Chorgitter ebenso wie die Vergitterung der Fassadenfenster. Obgleich die Verantwortung über die einzelnen Bau- und Ausstattungsstücke wohl jeweils einer Person oblag und auch der Entwurf für das Chorgitter wohl nicht dem Schmied zu verdanken ist, kann man von einem kooperierenden Arbeitsprozess ausge-

204 ROWE/SLUTZKY 1968, S. 10 f. 205 Üblicherweise als „Johann Michael Feichtmayr (3)“ (in Abgrenzung zum gleichnamigen Großvater [1], Vater [2] und Sohn [4]) bezeichnet. Die wichtigsten Arbeitsstätten von Feichtmayr (3) (1709–1772) sind Dießen (gemeinsam mit dem Bruder Franz Xaver [1]), Münsterschwarzach, Amorbach, Zwiefalten, Berg am Laim, Bruchsal, Benediktbeuern, Bad Säckingen, Haigerloch und Ottobeuren. In jüngerer Zeit hat sich Eva MAIER 2012 dem Stuckmarmor-Œuvre Johann Michael Feichtmayrs zugewandt. Obgleich für eine Untersuchung des integralen Charakters des Stuckmarmors für den spätbarocken Sakralraum Isolierungen in Hinblick auf Genre, Künstler oder Monumente wenig produktiv erscheinen, wurden interessante Quellen zur Thematik zusammengetragen. Vgl. zu Feichtmayr auch: PETRI 1935; SCHNELL/SCHEDLER 1987, S. 95–102; SCHARNAGL 1993; HINTERSTOCKER 2009.

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206 BAUMANN 1888, S. 181–188. 207 HOSCH 1992, S. 97, Anm. 149. 208 Siehe FREI 1990, S. 286. 209 Ebenda. Vgl. auch ebd., S. 276–281. Mit der Gründung des Ehinger Gymnasiums (1686) besaß Zwiefalten für Theateraufführungen eine geeignete Plattform. Im Gründungsvertrag des Ehinger Benediktinergymnasiums sind die Förderung des Theaterwesens und die Errichtung eines Theaters im Schulgebäude ausdrücklich erwähnt, was auf die besondere Pflege des Theaters für Zwiefalten hindeutet. Mit der völligen Fertigstellung des Collegiums (1706) war auch ein zwei Stockwerke einnehmender, gewölbter Theatersaal im Längsflügel errichtet. Den erhaltenen Periochen nach zu urteilen, erreichte das Ehinger Schultheater zwischen 1758 und 1769 den Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit. Das Theaterwesen war Teil der rhetorischen Ausbildung der Schüler. – Bei der Beurteilung des Bühnenbildes äußerte sich Scharl, der selbst einige Theaterstücke verfasst hatte, als Fachmann. Vgl. DIENSTBIER 2000. 210 Hierin ist es am nächsten dem 1737 entstandenen Chorgitter der Kreuzlinger Basilika St. Ulrich und Afra verwandt.

hen. Nach der Bauchronik des Laienbruders Ottmar Baumann ergibt sich für die Arbeitsentwicklung der genannten drei Teile folgendes Bild: 1749: Aufmauerung der Sockelzone des Hochaltars, Beginn der Aufrichtung des Hochaltars von Johann Michael Feichtmayr; 1750: Fundamentierung des „Vorzeichens“ (Vorhalle und Fassade); 1751: Aufstellung einer lokalen Schmiede für das Chorgitter; 1752: Fortsetzung der Arbeit an der Fassade (Anfertigung der Gesimse und Säulen, „welche der Bildhauer [Johann Joseph Christian] hat anfertigen müssen“), Fertigstellung des Hochaltars, der Schleif- und Fassarbeiten durch Johann Michael Feichtmayr, Aufrichtung des Dachstuhls über der Vorhalle, Anbringung des Kreuzes auf dem Giebel der Fassade; 1753: Aufstellung der von Johann Joseph Christian vor Ort gehauenen Figuren der hll. Stephanus und Aurelius auf dem Giebel sowie des hl. Benedikt und der Gottesmutter in den Nischen der Fassade, Fertigstellung und Anbringung des Hochaltarblatts durch Franz Joseph Spiegler, Aufstellung der Figuren über den Nebenportalen des Hochaltarblatts; 1754: Einsetzen der Gitter und Verglasung der Fassadenfenster; 1756: Beginn der Aufstellung des Chorgitters durch den Schlossergesellen Joseph Büssel (Herstellung im Bregenzer Wald), Einbau der Schlösser in den Portaltüren der Fassade; 1757: Fertigstellung des Chorgitters, Fassung durch Johann Georg Messmer; 1758: Abschluss der Stuckarbeiten in der Vorhalle durch Johann Michael Feichtmayr und seiner Werkstatt; 1759: Letzte Verglasungsarbeiten der Fassadenfenster.206 Hauptverantwortlich koordinierte die gesamten Arbeiten wohl Abt Benedikt Mauz, der 1744 die Führung des Klosters übernommen hatte. Seine politisch größte Leistung war die vollständige Loslösung Zwiefaltens aus der Oberhoheit des Herzogtums Württemberg im April 1750. Dass man sich unter Mauz aber mehr als nur einen regierenden Abt vorzustellen hat, erwähnte bereits Hubert Hosch. Höchstwahrscheinlich hat man in Mauz den Autor der theologisch differenzierten Konzepte für das Freskenprogramm zu suchen.207 In einem Reisebericht des späten 18. Jahrhunderts [1757, 1788] rühmt der Andechser Mönch Placidus Scharl am Neubau des Münsters von Zwiefalten, dass „der Reichsprälat selbst Baumeister war und den ganzen Bau dirigirte; er war sehr gewandt im Zeichnen und verstand vorzüglich die Optik und Perspective, wovon sich in der Kirche wahre Meisterstücke befinden“.208 Diese Bemerkung bezog sich unter anderem auf das Chorgitter, dessen Entwurf wohl auch auf Mauz zurückgeht. Denn bei der Schilderung seines anschließenden Besuchs des vom Zwiefalter Konvent geleiteten Ehinger Lyzeums erwähnt der Andechser Pater auch den Schultheatersaal, dessen Bühnenkulisse, „ein Meisterstück von Perspectiv-Malerei des Reisprälaten“, dem Auge „bei wenigen Scenen [...] eine täuschende Tiefe des Schauplatzes bot“.209 Verglichen mit seinen Vorläufern in Obermarchtal (1685), Einsiedeln (1675/85), Weingarten (1730/31) und selbst mit Solothurn (1715) und dem Kloster Rheinau (1731/32), zeichnet sich das 1757 fertiggestellte Chorgitter von Zwiefalten durch eine konsequente Umsetzung zentralperspektivischer Rahmenfüllungen in allen drei Portalgliedern aus [Abb. 61].210 Die historischen Voraussetzungen des barocken Chorgitters liegen nur der liturgischen Funktion nach bei den mittelalterlichen Chorschranken. Anders als diese soll das Chorgit-

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ter gemäß den konziliaren Beschlüssen von Trient den Blick auf den Hochaltar ermöglichen und diesen zudem optisch aufwerten.211 Formal sind im Chor­ gitter Elemente des Triumphbogens, der ephemeren Salutations- bzw. Adventusarchitektur und der dreigliedrigen Kirchenfassade synthetisiert. Anders als das Velum, also das Fadenkoordinatenkreuz Albertis, dessen Gebrauch im 17. Jahrhundert etwa Robert Fludd in seinem Tractatus II: De optica scientia in Utriusque cosmi (1617–1621) dem Maler als Werkzeug zur Herstellung eines perspektivisch korrekten Bildes anempfahl,212 laufen im perspektivischen Chorgitter Medium und Darstellungsinhalt zusammen. Das Chorgitter geht über die Funktion des Velum-Gitters als Vehikel der Bildherstellung hinaus und liefert die Konstruktion seines eigenen Raumbildes mit. Auf die perspektivische Hinführung zum Hochaltar durch die Säulenstellung von Langhaus und Vierung ist mit Bezug auf die ältere Forschung bereits Guido Reuter ausführlich eingegangen.213 Lässt man das Langhaus hinter sich, so treten die unmittelbaren Beziehungen zwischen Chorgitter und Hochaltar in den Blick in dem Sinne, dass das Chorgitter auf den Hochaltar verweist [Abb. 62]. Das Chorgitter bildet die Grundarchitektur des Hochaltars (zumindest auf der Querachse) ab. Die an sich funktionslosen Nebenportale des Hochaltars214 erhalten in dieser formalen Äquivalenz ebenso ihren Sinn wie die Pfeilerimitationen im Mittelportal des Chorgitters. In einer physisch wie optisch gekoppelten Bewegungsfigur von der Fassade hin zum Chorgitter präfiguriert die Marienskulptur

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061 Joseph Büssel/Benedikt Mauz (?): Chor­ gitter Zwiefalten, 1756 (NvdM)

211 Zum Verhältnis zwischen spätbarockem Hochaltar und dem Trienter Konzil als einer „Konzentration auf das Allerheiligste“ bzw. eines handgreiflichen und sichtbaren „Einbruch[s] des Heiligen“ vgl. NOEHLES 1995; ADELMANN 1978. 212 FLUDD 1617, Bd. 1, S. 305–307. 213 REUTER 2002, S. 171–180. 214 In diesem architektonischen Gefüge den zeitlich vorausgegangenen Hochaltären­ von Rottenbuch und Ittingen (Kanton Thurgau) verwandt.

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062 Johann Michael Feichtmayr/Johann Joseph Christian/Franz Joseph Spiegler: Hochaltar Zwiefalten, 1747–1754, ca. 1765 (NvdM)

215 Vgl. allgemein zur Perspektivität in der Frühen Neuzeit: BOEHM 1967, bes. S. 13, 19, 33.

an der Außenfassade das Gnadenbild, das im Marienmonogramm des Hochaltars noch einmal zeichenhaft nachklingt. Die ornamentale Krönung des Gnadenbildes durch das Chorgitter scheint im Marienmonogramm des Hochaltars gleichsam als Projektionsbild auf. Unter diesen Voraussetzungen zeigt das Chorgitter den Hochaltar gerade nicht als eine unverstellte, fensterartige Raumdurchsicht, bei der das Zeigende hinter dem Gezeigten zurücktritt: Erst die Fiktion eines Zwischenraums markiert eine erfahrbare Schwelle zwischen Laien- und Chorraum.Wie durch einen Vorhang verweist das Chorgitter auf das, was es tatsächlich physisch unzugänglich hält. Dass Medium und Darstellung im Chorgitter deshalb nicht einfach zusammenfallen, wird bereits aus seiner Funktionsweise deutlich: Denn im dürerschen Verständnis von perspicere als ‚durchsehen‘ lenkt das Chorgitter als verbindendes Medium zwischen Augenpunkt und Sehpunkt zwar einerseits die Aufmerksamkeit auf den physisch für das Laienvolk nicht betretbaren Hochaltar.215 Auf der anderen Seite lässt die enge Beziehung zwischen den perspektivischen „Sehstrahlen“ und den um das zentrierte Gnadenbild gelegten „Lichtstrahlen“ der Gloriole das Chorgitter in einer transparenten Durchsicht nicht aufgehen; es verbleibt zur anderen Hälfte im Flächensystem der physischen Abgrenzung, die Laienvolk und Konvent trennt. Ihr Verweisungscharakter ist doppelläufig und schließt Gnadenbild und Hochaltar zugleich ein. Wir können jetzt Fassade, Chorgitter und Hochaltar als Querraumschnitte beschreiben. Ihre auf Ähnlichkeit und Staffelung beruhende Wirkungsweise löst sich in einem Bewegungsvorgang ein, der ein Transparenzverhältnis zwischen den Raumschnitten konfiguriert. Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen

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der architektonische Raum uns zu einer gelenkten Bewegung veranlasst, erhalten wir mit der Transparenz der Raumschnitte eine erste Antwort. Diese schließt optische wie physische Richtungskräfte ein, die im Durchschreiten (Fassade) und Durchblicken (Chorgitter) dem Körper eine Spur legen und den Besucher zu den kultischen und liturgischen Zentren des Raumes (Gnadenbild und Hochaltar) führen. Einzelne Aspekte von Architektur und Ausstattung realisieren sich in Seh- und Gehbewegung als ein ebenso lebendiges wie dynamisches Gefüge. Dagegen geht die gängige Reduktion (nicht nur) des Zwiefalter Raums auf eine „bildhafte Raumanlage“ – sei es als Distanzierung, sei es als Annäherung an den Betrachter – über diese dynamische Bewegungserfahrung mechanisch hinweg.216 „Dynamisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass spätbarocke Bildlichkeit aus einer gekoppelten Körper- und Blickbewegung hervorgeht, die den Raum aus der Perspektive der Wahrnehmung in Schwingungen versetzt. Ein solcher relationaler Verweisungszusammenhang bleibt offen und heterogen, weil sich auch der hier skizzierte Bezug zwischen Außenfassade, Chorgitter und Hochaltar nach und nach mit anderen Bewegungsrichtungen und Blickbezügen verwebt. Die ästhetische Reduktion, die einen statischen Betrachter vor ein geschlossenes „Raumbild“ stellt, ist wissenschaftsgeschichtlich autorisiert. Sie reicht in das nun zu skizzierende erfolgreiche Projekt zurück, den Barock (wie auch den „Rokoko“) als autonomen „Stil“ zu emanzipieren.

216 Vgl. hierzu REUTER 2002, bes. S. 175, 178.

3 Begriffsgeschichtliche Überlegungen zum Malerischen

Bald sagt er: Wir müssen das Objekt mit unserer körperlichen Organisation sinnlich miterleben, bald aber wieder ist es die bloße Phantasie, die die Bewegung ausführt. Heinrich Wölfflin, Prolegomena

217 Vgl. zur Begriffsbildung und Rezeptionsgeschichte vor allem: TINTELNOT 1956, MÜLLER 1973 und die Beiträge von OECHSLIN 1991, WARNKE 1991 sowie die übrigen Beiträge in GARBER 1991. 218 WÖLFFLIN 1886, S. 4 [1946a, S. 14, vgl. auch ebd., S. 19 f., 38 f.].

Die Begriffs- und Rezeptionsgeschichte des Barocks wurde von Hans Tintelnot, Hans-Martin Müller, Martin Warnke und Werner Oechslin zuverlässig resümiert und soll im Folgenden nicht wiederholt werden.217 Stattdessen gilt es, einem Angelpunkt der frühen Barockforschung auf die Spur zu kommen, der die Sicht auf den barocken Raum nachhaltig prägte. Dieser Angelpunkt lässt sich in einem zentralen Begriff lokalisieren. Ende des 19. Jahrhunderts zu einer salonfähigen Kategorie der Kunstgeschichte erhoben, floss er im diskursiven Unterstrom häufig unbefragt mit. Die Rede ist vom Malerischen, einem Terminus, der von Heinrich Wölfflin als Gegenbegriff zum Linearen zu einer prominenten Interpretationsfigur barocker Kunst ausgebaut wurde. Was sollte der Begriff des Malerischen genau leisten? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, soll von Wölfflins Jugendwerk ausgegangen werden. „Körperliche Formen können charakteristisch sein nur dadurch, dass wir selbst einen Körper besitzen.“ In diesem Satz formulierte Wölfflin die zentrale These seiner 1886 abgeschlossenen Dissertation Prolegomena zu einer Psychologie der Architektur, und er fuhr fort: „Wären wir bloss optisch auffassende Wesen, so müsste uns eine ästhetische Beurteilung der Körperwelt versagt bleiben.“218 Auch wenn dieser Gedanke den Grundstein für eine kunstwissenschaftliche Theorie der Körperwahrnehmung legen sollte, blieben Wölfflins Überlegungen in den Prolegomena im Grunde nicht viel mehr als eine Grundthese, die jedoch seine späteren Arbeiten implizit beeinflusste. Äußerlich entfernte sich der junge Autor dabei schon wenige Jahre später von der selbst formulierten Aufgabe. In dem Maße nämlich, wie er sich der Barockarchitektur zuwandte und an der Entwicklung einer anschauungsorientierten Terminologie zu arbeiten begann, erfuhr die geforderte Berücksichtigung der Körperwahrnehmung eine einschneidende Modifikation. Denn obgleich Wölfflin auch noch zu Beginn seiner Habilitationsschrift Renaissance und Barock (1888) ankündigte, Architektur „nach Analogie unseres Körpers“ beurteilen zu wollen, schien ihm dieser Ansatz bei der Analyse

3 Begriffsgeschichtliche Überlegungen zum Malerischen

barocker Bauten nicht recht zu greifen.219 Er konstatierte hier nämlich die Unmöglichkeit eines „plastischen Nachfühlens“ der einzelnen Bauglieder. Bereits Jacob Burckhardts Cicerone (1855) hatte jene Unmöglichkeit des plastischen Nachfühlens barocker Bauten auf ein „malerisches Princip“ zurückgeführt.220 Verband der Lehrer Wölfflins damit eine eingeschränkt positive Beurteilung der Barockarchitektur, so beschränkte sich diese im Wesentlichen auf die Fassade. Alles Übrige an der Barockarchitektur erschien ihm bekanntlich als „Fieberphantasien“.221 Ein positives Beurteilungskriterium verband Burckhardt mit der Feststellung eines „malerischen Princips“ also keineswegs.Vielmehr nahm er eine über Franz Kugler vermittelte Bedeutung des Malerischen auf, die schon Carl Friedrich von Rumohr vorformuliert hatte. So diente das „Malerische“ in Ruhmohrs Italienischen Forschungen (1831) als Bewertungskriterium für eine grundsätzlich dynamische Komposition mit unsicheren Standmotiven, die etwa der klassischen und klaren Figurproportionierung eines Donatello widersprach.222 Rund dreißig Jahre nach dem Cicerone publiziert, lässt sich Wölfflins Renaissance und Barock (1888) als Versuch lesen, auf dem Wege einer terminologischen Differenzierung des Malerischen das Innovationspotenzial und die Eigengesetzlichkeit des Barocks zu begründen: „Der Barock ist [...] ein wesentlich Neues, das sich aus dem Vorhergehenden nicht ableiten lässt.“223 Mit diesem Gedanken zeichnete Wölfflin auch seinem eigenen positiven Urteil den Weg vor. Seine Leser von diesem Standpunkt zu überzeugen, schloss allerdings eine offenkundige Selbstüberzeugungsarbeit mit ein. Denn bekanntlich durchziehen Renaissance und Barock zahlreiche ambivalente Charakterisierungen, wie beispielsweise die Rede vom Übergang barocker Körperlichkeit in „Zustände der Auflösung“, in denen kein „glückliches Sein“, sondern nur das „Unbefriedigte und Ruhelose“ anzutreffen sei.224 Ein allgemeiner „Grundvorwurf“ Wölfflins gegen den Barock lässt sich hieraus allerdings nicht ableiten, da der Autor stets gegen seine Selbsteinwände anschreibt und eher seiner Faszination an jenem „unbefriedigten“ und „ruhelosen“ Sein nachgibt.225 Und vielleicht liegt gerade hierin das Eigentümliche und bis heute Anziehende von Wölfflins Schrift. Was sich im Untertitel von Renaissance und Barock programmatisch als eine „Untersuchung über Wesen und Entstehung des Barockstils in Italien“ ankündigte, konnte aufgrund des „aus dem Vorhergehenden nicht ableitbaren Neuen“ des Barocks kaum als kontinuierliche Entwicklungsgeschichte geschrieben werden. Auch die im Vorwort erwähnte methodische Absicht, den Übergang von der Renaissance zum Barock „psychologisch“ begreifen zu wollen, wurde vom Autor nicht weiter verfolgt. An ihre Stelle traten formale Analysen, welche die Architektur der Renaissance und die des Barocks fortwährend gegeneinander spiegeln. Deshalb spricht einiges dafür, das Werk Renaissance und Barock in erster Linie als eine Ursprungs- und weniger als eine Entstehungsanalyse zu lesen 226 – und zwar im Sinn jener dialektischen Doppelung einer „Vor- und Nachgeschichte“, eines Bruchs und Risses in den tradierten Darstellungsmodi, wie sie (nicht zufällig) Walter Benjamin seinem Trauerspielbuch zugrunde legte.227 Wie zentral hierbei der Begriff des Malerischen werden sollte, erweist bereits das einleitende Resümee des Eröffnungskapitels von Renaissance und Barock.Wenn

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219 WÖLFFLIN 1888, S. 62. 220 WÖLFFLIN 1888, S. 71; BURCKHARDT 1855, S. 372. 221 BURCKHARDT 1855, S. 370. In diesem Kontext findet sich auch die berühmte Formulierung vom Barock als einem „verwilderten Dialekt“ (ebd., S. 368) der Renaissance. 222 Vgl. hierzu schon: FELDER 1999, S. 180. 223 WÖLFFLIN 1888, S. 60, vgl. auch S. 72: „Sie [die Barockarchitektur] besaß etwas ganz Einziges: sie war fähig, den Eindruck des Erhabenen zu geben. Hier treffen wir auf den Nerv des Barock.“ 224 WÖLFFLIN 1888, S. 25, 66. 225 WARNKE 1991, S. 1220, in Erinnerung an Riegls Wölfflin-Kritik in RIEGL 1908, S. 14: „Auch bei Wölfflin erscheint er [der Barock] als Verirrung und Verfall, ohne dass wir sähen, dass es um höherer Fortschritte willen so kommen musste.“ Vgl. im Anschluss an Warnke auch IMORDE 2004, S. 46. 226 WÖLFFLIN 1926, S. 3: „Unsere Absicht geht nicht auf ein Beschreiben dieser ganzen Entwicklung, sondern auf eine Begreifung des Ursprungs: was wird aus der Renaissance?“ 227 Vgl. BENJAMIN [1925] 1990a, S. 226. Vgl. zum Ursprungsbegriff Benjamins als kunsthistorische Kategorie: DIDI-HUBERMAN 1995, S. 127–129.

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228 Vgl. WÖLFFLIN 1888, S. 23. 229 WÖLFFLIN 1888, S. 59 f. In diesem Zusammenhang ist die Rede von einer „Bewegung“ im architektonischen Körper (ebd., S. 46) und einem „Bewegungseindruck“ im Betrachter (ebd., S. 50). 230 WÖLFFLIN 1888, S. 18, 21. 231 Vgl. WÖLFFLIN 1915, S. 78. 232 NIETZSCHE 1988, § 144, S. 437: „Wer sich als Denker und Schriftsteller zur Dialektik und Auseinanderfaltung der Gedanken nicht geboren oder erzogen weiß, wird unwillkürlich nach dem Rhetorischen und Dramatischen greifen [...]. Dies gilt auch in den bildenden wie musischen Künsten; wo das Gefühl mangelnder Dialektik [...] zusammen mit einem überreichen, drängenden Formentriebe, jene Gattung des Stiles zu Tage förderte, welche man Barockstil nennt.“ 233 Vgl. WÖLFFLIN 1888, S. 72: „Man kann das Objekt nicht fassen. Formlos möchte man sich hingeben an das Unendliche. [...] Man schwelgt in der Vorstellung des Unvorstellbaren, mit Begier stürzt man sich in die Abgründe der Unendlichkeit.“ 234 WÖLFFLIN 1984, S. 446 (Tagebucheintrag vom 26. Mai 1935 zu einem nicht gehaltenen Vortrag im Züricher Kunsthaus). 235 Offenbar sah sich WÖLFFLIN später selbst bei dieser hartnäckigen Suche nach Begriffen als Kind seiner Generation an: „Befangenheit meiner Generation: das Suchen nach allgemeinen Begriffen, nach Typen. Und doch steckt die Kunst im Einzelnen.“ Tagebucheintrag vom 19. Dezember 1938, in: WÖLFFLIN 1984, S. 463. 236 GURLITT 1887, S. 225. Nach WÖLFFLIN äußerte sich Burckhardt wie folgt über Renaissance und Barock: „Sie haben uns überrascht. Ihr Buch wird noch viel Staub machen. Gurlitt wird ins Gedränge kommen.“ GANTNER 1948, S. 44. 237 WÖLFFLIN 1888, S. 42 f., 74.

Wölfflin die bisherige Verwendung des Begriffs für unbrauchbar hält, um den Barock „in seiner Allgemeinheit“ zu fassen, dann wohl vor allem deshalb, weil ihm Dynamik und Bewegung der Epoche hiermit zwar festgestellt, jedoch in ihrer Wirkungsweise noch nicht verstanden scheinen.228 Die hartnäckige Frage nach dem „Ganzen“, dem „Unendlichen“ oder „Unbegrenzten“ deutet dabei Wölfflins theoretischen Erkundungsgang an, den Begriff des Malerischen so anzulegen, dass er imstande ist, die Bewegung im architektonischen Körper auf eine körperliche „Lebendigkeit und Wirklichkeit“, kurz: auf eine zeitliche Bewegungserfahrung zu beziehen.229 Das schon von Burckhardt beobachtete „Vor und Zurücktreten“ der Mauerkörper und die damit einhergehende Vielfalt optischer Eindrücke – oder wie Burckhardt es formulierte: der „ganz verschiedenen Gesichtspunkte“ – brachte Wölfflin schließlich auf die prägnante Formel der von der malerischen Erscheinung aus gedachten „Unerschöpflichkeit der Motive“.230 Der 1915 in den Kunstgeschichtlichen Grundbegriffen wieder aufgenommene Gedanke der „Unerschöpflichkeit“231 ist bemerkenswert, signalisiert er doch Wölfflins Interesse, die Barockarchitektur sowohl vom Monument, seiner materiellen Substanz als auch von seiner Wirkungsrhetorik her zu begreifen. Hatte Nietzsche in Menschliches, Allzumenschliches (1878/79) den Barock wenige Jahre zuvor als „rhetorischen Stil“ ausgewiesen,232 so führte Wölfflins „Unerschöpflichkeit der Motive“ die Barockrhetorik auf ein unabschließbares körperliches movere zurück.233 Das begriffliche Dilemma, das sich an dieser Stelle auftut, liegt auf der Hand. Offenkundig lag für Wölfflin die Rede von einer „Unerschöpflichkeit der Motive“ nicht auf dem Weg zu einer Antwort auf die Frage nach dem „einenden Ganzen“ des Barockstils. Sie führte deshalb zu der weiterführenden Frage nach dem gedanklichen Bindeglied zwischen der beobachteten Unerschöpflichkeit und der hiervon bedrohten Ganzheit. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass Wölfflin jede Theoriebildung über ein Kunstwerk generell und bis in die späteren Jahre hinein daran maß, ob es ihr gelang, das Werk als ästhetische Einheit zu begreifen: „1. Forderung: Kunstwerk als Einheit zu fassen, als Ganzes zu fassen. [...] Grad der Einheit auch in der Kunst verschieden.“234 Sollten also die Werke des Barocks einer ästhetischen Beurteilung standhalten, so musste ein Begriff von jenem Ganzen oder für jenes Ganze gefunden werden.235 Mit der folgenreichen Rede vom „malerischen Bild des Ganzen“, wie er sie vor allem an der Architektur (insbesondere der Fassade) entwickelte, bediente sich Wölfflin schließlich einer Formulierung, die den Gegensatz zu einer Synthese bringen sollte. Anders als Cornelius Gurlitt, der in seiner wenige Monate zuvor erschienenen Geschichte des Barockstiles in Italien (1887) mit der „malerischen Auffassung“ die Dynamik der „Gesamtheit eines Raumes“ allein motivisch bestimmt hatte, gelang es Wölfflin, mit der Rede vom „malerischen Bild“ die formale Beweglichkeit der Barockarchitektur mit ihrer dynamischen Erfahrungsstruktur zusammenzudenken.236 In dieser Sicht konzipierte Wölfflin das Malerische einerseits als einen Komplexitätsbegriff, welcher der Erfahrung von ästhetischer Bewegung und Lebendigkeit genügen sollte, andererseits aber auch als einen Einheitsbegriff, der im Wort fixiert, was sich vor den Augen sogleich wieder verflüssigt.237 Die anschauliche Nähe zum Phänomen „Barock“ war nur um den Preis einer Theo-

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rie des körperlichen Abstands zu gewinnen, und damit einer Theorie, die erst im „Zurücktreten“ zu einer „Abnahme [...] des plastischen Nachfühlens“ zugunsten eines optischen Erlebnisses führte.238 Wölfflins Projektion der Transformation des barocken Raumes in ein „malerisches Bild“ ging allerdings nicht nur auf Kosten einer (zuvor von ihm selbst geforderten) physisch verankerten Raumanalyse. Auch die beschriebene „Unerschöpflichkeit“ syntaktischer Beziehungen geriet ihm unter der „bildhaften“ Einheitsmaxime zu einer erschöpflichen, endlichen Größe. Hierin liegt der eigentümliche Widerspruch in Wölfflins Begriffsdifferenzierung des Malerischen: Einerseits formuliert sie begriffliche Nähe zur barocken Körperlichkeit und Körpererfahrung, andererseits basiert sie auf der Voraussetzung des physischen Abstands. Wohl gerade deshalb konnte Wölfflins griffiger Zugang zur Barockarchitektur für die nachfolgende Kunstgeschichte wegweisend werden. Ästhetische Architekturerfahrung, entwickelt am Barockstil, galt fortan als optisches Phänomen und versagte sich damit der körperlichen Erfahrung barocker Architekturen.239 Autoren wie August Schmarsow, Hans Sedlmayr, Hermann Bauer und Bernhard Rupprecht folgten in Varianten Wölfflins Grundüberlegung, nach der die Verschleifungen der Gliederung barocker Räume und Fassaden nur noch optisch, das heißt „bildhaft“, als Einheit zu erleben seien – immer vorausgesetzt, „ästhetische Einheit“ im tradierten Verständnis müsse weiterhin postuliert werden. Um die terminologische Wende zu verstehen, welche das Malerische durch Wölfflin erfuhr, ist es hilfreich, auf die weitere Vorgeschichte zurückzublicken: Denn der Begriff des Malerischen besitzt in der Vorform des Pittoresken eine ästhetische Tradition, die uns mindestens in das frühe 18. Jahrhundert zurückführt und hier nur schlaglichtartig wiedergegeben werden kann.240 Während Thomas Gainsborough, auf ältere Bedeutungen zurückgreifend, mit dem italienischen „pittoresco“ die Sichtbarkeit einer unregelmäßigen Malspur bezeichnete, die sich in der Nahsicht im Undeutlichen verliert, gebrauchten Alexander Pope und Joseph Addison (1712) „picturesque“ im Sinn eines Paragone zwischen Gartenarchitektur und Landschaftsgemälde.241 Im Pittoresken, dies scheint der gemeinsame Nenner des Begriffs, tritt das Einzelne, treten die zahlreichen unscharfen Details hinter einer lebendigen Gesamtwirkung zurück. Anders formuliert: Die lebendige Präsenz (eines gebauten Gartens oder Landschaftsbildes) stellt sich unter den Bedingungen einer Unschärfe ein.242 Reverend William Gilpin griff in seinen Three Essays: On Picturesque Beauty; On Picturesque Travel; On Sketching Landscape (1792) diese dynamische Bedeutung des Malerischen ebenso auf wie Christian Cay Lorenz Hirschfelds Theorie der Gartenkunst (1779–1785). Das „malerische Ansehen“ eines Gartens, so Hirschfeld, arrangiere Architektur- und Pflanzengruppen als ein veränderliches Gemälde: „Die reizenden Bilder der Natur, so wohl im Garten als in der Landschaft, wandeln gleichsam mit dem Spaziergänger umher, wenden und verändern sich mit ihm bey jedem Schritt; ein magisches Spiel für die Phantasie, die sich diesen Eindrücken überlässt. Eine Gruppe, ein Busch, ein Baum schiebt sich vor; und auf einmal ist das Gemälde verändert.“243 Bedeutungszusammenhänge des Malerischen, die eine temporale Raumerfahrung in ein einheitsgenerierendes Bild übersetzen, waren demnach schon lange

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238 WÖLFFLIN 1888, S. 71. Vgl. auch die anderen Formulierungen: „Das dritte Moment im malerischen Stil möchte ich die Unfassbarkeit nennen. (Das Unbegrenzte)“ (20); oder: „Verzicht auf das Fassbare“ (72). 239 In dieser Sicht schlug etwa Walter Benjamin die Materialität eines Bauwerks seinem funktionalen Gebrauch zu: „Bauten werden auf doppelte Art rezipiert: durch Gebrauch und deren Wahrnehmung. Oder besser gesagt: taktil und optisch.“ Vgl. BENJAMIN 1990b [frz. 1936, dt. 1955], S. 504. 240 Vgl. allgemein hierzu die kompakte Zusammenfassung bei FELDER 1999, S. 182 f. Bereits 1671 war in Venedig der Reiseführer des Malers Giacomo Barri zu den berühmten Gemälden Italiens unter dem Titel Viaggio Pittoresco. In cui si notano distintamente tutte le Pitture famose de’più celebri Pittori, che si conseruano in qualsiuoglia Città dell’Italia erschienen. 241 HUNT 2004, S. 16–18. Vgl. dort auch die zahlreichen bibliografischen Hinweise. 242 Hierauf geht auch die als „malerisch“ ausgewiesene Beschreibung von Unschärferelationen in der Fotografie zurück. Vgl. ULLRICH 2002, bes. S. 27 f. 243 HIRSCHFELD 1785, S. 198 f. Zu Gilpin vgl. auch HUNT 2004, S. 65–77.

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244 Vgl. FELDER 1999, S. 180; KUGLER 1842, S. 505 u. 776 (zitiert bei TINTELNOT 1956, S. 30 mit anderer Seitenangabe). FELDER 1999, S. 179, weist auch auf E. H. Toelkens Abhandlung Über das Basrelief und den Unterschied der plastischen und malerischen Composition von 1815 hin. Ob sich der Begriff des Malerischen deshalb schon an der Gattung des Reliefs entwickelte, scheint fragwürdig. Vermutlich betraf er in gleichem Maße Skulptur und Architektur. 245 William John Newton: Fotografie in künstlerischer Hinsicht betrachtet. Diskussion in der Photographic Society of London (1853), abgedruckt in: KEMP 1999, S. 88–91. 246 LOTZE [1865] 1990, S. 57, 59. Lotze grenzt in seiner Ästhetik die malerische Schönheit von einer architektonischen bzw. plastischen Schönheit ab und beschreibt den Ort des Malerischen folgendermaßen: „Malerisch ist nicht das neue Kleid, das eben fertige Gebäude, der symmetrische Krystall, die regelmäßig gewachsene Pflanze, aber Lumpen sind es, Ruinen, der geborstene Fels, der verkrüppelte Baum: diese alle erzählen eine Geschichte. Die Anordnung des Mannigfaltigen aber, zunächst dessen, was Menschenhand schuf, ist nie malerisch, so lange die beabsichtigte Symmetrie blos räumlicher Vertheilung aber eine systematische Auffstellung sehen lässt, für welche in den Begriffen der aufgestellten Dinge ein Leitfaden liegt; sie wird es erst, wenn die Lage jedes einzelnen Elementes zu jedem andern zufällig ist [...].“ LOTZE 1868, S. 578. 247 Zitiert nach WARNKE 1991, S. 1222. 248 Vgl. WÖLFFLIN 1915, S. 68–73. Die Neu­ edition der Werke Wölfflins wird dazu beitragen, die Aneignung der Semantiken um den Begriff des Malerischen durch Wölfflin und druch Wölfflin‘s Schüler besser zu verstehen. Dabei dürfte insbesondere eine erneute Durchsicht der „Schriften“ Wöfflins von Interessen sein. Vgl. WEDDIGEN 2017ff.

vor Wölfflin angelegt. Allerdings, dies zeichnet den zitierten Gedanken Hirschfelds wie auch die Gartentheorien des Pittoresken insgesamt aus: in Verbindung mir einer ambulativen Bewegungserfahrung. Nun versah jedoch insbesondere die deutsche Ästhetik und Kunstgeschichtsschreibung ab 1800 den Begriff des Pittoresken aufgrund seiner dynamischen und temporalen Bedeutungsdimension mit einem negativen Vorzeichen, vor allem im Sinn eines antiklassischen, nicht-antiken „Stilempfindens“. Carl Friedrich von Rumohr fand sie 1831 an den Reliefs Ghibertis vor, während Franz Kugler 1848 von Michelangelos „Begehren nach malerischer Wirkung“ sprach.244 Nahezu zeitgleich unterschied William John Newton (1853) zwischen einem „wahrheitsgetreuen“ und einem „malerischen Effekt“, um auf die ganz eigenen Gesetze des eben erst geborenen Mediums der Fotografie hinzuweisen.245 In seinen Vorlesungen von 1865 bezeichnete schließlich Hermann Lotze mit dem „Malerischen“ eine ästhetische Kontingenzbewältigung, die ihm dort vonnöten schien, wo „das geistige Leben im Kampf mit einer Außenwelt“ steht, um mit den „Zufälligkeiten des äußeren Lebens“ zurechtzukommen.246 Als ein „Zerstören der Regelmäßigkeit“ zugunsten einer „Bevorzugung des Zufälligen“ kehrte dieser Gedanke dann in Lotzes Geschichte der Ästhetik in Deutschland (1868) wieder und präfigurierte jene ambivalente Bedeutungsweise des Malerischen – zwischen ästhetischem Regelverlust und Dynamik, zwischen Erfahrungsdistanz und Begriffsnähe –, die Wölfflin seiner Schrift Renaissance und Barock zugrunde legte.247 Wölfflins Begriffsdifferenzierung des Malerischen als eines einheitsstiftenden Bildes zeigt, wie ästhetische Erfahrungen des Dynamischen, Kontingenten und Heterogenen auf diese Weise von ihrer suspekten Unruhe befreit werden sollten. Das „Bild“, das dabei heraufbeschworen wurde, besaß materiell betrachtet keinen Ort mehr, sondern schwebte in einer entkörperlichten und unfassbaren Sphäre zwischen Betrachter und Architektur. Die hiervon begleitete Verlagerung der „Raumfrage“ hin zu einer „Bildfrage“ ließ den Aspekt der physischen Bewegung und Körpererfahrung fortan nur noch als theoretische Größe zu. Der somit vollzogene architekturhistorische Paradigmenwechsel vom Raum zum Bild gab sich als das, was er war, nicht zu erkennen. So trat er bei Schmarsow weiterhin als hartnäckige Forderung einer Raumdiskussion auf, die im Grunde nur eine Diskussion um ästhetische Einheit war, die über die Begriffe des „Malerischen“ und des „Bildhaften“ geführt wurde.

3.1 Vom Malerischen … Was sich in Renaissance und Barock teilweise noch als ein Schwanken zwischen einer körperlichen und einer optischen Erfahrung barocker Architektur liest, erhält in den Begriffspaaren aus Wölfflins nachfolgenden Schriften eine konturierte Zielsetzung. Aus der Konzeption der Kunstgeschichtlichen Grundbegriffe (1915) ist die Interpretation barocker Architektur als Bild nicht mehr wegzudenken.248 Eine systematische Entwicklung des Malerischen (die den Gegenbegriff des Linearen einschloss) verlief parallel dazu. In Erinnerung an die Ausgangsthese der

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Prolegomena wiederholte Wölfflin in seinen Kunstgeschichtlichen Grundbegriffen zwar den Gedanken einer Wechselbeziehung zwischen menschlichem Körper und architektonischem Raum, relativierte ihn nun jedoch weit bedingungsloser: „Der Raum als etwas Körperliches kann nur wieder mit körperlichen Organen aufgefasst werden. Die Raumwirkung ist aller Architektur eigen. Wenn nun aber ein malerischer Reiz dazu kommt, so ist das etwas Rein-Optisches, Bildhaftes und darum auch jener allgemeinsten Art von Tastgefühl nicht mehr zugänglich. Ein Raumdurchblick ist malerisch nicht durch die architektonische Qualität der einzelnen Räume, sondern durch das Bild, das Augenbild, das der Beschauer empfängt.“249 Man würde Wölfflins Projektion des Barockraums in ein Raumbild nicht angemessen beurteilen, erblickte man hierin eine Vernachlässigung realer Räume zugunsten fotografischer Abbildungen, Fassadenrisse, Außenansichten und Schnitte.250 Vielmehr ging es ihm darum, die Erfahrung der Unerschöpflichkeit von Architektur über eine begrenzte Fläche „fassbar“ zu machen. An der Analyse konkreter Raumerfahrungen ging diese begriffliche Entwicklung des Malerischen aber vorbei.251 Bei allen theoretischen wie inhaltlichen Abgrenzungsversuchen lehnte sich August Schmarsow in seiner Begriffsverwendung des Malerischen an Wölfflin an. Doch weit programmatischer als dieser forderte Schmarsow vor allem in seiner Schrift Barock und Rokoko (1897) die wechselseitige Berücksichtigung von „Raumgestaltung“ und „Körperbildung“ für jede Architekturanalyse.252 Ebenso wie Wölfflin schien aber auch ihm dieses Postulat auf die Barockarchitektur nicht bruchlos anwendbar zu sein. Denn: „Wo immer die Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der Raumgesetze versagt, da tritt die Malerei in ihre Rechte.“253 Jedoch gerät im Laufe der Abhandlung die Maxime architektonischer „Übersichtlichkeit und Verständlichkeit“ zunehmend in Konflikt mit den konkreten Raumanalysen, die Schmarsow durchführt. Man könnte auch sagen, dass die Maxime der ästhetischen Einheit in Verbindung mit den komplexen Räumen, die sich der Autor vornimmt, mehr und mehr zur Verwandlung des Raumes in ein optisches Bild führt. Situative Verhaltensweisen und heterogene Perspektiven stellten auch Schmarsow vor ein theoretisches Problem, das er mit dem „Ausgleich zum Bilde für das Auge“ löste.254 Deshalb gibt er analog zu der oben zitierten Passage Wölfflins zu verstehen: „Rückt der Betrachter [...] so weit ab, dass die Bestandteile des Bauwerks jenseits der Grenze seiner Tastregion, rein dem Sehfeld anheim fallen, also nur als Augenschein auf ihn wirken, so verwandelt sich die Auffassung sowol für die architektonischen wie für die plastischen Faktoren in die malerische. Die körperhafte Rundung [...] geht auf in das Bild.“255 Es ist hier nicht der Ort, die historischen Wurzeln und die ideengeschichtlichen Grundlagen für die Äquivalenzen zwischen Stilbildung und ästhetischer Einheit zu erörtern.256 Interessant ist aber, dass sich Wölfflin wie Schmarsow257 an entscheidenden Punkten ihrer Konzeptionen des Malerischen nicht auf die begriffsgeschichtlichen Grundlagen ihres Faches bezogen, sondern an den theoretischen Überlegungen eines zeitgenössischen Künstlers orientierten, nämlich an Adolf von Hildebrand. Zwischen der Abfassung von Renaissance und Barock und den Kunstgeschichtlichen Grundbegriffen kam es 1889 in Florenz zu der für

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249 WÖLFFLIN 1915, S. 69. 250 LURZ 1981, S. 237 f. 251 Alois Riegls prägnanter Gedanke zum italienischen Barock lässt sich in diesem Zusammenhang auch auf die frühe Barockforschung anwenden: „Die Einheit in der Zersplitterung hätten die Italiener unter allen Umständen verschmäht, sie wussten sie aber andererseits durch nichts Besseres zu ersetzen. So kamen sie endlich zum Entschlusse, auf die Herstellung einer wirklichen Einheit von vornherein zu verzichten, dafür aber dem eindringenden Auge überall eine Einheit vorzutäuschen.“ RIEGL [1897/98] 1966, S. 202. 252 SCHMARSOW [1897] 2001, S. 7. 253 SCHMARSOW [1897] 2001, S. 16. 254 SCHMARSOW [1897] 2001, S. 364. 255 SCHMARSOW [1897] 2001, S. 26. 256 Vgl. hierzu noch einmal in Bezug auf die Genese des Barockbegriffs im Allgemeinen: OECHSLIN 1992; WARNKE 1992. 257 Dies gilt auch für die Verwendung der Begriffe „Nahsicht“ und „Fernsicht“ in der Historischen Grammatik von Alois RIEGL [1897/98] 1966, S. 287–291.

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258 WÖLFFLIN 1899, Vorwort, VII: „Ein Buch wie Adolf Hildebrands ‚Problem der Form’ ist wie erfrischender Regen auf dürres Erdreich gefallen.“ Nach einer Anmerkung Joseph Gantners bezeichnete WÖLFFLIN Die klassische Kunst als „unter dem Eindruck Hildebrands“ entstanden. WÖLFFLIN 1946, S. 252; vgl. auch: MÜLLER 1974, S. 41. 259 WÖLFFLIN 1946c, S. 105. 260 HILDEBRAND [1903] 1969, S. 223. Vgl. auch ebd., S. 212. 261 HILDEBRAND [1903] 1969, S. 223, 232.

Wölfflin wichtigen Begegnung mit diesem Bildhauer. Bereits Wölfflins 1897 erschienene Klassische Kunst nimmt ausdrücklich auf Hildebrands erstmals 1893 publiziertes Werk Das Problem der Form Bezug.258 Wölfflin interessierte sich vor allem für diejenige Stelle dieser Schrift, wo sie ihm von einem „trockenen“ in einen „poetisch-schwungvollen“ Ton überzugehen schien: bei dem Gedanken der Verwandlung räumlicher Tiefenverhältnisse in ein Flächenbild.259 Hildebrands „Relieftheorie“, nach der die räumlichen Bewegungsabläufe des Betrachters vor einer Plastik in ein simultanes „Fernbild“ übersetzt werden, steht sozusagen bei der begrifflichen Neukonzeption des Malerischen als ein bildmäßig erlebbarer Raum Pate. Unter diesen Voraussetzungen gibt sich das Malerische bei Wölfflin und Schmarsow als Begriffswerkzeug zu erkennen, welches dazu diente, sukzessive Raumbewegungen und performative Wahrnehmungsweisen in einem malerischen Bild zu „simultanisieren“. Diese Einheit des Gleichzeitigen reduzierte die körperliche Bewegung zugunsten einer lebendigen, aber distanzierten „Fernbilderfahrung“. Ähnlich verstand Hildebrand das aus der Raumbewegung gewonnene Bild als eine Synthese von Gegensätzen, die „alle gegenseitig und wiederum im Ganzen Anregungen für die plastische und räumliche Vorstellung in uns bewirken, wenn wir ein wahrhaft lebendiges Bild der realen räumlichen Natur erhalten wollen“.260 Für die von Wölfflin und Schmarsow an das „Fernbild“ delegierte Forderung nach „Zusammengehörigkeit“ und „Einheit“ war der Bildhauer Adolf von Hildebrand von erheblicher Bedeutung.261 Wie werden weiter unten noch darauf eingehen, dass ein zentraler Aspekt des Zwiefalter Raumes darin besteht, dass das gesprochene Wort von der Kanzel, die Gesänge und täglichen Gebete auf der Orgelempore und im Chor – kurz: dass sämtliche Handlungen im Sakralraum auf die Ebene des Bildes gebracht werden. Weiter wird darauf einzugehen sein, dass das Bildsystem des Zwiefalter Raums so angelegt ist, dass es die materielle und statische Seite der Architektur Johann Michael Fischers außer Kraft setzt. Architektur wird dabei ebenso zum Bildträger wie zur Darstellung möglicher Architekturen. Die Wandpfeilerkirche wird insofern entgrenzt, als durch die möglichen Verhältnisse des Bildsystems zum Darstellungsraum (Architektur) auch architektonische Prinzipien wie Lasten, Tragen und Begrenzen ins Wanken geraten. Beide Aspekte, die Konzentration auf das Bild wie die Entmaterialisierung von Architektur, schaffen eine wohl einmalige Raumerfahrung, bei der dem Bild oder, genauer gesagt: einer Konfiguration von Bildern die zentrale Rolle zukommt. Wie sind vor diesem Hintergrund die Erkenntnisse Wölfflins und Schmarsows zu bewerten? Auf eine knappe Formel gebracht könnte man sagen: Die Konsequenzen, die sich aus der Erkenntnis der zentralen Rolle des Bildes und der Körpererfahrung für den (spät-)barocken Raum ziehen ließen, werden dem Postulat der ästhetischen Einheit geopfert. Begrifflich gefasst wird diese Einheit durch eine unterstellte „Fernbilderfahrung“ oder „Bildhaftigkeit“ barocker Räume, die der Beschreibung phänomennaher Körpererfahrungen aus dem Wege geht.

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3.2 … zum Bildhaften Die Rezeption der wölfflinschen Konzeption des Malerischen setzte schon vor Adolf Brinckmanns Barockskulptur (1917), selbst vor der Veröffentlichung der Kunstgeschichtlichen Grundbegriffe ein. Bereits 1914 nahm Paul Frankl, ein aufmerksamer Hörer der Vorlesungen Wölfflins, in seiner Habilitationsschrift über die Entwicklungsphasen der neueren Baukunst den Begriff des Malerischen auf und bestätigte Wölfflins und Schmarsows Rede vom „architektonischen Bild“.262 16 Jahre später schrieb Hans Sedlmayr von den „visuellen ‚Bildern‘“, die man bei Betrachtung der Architektur Borrominis empfange, und stellte diesen Gedanken später in das Zentrum seiner Rokoko-Analysen als einen „Meta-Stil“, in dem „Architektur zum Bild von Architektur“ geworden sei:263 „Die Architektur der Rokoko-Kirche“, so Sedlmayr, „wird selbst bildhaft aufgefasst.“264 Mit Sedlmayr wurde das Malerische durch die Rede vom „Bild“ bzw. von der „bildhaften Raumwirkung“ abgelöst. Allerdings geriet hierbei die für das Phänomen interessante Bedeutungsdimension des Malerischen, wie sie mit dem Pittoresken im 18. Jahrhundert entwickelt wurde, in den Hintergrund. Bezogen auf die Rokokokirche und auf das Rocailleornament bestätigten Bernhard Rupprecht und Hermann Bauer die Thesen Sedlmayrs, nicht ohne sie weiter auszubauen.Während Rupprecht resümierte: „Die Architektur der Rokoko-Kirche ist selbst bildhaft“, sprach Bauer in seiner Arbeit über die Rocaille von der „Bildgegenständlichkeit“ des Rocailleornaments.265 Auch der Blick auf Zwiefalten wurde davon geprägt. So stellte Richard Zürcher Zwiefalten programmatisch unter den Begriff des „Raumbildes“, durch den sich der Innenraum als eine „großartige Einheit“ präsentiere, und las Architektur wie Skulptur in Zwiefalten als ein „gefügtes Bild“.266 Wenn die komplexe Barockrezeption hier einseitig auf das Malerische zugespitzt wurde, so deshalb, weil die ästhetische wie die historische Funktionsweise dieses Begriffs genauer verstanden werden soll. Als apologetischer Begriff diente das Malerische Wölfflin in Renaissance und Barock dazu, die Eigengesetzlichkeit barocker Architektur zu betonen, um aus ihr in den Kunstgeschichtlichen Grundbegriffen eine positive Beurteilung abzuleiten. Die Rede vom „malerischen Bild“ konstruierte eine stilistische Einheit, die es Autoren wie Sedlmayr und Wilhelm Hausenstein später ermöglichte, den „organischen“ Barockstil als Gegenpol zu den „anorganischen“ Abstraktionsverfahren der Moderne auszuspielen.267 Dass dieses homogenisierende Stilbedürfnis an der disparaten Einheit spätbarocker Raumkonzepte vorbeigeht, deutete bereits Theodor W. Adorno in seinem Essay Der missbrauchte Barock (1966) an, wenn er lapidar feststellte: „Die Autorität des Barocks ist zentral die der Idee vom Stil.“268 Damit war gemeint, dass Kulturgeschichte als Stilgeschichte nicht ohne die Konzeption des Barocks als Stil zu denken ist; genauso wenig kommt die Rede vom Stil ohne die Maxime der ästhetischen Einheit aus.269 Bei der bemerkenswerten Kontinuität in der Rede vom „malerischen Bild“, der „bildhaften Wirkung“ oder vom „Raumbild“ als Interpretationsschlüssel einer gelungenen Balance von Architektur und Ausstattung im spätbarocken

262 Vgl. FRANKL 1914, S. 125, mit Bezug auf die Fassade ebd., S. 118. WÖLFFLINs Rede von der „Unerschöpflichkeit möglicher Bilder “ (WÖLFFLIN [1915] 1948, S. 88) kehrt bei FRANKL 1914, S. 136, in derselben Formulierung wieder. 263 SEDLMAYR 1930, S. 141. Die zeitgleich angestellten Überlegungen zu einer ebenso „optisch“ wie „körperlich“ gefügten Erfahrungsweise barocker Architektur gab Sedlmayr später auf. Vgl. SEDLMAYR [1930] 1960, bes. S. 128. 264 SEDLMAYR [1960] 1988, S. 188. Vgl. auch ebd., S. 187; SEDLMAYR/BAUER [1963] 1991, S. 137. 265 RUPPRECHT 1959, S. 33; BAUER 1962, S. 61. 266 ZÜRCHER 1967, S. 37, 39; ZÜRCHER 1978, S. 60. In jüngerer Zeit bestätigte Frank BÜTTNER 1998, S. 166, Zürchers Blick auf Zwiefalten: „Der Betrachter bleibt sich der Bildhaftigkeit des Freskos bewusst. Es ist jedoch ein Bild, das den Raum, in dem der Betrachter steht, beherrscht und prägt. So wie sich die Architektur dem Eintretenden durch den zum Hochaltar hinlenkenden kulissenartigen Aufbau bildhaft darbietet, so erscheint sie auch im Bild auf das Fresko bildhaft [...]. Der Betrachter erfährt sich als in dieses monumentale räumliche Bild gestellt.“ 267 Die hiermit verbundene „Melancholie“ hat erstmals Veit LOERS 1978, S. 7, beschrieben. Vgl. zu den Rezeptionsbedingungen des Barocks vor und nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge einer Polemik Hausensteins und Sedlmayrs VAN DER MEULEN 2005. Die Beziehungen zwischen Barockforschung und Neobarock bzw. Impressionismus wurden ansatzweise erörtert von: TINTELNOT 1956, S. 36–42; MÜLLER 1974, S. 29–36; WARNKE 1991, bes. S. 1211, 1214, 1219. 268 ADORNO 2003a, S. 404. 269 Beides bestätigt sich trotz der für den Sachverhalt letztlich unwesentlichen Verschiebung der Kategorien in BÜTTNER et al. 2008 oder in DISCHINGER 2011, 218, wo die Rede vom „Raumbild“ für ein fulminantes Unisono aufgerufen wird.

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270 BEYER/BURIONI/GRAVE 2011, S. 19. 271 Vgl. ENGELBERG 2005, S. 463–474; ENGELBERG 2008a, S. 243. 272 Vgl. LOTZE 1868, S. 580: „Man spricht nie von einem malerischen Körper, obgleich von einer malerischen Gestalt ...“ 273 BURCKHARDT 1966, S. 29 f., kursive Hervorhebung NvdM; WÖLFFLIN 1940, S. 139, schrieb analog dazu über den Wandel seines Lehrers: „Nachdem er dem Barock erst misstrauisch gegenübergestanden hatte, überließ er sich später willig dem gewaltigen Prozess der barocken Formentfaltung und erkannte im sogenannten Verfall nur letzte geniale Konsequenzen. Vor den phantasievollen Treppenbauten der nordischen Schlossarchitektur konnte sich sein Entzücken zu wahrem Enthusiasmus steigern, und es ist rührend, wie er auf Reisen tagelang marktete, um vom Antiquar einen solchen Stich zu bekommen.“ 274 WÖLFFLIN [1915] 1948, S. 38: „Die Beschaffenheit des Körpers ist nicht gleichgültig, aber das erste ist, dass er sich bewege: in der Bewegung vor allem liegt der Reiz des Lebendigen.“ WÖLFFLIN [1888] 1926, S. 75: „Fürs erste ist das Prinzip [einer mechanischen Theorie] einseitig. Es betrachtet den Menschen nicht nach seiner ganzen Lebendigkeit und Wirklichkeit [...].“

Raum drängt sich die Frage auf, von welchem Bildbegriff hier eigentlich ausgegangen wird. Jedenfalls bleiben auch jüngere Versuche, die „bildhafte Wirkung“ von Architektur geltend zu machen, eine Antwort auf die Frage schuldig, weshalb es nützlich sein soll, für das plötzliche oder ereignishafte Erscheinen von Architektur den Begriff des „Bildes“, der „bildhaften Wirkung“ oder des „Raumbildes“ in Anschlag zu bringen.270 Das von der Kunstgeschichte vererbte semantische Feld beim Aufrufen einer „bildhaften Wirkung“ von Architektur reicht von sehr äußerlichen (Fassade) bis zu „inneren“, aus dem Betrachtungsprozess resultierenden optischen Bildern. Ihr gemeinsamer Nenner liegt zumindest mit Bezug auf den Barock im Formulieren einer ästhetischen Einheit aus der Distanz. Die durch den Begriff unterstellte Nähe zum Phänomen bleibt theoretisch, weil sie einen bewegungslosen und konstant distanzierten Betrachter auf ein körperloses Augenpaar reduziert. Auch wenn es nicht genügt – wie jüngst vorgeschlagen –, mit Bezug auf spätbarocke Kirchenausstattungen allgemein von einem „Erlebnisraum“ zu sprechen, der im „selbständigen Umhergehen“ erschlossen werde,271 so kann man doch von Folgendem ausgehen: Erst der Körper richtet das Sehen auf wechselnde Raum- und Oberflächenverhältnisse aus, bindet es in diverse liturgische Zusammenhänge ein, welche unter spätbarocken Bedingungen die potenzielle Berührbarkeit und auch die akustische Präsenz des Dargestellten einschließen. Deshalb ist die Rede vom „malerischen Bild“ oder auch vom „Erlebnisraum“ nur dann sinnvoll, wenn sie den von Hermann Lotze bestrittenen „malerischen Körper“ mitdenkt272 – kurz: das Sehen als eine oszillierende Bewegung zwischen Raum und Körper begreift. Unter diesen Voraussetzungen kann spätbarocke Bildlichkeit als das verstanden werden, was Bewegungsfigurationen im architektonischen Raum hervorbringt. Mit der Verlagerung der Forschung auf „sichere“ Terrains wie Baugeschichte, Ikonologie, Bildertheologie oder jüngst auch die Frage der Funktion spätbarocker Anlagen hat sich die Frage nach Raumerfahrung nicht erledigt. Unsere bisherigen Überlegungen zum Verhältnis von Bewegung und Raum vor der Fassade und in ihrem Transparenzbezug zum Innenraum deuteten bereits an, dass mit heterogenen Bewegungsfigurationen zu rechnen ist. Sie fügen sich weder zu einem kontinuierlich sich abspulenden Film noch zu einer simultanen bildhaften Einheit zusammen, die sich aus einer statischen Perspektive betrachten ließe. Bekanntlich hatte sich Jacob Burckhardts Haltung zum Barock bereits 1875, also zwölf Jahre vor Wölfflins Renaissance und Barock, gewandelt: „Mein Respect vor dem Barocco nimmt stündlich zu und ich bin bald geneigt, ihn für das eigentliche Ende und Hauptresultat der lebendigen Architectur zu halten.“273 Burckhardts Gedanke einer „lebendigen Architektur“ auf eine ebenso körperliche wie anschauliche Erfahrung von Lebendigkeit zurückzuführen zählt, so meine ich, zu Wölfflins verschütteten Grundanliegen, die nicht nur er selbst auf dem Wege hin zu einer begriffsorientierten Kunstgeschichte aus den Augen verlor.274

4 Vorhalle: Devotio Fundatorum et Benefactorum nostrorum nobilium erga Beatam Virginem in fundatione dotatione Monasterij nostri (1763)

Es sind schicksalshafte Deckenbilder, die den Eintretenden in der Vorhalle erwarten, seinen Schritt verlangsamen und den Gang in den Kirchenraum hinauszögern [Abb. 63–67 u. Abb. 2]: zunächst ein Blick in die Abgründe steiler Bühnenprospekte und auf Enthauptung und Bestrafung inmitten sich aufbäumender Pferde [Abb. 64–66]. Hierauf folgt das zentrale Deckenbild der Vorhalle [Abb. 67]: In einer unüberschaubaren Menge von Nothelfern, Schutzheiligen, Stiftern und Ordensgründern versammelt sich eine erste Gruppe von Akteuren ringförmig um ein Figurendreieck aus Gottvater, Hl. Geist und Gottesmutter [Abb. 68]. Ausgesandt von Maria (D 3), löst sich aus dieser Gipfelgruppe der Erzengel Michael (C 4) mit erhobenem Flammenschwert, in Gestik und Kleidung ­einem zweiten niederfahrenden Engel (D 4) verwandt. Dieser tritt, gekleidet in die heraldischen Farben des klösterlichen Wappens und versehen mit dem Marienmonogramm auf dem Brustpanzer sowie einem flammenden Herz-Jesu-Schild und der Kreuzreliquie des Klosters auf der Stirn, als Abgesandter des Erzengels Michael als spezieller Schutzengel Zwiefaltens auf. Im szenischen Außenraum im östlichen Deckenfeld herrschen Terror und Schrecken. An keinem anderen Ort im gesamten Kirchenraum ist so nachdrücklich wie hier eine topisch skizzierte Geschichte Zwiefaltens vergegenwärtigt. Das Ostfeld des mittleren Vorhallenfreskos ist der eigentliche, programmatische Auftakt des Innenraumes – und er setzt auf unmittelbare Konfrontation: Die Geschichte Zwiefaltens ist hier als eine Erfolgsgeschichte proklamiert, die dank göttlichem Schutz alle menschlichen und natürlichen Katastrophen einer siebenhundertjährigen Klostergeschichte überstanden hat. Die Pestepidemien und Kriegswirren, die Zwiefalten angegriffen haben, aber nicht besiegen konnten, treten allegorisch in den lokalen Erfahrungsbereich des eintretenden Besuchers [Abb. 68, 69]: zuvorderst ein menschliches Ungetüm, starren Blickes im Begriff, ein besiegeltes Dokument mit den Zähnen zu zerreißen, Bücher und Waage mit den Füßen tretend (D 8); links von ihm ein Feuer speiender Hund (D 9); dann ein raubender Greif (Basilisk) – halb Adler, halb Löwe – mit weit aufgespannten Flügeln, einen Messkelch mit der rechten Kralle

043 Vorhalle Zwiefalten, Blick gegen Süden (NvdM)

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064 Vorhalle Zwiefalten, Fresken (NvdM) 065 Franz Sigrist: Enthauptung der Königin Athalia, 1763, nördliches Deckenfresko Vorhalle (NvdM) 066 Franz Sigrist: Bestrafung des Tempelschatzräubers Heliodor, 1763, südliches Deckenfresko Vorhalle (NvdM)

4 Vorhalle: Devotio Fundatorum et Benefactorum nostrorum ...,

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067 Franz Sigrist: Marianischer Schutz über das Reichsstift und Gotteshaus Zwiefalten, 1763, mittleres Fresko Vorhalle (NvdM)

fortraffend (G 9). Noch weiter links fährt ein Blitz nieder, ausgesandt von einer zerzausten weiblichen Gestalt (C 8) inmitten Hagel, Feuer und Schnee spuckender Fratzenköpfe, fledermausgeflügelt; darunter Wasser, das aus unerschöpflichen Krügen flutet. Die unteren seitlichen Zonen führen dem Eintretenden die Folgen von Krieg, Gewalt und Naturkatastrophen vor Augen: eine hungrige und verzweifelte Mutter, die an ihrem Kind zu nagen beginnt (A/B 7); ein mit Pestbeulen übersäter Kranker (E/F 6), halb auf sein Grab gestützt und inmitten von faulendem Fleisch und bleichen Knochen (F 5/7); vor ihm ausgedörrtes Vieh, brachliegendes Land und verzweifelte Bauern (B 9).

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068 Franz Sigrist: Devotio Fundatorum et Benefactorum nostrorum nobilium erga Beatam Virginem in fundatione dotatione Monasterij nostri 1763, mittleres Fresko Vorhalle (Diagramm) (NvdM)

Der Besucher tritt hier ein mit dem Tageslicht im Rücken und der Ahnung eines lichtdurchfluteten Raumes vor sich. Er findet sich wieder im Halbdunkel einer dreischiffigen Vorhalle, deren Bilder ebenso öffnen wie schließen, einladen wie davon abhalten, den folgenden geheiligten Raum zu betreten – ein Eintreten also unter den besonderen Voraussetzungen eines aufmerksamen, mahnenden Innehaltens. Die Vorhalle adressiert sich unmittelbar an die Situation ihrer Besucher, weckt ihr teilnehmendes Interesse in Bezug auf das Nachfolgende. Sie setzt den lokalen historischen Schicksalen die heilsgeschichtliche Rechtsprechung entge-

4 Vorhalle: Devotio Fundatorum et Benefactorum nostrorum ...,

gen und flankiert sie als visuelles Argumentum mit alttestamentarischen Szenen: ein Vorraum, der einen von Unrecht und Schicksalsschlägen gezeichneten Außenraum von einem geheiligten Innenraum isoliert, in dem Schutz und Gerechtigkeit walten. Zunächst soll hier nach den Quellen und der narrativen Struktur der Vorhallenfresken gefragt werden, um in der Folge einige rhetorische Aspekte des Vorhallenauftaktes näher zu betrachten.

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069 Franz Sigrist: Die fünf Schicksale: Hunger (Mutter mit Kind), Unwetter (Figur mit Blitzen), Raub (Basilisk), Neid (Hund), Krieg (Soldat), Detail aus: Marianischer Schutz über das Reichsstift und Gotteshaus Zwiefalten, 1763, mittleres Fresko Vorhalle (NvdM)

4.1 Entwurf, Narration, Adaption Alle drei Deckenfelder sind von Franz Sigrist (1727–1803) signiert [Abb. 70]. Anders als für die zwei Seitenfelder haben sich für das zentrale Vorhallenfresko schriftliche Dispositionen erhalten, die erstmals 1967 von Ernst Kreuzer transkribiert und 1981 von Ewald Vetter in einigen Punkten korrigiert wurden.275 Weder die von Franz Sigrist gemalten Vorhallenfresken noch die Konzeptentwürfe sind datiert. Die Entwürfe zum mittleren Vorhallenfresko sind zusammen mit einem Konzept für das 1766 fertiggestellte Orgelfresko (über der Vorhalle) durch Fadenbindung zusammengehalten, sodass wohl von einem gemeinsamen Entstehungs-

275 Vgl. KREUZER 1967, S. 99–105; VETTER 1981.

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070 Vorhalle Zwiefalten: Grundriss und Freskenprogramm (NvdM)

276 HStA Stuttgart, Bestand 552, Bü 26, siehe Anhang. Möglicherweise legte Sigrist in Zwiefalten um 1760 seine Skizze vor, als er in der nahe gelegenen Kirche von Seekirch das Chorfresko malte. Vgl. MATSCHE-VON WICHT 1977, S. 74–76. 277 Vgl. die Bauchronik von BAUMANN bei PAULUS 1888, S. 181, 187. 278 Vgl. „Anmerkhungen“ sowie die Durchstreichungen und Korrekturen. Vgl. auch: HOSCH 1992, S. 86. 279 Vgl. MATSCHE-VON WICHT 1977 1969, S. 74. 280 PAULUS 1888, S. 181, 188. 281 Zu Franz Sigrists Biografie vgl. MATSCHEVON WICHT 1977, S. 13. Eventuell lieferte Sigrist mit dem Vorhallenfresko eine Probearbeit für noch ausstehende Freskenarbeiten. Vgl. zu Meinrad von Au und Hans Michael Holzhay HALDER 1992, S. 107. Vgl. zur Datierung der Vorhallenfresken 1763 auch die in Argumentation und Datierung (1764) weitgehend übereinstimmenden

zeitraum auszugehen ist.276 Mit einem ersten auf Papier festgehaltenen Entwurf der Vorhallenfresken wird man zwar ab 1749 rechnen können.277 Wahrschein­ licher ist jedoch aus mehrern Gründen, dass die ersten Konzeptfragmente erst in das Jahr 1762 zu datieren sind (vgl. Anhang Konzeptfragmente, Übersicht, OR und VO I). Allerdings weist das Konzept zum Vorhallenfresko einige Änderungen und Korrekturen aus mindestens zwei Perioden auf, die sich teilweise auf eine nicht mehr erhaltene Entwurfsskizze beziehen.278 Wie die Konzeptentwürfe, so ist auch das genaue Entstehungsdatum der Vorhallenfresken unklar. Aus dem Abschluss der Stuckarbeiten in der Vorhalle (1758) lässt sich eine Datierung mit 1758 als Terminus post oder ante quem noch nicht ableiten,279 da im Fall der Kuppel und des Chorraumes die Stuckarbeiten der Freskierung vorausgingen und vielfach auch noch nach dem vollendeten Fresko restliche Stuckarbeiten vorgenommen wurden.280 Einige Eckdaten – hierzu gehören der Tod des Freskenmalers Hans Michael Holzhay (1762), der sich vermutlich mit guten Aussichten um die Freskierung der Orgelempore, der Kapellen und der Vorhalle beworben hatte, dann die Rückkehr Franz Sigrists von Augsburg nach Wien (1763/64) und schließlich der Beginn der Freskenarbeiten Meinrad von Aus im Zwiefalter Kirchenraum (1764) – erlauben es, den Entstehungszeitraum der Vorhallenfresken von Franz Sigrist recht genau um das Jahr 1763 einzukreisen.281 Im mittleren Vorhallenfresko tauchen neben den Figuren der Stifter (Luihtold, Kuno), der Gottesmutter und des Ordensgründers Benedikt auch einige Figuren

4 Vorhalle: Devotio Fundatorum et Benefactorum nostrorum ...,

aus dem Figurenprogramm der Fassade auf, sodass für den Eintretenden das zuvor Gesehene hier in veränderter Weise wiederkehrt. Im Konzept ist es überschrieben mit „Marianischer Schutz Über das Reichß-Styft und Gotteshauß Zwyfalten“. Dies verweist ebenso wie das im mittleren Vorhallenfresko agierende himmlischen Personal Maria, Zwiefalter Schutzengel und Erzengel Michael, der Hirsauer Reformabt Wilhelm und die Klosterstifter Luithold und Kuno auf die heilsgeschichtlichen Leitfiguren des Klosters. Das Konzeptfragment weist den Maler ausdrücklich dazu an, die Repräsentanten des Reliquienbesitzes (Stephanus, Aurelius), die Katakombenheiligen (Exuperia,Vitalis) und die Gründerväter (Luithold, Kuno) des Klosters Zwiefalten im Bild hervorzuheben.282 Diese Hauptakteure finden sich bereits in der ersten mittelalterlichen Chronik zur Klostergeschichte im Zusammenhang mit der Gründung Zwiefaltens erwähnt. Die um 1137 durch den Zwiefalter Mönch Ortlieb verfasste Chronik legt das Datum der Überschreibung des weltlichen Besitzes von Kuno und Luithold auf den Klostergründer Wilhelm von Hirsau auf den Tag Mariä Geburt, also den 8. September, fest. Ortlieb geht in diesem Zusammenhang auf die „heilige Gottesmutter und immerwährende Jungfrau Maria“ als herausragende Zwiefalter Schutzpatronin ein.283 Noch im selben Monat des Jahres 1089, am „nächstfolgenden Feste des heiligen Erzengels Michael“ (29. September), soll Wilhelm von Hirsau in Begleitung von zwölf Mönchen und fünf Laienbrüdern unter dem Hymnus „Salve Regina“ in das Tal von Zwiefalten eingezogen sein.284 Wer jedoch in Fortsetzung dieser Erzählung in den Chroniken Ortliebs und Bertholds eine opulente, blumige Gründungslegende erwartet, wird nach wenigen Seiten enttäuscht. Den Hauptinhalt bildet eine ebenso akribische wie ausführliche Inventarisierung des für den Fortbestand der jungen Mönchsgemeinschaft existenziellen Grundbesitzes, einschließlich späterer Schenkungen und einer Liste des Reliquienbestands. Ebenso richteten Konzeptautor und Maler des zentralen Vorhallenfreskos ihr Hauptinteresse weniger auf das himmlische als auf das in kräftigem Kolorit ausgeführte irdische Personal, das die aus den Annalen und Chroniken bekannten Schicksalsschläge des Klosters verkörpert. Kompositionell adaptierte Sigrist für sein Fresko zunächst die Bildformel des Weltgerichts und richtete es auf den lokalen Kontext aus. Die in der Johannesoffenbarung aufgelisteten sieben Plagen aus den sieben Schalen (Offb 16,1–20)285 änderte schon der schriftliche Entwurf in die „Feind“ [Abb. 69], „welche er [der Schutzengel] Theils zu boden schlagt, Theils in die Flucht jagt“. An derselben Stelle sind acht „Feind“ vermerkt: Krieg, Pest, Hunger, Feuer, Wasser, Ketzerei, Neid und Ungewitter, während sich das realisierte Fresko auf sechs allegorische Übel beschränkt: Gewalttätigkeit (Krieg), Räuberei, Neid, Hunger, Unwetter und Pest. Auch die vom Unwetter ausgegossenen und auf die topografische Situation Zwiefaltens anspielenden „beiden zusammenlaufenden Flüsse“ (Wimsener Aach/Kesselaach), die „mit ihrem strohm zerschidene feld – und Baum fruchten wie auch holz – Drümmer Von Mühl – räder etc. etc. mit sich“ reißen, sind im realisierten Fresko nur schematisch wiedergegeben. In mehreren Schritten wurden für das allegorische Personal des Freskos die Stichvorlagen Johann Georg Hertels verarbeitet. So modifizierte bereits der

282 283 284 285

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Überlegungen bei HOSCH 1992, S. 86; HOSCH 1998, S. 54. Möglich ist, dass von Au nach Sigrists Entscheidung zum Ortswechsel mit der Freskierung der Orgelempore und der Kapellen betraut wurde. Vgl. Konzeptfragment VO I, um 1762. ORTLIEB/BERTHOLD 1978, S. 19. ORTLIEB/BERTHOLD 1978, S. 53. Die sieben Plagen: Ausschüttung von Geschwüren (1), Verwandlung des Meeres in Blut (2), Verwandlung der Quellen und Flüsse in Blut (3), Ausschüttung der alles verbrennenden Sonne (4), Ausschüttung der Finsternis über das Tierreich (5), Austrocknung des Euphrat (6), Ausschüttung von Blitz, Donner, Hagel und Erdbeben (7).

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071 Spirituale Christiani militis certamen / Militia est Vita Hominis Super Terram, 1610, Kupferstich, 30,0 x 39,8 cm, nach Marten de Vos, Stich von Hieronymus Wierix (HARMS/ SCHILLING 1985)

286 Vgl. HARMS/SCHILLING 1985, S. 360 f., I, 176; HARMS/KEMP 1987, S. 348 f., IV, 260. 287 KATALOG 1983 sowie WOHLFEIL 2000. 288 VETTER 1981.

schriftliche Entwurf die Kupfer des genannten Autors zur Allegorie des Krieges in eine das Unrecht repräsentierende Figur der Gewalttätigkeit um, die im Fresko „verschidene bücher, als das ius civile, canonici, publici, urbarius zertritt“.Von der als Invidia (Neid) geplanten Allegorie, die im ersten Entwurf gemäß der Stichvorlage von Marten de Vos ihr eigenes Herz „zernagen“ sollte, blieb in den Korrekturen nur der ihr attributiv zugeordnete Hund übrig, der im Fresko neben der Räuberei (Basilisk) als Feuer speiender Begleiter der Gewalttätigkeit auftritt. Man darf davon ausgehen, dass die während und nach dem Dreißigjährigen Krieg in Umlauf gebrachten Flugblätter mit Stichen zu allegorischen Kriegsdarstellungen dem Maler in späteren Varianten vertraut waren und die historischen Grundlagen für ausgearbeitete Kriegsschreckensallegorien lieferten. So boten etwa die berühmten Flugblätter Friedens-Freude. Krieges-Leid (1649) oder Abbildung des unbarmhertzigen, abschewlichen, grausam- und grewlichen Thiers (1630/48) oder auch das Blatt Spirituale Christiani militis certamen [Abb. 71] ein reiches Motivarsenal zur Adaption der drei allegorischen Hauptfiguren „Gewalt“ (Krieg), „Ketzerei“ und „Neid“.286 Auch die Flugblätter Bellum Symbolicum (um 1625) und Currus Belli (1633) differenzieren die Kriegsallegorie expressiv aus. Das letztgenannte Blatt von Hendrick Goltzius enthält eine Allegorisierung von Krieg, Gewalt, Grausamkeit, Raserei, Unterdrückung, Pest und Hunger, zeigt aber kompositionell wenig Verwandtschaft mit dem Zwiefalter Vorhallenfresko.287 Dennoch lässt sich festhalten, dass der Bildtyp des Jüngsten Gerichts (oben) sowie die Kriegsdarstellungen aus Flugblättern des Dreißigjährigen Krieges (unten) das Motivarsenal des Vorhallenfreskos darstellen. Ewald W.Vetter hat die chronikalischen Ereignisse, welche die Allegorien Gewalttätigkeit, Räuberei, Unwetter, Pest und Hunger repräsentieren, nachgewiesen.288 Die Allegorie des Hungers könnte inhaltlich unmittelbar auf die Zwie-

4 Vorhalle: Devotio Fundatorum et Benefactorum nostrorum ...,

falter Chroniken zurückgegriffen haben, denn für die Jahre 1098/99 erwähnt der Chronist Ortlieb eine große Hungersnot. In deren Folge brachte „eine vom Hunger gepeinigte arme Frau mit einem giftigen Kraute [...] ihr eigenes Kind ums Leben, um die Not des Hungers leichter tragen zu können“.289 Dieses Ereignis ging als kannibalischer Akt einer Mutter an ihrem Kind in die lokale Legendenbildung ein, und ihr folgend wandelte Franz Sigrist Hertels Stichvorlage der Allegorie des Hungers dahin gehend ab, dass er eine hungernde Mutter an ihrem Kleinen nagen ließ, während dieses sich noch mit einem anderen Kind um einen Knochen streitet. Tatsächlich rekurriert das zentrale Deckenbild der Vorhalle wie kein anderes Fresko der Zwiefalter Ausstattung unmittelbar auf lokale Zusammenhänge. Man könnte in diesem Sinne von einem chronikalischen Bild sprechen, das auf dem Wege der Allegorisierung der historischen Ereignisse die Bedrohungen aufführt und als historisch nicht abgeschlossen interpretiert. Das Vorhallenfresko bezeugt ein klösterliches Besitzrecht, das im Laufe der Geschichte stets durch Krieg und drohende Fremdherrschaft gefährdet war, jedoch dank dem göttlich-marianischen Schutz überdauerte. So deuteten auch die Prediger der sechsten und siebten Säkularfeier die tragischen Ereignisse der Klostergeschichte als Bestätigungen des göttlichen Heilsplanes. Die politischen Implikationen des Vorhallenfreskos dürften auch dem Landesherrn Herzog Friedrich von Württemberg nicht entgangen sein, als er am 25. November 1802 im Zuge der Mediatisierung die vormals unabhängige Reichsabtei als „Fürst von Zwiefalten“ in Besitz nahm.290 Auf der Motivebene ist ausschlaggebend, dass sich das Vorhallenfresko an situative Adressaten richtete, insbesondere an solche, welche versuchten, der Besitztümer des Klosters habhaft zu werden, oder an lokale Besucher, die mit den historischen und legendenhaften Ereignissen Zwiefaltens vertraut waren. In diesem Zusammenhang entsteht die Frage nach dem narrativen Verhältnis der Seitenfelder zum Mittelbild, greifen jene doch mit den vom schriftlichen Konzept nicht überlieferten Motiven „Enthauptung der Königin Athalia“ (2 Kön 11,1–20; 2 Chr 23,1–17) und „Bestrafung des Tempelschatzräubers Heliodor“ (2 Makk 3,1–40) auf ganz andere Textvorlagen zurück. In beiden Fällen handelt es sich um weitgehend unbekannte Bildthemen.Während für das Athaliamotiv, abgesehen von Gerard Hoets Illustration aus den Figures de la Bible (1728), keine Bildtradition bekannt ist, das Motiv aber vielleicht den theaterliebenden Äbten Beda Sommerberger, Benedikt Mauz und Nikolaus Schmidler über Jean Racines Dramatisierung des Stoffes (1691) geläufig gewesen sein könnte, dürfte die Bestrafung Heliodors auf Raffaels gleichnamiges Fresko (1511) für die Stanza dell’Eliodoro zurückgehen. 1716 führte Benedikt Albrecht dasselbe Thema für die Sakristeidecke des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstifts Au am Inn aus.291 Im Jahre 1757, also kurz vor der Ausführung des Zwiefalter Vorhallenfreskos, brachten es die Brüder Franz Anton und Johann Jakob Zeiller in einer Kartusche des Ottobeurer Chorraumes an.292 Allerdings weichen auch die Seitenfelder der Vorhallenfresken in einem wesentlichen Punkt – nämlich ihrem Ortsbezug – von ihren Vorläufern ab. Denn die Athalia- wie auch die Heliodorthematik kreist um das Thema einer göttli-

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289 ORTLIEB/BERTHOLD 1978, S. 217, 219. 290 Vgl. hierzu in jüngerer Zeit: BETZ-WISCHNATH/PRETSCH 2001, S. 54 f.; QUARTHAL 1990, S. 430. 291 Vgl. CORPUS 2002, Bd. 8: BÜTTNER/ RUPPRECHT, S. 55–57. 292 ATSCHE 1970, S. 297, 302–325; DISCHINGER 2011, S. 188, Einträge für das Jahr 1757.

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2 Makk 3,24–30. 2 Chr 23,14. BOLLNOW 2004, S. 158. Regula Benedicti 4,44–47. Wir erinnern uns daran, weil unmittelbar vor dem Eintreten, über der Portalfigur des hl. Benedikt, Kapitel 52 der Ordensregel auszugsweise zu lesen war: „Oratorium hoc sit, quod dicitur “. – Das Oratorium soll sein, was sein Name besagt [und nichts anderes soll dort getan oder aufbewahrt werden]. Regula Benedicti 52,1, zitiert nach HOLZHERR 2005, S. 96, im Folgenden zitiert als HOLZHERR 2005.

chen Strafe infolge einer Verletzung oder Schändung des Tempelrechts, das heißt seines unrechtmäßigen Betretens. Ausdrücklich wird in beiden alttestamentlichen Textvorlagen die Heiligung des Tempels hervorgehoben; auch dadurch, dass die Bestrafung der Ungerechten vor dem und nicht im Heiligtum vollstreckt wird. So heißt es mit Bezug auf Heliodor: „Schon stand er mit der Leibwache an der Schatzkammer. Da ließ der Herr der Geister und aller Macht eine gewaltige Erscheinung sichtbar werden. Denn es erschien ihnen ein Pferd mit einem schrecklichen Reiter darauf. [...] nun trug man ihn hilflos hinaus. [...] Die Juden aber priesen den Herrn, der an seinem Ort so herrlich seine Macht gezeigt hatte.“293 Und die analoge Athaliaszene: „Doch der Priester Jojada befahl den Hundertschafsführern, die das Kommando über die Truppen hatten: Führt sie durch die Reihen hinaus, und jeder, der ihr folgen will, soll mit dem Schwert niedergeschlagen werden. Er sagte: Tötet sie nicht im Haus des Herrn!“294 Somit kreuzen sich im architektonischen Ort der Vorhalle biblischer Handlungsraum (Tempeleingang) und persönlicher Wahrnehmungsraum (Eintritt) und ziehen das Motiv des marianischen Schutzes, wie es das Mittelfresko formuliert, in diese Überschneidung gleichsam mit hinein. In allen drei Fresken wird die Vorhalle motivisch als ein Schwellenraum interpretiert, der Außen und Innen, den profanen und den sakralen Raum voneinander scheidet. Otto Friedrich Bollnow hat im Anschluss an Gerardus van der Leeuw und Mircea Eliade auf die allgemeine Bedeutung der Schwelle für den Wechsel vom Außen- zum Innenraum hingewiesen. In ihrem Kern geht diese Schwelle auf die Tempelschwelle zurück. Nicht zuletzt ist die Schwelle als „Durchgangsort zu einem neuen Leben“ kultisch ­codiert und gelegentlich von „Hütern“ begleitet.295 In diesem Sinne lassen sich die Vorhallenfresken und ihr dargestelltes Figurenpersonal als solche apotropäischen „Hüter“ verstehen. Als Schwellenraum ist die Vorhalle durch eine doppelgestaltige Funktion gekennzeichnet, welche ebenso auf die Abwehr des unrechtmäßig wie auf den Einbezug des rechtmäßig Eintretenden abzielt. Der Eintretende trifft auf eine besondere Form des körperlichen movere: Er ist eingeladen, unter jenen abschreckenden Bildern zu passieren, sie sich sinnlich anzueignen und vor dem inneren Auge zu neuem Leben zu erwecken: „Den Tag des Gerichts fürchten.Vor der Hölle zittern“, so lautet eine Forderung der Regula Benedicti: „Mit der ganzen Sehnsucht des Geistes nach dem ewigen Leben verlangen. Sich täglich wachsam den Tod vor Augen halten.“296 Und Bernhard von Clairvaux, jenen Gedanken ausmalend: „Betrachten wir [...] die Wege der Dämonen. Betrachten wir sie und hüten wir uns vor ihnen; betrachten wir sie und fliehen wir sie!“ Wir können Bernhards weitere Ausführungen im Sermo in Psalmum „Qui habitat“ (Psalm 90) einerseits zur Deutung des Personals im Vorhallenfresko heranziehen, andererseits aber auch als Aufruf zu einer multisensorischen Vergegenwärtigung der in der Vorhalle gezeigten allegorischen Übel lesen: „Die Natter aber wäre nicht so völlig taub, wenn sie nicht auch noch mit ihrem Schweif das Ohr verstopfte. Was aber ist dieser Schweif? Das Ziel des menschlichen Strebens. Das ist die heillose Taubheit. [...] Der Basilisk aber trägt sein Gift, wie man sagt, im Auge. [...] Willst du das giftige Auge, das verderbliche Auge, das verhexende Auge kennen? Denk an den Neid! Was

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bedeutet denn Neiden (invidere) anderes als Böses Sehen (malum videre)?“297 Hier liegt der allgemeine Appell an den eintretenden Besucher, der aufgefordert ist, Neid, Gewalt und Habsucht mit dem Eintritt in den Kirchenraum abzulegen.

4.2 Attentum parare Von der Bewegung des Eintretens ausgehend, spielt die Vorhalle die Rolle eines vorbereitenden Präludiums. Es geht darum, Aufmerksamkeit zu schaffen. Die antike Rhetorik kennt für den Eintritt in die Rede die Begriffe exordium und principium. Quintilian in seiner Institutio oratoria wählte für Principium das griechische Wort prooemium, weil es ihm den präludierenden Charakter des gestalteten Redebeginns am besten auszudrücken schien.298 Die Erläuterungen der Rhetoriklehren zu Exordium und Proömium stimmen weitgehend überein. Schon Aristoteles sah die wichtigste Funktion des Proömiums in seiner hinweisenden Funktion auf das Nachfolgende durch Erregung von Aufmerksamkeit. Die Mittel hierzu schienen ihm Lob,Tadel, Zuraten, Abraten und Appell, wobei er appellativen Formulierungen die höchste Bedeutung zuschrieb: „Daher soll man überall, wo sich eine günstige Gelegenheit ergibt, etwa wie folgt sprechen: ‚Passt mir gut auf, keineswegs bin ich mehr als ihr davon betroffen!‘, ‚Ich werde euch etwas so Entsetzliches, wie ihr es noch niemals gehört habt, mitteilen‘ oder ‚Etwas so Wunderbares!‘“299 Hierin besteht die Grundabsicht des Proömiums:300 den Hörer auf das Kommende auszurichten, Aufmerksamkeit zu schaffen und damit eine geeignete innere Verfassung zu erzeugen, die mit Spannung und höchster Anteilnahme das Kommende erwartet. Auch die Barockpredigt legte größten Wert auf eine sorgfältige Ausarbeitung des Proömiums, das den Hörer geneigt (benevolens), aufmerksam (attentus) und verständig (docilis) stimmen sollte.301 Diese Absichten des Proömiums liegen ganz in der antiken Tradition. Aristoteles sah ebenso wie der anonyme Autor ad Herennium die Steigerung der Aufmerksamkeit durch die Ankündigung von etwas Neuartigem garantiert. „Wohlwollend“ lasse sich der Hörer dadurch stimmen, dass die Rede entweder beim Redner selbst, bei der Gegenpartei, bei den Zuhörern oder der zu schildernden Tatsache ihren Anfang nehme.302 Der Barockprediger Abraham a Sancta Clara wählte für die Proömien seiner Predigten die stilistischen Grundmuster der Frage, der Steigerung, des Vergleichs und des Gegensatzes, häufig als kontrastreiche Gegenüberstellung profaner bzw. säkularer und heilsgeschichtlicher Aspekte.303 War es den Predigern des 17. und 18. Jahrhunderts vor allem darum zu tun, sich der Aufmerksamkeit ihrer Hörer zu versichern gemäß der Formel: „Ihr meine Zuhörer höret zu, aber aufmerksam“,304 so gestaltet die Zwiefalter Vorhalle den Exordialeffekt durch eine direkte Konfrontation mit den allegorischen Feinden des Klosters und der Drohung mit Gottes Gericht.305 Teilnahmsloses Ausweichen wird so unmöglich. Die in den Vorhallenfresken entfalteten Bild­ räume lenken die unmittelbare Körperbewegung um, bremsen den Besucher. Hierin drückt sich die Wirkungsabsicht der Vorhalle als ein architektonisches

297 BERNHARD 1996, S. 667. 298 QUINTILIAN 1995, IV 1, 1. Vgl. auch den ­Lexikonartikel von SCHÖPSDAU 1996. 299 ARISTOTELES 1999, Buch III, 1414b, 14, S. 185. 300 Da sich auch für unseren Fall zur Betonung des Auftaktcharakters der Vorhalle die griechische Form am besten eignet, werden im Folgenden die lateinischen Varianten principium und exordium nicht mehr zitiert. Sie sind trotzdem mitzudenken, da die Barockprediger in der Regel von Exordium sprachen. 301 Vgl. HERZOG 1991, S. 227. 302 Ad HERENNIUM 1994, I, 7, S. 15. 303 Vgl. EYBL 1992, S. 165. 304 Zitiert nach HERZOG 1991, S. 229. 305 Auch die Drohung mit Gottes Gericht gehörte zu den bewährten Kunstfiguren des Attentum parare der Barockprediger, vgl. PLETT 1975, S. 54, zu Edward Herberts De Religione Gentilium ... (Amsterdam 1663).

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Proömium aus, das auf das Weitere vorbereitet, indem es Körper und Sinne „aufschließt“.306 Wenn die Vorhalle hier mit einem rhetorischen Modell in Beziehung gebracht wurde, so deshalb, weil beide – Raum und Rede – auf eine situative Wirkung zielen. Die Vorhalle lenkt die Bewegung des Eintretenden auf gleiche Weise wie das Proömium die Aufmerksamkeit des Hörers. Allerdings genügt es wohl nicht, wie es die mit rhetorischen Modellen operierende Forschung tat (insbesondere Hecht), barocken Bildern rhetorische Begriffe zuzuweisen.Vielmehr gilt es, den Blick darauf zu richten, wie rhetorische Modelle in eine neuartige Bildsprache übersetzt wurden und auf eine spezifische, der Rhetorik verwandte Wirkungsabsicht zielen. Wir besitzen keine Quellen, die belegen könnten, dass sich der Autor des Zwiefalter Bildprogramms an homiletischen Entwurfsmodellen orientierte. Man darf dem Konzeptautor jedoch unterstellen, dass er sich über die generellen Unterschiede der Wirkungsweisen von Wörtern und Bildern durchaus im Klaren war. Die sukzessiv sich entwickelnde Rede beruht auf anderen persuasiven Voraussetzungen als die „Rhetorik des Raumes“, die stets auch die simultane Präsenz des Ganzen zu berücksichtigen hat.307 Um also aus der Rhetorik für unseren Zusammenhang etwas zu gewinnen, dürfen wir nicht neuen Wein in alte Schläuche füllen.Vielmehr bedarf es einer Übertragung rhetorischer Modelle in eine Raumsituation, die Bild und Architektur zusammendenkt.

4.3 Die Vorhalle als rhetorische Bau- und Ausstattungsaufgabe

306 Im Zusammenhang mit dem Exordium spricht die antike Rhetorik deshalb von attentum facere. Vgl. WESSEL 1992, Sp. 1161–1163, über die Figuren Attentum parare/Attentum facere im Proömium. 307 Vgl. im Gegensatz hierzu: HUNDEMER 1997, S. 31–36, sowie BÜTTNER 1989 und die kritischen Überlegungen zum Verhältnis zwischen Rhetorik und barocken Bildtraktaten bei HECHT 1997, S. 204–215. 308 Vgl. sehr notizartig hierzu: WEBER 2003, S. 44. 309 Vgl. zu den Fresken im Kloster Rheinau mit beiläufiger Erwähnung der Vorhalle: KELLER-SCHWEIZER 1997, S. 120.

Im nordalpinen spätbarocken Sakralraum, der seinem architektonischen Schema nach die Zentralisierung des Baus anstrebt, bilden repräsentative Vorhallenanlagen die Ausnahme. Die seitens der Forschung vergleichsweise geringe Beachtung dieses Baukörpers schlägt sich in zahlreichen Kirchenführern nieder, welche die Vorhallen bestenfalls mit einem Satz abhandeln. Als rhetorische „Zurichtungen“ konnten Vorhallenarchitekturen aber höchst erfindungsreich ausfallen.Wo sie realisiert wurden, waren sie häufig auf den Ankommenden hin kalkuliert, riefen ihn zu tugendhaftem Verhalten auf oder mahnten ihn zur Gewissensprüfung. Gemäß dieser Absicht wurden bei der Freskierung von Vorhallen vielfach biblische oder allegorische Motivgruppen gewählt, die dem sünd- bzw. tugendmäßigen Allegorienkatalog entstammten. So etwa in der Klosterkirche Benediktbeuern, wo Georg Asam (um 1684) nach Vorlagen von Peter Paul Rubens die christlichen Kardinaltugenden Glaube, Liebe, Hoffnung an die Decke des Haupteingangs brachte.308 Vielfach orientierte sich die Motivwahl von Vorhallenfresken dabei am Bildarsenal barocker Beichtstühle. Darstellungen Petri und Magdalenas als Büßende (etwa in der Vorhalle der Klosterkirche Rheinau von Francesco Antonio Giorgioli, 1708/09) verweisen auf die liturgische Funktion der Vorhalle, den Eintretenden zum Beichtbekenntnis hinzuführen.309 Spätbarocke Vorhallenfresken wie die von Zwiefalten unterfüttern ihre Sujets durch Bewegungs- und Handlungsmotive, stellen ihre Akteure auf Raumschwellen und richten die Bildanlage auf die situative Körpererfahrung des eintretenden

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Besuchers aus. Im Zwiefalter Pendant Ottobeuren empfehlen die drei zeitgleich zu Zwiefalten entstandenen Vorhallenfresken mit den Motiven Tempelreinigung (Mt 21,12–17), Opfer der Witwe (Mk 12,41–44) und Gleichnis des Tempelbesuchs von Zöllner und Pharisäer (Lk 18,9–14) die demütige und freigiebige Haltung beim Eintritt in den Kirchenraum.310 Das letztgenannte Motiv ist im Beichtstuhlrelief des Ostchores von Ottobeuren wiederholt und liturgisch motiviert: Der vom Tridentinum festgeschriebene Dreischritt der Beichte aus Reue (contritio), Bekenntnis (confessio) und Genugtuung (satisfactio) wird in Ottobeuren auf eine Raumerfahrung bezogen, welche die Bewegung des Innehaltens in der Vorhalle an den Akt der Reue koppelt und zum Bußbekenntnis führt.311 In der Benediktinerklosterkirche Muri, wo die Vorhalle ab 1696 zu einer umfangreichen Beichtkirche mit einem Doppel- und zwei einfachen Beichtstühlen ausgebaut wurde, rufen „Christus und die Ehebrecherin“ und „Die Rückkehr des verlorenen Sohnes“ den Eintretenden motivisch zu Buße und Umkehr auf.312 Wie in Muri, Weltenburg, Rott am Inn und St. Johann Nepomuk (München) wurden aufwendige Beichtstühle deshalb gelegentlich schon in oder (wie in Zwiefalten) unmittelbar hinter der Vorhalle platziert. Die Verknüpfung von Vorhalle und Beichtstuhl macht deutlich, dass sich die rhetorische Forderung des Innehaltens (attentus) entlang weitgespannter Bildprogramme von Tugend und Sünde entwickelte, an die sich idealerweise das Bekenntnis im Beichtstuhl anschließen sollte. In diesem Zusammenhang scheint wichtig, dass die im Proömium „Vorhalle“ formulierte Forderung der Aufmerksamkeit aller Sinne eine umfangreiche Gewissensprüfung mit einschloss. Bereits Aristoteles stellte die rhetorische Erregung von Affekten auf die Grundlage einer Körpergebundenheit, die sich an die Handlungspotenziale des Körpers richtete.313 Die im Vergleich zum Langhaus meist niedrigeren Decken der Vorhallen boten sich für die enge Bindung von Bild und Körper an. Die Akteure in ihren Fresken insistieren häufig auf distanzlosen Blickbeziehungen, die den Bewegungen des Eintretenden „nachblicken“. Das für sich genommen banale Motiv des „nachblickenden“ Pferdes in der Vorhalle von Zwiefalten beruht auf einer suggestiven Fixierung des Blicks, dem sich nur derjenige ganz zu entziehen vermag, der den Raum verlässt [Abb. 66]. Die insistenten, auf die Bewegungs- und Handlungspotenziale des lebendigen Körpers zielenden Blicke unterstützen in einigen Vorhallenfresken hochgradig affektive Gesten. Über den Köpfen ihrer Betrachter agierend, konfrontieren sie ihn mit zurückweisenden Gebärden, mit Bewegungen des Innehaltens, Ausweichens und Nachblickens. Wie in der erwähnten Tempelreinigung der Ottobeurer Vorhalle [Abb. 72] folgen sie dabei einer persuasiven Verschränkung von Blick, Gestik und Rede (Stimme), wie sie die antike Rhetorik in der Verbindung von Actio und Pronuntiatio kennt. Quintilian stellte die rhetorische Kraft der Gebärde (als „eine Art von Bewegung“) bisweilen sogar über die Macht des Wortes und verglich sie mit einem „schweigenden“ Bild, dessen Gebärden in unsere innersten Gefühle einzudringen vermögen.314 Wie eng der Besucher in diese körperliche Rede eingebunden werden sollte, zeigt die in St. Johann Nepomuk (München) unmittelbar auf die Vorhalle fol-

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310 Das mittlere Vorhallenfresko von Ottobeuren trägt die Signatur: „J. Jacob Zeiller/ S. C. M./ Academ. Pict:/ inven: et fecit 1763“, vgl. DISCHINGER 2011, S. 202. 311 Vgl. das Sitzungsprotokoll des Trienter Konzils zum Bußsakrament vom 25. November 1551: WOHLMUTH 2002, S. 703–710. 312 Vgl. zur Vorhalle/Beichtkirche von Muri und zu ihren 1696/97 von Francesco Antonio Giorgioli freskierten Decken und den 1746/49 von Hans Jost Müller geschnitzten Beichtstühlen GERMANN 1967, S. 256, 258, 262 f. 313 Hierzu jüngst: RAPP 2002, S. 12, 19. 314 QUINTILIAN 1995, S. 635 [XI 3, 67]. In Kap. XI 3 gibt Quintilian detaillierte Anweisungen zum Gebrauch von Stimme (vox) und Gebärde (gestus), die selbst die Stellung der Augenlider und Finger umfassen. Vgl. hierzu auch: MAIER-EICHHORN 1989, bes. S. 29 ff.

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072 Johann Jacob Zeiller: Tempelreinigung, 1763, Deckenfresko, Vorhalle Kloster Ottobeuren (NvdM)

073 Michael Kessler: Allegorie des Krieges, 1675/80, Medaillon aus dem Tugend/ Laster-Medaillonzyklus des Festsaales von Benediktbeuern (WEBER 1996)

315 Die Brüder Asam weihten ihre Hauskirche 1746 dem kurz zuvor (1729) heiliggesprochenen Beichtvater Johann Nepomuk. Vgl. RUPPRECHT 1980, S. 200–211. 316 RUPPRECHT 1980.

gende Gruppenplastik auf einem Beichtstuhl (um 1735) Egid Quirin Asams.315 Der im Sarg sich aufrichtende Sünder nimmt mit der Linken die warnende Geste des hl. Bruno auf, um mit der Rechten den eintretenden Besucher auf das Erfordernis des Schuldbekenntnisses im Beichtstuhl hinzuweisen.316 Was in der Asamkirche gestaltet wurde, beruht auf einer Dreiecksbeziehung, die dem plastischen Figurenpaar in dem Maße Präsenz verleiht, wie sie das Handlungsund Bewegungsverhalten des lebendigen Körpers, des Besuchers, augenblicklich aktiviert und lenkt.

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Das theologische Handlungsgerüst zur Einbindung in eine körpergebundene „Anwendung der Sinne“ (applicatio sensuum), bei der die inneren Vorstellungen von Tugenden und Lastern in einen selbstreflexiven Bekenntnisakt überführt werden sollten, stellten die ignatianischen Exerzitien bereit. So schickte Ignatius seiner vierwöchigen Gebetspraxis eine Negativspiegelung der Tugenden einleitend voraus: „... mit der Sicht der Vorstellungskraft die Länge, Breite und Tiefe der Hölle ... sehen [...] die großen Gluten sehen und die Seelen wie in feurigen Leibern. [...] Mit den Ohren Gejammer, Geheul, Schreie, Lästerungen gegen Christus, unseren Herrn, und gegen alle seine Heiligen hören. [...] Mit dem Geruch Rauch, Schwefel, Auswurf und Faulendes riechen. [...] Mit dem Geschmack Bitteres schmecken, etwa Tränen, Traurigkeit und den Wurm des Gewissens. [...] Mit dem Tastsinn berühren, nämlich wie die Gluten die Seelen berühren und verbrennen.“317 Wie Barbara Bauer-Mahlmann zeigte, orientierte sich im 17. Jahrhundert die „multimediale“ Schauspieltheorie der Jesuiten, etwa Franciscus Langs (1654–1725), inhaltlich wie formal an der ignatianischen Gebetspraxis. Langs Theaterstücke und Schauspiellehren zielten darauf, die „Sitten und Affekte“ schauspielerisch nachzuahmen, „damit die Zuschauer bei ihrem Anblick sich selbst erkennen, sich von den Lastern abkehren und ihr Leben ganz nach der Richtschnur der Anständigkeit und Tugend gestalten und auf das Endziel, nämlich auf die ewige Seligkeit, ausrichten [...]“.318 Nach diesem Durchgang lässt sich besser verstehen, weshalb die Vorhallenfresken von Zwiefalten die potenzielle Gefährdung der Klostergründung und die damit einhergehende Missachtung des „Tempelrechts“ an den Anfang des Raumeintritts stellen und mit einer Gewissensprüfung verbinden.319 Im Fall einer wissentlichen Entweihung des göttlichen Tempels forderte schon das Trienter Konzil nach der Beichte besondere Formen der Genugtuung.320 Die in der Vorhalle von Zwiefalten gezeigten Laster und Schrecken wie Neid, Gewalttätigkeit (Zorn), Räuberei, Pest und Armut (Hunger) sollten sich im Körperverhalten jedes Eintretenden in ein tugendhaftes Benehmen umkehren. Während an der Decke des Festsaals von Benediktbeuern die Gegenüberstellung von Tugenden (Demut, Friedfertigkeit bzw. Wohlstand), Schicksalen (Armut bzw. Hunger vs. Reichtum) und Sünden (Stolz, Neid, Streit bzw. Krieg) noch als motivisch-distanzierter Medaillonzyklus umgesetzt wurde [Abb. 73], beziehen die Vorhallenfresken von Zwiefalten Schicksal und Sünde unmittelbar auf das Bewegungsverhalten des eintretenden Besuchers.321 Ihre positive Ergänzung erfahren sie später in den vier Tugenddarstellungen des Langhauses, die als Cultus Mariani/4 Proprietates die Tugend- und Fünf-Sinne-Thematik vereinen.322 Die Bedeutung jener Tugenden für Gründung und Fortbestehen des Klosters brachten die Predigten anlässlich der Sechs- und Siebenhundertjahrfeier Zwiefaltens wiederholt zum Ausdruck. So führte der Kapitular des Reichsstifts Ochsenhausen, Joseph Kugler, den Erfolg der Klostergründung auf die Beachtung der Tugenden zurück und bediente sich im gleichen Zuge eines Vokabulars, das deren sinnliche Aneignungsweise hervorhob: „Zum ewigen Nachruhm gereichet es den seligen Stiftern Kuno und Luithold, dass ihre milde Stiftung bis heute schönstens blühet; dass jene Tugendblume, die sie hier pflanzten, weder an Farbe,

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317 IGNATIUS 1998, S. 134. Vgl. Hierzu auch MARXER 1963, S. 42, 48–79, und SUDBRACK 1990, S. 101: „Ignatius berührt mit den kargen Worten eine anthropologische Wahrheit, die vielleicht erst heute recht gewürdigt werden kann: Je ganzheitlicher der Mensch ‚erfährt‘, um so tiefer ist die Erfahrung und um so wirksamer ist sie. In erstaunlicher Modernität hat Ignatius die neuplatonische Theologie der Leib-Seele-Trennung und damit eine Mystik jenseits der Leiblichkeit überwunden.“ 318 Zitiert nach BAUER 1994, S. 232. Vgl. zu Franciscus Lang zuletzt: MEYER 2002, S. 155–171. 319 Die Gewährung von Gnade bei der Begehung von Todsünden wurde durch das Trienter Konzil an die Buße als Teil der kirchlichen Gerichtsbarkeit gekoppelt. Der Bezug zu den Vorhallenfresken wird durch die vom Konzil genannten Sünder (u. a. Räuber [rapaces], Habgierige [avari], Diebe [fures]) deutlich. Vgl. WOHLMUTH 2002, S. 677. Inwieweit der historische Kontext der Vorhallenfresken, wie die Auflösung zahlreicher Klöster bis hin zur Spaltung (1782) der Benediktinerkongregation vom Hl. Joseph (in der Zwiefalten eine tragende Rolle spielte) durch Kaiser Joseph II., beim Programm eine Rolle spielt, ist unklar. Vgl. QUARTHAL 1999. Indirekt könnte er auf den Entwurf Einfluss genommen haben, worauf etwa die besondere Erwähnung des hl. Joseph (als Patron der Kongregation) in den Konzeptfragmenten VO Ib (um 1762/63) hinweisen könnte. Der indirekte Aufruf der Tugenden in der Vorhalle besitzt seine säkulare Parallele in den Tugendallusionen (vor allem Gerechtigkeit, Stärke und Klugheit) beim Einzug des Herrschers. Sie sollten den Herrscher nicht nur an seine herausragenden Eigenschaften, sondern auch an seine rechtlichen und moralischen Pflichten erinnern. Vgl. hierzu: SPAGNOLO-STIFF 1996, S. 125 f. 320 WOHLMUTH 2002, S. 708, „Notwendigkeit und Frucht der Genugtuung (De satisfactionis necessitate et fructu)“. 321 Die Medaillons in Benediktbeuern wurden um 1675/80 von Michael Kessler gemalt. In Benediktbeuern wie in Zwiefalten handelt es sich wohl darum, Tugend, Schicksal und Sünde als Wechselspiel von Welt- und Heilsgeschichte zu veranschaulichen. So wies Leo Weber für Benediktbeuern die Verarbeitung des Circulus vicissitudinis rerum humanarum nach den emblematischen Zeichnungen und Stichen von Marten de Vos, Philips Galle und Carol de Mallery nach. Vgl. WEBER 1996, S. 34–49.

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noch Geruch, jemal ab- wohl aber merklich zugenommen. Ein großer Trost für sie auf Erden, dass sie an ihren Stiftkindern dankbare Herzen finden [...] und ihre Dankbarkeit an dem Altare durch das unblutige Opfer, und in dem Chore durch beständiges Lob Gottes täglich verdoppeln.“323 Drei Tage zuvor hatte bereits Edmund Brauchle, Kapitular des Prämonstratenserklosters Obermarchtal, gefragt: „Welcher war wohl von ieher der Zweck derienigen, die ihr Leben in dieser klösterlichen Einsamkeit fortzuführen, und zu vollenden entschlossen waren? Gewiß kein anderer, als die Selbstheilung, und das beständige Wachstum in der Liebe Gottes; kein anderer, als sich im Geist immer mehr zu erneuern, immer häufiger gute Werke zu sammeln, sich durch Werke der Buße zu reinigen, und also vor den Augen des Herrn zum angenehmen, und wohlgefälligen Volke zu bilden.“324 Sich in den Dienst der Klostergründung zu stellen und das eigene Gewissen nach dieser Richtung hin zu prüfen – dies wurde mit den Vorhallenfresken appellativ an den Anfang des Eintritts gestellt. Damit ist die Körperbewegung in Richtung einer Handlungspraxis gelenkt, für die Zwiefalten höchst aufwendige Beichtstühle bereitstellte. Diese werden uns im übernächsten Kapitel beschäftigen.

322 Die Konzeption der marianischen Tugenden im Langhaus könnte beim Entwurf des Deckenprogramms mit der Vergegenwärtigung der Laster in der Vorhalle in Beziehung gestanden haben. So sollte laut den Konzeptfragmenten das Gesicht der Ketzerei in der Vorhalle „mit einer schönen larven“ versehen werden und sollte sie auf ihrem Haupt einen „Pfauen-Schweif“ tragen; auch sollte die Figur des „Neids“ „mit einer Brillen auf der Nassen“ versehen sein. Nicht sämtliche Attribute wurden in den Vorhallenfresken umgesetzt, sie tauchen stattdessen in den von Franz Joseph Spiegler bereits zuvor gemalten „Antitypen“ der „4 Proprietates“ im Langhaus auf. 323 JUBELFEIER 1789, S. 66. 324 JUBELFEIER 1789, S. 12.

5 Architektonische Bildlichkeit und gefalteter Raum

Betrachtet man Architektur allgemein als eine Form des Schließens oder „Einrichtens“ von Räumen, so liegt der eine ihrer Pole bei der Ausschaltung räumlicher Außenbezüge. Das von Dädalus auf Knossos erbaute mythische Labyrinth, die ägyptische Pyramide oder der Kerker sind Architekturbeispiele für eine maximale Schließung des Raumes. Wie nur wenige Bauformen diese radikale Schließung anstreben, so ist auch die schrankenlose Öffnung des Raumes als Bauform nur theoretisch denkbar. Kein Bau vermag sich vollständig gegenüber dem Außenraum zu öffnen, denn jeglicher Materialeinsatz markiert bereits eine Differenz zwischen innen und außen, beruht auf einem Wechselspiel von Öffnen und Schließen. Als Architektur ist der entgrenzte Raum ein Paradox. Philip Johnson unternahm mit seinem Glass-House (1949) den Versuch einer maximalen Öffnung und musste sich dafür den Vorwurf gefallen lassen, seine Architektur sei eine, welcher der Atem ausgegangen sei.325 Die seit den 1970er-Jahren realisierten Glas- und Spiegelpavillons von Dan Graham, nicht zufällig unter anderem vom Rokokopavillon inspiriert, erkunden die beschriebenen Pole des Öffnens und Schließens, des Außen- und des Selbstbezugs mit den Mitteln skulpturaler Raumkonstruktionen.326 Wo in diesen Pavillons innen und außen ist, bleibt aufgrund ihrer angestrebten Synthese eine offene Frage. Das oben [vgl. Kap. 4, auch Kap. 1.4 und Kap. 1.6] geschilderte Phänomen der Bewegungslenkung durch Bilder steht mit einem spezifischen Konzept von „architektonischer Bildlichkeit“327 in Verbindung, welches in Zwiefalten einer bestimmten Beziehung von Bild und Architektur folgt. Diese Beziehung von Bild und Architektur reagiert auf die architektonische Geste des Öffnens oder Schließens mit einer imaginären Faltung des Raumes. Zwischen dem Raum der Darstellung (Architektur) und dem dargestellten Raum (Bild) entwickelt sich ein produktiver Antagonismus. Deshalb lautet hier die Frage, wie dieser Antagonismus genau beschaffen ist, dass er die leibliche Eigenbewegung aktiviert. Die Barockforschung war sich seit der oben [Kap. 3] schon diskutierten Einführung der Begriffe des „Malerischen“, des „Raumbildes“ und später auch des „Gesamtkunstwerkes“ [vgl. unten, Kap. 8.6] darüber einig, dass eine ästhetische Pointe insbesondere des Spät- bzw. „Stuck-“ oder „Fresken“-Barocks in einem besonderen und historisch einmaligen Verhältnis von Bild und Architektur liege. Zugleich wurde betont, dass aus einem architekturgeschichtlichen Blickwin-

325 VENTURI [1966] 2003, S. 27. 326 GRAHAM 1994, S. 156–158. 327 Allgemein hierzu BEYER/BURIONI/GRAVE 2011, vor allem in Bezug auf den Bild- und Erscheinungscharakter von Architektur.

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328 ENGELBERG 2008a, S. 243. 329 HALDER 1990, S. 225–228.

kel zwischen Barock und Rokoko weniger eine „Zäsur“ als eine „Kontinuität“ bestehe, da eine spezifische „Rokokoarchitektur“ zumindest mit Blick auf den Sakralraum eine Ausnahmeerscheinung darstelle. Was ein neues, interaktives Verhältnis von Bild, Rahmen und Architektur hervorgebracht habe, sei keine neue Bauform, sondern eine auf die Ausstattungsästhetik zurückzuführende Aufwertung der Raumhülle gewesen: „Diese Aufwertung der Raumhülle erklärt zugleich auch, weshalb das tragende Gerüst, die Raumform selbst, keiner fundamentalen Neudefinition bedurfte, da sich dieses gestalterische Ideal ebenso gut in einem rechteckigen Saal (Birnau), einer Wandpfeilerkirche (Zwiefalten), einem Zentralraum (Rott am Inn) oder einer hochkomplexen Raumstruktur (Vierzehnheiligen) verwirklichen ließ.“328 Man kann diese Ansicht in einem rein formalen Sinne zwar teilen, allerdings stellt sich die Frage, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Für Zwiefalten lautet unsere These, dass hier Architektur (im tradierten Sinne das eigentliche „Werk“) und Bild (im tradierten Sinne das dekorative „Beiwerk“) zu zwei gleichwertigen Gegenspielern wurden. Zwar bleiben das Wissen und die Erfahrung um die statischen Grundgesetze der Architektur dem Besucher präsent, jedoch werden die Bild- und Ornamentsysteme nun so eingesetzt, dass sie die von der Wandpfeilerarchitektur Fischers vorgegebenen statischen Gesetze in einem substanziellen Sinne umdeuten. Nicht permanent und nicht ausschließlich, aber in einem rhythmischen Wechsel, der die Gesetze von Tragen/Lasten und der statischen Raumgrenze nur aus dem Grunde wiederherstellt, um sie erneut aus den Angeln hebeln zu können. Aus einer Wahrnehmungsperspektive und aus der Sicht des Bewegungsverhaltens im Raum lässt sich sagen, dass die Bauform „Wandpfeilerkirche“ unter spätbarocken Bedingungen nicht mehr dieselbe ist, die sie vor der Einführung von Stuck und Fresken war. Und dass es diese Bedingungen des ästhetischen Eingreifens von Ornament und Bild in die Architektur sind, welche mit Gebäuden wie der Wieskirche, Einsiedeln oder Neresheim auch zu neuen Baulösungen führten. Die hier formulierte These soll in den folgenden Abschnitten als Kompass für die nachfolgende Frage dienen, auf welche Weise Architektur durch den Einsatz von Bildern und Ornamenten umgedeutet wird und welche Form von Bewegungslenkung diese Umdeutung bewirkt. Ausgangspunkt unserer Beobachtungen ist wiederum die Zwiefalter Vorhalle und ihre Freskenausstattung – auch deshalb, weil gerade diese Vorhalle keinesfalls als meisterhafte Baulösung angesehen wurde.329 Architektonische Bildlichkeit in einem produktiven Sinne bemisst sich nicht notwendig am künstlerischen Rang der gelösten Bauaufgabe. Sie mag dadurch begünstigt werden, scheint aber insgesamt eher bei einer Affinität des spätbarocken Raumes zueinen spezifischen Einsatz von Bildern und Ornamenten zu liegen. Die Bilder an der Decke erkennen die Grenzen der Architektur nicht an, sie ignorieren sie aber auch nicht. Die Fresken der Vorhalle sind für ihren Ort geschaffen und unablöslich mit ihm verbunden. Trotzdem stehen sie in einem paradoxen Verhältnis zu ihrem Raum, weil sie den schnellen Gang in das Langhaus entschleunigen und die Vorhalle so als einen Ort der Vorbereitung auf das Kommende entfalten: Der Blick auf die Deckenbilder bremst die Bewegung des Eintretenden. Die Deckenbilder appel-

5 Architektonische Bildlichkeit und gefalteter Raum

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074 Johann Georg Bergmüller: Bestätigung der Klosterrechte durch Papst Innozenz II. Die Dießener Grafen präsentieren ein Bild mit der barocken Ansicht des Klosters. Detail aus dem Hauptfresko des ehem. Augustiner-Chorherrenstifts, Dießen am Ammersee, 1736 (NvdM)

lieren an die Aufmerksamkeit des Betrachters für das Nachfolgende. Insofern als die Fresken nun den Raum, für den sie gemacht sind, nach oben hin „ausfalten“ und den architektonischen Raum um historische Räume bzw. um einen heilsgeschichtlichen Raum erweitern, überspielen sie den eingrenzenden und schließenden Charakter der Vorhallenarchitektur. Selbst dort, wo sich der Bau selbst thematisiert, etwa in Johann Georg Bergmüllers Dießener Hauptfresko (1736) [Abb. 74], setzt eine historische Ausfaltung des aktuellen Raumes ein. Der Neubau präsentiert seine juristische Legitimation als geschichtlicher Raum.Weltgeschichte wandert hier nicht bloß als dargestellte Zeit in das Bild ein, sie wirkt auch auf das aktuelle Bewegungsverhalten im Raum zurück, lässt aufmerken und bremst die Gehbewegung. Auch mit Blick auf die Zwiefalter Vorhalle kann man resümieren: Die Fresken „öffnen“ die Raumhülle, entfalten sie mit Blick auf die bedrohlichen Katastrophen der Geschichte Zwiefaltens und die zukünftigen Hoffnungen, welche in die an sich geschlossene Raumhülle hineingeholt werden. Damit verbindet sich eine Wirkungsweise der Bilder, welche darauf beruht, dass sie die fließende Gehbewegung für einige Momente verzögert und anhält. Die Deckenbilder haben am aktuellen Bewegungsverhalten im Raum einen maßgeblichen Anteil.Während die Architekturelemente der Vorhalle (Portale, das Pfeilersystem und die Öffnung gegen das Langhaus) auf eine eher lineare, gerichtete Bewegung abzielen, lösen die Fresken ein Anhalten, Verweilen, vielleicht ein Kreisen im Vorraum aus und lenken den Blick nach oben. Der Blick gegen die gemalte Decke ist der Beginn eines Umlenkens der architektonischen Raumerfahrung. So schalten sich die Deckenbilder in die architektonische Raumerfahrung produktiv ein.Vielleicht kann man in diesem Zusammenhang von einer abgeleiteten Seh- und Körperbewegung sprechen, die nicht bild- oder raumbezogen ist, sondern aus einem inneren Wechselspiel von Raum und Bild hervorgeht, einem Wechselspiel, das in der Bewegung Bild und Raum aufeinander bezieht und als ein interaktives Geschehen begreift.

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330 331 332 333 334

Zwischen

DELEUZE 2000, S. 17. HARRIES 2004. HEIDEGGER [1951] 2004, S. 149. DELEUZE [1969] 1993, S. 203–210. BAUER 1962, S. 48, 50–52, und, den Gedanken der Bildwerdung des Ornaments aufnehmend: LOERS 1973, etwa S. 12 f.; HARRIES 1983, S. 21.

In spezifischer Weise verbinden sich hier verschiedene Zeitebenen – die des Bildes und die des Raumes – und scheinen im aktuellen Bewegungsverhalten untrennbar zu verschmelzen. Hieraus lässt sich schließen, dass der spätbarocke Sakralraum weniger im „Malerischen“, im „Gesamtkunstwerk“ oder im „Raumbild“ zusammenläuft als in einem aktuellen Bewegungsverhalten, das den „dargestellten Raum“ (Bild) und den „Raum der Darstellung“ (Architektur) in der Eigenbewegung des Körpers, das heißt in einer erlebten Zeit zur Synthese bringt. Deshalb schrieb Deleuze zu Recht, die barocke Faltenmaterie sei eine Zeitmaterie, weil das Bild in die von der Architektur geleitete Bewegung ein abweichendes Bewegungsverhalten einziehe.330 Man muss hier nicht erst auf Martin Heideggers Begriff des „Einräumens“ zurückgreifen, um dem „eingrenzenden Geviert“ des architektonischen Raumes den raumöffnenden Charakter des barocken Deckenbildes gegenüberzustellen.331 Bekanntlich hat Heidegger selbst im Einräumen oder „Einrichten“ des Raumes das „Zulassen“ möglicher Öffnungen mitgedacht.332 Doch geht das Ausfalten der architektonischen Raumhülle durch das spätbarocke Deckenbild über das bloße „Walten von Offenheit“ hinaus, weil das Vergegenwärtigen ganz anderer Räume und Zeiten auf das aktuelle Bewegungsverhalten substanziell einwirkt. Der geschlossene Raum bleibt hierbei einerseits gegeben, wird dabei aber auch dadurch infrage gestellt, dass das Deckenbild die begrenzte Raumhülle ausfaltet. In der Decke laufen begrenzte Raumhülle und entfaltendes Deckenbild zusammen. Raumhülle und raumbezogenes Bild sind zwei Seiten einer Medaille: begrenzender und gegenwärtiger Raum der Architektur (chronos) und ein sich zur Zukunft und Vergangenheit (aion) hin entfaltender Raum.333 An dieser Stelle ergibt sich die Frage, ob für Stuckornament und Stuckplastik dieselbe Form der Raumentfaltung gilt, wie sie hier für das Deckenbild vorgeschlagen wurde? Folgt die Rocaille der gleichen Form der Raumentfaltung wie das Deckenbild? Ja und nein. Der Gedanke der „Bildgegenständlichkeit“ des Ornaments, wie er insbesondere für die um 1750 aus Frankreich nach Deutschland importierte Rocaille geltend gemacht wurde,334 beschreibt jedenfalls nur die eine Wirkungsseite des Ornaments. Gerade die späteren Arbeiten der Stuckatorenwerkstatt Johann Michael Feichtmayrs (1710–1772) für Zwiefalten (1747–1758), Vierzehnheiligen (1759/63–1770), Bad Säckingen (1752–1754) und Haigerloch (1753–1755) etablieren die Rocaille auf dem Höhepunkt ihrer Differenzierung als eine doppelläufige Figur, die Raumhülle und Bildraum bzw. Bildräume verbindet [vgl. Kap. 7.7]. Nicht nur am südwestlichen Kartuschenfeld (1752/53) des Langhauses von Zwiefalten wird ersichtlich, wie Stuckornament und Stuckplastik das Oberflächenvolumen der Raumhülle erhöhen, ausdifferenzieren und dabei die Blicklenkung in Richtung des Deckenbildes verstärken [Abb. 75]. Gerade die grundlegendste und einfachste Anwendung der Rocaille als Wandapplikation kennzeichnet das Interesse an einer Erhöhung des Oberflächenvolumens durch das Ornament. Eine um 1755 von Johann Michael Feichtmayr für die Kapelle St. Anna in Haigerloch gefertigte Rocaille zeigt, wie durch die Applikation eine Vergrößerung der Oberfläche der Raumhülle erreicht wird, welche den metrischen Raum verunklärt, die Wand belebt und in Schwingungen versetzt

5 Architektonische Bildlichkeit und gefalteter Raum

[Abb. 76]. Umso deutlicher wird dies an großflächigen Anwendungen von Ornamenten mit wechselndem Charakter. An der Decke von Maria Schray in Pfullendorf (1751) „quillt“ das Rahmenwerk gleichsam auf und bringt als geschraubte Spiralen, Schleifen und kristalline Figuren überraschende Formen hervor [Abb. 77].335 Im Gegenzug zur Ausfaltung des Raumes durch das Deckenbild lässt sich die hier skizzierte Vergrößerung der Oberflächenhülle durch das Ornament als Materialeinfaltung oder Einfaltung der Raumhülle beschreiben.336 Die statische Raumhülle ist der Nullpunkt möglicher Aus- und Einfaltungen, welche den Aggregatzustand architektonischer Firmitas verändern und jenen für den spätbarocken Sakralraum charakteristischen Zustand der ästhetischen Schwebe auslösen – einer Schwebe, die in ihren Bewegungen nicht mehr allein der statischen Architektur folgt, sondern sich für mögliche Formen der Bewegungslenkung offenhält.337 Was keineswegs für alle, aber doch für die überwiegende Zahl architektonischer Bauformen gilt, nämlich die Suche nach einer Balance von Öffnen und Schließen des Raumes, macht der spätbarocke Sakralraum zu seinem ureigensten Thema: Der spätbarocke Raum deutet die begrenzende Raumhülle um, indem er Wand und Decke mit Bildern und Stuck überzieht, indirektes Licht und

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075 Johann Michael Feichtmayr: Schrägansicht der Stuckrahmung an der Kartusche der Imitatio, 1753, Detail, Schrägansicht (NvdM)

335 DELEUZE 2000, S. 202, 205 f. 336 Diese Iteration der Materialeinfaltung bis ins Unendliche stellt eine zentrale Figur der Rokokosyntax dar. Sie wurde von ALPERS/ BAXANDALL 1996, S. 145, mit Blick auf die Würzburger Residenz einmal als „Skaleninvarianz“ beschrieben. 337 Prinzipiell folgt die Stuckfigur einer ähnlichen Form der Einfaltung des Raumes wie das Stuckornament. Beide agieren in der Regel nah an der Raumhülle, wobei die Stuckplastik eher in den Raum hineinwirkt, während das Stuckornament an der Wand agiert und die Teile der Raumhülle miteinander verbindet.

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Zwischen

076 Johann Michael Feichtmayr: Rocaille an der Innenwand der Wallfahrtskapelle St. Anna, Haigerloch, 1753 (NvdM) 077 Johann Jakob Schwarzmann: Stuck an der Decke der Wallfahrtskirche Maria Schray, Pfullendorf, 1751, Schrägansicht (NvdM)



Auch an der spätbarocken Inversion der Figurennische lässt sich der beschriebene Sachverhalt exemplarisch nachvollziehen. Wie Veit LOERS 1976, S. 34, (und auch KNAPP 1996, S. 66–70) an Joseph Anton Feuchtmayers Stuckplastiken und ihrer Einbettung in den Umraum bemerkte, lässt sich die spätbarocke Figurennische nicht mehr als eine vom Umraum isolierte Vertiefung betrachten, die der Figur eine eigene transzendentale Sphäre zuweist, sondern als Ort der Einfaltung des Raumes, aus der die Figur in komplexen Drehungen, Windungen und Gesten herauswächst. Johann Joseph Christians „Überfütterung“ (DELEUZE 2000, S. 199) der Gewandfiguren mit komplexen Faltensystemen lässt sich aus den Posen oder Bewegungen einer Figur nicht mehr erklären. Sie resultiert vielmehr aus einer unvermittelten Form des Erscheinens, bei der sich die Wand konvex einstülpt. Zwischen Kleidung und Körper schiebt sich ein Drittes, das als Wind, Wasser, Licht oder Erde das innere Kraftfeld der Figur nach außen trägt (vgl. DELEUZE 2000, S. 197 f.). 338 HARRIES 1983, S. 73–119. 339 ENGELBERG 2008a, S. 242; KERN 2008, S. 291.

Oberflächenglanz einsetzt, um auf diese Weise den Raum als eine ästhetisch nicht mehr messbare Größe erscheinen zu lassen. Unter den oben beschriebenen Voraussetzungen beinhaltet das, was hier „architektonische Bildlichkeit“ genannt wurde, eine Störung des geschlossenen Raumes. Architektonische Bildlichkeit lässt sich nicht als eine Reduktion von Architektur auf eine wie auch immer geartete bildhafte Raumwirkung interpretieren. Überhaupt ist sie nicht allein eine Angelegenheit von Bildern, sondern beruht auf einer charakteristischen Beziehung zwischen flächigen und räumlichen Elementen. Zumindest bei der von der Barockforschung gebrauchten Rede von der „Bildhaftigkeit von Architektur“ handelt es sich um einen relativ schwachen Begriff von architektonischer Bildlichkeit, weil diese sich in einer zweidimensionalen Verkürzung der Raumerfahrung erschöpft. Stattdessen scheint es mir fruchtbarer, die veränderte Bewegungserfahrung unter der Voraussetzung eines engen Zusammenspiels von Bild und Architektur zu analysieren. Als produktive „Störung“ des Baukörpers führt architektonische Bildlichkeit stets ein Hinweisen, ein Zeigen der Bedingungen von Raumbildung mit sich. Karsten Harries hat die Architektur der „Rokokokirche“ deshalb auch etwas lapidar, aber zu Recht als „architecture against architecture“ charakterisiert.338 Spätbarocke Bildlichkeit zeigt die Schließungseigenschaft der Architektur von ihrer Kehrseite: als einen endlos gefalteten Raum. Bild und Stuck falten die Raumhülle aus und ein, um neue und mögliche Räume einzurichten. Mit Antagonismus war in diesem Zusammenhang gemeint: Auch wenn die Ausstattungselemente gegen den physischen Raum opponieren, benötigen sie diesen doch als Parameter zur Entfaltung möglicher Räume. Ausstattung und Architektur präsentieren sich auf ästhetischer Ebene weder als Gegensatz noch als bedingungslose Einheit.339 Die Synthese ist ästhetischer Natur. Ausstattung und Architektur sind als Antagonismus heterogen und wechselseitig voneinander abhängig.

6 Grottenbeichtstühle und andere Bekenntnisräume (um 1770)

Das Bußsakrament bildet einen Hauptakkord in der Tonleiter der Sakramente, die Zwiefalten mit seinen rituellen Ausstattungsstücken bespielt. Mit ursprünglich acht Beichtstühlen in den Seitenkapellen und zwei weiteren monumentalen Grottenbeichtstühlen beidseits des Eingangs bot sich dem Wallfahrer oder Gläubigen eine üppige Infrastruktur für das Schuldbekenntnis [Abb. 78, 79 rechts].340 Über ihre Entstehungszeit hat man sich bislang wenig Gedanken gemacht, sie ist aus den verfügbaren Quellen auch nicht eindeutig zu erschließen. Die Beichtstühle sind weder in der ersten Beschreibung des Klosters (1760) noch in der bis 1761 reichenden Bauchronik erwähnt.341 Vermutlich werden die Beichtstühle der Seitenkapellen kaum vor Fertigstellung den Kapellenfresken (1765) aufgestellt worden sein [Abb. 80]. Berücksichtigt man überdies die Datierung der Passionsbilder über den Beichtstühlen der Seitenkapellen auf 1770, so haben wir mit diesem Jahr, also um 1770, ein plausibles Entstehungsdatum für die Beichtstühle, das auch zum Abschluss der Arbeiten in Ottobeuren (1767) passt.342 Zeitlich nach vorne lässt sich die Aufstellung der Beichtstühle wohl durch Christians Beginn der Arbeiten in Bad Buchau (1774) und durch einen Brief seines Sohnes (1777) eingrenzen.343 Die zwei monumentalen Grottenbeichtstühle an der Westwand gehören wohl zum Exotischsten und Gewaltigsten, was im 18. Jahrhundert in diesem Bereich der sakralen Ausstattungsstücke geschaffen wurde. Die wichtige Rolle des Schuldbekenntnisses im 17. und ansatzweise auch noch 18. Jahrhundert konvergiert eindeutig mit der künstlerischen Aufmerksamkeit für sakrale Ausstattungsstücke. Berücksichtigt man, dass jede der Seitenkapellen zusätzlich einen vergleichsweise schlichteren Beichtstuhl beherbergte, so scheint es erwägenswert, ob die Grottenbeichtstühle nicht vor allem privilegierten Beichtkindern vor­ behalten waren bzw. ob ihnen vorwiegend eine repräsentative und weniger eine funktionale Rolle zukam. Wer in den Grottenbeichtstühlen sein Bußbekenntnis ablegte, zog sich in das Innere eines höhlenartigen Möbels zurück. Mit den Szenen des Einzugs der Hirsauer Mönche in das Tal von Zwiefalten und der Übergabe des Stiftungsbriefs durch Kuno und Luithold von der Achalm an Wilhelm von Hirsau [Abb. 81, 82] lassen die in das obere Rahmenwerk der zwei Beichtstühle eingelassenen Rückwandbilder von Franz Ludwig Herrmann (1723–1791) Motive der Klostergründung im Zeichen von Mariä Geburt anklingen. Im rechten (also nördlichen)

340 Nach der Säkularisation Zwiefaltens (1802) wurden in den Jahren 1807–1809 vier in die Seitenkapellen eingemauerte Beichtstühle entfernt. Zwei gelangten in die Pfarrkirche von Zwiefalten, die beiden anderen nach Stuttgart (nach Auskunft von Erich Schäfer, Zwiefalten, kamen sie nach Rottenburg). Der Verbleib der vier fehlenden Beichtstühle ist unbekannt. Vgl. KÖNNER 1990, S. 432, 436. 341 Vgl. NOTAE 1760, fol. 115 ff. In einem 1777 verfassten Brief des Sohnes von Johann Joseph Christian, Franz Christian, bezieht sich der Briefschreiber auf die Zwiefalter Beichtstühle. Vgl. Huber 1960, S. 78 f. Der Brief kann hinsichtlich der Datierung der Beichtstühle als zuverlässiger Terminus ante quem gelten. Noch 1776 (Abdeckbilder der Katakombenschreine) wurden Ausstattungsarbeiten an den Altären der Querarme ausgeführt – ein Hinweis darauf, dass die Ausstattungsarbeiten wohl erst wenige Jahre vor der Siebenhundertjahrfeier (1789) vollständig abgeschlossen waren. 342 Die Rückwandbilder der Grottenbeichtstühle und die Passionsbilder über den Beichtstühlen der Seitenkapellen stammen sämtlich von Franz Ludwig Herrmann [vgl. Kap. 10]. 343 Vgl. HOSCH 1992, S. 89. Günter Kolbs stilistischer Vergleich der Monumentalbeichtstühle mit dem Grottenaltar der unweit von Zwiefalten gelegenen St.-Magnus-Kapelle von Gossenzugen bietet keinen sicheren Anhaltspunkt hinsichtlich einer Datierung der Zwiefalter Beichtstühle. Vgl. KOLB 1990, S. 383. Johann Joseph Christian verließ 1767 Ottobeuren, und es ist anzunehmen, dass er erst ab diesem Zeitpunkt, wohl eher 1768 die Arbeit in Zwiefalten wieder in Angriff nahm. Im Mai 1773 richtete Christian bereits seine Baustelle in Bad Buchau ein, sodass seine Arbeiten innerhalb der zwei-

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Innen

080 Johann Joseph Christian/Johann Martin Herrmann (?): Beichtstuhl in der Seiten­ kapelle, um 1770 (NvdM)

ten Phase wohl bis 1773 andauerten. In Verbindung mit den anderen Ausstattungsarbeiten wie Orgelaufrichtung (1772–1777), Passionsbilder über den Seitenaltären (1770), Kapellen- und Emporenfresken (1765), Guibals Altarbilder für die Seitenkapellen (1769) sowie Nehers Abdeckbilder für die Katakombenheiligenschreine in den Querhausaltären (1776) scheint eine Datierung der Grottenbeichtstühle um 1770 wahrscheinlich. Vgl. HUBER 1960, S. 76, 82 f.; WEISS 1998, S. 100–111; PRUSINOVSKY 2007, S. 9–11; ASSFALG 1998, S. 49, 70. 344 HAHN 1982, S. 410, 431, weist darauf hin, dass für Thomas von Aquin die Lossprechung von den gebeichteten Sünden gänzlich auf der Stiftung des Bußsakramentes durch Christus beruht. 345 Predigt von Philipp Doll, gehalten am 9. September 1789 in Zwiefalten. Vgl. JUBELFEIER 1789, S. 41 f.

Gemälde beschirmt Maria als junges Mädchen inmitten ihrer Eltern den klösterlichen Gründungsakt. Im anderen Rückwandbild ist der Einzug der Mönche in das Tal von Zwiefalten auf den Akt des Eintritts in den Beichtstuhl bezogen – was eine Analogie herstellt zwischen der „göttlichen Stiftung“ des Bußsakramentes und der marianischen Stiftung des Klosters.344 Zudem wird die durch den Stiftungsakt rechtlich verbriefte Firmitas der Gründungsbauten als Handlungskulisse in beiden Bildern gegenwärtig und ist in einem der beiden Beichttürreliefs typologisch umgekehrt [Abb. 83]. Die einstürzenden Säulen und Giebel sind nicht nur Ausdruck der Vergänglichkeit alles Irdischen. Sie interpretieren auch in emblematisch verkürzter Weise die Sünde als Verletzung des klösterlichen Rechts und den barocken Neubau als ein allen Gefahren und Angriffen trotzendes Bauwerk: „... betrachten sie die auf Tiefgrund aufgeführten Gemäuer, die festgesezten und Läste tragenden Pfeiler des Hauses – stark hinreichend, künftige Zeiten Stürmen und Unbilden zu widerstehen [...].“345

6 Grottenbeichtstühle und andere Bekenntnisräume (um 1770)

Das formale Grundgerüst der Grottenbeichtstühle lässt bereits die Architektur des Hochaltars und der Querhausaltäre anklingen, zeigt sie jedoch in einem Moment der Überwucherung, man könnte man auch sagen: des Ruinösen. Der Firmitas und Pracht des barocken Neubaus stehen die an Vergänglichkeit gemahnenden Grottenbeichtstühle als eigentümliche Objekte gegenüber. Damit kommt aber auch ein Moment der Zeitlichkeit ins Spiel, das sich im Emblem des zusammenstürzenden Tempels konkretisiert: „Der gebrochene Giebel, die zertrümmerten Säulen sollen das Wunder bezeugen, dass das heilige Bauwerk selbst den elementarsten Kräften der Zerstörung ... standgehalten. Das künstlich Ruinöse dabei erscheint als das letzte Erbe des nur noch tatsächlich, als malerisches Trümmerfeld, auf modernem Boden angesehenen Altertums.“346 Ist die Ruine die Insignie des Gottes Chronos,347 der Zeit, so rekurriert sie damit zugleich auch auf die Ars Memoria, die Kunst der Erinnerung, welche der Grottenbeichtstuhl nicht nur als Erinnerung an den Gründungs- und Stiftungsakt, sondern auch als introspektives Seelentraining der Gewissenserforschung ins Blickfeld rückt. Die Grottenbeichtstühle stehen im Spannungsfeld zweier zusammenhängender Motive, nämlich der Ruine und der Grotte, der Vergänglichkeit allen irdischen Tuns im Lichte der Sünde und des Wachsens und Vergehens der Natur im Dunkel der

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081 Franz Ludwig Herrmann: Einzug der Hirsauer Mönche in das Tal von Zwiefalten, Gemälde am südlichen Grottenbeichtstuhl, um 1770 (NvdM) 082 Franz Ludwig Herrmann: Übergabe des Stiftungsbriefs durch Kuno und Luithold von der Achalm an Wilhelm von Hirsau, Gemälde am nördlichen Grottenbeichtstuhl, um 1770 (NvdM)

346 Karl Borinski: Die Antike in Poetik und Kunsttheorie 1, Leipzig 1914 [Darmstadt 1965], zitiert nach BENJAMIN [1925] 1990a, S. 354. 347 Siehe BÖHME 1989, S. 293, dort auch zur Künstlichkeit der Ruinenästhetik als Machtdiskurs.

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Innen

083 Johann Joseph Christian: Das Zusammenstürzen des Dagon-Tempels (Ri 16, 25–30), Relief an der Tür des südlichen Grottenbeichtstuhles, um 1770 (NvdM) 084 Johann Joseph Christian: Korallen, Moose, Palmen, nördlicher Grottenbeichtstuhl Zwiefalten, um 1770, Detail (NvdM)

348 RIETZSCH 1987, S. 71–73. 349 Vgl. auch die Vorstellung von der Geburtsgrotte als Urort aller Vergebung.

Grotte. Beide Motive besitzen eine lange Tradition, die über den Manierismus bis in die Antike zurückreicht.348 Was für den barocken Beichtstuhl generell gilt, zeigt sich an dem Grottentyp von Zwiefalten in besonderer Weise: Er ist ein ominöses Ding, zugleich skulpturales Objekt wie begehbares Möbel, hat also eine Außen- wie eine Innenseite. Diese Doppelseitigkeit entsprach wohl auch der allgemeinen Doppelfunktion des Beichtstuhls (confessionale): Brachte der Eintritt die geforderte introspektive Selbsterforschung mit sich, so verliehen die am Äußeren des Beichtstuhls angebrachten Bilder und Skulpturen dem unsichtbaren Vorgang im Inneren ein öffentliches Gesicht und dienten so auch der Vorbereitung. Dieses öffentliche Gesicht ist wiederum mehrschichtig: Einerseits drückte es die forcierte Institutionalisierung der Beichte aus und lieferte durch Bilder sakramentale Handlungsanweisungen, andererseits brachte es zusehends taktile und visuelle Aspekte ins Spiel, die dem introspektiven Akt der Selbsterforschung teilweise widersprechen mussten. Insgesamt gilt auch für die Grottenbeichtstühle von Zwiefalten, dass sie den Bußfertigen (poenitentes) einen performativen Rahmen für den Beichtakt bereitstellen sollten: vor dem Eintritt ein zur Betrachtung bestimmtes Objekt aus Bildern, stuckimitierten Moosen, Korallen, Pflanzen und Tropfsteinen [Abb. 84–86]; mit dem Eintreten einen höhlenartigen Raum, der das Beichtkind gleich einer zweiten Haut umschloss; nach dem Bekenntnis einen als Ruine zurückgelassenen, alten „Körper“. Der Beichtstuhl kann als eine „Bekenntnisarchitektur“ verstanden werden, die sich am performativen Verlauf der Beichthandlung orientiert. Von ihrer Funktion her betrachtet erscheint die üppige Ästhetik der Grottenbeichtstühle jedoch nicht ganz widerspruchsfrei: Das meditative Nachsinnen über die eigene Körperlichkeit scheint von einem überaus körperlichen Rückzugsakt begleitet, welcher den Beichtenden für einen Moment in die entlegene Grotte eines Gartens versetzt – hier die motivisch temperierte Kühle einer Ruinen­grotte, dort der hitzige Akt der Seelenerforschung.349 Die Bedeutung der

6 Grottenbeichtstühle und andere Bekenntnisräume (um 1770)

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085 Johann Joseph Christian/(Fass-Maler?): Landschaftsvedute mit Palmen, südlicher Grottenbeichtstuhl Zwiefalten, um 1770, Detail (NvdM) 086 Johann Joseph Christian: Ruinöse Mauerwerkimitationen, Palmen, Blumen, Moose, Tropfsteine, südlicher Grottenbeichtstuhl Zwiefalten, um 1770, Detail (NvdM)

Grottenbeichtstühle von Zwiefalten, die in ihrer formalen Gestalt am Ende einer rund zweihundertjährigen Geschichte des Beichtstuhls liegen, lässt sich aber nicht ohne die erst in Ansätzen geschriebene Geschichte der Ästhetik und Typologie des Beichtstuhls verstehen.350 Auch auf die Gefahr hin, den Rahmen dieser Arbeit zu sprengen, scheint es dennoch notwendig, einen Exkurs einzuschalten, der die theologische und ästhetische Geschichte des Beichtstuhls in groben Zügen Seiten skizziert, und zwar mit besonderer Rücksicht auf die süddeutsche Entwicklung.351

6.1 Eine Planke nach dem Schiffbruch: Zur Geschichte des Bekenntnisses Es mag manchem verkürzt oder modernistisch erscheinen, die folgenden Überlegungen zum Sündenbekenntnis auf die leiblich-körperliche Seite zu konzentrieren. Schließlich enthalten die Beschlüsse des Konzils von Trient eine solche Einschränkung nicht und stellen insbesondere das „göttliche Recht“ sowie die Wiederversöhnung mit Gott in das Zentrum der Beichte.352 Um die Bedeutung des barocken Beichtstuhls besser zu verstehen, bietet sich der Blick auf den Leib/Körper aber an, weil es sich beim rituellen Akt der Beichte um einen spezifischen Akt der körperlichen Selbstkontrolle und Selbsterforschung handelt und die ingeniöse Entwicklung des Beichtstuhls vorwiegend körperlich motiviert war. Der Akt des Eintretens in den Beichtstuhl verband sich mit der Auffassung, dass durch die buchstäbliche Beugung des Körpers auch eine Heilung des Geistes erreicht werden könne. Aus diesem Grunde wiederholen die tridentinischen Beschlüsse auch den bis ins Mittelalter verbreiteten und in die Akten des IV. Laterankonzils (1215) aufgenommenen Vergleich des Beichtvaters mit dem Wundarzt und analog dazu der Beichte mit einer heilsamen Medizin.353

350 Vgl. hierzu vor allem: TAUCH 1969, SCHLOMBS 1965 und für den protestantischen Beichtstuhl: HEIDELMANN 2001 sowie ausführlicher VAN DER MEULEN 2009. 351 Von hier aus rückt natürlich die Aufgabe ins Blickfeld, den Gebrauch von Bildern und Objekten beim Schuldbekenntnis interkulturell zu analysieren. Das monumentale dreibändige Werk von Raffaele PETTAZONI 1929 ff. über Sündenbekenntnisse hat hierfür die Grundlagen geliefert. 352 WOHLMUTH 2002, S. 704. Die Vorhallenfresken und die Rückwandbilder der Grottenbeichtstühle machen deshalb sehr anschaulich deutlich, dass zum göttlichen Recht auch der klösterliche Besitz gehört. 353 WOHLMUTH 2002, S. 706. Die Analogie von Beichtvater und Arzt war auch im 18. Jahrhundert sehr verbreitet und nicht konfessionsabhängig. Vgl. Johannes RITTMEYER 1741, S. 12 f., § 8. „Ein jedes Beicht-Kind sollte billig in seinem Christenthum so weit gekommen seyn, dass es mit eigenen Worten seines Hertzens Anligen allda könnte vorbringen, und mit dem Beicht-Vatter so vertraulich reden, als ein Patient oder Krancker mit dem Artzt zu thun pfleget. […] In leiblichen Kranckheiten sihet man die Leute mehr als zu sorgfälg, sie suchen den Artz, sie stellen alles mit ihm in Rath: Aber in geistlichen und Selen-Kranckheiten sind die meisten sicher und unachtsam, mögen ihren Selen-Artzt nicht gerne bemühen, sie fühlen ihre geistliche Kranckheit nicht, als bedürfen sie dawider weder Rahts noch Hülfe, sie können ihrer Einbildung nach, leicht from genug seyn, wenn sie der alten Gewonheit nach beichten, so thun sie genug. Wer sich allhie schuldig befindet, der ändere seine Mängel, und gebrauche sich des Beicht-Stuls recht. Er thut sonst am übelsten bey ihm selbst.“

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354 MUIR 1996, S. 52–60; DE BOER 2001, S. 97– 106; DE BOER 2006. 355 DE BOER 2006, S. 96. 356 CANISIUS [1555] 2003, S. 176. – Als „erste Planke“ galt das Taufsakrament. Vgl. auch WOHLMUTH 2002, S. 704: Konzil von Trient, 14. Sitzung, Kap. 3: „Der Unterschied zwischen dem Sakrament der Buße und dem der Taufe“. 357 CANISIUS [1555] 2003, S. 166 f., 172 f. 358 HAHN 1982, S. 408. 359 FOUCAULT 1999, S. 87. Wie Alois Hahn zeigte, wirkte die gesteigerte Selbstthematisierung als Generator biografischer und autobiografischer Genres. HAHN 1982, S. 418–423; HAHN 1987, S. 16. Dieser Aspekt ist für unseren Zusammenhang insofern relevant, als der Beichtstuhl erstmals ein institutionalisiertes Rahmenwerk für die Selbstthematisierung im sakralen Raum darstellte. Vgl. an Foucault anknüpfend auch LARGIER 2009, S. 245 f. 360 Vgl. CANISIUS [1555] 2003, S. 166. 361 Allgemein lässt sich dazu feststellen, dass Zwiefalten auch noch im 18. Jahrhundert zu jesuitischen Bildungseinrichtungen wie Dillingen enge Beziehungen unterhielt. Vgl. QUARTHAL 1990, S. 418. 362 FOUCAULT 1999, S. 30 f.

Jüngere Unter­suchungen zur Beichte zeigen, dass die Privatisierung der Beichte durch das IV.  Laterankonzil bereits festgelegt und durch Trient lediglich bestätigt wurde. Auch geschlossene Beichträume waren im norditalienischen Raum schon vereinzelt vor dem Trienter Konzil zu finden.354 Die entscheidende Neuerung scheint zunächst gradueller Natur gewesen zu sein und bei einer Intensivierung des intimen Bekenntnisses angesetzt zu haben. Damit ging allerdings eine entscheidende Neuerung einher: die Institutionalisierung eines klar definierten Beichtgehäuses mit Trennwand und Sprechgitter, offenbar zunächst dadurch motiviert, sexuellem Missbrauch beim Beichtakt entgegenzuwirken.355 In Übereinstimmung mit den Kirchenvätern nannte der Jesuit Petrus Canisius (1521–1597) die Buße eine „zweite Planke nach dem Schiffbruch“ („secundam post naufragium tabulam“).356 Metaphorisch gesprochen scheint es, als seien die barocken Beichtstühle als „Architekturen des Bekenntnisses“ aus eben jener Planke gezimmert. Geboten war hier, den Leib „niederzuhalten“ und die Vergehen des Leibes mit aller Akribie aufzudecken. „Flehen“ sollte an die Stelle von „Lachen“ treten, wertvolle Seidenwäsche durch die Rauheit des Leinensackes ersetzt werden.357 Der Kern dieser Handlungen liegt in dem intentionalen Akt der grundsätzlichen Anerkennung der Sünde als Nullpunkt der Bekehrung.358 Vor allem diese zwei Seiten der Beichte sind hier interessant: der leibliche Akt des Eintretens in das Confessionale und die Rede über die Vergehen des Leibes als Selbsterforschung – die Körperbewegung des Eintritts, des Aufenthalts und des Austritts aus dem Beichtstuhl auf der einen Seite und die introspektive Verbalisierung während der Beichte auf der anderen – verkürzt ausgedrückt: der Körper und die Rede über ihn. Das rituelle Bekenntnis im Beichtstuhl erhielt hierdurch ein eigentümliches Gepräge. Michel Foucault hat dies an der Dialektik zwischen der rituellen Selbstprüfung und dem Begehren beschrieben. Er erklärte, wie die seit dem 17. Jahrhundert installierten Beichtregeln der Selbstprüfung erst die Fantasien der Wollust und des Begehrens in Gang brachten und so erst „die Sache ‚Sexualität‘“ auf den Plan treten konnte.359 Schon im späten 16. Jahrhundert genügte es nicht mehr, ein privates Schuldbekenntnis vor Gott abzulegen. Erforderlich war jetzt ein detailliertes Bekenntnis, das „vor dem Priester über alle Vergehen abgelegt wird, die den Menschen nach eifrig geprüftem Gewissen in den Sinn kommen“.360 Ein neues Interesse an der Subjektivierung der Sünde, an der Selbstkontrolle ging damit einher. Die Erforschung aller Sinne, die Aktivierung der Geistes- und Gedächtniskräfte zum Seelentraining, wie sie Ignatius in seinen Exercitia spiritualia empfahl und wie sie durch die Katechismen des Jesuiten Petrus Canisius auch in anderen Ordensgemeinschaften Popularität erlangte,361 ließ – mit Foucault gesprochen – „unter der Oberfläche der Sünden“ das „Geäder des Fleisches sichtbar werden“.362 Exegetisch aufbereitete Neueditionen der ignatianischen Exerzitien und eine Flut von Beichtspiegeln und Manualen forderten im 18. Jahrhundert die konsequente Aufdeckung aller Sünden „von Anfang bis Ende“, um bei „hindansetzung aller Schamhafftigkeit, wann es die Noth erfordert, ihre abscheulichste Zuständt denen Leib-Aertzten [zu] entdecken, damit ihnen [den Seelen] geholffen werde:

6 Grottenbeichtstühle und andere Bekenntnisräume (um 1770)

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und warumb wollten wir dann um Vermeidung einer eingebildeten Schand, unsere Seelen in ihrem Wust stecken lassen?“363 Es gehört zu den seltsamen Erscheinungen des Konzils von Trient und seiner Folgen, dass im Halbdunkel des Beichtstuhles die institutionalisierte Rede über den Körper als ebenso abscheulich wie reizvoll angesehen wurde. Die kontrollierte Rede über den Körper während des Bekenntnisrituals schloss das ein, was man auch einen leiblichen Selbstbezug nennen könnte. Anders formulierte das Alois Hahn: „Der Hinweis auf den Zusammenhang von Beichte und der Steigerung der introspektiven Leistungen, macht [...] auf eine bestimmte historische Form der Selbstempfindung aufmerksam, die als solche nicht universal ist. Wohl aber scheint universal zu sein [...], dass Subjektivität und Individualität in den Prozessen, die sie kontrollieren, eine eigentümliche Differenzierung und Steigerung erfahren.“364 In diesem Sinne sei die Ausgangsthese formuliert, dass die für die Beichte entwickelten Architekturen ebenfalls eine doppeldeutige Struktur aufweisen: In ihnen blieb die Abwehr des körperlichen Begehrens von einer dichten Körper- und Leiberfahrung durchwirkt oder brachte sie durch Selbstthematisierung gleichsam ans Licht.

6.2 Bauanleitung Die große Bedeutung, die das Konzil von Trient (1545–1563) dem Sakrament der Beichte zumaß, verlangte nach einem festen liturgischen Ort für die Buße. Wenig später legte das I. Mailänder Provinzialkonzil von 1565 den Ort für die Beichte außerhalb des Chores fest und verlangte erstmals die Trennung zwischen Beichtendem und Priester durch ein Sprechgitter.365 Dieses behinderte den physischen und optischen Austausch ebenso, wie es ihn auch im übertragenen Sinne durchlöcherte. Mit der ingeniösen Konstruktion eines Gehäuses für das Bekenntnisritual erhielt die seit dem 13. Jahrhundert institutionalisierte Pflichtbeichte erstmals einen institutionell fixierten Handlungsraum.366 In Kapitel 23 seiner Instructiones arbeitete Karl Borromäus die konziliaren und synodalen Beschlüsse (Konstanz 1567, Brixen 1606) zur Beichte aus und fixierte den bis zu diesem Zeitpunkt häufig beweglichen Beichtstuhl – der deshalb auch ganz anderen Zwecken dienen konnte – auf einen festgelegten Ort. Ferner empfahl Borromäus zur Beichte ein für den Beichtvater geschlossenes Gehäuse aus Holz mit einer verschließbaren Tür und einer an dem Gehäuse angebrachten Kniebank für das Beichtkind [Abb. 87]. Der Unterbau sollte gegenüber dem Bodenniveau des Kirchenraumes erhöht sein. Beichtvater und Beichtender wurden ausdrücklich durch eine Wand getrennt, in das ein Sprechgitter eingelassen sein sollte. Akribisch verfügte Borromäus zu Höhe, Format und Durchlässigkeit des Sprechgitters: „Diesem Fensterchen soll auf der Seite des Poenitenten ein ganz durchlöchertes Eisenblech vorgestellt werden. Die Löcher sollten erbsengroß sein. Auf der Seite des Beichtvaters soll vor dieses Fensterchen außerdem ein dünner Schleier aus Serge oder reinen Leinenbatist ... gehängt werden. [...] Auf der Seite des Poenitenten soll außen über dem Fensterchen ein Bild des Gekreu-

087 Beichtstuhlentwurf der Instructiones (1577) von Carlo Borromeo (nach DE BOER 2001)

363 Geistliche Übungen 1738, „Vierdtes LehrStück. Von der Gewissens Rechenschafft“, S. 3r. 364 HAHN 1982, S. 409, hier auf die Entwicklung zu einer Subjektivierung der Sünde im 12. Jahrhundert bezogen. 365 ZAJADACZ-HASTENRATH 1970, S. 27. 366 Vgl. HAHN 1982, S. 409–413, zur spätmittelalterlichen Institutionalisierung der Beichte.

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088 Beichtstuhlentwurf des Ornatus Ecclesiasticus (1591) von Jacob Müller (NvdM)

zigten, auf Papier mit Sorgfalt abgebildet, aufgehängt werden.“367 Die Gründe für die akribische Bauanleitung des Confessionale liegen auf der Hand: Die Verhüllung des Bekenntnisses begünstigte die Enthüllung des Selbst.Während das dreiseitig geschlossene Gehäuse eine Privatisierung der Beichte und damit die gesteigerte Selbstthematisierung bewirkte, wurde durch die Trennwand im Gehäuse eine Zweiteilung des Bekenntnisses in ein Sprechen und ein Hören erreicht, die innere Selbstkontrolle und disziplinierte Fremdkontrolle kombinierte.368 Beichtvater und Beichtkind waren jetzt im intimen Bekenntnis physisch voneinander getrennt. Und auch die bis zu diesem Zeitpunkt übliche Handauflegung (impositio manus) während der Formel „Ego te absolvo ...“ fiel zumindest offiziell weg. An ihre Stelle trat die Erhebung der rechten Hand bei der Absolution.369 In seinem Ornatus Ecclesiasticus (1591) illustrierte der Regensburger Stiftsherr Jacob Müller die Bestimmungen für den Beichtstuhlaufbau durch einen Prototyp [Abb. 88], ging aber mit der Trennung des Beichtkindes vom Kirchenraum durch eine weitere Wand noch einen Schritt weiter. Das Sprechgitter zwischen Beichtvater und Beichtkind habe zu sein „voller Löchlein / einer welchen Erbs groß / oder ja mit einem engen höltzen Gätterlein verschlossen werde / jedoch nit wie ein Thürlein / sonder[n] aller Orten mit Nöglen / das mans nit aufbringen könne / verschlagen“. Und zur offensichtlich irritierenden Aufhebung der Handauflegung gab Müller zu verstehen, dass „obschon die Aufflegung der Händ / auß alten löblichem und wolhergebrachtem Brauch der Catholischen Kirchen / recht und wol gebraucht wirdt in der Beicht / (wiewol auch diß zu der Essentz / eigentlich Natur der Absolution und Loßzehlung der Sünden nit gehörig) ist doch nit vonnöten / dass der Prieser deß Beichtkind Haupt berühre / sonder[n] ist gnug / wann er die Hand / in dem er die Absolution spricht / ein wenig ober sich halte“.370

6.3 Architektonische Schließung – ikonische Öffnung

367 S. Caroli Borromaei: Instructionum fabricae ecclesiasticae et superlectilis ecclesiasticae, libri duo, nouvelle edition, Paris/Arras 1855, zitiert nach SCHLOMBS 1965, S. 134–136, hier S. 136. Vgl. zur Rekonstruktion der Gestalt des borromäischen Beichtstuhls DE BOER 2001, S. 90–96. 368 Vgl. zu den Begriffen „Selbst-“ und „Fremdkontrolle“ in diesem Zusammenhang HAHN 1982, S. 418. 369 WOHLMUTH 2002, S. 704. 370 MÜLLER 1591, S. 161; vgl. hierzu auch: THÜMMEL 2000, THÜMMEL 2009. 371 HOLLSTEIN 2001, part II, S. 200, Abb. Nr. 268: Philips Galle: Sacramentum poenitentiae, Kupferstich, 25,3 x 18,8 cm. 372 Vgl. SCHNEIDER 1999, S. 95–97.

1576 fertigte Philips Galle einen Stichzyklus der sieben Sakramente an, in dem die Buße noch ohne geschlossenen Beichtstuhl auskommt [Abb. 89]. Ein Detail aus dem Stich zum Bußsakrament zeigt auch die etwa ab 1570/80 als zwiespältig beurteilte enge körperliche Nähe zwischen Beichtvater und Beichtendem.371 Nach dem Vorbild der Jesuiten wurden zunächst in Oberitalien und in den südlichen Niederlanden, ungefähr ab 1600 aber auch im süddeutschen Raum die ersten überaus schlichten zweiteiligen Beichtstühle aufgestellt.372 Obgleich in Oberitalien (Jesuitenkirche San Fedele, Mailand, 1580/81; Andrea Fantoni, Santa Maria Maggiore, Bergamo, 1704) und Antwerpen (Dominikanerkirche St. Paulus, 1657–1659) längst aufwendige Beichtstühle und mit dem Gesamtraum koordinierte Beichtstuhlprogramme ausgearbeitet wurden, findet sich um 1700 im süddeutschen Raum (wohl auch aus Kostengründen) vor allem die schlichte, von Borromäus und Müller propagierte Form, beispielsweise in Irsee (um 1710?) und Schäftlarn (um 1730?) [Abb. 90, 91]. Aber schon das Einlassen des Beichtstuhls in die Wand und dessen Bekrönung durch Bilder lassen den Versuch erkennen, das

6 Grottenbeichtstühle und andere Bekenntnisräume (um 1770)

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089 Philips Galle: Sacramentum Poenitentiae, 1576, Kupferstich (Detail) (HOLLSTEIN XLVI, PART II, S. 200

090 Beichtstuhl Klosterkirche Irsee, um 1710 (NvdM) 091 Beichtstuhl Klosterkirche Schäftlarn, um 1730 (NvdM)

Beichtmöbel in den ästhetischen und architektonischen Gesamtkomplex des Sakralraumes zu integrieren. Um 1730 bildete sich dann auch im süddeutschen und österreichischen Raum die Tendenz aus, dem privaten Bußbekenntnis unter Einsatz von Bildern und Skulpturen ein (öffentliches) Gesicht zu geben. Zur bildlichen und skulpturalen Ausstattung der Beichtstühle boten sich neben Passions- und Bibelszenen mit Sünder/-innen auch reuige Heilige und ausgemergelte Anachoreten wie Maria Magdalena oder die hll. Petrus, Antonius und Maria Aegyptiaca an.373

373 Vgl. zur Ikonografie der Beichtstuhlheiligen TAUCH 1969, S. 38–82.

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092 Beichtstuhl Steinhausen, um 1745 (NvdM) 093 Johann Jakob Kürschner: Beichtstuhl Klosterkirche Weltenburg in Kombination mit der Kanzel, 1732 (NvdM) 094 Ägid Quirin Asam: „Mors peccatorum pessima“ („Der Tod der Sünder ist überaus schlimm“) Ps 33, 22, Beichtstuhlaufsatz St. Johann-Nepomuk-Kirche (Asamkirche), München, 1735 (NvdM) 095 Künstlerwerkstatt Zwink (Ettal): Beichtstuhl in Kombination mit Empore, Klosterkirche Ettal, 1763 (NvdM)

6 Grottenbeichtstühle und andere Bekenntnisräume (um 1770)

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096 Johann Joseph Christian: Beichtstuhl in der Benediktinerabtei Ottobeuren, um 1760 (NvdM) 097 Joseph Anton Feuchtmayer: Beichtstuhl Klosterkirche St. Gallen, 1761/62–1768 (NvdM)

Höhlen, Grotten und Einsiedeleien wurden zu beliebten Hintergrundmotiven, die den Beichtstuhl – wie auch in Zwiefalten – als ein reinigendes Refugium auswiesen. Auf diesem Wege wurde aber auch das private Handeln im Innern des Beichtstuhls nach außen gekehrt. Im gleichen Zuge wurden die zunächst an den Wänden des Kirchenraums über dem Beichtstuhl angebrachten Bilder zusehends in den Beichtstuhl selbst eingebaut. Ist der Bildaufsatz in Schäftlarn und auch noch in Dießen (1738–1740) an der Kirchenwand fixiert und lediglich durch das Ornament dem Beichtstuhl angegliedert, so werden Darstellungen der Maria Aegyptiaca und der Maria Magdalena etwa in Steinhausen (um 1745) [Abb. 92] schon zu festen Bestandteilen des Beichtmöbels, das wie in Weltenburg (1732), München (St.-Johann-Nepomuk-/Asamkirche, 1735) und Ettal (1763) mit dem Umraum architektonisch koordiniert wird [Abb. 93–95].374 Ottobeuren (1763)375 und St. Gallen (um 1765) markieren den Höhepunkt dieser Entwicklung aufgrund ihrer Komplexität und Verknüpfung mit dem Umraum. In dem Maße, wie in Ottobeuren das Relief mit einer Darstellung Maria Magdalenas in den Raum des Betrachters hineinragt, tritt der Beichtstuhl aus der Wand heraus. Bekennende Darstellung und darstellendes Bekenntnis überlagern sich. Damit rückt nun aber auch der Selbstdarstellungscharakter des Bußbekenntnisses in den Blick [Abb. 96, 97]. Etwa zeitgleich bringt der Einsatz skulpturalen Schmucks am Beichtstuhl verstärkt taktile und körperliche Qualitäten ins Spiel. Um 1760 schuf Thomas Schaidthauf plastische Figurenaufsätze für die Beichtstühle der Zisterzienserabteikirche Fürstenfeld. Wie im Figurenpaar „Jesus/Ehebrecherin“ wurde hierbei der intime und dialogische Charakter der Beichte herausgestellt. Das dialogische Bekenntnis unterlag einer „Dreiecksbeziehung“, bei der der Beichtvater die Stelle Gottes bzw. Jesu einnahm und zugleich vermittelte. In der Formel „Con-

374 Vgl. zu den Beichtstühlen von Dießen (Verhelst) DIETRICH 1986, S. 120 u. Abb. 65, von St. Gallen (Dir/Feuchtmayer) KNAPP 1996, S. 239–246, und Ettal (anonym) KOCH 1988, S. 30. 375 Vgl. zu den Reliefs aus Ottobeuren DISCHINGER 2011, S. 205.

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098 Joseph Anton Feuchtmayer: Büste des Adam, um 1761/62–1768, Beichtstuhlaufsatz (NvdM) 099 Johann Georg Üblher: Basrelief mit der hl. Magdalena und Marterwerkzeugen, Beichtstuhlaufsatz, Maria Steinbach, um 1760 (NvdM) 100 Johann Georg Üblher: Putto mit Spiegel der Selbsterkenntnis, Maria Steinbach, um 1760 (NvdM)

376 Rituale Romanum [1614] 1892, S. 64. 377 ZAJADACZ-HASTENRATH 1970. 378 S. Carolus Borromaeus: Instructiones ..., zitiert nach: SCHLOMBS 1965, S. 134.

fiteor Deo omnipotenti, et tibi pater“ drückt sich im Rituale Romanum (1614) diese Beziehung zwischen den Beteiligten aus.376 Figuren wie die auf einem Beichtstuhl der Klosterkirche St. Gallen sollten als stark individualisierter Adam nach dem Sündenfall die Haltung des Beichtkindes vor dem Beichtakt sichtbar machen. Reue und das Wissen um die Endlichkeit treten dabei häufig als gepaarte Motive auf [Abb. 98–100]. Die Figuren zeigen auch die innere Haltung, mit welcher die Selbstbetrachtung zu üben war. Mehr und mehr wandelte sich der mit Skulpturen geschmückte Beichtstuhl zu einer monumentalen Skulptur, zu einem zweiten Körper des Beichtenden. Für aufwendige Beichtstühle und Beichtstuhlprogramme dürfte vor allem Andrea Fantonis Arbeit für Santa Maria Maggiore in Bergamo die Grundlage geliefert haben [Abb. 101]. Daran anschließend wurde der Beichtstuhl in den südlichen Niederlanden zur monumentalen Skulptur ausgearbeitet,377 so 1736 durch Theodor Verhaegen in der Prämonstratenserabtei von Ninove (St. Cornelius und Cyprianus) mit einem am westlichen Abschluss der Abtei errichteten Beichtstuhlpaar. Ein reich entwickeltes Programm aus neutestamentlichen Bußvorbildern (Petrus und Magdalena) und theologischen Tugendallegorien (spes und fides) zu Füßen des auferstandenen Erlösers leiteten den Beichtenden zum Beichtstuhl hin und führten die theologischen Kontrollinstanzen der Selbstthematisierung vor Augen [Abb. 102]. Die von Borromäus formulierte ästhetische Option, am Beichtstuhl, sofern die Grundform eingehalten werde, „Ornamente wie Gesimse an der Vorderseite oder auch ein[en] andere[n] schickliche[n] Dekor“ anzubringen, wurde um die Mitte des 18. Jahrhunderts vor allem im süddeutschen Raum und in Flandern maximal ausgeschöpft, wenn nicht gar überschritten.378 Hierbei wandelte sich auch das Bekenntnis von einem rituell-religiösen zu einem rituell-ästhetischen

6 Grottenbeichtstühle und andere Bekenntnisräume (um 1770)

101 Andrea Fantoni: Beichtstuhl Santa Maria Maggiore, Bergamo, 1704 (BOLIS s. a.) 102 Theodoor Verhaegen: Beichtstuhl der ehemaligen Prämonstratenserabtei St. Cornelius und Cyprianus in Ninove (heute: Onze-Lieve-Vrouw-Hemelvaartkerk), um 1730 (NvdM)

Erlebnis. Die Beichthandlung konnte sich auf diesem Wege nicht nur als ein introspektives, sondern auch als ein ästhetisches Abenteuer präsentieren. Die bildliche, ornamentale und plastische Ausstattung des Beichtstuhls brachte – wenn auch auf einer verlagerten Ebene – körperliche Qualitäten ins Spiel, die mit Borromäus’ Anweisungen, Beichtvater und Beichtenden physisch zu trennen und die Beichte auf den verbalen Dialog im abgedunkelten Raum zu beschränken, ursprünglich unterbunden werden sollten. Die Grottenbeichtstühle von Zwiefalten können exemplarisch für ein radikales Konzept der Transformation des Beichtmöbels in eine begehbare Installation auf dem Wege zu einer Versinnlichung des Beichtvorgangs stehen. Auch wenn die überwiegende Zahl von Beichtstühlen im 18. Jahrhundert schon aus finanziellen

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103 Die Buße als Vorgang der inneren Reinigung: „Wie Jesus auskehrt“, aus: RITTMEYER 1761 (NvdM)

379 Vgl. Augustinus’ Confessiones I,5 und X,6: „Eng ist das Haus meiner Seele, erweitere es, dass es werde deine Wohnung.“ Und später: „Wer bist du? Und erhielt die Antwort: Ein Mensch. Und siehe, Leib und Seele habe ich; jenes bildete das Äußere, dieses das Innere.” Vgl. zur Metaphorisierung des Körpers als Haus: LAKOFF/JOHNSON 1997, S. 35–40; JOHNSON 1987, S. 18–40. 380 So leitete einer der größten Prediger seiner Zeit, Paulo Segneri (1624–1694), in seiner Schrift Il penitente istruito (Bologna 1669) die katholische Bußpraxis unmittelbar aus den ignatianischen Exerzitien ab: „Behüt dein Hertz mit allem Fleiß. Doch aber werden vil gefunden / die ihnen diese Macht wenig lassen angelegen seyn. […] und also wisse die Erforschung recht vorzunemmen. [...] Erstlich haben sie ihren Eingange durch die fünff äusserlichen Sinn des Leibs / als Augen / Ohren / Geruch / Antastung / und Geschmacken. Alsdann kommen sie zu den innerlichen Sinnen / durch welche sie als einer Stiegen aufsteigen / und retten in die Einbildungs Krafft / gleich als in einen grossen Saal hinein. Darauf nach dem sie vil Zimmer durchgangen / gelangen sie zu dem Verstand / und entlich zu dem Willen.“ Vgl. SEGNERI 1684, S. 58 f. 381 Die Abbildung zeigt, dass die Metaphorisierung des Inneren als Seele oder Herz,

Gründen im Allgemeinen eher schlicht ausfiel, so zeigen jene radikalen Lösungen doch deutlich den Zeitgeschmack und die Angleichung des Beichtstuhls an andere üppige Ausstattungsstücke. Die Beichtstühle von Zwiefalten sind (wie die von Bergamo, Ninove, Weltenburg) so konzipiert, dass sie aus den unterschiedlichen Blickwinkeln verschiedene Sinne ansprechen. Wie sich der Beichtstuhl aus der Ferne zunächst optisch als ein skulpturales Objekt präsentiert („Auge“), das sich bald als begehbares Gehäuse konkretisiert und aus zunehmender Nähe taktile Reize („Hand“) ins Spiel bringt, so wechselt er im Inneren zu einem auf Introspektion gestützten verbalen Dialog, der das Innenleben erforscht. Der Erkenntnisprozess über die äußeren Sinne bis hin zu einer introspektiven Schau und die damit verbundene „Metaphorisierung des Egos als Haus“ (als „Seele“, „Herz“ oder „Inneres“) stehen nicht nur in einer langen Tradition, welche den Körper als Haus der Seele, des Ichs oder des Herzens versteht (Paulus, Augustinus),379 sondern konvergieren auch mit dem Konzept der meditativen „Anwendung der Sinne“ (applicatio sensuum), wie sie Ignatius von Loyola als eine auf dem Körper aufbauende Introspektionsübung vorsah.380 Der Beichtstuhl ist somit die in ein installatives Objekt übersetzte Versinnlichung für den kontrollierten Eintritt in das eigene Ego. Der Beichtende trat in sein eigenes Selbst inwendig ein, um aus diesem Akt gereinigt hervorzugehen [Abb. 103].381 Deshalb wurde das Bußsakrament auch unmittelbar auf den Akt der Taufe bezogen, wenn etwa Canisius in seinem Großen Katechismus als Argument für die Beichte anführte: „Ut homo post Baptismum relapsus & inimicus Dei factus, & hoc Sacramentum remissione peccatorum accepta. Deo reconcilietur, & ex motuo vivus, ex impioque justus efficiatur.“382 Betrachtet man die Grottenbeichtstühle vor dem Hintergrund der Entwicklung des Beichtmöbels, so wird noch ein anderer, wesentlicherer Aspekt deutlich. Der Vergleich mit dem Beichtstuhl von Ottobeuren (1763) und dem an ihm applizierten Motiv der hl. Magdalena in der Einsiedelei bringt die Innovation auf den Punkt: Das dargestellte Objekt (Höhle/Einsiedelei) wird zum Darstellungsobjekt (der Beichtstuhl als Höhle/Einsiedelei). Was ursprünglich nur Beiwerk zum Beichtstuhl war, wandelt sich nun zum Hauptgegenstand, zum eigentlichen Werk. Mit dieser Verschiebung vom Beiwerk zum Werk, vom Uneigentlichen zum Eigentlichen [vgl. Kap. 5] deckt sich hier peu à peu ein für Zwiefalten wesentlicher Grundaspekt auf, der für die Formulierung eines komplexen Möglichkeitsraumes (jenseits der physischen Raumhülle) entscheidend zu sein scheint.

6.4 Hand und Auge Eines hatte der neuzeitliche Beichtstuhl für das institutionelle Bekenntnis gebracht: Mit der Unterbindung der alten Handauflegung (impositio manus) und der Trennwand mit Sprechgitter setzte sich eine Konzentration auf die Ohrenbeichte durch. Die Abkehr von der Berührung brachte eine erhebliche Aufwertung des verbalen Dialoges und der Selbsterkenntnis mit sich. Beide fanden in der Einführung der Trennwand ihre funktionale Entsprechung. Zwar fungierte

6 Grottenbeichtstühle und andere Bekenntnisräume (um 1770)

der Beichtvater weiterhin und vielleicht noch ausdrücklicher als je zuvor als verdeckter Richter und Zeuge, vor dem sich das Beichtkind zu verantworten hatte. Zugleich erlebten aber die „Subjektivität und Individualität in den Prozessen, die sie kontrollieren, eine eigentümliche Differenzierung und Steigerung“.383 Alois Hahn zeigte, wie diese Tendenz zur Selbstkontrolle und Selbsterforschung nicht nur eine individualisierte Konzeption von Verantwortung unterstützte, sondern auch kulturgeschichtlich als Autobiografiegenerator wirksam wurde.384 Der Beichtstuhl kann somit als institutionalisierter Enthüllungsort der autobiografischen Rede betrachtet werden. Durch den Beichtstuhl wurden Blick und Berührung von Bekenntnis und Lossprechung zwar isoliert. Aber die Entwicklung des Beichtmöbels zu einem rituell-ästhetischen Objekt schickte taktile und visuelle Aspekte als Akte der Vorbereitung zur Reue (contritio) dem eigentlichen Bekenntnis voraus. Bilder heiliger Sünder/-innen am Möbel fungierten, wie erwähnt, auch als Speculum hominis, als Spiegel einer intendierten Selbstprüfung, für die der Sehsinn vor allem metaphorisch in Anspruch genommen wurde.385 Mit dem Eintritt in den Beichtstuhl verlagerte sie sodann das äußere Tasten und Blicken auf ein inneres Abtasten der eigenen Verfehlungen, auf das introspektive Selbstbekenntnis. Zentral war hierbei der intensive Blick ins autobiografische Innenleben. Summen, Manuale und eine Flut von Beichtspiegeln und Anleitungsbüchern führten das Beichtkind des 17. und 18. Jahrhunderts durch seine zunehmend komplexer werdende Seelenlandschaft. Die Beichtspiegel lieferten dabei das Gliederungsraster für die Formulierung der autobiografischen Rede. Zu den Prototypen dieser Gliederungsraster gehörte auch die eigene Hand als Spiegel des Gewissens im Dienst der Selbsterforschung. Tast- und Sehsinn, Hand und Auge folgten dem gemeinsamen Interesse des reflektierenden Erkennens. Die tastende Hand sollte erkenntnisorientiert agieren und in Verbindung mit dem Sehsinn eine höhere reflexive Erkenntnisleistung garantieren. Im 16. Jahrhundert ging sie als oculus manus in das Emblembuch des Andrea Alciato ein [Abb. 104].386 Die darauf aufbauende Medialisierung der Hand zur Aufdeckung der Sünden konnte zudem auf vorgängige Konzepte der Mnemonik zurückgreifen. Hierzu gehörte vor allem das im deutschen Bereich mehrfach aufgelegte Werk Ars Memoria des Franziskanerpaters Girolamo Marafioti, das der Hand als Locus der Erinnerung nach antiken und mittelalterlichen Vorbildern hohe Bedeutung zuwies.387 Von hier aus wanderte die Hand als „geistliche Hand“ in die noch nicht hinreichend untersuchten Beichtspiegel und Flugblätter als Medium der Repräsentation der Sünde und Gewissensprüfung.388 Die selbstreflexive Eigenschaft der Hand, das eigene Berühren berühren zu können, ist Teil der phänomenologischen Voraussetzungen, die es erlaubten, der Hand auch eine aktive Erkenntnisleistung und Selbstwahrnehmung zuzuschreiben, die sich dann freilich auf den gesamten Leib beziehen sollte.389 Mit Blick auf die Bußleistung des Beichtenden hat die „Lektüre“ der eigenen Hand autobiografischen Charakter, sie ist Struktur und Inhalt zugleich. Aufgrund ihres Handlungspotenzials und Aktionsradius steht die Hand in einem Spiegelverhältnis zum eigenen Körper, dem sie sich gegenüberstellen lässt.

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denen der Körper als Haus dient, natürlich nicht konfessionsspezifisch ist. RITTMEYER 1741 griff als protestantischer Pfarrer bei seinen Buß- und Andachtsbildern auf einen Zyklus zurück, der zuvor bereits von den Jesuiten verwendet worden war, vgl. SEGNERI 1684. 382 Canisius 1723, Kap. „De Poenitentiae sacramento”, S. 137–154, hier S. 138. Übersetzung in CANISIUS 2003, S. 164, und ebenda, S. 317, die Bemerkungen Stephan Leimgrubers zu Canisius’ Bußerziehung. 383 HAHN 1982, S. 409. 384 HAHN 1982, S. 418–423. 385 KATALOG 1983, S. 214, Nr. 204: Speculum Hominis. Schreibmeisterblatt in Form eines Spiegels, das den Betrachter zu Selbsterkenntnis, Reue und Umkehr aufruft; dort auch Literaturangabe: Herbert Grabes: Speculum, Mirror and Looking-Glass. Kontinuität und Originalität der Spiegelmetapher in den Buchtiteln des Mittelalters und der englischen Literatur des 13. bis 17. Jahrhunderts, Tübingen 1973, S. 47 ff. 386 Von hier aus wurde die Figur des Oculus manus zum Attribut des Herrschers, der mit sicherer Hand und prüfendem Auge sein Reich regiert. Vgl. hierzu auch B. Kilians Thesenblatt „Pietas Eucharistica“ (1659), abgebildet in: APPUHN-RADTKE 1988, S. 85, Abb. 48/Kat. Nr. 3; vgl. auch ebd., S. 85–87. 387 Hieronymus Marafioti: De Arte reminiscentiae per loca, & imagines, ac per notas, & figuras in manius positas (1583), später (1603) auch unter dem Titel Ars Memoriae, Seu potiùs Reminiscentiae. Vgl. hierzu: STRASSER 2000, S. 31 f. 388 Zur mnemotechnischen Funktion der Hand BRÜCKNER [1965] 2000a und WENZEL 2003 mit weiteren Literaturhinweisen. 389 Vgl. MERLEAU-PONTY 2004, S. 176. Zu ihrer erkenntnistheoretischen Rolle bei Wittgenstein u. a. GEBAUER 2003.

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104 Oculus Manus (Ecce oculata manus credens id quod videt: ecce Pulegium antiquae sobrietatis olus: Quo turbam ostenso sedaverit Heraclitus, Mulserit et tumida seditione gravem), Emblem, aus: Andrea Alciatus: Emblemata et aliquot … [1492– 1550], Quarta editio. Cum emendatione & auctaio copioso ipsius auctoris, Antwerpen 1584, Emblema XVI (NvdM) 105 Anima mea in manibus meis semper, Merkhand, aus Ignatius von Loyola: Exercitia spiritualia, Antwerpen 1606 (NvdM) 106 Peter Overadt: Manuale Examinis Conscientiae. Ein klarer spiegel, um1610, Kupferstich, 28,9 x 20,5 cm (HARMS 1989, S. 166 f., III, 86)

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107 Christoph Lochner d. Ä.: Geistliche ­Deütung vund Beschreibung vorgemalter Handt, 1607, Kupferstich, 33,1 x 31,0 cm (HARMS 1989, S. 168 f., III, 87).

Canisius’ Katechismus (1555) und die Antwerpener Editionen der ignatianischen Exerzitien [vgl. Kap. 8.4] enthielten seit dem 17. Jahrhundert Illustrationen, die der Hand zur mnemotechnischen Unterstützung bei der Gewissensprüfung eine Leitrolle zumaßen [Abb. 105].390 Die Handlinien enthielten als Kryptogramm, was Psalm 118 (119):109 festschrieb: „Anima mea in manibus meis semper.“ – „Meine Seele ist allzeit in meinen Händen.“ Entlang dem Abzählen der Finger forderte der Handspiegel 1. Danksagung, 2. Suche der Erleuchtung durch den Heiligen Geist, 3. Selbstprüfung, 4. Bitte um Reue und Verzeihung sowie 5. Meiden der Sünde. Damit lieferte die Hand die einfachste Gliederung eines autobiografischen Bekenntnisschemas mit dem Ziel, die „inneren Bilder“ (imagines agentes, imagines oculos) sich vor Augen zu führen und in Worte zu fassen. Betonen die Exerzitien die hohe Bedeutung des Embodiment für die spirituelle Erkenntnis, so knüpfte die körpernahe Medialisierung der Hand unmittelbar daran an. Sei es als „Manuale Examinis Conscientiae“, als „klarer Spiegel“ während der allabendlichen Handandacht, bei der die Finger die Struktur das Beichtsakraments spiegeln [Abb. 104], oder als Tugendimitatio entlang der Finger „Gerechtigkeit“ (Daumen), „Vorsicht“ (Zeigefinger), „Stärke“ (Mittelfinger), „Liebe“ (Ringfinger) und „Gehorsam“ (Kleiner Finger) [Abb. 106, 107].

390 Vgl. Exercitia spiritualia 1676, S. 76; vgl. auch: BRÜCKNER [1978] 2000b, in diesem Zusammenhang bes. S. 479–489. Vgl. zu Canisius’ Wirken in Süddeutschland die Aufsätze von Siegfried Hofmann (S. 41–48) und Herbert Immenkötter (S. 49–54) im KATALOG 1997, zu seiner schriftstellerischen Tätigkeit ebenda, S. 540–563, und zu seiner Bedeutung innerhalb der Katechismusliteratur der Neuzeit die Zusammenfassung von Herbert Stettberger in: CANISIUS 2003, S. 329–332.

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6.5 Neugeburt aus der Grotte

108 Johann Michael Feichtmayr/Franz Joseph Spiegler: Altar St. Magnus Kapelle Gossenzugen, um 1756 (NvdM)

Das Überziehen einzelner Ausstattungsstücke mit Moosen und Tropfsteingewächsen findet sich im gesamten Innenraum von Zwiefalten, vor allem aber am Kanzelensemble und an den Beichtstühlen. Unmittelbar vorbereitet wurde dies durch die Altäre der zu Zwiefalten gehörigen Kapellen von Gossenzugen (St. Magnus) [Abb. 108] und Upflamör,391 aber auch durch Johann Joseph Christians Basrelief mit der hl. Magdalena für den Beichtstuhl von Ottobeuren (1763), das mit den wenige Jahre später entstandenen Zwiefalter Grottenbeichtstühlen in eine begehbare Skulptur übersetzt wurde [Abb. 109]. Insbesondere für den Beichtstuhl drängte sich das Grottenmotiv geradezu auf, galten Höhlen und Ruinen doch traditionell als Behausungen für Büßer/-innen und Anachoreten. Ursprünglich eher Beiwerk (Muri, Steinhausen, Ottobeuren), wurde die Grotte in Zwiefalten nun zum Realschauplatz der Buße. Zeitgleich (1761) wurde eine in dieser Form einmalige Kapelle für die hl. Magdalena, Büßerin par excellence, im Kloster Rheinau am sogenannten „Spitz“ mit einem monumentalen Grottenaltar ausgestattet [Abb. 110].392 Anstelle der Retabel errichtete man monumentale Höhlen und Einsiedeleien, versetzt mit Muschelwerk und Rocaillen, und setzte geradezu unverhältnismäßig kleine Figuralplastiken der hll. Magdalena, Benedikt und des sel. Nikolaus von Flüe hinein.393 Auf der Schwelle zwischen Ornament und eigenständigem Sujet rückte das Motiv der Grotte zusehends in den Vordergrund und bewegte sich in den Erfahrungsraum der Besucher hinein.

109 Johann Joseph Christian: Die büßende Magdalena in einer Einsiedelei, Beichtstuhlrelief über einem Beichtstuhl in Ottobeuren, um 1760 (NvdM)

391 Vgl. zu den Grottenaltären in den beiden genannten Kapellen: KOLB 1990, S. 383. 392 Dies dürfte nicht zuletzt auf das Interesse seines Initiators (Prior Hohenbaum van der Meer) an Naturalien zurückzuführen gewesen sein. 393 Das Grottenwerk der Magdalenakapelle wurde 1930/31, als man die Kapelle für den protestantischen Gottesdienst des psychiatrischen Krankenhauses einrichtete, abgebaut. Vgl. FIETZ 1932, S. 41 f. Ähnlich wie im Kloster Einsiedeln stand die Magdalenakapelle von Rheinau im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf die Beichte. Vgl. OECHSLIN/BUSCHOW OECHSLIN 2003, S. 455–466. 394 FRANKE 2000, S. 1086.

Aufgrund ihrer hohen körperlichen Erlebnisqualität hatte sich in den Barockgärten des 17. und 18. Jahrhunderts die Grotte längst zum attraktiven Refugium der melancholischen Besinnung, der kulinarischen Lüste und der heimlichen Begegnungen entwickelt.394 Gebaute und wirkliche Natur gingen dabei ebenso ineinander über wie die profanen und theologischen Aspekte des Refugiums „Grotteneinsiedelei“. So wurden bereits in Barockgärten des 16. Jahr-

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110 (links) Magdalenenkapelle am sog. Spitz („Spitzkirche“), Kloster Rheinau, mit der büßenden Magdalena in einer Grotte, flankiert vom Ordensgründer Benedikt (links) und dem sel. Nikolaus von der Flüe (rechts), 1761, Ausmalung nach Vorschlägen des Priors P. Moritz Hohenbaum van der Meer, Ausführung durch Stuckateur Bernhard Heinz (Bonndorf), Bildhauer Johannes Reindl (Konstanz) und Maler Conrad Wenger, abgebrochen 1930 (FIETZ 1932)

111 (oben) Christian C. L. Hirschfeld: Eremit in Einsiedelei, aus: HIRSCHFELD 1785, Bd. 3 (NvdM)

hunderts künstliche Einsiedeleien mit echten Geistlichen besetzt. Mit eigenen Ablassrechten versehen, boten sie dem Gartenbesucher eine sakramental gültige Buße an.395 Noch 1781 schreibt Christian C. L. Hirschfeld in seiner Gartentheorie der Grotte eine „Kraft zur Erweckung interessanter Erinnerungen oder ergötzender Phantasien“ zu. Was Grotte und Einsiedelei miteinander verbinde, sei ihre architektonische „Einfalt“.396 Während Hirschfeld für die Grotte auf englische Vorbilder der Gärten Stowes und Twickenhams verweist, nennt er für die Einsiedeleien reale Vorbilder der Schweiz (Rigi). Gott selbst, so erläutert er unter ganz anderen Voraussetzungen als die Ordensgemeinschaften, wohne in der Zelle, die dem Einsiedler eine angemessene Behausung biete, um sich seinen frommen „Bußübungen“ und „Betrachtungen“ hinzugeben. Und weil die Erinnerung an den Einsiedler selbst schon eine „Äußerung der Tugend“ darstelle, empfiehlt der Gartentheoretiker, für jene „Denkmäler der Tugend“ auch im Garten einen Platz vorzusehen [Abb. 111].397 Unsichtbare Maschinerien, die ein mythologisches Grottenpersonal in Bewegung setzten, erfüllten hier jene Funktion, die das „unsichtbare Räderwerk“ des Bußsakraments im Grottenbeichtstuhl übernahm. Ihre Ingenieure und Baumeister, etwa Salomon de Caus, lieferten schon ab dem frühen 17. Jahrhundert instruktive Entwürfe für Grottenschauspiele, deren Maschinerie in der Regel verdeckt blieb.

395 TANDECKI 1987, S. 132. 396 HIRSCHFELD 1780, Bd. III, S. 93, 97. 397 HIRSCHFELD 1780, Bd. III, S. 98.

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112 „Das Licht durchdringt das Dunkel der Höhle“, Detail aus dem Titelkupfer von 1671

398 399 400 401 402 403

BREDEKAMP 1981. BLUMENBERG 1998, S. 113 f. TANDECKI 1987, S. 115. TANDECKI 1987, S. 117 f. BREDEKAMP 1981, S. 14 f. DEO GRATIAS 1690, S. 15; JUBELFEIER 1789, S. 143.

Die Dunkelheit der Grotte brachte, wie Horst Bredekamp zeigte, eine produktive, mit Gott verbundene Kraft des Erdenleibes ans Licht, die das Tageslicht selbst verbarg.398 Wie das Titelkupfer zu Athanasius Kirchers Ars magna Lucis et Umbrae (1646) zeigt, fußt das barocke Grottenmodell unter anderem auf einer Umkehrung des platonischen Höhlenmythos [Abb. 112]. Was das menschliche Sinnesvermögen mithilfe eines Fernrohrs nur als verhältnismäßig schwaches Bild hervorzubringen vermag, dringt in die Grotte als starker Erkenntnisstrahl ein. In der lichtarmen Tiefe der Grotte offenbart sich eine transzendente Erkenntnis, die unter dem Einfluss des Tageslichts immer nur eingetrübt erscheinen kann.399 Was sich in der Grotte zeigen sollte, nämlich das innere Selbst, trat sozusagen im Licht der Dunkelheit hervor. Konnten Einsiedeleien und Grotten seit Ende des 14. Jahrhunderts als Zufluchtsorte mit religiösem Hintergrund gelesen werden, so beruhte diese Nutzung auf einer synkretistischen Verschränkung des Locus Amoenus mit dem als Locus Voluptatis verstandenen Garten Eden.400 Die von Teresa von Avila und Juan de la Cruz ausgelegte biblische Gartenmetaphorik des Hortus conclusus im Hohenlied lieferte die literarische Voraussetzung einer metaphorischen Vereinigung der bräutlichen Menschenseele mit dem göttlichen Liebhaber im Locus Voluptatis. Juan de la Cruz verlegte diese Vereinigung in die Klosterzellen und Grotten der Gärten, in denen er ganze Nächte zubrachte. Wie Daniela Tandecki zeigte, waren solche Meditationen, die Christus als Amor und Maria als Braut verstanden, vor allem in Deutschland von sexuellen Metaphern durchwirkt – etwa wenn Friedrich Spees 1634 in seinem Gedicht Geistlich Poetisches Lustwaeldlein schrieb: „O starcke Lieb! / O Hertzen dieb! / Was wilt mit mir vil pochen? / Kann wider dich / Doch nichtes ich, / Mein Seel hast Du durchstochen.“401 Wenn die Grotte an dieser erotisierenden Metaphorik verdeckt teilhatte, so ist dies nicht allein auf ihre Rolle als Ort der mystischen Vereinigung zwischen Einsiedler und Jesus bzw. Maria zurückzuführen. Auch die Analogiebildung zwischen Mutterschoß und Erdgrotte, die in der Gleichsetzung des marianischen Mutterschoßes mit der Berghöhle ihre bewährte theologische Vorgeschichte hatte, floss hierin ein.402 Für das Kloster Zwiefalten, das seine Entstehung und Blüte von jeher auf das Gründungsdatum Mariä Geburt zurückführte, war die Anwendung dieser Metaphorik naheliegend: Die genealogische Linie zwischen Maria und der Klostergründung erlaubte es, Zwiefalten selbst als „allerheyligste Gebährerin“ und das Gotteshaus als „fruchtbare Mutter“, als Magna Mater auszuweisen, die so viele Kinder zählt, „als Mönche dieses geheiligte Thal bewohnen“.403 Freilich handelte es sich hier stets um metaphorische Wendungen, doch fanden diese wohl im Grottenmotiv ihren sichtbaren Ausdruck. In der Grottenornamentik des spätbarocken Baus könnte die Analogie zwischen marianischer Geburtshöhle und gebärendem Gotteshaus ihren sichtbaren Niederschlag gefunden haben. Mit den skulptural ausgearbeiteten Grottenbeichtstühlen, deren Retabel sich unmittelbar auf den klösterlichen Geburtsakt beziehen, erfuhr die Verschränkung des Höhlenmotivs mit einer Höhle der Neugeburt vielleicht ihre äußerste Zuspitzung. Die sakramentale Neugeburt des Beichtenden durch die Beichte lieferte hierfür die dogmatischen Grundlagen. Peter Sloterdijk würde

6 Grottenbeichtstühle und andere Bekenntnisräume (um 1770)

wohl in diesem Zusammenhang den Ausdruck der „uterus-mimetischen Umhüllung“ verwenden, was zutrifft, wenn in der „Mimesis“ neben dem Nachgeahmten auch dessen metaphorische Transformation mitgedacht ist.404 Mit dem Geist des Tridentinums – dulce et utile – lässt sich diese „Erotisierung“ des Beichtakts nicht mehr erklären. Im Grottenmotiv der Beichtstühle ist die pikante Aufweichung des vom Konzept der katholischen Reform her körperfeindlichen Bußsakraments schon sichtbar eingeschrieben. Sie schlägt sich in ganz anderer Weise in den Beichtkatechismen nieder, etwa jenem des Zwiefalter Paters Columban Habisreuttinger. Das über vierhundert Seiten währende Gespräch zwischen einer Ordensfrau und ihrem Beichtvater kündet nicht nur von einer Liberalisierung des Bußbekenntnisses – in dem das eigene Verhalten bloß noch mit „mittelmäßigem Fleiß“ durchzugehen sei –, es liest sich auch wie das neurotisch-erotische Gezänk eines in die Jahre gekommenen Liebespaares.405

404 SLOTERDIJK 1999, S. 443. 405 HABISREUTTINGER 1741, S. 142.

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406 Zur Entwicklung Spieglers und den Einflüssen vgl. vor allem HOSCH 1993 und NEUBERT 2008, besonders S. 225–234 mit Blick auf die venezianische Settecentomalerei, insbesondere auf Giovanni Battista Piazetta (1682–1754). 407 Zum Vergleich Tiepolos Fresko im Treppenhaus der Würzburger Residenz mit ca. 30 x 18 m. 408 Vgl. NEUBERT 2007 und KOLB 1991, die Korrekturen durch HOSCH 1992 sowie HOSCH 1993, auf dessen Manuskripten auch KOLB aufbaut. 409 KOLB 1991, S. 344 f., 363–366. Spiegler arbeitete hauptsächlich für süddeutsche und Schweizer Benediktinerklöster: Ottobeuren 1723–1725, St. Blasien 1724, St. Peter 1728/29, Zwiefalten 1728, Mariastein um 1730; ENGELBERG 1731, Zwiefalten (Mochental) 1734, Weingarten 1738, St. Peter 1739, Ochsenhausen ab 1743/44, Muri 1746, Zwiefalten 1747–1753, Säckingen 1753/54. 410 Zur Datierung des Langhausfreskos vgl. Paulus 1888, S. 180 f. Spiegler erhielt nach dem Testament der Witwe insgesamt 6600 fl. für die Fresken und das Hochaltarblatt. Diese Summe setzte sich zusammen aus: 675 fl. für das Chorfresko, 725 fl. für den Mönchschor, 50 fl. für die SeitenFelder, 2175 fl. für Kuppel und Erdteile in den Zwickeln, 366 fl. für die Querhausfelder, 2410 fl. für das Langhausfresko und ca. 200 fl. für die Kartuschen. Vgl. hierzu: NEUBERT 2008, S. 186 f., 598; HOSCH 1992, S. 85; KOLB 1991, S. 438–458. HALDER 1997, S. 303, setzt mit Verweis auf HOSCH für das Langhausfresko den Preis auf 2000 fl. an, KOLB 1991, S. 450, spricht hingegen von 2500 fl. Der an Spiegler gezahlte Betrag entsprach ungefähr einem Fünfzehntel der jährlichen Gesamteinnahmen des Klosters. Vgl. Anmerkung 3. Zum Vergleich: Cosmas Damian Asam wurden für die Fresken in Weingarten 7500 fl. zugesprochen. HITCHCOCK 1968, S. 235.

Go, Atlas, go!

Franz Joseph Spieglers künstlerische Reife vollzog sich spät.406 Als sich der Sechzig­jährige 1751 an die Ausmalung des Langhauses von Zwiefalten machte und mit der Aufgabe betraut war, eine Fläche von rund 405 m2 (ca. 27 x 15 m) zu füllen,407 konnte er zwar auf ein umfangreiches Œuvre zurückblicken, doch sollte das nun Folgende alles Vorangegangene an Qualität und Umfang weit übertreffen. Die ersten größeren Werke des Malers fallen in das vergleichsweise späte Lebensalter von etwa fünfunddreißig Jahren: Hierzu gehörte zunächst die Ausmalung des Treppenhauses und des Theatersaals von Ottobeuren (1724/25), dann die Freskierung der Klosterkirche St. Peter/Schwarzwald (1727/28), die Arbeiten für Salem (1730), die Freskierungen der Deutschritterordenskirche in Merdingen (1739–1741), der Schlosskirche St. Katharina in Wolfegg (1735), der ehemaligen Klosterkirche der Augustiner-Eremiten in Konstanz (1740) und der Pfarrkirche St. Martin in Altheim (1747). Neben diesen Großaufträgen entstanden zahlreiche Altarblätter, unter anderem für Engelberg (1731), Mariastein (1735),Weingarten (1738) und Muri (1746).408 Mit Zwiefalten hatte Spiegler bereits 1728/29 zu tun, als er die Prälatur des Klosters mit Marienszenen freskierte und in einem Folgeauftrag 1733/35 die Deckenbilder und Altäre für die Propstei Mochental, die Sommerresidenz der Zwiefalter Äbte, ausführte.409 In der neuen Klosterkirche von Zwiefalten arbeitete sich Spiegler dann im Wesentlichen von Osten nach Westen vor. Während der Freskierung des Presbyteriums (1747/48), des Chores (1748), der Kuppel (1749/50) und der Querhäuser (wohl 1750) konnte er sich mit dem Raumcharakter und den Lichtverhältnissen der Architektur Johann Michael Fischers vertraut machen [Abb. 1 u. 2].410 Was mit dem Langhaus 1751 folgte, darf als eines der monumentalen Glanzstücke der spätbarocken Freskenmalerei bezeichnet werden, das auch von Spiegler selbst nicht mehr überboten wurde [Abb. 113 u. 114]. Sein letztes Großprojekt, die Freskierung des Fridolinsmünsters von Bad Säckingen (1752–1754), stand aufgrund der sehr viel komplizierteren und einschränkenden Raumverhältnisse hinter dem hier geschaffenen Deckenbild zurück [Abb. 115]. Aus der gelungenen

7 Langhausfresko: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus (1751)

113 Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Zwiefalten: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus, 1751, 27 x 15 m (NvdM)

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113 Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Zwiefalten (Diagramm), 1751 (NvdM)

7 Langhausfresko: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus (1751)

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Verknüpfung des Zwiefalter Langhauses mit dem architektonischen Gesamtgefüge sowie mit den umliegenden Altären und Fresken resultiert ein faszinierender Effekt, der auf einer gleichsam sich selbst regenerierenden Bildästhetik aufbaut. Der staunende Eindruck, wieder und wieder neue Ansichten und Bilder geboten zu bekommen, beruht auf einer antihierarchischen Verteilung der Bildzentren und einer figurativen Dynamik des Deckenpersonals, das nur beim ersten Hinsehen in der blassen Trinität sein Zentrum besitzt. Was sich in Andrea Pozzos Ausmalung für San Ignazio in einer letztlich statischen Hierarchie erschöpfte, regeneriert sich in Zwiefalten gleichsam unerschöpflich von den Rändern her.411

7.1 Enérgeia Die umlaufende Randzone des Langhausfreskos nennt ein frühes, wohl von Abt Benedikt Mauz wohl um 1744 verfasstes Konzeptfragment „Regiones terrestres“. Die nähere Differenzierung dieser terrestrischen Regionen im Konzept enthält zahlreiche topische Hinweise wie „in einem grossen Disputationssaal“, „auf dem Meer“, „Gegen uber zu Land“, „In einer Insul“, „Gegen über in einem Meerport“ etc.412 Das Fresko spiegelt diese lokalen Bestimmungen nicht direkt wider. Allerdings scheint mit der Gliederung des in einem Rocaillerahmen befindlichen Langhausfreskos in eine terrestrische Rand- und eine zentrale Himmelszone eine elementare Ordnung (Wasser, Erde, Luft, Feuerflammen) nach wie vor beabsichtigt. Denn die Regiones terrestres rahmen eine innere Zone ein, deren einzelne Partien analog Regiones coelestes genannt werden können. Was entwickelt sich zwischen, was an den Rändern dieser Zonen? Spiegler schied die Regiones terrestres von den Regiones coelestes durch ein Oval, das aus seiner Längsachse herausgedreht ist.Vielleicht ist diese Bezeichnung aber schon zu ungenau. Die Drehung des Ovals und die an seinen Randzonen angedeuteten Wirbel geben eher Anlass, von einem rotierenden Ellipsoid zu sprechen, das die Kraft des Windes sichtbar in sich trägt. Im Übergang zu weiteren um das Langhaus gelegten Freskokartuschen ließ Johann Michael Feichtmayr den Rahmen des Langhausfreskos durch wogende Rocaillen aufspringen. Die unter anderem aus der Muschel („Venus“) abgeleitete Rocaille berührt sich an der Randzone der Regiones terrestres mit aquatischen Motiven, wie braunen Wellen, Muschelschalen (B 2, B 8, F 2), Gnadenströmen (E 9) und einer Amphore (F 9) [Abb. 114 u. 116]. Spiegler griff dazu offenbar Hinweise der Konzeptfragmente auf, die einzelnen Szenen des Langhausfreskos „Gegen uber zu Land“, „in einer Insul“, „in einem Meerport“ oder „auf einem Meer“ spielen zu lassen.Vielleicht ist man von einer allzu plakativen Meeresszene in einem späteren Planungsschritt abgewichen, zumal in einem anderen Fall das „hinkleksen von Seestücken“ an einer doch dem Himmlischen vorbehaltenen Kirchendecke keineswegs als besonders sinnig angesehen wurde.413 Spieglers Kunstgriff bestand darin, eine braune Tonigkeit zu wählen, die einerseits Himmel, Erde und Wasser motivisch ineinander übergehen lässt, andererseits sich dem gesamten Raumkolorit anpasst. So findet sich der Betrachter unter einer gemalten terrestrischen

115 Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Bad Säckingen: Apotheose des hl. Fridolin, 1752–1753, ca. 15,00 x 5,40 m

411 Vgl. zur jüngeren Neubewertung Pozzos als Maler-Architekt, auch mit Blick auf seine Bedeutung für den süddeutschen Raum, KARNER 2012. 412 Vgl. Konzeptfragment LA I, 2v (um 1744). 413 WERNER (1781), in BAUER 1980, S. 70, in Bezug auf J. B. Zimmermanns Lepanto-Darstellung (1738) in Prien am Chiemsee.

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116 Franz Joseph Spiegler/Johann Michael Feichtmayr: Ornament und Amphoren, Detail aus dem Langhausfresko Zwiefalten, 1751 (NvdM) 117 Dreifaltigkeit, Maria mit dem Gnadenbild Mater Monachorum und dem Ordensgründer Benedikt, Detail aus Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko, 1751 (NvdM)

7 Langhausfresko: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus (1751)

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118 Franz Joseph Spiegler: „Mater Monachorum“, Langhausfresko Zwiefalten, 1751 (Detail) (NvdM)

Randzone in einem Meer von Bildern wieder. Was die frühen Konzeptfragmente und einzelnen Randmotive andeuten und was auch von Zeitgenossen wiederholt vermerkt wurde, deckt sich mit einem weiteren Eindruck: der Ähnlichkeit der umlaufenden Rocaillen mit „Meereswellen“ und „zerschäumender Gischt“.414 Sprach Karsten Harries für den Rocaillestil von einer „wedding of sky and water“, deren mirakulöse Seite sich in der Figur der Stella Maris äußere,415 so reicht diese Vermischung der Substanzen im erdgefärbten Himmel, in den Rocaillen, den Gnadenstrahlen und -strömen des Langhausfreskos weiter – als eine „Hochzeit“ der vier Elemente. Eine eingehende Betrachtung wird später allerdings noch zeigen, dass sich die Funktionsweise der Rocaille hierin nicht erschöpft. Zurück zum Zentrum des Langhausfreskos [Abb. 117]: Das Rotationsellipsoid, selbst eine dynamische Figur, wird von der Zickzackbewegung eines Gnadenstrahls durchzogen – unterhalb der Trinität, ausgehend von der Gottesmutter (D 4), bricht sich der Strahl in einem von zwei Engeln getragenen Marienbild (D 5) [Abb. 118], das zu Recht als Darstellung des Gnadenbildes von San Benedetto in Piscinula angesprochen wurde [Abb. 119]. 416 Das Gnadenbild, das auch aufgrund von Überarbeitungen schwer zu datieren ist, befindet sich noch heute an seinem ursprünglichen Ort in Trastevere. 417 Im Original umfasst Maria sanft das Jesuskind. Die linke Hand im Segensgestus, hält das Kind in der rechten Hand ein kleines Kreuz vor der Brust Mariens.Vor dem Bild soll der hl. Benedikt als Student gebetet und die Inspiration erhalten haben, nach Subiaco zu gehen; doch bleibt diese Begebenheit in der Vita Benedicti Gregors des Großen unerwähnt. Die früheste bekannte Quelle für das Gnadenbild ist Jean Mabillon, der die Kirche San Benedetto in Piscinula im Februar 1686 besuchte.418 Eine gezielte Propagierung des Gnadenbildes als Mater Monachorum, als Mutter aller Ordensmitglieder, begann wohl erst im späten 17. bzw. im frühen 18. Jahrhundert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Benediktinerorden zwar ei-

119 Gnadenbild „Mater Monachorum“, San Benedetto in Piscinula/Trastervere (NvdM)

414 Vgl. Konzeptfragment LA I, 2v: „Auf dem Meer streiten obgedachte Equestres in Velis crucem“. Vgl. KREUZER 1964, S. 24; ZÜRCHER 1967, S. 38. 415 Vgl. HARRIES 1983, S. 195. 416 SCHURR 1910, S. 95: „Es ist dies das Gnadenbild in der Kirche des hl. Ambrosius zu Rom, welches der hl. Benediktus in seiner Jugend besonders verehrt haben soll.“ POHL 1952, S. 101: „[…] jenes der Kirche des hl. Ambrosius“; KREUZER 1964, S. 20 (San Benedetto in Piscinula), ebenso SCHÖMIG 2000, S. 23. 417 Vgl. GUIGLIA GUIDOBALDI/BERTELLI 1979, S. 85, 114. WEISSENBERGER 2007, Katalog

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der ­Römischen Mariengnadenbilder, S. 22 nimmt wie POHL 1952 an, es handle sich dabei um jenes Bild, das sich seit 1863 in der Kirche Sant’Ambrogio alla Massima im zweiten linken Seitenaltar befindet. Dieses Bild wurde allerdings erst 1846 bei Bauarbeiten in San Benedeto entdeckt. Es handelt sich hierbei um eine Mariendarstellung des 13. Jahrhunderts, die bei Maurerarbeiten beschädigt wurde. Das Fragment des Gesichts wurde abgenommen und nach Sant’Ambrogio gebracht: „Die Ergänzungen aus dem 19. Jahrhundert empfinden die Darstellung in San Benedetto in Piscinula, entsprechend der Kopfneigung Mariens, seitenverkehrt nach.“ PÖRNBACHER 2015, S. 319–327, bes. 324. Für diese und weitere Hinweise danke ich Mechthild Pörnbacher. Für die Zeit des 17. Jahrhunderts ist bislang keine Verehrung des Gnadenbildes nördlich der Alpen belegt. Der Zyklus der Benediktsvita im Zömeterium von Zwiefalten (nach einem Zyklus aus dem 17. Jahrhundert) zeigt das Gnadenbild nicht, das seit dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem jungen oder dem Tod des Benedikt seinen Platz hat. Das Bild wurde wohl erst durch MABILLON 1724, S. 145, und dem hierin geschilderten Besuch in Trastevere im Jahre 1686 bekannt („[…] Illic orasse, et prope habitasse ferunt Benedictum puerum, cuius palatii rudera et macerias in proximo ostendunt.“). Als autonomes Darstellungsmotiv im Zusammenhang mit Darstellungen der Vita Benedikts findet es sich in Fischbachau und Zwiefalten (vgl. die weitere Verbreitung des Bildes bei PÖRNBACHER 2015, S. 325). 418 MABILLON 1724, S. 145. 419 TOBLER 1979, S. 37–39; möglicherweise rührt nicht zuletzt auch hierher das Sant’ Ambrogio-Missverständnis.

120 Carlo Grandi: „Mater Monachorum“, San Benedetto, 1742, Kupferstich (TOBLER 1991)

121 „Mater Monachorum“, San Benedetto in Piscinula, von einem der Klauber in Augsburg hg. Andachtsbildchen von 1784. Im Zentrum der hl. Benedikt mit dem Gnadenbild „Mater Monachorum“, seitlich die von Benediktinern betreuten Gnadenbilder Mariazell, Wessobrunn, Einsiedeln, Ettal (TOBLER 1991).

gene Gnadenstätten betreut (Ettal in Bayern, Maria Plain und Mariazell in Österreich, Einsiedeln in der Schweiz, Notre-Dame-du-Puy in Frankreich, Montevergine in Italien, Montserrat in Spanien und Tschenstochau in Polen), jedoch ohne den Versuch zu unternehmen, ein eigenes Gnadenbild für den gesamten Orden zu propagieren. Seit dem 18. Jahrhundert wurden, etwa von Carlo Grandi (1742) oder einem der Klauber (1784), (seitenverkehrte) Stiche der Mater Monachorum angefertigt und verbreitet [Abb. 120, 121].419 Exklusives Bildthema (neben Darstellungen innerhalb der Benediktsvita) wurde das Gnadenbild aber erst mit einem Seitenschifffresko der ehemaligen benediktinischen Klosterkirche Fischbachau/Bayern (1750) [Abb. 122] und kurz darauf (1751) in großem Stil in Zwiefalten. Mit der Mater Monachorum dürfte der Autor des Langhausfreskos, Abt Benedikt Mauz, jedenfalls ein auch für den Benediktinerorden aktuelles Thema aufgegriffen haben. Zurück zum Langhausfresko: In dem Kreuz, welches das Jesuskind auf dem Gnadenbild der Mater Monachorum in der Hand hält, bricht sich der Strahl, um von hier ausgehend auf das augenblicklich Funken sprühende Herz des hl. Benedikt zu treffen [Abb. 123]. Von hier aus ergießt er sich als Flammenzungen über zahlreiche Verehrer und Propagandisten des Marienkults, also die untere Hälfte der Regiones coelestes, die im Konzeptfragment als „Author Ternae“ und „Author Hymni“ überschrieben sind [Abb. 124]. Abgebildet sind Gregor der Große (E 6), Petrus Damiani/Kardinal (E 7), Petrus Eremita/Rosenkranz (D

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122 Melchior Puchner (1695–1758): Verehrung der Mater Monachorum durch den hl. Benedikt, inmitten der Gnadenbilder Ettal, Altötting (Bayern), Mariazell (Österreich), Pötsch (Pécs, Ungarn), Tschenstochau (Polen), Santa Maria Maggiore (Italien), NotreDame-du-Puy (Frankreich) und Einsiedeln (Schweiz), 1737/38, 2,10 x 1,80 cm, nördliches Seitenschiff, St. Martin, Fischbachau (NvdM)

7), Hermann der Lahme/halb liegend (D 7), Ildefons von Toledo oder Edmund von Canterbury/Ordensgewand (D 6), Bernhard von Clairvaux (D 6) und Papst Urban II. (D 7 oder C/D 6?).420 Von den Flammenzungen erfasst (man denke an das Pfingstwunder), werden die kreativen Träger des Marienkultes augenblicklich zum Verfassen marianischer Schriften, Hymnen und Gesänge inspiriert. Die oben beschriebenen, aus ca. sechzig Figuren bestehenden acht Teilszenen der zentralen Himmelszone sind auf einen Augenblick verdichtet, der die Besonderheit und Ereignishaftigkeit des Moments hervorhebt.421 Benedikts Inspiration beim Betrachten des Bildes Mater Monachorum wird als Initialzündung zur Ordensgründung gedeutet und allegorisch überhöht. Der Gnadenstrahl mit den Stationen Maria – Gnadenbild – Benedikt – heilige Marienverehrer verbindet die Hauptfiguren des Langhausfreskos und verleiht dem Bildzentrum eine Dynamik, die sich auf alle Teilszenen, auch die irdischen, auswirkt. Der Strahl macht theologisch gesprochen jene Gnadenwirkung (enérgeia) sichtbar, die vom Urbild

420 Konzeptfragment LA II (um 1749/50) Pro 4.ta parte, „Inventores diversorum modorum colendi B. M. V. Item promotores“, „Author ternae“, „Author Hymni“. Vgl. auch die auf Schurr 1910, S. 96, und Kreuzer 1964, S. 20, aufbauenden Identifikationen bei HOSCH 1992, S. 97, Anm. 124, und Kolb 1991, S. 451, sowie summarisch NEUBERT 2007, S. 211. Das Konzeptfragment LA II gibt die Hymnen, Antifonen und Litaneien an, die den Autoren zugeschrieben werden: Joscius (Cultus Nominis B. M. V.); Petrus Eremita (Rosenkranz); Urban II. (Cursus Mariani); Edmundus („O Intemerata“); Hermann vom Kloster Reichenau (d. Lahme) („Salve Regina“, „Alma Redemptoris“); Bernhard von Clairvaux („Ave Maris Stella“); Gregor d. Gr. („Regina Coeli“, „Stabat Mater “); Ildefons (Litaneien zu Mariä Himmelfahrt); Petrus Damiani (Offizium). – Bei Figur C 6 handelt es sich möglicherweise um Urban II. und bei D7 um Anselm von Canterbury (der Hymnen und Marienpsalter verfasste). Dieser ist, die zwar nicht in den Konzeptfragmenten aufgeführt, traucht jedoch als prominente Figur in diesem thematischen Kontext häufig auf. Vgl. Kuppelfresko Rott am Inn (1761–63), Münsterschwarzach (1740). 421 1. Dreifaltigkeit (C/D 3 + 4); 2. Maria (D/E 4); 3. Gnadenbild Mater Monachorum (C/D 5); 4. Benedikt als Marienverehrer (vor dem Gnadenbild, das ihn zum Gang nach Subiaco inspirierte) (D 5 und 6); 5. Gregor d. Gr. schreibt den Marienhymnus (vgl. Figur des Evangelisten im Hochaltar); 6. Hl. Scholastika und das frühe Gefolge Benedikts (SCHURR 1910, S. 95), Placidus, Maurus, Hildegard (und Papst Gregor d. Gr.?); 7. Heilige Marienverehrerautoren mit Bernhard von Clairvaux zusammen mit männlicher Figur, die durch Berühren eines Muttergottesbildes herabgestoßen wird (D 6 und 7–E 7); 8. Gregor d. Gr. (E 6); Engel tragen ausgehend von dem Mater-Monachorum-Bild eine Muttergottesstatue auf die Erde herab in Richtung der Chlodwigund-Chlothilde-Szene (C 5).

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123 Ordensgründer Benedikt, Langhausfresko Zwiefalten, 1751 (Detail) (NvdM) 124 Franz Joseph Spiegler: Marienverehrer (v. r. n. l. und von o. n. u.: Gregor der Große, Petrus Damiani, Petrus Eremita mit Rosenkranz, Hermann der Lahme, Ildefons von Toledo oder Edmund, Bernhard von Clairvaux, Bischof?), Langhausfresko Zentrum, Zwiefalten, 1751 (NvdM)

422 Aus dem byzantinischen Bilderstreit geht ein Abbild-Urbild-Verhältnis hervor (Nicäa 787), nach dem die Kraft (enérgeia) des Urbildes auf das Abbild übergeht, wobei die dargestellte Person (Maria, Jesus) als Urbild und ihr Bild als Abbild bezeichnet wird. Das Kultbild Mariens ist Abbild ihres Urbildes (der Person Maria). Vgl. auch Johannes von Damaskus: „Urbild ist das, dem etwas nachgebildet, von dem ein Abbild gemacht wird.“ Zitiert bei BELTING 1990, S. 560, vgl. auch S. 563. 423 Zur Rolle der Enérgeia (Wirkkraft) in den Synodalbriefen der Patriarchen des Ostens vgl. GAUER 1994, etwa S. 34 f. Zu den in der Ikone der Ostkirche wurzelnden phänomenologischen Voraussetzungen des Urbild-Abbild-Verhältnisses im spätbarocken Gnadenbild siehe BRÜCKNER [1999] 2000e, S. 511.

(prototypos) Maria auf ihr „wahres“ Abbild (paragogos) übergeht und einerseits die marianischen Schriften der himmlischen Region, andererseits weitere Marienbilder der Randzone, also der Regiones terrestres, berührt und inspiriert.422 Das Gnadenbild der Mater Monachorum wird damit zur Schaltstelle und zum zentralen Mittlerbild.423 Der Gnadenstrahl und seine Flammen schlagenden Ausläufer lassen eine mediale Energieübertragung zwischen Maria, (Gnaden-)Bild und Wort (bzw. Gesang) sichtbar werden. Um es auf zwei knappe Sätze zu bringen: Spieglers Langhausfresko handelt von der Wirkungsmacht der Gnadenbilder.Was sich heilsgeschichtlich im Zentrum ereignet, wird in der Randzone in die Weltgeschichte hineingetragen, um in den Seh- und Gehbewegungen der Kirchenbesucher stets von Neuem präsent und bestätigt zu werden.

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Bis hierher wurde nur ein geringer Teil des Figurenpersonals im Langhausfresko erwähnt. Die nun folgende Beschreibung soll auf die terrestrische Randzone eingehen, die entlang des Rahmens verläuft und acht (oder, wenn man die Eckszenen mitzählt, zwölf) Figurengruppen und insgesamt rund hundertvierzig Figuren umfasst. Die weitgehende Identifikation der Szenen erlaubt ein zweites, wohl von Benedikt Mauz um 1747/48 verfasstes lateinisches Konzeptfragment, das mit „Pro 4ta parte“ (Autoren marianischer Schriften und Gesänge) und „Pro 5ta parte“ (Verbreiter des Marienkults) überschrieben ist und zeitlich wohl unmittelbar auf das deutschsprachige Fragment mit den ersten drei Partien (Trinität, Maria/Gnadenbild, Benedikt/Marienverehrer) folgte.424 Wie sich weiter unten zeigen wird, erklärt sich der Sprachwechsel der Konzeptfragmente vom Deutschen ins Lateinische wohl auch aus der Benediktiner- und Jesuitenliteratur des 17. Jahrhunderts, aus der sich Mauz beim Entwurf des Langhauspersonals exzerpierend bediente. Dabei verweisen die zahlreichen Ausstreichungen im zweiten Fragment LA II nicht auf konzeptionelle Korrekturen, sondern umgekehrt auf eine Auswahl dieser Szenerien für das Langhausfresko. Zudem enthalten einige Exzerpte in der rechten Spalte Randnotizen, die weitere Aspekte in Hinblick auf die Umsetzung für das Fresko enthalten.425 Innerhalb der Regiones terrestres scheinen die Pole an den Längsachsen betont. Die Identifizierung der dort dargestellten Szenen wirft größere Probleme auf, da sie wohl einen eher allegorischen Charakter besitzen. Ferner lässt sich feststellen, dass sie eher auf Zuständlichkeit angelegt sind, während die jeweils drei Szenen an den Längsseiten links und rechts bei einem friesartigen Entlangschreiten wechselnde „historische“ Situationen handlungsstark ins Bild setzen. Einer der betonten Übergänge zwischen den Regiones coelestes und den Regiones terrestres findet sich in dem Engelspaar (C 5), das eine Muttergottesstatue zur Bekehrungsszene Chlodwigs durch Clothilde (um 492) hinabträgt (B 5). Inmitten des Hofstaates aus Adeligen und Lanzenträgern426 erhält der auf einem Kissen kniende Chlodwig von seiner künftigen Gattin Clothilde einen Rosenkranz mit einer Medaille 125 Franz Joseph Spiegler: Clothilde und Chlodwig („Zerstöre, was du angebetet hast, bete an, was du zerstört hast“), Langhausfresko Norden, Zwiefalten, 1751 (NvdM)

424 Konzeptfragment LA II, 2v f. 425 Dieses Vorgehen des Konzeptautors wurde von mir erstmals im Rahmen eines Vortrages am Landesgeschichtlichen Institut Stuttgart (Franz Quarthal) im Januar 2006 vorgestellt und im Rahmen eines weiteren Vortrages auf der Tagung „Maria in der Krise“ (München) im Juli 2007 weiterentwickelt. 426 KOLB 1991, S. 419, vermutet in den Lanzen Kirchturmspitzen. Vgl. zur erwähnten Szene auch die Meraner Skizze ebenda.

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126 Franz Joseph Spiegler: Clothilde und Chlodwig, 1750, Öl auf Leinwand, 30 x 45 cm, unsigniert, undatiert, Städtisches Museum, Meran (Inv.-Nr. 421, NEUBERT 2007)

427 „Zerstöre, was du angebetet hast, bete an, was du zerstört hast.“ Vgl. Konzeptfragment LA II, Pro 5ta parte. 428 Konzeptfragment LA II, Pro 5ta Parte. Dass es sich um die Fassade von Zwiefalten und um Wilhelm von Hirsau handeln könnte, wie auch in jüngerer Zeit erwogen, ist mit Blick auf die Konzeptfragmente, wie schon HOSCH 1992, S. 92, meint, unwahrscheinlich. Vgl. KOLB 1991, S. 452; NEUBERT 2007, S. 313. 429 Die Identifizierung des taufenden und des firmenden Bischofs muss nach wie vor offenbleiben. Folgt man der Liste der Konzeptfragmente, wären Eligius für die Taufszene (C 7) (Frankreich, Flandernmission, Hammer als Attribut in Verbindung mit dem Bildhauer?) und für die Firmung (E 8), wie schon HOSCH 1992, S. 92, Anm. 162, vermutete, Amandus (Flandernmission) – oder umgekehrt – plausible Möglichkeiten. 430 Konzeptfragment LA II, Pro 5ta Parte, „Apostoli Mariani“: „S. Augustinus Anglicae Aplus. Cultum Marianum promorium plur[issi]mis per Regnum illud Cathedralibus alijsque Basilicis, M[onast]erijs, Sacellis, Aris, Regina coelitum extructis et dedicatis, Anglos Angelorum rever[ent]ias erga Deipara explictari docuit.“ Vgl. auch HOSCH 1992, S. 92, Anm. 162. Die Gegenüberstellung zweier Missions­ szenen im Langhausfresko im Osten (England/Augustinus) und Westen (Amerika/ Buellius) durch Benediktiner würde einen gewissen Sinn ergeben. Man hätte damit

der Gottesmutter [Abb. 125]. Das Konzeptfragment zitiert den Schlüsselsatz, den Clothilde als Bedingung ihrer Eheschließung mit Chlodwig formulierte: „Calca quod adorasti et adora quod calcasti.“427 Zwischen dem Königspaar weist unmittelbar neben der Medaille eine Frau dort hinauf, wo eine Muttergottesstatue von Engeln herbeigebracht wird. Die erhaltene Ölskizze zu diesem Freskoabschnitt zeigt noch deutlicher als die finale Fassung, dass die von Engeln herbeigebrachte Muttergottesstatue zentraler Bestandteil der Szene sein sollte [Abb. 126]. Auf diese Szene folgt östlich der auf einer Erhöhung predigende hl. Magnus, neben einer schematischen Kirchenfassade von St. Mang in Füssen stehend (B 6 + 7).428 Der Verehrung einer Marienstatue in der Nische der Füssener Fassade ist in Übereinstimmung mit dem Konzeptfragment das Niederreißen eines Drachengötzen gegenübergestellt [Abb. 127]. Die hieran anschließende östliche Hauptszene (C–F 8), in welcher ein Bischof auf ein von einem weltlichen Herrscher gehaltenes Marienbild weist, entfaltet sich zwischen zwei weiteren Bischöfen, einem taufenden und einem firmenden, vor einer monumentalen Treppenarchitektur [Abb. 128].429 Eindeutig lassen sich die Figuren der Hauptszene nicht bestimmen. Doch darf man mit Bezug auf die Konzeptfragmente und die angedeutete Kirchenfassade im Hintergrund (links) in dem Bischof, der auf das Marienbild zeigt, wohl Augustinus von Canterbury vermuten, der im Jahr 597 von Gregor dem Großen zur Missionierung nach England und zu König Ethelbert von Kent geschickt wurde. Augustinus soll Ethelbert der Legende nach getauft haben. Im Jahr 601 wurde der Benediktiner Augustinus erster Bischof von Canterbury; er gilt als Apostel Englands. So könnte die Szene zeigen, wie Augustinus als Bischof dem (ungekrönten?) Ethelbert das Gnadenbild (und dessen Wirkkraft) erklärt. Dabei dürften die Unterstellung der weltlichen Herrschaft unter die Kirche (Seiten des Langhausfreskos) und die benediktinische Missionstätigkeit (als Pendant zum Westfeld) die Generalthemen bündeln.430 Die Hervorhebung der Marienverehrungsthematik scheint hier wie im Westfeld eher appliziert und dem Gesamtthema des Freskos geschuldet.

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127 Franz Joseph Spiegler: Hl. Magnus vor der Fassade von St. Mang, Langhausfresko Nordosten, Zwiefalten, 1751 (NvdM) 128 Augustinus von Canterbury und König Ethelbert von Kent, Langhausfresko Osten, Zwiefalten, 1751 (NvdM)

Die südliche Randzone setzt östlich mit den beiden wichtigsten Marienwallfahrtsorten der Schweiz ein, mit Einsiedeln/Meinrad (Raben) und St. Gallen/ Gallus (Bär) (F 7/6) [Abb. 129].431 Im sich anschließenden bayerischen Altötting (F 5) bringt der hl. Rupert gemäß der Legende ein Mariengnadenbild in den Ort und präsentiert es einem Herzogspaar in zeitgenössischer Kleidung [Abb. 130].432 Der Grundriss des von Enrico Zuccalli um 1674 entworfenen Neubaus von Altötting, der aus Kostengründen ins Stocken geriet, wird dem Sponsorenpaar (Geldsack, „400.000“) Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern und Adelheid von Savoyen unterbreitet. In dieser Szene spiegeln sich wohl nicht zuletzt die eigenen Finanzierungsschwierigkeiten beim Zwiefalter Kirchenneubau wider.433 Nach Westen hin tritt König Stephan von Ungarn auf die Bühne, der sein Reich (um 1000) in Gegenwart des hl. Gerardus der Gottesmutter unter-

eine dem Langhausfresko der Benediktinerkirche Mönchsdeggingen im Ries, freskiert durch Vitus Felix Riegl (1751), verwandte Situation. Schon STOLL 2008, S. 17, brachte Mönchsdeggingen mit Zwiefalten in Verbindung. Keine Anhaltspunkte lassen sich für die alte Deutung der Ostszene als Darstellung von Genazzano und Urban VII. beibringen (zuletzt KOLB 1991, S. 452). Weder ist der Geistliche als Papst erkennbar noch hat das Gnadenbild mit der „Maria vom guten Rat“ von Genazzano Ähnlichkeit. Zudem ist in den Konzeptfragmenten von einer solchen Szene nicht die Rede. Eher noch wird man „Canossa“ als Deutungsvariante ins Feld führen können: vgl. Konzeptfragmente LA I: „N. 2.do Der Kayser Henricus posito diademate fallet Gregorio N. 7.timò / Zu füssen und bittet von dem Kirchen bann losgesprochen Zuwerden.“ 431 Konzeptfragment LA II, Pro 5ta Parte, „Apostoli Mariani“; vgl. hierzu auch STOLL 2008, S. 11–12 zur für das Langhausfresko charakteristischen Simultaneisierung der Szene Meinrad/Gallus. 432 Konzeptfragment LA II, Pro 4ta Parte. – Die Szene ist bereits in LA I genannt; vgl. zu dieser Szene auch SCHURR 1910, S. 99 f.; POHL 1952, S. 100; NEUBERT 2007, S. 213. 433 Das Brieffragment, das im Anhang abge-

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129 Franz Joseph Spiegler: Hll. Meinrad (Raben) und Gallus (Bär), Langhausfresko Südosten, Zwiefalten, 1751 (NvdM)

130 Franz Joseph Spiegler: Der hl. Rupert bringt das Gnadenbild nach Altötting/Enrico Zuccalli präsentiert Kurfürst Ferdinand Maria und Adelheid von Savoyen den Plan für den neuen Kirchenbau, Langhausfresko Süden, Zwiefalten, 1751 (NvdM)

druckt, jedoch nicht transkribiert wurde, hat ein Ersuchen zum Inhalt, in dem Abt Benedikt Mauz (gleich einem „armen Capuziner “) angesichts der „grossen Schulden“ wegen der erkauften Reichsunmittelbarkeit („a nexu Wurttemberg“) und den Kosten der neuen Klosterkirche (die „mir anvertraute Braut Christi“) um finanzielle Unterstützung bittet. Das Brieffragment dürfte um 1751 entstanden sein; der Adressat ist unbekannt. 434 Konzeptfragment LA II, Pro 5ta Parte, „Apostoli Mariani“. 435 Auch hier lediglich hypothetisch, ausgehend von HOSCH 1992, besonders S. 92, und im Abgleich mit der Liste im Konzeptfragment LA II, Pro 5ta Parte: Disputierender Bischof auf der Steinkanzel (C 3): Hl. Suitbert (Mission Kaiserswerth); Bischof mit Märtyrerpalme und Beil (C 2): Bonifatius (die Annahme von STOLL 2008, S. 13, es handle sich um Leander von Sevilla, vermag trotz guter Argumente nicht zu überzeugen. Zum einen taucht der Name in den Konzeptfragmenten nirgends auf, zum anderen ergeben die Märtyrerpalme und

stellt (F 3) [Abb. 131]. Die über der Marienstatue programmatisch aufleuchtende Sentenz „Dominae nostrae“ ist im Konzeptfragment bereits notiert.434 Bei der auf einer weitläufigen Schautreppe im Westen sich anschließenden Figurengruppe könnte es sich, wie jüngst im Anschluss an die frühere Forschung mit einigen Gründen plausibel gemacht wurde, um Joannes Buellius (Buyl) und den hl. Brendan handeln, deren Missionstätigkeit mit Übersee in Verbindung gebracht wird (D 2–3) [Abb. 132]. Um welche Figuren es sich links und rechts der Hauptszene im Westen handelt, lässt sich nicht eindeutig bestimmen [Abb. 133].435 Von Norden (B 3/4) her bewegt sich ein Prozessionszug auf die Missionsszene zu, ohne mit ihr aber in direkter narrativer Verbindung zu stehen [Abb. 134]. Dabei könnte es sich um die legendarische Bittprozession gegen die in Rom wütende Pest handeln (laetania septiformis), bei der unter Führung Papst

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131 Franz Joseph Spiegler: Der hl. Gerardus überreicht König Stefan von Ungarn ein Muttergottesbild, Langhausfresko Südwesten, Zwiefalten, 1751 (NvdM) 132 Franz Joseph Spiegler: Benediktinische Mission in Übersee (Joannes Buellius/hl. Brendan), Langhausfresko Westen, Zwiefalten, 1751 (NvdM)

Gregors das Gnadenbild „Salus Populi Romani“ von Santa Maria Maggiore durch die Stadt getragen wurde.436 Wir sind mit dieser ersten Beschreibung den einzelnen Szenen nach motivischen Gesichtspunkten einer kameraartigen Bewegung gefolgt. Dieses Vorgehen beruhte auf einer nachträglichen Rekonstruktion, welche eine Übersichtlichkeit der Szenen unterstellt, welche mit den tatsächlichen Sehbewegungen nicht übereinstimmt.Während Hermann Bauer versuchte, den „Sinnbezug“ des Innenraums von Zwiefalten aus einer abstrakten Destillation der Motive zu gewinnen,437 so soll hier stattdessen nach den Wahrnehmungsbezügen gefragt werden. Diese scheinen nicht unbedingt um eine gemeinsame Mitte zu kreisen (wenn, dann um die zentrale Szene, zu der der Blick immer wieder zurückkehrt). Kennzeichen der tatsächlichen Sehbewegung sind eher kürzere Blickfolgen aus der Verkettung meh-

das Beil wenig Sinn. Schließlich kann das Schreiben [Brief?, Stiftungsurkunde?, Bittschreiben?] auch nicht eindeutig als Hinweis auf die Korrespondenz Leanders mit Papst Gregor interpretiert werden); Bischof in der südwestlichen Zone (E 2): Ansgar (Missionierung der Nordländer). Keine genaueren Benennungen finden sich bei NEUBERT 2007, S. 214. 436 Die Konzeptfragmente führen Gregor d. Gr. auf, nennen ihn allerdings nur indirekt in diesem Zusammenhang. Vgl. zur Pestprozession Gregor WOLF 1990, besonders S. 131–135. 437 BAUER 1980, S. 58, 74.

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133 Franz Joseph Spiegler: Bonifatius (?), Langhausfresko Nordwesten, Zwiefalten, 1751 (NvdM)

134 Franz Joseph Spiegler: Gregor der Große, Prozession mit dem Gnadenbild „Salus Populi Romani“ von Santa Maria Maggiore (laetania septiformis), Langhausfresko Nordwesten, Zwiefalten, 1751 (NvdM)

rerer Blickpunkte sowie abrupte Wechsel der Blickrichtung, die sich sprunghaft an neue Szenen heftet, um bald wieder daran abzugleiten. An die Stelle einer schnellen Orientierung aus einem augenblicklich erfassbaren Zentrum treten stets von Neuem ansetzende und von diversen Zentren ausgehende Sehbewegungen. Dabei unterbrechen keinerlei optische Zäsuren den Blick, eher folgt dieser einem pulsierenden Wechsel zwischen einer bild- und einer raumbezogenen Sehweise, die sich polyfokal organisiert, den Umraum mit einbezieht und es dem unter dem Fresko umhergehenden Betrachter überlässt, ein und dasselbe Motiv in verschiedene Sehbewegungen einzugliedern. Das Angebot vielfältiger, aus einer Performanz resultierender Zugangsmöglichkeiten stellten Gilles Deleuze und Félix Guattari und andere in den Zusammenhang der Karte oder des kartografischen Blicks, der sich in seinen Dimensionen auf unterschiedliche Weise verbinden, zerlegen und um-

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kehren lässt, aber auch imstande ist, ständig neue Veränderungen in sich aufzunehmen.438 Diese Sehweise, die mit der des Langhausfreskos korrespondiert, und die partielle Anordnung des Freskos nach chronikalischen und lokalen Gesichtspunkten führen uns zu der ersten Frage, inwieweit das Langhausfresko einer kartografischen Ordnung bzw. Sehweise folgt (ohne natürlich behaupten zu wollen, dass das Langhausfresko mit einem kartografischen System zu identifizieren wäre), und lassen uns zweitens fragen, welche Form einer „Rhetorik des Gehens“ (Michel de Certeau) aus dieser Konstellation von Gehen und Sehen resultieren könnte.439 Die Rede von einer polyfokalen Sehweise, welche die einzelnen Motive eher verschachtelt und vernetzt, als sie auf eine hierarchisch organisierte Linie zu bringen, beruht auf einer Bildsyntax, die ihre diversen Zentren über die gesamte Decke verteilt. Man hat das Rotationsellipsoid in der Mitte des Langhausfreskos einmal als die monumentale Anamorphose eines bei unscharfer Betrachtung sich zeigenden Schädels gedeutet.440 Auch wenn diese schöne Sicht kaum den Intentionen von Spiegler oder Mauz entsprechen dürfte, bringt sie doch sehr anschaulich die innere Dynamik dieser Komposition zum Ausdruck. In das Rotationsellipsoid sind nämlich mindestens drei Brennpunkte eingeschrieben, die semantisch gleichwertig sind. Sie ordnen sich in drei gleich große gleichschenklige Dreiecke ein, deren Drehungen einer fallenden Bewegung folgen [Abb. 135]. Als einen ersten Brennpunkt laufen in der rechten Hand Gottvaters die aus der Übertragungsprojektion resultierenden Fluchtlinien der perspektivischen Kons-

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135 Dreieckskonstellationen im Langhausfresko von Zwiefalten: Dreifaltigkeit; Gottesmutter, Gnadenbild Mater Monachorum, Benedikt; Marienverehrer (NvdM) 136 Perspektivkonstruktion und Fluchtpunkt in der Hand Gottvaters (NvdM)

438 DELEUZE/GUATTARI [1980] 2002, S. 24. 439 DE CERTEAU [1980] 1988, S. 192 f., 216. 440 Vgl. BLUME/LACHMANN 1984.

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137 Langhausfresko, räumlicher Mittelpunkt hl. Benedikt (NvdM) 138 Mater Monachorum als Zentrum der umliegenden Gnadenbilder, Langhausfresko Zwiefalten (NvdM)

441 INGENHOFF 1982, S. 209.

truktion des Langhausfreskos zusammen [Abb. 136]. Während der Restauration entdeckte man in der Gotteshand ein Nagelloch, an dem Spiegler einen Faden herunterließ, dessen Schattenlinien im Kerzenlicht die Konstruktion der Fluchtlinien ermöglichten.441 Einen zweiten, semantischen Brennpunkt bildet der Ordensgründer Benedikt von Nursia als Zentralfigur der von ihm ausgehenden Marienverehrung [Abb. 137]. Gegenüber der perspektivischen Mitte in der Hand Gottvaters ist Benedikt genau in der axialen Mitte der Langhausdecke platziert. Das Gnadenbild der Mater Monachorum (Rom) schließlich bildet den dritten Brennpunkt, um den sich sternförmig die Gnaden- und Marienbilder der Regiones terrestres ansiedeln [Abb. 138]. Die Marien- und Gnadenbilder zentrieren nicht nur die acht Randszenen, sie lassen sich auch mit lokalen und chronikalischen Topoi identifizieren: mit Frankreich (Reims?), Füssen, Canterbury, Einsiedeln, St. Gallen, Altötting und Ungarn (Martinsberg) und den Daten ihrer Gründung oder Missionierung. Diese geografischen Topoi an der Decke falten den darunterliegenden Realraum aus und verbinden sich mit ihm. Zwiefalten nimmt somit seinen Platz in der Reihe der bekannten Gnadenstätten ein. Diese sind in einer imaginären Kartenlandschaft so miteinander verbunden, dass die zeitliche und geografische Gebundenheit der Einzelszenen überspielt und als simultanes Ereignis präsentiert wird – ein Ereignis, das sich in einer transversalen Reise durch den Sakralraum über einzelne Wegstrecken entwickelt.

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Mit der Rede von einer kartografischen Bildsyntax ist aber nicht nur ein spezifischer Aspekt der Wahrnehmung, sondern auch eine thematische Seite des Langhausfreskos angesprochen: 442 Was aus den sich brechenden Wellen der Rocaillen hinter zurückgezogenem Vorhang (B, F 5) auftaucht, ist eine großflächig ausgebreitete Terra Mariana.443 Hier wird aus dem imaginären Atlas marianischer Gnadenorte ein neuer, allegorischer Topos geboren – eine propagierte marianische Landschaft, die aus der Konstruktion von Bruchstücken eine transzendente „Weltkarte des Möglichen“ (Michel Serres) oder, wie Foucault sagen würde, eine „Heterotopie“ bildet.444 Ihre Wirkungskraft ordnet sie um marianische Gnadenbilder, deren Bildzentrum das Gnadenbild der Mater Monachorum, der Ordensgründer Benedikt oder die Gottesmutter Maria sind, deren Realzentrum aber der Sakralraum von Zwiefalten und sein Gnadenbild bilden. Stellt der Verfasser einer weiteren, um 1749 entstandenen Konzeptliste das Langhausfresko unter den Titel Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus,445 so lassen sich die wesentlichen Voraussetzungen dieses weltumspannenden, vom Benediktinerorden propagierten Marienkults bereits näher bestimmen: Spieglers Langhausfresko ist ein Bild über die Macht und Wirkung marianischer Gnadenbilder, in einem weiteren Sinne über die Kraft von Bildern, die imstande sind, die Welt neu zu kartografieren. An die Decke des Kirchenraums projiziert, geht diese Wirkung aus einer „Rhetorik des Gehens“ hervor, aus der sich eine Sehweise bildet, die sowohl im als auch unterhalb des Bildes stattfindet und den gegebenen Raum mit jener transzendenten „Weltkarte des Möglichen“ verschränkt. Damit gelangen wir zu der Frage, wie die propagierte Macht der Gnadenbilder auf die Seh- und Körperbewegung des Betrachters übertragen und von der gewölbten Decke (als einem inversen Globus) in eine Raumerfahrung zurückprojiziert wird.

7.2 Rhetorik und Eigenbewegung Ausgehend von Michel Serres’ Abhandlung über den Atlas und Deleuzes/Guattaris Metaphorisierung des Rhizoms entwickelte Christine Buci-Glucksmann 1996 eine Theorie des kartografischen Blicks, dessen allgemeines Charakteristikum in einer panoramaartigen Überschau liegt, als deren mythologische Symbolfigur Ikarus in Anspruch genommen wird. Sein Flug steht für einen Sehmodus, der gewissermaßen in Umkehrung zur platonischen Ideenschau aus der Höhle verläuft.446 Kennzeichen des kartografischen, operativen Blickes ist demnach ein Modell der Abweichung (écart) zwischen der Ebene der Karte und dem sie überfliegenden Blick, bei dem das Sehen „entanthropologisiert“ und die angeschaute Welt „entsubstanzialisiert“ wird.447 Dieser Prozess der Entanthropologisierung des Blicks kann aber nur ein gradueller sein, weil der symbolische Raum der Karte immer von einem „Architekten“ (Kartograf, Herrscher) entworfen und von einem „Betrachter“ überflogen wird, der auf der Karte seine je eigene Blickreise durch das Wegnetz unternimmt.448 Aus der Betrachtung der

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442 Weiter unten wird sich zeigen, dass die Überdimensionierung dieser Karte, ihre Platzierung an der Decke sowie deren Verknüpfung mit dem Realraum gewichtige Verschiebungen des kartografischen Blickes bedeuten. 443 Zu den Interessen, durch die Propagierung von Gnadenbildern eine neue Terra sancta und somit ein „heiliges Land“ auf heimischem Boden zu errichten, vgl. BRÜCKNER 2000f, S. 506. 444 SERRES [1994] 2005, S. 138; vgl. FOUCAULT [1966] 2005, S. 9–36. 445 Vgl. Konzeptfragment FR. An einer anderen Stelle der Konzeptfragmente (LA I) heißt es zum Langhausfresko: „Dises stellet vor, was maßen S. P. Benedictus ob Singularem cultum Marianum von Gott seye erkisen worden zuseyn ein Patriarch und Apostel des Occident.“ 446 BUCI-GLUCKSMANN [1996] 1997, S. 20. 447 Dies hat MARIN 2005, S. 253, in seinen Darlegungen über den 1652 entstandenen Paris-Plan von Jacques Gomboust gezeigt, dessen Raum die unendliche Herrschaft des Königs „kartografiert“. 448 BUCI-GLUCKSMANN 1997, S. 58.

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449 BUCI-GLUCKSMANN 1997, S. 58. 450 Zum kartografischen Begehren der Malerei vgl. BUCI-GLUCKSMANN 1997, S. 84. 451 SEDLMAYR [1930] 1966, S. 128 f. 452 WOOD 1992, S. 124; SERRES 2005, S. 67. 453 DE CERTEAU 1988, S. 195.

Welt aus der Höhe leitete Buci-Glucksmann eine „Theorie der Ferne“ ab,449 die, so darf man weiter folgern, auf einer vertikalen Beziehung zwischen Karte und Beobachter beruht. Anders als das Tafelbild, das dem Betrachter eine Welt gegenüberstellt, folgt die Karte einem Sehen auf die Welt.450 Nun gehört es zu den Besonderheiten des Di-sotto-in-sù-Konzepts spätbarocker Deckenbilder, dass sie zwar die frontale Beziehung des Betrachters, etwa zum Altar-,Wand- oder Galeriebild, relativieren und auf mehrere Standorte verteilen, zugleich aber auch den vertikalen Blick auf die Welt buchstäblich auf den Kopf stellen und auf ein Bewegungsverhalten übertragen. Beide – Kartenbild wie Deckenbild – heben den Horizont auf, doch sind die Unterschiede beträchtlich: An die Stelle der distanzierten Sehbewegung oberhalb einer Kartenwelt (die dem Betrachter zu Füßen liegt) tritt eine Eigenbewegung unterhalb einer Deckenwelt, deren Randzone zum Betrachter hin gekrümmt ist. Hieraus folgt ein situatives Raumverhalten, bei der die schematische Vorstellung einer Bild-Betrachter-Beziehung eine begriffliche Bequemlichkeit darstellt. Denn wo liegen die Grenzen zwischen Bild und Betrachter in einem Deckenbild, dessen Ansichten sich von Standort zu Standort neu aufbauen und das seine ästhetischen Potenziale aus einer räumlichen Beziehung zum Umraum schöpft? Schon Hans Sedlmayr hat in diesem Zusammenhang nicht grundlos die Vorstellung von einem Standpunkt, von dem aus sich der gesamte Raum erschließt, aufgegeben und stattdessen von „Zonen“ gesprochen.451 Nach dieser Sichtweise verlangt die Analyse spätbarocker Deckenfresken nach Begriffen, die eher einem kartografischen Vokabular entspringen – einem Vokabular, das Verhältnisse und Relationen, Richtungen und Ausrichtungen des Deckenbildes dann aber auch auf einen situativen Betrachter bezieht, der beständig in Bewegung ist und im Gehen neue Raumverhältnisse produziert.452 Hierbei präsentiert sich der Raum und die ihm zugehörige Welt nicht mehr als unabänderlich, sondern als eine aus der Eigenbewegung unablässig sich erneuernde Variable. Dem liegt eine Rhetorik zugrunde, die das Gesehene nicht als geschlossenes, fertiges System präsentiert.Vielmehr kalkuliert diese Form der Bildrhetorik eine Aktion des Adressaten mit ein, der jenes System als ein unermessliches Raumgefüge erlebt. Aus der Eigenbewegung, die durch das Aufscheinen unablässig neuer Bilder in Gang gehalten wird, schöpft diese Rhetorik ihre persuasive Wirkung.453 Um das Phänomen deutlicher zu erfassen, soll nun eine kompliziertere Beschreibung gewagt werden. Im Wissen darum, dass sich die Kinesis des Gehens jedem statischen Bild versagt, wollen wir einer exemplarischen Wegfigur folgen und dabei nach der Wechselwirkung von Seh- und Gehbewegung fragen. Wir treten dabei an die Stelle eines in das Langhaus eintretenden Besuchers. Der panoramaartige Blick auf das Ganze, der als entrahmter Blick weit über die Grenzen des Langhausfreskos hinausreicht und den Betrachter unverhohlen ins Bild setzt – dieser allseitige Blick tritt mit einem anderen, aspekthaften Blick in ein Wechselspiel, der sich fortwährend an einzelne Blick- oder Sehpunkte heftet. Dabei stellt sich der zum Auge nächstliegende Sehpunkt im Deckenbild – der steile, lotrechte Blick, dessen Vertikalität die kürzeste Distanz zwischen Bild und Be-

7 Langhausfresko: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus (1751)

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139 Bewegungsdiagramm Langhaus Zwiefalten (NvdM)

trachter angibt – als der optisch wie körperlich am wenigsten „ergiebige“ heraus [Abb. 139, Figur 1, Blickpunkt A]. An die Stelle dieses sich entziehenden, aber körperlich nächstliegenden Sehpunktes, der gewissermaßen „abgeschattet“ und „appräsent“ ist, tritt ein anderer, ein tatsächlicher, der im schräg gestellten Blickfeld liegt [B] und hier der Gruppe der Marienverehrer entspricht [Abb. 139, C–E 7]. Zwei Sehpunkte und ein Betrachterstandort (oder Augenpunkt) – dies ist das sehr vereinfachte Grundschema der Betrachter-Deckenbild-Beziehung, die auf einem Dreiecksmodell zwischen einem Betrachter [1] und zwei Blickpunkten beruht, von denen der erste (abgeschattet) in unsehbarer Nähe [A], der zweite (aktuell) in sichtbarer Ferne [B] liegt. Im Anschluss an Michel de Certeau kann man diesen zweiten Blickpunkt [B] als Richtungsvektor bezeichnen,454 der das Gehen von einem Standort [1] zum nächsten [2] lenkt. Was fern liegt [B], soll nahe gemacht werden, was unsehbar ist [A], soll sichtbar gemacht werden. Dies ist aber wiederum nur durch Entfernung [von 1] möglich, die das zuvor Gesehene [B] in den Hintergrund treten lässt (in ein unsehbar Nahes verschiebt). Es ist diese Differenz zweier sich überkreuzender Blickpunkte – eines unsehbaren, aber nahen, und eines sichtbaren, aber fernen, die durch Optik und Kinetik synthetisiert werden. Mit der fortschreitenden Gehbewegung in Richtung zweiter Blickpunkt [B] tritt dieser nach und nach aus dem Gesichtsfeld und lässt entweder einen dritten [C], die Figur des hl. Benedikt [Abb. 114, D 5/6], an dessen Stelle treten oder ermöglicht jetzt eine rückwärtige Orientierung auf den ersten Blickpunkt [A]. Spätestens an einem dritten Standort [3], unterhalb der Figur des hl. Benedikt [Abb. 114, D 8], fächern sich die möglichen Blickpunkte karussellartig auf und zeigen das zuvor Gesehene in einem überraschenden neuen Licht. Der Blick von unseren drei Standorten auf das Langhausfresko kann auch zeigen, in welchem Maße sich bei der Eigenbewegung die Größenverhältnisse sowie die Beziehungen zwischen den Figuren verschieben [Abb. 140–142] . Deshalb kann

454 DE CERTEAU 1988, S. 218.

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140 Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Zwiefalten, Detail, vom Eingang aus gesehen (NvdM) 141 Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Zwiefalten, Detail, vom zweiten Säulenpaar aus gesehen (NvdM

von einem produktiven Wechsel zwischen Gehen und Sehen als zwei Aspekten einer Eigenbewegung gesprochen werden. Beiden liegt eine temporale Bewegung zugrunde. An dem Punkt, an dem das Gehen vorläufig innehält und die Bewegung ganz dem Sehen überlässt, findet etwas Bemerkenswertes statt: Das Sehen realisiert die durch das Gehen hervorgerufene Veränderlichkeit des Bildes. Die Eigenbewegung hat ein bestimmtes Bild hervorgebracht, und das hervorgebrachte Bild wird eine weitere Eigenbewegung hervorbringen. Wenn dabei von „Bild“ die Rede ist, so ist damit weder ein Freskodetail noch das Fresko als Ganzes gemeint. „Bild“ bezeichnet in diesem Kontext ein offenes Ensemble von Ansichten, von gesehenen Einzelbildern, welche die Eigenbewegung durch den Raum hervorbringt und nach allen Richtungen hin ausdehnt. Deshalb ist das „Bild“, von dem hier die Rede ist, dynamisch und veränderlich. Sichtbarkeit spielt sich hier als ein Wechselspiel von Präsenz (aktuell Gesehenem) und Nicht-Präsenz (Abgeschattetem) ab, aus der sich eine Gehbewegung entwickelt. In der Wahrnehmung ist das zuvor Erblickte nur noch zur Hälfte dasselbe, was es einmal war, weil das zuvor Erblickte, von einem neuen Betrachterstandpunkt aus gesehen, in einer veränderlichen Beziehung erscheint.Während sich unser Körper verlagert und bewegt, bringt er ein „Bild“ als ein offenes Ensemble unabgeschlossener Modifikationen

7 Langhausfresko: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus (1751)

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142 Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Zwiefalten, Detail, vom dritten Säulenpaar aus gesehen (NvdM)

hervor. Weil dieses bewegliche Bild sich erst in der Eigenbewegung aufbaut und verändert, ist die Rede von einem Körper hier und einem Bild dort zu einfach. Zwar beruht die Wechselwirkung von unsehbarer Nähe und sichtbarer Ferne auf der Differenz zweier Blickpunkte in Bezug zu einem Körper. Doch haben wir es mit einer permanenten Verschränkung von Körper und Blickpunkten durch die Eigenbewegung zu tun. Darin liegt auch der Unterschied zum kinematografischen Bild.Während hier eine rasche Folge von Bildern den Eindruck von Bewegung hervorbringt, resultiert spätbarocke Bildlichkeit im sakralen Raum aus einer Eigenbewegung, welche die Bilder zu einem offenen kinematischen Feld verbindet. Das Bildfeld (Kadrierung) verschiebt und verlagert sich permanent und folgt so einer von der Eigenbewegung ausgehenden Öffnung, einer Dekadrierung, die den ästhetischen Reichtum in ein offenes Bild überträgt. Aristoteles hat dieses Verhältnis von Bewegung (kinesis) und Verwirklichung (enérgeia) zu Beginn des sechsten Kapitels von Buch XII der Metaphysik und in Buch X der Nikomachischen Ethik erörtert. An letztgenannter Stelle findet sich die berühmte Unterscheidung von Kinesis (Veränderung, Handlung, Bewegung) und Enérgeia (Verwirklichung,Vollendung, Wirksamkeit) als zwei verschiedene Formen von Dynamik.455 Sehen und Gehen stellen zwei unterschiedliche Formen

455 ARISTOTELES 1983 [NE], Buch X, 1174a 20; ARISTOTELES 2005 [M], Buch XII, Kap. 6, 1048b, 1071b; vgl. hierzu auch: LISKE 1991. Die philologischen Implikationen der Kinesis-Enérgeia-Distinktion hat Dag HAUG 2004 im Anschluss an Anthony Kenny und John Lloyd Ackrill beschrieben. Vgl. dort auch die weitere Literatur zum Thema. Auf die aristotelische Anwendung des Enérgeia-Begriffs auf die Rhetorik wird an späterer Stelle eingegangen, s. Kap. 14.4.

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456 ARISTOTELES 1983 [NE], Buch X, 1174a 14–16; 1174a 30 f. 457 DE CERTEAU 1988, S. 221: „Anders gesagt, die Beschreibung schwankt zwischen Alternativen; entweder sehen (das Erkennen einer Ordnung) oder gehen (raumbildende Handlung). Entweder bietet sie ein Bild an [...] oder sie schreibt Bewegung vor [...].“ Michel de Certeau beschreibt mit diesem Satz die aristotelische Kinesis-Enérgeia-Diktion. 458 Vgl. zur Drehbewegung als religiöse Praxis auch MOHR 2004, S. 316.

der Kinesis dar: Im Gegensatz zum unabschließbaren Prozess des „Sehens“, der sich für Aristoteles jederzeit realisiert und deshalb einer kontinuierlichen Enérgeia unterliegt, vollendet sich das „Gehen“ an bestimmten Halte- oder Zielpunkten, sei es am Ende einer Teil- oder am Schluss einer Gesamtbewegung. Nimmt man diese aristotelische Unterscheidung für Langhaus und Langhausfresko zu Hilfe, so kann man sagen, dass hier das Sehen einer kontinuierlichen, das Gehen jedoch einer unterbrochenen Bewegung folgt: Die vorläufige Vollendung des Gehens an einem Haltepunkt verläuft synchron zur Realisation (enérgeia) der optischen Veränderlichkeit des Deckenbildes. Allerdings nur so lange, bis sich das Sehen an einen neuen Blickpunkt heftet und aufs Neue mit der Kinesis des Gehens synthetisiert.456 In diesem Wechselspiel von Kinesis und Enérgeia wird die bildliche Syntax auf eine dynamische Wahrnehmungsform übertragen. Dies gibt Grund, von einem selbstregenerativen Bild zu sprechen, in dem sich Bild und Bildansichten, Panorama und Aspekthaftigkeit multiplizieren. Nicht nur, weil sich die Bildeindrücke in der Gehbewegung anreichern, sondern auch, weil sie sich durch wechselnde Sehbewegungen vervielfachen. Das Gehen erschließt neue Räume, es stellt eine „raumbildende Handlung“ dar, die das Sehen als interne Bildrelation neu ordnet.457 Die hier versuchte Analyse mag befremdlich erscheinen, weil sie die Sache nicht von ihrer historischen, sondern von ihrer ästhetischen Relevanz aus betrachtet. Sie versucht zudem, eine Antwort auf die Frage zu geben, weshalb der spätbarocke Sakralraum ästhetisch gesehen nichts an Aktualität eingebüßt hat, obgleich er häufig nur noch als „Sehenswürdigkeit“ registriert wird. Daran ist zwar nichts Falsches, doch unterschlägt diese Herangehensweise die enge Verwandtschaft dieser Form der Raumerfahrung mit jener, die durch heutige performative und installative Konzepte der zeitgenössischen Kunst hervorgerufen wird. In manchem greift auch die obige Beschreibung zu kurz. Zum einen, weil wir von drei fixierten Standorten aus eine Bewegung beschrieben haben, die tatsächlich fließend verläuft und eine höhere Anzahl von Blickpunkten gleichwertig miteinander vernetzt. Zum anderen haben wir unser Beispiel auf einen linearen Vorgang reduziert. Dabei wurde die Körperdrehung als wichtiger Bestandteil der Betrachtung außer Acht gelassen. Im Bereich der Religion kommt der Drehbewegung eine besondere Bedeutung zu, weil sie einerseits in Handlungen der Praesentatio, andererseits in Figuren des (religiösen) Tanzes vorkommt, also eine Dimension des Zeigens und eine der Ekstase besitzt.458 Gerade der Bewegungscharakter aus Gehen, Drehen und Schreiten ist für die Betrachtung eines Deckenfreskos wie das von Zwiefalten charakteristisch. Darüber hinaus haben wir in unserer Beschreibung nicht berücksichtigt, dass die Betrachtung mit den Augen wie auch mit unterschiedlichen Gebärden auf das Gesehene reagiert und hierbei leicht von der gewählten Richtungsachse abweicht. Diesem Aspekt versuchte die Rede von der Eigenbewegung Rechnung zu tragen. Drittens aber variiert nicht nur die Lage der Blickpunkte auf der Quer- und auf der Tiefenachse, sondern lassen auch die Blickpunkte auf der Längsachse das gleich einer Sonne aufgehende Kuppelfresko oder das in den Kreuzaltar eingebaute, mit einem Strahlenkranz gerahmte Gnadenbild nach und nach ins Gesichtsfeld treten.

7 Langhausfresko: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus (1751)

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7.2 Das Gnadenbild von Zwiefalten Bevor wir auf die Beziehung zwischen dem Langhausfresko und dem Gnadenbild zu sprechen kommen und unter anderem auf die Frage nach der Beziehung zwischen gemalten und realen Gnadenbildern, seien hier einige allgemeine historische Bemerkungen zum Zwiefalter Gnadenbild vorausgeschickt. Die beiden Kultobjekte – Gnadenbild und Herz-Jesu-Bild – wurden zwar aus dem Vorgängerbau übernommen, aber im spätbarocken Kirchenraum unter neuen ästhetischen Bedingungen zu einem Ensemble vereint [Abb. 143]. Reinhold Halders Rekonstruktion der Kunstgeschichte des alten Münsters macht deutlich, dass sich die Gnadenmadonna bei der Neueinweihung von 1517 beim Lettneraltar befand und mit der Altarstellung von 1629 dann zum Langhaus hin ausgerichtet am nordwestlichen Vierungspfeiler aufgestellt wurde. Ende des 143 Gnadenbild von Zwiefalten, um 1425, letztmals überarbeitet durch Johann Joseph Christian um 1756, gerahmt durch Kreuzaltar (1757) und Chorgitter (1758), beide gefasst von J. G. Meißner in Zusammenarbeit mit Johann Joseph Christian (NvdM)

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144 Johann Baptist Straub: Vorentwurf für den Kreuzaltar von Zwiefalten, um 1745 (KATALOG 1985)

459 HALDER 1990, S. 181, 197, 200 f. 460 PAULUS 1888, S. 224. 461 FIECHTER/BAUM 1926, S. 799; FIECHTER 1927, S. 22; SETZLER 1981, S. 103; HALDER 1990, S. 174. Zum Vergleich mit der Rottweiler Schutzmantelmadonna aus Dietingen-Gößlingen (um 1430) vgl. PRETSCH 1990, Abb. 32. Bei SCHURR 1910 findet sich dieser Verweis auf die durch Christian entfernten Schutzbefohlenen noch nicht. Offenbar waren es zuerst Ernst Fiechter und Julius Baum, welche die oben zitierte Baumann-Stelle so deuteten. 462 SULGER (I) 1698, S. 196 f.

17. Jahrhunderts gelangte die Gnadenmadonna schließlich wieder an ihren alten Platz unter dem Chorbogenkruzifix auf dem Altar am Lettner.459 Wohl 1745 fertigte Johann Baptist Straub eine Entwurfsskizze [Abb. 144] für den Kreuzaltar an, die nicht nur der vermutlich erst um 1758 zu datierenden Ausführung Johann Joseph Christians sehr nahekommt, sondern auch Fragen im Hinblick auf die Gnadenmadonna aufwirft: Für das Jahr 1756 erwähnt Ottmar Baumanns Chronik, dass „das Bildniß der Mutter Gottes in ein oder andern ein wenig geändert worden, durch Herrn Christian […], Bildhauer, als er aber solche unternommen, so ist das Holz so frisch befunden worden, als wann es erst von einer kurzen Zeit von einem frischen Holze wäre gemacht worden, da doch bewußt, daß man schon vor mehr als 500 Jahren es verehrt hat …“.460 Die erwähnte Frische des Holzes wird sich wohl vor allem auf eine neue polychrome Fassung der Skulptur bezogen haben. Auch die Kronen von Maria und dem Jesuskind dürften samt dem angebrachten goldenen Herzen und dem Tuch am Jesuskind auf Johann Joseph Christian zurückgehen, da die Krone des Jesuskindes in dem Entwurf Straubs fehlt und diejenige der Muttergottes eine gänzlich andere Form besitzt, was nicht zur übrigen Detailgenauigkeit von Straubs Wiedergabe passt. Das im Rücken der Figur ein wenig krude eingerichtete Kästlein zum Einlegen von Fürbitten (?) wird hingegen nicht zu Christians Bearbeitung gehören. Wiederholt wurde die Ansicht geäußert, dass es sich bei der Zwiefalter Gnadenmadonna ursprünglich um eine Schutzmantelmadonna aus dem Jahr 1425 gehandelt habe, der im 18. Jahrhundert die Köpfe der Schutzsuchenden unter ihrem Mantel entfernt wurden.461 Belege hierfür sind allerdings nicht bekannt. Zwar könnten die geöffnete rechte Hand Mariens und die konkaven Leerräume unter ihrem blauen Gewand auf die entfernten Köpfe von Schutzbefohlenen hindeuten, doch scheint diese Bearbeitung (wenn sie denn vorgenommen wurde) nicht auf Johann Joseph Christians Arbeit aus dem Jahre 1756 zurückzugehen, da die Schutzbefohlenen bereits in Straubs Entwurf fehlen. Spuren einer solch tief greifenden Bearbeitung lassen sich im Übrigen an der Gnadenmadonna auch nicht unmittelbar nachweisen. Zu den offenen Fragen gehört auch, worauf sich der Chronist Baumann bezieht, wenn er von einer Verehrung jenes Bildnisses schon vor „mehr als 500 Jahren“ (also seit ca. 1250) spricht. Die von E. Fiechter und J. Baum für den Donaukreis bearbeiteten Kunst- und Altertums-Denkmale im Königreich Württemberg enthalten noch eine Abbildung der Gnadenmadonna ohne Kronen und goldenes Herz [Abb. 145]. Eine Datierung um das Jahr 1430 liegt auch mit Blick auf diese Fotografie nahe, widerspricht aber sowohl den Angaben Baumanns als auch den Aussagen Arsenius Sulgers, der die Figur in das Jahr 1236 datiert, jedoch sogleich einschränkt, sie sei entweder neu gefertigt oder überarbeitet worden („aut erecta, aut renovata“).462 Letzteres lässt vermuten, dass die Umfunktionierung von einer Schutzmantelmadonna in ein Gnadenbild wohl auf das 17. Jahrhundert (anlässlich der Klosterfeier 1689?) zurückgeht. Schon zu dieser Zeit stand die Anbetung des Gnadenbildes mit Ablässen in Verbindung. Nach den Äußerungen Baumanns und Sulgers liegt die Vermutung nahe, dass das um 1430 entstandene Gnaden-

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bild wohl eine Vorläuferfigur besaß, im 18. Jahrhundert jedoch als das „Original“ angesehen wurde oder zumindest angesehen werden sollte.463 Genauere Untersuchungen könnten möglicherweise ergeben, dass das Zwiefalter Gnadenbild als Kopie einer (Gößlinger?) Schutzmantelmadonna (ohne Schutzbefohlene) geschaffen wurde.464 Am Tag der ersten Weihe des barocken Münsters (18. Oktober 1752) wurde der Neubau durch Abt Benedikt Mauz rundherum mit Weihwasser besprengt, die „Mutter Gottes processionaliter abgeholt [und] in das neue Münster übertragen“.465 Offenbar sollte die Gnadenmadonna auch das Herzstück des Kultes im spätbarocken Münster bilden. Noch bevor sie 1756 ihren festen Aufstellungsort und ihre gegenwärtige Gestalt erhielt, brachte man sie 1752 zu den ersten Ausstattungsstücken in den neuen Kirchenraum. Nach völliger Fertigstellung des Chorgitters (1757) und des Kreuzaltares (1758), beide von J. G. Meißner gefasst, setzte man das „Herz-Jesu“-Bild und die Gnadenmadonna zu einem Kultensemble zusammen. Eine Woche vor dem Patrozinium des Gotteshauses 1758 waren die Arbeiten am Chorgitter und am Herz-Jesu-Altar abgeschlossen.466 Die Gründung der Herz-Jesu-Bruderschaft, die wie die übrigen marianischen Bruderschaften zur Intensivierung der Marienverehrung beitrug und gleichzeitig auf diese bereits reagierte, geht in Zwiefalten auf den Beginn des 18. Jahrhunderts zurück. Auf Initiative Beda Sommerbergers wurde die Bruderschaft am 25. Februar 1703 durch päpstliches Breve und unter Gewährung zahlreicher Ablässe eingeführt. Zu diesem Anlass hielt der Prior und spätere Abt eine zweistündige Predigt, die dem Bericht nach den Zuhörern Ströme von Tränen und laute Seufzer entlockte. Die Herz-Jesu-Verehrung gehörte zu Sommerbergers liturgischen Hauptanliegen,467 und 1755 – die Gnadenmadonna war seit drei Jahren wieder im barocken Kirchenraum – wurde im Neubau das erste Bruderschaftsfest gefeiert.

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145 Gnadenbild von Zwiefalten (ohne Kronen und Herz), 1926 (FIECHTER/BAUM 1926)

7.4 Zwischen Gnadenbild und Langhausfresko Zwischen 1738 und 1740 wurde der von Balthasar Neumann übernommene Bau der Abtei von Münsterschwarzach mit dem wohl anspruchsvollsten benediktinischen Deckenprogramm der Zeit ausgekleidet, ein Programm, für das der Jesuit und Professor für Welt- und Kirchengeschichte an der Universität Würzburg, Pater Seyfried, verantwortlich zeichnete.468 Das Konzept selbst hat sich zwar ebenso wenig erhalten wie der ab 1821 abgetragene Kirchenbau, doch existiert eine 1743 verfasste Beschreibung des Benediktinerpaters Ignaz Brendan.469 Das um 1740 von Johann Evangelist Holzer ausgeführte Kuppelfresko „Heilige des Benediktinerordens“, zu dem zwei Ölskizzen von Holzer und eine weitere von Matthäus Günther existieren, enthält – ähnlich wie in Zwiefalten – als zentrale Figur die sogenannte kosmische Vision des hl. Benedikt [vgl. Kap. 7.7], dort allerdings nicht kombiniert mit dem Gnadenbild der Mater Monachorum, sondern mit der Muttergottes als Stella Maris. Berücksichtigt man, dass auch im genannten Gnadenbild auf der Brust Mariens mit demselben Symbolgehalt ein

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HALDER 1990, S. 175. Hierzu auch indirekt ASSFALG 1998, S. 40. PAULUS 1888, S. 217. PAULUS 1888, S. 223–225. HEHLE 1913, S. 15, 24; LINDNER 1910, S. 8 f., Nr. 45. 468 SCHNEIDER 1984, S. 169; SCHNEIDER 1990, S. 58. 469 Ignaz Brendan: Der Zweyfache Seegen Gottes In Aufrichtung und Einweyhung Des Neuen Gottes-Haus s. Felicitatis zu Münster-Schwartzach ...: Am 8ten Tag der ... Einweihungs-Festivität der 15. Sept. 1743, vorgetragen in einer Lob- und Danck-Predigt, Würtzburg s. a. [1743].

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146 Das Gnadenbild von Zwiefalten als räumlicher Fluchtpunkt (NvdM) 147 Zwiefalten Langhaus und Gnadenbild, Abendsonne 8. September 2005 (NvdM) 470 Zwar könnte man entgegnen, dass diese Beschreibung zum üblichen Programm des benediktinischen Heiligenhimmels gehörte und u. a. durch Leonhard Heckenauers Thesenblatt von 1701 (nach Johann Karl von Reslfeld) „kanonisiert“ wurde, doch enthält weder dieses noch Weingarten (Asam), Melk (Troger), Rott am Inn (Günther) oder Neresheim (Knoller) die Stella-Maris-Figur. Noch ein anderer Bezug zwischen Münsterschwarzach und Zwiefalten muss hier erwähnt werden: Neben Giovanni Domenico Tiepolo, Giovanni Battista Tiepolo, Johannes Zick, Giovanni Battista Piazetta und J. J. Scheubel arbeiteten in Münsterschwarzach auch Johann Michael Feichtmayr (zusammen mit seinem Bruder Franz Xaver und Johann Georg Üblher), Balthasar Augustin Albrecht, Johann Georg Bergmüller, Matthäus Günther und Franz Georg Herrmann. In einem Konzeptfragment Zwiefaltens für die geplante Ausführung der Seitenaltarbilder sind u. a. genannt: Matthäus Günther und Balthasar Augustin Albrecht. Aus mehreren Gründen kam es nicht zu den geplanten Verträgen mit den Künstlern. Einzig Johann Michael Feichtmayr arbeitete sowohl in Münsterschwarzach als auch in Zwiefalten. SCHNEIDER 1990, S. 56, 68; Konzeptfragment AL, um 1750. 471 Ignaz Brendan, hier zitiert nach SCHNEIDER

Stern abgebildet ist, so wird die Verwandtschaft zwischen dem Langhausfresko von Zwiefalten (zumindest seinem Zentrum) und dem gut zehn Jahre zuvor entstandenen Kuppelfresko von Münsterschwarzach ersichtlich. Ignaz Brendans Beschreibung von 1743, mit welcher der Zwiefalter Abt Benedikt Mauz vielleicht besser vertraut war als mit Holzers tatsächlichem Münsterschwarzacher Fresko, liest sich in wesentlichen Punkten wie eine Beschreibung der zentralen Szene des Langhausfreskos:470 „[…] unter der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit und glorwürdigsten Himmels=Königin leuchtet hervor mit völligem Glantz seiner Glory gleich dem großen Himmels-Gestirn Luminare majus, Gen. 1. An dem Benedictinischen Firmament der heilige Ertz-Vatter und Ordens=Patriarch Benedictus […].“ Die Besucher „werden ihn von sich selbsten in der Kuppel sehen können, und dieses grosse Himmels=Licht erkennen aus dem vor ihn auffsteigenden Morgenstern, quasi matutina in medio nebulae. […] Aus den glantzreichen Strahlen, so von dem heiligen Geist auf der Brust des heiligen Benedicti ausgehen, von welcher wie von der Sonn sich viele andere Strahlen auf seine Ordens=Geistliche austheilen.“471 Diese Beschreibung (und ihre Nähe zu Zwiefalten) führt zu der Frage, ob Münsterschwarzach hinsichtlich der Ausstattung eine wichtige Vorbildfunktion besaß und ob im Zwiefalter Langhaus(fresko) das Stella-Maris-Motiv mit verarbeitet wurde [vgl. Kap. 8.4].472 Wie lässt sich nun in Zwiefalten das räumliche Verhältnis zwischen Langhausfresko und Gnadenbild deuten, wenn man die Perspektive eines ambulativen Betrachters einnimmt? Ganz offensichtlich kommt für das Langhausfresko ein weiteres Zentrum ins Spiel, das zwar außerhalb von diesem liegt, aber kompositionell mit ihm verbunden ist [Abb. 146]. Um dieser Frage nachzugehen, sei ein exemplarischer Sonderfall gewählt, der möglicherweise nicht intendiert war, aber doch dem Gesamtkonzept des Innenraumes sehr entgegenkommt. Sowohl zum Patrozinium Mariä Geburt (8. September) als auch jeweils sechs Monate zuvor, um den Tag von Mariä Verkündigung (25. März), fällt das Abend-

7 Langhausfresko: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus (1751)

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148 Zwiefalten Chorgitter und Gnadenbild, Abendsonne 8. September 2005, Detail (NvdM) 149 Zwiefalten Chorgitter und Gnadenbild, Abendsonne 8. September 2005, Detail (NvdM)

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licht vom Westfenster über dem Hauptportal längs durch das Langhaus und wandert dann vom linken Flügel des Chorgitters zur Mitte hin, bis es gebündelt auf den Strahlenkranz der Gnadenmadonna trifft und die Gloriole aus Kupfer für einige Augenblicke in einen leuchtenden Stern verwandelt [Abb. 147–149].473 Analog dazu und gemäß der Symbolisierung Mariens als Abend- oder Morgenstern schmückt auf dem Gnadenbild der Mater Monachorum ein Stern das Gewand der Gottesmutter [D 5]. Wenn auch nicht unmittelbar intendiert, so sprechen reales und gemaltes Gnadenbild in ihren Bestandteilen doch eine ähnliche Sprache. Das Gnadenbild von Zwiefalten transformiert in seiner barocken Inszenierung den im Langhausfresko gemalten Gnadenstrahl in eine reale Lichtquelle, die durch Reflexion zustande kommt. Wie in zahlreichen spätbarocken Darstellungen [Abb. 150, 151],474 so ist auch in den Barockpredigten vom Glanz und Licht Mariens als einem Meeresstern die Rede. In einer Kartusche im Chor der alten Pfarrkirche von Flüelen (Kanton Uri) ist der Meeresstern auf stürmischer See die „beste Führerin“ („Dux Optima“).475 Verglichen mit ihren Vorläuferinnen im Alten Bund ist Maria „gläntzender, herrlicher, gnadenreicher und glorwürdiger“, eine Stella Maris, an der sich „die Meerfahrer zur glücklichen Schiffung“ orientieren konnten.476 Anlässlich des Festes Mariä Geburt möchte Abraham a Sancta Clara dem „aufgehenden Morgenstern“, der Stella Matutina, so viele Grüße zurufen, „wivil strahlende stern im firmament gesehn werden“.477 Maria ist der „guldene Morgen“ und als solcher „nit bliben bey den Saracenern“, sondern hat ihren „bstendigen siz auserwelt an dem gstatt des adriatischen Mer, weil kein ort in der ganzen welt so gefärlich ist als das mer“.478 Ihren Kindern ist die Gottesmutter ein orientierender „Stern im Lebensmeere“. Was bedeutet „orientieren“ in diesem Zusammenhang? Kant hat diese Frage wie folgt beantwortet: „Sich orientieren“, schreibt er, „heißt im eigentlichen Sinne des Wortes: aus einer gegebenen Weltgegend (in deren vier wir den Ho-

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1984, S. 225 f., zitiert auch bei MATSCHE 2010, S. 84. Weder SCHNEIDER 1984 noch MATSCHE 2010 diskutieren eine mögliche Verwandtschaft zwischen dem Langhausfresko von Zwiefalten und dem Kuppelfresko von Münsterschwarzach. An späterer Stelle wird sich zeigen, dass weitere Bezüge zwischen Münsterschwarzach und den Langhauskartuschen sowie dem Kuppelfresko von Zwiefalten hergestellt werden können. Vgl. die Chronik des Laienmönchs Ottmar Baumann in der nachträglichen Transkription von PAULUS 1888, S. 224: „Auch der Schein, so von Kupfer ist, in welchem das Mutter Gottes Bildniß stehet, ist heuer hingemacht worden, nachdem er zuvor von Herrn Knoblauch, und Meisters Schlossers ist im Feuer vergoldet worden.“ (Eintragung zum Jahr 1756.) Als Beispiel soll hier ein im Mittelschiff der Kirche des Wettinger Stella-Maris-Klosters hängendes Ölgemälde dienen: Gabriel Weiss: Heinrich von Rapperswil im Meersturm und die Ordenspatrone Maria, Bernhard von Clairvaux und Robert von Molesme, um 1753–1755. Heinrich von Rapperswil gerät auf dem Weg ins Heilige Land in Seenot und erfleht die Hilfe der Gottesmutter. Vgl. HOEGGER 1998, S. 2 f., 180 u. Abb. 6. Gemalt von Ignaz Weis, stuckiert von Georg Alber, 1758: „Dux optima – der Meersteren sey vergwist / der beste fiehrer ist.“ Vgl. MARZOHL 1991, S. 24, 28. Florentius Schilling Geistliche Ehrnporten Mariae, SULZBACH 1676, S. 12, zitiert nach HERZOG 1991, S. 276. Mariä Geburt („Weiber-Lob“), Predigt gehalten 1675, ABRAHAM A SANCTA CLARA 1943, S. 273. Zur Beziehung zwischen Stella Maris und Stella Matutina vgl. BAUMEISTER 1992, Sp. 384. Mariä Geburt (Mariä Namen), Predigt gehalten 1676, ABRAHAM A SANCTA CLARA 1943, S. 335, 340.

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150 Gabriel Weiss: Heinrich v. Rapperswil im Meersturm mit der Stella Maris als rettendem Orientierungspunkt, 1753–1755, Öl auf Leinwand, Klosterkirche Wettingen (Kanton Aargau) (NvdM) 151 Josef Ignaz Weiss: „dux optima/Der Meer­ steren sey vergwist der beste fiehrer ist“, um 1758, Kartuschenfresko, „Alte Kirche“, Chorraum, Flüelen (Kanton Uri) (NvdM)

479 KANT [1786] 1996, S. 269, A 307. 480 KANT [1786] 1996, S. 277, A 321; vgl. zum Folgenden auch ebd., S. 278 f., A 322 f. 481 Als Stella Matutina ist Maria der Orientierungsstern, der nach christlicher Symbolik der Sonne vorausweist. Die aufgehende Sonne „tritt aus ihrem Gemach hervor wie ein Bräutigam“ (Ps 19 [18],6). Begriffsgeschichtlich gehören die Begriffe „Orientierung“, „oriens“ und „Ostung“ zusammen und beschreiben in unserem Fall eine Orientierung zur östlich gelegenen Gnadenmadonna. Vgl. hierzu: BAUMEISTER 1992, Sp. 384. 482 BERNHARD VON CLAIRVAUX 1993, S. 75/77, lat. 74/76.

rizont einteilen) die übrigen namentlich den Aufgang [Osten, NvdM] zu finden.“479 Ein solch geografisches Verfahren der Orientierung setzt aber ein subjektives Unterscheidungsvermögen voraus, das auch imstande ist, die Grenzen der Erfahrung im Denken zu erweitern. Kant nennt diese Unterscheidungsmaxime bekanntermaßen „Vernunftidee“, die sich wohl postulieren, nicht aber beweisen lässt. In ihr wird ein „Begriff von Gott zur Richtschnur“.480 Für Kant liegt dieser orientierende Gottesbegriff nicht im Bereich der Anschauung. Dagegen folgte der spätbarocke Sakralraum freilich noch einem anderen Verständnis von Orientierung. Orientierung bedeutet in Zwiefalten eine räumliche Ausrichtung des Langhausfreskos auf das Gnadenbild im Chorgitter. Orientierung ist hier also eine Angelegenheit der sinnlichen Erfahrung: In der ambulativen Betrachtung des Langhausfreskos tritt das Gnadenbild als Orientierungspunkt auf, der sich, gemäß der etymologischen Bedeutung von „Orientierung“, östlich des Langhausfreskos befindet.481 Eine Ausarbeitung der Stella-Maris-Figur als theologisch-ästhetischer Orientierungspunkt konnten die Barockprediger schon bei Bernhard von Clairvaux finden: Nach diesem ist Maria „Licht spendend durch ihr Vorbild. Ihr Menschen, die ihr erkennt, dass ihr im Strom des irdischen Lebens mehr zwischen Stürmen und Unwettern schwankt, als auf festem Boden wandelt, wendet eure Augen nicht ab von dem Glanz dieses Gestirns (ne avertas oculos a fulgore huius sideris), wenn ihr von den Stürmen nicht überwältigt werden wollt!“482 Für die mariologische Bedeutung des Lichtglanzes ist die Verbindung aufschlussreich, die Bernhard zwischen dem „Stern des Meeres“ und dem Anblick seines Glanzes zieht. Mit einem Gestirn wird Maria auch deshalb treffend verglichen, weil „das Gestirn seinen Strahl aussendet, ohne selbst abzunehmen“. Eindringlich ermahnt Bernhard seine Hörer, auf den glänzenden Stern zu blicken und ihm seine Augen zuzuwenden, denn wer den Glanz schaut, schaut auf Maria und stärke hierdurch

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seine eigenen Tugenden.483 In der wechselseitigen optischen Beziehung, die im Glanz ihren gemeinsamen Nenner hat, liegt die Pointe der Predigtsentenz, denn Bernhards Wortwahl „respice stellam“ meint weniger „anblicken“ als „Blickerwiderung“. Deshalb ist im Glanz (fulgor) ein vorgängiges Angeblicktwerden ausgedrückt, das zur Blickerwiderung veranlasst. Von anderer Seite zeigt den oben beschriebenen Aspekt auch eines der Beichtstuhlrückwandbilder von Franz Ludwig Herrmann: Die in das Tal einziehenden Hirsauer Mönche stimmen gemäß der Legende unisono die Antifon „Ave Maris Stella“ an [vgl. Abb. 81]. Der marianische Meeresstern begleitet demgemäß nicht nur die nach Umwegen geglückte Suche nach dem idealen Klosterort, sondern bringt die Gründungsgeschichte auch auf einen sicheren Weg. Indirekt greift das neue Ausstattungsprogramm jenes alte Motiv auf: Unter dem „tosenden Meer“ des Langhausfreskos wird das Gnadenbild von Zwiefalten zu einem orientierenden Bezugspunkt, der sich theologisch in der Figur der Stella Maris, ästhetisch in ihrer materiellen Eigenschaft des Glänzens sichtbar wird. Die an der Decke aufgeführten Gnadenbilder ordnen sich gewissermaßen um die Zwiefalter Gnadenmadonna. Schon aus diesem Grunde wäre es unsinnig, Zwiefalten selbst in die im Langhausfresko vergegenwärtigten Kultorte aufzunehmen.484

7.5 Imago Thaumaturga – Bildästhetik des Staunens Die Menschen schließen gewöhnlich aus diesem Spiegel, dass die Bibliothek nicht unendlich ist [...]; ich gebe mich lieber dem träumerischen Gedanken hin, dass die geschliffenen Flächen das Unendliche darstellen und verheißen. Jorge L. Borges, Die Bibliothek von Babel

Als Abt Benedikt Mauz das Gnadenbild von Zwiefalten mit dem Titel Imago Thaumaturga belegte, also ein „wundertätiges“ oder „staunenswertes“ Bild nannte, befand er sich nicht unbedingt in Übereinstimmung mit den Chronisten Zwiefaltens (Ortlieb, Sulger, Baumann), die neutrale Benennungen bevorzugten.485 Im Unterschied zu den Ausdrücken Figura Gratiae und Imago Deiparae, welche die Gnadenwirkung bzw. Maria als Gottesgebärerin hervorheben, dürfte Mauz von der im 18. Jahrhundert gebräuchlichen Form des „miraculosen Bildes“ ausgegangen sein.486 Das Attribut thaumaturga, das in der Regel auf Heilige und Herrscher angewendet wurde, zeichnet das so bezeichnete Bild besonders aus. Es umfasst (mit imago) das „Bild“ ebenso wie das „Abbild“ und (mit thaumaturga) das „Wundertätige“ ebenso wie das „Staunenswerte“ an ihm.Vor allem zweierlei scheint im Ausdruck enthalten: erstens, dass dem so bezeichneten Bild eine aktive Kraft zugesprochen wird, die auf dem Gedanken der Teilhabe (methexis) des irdischen Abbildes am himmlischen Urbild beruht und die aufseiten des Betrachters eine Reaktion des Staunens und Ergriffenseins hervorruft. Zweitens, dass das Bild sich als „wahres Abbild“ nicht nur auf ein primäres Gnadenbild, sondern auch auf dessen Kopien, also auf eine sekundär abgeleitete Teilhabe am himmlischen Urbild bezieht.

483 Ebenda (kursive Hervorhebungen: NvdM). Vgl. ferner Ambrosius von Mailand: De Virginibus, lib. II, cap. 15: PL 16, Sp. 222. 484 Der Umstand, dass nach den Chroniken Ortliebs und Bertholds die Hirsauer Mönche beim Einzug ins Zwiefalter Tal 1089 die Gesänge „Salve Regina“ und „Ave Maris Stella“ anstimmten (so zumindest will es die Legende, die im Bewusstsein der Konventualen im Spätbarock fortlebte), ruft die legendarisch verwurzelte Beziehung zwischen dem Vesperhymnus und dem Marienbild in Erinnerung. Vgl. ORTLIEB/ BERTHOLD 1978, S. 53. Vgl. auch: KÜSTER 1990, S. 229; QUARTHAL 1990, S. 416. 485 Vgl. das Konzeptfragment AL mit einer Auflistung der Altäre. Die Bezeichnung „Imago Thaumaturga“ galt nur wenigen, dann aber berühmten Gnadenbildern. Vgl. bis heute die Betitelung der Schwarzen Madonna von Tschenstochau als „Imago thaumaturga Beatae Virginis Mariae Immaculatae Conceptae“. 486 Spätestens seit Ende des 15. Jahrhunderts wurde im süddeutschen Raum auch die Bezeichnung „Imago miraculosa“ verwendet. Vgl. SCHNEIDER 1992, S. 178; HENKEL 2004, S. 14. Allgemein hierzu auch BRÜCKNER 2000d.

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487 Vgl. allgemein hierzu noch einmal die ausgezeichnete und zu wenig beachtete Arbeit von TOBLER 1979 über Gnadenbildkopien in der Schweiz. 488 Vgl. etwa PHILIPPEN 1987, S. 5 f. Vermutlich war das von den Jesuiten betreute Luxemburger Gnadenbild selbst schon eine Kopie des Gnadenbildes von Scherpenheuvel (Belgien). Bei dem Stich von Kevelaer handelte es sich demnach um eine Tertiärkopie, die nichtsdestotrotz Kevelaer zum einflussreichsten Wallfahrtsort des norddeutschen Raumes machte und sich von ihrem Herkunftsort vollständig löste. Um 1650 zählte Kevelaer jährlich 18.000 Pilger, zu Beginn des 18. Jahrhunderts etwa 200.000. Vgl. Plötz 1987, S. 16 f., und ausführlicher DOHMS 1997. 489 TOBLER 1991, S. 138.

Erstmals im Spätmittelalter tauchen vereinzelt Devotionskopien auf, welche die Heilkraft eines Gnadenbildes auf Orte außerhalb der ursprünglichen Verehrungsstätte zu übertragen suchen. Mit der massenhaften Verbreitung von Gnadenbildkopien im Barock erreichte diese Entwicklung ihren Höhepunkt, wobei sich ein Teil jener Nachbildungen – kunstvoller oder weniger kunstvoll als ihr Prototyp – selbst zu autarken Gnadenbildern entwickelte.487 In den 1690er-Jahren beispielsweise wurde eine Kopie des cranachschen Gnadenbildes „Mariahilf“ von Innsbruck nach Luzern gebracht, wo es als „Sekundärbild“ sogleich zu wirken begann.488 Die Wirkungsmacht des Gnadenbildes ist hier nicht automatisch mit seinem künstlerischen Rang oder seiner Einzigartigkeit gleichzusetzen. Im Gegenteil: Gerade in der Copia konnten sich die „Fülle“ und der „Reichtum“ eines Gnadenbildes bewähren. Anschaulich belegt dies der Fall Kevelaer, wo sich ab 1642 eine Wallfahrt zu einem unscheinbaren Kupferstich der Consolatrix Afflictorum (Trösterin der Betrübten) von Luxemburg entwickelte [Abb. 152].489 Der Kupferstich „Consolatrix Afflictorum“ benötigte in dem Augenblick sein Original nicht mehr, als er sich durch eigene Wundertätigkeit gleichsam selbst zu autorisieren begann. Damit reduzierte sich die Aufgabe des Originals auf eine eher technische Referenzfunktion. Mit autarken Gnadenbildkopien hatte sich die Wirkungsmacht der Kultbilder von Kriterien der Originalität oder lokaler Einmaligkeit emanzipiert.Vielmehr war der Wirkungsgrad eines Gnadenbildes vor allem abhängig von seinem jeweiligen Gebrauch (Popularität, Rahmung etc.). Der Umstand, dass unter gewissen Bedingungen auch die Copia gegenüber dem gemalten oder gehauenen Archetyp als „authentisch“ angesehen wurde, impliziert nicht nur eine deutliche Aufwertung reproduktiver Verfahren, sondern auch die potenzielle Möglichkeit der Gleichrangigkeit von Gnadenbild und Gnadenbildkopie. Häufig wurde gar in der Tatsache der Reproduktion ein (wundersamer) Vorgang erblickt, in dem sich Original und Kopie wechselseitig nobilitieren [vgl. Kap. 7.7]. Die Wirksamkeit barocker Gnadenbilder hing somit nicht von ihrer ästhetischen, sondern von ihrer heilsmächtigen Originalität ab. Es kam daher darauf an, das Gnadenbild so zu kontextualisieren, dass es dem Anspruch auf autarke Lebendigkeit genügte. War das Gnadenbild von Zwiefalten auch an von ihm bewirkten mirakulösen Ereignissen arm, so bot sein Aufglänzen im Abendlicht doch die Gelegenheit, das Staunen vor dem Bild als ein ebenso ästhetisches wie heilsmächtiges Ereignis zu erleben. Dabei wurde durchaus der Kontrast zwischen einem künstlerisch nicht unbedingt hochrangigen Bilderwerk und seiner erstaunlichen Rahmung mit einkalkuliert. Die unterstellte Lebendigkeit des Gnadenbildes sollte sich am Glanz der Gloriole zeigen. Das Bild leuchtete vor den Augen seiner Betrachter unversehens auf. Die Qualität dieses Ereignisses gründete in einem scheinbar vom Bild selbst ausgehenden und durch die Gloriole übermittelten Glanz. Die Präsenz (enárgeia) des Gnadenbildes sollte sich am Glanz (árgos) der Gloriole zeigen. Bernhard von Clairvaux‘ „respice stellam“ meint bezogen auf den hier beschriebenen Sachverhalt den Blick des Betrachters auf ein Bild, das selbst lebendig zu sein scheint. Hier drückt sich eine besondere Beziehung aus, in der dem

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152 Consolatrix Afflictorum („Trösterin der Betrübten“), Gnadenbild Kevelaer, Kupferstich, um 1642, Niederrhein (NvdM)

Blick auf das Bild das Angeblicktwerden durch das Bild vorausgeht: „Der Angesehene oder angesehen sich Glaubende schlägt den Blick auf.“490 Anders formuliert: Das lebendig erscheinende Bild und der stauenende Betrachter treffen sich im Augenblick eines wechselseitigen Sichanblickens. Im Zwiefalter Gnadenbild ist der Glanz der Gloriole das Medium dieser Blickbeziehung. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich jenes vorgängige Angeblicktwerden für das barocke Gnadenbild verallgemeinern: Augenwende, Weinen, Schwitzen, Bluten und wachsende Haare an Gnadenbildern sind sämtlich Varianten des einen Sachverhaltes: der Ausstattung des Gnadenbildes mit einem Handlungspotenzial.491 Thaumaturgie bezeichnet eben diese Verlebendigung des Bildes von der Wirkungsseite her betrachtet. Man hat die Meinung vertreten, dass eine unaufhebbare Distanz zwischen Kultbild und Betrachter für die Wirkung des Gnadenbildes notwendig sei.492 Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Das Wechselspiel von Blick und Blickerwiderung scheint immer dann möglich, wenn Gnadenbild und Betrachter für einen bestimmten Zeitraum in einem gemeinsamen Handlungsraum agieren. Ein Beispiel hierfür ist die beobachtete Verfärbung des Gnadenbildes von Rottweil im Jahr 1644. Hundert Jahre nach dem Ereignis erläutert der Festbericht auf der Grundlage von Protokollakten: Der Prediger der Kapellenkirche, Matthias Mollitor, kletterte prüfend auf den Altar, „wo er das Bild unter den Augen betastet habe und von diesem angeblickt worden sei“.493 Dabei gehörte es zur Rhetorik der Diskurse um das spätbarocke Gnadenbild, dass das Bild seine Lebendigkeit wider die Vernunft und trotz kritischer Prüfung behauptete. Erst die Prüfung des wundersamen Ereignisses verlieh dem Mirakel Authentizität, sodass man sagen kann, dass das Wunder und dessen Prüfung zusammengehörten. Deshalb wurde immer auch der Skepsis und den kritischen Einwänden gegenüber dem wundersamen Ereignis rhetorisches Gewicht gegeben: Die 1733 zusammengestellten Protokollakten der wenige Jahre zuvor beobachteten „Augenwende“ des Gnadenbildes von Maria Steinbach illustrieren diesen Sachverhalt. Eine Bäuerin gab unter Eid zu Protokoll, dass sie, während

490 BENJAMIN 1990c, S. 646 f. Foucault folgte diesem Gedanken in „Las Meninas“. 491 Vgl. HENKEL 2004, S. 14. 492 BENJAMIN 1990c, S. 647. 493 Zitiert bei HENKEL 2004, S. 163.

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153 Der gegeißelte Heiland der Wieskirche bei Steingaden, um 1732 (NvdM)

494 Die Augenwende beim Gnadenbild in Maria Steinbach. Ein Auszug aus den bischöflichen Protokollakten. Siehe BECK 1984, S. 32. 495 Vgl. auch CANCIK/MOHR 1988, S. 147. 496 Zitiert bei PÖRNBACHER 1999, S. 7 f. 497 BELTING 1991, S. 538–545.

sie die Beichte abwartete, skeptisch beobachtet habe, dass das Muttergottesbild abwechselnd die Augen öffnete und schloss. In dem Glauben, „man ziehe etwan durch Schnierlein die Augen dieser Bildnus“, erkundigte sie sich beim Beichtvater, wie es technisch möglich sei, „das das schmerzhafte Vunser Lieben Frawend Bild die Augen auf vnd zue thuet, kann man sie auf solche Weis ziehen?“ Und der scheinbar für die Vernunft stehende Beichtvater entgegnete: „Nein, dises Bild seye schon alt [...], es werde etwas anderes bedeuthen.“494 Vor allem eines lässt sich aus den skizzierten Mirakelberichten von Rottweil und Maria Steinbach schließen: Sie setzen auf eine punktuelle Verlagerung vom Bild als Repräsentation zum Bild als lebendigen Körper. Beide Seiten gehören weiterhin zusammen. Denn das Bild verwandelt sich im Augenblick des Staunens nicht einfach in ein lebendiges Subjekt, sondern zeigt dessen Lebendigkeit punktuell, bevor es sozusagen wieder in den Stand-by-Modus der Repräsentation wechselt. Das Staunen des Betrachters lässt sich somit auch auf die doppelte Eigenschaft des Bildwerkes zurückführen, dass es ein die Gottesmutter repräsentierender und zugleich ein mit lebendigem Geist durchhauchter Gegenstand ist. Dabei begründet sich das Staunen nicht durch die hohe Kunstfertigkeit eines Gnadenbildes oder durch den privilegierten Ort, an dem es aufgestellt ist. Der oftmals krude oder ungelenke Charakter der im 18. Jahrhundert populären Gnadenbilder betont eine Werthaltigkeit jenseits von Zeit und Mode, aber auch jenseits klerikaler oder obrigkeitlicher Interessen.495 Das rhetorische Kalkül dieser Ästhetik ist das der Armut und Echtheit. Gesetzt wurde auf den Topos der demütigen Erhöhung eines Gnadenbildes. Technische oder ästhetische Kunstfertigkeit stand stets im Verdacht, das Staunen als Trick herbeizuführen. Hier aber beruhte das Staunen auf den rhetorischen Figuren der modestia und der humilitas [Abb. 153]. Das Bild des „gegeißelten Heilands“ auf der Wies, dem der kultische Zusammenhang zunächst ebenso fehlte wie eine besondere Kunstfertigkeit, konnte sich gerade aus diesem Grunde als staunenswertes Bild etablieren: Armselig und ungelenk aus Teilen anderer Skulpturen zusammengesetzt und „weilen diese Theil aus unterschidlichen Wincklen zusammen getragen nach Proportion oder Bilder-Kunst sich nit wohl zusammenschickten, wurde der gantze Leib mit einer Leinwat überzogen“. Wegen seines „geringen Ansehens“ ausrangiert, kam es bald in den Besitz der Bäuerin Maria Lori. Als sie das Bild dann im Jahr 1738 in ihre Kammer stellen ließ, beobachtete sie, wie es Tropfen im Gesicht hatte, die „sie vor Zäher haltete“.496 Aus dem Blickwinkel dieser Beschreibung erscheint die gängige Vorstellung, dass alte Kultbilder, die den neuen künstlerischen Ansprüchen nicht mehr genügten, durch entsprechende Kultinszenierung und Bildpropaganda aufgewertet worden seien, zu einseitig.497 Gerade die Betonung des Ungehobelten und aus Restbeständen „reproduzierten“ Bildwerks emanzipierte die Gnadenwirkung von der Kunstfertigkeit eines Gnadenbildes. Das Rohe oder Alte am Gnadenbild lieferte die kontrastreiche Hintergrundfolie für dessen Einbettung in ein opulentes und schmuckreiches Rahmenwerk. Entgegen aller Vernunft trotzdem zu glänzen, sollte vielfach die erstaunliche Wirkung eines Gnadenbildes begründen.

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Wenn es in den oben beschriebenen Fällen darum ging, den Besucher in Staunen zu versetzen, so ließ sich dabei auch auf die lange Vorgeschichte einer Rhetorik des Staunens und mit Bezug auf den Kircheninnenraum auch auf das Meraviglioso Composto als ein „erstaunliches Zusammenspiel“ der Künste zurückgreifen.498 Staunen (thaumazein) gebührte nicht nur dem strahlenden kirchlichen und weltlichen Herrscher,499 es war auch Teil eines bewährten wirkungsästhetischen Kalküls, dessen sich die antike Rhetorik von Aristoteles über Cicero bis Quintilian bedient hatte.500 So rechnete Quintilian das Staunen zum Redeschmuck (ornatus) und betrachtete es als eine paradoxe, weil rhetorische Berechnung des Unwillkürlichen.501 Anders als die Deutlichkeit oder Klarheit der Worte (perspicuitas) sollte deren Steigerung durch kalkulierten Redeschmuck den Hörer in ekstatische Begeisterung, in Staunen versetzen. Dem korrespondierte schon bei Aristoteles eine tief verankerte Lust des Menschen am Staunen.502 Damit treten zwei zentrale Aspekte einer Ästhetik des Staunens ins Blickfeld: die bereitwillige Lust am Staunen (aufseiten des Staunenden) und der kalkulierte Ereignischarakter des Staunenswerten. Die rhetorischen Mittel des Staunens findet Quintilian im Glanz und im Strahlen als Formen einer das „schlagende“ Wort charakterisierenden Energie (fortitudo). Cicero habe es vorzüglich verstanden, so versichert Quintilian, den „Glanz“ der Worte einzusetzen: „Die Erhabenheit (sublimitas), die Großartigkeit (magnificentia), der Glanz (nitor) und das Gewicht seiner Worte war[en] es doch gewiss, was ein solches Tosen auslöste.“ Schließlich wählt Quintilian zur Erklärung des rhetorischen Glanzes (nitor, fulgor, splendor) eine einprägsame Metapher: „... das blitzende Eisen macht ja auch einen schrecklichen Eindruck auf die Augen, und die Blitze brächten uns nicht in solche Verwirrung, wenn nur ihre Kraft, nicht auch ihr Strahl gefürchtet würde.“503 Dieser Vergleich macht sehr schön deutlich, dass sich rhetorischer Glanz weniger am Inhalt als an der Wahl und am unvorhersehbaren Auftreten des Wortes im richtigen Moment entscheiden sollte. Glanz ist nicht eine Sache des Inhaltes, sondern einer gut gewählten Formulierung im richtigen Augenblick. Diese vermittelnde Rolle des ebenso rhetorisch wie ästhetisch konnotierten Glanzes trug sich bis ins 18. Jahrhundert fort, wenn etwa in Zedlers Universallexikon erläutert wird: „Splendor [...] heißet der Glanz oder Schein des Lichtes, so von einem des Lichtes unfähigen Cörper zurück prallet, als welches er von einem andern hellen Cörper empfangen.“504 In dieser Sicht beruht dann aber thaumazein nicht auf dem materiell Fassbaren, das sich der Erkenntnis schrittweise erschließt, sondern auf ein den Verstand übersteigendes, augenblickliches und schlagendes Sichzeigen.505 In den Ausstattungen, dem Ornatus des spätbarocken Kirchenbaus ist der Glanz das ästhetische Mittel des Staunens.506 Vertraglich wurde er von den spätbarocken Auftraggebern (als „alabastriren“ oder „marmoriren“) überall dort gefordert, wo es galt, den Eindruck des augenblicklichen Erscheinens eines Gnadenbildes, einer Plastik, eines Bildes oder eines Ausstattungsstückes ins Licht zu setzen.507 Auch der Bildhauer Johann Joseph Christian wurde vor allem wegen des „Marmorglanzes, wie auch des Coloriths“ seiner Stuckfiguren geschätzt und gegenüber seinen Konkurrenten bevorzugt.508 Und um es noch einmal zu wie-

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498 PREIMESBERGER 1986, S. 192. 499 So wurde der Heilige schon in der Patristik als ein „thaumaturgus“ bezeichnet. Zedlers Universallexikon schreibt hierzu: „Thaumaturgus, heißt bei den Griechen ein Wunderthätiger, und ist dieser Nahme vielen Heiligen beygeleget worden ...“ Und zu „thaumaturgia“: „[...] heisset im Griechischen so viel als das Wunder thun“. ZEDLER 1745, Bd. 43. Zu thaumaturge als Attribut der französischen Könige siehe Marc Bloch: Les Rois thaumaturges, Paris 1924, dt. 1998. 500 MATUSCHEK 1991, S. 24–46. 501 Nicht zufällig wurde die Inszenierung des Gnadenbildes auch als „Ornat“ bezeichnet, der allerdings zu dessen Wirkungsweise wesentlich hinzugehörte. Vgl. HENKEL 2004, S. 144. 502 MATUSCHEK 1991, S. 31 f., 38. 503 QUINTILIAN 1995, VIII 3, 3–5, S. 150–153. Vgl. in jüngerer Zeit auch die Beiträge von Nicola Gess und das SNF Sinergia Projekt „Poetik und Ästhetik des Staunens“. 504 ZEDLER 1732–1754, Bd. 39, Sp. 300. 505 Für Kant bestand Thaumaturgie deshalb auch aus „lauter Verirrungen einer über ihre Schranken hinausgehenden Vernunft“. KANT [1794] 1993, S. 704, B 64. 506 Splendor charakterisiert hier somit die aus dem Ausstattungsreichtum herrührende Wirkungsmacht etwa des Zwiefalter Klostergebäudes als eines „Monasterium notabile admondum & insigne, Splendium, Magnificum, Opulentum“. DEO GRATIAS 1690, S. 34. Vgl. zur Bedeutung des Glanzes im spätbarocken Raum mit Bezug auf den Stuckmarmor MAIER 2012, S. 168–171. 507 In einem Angebot für Meßkirch spricht Johann Joseph Christian von einem Choraltar „… samt Tabernakel von Gipsmarmor auf das feinste geschliffen, die Figuren alabasterweiß poliert“. Siehe HUBER 1960, S. 76. Vgl. für Joseph Anton Feuchtmayer auch: KNAPP 1996, S. 72, und allgemein zum Polieren des Stucks: SCHIESSL 1979, S. 45–47. 508 Notiz des Oberamtes von Meßkirch aus dem Jahre 1775, zitiert bei HUBER 1960, S. 89.

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154 Glanz an Stucksäule im Langhaus von Zwiefalten (Johann Michael Feichtmayr) (NvdM)

155 Johann Joseph Christian: Gewand des Propheten Ezechiel an der Gegenkanzel (Detail), ca. 1768 (NvdM)

509 CICERO [2003], De oratore, lib. II, 119 f., S. 280/281. – Wollte man aus dem Glanz weitergehende bildtheoretische Überlegungen ableiten, so müsste man freilich auch seine dunklen, finsteren und verschatteten Kehrseiten einbeziehen, wie sie etwa Edmund Burke diskutierte.

derholen: Der Glanz ist zunächst keine Angelegenheit des Darstellungsinhaltes, sondern beschreibt die nicht-greifbare Seite seiner materiellen Erscheinung, um von hier aus auf das Dargestellte zurückzuwirken. Genau betrachtet lokalisiert sich der Glanz also nicht am, sondern vor dem Material und kann nicht mit dem Tastsinn verifiziert werden. Glanz entzündet sich an den optischen Eigenschaften des Materials, vor welches der Glanz einen unbestimmten Schein legt. Bildlich gesprochen brennt der Glanz eine optische Leerstelle ins Material ein und zielt auf die Nichtmessbarkeit der Beziehung von Auge und Oberfläche. Der staunende Blick antwortet auf den Glanz, der an der Oberfläche vorbeizieht [Abb. 148, 154, 155]. Denkt man an die oben angesprochene rhetorische Dimension des Glanzes, so liegt die Gemeinsamkeit zwischen dem Glanz des Wortes und dem des Bildes in dem über den bloßen Stoff (res) hinausgehenden „Wie“ der Adressierung des Stoffes. Dieses „Wie“ will das „Was“ der Messbarkeit entziehen und ein Staunen hervorrufen. Cicero sah in diesem „Wie“ daher auch die eigentliche Herausforderung bei der Gestaltung der Rede und stellte es noch vor die Wahrheitsbegründung: „Es würde nämlich zu weit führen, wenn ich jetzt erklären wollte, wie man Zeugenaussagen, Urkunden und Geständnisse zu stützen oder zu entkräften hat. All’ das erfordert keine besondere Begabung [...], systematische Anweisung verlangt nur die Ausschmückung mit bestimmten stilistischen Glanzlichtern [...]. Deswegen müssen wir uns bei Prozessen um diese beiden Fragen kümmern: erstens was und zweitens wie wir etwas sagen. Die eine ganz theoretisch wirkende Aufgabe, zu erkennen, was man sagen muss, kommt zwar nicht ohne Theorie aus, sie verlangt jedoch nur einen fast bescheidenen Grad von Intelligenz. Die andere Aufgabe, etwas, das man sagen muss, schön, wortreich und abwechslungsvoll zu sagen, die ist es, worin sich jene göttliche Kraft und das Werk des Redners zeigt.“509 Mit den Meraviglia- und Magnificentia-Konzepten der Renaissance und des Barocks verbunden, beschreibt thaumazein das „Wunderbare“ von der Wir-

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kungsseite her. Wenn Bernhard von Clairvaux eindringlich empfiehlt, auf den Glanz Mariens zu blicken, so meint er deren Wirkung. In unserem Zusammenhang lässt es sich aber auch auf die im Langhausfresko gemalten Gnadenbilder beziehen, welche die Bedeutung des Gnadenbildes von Zwiefalten ins Licht setzen. Aus den obigen Bemerkungen zur Copia wird dieser Sachverhalt deutlich: Die im Fresko aufgeführten Gnadenbilder erscheinen als Abbilder ihres Urbildes Maria, im Raum des Langhauses aber zugleich als gemalte Vermittlerinnen des realen Gnadenbildes von Zwiefalten. Mit Bezug auf die gesamte Ausstattung charakterisiert das „Staunen“ eine übergreifende Erfahrungsweise, die als „Unerschöpflichkeit der möglichen Bilder“ (Wölfflin) charakterisiert wurde. Unterstanden die Vorhallenfresken einer Rhetorik des Innehaltens und Öffnens der Sinne (attentum parare) mit sparsamen Mitteln, so folgt hierauf im Langhaus ein kalkuliertes Staunen (thaumazein), das sich am Glanz (splendor) der Oberflächen wie an der Unbegrenztheit möglicher Bildansichten zeigt. Beide Aspekte haben eines gemeinsam: Sie rechnen mit einem Betrachter, der im Angeblicktwerden den eigenen Blick aktiviert. Die ästhetische Struktur des Staunens ließe sich noch etwas genauer bestimmen, wenn sie einer anderen Kategorie des 18. Jahrhunderts, nämlich der des Sublimen, gegenübergestellt wird. Wie Quintilian für den Ornatus, so unterscheidet auch Edmund Burke zwischen zwei Wirkungsweisen, und zwar der von „Deutlichkeit“ (perspicuitas) und der von „Erhabenheit“ (sublimitas): „Es sind verschiedene Dinge, ob man eine Idee klar oder ob man sie für die Einbildungskraft wirkungsvoll machen will.“510 Auch einige der zentralen Bestimmungen, die Burke für die Kategorie der Erhabenheit in Anspruch nimmt, wie „Riesigkeit“, „Unendlichkeit“, „Pracht“ und „Plötzlichkeit“, scheinen jenen des Staunens auf den ersten Blick verwandt.511 Burke verweist in diesem Sinne auch auf die beiden griechischen Bedeutungen von Schrecken als „Furcht“ und als „Staunen“ sowie auf das lateinische stupeo, das einen erstaunten Geist bezeichne.512 Allerdings beruhte – und diese Unterscheidung ist letztlich die relevante – für Burke wie später auch für Kant das Verhältnis zum Gegenstand des Erhabenen auf einer existenziellen Scheu, die alle weitere Bewegung hemmt. Burke nannte diese Hemmung „Erschauern“ oder „Schrecken“. Kant sprach analog von einer „nur indirecten“, „negativen Lust“ oder „Unlust“ gegenüber dem mathematisch und dynamisch Erhabenen, die erst in einem späteren Schritt in „Lust“ durch „Achtung“ umschlage.513 In gewissem Sinne ist das Staunen die Kehrseite der Erhabenheit, weil sie eine positive Lust am Staunen voraussetzt. Deshalb hemmt sie im spätbarocken Raum auch die Geh- und Sehbewegungen nicht, sondern bringt diese erst auf den Weg – dort ein passives Erleiden, hier ein aktives Erkunden. Führte Burke das Erhabene auf Dunkelheit und Rauheit der Oberflächen zurück, so kehren sich diese Kategorien im spätbarocken Sakralraum als staunende Lust am Licht auf den polierten und glatten Oberflächen um.514 Im Glanz und seiner an entscheidenden Stellen im Raum aufgebotenen Kontrastfolie, dem Ungehobelten und Alten, liegen die zentralen Figuren einer Ästhetik des Staunens.

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510 BURKE [1757] 1989, S. 94. 511 Vgl. BURKE [1757] 1989, S. 108–122. 512 BURKE [1757] 1989, S. 92. 513 KANT [1790] 1992, § 23, S. 165, § 27, S. 180, 185; BURKE [1757] 1989, S. 91. 514 BURKE [1757] 1989, S. 109, 118, 154.

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155 Johann Georg Glückher: Chronos verzehrt die Geschichte Zwiefaltens, im Hintergrund eine schematische Darstellung des romanischen Münsters Zwiefalten, Frontispiz aus: Sulger: Annales Imperialis Monasterii Zwiefaltensis, 1698 (NvdM)

7.6 Topo-Chrono-Stemmatographica

515 SULGER (I), 1698; vgl. zur barocken Spiegelmetaphorik BRÜCKNER [1997] 2000e. 516 Vgl. DELEUZE 1993, S. 204.

Seinem 1698 posthum erschienenen Geschichtswerk über Zwiefalten stellte der Historiograf Arsenius Sulger ein einprägsames Frontispiz voran, auf dem sich das göttliche Licht der Erkenntnis in einem von der Allegorie der Historia (bzw.Veritas) gehaltenen Spiegel bricht und auf das Haupt von Chronos fällt [Abb. 156].515 Vor einem schematischen Prospekt des Klosters Zwiefalten frisst der am Boden kauernde Chronos seine eigenen „Kinder“, die Geschichtsbücher und Chroniken einer sechshundertjährigen Klostergeschichte, auf die Zwiefalten Ende des 17. Jahrhunderts zurückblicken konnte. Das Titelkupfer hat programmatischen Charakter. Es veranschaulicht nicht zuletzt die Vorläufigkeit aller historiografischen Bemühungen, da diese vom Fluss der Zeit eingeholt werden und deshalb die Geschichte von jeder erreichten Gegenwart aus neu zu schreiben ist. Die Figur des Chronos, der seine Kinder frisst, steht für ein Geschichts- oder Zeitverständnis, das die Vergangenheit zugunsten jeder neuen Gegenwart verschlingt und nur insofern eine Zukunft kennt, als sie bereits Gegenwart geworden ist.516 Arsenius Sulger hat dieses Zeitmodell so ernst genommen, dass er am Ende seiner Annalen, im Jahr 1691, gewissenhaft auch noch seinen eigenen Tod mitteilen lässt. Die Arbeit an den Annalen hatte die eigene verrinnende Lebenszeit verschlungen. Das Werk gelangte an die Öffentlichkeit, als die Gegenwart des Autors schon der Vergangenheit angehörte. Dagegen brennt sich im Langhausfresko von Zwiefalten nicht der die Gegenwart verschlingende Chronos in die Decke des Kirchenraumes ein. Hier liegt ein gänzlich anderes Zeitmodell vor, ein Zeitmodell, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sich vermischen, heils- und weltgeschichtliche Ereignisse einander durchdringen und die empfohlene Einheit von Raum, Zeit und Handlung der aristotelischen Dramentheorie außer Kraft setzen. Dabei ist die Geschichte Zwiefaltens im Langhausfresko selbst nicht dargestellt. Weder die Konzeptfrag-

7 Langhausfresko: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus (1751)

mente noch das realisierte Langhausfresko selbst bekunden die programmatische Absicht, die eigene religiöse Reputation zu heroisieren oder Zwiefaltens Bedeutung als Marienwallfahrtsort historisch zu legitimieren. Abt Benedikt Mauz ging weitaus subtiler vor, wenn er im Langhausfresko eine marianische Geschichtslandschaft als fiktive Reise entfaltete, die er vor dem realen Gnadenbild von Zwiefalten enden ließ. Besetzt Zwiefalten unter den aufgerufenen Wallfahrtsorten auch den letzten Platz, so präsentiert es sich im Gehen durch das Langhaus als der eigentliche Kulminationspunkt eines Weges. Für die Regiones terrestres griff Mauz deshalb nicht auf Sulgers Annalen zurück, sondern bediente sich der Benediktiner- und Jesuitenliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts. Formelhaft gesprochen, konzipierte Mauz entlang dieser literarischen Quellen eine panoramatische Geschichtslandschaft mit marianischen Gnadenbildern als deren Koordinationspunkten. Die lateinischen Konzeptfragmente zitieren Werke von Gabriel Bucelin OSB (1599–1681), Aegidius Ranbeck OSB (1608–1692), Gabor Hevenesi SJ (1656–1715) und Veremund Eisvogl OSB (1687–1761).517 All diese Autoren teilten ein ähnliches Schicksal: Ihre annalistische bzw. chronikalische Methode beruhte auf kompilatorischen Verfahren, die als „Denkmäler des Überdauerns“518 für die Kontinuität ihrer monastischen Kulturen zwar unverzichtbar waren. Anders als Jean Mabillons Acta sanctorum ordinis Sancti Benedicti (1668) gelangten sie jedoch zu keinen neuen Methoden der Geschichtsdarstellung oder zu unerwarteten historischen Erkenntnissen.519 Wohl aus diesem Grunde geriet die überwiegende Zahl dieser Geschichtsschreiber mit der Säkularisation in Vergessenheit, obgleich sie im 17. Jahrhundert, allen voran der Weingartner Mönch Gabriel Bucelin, als maßgebliche Autorität in Sachen „Klostergeschichtsschreibung“ herangezogen wurden.520 Im 17. und 18. Jahrhundert teilweise ins Deutsche übersetzt, adressierten sich die Schriften der genannten Autoren aber nicht nur an ein Gelehrtenpublikum, sondern empfahlen sich auch einer breiteren Leserschaft als ebenso informative wie erbauliche Nachschlagewerke. Darin bildeten sie eine Schnittmenge aus historiografischer Arbeit und katholischer Andachtsliteratur. Ranbecks Benediktiner-Kalender wurde 1710, Bucelins populäres Werk Nuclei Historiae Universalis (Der gantzen Universal Historie Nusskern) 1657/78521 und Hevenesis Ars Bonae Mortis (als Kunst wohl zu sterben) 1749 ins Deutsche übertragen.522 Für den Entwurf des Deckenfreskos übernahm Benedikt Mauz einzelne Textstellen wortgetreu aus den Schriften Bucelins, Hevenesis und Ranbecks und interessierte sich insbesondere für jene Heiligen des Benediktinerordens, deren Viten sich mit der Verehrung marianischer Gnadenbilder in Verbindung bringen ließen. In einigen Fällen ergänzte Mauz die Zitate mit eigenen Kommentaren. Die Absicht von Mauz, einige Eckdaten benediktinischer Marienverehrung im Langhausfresko topologisch anzulegen und von Spiegler in eine kartografische Malerei übersetzen zu lassen, konvergiert nicht zuletzt mit den Interessen Gabor Hevenesis und Gabriel Bucelins an einer bildlichen Geschichtsdarstellung, für welche vor allem die Kartografie, aber auch die Heraldik und die Genealogie in Anspruch genommen wurden. 1689 hatte der Jesuit Hevenesi an der Universität Wien seinen Parvus Atlas Hungariae als Dissertation eingereicht, der neben dem

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157 Anonym: Gabriel Bucelin, aus G. W. Zapf: Reisen in einige Klöster Schwabens, 1781 [STUMP 1976]

517 BUCELIN 1655; BUCELIN 1656; BUCELIN 1671; RANBECK 1677; HEVENESI 1684; EISVOGL 1723. 518 Vgl. SCHREINER 1982, S. 250. 519 Vgl. in Bezug auf Gabriel Bucelin: NEESEN 2003, bes. S. 321–324, 359 f. 520 So benutzte Abt Georg von St. Georgen für seine Festpredigt anlässlich des 600-jährigen Bestehens des Klosters Zwiefalten die Werke von Gabriel Bucelin. Vgl. DEO GRATIAS 1690, S. 34, 43. 521 Vgl. NEESEN 2003, S. 386–390. Ein Exemplar von Bucelins Menologium Benedictinum (1655a) befand sich nachweislich in der Klosterbibliothek von Zwiefalten (Sign. Kirch. G. fol. 106), vgl. NEESEN 2003, S. 400. 522 Wichtig für diese Gattung auch: Arnold von Wion (1554–1610): Lignum vitae, Baum des Lebens. History des gantzen Ordens S. Benedicti, Augspurg 1607, und Benedikt Cherle: Martyrologium Benedictinum, das ist: Clösterlicher Benedittiner Kirchen Calender, auff alle Tage deß gantzen Jahrs gestellt ..., Augspurg 1714. In dem Werk kompilierte der Thierhauptener Abt Cherle Bucelins Menologium Benedictinum (1655a) und Lignum vitae, das zuerst 1595 auf Latein erschien. Vgl. zu Cherle: Franz Machilek: Benedikt Cherle (1670–1719), Abt von Thierhaupten, und die Anfänge des „deutschen Maurinismus“, in: Bayern. Vom Stamm zum Staat. Festschrift für Andreas Kraus zum 80. Geburtstag, hg. v. Konrad Ackermann, Alois Schmid, Wilhelm Volkert, Bd. 2, München 2002, S. 47–63.

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158 Georg Knappich: Der Ordensgründer Benedikt nimmt umgeben von benediktinischen Marienverehrern von der Himmelskönigin den Auftrag zur Verbreitung der Marienkultes entgegen, Titelkupfer von BUCELIN 1671 (NvdM) 159 Leonhard Heckenauer nach einer Vorlage von Johann Karl von Reslfeld: Glorie des hl. Benedikt, 1701, Thesenblatt der Erzabtei St. Peter, Salzburg

523 HEVENESI 1689. 524 KULLEN 1997, S. 43; vgl. KULLEN 1999. 525 BUCELIN 1658; BUCELIN 1677. Eine Beschreibung des Salzburger Thesenblattes findet sich bei LINDNER 1906, S. 314–316. Zur Missionsszene vgl. ebd., S. 316: „Verkündigung des Evangeliums unter den Heiden, deren Taufe. [...]; Zerstörung der Götzenbilder, Aufpflanzung des hl. Kreuzes.“ Die Darstellung des hl. Lanfrank, Erzbischof von Canterbury, im Salzburger Thesenblatt

vom Autor selbst erstellten Kartenmaterial umfangreiche tabellarische Listen ungarischer Städte mit Längen- und Breitenangaben im Kleinquartformat enthält.523 Mehr noch als Hevenesi verband der Weingartner Benediktiner ­Gabriel Bucelin seine historiografische Arbeit – nicht ohne „Talent, räumliche Zusammenhänge zu erfassen“ – mit mehr oder weniger ausgearbeiteten Karten und Kartenentwürfen [Abb. 157].524 Einen Prospekt des Klosters Zwiefalten hatte der 29-jährige Bucelin bereits 1628 angefertigt und lieferte damit die erste Ansicht des romanischen Klosters [vgl. Abb. 8]. Seine von Mauz für den Entwurf des Langhausfreskos mehrfach benutzte Chronologia Benedictino-Mariana (1671) zeigt ein Titelkupfer, welche Benedikts Unterstellung unter die Herrschaft der Himmelskönigin thematisiert. Dieses scheint in der zentralen Idee dem Langhausfresko von Zwiefalten verwandter als das für süddeutsche und österreichische Kuppelfresken einflussreiche Salzburger Thesenblatt der Glorie des hl. Benedikt (1701), welches lediglich in der personellen Besetzung sowie für einzelne Szenen der Randzonen (Mission) eine gewisse Relevanz besitzt [Abb. 158, 159].525 Wie in fast allen Schriften Bucelins, so kehrt auch in seinen historiografischen Hauptwerken Germania (1655), Nuclei Historiae Universalis (1650, hier: 1658) und Constantia Rhenana (1667, hier: 1677) ein zentraler Begriff wieder, mit dem er sein Vorgehen programmatisch zusammenfasste: „Topo-Chrono-Stemmato-Gra-

7 Langhausfresko: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus (1751)

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phica“.526 Mit ihm sollte vielleicht auch eine methodische Neuerung in die Geschichtsschreibung eingebracht werden, die allerdings letztlich erfolglos blieb. Der Begriff kennzeichnet nicht nur das Interesse an einer universalhistorischen Geschichtsschreibung, in ihm drückt sich auch der methodische Versuch aus, verschiedene Darstellungsebenen in einer Universalgeschichte konvergieren zu lassen.527 Konkret bedeutete dies die Synthese kartografischer, chronologischer und genealogisch-heraldischer Verfahren.Verbunden war hiermit auch die Konvergenz bildlicher und sprachlicher Ordnungssysteme mit dem Ziel einer enzyklopädisch angelegten Heils- und Weltgeschichte. Für unseren Zusammenhang ist dieser Aspekt von Interesse, zeigt er doch den Versuch, ein annalistisches oder chronikalisches Geschichtskonzept mit einer bildlich-kartografischen Ebene in Einklang zu bringen.

7.7 Kartierung einer Terra Mariana Von der Hand Gabriel Bucelins finden sich unter den ca. 100 Ortsbildern, 130 Porträts und 40 Karten, die sich erhalten haben, auch mehrere Karten des Bodenseegebietes.528 Für die 1657 in der Constantia Rhenana veröffentlichte Variante orientierte sich Bucelin an der 1647 von Johann Ernst von Altmannshausen erstellten Karte desselben Gebietes, die aus Anlass der erfolgreichen Verteidigung der katholischen Bodenseegebiete gegen die Schweden entstanden war [Abb. 160, 161].529 Obgleich Altmannshausen offenbar die Idee für die Gesamtdisposition des Bildes lieferte („J. E. ab A. Invenit“), stammte die eigentliche Stichvorlage von einem als „D. H.“ ausgewiesenen Künstler (David Herz), der wohl auch für das Figurenpersonal und für die Vordergrundterrasse verantwortlich zeichnet. Möglicherweise verstärkte die Mitautorschaft dabei einen paradoxen Grundzug der Karte, informationsgrafische Strenge und visuelle Narration in Einklang zu bringen. Bemerkenswert scheint gerade die Verflechtung epistemischer, ästhetischer und religiöser Motive. Der bayerische Herzog Maximilian und sein Sohn sind so in den Vordergrund platziert, dass sie gleichsam von Schloss Wolfegg aus auf den Bodensee hinabschauen. Doch richtet sich der Blick des Herrschers nicht auf den von ihm erfolgreich verteidigten militärisch-politischen Wirkungsraum, vielmehr wendet er sich hinauf zum Bildnis der Gottesmutter, welcher Maximilian ehrerbietig seine Waffen und Rüstung zu Füßen legt. In der Huldigung der Gottesmutter dokumentiert sich nicht nur der Dank Maximilians für die errungenen Siege in Lindau (1646), Wolfegg (1646) und Konstanz (1633), die am oberen Bildrand vergegenwärtigt sind. Der gewährte Beistand sichert umgekehrt auch der Gottesmutter Maria die Herrschaft über den politischen Wirkungsraum Maximilians (Patrona Bavariae). In dieser gegenseitigen Treuebindung kann Maria zur Königin des Bodenseeraumes werden, gerade weil in der militärisch-konfessionellen Krise des Dreißigjährigen Krieges auch die Geltung ihres eigenen Bildes auf dem Spiel stand und schließlich von Maximilian erfolgreich verteidigt wurde. In diesem Sinne tritt Maximilian als Garant und Verfechter einer marianischen

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mit den Buchinschriften „Contra Berengarium“ und „De Corpore et Sanguine Christi“ könnte sowohl für die östliche Hauptszene des Zwiefalter Langhausfreskos wie auch für die Kanzelszene im Südwesten als Inspirationsquelle gedient haben. Insgesamt hebt das Zwiefalter Langhausfresko im Unterschied zum Salzburger Thesenblatt jedoch mehr auf die Thematik der Verehrung Mariens in Wort und Bild durch den Benediktinerorden ab. BUCELIN 1655; BUCELIN 1658; BUCELIN 1677. Athanasius Kircher und Robert Fludd waren hiermit freilich wesentlich erfolgreicher. Letztlich ist es wohl auch auf die unkritische Übernahme des historischen und genealogischen Materials zurückzuführen, dass etwa Gottfried Wilhelm Leibniz zu einem heftigen Kritiker Bucelins wurde (vgl. NEESEN 2002, S. 310 f.) und dass Bucelins projektierte Methode, verschiedene Darstellungsebenen miteinander zu verbinden, als wenig chancenreich eingeschätzt wurde. Eine erste Übersicht lieferte: STUMP 1976; vgl. auch KULLEN 1999, S. 36, Anm. 24. Johann Ernst von Altmannshausen (1581– 1662) war Haushofmeister des kaiserlichen Gouverneurs der Stadt Lindau, Maximilian Willibald von Waldburg-WOLFEGG. Von Altmannshausen widmete dem Gouverneur die Karte als Danksagung für die Verteidigung der katholischen Bodenseegebiete gegen die Stadt Lindau. Bucelin war mit Graf Waldburg-Wolfegg bekannt. Vgl. KULLEN 1999, S. 30. Altmannshausens Karte lässt sich auch als Pendant zur 1615 erschienenen Bavaria Sancta Raphael Sadelers verstehen, der ein Kupferstich mit einer Karte Bayerns, der Gottesmutter und dem Erzengel Michael als Frontispiz vorangestellt wurde. Vgl. KATALOG 1997, S. 433 f., Nr. 126.

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160 Gabriel Bucelin: Bodenseekarte, 1657, aus: BUCELIN 1657 (NvdM) 161 Ernst Friedrich von Altmannshausen/David Herz/Wolfgang Kilian: Bodenseekarte, 1647, Kupferstich, originale Kupferplatte auf Schloss Wolfegg, 54,3 x 35,7 cm (KATALOG 1981)

530 Vgl. zu Maria als Symbol zur Wahrung nationaler Identität bei Kriegsgefahr TOBLER 1991, S. 30. 531 GUMPPENBERG 1657; GUMPPENBERG 1672. Gumppenbergs Tätigkeit beschränkte sich nicht auf eine Bestandsaufnahme marianischer Gnadenbilder. Von 1554 bis 1775 oblag den Jesuiten die Seelsorge der deutschen Pilger in Loreto. Gumppenberg besuchte Loreto 1632 und wirkte von 1646 bis 1649 als Prediger in Freiburg i. Ü. In dieser Zeit empfahl er den Bau einer Loretokapelle in Fribourg, bevor er als Prediger in der St. Jakobskirche in Innsbruck arbeitete. Die Loretokapelle von Fribourg wurde 1647–1650 als maßstabsgetreue Kopie ihres Vorbilds geschaffen. Vermutlich stand auch der Bau der Loretokapelle in Hergiswald indirekt mit von Gumppenberg in Verbindung. Zu den Ausgaben des Atlas und seiner bildlichen Darstellungen: RONNER 1977; zu Gumppenberg ferner: TOBLER 1991, S. 32–35; KRAUSEN 1991, S. 61; BRÜCKNER [1999] 2000d, S. 505 f.; SIGNORI 2004, S. 305–308 und zuletzt CHRISTIN/FLÜCKIGER/GHERMANI (Hg.) 2014; sowie: BALZAMO/CHRISTIN/FLÜCKIGER (Hg.) 2015.

Bilderverehrung auf. Altmannshausen Karte bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass es bei dem Kampf um die Bodenseestädte auch um einen Kampf um die Verehrung des Muttergottesbildes ging.530 Wie das Bild der Gottesmutter aber kein konkretes Gnadenbild bezeichnet, sondern generell als Allegorie des marianischen Bilderkultes verstanden werden muss, so geht auch die sorgfältige Kartierung der Orte um den Bodensee über einen bloß informationsgrafischen Wert hinaus: Die Karte ist zugleich der nachgewiesene Ort des marianischen Eingreifens in die politischen Geschicke der Region wie umgekehrt allegorischer Bezugspunkt des verteidigten marianischen Wirkungsraumes. Der Chiasmus von „vertikaler“ und „horizontaler Allegorie“ (Marienbild/Bodenseekarte) verweist auf die wechselseitige Abhängigkeit der beteiligten Instanzen innerhalb eines Treuebündnisses und bedient sich dabei der Kreuzung von religiöser und epistemischer Bildform. Zehn Jahre später (1657) erschien in Ingolstadt erstmals der Atlas Marianus des Jesuiten Wilhelm von Gumppenberg (1609–1675).531 Dieser gelangte um 1653 mit der Absicht, sämtliche Gnadenbilder des 17. Jahrhunderts zu kartieren, an die Jesuitenkongregation, die wiederum ihre Ordensmitglieder zur Unterstützung seines Vorhabens aufforderte. Im Jahr 1655 erschien in Trient eine erste Projektskizze als „Idea Atlas Mariani“, bereits zwei Jahre später folgte eine erste Auflage

7 Langhausfresko: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus (1751)

des Verzeichnisses. Enthielt diese erste Auflage des Atlas Marianus (1657) zunächst 50 marianische Gnadenbilder einschließlich druckgrafischer Reproduktionen und Beschreibungen, so brachte es die dritte lateinische Auflage von 1672 bereits auf ein Konvolut von 1200 Marienbildern. Wer hinter dem Verzeichnis einen Atlas mit umfangreichem Kartenmaterial erwartete, wurde enttäuscht. Nur indirekt und vielleicht eher im Sinn eines katholischen Kontrapunktes bezieht sich Gumppenbergs kartenloser Atlas auf das gleichnamige Werk Gerhard Mercators samt dem berühmten Titelkupfer, das die ein Jahr nach Mercators Tod erschienene dreibändige Ausgabe von 1595 einleitet.532 Trotzdem ist der Vergleich dieses Titelkupfers [Abb. 162] mit jenen aus dem Atlas Marianus von 1657 und 1672 [Abb. 163, 164] aufschlussreich. Letztere zeigen zwischen dem Himmelsgewölbe und dem Erdenrund eine in der ersten Auflage schwebende und in der zweiten Auflage von Engeln getragene Santa Casa, auf deren Dachgiebel Maria Lauretana thront. Man kann dieses Motiv als Gegenprogramm zu Mercators Titelkupfer lesen. Nicht der mythologische ­Titan blickt hier von einem universalen Blickpunkt auf die Erde herab, bereit, deren Last und Geschicke zu tragen.Vielmehr erscheint die Gottesmutter nahezu schwerelos als gnadenvermittelnde Mediatrix zwischen Himmel und Erde. Und in diesem Sinne bemerkt Gumppenberg in der Vorrede der deutschen Ausgabe von 1673: „Es ist je und allezeit gewiß gewesen, daß Mariae die Ehr zugehört und eigen ist, welche die blinde Heyden, erstlich einem Berg, endlich einem Abgott, mit Namen Atlaß, gegeben, deme sie zugeschriben und gedanckt, daß der Himmel nit einfalle, und die Welt zerknirsche, als ob er der jenige wäre, der mit seinen Schulteren den fallenden Himmel mit allen Sternen auffhalte. Aber, O Maria, dir gehören dise und noch grössere Ehren zu, indeme du sovil deiner heiligen Wunderthätigen Bilder in die Christliche Welt hin und wider, als Stützen und Saulen, gesetzt, von welchen der Himmel understützt wird, daß er die Welt nit vertilge.“533 In dieser Sicht enthält das von der Casa Santa ausgehende und auf die Erde herabgehende Strahlenbündel eine doppelte Aussage: Es beleuchtet einerseits die Santa Casa als archetypischen Projektionsraum, der gleich einer Laterna magica marianische Gnadenbilder als Abbilder des Urbildes auf die katholischen Länder wirft, um auf diese Weise ein katholisches Weltreich zu kartieren. Zugleich sind die Strahlen aber auch Ausdruck der heilsamen Wirkung marianischer Gnadenbilder und im Sinne von Gumppenbergs „Stützen und Säulen“, welche die Last des himmlischen Schicksals tragen und so die Erde vor himmlischem und irdischem Unheil beschützen. „Ne Feriat – Ne Pereat“, heißt es deshalb auch unter dem Himmelsgewölbe und über dem Erdenrund. Die Bewahrung der Welt vor Elend und Zerstörung: Genau hierin erblickte Gumppenberg die Macht und Wirkung Mariens und ihrer Gnadenbilder. Die Santa Casa mit der Maria Lauretana konnte auch deshalb als Prototyp marianischer Gnadenbilder im Dienste des heilsamen Schutzes angesehen werden, weil gerade die Santa Casa gemäß Gumppenberg mehrfach einer drohenden Zerstörung durch Andersgläubige entkam. Und dass Gumppenberg die Sentenz „Ne Feriat – Ne Pereat“ ganz konkret verstand, zeigt die Dedikation des Atlas Marianus an die Himmels­

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162 Titelkupfer, aus: Gerardo Mercator: Atlas sive cosmographica, 1595 (http://www. bl.uk/onlinegallery/ttp/ttpbooks.html [letzter Zugriff: 30.10.2010])

532 Namensgebend für Mercators Atlas war der sagenhafte mauretanische König, Astronom und Kosmograf Atlas und nicht, wie später fälschlicherweise angenommen, der gleichnamige Titan. Vgl. VAN DER KROGT 1995, S. 31. 533 GUMPPENBERG 1672, Vorrede.

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163 Melchior Küsell: Ne feriat, ne periet, Frontispiz aus: GUMPPENBERG 1657 (NvdM) 164 Melchior Haffner: Ne feriat, ne periet, Frontispiz aus: GUMPPENBERG 1672 (NvdM)

534 Vgl. in diesem Zusammenhang die Überlegungen zur Kopie von Gnadenbildern bei TOBLER 1991, S. 15. 535 Vgl. DELEUZE/GUATTARI 2002, S. 24, 26: „Eine Karte hat viele Zugangsmöglichkeiten im Gegensatz zur Kopie, die immer nur ‚auf das Gleiche’ hinausläuft. Bei einer Karte geht es um Performanz, während die Kopie auf eine angebliche ‚Kompetenz’ verweist. [...] Man muss die Kopien wieder mit der Karte verbinden, die Wurzeln und Bäume auf ein Rhizom beziehen.“

königin, der es letztlich zu verdanken sei, dass der „Himmel die Welt nit vertilget habe, und die Welt mit Krieg, Kranckheit und Hunger seye vernichtet worden“. Zurückhaltend, aber eindeutig ist in dem Frontispiz des Atlas Marianus der existenzielle Hintergrund des marianischen Atlasprojektes angesprochen. Gumppenbergs Titelkupfer macht deutlich: In den projizierten Gnadenbildern bleibt die Wirkungsmacht der prototypischen Loretokapelle uneingeschränkt erhalten. Mehr noch: Die wundersame Reproduzierbarkeit der Loretokapelle erscheint als eigentliche Bestätigung ihrer auratischen Kraft und Ausstrahlung über den gesamten Erdball.534 Ein kurz zuvor (1647) entstandenes Gemälde Johann Dietterlins, das den Transfer der Loretokapelle von Nazareth über Dalmatien und Loreto nach Hergiswald (Kanton Luzern) zum Inhalt hat [Abb. 165, 166], liegt genau auf dieser Interpretationslinie, denn die wundersame Teilung der Casa Santa in Loreto bringt vollkommen gleichwertige Kopien ihres Prototyps hervor. Die Karte stellt hierbei das mirakulöse Ereignis nicht nur auf einen objektivierbaren Boden. Sie dient auch als Folie, die es dem Beschauer erlaubt, die erstellten Santa-Casa-Kopien als realen Weg zu lesen, die der Lichtstrahl demonstrativ nachzeichnet.535 Über den Veduten Loretos und des Vierwaldstättersees ragt dieser Lichtstrahl in den subjektiven Erlebnisraum hinein und überwindet so die abstrakte, kartografische Sicht auf die Dinge. Hat die ko-

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165 Johann Dietterlin: Legende der Translation der Casa Santa, 1647, Öl auf Leinwand, 170 x 132 cm, östliche Außenwand der Loretokapelle, Hergiswald (Kanton Luzern) (NvdM)

166 Johannes Dietterlin: Reproduktionsvorgang der Casa Santa, Detail aus: Legende der Translation der Casa Santa, 1647 (NvdM)

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536 Johann Dietterlin: Legende der Translation der Santa Casa, 1647, Öl auf Leinwand, 170 x 132 cm, östliche Außenwand der Loretokapelle, Hergiswald. Das Gemälde entstand nach italienischen Vorbildern des 16. Jahrhunderts. Vgl. BITTERLI 1997, S. 18, Abb. 11. 537 Heinrich Scherer, vermutlich 1628 in Dillingen geboren, trat mit 17 Jahren dem Jesuitenorden bei. Nach seinem Studium unterrichtete er in Dillingen lateinische Grammatik, Philosophie, Rhetorik und später auch Mathematik, Astronomie, Geografie und Hebräisch. Ab 1670 wirkte er als Prinzenerzieher und Beichtvater in Mantua, München und Köln. In dieser Zeit verfasste er auch einige Dramen, von denen sich zwei erhalten haben. 1704 starb Scherer im Jesuitenkolleg in München. Vgl. STROBEL 1981, S. 385; LAYER 1984, S. 145 f., BACHMANN 1991, S. 218. 538 Vgl. SANDLER [1905] 2003, S. 26–30; WAWRIK 1995, S. 64. 539 Vgl. SCHERER 1710, S. 121: „Multa est inter Geographos controversa, in qua parte globi terraquei Paradisus constiterit?”

pierte Santa Casa den kartierten Raum auf wundersame Weise überwunden, so erscheint sie hiernach nicht als trauriger Abklatsch ihres Urbilds, sondern als das Resultat einer mirakulösen Fortpflanzung, die im Kopiervorgang die Aura des Originals mit reproduziert.536 Verfolgte Gumppenbergs Atlas nur dem Titel nach die Kartierung eines marianischen Territoriums, so setzte der Jesuit Heinrich Scherer (1628–1704) den Plan der Kartierung eines marianischen Weltreiches in die Tat um.537 1623 in Dillingen geboren, dürfte Scherer den 14 Jahre älteren Ordensbruder Gumppenberg gekannt haben, zumal sie mit Bayern einen gemeinsamen Wirkungsraum hatten. Zwischen 1702 und 1710 erschien (teilweise posthum) das Lebenswerk Scherers, ein siebenteiliges geografisches Werk mit rund 180 Karten, das von den Herausgebern später als Atlas Novus betitelt wurde und unter anderem die Schöpfungsgeschichte, die katholische Hierarchie, die Jesuitenmission sowie die Marienverehrung aus geografischer Sicht verhandelt. Historisch interessant ist hierbei vor allem Scherers Interesse, das theologische Wissen der Jesuiten an das moderne geografische und kartografische Wissen anzupassen – oder umgekehrt formuliert: das kartografische Wissen für den Jesuitenorden dienstbar zu machen. Auch im Bereich der Kartografie brachte es der Atlas Novus zu wirklichen Weiterentwicklungen bzw. Neuerungen wie etwa den orohydrografischen und thematischen Darstellungsverfahren. Neben einer „Geographia Naturalis“ (I), einer „Geographia Hierarchica“ (II), einer „Geographia Politica“ (IV), einer „Geographia Artificialis“ (V), einer „Tabella Geographica“ (VI) und einer „Critica Quadrapartita“ (VII) enthält der Atlas als dritten Teil den 1702 in München erschienenen Atlas Marianus (1710), im Index auch als „Geographia Mariana“ angegeben. Geordnet nach Kontinenten und Ländern, verbindet Scherer zwei unterschiedliche Bildformen, das Gnaden- und das Kartenbild, anschaulich miteinander. Dabei verwendete er niederländische Atlanten, die im 17. Jahrhundert den deutschen Markt weitgehend beherrschten, und adaptierte wohl auch die erste moderne Weltkarte, die Planisphère terrestre (1682).538 Allerdings nutzte Scherer dieses Kartenmaterial dazu, ein brüchig und zunehmend unüberschaubares katholisches Territorium in einem marianischen Weltreich zu einen, indem er der Karte eines jeden Gebietes ein einschlägiges Gnadenbild zuordnete. So stehen die Gnadenbilder von Altötting und Ellwangen für die Gebiete Bayern und Schwaben [Abb. 167, 168]. Zudem markierte Scherer den Rang des jeweiligen Marienwallfahrtsortes durch größere oder kleinere Sterne bzw. durch Gnadenstrahlen. Scherers reiches Kartenmaterial diente als rationales Ordnungsmuster für die Gnadenbilder, sollte jedoch dem Beschauer darüber hinaus ein marianisches Weltreich vor Augen führen, in dem nationale Gnadenbilder zwar für bestimmte Territorien stehen, aber als Filiationen der Gottesmutter Teile eines gemeinsamen konfessionellen Interesses repräsentieren. Während die geografische Lokalisierung des biblischen Paradieses auch Scherer als problematisch erscheinen musste, ermöglichte die Kartierung der Gnadenbilder eine weltumspannende Projektion der Heilsgeschichte in das aktuelle Weltgeschehen. Heilsgeschichte, Weltgeschichte und Gegenwart waren in der neuartigen Überblendung von Gnadenbild und Kartenbild erfolgreich synthetisiert.539 Die so entstandene Terra Mariana

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hatte als marianische Geschichtslandschaft zugleich eine zeitlich-historische und eine räumlich-geografische Achse. Mit Bedacht wählte Scherer als kartografischen Fixpunkt für die programmatische Hauptkarte des Atlas Marianus (1702) nicht die Santa Casa als Urbild aller Gnadenbilder, sondern die Figur der Stella Maris, den marianischen Meeresstern [Abb. 169]. Als Venus ließ sich Maria einen kosmischen Platz zuweisen, der als Morgen- und Abendstern jedem Gläubigen täglich vor Augen stand. Dem mariologischen Brennpunkt der Stella Maris huldigen gemäß der jesuitischen Tradition an den Eckpunkten der Erde die vier Kontinente Europa, Asien, Afrika und Südamerika.540 Als ein Herrscherlob gemünzt, bietet die Vignette unten in der Mitte der Titelkarte eine Seh- und Leseanleitung durch den Atlas Marianus. Mit Bernhard von Clairvaux empfiehlt Scherer dem Leser, es den Erdteilallegorien gleichzutun und die Kartenlektüre auf den mariologischen Brennpunkt der Stella Maris auszurichten. Der Wortlaut der Vignette wurde oben bereits zitiert [vgl. Kap. 7.6]: „Ihr Menschen, die ihr erkennt, dass ihr im Strom des irdischen Lebens mehr zwischen Stürmen und Unwettern schwankt, als auf festem Boden wandelt, wendet eure Augen nicht ab von dem Glanz dieses Gestirns, wenn ihr von den Stürmen nicht überwältigt werden wollt! Wenn die Winde der Versuchung sich erheben, wenn du in die Klippen der Trübsale gerätst, dann blicke hin auf den Stern, ruf Maria an! [...] In Gefahren, in Ängsten, in bedenklichen Lagen, denk an Maria, ruf Maria an! Sie weiche nicht von deinen Lippen, nicht aus deinem Herzen [...].“541 Und um diese existenzielle Dimension der Stella Maris für den bedrohten Erdbewohner zu illustrieren, zeigt der Stich zwei Galeonen, die

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167 Heinrich Scherer: Vignette Ellwangen, Karte von Bayern und Schwaben, aus: SCHERER 1702, pars III (NvdM) 168 Heinrich Scherer: Vignette Altötting, Karte von Bayern und Schwaben, aus: SCHERER 1702, pars IIIb (NvdM)

540 Vgl. BAUER 1980, S. 64. 541 BERNHARD VON CLAIRVAUX 1993, S. 74–77.

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169 Heinrich Scherer: Hauptkarte des Atlas Marianus, aus: SCHERER 1702, pars III (NvdM)

eine bei stürmischer See außerhalb des marianischen Strahlenkranzes mit zerrissenem Segel und hilferufender Besatzung, die andere dagegen unter der Flagge Mariens, stolz und in ruhigeren Gewässern segelnd. Lieferte Scherers Meeresstern dem schweifenden Blick des Beschauers ein optisches Bewegungskriterium, so wird dieses im Langhausfresko von Zwiefalten gleichsam in den dreidimensionalen Raum rückprojiziert und auf die Raumfelder Chorgitter und Langhausfresko verteilt. Innerhalb einer choreografierten Körperbewegung stellt das Gnadenbild von Zwiefalten deshalb ein zugleich optisch wie physisch angelegtes Bewegungskriterium dar. Anstelle des kartografischen Blicks, der stets an der Oberfläche bleibt, setzt das Langhausfresko eine imaginäre Reise in Gang, während der sich der Beschauer die Gnadenbilder einer Terra Mariana im schweifenden Blick ambulativ aneignet, um schließlich im Gnadenbild von Zwiefalten sein ersehntes Reiseziel zu finden. Der Atlas Marianus (1710) des Jesuiten Scherer stellt einen späten, vielleicht sogar den letzten Versuch dar, ein ordensübergreifendes katholisches Territorium anhand von marianischen Gnadenbildern zu kartografieren. Die Zusammenführung von Kartenbild und Gnadenbild erlaubte es nicht nur, das brüchig gewordene katholische Weltreich zumindest im Bild zu einen. Das Bild der Karte diente auch als rationale Hintergrundfolie, um den nicht-rationalen, mirakulösen Charakter des Gnadenbildes auf ein neues Fundament zu stellen. Wenig später

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setzten in den einzelnen Orden separate Bemühungen in Richtung einer Ordenskartografie ein. Mit einer Karte der deutschen Jesuitenassistenz reagierte der Jesuitenorden 1725 und 1735 auf vorausgegangene Kartografierungsbemühungen der Kapuziner (1643/1712) und Augustiner (1659/1741). Zeitgleich erschien 1732 in Nürnberg die von Pater Carl Rupert OSB aus Weihenstephan geschaffene Karte der Germania Benedictina, die sich der „kosmischen Vision“ des benediktinischen Ordensvaters für den kartografischen Motivationsgrund bediente [Abb. 170].542 Eben diese kosmische Vision, welche einen gebündelten Strahl zum Gegenstand hatte, den Benedikt von Nursia von seinem Fenster aus bei Nacht geschaut haben soll (Vita Benediciti II 35, 2–4), scheint auch in das Konzept des Langhausfreskos von Zwiefalten eingeflossen zu sein. Karte und Fresko haben sich nicht nur hier ähnlicher Bildvokabeln bedient. In den Ordenskulturen des 18. Jahrhunderts wurde Heinrich Scherers Marienatlas ein häufig konsultiertes Nachschlagewerk.543 Dies zeigt sich nicht nur an der Neuauflage des Atlas Marianus 1730/37, sondern auch an zeitgleichen Par-

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170 Carl Rupert OSB: Karte der Germania Benedictina mit der kosmischen Vision des hl. Benedikt, Nürnberg 1732 (NvdM)

542 Von der Hand Carl Ruperts folgten wenig später die Karten Gallia Benedictina (1738), Italia Benedictina (1742) und Hispania Benedictina (1750). Vgl. hierzu: MEURER 2000, S. 23–33. 543 Auch das Kloster Zwiefalten besaß ein Exemplar, das sich heute in der Landesbibliothek Stuttgart befindet.

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544 Melchior Puchner: Verehrung marianischer Gnadenbilder, 1737/38, Fresko, 2,10 x 1,80 m; vgl. CORPUS 1981, Bd. 2, S. 488, N6. Fischbachau geht auf eine Klostergründung Abt Wilhelms von Hirsau zurück. Laut Chronik trafen (ähnlich wie in ­Zwiefalten) um 1080 zwölf Hirsauer Mönche in Fischbachau ein. Die Weihe des ersten Kirchenbaus erfolgte 1087. Vgl. LAMPL 1996, S. 3. 545 MERLEAU-PONTY 1966, S. 92. 546 WLB Stuttgart, Signatur: HBb 1761. 547 Vgl. SCHERER 1702, S. 77–79. 548 QUARTHAL 1990, S. 422. 549 JUBELFEIER 1789, S. 47.

allelaktivitäten im Bereich der Deckenmalerei. In den Jahren 1737/38 malte der Ingolstädter Melchior Puchner (1695–1722) im Auftrag des Benediktinerabtes Placidus Forster von Scheyern im oberbayerischen Fischbachau ein Fresko zum Thema der Verehrung marianischer Gnadenbilder und nahm hierzu den Atlas Marianus zu Hilfe [Abb. 112, 167, 168]. Im Zentrum des Freskos weist Benedikt vor einem Marienaltar auf das Gnadenbild der Mater Monachorum von San Benedetto in Piscinula in Trastevere.544 Unter ihm gruppieren sich auf einer Treppe in halbkreisförmiger Anordnung unter anderem die Gnadenbilder von Ettal, Altötting (Bayern), Mariazell (Österreich), Pötsch (Mariapócs, Ungarn), Tschenstochau (Polen), Santa Maria Maggiore (Italien), Notre-Dame-du-Puy (Frankreich) und Einsiedeln (Schweiz), jeweils getragen von weiblichen Allegorien in heraldischer Kleidung. Der Maler entnahm dabei für seinen Freskoentwurf die nationalen Gnadenbilder aus Scherers Atlas Marianus und ordnete sie nach einem (für Gabriel Bucelin zentralen) heraldischen Dispositiv. Das Langhausfresko von Zwiefalten kartiert eine marianische Geschichtslandschaft, welche wichtige Ereignisse und Orte des benediktinischen Marienkults als ein simultanes Panorama ausbreitet. Diese fiktive Terra Mariana wird in ihrer Zurichtung als Langhausfresko zu einer erfahrbaren Landschaft, die hinsichtlich ihrer Wahrnehmungseigenschaften realen Landschaften durchaus ähnelt: „Wenn ich … im Sehen meinen Blick auf eine Einzelheit richte, so belebt und entfaltet sich dieses Detail, und die anderen Dinge rücken an den Rand oder verwischen sich völlig, doch bleiben sie beständig mit da. Mit ihnen aber verfüge ich wiederum über ihre Horizonte […].“545 Der Entwurf einer marianischen Geschichtslandschaft baut nicht nur auf den marianischen Kartografien Gumppenbergs und Scherers sowie auf den annalistischen Werken Bucelins und Ranbecks auf, sondern scheint auch vom Fischbachauer Fresko mitinspiriert. Jedoch dürfte sich Abt Benedikt Mauz darüber im Klaren gewesen sein, dass die Bedeutung Zwiefaltens in der Rangliste marianischer Gnadenbilder als eher gering eingestuft wurde: Noch in Gumppenbergs letzter Auflage des Atlas Marianus fehlte das Gnadenbild von Zwiefalten unter den 1200 katalogisierten Exempeln. Und in Scherers Atlas Marianus, von dem das Kloster Zwiefalten ein Exemplar besaß,546 waren zwar die benachbarten Klöster Ottobeuren, Schussenried und Weingarten berücksichtigt (und selbst Riedlingen fehlt nicht), Zwiefalten dagegen war dem Autor nicht mehr als einen namentlich vermerkten Punkt auf der Karte wert – ohne „Stern“, ohne „Gnadenstrahl“.547 Offenbar verfolgte Mauz mit dem Langhausfresko auch das Ziel, Zwiefalten an eine Terra Mariana anzuschließen und ihm auf diesem Wege einen gebührenden Platz unter all den Gnadenbildern zu sichern, die bei Gumppenberg und Scherer längst die vorderen Plätze besetzt hatten. Zugleich aber fielen Konzeption und Ausführung des Langhausfreskos mit dem wichtigsten Datum der Klostergeschichte nach der Gründung zusammen: dem von Mauz schon über längere Zeit politisch vorbereiteten Erwerb der Reichsunmittelbarkeit und der Lösung aus der Zugehörigkeit zum Herzogtum Württemberg am 20. Februar 1750.548 Das Kloster genoss jetzt eine „Freiheitsluft“, „dergleichen [es] seit dem Anfange der Stiftung nicht genossen“.549 Noch im selben Jahr (am 9. Juni) folgte ein Dankfest, zu dem viele hohe Gäste wie

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der Reichsprälat von Weingarten und die Äbtissin von Urspring geladen waren.550 Die förmliche Aufnahme des Abtes in die Kreis- und Reichsstände im darauffolgenden Jahr fiel wohl mit dem Beginn der Arbeiten am Langhausfresko zusammen.551 Die im Langhausfresko thematisierte Verneigung weltlicher Herrscher vor Bildern der Gottesmutter zeigt unmissverständlich die in der Macht des (Gnaden-)Bildes beanspruchte Vorrangstellung des Sacerdotiums (als Terra Mariana) gegenüber dem Imperium. Mit der eben erst erworbenen vollständigen Hoheit über das eigene Territorium gliederte sich Zwiefalten in die an der Decke propagierte marianische Geschichtslandschaft ein, deren räumliche und zeitliche Ausdehnung im machtvollen benediktinischen Bild Mariens, der Mater Monachorum, zusammenläuft. Spieglers Langhausfresko von 1750 stellt zugleich den Höhe- und Endpunkt der Kartografierungsbemühungen einer Terra Mariana dar – den Endpunkt, weil mit der Säkularisation dem Traum von einem marianischen Reich ein jähes Ende bereitet wurde; den Höhepunkt, weil Spiegler das vorausgegangene Kartenmaterial auf eine Weise in einer „kartografischen Malerei“552 synthetisierte, dass es sich im ambulativ schweifenden Blick als konkrete Raumerfahrung erleben ließ. Louis Marin hatte anhand von Jacques Gombousts für Ludwig XIV. im Jahr 1652 fertiggestellter Karte von Paris gezeigt, in welcher Weise der universale Blickpunkt der Karte auf eine geordnete Welt stets mit Machtansprüchen und deren Repräsentation verbunden ist.553 Die Terra Mariana von Zwiefalten stellt diesen Blickpunkt nicht nur auf den Kopf, sondern übersetzt ihr Programm auch in eine individuelle Raumerfahrung, die in einer selbst geleiteten Bewegung die marianische Geschichte aspekthaft erschließt und in der Eigenbewegung zusammenführt. Der universale Blickpunkt beruht nun auf einem individuellen Bewegungsakt. Statik wird in Dynamik, Objekt- in Subjekterfahrung gewendet. Eine visuelle marianische Enzyklopädie war damit ebenso beabsichtigt wie eine panoramaartige Seherfahrung avant la lettre. Die hiermit angestrebte Religionsglobalisierung blieb aber dennoch aus – nicht nur für Zwiefalten.554 Zwar sind hinsichtlich der Bildtradition, die auf Fresken wie dem von Zwiefalten aufbaut, die nachfolgenden historischen Entwicklungen bekannt, doch zeigen sie sich nach diesem Durchgang in einem veränderten Licht: Als Johann Wolfgang von Goethe rund zwanzig Jahre nach Fertigstellung des Langhausfreskos von Zwiefalten zur Überwindung seines Höhenschwindels den Turm des Straßburger Münsters bestieg, gab sich sein entzückter Blick ganz einer panoramaartigen Betrachtungsweise hin. War in ihr und in der nachfolgenden Beschreibung des Straßburger Münsters von der sakralen und liturgischen Funktion des Gebäudes nichts mehr zu lesen, so stellte Goethe damit das heilsgeschichtliche Land an der barocken Decke gleichsam vom Kopf auf die Füße.555 Stephan Oettermann hat diese Sicht vom Turm prägnant zusammengefasst: „Die Kirchtürme sind nicht länger Wegweiser des gläubigen Blicks, man blickt nicht mehr an ihnen hinauf, sondern, selbst gottähnlich geworden, von ihnen herab.“556 1789 zeigte Robert Barker in London dann erstmals sein panoramaartiges Rundbild von Edinburgh, das den üblichen Sehwinkel von 46° sprengte und 1793 zum Bau einer Panoramarotunde führte.557

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550 PAULUS 1888, S. 182. 551 Vgl. zur Aufnahme in die Reichsstände HOLZHERR 1887, S. 152, und zum Anfang der Arbeiten im Langhaus, wie bereits zitiert, PAULUS 1888. 552 BUCI-GLUCKSMANN 1997, S. 95. 553 MARIN 2005, S. 273–289. 554 Vgl. SLOTERDIJK 1999, S. 47 f. 555 GOETHE 1989a, Teil 2, Buch 9, S. 356 f., 374, 382–385. 556 OETTERMANN 1980, S. 11. 557 OETTERMANN 1980, S. 78 f.

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Wenn Oettermann betont, dass sich das bürgerliche Panoramabild des 19. Jahrhunderts nicht bruchlos aus den zentralperspektivisch organisierten Bühnenkulissen des barocken Theaters entwickelte, so lässt sich ergänzen, dass in dem von verschiedenen Betrachterstandpunkten aus konzipierten spätbarocken Deckenbild nicht minder relevante Wurzeln für das bürgerliche Panoramabild liegen.558 Freilich ging das aber nicht ohne gravierende Verschiebungen vonstatten: An die Stelle der „enzyklopädischen Geschichtslandschaft“ einer kartierten Terra sancta trat der Panoramablick auf eine konkrete Landschaft, auf eine Stadt oder auf ein historisches Ereignis. Erst die Gesellschaft des Spektakels sollte im Anschluss an Baudelaires Flaneur wieder entdecken, dass sich die komplexen Erscheinungen und Wegnetze der Großstadt nicht mehr auf diese Weise beschreiben lassen, sondern bloß noch im situativen Umherschweifen erfahrbar sind.559 Einer Renaissance „kartografischer Malerei“ war hiermit der Weg geebnet.

7.8 Der Horizont zwischen Ornatus und Ornament Wo der Rahmen fehlt, müssen Vögel fliegen. Dünkelsbühler, Kritik der Rahmen-Vernunft

558 OETTERMANN 1980, S. 20–22. 559 DEBORD [1967] 1995; DEBORD [1958] 1997, S. 156–160. 560 HERDER [1769] 1997, S. 14 f. 561 Zu der damit verbundenen Krisenerfahrung vgl. KOSCHORKE 1990, S. 140, 156.

„Das flatternde Segel, das immer wankende Schiff, der rauschende Wellenstrom, die fliegende Wolke, der weite unendliche Luftkreis! Auf der Erde ist man an einem todten Punkt angeheftet; und in den engen Kreis einer Situation eingeschlossen. [...] Wo ist das veste Land, auf dem ich so veste stand? [...] Der enge, feste, eingeschränkte Mittelpunkt ist verschwunden, du flatterst in den Lüften, oder schwimmst auf einem Meere – die Welt verschwindet dir – ist unter dir verschwunden! – Welch neue Denkart!“560 Nach Goethes Straßburger Höhenflug ist dies die zweite Literarisierung jenes neu gewonnenen unendlichen Blickes, der auf einen offenen Horizont geht und von einem labil gewordenen Standort aus thematisiert wird.561 Herder notierte sein posthum veröffentlichtes Erlebnis im Journal meiner Reise im Jahr 1769. Die biografischen Aspekte dieser Beschreibung sollen hier ebenso wie die darin enthaltene Neukonstitution der Landschaft beiseitegelassen werden. Stattdessen wollen wir uns jene Bewegung des „Schwimmens ohne festen Mittelpunkt“ zu eigen machen, um unter diesen Voraussetzungen noch einmal einen Blick auf das Langhausfresko zu werfen. Unsere Kameralinse nimmt noch einmal von einer der südlichen Seitenkapellen aus schräg einen breiten Ausschnitt des Langhausfreskos in den Blick [Abb. 7]. Welche Faktoren sind nun dafür verantwortlich, dass diese Perspektive zu etwas führt, was man einen entrahmten Blick nennen könnte? Dieser beruht wohl nicht allein auf der beschriebenen kartografischen Disposition der narrativen Szenen. Vielmehr hängt er mit der besonderen Eigenschaft des Stuckrahmens zusammen, die optischen Sehbahnen über das Langhausfresko hinauszuführen. Die obigen Analysen zur Bewegung und unsere historische Reise durch eine kartografierte Terra Mariana haben es gezeigt: Der neue Blick von der Erde zum Himmel ist im Langhausfresko auch der auf ein geordnetes Weltreich unter marianisch-benediktinischem Vorzeichen. Seine neue Ordnung entspricht zwar

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ä­ ußerlich noch dem alten heilsgeschichtlichen Schema, transformiert es aber in eine Raumerfahrung, die sich ästhetisch aus der Unerschöpflichkeit möglicher Bildverknüpfungen speist. Diese Unerschöpflichkeit steht im Fresko mit einer grundlegenden Neuausrichtung des Horizonts in Verbindung, die im Sinn Albrecht Koschorkes einer Logik der Überschreitung folgt und dem sich bewegenden Betrachter eine „(mit)wandernde Grenze“ zieht.562 Vielleicht ist diese Neuausrichtung des Horizonts im spätbarocken Deckenbild noch zu wenig beachtet worden, steht sie doch nicht nur mit einer starken Verknüpfung von Bild und Raum durch das Ornament in Verbindung, sondern auch mit dem ästhetischen Interesse, den Beschauer als beweglichen Beobachter und Teil des Bildes zu konzipieren. Jedenfalls orientieren sich zwar der umlaufende Horizont und die Objektlinien des Langhausfreskos am Fluchtpunkt in der Hand Gottvaters. Allerdings liegt dieser so weit im Dunst verborgen, dass andere Zentren gleichberechtigt an seine Seite treten. Empfahl Andrea Pozzo seinem Betrachter das Aufsuchen eines „wahrhaftigen Augpunktes“ – dem der „Ehre Gottes“ –, so generiert das Langhausfresko von Zwiefalten heterogene Ansichten, die es dem Betrachter überlassen, mögliche Perspektiven einzunehmen und das Bild vor sich in Varianten entstehen zu lassen. Diesen wechselnden Perspektiven folgt die Einrichtung eines allseitigen Horizonts, der als Wellenbewegung an den Schmalseiten des Langhausfreskos weit ins Bild hineinragt, um sich an den Wänden so weit abzusenken, dass Horizontlinie und Rahmung konvergieren. Rahmen und Horizont liegen auf einer Linie, der entlang sich das Figurenpersonal bewegt. Das Ergebnis: Die Bildgrenze, der Rahmen wird nun selbst zum Horizont und setzt in unregelmäßigen Intervallen ein Spiel der Öffnung und Schließung in Gang. Dabei dient der Horizont/Rahmen weniger der Erkundung gemalter Szenen als der des Raumes selbst. In zwei Schritten ist der Horizont in Richtung der Ebene abgewandert: zunächst hinab zum Stuckrahmen, dann hinab zum Chorgitter, wo er als architektonischer Horizont den Tabernakel unter dem Gnadenbild als Augenpunkt schneidet [Abb. 146]. Der aus Rocaillen geflochtene Stuckrahmen kann als eine Figur des Übergangs und der Grenzüberschreitung gelesen werden [Abb. 171, 172]. Zumindest teilweise ist der Horizont hier seiner dienenden Funktion enthoben oder unterstützt nun eine neue und offene Raumorientierung. Wenn Koschorke schreibt, dass das System der Wahrnehmungsmodalitäten einer Epoche nicht bloß vom Feld seiner Systemgrenzen bestimmt ist, sondern ebenso durch die „Modalitäten, in denen es seine Überschreitung entwirft“, so bildet sich in der Muschelrocaille die zentrale Figur der spätbarocken Grenzüberschreitung von Natur und Kunst, von Bild und Raum ab. Über die Rocaille werden Relationen zwischen dem Langhausfresko und den angrenzenden Bildfeldern hergestellt563 An einer weiteren Beobachtung wird diese Tendenz zur physischen Verräumlichung des Bildes deutlich: Dem Langhausfresko fehlt praktisch eine Raumstaffelung in Vorder-, Mittel- und Hintergrund. Abgesehen von der Trinität ist jeder Teil dem Betrachter gleich nah oder gleich fern. Ein Vordergrund, der uns ins Bild führen könnte, ist sozusagen unterschlagen, weggeschnitten. Er erweist sich jetzt aber auch als entbehrlich. Denn an seine Stelle ist ein Betrachter getreten, der sich ambulativ durch einen Raum bewegt, den er im Bewegungsablauf selbst individuell aufbaut.

562 KOSCHORKE 1990, S. 76 f. 563 KOSCHORKE 1990, S. 77.

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171 (rechts) Übergang vom Langhausfresko zu den Kartuschen, Südosten (NvdM) 172 (oben) Langhausfresko Nordwesten (NvdM) 564 BAUER 1962, S. 6 f., 34 f. 565 BACHELARD 2001, S. 118, 120, 124. An der etymologischen Beziehung zwischen den spanischen Wörtern conception (Empfängnis) und concha (Muschel) wird der Prozess der Gestaltwerdung der Muschel deutlich. Vgl. MEYENBURG 1985, S. 10. Vgl. dort auch die von Rocaillen gerahmte Allegorie der „Luft“ von Johann Wolfgang Baumgartner, um 1750 (Kat. Nr. 56, S. 58). 566 D’ARGENVILLE 1742. Das Werk erschien in Varianten 1767 bzw. 1780 in Paris und 1772 in Wien in deutscher Übersetzung. Die Konchyliologie gehörte zu den neuen Wissensordnungen des 18. Jahrhunderts. 1765/66 erschien in deutscher Übersetzung auch das Werk Amboinische Raritätenkammer von Schnecken und Muscheln (D‘Amboinische Rariteitkamer, 1705) von Georg Eberhard Rumpf (1628–1702) mit zahlreichen Abbildungen und Literaturnachweisen. Rumpfs Interesse deckte sich mit der zeitgenössischen ästhetischen Faszination an der Muschel als eines Lebewesens mit transformativen Eigenschaften, die sowohl die diversen Möglichkeiten der Fortpflanzung wie ihre Farbenvielfalt und ihren perlmutternen Glanz betrafen. Vgl. RUMPF 1765, S. XXI f., XXVII.

Hermann Bauer hat schon früh die doppelte Repräsentationsleistung der Rocaille beschrieben. In ihrer Eigenschaft, sowohl „erdiges Gewächs“ wie „gischtige Wasserwoge“ zu verkörpern, liegt die Rocaille motivisch zwischen den Elementen Erde und Wasser. Und auch die Einwirkung der Luft und des Windes scheint sich hier in die feste Materie einzuschreiben.564 Aber die ästhetische Faszination, welche die Rocaille ausübt, ist damit noch nicht in Worte gebracht.Verständlich wird sie erst durch den Rückgang auf die Muschel. Gaston Bachelard nannte sie ein „Mischwesen“, eine transformative Figur, in der sich der Prozess der „langsamen, stetigen Gestaltwerdung“ des („universellen muschelgestaltigen“) Lebens exemplarisch abbilde.565 Diese phänomenologische oder morphologische Sicht deckt sich mit dem neuzeitlichen Blick auf die Meeresfrucht. Der französische Naturhistoriker Dezallier d’Argenville (1680–1765) stellte seiner in mehreren Varianten und Übersetzungen erschienenen Conchyliologie (1742) ein von François Boucher entworfenes Frontispiz voran, welches suggeriert, der Panzer der Schalentiere habe sich ebenso aus der Muschelform herausgebildet wie der ausgebreitete Flügel des Adlers [Abb. 173].566 In einer solchen Darstellung drückt sich weniger die Mannigfaltigkeit der Muschelformen und -muster aus, die d’Argenville im Anschluss an Georg Eberhard Rumphius (1627–1702) mittels umfangreicher Ordnungsschemata katalogisierte. Vielmehr zeigt sich hierin die Eigenschaft der Transgression, die der Muschel zugeschrieben wurde. Die Muschelmaterie erschien als ebenso zufällig entstanden wie von kunstvoller Hand geschaffen. Schon im 17. Jahrhundert glaubte der Universalgelehrte Athanasius Kircher (1602–1680), diese schaffende Hand imitieren zu können, wenn er meinte, dass sich der Muschelsand an den Küsten Siziliens unter Beimischung von Salzwasser in Muscheln zurückbilden lasse.567 Andere Äußerungen Kirchers liegen ebenfalls auf dieser Linie, etwa wenn er die Versteinerung als Ergebnis einer chemischen Reaktion beschreibt, die sich in der Mischung von Salzen, Mineralien und Wasser im Labor imitieren lasse. Der Pencillo Naturae, dem

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173 François Boucher: Frontispiz, aus: D’ARGENVILLE 1780 (NvdM)

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174 Gesteinsmuschel mit menschlichem Antlitz, aus: KIRCHER 1678 (NvdM)

Kircher die Eigenschaft zusprach, in Steine Teile des menschlichen Körpers oder ganze Gnadenbilder einschreiben zu können, betraf auch das barocke Verständnis der Muschel als einer ästhetischen Figur des Übergangs.568 Barockes Muschelornament und figurative Steine erweisen sich hierin als miteinander verwandt [Abb. 174, 175]. In der Muschel bildete sich das ab, was Paul Valéry später – aber in einem alten Verständnis des Pencillo Naturae – als lebendige oder hervorbringende Natur beschrieb.569 Und wenn der Dichter Paul Valéry die faszinierende Eigenschaft der Muschel darin erblickte, dass sie von Händen gemacht scheine, obgleich sie doch ein Resultat der hervorbringenden Natur sei, so kehrt die barocke Rocaille diese Eigenschaft ohne Faszinationsverlust um: Was als „Schraubenwindungen, Spiralen, Entwicklungen gewinkelter Verbindungen im Raum“ ein Resultat der hervorbringenden Natur zu sein scheint, ist tatsächlich Artefakt. Es sind wohl jene Schraubwindungen, welche die Muschelrocaille dazu prädestinieren, die Wand in eine Raumfigur, die Architektur in Bewegung und das gemalte Bild in eine Plastik zu überführen. In dieser Sicht kennzeichnet die Rocaille einen organischen Prozess der sukzessiven Gestaltwerdung. Sie markiert die Einbindung des Bildes in eine räumliche Syntax. An konkreten Beobachtungen jener „Bewegungen“, welche die Rocaillen im Langhaus von Zwiefalten beschreiben, lässt sich ihre transformative Eigenschaft anschaulich nachvollziehen. Ausgeprägter noch als wenig später in Haigerloch und Bad Säckingen arbeitete Johann Michael Feichtmayr hier mit einem doppelten Rahmen, der zugleich sowohl das Öffnen als auch das Schließen der Bildgrenze repräsentiert:Während der Goldrahmen für die ehemals intakte Bildgrenze steht, sind die weißen, in den Goldrahmen eingeflochtenen Rocaillen so eingesetzt, dass sie den Goldrahmen gleichsam öffnen und nach innen biegen [Abb. 176]. Die Rocaillen verbinden das Langhausfresko mit benachbarten Bild-

175 Muschelornament über einem Blendfenster im Palazzo Saluzzo Paesana, Turin, 1715–1722 (NvdM)

567 Zitiert bei BACHELARD 2001, S. 126. 568 KIRCHER 1678, S. 44, 48–53 („De Transformatione“). 569 VALÉRY 1971, S. 127 und zum Folgenden ebd., S. 117, 125.

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176 Randzone Langhausfresko mit Bildhauer, Nordosten (NvdM)

177 Syphilisfigur als Antityp zur Allegorie der Fiducia, Südosten (NvdM)

570 Vgl. die Rocaillen am Chorbogen in Scheer von Joseph Anton Feuchtmayer und das 1935 bei einem Erdbeben zerstörte Deckenfresko von Joseph Esperlin. Vgl. KNAPP 1996, S. 136–144, Abb. 181, S. 323, Nr. 232.

feldern. Sie sind über die Kanten der angrenzenden Emporen und Pfeiler gelegt und lassen die vertikalen und horizontalen Raumgrenzen (Wand und Decke) als Kontinuum erscheinen. In anderer Weise zeigt sich die Fähigkeit der Rocaille zur Transformation an den stuckierten Figuralplastiken, die etwa dem Kartuschenrahmen der Allegorie des „Ardor“ entwachsen [Abb. 177]. Als Teile des Rahmenwerks, als allegorische Zusätze, die dem Bild wie dem Raum zugeordnet scheinen, sind sie doppelläufig und somit architektonisches Beiwerk wie Bildrahmen. „Beim geringsten Anlass vermenschlicht sich die Muschel“, schrieb Bachelard für unseren Zusammenhang zutreffend und in Übereinstimmung mit dem neuzeitlichen Muschelverständnis. Ebenso illustrieren die Übergänge zwischen gemalten Wogen, Muscheln und stuckierter Rocaille exemplarisch den prozessualen Charakter der Rocaillefigur, changierend zwischen Bild, Plastik und Relief.570 Die Rocaille stellt kein Ornament der Begrenzung, sondern der Grenzver-

7 Langhausfresko: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus (1751)

mittlung dar. In ihr verschmelzen Architektur und Bild nicht, vielmehr schließt sie beide Darstellungsebenen ein. Es geht also weniger um einen Prozess der Auflösung, den die Rocaille in Gang brächte, als um eine ästhetische Transformation, die auf einem Umklapp- oder Umbildungseffekt zwischen Bild, Figur und Raum beruht. Karsten Harries hat diesen Sachverhalt benannt, wenn er schreibt: „The most important function of Bavarian rococo ornament is the mediation, not the dissolution, of the tension of architecture and picture.“571 Jederzeit zielt die Rocaille auf die Erfahrung eines Verwandlungsprozesses. Sie selbst „stellt nichts dar“, sondern erhält ihre Bedeutung aus dem jeweiligen Zusammenhang. Darauf beruht auch ihre ästhetische Qualität: Sie liest den Raum als Bild und das Bild als Raum. Deshalb benannte Hermann Bauer nur die eine Seite der Medaille, wenn er der Rocaille „Bildgegenständlichkeit“ und ein „Spiel mit der Vergänglichkeit“ bescheinigte.572 Mit dem Staunen, das sich auch angesichts der Wandlungsfähigkeit des Rocailleornaments einstellt, kommen wir auf ein oben beschriebenes rhetorisches Paradigma zurück. Es führt uns zu der merkwürdigerweise in der Diskussion um die „Rhetorik des Ornaments“ vernachlässigten Frage nach dem Verhältnis von rhetorischem Ornatus und bildlichem Ornament.573 Zwar sprach Alina Payne diesen Sachverhalt gelegentlich an, wenn sie über die Parallelen zwischen der Entwicklung eines eigenständigen Ornamentbegriffs bei Vitruv, Alberti, Serlio und anderen entlang der Rhetoriken Ciceros, Quintilians und Horazens nachdachte, doch ließ sie dabei die strukturellen Beziehungen zwischen Ornatus und Ornament weitgehend ungeklärt.574 Denn gemeinsam ist beiden, dass sie den narrativen Inhalt nicht abbilden, sondern ihn unter veränderten Vorzeichen veranschaulichen. Beide gehen die Sache scheinbar von der Peripherie aus an, scheinen ihr als Schmuck sozusagen aufzuliegen und treffen doch in ihr Zentrum, sodass sie auf den Ausgang der Rede wesentlich einwirken. Für Quintilian gehörte der Ornatus deshalb in das Zentrum der Rhetorik. Er ist mehr als das, was nur „durchsichtig“ und „einleuchtend“ ist, er bedeutet, das Gesagte mit anderen Mitteln zu veranschaulichen: „Deshalb wollen wir evidentia [...] zu den Schmuckmitteln rechnen, weil die Veranschaulichung oder, wie andere sagen,Vergegenwärtigung mehr ist als die Durchsichtigkeit, weil nämlich die letztere nur den Durchblick gestattet, während sich die erstere gewissermaßen selbst zur Schau stellt.“575 Jederzeit schließt der Ornatus einen Übertragungsvorgang ein, der die eigentliche Bedeutung eines Wortes in eine uneigentliche Rede überführt.576 Das Rocailleornament setzt mit anderen Mitteln die den narrativen Szenen eigene Dynamik fort und überträgt sie in den Raum. Sie zielt auf einen Erfahrungsprozess. Dabei entscheidet sich das Ornament nicht am Abstraktionsgrad, entscheidend ist vielmehr die Leitung eines Wahrnehmungsprozesses durch ornamentale Figuren als Beiwerk. Philipp Fehl und Alina Payne haben (am Beispiel der Decke der Sixtinischen Kapelle oder der italienischen Fassaden des Seicento) gezeigt, wie auch allegorische Figuren als Schmuckwerk in das architektonische Gesamtgefüge wesentlich eingreifen, es zeigen und veranschaulichen.577 In diesem Sinne zielen Ornament und Ornatus darauf, den Adressaten durch Veranschaulichung zu involvieren. Das Ornament zieht eine Grenze zwischen Bild und Betrachter, die das Bild überschreitet. Und hier liegt der rhetorische Aspekt des Rocailleornaments: Es er-

203

571 HARRIES 1983, S. 36. 572 Vgl. BAUER 1962, S. 50–52, 61, 77. 573 Vgl. FRANK/HARTUNG 2001; RAULET/ SCHMIDT 2001. Eine ausgedehnte Erörterung zu Ornamentverständnis und Ornamentkritik von Karl Philipp Moritz und Immanuel Kant über Gottfried Semper und Alois Riegl bis zu Walter Benjamin und Adolf Loos kann hier nicht gegeben werden. Vgl. hierzu die genannte Literatur mit den einschlägigen Nachweisen. Die Rede von einer durchgängigen Ornamentkritik durch die Aufklärung (RAULET/SCHMIDT 2001) wäre in diesem Zusammenhang freilich ebenso kritisch zu prüfen wie Karsten Harries’ an Sedlmayr entwickelte Formel vom „Tod des Ornaments“ im Ausgang des 18. Jahrhunderts. Vgl. HARRIES 1983, S. 243–258; HARRIES 2001, S. 106. 574 PAYNE 2001, S. 209–224; PAYNE 1999, bes. S. 34–51, 70–76, 113–130. 575 QUINTILIAN 1995, VIII 3, 61, S. 175/177, 174/176. 576 Vgl. QUINTILIAN 1995, VIII 3, 43, S. 166– 168. 577 FEHL 2001, bes. S. 43–56; PAYNE 2001, S. 224–239.

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Innen

178 Ornatus am Übergang zwischen Kalifornien und der Amerikavignette, Detail aus der Amerikakarte, aus: SCHERER 1702, pars II (NvdM)

179 Franziskus Xaver als Apostel Indiens und Kartenteil von Indien, aus: SCHERER 1702, pars II (NvdM)

578 BUCI-GLUCKSMANN 1997, S. 55.

zeugt Aufmerksamkeit, nicht nimmt sich dann aber zurück und leitet die Aufmerksamkeit an das Bild weiter. Die Konvergenz von Horizont und Rocailleornament an den Längsseiten des Langhausfreskos illustriert diesen Sachverhalt sehr schön. Die Öffnung seiner Grenze stellt den Beschauer situativ ins Bild hinein. In einem gemeinsamen Raum agierend, sind Bild und Beschauer, Rede und Hörer eins. Nicht zufällig siedelt sich die Rocaille in einem medialen wie motivischen Zwischenreich an, das im Keim alles enthält, Erde und Wasser, Substanz und Auflösung. In dieser Form lässt sich der Ornatus nicht nur an den Rändern allegorischer Darstellungen der Kontinente, sondern auch an den kontinentalen Grenzen der Karten Heinrich Scherers wiederfinden [Abb. 178, 179]. Christine Buci-Glucksmann hat ihre allgemeinen Beobachtungen zum Verhältnis von Ornatus und Ornament anhand vom Bild der Karte skizziert: „Denn diese Ornamente [Kartuschen, NvdM] ... sind nicht ... schlichtes Beiwerk [...]. Die Kartuschen [...] bringen immer ein ‚als ob‘ ins Spiel.“ Hierin sind sie „Ornamente im lateinischen Wortsinn, der Ornatus Quintilians. Etwas, das Effekte der Lust und des Stils erzeugt ...“578 Die der Veranschaulichung dienenden Randillustrationen sind bei Scherer nun aber nicht durch Kartuschenrahmen von der Karte getrennt.Vielmehr fungieren die terrestrischen Grenzen selbst als offene Rahmung, an der figürliches und abstraktes Bild ineinander übergehen. Der hier eingerichtete Aspektwechsel beruht auf einer Inversion von Figur und Grund. Der figürliche Schmuck zeigt die potenzielle Begehbarkeit des kartierten Territoriums und liest die terrestrische Rahmenzone als ornamentale Figur. Wir können diese Beobachtung jetzt auf die Rocaillen des Langhausfreskos rückübertragen. Dienten die Rocaillen zunächst als Bildgrenze, so bilden sie sich bald zur Figur aus, um auf ein nächstes und übernächstes Bildfeld hinzuweisen, das dem jeweils vorausgegangenen Bildfeld zur Veranschaulichung dient. Als Ornatus ist die Rocaille eine transitorische Figur, die das Überschreiten der Weltgrenzen in eine konkrete Raumerfahrung übersetzt.

8 Langhauskartuschen: Cultus Marianus – 4 Proprietates (1751)

Ich erkenne in der Höhe Gottes das süßeste Gut, die Demut. Ich empfinde die Lieblichkeit eines unvergänglichen Balsams und freue mich über die Süßigkeit Gottes, die mich gleich dem Wohlgeruch aller Gewürze umflutet. Hildegard von Bingen

Entlang einer Lektüre von Immanuel Kants Kritik der Urteilskraft entwickelte ­Jacques Derrida einen Ornamentbegriff, der sich gut in die Interpretationslinie­ des vorausgegangenen Kapitels einfügt. Derrida interpretierte das Ornament (parergon) als eine das Werk (ergon) rahmende Grenzfigur, die zwar von außen zum Werk „hinzutritt“, aber von dort aus ganz wesentlich in sein Inneres eingreift.579 Weshalb? Weil das parergonale Rahmenornament eine paradoxe Figur ist, die ihre größte Energie als „Randstärke“ entfaltet. Sie tut dies in dem Augenblick, wo sie gegenüber den bildinternen Elementen in den Hintergrund tritt.580 Scheint das Ornament das Bild auch nirgends zu dominieren, so stellt es dennoch eine wesentliche Beziehung zwischen dem Diesseits und dem Jenseits des Inneren her.581 Das Parergon regelt das Verhältnis zwischen dem Innen und dem Außen des Bildfeldes, hierin liegt seine ästhetische Qualität. Denn es ist nicht nur in der Lage, den Blick auf das Zentrum des Bildes, sondern auch auf dessen Ränder und von hier aus auf den angrenzenden Umraum zu lenken. Der vergleichsweise statische Blick auf das Zentrum weicht so einer Blickbewegung, die über das Bildfeld hinaus-, aber auch wieder in es hineinführt. Das Parergon ist nicht der Endpunkt einer Betrachtung, sondern leitet einen transversalen Betrachtungsprozess ein. Deshalb situiert sich das Parergon auch weder im Bild noch jenseits seiner Grenzen. Das Parergon ist vielmehr eine Figur des Überganges, die im räumlichen Zusammenhang selbst dann einen Sehprozess einleitet, wenn die Bilder, zwischen denen das Ornament liegt, für sich genommen statisch sind. Dieser dynamische Charakter macht die ästhetische Qualität des Parergons aus. Dabei ist das Parergon semantisch weitgehend unbestimmt, weil seine Wirkungsweise allein darauf beruht, den Prozess eines räumlichen Zusammenspiels zwischen außen und innen in Gang zu bringen. Derrida: „Das ist ein Parergon, eine Mischung aus außen und innen, aber eine Mischung, die nicht eine Vermischung oder eine halbe Maßnahme ist, ein Außen, das ins Innen hineingerufen ist, um es (von) innen zu konstituieren ...“582 Man könnte diese Äußerung auch umkehren: ein Außen, welches das Bild über sich selbst hinausträgt,

579 DERRIDA [1978] 1992, S. 74. 580 Dünkelsbühler legt Derrida wie folgt aus: Das Parergon kompensiert ein „Identitätsdefiziens“ im Inneren des Werkes (ergon). Aber indem das Einrahmende die Identität des Gerahmten durch Begrenzung (wieder-)herstellt, entsteht eine Abhängigkeit des Ergon vom Parergon. Vgl. DÜNKELSBÜHLER 1991, S. 55. In unserem Fall wird diese Abhängigkeit dazu genutzt, das Bildfeld durch einen offenen Rahmen über sich selbst hinauszutragen. Das Parergon ist also nicht einfach „Rahmung“, sondern eine dynamische Operation. Hier liegt der Kern der Sache: Die Grenzen zwischen außen und innen werden mit der parergonalen Rocaille nivelliert. 581 DERRIDA [1978] 1992, S. 82. 582 DERRIDA [1978] 1992, S. 84, vgl. auch ebd., S. 65.

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Innen

um aus seinem Innen in die räumliche Peripherie hinüberzufließen. In diesem Sinne schlug Derrida auch vor, die „Topologie“ der „Kartusche“ vom Parergon her zu begreifen: als eine Bewegung des „Verschnörkelns, des Abrollens und Auseinandergehens [...]“.583 Verbinden wir nun Derridas Äußerungen mit unseren bisherigen Überlegungen [vgl. Kap. 7.8], so lässt sich die Rocaillekartusche nicht nur als Ornatus betrachten, der sich als Schmuck beliebig um das Gerahmte rankt. Als Parergon ist die Rocaillekartusche vielmehr auch eine performative Figur, die imstande ist, das Gezeigte, Gemalte über dessen Grenzen hinauszutragen. Auf den konkreten Fall bezogen: Das Parergon ist ein syntaktisches Mittel zur Entfaltung jener vorbildhaften Marienverehrung, die im Langhausfresko thematisiert wird, dessen Grenzen aber den umlaufenden Kartuschenkranz übersteigen. Der Kartuschenkranz bildet ein Scharnier zwischen dem Bildraum des Langhausfreskos und dem Realraum des Wallfahrers [vgl. Abb. 7, 113]. Dieser Kartuschenkranz ist ganz auf das Raumsegment „Langhaus“ als Ort der Marienwallfahrt bezogen und adressiert sich dort an das Handeln des Wallfahrers. Blicken wir nun auf die Motive der Kartuschenfresken von Zwiefalten, so lässt sich zunächst feststellen, dass sie ein nicht ganz gewöhnliches Programm enthalten: Sie propagieren die Sinne als Instrumente des Marienkultes und empfehlen sie als Werkzeuge zum Erwerb marianischer Tugenden.

8.1 Allegorie und ornamentaler Überschuss

583 DERRIDA [1978] 1992, S. 263, 282. 584 PAULUS 1888, S. 181–183: (1750) „Auch haben heuer die stuccator das Langhaus fertig gemacht ...“ (1751) „... auch nachdem die stuccator zuvor das Langhaus haben fertig gemacht, ist solches von Herrn Spiegler seliger gemalt worden, und nachdem die Faser zuvor die 4 Elemente im Kreuz gefasst, auch solches Langhaus noch gefasst.“ Die erste Angabe bezieht sich wohl auf die untere Zone des Langhauses, also insbesondere auf die Stucksäulen, vielleicht auch auf die Stuckierung der Seitenkapellen, während das zweite Datum die obere Zone, die Langhausdecke, betrifft. 585 Konzeptfragmente, KA I, II (um 1748) noch in der ersten Fassung mit den Themen: hl. Gregor d. Gr., hl. Hermann Contractus, hl. Bernhard von Clairvaux, hl. Engelbert von Admont.

Schenkt man der Chronik des Laienbruders Ottmar Baumann Glauben, so wurden die Kartuschenfresken im Jahr 1751, also zeitgleich mit dem Langhausfresko, fertiggestellt.584 Abweichend davon findet sich auf einem aus Stuck gearbeiteten Geldsack an einer der Kartuschenfresken (Constantia) die Jahreszahl 1752, sodass diese wohl als das Fertigstellungsdatum der Kartuschenfresken angenommen werden kann. Für sechs der zehn Kartuschen beschränkte man sich auf eine gold-rote Netzmusterfüllung als Brokatimitation. Die übrigen vier Kartuschen waren jedoch von Anfang an für eine detailliertere Ausarbeitung vorgesehen, und zwar als visuelle Begleitkommentare zum Langhausfresko. Entsprechend einem ersten und zweiten Konzeptentwurf (um 1749) war offenbar zunächst daran gedacht, die vier Kartuschen an den Ecken des Langhausfreskos mit den Reliefs männlicher Protagonisten der Marienverehrung auszustatten: Gregors des Großen, Hermanns des Lahmen, Bernhards von Clairvaux und Abt Engelberts von Admont).585 Zusammen mit dem Figurenpersonal des Langhausfreskos hätten sich dann aber einige Doppelungen ergeben. Möglicherweise erfolgte aus diesem Grunde eine Neukonzeption der vier Kartuschen, in der das ursprüngliche Grundthema, die Marienverehrung, zwar im Kern erhalten blieb, nun jedoch eine spezifische Ausformulierung erfuhr. Eine späte, knappe Notiz (KA IV, um 1749/50) nennt das überarbeitete Kartuschenprogramm „Cultus Mariani/4 proprietates“ (vier Eigenschaften der

8 Langhauskartuschen: Cultus Marianus – 4 Proprietates (1751)

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180 Franz Joseph Spiegler: Imitatio/Visus, 1752, Langhauskartusche (NvdM)

Marienverehrung). Die unter diesem Titel aufgeführten weiblichen Allegorien lauten: 1. „Imitatio – die Nachfolg“; 2. „Constantia – die beständigkeit“; 3. „fiducia – das Vertrauen“; und 4. „Ardor vel devotio – die Inbrunst, od. eüfer“.586 In einer weiteren Skizze (KA III, um 1749) findet sich eine nähere Beschreibung der zu malenden „4 Proprietates“, deren Motive in den realisierten Kartuschen aufgenommen, in manchen Punkten jedoch noch einmal neu verteilt wurden..587 Blicken wir zunächst auf die Kartuschenfresken, die einmal mehr die enge Zusammenarbeit zwischen der Stuckatorenwerkstatt Johann Michael Feichtmayrs und dem Freskanten Franz Joseph Spiegler belegen. Halb Fresko, halb Stuck, wurden den vier gemalten Allegorien vollplastische Antitypen beigege-

586 Konzeptfragment, KA IV (um 1749/50). 587 Konzeptfragment, KA III (um 1749/50).

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Innen

181 Franz Joseph Spiegler: Constantia/Auditus, 1752, Langhauskartusche (NvdM)

ben: 1. Südwesten [G 3]: Zu Füßen der Imitatio (Nachahmung) findet sich, ein Marienbild auf ein Herz malend, eine Alte, die Jugendlichkeit durch eine Maske vortäuscht; ferner in Begleitung der Alten ein Affe als Nachäffer der Imitatio [Abb. 180]. 2. Nordwesten [A/B 3]: Als Antityp der mit Rosenkranz und Weihrauchkörnern versehenen Constantia (Beständigkeit) [Abb. 181] findet man am unteren Abschluss des Rahmens eine mit Libellenflügeln, Geldsack, Spielkarten, Flügelhelm und Laute versehene bebrillte Stuckfigur. 3. Südosten [G 8/9]: Unterhalb der Fiducia (Vertrauen) [Abb. 182] mit Obstkorb (Trauben?) und Weinblättern (?) zeigt sich als Antityp eine von einem Pfau begleitete Hofdame mit Syphilisflecken auf den Wangen, der im Sturz von einem libellenge-

8 Langhauskartuschen: Cultus Marianus – 4 Proprietates (1751)

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182 Franz Joseph Spiegler: Fiducia/Gustus, 1752, Langhauskartusche (NvdM)

flügelten Putto marianische Herrschaftszeichen mahnend vorgehalten werden. 4. Nordosten [A 8/9]: Der Ardor (Inbrunst, Glaubenseifer) oder die Devotio (Frömmigkeit) mit Taube, Lorbeerkranz und Lilie wird von einem antitypischen Satansputto attackiert, der einen angeketteten Armorputto mit sich führt. Drei weitere gemalte Putti versuchen, den Satansputto von der Gestalt der Inbrunst fernzuhalten [Abb. 183].588 Ein genauer Vergleich zwischen dem letzten Schriftfragment (KA III) und den realisierten Kartuschen zeigt, dass Entwurf und Bild in einigen wesentlichen Punkten voneinander abweichen. So lassen sich mehrfache Vertauschungen und Abänderungen der Attribute nachweisen. Der Spiegel beispielsweise,

588 Die Kartuschenfresken messen ca. 2,30  x  1,60 m. Vgl. KOLB 1991, S. 455 f., Abb. 160/ 10–13; NEUBERT 2007, S. 215 f., Abb. 261– 265.

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Innen

183 Franz Joseph Spiegler: Ardor/Odoratus, bzw. Tactus, 1752, Langhauskartusche (NvdM)

in der Beschreibung der Imitatio-Kartusche zugedacht, ist nun bei der Fiducia wiederzufinden. Der „Teufels Sathan“ dagegen, zunächst für die Fiducia vorgesehen, ist letztlich der Allegorie des Ardor, bzw. der Devotio als Antityp zugeordnet. Fiducia (Vertrauen) und Ardor oder Devotio scheinen hinsichtlich der ihnen ursprünglich zugewiesenen Attribute und Antitypen in weiten Teilen über Kreuz ausgeführt. Diese Modifikationen führen denn auch zu zahlreichen Mehrdeutigkeiten, welche die Lesbarkeit der Allegorien wesentlich erschweren. Mit Ausnahme der Imitatio lässt sich keine der gemalten Allegorien mehr völlig eindeutig den Beschreibungen im dritten Schriftkonzept zuordnen.War das schriftliche Konzept für die ausführenden Künstler selbst nicht mehr verständlich oder

8 Langhauskartuschen: Cultus Marianus – 4 Proprietates (1751)

hatte sich das Interesse noch einmal verlagert? Insbesondere die Notiz aus KA IV „Ardor vel devotio f. 43 – die Inbrunst, oder eüfer“ mit der Zusatzbemerkung „die Inbrunst oder Eüfer f. 37. sub titulo die Liebe, Nota Bene mit flügel“ ist in Hinblick auf die Ausführung unklar, zumal keine Flügel übernommen wurden. Die finale Umsetzung ist wohl eher in Richtung einer Fokussierung auf die „Inbrunst“ (Ardor) zu verstehen, und zwar in Hinblick auf eine Inbrunst religiöser Liebe für Maria, die im Kartuschenfresko von einer „fleischlichen Liebe“ (Teufelsputto) attackiert wird, jedoch jener nichts anhaben kann. In diesem Sinne läuft Ardor in dem Konzeptfragment KA III (um 1749) auch unter dem Titel „Genius der Liebe“. In den realisierten Kartuschen wurde um jede der vier Allegorien eine Fülle von Symbolen, Gegenständen, Putten und Antitypen gehäuft, die (verglichen mit allegorischen Musterbüchern, etwa dem Cesare Ripas) jegliche Eindeutigkeit aufsprengt und schließlich einer allegorischen Mehrdeutigkeit Platz macht. Diesem Verlust steht aber auf der anderen Seite neben der erzielten Mehrdeutigkeit ein weiterer Gewinn gegenüber. Dieser besteht in der Auflösung der posierenden Allegorien zugunsten einer erzählenden Handlung. Die auf majestätische Zuständlichkeit angelegten Allegorien finden in den affektgeladenen Bewegungen ihres Begleitpersonals, aber auch in den dynamischen Kartuschenrahmungen ihren Widerpart. Ausschweifende Kartuschenrahmung und Häufung des attributiven Beiwerkes intendieren eine Verräumlichung des Bildes in Richtung des Beschauers. Und offensichtlich ist es auf diese Tendenz zur Verräumlichung zurückzuführen, dass sich der Betrachter in das allegorische Geschehen involviert fühlt. Den vier plastisch ausgearbeiteten Antitypen – Alte mit Maske (vs. Imitatio), Satansputto (vs. Ardor), Libellenfrau (vs. Constantia) und Syphilisfigur (vs. Fiducia) – ist gemeinsam, dass sie den positiven Allegorien ihren Platz innerhalb der Kartusche streitig zu machen suchen. Sind die Antitypen aufgrund ihrer Plastizität eng mit dem Kartuschenrahmen verbunden, so sind sie durch ihre farbigen Fassungen zugleich auf die gemalten Kartuschenfelder mit den positiven Allegorien bezogen. Die Antitypen sind im wörtlichen Sinne „figurales Beiwerk“, par-ergonal, also „neben“ und „gegen“ die Hauptallegorien gesetzt.589 Mit dem Handlungsgewinn der Allegorien und ihres Begleitpersonals ergibt sich eine Verschiebung, die uns im Folgenden beschäftigen wird. Die Häufung der Attribute folgt offenbar dem Interesse, die allegorischen Tugenden Mariens (Beständigkeit, Nachahmung, Glaubenseifer und Vertrauen) mit einer Allegorie der fünf Sinne zu kombinieren. Nicht nur gegenüber den Konzeptfragmenten, sondern auch im Vergleich mit der Ölskizze Spieglers zu den Figuren der Imitatio und der Constantia [Abb. 184] wurden in der finalen Fassung Attribute hinzugefügt oder hervorgehoben (Maske, Laute), welche die Personifikationen in Richtung eines Fünf-Sinne-Zyklus verschieben.590 Bei den Kartuschenfresken würde es sich demnach um eine Häufung komplexer und vieldeutiger Allegorien handeln, welche die Tugenden Mariens mit den verschiedenen Formen ihrer sinnlichen Aneignung kombinieren und daraus eine Empfehlung zur Anwendung der Sinne im Marienkult ableiten.

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589 Vgl. die bei DÜNKELSBÜHLER 1991, S. 30, zitierten Wortbedeutungen von Parergon in Abgrenzung zu Logos und Ergon: „Nebenwerk, alles nicht zur Hauptsache zugehörige, Zugabe, Anhang [...] – in der Malerei: Nebenfigur, Beiwerk, Staffage. [...] Die Spannkraft zwischen Ergon [Werk, NvdM] und Logos [Wirklichkeit, NvdM] als Gegensatz macht Ergon nicht nur zum Objekt von Logos, sondern sie scheint sich im Gegensatz von Ergon und Parergon zu wiederholen: allerdings stehen hier ein ‚Gegen’ und ein ‚Neben’ sowohl nebeneinander, als sie auch ineinander kollabieren: par-ergon.“ 590 MRAZEK 1959, S. 9–12; KOLB 1991, S. 458, Abb. 163; NEUBERT 2007, Abb. 263 (Privatbesitz, Verbleib unbekannt?).

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Innen

184 Franz Joseph Spiegler, Imitatio und Constantia, Öl auf Papier, um 1751 (nachträglich auf Leinwand aufgezogen), 31 x 43 cm, Verbleib unbekannt (NEUBERT 2007)

Anders ausgedrückt: Die Kartuschenfresken formulieren eine „ästhetische Tugendlehre“, in der die Sinneskanäle als Instrumente des Tugenderwerbs dargestellt sind: (1) Imitatio [Abb. 180] erweist sich in der narrativen Ausgestaltung nicht nur als Allegorie der Nachfolge, der Imitatio oder der Malerei, sondern auch als szenische Verkörperung der Sehkraft bzw. -tätigkeit. Die schöne Maske der greisenhaften Stuckfigur spielt auf das Unterscheidungsvermögen und auf die mögliche Täuschung des Sehsinnes (visus) an. Der Blick der malenden Imitatio auf das Marienbild an der Staffelei erweist sich als Schau Mariens. (2) Constantia (Beständigkeit, Ausdauer) [Abb. 181] streut Weihrauch in ein Weihrauchfass, während ein Putto links von ihr die Glocke zum „Ave Maria“ schlägt. Ein weiterer Putto zu ihren Füßen führt der antitypischen Figur die Antifonen „Salve Regina“ und „Ave Regina Coelorum“ vor Augen. Eine Laute im Schoß der antitypischen Figur verkörpert die weltlichen Klänge gegenüber den himmlischen Mariengesängen. Die Kartusche der Constantia handelt von der Ausrichtung des Gehörs (auditus) auf die Botschaft Mariens. In entsprechenden Varianten die übrigen beiden Allegorien: (3) Fiducia (Vertrauen) [Abb. 182], einen Korb mit Trauben und Weinranken tragend, verkörpert den himmlischen Geschmack (gustus), während die antitypische Figur unter ihr als eine Spielform des Hochmuts (superbia) und der Eitelkeit (vanitas) mit Spiegel und Pfau für das ungesunde und eitle höfische Leben steht. (4) Ein Putto in der Ardor-Kartusche (Glaubenseifer) [Abb. 183] verschließt die Nase vor dem üblen Geruch des herannahenden Satansputtos, der die weltliche Liebe an Ketten mit sich führt und damit auf spielerische Weise auch den Neid (invidia) verkörpert. Ihnen gegenübergestellt ist die Figur des Ardor mit einer Lilie in der Hand, die geruchliche Reinheit (odor) repräsentierend, sowie eine Taube, einen Lorbeerkranz im Schnabel haltend, welche in dieser Bildtradition den Tastsinn (tactus) verkörpert. Bis hierher lässt sich festhalten: Während die Konzeptfragmente zunächst von klar benennbaren Repräsentanten des Marienkults ausgingen, welche man in

8 Langhauskartuschen: Cultus Marianus – 4 Proprietates (1751)

einem zweiten Planungsschritt gegen weibliche Allegorien austauschte, wurden diese in den realisierten Kartuschenfresken durch eine Anhäufung von Attributen überdeterminiert. Die Benennungen als Constantia, Imitatio, Ardor und Fiducia können deshalb nur noch behelfsmäßige Titel abgeben, weil sie die faktische Mehrdeutigkeit der allegorischen Figurationen überspielen.Was als „allegorische Zerstückelung“ (Benjamin) bezeichnet wurde, zeigt sich hier an der verwirrenden Vielfalt der Attribute, die zugunsten einer narrativ entfalteten Sinnes- und Tugend-/Sündenthematik ausgebaut sind. Die Doppelrolle als Tugend- und Sinnesallegorien bringt es mit sich, dass sich die Kartuschenfresken nicht einfach mit den bekannten Stichvorlagen von Marten de Vos, Cesare Ripa und anderen abgleichen lassen. An der Constantia-Kartusche zeigt sich das deutlich: Die Säule, bei Ripa oder auch bei Galle das klassische Attribut der standhaften und beständigen Constantia, ist im Kartuschenfresko gegen die Ave-Maria-Glocke und den Rosenkranz ausgewechselt. An die Stelle des brennenden Kohlenbeckens, in das Constantia bei Ripa und Galle [Abb. 185, 186] ihre Hand hält, ist das Weihrauchfass getreten, das als Sinnbild des „liebglühenden Herzens“ thematisch in die Allegorie des Ardor hineinreicht.591 Mit diesen neu eingeführten Attributen und den beigefügten Antifonen „Salve Regina“ und „Ave Regina Coelorum“ rückt eine liturgisch-ästhetische Praxis als Form des Marienkults und der Marienerkenntnis ins Blickfeld. Damit überschneidet sich die Darstellung der Constantia nun aber auch mit jener der Preces, der Allegorie des Gebets, die dem Typus nach von einem brennenden Weihrauchbecken mit aufsteigendem Weihrauch und einer Predigtszene gerahmt ist [Abb. 187]. Als Schauplatz gehört die Predigt zusammen mit den Musikinstrumenten (insbesondere der Laute) jedoch auch in das ikonografische Vokabular der Auditus-Allegorie, etwa bei Marten de Vos [Abb. 188]. Der Gehorsam Adams und Evas im Paradiesgarten, die Imitatio nach dem Hören der Predigten bringen im Hin-

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185 J. G. Hertel: Allegorie der Constantia (Beständigkeit), um 1758 (RIPA) 186 Philips Galle: Allegorie der Constantia (Beständigkeit), ca. 1584 187 J. G. Hertel: Allegorie der Preces (Gebet), um 1758 (RIPA)

591 LECHNER 1950, S. 114.

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Innen

188 Maarten de Vos: Allegorie der Gehörs (auditus), Kupferstich, 21,5 x 26,6 cm (HOLLSTEIN XLVI)

tergrund tugendhaftes Handeln mit sinnlicher Aufmerksamkeit in Verbindung. Damit ist nur ein Beispiel für die mehrschichtige allegorische Überlagerung der Constantia mit anderen Allegorien (Preces, Auditus) beschrieben, welche aus der Häufung der Attribute resultiert.

8.2 Sinnliche Aufmerksamkeit 592 Ardor hält in der rechten Hand einen Vogel mit einem Lorbeerzweig im Schnabel. Neben der Spinne (als Symboltier für den feinen Tastsinn) gehört der Vogel (meist der einen schmerzhaften Biss verursachende Papagei) zu den tradierten Attributen des Gefühls- oder Tastsinns (vgl. z. B. KAUFFMANN 1943, S. 135), und zwar in der Figur einer Allegorie, die einen Vogel in der Hand hält. Bereits bei Frans Floris’ Allegorie des Tastsinns (in der von Hieronymus Cock gestochenen Version) taucht die Taube mit Ölzweig als positives Gegenstück zum schmerzhaften Biss des Papageis auf. Die Doppelbesetzung eines Kartuschenfreskos ermöglichte es, einen Fünf-Sinne-Zyklus auf vier Kartuschen zu verteilen. Diese Doppelbesetzung, die sich auch bei der Constantia findet (Odoratus/Auditus), liegt freilich ganz auf der Linie der Gesamtkonzeption einer mehrdeutigen Aushöhlung der Allegorie. 593 Zum Verhältnis von Architektur und Sinnen vgl. ZEUCH 2003, S. 65–85.

Nach der obigen Rekonstruktion wurde offenbar auch der zweite Plan, die Kartuschen mit „reinen“ Tugendallegorien zu füllen, noch einmal abgeändert und um die Darstellung einer Fünf-Sinne-Thematik erweitert. Wie es zu dieser Änderung kam, ist nicht klar, sie könnte sich aber organisch aus der Entwurfssituation und aus dem Dialog zwischen Mauz und Spiegler entwickelt haben. Wie auch immer: Der Rückgriff auf das Sinnesquintett erlaubte es, die diffuse Mehrdeutigkeit der Tugendallegorien in anschauliche sinnliche Handlungen zu übertragen, die ihrerseits weniger allegorisch als narrativ angelegt sind. Als Auditus (Constantia),Visus (Imitatio), Gustus (Fiducia) und Odoratus/Tactus (Ardor)592 ließen sich die Tugenden in der Thematik der fünf Sinne vereinen und in eine konkrete Handlungspraxis übersetzen. Hier eröffnet sich der zentrale Aspekt: Die Kartuschenfresken richten sich an einen situativen Adressaten. Sie rufen zu einer Anwendung der Sinne auf, welche mit Körperbewegungen im Raum im Wechselspiel stehen. Man könnte auch sagen: Die Übertragung der sinnlichen Tugendlehre von der Architektur auf den Körper wird durch die „Architektonik der Sinne“ möglich.593 Deshalb ist die oben analysierte Raumerfahrung im Langhaus nicht auf eine Verknüpfung von Seh- und Gehbewegung beschränkt, sondern im Kontext einer liturgischen

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Praxis des Marienkultes – unter Weihrauch, marianischen Gesängen etc. – auch als ein ästhetisches bzw. synästhetisches Erkenntnismodell anzusehen. Zu Recht wurde bei den Kartuschenfresken (wenn auch nicht als Aufforderung zur Aktivierung der Sinne) eine rhetorische Struktur vermutet.594 Es reicht aber nicht aus, über schematische, aus der Rhetorik hergeholte Begriffe eine Ersatzikonografie zu generieren (Maske = Synekdoche; Pinsel = Metalepsis); die rhetorische Struktur muss sich auch auf einen situativen Betrachter beziehen lassen, der keine rhetorischen Begriffe, sondern ein Erlebnis im Sinn hat. Die Bilder erschließen sich in dem räumlichen Kontext, für den sie geschaffen sind. Deshalb ist es notwendig, die in den Bildern enthaltene Aufforderung zur „Anwendung der Sinne“ auf den Raumzusammenhang anzuwenden.595 Die Grenzen zwischen Darstellungs- und Erfahrungsraum werden unter diesen Voraussetzungen unscharf. Die Aufmerksamkeit auf die Darstellung und die dargestellte Aufmerksamkeit der Sinne überschneiden sich im Kontext einer Liturgie der Marienverehrung.

8.3 Duftraum Vielleicht ist es an dieser Stelle verfrüht, für den oben beschriebenen Sachverhalt den überbeanspruchten Begriff der „Synästhesie“ einzuführen, zumal er in unserem Zusammenhang erklärungsbedürftig ist. Er soll zunächst aber nur deutlich machen, dass die spätbarocke Raumerfahrung erst im Kontext einer umfassenden Aktivierung der Sinne angemessen verstanden werden kann. Gerade der Verweis auf die Sinnesaktivierung eignet sich dazu, einen schematischen Dualismus von Werk und „Betrachter“ zu vermeiden. Denn das Zusammenspiel der Sinne ist in komplexer Weise mit einem Ineinanderspielen der Künste verbunden.Was für die Analyse der Sehbewegung galt – dass sie einer differenzierten temporalen Struktur unterliegt, die den architektonischen Raum jenseits seiner metrischen Grenzen in eine ästhetische Erfahrung übersetzt –, lässt sich auch auf die übrigen Sinnestätigkeiten beziehen. Die „Anwendung der Sinne“ zielt auf eine ebenso ästhetisch wie theologisch motivierte Selbstüberschreitung – über die Grenzen des eigenen, aber auch des architektonischen Körpers hinaus. Eine sensomotorische Raumtheorie aus ästhetischer Sicht ist mit den Theo­ rien des Embodiment und Beiträgen aus der Literaturwissenschaft erst umrissen.596 In jüngerer Zeit wurde jedoch vermehrt aus phänomenologischer und medientheoretischer Perspektive über das Themenfeld „Synästhesie und Sinne“ nachgedacht.597 Weitere Ergebnisse ließen sich erhalten, wenn anstelle der alten epistemologischen Modelle – „Hierarchisierung“ oder „Einheit“ der Sinne – exemplarische Beschreibungen und Analysen ihres variablen Zusammenspiels durchgeführt würden.598 Unsere allgemeinen und vielfach schematischen Begriffe scheinen jedoch immer wieder an detaillierten Beschreibungsversuchen abzugleiten, beispielsweise wenn wir uns daran machen, das ästhetische Wechselspiel von Sehen und Riechen auf eine valide Basis zu stellen und anhand architektonischer oder installativer Werke zu entwickeln. Dies geschieht wohl auch

594 Und zwar mit Bezug auf die Allegorie der Imitatio, siehe HUNDEMER 1997, S. 235– 240. 595 Auch beruht die künstlerische Absicht der Kartuschenfresken nicht darin, sich durch eine Anhäufung von „Realien“ einer allegorischen Tradition zu verpflichten, wie WELZEL 2004, S. 233, es für den Fünf-Sinne-Zyklus von Jan Breughel d. Ä. und Peter Paul Rubens vorschlug. 596 JOHNSON 1987; LAKOFF 1997; LECHTERMANN/WAGNER/WENZEL 2007, dort (Kirsten Wagner, S. 14) auch zum sog. Spatial oder Topographical Turn (vgl. H. Böhme), der die Frage nach einer Ästhetik des Sensomotorischen vorantrieb, sowie weitere Literaturdiskussion zum Begriff der Aufmerksamkeit (wie das gleichnamige, historisch orientierte Buch von Jonathan Crary) im Beitrag von Marc Glöde, S. 31–42. 597 WALDENFELS 1999 und aus kommunikationstheoretischer Sicht LOENHOFF 2001 sowie DIACONU 2005. 598 Zur Geschichte der Sinne vgl. LOENHOFF 2001, S. 77–85.

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599 DRAGSTRA 2002, S. 159. 600 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Überlegungen zum Verhältnis von Architektur und Geruch bei CRUNELLE 1995, bes. S. 174, 177. Siehe dort auch die übrigen Beiträge zum Thema. 601 Vgl. BUCHENRIEDER 1978, S. 130. 602 Paulo Herkenhoff/Gerardo Mosquera/Dan Cameron: Cildo Meireles, London 1999, S. 35, 92. Für die installative Einbeziehung olfaktorischer Phänomene kann ferner auf Bill Viola verwiesen werden. In seiner Installation „Il Vapore“ (1975), einer Arbeit aus Video, Ton und Geruch, schwimmen Eukalyptusblätter in verdampfendem Wasser. Vgl. dazu: Bill Viola: Reasons for Knocking at an Empty House. Writings 1973–1994, London 1995, S. 38 f. 603 Vgl. zum Aufmerksamkeitsbegriff bei Maurice Merleau-Ponty, Aron Gurewitsch und William James in diesem Sinne WALDENFELS 2004, S. 26–31. Einen Überblick über die phänomenologischen, gestalttheoretischen und neurophysiologischen Aspekte der Aufmerksamkeitsdebatte gibt LOENHOFF 2001, S. 196–217, der hieraus einen sozial-kommunikativen Aufmerksamkeitsbegriff ableitet; vgl. weiter die interessanten Beiträge in LECHTERMANN/WAGNER/ WENZEL 2007 sowie aus soziologischer Sicht HAHN 2010, bes. S. 73. 604 PFEIFER 1997, S. 33–42, 47 f. Der Gebrauch von Weihrauch grenzt den heiligen vom profanen Raum ab. Motivisch taucht im Zwiefalter Innenraum das Weihrauchfass mehrfach auf (neben der Constantia auch am Sockel Ezechiels oder als Attribut der Allegorie des Feuers). Hiermit wird besonders anschaulich die Brücke zwischen Bild und Liturgie geschlagen. Die liturgische Verwendung von Weihrauch geht u. a. auf 2 Kor 2,14–16 zurück: „Gott aber sei gedankt, der uns […] offenbart den Wohlgeruch seiner Erkenntnis. Denn wir sind Gott ein Wohlgeruch unter denen, die gerettet werden, und unter denen, die verloren werden: diesen ein Geruch des Todes zum Tode, jenen aber ein Geruch des Lebens zum Leben.“ Ferner ist die Bedeutung des Weihrauchs für die Liturgie im Zusammenhang mit Ps 141 (140) zu sehen. Vgl. allgemein zur Geschichte der olfaktorischen Wahrnehmung: CORBIN 1996. 605 Zum Terminus vgl. KEMPINSKI 1995, S. 144.

deshalb, weil die oberflächlichen Metaphern, in die wir beispielsweise unser Reden über den Geruch kleiden, auf einem ungeschulten Geruchssinn oder, genauer: auf einer ungeschulten Verbalisierung der Tätigkeit unseres Geruchssinnes beruhen. Untersuchungen der Historischen Anthropologie haben gezeigt, dass das „witternde Gespür“ unserer olfaktorischen Wahrnehmung eine Tiefenschärfe des Raumes produziert, die eine Sache des Atmens, nicht der Metrik ist, und deshalb innerhalb einer Analyse des Verhältnisses von Körper und Raum einen theoretischen Platz benötigt.599 Abgesehen davon hat die Frage nach dem Verhältnis von Riechsinn und Architektur erst zu wenigen detaillierten Ergebnissen geführt.600 Die Architektur des späten 18. Jahrhunderts könnte hierfür einen Ausgangspunkt bieten, zeigte sie doch in ihren extremen Positionen olfaktorische Konzepte wie die des Architekten Jean Jacques Lequeu (1757–1825), der daran arbeitete, eine riechbare Architektur aus kalkhaltigem Speckstein zu realisieren.601 Ein Blick über die engeren Grenzen des Themas hinaus könnte an dieser Stelle nützlich sein, um uns theoretisch auf das Nachfolgende vorzubereiten: Wenn der 1948 in Rio de Janeiro geborene Cildo Meireles (um einen der zeitgenössischen Künstler zu nennen, die sich mit diesem Thema befassen) in seiner aus Holz, Asche, Gas und Kerze bestehenden Rauminstallation „Volátil“ bzw. „Volatile“ (1980/94) eine explosive Gefahr suggeriert, so macht dies einen Grundaspekt des ästhetischen Einsatzes riechbarer Materie deutlich. Das Verhältnis zwischen Geruch und Raum bewegt sich in phänomenologischer Hinsicht zwischen „Aufmerksamkeit“ und „Orientierung“.602 Beide Begriffe hängen auf unterschiedliche Weise mit einer leiblichen Situierung des Wahrnehmungsfeldes zusammen. Beim Erstgenannten handelt sich um eine selegierende Instanz, die vor allem temporal angelegt ist, während Letzterer das Wahrnehmungsfeld räumlich strukturiert. Die Aufmerksamkeit auf den stechenden Geruch lässt bei Meireles eine optische Figur aus Holz und Kerze aus dem breiten Wahrnehmungsfeld heraustreten, richtet den Köper auf das Gesehene aus und lässt ihn zurückweichen oder treibt die Neugier zu näheren Erkundungen an. Dass beide Aspekte, Aufmerksamkeit und Orientierung, in der Körpererfahrung aufeinander bezogen sind, scheint unter diesen Voraussetzungen naheliegend. Weit weniger liegt dagegen auf der Hand, dass Aufmerksamkeit und Orientierung das raum-zeitliche Wahrnehmungsfeld nicht einfach abbilden, sondern vielmehr neue Beziehungen zwischen den Teilen dieses Feldes hervorbringen und dabei zu einer charakteristischen Seh- und Körperbewegung führen.603 Unter diesen Prämissen wären weitere Analysen zeitgenössischer Installationen zwar nützlich, können aber nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Wenn in Zwiefalten mit der Constantia-Allegorie auf der Motivebene das Weihrauchfass auftritt, so realisiert sich die daraus abgeleitete Forderung einer Anwendung des Geruchssinns im Kontext einer liturgischen Praxis, die historisch mindestens bis in die Spätantike zurückreicht.604 „Olfaktorische Behaglichkeit“ ist von der Raumerfahrung nicht zu trennen und für den liturgisch-sakralen Zusammenhang elementar.605 Beim Gebet oder vor dem Verlesen des Evangeliums sollte die Inzensation nicht nur die Epiphanie mit einem Dufter-

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lebnis begleiten, sondern Körper, Gedanken und Worten einen Weg zu Gott ebnen.606 Der Einsatz des Inzens filterte einen Zeitmoment aus dem Kontinuum heraus und zielte auf eine spezifische Form jenseitiger Aufmerksamkeit im sakralen Raum sowie auf eine Orientierung auf Gott hin – „esse ad deum“.607 Mit dieser Sentenz – „esse ad deum“ – beschließt Philipp Doll seine Predigt zur Siebenhundertjahrfeier von Zwiefalten und verbindet sie mit dem metaphorisch zu verstehenden Appell: „Gebethe und Seufzer sollen durch die großen Gewölbe dieses herrlichsten Tempels ertönen, und mit dem geheiligten Dufte der Opferkörner der zärtlichste Dank an Himmel steigen.“608 Die liturgische Koppelung der Inzensation an das Verlesen des Evangeliums, an Gebete oder an sakramentale Handlungen wie die Elevation der Hostie beabsichtigte die Verknüpfung des olfaktorischen Erlebnisses mit anderen Sinneserlebnissen – mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit der Wahrnehmung noch einmal zu steigern.609 Schon aus den hier skizzierten Bemerkungen wird deutlich, dass die Inzensation nicht auf eine Raumerfahrung innerhalb der materiellen Grenzen der Architektur zielt, sondern die Verknüpfung eines diesseitigen Raumes mit einem jenseitigen anstrebt.610 Dass die Kartuschenfresken gleich mehrfach auf den Geruchssinn anspielen – als Gestank des Teufels, als Duft der Lilie und des Weihrauchs – hängt nicht nur mit einer neuzeitlichen Popularisierung der Fünf-Sinne-Thematik in Bildform zusammen, sondern auch mit einer aufkommenden literarischen Sensibilität für den Geruchssinn (neben anderen) um die Mitte des 18. Jahrhunderts.Wesentliche seelische Erlebnisse werden jetzt auch auf olfaktorische Empfindungen zurückgeführt.611

8.4 Die Anwendung der Sinne – Applicatio Sensuum Es ist gut möglich, dass das Konzept der Zwiefalter Langhauskartuschen mitinspiriert wurde von den um 1740 von Johann Evangelist Holzer geschaffenen Kuppelzwickeln (oder deren Beschreibung durch den Benediktinerpater Ignaz Brendan).612 Brendan charakterisierte das Münsterschwarzacher Zwickelquartett in seinem Bezug zum Kuppelfresko folgendermaßen: „Alle 4. Schild haben eine Symmetrie mit der Kuppel, und spielen ab auf die Haupt-Tugenden der in der Kuppel entworffenen Orden-Heiligen, als nemlich die Gottesforcht, den Seelen-Eyfer, die Christliche Schlangen-Klugheit und endlich in allen Guten Bestaendigkeit mit dem Gegensatz ihrer Laster.“613 Da alle Fresken mit dem Abbruch der Kirche ab 1821 verloren gingen, verfügen wir nicht mehr über ein Dokument aus erster Hand, das die Nähe zu Zwiefalten umfassend belegen könnte. Doch haben sich von den vier (im Original ca. 3,50 m hohen) Zwickeln von Münsterschwarzach Ölskizzen bzw. Kopien erhalten,614 in denen sich der gleiche antitypische Aufbau wie in Zwiefalten mit zum Teil identischen oder abgewandelten Attributen findet. In Brendans eingehenden Beschreibungen der Zwickel615 wird die Tugend des „Seelen-Eyfers“ mit der Allegorie des Glaubens („Triumph der Religion“) [Abb. 189] in Verbindung gebracht. Diese überschneidet sich im Aufbau und in einigen Details mit der Zwiefalter Kar-

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606 PFEIFER 1997, S. 59–63, 124, 136. 607 WALDENFELS 2004, S. 20, mit Bezug auf Augustinus. 608 JUBELFEIER 1789, S. 69 f. Predigt Philipp Doll, Kapitular von Weingarten, gehalten am 9. September 1789. 609 PFEIFER 1997, S. 76–79. 610 Aus dieser Sicht forderten Romano Guardini und andere im Kontext der Liturgiereformen des 20. Jahrhunderts – teilweise ungewollt in ihrer barocken Ausprägung – die Reinstallation der Sinne in der Liturgie. GUARDINI 1950, S. 37 f.: „Worum es fortan geht, sind das lebendige Auge, das Ohr, die Hand, mit einem Worte, die Sinne, deren Zusammenhang jeweils von den äußersten Zellen bis ins Herz und den Geist reicht. Die Dinge müssen wieder gesehen, gehört, gegriffen, geschmeckt, in ihrer ganzen Erscheinungspotenz aufgefasst werden, dann kann erst wieder das Denken[,] und zwar ein ebenfalls regeneriertes, einsetzen, welches der Wirklichkeit gehorsam ist und alles aufnimmt, was an ihr erscheint […]. Von hier aus bekommt der Satz: ‚Nichts ist im Verstande, was nicht vorher in der Sinneswahrnehmung gewesen’, seine eigentliche Bedeutung. Das gilt auch für die religiöse Erkenntnis.“ Vgl. auch: BALTHASAR 1961, Kap. II.3: Die geistlichen Sinne, S. 352–410; REIFENBERG 1970; REIFENBERG 1975; REIFENBERG 1985; REIFENBERG 1987. 611 CORBIN 1996, S. 202; LOENHOFF 2001, S. 75. Dort auch die weiteren Nachweise: Eva Barlösius: Über den Geruch. Langfristige Wandlungen der Wahrnehmung, Kontrolle und Gestaltung von Riechendem, in: Helmut Kuzmics/Ingo Mönch (Hgg.): Der unendliche Prozess der Zivilisation. Zur Kultursoziologie der Moderne nach Norbert Elias, Frankfurt a. M./New York 1991, S. 243–256; Peter Gleichmann: Städte reinigen und geruchlos machen. Menschliche Körperentleerungen, ihre Geräte und ihre Verhäuslichung, in: Hermann Sturm (Hg.): Ästhetik und Umwelt, Tübingen 1983, S. 99–132; G. P. Largey/D. R. Watson: The Sociology of Odors, in: American Journal of Sociology 77 (1977), S. 1021–1034. 612 Ignaz Brendan: Der Zweyfache Seegen Gottes In Aufrichtung und Einweyhung Des Neuen Gottes-Haus s. Felicitatis zu Münster-Schwartzach ...: Am 8ten Tag der ... Einweihungs-Festivität der 15. Sept. 1743 vorgetragen in einer Lob- und Danck-Predigt, Würtzburg s. a. [1743]. 613 BRENDAN 1743, XXVII f., zitiert in: SCHNEIDER 1984, S. 240 f.

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189 Johann Evangelist Holzer: Allegorie des Glaubens, 1737, Entwurf für das südöstliche Zwickelfeld unter dem Kuppelfresko von Münsterschwarzach, Öl auf Leinwand, 37,2 x 27,5 cm, Kunstsammlung und Museen Augs-burg (KATALOG 2010) 190 Johann Evangelist Holzer: Allegorie der Liebe. Sieg der theologischen Weisheit, 1737, Entwurf für das nordwestliche Zwickelfeld unter dem Kuppelfresko von Münsterschwarzach, Öl auf Leinwand, 36,7 x 25,4 cm, Kunstsammlung und Museen Augsburg (KATALOG 2010)

614 Die Skizzen sind im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum (Innsbruck) aufbewahrt, Graph. Sammlung, Inv.-Nr. T 170, 171; Inv.-Nr. Gem 217, 219. Sie wurden wohl erst nach den Zwickeln und offenbar nicht von Holzer selbst gemalt. KRÄMER 1991, S. 89. 615 Vgl. KRÄMER 1991, S. 85–89. 616 SCHNEIDER 1983, S. 143–150. 617 KAUFFMANN 1944; PUTSCHER 1971. 618 Insbesondere zur Entwicklung des Fünf-Sinne-Konzepts bei Aristoteles (in De anima) vgl. WELSCH 1987.

tusche des Ardor [Abb. 183], aber auch mit der Zwiefalter Kartusche der Fiducia (Pfau) [Abb. 182]. Die Münsterschwarzacher Allegorie der Liebe („Sieg der theologischen Weisheit“) [Abb. 190] kommt thematisch der Zwiefalter Kartusche der Fiducia nahe, berührt sich aber motivisch (Luzifer) auch mit dem Ardor. Der von Ignaz Brendan als Allegorie der „Beständigkeit“ im Guten („Benedikts Tugendweg“ bzw. Allegorie der Hoffnung) [Abb. 191] angesprochene Zwickel überschneidet sich in Zwiefalten mit der Kartusche der Constantia (Weihrauchfass) [Abb. 181], wobei sich anstatt der Öllampe in Zwiefalten das Weihrauchfass findet. Das vierte Münsterschwarzacher Zwickelmotiv mit der Allegorie der Niederwerfung des Heidentums [Abb. 192] dürfte in Zwiefalten möglicherweise deshalb unberücksichtigt geblieben sein, weil man sich dafür entschied, die marianischen (und nicht wie in Münsterschwarzach die benediktinischen616) Tugenden vor Augen zu führen und diese mit der Sinnesthematik zu verbinden. In dieser synthetischen Verschränkung der (marianischen) Tugendlehre mit der Sinnesthematik lässt sich ein innovatives Darstellungsmotiv erkennen. Hans Kauffmann hat schon früh gezeigt, dass es sich bei der Fünf-Sinne-Thematik als einem eigenständigen Bildzyklus um eine barocke Bildfindung handelt, die weder antike noch mittelalterliche Vorbilder besitzt,617 obgleich die Konzeption der fünf Sinne und ihre Hierarchisierung auf Aristoteles zurückgehen.618 Die bildzyklischen Anfänge der Fünf-Sinne-Thematik liegen in den südlichen Niederlanden des ausgehenden 16. Jahrhunderts. Von Frans Floris (1561) und

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Marten de Vos (1570/75) als Stichvorlagen entwickelt, erlangten die fünf Sinne durch Adam von Noort (um 1590) und die Neuschöpfungen Jan Breughels d. Ä. und Peter Paul Rubens’ (1617/18) Popularität.619 Etwa zeitgleich wurden die fünf Sinne auch in den emblematischen Bestand aufgenommen, ohne hier allerdings eine zusammenhängende Gruppe zu bilden.620 Ungewöhnlich an den Zwiefalter Sinnesallegorien ist ihr Ort. Auch noch im 18. Jahrhundert sind Sinneszyklen für Sakralräume und selbst für Bibliotheken nicht vorgesehen. Bevorzugt wurden hier Bildprogramme mit dem Tugend-/ Laster-Katalog oder den Artes liberales.621 Fünf-Sinne-Zyklen kamen meist dort zum Einsatz, wo es um Zerstreuung, Genredarstellungen oder Genüsse ging: in Fest- und Speisesälen. Entsprechend stattete Johann Joseph Zimmermann 1731 im Auftrag von Abt Magnus Pachinger die Decke des Refektoriums von Benediktbeuern mit einem Fünf-Sinne-Zyklus aus. Die den Tactus repräsentierende Berührung des Fußes Jesu durch Maria Magdalena im Mittelfeld ist seitlich mit Tätigkeiten des Visus, Odoratus, Gustus und Auditus nach niederländischen Vorbildern gerahmt, nicht ohne den mahnenden Hinweis auf die monastischen Tugenden Humilitas, Innocentia, Fidelitas und Constantia, die als Stuckallegorien Visus und Odoratus seitlich flankieren.622 Die Verbindung von Sinneszyklus und religiös-moralischen Komponenten hat ihre Vorläufer in niederländischen Stichzyklen.623 In Benediktbeuern wurde diese Verbindung bereits für den um 1675 von Stephan Kessler (1622–1700) ausgemalten Festsaal auf der Grundlage einer intellektuell anspruchsvollen, 1664 in

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191 Johann Evangelist Holzer: Allegorie der Hoffnung oder Allegorie der Beständigkeit (Benedikts Tugendweg), 1737, Entwurf für das nordöstliche Zwickelfeld unter dem Kuppelfresko von Münsterschwarzach, Öl auf Leinwand, 37,2 x 27,5 cm, Kunstsammlung und Museen Augsburg (KATALOG 2010) 192 Johann Evangelist Holzer: Niederwerfung des Heidentums, 1737, Entwurf für das südwestliche Zwickelfeld unter dem Kuppelfresko von Münsterschwarzach, Kohle auf Papier, 29,3 x 20,1 cm, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum (KATALOG 1990) 619 620 621 622

Vgl. auch WELZEL 2004. KATALOG 1991. PUTSCHER 1971, S. 154. Vgl. CORPUS, Bd. 2 (1981), S. 116–118, Abb. A u. 1–4. 623 So zum Beispiel schon früh: Nicolaes de Bruyn: „Die Fünf Sinne mit Szenen aus dem Buch Genesis im Hintergrund“, 1620, Kupfer­stich, ca. 9 x 11 cm, oder Adriaen Collaert: „Die Fünf Sinne mit biblischen Szenen im Hintergrund“, um 1600, Kupferstich, ca. 21 x 26 cm – beide nach Maarten de Vos (HOLLSTEIN 1995, S. 1486–1495).

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193 Stephan Kessler: Allegorischer Triumphzug des Menschen auf dem Weg zur Ewigkeit, um 1675, Kloster Benediktbeuern, Festsaal, Deckenbild

624 Die Stichreihe wurde 1664 von Christoph Storer entworfen und von Matthäus Küssel gestochen. Die Brüder Sebastian und Philipp Konstantin von Thurn und Taxis verfassten unter der Leitung des Jesuitenpaters und Philosophieprofessors Ferdinand Visler von der Universität Dillingen den Begleittext: Sebastian Franz und Philipp Konstantin von Thurn und Taxis: Philosophia sacro-profana logicam, physicam, et metaphysicam disputationem complexa … praeside Ferdinando Visler, Societatis Iesu, Philosophiae Professore Ordinario …, Dillingen 1664. Vgl. auch WEBER 1996, S. 10; KATALOG 2005. 625 PAULA 1998, S. 31, Abb. 7. 626 KATALOG 2010, S. 348 f., Nr. 84, sowie S. 392 f., Nr. 122.

Dillingen entstandenen Stichreihe umgesetzt.624 Das Hauptfeld zeigt einen allegorischen Triumphzug des Menschen auf dem Weg von der Zeit in die Ewigkeit [Abb. 193]. Angeführt wird der Zug von den „fünf äußeren Sinnen“ Sehen (Fernrohr, Adler), Geruch (Rose, Hund), Geschmack (Affe mit Pfirsich und Apfel), Gehör (Hirsch) und Tastsinn (Säule), gefolgt von den „inneren Sinnen“ Verständnis, Fantasie und Gedächtnis. Der Zug der Menschen erscheint hier als Metapher eines lebenszeitlichen Erkenntnisprozesses, der von den äußeren zu den inneren Sinnen führt und an die „Anwendung der Sinne“ appelliert. Mit Stephan Kessler bzw. der Entwurfsvorlage Christoph Storers (1620–1671) wurde die flämische Konzeption der Sinnesthematik in den süddeutschen Raum transformiert und erfolgreich mit dem ignatianischen Verständnis der Anwendung der Sinne verbunden. Benediktbeuern könnte dabei für die Zwiefalter Kartuschenfresken ebenso wichtig gewesen sein wie Gottfried Bernhard Göz’ kurz vor Zwiefalten (1751) entstandenes Deckenbild der Allegorie der fünf Sinne für den Festsaal des Schlosses Leitheim.625 Dem Deckenbild gingen Entwürfe voraus, die Göz und Holzer (etwa als Entwurf für einen Fächer) in den 1730er-Jahren zur Sinnesthematik entworfen hatten, sowie ein abgelehnter Entwurf (1751) von Göz für Schloss Bruchsal.626 Eine Idee für Schloss Leitheim kam indessen zur Ausführung [Abb. 194]. Sind die Sinnesdarstellungen von Benediktbeuern, Leitheim und Zwiefalten auf der Motivebene miteinander verwandt, so laufen sie im Hinblick auf den jeweiligen Handlungsraum auseinander. In der zentralen Idee folgen die Kartuschenfresken von Zwiefalten am ehesten dem Verständnis der genannten Beispiele von Benediktbeuern und Münsterschwarzach. Ihr Charakteristikum ist eine „Zweikanaltugendlehre“, ein allegorischer Zweischritt, der über die äußeren Sinne zu den inneren Sinnen (Vermögen,Verstand, Imagination und Erinnerung) führen soll und die jeweiligen Antipole des Lasters zur Konturierung der Tugenden vor Augen führt. Wie oben angedeutet, ist diese Verlagerung nicht ohne die aus der christlichen Mystik hervorgegangene ignatianische Lehre der Sinnes- und Seelenführung zu

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194 Gottfried Bernhard Göz: Allegorie der fünf Sinne, 1751, Deckenfresko Schloss Leitheim (ISPHORDING 1997)

verstehen. Auch wenn eine Aufwertung sinnlich-religiöser Praktiken mit dem jesuitischen „Illusionstheater für alle fünf Sinne“ (Kittler) einherging, wird in diesem Zusammenhang häufig nur der theatralische Aspekt des jesuitischen Sinnesverständnisses herausgestrichen.627 Das dem jesuitischen Hang zur Theatralität zugrunde liegende erkenntnistheoretische Modell ist jedoch entscheidender: Ignatius von Loyolas „Anwendung der Sinne“ bietet einen relevanten Gegenentwurf zu den rationalistischen Erkenntnismodellen des 16. Jahrhunderts. Im Anschluss an die ignatianische Meditationspraxis favorisierten die Jesuiten ein im Kern ästhetisches Erkenntnismodell, das den Weg des Verstehens über die Sinne und über eine Subjektorientierung wählt. Die ignatianische Kultivierung und Sensibilisierung der Sinne sollte unter Einschluss von Erinnerung und Verstand zu einer imaginativen Vergegenwärtigung tugendhaften Verhaltens und seiner Antipoden befähigen. Nicht im äußerlich Gesehenen, sondern in diesem imaginativen Modus liegt das Fundament der jesuitischen Bildpraxis.628 Es handelt sich in erster Linie um eine Bildpraxis der Imagination. In einer „Betrachtung“ der Exercitia spiritualia, der geistlichen Übungen des Körpers und des Geistes, fordert Ignatius: „Mit der Sicht der Vorstellungskraft die Personen sehen, indem man über ihre Umstände im Einzelnen sinnt und betrachtet [...]. Mit dem Gehör hören, was sie sprechen [...]. Mit dem Geruch und mit dem Geschmack riechen und schmecken die unendliche Sanftheit und Süße der Gottheit, der Seele und ihrer Tugenden [...]. Mit dem Tastsinn berühren, etwas die Orte umfangen und küssen, auf die diese Personen treten und sich niederlassen.“629 Auf die negative Spiegelung dieser Ausrichtung der Sinne (in den Kartuschenfresken durch die Stuckfiguren repräsentiert) geht Ignatius bereits in den Übungen der ersten Woche ein: „Mit der Sicht der Vorstellungskraft die großen Gluten sehen und die Seelen wie in feurigen Leibern. Mit den Ohren Gejammer, Geheul, Schreie, Lästerungen gegen Christus, unseren Herrn, und gegen alle seine Heiligen hören. Mit dem Geruch Rauch, Schwefel, Auswurf und Faulendes riechen. Mit dem Geschmack Bitteres schmecken, etwa Tränen, Traurigkeit und

627 KITTLER 2002, S. 96. Die kritische Beurteilung einer übertriebenen Askese (Fasten, Enthaltung, Kasteiung) ging mit der ignatianischen Aufwertung der Sinne und des Körpers einher. So schrieb Ignatius an Francisco de Borja 1548: „Diese [die Seele] und der Leib gehören ihrem Schöpfer [...]. Denn wir müssen den Leib so viel wollen und Lieben als er der Seele gehorcht und hilft.“ IGNATIUS 1993, Brief Nr. 466, S. 248. Ein Jahr später ließ Ignatius an seine nach Deutschland gesandten Mitbrüder über Juan de Polanco weiterleiten: „Manchmal soll man sich auch frommen Werken widmen, die mehr mit den Sinnen erfahrbar sind, wie Spitälern und Kerkern und anderen Armen Hilfe bringen; sie pflegen einen großen Wohlgeruch im Herrn entstehen zu lassen.“ IGNATIUS 1993, Brief Nr. 872A, S. 298. 628 Die Religionsästhetik, die aus dem ignatianischen Imaginationsmodell und ihrer modernen Fortsetzung (Hans Urs von Balthasar) wichtige Erkenntnisse ziehen könnte, beginnt sich erst jetzt mit diesem Zweig der christlichen Tradition zu befassen. Insbesondere die religionsästhetischen Hinweise zum räumlich-szenischen Charakter des ignatianischen Imaginationskonzepts (vgl. TRAUT 2015, S. 297–299) lassen sich in Hinblick auf den barocken Raum fruchtbar machen. 629 IGNATIUS 1998, 2. Woche, 1. Tag, 5. Betrachtung, Nr. 122–125, S. 154 f.

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630 IGNATIUS 1998, 5. Übung, Nr. 66–67, S. 134. 631 IGNATIUS 1998, Nr. 248, S. 210. Zur Sinnesthematik bei Ignatius vgl. Marxer 1963, S. 11–26; SUDBRACK 1990. 632 MARXER 1963, S. 39. 633 SUDBRACK 1990, S. 101: „Ignatius berührt mit den kargen Worten eine anthropologische Wahrheit, die vielleicht erst heute recht gewürdigt werden kann: Je ganzheitlicher der Mensch ‚erfährt’, um so tiefer ist die Erfahrung und um so wirksamer ist sie. In erstaunlicher Modernität hat Ignatius die neuplatonische Theologie der Leib-Seele-Trennung und damit eine Mystik jenseits der Leiblichkeit überwunden.“ 634 MARXER 1963, S. 42. 635 Zitiert nach MARXER 1963, S. 35.

den Wurm des Gewissens. Mit dem Tastsinn berühren, nämlich wie die Gluten die Seelen berühren und verbrennen.“630 Ignatius bezieht den Gebrauch der Sinne ebenso auf Christus wie auf Maria und unterzieht ihre negative und positive Applicatio in Übung 248 einer Prüfung, inwiefern sie als Instrumente der Erkenntnis für die Meditation verwendet werden können: „Wer im Gebrauch der Sinne unsere Herrin nachahmen will, empfehle sich im Vorbereitungsgebet ihr, damit sie ihm Gnade dazu von ihrem Sohn und Herrn erlange; und nach der Erwägung bei einem jeden Sinn bete er ein Ave Maria.“631 Der imaginative Modus der Applicatio Sensuum wurde als eine Konzentration auf die wesentlichen Aspekte des dem Meditierenden gegenüberliegenden Objekts (oder Subjekts) gedeutet, das von diesem „möglichst tief in seine Seele aufgenommen werden“ sollte.632 Die Applicatio vollzieht sich als eine prozessuale und meditative Gegenüberstellung der sinnlichen Erfahrbarkeit des Guten und Bösen und schlägt von hier aus die Brücke zu den inneren „geistlichen“ Sinnen. Eine Pointe der Exerzitien liegt deshalb darin, dass sie ihren Ausgangspunkt bei einer ganzheitlichen sinnlichen Erfahrung wählen, um diese in eine aus dem Körper heraus begründete Erkenntnisform zu transformieren.633 Der Gebrauch der äußeren Sinne einschließlich ihrer imaginativen Anwendung zielt auf eine Imitatio Jesu oder Mariens im Akt der Meditation.634 So sind auch die Zwiefalter Kartuschenfresken mit ihren verschiedenen Formen der Marienverehrung zu sehen: Bei den Allegorien der Imitatio, des Ardor, der Constantia und der Fiducia handelt es sich um Tugendallegorien, die durch Attribute und anschauliche Nebenfiguren auf eine Anwendung der Sinne im Dienste des Marienkultes aufmerksam machen: Mit Blick auf das Bild Mariens ihr nachahmen; Inbrunst ihren Wohlgeruch riechen; beständig auf ihre Hymnen und Gesänge im Gebet hören; vertrauensvoll die Süße ihrer Früchte schmecken – etwa so lässt sich die Verschränkung von Tugend- und Sinnesallegorien im Kontext einer rhetorisch-situativen Handlungsanweisung deuten. Noch einmal sei dabei auf die ignatianische Sinneskonzeption hingewiesen, um die literarischen Wurzeln des Zusammenhangs zwischen Sinnes- und Tugendkonzeption zu verdeutlichen. Jerónimo Nadal (1507–1580), einer der engsten Mitarbeiter und Vertrauten des Ignatius in der Societas Jesu, interpretierte die ignatianische Anwendung der Sinne im Lichte der Wirksamkeit der theologischen Tugenden: „Die geistlichen Sinne sind die Auswirkung der drei theologischen Tugenden: Von der Glaubensfestigkeit kommt das Hören-Können.Von der Glaubenseinsicht das Schauen. Von der Hoffnung kommt das Riechen-Können. Von der ­Einigung in der Liebe kommt das Anrühren.Vom Genuss der Liebe kommt das Schmecken.“635 Die Kartuschenfresken von Zwiefalten folgen dem ästhetischen Erkenntnismodell der Jesuiten und entwickeln vor diesem Hintergrund den benediktinischen Marienkult.

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8.5 Beständigkeit der Sinne: Constantia Die Sinnesallegorien des 17. und 18. Jahrhunderts setzen die seit der Antike geläufige Präponderanz des Gesichtssinns zwar nicht außer Kraft, aber sie reihen ihn in die übrigen Sinneserfahrungen ein. So kommt durch die Verschränkung von Tugend- und Sinnesallegorien dem Geruchssinn (als Constantia) eine ebenso wichtige Bedeutung zu wie dem Sehsinn (als Imitatio). Die Allegorie der Constantia ist es auch, in der die einzelnen Modi sinnlicher Erfahrungsweisen konzentriert sind: Das Tasten der Weihrauchkörner, das Riechen des Weihrauchduftes, schließlich der gerichtete Blick (der antitypischen Figur) auf die marianischen Hymnen, die im Sakralraum hörbar erklingen, fließen als Anweisung zu einer synästhetischen Anwendung der Sinne ineinander. Am Ende dieser visuellen Handlungsanweisung steht der Gebrauch der Sinne als praktische Tugendlehre. Eine hiermit angedeutete Leitrolle der Constantia besitzt literarische Vorläufer, die auch in die Barockpredigt des 17. und 18. Jahrhunderts eingingen. Abraham a Sancta Clara (1644–1709) erhob die Figur der Constantia bisweilen zur Kardinaltugend, weil ihm mit ihrer Präsenz die Kontinuität und Zuverlässigkeit der übrigen Tugenden garantiert schien: „dan ein schene tugendt ist die lieb, undt zwar ein kinigin der tugenden, aber Gott belont nit die lieb, sonder die bestendikeit der lieb. Ein schene tugend ist die demuet, und zwar ein fundament der tugenden, aber Gott belont nit die demuet, sonder die bestendikeit der demuet, eine schene tugend ist die messigkeit, und zwar ein zam und zaun der andern tugendten, aber Gott belont nit die messikeit, sonder die bestendikeit der messikeit, eine schene tugend ist die sanfftmuet, und zwar ein underbett der andern tugenden, aber Gott belont nit die sanfftmuet, sonder die bestendikeit der sanfftmuet, eine schene tugendt ist die keischeit, und zwar die allerzarteste under den tugenden, aber Gott belont nit die keischeit, sonder die bestendikeit der keischeit.“636 Schließlich bezieht der geistliche Prediger die Constantia auf das vorbildliche Leben Mariens bzw. auf ihr Bild: „... Constantia ist hegst voneten, nach dem Exempl der seligsten kinigin des himls.Vielen hat es schon tieffsinnige concept verbracht, warumb Mariae, der Muetter Gottes, gewenlich ein Monschein under die fiess gemahlt wird [...]. ich aber halts heit mit dem grossen h lerer Anselmo, das darumb diese kinigin des himels ein monschein under iren fiessen trette, weil der monschein ein augenscheinlichs sinnbildt der unbestendigkeit, als trete die unberstendikeit Maria mit fiessen, weil die unbestendikeit im gueten ein kenzeichen ist der reprobation und des Ewigen verlusts.“637 Natürlich wurde die Allegorie der Constantia nicht allein im weltlichen, sondern auch im sakralen Bereich und nicht nur von katholischer, sondern auch von protestantischer Seite als Kontinuitätsgarantin aufgeboten. So veröffentlichte der aus dem Kreis der niederländischen Neustoiker stammende Justus Lipsius (1547– 1606) 1599 seinen Traktat De Constantia – Von der Bestendigkeit. Die Schrift, die zur Zeit der Religionskriege in den Niederlanden einen praktischen Leitfaden zur Erlangung von Weisheit und Tugend anbot, wurde zu einer beliebten Lektüre.638 In ihr setzte sich Lipsius zum Ziel, historische, religiöse und staatliche Kontinuitätsbildung auf eine stoische Haltung des Individuums zu gründen.

636 ABRAHAM A SANCTA CLARA 1943/44, II, Von der Beständigkeit im Guten, 1683, S. 2 f. 637 ABRAHAM A SANCTA CLARA 1943/44, II, Von der Beständigkeit im Guten, 1683, S. 5. 638 LIPSIUS [lat. 1584, dt. 1599, zweite Aufl. 1601] 1965, vgl. auch das Nachwort (S. 19– 27) zur fotomechanischen Reproduktion, in dem Leonard Forster über den historischen Kontext des Werkes informiert und über die herausragende Stellung, die Wilhelm Dilthey dem Werk innerhalb des späthumanistischen Geisteslebens zumaß.

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639 COTTONE 2000, S. 989–992. 640 QUINTILIAN 1995, II 4, 7–9, S. 177 f. Vgl. auch Barbara Bauer in: HARMS/SCHILLING 1985, S. 3. 641 LIPSIUS [1599] 1965, S. 74. 642 LIPSIUS [1599] 1965, S. 75 f. 643 LIPSIUS [1599] 1965, S. 77, 79. 644 FLUDD 1619, S. 217. 645 Nachwort, in: LIPSIUS [1599] 1965, S. 23 f.

Nicht zufällig wählte der Autor im Rückgang auf das „Hohelied der Liebe“ als Schauplatz seiner didaktischen Unterweisung einen Garten, genauer gesagt: den seines Humanistenfreundes Carolus Langius (1521–1573).639 Inspiriert durch Quintilians Vergleich des Lehrers mit einem Gärtner, wurde die Gartenmetapher zum beliebten Thema der pädagogischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts, die sich überdies bruchlos an die tradierte Metaphorisierung Jesu als „geistlicher Gärtner“ anschließen ließ.640 Für Lipsius war der Garten allerdings mehr als eine bloße Metapher. Er bot ihm die Möglichkeit, seine Unterweisung auf der Grundlage eines sinnlichen Erlebnisses zu entwickeln: „Frage deine Augen und Sinne: die werden bekennen / das sie mit keinem dinge sich lieber zufrieden geben / nirgends lieber ruhen / als auff diese plätze und Betten der Gärten.“641 Dann führt Lipsius seine Leser noch einen Schritt näher an die Blumen heran: „Nun / du sorgfeltig Auge kom her / und siehe doch ein wenig an diesen glantz und die schönen Farben. Sihe / wie diese Blume schön purpurnfarbe / diese Blutroht / diese Schneeweiß / diese als eine Flamme / diese als Gold leuchtet. [...] Zu letzt / was ist diß für ein schöner Geruch? Was ist diß für ein durchdringender Geist? und weis nicht / was für ein stück der Himlischen lufft / welche den Blumen von oben herab eingegossen? Also / das nicht ohn ursach die Poeten gedichtet / das die meisten Blumen aus dem Safft oder Blut der unsterblichen Götter entsprossen sein.“642 Langius, die übertriebene Sinneslust seines Freundes in die Grenzen weisend, erwidert, dass erst die „mäßige Wollust“ und der „ehrliche Müßiggang“ im Garten das Nachdenken, Meditieren und Schreiben in eine angemessene Richtung lenkten und damit den Weg zu Weisheit und Tugend eröffneten.643 Die sinnliche Gartenerfahrung eröffnete Lipsius auch deshalb einen Weg zu Beständigkeit und Weisheit, weil ihm in die Blumen „ein Stück“ des Göttlichen selbst eingegossen schien. Diese Bemerkung wertete nicht nur die äußere Erfahrung als Erkenntnisform auf, sondern redete auch der unmittelbaren Verbindung von sinnlicher Wahrnehmung und Tugenderwerb das Wort. In der instruktiven Tafel zur Einteilung der drei Seelenvermögen, veranschaulicht Robert Fludd (1574–1637) in aristotelischer Tradition die fünf Sinne als Erkenntnisinstrumente der vier Elemente. Dabei verweist der Jesuitenpater den Tugenderwerb auf die Ratio (mens, intellectus), der gegenüber Empfindung und Einbildungskraft in einem anderen Hohlraum des Gehirns ihren Platz hat [Abb. 195].644 Der Weg vom Sinnlichen zum Sinn als ein Weg der Gotteserkenntnis war für Fludd ohne den Einsatz von Intellekt und Wort nicht zu denken, weil Gott und die Tugenden einer ganz anderen Welt (mundus intellectualis) als der sinnlich gegebenen (mundus sensibilis) angehören. Man darf Lipsius’ Traktat deshalb wohl auch als Akzentverlagerung in Richtung einer Aufwertung der sinnlichen Erkenntnis lesen, ohne dass das alte Erkenntnismodell hiermit freilich außer Kraft gesetzt worden wäre. Lipsius, im Jesuitengymnasium in Köln zur Schule gegangen, unterrichtete an der lutherischen Universität Jena, an der calvinistischen Universität in Leiden und später, nach seiner Aussöhnung mit der katholischen Kirche, in Löwen.645 In Lipsius’ Traktat über die Constantia findet auch die ignatianische Meditationspraxis ein interkonfessionelles Pendant. Gemeinsam ist beiden Tugendlehren,

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dass sich in ihnen die Suche nach den Tugenden nicht über die Sprache oder über historische Vorbilder, sondern als konkretes Sinneserlebnis vermittelt. Unter Voraussetzung einer sinnlichen Erfahrung scheint die Tugend in der Seele auf. Gemessen an der Tradition rückt dabei das sinnliche Aneignungsverfahren gegenüber der Tugend selbst in den Vordergrund. Ihr Erwerb besitzt ereignishaften Charakter und entwickelt sich deshalb in einer Zwischeninstanz, d. h. zwischen einem abstrakten Subjekt und einer idealen Tugend. Der Einzelne gelangt über eine sinnliche Meditationspraxis zu einem Tugenderwerb, der sich an konkreten Dingen wie einer leuchtend-duftenden Blume erreichen lässt. Die barocke Predigtmetaphorik griff dieses Konzept einer sinnlichen Tugendlehre auf. Wer sich im Besitz der Tugenden befinde, strahle Wohlgeruch aus, im visuellen wie odoratischen Sinne: Abraham a Sancta Clara nannte Bernhard von Clairvaux einen „wolriechende[n] Spica Nard“, dessen „Tugend-Geruch in die gantze Welt wird aufgehen“.646 Und für Joseph Kugler nahm die Zwiefalter Stiftung als eine „Tugendblume“ nicht zuletzt deshalb „weder an Farbe, noch Geruch, jemal ab- wohl aber merklich zu ...“, weil die Zwiefalter Konventualen den Tugendvorrat „in dem Chore durch beständiges Lob Gottes täglich verdoppeln“.647 Mit den Kartuschenfresken von Zwiefalten wurde die sinnliche Tugendaneignung vom Garten in einen ambulativen Sakralraum verlegt, nicht ohne das Bildarsenal der Gartenmetaphorik (Weinranke, Lilie) um Instrumente des Marienkults (Hymnen, Rosenkranz, Gnadenbilder) zu erweitern.648 Gegenüber dem Tugendzyklus trat jetzt ein anderes Motivarsenal in den Vordergrund, das den Tugenderwerb als sinnliche Handlung in den Kontext einer performativen Praxis stellte.

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195 Robert Fludd: Diagramm des Geistes und seiner Beziehung zu den Sinnen und den Elementen, 1619, aus: FLUDD 1619 (NvdM)

8.6 Gesamtkunstwerk? Dieses Unterkapitel hat keine Geschichte des Begriffs „Gesamtkunstwerk“ und seiner ästhetischen Konzepte von Friedrich Hölderlin bis Luigi Nono im Sinn.649 Vielmehr geht es um die operative Bedeutung des Begriffs „Gesamtkunstwerk“, d. h. um die Frage, welches ästhetische Konzept mit der Rede vom Gesamtkunstwerk hier gemeint sein soll und wie sich dieses zum spätbarocken Sakralraum verhält. Als Ergebnis unseres Kapitels über die Kartuschenfresken lässt sich zusammenfassend formulieren, dass jene 4 proprietates, welche das Langhausfresko rahmen, nicht bloß die Anwendung der Sinne im Marienkult darstellen – dies entspräche einer eher vordergründig-motivischen Ebene –, sondern in einem weiteren und auch innovativeren Verständnis das betrachtende Umhergehen unter dem Langhausfresko mit einer Aufforderung zum Gebrauch der Sinne flankieren. Die Darstellung wird also zum Ausgangspunkt eines realen Bewegungsverhaltens. Alle hierbei thematisierten Formen sinnlicher Wahrnehmung – Rede, Wohlgeruch, Gesang oder Berührung – werden in ein Verhältnis zur Bildlichkeit gebracht. Dass im spätbarocken Sakralraum alles in ein Verhältnis zur Bildlichkeit gebracht wird, scheint ein allgemeines Charakteristikum zu sein

646 ABRAHAM A SANCTA CLARA 1688, S. 2, 4. Bei dieser Benennung ging es Abraham a Sancta Clara um eine synästhetische Aneignung des Namens: Aus Bernardus Claravallensis schnitt er „nardus“ (als Duft der Nardenwurzel), „valle“ (als Talort, in dem die Worte Bernhards echoartig widerklingen) und „clara“ (als hell leuchtender Stern „spica“ aus dem Sternzeichen der Jungfrau/ Maria) heraus. 647 JUBELFEIER 1789, S. 66 (kursive Hervorhebung: NvdM). 648 Natürlich spielte die geläufige Verbindung marianischer Devotio mit der Gartenmetaphorik eine wichtige Rolle, vgl. aus emblematischer Sicht etwa: HÖLTGEN 1994, S. 341–343. 649 STORCH 2001.

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650 JONAS 1997, S. 256–258, 263. 651 SULZER [1793] 1967, Teil III, S. 573, s. v. „Oper “: „Die Oper kann das größte und wichtigste aller dramatischen Schauspiele seyn, weil darin alle schöne Künste ihre Kräfte vereinigen …” Zu Bernini vgl. EULER-ROLLE 1993, S. 370; vgl. auch EULER-ROLLE 1993, S. 365. 652 WAGNER [1849] 1914a, S. 63; vgl. auch MARQUARD 1983, S. 45. 653 SCHELLING [1802/03; 1804/05] 2003, S. 564 [S. I/5, 736], vgl. KREMER 1994, S. 14; MARQUARD 1983, S. 44. 654 WAGNER [1851/68] 1914b, S. 227. 655 WAGNER [1849] 1914a, S. 169: „So und nicht anders muß die Künstlerschaft der Zukunft beschaffen sein, sobald sie eben kein anderer Zweck als das Kunstwerk vereinigt. Wer wird demnach aber der Künstler der Zukunft sein? Der Dichter? Der Darsteller? Der Musiker? Der Plastiker? Sagen wir es kurz: das Volk.“ 656 WAGNER [1849] 1914a, S. 11 f., vgl. ferner ebd., S. 3, 29, 159. 657 MURAŠOV 1994, bes. S. 29. 658 STORCH 2001, S. 730.

und erklärt, weshalb der Raum auch unabhängig von liturgischen Handlungen seine Wirkung entfaltet. Die oben [vgl. Kap. 3] schon diskutierte Rede vom „Raumbildcharakter“ (Wölfflin, Rupprecht, Zürcher) spätbarocker Räume ist also nicht in ihrer Analyse, sondern in den hieraus gezogenen Konsequenzen falsch, sofern sie das Gesehene vom Körper isoliert.Von einem isolierten „Adel des Sehens“ (Hans Jonas) zu sprechen, würde gerade aus einer phänomenologischen Sicht zu kurz greifen.650 Der Besucher nimmt das Gesehene nicht von einem körperlosen Augenpaar aus wahr, sondern agiert in einem, phänomenologisch gesprochen, Leibraum, der die im Raum befindlichen Objekte der Sinnesaktivierung an die eigene Sinneswahrnehmung heranträgt. Ob sich von dieser ganzheitlichen Sinnesaktivierung auf ein Gesamtkunstwerk schließen lässt, bleibt zu diskutieren. Obwohl die Forderung nach einer Vereinigung der Künste schon vor der idealistischen Ästhetik und der romantischen Kunsttheorie formuliert wurde, etwa mit der Bel-Composto-Formel der Zeitgenossen Berninis oder bereits in Johann Georg Sulzers Theorie der Oper, scheint das nach stilistischen und baugeschichtlichen Gesichtspunkten definierte Gesamtkunstwerk ein Konstrukt der Kunstgeschichte zu sein.651 Mit Richard Wagner erhielt der Begriff des „Gesamtkunstwerks“ sodann als „lebendig dargestellte Religion“ eine sakrale Färbung.652 Auch dies ist in den Systemästhetiken des deutschen Idealismus und den Poetiken der Romantik schon vorgezeichnet. So sah Schelling im Anschluss an Sulzer in der Oper als der „componiertesten Theatererscheinung“ die „vollkommenste Zusammensetzung aller Künste“ nach antikem Vorbild – allerdings als noch unerfüllte Hoffnung, die sich bis auf Weiteres an dem „innerlichen idealen Drama“ des Gottesdienstes auszurichten habe.653 Bekanntlich gebrauchte Richard Wagner den Begriff „Gesamtkunstwerk“ in seinen theoretischen Arbeiten Kunstwerk der Zukunft (1849) und Oper und Drama (1851/68) zur Charakterisierung eines intermedialen musikdramatischen Opernkonzepts, in dem ihm eine „noch unangetastete Welt im voraus gestaltet“ schien.654 Die Einführung des Begriffs geschah nicht zuletzt in der Absicht, ein utopisches Volk von Künstlern heranzuziehen, aber auch ein diagnostiziertes Dilemma der Dichtung zu überwinden.655 Da der Dichtung nämlich in Wagners Augen die leiblich-sinnliche Dimension ästhetischer Erfahrung fehle, sei es Aufgabe des Dichters, sein Werk unter Anwendung des „musikalischen Taktes“ in eine musikalische Sprachbewegung zu überführen. In einem zweiten Schritt sollte sich die musikalisch angelegte Dichtung mit dem Klanggewebe der Tonsprache des Musikers, aber auch mit den Gebärden- und Körpersprachen der Akteure auf der Opernbühne zu einem „Gesamtkunstwerk der Zukunft“ verbinden – letztlich mit dem Ziel einer Wiedergeburt der griechischen Tragödie unter germanischen Vorzeichen.656 Mit seiner Poetik des Gesamtkunstwerks beabsichtigte Wagner nicht nur eine „Genossenschaft aller Künste“, es ging ihm auch, wie Jurij Murašov gezeigt hat, um die wechselseitige Kompensation ihrer ästhetischen Defizite im Zeitalter des Auseinanderdriftens der Künste und Gattungen.657 Die Geburt des wagnerschen Gesamtkunstwerks sollte den utopischen Gegenentwurf zur diagnostizierten Kulturkrise liefern.658

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Der Eintritt des Gesamtkunstwerks in die Kunstgeschichte und in die Beschäftigung mit dem barocken Kirchenbau war von Wagners Konzeption des Begriffs geprägt. Ausschlaggebend war dabei der utopische Einheitsgedanke, den die Idee des Gesamtkunstwerks enthält. Die dramatischen Schicksale und Verwüstungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie die hiermit verbundene Suche nach einem kulturellen Leitbild gaben dem Traum vom Gesamtkunstwerk Nahrung. Kaum zufällig setzte der Import des Begriffs in die Kunstgeschichte (mit Hans Tietze und Martin Wackernagel) um 1914/15 ein.659 Gehörte für Architekten, Künstler und Theoretiker der Avantgarde wie ­Walter Gropius, Rudolf von Laban, Wassily Kandinsky, Kurt Schwitters oder László Moholy-Nagy der Begriff „Gesamtkunstwerk“ zum Jargon einer nach Einheit der Künste strebenden Ästhetik,660 so kehrte ihn Sedlmayr mit dem Vorwurf eines verloren geglaubten Menschenbildes gegen seine modernen Fürsprecher. In Sedlmayrs schon während des Zweiten Weltkrieges verfasster Schrift Verlust der Mitte (1948) wird das Gesamtkunstwerk als ideologischer Kampfbegriff gegen eine ­diagnostizierte Krise der bildenden Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts in Stellung gebracht. Wörter wie „Zerspaltung“ und „Fragment“ fungieren als negative Folie zum geschlossenen System Gesamtkunstwerk, das Sedlmayr letztmalig im Rokoko des „katholischen Süden[s]“ „für einen verschwebenden Augenblick noch einmal“ realisiert sah.661 Die folgende Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts habe nicht nur den „Tod des Gesamtkunstwerks“ zu verantworten, sondern auch den Verlust einer Einheit des „Göttlichen und Menschlichen im Menschen“.662 Von hier aus wurde das Gesamtkunstwerk zur Lehrbuchmeinung und fand bis in die jüngere Kunstgeschichte hinein zur Beurteilung spätbarocker Sakralbauten Anwendung.663 So kritisierte Klaus Könner an Zwiefalten mit dem Hinweis auf das fehlende Gesamtkunstwerk die zu große „Selbständigkeit der Ausstattung gegenüber der Architektur“. Und Reinhold Halder urteilte über den Chorraum der Klosterkirche Weißenau, dass dieser „den strengen formalen Kriterien, die die Kunstgeschichte für ein Gesamtkunstwerk fordert“, nicht genüge.664 Aber auch die umgekehrte Perspektive – welche an Zwiefalten gerade die Idee des Gesamtkunstwerks bestätigt sah – zeigt, in welchem Ausmaß die zugrunde liegenden Kriterien von einer konservativen Idee ästhetischer Einheit getragen sind, die keinen Platz lässt für die ästhetischen Neuerungen einer spannungsvollen oder gar widersprüchlichen Interaktion der Gattungen: „Von hoher Qualität ist die Dekoration und sind die Ausstattungsgegenstände Zwiefaltens in ihrer Gesamtheit […]. Die Kirche ist in einem Guß erstellt. […] Und alles an dieser Kirche ist Spätbarock bzw. Rokoko – wir haben eine stilreine Kirche höchsten, reinsten Adels vor uns! Hier spielen alle Künste in vollkommenem Gleichklang und völliger Gleichrangigkeit zusammen. […] Alle künstlerischen Gegebenheiten und Möglichkeiten haben sich vereinigt, um Zwiefalten als barockes Gesamtkunstwerk von höchstem Rang erscheinen zu lassen.“665 Gerade die Zitate von Könner und Halder sind interessant, zeigen sie doch, dass von der Kunstgeschichte selbst der Begriff des Gesamtkunstwerks salonfähig gemacht und mit differenzierten Kriterien belegt wurde. Bernd Euler-Rolle hat zwar darauf hingewiesen, dass es sich beim Gesamtkunstwerk um einen Ter-

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659 EULER-ROLLE 1993, S. 365. 660 SZEEMANN 1983. 661 SEDLMAYR [1948] 1955, S. 53. 662 SEDLMAYR [1948] 1955, S. 70–73, 135 f. 663 KELLER 1971, S. 24–38. 664 Vgl. KÖNNER 1990, S. 399; HALDER 1995, S. 422. Vgl. auch die Beiträge von Heinrich Gerhard Franz zum Zwinger in Dresden und von Géza Hajós zu den Schönbrunner Kartenkonzepten in POCHAT/WAGNER 1993. 665 SCHÖMIG 1985, S. 18.

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666 INGENHOFF 1983, S. 201: „Nur mit achtungsvoller Bewunderung können wir vermerken, wie die verschiedenen Kunstgattungen zusammenwirken.“ Vgl. ferner: EULER-ROLLE 1989, S. 42, Anm. 49. 667 STORCH 2001, Kap. „Ästhetische Grundbegriffe“. 668 ECO [1962/67] 1998, S. 10 f. 669 FORNHOFF 2004. 670 MÖSENEDER 1999, bes. S. 51. 671 LAVIN 1983; RUPPRECHT 1986, S. 11; MÖSENEDER 1999. 672 ENGELBERG 2008b, S. 23.

minus des 19. Jahrhunderts handle, der auf den barocken Kirchenbau nur kritisch anzuwenden sei. Trotzdem gab der Autor selbst notwendige Kriterien für die Anwendbarkeit des Begriffs an: allein verantwortlicher Konzeptautor, enge Zusammenarbeit der Künstler, Entstehung von Bau und Ausstattung aus einem Guss.666 Aber diese Einwände greifen zu kurz. Ein Gesamtkunstwerk gibt vor, etwas zu sein, was es nicht sein kann: ein Entwurfsprogramm, nach dem sich Werke systematisch und gemäß dem Wortlaut eines Konzeptes realisieren lassen. Was sich bis heute als Werkcharakterisierung ausgibt,667 ist genau besehen ein ästhetisch leerer Begriff utopischen Ursprungs. Er ist, mit Umberto Eco gesprochen, das Operativ­programm einer Kunstgeschichte, die im Grunde genau weiß, dass der Entwurf und das realisierte Werk nicht identisch sind.668 Eine der jüngeren Arbeiten zum Gesamtkunstwerk hat ungewollt deutlich gezeigt, dass sich zwar eine Geschichte der Poetiken des Gesamtkunstwerks entlang künstlerischer Programme verfassen lässt, dass der genannte Begriff als werkanalytische Kategorie aber ungeeignet ist. Denn um operativ funktionsfähig zu bleiben, muss er normative Kriterien von ästhetischer Einheit formulieren, welche wiederum historische und ästhetische Differenzen,Widersprüche und Reibungsflächen unterschlägt.669 Will man eine kritische Begriffsgeschichte des Gesamtkunstwerks schreiben, so scheint es vielversprechender, den Differenzen zwischen Entwurfskonzepten, realisierten Werken und ihrer Rezeption nachzugehen. Ein nach den obigen Erörterungen verständliches Unbehagen der Kunstgeschichte gegenüber dem Begriff Gesamtkunstwerk führte zu einer wenig befriedigenden Umschau nach Alternativen.670 So wurde vorgeschlagen, von „unity of the visual arts“ (Irvin Lavin), „Gesamtbildwerk“ (Bernhard Rupprecht) oder von einem „Streben nach Einheit“ (Karl Möseneder) zu sprechen.671 Eine kritische Diskussion der ideologischen und utopischen Implikationen des Begriffs ging damit nicht einher. Der anachronistische Wunsch nach einer „Einheit der Vielfalt“ charakterisiert letztlich auch die Überlegungen Meinrad von Engelbergs, wenn er die Bezeichnung als „Gesamtkunstwerk“ für einheitlich konzipierte Anlagen wie Ottobeuren zwar für berechtigt hält, im Übrigen aber den Begriff „Ensemble“ vorzieht, mit dem zwar keine einheitliche Planung, aber doch das intendierte Einordnen in einen bereits vorgefundenen Kontext ausgedrückt sei.672 Vergessen wird hier, dass auch die Rede vom Ensemble genau jene Ganzheits- und Einheitsvorstellungen fortschreibt, die im Gesamtkunstwerk angelegt sind. Begriffe wie Gesamtkunstwerk, Ensemble und Residenzlandschaft konvergieren in der Suche nach vereinheitlichenden Aspekten und tun sich schwer, konkreten Kooperationen im Sinne von Werkgefügen (Ko-opera) und Arbeitsgemeinschaften (als Zusammenwirken von Künstlern und Handwerkern) gerecht zu werden. Unsere Anschlussfrage lautet daher, ob Ganzheits- oder Einheitsvorstellungen die Ästhetik des spätbarocken Baus überhaupt angemessen beschreiben. Für Zwiefalten lässt sich dies jedenfalls nicht bestätigen. Fassen wir unsere Argumente zusammen, beginnend mit den historischen Gründen: Obgleich Abt Benedikt Mauz als Spiritus Rector des Baus bezeichnet werden kann, erstreckten sich Bau und Ausstattung über die Regierungszeit dreier Äbte (Stegmüller, Mauz ab 1744, Schmidler ab 1765).Vermutlich sind die älteren Konzeptfragmente noch

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aus der Hand Stegmüllers (oder eines Sekretärs), die späteren und wichtigeren dagegen von Mauz. Zwischen Mauz und Schmidler lassen sich aber noch einmal wesentliche Planänderungen hinsichtlich der Ausstattung (insbesondere der Seitenkapellen) feststellen. Hier wurden die von Mauz erwogenen Künstler (Günther, Albrecht, Bergmüller, Scheffler, Hermann) von Schmidler nahezu komplett ausgewechselt (Guibal, Gebrüder Scotti, Colomba, Hermann). Bauplanung und Ausführung lagen am Anfang in den Händen der Gebrüder Schneider, später (ab 1740/41) in der Verantwortung von Johann Michael Fischer. Offen bleibt jedoch, ob die Vorhalle ebenfalls von Fischer (und nicht noch einmal von den Schneiderbrüdern oder von Christian) entworfen wurde, da die Entscheidung zum Vorhallenbau wohl erst 1749, also sieben Jahre nach Baubeginn, fiel.673 Ebenso wenig dürfte zu Beginn klar gewesen sein, dass Franz Sigrist (1763) mit der Freskierung der Vorhalle und Meinrad von Au (ab 1764) mit der Freskierung der Emporen und Seitenkapellen beauftragt werden sollte. Während die Ausführungen von Kanzel (Feichtmayr, Christian, um 1768) und Hochaltar (Feichtmayr, um 1749; Spiegler, 1752; Christian, um 1767) einen eng aufeinander abgestimmten Eindruck vermitteln, ist dies bei den Seitenkapellen (von Au, 1764, Altarbilder 1769) weniger der Fall.Was die Querhausaltäre angeht, so lassen auch diese auf engere Absprachen schließen, allerdings wurden hier mit dem Verputz der Nischen noch nachträgliche Eingriffe in die Architektur vorgenommen. Ob schließlich der Architekt Fischer dem Verschleifen des Langhauses über vier Joche zugestimmt hätte, muss hier offenbleiben. Diese Befunde und der Umstand, dass sich die Planungs-, Bau- und Ausstattungstätigkeit über drei Phasen hinzog (1730–1745 Planungs- und Bauphase; 1745–1753 erste Ausstattungsphase; 1763–1777 zweite Ausstattungsphase), lassen die Rede von einem Gesamtkunstwerk fraglich erscheinen. Man wird für Zwiefalten eher von einem wechselnden Ineinandergreifen der jeweiligen planerischen, konzeptuellen, architektonischen und künstlerischen Arbeitsschritte ausgehen müssen, bei dem man wechselseitig und vielfach nachträglich aufeinander reagierte bzw. eigene Absichten oder die anderer revidieren musste. Was als „Gesamtkunstwerk“ bezeichnet wurde, ist das Ergebnis eines langen und dynamischen Arbeitsprozesses. Auch wenn sich dieses nachträgliche Reagieren auf vorgefundene Konzepte oder Arbeitsschritte in Zwiefalten besonders offenbart, scheint es mir für viele Sakralbauten des 18. Jahrhunderts zu gelten (auch für Ottobeuren). Schon aus historischen und baugeschichtlichen Gründen ergibt die Rede vom Gesamtkunstwerk in der überwiegenden Zahl der Fälle keinen Sinn. Ausschlaggebend für eine Kritik am Begriff sind allerdings die ästhetischen Argumente. Fassen wir auch hier unsere bisherigen Ergebnisse zusammen: Ich habe oben geschrieben, dass der geometrische Raum der Architektur durch die Einund Ausfaltungen der Fresken, der Plastiken und des Stucks in einem substanziellen Sinne umgewertet wird [vgl. Kap. 5]. Der Raum ist nicht mehr ein statisches „Netz von Beziehungen zwischen Gegenständen“, nicht mehr der Raum eines Architekten oder Kartografen (Gomboust). Er kennt auch kein Zentrum mehr, von dem aus sich alles andere erklärt, sondern strebt eine Dezentralisierung an, die das Gesehene als dynamisches Beziehungsgefüge erlebbar macht [Kap. 7.2]. Die

673 DISCHINGER 1997 (2), S. 25–27.

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674 MERLEAU-PONTY [1964] 1984, S. 31. 675 In verwandter Form argumentierte so auch HASS 2005, S. 377 f., in Bezug auf das ­Theater. 676 In diesem Zusammenhang ließe sich möglicherweise der Kooperationsbegriff von LATOUR 2007 produktiv machen. 677 Einen guten Überblick über die Begriffsgeschichte von „Konstellation“ und die Entfaltung des Begriffs insbesondere durch Walter Benjamin gibt KIM 2002. Vgl. auch EMMINGHAUS 1976; KIM 2002, S. 88. 678 DE CERTEAU 1980, S. 208 (im Anschluss an MERLEAU-PONTY).

Fresken verhalten sich parergonal zur Architektur, wie sich der Stuck parergonal zum Fresko verhält und so fort [vgl. Kap. 8]. Die Verschiebung der Bedeutung von „Werk“ in Richtung „Schmuckwerk“ ist für eine Dezentralisierung verantwortlich, die immer wieder auf diverse Zentren (Gnadenbild, Hochaltar, Langhausfresko) zurückgeführt wird. Werk (Architektur) und Beiwerk (Ausstattung, Dekoration) sind so eng miteinander verflochten, dass sie in der Bewegung durch den Raum als wechselseitig voneinander abhängig erfahren werden. Kein Parergon ist also ohne ein Ergon zu denken – aber: Das Ergon entfaltet durch das Beiwerk eine neuartige Dynamik, die in der Bewegung durch den Raum realisiert wird. Die Aufwertung einer parergonalen Ästhetik arbeitet einer grundlegenden phänomenalen Erfahrungsweise zu: Der Raum ist mir nicht als „Raumbild“ gegenübergestellt [Kap. 3], vielmehr erlebe ich ihn von innen her. In der Eigenbewegung werden der Raum der Darstellung (Architektur) und die „dargestellten Räume“ (Bild, Plastik etc.) miteinander verwoben [Kap. 5]. Der Raum ist nicht mehr geometrisch gegebener Raum, sondern Leibraum, der von mir „als Nullpunkt der Räumlichkeit erfasst“ wird.674 Der barocke Raum ist somit ein Leibraum, in dem ich dynamische Beziehungen erschließe und den Raum verzeitliche. Daher lässt sich mit Gilles Deleuze sagen [vgl. Kap. 5], dass die barocke Faltenmaterie eine Zeitmaterie ist, weil das Bild in der von der Architektur geleiteten Bewegung ein abweichendes Bewegungsverhalten einfordert.675 In der „Verzeitlichung des Raumes“ liegt das ästhetische Novum des spätbarocken Raumes. Vor diesem Hintergrund überrascht an der Begriffsgenese des Gesamtkunstwerks vor allem seine Statik – „überrascht“ deshalb, weil doch dessen Bezugsbereiche – Oper, Theater, Gottesdienst – ihre Wirkung erst in der Zeit entfalten. Wenn oben beschrieben wurde, dass die Beziehung zwischen den Gattungen sich erst in der Zeit der leiblichen Bewegung im Raum zu einem Gefüge verwebt, so ist damit ausgesagt, dass Wahrnehmung und Wahrgenommenes in einem Wechselverhältnis zueinander stehen. „Gesamtkunstwerk“ ist jedoch allein vom Gegenstand her gedacht und legt an ihn einen fragwürdigen Kriterienkatalog an, um ästhetische Einoder Ganzheit einzufordern. Der „Verzeitlichung des Raumes“ und der hiermit verbundenen „Veränderlichkeit des Gesehenen“ wird dies allerdings nicht gerecht. Ob es sachlich notwendig ist, sich nach Alternativen zum „Gesamtkunstwerk“ umzusehen, mag dahingestellt sein. Jedenfalls scheint ein Begriff wie jener der „Ko-operation“ (als plurales Werkgefüge und organisierte Arbeitsgemeinschaft) den spätbarocken Sakralraum und das in ihm entfaltete Zusammenspiel der Gattungen angemessener zu beschreiben.676 Genauer wäre auch zu prüfen, ob der Begriff der Konstellation Anschlüsse an den spätbarocken Raum zulässt. Aus der Stellung der Himmelskörper von einer situativen Betrachterperspektive abgeleitet, ist darin auch der für Walter Benjamin wichtige Umstand enthalten, dass in der Konstellation nicht nur das „Gelesene“, sondern auch das prozesshafte Lesen möglicher Sinnzusammenhänge enthalten ist.677 Der Begriff der „Konstellation“ verklammert also eine räumliche und eine zeitliche Dimension, eine phänomenale und eine Gegenstandsseite, ohne ästhetische Einheit zu erzwingen. Zu Recht deutete Michel de Certeau das Gesehene von einem Standort als „momentane Konstellation“, womit der räumlichen eine zeitliche Größe hinzugefügt wird.678

9 Kanzelensemble: Verbum Caro factum est (um 1767/68)

Für eine Antwort auf die Frage, inwieweit die Rede von einem synästhetischen Wahrnehmungsensemble auf den spätbarocken Raum anwendbar ist, sollen die modernen Theorien zur Synästhesie vorerst beiseitegelassen werden, um die Frage umweglos an ein Fallbeispiel heranzutragen: das Zwiefalter Kanzelensemble, wohl das aufwendigste Ausstattungsstück der gesamten Raumdekoration und eine der spektakulärsten Kanzeln des 18. Jahrhunderts. In der Sekundärliteratur des 20. Jahrhunderts stößt man auf zum Teil harsche Einwände gegen das üppige Kanzelensemble von Zwiefalten. Sie betreffen jedoch weniger seinen unbestrittenen künstlerischen Rang als vielmehr den schwer mit dem liturgisch-ästhetischen Geschmack des 20. Jahrhunderts in Einklang zu bringenden pomphaften Prunk. Selbst ein Autor wie Hermann Reifenberg, der sich in den 1970er-Jahren vehement für eine neue Sinnlichkeit in Predigt und Liturgie einsetzte, äußerte allgemeine Vorbehalte gegen „barockes Schaugepränge“.679 Vor dem Hintergrund der nachkonziliaren Bemühungen jener Zeit, die tridentinische Messe zugunsten einer Zuwendung des Priesters zum Volk (versus populum) zu reformieren, mussten spätbarocke Raumausstattungen als liturgisch-ästhetisch überholt erscheinen. Aus diesem Grunde bewerteten auch wohlwollende Kritiker die „muschelförmig ausgezogenen, krampfhaft sich windenden und aufbäumenden, unruhigen Formen“ der Zwiefalter Ausstattungsstücke als „Verhöhnung der Architektur“, die „dem [modernen] Auge nicht passend“ erschienen.680 Das Kanzelensemble kann geradezu als Zielscheibe jener kritischen Einwände angesehen werden. Sein liturgisch-innovativer Charakter entging dem modernen Auge allerdings, schließlich lässt sich die hier angestrebte Verknüpfung von Architektur und Predigtakt als kalkulierte „Zuwendung zum Volk“ verstehen.681 Etwa 2,50 m über dem Boden am nord- und südwestlichen Vierungspfeiler angebracht, holt das Kanzelensemble aus dem, was oben als Einfaltung des Raumes beschrieben wurde, das Maximum heraus [Abb. 196, 197, 2]. Jegliche Sorge um naturalistische Plausibilität und Schwerkraftverhältnisse hinter sich lassend, fließen herabhängendes Mooswerk, Erdschollen, Wolken, Blumengebinde, Äpfel und üppige Draperien ineinander und verbinden sich mit biblischen Gestalten, Putti, Allegorien, Skeletten und eben erst mit Fleisch überzogenen Leibern. Es ist ein Ensemble, das auf eine situative Wahrnehmung und auf einen unmittelbaren

679 REIFENBERG 1970, S. 18, 23, 25. 680 SCHURR 1910, S. 85, daran anschließend SPAHR 1979, S. 73. 681 Eine Geschichte der barocken Kanzel kann hier nicht nachgezeichnet werden und ist bislang auch nur summarisch bzw. für einzelne Gebiete (Augsburg) geschrieben (vgl. MAYER 1959; RIESER 1990; HASCHEK 1990). Vor allem der Wirkungs- und Raumcharakter der barocken Kanzel und ihr Wechselverhältnis mit der Barockpredigt (HERZOG 1991, S. 89–107) und den übrigen Ausstattungstücken sind noch zu wenig untersucht. Für die spätbarocke Kanzel zeichnet sich ab etwa 1730 eine markante Veränderung ab, die man parallel zur Entwicklung des Beichtstuhls als bildplastische Überformung der Kanzel bezeichnen könnte. Die koloristische Fassung einzelner Details und die räumlichen Bezüge sind Grundthemen dieser Entwicklung. Für diese Innovationen wurde, neben oberitalienischen und gotischen Vorläufern, vereinzelt auch auf den Einfluss des aus Antwerpen stammenden Ägid Verhelst (1696–1749) hingewiesen. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind die flämischen und brabantischen Einflüsse auf die Kirchenmöbel Süddeutschlands jedoch grundsätzlicher Natur. H. F. Verbrugghens, Theodor Verhaegens, Pierre Plumiers, Laurent Delvaux‘, Jacques Bergés und Michiel van der Voorts Kanzeln für Löwen, Brüssel, Gent und Antwerpen können als unmittelbare Inspirationsquelle der süddeutschen Kanzeln gelten – mit dem entscheidenden Unterschied, dass Letztere den „dunklen“ Kirchenmöbeln Belgiens gleichsam koloristisches Leben verleihen. Als Schlüsselfigur des künstlerischen Imports von Belgien nach Süddeutschland dürfte Ägid Verhelst gelten. Die genauen Einflüsse sind noch nicht untersucht. Als Ausgangspunkt können hier die Arbeiten von DIETRICH 1986, MELCHER 2000 und die noch zu wenig berücksichtigten Ergebnisse von GEESE 1997 dienen.

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196 Johann Joseph Christian/Johann Michael Feichtmayr: Gegenkanzel Zwiefalten mit dem Propheten Ezechiel, um 1768 (NvdM)

9 Kanzelensemble: Verbum Caro factum est (um 1767/68)

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197 Johann Joseph Christian/Johann Michael Feichtmayr: Kanzel Zwiefalten mit Ezechiels Vision vom Totenfeld, um 1768 (NvdM)

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198 Diagramm Kanzel und Gegenkanzel (NvdM)

682 Nach den Erkenntnissen zur Werkscheidung in Ottobeuren kann man auch in Zwiefalten davon ausgehen, dass Christian die Stuckfiguren schuf, während Feichtmayr die übrigen Stuckaturen und wohl auch die Architekturen der beiden Teile lieferte. Vgl. WEISS 1998, S. 98–106.

Erscheinungscharakter zielt und dabei den Akt der Predigt in eine „synästhetische“ Szenerie einbettet. Wann genau dieses von Johann Joseph Christian und der Stuckatorenwerkstatt Johann Michael Feichtmayrs hergestellte Kooperationswerk geschaffen wurde, lässt sich nicht eindeutig bestimmen.682 Als allgemein wahrscheinlich wurden die 50er-Jahre des 18. Jahrhunderts angenommen.683 Wie allerdings bereits die Grottenbeichtstühle, so ist auch das Kanzelensemble in der bis 1762 reichenden Bauchronik Baumanns nicht erwähnt, ebenso wenig in der 1760 verfassten Beschreibung des neuen Klosters. Höchstwahrscheinlich existierte für das komplexe Kanzelprogramm ein nicht mehr erhaltener Konzeptentwurf. Ein sti-

9 Kanzelensemble: Verbum Caro factum est (um 1767/68)

listischer Vergleich der Zwiefalter Kanzel mit ihrem Ottobeurer Pendant (1764), an dem die Künstler ebenfalls im Verbund arbeiteten, legt die Vermutung nahe, dass die Zwiefalter Kanzel – entgegen früheren Annahmen – erst nach der Verabschiedung von Christian und Feichtmayr aus Ottobeuren (1767) ausgeführt wurde.684 Für ein spätes Datum ab 1768 spricht auch, dass Baumann in seiner Chronik das bemerkenswerte Kanzelwerk wohl erwähnt hätte, ging er doch auf weit weniger spektakuläre Ausstattungsstücke (etwa die „Vier Elemente“) wiederholt ein.685 Das Thema des Kanzelensembles ist alttestamentlich. Ez 37,1–14 beschreibt die Vision Ezechiels von den ausgetrockneten Gebeinen des Volkes Israel, denen unter Anrufung des Heiligen Geistes aus allen vier Windrichtungen neues Leben eingehaucht wird [Abb. 198, 199]. In Zwiefalten ist die Vision des Propheten in den Predigtraum „projiziert“. Sie erscheint als eine räumliche Konstellation, in der sich die Vision aktuell vor den Augen der Predigthörer ereignet: Der aus der Flachnische mit aufgeschlagenem Gewand heraustretende Ezechiel an der „Gegenkanzel“ (oder Taufseite) [Abb. 200, 201] zeigt mit der Linken hinauf zu dem aus einem Wolken- und Strahlenkranz herabblickenden Gottvater, während er mit der rechten Hand auf das gegenüberliegende Totenfeld am Kanzelbecken deutet. Allegorisch sind im Totenfeld die im Bibeltext erwähnten vier Windrichtungen durch die drei theologischen Tugenden Fides (Kreuz und Kelch), Spes (Anker), Caritas (Krone und Pfeil) und einen Engel repräsentiert, welche die

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199 Johann Joseph Christian/Johann Michael Feichtmayr: Vision vom Totenfeld mit den christlichen Kardinaltugenden Glaube (Kreuz), Liebe (Herz), Hoffnung (Anker), um 1768 (NvdM)

683 HUBER 1960, S. 35–45; LIEB 1958, S. 170. 684 Vgl. hierzu auch DISCHINGER 2011, S. 206 u. 217 f. 685 In ähnlichem Sinne auch die Datierung von HOSCH 1992, S. 88.

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200 Johann Joseph Christian: Ezechiel, Gegenkanzel Zwiefalten, um 1768 (NvdM)

686 LOERS 1976, S. 66 f.; LINDEMANN 1989, S. 83–85. 687 WEISS 1998, S. 147: „Die weit verbreiteten Bilderbibeln dienten Christian offenbar nicht als Vorbild.“ Bereits Veit LOERS 1976, S. 48, hat auf die Parallelen zwischen Christians „Himmelfahrt des Propheten Elias“ im Ottobeurer Chorgestühlrelief und einer entsprechenden Darstellung aus Matthäus Merians d. Ä. Bilderbibel (erstmals: Straßburg 1625) hingewiesen. Auch verwies Loers (a. a. O., S. 113, in der Anmerkung) auf einen analogen Fall bei Johann Baptist Straub, der sich für ein Kanzelrelief (1756/67) in Schäftlarn der Bilderbibel Melchior Küsels (erstmals: Wien 1679) bediente.

Gebeine und Leiber sanft ergreifen [Abb. 199, 202, 203]. Aus der Perspektive des Predigthörers ist das Kanzelbecken Schauplatz eines zu Füßen des Predigers sich abspielenden Akts der Verlebendigung: Aufgestapelte und lose herumliegende Gebeine und Schädel setzen sich nach links hin zu Skeletten zusammen, bevor sie mit Fleisch bedeckt sind und schließlich zu einem fleischfarbenen Inkarnat werden.686 Entgegen bisherigen Annahmen benutzte Johann Joseph Christian hier eine Bilderbibel als Vorlage seiner plastischen Entwürfe.687 Für seinen Kanzelentwurf bediente er sich zweier Vorlagen aus Pieter de Hondts 1727 in Den Haag er-

9 Kanzelensemble: Verbum Caro factum est (um 1767/68)

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201 Johann Joseph Christian: Ezechiel und Gottvater (Untersicht), Gegenkanzel Zwiefalten, um 1768 (NvdM)

schienenen Figures de la Bible:688 der Illustration der Vision Ezechiels von den vier Lebewesen inmitten der vier Räder aus Chrysolith unter der Herrlichkeit des Herrn (Ez 1,4–28) und der Illustration der wiederauferweckten Toten (Ez 37, 1–14) [Abb. 204, 205]. Haltung und Gebärden der Figuren sind bildgetreu für das Kanzelensemble übernommen. Allerdings sind die unmittelbaren Bildübernahmen ebenso aufschlussreich wie die charakteristischen Veränderungen, die darauf zielen, den Figuren durch Aktionen und Beziehungen einen transitorischen Charakter zu geben und den Raum durch die räumliche Trennung von Prophet und Prophezeiung zu verzeitlichen.

688 DE HONDT 1728, Ezech. XXXVII:1, Ezech. I:5. Das Werk greift auf ältere Werke desselben Titels mit ähnlichen oder identischen Stichvorlagen zurück, vor allem: G. Guirault/J. Moni: Figures de la Bible, Lyon 1565. 1720 erschienen die Illustrationen in einer Lutherausgabe: Biblia. Das ist: Die gantze Heilige Schrift. Altes und Neues Testament, verdeutscht von Herrn Doctor Martin Luther ..., Nürnberg (Johann Andreá Enthers seel. Söhne und Erben) 1720.

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202 Johann Joseph Christian/Johann Michael Feichtmayr: Vision vom Totenfeld mit den christlichen Kardinaltugenden Glaube (Kreuz) und Hoffnung (Anker), um 1768 (NvdM)

689 Vgl. zu dem hier zitierten Begriff: BELTING 2001, S. 73.

Die Transformation der Bildvorlage in einen verzeitlichten Raum brachte Christian dazu, die Ezechielfigur der ersten Bildvorlage spiegelbildlich zu übernehmen, dagegen die Handhaltung des Propheten aus der zweiten Bildvorlage zu verwenden. Die weit bedeutendere Abweichung gegenüber dem Quellenmaterial bestand aber wie angedeutet darin, dass Christian für das Totenfeld am Kanzelbecken zwar getreu die Gebeine und Leiber übernahm, aber den Ort, an dem Ezechiel auftreten müsste, im Kanzelwerk unbesetzt ließ. Auf diese Weise entstand im Zentrum des Totenfeldes ein neu besetzbarer Leerraum, den der Kanzelprediger einnimmt. Dieser ist damit sowohl Prophet wie lebendiger Teil einer sich erfüllenden Prophezeiung. Unterstützt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass der Prediger ebenso wie Ezechiel aus einer Flachnische herauszutreten scheint und der Weg auf die Kanzel nur über eine für Hörerinnen und Hörer nicht sichtbare Treppe im Pfeiler führt. Aus der Perspektive des Predigthörers erscheint der Ort des Predigers damit nicht weniger entrückt als der des Propheten. Die Grenzen zwischen lebendigem Körper (Prediger) und gegenübergestelltem Bildwerk (Prophet) sind zwar nicht aufgehoben, aber doch verwischt, weil beide in einem symmetrischen Umkehrverhältnis zum visionären Körper des Propheten und seiner Vision stehen.689 Im Akt der Predigt blicken sich Prediger und Visionär gegenseitig an, im Wettstreit darüber, wer die Bilderscheinung von wem sei: Ist der Prediger Teil einer sich erfüllenden Prophezeiung, so ist der Prophet durch das lebendige Wort des Predigers fleischgewordener Körper – wie der

9 Kanzelensemble: Verbum Caro factum est (um 1767/68)

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203 Johann Joseph Christian/Johann Michael Feichtmayr: Vision vom Totenfeld mit der Tugend der Liebe, um 1768 (NvdM)

204 Bernard Picart le Romain: Ezechiels Vision, aus: DE HONDT 1728 (NvdM) 205 Bernard Picart le Romain: Vision Ezechiels von den vier Lebewesen inmitten der vier Räder aus Crysolith unter der Herrlichkeit des Herrn (Ez 1,4–28), aus: DE HONDT 1728 (NvdM)

Prediger wiederum durch seine eigene Predigt zur sich erfüllenden und lebendigen Prophezeiung wird.Von der Brillanz der Predigt hängt ab, wie sehr Prediger und Prophet als wechselseitig animiert wahrgenommen werden. Bild- und Predigtrhetorik konvergieren beide in der persuasiven Absicht, dem göttlichen Wort Evidenz zu verleihen.

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9. 1 Wort und Körper

690 OETINGER [1759] 1864, S. 383. 691 LESSING [1779] 1907, S. 448 f. 692 CICERO 2003: De oratore, lib. III, 96, S. 506: “Oratur igitur oratio genere primum et quasi colore quodam et suco suo; nam ut gravis, ut suavis, ut erudita sit, ut liberalis, ut admirabilis, ut polita, ut sensus, ut doloris habeat quantum opus sit, non est singulorum articolorum; in toto spectantur haec corpore.“

Zentrale Aufgabe des Predigers ist die Verkündigung der Menschwerdung, des Kreuzestodes und der Auferstehung Christi. Das gilt für die katholischen Prediger des 18. Jahrhunderts ebenso wie für die protestantischen. Der schwäbische Pietist Friedrich Christoph Oetinger nahm das zentrale Thema der Menschwerdung als Maxime jeder Rede. Für das Gelingen einer Rede empfahl er dem Prediger, darüber nachzudenken, ob man denn vorher auch mit seiner Lehrmeisterin, „nemlich der fleischgewordenen Weisheit [...] conferirt“ habe.690 Theologisch liegt der Grundgedanke der Fleischwerdung in der zugleich ungetrennten und dennoch unvermischten Einheit sowohl der göttlichen als auch der menschlichen Natur in Jesus Christus, der zugleich „wahrer Gott und wahrer Mensch“ ist. Jesus Christus tritt in die Welt als Wort, das im „Anfang bei Gott war“ („Verbum erat apud deum“, Joh 1,2) und „Fleisch geworden“ ist („Verbum caro factum est“, Joh 1,14). Die am Kanzelensemble rings um den Prediger sich ereignende Reinkarnation der Toten verkörpert die durch die Fleischwerdung Christi verkündete Auferstehung aller Menschen, die in jeder Predigt implizit mitgedacht ist. Das persuasive Ziel der Predigt, die Verkündigung der Fleischwerdung des Wortes, wird durch das Kanzelensemble in ein Verhältnis zum Bild gebracht und bekommt hierdurch Evidenz. Nicht nur durch das Predigtwort, auch durch die sichtbare Thematisierung einer Auferstehung als Fleischwerdung wird der Predigtraum für die Zuhörer als Leibraum erfahrbar und hebt die Distanz zwischen dem Sprechen und dem Hören der Predigt auf. Die Kanzel erinnert an das Ideal der Predigtrhetorik, die Redefiguren so miteinander zu verknüpfen, dass sie eine zusammenhängende Textur, einen „Organismus“ ergeben, durch den man das Gehörte vor Augen zu sehen glaubt. Dieser Sachverhalt bedarf noch einer Erläuterung. In der 1779 von Gotthold Ephraim Lessing verfassten Abhandlung Ein Text über die Texte bezeichnet dieser das rhetorische Gerüst einer Predigt, den Inhalt oder Stoff (res), als „Gerippe“. Die Gefahr der Verstümmelung dieses Gerippes lasse sich vermeiden, wenn der Predigttext im Moment der Rede zu einem „Gewebe“ (die Übersetzung von Textur) aus zusammenhängenden Wörtern geformt werde. So vergleicht Lessing die Fasern eines Gewebes mit den rhetorischen Figuren, die sich im gesprochenen Wort zu einem „langen Faden ziehen und dehnen lassen“.691 Er greift mit dieser Äußerung auch auf die Körpermetaphorik der antiken Rhetorik zurück und betrachtet rhetorische Schmuckfiguren als Werkzeug zur Belebung des Redestoffes: „Der Schmuck der Rede also liegt grundsätzlich zunächst gewissermaßen in ihrer Farbe und in ihrer Frische. Denn dass sie eindrucksvoll, anziehend und gebildet wirke, edel, bewundernswert und elegant [...], bewirken nicht einzelne Glieder; das tritt an ihrem ganzen Organismus in Erscheinung. Damit sie ferner gleichsam von Formulierungs- und Gedankenblitzen sprüht, muss ihr Glanz (fusum) nicht gleichmäßig über der gesamten Rede ausgebreitet, sondern so differenziert sein, dass sich gleichsam gewisse Höhepunkte (insignia) und Glanzlichter (lumina) in ihrem Schmuck (ornatus) verteilen.“692

9 Kanzelensemble: Verbum Caro factum est (um 1767/68)

Wendet man Lessings Metapher vom Predigtgerippe auf das Totenfeld der Kanzel an, so liegt das Ideal rhetorischer Veranschaulichung darin, aus den losen Gebeinen ein lebendiges Bild zu formen. Dies ist aber nur die eine Seite. Denn den Gebeinen im Akt ihrer Reinkarnation kommt eine doppelte Repräsentationsleistung zu:Wie sie die gelungene Predigt repräsentieren, so verkörpern sie auch die rhetorische Belebungsabsicht in den Hörern. Man muss sich diese „Wort-Bild-Synthese“693 als einen höchst suggestiven Sichtbarmachungsprozess vorstellen. Denn das „gehörte Wort“ ist zugleich „gesehenes Bild“ und wirkt, so der Barockprediger Conrad Purselt, „auf die Seele ungleich viel mächtiger“.694 Zumal dann, wenn die Vision Ezechiels selbst zum Inhalt der Predigt wird und in den Appell gipfelt: „O dass auf ein schöpferisches Wort, wie jenes des Propheten Ezechiels war: ‚Dürre Gebeine höret das Wort des Herrn’ [...] alle Gebeine, die unter diesen unseren Füssen begraben liegen, in rasche Bewegung geriethen, aus ihrem Ruhelager sich plötzlich erhüben, ihr ihre ursprüngliche Lage sich fügten, und mit Fleisch bedekt, von Geiste belebt sich sichtbar darstellen! O dass wir alle zu dieser Zeit, an diesem Orte versammelt, unsere Hände, Augen, Herzen und Stimme erhüben ...“695 Im Augenblick dieser paradigmatischen Synthese von Kanzelwerk und Kanzelwort geht das vor Augen gestellte Wort (evidentia oder enárgeia) in einer Verlebendigung (enérgeia) der Verstorbenen über. Wurde das Kanzelensemble hier unter rhetorischen Prämissen als eine raum-zeitliche Konstellation analysiert, bei der die Predigtzeit verräumlicht und der Predigtraum verzeitlicht wird, so resultiert diese Synthese aus einer wechselseitigen Verschränkung von Wort und Bild: Das Predigtwort wird mit bildreichem Schmuck ausgestattet, wie der Predigtort (Kanzel) eine komplexe Narration entfaltet. Unterstützt wird diese Verschränkung nicht zuletzt durch einen vertikalen Höhenzug der beiden Kanzelstücke, die in ihrem jeweiligen Aufbau einer gegenläufigen Bewegung folgen: Die Aufwärtsbewegung des am Kanzelfuß die Sünde zerschlagenden Engels (Ez 7,37) wird vom Aufstehen der Gebeine (Ez 37,1–4) aufgenommen und klingt auf der Schalldecke in den Stuckfiguren des Mose (Gesetz) und Johannes des Täufers wider, die hinauf zum Gekreuzigten weisen. Typologisch entspricht diesem Impetus auf der Seite der Gegenkanzel eine Abwärtsbewegung, die aus dem Strahlenkranz Gottvaters inmitten der apokalyptischen Wesen (Ez 1,10) hinab zum Propheten Ezechiel verläuft und bei den verschiedenen Aspekten des Strafgerichts Gottes an Jerusalem und seinem Volk Israel (Ez 5,1; 5,12; 8,11; 17,3–5; 20,41; 21,1–37; 40,1–44,3) ausläuft. Dabei löst sich die untere Zone der Gegenkanzel nicht einfach in statische Attribute auf, vielmehr „gerieren“ sich die Kunstfiguren der Putti mit pädagogischem Witz als dramatische Agitatoren (kämpfende Könige, Haarbüschel zerteilender Prophet, sündige Rauchopfer), ohne vom Hauptgeschehen der Inkarnation durch das Wort abzulenken.696 Dass auch der dynamische Kontrapost zwischen Kanzel und Gegenkanzel dem Wirkungskonzept eines unmittelbaren Vor-Augen-Stellens folgt, zeigt nicht zuletzt die kalkulierte Lichtregie: In den Vormittagsstunden der Predigt trifft das Sonnenlicht zunächst auf die Figur Gottvaters, um dann über den Strahlenkranz zum Haupt des Propheten hinabzuwandern, der seinerseits im Lichte der Predigt aus dem Schatten der Nische heraustritt [Abb. 206].697

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693 Im Anschluss an Carsten-Peter Warncke und Rudolf Preimesberger auch LINDEMANN 1989, S. 82. 694 Conrad Purselt (1698–1702): Fons Aquae, S. 75a, zitiert nach: HERZOG 1991, S. 62. 695 JUBELFEIER 1789, S. 169 f., Predigt von Fidelis Wez, Kapitular des Reichsstiftes Zwiefalten, gehalten am 14. September 1789. 696 KÖRNER 2007, S. 74 f.: „Putten spielen, Putten imitieren und halten dabei immer den Abstand, den Wilhelm Messerer im Begriff des ,Gerierens’ mitgedacht wissen wollte. […] Die für den ,putto moderno’ konstitutive Unangemessenheit von Alter und Aktion erweist sich freilich als der besonders geeignete Darstellungsmodus für die dem ,Gerieren’ des Putto inhärente Uneigentlichkeit.“ 697 Zur theologischen Dimension der Lichtregie an der barocken Kanzel vgl. HERZOG 1991, S. 95 f.

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206 Johann Joseph Christian: Der aus der Nische heraustretende Ezechiel im Vormittagslicht, Gegenkanzel Zwiefalten, um 1768 (NvdM)

Wenn in diesem Zusammenhang von Evidentia als einer rhetorischen Figur die Rede war, von der Quintilian im Anschluss an Cicero schrieb, dass sie auf ein „Unmittelbar-vor-Augen-Stellen“ ziele,698 so geschieht dies im Kanzelensemble über ein sukzessives Ins-Licht-Treten des Propheten – ein Vorgang, der nicht nur der prophetischen Vision, sondern auch der barocken Predigt anschauliche Plausibilität verleiht. Quintilian gebraucht für Evidentia deshalb auch den analogen Begriff Visio bzw.Visiones, dessen rhetorischer Einsatz eine starke Gefühlswirkung erziele, wenn durch den Wortschmuck die „Bilder abwesender Dinge so im Geiste vergegenwärtigt werden, dass wir sie scheinbar vor Augen sehen und sie wie leibhaftig vor uns haben“.699 Mit dem augenblicklichen Heraustreten des Propheten aus der Flachnische ist für den ekstatischen Charakter der Vision ein adäquater Darstellungsmodus gefunden. Nicht nur bei Quintilian, auch in der antiken Rhetorikdiskussion hängen Evidentia und Visio begrifflich zusammen. Theologisch liegt das Charakteristikum der Vision in einem Blicken mit „entschleierten Augen“ (Num 24,4) – ein Sehvorgang, der zugleich nach innen wie nach außen gerichtet ist. Anders ausgedrückt: Kennzeichen der Vision ist ein Akt des Erscheinens im Moment eines entschleierten Sehens. In der Patristik wird der realprophetische Charakter der Vision auch mit dem Wort Figura ausgedrückt, weil sich gemäß der christlich-typologischen Figuraldeutung das Alte Testament im Neuen erfüllt. Ausgehend von Tertullian diente den Kirchenvätern die in der Eucharistie sich erfüllende Fleischwerdung des Wortes als das Paradigma christlichen Figura-Verständnisses.700 In der räumlichen Gegenüberstellung von Gottvater und Gekreuzigtem, von Ezechiel und Prediger ist die typologische Figuraldeutung der Vision eingelöst. Sie zeigt einen Prozess der Gestaltwerdung, in dem der Prophet zum Medium einer magischen Belebung toter Materie geworden ist.Wie sich aber der Prophet vollkommen in den Dienst seiner Vision stellt, so tritt auch der Prediger am Ende hinter seine Predigt zurück, wenn es ihm gelungen ist, die gesprochene Schrift in einen Körper und den Predigtraum in einen Leibraum des Hörers zu verwandeln.701 Ist die Heilsbotschaft überzeugend gepredigt, so spricht Gott durch den Menschen. Der Prediger wird dann ein „Homo Deo mixtus“ (Tertullian), ein „Gefäß, aus dem ein anderer austeilt“.702

9.2 Synästhetischer Tiefenraum

698 699 700 701 702 703

QUINTILIAN 1995, IX 2, 40. QUINTILIAN 1995, VI 2, 29. AUERBACH 1967, S. 65–74. DE CERTEAU 1988, S. 262. HERZOG 1991, S. 316, 330. KNÖPFERLE 2008, S. 104, zu Oppolding.

Das multisensorische Kanzelensemble von Zwiefalten ist nicht mehr bloßer Resonanzraum, sondern Teil einer Predigtrhetorik, die das gesprochene Wort in ein direktes Verhältnis zu Sichtbarkeit und Körperlichkeit bringt. Die Kanzel ist ein Angebot an die Sinne und in dieser Sicht ein die Predigt verstärkender „Bühnenraum“, der das Wort in den Leibraum der Hörerinnen und Hörer hineinträgt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts ist der Schalldeckel der Kanzel seiner Funktion als Resonanzverstärker enthoben. Wie die Wortfiguren der Predigt, so ist er parergonaler Schmuck, der dem Predigtwort Flügel verleiht [Abb. 207, 208].703

9 Kanzelensemble: Verbum Caro factum est (um 1767/68)

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207 Anton Bader: Kanzel der Filialkirche Sankt Johannes der Täufer von Oppolding (Lkr. Erding, Bayern), um 1765 208 Anton Bader: Kanzel der Filialkirche Sankt Johannes der Täufer von Oppolding (Landkreis Erding, Bayern), um 1765

Ob im in der Abbildung gezeigten Fall von Oppolding oder auch in Zwiefalten von einer „Bühne“ im traditionellen Sinn die Rede sein kann, muss fraglich bleiben. Weil in der dargestellten Fleischwerdung Predigtinhalt (Fleischwerdung des Wortes) und Predigtziel (Animation der Hörer/-innen) konvergieren, bilden auch der Kanzelraum des Predigers und der Leibraum des Hörers eine neuartige Synthese. Die Kanzel ist zusammen mit dem Körper des Predigers und dessen Stimme der Nullpunkt einer räumlichen Verkörperung des gesprochenen Wortes. Der Hörer wird zu einem Sehenden, die Predigt zu einer installativ eingebetteten Performance. Dem Predigthörer eröffnet sich ein Wahrnehmungsfeld, welches das gesprochene Wort lebendig vor Augen stellt. Anders als das isolierte Wort, das die Kommunikation auf eine statische Opposition von Sender und Empfänger reduziert, versetzt das spätbarocke Kanzelensemble den Predigthörer in eine komplexe Raumsituation. Als Teil der Kanzel ist der Zwiefalter Barockprediger Kulisse seiner Rede. Als Teil der Predigt ist die Kanzel erweiterter Körper des Predigers. Die Kanzel ermöglicht eine Verräumlichung des Wortes während der Zeit der Predigt. Der Raumkörper „Kanzel“ ist mehr als ein bloßer Resonanzverstärker der Predigt, weil er eine ganz neue Erfahrungssituation hervorbringt: Er setzt den Hörer nicht vor, sondern in die Predigt hinein und lässt ihn an der Actio, dem „eigentlichen Leben“ der Predigt, teilhaben.704 Die narrative Verräumlichung und Versinnlichung des Predigtwortes hat einen ihrer Vorläufer in der 1721–1723 von Michiel van der Voort (1667–1737) und Theodoor Verhaegen (1700–1759) geschaffenen Kanzel für die Kirche Unsere Liebe Frau von Leliëndaal (heute Sint-Romboutskathedraal) in Mechelen [Abb. 209]. Die monumentale Entfaltung des Paradiesgartens, des Erkenntnisbaumes, des vom Pferd stürzenden hl. Norbert und die folgende Konversion zum Christentum besitzen einen so noch nicht da gewesenen Detailreichtum, der die Sinne des Predigthörers aktiviert. Hier noch aus massivem Eichenholz und ungefasst, erhält die Zwiefalter Kanzel durch den gefassten Stuck eine spielerische Leichtigkeit.

209 Michiel van der Voort/Theodoor Verhaegen: Kanzel für die Prämonstratenserinnen in Leliëndaal (heute Sint-Romboutskathedraal, Mechelen), 1721–1723, Eiche (NvdM)

704 HERZOG 1991, S. 302, zum rhetorischen Officium der Actio.

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210 Putto schwingt Weihrauchfass (NvdM)

211 Engel mit Brandfackel entrollt den goldenen Plan Jerusalems. Rechts: König Nebukadnezar (Helm) und das Königshaus Juda (Löwe) als kämpfende Putti, Sockelzone Gegenkanzel Zwiefalten (NvdM)

212 Johann Michael Feichtmayr: Putto wirft Haarbüschel in eine Waage, Gegenkanzel, um 1768 (NvdM)

Anhand einiger Begleitmotive der Zwiefalter Kanzel soll die Raumsituation des Predigthörers noch näher betrachtet werden: Zur Linken Ezechiels schwingt ein Putto ein Weihrauchfass [Abb. 210]. – Ez 8,11–12: „Jeder hatte seine Räucherpfanne in der Hand und der Duft der Weihrauchwolken stieg empor. Er sagte zu mir: Hast du gesehen, Menschensohn, was die Ältesten des Hauses Israel im Finstern treiben, jeder in der Kammer seines Götterbildes?“ Ez 20,41: „Beim beruhigenden Duft eurer Opfer will ich euch gnädig annehmen.“ Am Sockel der Gegenkanzel entrollt links ein Engel mit einer brennenden Fackel den goldenen Tempelplan Jerusalems [Abb. 211] – Ez 21,1–4: „Ich will Feuer an dich legen, jeden grünen Baum und jeden dürren Baum in dir wird es verzehren. Seine lodernde Flamme wird nicht erlöschen. Alle Gesichter sollen von ihr versengt werden, vom Süden bis zum Norden. Dann wird jeder Sterbliche sehen, dass ich, der Herr, das Feuer entfacht habe. Und es wird nicht erlöschen.“ Ez 40,5–43,27: „Da stand eine Mauer, die den Tempel ringsum außen umgab. Der Mann hatte in der Hand eine Messlatte von sechs Ellen, die je eine gewöhnliche Elle und eine Handbreit maßen. Und er maß die Dicke der Mauer – eine Latte – und die Höhe – eine Latte.“ Zur Rechten des Propheten wiegen Engel Haarbüschel, was gleichnishaft ebenfalls auf die Zerstörung Jerusalems durch Gott anspielt [Abb. 212]. – Ez 5,1: „Du, Menschensohn, nimm ein scharfes Schwert! Benutz es als Schermesser

9 Kanzelensemble: Verbum Caro factum est (um 1767/68)

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213 Johann Michael Feichtmayr: Kanzel Zwiefalten, Sockelzone, um 1768 (NvdM)

und schneide dir damit das Haar und den Bart ab! Dann nimm eine Waage und wiege die Haare!“ Ez 5,12: „Ein Drittel deiner Einwohner wird an der Pest sterben und durch den Hunger in der Stadt zugrunde gehen. Ein anderes Drittel wird vor deinen Mauern durch das Schwert umkommen. Das letzte Drittel werde ich in alle Winde zerstreuen und ich werde hinter ihnen das Schwert zücken.“ Mit den Gegenständen Weihrauch (Geruch), Haarbüschel, Waage (Tastsinn) und Fackel (Sehsinn) ist Ezechiels Prophezeiung sowohl der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar gemäß Gottes Plan als auch der der Errichtung des zukünftigen Tempels alludiert. Die Prophezeiung erklärt auch das golden fließende Wasser zu Füßen des Propheten und die üppig blühenden Blumengebinde an der Sockelzone. Dargestellt ist hiermit entweder die in Ezechiel 43 und 47 beschriebene Tempelquelle, die zum Fluss des Lebens wird, an dessen Ufern alle Arten von Obstbäumen wachsen, deren Früchte und Blätter den Menschen zur Speise und zum Heil dienen (Ez 47,12). Möglicherweise handelt es sich aber auch um den Beginn der Prophezeiung (Ez 1,3: „… erging das Wort des Herrn an Ezechiel, den Sohn Busis, den Priester, im Land der Chaldäer, am Fluss Kebar“). Gegenüber an der Kanzel auf gleicher Höhe wächst der Baum der Erkenntnis aus dem Kanzelfuß empor und präsentiert dem Predigthörer in verführerischem Naturalismus seine rotbackigen Früchte (lat. malum bedeutet sowohl „Apfel“ als auch „Übel“) [Abb. 213]. Solche Details tragen zunächst zur Anschaulichkeit der Predigt bei, etwa derjenigen Joseph Kuglers, gehalten von der Zwiefalter Kanzel am 10. September 1789, welche in den Sätzen gipfelt: „Gebete und Seufzer sollen durch die großen Gewölbe dieses herrlichen Tempels ertönen, und mit dem geheiligten Dufte der Opferkörner der zärtlichste Dank an Himmel steigen. […] Ruhmvolles Reichsstift Zwiefalten, du bist unsre geliebteste Ordensschwester. Grüne, blühe, bleibe, wachse in Tausend und Tausende hinein!“705

705 JUBELFEIER 1789, S. 69 f.

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706 Vgl. zur Bedeutung ornamentaler (Begleit-) motive mit Blick auf das Werk Egid Quirin Asams COBURG 2011. Leider mündet diese Arbeit nicht in eine reflektierte Theorie des Ornaments für das 18. Jahrhundert, obgleich der Ausgangspunkt sich als durchaus fruchtbar erweisen könnte. Begriffe wie „rhetorisches Ornament“ und „theatraler Illusionsort“ bleiben weitgehend unreflektiert. 707 BRÜCKNER [1992] 2000g. 708 WINDFUHR 1967, S. 236–240. 709 HERZOG 1991, S. 129. 710 Vgl. HERZOG 1991, S. 129–135. 711 CYTOWIC 2002, S. 11; CYTOWIC 1996, S. 13, 146, 203 f. und zur Diagnose S. 95–97.

Bei allem Naturalismus reicht die Wirkungsweise der erwähnten motivischen Details über ikonografische Instrumente zur Entfaltung des Kanzelprogramms hinaus.706 Sie stellen auch nicht nur flankierende Maßnahmen im Dienste des Wortes dar, sondern bringen den ganzen Fächer der Sinnesangebote in ein Verhältnis zur Bildlichkeit. Dass sich die Predigten an Gehör und Sehsinn adressierten und gelegentlich Weihrauch in der Luft lag, mochte dem Gesehenen besondere Evidenz verleihen. Predigthörer fanden sich so in ein synästhetisches Feld hineingestellt. Weihrauch und Blumen lassen olfaktorische Erfahrungen anklingen, heben metaphorisch den Wohlgeruch des Predigtwortes hervor. Äpfel appellieren an den Gustus, während die dargestellten Blumen einen Wohlgeruch im Raum imaginieren lassen. Wolfgang Brückner machte darauf aufmerksam, dass die Kunstblume im sakralen Raum vor allem eine Entwicklung des 17. Jahrhunderts darstelle und der künstliche Strauß im Sakralraum keineswegs als Substitut natürlicher Blumen anzusehen sei.Vielmehr verleihe gerade seine Künstlichkeit dem artifiziellen Blumenschmuck über das Dekorative hinaus eine metaphorische (eucharistische oder marianische) Dimension. Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich der künstliche Blumenschmuck im Sakralraum zu vollplastischen, symmetrischen Gebilden in Altarvasen und ersetzte zeitweise die pyramidalen Altarreliquien als eigentliche „Früchte des Glaubens“ und „Blumen der Kirche.707 Der geblümte Sakralraum des 18. Jahrhunderts griff dabei indirekt auch auf die im 17. Jahrhundert anwachsende literarische Blumenmetaphorik aus Dichtung und Predigt zurück. Schon der Titel so mancher Predigt – „Silvae“ oder „Poetischer Rosen-Wälder Vorgeschmack“ – sollte dem Leser ein sinnlich ansprechendes Ereignis jenseits des bloßen Hörens ankündigen.708 Nicht nur der Blume, auch dem Apfel kam als christlicher Frucht und Speise (Mt 4,4) eine ins Metaphorische gewendete Bedeutung zur Veranschaulichung der Sakramente und des Predigtwortes zu. Dem Prediger kam die Rolle eines Wirtes, eines Kellners oder einer Magd zu. Hierbei wurde eine Bilderwelt aufgegriffen, die auf Paulus (1 Kor 3,2; Hebr 5,12) und auf die Patristik zurückgeht, um in der barocken Predigt noch einmal einen Höhepunkt poetischer Entfaltung zu erleben.709 Der barocke Apfel wurde mit einem reichen Spektrum metaphorischer Tugend- und Geschmacksqualitäten belegt. Sie reichten vom „Gehorsams-“ und „Reverenz-Apfel“, der den Kindern ausgeteilt wird, um sie an das elterliche Ehrgebot zu erinnern, bis hin zum Granatapfel für den Klerus oder dem Holzapfel, der „euch das Maul also zusammen ziehen“ wird.710 Wichtig in diesem Zusammenhang ist nicht, wie der Apfel schmeckt, sondern dass auf seinen möglichen Geschmacksqualitäten eine reiche Metaphorik aufbaut. Der Geschmack des Apfels ließ sich – zur Strafe oder zum Lohn – mit wechselnden Aromen belegen. Süße und herbe Ermahnungen sollten die Predigt für alle Sinne zugänglich und für jedermann verständlich machen. Mit gutem Grund lässt sich in diesem Zusammenhang von einem synästhetischen Ensemble sprechen. Anders als bei dem Neurophysiologen Alfred Vulpian, der den Begriff im Jahr 1866 als Terminus technicus für einen klinischen Sonderfall einführte, sollen unter Synästhesie hier aber nicht „Mit-“ oder „Parallelempfindungen“ verstanden werden.711 In unserem Falle bezeichnet Synästhesie

9 Kanzelensemble: Verbum Caro factum est (um 1767/68)

vielmehr die Verschmelzung oder Überlagerung verschiedener Sinneseindrücke, die durch bestimmte ästhetische Objekte verstärkt werden können. Die Literatur zum Synästhesiebegriff und seinen Verwendungsweisen hat sich in den letzten 30 Jahren exponentiell ausgeweitet und kann hier nicht im Einzelnen nachbuchstabiert werden. Ob die trennscharfe Differenzierung zwischen eigentlicher (klinischer, wahrnehmungsspezifischer) und uneigentlicher (metaphorischer und poetischer) Synästhesie sinnvoll ist, scheint ebenso fragwürdig wie Versuche, Synästhesie zum Gipfel der Kreativität zu erklären.712 Vergessen ging hierbei ein phänomenologisch orientiertes Konzept der Synästhesie als „Normalfall“, von dem ästhetische Konzepte ihren Ausgang nehmen. Ludwig Schrader resümierte schon früh diverse Modelle literarischer Synästhesie, die vom 19. Jahrhundert bis in die Antike zurückreichen und poetologisch schon in der Ilias anklingen, wenn zum Beispiel von „lilienfarbigen Stimmen“ die Rede ist.713 In dem Maße, in dem sich ein so verstandener Synästhesiebegriff auf die Synchronizität heterogener Sinneserfahrungen bezieht und von einem neuropsychologischen Verständnis abrückt, gelangt er in die Nachbarschaft zu einer phänomenologischen Perspektive.Wie bei Merleau-Ponty: „Doch ist es an uns, unsere Definitionen dergestalt zu bilden, dass dieser Sinn sich einstellt, da das Sehen von Tönen und das Hören von Farben nun einmal phänomenal existiert. Dabei handelt es sich nicht einmal um exzeptionelle Phänomene. Die synästhetische Wahrnehmung ist vielmehr die Regel, und wenn wir uns dessen selten bewusst sind, so weil das Wissen der Wissenschaft unsere Erfahrung verschoben hat und wir zu sehen, zu hören und überhaupt zu empfinden verlernt haben, vielmehr aus der Organisation unseres Körpers und der Welt, so wie die Physik sie auffasst, deduzieren, was wir sehen, hören und empfinden müssen.“714 Im Anschluss an Merleau-Ponty kann festgehalten werden: Dass wir synästhetischen Wahrnehmungsweisen in „normalen“ Zusammenhängen wenig Aufmerksamkeit schenken, hängt mit ihrer „Alltäglichkeit“ zusammen. Die kulturgeschichtliche Verschiebung der Sekundärsinne ins Private seit dem frühen 19. Jahrhundert hatte an dieser Entwicklung wesentlichen Anteil, weil sie das seit Aristoteles angenommene gemeinschaftliche Wirken der Sinne infrage stellte.715 Im Gegensatz zu dieser Marginalisierung eines gemeinschaftlichen Wirkens der Sinne betrachtete Merleau-Ponty Synästhesie als eine Wahrnehmungsform, die jeder in bestimmten Momenten erlebt, und kritisierte die neuropsychologische Abkoppelung des Synästhesiebegriffs von unseren Alltagserfahrungen.716 Versuche, mit dem Begriff „Synästhesie“ pathologische Zustände oder Extremerfahrungen zu beschreiben bzw. in der Synästhesiefähigkeit die Wurzeln des Genies zu erblicken, sind bis heute im Gespräch.717 Mit guten Gründen bezweifelte Klaus-Ernst Behne deshalb die Tauglichkeit des Begriffs zur Beschreibung ästhetischer Wahrnehmung: „Synästhesien stehen für Nicht-Alltägliches. Daraus zu schließen, dass nicht alltägliche Synästhesien etwas mit ästhetischer Wahrnehmung zu tun hätten, wäre einer ästhetischen Nobilitierung von Halluzinationen oder drogeninduzierten Erfahrungen vergleichbar.“718 Behne richtete sich damit unter anderem gegen Richard Cytowics Konzeption der synästhetischen Wahrnehmung als einer zwar faszinierenden, aber pathologischen Randerscheinung.

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712 CYTOWIC 2002, S. 7. 713 SCHRADER 1969, S. 49, 54. An Schraders Forschung zu synästhetischen Poetiken anschließend: WANNER-MEYER 1997; VAN LAAK 2002. 714 MERLEAU-PONTY 1966, S. 268. In diesem Sinne auch WALDENFELS 1999, S. 58–63, und indirekt BÖHME 1995, S. 90–94. 715 DIACONU 2005, S. 23–31. 716 Dies gilt selbst noch für den wissenschaftskritischen Ansatz Richard Cytowics, der eingangs Synästhesie einfach als „Zusammenempfinden“ definiert, dann aber jenes Verständnis entlang einer Versuchsreihe in naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle überführt. Vgl. CYTOWIC 1996, S. 12. 717 Vgl. EMRICH 1998, S. 137 f. 718 BEHNE 1998, S. 121.

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214 Anonym: Typus hominis interioris. Abschilderung des innerlichen Menschen, in: Ichnographia Emblematica Triplicis, 1779 (STAFFORD 1998)

719 BEHNE 1998, S. 121. 720 BÖHME 1995, S. 93 f.; BÖHME 2002; WALDENFELS 1999, S. 61; SCHMITT 2002, S. 121. 721 MERLEAU-PONTY 1966, S. 296: „… unter allen Dimensionen ist sie [die Tiefe] gleichsam die ,existentiellste’, da sie […] sich in keiner Weise am Gegenstand selbst abzeichnet, vielmehr ganz offenbar der Perspektive, nicht den Dingen zugehört“; vgl. jüngst MEYER-SICKENDIEK 2010, S. 82–134. 722 Vgl. ARISTOTELES: De anima, III 2, 426 b 8–427 a 16.

Es kann aber beim Versuch, den Synästhesiebegriff für die Beschreibung einer bestimmten Form von ästhetischer Wahrnehmung zu gewinnen, nicht darum gehen, unterschiedliche Formen ästhetischer Erfahrung gegeneinander auszuspielen oder darzulegen, dass die „Addition von Künsten mehr, Schöneres, Beeindruckenderes ergäbe als eine einzelne Kunst“.719 Vielmehr muss sich entlang von Werken eine angemessene Begriffsverwendung der Synästhesie entwickeln lassen, die auch die besonderen Eigenschaften der hiermit charakterisierten Werke erklärt. In jüngerer Zeit wurde wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass sich ein aus der Alltagswahrnehmung abgeleitetes Synästhesieverständnis im Agieren des Leibes im phänomenologischen Sinne lokalisiere.720 Nimmt man diese Feststellung ernst und bezieht sie auf das Kanzelensemble von Zwiefalten, so könnte man sagen, dass Synästhesie hier eine besondere Form der Vertiefung des Predigtaktes kennzeichnet. Denn es richtet sich nicht ein isolierter Sinn auf einen Punkt, sei es das Hören der Predigt, das Sehen eines Kanzeldetails oder das Riechen von Weihrauch.Vielmehr strahlen die Sinne nach verschiedenen Richtungen hin aus. Vertiefung kennzeichnet dabei keine Tiefe des Gegenstandes, sondern eine Tiefe der Wahrnehmung, vielleicht auch eine besondere Form der Verbindung von Gegenstand und Wahrnehmung. Was oben als Verräumlichung der Predigt durch das Kanzelwerk beschrieben wurde, leitet ein Ineinandergreifen sinnlicher Eindrücke unter variabler Betonung einzelner Sinne ein. Die besondere Form dieser sinnlichen Wahrnehmung beruht darauf, dass sie nicht entlang linearer Prozesse von Gesehenem oder Gehörtem verläuft, sondern jene linearen Prozesse zugunsten einer „Tiefenwahrnehmung“ auflöst, die sich durch eine komplexe Dichte des Erlebten auszeichnet und aus Körperbalance, Wahrnehmungs- und Bewegungsintervallen hervorgeht. Das Kanzelensemble ist so angelegt, dass es der Predigt und den in ihr geschilderten Sachverhalten aus der Perspektive des Hörers eine existenzielle Tiefe verleiht.721 An der Vermittlung von Tiefe könnte eine Ästhetik der Synästhesie ansetzen. Die schematischen Darstellungen des 17. und 18. Jahrhunderts illustrieren das Ausstrahlen der Sinne in charakteristischer Weise als „polyfone“ Form der Aneignung der Dinge, die sich im Körper zu einer stabilen Einheit zusammenfinden [Abb. 214]. Sie visualisieren damit auch das aristotelische, unter anderem über Thomas von Aquin in die Scholastik hineingetragene Problem der Einung intermodaler Sinnesempfindungen. Aristoteles nämlich stellte in De anima – nach einer ausführlichen Darlegung der notwendigen Geltungsbereiche aller fünf Sinne – die Frage, wie es eigentlich möglich sei, dass etwa „gelb“ und „süß“ als eine Sinneswahrnehmung erlebt würden.722 Die Forschung hierzu hat gezeigt, dass Aristoteles bereits von einer in sich vollständigen Sinneseinheit ausging und sich die Rede vom Sensus communis als einem gegenüber den Einzelsinnen höherstehenden seelischen Vermögen, als einem sechsten Sinn, erst in den spätantiken und scholastischen Aristoteleskommentaren herausbildete. Jenseits einer Auffassung der Sinne als vorreflexive Erkenntnisorgane betonte Aristoteles die erkenntnistheoretische Souveränität eines jeden Sinnes. Die Einheit der Sinne realisiert sich für ihn nicht in einem sechsten Sinn, sondern in einer punktuellen Präsenz

9 Kanzelensemble: Verbum Caro factum est (um 1767/68)

aller Sinne, die mit dem eigenen Leib untrennbar verbunden sind.723 Deshalb vergleicht Aristoteles auch die wechselnde Konstellation der Sinne mit dem Anschlagen von Saiten, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Spannung zwar verschiedene Töne, aber doch einen Zusammenklang hervorbrächten. Mit seinen Varianten „bon sens“ (Descartes), „sens commun“ (Rousseau, Descartes), „sensorium commune“ (Herder), „common taste“ (Burke) und vor allem mit Shaftesburys (und zuvor Graciáns) gesellschaftlicher Interpretation des Sensus communis geriet der Begriff in den Ästhetiken des späten 17. und 18. Jahrhunderts von seiner Bedeutung her in ein Spannungsfeld. Einerseits bezeichnete er einen ethisch-naturrechtlichen Gemeinschaftssinn, andererseits ein theoretisches Vermögen der Urteilskraft, einen sechsten Sinn beziehungsweise den Ort der Bildung einer Gegenstandseinheit in der „Chefetage des Kopfes“.724 Wenn wir von hier aus noch einmal auf die Kartuschenfresken der 4 proprietates und auf das Kanzelensemble blicken, so zeigt sich die besondere Eigenschaft dieser Werke darin, dass die Bildung einer Synthese verschiedener Sinneswahrnehmungen, wie sie die Rede von einem einenden sechsten Sinn nahelegt, ästhetisch niemals abgeschlossen ist. Vielmehr eröffnet die Konstellation zwischen intermodalen Sinneswahrnehmungen immer neue Dimensionen, welche im Hören und Sehen von Prediger und Predigt das gesprochene Wort auf den Raum beziehen.Wenn man Synästhesie als ein Intensitäts- und Tiefenphänomen bezeichnen kann, so weil an die Stelle finiter Wahrnehmungszustände offene Prozesse treten. Diese Prozesse kennzeichnet ein kontinuierliches Verweben von Raum und Körper über eine Raumwahrnehmung, die multisensorisch arbeitet. An einen Sensus communis aestheticus, wie ihn Kant als Überschneidung zwischen ästhetischer Wahrnehmung und Vernunftsinn konzipierte,725 ist in Zwiefalten in einem spezifischen Sinne, nämlich als Überblendung von Sinneswahrnehmung und Tugendbildung, gedacht. Der offene ästhetische Prozess zielt hier auf eine christliche Tugendbildung über den Weg der Imitatio, das heißt das sinnliche Nacherleben christlicher Tugenden. Am klarsten ausformuliert findet sich diese sinnlich-vernunftmäßige Konzeption des Sensus communis allerdings nicht in den katholischen Lehren des 18. Jahrhunderts, sondern in der pietistischen Konzeption Friedrich Christoph Oetingers. Ohne seine ästhetische Seite bereits zu berücksichtigen, spricht Oetinger vom Sensus communis als einem „alle Schlüsse prävenirende[n] Ja und Amen zu allem, was göttlich, tugendhaft und wohllautend ist“, und ordnet diesem synästhetischen „Tugendbaum“, aus dessen Wurzel göttliche wie soziale Tugenden hervorwachsen, den Baum der Erkenntnis zu [Abb. 215].726 Das tugendhafte, an der Erlösungstheologie orientierte Menschenleben gehört zu den gemeinsamen Ethikkonzeptionen protestantischer und katholischer Theologie des 18. Jahrhunderts.727 Von hier aus bezeichnet Oetinger den Sensus communis als ein Erkenntnisvermögen, das sich nicht an toten „geometrischen Ordnungen“ orientiert. Es sei vielmehr eine Form lebendiger Erkenntnis, die im „Horizont des Gesichts“ liege und innere dynamische Wege gehe.728 Sensus communis als „Herz“ oder „Weisheit“ bildet für den schwäbischen Pietisten das Bindeglied zwischen der äußeren Welt der Dinge und der inneren Welt des Menschen und setzt die Bereitschaft des Menschen zur Annahme

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215 Friedrich Christoph Oetinger: Tugendbaum, 1753 (NvdM)

723 WELSCH 1987, bes. S. 324, 387; SCHMITT 2002. 724 ZEUCH 2002; NAUMANN-BEYER 2002, S. 216, mit der weiteren Literatur zum Thema; sowie GADAMER 1990, S. 25–35, in Auseinandersetzung mit Vico, Shaftesbury, Kant und Oetinger. 725 KANT 1992, S. 227. 726 OETINGER [1754] 1864, S. 383. 727 HERZOG 1991, S. 103, zitiert in diesem Zusammenhang einen zentralen Satz aus einer 1721 gehaltenen Festtagspredigt von Wolfgang Zumsteg SJ: „An diesem Creutzt wird die Seel von der Erden erhoben und bricht die Süsse Aepffel von dem Holtz des Lebens ab.“ 728 OETINGER 1781, S. 130.

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des Gottesgeschenks voraus. Denn ein „hörend Ohr und sehend Auge machet beide der Herr“.729

9.3 Nivellierung der Bühne

729 OETINGER 1781, S. 24 f. 730 Zuerst TINTELNOT 1939, S. 291. 731 Beispielsweise BAUER 1992, S. 46. 732 BROSSETTE 2002. 733 Vgl. in verwandtem Zusammenhang hierzu HASS 2008, S. 314 f. 734 In dieser Linie dann auch BROSSETTE 2002, S. 19. 735 ALEWYN 1959, S. 51 f.

Die Begriffe „Theatralität“ und Theatrum sacrum haben sich zur Beschreibung barocker und spätbarocker Sakralräume bis zur Zementierung etabliert.730 Immer wieder dafür herangezogene Beispiele sind Weltenburg, Rohr, die Asamkirche und Dießen, in der Regel mit Bezug auf den Hochaltar.731 Die Anwendung der genannten Begriffe auf den Sakralraum basiert auf gezogenen Parallelen zwischen Barockliturgie und Barockdrama, aber auch auf der Identifikation von ­„Illusion“ und „Schein“ als Theater. Ursula Brossette hat in ihrer umfangreichen Arbeit zum Thema gezeigt, dass sich Elemente des Theaters mit Ausstattungs­ stücken und Bauelementen spätbarocker Sakralräume identifizieren lassen. 732 Natürlich können Adaptionen von Theaterelementen für den barocken Raum nicht bestritten werden; sie wurden auch schon von Zeitgenossen erkannt. Unbefragt blieb allerdings, was mit dem Theater als Generalschlüssel zum Verständnis barocker Räume genau gewonnen ist und ob dabei nicht wichtige Differenzen verschliffen werden.733 Der spätbarocke Raum ist ein „heiliges“ Theater – und weiter? Soll Theatrum sacrum in Bezug auf den barocken Sakralraum mehr als die lapidare Identifikation der Darstellung von Nicht-Darstellbarem als ein theatrales Inszenieren bezeichnen, so lauten die offenen Fragen: Theater – wovon und für wen? Richard Alewyn, der sich schon früh für die vollständige Beschreibung der barocken Lebenswelt als Theater aussprach,734 äußerte zur Barockoper: „Das Zeitalter ist geradezu besessen von einem schrankenlosen Bedürfnis nach Versinnlichung und Versichtbarung. Das barocke Theater ist zwar […] ein in eminentem Maße geistiges Theater, das geistigste, das die Erde gesehen hat. Aber es ist ebenso sehr das sinnlichste Theater, das jemals existiert hat. Darum spielt unter allen den Bestandteilen, die zusammen das Theater ausmachen, das Wort die geringste Rolle. So belanglos war der Text, dass nicht störte, wenn er unverständlich blieb.“735 Die Analyse der Kanzel von Zwiefalten kann als exemplarischer Prüfstein für diese These genommen werden. Oben wurde gesagt, dass mit der Darstellung des Totenfeldes das Wort in ein Verhältnis zur Bildlichkeit gebracht wurde. Das enge Zusammenspiel von Kanzelwerk und Kanzelpredigt gab Grund zu der These, dass das Wort durch die Kanzel einen Körper erhält. Die Grenze zwischen Predigtraum und Leibraum der Hörer wird dabei nivelliert, weil sich die Erfüllung von Ezechiels Prophezeiungen ebenso an der gelungenen Predigt wie an der Belebung ihrer Hörer zu bewähren hat. Auch wenn das Wort hier in ein Verhältnis zur Bildlichkeit gebracht wird, bildet es doch die Basis für das Konzept des Kanzelarrangements. Im Übrigen gilt dasselbe für das Langhausfresko, das ohne die Referenz zum gedruckten Wort nicht denkbar wäre, auch wenn es für das aktuelle Raumerlebnis ohne diese Referenz auskommt.

9 Kanzelensemble: Verbum Caro factum est (um 1767/68)

Ursula Brossettes Studie basiert auf der These, dass die umfangreichen Adaptionen von Theaterelementen im Sakralraum die Distanz zwischen Göttlichem und Menschlichem verringern wollten, man könnte sagen, das Unzugängliche in die Nähe des Leibraumes zu rücken versuchten.736 Die Heilsgeschichte wird als ebenso wahrscheinlich erlebt, wie die Zwiefalter Kanzel dem Wort durch die dargestellte Fleischwerdung Evidenz verleiht. Die These Brossettes deckt sich hier mit meinen Überlegungen zur Konvergenz von Predigtraum und Leibraum der Hörer, welche durch die Verkörperung des Wortes möglich wird. Wenn aber zutrifft, dass der Schauraum der „Darsteller“ und der Leibraum der „Adressaten“ konvergieren und diese Adressaten selbst zu Akteuren werden, weil sie an der Erfüllung der Prophezeiung im zweiten Schritt beteiligt sind (vgl. auch die Bemerkungen zum Prozessionswesen), so wird die Theorie vom theatralen Sakralraum fragwürdig. Anders ausgedrückt: Die Verschmelzung von Schauraum und Erlebnisraum, von Akteur und Zuschauer stellt die Theatermetapher infrage. Unsere bisherigen Analysen zur Fassade, zum Langhausfresko und zu den Beichtstühlen haben gezeigt, dass die diversen Schauräume auch Handlungsräume sind und der Akteur je nach Raum Priester wie Kirchenbesucher sein kann. Gerade der Umstand, dass der spätbarocke Sakralraum auch unabhängig von der Liturgie als ästhetische Erfahrung „funktioniert“, lässt die Reduktion der Ausstattung auf eine Kulisse zweifelhaft erscheinen.Wollte man diese Auffassung beibehalten, so müsste man sagen, dass im spätbarocken Raum der Besucher sich selbst zur Aufführung bringt. Möglich wird dies durch die Nivellierung von „Bühne“ und „Zuschauerraum“ und eine ästhetische Neukonzeption des Zuschauers als Akteur.

736 BROSSETTE 2002, S. 585 f.

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10 Seitenkapellen (1766–1771)

737 Notae 1760. 738 DISCHINGER 2011, S. 214, 181. Auf die Argumente für eine mögliche Intendanz soll hier nicht im Einzelnen eingegangen werden. Die Motivation, diese überhaupt anzunehmen, beruhen auf der Vorstellung, jemand müsse personell eine spezifische Auffassung ästhetischer Einheit garantiert und koordiniert haben. Dabei stellt sich aber die Frage, von welchem Einheitskonzept hierbei eigentlich ausgegangen wird. Der Verweis a.  a.  O. auf den Zwiefalter Querhausaltarentwurf ist fraglich, da Feichtmayr als Autor dieses Entwurfs vermutlich auszuschließen ist [vgl. Kap. 14]. Drei Aspekte scheinen mir im Hinblick auf Zwiefalten gegen eine Intendanz Feichtmayrs zu sprechen: 1. Johann Joseph Christian besaß als Riedlinger und auch durch einige Frühwerke in Zwiefalten eine höhere Präsenz. 2. Einige der entscheidenden Ausstattungsstücke sind während der zweiten Ausstattungsphase entstanden – zu einem Zeitpunkt, als von einer aktiven Präsenz Feichtmayrs altersmäßig wohl nicht mehr ausgegangen werden kann. 3. Schließlich wird man an die zentrale Rolle des Abtes Benedikt Mauz zu denken haben, die über die eines schlichten Auftraggebers weit hinausging. 739 PAULUS 1888, S. 180–186. 740 Die Bauchronik führt Ereignisse bis 1762 an. Die Freskierung der Vorhalle ist nicht erwähnt. Um 1763/64 wechselte Sigrist seinen Wohnort von Augsburg nach Wien. Vgl. MATSCHE-VON WICHT 1977, S. 12. 741 Die späteste Signatur eines Bildes findet sich in dem Scheintabernakel für die Begleiterinnen der hl. Ursula im südlichen Querhaus: „Bern: Neher pict. Biberach 1776“. Erstmals hat Adolf FEULNER 1929, S. 77, eine spätere Datierung der Seitenkapellenausstattung „bis nach 1766“ vermutet. Der hiermit verbundenen Differenzierung ver-

Obwohl die Bauchronik des Zwiefalter Laienbruders Ottmar Baumann in einigen Punkten fraglich ist und nur bis in das Jahr 1762 reicht, lassen sich auf der Grundlage dieser Quelle zwei Ausstattungsphasen erkennen: Die erste ist von der Bauchronik erfasst, die zweite setzt erst einige Jahre nach deren Ende ein, ergibt sich aber aus den teilweise signierten und auffälligerweise von der Chronik nicht erwähnten Ausstattungsstücken (Seitenkapellen, Kanzelensemble, Beichtstühle). Auch gibt eine weitere, von Hosch, Halder, Knapp und anderen schon erwähnte Beschreibung aus dem Jahr 1760 an, dass die Ausstattung des Klosters zu diesem Zeitpunkt noch unvollständig war („necdum vero ornatu perfecta conspicitur“), was sich nicht zuletzt auf die Seitenkapellen bezogen haben dürfte.737 Die erste Ausstattungsphase begann in Übereinstimmung mit der Bauchronik im Jahr 1746 mit dem Chorgestühl und der Auftragsvergabe für Fresken, Plastiken und Stuck. In diese Zeit fallen vermutlich auch die Vorentwürfe Johann Baptist Straubs für Hoch- und Kreuzaltar, gegen die sich dann Johann Joseph Christian und Johann Michael Feichtmayr durchsetzten. Für die von Gabriele Dischinger in Hinblick auf Ottobeuren vertretene These, Feichtmayr habe die Rolle eines Intendanten bzw. eines Primus inter Pares eingenommen, lassen sich zumindest mit Blick auf Zwiefalten keine weiteren Anhaltspunkte finden.738 1747/48, also zum Zeitpunkt der Einwölbung der Kuppel, wurde das Presbyterium stuckiert. Dem folgten die Freskierung und Stuckierung von Chor (1747/48), Kuppel (1748/49), Querhäusern (um 1750) und Langhaus (bis 1752) sowie 1753 die Lieferung des Hochaltarblattes durch Franz Joseph Spiegler und ein Jahr später Johann Joseph Christians Fertigstellung der beiden Portalskulpturen am Hochaltar.739 Damit war die Ausstattung des Chorraumes weitgehend abgeschlossen, obgleich zwei wichtige Ausstattungsstücke – Gablers Chororgel und Christians Altarfiguren (Evangelist und Engel) – noch fehlten.Was zwischen 1755 und 1760 an Arbeiten folgte, ist vergleichsweise überschaubar (etwa die Aufrichtung des Chorgitters, 1756) und bezog sich wohl insbesondere auf Außenbau (Türme) und Vorhalle. Die zweite intensive Ausstattungsphase liegt zeitlich bereits nach Spieglers Tod (1757). Sie begann 1763 mit der Freskierung der Vorhalle durch Franz Sigrist740 und dauerte bis etwa 1777.741 Auf Sigrists Ausmalung der Vorhalle folgte ab 1764 Meinrad von Aus Freskierung des Orgelfeldes über der Westempore und die von gleicher Hand ausgeführte Freskierung der Emporen (1765) und Kapellen

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(1766).742 In diesen Zeitraum fielen auch der Tod des amtierenden Abtes Benedikt Mauz (1765), die Übernahme der Amtsgeschäfte durch Nikolaus Schmidler und eine zweite Weihe des Klosters.743 Mit dem Regierungswechsel beschleunigten sich auch die Ausstattungsarbeiten von Lang- und Querhaus. Worin die Gründe für die Ausstattungsverzögerung in den Zwischenjahren, also von 1753 bis 1763, liegen, ist unklar. Möglicherweise ist die Verzögerung auf die schwierige Finanzlage des Klosters nach dem Erwerb der Reichsunmittelbarkeit (1750) zurückzuführen.744 Jedenfalls verließen die drei künstlerischen Hauptakteure Spiegler, Christian und Feichtmayr wohl unmittelbar nach der Weihe der Kirche am 18. Oktober 1752 den Bauplatz.745 Es kann nur vermutet werden, dass Zwiefalten aufgrund der bisherigen hohen Kosten des Neubaus und des gleichzeitigen Erwerbs der Reichsunmittelbarkeit nach der Weihe keine weiteren Mittel mehr für die Ausstattung des Sakralraums zur Verfügung hatte. Noch im selben Jahr, 1752, setzten Spiegler und Feichtmayr746 ihre gemeinsame Arbeit mit der „renovatio“ des Fridolinsmünsters in Bad Säckingen fort.747 Um 1754/55 arbeitete Feichtmayr dann mit einem mutmaßlichen Mitarbeiter Christians, Johann Georg Weckenmann, und mit Meinrad von Au an der Ausstattung der Wallfahrtskirche St. Anna in Haigerloch.748 Und ein drittes Gemeinschaftsprojekt entstand aus der produktiven Zusammenarbeit des Künstlergespanns in Zwiefalten: Nach Lieferung erster Modelle ab 1754 begannen für Feichtmayr, Christian und den Schreiner Hans Martin Hermann vor allem ab 1756 die Arbeiten an der Ausstattung des neuen Sakralraums von Ottobeuren. Der Abschluss dieser Arbeiten fiel in das Jahr 1766. Die Konsekration der Kirche fand am 28. September 1766 statt; Christian und Feichtmayr blieben aber wohl bis Mai/Juni 1767 in Ottobeuren.749 Erst ab der zweiten Hälfte der 1760er-Jahre sind für Zwiefalten einige der zuvor unter Vertrag genommenen Künstler und Handwerker wieder greifbar. Gleichzeitig dürfte sich in dieser Zeit die finanzielle Situation des Klosters wieder entspannt haben. Die Mitarbeit Feichtmayrs an der Ausstattung von Vierzehnheiligen reicht möglicherweise bis in die spätesten 1760er-Jahre.750 In den Zeitraum zwischen 1769 und 1772, dem Todesjahr Feichtmayrs, fallen die letzten Stuckarbeiten der zweiten Ausstattungsphase. Inwieweit Feichtmayr selbst hierin involviert war, muss offenbleiben. Für das letzte Großprojekt Johann Joseph Christians, die plastische Ausstattung des Damenstiftes Bad Buchau (1774–1776), wird angenommen, dass Christians Sohn Franz Joseph (1739–1798) im Verbund mit dem Vater arbeitete.751 Eine ähnliche Situation wird auch für die späten Ausstattungsstücke von Zwiefalten zutreffen. Möglicherweise arbeiteten daran weitere Schüler oder Mitarbeiter Christians, zum Beispiel Johann Georg Weckenmann (1727–1795), der zu jener Zeit kaum noch über eigene Aufträge verfügte. Der mutmaßliche Schüler Christians hatte schon in St. Anna (Haigerloch) zusammen mit Johann Michael Feichtmayr gearbeitet.752 Zwischen der ersten (1746–1754) und der zweiten Ausstattungsphase (1763–1777) hatte sich für Zwiefalten in kunstpolitischer Hinsicht einiges verändert. Die einst für die Ausstattung der Langhauskapellen vorgesehenen Augs-

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schiedener Ausstattungsphasen folgten ihm mit unterschiedlichen Gewichtungen, auch bezüglich anderer Ausstattungsstücke, Hubert HOSCH 1992, Reinhold HALDER 1997 und Ulrich KNAPP 2008. Am Ende der gesamten Innenraumausstattung wurde 1772–1777 von Joseph Martin aus Hayingen, wahrscheinlich ein Schüler Gablers, die Hauptorgel geschaffen und aufgestellt. KÖNNER 1990, S. 442. 742 Die Signatur im Fresko der Mauritiuskapelle einschließlich des Selbstporträts Meinrad von Aus ist bislang offenbar übersehen worden. 743 LINDNER 1910, S. 46 f. Die quellenkundlich nicht gesicherte zweite Weihe erwähnte erstmals HOLZHERR 1887, S. 155. 744 Vgl. hierzu zuletzt: HALDER 1992, S. 107. 745 PAULUS 1888, S. 183. 746 Schon die qualitativ deutlich schlechtere Freskierung der Vorhalle (1757) dürfte nur noch von der Werkstatt Feichtmayrs ausgeführt worden sein. 747 Die Arbeiten dauerten bis 1754. Vgl. KAISER 2001, S. 7; KOLB 1990, S. 476–473; ENGELBERG 2005, S. 604; und zu Feichtmayr SCHNELL/SCHEDLER 1988, S. 95–100. 748 Vgl. OEHLER 1995, S. 4. 749 Der Arbeit in Ottobeuren geht wahrscheinlich eine gemeinsame Reise Christians, Feichtmayrs und Hermanns unter Führung des Zwiefalter Stiftsökonomen im Jahre 1751 nach Ottobeuren voraus, vgl. DISCHINGER 2011, S. 175 f., sowie zur begonnenen und abgeschlossenen Arbeit in ­Ottobeuren DISCHINGER 2011, S. 212; WEISS 1996, S. 104–106; HUBER 1960, S. 82. 750 SCHÜTZ 1992, S. 26. 751 HUBER 1960, S 62 f., 86; ASSFALG 1998. 752 Vielleicht erklärt diese mögliche Mitarbeit auch das fehlende Werk Weckenmanns aus dieser Zeit. Vgl. WEISS 1992, S. 115 f. Zur Beziehung Feichtmayr – Weckenmann – Christian vgl. WEISS 1992, S. 96–104; WEISS 1998, S. 104–111; PRUSINOVSKY 2007, bes. S. 9, 16.

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Innen

753 Konzeptfragment AL I, um 1747/48. 754 Das Altarbild des hl. Aurelius stammt laut SCHURR 1910, S. 109, ebenfalls von Guibal. Diese drei Altargemälde sind auch in Wolfgang Uhligs Dissertation über Guibal summarisch inventarisiert. Vgl. UHLIG 1981, S. 169 f.; UHLIG 1989, S. 9–16. Der 1725 im lothringischen Lunéville geborene Guibal war „Premier Peintre du Duc de Wurtemberg“. Unklar bleibt, weshalb Guibal, der diesen Titel erst ab 1775 trug, schon 1769 in Zwiefalten in dieser Weise signierte. Vgl. hierzu: HÖPER 2004, S. 161–168. 755 Giosuè Scotti arbeitete noch 1765 am Deckengemälde des Treppenhauses von Schloss Hohenstadt und wird frühestens danach mit dem Altarbild für Zwiefalten begonnen haben. Abgesehen von Hermann, der fürstbischöflicher Maler in Konstanz war, arbeiteten alle übrigen Maler unter Federführung von Guibal am Württemberger Hof. Vgl. HÖPER 2004, S. 190, 193. 756 Für das Jahr 1765 erwähnt HALDER 1997, S. 306, ohne Quellenangaben die Pflasterung der Seitenkapellen. 757 Vgl. zur Ausbildung Meinrad von Aus: BUCK 1992, S. 37 f.; zu seinen Werken u. a. das Werkverzeichnis a. a. O., S. 164, 167 f. Die Arbeit in Zwiefalten gehörte auch nach von Aus Selbsteinschätzung zu seinen herausragenden Werken, zumindest deutet ein eingefügtes und bislang übersehenes Selbstporträt, wie von Au es zuvor nur für die Pfarrkirche in Sigmaringen angefertigt hatte, darauf hin. Vgl. BURI 1992, S. 20. 758 Allein die zwei Nebenfiguren über den Seitenportalen des Hochaltars waren schon 1752 aufgestellt worden. PAULUS 1888, S. 183. 759 Alle erwähnten Figuren sind in der bis ins Jahr 1761 reichenden Bauchronik nicht erwähnt. – Bereits 1774–1776 war Christian für das Frauenstift Bad Buchau tätig. Vgl. HUBER 1960, S. 87. Hiermit ist ein ungefähres Datum für den Abschluss der Arbeiten in Zwiefalten gegeben. 760 „1769 Nic Guibal – Lotharinges Duc. Wurtemb. Pictor. Primarius inv. et. Pinx.“ in den Altarbildern der Kapellen der hll. Petrus u. Agnes. – Signatur Franz Ludwig Herrmanns „17LH70“ im Rückwandbild „Jesus vor Kaiphas“ in der Aureliuskapelle und „FH 1771“ auf der Kreuztragung in der Nothelferkapelle (beide bislang nicht erwähnt). Eine weitere Signatur (ohne Datum) findet sich auf der Kreuzigung in der Kapelle der hl. Ursula. Die übrigen Signaturen auf den Altarbildern, Giovanni Battista Columba („ Joseph“; „Anna“), Bartolomeo

burger Künstler753 Balthasar Augustin Albrecht (1687–1765), Matthäus Günther (1705–1788), Johann Georg Bergmüller (1688–1762) und Thomas Scheffler (1699–1756), aber auch der bisherige Hauptakteur Franz Joseph Spiegler (1691–1757) waren entweder bereits verstorben, schieden aus Alersgründen aus oder befassten sich wie Matthäus Günther in Rott am Inn mit anderen Großprojekten. Eine Ausnahme bildete Franz Ludwig Herrmann (1723-1791). Im Interesse eines kohärenten Erscheinungsbildes der Ausstattung galt es, behutsam vorzugehen und mit der neuen Künstlerequipe an die alten Planungen anzuschließen. Um 1765 wurden Kontrakte mit vornehmlich Stuttgarter Künstlern geschlossen: mit dem Hofmaler Nicolas Guibal (1725–1784),754 den Fresken- bzw. Theatermalern und Brüdern Giosuè (1729–1785) und Bartolomeo Scotti (*1727), mit dem Maler Giovanni Battista Colomba (1717–1793, Altarbilder), dem Freskanten Meinrad von Au (1712–1792, Fresken), mit Johann Joseph Christian (Stuckfiguren, Altäre, Beichtstühle), Franz Ludwig Herrmann (Beichtstuhlaufsätze) und Johann Michael Feichtmayr (Stuck, Altäre, Beichtstühle).755 An der Auswahl der neuen Künstler lässt sich möglicherweise schon eine politische Verlagerung Zwiefaltens von Augsburg nach Stuttgart ablesen. Eine genaue Datierung der Kapellenausstattung ist schwierig. Sucht man sich aber einen chronologischen Gesamtüberblick nach Signaturen und Werkphasen zu verschaffen, so dürfte mit Meinrad von Aus Freskierung der unbemalten Felder des Langhauses (1764–1765) begonnen worden sein.756 Im Sinn der Kontinuität entschied man sich mit von Au für einen Schüler oder Nachfolger Spieglers, der sich vor allem in Haigerloch (Schlosskirche, 1748; St. Anna, 1754) und Pfullendorf (Pfarrkirche, 1750; Wallfahrtskirche Maria Schray, 1751) einen Namen gemacht hatte.757 Der Bildhauer Johann Joseph Christian nahm wohl erst 1767, also nach der Fertigstellung seiner Arbeiten für Ottobeuren, möglicherweise sogar erst nach 1769 die unerledigt gebliebenen Arbeiten für Zwiefalten erneut in Angriff. Hierzu gehören die Stuckfiguren für den Hochaltar (einschließlich des Evangelisten Matthäus, 1767/68?),758 die Kanzelfiguren (einschließlich des Propheten Ezechiel, 1768?), die Figuren im Querhaus (1769?) und schließlich die der Seitenaltäre (1769/70?).759 Ein Abschluss der Arbeiten um 1769/70 würde sich auch mit den Signaturen auf den Kapellenrückwand- und Altarbildern (1769/70) von Franz Ludwig Herrmann sowie einem auf 1769 datierten Kapellenaltarbild des württembergischen Hofmalers Nicolas Guibal decken.760 Am unsichersten scheint die Datierung der Stuckausstattung in den Seitenkapellen. Gut möglich, dass deren Decken in weiten Partien bereits 1750/51 gemeinsam mit dem Langhaus ausgeführt worden sind.761 Allerdings sind die Beziehungen zwischen Stuck, Fresko, Altar und Beichtstühlen so präzise, dass einige der Stuckarbeiten wohl noch auf um 1769 datiert werden können.762 Zur Frage der Datierung der Ausstattung der Seitenkapellen lässt sich resümieren, dass diese im Wesentlichen in die Jahre zwischen 1766 und 1771 fiel, und zwar in der Reihenfolge Fresken (1766), Stuck (1767/68), Altäre (1767/68), Altarblätter (um 1768/69) und Aufstellung der Stuckfiguren (1769/70). Erst danach, 1772–1777, folgten der Bau und die Aufrichtung der großen Hauptorgel über der Westempore durch Joseph

10 Seitenkapellen (1766–1771)

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Martin von Hayingen, nachdem sich Johann Andreas Silbermann zugunsten von St. Blasien von dem Auftrag zurückgezogen hatte.763

10.1 Bewegungsumlenkung Kein architektonisches Element knüpft so deutlich an den romanischen Vorgängerbau an wie die Seitenkapellen. Ihr auf den ersten Blick konventioneller Charakter täuscht jedoch. Zwar erwecken ihre Bildprogramme – Marienleben (Fresken), Passion Jesu (Beichtstuhlrückwandbilder) und Heiligenmartyrien (Altarbilder) – auf den ersten Blick jedes für sich den Eindruck einer linearen ­Narration. Die Erzählstränge lassen sich aber nicht nur getrennt, sondern auch intertextuell lesen: Jede Kapelle bildet dann einen eigenen Erzählraum. Die einzelnen Teile dieses Erzählraumes werden durch den Stuck in Beziehung zueinander gebracht, sodass man das Stuckornament als Teil der Erzählung bezeichnen könnte. Motivisches und syntaktisches Erzählen greifen unablässig ineinander, weshalb eine Analyse der Narration nach ikonografischen oder motivischen Vorlagen zu kurz greift. Denn die Erzählung spielt sich nicht oder nicht allein auf der Motivebene, sondern auf einer vibrierenden Oberfläche insgesamt ab. Für unseren Rundgang soll hier noch einmal zum Eingang der Kirche zurückgegangen werden, um die Bewegung vom Langhaus in die Seitenkapellen nachzuvollziehen:Vom Eingang aus präsentieren sich die Kapellen als eine gestaffelte Folge von Altären und Nischen, die optisch den Blick auf den Hochaltar, die Bewegung aber auch in Richtung der Kapellen lenken [Abb. 216–218]. Ihre gestaffelte Organisation gilt für viele barocke Wandpfeilerkirchen (Dießen, Osterhofen, Fürstenfeld, Berg am Laim, Ottobeuren etc.). Sieht man sich nach Inspirationsvorlagen jenseits der Architekturgeschichte um, so findet man diese in den Telari- und Periaktenbühnen des 17. und 18. Jahrhunderts. Das eine leitet sich aus dem anderen aber nicht unmittelbar ab. Und der Vergleich mit der Bühne trägt auch nur insoweit, als man die Seitenaltäre als ein statisches „Raum-“ oder Bühnenbild ansehen kann, dessen Funktion in der Lenkung des Blicks in Richtung Hochaltar besteht. An dem multifunktionalen Charakter der Seitenkapellen (als Ort von Fürbitte, Beichte und Theater) und an der hier entfalteten Erzählästhetik führen solche Reduktionen allerdings vorbei.764 Zu den besonderen Eigenschaften des spätbarocken Sakralraumes gehört, dass das Kirchenvolk mit dem fixierten Langhausgestühl zwar einerseits auf das Allerheiligste und die Predigt ausgerichtet wird, dass ihm aber andererseits durch ein reiches Bild- und Ausstattungsinventar diverse andere Bewegungs- und Handlungsmöglichkeiten angeboten werden. Dabei ist die Hinwendung zu einer Seitenkapelle das Ergebnis eines Richtungswechsels. Folgt der Weg unter dem Langhausfresko einer Längsbewegung, die sich vektoriell am Gnadenbild und am Hochaltar orientiert, so verläuft die Hinwendung zu den Seitenkapellen quer dazu. Darüber hinaus fächern sich in Richtung der Seitenkapellen die möglichen Querbewegungen weiter auf. Choreografiert werden sie durch eine Folge von Bildern und Plastiken, die das Bewegungsverhalten umlenken. Bereits die Rand-

Sotti (Ursula- und Nothelferaltarbild) und Giosuè Scotti (Mauritius), waren schon für HOSCH 1992, S. 88, nur noch schwer zu erkennen. Sie lassen sich beim derzeitigen Zustand der Altarbilder nicht verifizieren. Vgl. SCHURR 1910, S. 102–116; SCHÖMIG 1988, S. 12. 761 PAULUS 1888, S. 181 f. 762 Überschaut man die gesamte Bauentwicklung, so scheinen die beteiligten Künstler in mehreren Arbeitsschritten einander zugearbeitet zu haben. Ein schematisches Vorgehen – etwa: erst Stuck, dann Fresken, dann Plastiken und Gemälde – scheint nach der Bauchronik unwahrscheinlich. Die Stuckarbeiten und kleineren Figuren über den Altären der Seitenkapellen scheinen so eng auf die übrigen Ausstattungsstücke wie Beichtstühle, Altäre und Altarbilder bezogen, dass eine vorgängige Ausführung des gesamten Stucks und der Putti über den Altarbildern kaum wahrscheinlich ist, zumal die in den Konzeptfragmenten geplanten Seitenkapellen nicht vollständig mit den realisierten identisch sind. Am wahrscheinlichsten ist eine Stuckierung der Seitenkapellen in zwei Schritten, zunächst gemeinsam mit dem Langhaus (1751) und dann mit der Einbringung der Restausstattung (ab 1765). 763 KÖNNER 1990, S. 438. 764 Vgl. REUTER 2002, S. 140–153; BROSSETTE 2002, S. 120–134, bes. S. 127, Abb. 55, 59, ausgehend von Hans Tintelnot und Richard Zürcher; vgl. auch BAUER 1992, Abb. 74; REUTER 2002, Abb. 119; dazu STALLA 1989, S. 73–81, über das Verhältnis des Kirchenraums zum Bühnenraum in Berg am Laim.

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Innen

216 Diagramm der Kapellenpatronate sowie der Emporen- und Kapellenfresken (NvdM)

217 Klosterkirche, Blick ins Langhaus von Westen (NvdM)

10 Seitenkapellen (1766–1771)

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218 Nördliche Seitenkapellen, von Südwesten aus betrachtet, um 1769 (NvdM)

219 Dritte nördliche Seitenkapelle, Nothelferaltar, Detail, vom Langhaus aus betrachtet, um 1769 (NvdM) 220 Johann Joseph Christian (Figuren)/Innozenz Columba (Altarbild): Nothelferaltar, (vom Langhaus aus gesehen) um 1769 (NvdM)

zonen an den Längsseiten des Langhausfreskos verlaufen quer zu der erwähnten Hauptbewegung des Langhausfreskos und geben Anlass zu einer kreisenden Kopf- und Blickbewegung. Die Kartuschen an den Längsseiten des Freskos arretieren die Querausrichtung und leiten den Blick über die Emporen- und Kapellenfresken in den Raum der Seitenaltäre. An den Eingängen zu den Seitenaltären sind unterlebensgroße Stuckfiguren platziert, die in Haltung und Gestik auf die Altäre und Altarbilder verweisen [Abb. 219–222]. Die Kapellen stellen gegenüber dem Langhaus die nächsttiefere Faltungsebene dar, gefolgt von weiteren Falten: Die von Wand und Deckenornamenten gerahmten Kapellenfresken rahmen ein von Stuckfiguren flankiertes Altarbild ein, das Teil eines Altares ist, welcher ein Reliquiar beherbergt, das die mit Stoff

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Innen

221 Johann Joseph Christian (Werkstatt?): Arzt, um 1769, Seitenkapelle Nothelfer, Langhaus Zwiefalten (NvdM) 222 Johann Joseph Christian (Werkstatt?): Arzt, um 1769, Seitenkapelle Nothelfer, Drehung der Perspektive (NvdM)

223 Johann Joseph Christian (Werkstatt?): Pestkranker, um 1769, Seitenkapelle Nothelfer, Langhaus Zwiefalten (NvdM)

224 Erste nördliche Seitenkapelle, Aureliusaltar, Kopfreliquiar und Abdeckbild (NvdM)

10 Seitenkapellen (1766–1771)

225 Franz Ludwig Herrmann: Jesus vor Kaiphas, 1770, Aureliuskapelle (NvdM)

226 Aureliuskapelle: Nicolas Guibal: Aurelius als Fürbitter der Kopfkranken, um 1768, Öl auf Leinwand, 300 x 180 cm/Meinrad von Au: Maria als Erlöserin im Paradies, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm (NvdM)

eingefasste(n) Reliquie(n) aufbewahrt, – ein kontinuierlicher Rahmungsvorgang, in dem das Rahmende eine Übergangsfigur darstellt und das Rahmende zugleich Gerahmtes ist. [Abb. 223–228]. Jede einzelne Kapelle zeichnet sich durch eine dichte Koexistenz verschiedener Bildtypen aus: Fresken (Marienleben), Stuckfiguren (Assistenzfiguren), Altarretabeln (Heiligendarstellungen), Beichtstuhlrückwandbilder (Leiden Christi), Reliquiare. Diese Bildtypen sind inhaltlich miteinander verschränkt, indem das Leben Mariens auf das Leiden Jesu hinweist und sich die Martyrien der Heiligen als Imitatio des Leidens Jesu verstehen lassen. Schon aus diesem Grund bietet es sich an, die Darstellungen nicht nur als

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Innen

227 Josephskapelle: Johann Michael Feichtmayr: Ornamentale Rahmung, 1765/ Meinrad von Au: Tempelgang Mariens, Deckenfresko, um 1768 (NvdM) 228 Aureliuskapelle, Ornament über dem Beichtstuhl (NvdM)

separate Erzählstränge, sondern zugleich auch als intertextuelle Konfigurationen zu lesen. Schließt jede Kapelle verschiedene Bildtypen zu einer räumlichen Konfiguration zusammen, so flicht der wiederkehrende Bildtyp (Stuck, Stuckplastik, Altarbild, Fresko) Kapelle um Kapelle zu einem Kranz zusammen, der sich konzentrisch um das Langhaus legt. Die einzelnen Bildtypen legen sich in un-

10 Seitenkapellen (1766–1771)

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terschiedlichen Lagen, Schichten und Orientierungen als „Paratexte“ um den „Haupttext“ des Langhausfreskos und unterstützen eine „vielgestaltige Menge an Praktiken und Diskursen“.765

10.2 Kapellenfresken: Marienleben (1766) Meinrad von Au (1712–1792), ein Schüler Spieglers, der möglicherweise schon bei den Zwiefalter Hauptfresken mitarbeitete, ist nicht der Mann starker Figuralkompositionen.766 Allerdings ist sein künstlerisches Augenmerk auch nicht darauf gerichtet. Der Rückblick auf seine vorausgegangenen Freskenarbeiten wie für die Schlosskirche und die St.-Anna-Kapelle in Haigerloch (1748/54), für die Pfarrkirche und für die Wallfahrtskirche in Pfullendorf (1750/51) sowie für die Pfarrkirchen in Wald (1753) und Sigmaringen (1758) lässt das künstlerische Interesse erkennen, diverse Architekturfragmente so mit einem umfangreichen Figurenpersonal zu verschachteln, dass sie als gleichwertige Teile einer Komposition erscheinen.767 In der Wallfahrtskapelle St. Anna in Haigerloch (1754) erreicht diese Entwicklung ihren Höhepunkt [Abb. 229].768 Von Aus künstlerisches Verfahren, Architekturfragmente montageartig zusammenzurücken und als Architekturfantasien zu präsentieren, ist bemerkenswert.769 Hierin und in der Verbindung sakraler und natürlicher Lichtquellen steht von Au dem ungefähr gleichaltrigen Künstler Gottfried Bernhard Göz (1708–1774) nahe (Habsthal, 1748; Schloss Leitheim, 1751).770 Ausgeprägter jedoch als Göz kontrastiert von Au weiche Körperbekleidungen, geschwungene Wolkenbänder und Draperien mit der harten Materialität der Architekturfragmente. Was dabei spielerisch und ohne künstlerische Anstrengung daherkommt, stellt hohe Anforderungen an das räumliche Darstellungsvermögen.

229 Andreas Meinrad von Au: Anna-Legende. Verspottung und Verkündigung, St.-Annakapelle Haigerloch, Kuppelfresko im Chor, 1754 (NvdM)

765 GENETTE 1989, bes. S. 9–21. 766 BUCK 1992, S. 37. Wenn Meinrad von Au (zeitweise) bei den Hauptfresken Zwiefaltens unter der Leitung Spieglers mitwirkte, so wohl am ehesten im Chorraum (1747). Zu der bei HOSCH 1993, S. 139, bestrittenen These, dass von Au an den Zwiefalter Fresken als Gehilfe Spieglers mitwirkte, vgl. BUSHART 1975, S. 72 f. Eine Mitwirkung Meinrad von Aus an den Zwiefalter Hauptfresken scheint nach wie vor möglich. 767 BUCK 1992; BUCK/BURI 1992, S. 163 f., 167 f., 169 f., Abb. F1–6. 768 BUCK 1992, S. 73. 769 Die „kubistische“ Organisation von Architekturfragmenten in einem Freskofeld beruht u. a. auf der Adaption der emblematischen und formalen Struktur barocker Thesenblätter. Indirekt hat Werner TELESKO 2005, S. 61–76, auf diesen Aspekt aufmerksam gemacht. Ein genauer Vergleich von Fresko und Thesenblatt scheint unter diesen Voraussetzungen lohnenswert. – In späteren Arbeiten für Rot an der Rot (1780) rückte von Au von dem hier beschriebenen Kompositionsverfahren zugunsten übersichtlicherer Figurenkompositionen ab. Vgl. BUCK 1992, S. 69–71. 770 BURI 1992, S. 20, Abb. 8.

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Innen

230 Andreas Meinrad von Au: Die Verheißung des Erlösers im Paradies, Fresko, ca. 400 x 350 cm, erste nördliche Seitenkapelle (Aurelius) (NvdM) 231 Andreas Meinrad von Au: Mariä Geburt, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, erste südliche Seitenkapelle (Agnes) (NvdM)

232 Andreas Meinrad von Au: Mariä Tempelgang, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, zweite nördliche Seitenkapelle (Joseph) (NvdM)

10 Seitenkapellen (1766–1771)

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233 Andreas Meinrad von Au: Mariä Verkündigung, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, zweite südliche Seitenkapelle (Anna) (NvdM) 234 Andreas Meinrad von Au: Mariä Vermählung, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, dritte nördliche Seitenkapelle (Nothelfer) (NvdM)

235 Andreas Meinrad von Au: Heimsuchung, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, dritte südliche Seitenkapelle (Petrus) (NvdM)

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Innen

236 Andreas Meinrad von Au: Darbringung im Tempel, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, vierte nördliche Seitenkapelle (Mauritius) (NvdM) 237 Andreas Meinrad von Au: Mariä Himmelfahrt, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, 4. südliche Seitenkapelle (Ursula) (NvdM)

238 Andreas Meinrad von Au: Signatur, Datierung und Selbstporträt, 1766 (NvdM)

10 Seitenkapellen (1766–1771)

Von Aus montageartige Verwendung von Architekturfragmenten (Mobiliar, Sockeln oder Treppenläufen) bekundet die Absicht, Bild und Realarchitektur über Rahmung und Stuck zusammenwirken zu lassen und das Bild zur realen Architektur hin zu öffnen.771 Diesem Interesse folgen auch die geschwungenen Wolkenbänder, welche die gemalte Architektur verdecken und auf den Rahmenverlauf des Bildes beziehen. Für Rahmenbezüge scheint von Aus Kompositionsverfahren besonders geeignet. Präsentieren sich in Zwiefalten die einzelnen Freskenfelder der Kapellen und Emporen als fortlaufendes Kontinuum, so reagieren sie in ihrer Farbigkeit auf Spieglers Langhausfresko [Abb. 230–237]. Mit den pastellartig abgeschwächten Farbkontrasten (altrosa, oliv, ocker, braun)772 klingt in den Kapellen- und Emporenfresken nach, was im Langhausfresko mit den sandfarbenen und dunkelbraunen Figurengruppen prominent entfaltet wurde. Umgekehrt könnte man sagen, dass die Emporen und Kapellenfresken die Ausläufer eines Wolkenwirbels darstellen, der sein Auge im Zentrum des Langhausfreskos hat. Für Meinrad von Au dürfte die Arbeit in Zwiefalten einen besonderen Stellenwert besessen haben. So signierte er im Fresko der Mauritiuskapelle („Darbringung im Tempel“) mit einem bislang übersehenen Selbstporträt, das mit demjenigen der Pfarrkirche St. Johann in Sigmaringen verwandt ist [Abb. 238].773 Die verbreitete Ansicht, dass barocke Freskenkonzepte mit Textvorlagen eher konventionell und linear umgehen, trifft wohl nicht zu.774 Die Motive spätbarocker Deckenfresken sind zwar gewissenhaft den religiösen Textvorlagen, Chroniken, Enzyklopädien und Allegorienkatalogen entnommen, aber die Verwendung der einzelnen Informations- und Texteinheiten geschieht vor dem Hintergrund ihrer Neuordnung im Raum. Karl Möseneder zeigte an Franz Maulbertschs Bibliotheksprogramm für Bruck an der Thaya (1778), dass bei der Disposition von Text- oder Bildvorlagen für ein Freskenprogramm häufig gravierende Umdeutungen vorgenommen wurden, die weniger dem Interesse einer lesbaren Verständlichkeit als einer formal plausiblen Raumsyntax geschuldet waren.775 Francesco Antonio Giorgioli vertauschte in den Deckenfresken der Klosterkirche von Rheinau (1708–1709) einzelne Sequenzen der Marienlegende.776 Ähnlich verfuhr auch Meinrad von Au bei der Disposition der Fresken für die Seitenkapellen Zwiefaltens. Diese setzen die Sequenzen aus dem Leben Mariens in springender Folge um und folgen dabei nicht der Logik des Eintritts in das Langhaus, sondern nehmen vom zentralen Gnadenbild ihren Ausgang.777 Eine linear abschreitende Bildlektüre war offenbar nicht beabsichtigt. Das Interesse bestand eher in einer raumübergreifenden Bildorganisation, deren erzählerische Höhepunkte – Marias Verheißung des Erlösers im Paradies (1)778 und Mariä Geburt/Patrozinium (2) – in der Nähe des Zwiefalter Gnadenbildes platziert sind [Abb. 230, 231]. Hierauf folgen in springender Folge nach Westen hin die Fresken Mariä Tempelgang (Josefskapelle), Mariä Verkündigung (Annakapelle) [Abb. 232 u. 233], Mariä Vermählung (Nothelferkapelle) und Mariä Heimsuchung (Petruskapelle) [Abb. 234, 235] sowie schließlich zum Eingang hin die Darbringung Jesu im Tempel (Mauritiuskapelle) und Mariä Himmelfahrt (Ursulakapelle) [Abb. 236, 237].

265

771 Zu allen Fresken der Emporen und Kapellen lieferte von Au vermutlich Ölskizzen. Zu den erhaltenen und teilweise verschollenen Concetti vgl. FRIEDLMAIER 1992, S. 157 f. – Im kompositionellen Aufbau orientieren sich Meinrad von Aus Fresken zum Marienleben bis in einzelne Details hinein an Franz Joseph Spieglers Deckenausstattung für die Prälatur von Zwiefalten (1728). HOSCH 1992, S. 81 mit Abb. auf S. 82 f., und daran (Manuskriptvorlage) anknüpfend: KOLB 1991, S. 345. Die nachträglichen Übermalungen der spieglerschen Fresken könnten möglicherweise durch von Au ausgeführt worden sein. Die rosenkranzähnliche Verbindung von Marienleben und Passion im Deckenprogramm der Prälatur deutet an, dass wohl auch in den Seitenkapellen von Zwiefalten die Passionsbilder über den Beichtstühlen und die Deckenbilder der Seitenkapellen in lockerer Beziehung zueinander stehen. Spätere Arbeiten von Aus mit gleichem Thema (vgl. BUCK 1992, S. 54 f.) dürften in Spieglers Werk für die Prälatur ihre Wurzeln haben. 772 Zum Kolorit der Fresken von Aus in Zwiefalten vgl. HALDER 1992, S. 113. 773 ISPHORDING 1997, S. 38–42, 53–59, Abb. 10, 40–42. Sowohl Meinrad von Au als auch Gottfried Bernhard Göz dürften sich um 1740 in Augsburg aufgehalten haben und vom dortigen Akademierektor Johann Georg Bergmüller (1688–1762) beeinflusst worden sein. Vgl. ISPHORDING 1997, S. 13; BUCK 1992, S. 39. 774 Vgl. TELESKO 2005, S. 93–104, mit Einschränkungen S. 128. 775 MÖSENEDER 1993, S. 89–92. 776 Elisabeth KELLER-SCHWEIZER 1997, S. 115–130. Ihre Analyse des Rheinauer Freskenprogramms geht auf diesen Sachverhalt nicht ein und sieht die Fresken (bes. S. 118) ganz im Dienste der Textillustration. Insgesamt unterliegt die Verknüpfung von Passion und Marienlegende in Rheinau einem ähnlichen Narrationsmodell wie in den Seitenkapellen von Zwiefalten. 777 HALDER 1992, S. 112. 778 Das Fresko wurde als „Maria als Erlöserin im Paradies“ gedeutet (HALDER 1992, S. 112). Die Attribute Weltkugel und Schlange, dann die Stammeltern sowie Abraham und Sarah (die typologisch für die genealogische Kontinuität und für die Unterbrechung der Erbschuld durch Maria stehen), schließlich der Heilige Geist kennzeichnen sie hier als Immaculata, wie sie oft in Marienzyklen zur Eröffnung auftritt (vgl. Chorgestühl von Zwiefalten oder J. C. Stauder [zugeschrie-

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Innen

ben]: Maria Immaculata, ehemaliges Altarblatt in der Wallfahrtskirche Baitenhausen, in: KATALOG 1981, Bd. 1, S. 120 f., A 88). Die Verbindung mit der Trinität zeigt freilich eine – wenn auch nicht einmalige – Erweiterung des Themas. Auch die Platzierung von Jesus auf dem Schoß der Purissima ist nicht neu, sondern etwa in Francesco Vannis Altarbild der Kathedrale von Montalcino (1588) zu finden. Die Kontextualisierung der Immaculata geht auf italienische Vorbilder zurück. 779 Herrmann lernte bei seinem Vater Franz Georg Hermann in Ettal und besuchte im dortigen Stift die „Adelige Akademie“. 1751 trat er als Hofmaler in die Dienste des Fürstbischofs Franz Konrad von Rodt (1751–1775). Vgl. SCHARRER 2001, S. 16–20. Die beiden Altarbilder für die Klosterkirche in Rheinau („Martyrium der hl. Theodora“ und „Martyrium des hl. Deodatus“, beide 1750) fallen unmittelbar in die Zeit des Zwiefalter Konzeptentwurfs für die Seitenkapellen und könnten deshalb Anlass für den Auftrag gewesen sein. Von Johann Georg Bergmüller, ebenfalls für die Ausstattung der Zwiefalter Seitenkapellen vorgesehen, finden sich gleichfalls Altarbilder in der Rheinau. Vgl. ONKEN 1997, S. 103–114. Zu den übrigen Werken Herrmanns gehören die Freskierung der ehemaligen Propsteikapelle Mammern (Kanton Thurgau, 1749) im Auftrag des Benediktinerklosters Rheinau, die 18 Gelehrtenbildnisse (1752), der 45-teilige Benediktszyklus (1762) und die Kuppelausmalung in Bernhardzell (1778). Für die Benediktinerklöster Rheinau, Zwiefalten, St. Peter/ Schwarzwald, St. Ulrich und Muri arbeitend, erhielt Herrmann von keinem anderen Orden ein vergleichbares Auftragsvolumen. Vgl. die Werkverzeichnisse bei SCHARRER 2001, S. 23–29; FREIVOGL 1987, S. 500. 780 Das Altarbild mit dem Tod des hl. Benedikt im südlichen Querhaus und die Rückwandbilder der Grottenbeichtstühle sind ebenfalls von Herrmanns Hand und fallen wohl in dieselbe Entstehungszeit (um 1770). Im südlichen Rückwandbild des Grottenbeichtstuhls, unmittelbar hinter der vorderen Mönchsgruppe, findet sich die Figur eines Malers oder Architekten, die wohl ein Selbstporträt Herrmanns ist [vgl. Abb. 79]. Vgl. hierzu die anderen Selbstporträts bei SCHARRER 2001, Abb. 3, 4. Für den Tod des hl. Benedikt griff Herrmann auf eigene ältere Versionen für St. Peter und auf eine Arbeit seines Vaters für das Kloster Ettal zurück. Vgl. SCHMIDT 1993, S. 66, Abb. 20; SCHARRER 2001, S. 16. 781 Mit seinen flächigen Figurenkompositionen

239 Franz Ludwig Herrmann: Jesus vor Kaiphas, Aufsatzbild über dem Beichtstuhl, Aureliuskapelle (NvdM)

10.3 Beichtstuhlaufsätze (1770): Imitatio Christi Der fürstbischöfliche Konstanzer Hofmaler Franz Ludwig Herrmann (1723– 1791)779 war in der ersten Skizze zur Aufstellung der Altäre (um 1750) zunächst für die Altarblätter der hll. Stephan und Agnes, möglicherweise auch für Aurelius und Agnes vorgesehen. Dass man ihn schließlich mit den Gemälden für die Grottenbeichtstühle und für das Altarblatt des südlichen Querhausaltars sowie mit den Beichtstuhlrückwandbildern in den Seitenkapellen beauftragte, mag ein Grund dafür gewesen sein, dass die Altarbilder letztlich von anderen Künstlern ausgeführt wurden.780 Was Herrmann 1770 mit seinen acht Passionsbildern für die Seitenkapellen lieferte, ist hinsichtlich der kompositorischen und figürlichen Qualität eher schwach: dicht übereinandergestellte Figurengruppen mit übermäßig geröteten Gesichtspartien inmitten schematischer und unübersichtlicher Architekturkulissen [Abb. 239].781 Offenbar war ein klassizistisch-strenger Aufbau beabsichtigt, letztlich wirkt dieser aber anachronistisch. Der Farbpalette nach zu urteilen, folgte Herrmann hier wohl den Wünschen seiner Auftraggeber. Wie die Altarretabel, so orientieren sich auch die Passionsbilder im Grundton ihres Kolorits am farblichen Gesamtrhythmus der Seitenkapellen, der von Osten nach Westen

10 Seitenkapellen (1766–1771)

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beidseitig in der Folge altrosa – oliv – altrosa verläuft und so auf die Farbskala der Stuckmarmorsäulen des Langhauses Bezug nimmt. Doch weniger als die Passionsbilder selbst schöpfte deren Integration in das Gesamtgefüge der Seitenkapellen die maximalen Möglichkeiten aus: Der Stuckaufsatz über den Beichtstühlen verbindet diese mit den Bildaufsätzen als zusammengehörige Einheit, sodass das Leiden Christi sozusagen als „Überbau“ des individuellen Schuldbekenntnisses erscheint. Für die Abfolge der Passionsbilder war Herrmann kaum verantwortlich. In veränderter Weise wiederholt sie den springenden Narrationsverlauf der Kapellenfresken, beginnt allerdings versetzt in der südöstlichen Seitenkapelle. Mit dem versetzten Auftakt der Passionsbilder gewinnt die raumübergreifende Narration an Komplexität: Sie widersetzt sich dem Lektüreversuch, Marienlegende und Passionsgeschichte in einer einzigen Raumbegehung zu durchlaufen. Stattdessen disponiert sie über eine verwickelte Eigenbewegung des Betrachters die imaginative Belebung des Dargestellten – sei es als Spiegelung einer Handlung, die den Gang in den Beichtstuhl begleitet, sei es als Bewegung zwischen den Seitenkapellen, die dem Leidensweg als Eigenbewegung folgt. In ihrer Gesamtheit erscheinen die Passionsbilder als belebte Handlung, die über die Eigenbewegung synthetisiert wird. Vorstellungen vom guten Leben als Kreuzweg („vita boni ... crux est“) begründen die Anwendung der Eigenbewegung auf den Passionsweg.782 Im Abschreiten der Kapellen verflechten sich der Leidensweg Jesu (Beichtstuhlrückwandbilder) und der Lebensweg Mariens (Kapellenfresken). Aneignung ist hier als ein doppelter Weg der Imitatio zu verstehen. Das Gehen durch den Raum beruht auf einer „Rhetorik des Gehens“, die eine eigentliche (physische) und eine uneigentliche (metaphorische) Komponente besitzt. Uneigentliches Gehen wird als Imitatio fassbar, die sich durch die eigentliche Bewegung in den Körper einschreibt.

10.4 Altarordnungen (1769/70) Die historische Rekonstruktion der verschiedenen Altarstellungen in der Kirche kann als Bewertungsgrundlage für ein verändertes Reliquienverständnis aufgefasst werden. Aus Anlass der „renovationes“ von 1680 wurde der spätmittelalterliche Bau mit einer nördlich angesetzten Kapellenreihe versehen.Vergleicht man die Altarpatrozinien vor und nach 1680, so war eigentlich nur ein Patrozinium hinzugekommen: jenes des hl. Josef, dessen Verehrung seit dem frühen 17. Jahrhundert wachsende Popularität genoss.783 Neben dem Raumgewinn bildete sich im romanischen Bau von 1680 die Tendenz aus, den Heiligen- und Reliquienbestand stärker im Langhaus ad populum zu adressieren.784 Hierzu wurde das Patrozinium der Hl. Dreifaltigkeit jetzt doppelt vergeben (Chor und Langhaus). Ferner wurden ein Allerheiligenaltar, Altäre für die hll. Benedikt und Scholastika sowie für den hl.Wolfgang aus der Chorapsis und den alten Nebenapsiden in die neuen Seitenaltäre verlegt. Der Kirchenbesucher des späten 17. Jahrhunderts traf somit auf einen breit auf siebzehn Altäre verteilten Reliquienbestand.

und statischen Architekturkulissen unterscheidet sich Herrmann deutlich von zeitgleichen Malern wie Nicolas Guibal oder zuvor Jacob Carl Stauder. Die Gründe dafür sind noch nicht hinreichend geklärt. Möglicherweise sind sie aber nicht in einem mangelnden Vermögen zu suchen, sondern in einer bewussten Entscheidung, das Thema als historisches Ereignis darzustellen und zu diesem Zweck auf altdeutsche Vorbilder zurückzugreifen. Als Argument mag der Vergleich eines Marientods von Hans Holbein d. Ä. aus der Öffentlichen Kunstsammlung Basel dienen, aus dem Herrmann für den Tod Benedikts einzelne Motive eins zu eins übernahm. Weitere Argumente finden sich bei FREIVOGL 1987, S. 503, 506. 782 Vgl. WARNCKE 1993, S. 81–105. 783 Vgl. HALDER 1990, S. 203, sowie die Bemerkungen im folgenden Kapitel. 784 Konzeptentwurf AL, um 1750. Das wachsende Raumbedürfnis führte im 17. Jahrhundert in vielen Kirchen zum Abbruch von Nebenaltären. Vgl. SCHNEIDER 1999, S. 86.

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Innen

Langhausaltäre (1680)785 Norden (Evangelienseite)

785 Nach HALDER 1990, S. 200 f., auf der Grundlage von METTLER 1932, S. 236, 255 f., mit Korrekturen. 786 Hierbei folgte man letztlich dem alten Vorbild der Mutterkirchen der Jesuiten (Il Gesù, San Ignazio) und der Priestergemeinschaft der Oratorianer (Chiesa Nuova). Vgl. zusammenfassend von ENGELBERG 2005, S. 65–72. 787 Kopf und einige Gebeine des armenischen Bischofs waren die Hauptreliquie des (1647) aufgehobenen Mutterklosters Hirsau. Sulger (II) 1698, S. 344–350. Die Reliquien wurden am 1. April 1690 von Hechingen nach Zwiefalten übertragen. HOLZHERR 1887, S. 141 f. Noch bis 1830 wurde in Zwiefalten die Hilfe des hl. Aurelius bei Kopfkrankheiten angerufen. Vgl. auch SCHURR 1910, S. 113. 788 Vgl. LINDNER 1910, S. 7; SCHURR 1910, S. 104. Die Kopfreliquie der hl. Agnes stammte aus dem 1535 aufgehobenen Kloster Alpirsbach. Vgl. auch SULGER (II) 1698, S. 243 f. 789 Beides Armreliquien. Die Armreliquie der hl. Justina bildet den ältesten Reliquienschatz des Klosters. Seit dem 13. Jahrhundert ist sie in das Reliquienverzeichnis (Cod. theol. et phil. 8° 70) von Zwiefalten aufgenommen, zu diesem Zeitpunkt noch ungefasst. Spilling 1992, S. 3, 70. Vgl. auch DEO GRATIAS 1690, S. 104. Zur Armreliquie des hl. Mauritius vgl. SPILLING 1992, S. 16. 790 SULGER (I) 1698, S. 111 f. 791 Ein Geschenk der Erzherzogin Salome von Polen, die in der Geschichte des Klosters als Reliquienschenkerin eine zentrale Rolle einnimmt. In den mittelalterlichen Nekrologen Zwiefaltens wird sie als „mater Zwivildensis congregationis“ geführt. Vgl. SPILLING 1992, S. 4, 25. 792 Zur Kreuzreliquie vgl. SULGER (I) 1698, S. 92 (zum Jahr 1138), und SPILLING 1992, S. 9. 793 SPILLING 1992, S. 49.

Süden (Epistelseite)

1. Johannes d. T. & Ev.

1.’’ Engel & Dreikönige

1.’’’ Blasius & Nothelfer

1.’ Dreifaltigkeit

2. Petrus

2.’’ Anna & Joachim

2.’’’ Jakobus & Apostel

2.’ Stephanus

3. Paulus

3.’ Benedikt & Scholastika

4. Maria

4.’ Allerheiligen

5. Laurentius & Märtyrer

5.’ Josef

6. Kreuz Helena, Unschuldige Kinder

6.’Wolfgang

7. Sebastian & Vinzentius

Der spätbarocke Neubau führte zu einer Neuaufteilung der Reliquien. Schon im ersten Konzept zur künftigen Altaraufstellung wurden die Altarpatrozinien neu geordnet und vereinfacht. Damit einher gingen eine Reduktion der Anzahl der Seitenkapellen und eine Ordnung des früheren „Reliquiendschungels“.786 Angestrebt war nun nicht mehr eine maximale Präsenz an Reliquien, sondern ein kalkuliertes Programm nach Maßgabe höchster Wirkungsentfaltung. Entwurf für das Langhaus (um 1750) Norden (Evangelienseite)

Süden (Epistelseite)

1. Aurelius

1’. Mission der Apostel

2. Anna

2’. Johannes der Täufer

3. Agnes

3’. Justina

4. Ursula & Gefolge

4.’ Mauritius & Gefolge

Schon das Konzept kündigte an, dass dem jüngsten Erwerb der Reliquien der hll. Aurelius (1690)787 und Agnes (um 1695)788 mit ihren renommierten Provenienzen Hirsau und Alpirsbach eine leitende Rolle zukommen sollte. Auch die zu den ältesten „Bollwerken“ des Klosters zählenden Reliquien der hll. Justina (1089) und Mauritius (1150)789 sowie die Korpora zweier ursulanischer Jungfrauen (1143)790 sollten im Kranz der Seitenkapellen wieder eine Aufstellung finden. Für die Hand des hl. Stephanus (1140)791 und für die Kreuzreliquie (1126)792 waren repräsentative Plätze im Querhaus vorgesehen. Dass Johannes der Täufer neben Maria der älteste Patron des Klosters war, spielte bei der Neukonzeption der Altaraufstellung eine wichtige Rolle.793 In der realisierten Aufstellung wurde Johannes jedoch zugunsten eines Patroziniums des hl. Petrus gestrichen. Ebenso wurde der Altar der Apostelmission durch einen den populär gewordenen Nothelfern geweihten Altar ersetzt.

10 Seitenkapellen (1766–1771)

Langhaus, Ausführung (1766–1770) Norden (Evangelienseite)

Süden (Epistelseite)

1. Aurelius

1’. Agnes

2. Josef

2’. Anna

3. Nothelfer

3’. Petrus

4. Mauritius & Gefolge

4.’ Ursula & Gefolge

In der letztlich realisierten Altaraufstellung besetzen die jüngsten Reliquienankäufe die vordersten Ränge [Abb. 216, 217]. Insgesamt bemühte man sich um eine paarweise Anordnung, die sich in der Regel an einer Geschlechtertrennung nach Evangelisten- und Epistelseite orientierte. Die Farbgebung der Kapellen und Altarbilder trägt dieser raumübergreifenden Paarbildung (abwechselnd altrosa und oliv) Rechnung. Auf das Reliquienpaar Aurelius und Agnes aus den benediktinischen Reformklöstern Hirsau und Alpirsbach folgen mit Josef und Anna zwei nächste Angehörige Mariens. Mit dem aus der Gruppe herausfallenden Paar Nothelfer und Petrus reagierte man vermutlich auf aktuelle Bedürfnisse. Aber auch hier scheinen Petrus als Fundament der Kirche und die Nothelfer als Adressaten der Fürbitten in allen Lebenslagen programmatischen Charakter zu besitzen. Das Schlussglied bilden die durch Mauritius und Ursula samt Gefolge repräsentierten Streiter und Märtyrerinnen Christi. Hirsauische Reformtradition, Marienprogrammatik, Ecclesiathematik und Märtyrergemeinschaft sind somit die Leitthemen des neuen Kapellenprogramms. Die mit dem neuen Kapellenprogramm angestrebte Verschiebung der internen Klostertradition in Richtung einer klosterübergreifenden Traditionsbildung ist nicht zu übersehen.Wie man im Querhaus mit den Katakombenleibern (Exuperia und Vitalis) an die frühchristlichen Wurzeln erinnerte und dabei Rom nach Schwaben transferierte, so vergegenwärtigte man durch Aurelius und Agnes die Anfänge der benediktinischen Reformverbände im süddeutschen Raum. Andere Heilige, die zur langen Tradition des Zwiefalter Konventes gehörten, mussten weichen. So scheint es erstaunlich, dass die älteste Reliquie des Klosters, die der hl. Justina, welche der Legende nach die Gründungsmönche beim Einzug in die Pfarrkirche vorfanden, aus dem Kapellenprogramm gestrichen wurde. Auch das althergebrachte Patronat Johannes des Täufers wurde durch ein populäres Josefspatrozinium ersetzt. In den überwiegenden Fällen bevorzugte man eindrucksvolle Reliquien (Köpfe, Arme oder ganze Leiber) gegenüber den alten und traditionsreichen Splittern.Vor allem dürfte bei der Neuordnung der Patrozinien auch ein historisches Bewusstsein um die Provenienz eine gewichtige Rolle gespielt haben. Die teilweise rigide Revision der klostereigenen Tradition zugunsten neuer Zeigepraktiken mag auf den ersten Blick überraschen. Sie erlaubte es aber, die klostereigene Geschichte weitaus tiefer in der christlichen Tradition wurzeln zu lassen. Überdies lag sie ganz auf der Linie einer auf Wirkung angelegten Inszenierung und Programmatik. Allem voran gilt dies für die Zwiefalter Gnadenmadonna selbst. Mit der „Überarbeitung“ von 1756 und ihrer prunkvollen Rahmung rückte man die Rolle der Gnadenmadonna als Imago Thaumaturga erstmals ins Licht.794 Die schützende Funktion sollte nicht allein

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Innen

aus ihrem Bild selbst, sondern auch durch ihre raumübergreifende Inszenierung sichtbar werden. Mit dem neuen Altarprogramm gelang es dem Zwiefalter Konvent, die Neubestimmung der Tradition geschickt mit den zeitgenössischen Bedürfnissen zu verbinden. Hierzu gehörte der personalisierte Dialog zwischen Gläubigen und Heiligen, für den nach wie vor ein reiches Angebot an persönlichen Fürsprechern zur Verfügung stand. Fürbittende Heilige für Männer, Frauen, Familien und für alle Lebenslagen waren vorhanden. Dagegen waren private Stifteraltäre oder Altäre für einzelne Bruderschaften nicht in den Seitenkapellen des spät­ barocken Baus zu finden. Die Altäre adressierten sich damit an das gesamte Kirchenvolk. Blickt man in den Raum, so scheint es, als sei die Bedeutung der sichtbaren Reliquie gegenüber ihrer Inszenierung in den Hintergrund getreten. Ob diese Veränderung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit einer zurückgehenden Bedeutung der Reliquie zusammenhängt, kann hier nicht beantwortet werden. Noch in den Festpredigten der Sechshundertjahrfeier (1689) wurde unermüdlich auf die Bedeutung des Reliquienschatzes für den Zwiefalter Sakralraum hingewiesen und wurden die heiligen Leiber und Gebeine als „kostbare Bollwerck-Schantzen“, als „unüberwindliche Thürm, gebaut auf die Marianische Maur“, gepriesen. An anderer Stelle werden sie als „Marianische Brust“ charakterisiert, „daraus wir die süsse / liebliche Milch der Göttlichen Gaben und Gnaden zu saugen haben“.795 Bilder wie diese stimmen mit der noch bis ins frühe 18. Jahrhundert geltenden Vorstellung von einer Nobilitierung des Gotteshauses als Schatzkammer der Reliquien überein.796 Hundert Jahre später war in Zwiefalten von alldem nichts mehr zu hören. In den überwiegend apologetischen Predigten von 1789 ist den Predigern die Erwähnung des Reliquienschatzes bloß noch eine Marginalie wert.797

10.5 Lesbarkeit und Typologie (Josefskapelle)

794 PAULUS 1888, S. 187. 795 DEO GRATIAS 1690, S. 97. Vgl. auch ebd., S. 20, 109–111. 796 Die Schreine der Reliquie sah man durch die Arca foederis, also durch die alttestamentliche Bundeslade, präfiguriert. HAWEL 1987, S. 119, 286 f. 797 JUBELFEIER 1789, S. 42. 798 Zur Beschreibung der Altarblätter KREUZER 1964, S. 36–52.

In den drei vorausgegangenen Teilkapiteln wurden die Altäre, Kapellenfresken und Passionsbilder in ihrer Abfolge und Gesamtkonstellation betrachtet. Die folgenden beiden Teilkapitel werden sich dagegen den Binnenkonstellationen innerhalb einer Kapelle zuwenden und nach dem Verhältnis von Lesbarem (Symbolen, Allegorien, Zeichen) und Sichtbarem (Figuration, Materialität, Ornamentalisierung) fragen.798 Oben [vgl. Kap. 10.1] wurde Gérard Genettes Begriff des „Paratextes“ aufgegriffen, um die Beziehung der Seitenkapellen zum Langhaus zu charakterisieren. Für eine allgemeine Bestimmung ist dieser Begriff angemessen, in seiner einseitigen Betonung einer Bildkonstellation als Text scheint er jedoch zu undifferenziert. Am Beispiel der Josefskapelle sollen zunächst die Reichweite des Lesbaren und eine Deutung des Raumes als Text erkundet werden. Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass Bedeutung sich dann einstellt, wenn die Textreferenz aufgerufen wird und in ihrer Konstellation mit anderen Referenten erkannt

10 Seitenkapellen (1766–1771)

ist. Das folgende Kapitel (10.6) wird diese Auffassung relativieren und nach den Konsequenzen fragen, die sich aus einer Verschränkung von Lesbarem und Sichtbarem ergeben. Man könnte auch von einer materialen Komponente (und ihrer Sichtbarkeit) einerseits und einer lesbaren, zeichenhaften Komponente andererseits sprechen oder die Begriffe „Text“ und „Textur“ heranziehen, um deren Verflechtung es im Folgenden gehen wird. Ernst Kreuzers Beobachtung, dass die Gemälde der Zwiefalter Seitenaltäre für sich genommen „wenig verrätselt“ seien, Altarbekrönung und Skulpturenschmuck indessen größere Fragen aufwürfen, ist einseitig.799 Da die Altarbekrönungen räumliche Kommentare der Altarblätter sind, schließt die „Rätselhaftigkeit“ jener die Bedeutung dieser mit ein. Innozenz Columbas Altarblatt für den Josefsaltar zeigt den hl. Josef nach dem Typus des Nährvaters (pater nutritius, nutritor domini) in enger und liebevoller Beziehung zum Jesuskind [Abb. 237, 238].800 Die Darstellung einer intimen Nähe zum Jesusknaben geht auf eine Bildtradition des frühen 16. Jahrhunderts zurück.801 Blaues Übergewand, gelber Unterwurf, ausschlagender Stab (Jak 8,2), Lilie und die Werkzeuge des Zimmermanns (Säge,

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240 Josefsaltar mit dem Altarblatt von Innozenz Colomba (1769) und den Stuckfiguren (1768/69) von Johann Joseph Christian und Werkstatt und dem Stuckaufsatz von Johann Michael Feichtmayr (NvdM) 241 Innozenz Columba: Joseph mit dem Jesuskind, 1769, Altarblatt für den Josefsaltar, Öl auf Leinwand, 300 x 180 cm (NvdM)

799 KREUZER 1964, S. 37. 800 Das Nährvaterverständnis geht auf seit dem 9. Jahrhundert auftauchende Bildformeln zurück, die Josef als Windeltrockner, Brei- oder Muskocher zeigen. Vgl. HEUBLEIN 1998, S. 110–112. 801 HEUBLEIN 1998, S. 188; TRAEGER 1997, S. 60–69.

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242 Johann Joseph Christian (Werkstatt): Stuckfigur Hungernder Ägypter/Bruder Josephs, um 1768/69 (NvdM) 243 Johann Joseph Christian (Werkstatt): Stuckfigur Pharao/Joseph als König, um 1768/69 (NvdM)

802 HEUBLEIN 1998, S. 188. Vgl. zum ausschlagenden Stab das apokryphe Jakobusevangelium. 803 Nach Auskunft von Erich Schäfer könnte sich hinter dem Vorsatzbild eine Reliquie der seligen Elisabeth von Reute („gute Beth“) befunden haben, die während des Zweiten Weltkrieges jedoch entfernt wurde. Elisabeth von Reute (1386–1420) wurde im Jahr 1766 seliggesprochen. Ihre Bildformel orientiert sich an jener der hl. Teresa von Ávila (Dornenkrone und Hostie). Diese war eine glühende Josefsverehrerin. Gabor HEVENESI 1692, S. 224, legt ihr in seiner Vita Josephi die Worte in den Mund: „Ich erwählte mir, zu meinem Fürsprecher, und Schutz-Herrn den glorwürdigen H. Vatter Joseph, und befahle mich ihme sehr: hab auch klärlich gesehen, dass dieser mein H. Vatter und Herz, mich sowol aus, als andern noch grösseren Nöthen, darauff mein Ehr und meiner Seelen Verlust stunde errettet hat ...“ Vgl. auch TERESA VON AVILA 1973, S. 66: „Zum einem Fürsprecher und Herrn erwählte ich den glorreichen heiligen ­Joseph und empfahl mich ihm recht inständig.“ 804 SCHURR 1910, S. 113, im Gegensatz zur späteren Interpretation von KREUZER 1964, S. 42. – Die Bestimmung der Stuckfiguren in den übrigen Seitenkapellen wurde teilweise kontrovers diskutiert; sie lässt sich aber weitgehend klären. Versuchsweise seien hier die folgenden Zuweisungen für die übrigen Stuckfiguren angegeben (teilweise im Unterschied zu SCHURR 1910, S. 102–116; KREUZER 1964, S. 37–53; HUBER 1960, S. 80, übernimmt die Benennungen nach Schurr). Nördliche Seitenaltäre: 1. Aureliusaltar: rechte Figur: Arius (im Gelehrtenmantel mit Buch „Pater Major me est XIV 28 vers“ nach Joh 14,28: „Denn der Vater ist größer als ich“; Werkstattarbeit?), linke Seite: Fides/Glaube (Werkstattarbeit?). Die dem Bildprogramm offensichtlich zugrunde gelegte Klangähnlichkeit zwischen „Aurelius“ und „Arius“ ist weder etymologisch noch historisch haltbar. Sie erlaubt es jedoch, die im Retabel gezeigte Heilung

Winkel, Axt) sind Teil des josefologischen Bilderkanons.802 Sie charakterisieren den Heiligen als Patron der Familien (Nährvater) und der Handwerker (Zimmermann), aber auch als fruchtbaren (Stab) und keuschen (Lilie) Bräutigam der Gottesmutter und der Kirche. Das Altarbild führt einen Dialog mit seiner nächsten Umgebung: den Figurationen aus Stuck. In der Nachverfolgung dieses Dialoges wird der hl. Josef als die typologische Erfüllung einer alttestamentlichen Präfiguration erkennbar. Am Fuß des Bildes ruhen zwei dem Goldrahmen entwachsende Engelsputti. Sie deuten auf das von Bernhard Neher d. Ä. gemalte Reliquienvorsatzbild mit einer Darstellung Teresas von Avila, welche sich als große Verehrerin des hl. Josef verstand („empfahl mich ihm recht inständig“:Teresa von Avila, Libro de la vida 6, Nr. 7).803 Zur Linken und Rechten des Altarbildes verweisen zwei unterlebensgroße Stuckfiguren [Abb. 240–243] auf den hl. Josef im Altarbild. Die Literatur erkennt in diesen die Figuren eines Pharaos und eines hungernden Ägypters.804 Ebenso gut könnte es sich aber nach Gen 37,7–8 auch um Joseph als König (rechts) und um einen Bruder Josephs in der Gestalt eines bedürftigen Pilgers handeln (links).805 Mit der Deutung der Figuren als König/Pharao (rechts) und als Josephsbruder/Ägypter (links) ist die alttestamentliche Josephsgeschichte aufgerufen. Sie wird mit der Altarbekrönung auf emblematische Weise in Erinnerung gerufen, wobei die Symbole und Putti als Traumelemente des schlafenden Joseph erscheinen [Abb. 244]. Die kreisförmig angeordneten Sterne unter den Emblemen von Sonne und Mond beziehen sich auf diesen Traum (Gen 37,9), in dem sich die Sterne auch als die Stämme Israels bzw. als die Brüder Josephs verstehen lassen.806 Auf diese Weise wird die Beziehung zwischen dem hl. Josef und Jesus (als Söhnen Davids und Jakobs, Mt 1,1–17; 1,20) in die genealogische Tradition Josephs, des

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Ernährers Ägyptens, und der Söhne Israels gestellt. Die zum Bild hingewendeten Putti in der Altarbekrönung tragen die Zeichen der Verheißung: ganz links ein Putto mit einem goldenen Vlies, dem Würdezeichen des stellvertretenden Pharaos. Ihm folgt ein weiterer Putto mit beschriebenem Fähnchen („Alimenta Gen XLI 55“807). Auf der gegenüberliegenden Seite hält ein Genius Schlüssel und Zepter bereit, Insignien der Herrschaft Josephs über Ägypten und dessen Kornspeicher. Zwei weitere Putti tragen Ährenbündel und verweisen auf die schon erwähnte Textstelle der Traumdeutungen des jungen Joseph nach Gen 37,7–8. Sonne und Mond über der Altarbekrönung formulieren nicht nur Motive des Traumdeuters und des träumenden Joseph. Sie assoziieren den alttestamentlichen Joseph auch mit dem schlafenden hl. Josef des Neuen Testaments, der im Traum von einem Engel Weisungen erhält (Mt 1,20–25; 2,13–14; 2,20). Ein farbig gefasster Genius bildet den krönenden Abschluss und ragt über den geöffneten Goldrahmen in das Deckenfresko hinein. Ein opulenter Vorhang mit weiteren Genien im Fresko nimmt die Bewegung des Altarauszugs auf. Bundeslade (arca testamentis) und Gesetzestafeln im linken Freskofeld gehören in der Tempelgangsdarstellung zur marianischen Typologie: Die Bundeslade birgt die Gesetzestafeln wie Maria in ihrem Leib den Gottessohn. Die Heilige Familie vervollständigt sich so in einem typologischen Lese- und Deutungsprozess.

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244 Johann Michael Feichtmayr: Altaraufsatz über dem Josefsaltar, um 1769/70 (NvdM)

der Kopfkranken und „Irrsinnigen“ durch Aurelius mit dem „Irrlehrer “ in Beziehung zu bringen. In diesem Sinn sind auch die Worte auf dem von Engeln gehaltenen Buch zu verstehen: „Et eiciebat spiritus verbo et omnes male habentes curavit Math.o 8“ – „Er trieb die bösen Geister aus durch das Wort und heilte alle Kranken (Mt 8,16)“. 2. Josefsaltar: rechte Seite: Pharao/ König, linke Seite: hungernder Ägypter/Bruder Josephs (vgl. Christians Joseph aus dem gleichnamigen Altar in Ottobeuren). 3. Nothelferaltar: rechte Seite: orientalischer Arzt (Avicenna?), linke Seite: Pestkranker. 4. Die medizinische Heilung, die sich in den Nothelfern heilsgeschichtlich erfüllt, bildet das übergreifende Thema des Mauritiusaltars: rechte Seite: Miles Christi (Werkstattarbeit?), linke Seite: Fortitudo/Tapferkeit (Buch: „JHS Estote Fortes 2 Reg: C 13r, nach 2 Sam 2,7; Werkstattarbeit?). Südliche Seitenaltäre: 5. Agnesaltar: rechte Seite: Hirtenengel mit Hirtentasche (wohl anspielend auf die Stelle in der Legenda aurea 1963, S. 134: „... ich habe bei mir einen Hüter meines Leibes,

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den Engel des Herrn“), linke Seite: Caritas/ LIEBe (einen Putto der weltlichen LIEBe beiseitestoßend). Agnes als Braut und ihre mit dem Lamm in Verbindung gebrachte Namensbedeutung stellen das Leitmotiv des Altares dar. 6. Annaaltar: rechte Seite: Engel des Herrn (nach dem Protoevangelium des Jakobus 4,1, Buchinschrift: 112 (113),9: „Qui habitare facit sterilem in domo matrem filiorum laetantem“ – „Die Frau, die kinderlos war, lässt er im Hause wohnen“), linke Seite: David mit der Harfe. 7. Petrusaltar: rechte Seite: Der Zauberer Simon Magus (Werkstattarbeit?), anspielend auf die Begegnung zwischen Simon Magus und [Simon] Petrus nach Apg 8,18–25 und Legenda aurea 1963, S. 428–432, 910; linke Seite: Ecclesia. Wie im Aurelius- und im Josefsaltar wird auch im Petrusaltar von einer der Typologie zugrunde gelegten Namensverwandtschaft ausgegangen. 8. Ursulaaltar: rechte Seite: Kluge Jungfrau mit brennender Öllampe als Braut Christi, linke Seite: Christus als Bräutigam. 805 Gen 37,7–9: „Mich deuchte, wir banden Garben auf dem Felde, und meine Garbe richtete sich auf und stand, und eure Garben umher neigten sich vor meiner Garbe. Da sprachen seine Brüder zu ihm: Solltest du unser König werden und über uns herrschen? Und sie wurden ihm noch feinder um seines Traumes und seiner Rede willen. Und er hatte noch einen andern Traum, den erzählte er seinen Brüdern und sprach: Siehe, ich habe einen Traum gehabt: Mich deuchte, die Sonne und der Mond und elf Sterne neigten sich vor mir.“ 806 Vgl. Gen 37,5–9: „Dazu hatte Joseph einmal einen Traum und sagte zu seinen Brüdern […]: Höret doch, was mir geträumt hat: Mich deuchte, wir banden Garben auf dem Felde, und meine Garbe richtete sich auf und stand, und eure Garben umher neigten sich vor meiner Garbe. Da sprachen seine Brüder zu ihm: Solltest du unser König werden und über uns herrschen? […] Und er hatte noch einen andern Traum, den erzählte er seinen Brüdern und sprach: Siehe, ich habe einen Traum gehabt: Mich deuchte, die Sonne und der Mond und elf Sterne neigten sich vor mir […].“ 807 Gen 51,55: „Da ganz Ägypten Hunger hatte, schrie das Volk zum Pharao nach Brot. Der Pharao aber sagte zu den Ägyptern: Geht zu Joseph! Tut, was er euch sagt.“ Auf Lateinisch lautet die Textstelle: „Qua esuriente clamavit populus ad Pharaonem alimenta petens, quibus ille respondit: Ite ad Ioseph et quicquid vobis dixerit facite.“

Die typologische Beziehung zwischen dem alttestamentlichen und dem neutestamentlichen Joseph/Josef wurde von der patristischen und scholastischen Literatur (Hieronymus, Augustinus, Bernhard von Clairvaux, Rupert von Deutz, Bonaventura und Jean Gerson) variantenreich ausbuchstabiert. Sie findet ihre Ausarbeitung in der Gegenüberstellung des Nährvaters Ägyptens und des Nährvaters Jesu und erfährt ihre Engführung in der Metaphorisierung des Gottessohns als „Brot des Lebens“ (Joh 6,35). Dabei besteht die typologische Bedeutung des Nährvaters Jesu in seiner Schwellenposition zwischen dem Alten und dem Neuen Testament.808 Eine frühe Typologisierung der doppelten Josefsfigur ist bei Petrus Chrysologus (um 424), Bischof von Ravenna, greifbar. Das erste Kapitel des Matthäusevangeliums kommentiert er wie folgt: „Joseph wird als Bräutigam genommen, damit er erfülle das Vorbild des Leidens Christi, das in jenem Joseph vorgebildet war. Joseph zog sich durch seine prophetischen Träume den Haß [seiner Brüder] zu: Christus lud den Neid [der Juden] auf sich, durch seine prophetischen Geschichten; Joseph wurde in die Zisterne des Todes geworfen, stieg aber lebendig aus ihr hervor: Christus wurde dem Grabe des Todes übergeben, ging aber lebendig aus dem Grabe hervor; [...] Joseph wurde nach Ägypten geführt: Christus wurde auch nach Ägypten verbannt; Joseph verteilte unter das hungernde Volk in reichlicher Fülle Brot: Christus sättigte durch das Brot des Himmels die Völker, die auf der ganzen Erde weilen. So ist es klar, warum dieser Joseph das Vorbild des himmlischen Bräutigams bedeutete, sein Bild an sich trug, ihn vorbedeutend wandelte. Eine Maria wird seine Mutter genannt.“809 Das oben skizzierte typologische Programm des Josefsaltars beruht auf einer Konstellation diverser Textquellen, welche eine übersetzende Deutung der Figuren und Symbole zulassen. Auf die konkrete Situation des Gebetes angewendet, verspricht die typologische Konstellation geistliche und körperliche Nahrung durch die Fürbitte Josefs. Die Aufwertung des Josefskultes durch die Habsburger Dynastie und die hiermit verbundene Ausdifferenzierung einer „Josefologie“ stellt eine Entwicklung des 17. und 18. Jahrhunderts dar. Sie basiert auf der Konstruktion eines scheinbaren Gegensatzes von äußerer Bedeutungslosigkeit und innerer Größe – ein der Christologie ähnliches Modell also, das auch auf Joseph übertragen werden konnte. Im Laufe des Mittelalters entwickelte sich für Josef als den Nährvater Jesu eine Ikonografie, die sich auch an antiken Vorbildern orientierte und Josef (sitzend, kontemplativ, ernst) an die Pathosformel des christlichen Philosophen anschloss. 1621 wurde der 19. März (Josefstag) durch Papst Pius IX. zum gebotenen Feiertag erklärt.810 Wie erwähnt, fiel die Einrichtung eines dem hl. Josef geweihten Altars noch in die Zeit der baulichen Maßnahmen von 1680, die dem alten und nun barockisierten Sakralraum für die Feier des sechshundertsten ­Jubiläums (1689) eine repräsentative Gestalt geben sollten. Die Bedeutung dieses Altars hängt aber wohl nicht allein mit der wachsenden Popularität dieses Heiligen als Patron der Familien und Handwerker zusammen. Auch die 1685 vollzogene Einsetzung Josefs als Titelheiliger der 1603 gegründeten Oberschwäbischen Benediktinerkongregation, in der Zwiefalten neben Weingarten, Ochsenhausen

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und Wiblingen eine leitende Rolle spielte, machte den Heiligen zu einer zentralen Figur des Benediktinerordens.811

10.6 Verflechtung von Text und Textur Die Typologie geht wesentlich auf Paulus (Röm 5,14) zurück und gehört zu den ältesten Verfahren der Schriftauslegung. Dieses Verfahren trägt an die Schrift nicht die Frage von wahr oder falsch heran, sondern jene von Präfiguration und Erfüllung. Im Gegensatz zu einem historisch-kritischen Verfahren, das nach der Echtheit der Textquelle fragt, im Gegensatz auch zur Allegorese, die das Eigentliche hinter dem Uneigentlichen sucht, geht die Typologie von der Faktizität des Gelesenen aus. Allerdings beruht die Typologie auf der Annahme der Faktizität des Textes, nicht auf der Annahme einer faktischen Realität, welche durch den Text ausgesprochen wäre. Die Bedingung der Möglichkeit typologischer Schrifthermeneutik basiert auf der Anerkennung des Textes in seiner Gegebenheit. Bei der Typologie wird der Schriftsinn nicht auf seine Eindeutigkeit oder Mehrdeutigkeit hin geprüft.Vieldeutig ist auch nicht die einzelne Textstelle, sondern sind die Symmetrien, Entsprechungen und strukturanalogen Wiederholungen zwischen Textstellen.812 Die Eigenschaft des Bildes, durch Gegenüberstellung und Unterscheidung Elemente so zu konfigurieren, dass sie etwas zeigen, weist Analogien zum Verfahren der Typologie auf. Der spätbarocke Raum, der alles in ein Verhältnis zum Sichtbaren bringt, steigert die Wirkung typologischer Schrifthermeneutik durch bestimmte Formen der Veranschaulichung wie Entsprechung, Gegenüberstellung und Symmetrie. Basiert die typologische Schrifthermeneutik auf einer zeitlichen Konfiguration von Verheißung und Erfüllung, so führt der spätbarocke Raum diese durch Gegenüberstellung vor Augen. Wie aber im Folgenden gezeigt werden soll, erweitert der spätbarocke Raum das schriftbasierte Typologieverständnis durch einen Chiasmus von Sichtbarkeit und Lesbarkeit. Der Beschauer vollzieht die Deutungen schriftbasierter Typologien nicht nur lesend nach, sondern erfährt sich als Teilhaber der Konstitution von Bedeutung. Gleich einem Astronomen deckt er räumliche Konstellationen auf – was dem spätbarocken Sakralraum einen ähnlich hohen Wirklichkeitsbezug zumisst wie der Heiligen Schrift oder dem gestirnten Himmel. Wie der spätbarocke Raum das Sichtbare nicht einfach für das Lesbare funktionalisiert, sondern die Verflechtung beider anstrebt, so perfektioniert er auch die Evidenz typologischer Darstellungsmodi. Ihre Grundfigur ist die der „Horizontalität“, des Links und Rechts von Präfiguration und Figuration, von Verheißung und Erfüllung. Die Figur der horizontalen Typologie findet ihr Komplement in einer eschatologischen Dimension, welche in vertikalen (Diesseitiges unten und Jenseitiges oben) und diagonalen (hier und dort) Beziehungen ihren Ausdruck findet.813 Obgleich diese Figuren in der Regel in Mischverhältnissen auftreten, so lässt sich doch einzelnen Teilen des Raumes und der Ausstattung wie Langhaus (Diagonale), Seitenkapellen (Horizontale) und Kuppel (Vertikale) eine der genannten Grundfiguren zuweisen.Wie

808 HEUBLEIN 1998, S. 63–66. 809 CHRYSOLOGUS 1923, S. 20. 810 Vgl. HEUBLEIN 1998, S. 15, mit einer Zusammenfassung der theologiegeschichtlichen Voraussetzungen. 811 QUARTHAL 1999, S. 477, 499, 502. In den Jahren 1652, 1655, 1657, 1665, 1672, 1673, 1689, 1772, 1778 und 1782 waren Zwiefalter Äbte als Präsides und Visitatoren für die „Oberschwäbische Benediktinerkongregation vom Hl. Joseph“ tätig (Vgl. QUARTHAL 1999, S. 515–518). – Unter dem Titel „St. Josephus, als Congregationis-Patron, ohnweit der Mutter Gottes“ (vgl. Konzeptfragmente VO Ib) sollte dem hl. Josef zunächst auch in den Vorhallenfresken ein repräsentativer Platz zugeteilt werden. 812 Vgl. BENDERATH 1999, S. 81–83. 813 Die geschichtsbezogene Zeitachse der Typologie bildet sich im spätbarocken Raum als eine Gegenüberstellung, Entsprechung, Analogie oder Symmetrie von Links und Rechts ab. Vgl. aus theologischer Perspektive hierzu: Wolfgang HUBER 1969, S. 90: „Für die Allegorie weist das Interpretierte in vertikaler Richtung über sich selbst hinaus auf etwas Geistiges; für die Typologie dagegen in horizontaler – von einem geschichtlichen Ereignis zu einem anderen.“

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814 DELEUZE 2000, S. 56. 815 LOERS 1978, S. 74.

erwähnt, gehört die Verflechtung dieser Grundfiguren – als Beispiel sei die Kanzel genannt (horizontale Typologie, vertikale Eschatologie) – zu den ästhetischen Charakteristika des spätbarocken Sakralraumes. Ein isoliertes Lesen oder Sehen wird den aus einer massiven Textdichte (der Heiligen Schrift, der Legenden und Chroniken) genährten Bildkonfigurationen spätbarocker Ensembles nicht gerecht. Das Sichtbare kommt genauso wenig ohne eine Textbasis aus, wie es sich umgekehrt auch nicht auf die Wiedergabe bereits gedeuteter Texte beschränken lässt. Mit der Entwicklung des Barocks als Epochenbegriff (nicht zuletzt durch Walter Benjamin und Heinrich Wölfflin) bildeten sich Interpretationswege aus, die entweder das Lesen oder das Sehen favo­ risierten. Die Schwierigkeit liegt aber darin, für spätbarocke Ensembles eine Beschreibungsebene zu finden, die genau zwischen diesen Ebenen operiert. Denn Lesbares und Sichtbares sind hier kombiniert und wechselseitig aufeinander bezogen.814 Wie wird hierbei Geschichte (oder Geschichten) erzählt? Und welches Verständnis von Narration liegt dieser Kombination zugrunde? Der spätbarocke Raum bedient sich einer anderen Narration, die jenseits des linearen Story­ tellings liegt. An die Stelle der bloßen Wiedergabe von Erzählung tritt eine Erzählästhetik, die Text und Textur miteinander verflicht. Lesbares (Erzählelement, Emblem, Symbol) geht nahtlos in Sichtbares (Figuration, Ornament, Faltenwurf) über. Das lesende Auge und der sehende Blick sind so eingestellt, dass sie (Text-) Bedeutung nicht nur lesend realisieren, sondern auch sehend konstituieren. Zur Veranschaulichung dieser allgemeinen Überlegungen seien hier einige Einzelbeobachtungen angefügt. Es gehört zu den ästhetischen Charakteristika des spätbarocken Sakralraums, dass er ein eigenes Konzept von Plastik hervorgebracht hat. Bemerkenswert ist an der Stuckplastik des 18. Jahrhunderts, dass ihre glänzende Textur zwar wohl von den zeitgleich aufkommenden Porzellanfiguren inspiriert war, diese jedoch an Differenziertheit des Ausdrucks, des Faltenwurfs und der Figuration überbot. Zugleich knüpfte die spätbarocke Stuckplastik an ihre marmornen Vorläufer an, insbesondere an Gianlorenzo Bernini und François Girardon, doch erlaubte auch hier der Stuck einen filigraneren Materialeinsatz und erzeugte gegenüber dem Marmor den Eindruck höherer Beweglichkeit und Fragilität. Für die Stuckfiguren im sakralen Raum wurde meistens ein ungefasstes, strahlend weißes Erscheinungsbild gewählt. Die weißpolierten Stuckfiguren, die als „Assistenzfiguren“ spätbarocke Altäre flankieren, erscheinen inmitten ihrer farbenreichen Umgebung entrückt und visionär.815 Den hinweisenden Gesten der Figuren folgend, nähert sich der Besucher den Altarbildern mit seinen Blicken und seinem Körper.Verglichen mit den Altären, auf die sie deiktisch bezogen sind, nehmen sich die Stuckplastiken verhalten zurück. Einige Figuren an den Zwiefalter Seitenaltären dehnen durch Gewandung und Gesten ihren Aktionsradius aus. Aber selbst das Verhalten dieser exzentrischen Figuren ist noch durch Verhaltenheit gekennzeichnet. Der durch das Polimentweiß hervorgerufene unkörperliche und schwebende Charakter lässt die Stuckplastiken als zugleich da und nicht da erscheinen. Ihr Weiß, ihr Glanz macht sie zu schwebenden Wesen, die Gewicht nicht auf sich, sondern auf ein anderes, Nächstes legen. Sie folgen einer

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245 Deiktischer Chiasmus: Joseph mit Lilie und ausschlagendem Stab/König mit Zepter mit dem Jesuskind, Detail aus Innozenz Columbas Altarblatt für den Josefsaltar, 1769, Öl auf Leinwand, 300 x 180 cm (NvdM)

Logik, die alle Elemente des spätbarocken Raumes einschließt. Es ist die Logik der Überschreitung, die als „unendliche Operation“ den Raum durchquert und jeweils eine nächsthöhere und eine nächstkleinere Einheit besitzt. Ihrer Handlung nach tendiert die Stuckfigur zum darstellenden Bild, ihrer Farbe nach zur Wand und ihrer Figuration nach zum Ornament. Sie ist ein Zwischenwesen aus einem Zwischenreich. Bei der hier beschriebenen Operation handelt es sich um einen Prozess, der nicht allein entlang narrativer Strukturen, nicht entlang des Textes, aber auch nicht allein entlang der Textur verläuft. Zu den Merkmalen jener operativen Überschreitung gehört eine ästhetische Erfahrung, die entlang der Nahtstelle von Text und Textur verläuft. Zur Veranschaulichung sei hier auf einige Details geblickt: Die am Altar des hl. Josef postierte Stuckfigur des Königs weist mit ihrem Zepter auf den hl. Josef im Altarbild [Abb. 243, 245]. Diese Geste kreuzt sich mit der des hl. Josef im Bild, der die Lilie und den ausschlagenden Stab als Zeichen seiner Reinheit und Fruchtbarkeit in der Hand hält und mit dem Zeigefinger aus dem Bild weist. Das Weiß der Lilie und das der Stuckplastik, das goldene Herrscherzeichen des Zepters und das gelbe Gewand des hl. Josef, kurz, lesbares Zeichen und skulpturale Textur, Gemaltes und Gefaltetes sind in der Anschauung miteinander gekreuzt und verflochten. Diese Verflechtung ist auch eine der Zeit: Der alttestamentliche König, der zeitlich vor dem hl. Josef liegt, ist dem Realraum des Betrachters näher, in seinem Weiß aber auch entrückter. Das räumlich Nähere (Stuckplastik König/Pharao), aber zeitlich Ältere weist auf das räumlich Fernere (Josef, den Nährvater), aber zeitlich Nähere. Am Eingang zum Petrusaltar steht mit halb verdecktem Haupt Ecclesia, Allegorie der christlichen Kirche [Abb. 246]. Sie ist das vorletzte Glied einer horizontalen Lesekette. Diese beginnt rechts des Altarbilds mit dem Magier und

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246 Komplementäre Konstellationen: Detail aus dem Altarblatt Martyrium des hl. Petrus von Nicolas Guibal, 1769, mit der Stuckfigur der Ecclesia von Johann Joseph Christian, um 1768/69 (NvdM)

Gnostiker Simon Magus (Apg 8,9–25), typologischer Gegenspieler des Simon Petrus. Hierauf folgt im Altargemälde Nicolas Guibals das Martyrium Petri, links gesäumt von Ecclesia. Ihr durch den Schleier verdeckter Blick hat im entsetzten und leiderfüllten Blick Petri sein Pendant. Unten links im Altarbild findet sich über der Signatur Guibals eine Inschrift aus dem Matthäusevangelium (Mt 16,18): „et ego dico tibi quia tu es Petrus et super hanc petram aedificabo ecclesiam meam et portae inferi non praevalebunt adversum eam“ – „Und ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen“. Die in der Inschrift angesprochene „Kirche“ findet in der Figur der Ecclesia ihren sichtbaren Ausdruck. Ihr Attribut, die von ihr gehaltenen Schlüssel, sind so vor das Altarbild gehängt, dass sie in den Folterwerkzeugen (den Nägeln, der Zange) wiederum ihre Gegenfigur haben. Die dämonischen Züge des Folterknechtes ganz unten im Bild sind durch den Magier präfiguriert und durch den einen Dreizack haltenden Putto links der Ecclesia noch einmal aufgenommen. Die Gewandfaltungen der Ecclesia tragen das Erzählte weiter, der Text geht dabei in die Textur über und spinnt das affektgeladene Altarbild faltenreich in Richtung der rechten Handgeste Ecclesias zum Putto hin fort. Man kommt nicht umhin, die überbordenden Faltungen an der Figur als Ausdruck der Bewegtheit, nicht der Bewegung zu lesen. Wohl müsste man sagen, die Faltungen sind nicht an der Figur, vielmehr

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besteht sie selbst aus diesen Faltungen. Zu ihren Füßen wächst aus den Faltungen der Putto heraus, neben dem Dreizack noch ein Fähnlein mit dem Bild der Synagoge haltend, welche die christliche Kirche der Typologie nach überwunden hat. Ecclesia tritt als Überwinderin sowohl des Bösen, der schlechten Magie wie auch des „falschen“ Glaubens in Erscheinung. Die Frage nach der Kirche wird aber nicht nur durch das Vorgeführte beantwortet.816 Der Betrachter, der das Dargestellte verfolgt, steht in einem Raum, welcher eine Kirche und damit selbst Teil der Antwort ist. So wechselt das Metaphorische ins Eigentliche und die Darstellung in die Realität. Das Dargestellte wird durch das Herstellen räumlicher Beziehungen und Verflechtungen von Figur und Gegenfigur,Text und Textur erschlossen. Die Schergen und Folterknechte in Nicolas Guibals Gemälde für den Agnesaltar [Abb. 246] weisen ähnliche Züge auf wie jene im eben beschriebenen Petrusaltar. Die durch die Folter ausgeführten Bewegungen erzeugen einen geradezu physischen Druck nach unten. Inmitten des Matyriums geht aus dem emporgerichteten Blick der Heiligen eine nicht-physische Bewegung hervor. Eine Allegorie der geistlichen Liebe ist Zeugin des Bildgeschehens [Abb. 247]. Während sie mit der Linken ein Herz vor das gemalte Bild hält, stößt sie mit der rechten Hand den Putto der weltlichen Liebe beiseite. So ist die Personifikation der geistlichen Liebe nicht nur Zeugin, sondern auch Motiv des Martyriums und der darauf folgenden Erhöhung. Die neue Braut Christi tritt in die Nachfolge Mariens. Hier interessiert vor allem die Darstellungsweise der Erhöhung, die oben als nicht-körperliche Aufwärtsbewegung bezeichnet wurde [Abb. 248, 249]. Die gemalte Märtyrerpalme wird am oberen Ende des Gemäldes zum Siegeskranz, dessen gekrümmte Form sich in der Rahmung des Altarbildes wiederholt. Aus diesem erwächst der gekrümmte Altaraufsatz, der von einer Siegeskrone 247 Nicolas Guibal: Martyrium der hl. Agnes (Detail), und Johann Joseph Christian: Personifikation der geistlichen Liebe, um 1769 (NvdM)

816 Natürlich ist die typologische Argumentationsstruktur des Christentums im Kern antijüdisch. Und es bedürfte einer eigenen Untersuchung, dieser in der barocken Bildwelt nachzugehen.

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248 Johann Michael Feichtmayr: Altaraufsatz und Kreissegmente aus Stuck über dem Altarbild der hl. Agnes, um 1768/69 (NvdM)

aufgenommen wird. Es folgt ein weiteres Kreissegment aus Stuck, dann Wolken und Putti, welche tänzelnd die Raumkrümmung überspielen. Längst ist hier das Erzählen nach Motiven in eine abstrakte Figuration aus übereinandergestaffelten Kreissegmenten übergegangen, die zum Deckenfresko mit der Geburt Mariens überleiten. Maria und Agnes treten dabei in ein erzählerisches Kontinuum. Die hier ausgewählten Beispiele, die in Form des Chiasmus, der Komplementarität oder des Kontinuums eine Erzählästhetik zwischen Text und Textur entfalten, sind jeweils nur Ausschnitte unendlicher Operationen. Das Realisieren typologischer Konstellationen von Verheißung und Erfüllung (Figur/Gegenfigur, Figur/Nachfolge) bedeutet im ästhetischen Feld ein Realisieren möglicher Be-

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ziehungen. Die Konstellationen von Verheißung und Erfüllung treten dabei nicht oder nicht nur als ein zuvor schon erzeugter und nur noch ästhetisch aufbereiteter Sinn vor Augen. Die typologische Konstellation erscheint nur zur Hälfte als „schon da“. Fülle und Überzahl des Dargebotenen lassen neben eine zentrale zahlreiche andere, ebenfalls mögliche Beziehungen treten, die situativ erschlossen werden. Das spätbarocke Arrangement ist so präpariert, dass es dem eigenen Erschließen sinnstiftender Beziehungen Platz einräumt. Das Sinn- und Beziehungsgefüge entsteht so im Akt der Betrachtung. Hierin ähnelt der spätbarocke Sakralraum dem englischen Landschaftsgarten. Beide sind so angelegt, dass das Auge eine sinnstiftende Konstellation als gegeben wahrnimmt, welche aber im Akt der Wahrnehmung auch zugleich individuell hervorgebracht wird. Die Betrachtung konstituiert den Sinn, der zwar schon da ist, aber in seiner spezifischen Konstellation erst erzeugt wird.

10.7 Parergon als unendliche Operation Wo hier das Eigentliche, der Kern ist, den man im Sinn eines Ergon „Zentrum“ oder „Werk“ nennen könnte, bleibt bei diesen Verkettungen, bei denen jedes Glied dem anderen die Hand reicht, offen. Es scheint, als liege die ästhetische Pointe weniger in etwas Zeigbarem als in der unendlichen Operation selbst, die aus dem einen immer ein anderes hervorgehen lässt und eine unendliche Menge möglicher Strecken durch den Gesamtraum verfügbar hält. Alles wird bei dieser unendlichen Operation zum Parergon. Nicht weil ein Eigentliches zerstört würde, nicht weil es verborgen (deus absconditus) oder verhüllt (deus velatus) wäre, sondern weil dieses Eigentliche das Nicht-Zeigbare ist, das nur in einem dynamischen Prozess unendlicher Annäherungen einholbar ist. So gesehen offenbart sich jenes Eigentliche nicht nur in einem unendlichen Wahrnehmungsprozess, sondern dieser Wahrnehmungsprozess ist selbst Form und Inhalt der Offenbarung. Nun lässt sich Jacques Derridas Bestimmung des Parergon für den spätbarocken Raum noch einmal neu wenden. Im Raum ausgebreitet, schreibt das Parergon keine geordnete oder lineare Sehlektüre vor. Es wird von den Bewegungen der Betrachtung auf unterschiedlichste Weise stets neu vollzogen.817 Das parergonale Motiv ist weniger ein Etwas, es beschreibt vielmehr die Struktur einer unabschließbaren, aus der Bewegung hervorgehenden Sehlektüre. Für das Parergon gibt Derrida dem Begriff der Enérgeia noch einmal eine besondere Bedeutung: Gemeint ist keine Wirkungskraft, die sich innerhalb der Grenzen des Werkes bewegt, sondern eine „totale Präsenz der Enérgeia“, die in einer parergonalen Werkstruktur unkontrolliert über das Werk hinausfließt.818 Es ist das Ausfließen der text- oder zeichenbasierten Handlung in ornamentale Figurationen. Mit diesem theoretischen Rückgang scheint auch das ästhetische Grundmodell des spätbarocken Raumes benannt. Es findet sich auf allen Ebenen: in der Makroebene des Langhauses ebenso wie in den Mikrostrukturen der mit ihm verbundenen Seitenkapellen. Es beruht auf einer parergonalen Ausdehnung des

249 Nicolas Guibal: Martyrium der hl. Agnes, 1769 [datiert und signiert], Öl auf Leinwand, ca. 300 x 180 cm (NvdM)

817 DERRIDA 1992, S. 70. 818 DERRIDA 1992, S. 103.

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Bildes und kennzeichnet ein Bewegungserlebnis, das sich selbst sinnerzeugend den Weg bahnt. Getragen ist es von einer parergonalen Werkstruktur, die auf einer nächsthöheren oder -niedrigeren Ebene bis ins Unendliche verläuft und alle Teile miteinander verbindet. Es erübrigt sich hier, das parergonale Modell an eine Rhetorik des Ornatus anzuschließen, bei der der Schmuck zur räumlichen Wirkungs- und Bewegungsfigur geworden ist. Das „Werk“ (ergon), ein vermeintliches Zentrum, löst sich bei der Betrachtung auf in eine parergonale Operation.

11 Emporenfresken: Mater Monachorum (1765)

Auch die Emporenfresken folgen einem parergonalen Modell. Sie rahmen als dritter Ring das zentrale Thema des Langhausfreskos: die Einsetzung des Gnadenbildes der Mater Monachorum und dessen Verbreitung [Abb. 113 u. 114]. Dabei demonstriert das parergonale Ausfließen von Motiven und Bildern aus dem zentralen Kultbild dessen Wirkungsweite. Den ersten Ring um das Kultbild bildet die terrestrische Randzone des Langhausfreskos mit der Verehrung der auf das zentrale Gnadenbild zurückgehenden Marienbilder. In gewissem Sine handelt es sich hier um eine topografische Bildgeschichte marianischer Kultbilder, die der Beschauer in imaginären Reisen durchwandert. Den zweiten Ring bilden die Kartuschenfresken, die den Leib als Ort der Tugendpraxis und der Tugendaneignung lokalisieren und sich unmittelbar an das Verhalten des Besuchers adressieren: Gefühl, Geruch, Geschmack, Hören und Sehen sind als die sensuellen Quellen eines Tugenderwerbs im Horizont der Mariennachfolge ausgewiesen. Die das Sehen thematisierende Kartusche der Imitatio stellt dabei ein wichtiges Bindeglied zum zentralen Thema des Langhausfreskos dar. Den dritten Ring schließlich – vor dem vierten Ring (oder Kranz) der Seitenkapellen – bilden die Emporenfresken. Dieser dritte Ring zeigt die äußersten Verzweigungen der parergonalen Ausdehnung des Langhausfreskos. Die Motive für die Bilderflut an der Decke werden noch einmal aufgerufen: Der überbordende Bildwuchs ist selbst Ausdruck der Wirkungsmacht des zentralen Gnadenbildes. Soweit überschaubar, ist den Deckenbildern der Emporen die komplizierteste Bildfindungsgeschichte unter den Zwiefalter Fresken eigen; aber es ist eine lehrreiche hinsichtlich des Transfers eines linearen Textes in einen durch Bilder und sakramentale Objekte organisierten Raum. Das Generalthema der acht Fresken breitet die Fürsorge Mariens für den Benediktinerorden aus. Noch weniger als in den Seitenkapellen folgt das sukzessive Erschließen der Bilder einer Phasenlogik.Vielmehr schreibt sich der Betrachter in der Eigenbewegung seinen eigenen Text. Die Erinnerung an einzelne Ereignisse dieser Fürsorge Mariens für den Benediktinerorden ist architektonisch konzipiert. Ihre teilweise entlegenen Einzelthemen sind durch Kartuscheninschriften angegeben [Abb. 216, 217, 250–258]:

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Emporenfresken (1765) Norden (Evangelienseite) 1. FUNDATRIX OSB [Gründerin]819 2. INFORMATRIX SS. Pet. Coelst. Anchar. Rupert. Herman Contract. [Lehrerin] OSB821 3. COMMENSALIS B. Hostradi Abbat. OSB [Tischgenossin] 4. REFOCILLATRIX S. Fulberti Episc. OSB [Erquickerin] 250 Andreas Meinrad von Au: Erstes Emporenfresko, Norden, Fundatrix OSB [Gründerin], 1765 (NvdM)

251 Andreas Meinrad von Au: Zweites Emporenfresko, Norden, Informatrix SS. Pet. Coelst. Anchar. Rupert. Herman Contract. OSB [Lehrerin], 1765 (NvdM)

819 Nach BUCELIN 1671, S. 4, 6, Ann. Chr. 512, 531. 820 BUCELIN 1671, S. 4 f., Ann. Chr. 517. 821 BUCELIN 1671, S. 114, Ann. Chr. 1020. 822 BUCELIN 1671, S. 127, Ann. Chr. 1091. 823 BUCELIN 1671, S. 83, Ann. Chr. 429. Das wenig bekannte Thema bezieht sich auf den St. Galler Mönch Tuotilo, dem Maria beim Malen eines Gnadenbildes die Hand geführt haben soll, während Engel ihm Malwerkzeug und Farben reichten.

Süden (Epistelseite) 1’. CONSERVATRIX OSB [Erhalterin]820 2’. MEDICA S.Wilhelmi Abb. Hirsaug. OSB [Ärztin]822 3’. AMPLEXATRIX B. Andreae Mon. OSB [Umarmerin] 4’. COOPERATRIX B.Tuteloni Mon. OSB [Mitarbeiterin]823

11 Emporenfresken: Mater Monachorum (1765)

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252 Andreas Meinrad von Au: Drittes Emporenfresko, Norden, Commensalis B. Hostradi Abbat. OSB [Tischgenossin], 1765 (NvdM)

253 Andreas Meinrad von Au: Viertes Emporenfresko, Norden, Refocillatrix S. Fulberti Episc. OSB [Mitarbeiterin], 1765 (NvdM)

In den Verbindungseigenschaften Mariens mit dem Benediktinerorden klingen einzelne Invokationen der im 16. Jahrhundert entstandenen Lauretanischen Litanei an, so etwa „Trösterin der Betrübten“ (Consolatrix Afflictorum), „Heil der Kranken“ (Salus Infirmorum), „liebenswürdige Mutter“ (Mater amabilis), „Mutter des guten Rates“ (Mater boni Consilii) und „Ursache unserer Freude“ (Causa nostrae Laetitiae). Überdies erklärt sich die Verbindung zum Zentrum des Langhausfreskos nicht bloß durch die Anwendung des lauretanischen Marienlobs auf einen benediktinischen Kontext. Sie hat überdies bildimmanente Gründe, die aus der Benennung des Piscinula-Kultbildes als Mater Monachorum resultieren. Vor diesem Bild soll Benedikt während seiner jungen Jahre der Legende nach gebetet haben [vgl. Kap. 7.1]. Maria wird als die Mutter aller Ordensgemeinschaften ausgewiesen, speziell jedoch der benediktinischen. Sie ist, wie Bucelin

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254 Andreas Meinrad von Au: Erstes Emporenfresko, Süden, Conservatrix OSB [Erhalterin], 1765 (NvdM)

255 Andreas Meinrad von Au: Zweites Emporenfresko, Medica S. Wilhelmi Abb. Hirsaug. OSB [Ärztin], 1765 (NvdM)

824 BUCELIN 1671, S. 7.

schreibt, „Matrifamilias Ordinis, magnae Matri, Virgini Benedictae“.824 Unter diesem Vorzeichen sind benediktinische Ordensgeschichte und der durch Bild und Psalter unterstützte Marienkult der Benediktiner eng verwoben. Aber der thematisierte mütterliche Charakter Mariens bezieht sich auch auf das propagierte Ursprungsgnadenbild von San Benedetto in Piscinula als dem Mutterbild, an dessen Ausstrahlung und Wirkung alle übrigen benediktinischen Gnadenbilder teilhaben. An der äußersten Randzone tragen die Emporenfresken, die über Textkommentare ihr Bild definieren, die Züge eines Paratextes. Gérard Genette hat mit diesem Begriff das umfangreiche Beiwerk eines Textes gekennzeichnet, das sich an den Grenzen eines Werkes als Vorwort, Anmerkungen, Titel etc. ansiedelt. Ohne sie kommt kein Text aus, da der Paratext strukturierend auf den Haupttext einwirkt.Vermutlich ist Genettes (freilich sprachgebundenes) Modell des Para-

11 Emporenfresken: Mater Monachorum (1765)

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256 Andreas Meinrad von Au: Drittes Emporenfresko, Amplexatrix B. Andreae Mon. OSB [Umarmerin], 1765 (NvdM)

257 Andreas Meinrad von Au: Viertes Emporenfresko, Cooperatrix B. Tuteloni Mon. OSB [Mitarbeiterin], 1765 (NvdM)

textes von der von Derrida wenige Jahre zuvor entwickelten Konzeption des Parergon inspiriert. Doch liegen die strukturellen Unterschiede zwischen beiden Begriffen auf der Hand: Während Derrida mit dem Parergon die Grenzen des Werkes auflöst und im parergonalen Rahmen die eigentliche Sprengkraft des Werkes ansiedelt, die sich allem Begrifflichen entzieht, lässt Genette die Autorität des Textes unangetastet.825 Wenn auch zutiefst heteronom und mit einer häufig unbestimmten Grenze zum Text, bleibt der Paratext ein „Hilfsdiskurs“. In unserem Zusammenhang hilft die Rede vom Paratext aber, uns die Emporenfresken als eine Art transitorisches Feld vorzustellen, welches das zentrale Thema des Langhausfreskos narrativ und in Form von Invokationen und Titulaturen erweitert. Hier verschwistert sich der Paratext mit dem parergonalen Modell, weil in Zwiefalten das zentrale Langhausmotiv seine Wirkungsweise nicht zuletzt aus den ringförmig angelegten Bildern und Motiven bezieht. Dadurch sind vom

825 GENETTE 1989, S. 19; DERRIDA 1992, S. 93 f.

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258 Andreas Meinrad von Au: Erstes Emporenfresko, Süden, Conservatrix OSB [Erhalterin], 1765 (Detail) (NvdM)

826 WÜRZ 1963, S. 40 f., spricht von drei Konzepten für acht (tatsächlich sechs), zehn und acht Felder. Die Detailentwürfe waren ihr offenbar nicht bekannt. KREUZER 1964, S. 35, nennt zwei Konzepte und die zwei Detailentwürfe. Der erste Konzeptentwurf (I) war ihm nicht bekannt oder wurde nicht transkribiert. Kreuzers und Würz’ Analysen der Emporen beschränken sich auf summarische Beschreibungen. Auf Kreuzer sich beziehend nennt HALDER 1992, S. 110, vier Entwürfe für sieben, acht, neun und zehn Einzelszenen sowie die zwei Detailentwürfe. Die Hinweise aller Autoren sind wie oben zu berichtigen: drei Konzeptfassungen (EM I–IIIa und IIIb) für sechs, zehn und acht Einzelszenen sowie zwei Detailentwürfe (IIIa und IIIb), die beide jeweils ausführliche Beschreibungen zu Maria Fundatrix und Maria Conservatrix enthalten. 827 Erste Konzeptfassung für die Emporenfresken (EM I) mit sechs Themen, wohl vor 1741/42: Maria Consolatrix (1); Maria proma conda (2); Maria Consolatrix in morte (3); Maria medica/Sospitatrix (4); Maria duxtrix/collaboratrix (5); Maria sospitatrix (6). Vier der später realisierten Themen sind in dieser Fassung bereits enthalten, zwei weitere wurden in veränderten Varianten berücksichtigt. 828 Zweite Konzeptfassung für die Emporenfresken (EM II) mit zehn Themen, wohl ebenfalls vor 1741/42: Maria ist in diesem Entwurf als Mutter wie als Braut benediktinischer Heiliger geplant. Andere Eigenschaften sollten hinzutreten: Maria fundatrix (1); Maria conservatrix (2); Maria nutrix (3); Maria educat (4); Maria sanctorum magistra (5); Maria sponsa sanctorum (6); Maria collaborat (7); Maria pascit (8); Maria solata (9); Maria valetudinem (10). Alle später realisierten Themen sind in dieser Fassung bereits enthalten. 829 PAULUS 1888, S. 146 (1742). Das wäre freilich ein sehr frühes Entwurfsdatum. Bedenkt man allerdings, dass für das Jahr 1744 auch schon ein erster Altarentwurf vorlag, so hat auch das erstgenannte Datum hier eine gewisse Plausibilität. 830 Dritte Konzeptfassung für die Emporenfresken (III) mit acht Themen, um 1752: Maria

Standpunkt des Seh- und Bewegungserlebnisses aus die inneren Grenzen des Hauptfreskos aufgehoben.

11.1 Transkriptionen und Transformationen Die erhaltenen Konzepte zu den Emporenfresken bestehen aus drei Teilen (EM I–III). Hinzu kommen zwei Detailerläuterungen (EM IIIa und IIIb), die sich auf die letzte Variante beziehen.826 Sucht man sich hier einen Überblick zu verschaffen, ohne den Varianten hier in allen Details nachzugehen, so lässt sich für den Freskanten Meinrad von Au folgende Ausgangslage skizzieren: Bereits in einem ersten Entwurf (EM I) mit sechs Themenfeldern stellte der mutmaßliche Konzeptautor Benedikt Mauz das Programm der Emporenfresken unter das Leitmotiv der Maria als Helferin und Beschützerin des Benediktinerordens.827 Der hierauf folgende zweite Entwurf (EM II) besteht aus einer übersichtlichen Themenliste für zehn Felder. Komplizierter in der Entfaltung des Themas, weicht diese Liste vom zuvor bestimmten Leitmotiv in einigen Punkten ab.828 Die konzeptionelle Planung für insgesamt zehn Freskenfelder liefert zudem einen Hinweis darauf, dass auch der zweite Entwurf möglicherweise schon vor den baulichen Planungsänderungen verfasst wurde, also bevor der Architekt Fischer um 1742 die Reduktion der Kapellen von ursprünglich zwölf (bzw. zehn, wenn die Nischen im Eingangsbereich nicht mitgezählt werden) auf acht durchsetzte.829 Ein vermutlich nach diesen Planänderungen entstandener dritter Entwurf (EM III) für acht Freskenfelder wurde wohl Anfang der 1750er Jahre, also um den Zeitpunkt der Fundamentierung der Vorhalle.830 Zu diesem letzten Konzept existieren wiederum zwei spätere Detailentwürfe (EM IIIa und IIIb), die sich beide auf das wichtigste Freskenfeldpaar Maria Fundatrix und Maria Conservatrix beziehen. Beide enthalten sehr genaue Beschreibungen der realisierten Bilder.831

11 Emporenfresken: Mater Monachorum (1765)

Im Wesentlichen kehren in den Konzepten zu den Emporenfresken dieselben Textquellen wieder, die auch schon für das Langhaus herangezogen wurden – im Einzelnen: Gabriel Bucelins Chronologia Benedictino-Mariana (1671) wurde für die Felder Fundatrix, Conservatrix, Refocillatrix (Nutrix), Informatrix, Medica (Sospitatrix) und Cooperatrix (Collaboratrix) verwendet, Gabor Hevenesis Ars Bonae Mortis (1695) für das Feld Refocillatrix (Nutrix). Andere, aus Veremund Eisvogls Concordia Animae Benedictinae (1723) und Aegidius Ranbecks Calendarium Annale Benedictinum (1677) entnommene Bildfindungen wurden später gestrichen. Vor allem was die Themen und die Gliederung angeht, sollte, wie sich zeigen wird, Eisvogls Condordia Animae Benedictinae für die Emporenfresken eine tragende Rolle spielen. Es ist bemerkenswert, dass Bucelins Chronologia die von Mauz programmatisch formulierten Eigenschaften fundatrix, conservatrix, informatrix ... nicht erwähnt, was heißt, dass der Konzeptautor seine Hauptquelle uminterpretierte – oder überhaupt interpretierte. Bei der Übernahme der Texte nahm Abt Benedikt Mauz überdies Änderungen vor, welche das Geschriebene stärker auf die Marienthematik ausrichteten. So ist im Zusammenhang mit den fünf Verheißungen (Maria Conservatrix) lediglich von einem Engel des Herrn die Rede, der sich dem auf einem Stein sitzenden Benedikt nähert und ihm die Verheißungen mitteilt.832 Aber schon die detaillierten Konzeptentwürfe (IIIa und IIIb) reduzieren den Engel auf eine lediglich dienende, übermittelnde Funktion, während es Maria ist, die dem hl. Benedikt das Blatt mit den Privilegien aushändigt [Abb. 254, 258]. Die wichtigste Abweichung gegenüber der Textvorlage ist jedoch struktureller Art. Wie nämlich Bucelins Chronologia, so folgen auch alle übrigen literarischen Quellen einer annalistischen bzw. chronikalischen Darstellungsweise. Im Freskenzyklus tritt an die Stelle jener linearen Textmodelle ein bemerkenswert offenes, nicht-lineares Darstellungskonzept. Das annalistische Zeit- und Geschichtsmodell der literarischen Darstellung wird durch ein Raummodell ersetzt, bei dem sich der Besucher durch individuelle Seh- und Gehbewegungen seinen eigenen Weg bahnt. Mit der von Hermann Bauer vorgeschlagenen „historischen Perspektive“ süddeutscher Freskenmalerei, in der die „perspektivische Sicht“ historisch geworden sei, hat das wenig zu tun.833 Im Gegenteil: Anders als im Langhausfresko wurde in den Emporenfresken alles getan, um die „historische Perspektive“ annalistischer Geschichtsschreibung zu tilgen. Dabei dürften den Besuchern die meisten Einzelszenen nicht vertraut gewesen sein. Zum Verständnis war dies aber auch nicht entscheidend. Einmal von ihren Textvorlagen isoliert, übernahmen die Szenen eine allegorische Funktion: die Darstellung der Eigenschaften marianischer Fürsorge in allen Lebenslagen, welche nicht nur die Heiligenverehrung in den Kapellen, sondern auch die in den Langhauskartuschen dargestellten marianischen Tugenden ideal ergänzten. Aus diesem Grunde darf man im Hinblick auf die Emporenfresken von einem räumlichen Paratext sprechen, der auf narrative Logik zugunsten eines räumlich strukturierten Aneignungsverfahrens mit unzähligen Lesefolgen verzichtet. Ein offenes architektonisches Lesemodell löst somit das objektive Zeitmodell ab. Der Gläubige bahnt sich seinen eigenen Weg. Aktives Handeln sollte den Blick auf die Emporenfresken begleiten und hervorrufen. Denn die obigen

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fundatrix (1); Maria conservatrix (2); Maria nutrix (3); Maria amatrix/sponsa (4); Maria informatrix Magistra (5); Maria collaboratrix/familiaris (6); Maria consolatrix (7); Maria remuneratrix oder depraedicatrix (8). Vier der später realisierten Themen sind in dieser Fassung enthalten, drei kehren in Varianten wieder. Das letztgenannte Thema wurde gestrichen und durch Medica Wilhelmi ersetzt. Hier folgt also eine Synthese der zweiten und dritten Fassung. 831 Die beiden Detailentwürfe kommen den beiden realisierten Fresken im Hinblick auf verschiedene Details unterschiedlich nahe. Allerdings dürfte die von KREUZER 1964, S. 113, als „Teil 2“ transkribierte Fassung (hier IIIa) mit dem noch offeneren Konzept für Maria Fundatrix dem anderen Detailentwurf (hier IIIb) vorausgegangen sein. Darauf verweisen auch die genaueren Nachweise aus Gabriel BUCELIN (1671) in IIIb. Ob auch für die übrigen Emporenfresken detaillierte Beschreibungen vorlagen, ist nicht mehr auszumachen, aber wahrscheinlich. Auguste WAGNER-WÜRZ 1936, S. 88, nennt zwei Ölskizzen (heute Weißhorner Privatbesitz, BURI/BUCK 1992, S. 173, S6 und S7) zu anderen Emporenfreskenfeldern (Maria als Tischgenossin des Abtes Hostradus; Maria als Umarmerin des sel. Mönches Andreas) und eine Skizze zum Kapellenfresko Mariä Tempelgang (Stadtarchiv Überlingen, BURI/ BUCK 1992, S. 173, S8). 832 Bucelin führt die Verheißungen im Einzelnen auf. Vgl. auch zu der genannten Stelle BUCELIN 1671, S. 5: „... Angelus Domini ei adfuit, sedens super quendam lapidem, dicens. Benedicte, Deus ad te me misit …“ Die fünf Verheißungen lauten in der Übersetzung: I. Dein Orden wird bis zum Ende der Welt bestehen. II. Am Ende der Welt wird er der Hl. Römischen Kirche beistehen und die meisten im hl. Glauben bestärken. III. Keiner wird in deinem Orden sterben, ohne dass er das Heil erlangt, und wenn er schlecht angefangen hat zu leben, so wird er, wenn er nicht davon ablässt, entweder vom Orden selbst ausgestoßen oder selbst austreten. IV. Jeder, welcher deinen Orden verfolgt und nicht davon absteht, wird sich sein Leben abkürzen oder eines schlimmen Todes sterben. V. Alle, welche deinen Orden lieben, werden ein gutes Ende haben. Vgl. SCHURR 1910, S. 184. 833 BAUER 1980, S. 74.

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834 EISVOGL 1723, S. 79. 835 EISVOGL 1723, S. 83, 89, 104, 112.

Bemerkungen zu den Titeln der Emporenfresken machten schon deutlich, dass sich das Emporenkonzept eng an den liturgischen Invokationen der Marienverehrung orientierte. Damit leiten diese auch zum Orgelfresko über, denn die huldvollen Eigenschaften Mariens sind eng mit marianischen Gesängen verbunden. Das zeigt im Übrigen auch Veremund Eisvogls Andachtsbuch Concordia Animae (1723), das seinen Lesern nicht nur die meditative Verehrung benediktinischer Heiliger ans Herz legt, sondern der kalendarischen Anordnung auch die Feste des Herren- und Marienjahres vorausschickt. Zu Beginn beschreibt der Wessobrunner Benediktinerautor Eisvogl das Marienjahr als eine geleitete Reise: In ihren Hymnen, Gesängen und Bildern liefert Maria das Reisegeld, das „Viaticum Marianum“, für einen sicheren Gang durch das Dickicht des Jahresweges. „Variae Laudes, Affectus, Suspiria & Praxes“ bieten die angemessenen Handlungsanweisungen; sie gehören sozusagen ins Reisegepäck. 834 In diesem Zusammenhang wird neben den wichtigsten marianischen Gesängen auch die hervorragende Wirkungsmacht der Gottesmutter als Helferin in allen Lebenslagen hervorgehoben; etwa als „Maria Magistra“, „Maria Mater hominum“, „Maria refugium“, „Mariae Privilegiae“, aus denen Eisvogl nach jesuitischem Vorbild konkrete Meditations- und Handlungsanweisungen ableitet.835 Indirekt wird hierbei auch die theologische Wirkungsabsicht der Emporenfresken deutlich, die darin besteht, ein kalendarisches Mediations- und Erbauungsmodell auf ein offenes architektonisches zu übertragen. Mit der Pointe oder dem Beweis, dass Maria dem Benediktinerorden bereits seit langer Zeit ihre hervorragenden Eigenschaften segensvoll zeigt, wird dem Zwiefalter Besucher auf den Emporen ein erbaulich-meditativer Weg durch den Raum angeboten. Dabei liefern das affektive Stimulans weniger die einzelnen Bildfindungen als vielmehr die parergonale Struktur der Emporenfresken. Sie betrifft zunächst die künstlerische Bearbeitung der Themen durch Meinrad von Au. Was in diesem Zusammenhang bemerkenswert ist, wurde in den Konzeptentwürfen weder vermerkt noch gefordert: Von Au hat das Figurenpersonal in ein üppiges manieristisches Kulissenwerk mit Versatzstücken aus Landschaft, Wolkenbändern und Architekturen eingeflochten, die vielfach bruchlos ineinander übergehen. Wie im Fresko der Maria Conservatrix [Abb. 254] ist ein bräunlich-ockerfarbenes Wolkenband aus dem Erdreich des Vordergrundes moduliert, das sich nun diagonal durch die Figuren zieht, um im Hintergrund sukzessive in die fragmentarische Architekturkulisse überzugehen. Dieses Verfahren, durch geschwungene und dynamische Formverbindungen Vorder- und Hintergrund miteinander zu verbinden, um die Akteure des Mittelgrundes darin gleichsam schweben zu lassen, findet sich mehr oder weniger ausgeprägt in allen Emporenfresken und führt zu ebenso suggestiven wie fantasievollen Bildfindungen. Die Handlung der Figuren ist zum überwiegenden Teil an das Beiwerk delegiert. Überdies folgt das Beiwerk ganz den Bewegungen des goldenen Rahmens, weniger dem Figurenpersonal, dem es eigentlich zu dienen hätte. Hieran zeigt sich, dass das Beiwerk seine einstige Aufgabe, als bloße Kulisse zu wirken, abgestreift hat.Von Au entwickelt ein offenes Bild, dem ein offener Rahmen antwortet. Stabile Figurenkompositionen

11 Emporenfresken: Mater Monachorum (1765)

liegen nicht in seinem Interesse, vielmehr die Entwicklung eines offenen Freskokonzepts, das sich gegenüber seiner Umgebung – dem goldenen Rahmen, dem in das Bild hineinzüngelnden Stuck und schließlich den benachbarten Bildern – als überaus dialogfähig erweist.

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12 Orgelfresko: Praecinentem Beatam Mariam Virginem suum Magnificat sequentur Benedictini in cantu Chorali et figurato (1764)

Wie für verwandte Fälle, so gilt auch für Zwiefalten, dass Konzeptentwürfe ein überaus interpretationsfähiges Quellenmaterial darstellen. So genügt es nicht, sie allein als positive Belege für zeitliche und ikonografische Verifizierungen heranzuziehen. Gerade die Differenzen zwischen entworfenem und realisiertem Programm machen häufig erst die künstlerische Handschrift deutlich. Und was der schriftliche Entwurf verschweigt, das realisierte Bild aber betont, lässt mitunter erst die ästhetischen Qualitäten greifbar werden. Umgekehrt vermitteln auch die nicht realisierten Entwürfe, aus welchem Geiste ein Bildkonzept entstand. In allen genannten Fällen lassen sich aber keine zwingenden Kausalitäten herstellen, sondern nur Vermutungen mit einer größeren oder geringeren Wahrscheinlichkeit ableiten. Dies trifft auch auf Zwiefalten zu. Die frühen lateinischen Fragmente zum Langhausfresko (LA II) machen deutlich, dass dort zunächst keineswegs die „Macht des Bildes“ das Leitthema sein sollte.Vielmehr ging es dem Konzeptautor zunächst um einen multimedialen Blickwinkel, der gleichermaßen die Bedeutung von Architektur, Musik und Malerei für die benediktinische Marienverehrung erkennen lässt. Neben der Pflege benediktinischer Bildkultur sollten ursprünglich auch die Autoren marianischer Hymnen und Antifonen einen wichtigen Platz einnehmen. Das realisierte Langhausfresko mit seiner thematischen Zuspitzung auf den benediktinischen Bilderkult gibt dies jedoch kaum noch zu erkennen. Wohl in einem zweiten Entwurfsschritt entschied man sich, die legendären Autoren marianischer Hymnen – Gregor den Großen, Hermann den Lahmen, Bernhard von Clairvaux und Engelbert von Admont – auf die das Langhausfresko flankierenden Kartuschenfresken zu verteilen (vgl. KA I und II). Spätestens mit den Planänderungen von 1749 kristallisierte sich dann heraus, dass für die Thematisierung des (benediktinischen) Marienlobs nun ein großes, querformatiges Deckenfeld über der Orgel zur Verfügung stehen würde. Erneut schien eine überzeugendere Neukonzeption auch der Kartuschenfresken erforderlich zu sein, was mit der Wahl des neuen Themas einer „synästhetischen Tugendlehre“ – gleichsam als Brückenschlag zwischen dem Orgel- und dem Langhausfresko – auch geschah.

12 Orgelfresko: Praecinentem Beatam Mariam Virginem suum Magnificat sequentur Benedictini in cantu Chorali et figurato (1764)

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259 Andreas Meinrad von Au: Orgelfresko Zwiefalten, Praecinentem Beatam Mariam Virginem, suum Magnificat, sequentur Benedictini in cantu Chorali et figurato, 1764 (NvdM)

Von einem Wettstreit der Künste, wie er wenige Jahrzehnte später von Lessing und Herder neu verhandelt wurde, ist bei alldem aber noch nichts zu spüren. Im Gegenteil: Auch im Zwiefalten des 17. und 18. Jahrhunderts vermittelt die gleichberechtigte Pflege von Wissenschaft, Literatur, Musik, Bildproduktion und Theaterstücken ein reges Interesse an der Synthese von Kunst und Wissenschaft. Das gilt nicht nur für das realisierte Ausstattungsprogramm, sondern auch für Einzelpersönlichkeiten wie Arsenius Sulger (1641–1691), der neben seiner historiografischen Arbeit auch ein musikalisches Lustspiel schrieb, oder den Zwiefalter Theologie- und Philosophieprofessor Columban Habisreuttinger (1683–1755), der offenbar keinen Widerspruch darin sah, theologische Literatur, Erbauungsschriften und musikalische Werke zu verfassen.836 Künstlerisch wirkende Äbte wie Beda Sommerberger und Benedikt Mauz sind ebenfalls in diesem Zusammenhang zu sehen. Jesuiten wie Claude François Ménestrier (1631–1705), Jacob Masen (1608– 1681) und Franciscus Lang (1654–1725) lieferten auch den Benediktinern die theoretische Begründung einer multimedialen Poetik zur Steigerung der Persuasio: „Alle Sinne der Zuschauer sollten angesprochen werden. Die Augen sollten sich an den Emblemen weiden, die zudem auch den Verstand schulten, während das Gehör mit den Melodien der Sänger und den Dialogen beschäftigt sei. Eine Wahrheit, die vermittels der Augen Eingang in die Seele finde, bleibe dort länger haften, wenn sie durch allegorisch interpretierbare Bilder und Motti veranschaulicht werde.“837 Ganz offensichtlich vollzog sich um 1680 unter diesen Voraussetzungen auch eine ordensübergreifende Neukonzeption der pastoralen Praxis, die den Sakralraum mehr als zuvor in den Dienst einer gesteigerten, multimedialen Persuasio stellte. Die konkurrenzlose Aufhebung der Gattungsgrenzen war nicht nur geduldet, sondern gewünscht. Sie beruhte auf der Vorstellung, dass die aufeinander abgestimmten Künste einander auch wechselseitig zu beleben vermögen und letztendlich eine gesteigerte Belebung der Adressaten zur Folge haben. Am Ende dieser Entwicklung stand in Zwiefalten ein für diesen Funkti-

836 LINDNER 1910, S. 66, Nr. 1464; KÜSTER 1990, S. 239. Zur Zwiefalter Musik- und Theaterkultur im Allgemeinen vgl. KÜSTER 1990; FREI 1990. 837 BAUER 1994, S. 232.

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Innen

260 Andreas Meinrad von Au: Musizierende Mönche mit Hermann dem Lahmen, Zentrum des Orgelfreskos Zwiefalten, 1764 (Detail) (NvdM)

261 Andreas Meinrad von Au: Hl. Benedikt, Orgelfresko Zwiefalten, 1764 (Detail) (NvdM)

838 Vgl. BAUER 1994, S. 225. 839 HALDER 1992, S. 108, Anm. 13, spricht von einem zweiten Entwurf für das Orgelfresko, der mir nicht bekannt ist.

onszusammenhang monumentales Orgelfresko [Abb. 259], das als Pendant zum Bildthema des Langhausfreskos zu lesen ist. Wer die Predigt gehört hatte und Musik hörend auf das Orgelfresko blickte, fand sich in einem synästhetischen Feld wieder, das durch die kombinierte Darbietung von Harmonie, Metrum, Rhythmus und Worten ein Maximum an emotionaler Wirkung garantierte.838 Der Blick auf das Orgelfresko ging allerdings auch mit einer körperlichen Neuorientierung des Adressaten einher. Wer aus dem Langhaus den Blick zurück auf das Orgelfresko richtete, bekam die gehörten Gesänge auch visuell vergegenwärtigt, und zwar mit dem programmatischen Hinweis, dass der praktizierte geistliche Gesang neben dem Blick auf die Gnadenbilder auch eine himmlische Erhebung der Seele zur Folge habe. Um 1750 oder einige Jahre später rückte die Gestaltung des Orgelfreskos in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Abgesehen von einigen wenigen späteren Grafitbeisätzen standen Thema und Komposition schon früh fest.839 Anders als es

12 Orgelfresko: Praecinentem Beatam Mariam Virginem suum Magnificat sequentur Benedictini in cantu Chorali et figurato (1764)

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die unter dem Fresko angebrachte Inschriftenkartusche aus dem Liber Ecclesiasticus zum Ausdruck bringt, sollte vor allem das Marienlob im Mittelpunkt stehen840 – und zwar nicht nur das der Benediktiner, sondern das aller Ordensgemeinschaften, wie ein nachträglicher Grafiteintrag vermerkt. Meinrad von Au trug der Forderung Rechnung, indem er wunschgemäß ein monumentales Chorgestühl für etwa siebzig weibliche wie männliche Ordensleute malte, die sich in unterschiedlichen Ordensgewändern um eine zentrale Instrumentalgruppe vor einer kleinen Chororgel versammeln, wo das „Salve Regina“ alludiert wird [Abb. 260, 261]. Mauz vermerkt überdies, dass „die menge schwarzer Kutten“ aufgrund der breiten Ausdehnung des Freskos kaum angenehm ins Auge fallen dürfte und deshalb durch links und rechts herannahende Klosteranwärter/-innen in teilweise prächtiger Kleidung zu beleben sei.841 Eine dunkle Tonigkeit hätte auch kaum der Palette Meinrad von Aus entsprochen. Stellt das leicht blasse und in Dunst gehüllte Chorgestühl die Hauptkulisse, so wächst aus der Mitte des Vordergrundes konvex ein monumentaler Wolkenstrudel empor, der in s-förmiger Bewegung in die Mitte des Freskos aufsteigt. Wo er oben in das elliptische, quer verlaufende Wolkenoval übergeht, hat sich ein himmlischer Chor versammelt, der das Pendant zu den Gesängen im irdischen Chorgestühl bildet. Vom linken und rechten Bildrand aus steigen fantastische Wolkensäulen zur Mitte hin auf. Der stark manieristische Charakter der Wolkensäulen mag nicht zuletzt dem fehlenden originalen Orgelprospekt geschuldet sein [Abb. 262]. Die gesamte Wolkenkomposition entspricht ganz der künstlerischen Strategie von Aus, das Bildthema weniger über Figurenhandlungen als über Kulissenversatzstücke zu entwickeln. So werden die sich überlagernden und durch das Bild schiebenden Wolkenformationen selbst zur Visualisierung musikalischer Bewegungen, die sich durch Schriften und Bücher haltende Figuren wie Hermann den Lahmen („Salve Regina“) und Gregor den Großen („Regina Coeli“) und zahlreiche Instrumente ankündigt. Die von Engeln flankierte Gottesmutter, der Benedikt die Gesänge grüßend entgegenbringt, während er 262 Andreas Meinrad von Au: Autoren marianischer Hymnen, Litaneien und Antiphone, 1764, Orgelfresko Zwiefalten, Detail aus dem südlichen Feld (NvdM)

840 „Date Nomini eius Magnificentiam/Eccl. c. 39, v 20“. 841 Vgl. Konzeptfragmente OR (1762).

296

842 843 844 845

Innen

WAGNER-WÜRZ 1936, S. 40. HALDER 1992, S. 108. KÖNNER 1990, S. 432–434. KÖNNER 1990, S. 444. Schon die auf vier Manuale verteilten 64 Register waren hinsichtlich ihres Umfangs bemerkenswert und widersprachen der „klassischen“ Auffassung Silbermanns. 846 KÖNNER 1990, S. 444. 847 MANECKE/MAYR 1999, S. 101–104; SUPPER/MEYER 1941, S. 19–26; vgl. HAUNTINGER 1964, S. 143 f.

zugleich zum marianischen Gesang aufruft, bildet das thematische wie bildliche Zentrum des gesamten Freskos. Das „Salve Regina“, auf das hier angespielt wird, hat seine Entsprechung im Stella-Maris-Motiv des Langhauses. Im Queroval des Orgelfreskos scheint das Längsoval des Langhausfreskos auf. Die Autoren marianischer Hymnen und Antifonen, wie sie im Langhausfresko aufgeführt sind, werden im Orgelfresko wiederholt. Aber der räumliche Bogen ist noch weiter gespannt, denn das gemalte Chorgestühl im Orgelfresko schlägt auch eine Brücke zu den täglichen Gebeten im Chorraum. Ist der Gläubige während der liturgischen Gesänge auf die Handlungen des Predigers ausgerichtet, so werden in seinem Rücken seine Affekte durch Musik gelenkt und gesteigert. Die musikalische Achse durchzieht den gesamten Raum, auch wenn sie wohl der des Bildes untergeordnet ist. Der Gläubige ist zwischen zwei aufeinander bezogene Handlungen platziert: die des Messe lesenden Priesters und jene der musikalischen Untermalung. Durch die Gesänge wirkt der Gläubige an beiden Handlungen mit.Wie die Liturgie den westlichen und den östlichen Raumabschluss verklammert so thematisieren Mönchschor- und Orgelfresko in unterschiedlicher Weise das Gebet im Chorraum. In ihrer älteren Monografie über Meinrad von Au hat Auguste Wagner dem Zwiefalter Orgelfresko aufgrund „mangelnder Beherrschung des Ganzen“ große kompositionelle Schwächen attestiert.842 Für dieses „zu harte“ Urteil mögen sich einige Argumente finden lassen.843 Allerdings wird dabei vergessen, dass die 1958 von der Firma Reiser (Biberach) eingebaute Westorgel dem engen Zusammenspiel von (originalem) Orgelprospekt und Orgelfresko kaum noch entspricht. Das 1772–1777 erbaute und errichtete Orgelwerk von Joseph Martin aus Hayingen, einem mutmaßlichen Schüler Joseph Gablers, wurde bei der zweiten Räumungswelle (1807/09) nach der Säkularisation in die Stuttgarter Stiftskirche verbracht und im Zweiten Weltkrieg zerstört.844 Klaus Könners Rekonstruktion der Orgel auf der Grundlage der Aufzeichnungen Johann Andreas Silbermanns vermittelt ein Bild von der „extremen Vielchörigkeit der Mixturen“ der Disposition und dem reichen Ausbau von Streicher- und Flötenstimmen in dynamischer Abstufung.845 Auch eine Rekonstruktion der Prospektgestaltung war nach einem aufgefundenen Plansatz von Nikolaus Friedrich Thouret möglich, den der württembergische Hofbaumeister anlässlich der Wiederaufstellung der Zwiefalter Orgel in der Stuttgarter Stiftskirche angefertigt hatte. Demnach war die Orgel in Zwiefalten zweiseitig um das westliche Fassadenfenster und einen mittleren Spieltisch gruppiert, während ihr Profil mit einem extremen Tiefenzug in einem weichen konvex-konkaven Schwung von Westen nach Osten verlief.846 In Bezug auf ihre symmetrische Anlage um das Westfenster herum ähnelt die originale Zwiefalter Hauptorgel dem etwa zeitgleich entstandenen Prospekt für die Klosterkirche von Obermarchtal durch den Orgelbauer Johann Holzhay (1782–1784) oder noch eher der gablerschen Hauptorgel von Ochsenhausen (um 1730), wobei die Tiefenwirkung und Monumentalität des Orgelprospekts noch ausgeprägter gewesen sein dürften.847 Eine auf der Grundlage der Rekonstruktion Könners angefertigte hypothetische Fotomontage kann ein vages Bild vom ursprünglichen Orgelprospekt ver-

12 Orgelfresko: Praecinentem Beatam Mariam Virginem suum Magnificat sequentur Benedictini in cantu Chorali et figurato (1764)

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263 Fotomontage mit der ursprünglichen Füllung des Westabschlusses durch den Orgelprospekt, unter Verwendung von KÖNNER 1990 (NvdM)

mitteln [Abb. 263].Vom Langhaus aus betrachtet schmiegte sich die Orgel, die der Zeitgenosse Johann Nepomuk Hauntinger im Jahre 1784 als „ungeheuer groß“ empfand, wohl an das letzte Langhausjoch an, um aus diesem draperieartig hervorzuwachsen. Das Orgelfresko wuchs so organisch aus dem oberen Orgelabschluss heraus. Die baumartig aufsteigenden Wolkensäulen sind also mehr als bloße Figurensockel. Das Orgelfresko von Zwiefalten ist ein ästhetischer Sonderfall: Es stellt das Musizieren dar, ist selbst aber auch dargestellte Musik. In den aufsteigenden Wolkensäulen steigt der Orgelklang mit auf. Umgekehrt lässt sich der originale Orgelprospekt durch seine ungewöhnliche Raumwirkung als musikalisch-musizierende Plastik beschreiben. Mit einiger Sicherheit hatte der wohl wichtigste Zwiefalter Komponist des 18. Jahrhunderts, dessen Werke im gesamten schwäbischen Vorland abgeschrieben und gespielt wurden, zum Zeitpunkt des Orgelbaus das Amt des Chorregenten inne: Ernest Weinrauch (1731–1793).848 Zu seinen Werken gehören neben drei Messen, einem Requiem und fünf Vesperzyklen auch zahlreiche Chor- und Orchesterbearbeitungen marianischer Antifonen, wie etwa drei „Salve Regina“ und sechs „Ave Regina Coelorum“.849 Wenn die Zwiefalter Orgel (wie jene von Ochsenhausen) in ihrem Klangbild ideal auf ein Orchester abgestimmt war, so dürfte dies auch dem musikalischen Konzept Weinrauchs entgegengekommen sein, wenn er nicht gar selbst auf die Disposition der Orgel von Zwiefalten Einfluss nahm.850 Wie Weinrauchs Werk, so zeigt auch das Orgelfresko eine thematische Konzentration auf die vier Marienantifonen „Alma Redemptoris Mater“, „Salve Regina“, „Ave Maris Stella“ und „Ave Regina Coelorum“. Im Mittelpunkt des Orgelfreskos steht das dem Reichenauer Mönch Hermannus Contractus zugeschriebene „Salve Regina“, das im Allgemeinen zum Abschluss der Komplet gesungen wurde und in Einsiedeln bis heute im Anschluss an die Vesper gesungen wird.851 Zweifellos spielte das „Salve Regina“ auch in Zwiefalten eine Schlüsselrolle im täglichen Gebet und in der benediktinischen Marienverehrung, zumal es ein wesentlicher Teil der Gründungslegende ist [vgl. Kapp. 1, 4, 7.4].852 Wie die drei anderen marianischen Antifonen besteht auch das Charakteristikum des

848 LINDNER 1910, S. 71, Nr. 1509; KÜSTER 1990, S. 240 f. 849 AUGENSTEIN 2004. 850 SUPPER/MEYER 1941, S. 20. 851 Nach dem ANITIPHONALE MONASTICUM 1934, S. 173–180, von der ersten Vesper des Sonntags Trinitatis bis zur None des Samstags vor dem ersten Adventssonntag („A primis Vesperis Festi Ss. Trinitatis usque ad Nonam Sabbati ante Adventum inclusive“). 852 AUGENSTEIN 2006, S. 459, 493–494.

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„Salve Regina“ in der engen Verbindung von Text und Musik.853 Weinrauchs gleichnamiges Werk für Chor, Kammerorchester und Orgel mit homofonem Chorsatz und schlichtem Aufbau ohne kontrapunktische Eingriffe verdeutlicht exemplarisch die Abhängigkeit von instrumentaler Begleitung und Gesang im „Salve Regina“, das auch im 18. Jahrhundert bei der Marienwallfahrt und -verehrung gesungen und aufgeführt wurde. Unter diesen Voraussetzungen ist aber auch das Orgelfresko nicht ohne eine Aktivierung des Gläubigen und nicht ohne eine Aufforderung zum Gesang zu verstehen. Einer der Hauptreferenzautoren des Bildprogramms von Zwiefalten, der Benediktiner Veremund Eisvogl, brachte die hiermit verbundenen Absichten auf den Punkt, wenn er bemerkte, dass im Gesang des „Salve Regina, Mater misericordiae, vita, dulcedo, et spes nostra, salve ...“ die Rolle der Gottesmutter als Trösterin (Consolatrix) hörbar werde. Die Gesangspraxis sollte dabei als psychagogische Handlungsanweisung dienen.854 Das Orgelfresko von Zwiefalten steht in dieser Traditionslinie. Während die Emporenfresken unter anderem Maria als benediktinische Trösterin vor Augen führten und die Kartuschenfresken zum Gebrauch der Sinne aufriefen, gipfelt im Orgelfresko jene Anwendung der Sinne im Erheben der Stimme.

853 Vgl. zum „Salve Regina“ BÜTTNER 2004. 854 EISVOGL 1723, S. 79.

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

Es heißt, nichts sei schwieriger, als eine Spirale mit Worten zu definieren. [...] Doch sobald wir uns vergegenwärtigen, dass sagen erneuern heißt, ist es uns ein leichtes, eine Spirale zu definieren: sie ist ein aufsteigender, sich nie schließender Kreis. [...] Genauer gesagt: Eine Spirale ist ein virtueller Kreis, der sich aufsteigend fortsetzt, ohne je Kreis zu werden. Aber nein, auch diese Definition ist noch immer zu abstrakt: Ich werde mich des Konkreten bedienen, und alles wird klar sein: Eine Spirale ist eine vertikale, um ein Nichts gewundene Schlange, die keine Schlange ist. Fernando Pesoa, Das Buch der Unruhe

In Kapitel 7.7 wurde das Rocailleornament als transitorische Figur beschrieben, weil sich an der Langhausdecke zeigte, dass das rahmende Ornament das syntaktische Glied ist, welches das Deckenbild über sich selbst hinausführt und dabei eine Vielfalt von Körper- und Blickbewegungen des Betrachters auslöst. Aus zwei Gründen wurde das Langhausfresko auch ein Meta-Bild genannt: weil es selbst ein Bild über die Macht und Wirkung von Bildern ist und weil es diese Wirkung auf die Körper- und Affektbewegungen des Besuchers überträgt. Letzteres wird ganz wesentlich durch eine exzentrische Bildanlage hervorgerufen, deren Dynamik sich im umlaufenden parergonalen Ornament fortsetzt [vgl. Kap. 10.6]. Das Ornament selbst hat keinen eigenen Darstellungsinhalt. Es ist ein rein syntaktisches Glied, das den Umraum (außen) gegenüber dem Bildraum (innen) oder, anders formuliert: das Parergon gegenüber dem Ergon aufwertet. In letzter Konsequenz wird dabei der ästhetische Schwerpunkt von der Bildmitte auf den Umraum verlagert. Der Betrachter selbst wird dabei unter einem engmaschigen Netz von Bildern in Bewegung versetzt – einem Netz, in dem die Knotenpunkte den Bildern und die verbindenden Fäden dem Ornament entsprechen. Und weil das parergonale Ornament keinen eigenen Darstellungsinhalt besitzt, sondern allein das dynamische Zusammenspiel der Bilder und Ausstattungsstücke im gesamten Raum reguliert, könnte man es auch eine Partitur des Überganges nennen – eine Partitur, die sozusagen von Körper, Körperbewegung und Blick zum Erklingen gebracht wird. Unter dem Aspekt eines „entrahmten Blickes“ eröffnete sich damit die Sicht auf die an das Langhausfresko angrenzenden Räume und

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264 Gurtbogen zwischen Langhaus- und Kuppelfresko (NvdM)

265 Ornamentklammer auf dem Gurtbogen zwischen Langhausdecke und Kuppel (NvdM)

Querfelder: auf die Kartuschen- und die Emporenfresken sowie auf die seitlichen Kapellen, in denen sich auf kleinerer Stufe die transitorischen und parergonalen Bewegungen der Langhausdecke wiederholen. Bei der verschlungenen Reise, die wir unter einer imaginären Terra Mariana (Langhausfresko) entlang einer synästhetischen Tugendlehre (Kartuschenfresken) und einer narrativ ausgebreiteten Heils- und Ordensgeschichte (Emporen, Kapellen) unternommen haben, kam auch der liturgische Fixpunkt aller Bilder des Zwiefalter Sakralraums in den Blick: das Gnadenbild (Imago Thaumaturga), das der theologischen Ästhetik einer Stella Maris nahekommt [vgl. Kap. 7.4]. Die Frage nach der physischen Annäherung an das Gnadenbild wurde bislang aber nur gestreift, ohne sie genauer zu ergründen. Mit fortschreitender Bewegung in Richtung des Gnadenbildes tritt das Langhausfresko schrittweise aus dem Blick heraus. Dem Gurtbogen zwischen Langhaus und Vierung [Abb. 264, 265] fällt die ästhetische Funktion eines beweg­ lichen Rahmens zu, der während der Gehbewegung das Kuppelfresko sozusagen

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

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266 Franz Joseph Spiegler: Kuppelfresko Zwiefalten, Maria regina sanctorum omnium, vom ersten Drittel des Langhauses aus gesehen, 1749/59 (NvdM)

267 Franz Joseph Spiegler: Kuppelfresko Zwiefalten, vom zweiten Drittel des Langhauses aus gesehen (NvdM)

268 Franz Joseph Spiegler: Kuppelfresko Zwiefalten, vom östlichen Ende des Langhauses aus gesehen (NvdM)

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269 Franz Joseph Spiegler: Kuppelfresko Zwiefalten, Maria regina sanctorum omnium, 1749 (NvdM)

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

lunar aufsteigen lässt [Abb. 266–269, 2]. Das gemalte Engelpaar an der östlichen Rahmengrenze des Langhausfreskos ist im Kolorit schon dem am Gurtbogen ansetzenden Ornament anverwandt. Im Ornament wiederum klingen die Gebärden des Engelpaares figurativ wider, bis es sich rötlich einfärbt und auf das Kolorit des Kuppelfreskos eingeht. Der Gurtbogen ist nicht einfach Begrenzung zwischen Kuppel und Langhaus, sondern thematisiert die Möglichkeit der Überschreitung.Vom Standpunkt der Körperbewegung erscheint der Gurtbogen als ein nach zwei Seiten hin beweglicher Rahmen, der die Erscheinungsqualität des aktuell Gesehenen betont. Das 1749855 entstandene Kuppelfresko Maria Regina Sanctorum Omnium und die dem Titel gemäße Marienkrönung im Kuppelzentrum dienen der anschaulichen Begründung der Krönung des Gnadenbildes im Chorgitter. Dabei verkehrt sich

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270 Diagramm Kuppelfresko mit Spiralkomposition und Spieglers Tagewerken (NvdM)

855 Für das Kuppelfresko erhielt Spiegler 2175 fl. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde das Kuppelfresko 1749, die angrenzenden Erdteile in den Zwickeln und die Querschifffelder dagegen erst 1750 fertiggestellt. Vgl. HOSCH 1992, S. 85.

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271 Franz Joseph Spiegler: Maria im Zentrum der Dreifaltigkeit, englischer Herold und Weltkugel, 1749 (NvdM)

856 BERNHARD VON CLAIRVAUX 1997, Predigt zum Sonntag in der Oktav von Mariä Himmelfahrt, S. 603.

die Wirkungsweise des Langhausfreskos ins Gegenteil: Die verschlungenen und heterogenen Wege unter der Langhausdecke bündeln sich unter der Kuppel zu einer gerichteten Bewegung in Richtung Zentrum. Ging es dort um exzentrische Bewegungen, die vom Langhausfresko sternförmig ausstrahlen, so scheint sich diesen mit dem Kuppelfresko eine konzentrische Bewegungsbahn des Betrachters anzuschließen. Dem entspricht auch die liturgische Absicht, das Gnadenbild als Orientierungsund Zielpunkt einer imaginären Reise unter den Bildern zu begreifen. Innerhalb einer himmlischen Stufenordnung mit unüberschaubarem Figurenpersonal nimmt die von ihrem göttlichen Sohn gekrönte Mutter unter der Trinität einen herausragenden Platz ein [Abb. 270, 271]. Unter ihr trägt ein Erzengel mit Fanfare die zentrale, an den Beschauer gerichtete Botschaft: „Filiae Sion, videte Reginam“ – „Töchter Zions, schaut die Königin“. Die appellative Äußerung steht in Beziehung zur biblischen Textstelle aus dem Hohenlied (Hld 3,11): „Egredimini et videte filiae Sion regem Salomonem / in diademate quo coronavit eum mater sua / in die disponsionis illius et in die laetitiae cordis eius.“ – „Ihr Töchter Jerusalems, kommt heraus / und schaut, ihr Töchter Zions / König Salomo mit der Krone! Damit hat ihn seine Mutter gekrönt / an dem Tag seiner Herzensfreude.“ Die Patristik verstand diese Sentenz aus dem Hohenlied auch als typologische Vorprägung der Krönung Mariens aus Offenbarung 12,1: „Ein großes Zeichen erschien am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, der Mond unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.“ Weil Maria ihren Sohn gekrönt hat, verdient sie es „umgekehrt, von ihm gekrönt zu werden“, so erläutert Bernhard von Clairvaux in einer Predigt zur Himmelfahrt Mariens den typologischen Zusammenhang zwischen Offb 12,1 und Hld 3,11.856 Die durch die Offenbarung des Neuen Bundes Bild (imago) gewordene Krönung Mariens, die sich mit der Mutter König Salomos im Alten Bund schattenhaft (umbra) ankündigte, bietet erste Hinweise zum Verständnis des Kuppelfreskos: Die Krönung Mariens am oberen Ende der Stufenordnung der Heiligenordnung

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

präsentiert sich als eschatologische Vision, die das Motiv der Assunta, aber auch das des „Weltgerichts“ enthält. Im Sinn des typologischen Dreischrittes nimmt das Kuppelfresko die dereinst vollendete Endzeit bildmäßig vorweg.857 In der fortschreitenden Bewegung kommt dieser Vision eine ereignishafte Qualität zu, weil das sich eröffnende Kuppelbild an die Eigenbewegung gebunden ist. Damit ist die Vision an eine individuelle Bewegungsfigur gekoppelt: Unter der Kuppel nähert sich der Betrachter der gekrönten Maria in kreisenden oder spiralförmigen Gehbewegungen. Aufgrund der konkaven Kuppelwölbung bleibt die Distanz zum Hauptgeschehen – der Krönung – jederzeit bestehen. So ist das „jenseitige Land [...] nicht eigentlich betretbar, sondern nur im steten Daraufzu unberührenderweise zu berühren“. 858 Jede schematische Darstellung dieser Annäherungsbewegung bleibt hinter den möglichen Bewegungsfiguren zurück und kann daher bloß als grobe Orientierung des noch näher zu Beschreibenden dienen.Wichtig ist jedoch, dass die kreisende Eigenbewegung unter der Kuppel mit der Komposition des Freskos in unmittelbarer Beziehung steht: Stellt das Fresko den Descensus (Abstieg) der Heiligenhierarchie innerhalb eines sich öffnenden Wolkenhimmels dar, so korrespondiert dem eine umgekehrte Bewegung des Betrachters. In seinen kreisenden Seh- und Gehbewegungen durchläuft er visuell die himmlischen Hierarchien nach Maßgabe eines virtuellen Ascensus (Aufstieg). In diesem Verständnis äußerte Pseudo-Dionysius Areopagita in seiner Schrift Über die himmlische Hierarchie: „Hierarchie ist meines Erachtens eine geheiligte Ordnung, Wissenschaft und Wirksamkeit, sich Gottes Art so gut wie möglich angleichend und, entsprechend der ihr von Gott her eingegebenen Erleuchtungen, nach dem jeweiligen Verhältnis sich zur nachahmenden Darstellung Gottes erhebend. Die Gott gemäße Schönheit allerdings geht als solche grundsätzlich keine Verbindung mit etwas ihr Ungleichartigem ein, weil sie unteilbare Einheit, Zielwert und Ursache der Vollkommenheit ist, wohl aber gewährt sie jedem an ihrem eigenen Licht Anteil. [...] Zweck der Hierarchie ist demnach: Angleichung an Gott so gut wie möglich und Einswerdung mit ihm als Führer und Geleiter [...].“859 Der Weg unter dem Kreis der Hierarchien kann als ein solcher Weg der sukzessiven Angleichung unter individuellen Möglichkeitsbedingungen charakterisiert werden. Er ist damit auch das Bild eines unendlichen Annäherungsprozesses an das Jenseits im Diesseits. Entgegen gängigen Annahmen erbrachte Bernd Wolfgang Lindemanns Untersuchung über den barocken Deckenhimmel nicht, dass dieser einen „Blick ins Unendliche“ gewähre,860 sondern vielmehr, dass er als Descensus der Heiligen unterhalb des Empyreums anzusehen sei. Nun kommt es aber darauf an, Descensus und Ascensus als zusammenhängende Bewegungen einer Communio zu betrachten, in der sich die Heiligenschar im Himmel und der Kirchenbesucher aufeinander zubewegen: Das Kuppelfresko bietet sich all jenen als Descensus dar, die sich im Sinn eines virtuellen Ascensus auf den Weg der Imitatio und des Tugenderwerbs (Langhaus) begeben haben. Unter dem Kuppelfresko ist dieser Weg des Ascensus, der „Angleichung an Gott so gut wie möglich“ eine Angelegenheit der Blick- und Körperorientierung. Die Kuppel ist keine „vollendete Metaphysierung“ von Dach und Decke mehr, sondern

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857 Vgl. zum typologischen Dreischritt Umbra – Imago – Veritas im Anschluss an Ambrosius: OHLY 1988, S. 32 f. 858 Diese aus anderem Zusammenhang stammende Formulierung bei von BREDOW 1995, 1, S. 20. 859 PSEUDO-DIONYSIUS AREOPAGITA 1986, III, S. 36. 860 LINDEMANN 1994, S. 47, 163–164.

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verkörpert die Möglichkeit der unendlichen Annäherung an das Metaphysische, die das andere ins Hier und Jetzt holt.861 Das Kuppelfresko enthält die Bild gewordene Anleitung zu einem unendlichen Annäherungsprozess. Es ist die Darstellung einer ästhetischen Unendlichkeitsspekulation innerhalb eines endlichen Weltentwurfs.862

13.1 Das Konzept

861 SLOTERDIJK 1999, S. 443. Dieser Aspekt des Verwebens von Kuppelhimmel und Erfahrungssubjekt bleibt bei Sloterdijk ausgeblendet. 862 THURNER 2001. 863 Vgl. Nach Hld. 3,11, Konzeptfragmente KU. 864 PSEUDO-DIONYSIUS AREOPAGITA 1986, VI, S. 43. 865 PSEUDO-DIONYSIUS AREOPAGITA 1986, VIII–X, S. 48–55.

Das „Concept Für die Grossen Kuppen“ führt rund hundertzwanzig Heilige, Engel, Märtyrer und Ordensgründer auf, die Abt Benedikt Mauz für das Kuppelfresko als Verehrerinnen und Verehrer der Himmelskönigin vorsah. Im realisierten Fresko wurde das Personal dann auf etwa zweihundert Heilige aufgestockt und dabei vor allem die Zahl der weiblichen Heiligen gegenüber dem schriftlichen Entwurf erheblich erhöht. Neben der Trinität und der Gottesmutter sollte gemäß dem Konzept eine „grosse Weltkugl Himmels und Erden“ in unmittelbarer Nähe des Zentrums Platz finden. Dieses nicht eben geläufige Motiv in barocken Kuppelfresken gibt uns einen Hinweis darauf, dass es dem Autor weder allein um die himmlische noch ausschließlich um die irdische Sphäre, sondern um deren Zusammenschau ging. Ausdrücklich vermerkt das Freskokonzept einen Engelsherold als Botschafter der himmlischen Mächte mit einer „Trompeten, an dero fähnl folgende wort eingetragen: Filiae Sion videte Reginam“.863 Hierauf folgt eine detaillierte Auflistung der Hierarchien nach Gruppen [Abb. 270]. Die erste Gruppe der himmlischen Geister (13, 14, 15) mit den Untergruppen der Schutz- und Erzengel, der Throne, Herrschaften, Fürstentümer, der Mächte, Kräfte, der Cherubim und Seraphim folgt in nur geringer Abweichung der sogenannten „triadischen Ordnung“ des Pseudo-Dionysius Areopagita als der in sich gleichrangigen und „wesenhaft erste[n] Hierarchie“. Sie sind es, „die Gott am ähnlichsten [sind] und den ursprünglichen Lichtstrahlen des Gottesprinzips am nächsten ohne Vermittlung“ stehen.864 In der Sicht des Pseudo-Dionysius haben an der ewigen Bewegung (kinesis) bzw. dem ewig-bewegten Stillstand Gottes die Gott am nächsten stehenden Wesen (Seraphim, Cherubim) unmittelbaren Anteil. Für alle übrigen Wesen gilt das Gesetz der Teilhabe, der Methexis am Gottesprinzip. Platonische und aristotelische Erkenntnis- und Stufenmodelle verbindend, steht das Konzept der Annäherung aller Wesen an Gott unter dem Dreischritt „Sein“ (ousía), „Kraft“ (dynamis) und „Realisierung“ bzw. „Vollendung“ (enérgeia). Gemäß der ihnen innewohnenden Kraft folgen die Wesen einem Prinzip der dynamischen und durch Methexis ermöglichten unendlichen Annäherung an das Gottesprinzip, deren Vollendung allerdings stets bei Gott selbst liegt.865 Die klare himmlische Hierarchie erhält dabei ihren Sinn weniger durch die Bestätigung eines despotischen Herrschaftsmodells als durch die Veranschaulichung eines dynamischen Ascensus-Modells nach dem Vorbild des platonischen Höhlengleichnisses. Dies gilt ebenso für die von Pseudo-Dionysius nicht eingebrachte Heerschar der Propheten, Heiligen und Ordensgründer, die der Konzeptentwurf des Abtes Bene-

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

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272 Franz Joseph Spiegler: Apostel, Kuppelfresko Zwiefalten, 1749, Detail (NvdM)

273 Franz Joseph Spiegler: Ordensgründer, Kuppelfresko Zwiefalten, 1749, Detail (NvdM)

dikt Mauz in das himmlische Stufenmodell integriert. Auf die himmlischen Wesen folgen im Kuppelfresko: die Patriarchen (32), die Propheten (24), die Apostel (21), Evangelisten (22) [Abb. 272] und Märtyrer (23, 25), die unschuldigen Kinder (25, 26), die Bischöfe (26, 27), die Kirchenlehrer (29, 30), die Ordensstifter (29) [Abb. 273] und schließlich die Beichtväter (33).866 Vergleicht man das realisierte Kuppelfresko mit seinem schriftlichen Entwurf, so fällt nicht nur die markante Eintrübung der lichthellen himmlischen Sphäre durch eine monumentale Wolkenspirale auf, sondern auch die Verlagerung der Trinität und der Gottesmutter aus dem Kuppelzentrum heraus. Das Zentrum als der hellste Ort der Kuppel bleibt personell unbesetzt. Dies gibt Grund, mit Lindemann und Riedl von einem Descensus des Heiligen aus dem Empyreum in eine sichtbare physikalische Himmelssphäre zu sprechen: „Der physikalische Himmel ist mit dem theologischen eine Allianz eingegangen, welche den stilisierten Sternenhimmel des Mittelalters [...] als Zeugnis [..] veralteter Denkweise

866 Konzeptfragmente KU.

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sichtbar macht. Das Übersinnliche wird jetzt erst durch die sinnliche Anschauung glaubhaft gegenwärtig.“867 In gewisser Hinsicht hat aber auch dieses neue Himmelsverständnis seine theologische Vorprägung bei der physikalischen Auslegung des göttlichen Sonnenlichtes, das im Empyreum leuchtend strahlt, sich jedoch in Richtung der dichteren Materien von Erde und Wasser nach unten hin eintrübt, bis hin zum völligen Ausfall der Lichtdurchlässigkeit.868 Man kann mit Blick auf das Zwiefalter Kuppelfresko von einem Descensus des Heiligen unter den Bedingungen physikalisch-theologischer Sichtbarkeit sprechen. Ihm entspricht auf der anderen Seite aber auch ein Ascensus, ein unendlicher Aufstieg der Heiligenschar zu Gott hin, als deren erstes (oder letztes) Glied der Kirchenbesucher unter dem Kuppelfresko fungiert. Was für die Wesen der himmlischen Sphäre gilt, nämlich dass sie sich der hierarchischen Spitze nach den Bedingungen ihrer Möglichkeiten annähern, trifft auch auf den gläubigen Besucher zu. Ohne den Charakter der Besucherbewegung unter dem Kuppelfresko schon näher untersucht zu haben, ermöglichen es die Begriffe, die Pseudo-Dionysius Areopagita zur Kennzeichnung der Bewegung innerhalb der Hierarchie wählt – Dynamis, Kinesis und Enérgeia –, den virtuellen Ascensus unter dem Kuppelfresko an die obige Bewegungsanalyse unter dem Langhausfresko anzuschließen als eine dynamische Bewegung, die nach Vollendung strebt [vgl. Kap. 7.2].

13.2 Spiral- oder Ringordnung Detailliertere Vergleiche, als sie hier möglich und erforderlich sind, könnten zeigen, in welchem Maße sich Spiegler für das Zwiefalter Kuppelfresko unter anderem die von Ciro Ferri und Giovanni Battista Gaulli freskierte Cupola von Sant’Agnese in Agone/Rom (1670–1689) zum Vorbild nahm. In Nicolas Dorignys 1690 erschienener Stichfolge nach Ferris Kuppelausmalung finden sich 274 Franz Joseph Spiegler: Petrus, Kuppelfresko Zwiefalten, 1749, Detail (NvdM)

867 LINDEMANN 1994, S. 50. 868 PSEUDO-DIONYSIUS AREOPAGITA 1986, XIII, S. 58.

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

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275 (Oben li.) Nicolas Dorigny: Apostel Petrus, aus der Stichserie „Cupola della Chiesa di S[an]ta Agnese à Piazza Navona in Roma“, nach der Kuppelausmalung von Ciro Ferri, 1690 (KATALOG 1998/99) 277 (Oben re.) Nicolas Dorigny: Moses, aus der Stichserie „Cupola della Chiesa di S[an]ta Agnese à Piazza Navona in Roma“, nach der Kuppelausmalung von Ciro Ferri, 1690 (KATALOG 1998/99)

276 Franz Joseph Spiegler: Mose, Kuppelfresko Zwiefalten, 1749/50, Detail (NvdM)

Blätter wie die des Patriarchen Mose oder des Apostels Petrus, die eine gewisse Verwandtschaft zu den entsprechenden Figuren des Zwiefalter Kuppelfreskos aufweisen [Abb. 274–277].869 Allerdings „spreizt“ Spiegler in vielen Fällen die Gebärden, öffnet die Münder, um so die affektiven Qualitäten seiner Figuren zu steigern.

869 Zur Bedeutung von Dorignys Stichserie im 18. Jahrhundert vgl. KATALOG 1998/99, S. 14–17.

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278 Ciro Ferri/Giovanni Battista Gaulli: Kuppelfresko Sant’Agnese in Agone/Rom, 1689 (NvdM) 279 Cosmas Damian Asam: Ecclesia triumphans, Kuppelfresko der heutigen Basilika Weingarten, 1718–1720 (wikimedia.org)

870 DELEUZE 2000, S. 203.

Wie viele nordalpine Freskanten des 18. Jahrhunderts, so stellte sich auch Spiegler in die Tradition italienischer Kuppelausmalungen wie Corregios Kuppelfresko des Domes von Parma (1524–1530), Giovanni Lanfrancos Ausmalung der Kuppel von San Andrea della Valle (1621–1625), Cortonas Kuppelbild für die Chiesa Nuova (1647–1651) oder das eben erwähnte Kuppelfresko von Sant’Agnese in Agone (1689) [Abb. 278]. Allerdings sind bei Spiegler auch die Abweichungen gegenüber den Vorbildern augenfällig. Für die italienischen Vorläufer scheint tendenziell eine Komposition aus konzentrischen Kreisen in Ring­ stufenfolge charakteristisch, die von den nordalpinen Freskanten des 18. Jahrhunderts zunächst weitgehend übernommen wurde. So legte Cosmas Damian Asam dem Kuppelfresko von Weingarten (1718–1720) eine Ringstufenkomposition zugrunde [Abb. 279]. In ähnlicher Weise kehrt sie auch in Johann Jakob Zeillers Glorie des Benediktinerordens für Ettal (1748/49) [Abb. 280] oder in Josef ­Wannenmachers St. Galler Paradieshimmel (1757–1769) wieder. Sehr viel deutlicher als an diesen Werken zeichnet sich dann in Johann Jakob Zeillers Benediktinerhimmel von Ottobeuren unter der Kuppel (um 1756), in dem Kuppelfresko mit der Vision des hl. Benedikt im Ottobeurer Langhaus (um 1760) [Abb. 281] sowie in Johann Georg Bergmüllers Heiligenhimmel in Dießen (1736/37) die Intention ab, das auf den eintretenden Besucher bezogene Feld an der Kuppel­peripherie neu zu akzentuieren. Um gelungene Lösungen handelte es sich hierbei vielleicht noch nicht. Doch stehen sie, ohne vom traditionellen Figurenpersonal wesentlich abzuweichen, am Anfang einer kompositionellen Neuformulierung der Kuppel als der „barocke[n] Figur par excellence“.870 Und was Deleuze als ihr doppeltes Gesetz beschrieb, ihr „beweglicher und bewegter Saum“ auf der einen Seite und ihre „geschlossene Innerlichkeit“ auf der anderen, so scheint hinsichtlich ihrer Gewichtungen nun deutlich eine Verlagerung zum Erstgenannten, der Dynamisierung der Grenzen, stattzufinden.

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

Die wohl mit Abstand innovativsten Impulse innerhalb der süddeutschen Kuppelmalerei des 18. Jahrhunderts gingen von Johann Evangelist Holzer (1709– 1789), einem früh verstorbenen Schüler Johann Georg Bergmüllers (1688–1762), aus. Wie Bergmüller und Matthias Günther (1705–1788) hatte auch Holzer sein Wirkungszentrum in Augsburg. Sein bedeutendstes Werk, das 1738/39 ausgeführte Fresko für die Vierungskuppel der Benediktinerabteikirche von Münsterschwarzach am Main, wurde mit dem 1821 begonnenen Abbruch der Abtei zerstört. Zwei weitgehend übereinstimmende Modelli des Freskos [Abb. 282]871 und Balthasar Gutweins Stich der Abteikirche (1743)872 geben zusammen mit einer 1741 von Pater Ignaz Brendan verfassten Beschreibung ein rekonstruierbares Bild dieses Kuppelfreskos.873 Demnach scheint es kaum übertrieben, im Kuppelfresko von Münsterschwarzach ein „Urprogramm für alle Benediktinerabteien“ zu erkennen.874 Man hatte diese Charakterisierung bisher nur auf den personellen Bestand von Holzers Benediktinerhimmel bezogen. Mindestens ebenso originell ist aber eine grundsätzliche kompositionelle Neuerung, die später Matthias Günthers Benediktinerhimmel für Rott am Inn (1761/62), Martin Knollers Himmel für Neresheim (1772/73) und indirekt wohl auch Franz Joseph Spieglers Zwiefalter Marienhimmel (1749) als Maßstab diente; wir werden unten auf sie zu sprechen kommen. Auf die Bedeutung der Ausstattung von Münsterschwarzach für Zwiefalten wurde weiter oben wiederholt eingegangen [vgl. Kap. 7.4, 8.4]. Die Verwandtschaft zwischen den Kuppelfresken von Münsterschwarzach und Zwiefalten dürfte dabei nicht bloß ordensspezifischer Natur gewesen sein. Pater Ignaz Brendans historische Beschreibung des Münsterschwarzacher Kuppelfreskos nennt als literarische Quellen neben Cesare Baronius, Antonio de Yepes und Andreas Spanner kaum zufällig auch den Weingartner Historiografen Gabriel Bucelin,875 hatte dieser doch neben einem Frontispiz [Abb. 158], das gleichsam eine zweidimensionale Disposition des marianisch-benediktinischen Heiligen-

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280 Johann Jakob Zeiller: Entrückung und Krönung des hl. Benedikt inmitten des Heiligenhimmels, Kuppelfresko der Benediktinerklosterkirche Ettal, 1744 (NvdM) 281 Johann Jakob Zeiller: Die Vision des hl. Benedikt inmitten der Heiligen des Benediktinerordens, Modello für das Kuppelfresko im Langhaus der Stiftskirche von Ottobeuren, um 1760 (KATALOG 2010)

871 Publiziert bei BAUER/STALLA 1983, Abb. 50, 51, und in KATALOG 1990, S. 78, 79, Abb. 34, 35; vgl. dort auch: KRÄMER 1990, S. 81–84. Nach SCHNEIDER 1990, S. 61, und hieran anschließend KATALOG 2010, S. 329, ist nur die Augsburger Fassung eigenhändig von Holzer und das Nürnberger Modello eine Akademiekopie von jener. 872 Vgl. MATSCHE 1985, S. 253, Abb. 2; KATALOG 1990, Abb. 29. 873 Ignaz Brendan: Der Zweyfache Seegen Gottes In Aufrichtung und Einweyhung Des Neuen Gottes-Haus s. Felicitatis zu Münster-Schwartzach ... Am 8ten Tag der ... Einweihungs-Festivität der 15. Sept. 1743 vorgetragen in einer Lob- und Danck-Predigt, Würtzburg s. a.; vgl. hierzu: BAUER/STALLA 1983, S. 121–124. 874 BAUER/STALLA 1983, S. 118; KATALOG 1988, S. 247; vgl. auch MATSCHE 2010, S. 87. 875 BAUER 1980, S. 60.

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282 Johann Evangelist Holzer: Die Heiligen des Benediktinerordens, Kuppelentwurf für die Benediktinerabtei Münsterschwarzach, 1737, Öl auf Leinwand, 87 x 110 cm (KATALOG 2010)

876 Konzeptfragment AL. In der zweiten Phase der Zwiefalter Ausstattungsarbeiten verlagerte sich die Herkunft der unter Vertrag genommenen Künstler von der geplanten „Augsburger Schule“ nach Stuttgart. Ein weiterer Maler, der für Zwiefalten einen Altar malen sollte, Balthasar Augustin Albrecht, hatte in Münsterschwarzach ein heute verschollenes Altarbild zum „Tod des hl. Benedikt“ gemalt. Vgl. KRÄMER 1991, S. 85.

himmels darstellt, eine der wichtigsten Benediktinerchroniken des 17. Jahrhunderts verfasst, die Chronologia Benedictino-Mariana (1671) [vgl. Kap. 7.5]. Der erneute Verweis auf diese Quelle bringt das Münsterschwarzacher Fresko in enge geistesgeschichtliche Nähe zu den Zwiefalter Konzeptfragmenten, für die das Werk Bucelins wie erwähnt mehrfach herangezogen wurde. Hinzu kommt der Umstand, dass Johann Georg Bergmüller, der Lehrer Holzers, und auch Matthias Günther, der wenige Jahrzehnte später das Münsterschwarzacher Kuppelfresko für Rott am Inn adaptierte, ursprünglich für Altarprojekte in Zwiefalten unter Vertrag genommen werden sollten. 876 Hinsichtlich des Personalbestandes beschränkten sich Spieglers Übernahmen von Holzers Münsterschwarzacher Kuppelfresko im Wesentlichen auf die Kerngruppe: die Dreifaltigkeit über Maria, die Weltkugel und den Ordensvater Benedikt, dies mit nahezu identischer Verteilung der Figuren.Vom übrigen Personalaufgebot dürfte Spiegler schon aus Gründen der besonderen Auftragslage abgewichen sein, da das Zwiefalter Kuppelfresko ausdrücklich das weiter gefasste Ziel einer Darstellung sämtlicher Heiligen und Ordensgründer verfolgte. Worin lag nun Holzers kompositionelle Neuerung? Die nahezu identischen Modelli des Münsterschwarzacher Kuppelfreskos von Augsburg und Nürnberg zeigen dies nicht auf den ersten Blick. Denn wie Franz Matsche am Augsburger Modello zeigte, beruht Holzers modellhafte Darstellung nicht auf einer geschlossenen Kreisform als Tondo.Vielmehr geben ein großer trapezförmiger und drei kleinere Zwickeleinschnitte das geplante Fresko in vier Teilansichten von unterschiedlicher Breite wieder. Der Grund für dieses „Aufschneiden“ der Kuppel liegt in der extrem hohen und steilen, auf einen Tambourring aufgesetzten Kuppelschale Balthasar Neumanns, die der übersichtlichen Darstellung des Figurenprogramms im Wege stehen musste. Holzers „aufgeschnittenes“ Modello des Kuppelfreskos präsentiert den Versuch, sowohl die Verkürzung als auch die volle Körperhaftigkeit der Figuren zugleich darzustellen. Es handelt sich demnach um

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

die Schrägansichten von vier für sich gesehenen Kuppelschalensektoren, die im Interesse eines besseren Eindruckes nicht auf vier einzelne Leinwände verteilt, sondern in einem einzigen Gesamtmodello zusammengefügt wurden.877 Zusammen mit dem Nachlass Holzers gelangte das Augsburger Modello später in den Besitz Matthias Günthers. Dieser wiederum benutzte es als direktes Vorbild für sein Kuppelfresko in Rott am Inn.878 Erst das um 1759 entstandene Modello [Abb. 283], das Matthias Günther auf der Grundlage des holzerschen Nachlasses für das Kuppelfresko von Rott am Inn (1761–1763) entwarf [Abb. 284], gibt deutlich zu erkennen, dass schon Johann Evangelist Holzer das himmlische Figurenpersonal des Münsterschwarzacher Kuppelfreskos nicht mehr in Ringstufen aus weitgehend voneinander isolierten konzentrischen Kreisen, sondern eher spiralförmig angelegt hatte. Bei allen späteren Anpassungen an den klassizistischen Zeitgeschmack folgten Matthias Günther, Martin Knoller und wohl auch Franz Joseph Spiegler dem Vorbild Johann Evangelist Holzers. Schon Spieglers Arbeitsweise deutet hierauf hin: Die Untersuchung der Putzkanten während der Restaurierungsarbeiten (1975–1984) ergab, dass der Freskant sein Werk in 49 Tagen („Tagewerken“) ausgeführt hatte [Abb. 270].879 Dabei hatte er sich in den ersten vier Tagen schnecken- bzw. spiralförmig vom Zentrum bis zur Gottesmutter vorgearbeitet, um sich dann, die Drehrichtung wechselnd, in zunehmend großflächigeren Tagewerken und Spiralringen zum Kuppelrand hinabzubewegen. Bis er das südliche Kreissegment der Kuppel erreichte, wechselte er noch einmal Drehrichtung und Ansatzpunkt. Jede Einzelfigur erscheint im Ergebnis als teilhabendes Glied einer sich hochschraubenden (oder sich abwickelnden) Spirale, die nur auf ein Ziel hinführt: auf die unendliche Annäherung an das Zentrum der Gottesmutter inmitten der Dreifaltigkeit. Mit jenem spiralförmigen Ordnungsmodell zog nicht nur eine neuartige Dynamik in den Heiligenhimmel des Kuppelfreskos ein. An die Stelle

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283 Matthäus Günther: Verherrlichung des Benediktinerordens, Entwurf für das Mittelkuppelfresko der ehem. Benediktinerabteikirche von Rott am Inn, 1759, Öl auf Leinwand, 127 x 129 cm, Bayerisches Nationalmuseum München (KATALOG 2010) 284 Matthäus Günther: Glorie des Benediktinerordens und seiner Zweige, Rott am Inn, 1761/63 (KATALOG 1988)

877 MATSCHE 1985, S. 257; MATSCHE 2010, S. 77. 878 KATALOG 1988, S. 246. 879 INGENHOFF 1982, S. 208.

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eines in sich geschlossenen hierarchischen Stufenmodells trat nun auch ein nach unten offenes Bewegungsmodell, das den Betrachter an das Ende einer unendlichen Figurenfolge weiblicher und männlicher Heiliger stellte. Erschien die spiralförmige Heiligenkette als Weg einer aufsteigenden und unendlichen Annäherung an die theologische Himmelsmitte, so bildete sich in der Raumfigur der Spirale unter der Kuppel ein virtueller Ascensus ab, der der spiralförmig sich hinaufschraubenden Bildorganisation folgt. Der bildgeschichtlich längst vorformulierte Weg einer irdischen Imitatio [Abb. 285] wurde so als individuelle Bewegung in den sakralen Raum eingeschrieben. Stets blieb dabei gegenwärtig, dass es sich nur um einen unendlichen Weg möglicher Annäherungen handeln konnte.

13.3 Globusspiel und Heiligenhimmel

285 Der Weg des ewigen Lebens, aus: Antoni Sucquet SJ: Via vitae aeternae [1620], editio sexta, auctior et castigatior, et nouissima, Antverpiae 1625 (NvdM)

880 Vgl. zu einer mathematisch-wissenschaftsgeschichtlichen Darstellung der Spirale DAVIS 1993.

Es bedürfte einer eigenen Untersuchung, um den möglichen Einflüssen der im 17. und 18. Jahrhundert diskutierten Spiralgeometrie auf die projektive Übertragung von Figuralkompositionen der Kuppelmalerei und der hier geltenden theologisch-kosmischen Modelle nachzugehen. Jedenfalls entspricht die spiralförmige Figurenkomposition der Zwiefalter Kuppel weniger der idealen Form einer ­„archimedischen Spirale“ mit konstantem Windungsabstand als der von Descartes, Evangelista Torricelli und Jakob Bernoulli definierten und konstruierten „logarithmischen Spirale“ mit exponentiell anwachsendem Radius.880 Aber auch von dieser unterscheidet sich die Zwiefalter Figuralkomposition durch ihren unregelmäßigen Windungsabstand und die mehrfach wechselnde Laufrichtung. In das Ellipsoid der Kuppel schreibt diese Laufrichtung eine rotierende Bewegung ein, die vom Zentrum ausgeht oder umgekehrt in ihm endet. Wie auch immer: Das Kuppelfresko von Zwiefalten lässt sich eben nicht mehr als exaktes Abbild eines gedachten kosmologischen Modells beschreiben, vielmehr scheint es tradierte christliche Bildthemen (Weltgericht, Assunta) mit kosmologischen (Ptolemäus,Tycho Brahe, Semi-Tychonicum) und mathematischen Spiraldarstellungen (Torricelli, Bernoulli) zu verbinden und diese auf ein theologisch-ästhetisches Interesse auszurichten: ein kosmologisch-eschatologisches Modell für das Kuppelfresko zu entwerfen, in dem der Kirchenbesucher zumindest indirekt seinen Platz finden kann. Interessanterweise kam die Spirale als visuelles Schema eines theologisch-kosmologischen Systems in den barocken Kuppelfresken des 17. Jahrhunderts nicht und auch in den zeitgleich diskutierten Weltsystemen nur selten zur Anwendung, wo es doch in beiden Fällen darum ging, ein von der Menschheits- oder Weltgeschichte losgelöstes Heils- oder Weltmodell vor Augen zu führen. Die Spirale – als visuelles Modell der Zusammenschau von endlicher und unendlicher Zeit – kam lediglich dort zum Einsatz, wo es um eine Zusammenschau unterschiedlicher Zeitmodelle ging, etwa bei der Darstellung des Verhältnisses von Mikro- und Makrokosmos, wie es der unter anderem von Nikolaus von Kues beeinflusste Robert Fludd in seiner Schrift Utriusque cosmi maioris scilicet et minoris Metaphysica (1617) umriss. Nicht nur Mikro- und Makrokosmos sind bei

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

Fludd in eine unter der Herrschaft von Chronos sich spiralförmig abwickelnde Zeit eingeschrieben. Auch das ptolemäisch-geozentrische Weltsystem der Planeten,881 ergänzt um die Elemente, Kräfte,Throne und Erzengel, ordnet sich in eine auf Gott, das Wesen aller Wesen (ens entium), zulaufende und prinzipiell von ihm ausgehende schöpferische Naturbewegung (natura naturans) ein [Abb. 286, 287]. Dabei überblendet Fludd zwei Spiralen miteinander, nämlich die archimedische Spirale, die er zur Darstellung des planetarischen Stufenmodells verwendet, und die logarithmische Spirale, die er durch eine Folge von Engelsköpfen veranschaulicht, welche die gesamte Stufenfolge zwischen Erde und Gott durchläuft. Offenbar ging es bei dieser Überblendung auch darum, eine in ihrem Verlauf in den Kosmos eingebundene Erdgeschichte auf die Ewigkeit Gottes auszurichten. Es würde hier zu weit führen, auf die schriftlichen Quellen der Anschauungsmodelle Fludds (u. a. Platons Timaios 38 + 39, Aristoteles’ Schrift De caelo und Thomas von Aquins Summa theologica III, 2,1) genauer einzugehen. Weitaus direkter dürfte Fludd ohnehin von dem spekulativen Weltmodell des Nikolaus von Kues (1401–1464) beeinflusst worden sein, das dieser unter anderem in der Schrift Docta ignorantia (1440) unter Verwendung des neuplatonischen Begriffspaares der „Ein-“ und „Ausfaltung“ (complicatio – explicatio) entwickelte. In den späten Gesprächen über das sogenannte „Globusspiel“ (De ludo globi) von 1462/63 sind nicht nur die wesentlichen Elemente der cusanischen Theorie der Ein- und Ausfaltung zusammengefasst, sie werden auch im Rückgriff auf einen in das Spiel eingebundenen Gebrauch der Spirale als Bewegungsmodell vorge-

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286 Robert Fludd:Titelkupfer mit einer Simultandarstellung von Mikro- und Makrokosmos, aus: FLUDD 1617–1619 (NvdM) 287 Robert Fludd: Unitas simplex, Principium Terminus a quo, Fons essentiarum, Actus primus, Ens entium, Natura naturan, aus: FLUDD 1617–1619 (NvdM)

881 Vgl. zu den um die Mitte des 17. Jahrhunderts diskutierten Weltsystemen vor allem KRAFFT 2004, bes. S. 280–283, und die dort besprochene Tafel der Weltsysteme aus Athanasius Kirchers Iter exstaticum coeleste (zweite, kommentierte Auflage 1660).

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882 Zur Einführung in das Globusspiel FLASCH 1998, S. 576–602. 883 THURNER 2001, S. 87. 884 FLASCH 1998, S. 577. 885 THURNER 2001, S. 115. 886 Hierzu zuletzt HILGERS 2005. 887 KUES 2000a, I, 50, S. 55; vgl. auch von BREDOW 1995, S. 24. 888 KUES 2002a, I, 4, S. 5.

führt.882 Im vorliegenden Zusammenhang verdient das Globusspiel deshalb Beachtung, weil es nicht nur den Kreis mit der Spirale als Welt- und Erkenntnismodell zusammenführt, sondern auch die Beziehung zwischen beiden durch eine besondere Konzeption von Bewegung zum Ausdruck bringt. Am Anfang der zwei Globusdialoge steht das Staunen von Cusanus’ Gesprächspartners über das neue Spiel. Auf das platonische und aristotelische Staunen als Ursprungsakt der Philosophie wurde an anderer Stelle schon eingegangen [vgl. Kap. 7.4]. Wie Martin Thurner zeigte, bezieht sich das Staunen im Globusdialog auf den enigmatischen Charakter eines Spieles, das imstande ist, auf vergnügliche Weise eine anders nicht darstellbare, verborgene Erkenntnisbewegung vorzuführen, diese Erkenntnis aber auch als eine Bewegung des Spielers auszuweisen. 883 Bevor hier auf den Aufbau und Charakter des Globusspiels näher eingegangen wird, soll auf einen charakteristischen Grundzug des cusanischen Spiels hingewiesen werden: In jüngerer Zeit wurde wiederholt und zuletzt auch mit guten Argumenten dargelegt, dass das Spiel des Cusanus nicht nur – wie gelegentlich angenommen884 – als Repräsentation philosophischen Denkens oder als eine Art philosophisches „Unterhaltungsspiel“ zu verstehen sei.Vielmehr lege Cusanus seiner spekulativen Schrift De ludo globi die Betrachtung eines Spiels zugrunde, um eine bestimmte Form des denkenden Glaubensvollzugs zu veranschaulichen, die sich nicht anders als im Spiel ausdrücken lässt und implizit eine bestimmte Form der Gelassenheit innerhalb eines unabschließbaren Erkenntnisprozesses empfiehlt. Weder gehe es Cusanus um einen generell spielenden Menschen (homo ludens) noch um ein Konzept der menschlichen Wirklichkeit als Spiel, sondern vielmehr um eine spekulative Erkenntnisbewegung vor dem Hintergrund einer Imitatio Christi. Da der menschliche Selbstvollzug „im Glauben von der Gnade Gottes her immer schon geschenkt sei, erweise sich das Glaubensgeschehen als der eigentliche Ursprung von Leichtigkeit. Der Glaube ist somit als der tiefste Grund dafür begriffen, dass sich der Selbstvollzug der endlichen Intellektnatur als Spiel bestimme. Das Spielenigma hat demnach den präzisen philosophischen Sinn, die Wesenstiefe eines im Glaubensvollzug gründenden Denkens darzustellen.“885 Schon aus diesem Grunde ist das Globusspiel in enger Verbindung mit dem Spätwerk des cusanischen Denkens zu sehen. Und es geht weder in allgemeinen Vorstellungen vom „spielenden Menschen“ auf noch lässt es sich bruchlos in kulturphänomenologische oder ästhetische Betrachtungen des Spiels einordnen.886 Glaubens- und Spielvollzug sind im Globusspiel des Nikolaus von Kues eins. Es ist historisch gesichert, dass das vom Kardinalphilosophen Cusanus selbst erfundene Globusspiel in dessen Umkreis auch tatsächlich gespielt wurde,887 und zwar, gemäß den Dialogen, mit Holzkugeln, die aufgrund ihrer konkaven Aushöhlungen auf der einen Hälfte nicht geradeaus rollten, sondern sich „schneckenförmig“, „spiralförmig“ oder in Kurven bewegten [Abb. 288].888 Ziel des Spiels ist es, eine Kugel in das Zentrum eines auf dem Boden ausgebreiteten Spielplanes zu werfen, der aus einem von neun konzentrischen Kreisen umgebenen Mittelpunkt besteht. In Abhängigkeit von Wurfbewegung und -kraft, unterschiedlicher Kugelform und Verschiedenartigkeit der äußeren Umstände ähnelt

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

keine Kugelbewegung der anderen; keine Kugelbewegung lässt sich noch einmal wiederholen; zwei Kugeln können zudem kaum je einen genau gleich weiten Abstand zum Mittelpunkt einnehmen. 889 Wichtig ist demzufolge: Das „Scheitern“ des Erreichens des idealen Zieles ist in das Regelwerk bereits eingebaut. Denn mit jedem Wurf lässt sich aufgrund der eingeschränkten Rollbewegung der eingedrückten Kugel immer nur ein Annäherungswert erzielen. So betrachtet gelangt das Spiel zu keinem idealen Ende, und der Witz des Spiels liegt in der „Unendlichkeit des Spiels“.890 Darüber hinaus weist es eine „Wahrheitsorientierung“ auf. Diese besteht darin, dass jedem der konzentrischen Kreise eine Zahl von 1 bis 9 zugewiesen ist und derjenige, der nach mehreren Spielrunden in der Summe zuerst die Zahl 34 (also die damals angenommenen Lebensjahre Christi) erreicht, „Sieger sein soll“.881 Während der unteilbare Punkt im Zentrum (die 10) die ideale Rundheit und Wahrheit, mit anderen Worten, Christus abbildet, der, „als er uns ähnlich war [...], den Globus seiner Person“ so bewegte, dass er „als Vorbild im Mittelpunkt ruhte“, 892 entsprechen den neun konzentrischen Kreisen verschiedene „Stufen des [menschlichen] Schauens“ und der menschlichen Annäherung an Christus. 893 Wenn oben im Rückgriff auf Pseudo-Dionysius Areopagita das Kuppelfresko und die Körperbewegung unter der Kuppel als ein Wechselspiel von Descensus (d. h. als Abwärtsbewegung in der Spiralkomposition) und Ascensus (d. h. als ideale Annäherungsbewegung an das Zentrum) beschrieben wurden, so lässt sich hier eine erste Parallele zu Cusanus’ Konzeption des Globusspiels herstellen. Denn Cusanus greift das pseudo-dionysische Descensus-Ascensus-Modell auf, übersetzt es aber schon in De docta ignorantia in das Begriffspaar der Aus- und Einfaltung (explicatio – complicatio): „Gott ist die Einfaltung von allem insofern, als alles in ihm ist; er ist die Ausfaltung von allem insofern, als er in allem ist.“894 Im Globusspiel kommt diese Ausfaltung Gottes in den nummerischen Kreisen des Spielfeldes zur Darstellung. Wie Christus nämlich als Mensch und Gott, als Schöpfer und Geschöpf im Mittelpunkt (der 10) steht, in dem die übrigen Kreise (und Zahlen von 1 bis 9) immer schon eingefaltet sind, so „entströmen“ umgekehrt von ihm alle Erscheinungen.895 Auf diese Weise kann Cusanus die konzentrischen Kreise als dynamische Ausfaltungen (explicatio) der absoluten Rundheit des Mittelpunktes nach einem gestuften Ordnungsgefüge beschreiben – einem Ordnungsgefüge, in dem sich durch die unterschiedlichen Abstände der Kreise zum Mittelpunkt die zum äußersten Kreis hin abgestuften Seins- und Erkenntnisstufen ausdifferenzieren. In Übereinstimmung mit dem hierarchischen Himmelsmodell des Pseudo-Dionysius bündelt Cusanus die neun Kreissegmente schließlich zu drei Dreiergruppen, denen er verschiedene Himmelsschichten und durch Engel repräsentierte Kräfte zuschreibt: einen sichtbaren sublunaren Himmel (caelum visibile), darüber den supralunaren Himmel der Einsicht (caelum intelligibile), schließlich den Himmel der geistigen Schau (caelum intellectuale), an dessen Ende, über den Cherubim, der Thron Gottes die Neunzahl in der 10 vollendet. 896 Aber das Spiel wäre kein Spiel ohne einen Spieler, der es spielt. Seinetwegen wurde hier so ausführlich auf das Globusspiel eingegangen. Denn Cusanus ver-

317

288 Schematische Darstellung der Kugel und des Spielfeldes des Globusspiels von Nikolaus von Kues (NvdM)

889 890 891 892 893 894 895 896

KUES 2002a, I, 50, S. 55. SONDEREGGER 2000, S. 358. KUES 2000a, I, 50, S. 55. KUES 2002a, S. 11, 21, 55, 85. KUES 2002a, II, 71, S. 81. KUES 2002b, II, 107, S. 25. KUES 2002a, II, 78, S. 89. KUES 2002a, II, 89, S. 103.

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bindet mit dem Spieler eine individuelle Selbstbewegung des Menschen, die zur kreishaften Ausfaltungsbewegung Gottes gewissermaßen komplementär verläuft. Konkret bezeichnet diese Ausfaltungsbewegung des Menschen dessen Fähigkeit, durch die in ihm eingefalteten Kräfte die Welt zu formen und Neues zu erfinden,897 mit anderen Worten: eine unaufhörliche Bewegung des Geistes durch verschiedene Erkenntnisstufen auf Gott hin. Wie charakterisiert Cusanus die Selbstbewegung des Menschen im Globusspiel genau? Zunächst vergleicht er den menschlichen Leib mit dem Globuskörper und dessen Bewegung wiederum mit der Seele.898 Im entscheidenden Punkt dreht er aber die Ursächlichkeit der Bewegung um und schreibt: „Die Bewegung also, die Seele genannt wird, ist dem Leib anerschaffen und nicht, wie dem Globus, durch Antrieb gegeben, sondern Bewegung durch sich selbst, dem Leibe verbunden und zwar so, dass sie von ihm getrennt werden kann [...].“899 Die Seele oder Vernunft vermag sich zwar durch die Teilhabe an der göttlichen Bewegung zu bewegen (participatione motus), denn als Abbild seines Urbildes ist der Mensch Imago Complicationis (ein Bild der Einfaltung, bzw. ein Bild des eingefalteten Urbildes), wie es an anderer Stelle heißt.900 Aber – und hierin liegt eine der Pointen des Globusspiels: Weil die Seele von Gott erschaffen ist, sind Gott und Seele nach dem Schöpfungsakt nicht mehr identisch. Deshalb bewegt auch nicht Gottes Geist den Menschen, sondern: „in dir erschaffen ist die Bewegung. [...] Die Vernunft bewegt sich selbst.“901 Auf diese Formulierung kommt es Cusanus an, weil sie im Unterschied zu Pseudo-Dionysius Areopagita die menschliche Bewegung als eine von Gott unabhängige, jedoch auf diesen ausgerichtete Selbstbewegung konzipiert.

13.4 Unter der besten aller möglichen Welten

897 898 899 900 901 902 903

KUES 2002a, I, 28, S. 31. KUES 2002a, I, 25, S. 27. KUES 2002a, I, 25, S. 27. KUES 2002c, I, 4, S. 27. KUES 2002a, I, 22 und 25, S. 25 und 27. THURNER 2001, S. 96. Vgl. hierzu die knappen Beschreibungen der Illustrationen im KATALOG 2000, S. 317, Nr. 2-3-3 und 2-3-4.

Auf die philosophischen Konsequenzen dieser letzten Äußerungen lässt sich hier nicht hinreichend eingehen. Wesentlich für unseren Zusammenhang ist, dass sich in der Spiralbewegung der Kugel eine unabschließbare Annäherung an Gott abbildet. Ihr korrespondieren individuelle Bewegungsfiguren, die einer Spirale gleichen [Abb. 288]. Die Spiralbewegung ist paradox angelegt, weil die Lebensbewegung des Menschen ihr Ziel – die unendliche ideale Rundheit Gottes im Mittelpunkt – nie erreicht. Das Defizit der eingeschnittenen Kugel, nicht vollends rund zu sein, lässt eine spiralförmige Bewegung entstehen, die zum Ausdruck bringt, dass die unaufhörliche Eigenbewegung zum unendlichen „Beweg-Grund“ in einem relativen Verhältnis steht.902 Interessanterweise findet sich weder in der von Jacques Lefèvre (1514) besorgten Pariser Gesamtausgabe der Cusanus-Werke noch in der späteren Basler Edition von Henricus Petrus (1565) eine Illustration des Globusspiels, die den Spielcharakter angemessen wiedergeben würde.903 Während nämlich die erstgenannte Ausgabe das Spielfeld korrekt abbildet, die spiralförmige Bewegung des Globus aber vernachlässigt [Abb. 289], illustriert die Basler Edition zwar die Globusbewegung, verwandelt dazu aber die konzentrischen Kreise des Spielplans in

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

289 Nicolaus Cusanus: Globussspiel, aus: Nicolai Cusae Cardinalis Opera, ed. Jacobus Faber Stapulensis, Paris 1514 (NvdM)

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290 Nicolaus Cusanus: Globussspiel, aus: Nicolai de Cusa Opera, ed. Henricus Petri, Basel 1565 (NvdM)

eine archimedische Spirale [Abb. 290]. Offensichtlich besteht die Schwierigkeit darin, den statischen Spielplan und die dynamische Spielbewegung des Spiels gleichzeitig zu zeigen, weil die einfache Überblendung von Spirale und Kreisstufenordnung auf Kosten der Anschaulichkeit ginge. Eine noch ältere Handschriftenillustration des Globusspiels von 1462/63 kommt dieser Spielbeschreibung zwar näher [Abb. 291].904 Doch lässt auch sie das Spielgerät aus Gründen der Anschaulichkeit nur außen um den Spielplan herumkreisen, was weder dem Symbolcharakter des Spieles noch der konkreten Spielidee entspricht. Das Globusspiel des Nikolaus von Kues und das Kuppelfresko von Zwiefalten haben in Pseudo-Dionysius Areopagita und anderen eine gemeinsame ideengeschichtliche Wurzel. Aber auch bildgeschichtlich laufen sie dort zusammen, wo die Spirale als Weltmodell herangezogen wird, das die relative Bewegung des Menschen und die ideale Unbewegtheit Gottes überblendet. Von einer choreografierten Eigenbewegung unter dem Fresko kann die Rede sein, weil das Kuppelbild eine spiralförmig auf die Mitte zulaufende Eigenbewegung nahelegt, nicht aber erzwingt [Abb. 292]. Die choreografierte Eigenbewegung schließt ein Moment der theologischen Reflexion über den „Auf- und Abstieg“, über das „Ein- und Ausfalten“ mit ein und beschreibt in letzter Instanz eine Transzen-

291 Nicolaus Cusanus: Globussspiel, aus: Nicolaus Cusanus, De ludo globi, Manuskript, Krakau 1562 (KATALOG 2000) 292 Bewegungsdiagramm unter dem Kuppelfresko von Zwiefalten (NvdM)

904 Vgl. Abb. KATALOG 2000, S. 246, Abb. 99, Nr. 2-3-3.

320

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293 Franz Joseph Spiegler: Allegorie des Kontinents Afrika, 1749, Kartusche im südwestlichen Zwickel unter der Kuppel (NvdM)

294 Franz Joseph Spiegler: Allegorie des Kontinents Asien, 1749, Kartusche im südöstlichen Zwickel unter der Kuppel (NvdM)

295 Franz Joseph Spiegler: Allegorie des Kontinents Amerika, 1749, Kartusche im nordwestlichen Zwickel unter der Kuppel (NvdM)

296 Franz Joseph Spiegler: Allegorie des Kontinents Europa, 1749, Kartusche im nordöstlichen Zwickel unter der Kuppel (NvdM)

297 Franz Joseph Spiegler: Allegorie des Kontinents Europa, 1748/49, Öl auf Leinwand, 33,0 x 22,5 cm, Städtisches Museum Meran

13 Kuppelfresko: Maria Regina Sanctorum Omnium (1749)

298 Johann Joseph Christian: Allegorie der Erde, 1751, vergoldete Stuckplastik über dem nordwestlichen Vierungspfeiler (NvdM)

299 JJohann Joseph Christian: Allegorie des Wassers, 1751, vergoldete Stuckplastik über dem südöstlichen Vierungspfeiler (NvdM)

300 Johann Joseph Christian: Allegorie des Feuers, 1751, vergoldete Stuckplastik über dem nordöstlichen Vierungspfeiler (NvdM)

301 Johann Joseph Christian: Allegorie der Luft, 1751, vergoldete Stuckplastik über dem nordöstlichen Vierungspfeiler (NvdM)

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denzbewegung. Vor diesem Hintergrund kann die Spirale auch als „Toposformel“ bezeichnet werden.905 Eine Formel zum Verständnis des gesamten spätbarocken Heiligenhimmels von Zwiefalten (und verwandter Beispiele) ist hiermit zwar nicht gegeben, aber ein Modell, das den Einzug der Spirale in das spätbarocke Kuppelfresko erklärt. Die Bewegung, von der eben die Rede war, ist eine, die stets eine Distanz zum himmlischen Bereich aufweist, überaus vielfältig ausfällt und unendlich viele verschiedene Bewegungsmöglichkeiten beinhaltet [Abb. 293]. Was sich am Himmelsthron des Kuppelfreskos als geschlossene Einheit präsentiert, faltet sich durch die Heerschar der Heiligen und Ordensgründer exponentiell aus, bis es an der Basis in die beiden Quartette der Kontinente [Abb. 293–298] und der Elemente [Abb. 298–301] „in eine schwimmende Welt übergeht“.906 Es ist die gesamte Welt, die himmlische wie die irdische, die der Betrachter hier unter der Kuppel erschließt, an der er imaginär emporsteigt, die sich aber ebenso imaginär zu ihm herabsenkt. Die Seh- ebenso wie die Eigenbewegung unter der Kuppel sind dabei gleichsam die Körper gewordenen Metaphern jener Auf- und Abstiegsbewegungen. Die Einheit der Figurenspitze aus Dreifaltigkeit und Maria faltet sich unten in eine Vielheit der Figuren auf, die mit der Vielfalt der mög­ lichen Bewegungen und Standorte unter der Kuppel korrespondiert. Die in der Unendlichkeit möglicher Welten sich ausdrückende cusanische Kontingenz jedes Weltentwurfs im Kreis und Ziel des Unendlichen907 ist vom Globusspiel aus in Leibniz‘ Pyramide der Theodizee eingegangen.908 Der an der Unendlichkeit ausgerichtete endliche Weltentwurf findet seine Entsprechung in der Bewegung unter dem Kuppelfresko. Die Annäherung an den Heiligenhimmel ist keine Realität, sondern ein sich am ästhetischen Bewegungserlebnis artikulierendes theologisches Versprechen – eine Vision als körperliches Ereignis.

905 BRANDSTETTER 1995, S. 324–328. 906 DELEUZE 2000, S. 203 und zur Bedeutung der Elemente S. 199–202. 907 Vgl. hier nur mit Bezug auf das Globusspiel: THURNER 2001, S. 97. 908 Zur Beziehung zwischen der barocken Kuppel und der Pyramide der Theodizee vgl. DELEUZE 2000, S. 202.

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Planung und Ausstattung des Querhauses und der Vierung von Zwiefalten zogen sich über einen Zeitraum von rund dreißig Jahren hin [Abb. 302–307]. Ihren Anfang nahmen sie mit Straubs, Feichtmayrs und Spieglers Entwürfen für Kreuzaltar (um 1744/1745) [Abb. 144], Querhausaltäre (1748/49) [Abb. 308] und Erdteile (1748/49) [Abb. 297]. Leicht versetzt dazu folgten die ausführenden Arbeiten: Spieglers Freskierung der Kuppel und der Erdteilkartuschen (1749) sowie der zwei Querhausarme (1750)909 und Christians Stuckfiguren der vier Elemente unter der Kuppel (1751).910 1756/57 wurde dann das schmiedeeiserne Chorgitter mit dem Gnadenbild aufgestellt, bevor 1758–1762 in mehreren Arbeitsschritten die Aufrichtung und Fassung des Kreuz- oder Herz-Jesu-Altares erfolgte.911

302 Blick in das nördliche Querhaus Zwiefalten, 1748–1776 (NvdM)

909 PAULUS 1888, S. 181. 910 PAULUS 1888, S. 182, 187. 911 PAULUS 1888, S. 187 f.

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303 Blick in das südliche Querhaus Zwiefalten, 1748–1776 (NvdM)

304 Hauptaltar des nördlichen Querhauses Zwiefalten (NvdM)

305 Hauptaltar des südlichen Querhauses Zwiefalten (NvdM)

14 Querhaus (1745–1776)

Merkwürdigerweise findet in Baumanns (bis 1762 reichender) Bauchronik die Altarausstattung des Querhauses keine Erwähnung. Zwar werden die feierlich begangenen ersten Heiligenfeste im neuen Kirchenbau, der Stephanustag (1752) und das Fest des „Erzvaters“ Benedikt (1753), eingehend beschrieben, doch verliert der Autor über die gleichnamigen Altäre im Querhaus kein Wort, obgleich sich ein bereits genannter, um 1749, eher 1748 oder gar 1747 entstandener Entwurf für die Querhausaltäre erhalten hat [Abb. 308].912 Schon dies gibt Anlass zu der Vermutung, dass möglicherweise bis 1753 noch keine festen Altäre in den Querhäusern aufgestellt waren, zumal Baumann ansonsten auch kaum bedeutende Arbeitsschritte wie Verglasung und Vergitterung ausdrücklich vermerkt – oder aber die Querhausaltäre waren zu diesem Zeitpunkt lediglich aufgemauert und noch ohne Bilder und Plastiken. Mindestens die Altarplastiken aus der Christian-Werkstatt, zusammen möglicherweise mit letzten Stuckarbeiten Feichtmayrs und den beiden Altarbildern der Querarme, fallen wohl in die Zeit zwischen 1769 und 1776. Erst um 1770 dürfte Franz Ludwig Herrmanns Gemälde für den südlichen Querhaushauptaltar mit dem Tod des hl. Benedikt fertiggestellt worden sein.913 Dasselbe wird man für das nördliche Altarbild mit dem Martyrium des hl. Stephanus von Giosuè Scotti annehmen dürfen.914 Bernhard Nehers Abdeckbilder für die Katakombenschreine der flankierenden Querhausaltäre fallen gemäß

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306 Diagramm des südlichen Querhauses, der sogenannten italienischen Seite mit der Puttigruppe Crux Sacra („Crux Sacra sit mihi lux“ – „Das heilige Kreuz sei mein Licht“, Benediktussegen) (NvdM) 307 Diagramm des nördlichen Querhauses, der sogenannten böhmischen Seite mit der Puttigruppe Plenus Spiritus (Apg 7,55) (NvdM) 912 PAULUS 1888, S. 184. KNAPP 2008 und DISCHINGER 2011, S. 181, schreiben den Entwurf Johann Michael Feichtmayr zu, was Elisabeth HINTERSTOCKER 2009, S. 25 (mit Verweis auf Johann Joseph Christian als möglichen Autor) und anschließend auch Eva MAIER 2012, 132–134, anzweifeln. Johann Joseph Christian könnte ein möglicher Autor des Blattes gewesen sein. Allerdings fehlen für eine Zuschreibung die nötigen Vergleichsbeispiele. 913 Die Signierung des Bildes ist nicht mehr feststellbar, vgl. hierzu aber: SCHURR 1910, S. 138. 914 SCHURR 1910, S. 131.

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308 Unbekannt (Johann Joseph Christian?): Entwurf für die Hauptaltäre des Querhauses von Zwiefalten, 1748/49, schwarze und graue Feder über der Vorskizzierung in Grafit, 710 x 500 mm (KNAPP 2008)

915 INGENHOFF 1982, S. 205; KUMMER 1990, S. 394 f.

Datierung sogar erst in das Jahr 1776, also in die Zeit der letzten Ausstattungsarbeiten an der Klosterkirche. Hieraus ergibt sich annäherungsweise eine Zeitspanne für die Entwürfe und Arbeiten im Querhaus zwischen 1745 und 1776. Im Zusammenhang mit der Baugeschichte des Querhauses verdient ein weiterer Tatbestand Erwähnung: Auch nach seiner Fertigstellung durch den Architekten Fischer erlebte das Querhaus einen weiteren Eingriff in seine architektonische Gestalt. Denn während der Restaurierung des Münsters (1974–1984) wurden an den Schrägseiten der Querarme rundbogige Nischen nachgewiesen, die wohl in den späten 1750er- oder 1760er-Jahren mit Brettern und weißem Putz verdeckt wurden.915 In Feichtmayrs Entwurf für die Querhausaltäre sind diese Nischen zu sehen. Seine Entwurfsskizze macht aber auch deutlich, dass es im Falle der Beibehaltung dieser Nischen zu einem störenden Eindruck an den oberen Abschlüssen der Querhausnebenaltäre gekommen wäre. Mit solch nachträglichen Korrekturen an der Architektur relativieren sich freilich Vorstellungen von einer Vorherrschaft der Architektur gegenüber ihrer Ausstattung. Es scheint fraglich, ob ein Primat der Architektur gegenüber den anderen Künsten von den Bauherren überhaupt angestrebt wurde. Eben diesen Standpunkt vertrat etwa Stefan Kummer mit seinen Aussagen, das „Gedränge der Altäre in den Querarmen“ wirke sich negativ auf die architektonischen „Vorga-

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ben“ aus und in Zwiefalten nehme das Ornament gegenüber der Architektur ein „parasitäres Eigenleben“ an.916 Natürlich ist diese Einschätzung nicht neu und in gewissem Sinne auch zutreffend. Schon Bernardus Schurr und Gebhard Spahr missfiel an Zwiefalten das Auseinanderfallen von Architektur- und Dekorationsstil; in der fehlenden „Grenze zwischen Konstruktion und Dekoration“ liege ein wesentlicher ästhetischer Schwachpunkt.917 Diese Einwände scheinen indessen auf architekturtheoretischen Prämissen der Renaissance zu beruhen, die nachträglich auf den Spätbarock projiziert wurden. Ihr Gewährsmann, Leon Battista Alberti, schied bekanntlich im sechsten seiner Bücher über die Baukunst die Schönheit (pulchritudo) der Architektur von ihrem Schmuck (ornatus). Während die „Schönheit“ als eine „bestimmte gesetzmäßige Übereinstimmung (concinnitas) aller Teile“ der Architektur anzusehen sei, an der sich „weder etwas hinzufügen noch hinwegnehmen oder verändern“ lasse, handle es sich beim „Schmuck“ um eine bloß „äußere Zutat (affictum)“, um einen „die Schönheit unterstützende[n] Schimmer“, welcher der architektonischen Schönheit als Ergänzung (complementum) beigegeben sei.918 Auf die Widersprüche und verschiedenen Lesarten dieser Unterscheidung, die sich bis in die Ornamentdebatte des 18. Jahrhunderts hinein findet und sich auch in den zeitgleichen Ablösungsversuchen der Ästhetik von der Rhetorik widerspiegelt, soll später noch eingegangen werden.Vor allem wird danach zu fragen sein, welche Dimensionen Albertis Rede vom Complementum eigentlich mit einschloss. Ist Albertis Ornatus als „Gegensatz“, als „Ergänzung“ oder gar als eine „notwendige Vervollständigung“ der architektonischen Concinnitas zu begreifen? Eines lässt sich nach unseren bisherigen Ausführungen [vgl. Kap. 5, 7.5, 7.8, 10.5, 10.6, vor allem 8.6] jedenfalls festhalten: Zwiefalten kann als exemplarischer Fall einer Neugewichtung des Verhältnisses von Architektur und Ausstattung betrachtet werden. Die nachträgliche Kritik der späteren Jahrhunderte betrifft weniger den spätbarocken Raum als solchen als einen an ihn angelegten Maßstab.

14.1 Gelebtes Gestorbensein Im Kapitel über die Seitenkapellen [Kap. 10.5] wurde darauf hingewiesen, dass sich das Altarprogramm des spätbarocken Baus markant von denen des Vorgängerbaus unterschied. Über einen Zeitraum von rund sechshundert Jahren waren in Zwiefalten die Altäre samt ihren Titelheiligen ergänzt, erweitert und ersetzt worden. Einschneidende Veränderungen brachte aber erst der Neubau von 1739. Standen die letzten Altaränderungen des Vorgängerbaus im 16. und 17. Jahrhundert noch im Zeichen der klösterlichen Traditionspflege, so boten Abbruch und Neubau der alten Kirche Gelegenheit zu einer Neutaxierung des Reliquienbestandes. Gewiss ließen die rund dreißig Jahre, die zwischen dem Abbruch der alten und der Aufrichtung der neuen Altäre lagen, die einschneidenden Veränderungen nicht vollends spürbar werden. Sie betrafen aber den gesamten Reliquienbestand, der von nun an in einer inszenierten Rangstufenabfolge um das dadurch merklich aufgewertete Gnadenbild herum organisiert war.

916 KUMMER 1990, S. 393. Es fragt sich, ob die Vorstellung, ein Architekt wie Johann Michael Fischer habe eines seiner Werke, wie etwa Zwiefalten, durch ein Übermaß an Dekoration gestört oder beeinträchtigt gefühlt, nicht aus einem puristischen Verständnis von Architektur abgeleitet ist, dass dem ästhetischen Verständnis Fischers nicht entspricht. In diesem Zusammenhang wären die Mutmaßungen von DISCHINGER 2011, S. 176 u. 181, und anderen, Fischer könnte die Ausstattung als Verunklärung seiner Architektur empfunden haben, noch einmal zu prüfen. Die enge Verflechtung von Architektur und Ausstattung dürfte einem ästhetischen Geschmack entsprochen haben, in dem eine wechselseitige Abhängigkeit von Architektur und Ausstattung nicht nur toleriert, sondern bis in die feinsten Verästelungen hinein gesucht wurde. 917 SPAHR 1979, S. 73; SCHURR 1910, S. 83. 918 ALBERTI 2005, lib. 6, cap. 2, S. 293.

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919 Dieser auf einem Kreuzzug nach Jerusalem (1147) verstorbene und im Kloster als Märtyrer verehrte Abt war, entgegen den Bestrebungen des Konvents im 17. Jahrhundert, noch immer nicht seliggesprochen worden. Die Vita Wunderschöne Histori vom Leben, Lehr und Leiden S. Ernesten (1594) von der Hand des Zwiefalter Konventualen Georg Eiselin stand am Anfang des sich über mehrere Jahrzehnte hinziehenden Versuchs, den Märtyrerabt zumindest in den Stand eines Seligen zu erheben. Vgl. POLONYI 1998, S. 48–51. Vgl. auch DEO GRATIAS 1690, S. 29: „Under so grosser Anzahl aber kann ich mich nicht enthalten / deß heiligen Martyrers und fünfften allhisigen Praelatens Ernesi mit wenigem zu gedencken. Dann disem heiligen Diener gottes ware nicht gnug sein hohes Geschlecht zu verachten / sein Vatterland zu beurlauben / die Reichthum und Weltliche Pracht under die füß zu legen / allen anreitzenden Wollüsten durch die heilige Ordens-Gelübt abzusagen; es ware ihm nicht gung / mit seinen Mit-Brüdern dem Gebett / dem Fasten / dem Wachen abzuwarten; es ware ihm nicht gnug / den leib zu allerhand schwären Buß-Wercken anzu jochen; sondern durch innerlichen Gest Gottes angetriben / hat er sich über das Meer begeen / alla bey den Unglaubigen das Gesatz Jesu Christi verfochten / und endtlich durch Herausziehung seines Inngeweids ein erschröcklich- und langwirige Maryr nicht allein starckmüthig / sondern auch mit Freüde außgestanden ...“ 920 Herzog von Böhmen (geb. 908), Martyrium 935, Verehrer des Altarsakraments. 921 Geboren 1330 in Pomuk bei Prag, Beichtvater. Wiederum ein böhmischer Heiliger, was sich aus der engen Beziehung Zwiefaltens zum Kloster Kladruby erklärt, wohin der Zwiefalter Konvent im Jahr 1116 zwölf Mönche entsandte. Vgl. JOOS 1990, S. 51.

Einige ältere Altarpatrozinien fielen der neuen, auf Wirkung bedachten Reliquienabstufung zum Opfer. Das hatte, wie erwähnt, für die Seitenkapellen die Konsequenz, dass zwei der wichtigsten und jüngsten Reliquienerwerbungen des 17. Jahrhunderts – die Kopfreliquien der hll. Aurelius (Hirsau, 1690) und Agnes (Alpirsbach, 1695) – nunmehr das vorderste Seitenkapellenpaar besetzten und ältere Altartitel zurückgedrängt (hl. Mauritius) oder ersetzt wurden (hl. Justina). Mit der Vergegenwärtigung glamouröser Provenienzen wie Alpirsbach und Hirsau wurde der überregionale Charakter des Zwiefalter Reliquienbestandes unterstrichen. Dies war gewissermaßen die Botschaft nach außen. Nach innen, also auf den Kirchenraum bezogen, lieferte das Zeigen von Kopfreliquien gegenüber bloßen Splittern einen wesentlichen Beitrag zur Gradierung der auf das Gnadenbild hin zugespitzten Affektbewegung. Was mit dem Reliquienkranz in den Seitenkapellen des Langhauses anhebt, ist im Altarensemble des Querhauses noch einmal gesteigert und ringförmig entfaltet [Abb. 306, 307]. Mit der hier beherbergten Hand des hl. Stephanus und den drei aus Rom stammenden ganzen Katakombenleibern (Exuperia,Vitalis, Fortunatus) mündet die Reliquienleiter der Langhauskapellen in einen kreisförmigen Abschluss, der das marianische Gnadenbild über dem Herz-Jesu-Altar einfasst. Dennoch findet im Querhaus eine thematische Wendung gegenüber den Seitenkapellen des Langhauses statt – eine Wendung, welche wohl mit der Doppelfunktion Zwiefaltens als Wallfahrts- und Klosterkirche zusammenhängt.Während sich das Bild- und Altarensemble des Langhauses unmittelbar an den Wallfahrer adressiert, ihn zum aufmerksamen Innehalten (Vorhalle, Beichtstühle), zur tugendmäßigen Nachfolge (Kartuschen) und zur Verehrung Mariens (Langhausfresko) aufruft und ihm Hilfe in allen Notlagen in Aussicht stellt (Seitenkapellen), steht in den Querhausaltären die Memoria einer streitbaren und standhaften Kirche im Vordergrund. Dabei kann das Kuppelfresko mit Maria als Himmelskönigin inmitten der Heiligenschar als motivisches Glied zwischen Lang- und Querhaus angesehen werden. Die kreisförmige Bewegung unter der Kuppel bezieht Lang- und Querhaus aufeinander und schließt beide zu einer Sehbewegung zusammen. Mit Blick auf den Chorraum wird sich zeigen, dass Querhaus und Vierung wiederum die Bindeglieder zwischen Langhaus und Chorraum darstellen. Doch diese enge Verklammerung des Anfangs mit der Mitte und der Mitte mit dem Ende wird uns erst gegen Ende dieser Untersuchung beschäftigen. Dem Altarkonzept des Querhauses liegt der Motivkomplex des „vorbildhaften Todes“ und des „standhaften Sterbens“ (virtus) zugrunde. In ihn reiht sich die überwiegende Zahl der Figuren und Altäre ein: der Stephanus­altar, die Katakombenheiligen Exuperia,Vitalis und Fortunatus (als vorgeb­liche Märtyrer des Urchristentums), ein ganzer Körper aus dem Gefolge­­der hl. Ursula sowie der hl. Sebastian und der in einer Altarplastik am Stephanusaltar vergegenwärtigte Abt Ernst von Zwiefalten.919 Überdies werden in den südlichen Schrägseiten der Kapelle mit der Altarplastik des hl.Wenzel920 (über Exuperia) die Eucharistie, mit Johann Nepomuk921 (über Vitalis) die Beichte, dagegen in den nördlichen Schrägseiten mit Johannes dem Täufer (über Fortunatus) die Taufe und mit dem hl. Martin (über der Jungfrau aus dem Gefolge der Ursula) die Priesterweihe dargestellt. Im

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Querhaus werden somit die katholischen Sakramente mit den Ganzkörperheiligen kombiniert. Mit der angestrebten Präsenz dieser Heiligen und Märtyrer im Querhaus zielte Zwiefalten darauf ab, die Heiligenfolge der Seitenkapellen gleichsam in eine fiktive Märtyrerkompanie der Ecclesia militans gipfeln zu lassen. Die „Ars bonae Mortis“ – die Kunst, wohl zu sterben – verzweigt sich mit den Motiven des „vorbildhaften Todes“ im nördlichen (hl. Stephanus) und des „standhaften Sterbens“ im südlichen Querarm (hl. Benedikt) wiederum in zwei thematische Komplexe. Mit ihren affektiven Gebärden flankieren die Altarskulpturen des nördlichen Querarmes (hl. Sebastian und Abt Ernst von Zwiefalten) den dramatischen Märtyrertod des im Altarbild dargestellten Stephanus, während die statuarischeren Altarskulpturen (hll. Gertrud und Scholastika) auf den stoischen Tod des benediktinischen Ordensgründers abgestimmt sind. Diese knappe Skizze des Heiligenfigurenpersonals und seiner theologischen Ausrichtung soll der ersten Orientierung dienen; über das komplizierte Zusammenwirken der Figuren, der Plastiken, Bilder und Reliquien wie auch ihre Beziehung zum umrankenden Ornament ist damit noch wenig gesagt. Wir haben vorerst Ordnung in eine Konstellation gebracht, die viel zu kompliziert ist, als dass wir sie nach diesen wenigen Sätzen bereits überblicken könnten.Vor allem scheint schwer zu lokalisieren sein, wo die übrigen Haupt- und wo die Nebenschauplätze liegen. Allem Anschein nach stehen wir erneut vor der Schwierigkeit, dass wir beschreibend trennen, was als untrennbares Zusammenwirken angelegt ist. Deshalb sollten wir in der nachfolgenden Beschreibung das Zusammenwirken so beschreiben, dass es klar, nicht aber geklärt wird. Dabei handelt es sich nicht nur um eine formal-stilistische Angelegenheit, sondern auch um eine inhaltliche Untersuchung, die den Übergängen und dem Nebensächlichen mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit schenkt wie den Trennlinien und dem vermeintlich Hauptsächlichen. Wir wollen den nächsten Ausgangspunkt bei der Frage wählen, wie Tod und Sterben als Leitthemen des Querhauses anschaulich werden. Die Annäherung an diese Frage konfrontiert mit einem nicht leicht zu lösenden Widerspruch, denn offenbar wird hier den Darstellungen des Todes eine gesteigerte Affektbewegung abgerungen. Die im Querhaus anzutreffenden Modellierungen des Todes stellen Tod und Leben in einen eigenwilligen Dialog.

14.2 Modellierung des Todes: Die Katakombenheiligen Wenn anlässlich der Heiligenfeste an den seitlichen Querhausaltären die Abdeckbilder ausgehängt wurden, offenbarte sich dem schaueifrigen Besucher ein inszenierter Tod, der selbst dem reliquiengewohnten Auge noch eine Überraschung geboten haben dürfte [Abb. 309]. Geziert von Goldrahmen, eingebettet in ein Gehäuse aus rotem Samt, trifft der Blick auf lebensgroße Corpora integra, die unter dem Namen „Katakombenheilige“ im 17. und 18. Jahrhundert eine heute kaum noch nachvollziehbare Karriere als Schautote machten. Dabei vermittelt

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309 Katakombenheilige Exuperia als römische Patrizierin mit Abdeckbild von Bernhard Neher, um 1776, Translation der Exuperia 1669, Modellierung um 1770 (NvdM)

310 Katakombenheilige Exuperia als römische Patrizierin, Translation 1669, Modellierung um 1770 (NvdM)

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gerade die Ästhetik dieser modellierten Körper einen tiefen Einblick in das spätbarocke Verständnis von Lebendigkeit.922 Tritt man etwas näher an einen der lebensgroßen Korpora heran, so zeigt sich an den Körpern eine eigenartige Mixtur aus Lebendigkeit und Gestorbensein [Abb. 310]. Exuperia, mit weißen Pantoffeln beschuht, ist in ein helles Gewand mit Goldbordüren gekleidet.923 Auf ihrer Brust ruht eine von der linken Hand gehaltene weiße Lilientrias. Die Unterarme geben ein aufwendiges Untergewand frei, aus dem die knochigen Finger eines Gerippes hervorschauen. Ihr Kopf ist ein übermodellierter Schädel, auf dem das feine Geäder der Stirn sichtbar wird [Abb. 311]. Die halb geöffneten Augenlider zeigen ein Paar milchiger Glasaugen, zwischen denen eine übermäßig spitz modellierte Nase hervorragt. Die entblößten Zahnreihen im halb geöffneten Mund setzen wie zum Sprechen an – dabei scheint doch schon alles gesagt zu sein. Eine modellierte Kinnpartie rundet den von einem Siegeskranz und einem Schleier gerahmten Schädel nach unten hin ab. Ihr gegenüber ruht Vitalis, den Körper in einer leichten Drehung dem Betrachter zugewandt [Abb. 312]. Gekleidet wie ein Offizier mit römischen Sandalen und Offiziersrock, hält er in der rechten Hand einen Märtyrerkranz, während die Linke an einem knochigen Arm wohl einst den Kopf stützte. Das reich mit bunten Glassteinen besetzte Obergewand gibt oben den Blick in die Brusthöhle zwischen mit Stoff umkleideten Rippenknochen frei. Die Glaskästen, in denen die Körper ruhen, vermitteln den sonderbaren Eindruck einer zum Bild erstarrten Totenschau. Es geht nicht um eine einfache Darstellung des Todes oder der potenziellen Lebendigkeit, sondern um eine Simultandarstellung von Leben und Tod. Die Katakombenleiber zielen auf die suggestive Erlebbarkeit eines gelebten Gestorbenseins.Von seiner Modellierungsund Materialseite her ist der barocke Katakombenleib zweischichtig aufgebaut. Sein Ornatus, das figurale Schmuckwerk aus Edelsteinen, Kleid, Möbel, Abdeckbild, Attributen und Altaraufsatz, erzählt die Geschichte eines individuellen, an Ort und Zeit gebundenen Martyriums. Ornatus, Modellierung und Überformung der Gebeine erschaffen so eine persona ficta (Alfred Kantorowicz). Es ist

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311 Modellierter Kopf der Katakombenheiligen Exuperia, um 1770 (NvdM) 312 Katakombenheiliger Vitalis als Miles Christi, schlafend, Translation 1685, Modellierung um 1770 (NvdM)

922 ACHERMANN 1979, S. 17. 923 Ursprünglich dürfte der an den Katakombenleibern angebrachte Kleiderschmuck noch aufwendiger gewesen sein. Viele Teile, die nicht unmittelbar mit den modellierten Katakombenleibern verbunden waren, wurden im November 1803 entfernt, konfisziert und als „Preciosa“ nach Stuttgart verbracht. Vgl. KONFISZIERUNG 1803.

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924 ACHERMANN 1979, S. 9–15; ANGENENDT 1997, S. 250; POLONYI 1998, S. 115. 925 POLONYI 1998, S. 115. 926 POLONYI 1998, S. 41.

jedoch zu beachten, dass sich der Katakombenheilige genau genommen aus zwei Personen zusammensetzt: aus einer, von der die Gebeine stammen, die aber keine Person mehr ist, und aus einer anderen, die aus der ersten zu einer Person modelliert wurde. Doch es geht nicht um die Modellierung einer fiktiven Person, sondern vor allem um die augenscheinliche Durchsicht auf ein Eigentliches, das sich an den geschmückten Gebeinen zeigt, aber nicht mit ihnen identisch ist – eine Lebendigkeit des Gestorbenseins. Der Leib des Katakombenheiligen beruht auf einem umgekehrten Pygmalioneffekt, der für die barocke Unschärfe der Grenze von Leben und Tod charakteristisch ist: Das einst lebendige Material wird zum Tode erweckt – ein Akt, der auf einem Vorgang der Verlebendigung, der Enérgeia, basiert. Zum Verständnis dieser außerordentlichen Verflechtung von Leben und Tod lohnt sich ein Blick auf die historischen Begleitumstände, die zu dieser Körperdarstellung führten und ein Verkörperungskonzept ausprägten, das sich offenkundig von denen der transi oder des gisant unterscheidet. Mit der Entdeckung römischer Katakomben und unterirdischer Zömeterien Ende des 16. Jahrhunderts waren die Grundvoraussetzungen für die Erhebung der „Katakombenleiber“ geschaffen. Schon Antonio Bosio, der sich als Erster mit der wissenschaftlichen Erforschung der unterirdischen Denkmäler befasste, brachte seine Funde mit den Texten der Kirchenväter und Märtyrerakten in Verbindung. Sein posthum erschienenes Werk Roma sotterranea (1632) gab dem Märtyrerkult neuen Auftrieb. Allerdings beruhte die Identifikation der Gebeine als „heilige Blutzeugen“ auf produktiven Fehldeutungen. So wurden Duftfläschchen in den Grablegen als „Blutampullen“ und somit als sicheres Indiz für ein Märtyrergrab interpretiert oder die Majuskel „M“ in einer Grabinschrift als Abbreviatur für „Märtyrer“ gelesen.924 Schon Jean Mabillon bemängelte diese nachlässigen Echtheitsabklärungen, da kaum historisch-kritische Methoden zur Anwendung gelangten.925 Das zunehmende Verlangen nach ganzen Reliquienkörpern im nordalpinen Raum sollte möglichst rasch befriedigt werden, freilich nicht ohne aus diesem Handel auch politisches und ökonomisches Kapital zu schlagen. Was bereits in Rom gelebte Tradition war, nämlich tränenvoll die „Gedanken an die Verfolgungen und [...] Leiden“ der ersten heiligen Kirchenglieder lebendig zu halten, galt nördlich der Alpen umso mehr, als sich mit diesen Leibern zugleich eine Vergegenwärtigung Roms und der Urkirche ins Land holen ließ.926 Nach der formellen Authentifizierung hatte der Katakombenheilige einen Namen und eine mithilfe von Märtyrerakten und Martyrologien „auf den Leib“ geschneiderte Heiligenvita – Individualisierungstechniken, die die Grundlage für eine Kontinuitätsbildung lieferten. Der Leib des Katakombenheiligen sollte in Schwaben, Bayern, Österreich und der Schweiz das Rom der Spätantike verkörpern und die rituelle Gemeinschaft zu einer Imitatio Romae aufrufen. Der Erwerb eines Katakombenheiligen folgte stets einem ähnlichen Muster: An das Authentifizierungsverfahren in Rom schloss sich die diplomatische Tätigkeit an, wobei als Vermittler meist höhere Offiziere der Schweizergarde oder Schweizer Äbte mit guten Verbindungen nach Rom fungierten. Bevor die Heiligen zu ihren neuen „Wohnstätten“ gelangten, wurde an einem Zwischenort (für

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den schwäbischen Raum in der Regel in Konstanz) eine letztmalige Approbation der Gebeine durchgeführt. Die Zusammensetzung und Modellierung stellte wohl eine etwas spätere Entwicklung dar. Bald erfolgte die Transformation der Gebeine zu einem Leib, der stellenweise mit Gips und Draht bearbeitet und mit Seiden- und Brokatstoffen, Edelsteinen und Perlen geschmückt wurde. In der Regel waren es spezialisierte Frauenklöster, die artifizielle Spitzenprodukte dieser Gattung hervorbrachten.927 An die Zusammensetzung der Gebeine und die damit einhergehende Modellierung der Figur schlossen sich die eigentliche Translation zum Zielort und der feierliche Bezug der kirchlichen Wohnstätte an. Die Aufstellung am Ortseingang, die anschließende Prozession, die Salutations- und Begrüßungsspiele wurden oben [vgl. Kap. 1.2] schon beschrieben. Solche Darbietungen waren Teil des kanonischen Zeremoniells, das insbesondere auf dem Salutationszeremoniell weltlicher Herrscher aufbaute.928 In vielen Fällen wurde der Translationstermin auf das Datum eines klösterlichen Titular- oder Jubeljahres angesetzt.929 Schon dies zeigt, welch wichtige Rolle die rituelle Communitas bei der ersten Begegnung zwischen Leib des Katakombenheiligen und lokaler religiöser Gemeinschaft spielte. Gefeiert wurde der Anschluss der klösterlichen Gemeinschaft an eine durch den Katakombenheiligen verkörperte Geschichte, die wiederum in der rituellen Aufnahme den Fortbestand der klösterlichen Gemeinschaft untermauerte. Die Translationen der hll.Vitalis (1669) und Exuperia (1685)930 nach Zwiefalten folgten den Beispielen von Ochsenhausen (Benediktiner), Luzern (Franziskaner) und Obermarchtal (Prämonstratenser). Diese verfügten schon 1623/24 und 1625 über vollständige Korpora aus Rom. Bald folgten weitere Klöster und Stifte. Die Translationen römischer Katakombenheiliger nach St. Gallen (1643/80), Rheinau (1647/90), Einsiedeln (Kanton Schwyz, 1650/59), Bad Schussenried (1650/51), Wettingen (Kanton Aargau, 1652), Weingarten (1659), zur Jesuitenkirche nach Luzern (1659), nach Feldkirch (1661/66), zum Kloster Weißenau (1665) und nach Irsee (1668/76/86) spiegeln die Hochkonjunktur eines ebenso regen wie leidenschaftlich praktizierten Märtyrerhandels.931 Allein die Schweizer Quart des Bistums Konstanz brachte es aufgrund ihrer guten Beziehungen zu den Schweizergardeoffizieren zwischen 1624 bis 1796 auf rund 153 Katakombenheilige.932

14.3 Praktiken ästhetischer Vergegenwärtigung Wie in Zwiefalten, so wurden die Gebeine von Katakombenheiligen im 17. Jahrhundert vorwiegend in fensterlosen Reliquienbehältnissen aufbewahrt. Doch finden sich auch Ausnahmen: Bereits 1651 wurden die Gebeine des hl. Felix von Hergiswald (Kanton Luzern) unweit seines Altars in einem furnierten Mahagonischrein ausgestellt [Abb. 313].933 Der Betrachter sieht sich hier bereits mit einer inszenierten Lebendigkeit des Heiligen konfrontiert, scheint der Märtyrer doch hinter einem soeben beiseitegezogenen Vorhang aus seinem Gehäuse herauszublicken. Das auf diese Weise suggerierte Potenzial zum eigenen Handeln

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927 Bekannt für diese Tätigkeit waren die Nonnen des Klosters Maria Opferung in Zug, die Klosterfrauen von Ennetach (bei Mengen), die Nonnen von Urspring und Mariaberg und eine Luzerner Chorfrau namens Maria Scholastica, vgl. ACHERMANN 1979, S. 79–87; POLONYI 1998, S. 74. 928 Am ausführlichsten beschrieben bei ACHERMANN 1979, S. 64–72. 929 ACHERMANN 1979, S. 250. 930 Das Datum der Translation des Katakombenheiligen Fortunatus nach Zwiefalten ist nicht bekannt. Für Schurrs Vermutung, der Heilige sei mit den Reliquien des hl. Vitalis nach Zwiefalten gekommen, existiert keine Quelle, vgl. SCHURR 1910, S. 144. Vermutlich handelte es sich eher um eine spätere Schenkung, da Fortunatus in den Predigten zur Sechshundertjahrfeier 1690 nicht genannt ist. Vgl. DEO GRATIAS 1690, S. 20. 931 ACHERMANN 1979, S. 26 f., 40 f.; POLONYI 1998, S. 91–99; OECHSLIN 2003, S. 100; ANGENENDT 1997, S. 250 f. 932 ACHERMANN 1979, S. 26–30, 300–305. 933 ACHERMANN 1979, S. 87–92 u. Tafel 5.

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Innen

313 Katakombenheiliger Felix im furnierten Mahagonischrein mit Verglasung und Vorhängen, 1651, Unsere Liebe Frau von Hergiswald (Kanton Luzern) (NvdM) 314 Katakombenheiliger Silvanus, 1682, Jesuitenkirche Luzern (NvdM)

934 Zit. nach ACHERMANN 1979, S. 93. Vgl. auch ebd., S. 300 f. 935 ACHERMANN 1979, S. 97.

sollte für das spätere Präsentationskonzept der Katakombenheiligen wegweisend werden. Parallel dazu entwickelte sich noch eine andere Darstellungsform. So wurden beispielsweise in der Jesuitenkirche von Luzern die Gebeine des hl. Silvanus (Translation 1682) tableauartig dem Altar inkorporiert [Abb. 314], wobei ein goldener Siegeskranz die schmuckreich eingefassten Knochen nebst Schädel ziert. Durch das symmetrische Ordnungsschema bilden Altar und Reliquie eine unverbrüchliche Einheit – was es dem Betrachter hier kaum möglich macht, die Gebeine imaginativ zu beleben, da Altarkörper und Heiligenkorpus quasi eins sind. Der Altar vertritt sozusagen den fleischlichen Körper des Katakombenheiligen. Möglich wird dieser Verkörperungsakt durch den Einsatz eines übergreifenden Ornatus, der Altar und Reliquie in Beziehung zueinander stellt. Das schmuckvolle Einfassen der Knochen macht die Gebeine zu einem in eine Gesamtkomposition eingefügten ornamentalen Artefakt. Umgekehrt lassen sich die Ornamente an Basis und Säulen als Fortläufer der Reliquie lesen. Seit dem frühen 18. Jahrhundert genügte diese abstrakte Form der körperlichen Totenschau nicht mehr. Exemplarisch brachte eine Chronistin aus Rathausen (Kanton Luzern) die an den alten Darstellungspraktiken empfundenen Defizite auf den Punkt: 49 Jahre nach der Translation des hl.Venantius (1654) bemängelte sie dessen fehlende Körperform: „Wie wohl der h. Leib hübsch gefasset ware, so ist aber Domit gar nichts köstlich geweßen. Und hat das Werck ganz kein Ansehen gehabt.“934 Wie die folgenden Entwicklungen zeigen, wurde mit „köstlichem Ansehen“ der Wunsch nach einem höheren Grad an Lebendigkeit und Körperpräsenz assoziiert. Die Verwendung von Gips, Holzkohle, Draht, Papiermaschee, Silber, kostbaren Stoffen und Edelsteinen zur Reanimation der Gebeine setzte sich schnell durch.935 Schmuck und Modellierungsmaterial überzogen die neu zusammengesetzten Gebeine mit einem Leib. Bemerkenswert ist, dass die leibhafte Mimesis nur bis zu einem gewissen Grad angestrebt wurde. Erwünscht war eine artifizielle Präsenz, in der das ewige Leben im Tod und die Überdauerung des Leiblichen im Gestorbensein mysteriös

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vor Augen treten sollten.936 Ziel war die Modellierung des Körpers als Bild. Der Begriff des „Körpers“ zieht nicht automatisch den des „Bildes“ nach sich, auch wenn die Bildanthropologie diese Gleichung zog. Bild und Körper scheinen sich auf besondere Weise anzuziehen, aber auch abzustoßen. Und das Bild des Körpers scheint sich insbesondere dann zu zeigen, wenn sich dessen Physis verbirgt. In ähnlicher Weise verbirgt die Maske das Gesicht und eröffnet deshalb einen Spielraum, den Körper anders wahrzunehmen, als er ist. Wo der Heiligenkorpus nicht liegend ausgestellt wurde, wurden dem antiken Herrschertypus statuarische Posen entliehen, um den Heiligen als erhöhten Miles Christi darzustellen: Mit eindringlichem Blick präsentiert sich die in einem Altargehäuse thronende hl. Theodora des Klosters Rheinau (Authentifizierung 1682, Translation 1690) als Zwitterwesen [Abb. 315].937 Unter den Locken der thronenden Soldatin springen aus dem maskenhaften Gesicht die Augen eindringlich hervor;938 ihr Blick sucht das stille Gespräch mit dem Betrachter. Das Gesicht vermittelt den Eindruck artifizieller Starre. Lässt der schlanke, den weiblichen Körper betonende Silberbrustpanzer an eine massive Skulptur denken, an eine angestrebte, aber nicht gelungene Repräsentation von Leben, so wird der

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315 Katakombenheilige Theodora des ehemaligen Benediktinerklosters Rheinau, Authentik 1682, Translation 1690 (NvdM)

936 Vgl. zu diesem Zusammenhang BOEHM 2003, S. 95, 97, 105 zur Präsenz von Lebendigkeit. In den vergangenen Jahren wurde wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass eine der Geburtsstätten plastischen Gestaltens im menschlichen Totenkult liege. Im Kult um die Katakombenheiligen finden solche Totenrituale ihre atavistische Zuspitzung. Siehe hierzu FREEDBERG 1989, S. 215; BELTING 2001, S. 143–184; MACHO 2003. 937 STÜCKELBERG 1902, S. 222; ACHERMANN 1979, S. 94 f. und Tafel 7. Achermann ging davon aus, dass der modellierte Leib der Theodora zerstört wurde. 938 Zu den Posen vgl. ACHERMANN 1979, S. 94.

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Innen

316 Katakombenheiliger Canditus des Klosters Irsee als stehender Soldat, Translation 1686 (NvdM)

317 Katakombenheiliger Deodatus als ruhender Soldat, Translation 1690, Kloster Rheinau (NvdM)

939 KANTOROWICZ [1957] 1992, S. 314. 940 Seit 1722 in dieser Form sichtbar, vgl. ­DISCHINGER/VOLLMER 2003, S. 24.

von den Schultergelenken über die Unterarme zu Händen, Knien und Füßen herabgleitende Blick des Betrachters eines obskuren Durchscheinens der sterblichen Überreste gewahr. Diese Gebeine sind nicht von der Kleidung verdeckt, und der modellierte Prunk aus Edelsteinen und kostbaren Stoffen verweist auf das Gestorbensein der Vergegenwärtigten. Paradoxerweise vermitteln die durchscheinenden Gebeine einen gesteigerten Eindruck von Lebendigkeit, weil sie zeigen, was angesichts der Haltung und Handlung der Heiligen gar nicht sein kann: die Kopräsenz von Lebendigkeit und Tod als eine Lebendigkeit des Gestorbenseins.Theodora ist ein synthetisches Produkt: Sie hat eine Vita, aber keine Lebensgeschichte. Sie ist eine imaginäre Persona repraesentata, deren Gestalt nur durch den barocken Totenkult und analoge Inszenierungen auf Bühnen und bei Prozessionen nachvollziehbar wird.939 Ganz Ähnliches trifft auf den Irseer Katakombenheiligen Candidus zu [Abb. 316].940 Der prächtige Schmuck und die reichen Insignien eines römischen Offiziers lassen wirkungsvoll die leeren Augenhöhlen des Märtyrers hervortreten. Der beiseitegelegte Mantelumhang gibt nicht ohne Drastik den Blick auf die sorgfältig verzierten Rippenknochen des dunkel hervorstechenden Brustkorbs frei. Es geht um den Kontrast zwischen einer durch den Ornatus modellierten Lebendigkeit und der darin eingeflochtenen Signatur des Todes, einen Kontrast, der aus dem Wechsel von modellierter Oberflächenästhetik und dem Blick in die Tiefe des Körpers seine Wirkung schöpft. So lenkt das Schmuckwerk am hl. Deodatus des Klosters Rheinau (Authentifizierung 1686, Translation 1690) die Aufmerksamkeit auf das geöffnete Herz, dessen Edelsteinbesatz den Betrachter augengleich anzublicken scheint [Abb. 317]. Dank der farblichen Korrespondenzen zwischen Edelsteinbesatz, purpurnem Bettbezug und Altararchitektur wird in den Körper eingeformte Energie so auf den gesamten Altar übertragen, dass dieser zum Wirkungsort des in ihm geborgenen Heiligen wird.

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Die erwähnten Beispiele mögen genügen, um die Unterschiede zwischen dem Körperkonzept der Katakombenheiligen und dem der mittelalterlichen Sepulkralplastik, insbesondere des gisant oder der in Verwesung dargestellten transi, aufzuzeigen. Denn bei der barocken Modellierung von Katakombenheiligen handelt es sich nicht allein um die Darstellung eines Körpers. Hinzu kommt ein (verstorbener) Körperdarsteller, der sein Körpermaterial zur Modellierung einer heiligen Persona zur Verfügung stellt. Die plastische Überformung menschlicher Skelettteile, insbesondere des Schädels, ist anthropologisch tief verwurzelt. Allerdings werden hierzu in der Regel weder ganze Skelette oder „Leiber“ (corpora integra) verwendet, noch geht es bei diesen Überformungen um die Modellierung einer fiktiven Person. Die im modellierten Leib des Katakombenheiligen verkörperte Kopräsenz von leibhaftem Überdauern und Gestorbensein unterscheidet das Körper-Bild-Konzept des Katakombenheiligen von den anderen genannten Beispielen. Anders auch als bei den Effigies ließ sich das „wahr“ scheinende (verisimilitudo) der Katakombenheiligen – war deren Authentizität einmal garantiert – nicht mehr in Zweifel ziehen, weil Bild und Körper dem Schein nach nun eins waren.941 Das Körperkonzept des Katakombenheiligen bildet somit das genaue Gegenstück zum Tableau vivant. Ist dort das Leben zu einer in jedem Augenblick aktivierbaren Pose eingefroren, so ist beim Katakombenheiligen der Tod mit potenzieller Lebendigkeit aufgeheizt. Im Unterschied zu den oben genannten Darstellungen des Todes ist der Körper des Katakombenheiligen doppelwandig modelliert. Das figurale Schmuckwerk, der Ornatus, welcher die Gebeine umkleidet, eröffnet die Durchsicht auf ein Eigentliches. Die Perspicuitas, also die Durchsichtigkeit und Klarheit, kennzeichnet einerseits den Darstellungscharakter der Gebeine unter dem Schmuckwerk, charakterisiert aber auch die Blickbewegung des Betrachters, der durch den Ornatus hindurch ein Eigentliches erschließt. Der Ornatus wiederum ist kein verzichtbares Beiwerk – vielmehr erzeugt er ein Bild aus den Knochen, die ohne ihn namen- und leblose Gebeine aus einer vergessenen Katakombe wären. Die Zweischichtigkeit der Modellierung von Hülle – Eingehülltem lässt an analoge Konstellationen wie Haus – Bewohnung oder Körper – Seele denken, wie sie sich beispielsweise an den mittel- und spätmittelalterlichen hausartigen Reliquienbehältnissen (capsa) manifestieren, die, wie der Ursulaschrein, häufig an den Außenseiten die Vita des im Innern Aufbewahrten erzählen. Die theologischen Wurzeln für ein Verständnis des Körpers als Haus der Seele finden sich etwa bei Paulus (2 Kor 5,1–4; 1 Kor 15,50–54), auf dessen Grundlage Augustinus den berühmten Satz formulierte: „Eng ist das Haus meiner Seele, erweitere es, dass es werde deine Wohnung.“ Und später: „Wer bist du? Und erhielt die Antwort: Ein Mensch. Und siehe, Leib und Seele habe ich; jenes bildete das Äußere, dieses das Innere.“942 Mark Johnson und George Lakoff haben im Rahmen der Ausarbeitung ihrer Embodimenttheorie, welche sich mit den Zusammenhängen von präverbalen Körpererfahrungen, Wahrnehmung und verbalen Strukturen befasst, auch auf den „Container“ als eine ontologische Strukturmetapher (neben anderen) hingewiesen [vgl. auch Kap. 6.3 zum Beichtstuhl].943 Dem liegt die Auffassung

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941 Vgl. hierzu FREEDBERG 1989, S. 205–224. 942 AUGUSTINUS 2009, I.5, X.6. 943 LAKOFF/JOHNSON 1997, S. 35–40; JOHNSON 1987, S. 18–40.

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Innen

zugrunde, dass ein wesentlicher Teil unserer metaphorischen Sprachbildung und Wahrnehmung aus einem von der menschlichen Physis abgeleiteten Schema aus einem Innen, einem Außen und einer Grenze (mit einem Portal) abgeleitet ist, welches sich in Formulierungen wie „tief in mir“, „sich äußern“, „ich kann nicht aus mir heraus“ ausdrückt. Auch wenn die kulturelle und anthropologische Generalisierbarkeit dieser Theorie strittig ist, verweist die Metaphorisierung des Körpers als Haus für das ästhetische Konzept des Katakombenheiligenleibes auf einen interessanten Aspekt: Seine zweischichtige Modellierung imitiert eigentlich keinen Körper, sie entwickelt vielmehr ein metaphorisches Bild, welches die paradoxe Figur eines gelebten Gestorbenseins sinnlich erfahrbar macht.

14.4 Wirkkraft des Todes

944 ARISTOTELES 1999: [R] Buch III, 1410b, 33– 36; 1411b 22–1412a 10, hier: 1411b, S. 175. Vgl. hierzu auch: BOEHM 2003, S. 94 f. 945 Vgl. etwa QUINTILIAN 1995, IX 2, 40, S. 286 f.; zur Unterscheidung von Enérgeia und Enárgeia siehe PLETT 1975, bes. S. 187 zur Unterscheidung zwischen „anschaulichem Bildstil“ (enárgeia) und „dynamischem Bewegungsstil“ (enérgeia). Zu ihrer divergenten Begriffsgeschichte vgl. auch KEMMANN 1996, s. v. „evidentia“, Sp. 40. Die historischen Verwechslungen der beiden Begriffe könnten möglicherweise auch darauf zurückzuführen sein, dass im byzantinischen Enérgeia-Gebrauch das lateinische enárgeia/evidentia-Verständnis (in dem auch imitatio und imago enthalten sind) und das aristotelische enérgeia-Verständnis (im Sinne von Wirkungskraft, Dynamik) sich überlagern. Vgl. ferner GALAND-HALLYN 1993. 946 Vgl. PLETT 1975, S. 78.

Für sich genommen sind die Gebeine der Katakombenheiligen leblose Materie. Erst die Modellierung zu einem mit Schmuckwerk bekleideten Leib bringt trotz ruhender oder statuarischer Posen ein Konzept von Lebendigkeit ins Spiel. Solchermaßen ummantelt, wird den Gebeinen das Potenzial zu Eigenaktivität und Beweglichkeit unterstellt. Zur Bezeichnung dieser Verlebendigung von Unlebendigem, die mit einer auf den Beschauer gerichteten Wirkungsdynamik einhergeht, gebrauchte die antike Rhetorik den Terminus enérgeia. Weiter oben wurden der Begriffsgeschichte von Enérgeia bereits zwei Verwendungen entnommen: Zum einen bezeichneten die Ikonodulen der Ostkirche im Streit um den Rang der Ikone mit Enérgeia die „göttliche Wirkkraft“, die vom Urbild (Christus) auf dessen Abbild übergehe [vgl. Kap. 7.1]. Zum anderen gebrauchte schon Aristoteles in der Metaphysik (Buch XII) und in der Nikomachischen Ethik (Buch X) Enérgeia als Gegenbegriff zu Kinesis. Während er mit Letzterem eine kontinuierliche und unabschließbare Bewegung wie das Sehen bezeichnete, sollte Enérgeia die Vollendung oder Verwirklichung von Bewegung, wie etwa das Gehen mit ­einem Ziel, zum Ausdruck bringen. Beide, die aristotelische wie die byzantinische Verwendung von Enérgeia, treffen sich in der Charakterisierung einer zielgerichteten Kraft, die im erstgenannten Fall die Ikone, im letztgenannten Fall die Bewegungsvollendung ist [vgl. Kap 7.2]. Nun findet sich bei Aristoteles noch eine weitere Anwendung: Im Buch III der Rhetorik wird die rhetorische Fähigkeit zur Verlebendigung von Unlebendigem auch als Enérgeia angesprochen. Zur Erläuterung zieht Aristoteles das Beispiel der rhetorischen Belebung einer leblosen Statue heran.944 Insgesamt ist hier von „Augenscheinlichkeit“, dem späteren lateinischen „Vor-Augen-Stellen“ (sub oculos subiectio) die Rede. Allerdings ist diese Dimension des „Vor-Augen-Stellens“ nicht mit jener Form rhetorischer Veranschaulichung zu verwechseln, die Aristoteles, Quintilian und Cicero als enárgeia bzw. evidentia bezeichnen.945 Der Terminus Enérgeia bringt anders als Enárgeia ein stilistisches Bewegungsmoment ins Spiel, das auf einen höchsten Grad an pathosgeladener Affektbewegung zielt.946 Somit hat Enérgeia neben dem Gegenstand vor allem die durch ihn ausgelöste und auf den Betrachter gerichtete Wirkung im Blick.

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Für unseren Zusammenhang eignet sich der Begriff „enérgeia“ nicht nur dazu, die Wirkungsseite der Belebungsmodellierung zu bezeichnen, er lokalisiert auch deren Mittel und Ziele. Die eingesetzten Mittel beginnen bei der Modellierung der Gebeine zu einem Leib und setzen sich in der Bemalung, Einkleidung und Attributierung des Körpers fort. Bei diesem Vorgang kommt ein Übermaß an Schmuckwerk zum Einsatz. Die vorgesetzte Verglasung unterstützt Aspekte der Schau und des Zeigens, denn sie zeigt, dass der dahinter präsentierte Körper zur Hälfte einer anderen Welt angehört [Abb. 310]. Damit wird ein wesentlicher Aspekt der beabsichtigten Enérgeia deutlich, nämlich die Erzeugung eines Handlungsraums, in dem Katakombenheilige und Betrachter zwar getrennt voneinander, aber doch gemeinsam „agieren“. Überdies wirft die Verglasung einen nobilitierenden Glanz (árgos, splendor, nitor) auf den Reliquienkörper. Dieser setzt sich in der goldenen Rahmung fort, die sich nach oben hin in den Altar auswächst, sich mit dem Altarstuck verschränkt und in den Sockel und die Rahmung der darüberstehenden Stuckfigur des hl.Wenzeslaus übergeht [Abb. 318]. So verstanden, lassen sich mit Enérgeia eine Weise des Ausstrahlens und die damit verbundene Erzeugung eines Umgebungsraums charakterisieren. Sie bewirkt einen dynamischen Prozess der Verlebendigung, der sich nicht nur auf den Betrachter, sondern zugleich auf die umliegenden Teile des Altarschmuckes überträgt. Die funktionellen Mittel dieses energetischen Belebungsaktes liegen nicht beim eigentlichen Körpermaterial.Vielmehr sind es die aus den Gebeinen heraus entwickelten Bekleidungen und die Rahmung, kurz: das Schmuckwerk, das eine räumliche Gesamtwirkung produziert. Mit anderen Worten: Die Austauschbeziehung zwischen Ergon (Gebeinen) und Parergon (Bekleidung, architektonischer oder bildlicher Rahmung) mündet in eine parergonale Struktur, die ausgehend von einem Zentrum den Raum erschließt.

318 Johann Joseph Christians: Stuckfigur des hl. Wenzeslaus von Böhmen, um 1772 sowie: Bernhard Neher: Abdeckbild mit Darstellung der Katakombenheiligen Exuperia, 1776, nordwestlicher Querhausnebenaltar (NvdM)

14.5 Querhaus-Ornatus Dass der Ornatus als Mittel zur Erzeugung eines energetischen Handlungsraumes eingesetzt wird, verdankt sich natürlich nicht allein der Ausschmückung der Katakombenheiligen.Wenn es zutrifft, dass der Schmuck die Dynamisierung des gesamten Raumes bewirkt, so wird der so erzeugte Raum sich auch an anderen Ausstattungsstücken oder Kultobjekten zeigen lassen. Einen Ausgangspunkt bietet die im vorausgegangenen Kapitel enthaltene Überlegung, dass der Schmuck aus dem plastischen Körper heraus modelliert ist und so der Figur einen Handlungsraum schafft. In diesem Sinn vergleicht Quintilian auch den Einsatz schmuckvoller Redefiguren mit einer Skulptur, die nicht starr dasteht, sondern durch den Einsatz variantenreicher Figurationen (Gestik, Blick) gleichsam handlungsfähig wird.947 Merkmal des plastischen Verständnisses von Johann Joseph Christian ist es, mittels Körpertorsionen, ausladenden Gesten und ausschlagenden Gewändern den Handlungsraum der Stuckfiguren weit über deren Körper hinaus zu erweitern. Es wäre ein interessantes, weil paradoxes Experiment, eine Plastik Christians in einen White Cube zu stellen.

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947 Vgl. BAXANDALL 1971, S. 16 f.

340

Innen

319 Johann Joseph Christian: Ernst von Zwiefalten, um 1769, Stuckplastik, lebensgroß, nördlicher Querhaushauptaltar mit dem Martyrium des hl. Stephanus (NvdM)

948 SCHURR 1910, S. 131 f.

Christians Figur des Abtes Ernst von Zwiefalten (Stephanusaltar) [Abb. 319] tritt, entgegen allen Regeln des Kontrapost, breitbeinig über die Kanten des Sockels. Mit der rechten Hand verweist die Figur auf Altar- und Altarbild und auf die hier ehemals aufbewahrte Hauptreliquie des hl. Stephanus. Laut seiner Vita erlitt Ernst von Zwiefalten sein Martyrium durch Abziehen der Haut und Herauswinden der Eingeweide.948 Mit seiner linken Hand nimmt Ernst Märtyrerpalme und Siegeskranz entgegen, die ihm von einem rechts von oben heranfliegenden Putto dargeboten werden. Die aus dem Körper des Märtyrers gezogenen Gedärme sind um einen leicht nach hinten gesetzten Baumstamm gewunden, der die vertikale Bewegung betont. Das dynamisch um den Körper des Abtes gelegte Gewand läuft rechts unten gegen das Zwiefalter Wappen des Abtes aus,

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320 Johann Michael Feichtmayr/Johann Joseph Christian/Giosuè Scotti: Nördlicher Querhaushauptaltar, 1769/70 Schrägansicht (NvdM) 321 Johann Michael Feichtmayr: Auszug aus dem Stephanusaltar mit Puttenpaar unter dem Fresko der Himmelsvision des hl. Stephanus, nördlicher Querhaushauptaltar, um 1769/70, Stuck (NvdM)

das zusammen mit dem Abtsstab am Boden liegt. Damit konkretisiert sich der Handlungsraum der Plastik nach vier Richtungen hin: nach links (in Richtung des hl. Stephanus), diagonal aufsteigend (in Richtung der Märtyrerinsignien), diagonal fallend (in Richtung der Attribute des Stephanus), schließlich (durch die den Sockel überschreitende Fußstellung) auf den Betrachter zu. Nicht allein die Körperhaltung bewirkt diese vier Bewegungsrichtungen: Gewand, Gedärme und umliegende Insignien sind so aus dem Körper heraus entwickelt, dass sie einen auf Affektaufladung zielenden Ornatus bilden. Die aus dem Körper herausgewundenen Gedärme können exemplarisch für das aus dem Körper heraus entwickelte Beiwerk im Dienste höchster Affektwirkung stehen.

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322 Franz Joseph Spiegler: Himmelsvision des hl. Stephanus, um 1750, Fresko im nördlichen Querhaus, 10 x 5 m (NvdM)

949 Eine Ölskizze zu dem Altarbild befindet sich im Ulmer Museum, Inv.-Nr. 5534, vgl. KATALOG 1981, Bd. 1, S. 114, Abb. 78. 950 Vgl. SCHURR 1910, S. 132, mit einer leicht abweichenden Deutung der Attribute. 951 KOLB 1991, S. 441, spricht von einer Himmelsvision des hl. Stephanus. Diese erzählerische Doppelung ergibt aber wenig Sinn, zumal das Fresko des nördlichen Querarms in Analogie zum südlichen gesehen werden muss. Auch die Beschreibung, Gott zeige auf ein „Buch“, scheint mir unzutreffend. Es dürfte sich hierbei eher um das Verweisen auf Märtyrerzweig und -krone handeln. 952 Franz Joseph Spiegler: Aufnahme Benedikts in den Himmel (1747), vgl. NEUBERT 2007, S. 539; KOLB 1991, S. 442, Nr. 158. Altarbild: Franz Ludwig Herrmann (1723–1791): Tod des hl. Benedikt, um 1770, 590 x 320 cm (wie das Stephanusbild), Öl auf Leinwand. Auf dem Gemälde findet sich das bereits im Langhaus dargestellte Gnadenbild Mater Monachorum wieder. Herrmann war, wie schon sein Vater, auf die Vita Benedikts spezialisiert. – Darüber: Benediktskreuz (Längsbalken: „C[rux] S[acra] S[it] M[ihi] L[ux]“; Querbalken: „N[on] D[raco] S[it] M[ihi] D[ux]“ – „Es sei das heilige Kreuz mein Licht, der Drache mein Führer nicht“). Um das Benediktskreuz sieben Engelsputti mit den weltlichen (Kaiserkrone, Königskrone, Fürstenkrone, Ritterhelm) und kirchlichen (Tiara, Mitra, Kardinalshut) Gewalten, die sich in den Dienst und Schutz Benedikts und seines Orden stellen. Vgl. hierzu mit leicht abweichender Deutung: SCHURR 1910, S. 138–141.

Andererseits sind Abt Ernst und die ihm gegenüberstehende Figur des hl. Sebastian als Assistenzfiguren des hl. Stephanus und seines Altarbildes eingesetzt [Abb. 320]. Seine im Altargemälde dargestellte Steinigung wird mit den flankierenden Plastiken links und rechts durch zwei weitere standhaft Sterbende variiert [Abb. 307].949 Mit dem Umraum interagierend, zeichnet sich das Altarbild durch eine komplizierte Narration aus. Stephanus blickt hinauf zur Himmelsvision im oberen Bildfeld, die gemäß der Textvorlage Anlass der Steinigung ist. Beim oberen Bildfeld angelangt, wird die Betrachtung noch einmal über eine nach rechts ausschwingende Figurengruppe zu Stephanus hinuntergeführt. Der Blickrichtung des Erzmärtyrers erneut folgend, wandert die Erzählbewegung wieder aufwärts über die obere Rahmengrenze hinaus. Ein den Goldrahmen überlappendes Wolkengebilde führt zu einer Engels- und Puttigruppe hin, welche die Gaben der Weisheit (Biret), des Maßhaltens (Winkeleisen, Zirkel, Senkblei), der Weitsicht (Fernrohr), der Erkenntnis (Buch, Fackel), der Stärke (Löwenhaut) und der Ehrfurcht (Hase) als Tugenden des Märtyrers ausweisen.950 Schließlich schraubt der konvex ausschwingende Altaraufsatz die Erzählung noch um eine weitere Stufe hinauf. Ganz oben im Aufsatzbogen angebrachte Engelsputti richten den Blick in Richtung des Freskos von Franz Joseph Spiegler, das die Aufnahme des hl. Stephanus in den Himmel (1747) in Aussicht stellt [Abb. 321].951 Christus zuoberst weist auf den Heiligen Geist und Gottvater [Abb. 322]. Dieser, nach rechts unten versetzt, zeigt auf einen Engel mit Märtyrerzweig, der seinerseits auf zwei Engelsputti mit einer Märtyrerkrone deutet. Mit dieser knappen Beschreibung des nördlichen Querhausaltars – das südliche Pendant verläuft analog952 – haben wir exemplarisch ein dichtes Gefüge von Zeige- und Blickbewegungen sowie Posen skizziert, das sich ins Unend­ liche fortsetzen ließe. So kann das nördliche Querhausfresko, das die Aufnahme Stephanus’ in den Himmel zeigt, mit dem Heiligenhimmel unter der Kuppel in Beziehung gebracht werden, sodass – in einer sehr verkürzten ikonologischen Gesamtsicht – die Ecclesia militans ihre Ausrichtung an einer alles übersteigenden Ecclesia triumphans erfährt. Für den Kirchen- und Wallfahrtsbesucher bildete das Querhaus mit der Gnadenmadonna den ästhetischen wie theologischen

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Höhepunkt der gesamten Bewegung durch den Innenraum. Die unten mit den heiligen Leibern und Märtyrern verkörperte kämpfende Kirche ist über den Wandschmuck so mit dem krönenden Kuppelfresko verbunden, dass Ecclesia militans (unten) und Ecclesia triumphans (oben) ein fortlaufendes Kontinuum bilden. Heiligenverehrung, Herz-Jesu-Anbetung, Anbetung der Gnadenmadonna und Eucharistie präfigurieren eine am Tag des Jüngsten Gerichts sich vollendende Verschmelzung der Sphären, in der sich die Ecclesia militans auflöst.953 Noch einmal die Frage: Wenn wir das strukturelle Band zwischen den Ausstattungsstücken als ein Gefüge endloser Verweise verstehen, was ist dann als Schmuck und was als Geschmücktes anzusehen? Gewand, Gedärm und Engelsputto sind schmuckvolle Erweiterungen des Märtyrers Ernst von Zwiefalten. Ernst und der hl. Sebastian sind wiederum Assistenzfiguren des hl. Stephanus. Das Stephanusaltarbild ist deutendes Schmuckwerk der Reliquie und lenkt den Blick auf das Fresko an der Decke. Die hier dargestellte Vision steht in einem parergonalen Verhältnis zum Altarbild. Gleichzeitig ist das Querhausfresko Beiwerk des Kuppelfreskos. Wo endet diese fortlaufende Reihe? Was, wenn wir das Kuppelfresko oder die Reliquien als Beiwerk zur Imago Thaumaturga deuten?954 Was ist Schmuck, was Geschmücktes? Jacques Derrida stellte bei seiner Kantlektüre diese Frage: „Also die Gewänder der Statuen, ein Beispiel unter anderen, haben die Funktion des Parergon oder des Schmucks (ornement). Das heißt, wie betont wird, was nicht intrinsisch ist (intrinsèque) oder innerlich (intérieur) in die ganze Vorstellung des Gegenstandes als Bestandteil, sondern was ihr nur äußerliche Zutat, als Überschuss, als Zusatz, als Supplement angehört. [...] Man fragt sich überdies, wo man die Bekleidung anfangen lassen soll.Wo beginnt und wo endet ein Parergon? [...] Was macht man mit völlig durchsichtigen Schleiern? [...] Zum Beispiel hält jene Lucretia von Cranach nur einen leichten Streifen durchsichtigen Schleiers vor ihr Geschlecht: Wo befindet sich das Parergon? Muss man den Dolch als ein Parergon betrachten [...]?“955 Unsere Schwierigkeit hängt damit zusammen, dass zwar jedes Ausstattungsstück ein betontes Zentrum besitzt, welches die Aufmerksamkeit zeitweise in Anspruch nimmt, jedoch kein Ausstattungsstück unabhängig vom anderen ist, sodass der Blick nirgends dauerhaft hängen bleibt. Oder, positiv ausgedrückt: Jedes Ausstattungsstück hat einen intrinsischen ebenso wie einen extrinsischen Charakter. Und dieser extrinsische Charakter bringt es mit sich, dass jedes Werk zugleich Parergon für ein anderes ist. Wenn wir also sagen, der Innenraum von Zwiefalten sei seiner Struktur nach parergonal, so bezeichnet das keinen Konsistenzverlust im Sinne der Hinfälligkeit für sich genommen wirkungsvoller Ausstattungsstücke. Es kennzeichnet aber überall die Öffnung der Rahmung. Die Raumsyntax ist durch einen Überschuss an Beiwerk zusammengehalten, durch das jede Blickfixierung zum Ausgangspunkt für eine nächste und übernächste Blick- oder Gehbewegung wird. Eine solche Raumerfahrung der Enérgeia kann man zwar abbrechen, indem man den Raum verlässt, ihrer Struktur nach ist sie aber unabschließbar, weil im Innenraum von Zwiefalten jedes Ergon das Parergon eines anderen Ergon ist. Die auf dieser Ästhetik aufbauende Dezentralisierung erzeugt eine dynamische Sehund Gehbewegung, die ihr Zentrum im Körper des Betrachters findet.

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953 KANTOROWICZ [1957] 1992, S. 300. 954 Hat doch Kant, wie weiter oben erwähnt, die Thaumaturgie als Parergon der Religion beschrieben. Vgl. DERRIDA 1992, S. 78. – Für einen Reliquieneinsatz als Beiwerk lässt sich ein konkreter Fall anführen: Die parergonale Anordnung der Märtyrer und Heiligen kann durchaus als dekorativer Schmuck der Gnadenmadonna verstanden werden. Im Kloster Wiblingen ließ Abt Maurus Falkner (1666–1692) ein Abbild Unserer Lieben Frau von Einsiedeln in eine eigens hierfür errichtete Kapelle bringen. Die zeitgleich erworbenen vier Katakombenheiligen sollten wie „vier Rubine den purifizierten Edelstein, die unbefleckte Himmelskönigin und Jungfrau Maria“ dekorativ umgeben. Vgl. POLONYI 1998, S. 100 f. Die zeitgenössischen Charakterisierungen von Reliquien als „Bollwerck-Schantzen“, „unüberwindliche Thürm“, „Marianische Brust“, „goldene Ähre“ oder „heiliger Schatz“ messen ihnen ebenfalls einen Ornatus-Status zu. Vgl. HAWEL 1987, S. 119, 286 f., sowie DEO GRATIAS 1690, S. 20, 97, 109–111. 955 DERRIDA 1992, S. 77.

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14.6 Ornamentum: Schöner Schmuck – geschmückte Schönheit

956 RAULET 2003, Sp. 426 f. 957 QUINTILIAN 1995, VIII, Prooemium 19–22, S. 130–133; 3,6, S. 152 f. 958 KNAPE/TILL 2003, Sp. 432.

Die von der Antike über die Renaissance bis ins 18. und späte 19. Jahrhundert geführte Debatte um die Stellung des Ornaments innerhalb der Künste ist durch eine seltsame Ambivalenz gekennzeichnet. Mit Vitruvs Entwicklung des Ornamentum aus dem Ornatus der Rhetorik erhielt der im Sinne von Schmuck gebrauchte Ornamentbegriff seinen frühen Platz in der bildenden Kunst.956 Mitgeführt war hierbei stets der bei Quintilian wohl am prominentesten zu findende Gedanke, jeglicher Schmuck sei mit Maß zu gebrauchen und nur insoweit einzusetzen, wie er der Rede angemessen (aptum) und schicklich (decorum) sei. Gleich zu Anfang von Buch VIII seiner Institutio oratoria warnt Quintilian davor, den Wortschmuck übermäßig zu gebrauchen, da dieser der Klarheit (perspicuitas) des gesprochenen Wortes im Wege stehe. Wiederholt wird der unschickliche Schmuck mit dem „weibischen Schminken“, „Putzen“, „Glätten der Nägel“ und „Ordnen der Haare“ verglichen, wohingegen der männliche Schmuck als „kräftig und rein“ bezeichnet wird.957 Quintilians metaphorischer Vergleich zwischen Rede/Ornatus einerseits und Körper/Bekleidung (Schmuck) andererseits zog sich in der Folge über mehrere Jahrhunderte durch die Ornamentdiskussion. Aber nicht Vitruv, sondern Albertis Bücher VI–IX der Baukunst bildeten für das 18. Jahrhunderts den Locus classicus der Debatte. Das Auseinandertreten von Ornatus (im Sinne von Schmuck) und Ornamentum (im Sinne von Verzierung, Zierrat, Parergon, Zutat) war mit Alberti weitgehend abgeschlossen, freilich nicht ohne mindestens bis Ende des 18. Jahrhunderts im architektonischen Ornamentum den rhetorischen Ornatus mitzudenken. Stets enthielt die Diskussion um das Ornamentum auch die im Ornatus formulierte Wirkungsseite, zumal in den lateinischen Quellen die beiden Begriffe vielfach synonym gebraucht wurden.958 Die entscheidende Stelle aus Buch VI der Baukunst Albertis haben wir weiter oben schon verkürzt zitiert. Ausführlich zitiert definiert sie, „dass die Schönheit (pulchritudo) eine bestimmte gesetzmäßige Übereinstimmung (concinnitas) aller Teile, was immer für einer Sache, sei, die darin besteht, dass man weder etwas hinzufügen noch hinwegnehmen oder verändern könnte, ohne sie weniger gefällig zu machen“. Dem folgt die Hinleitung zur nachfolgenden Definition des Schmucks: „[...] sogar der Natur ist es selten vergönnt, etwas hervorzubringen, das absolut in allen Teilen vollkommen ist. Wie wenige unter den Athenern, sagt jener bei Cicero, werden schöne Jünglinge! Jener Kenner der Formenschönheit merkte, dass denen, welche er nicht billigte, etwas fehlte oder dass etwas bei ihnen zu viel war, was mit den Regeln der Schönheit nicht übereinstimmte. Bei diesem wäre [...] die Anwendung von Schmuck (ornamenta) sehr vorteilhaft gewesen; durch Färben und Verdecken aller etwaigen Unförmigkeiten, durch Kämmen und Glätten wären sie schöner geworden, sodass das Unerwünschte weniger abgestoßen und das Anmutige mehr ergötzt hätte.“ Mit dieser Überleitung ruft Alberti nicht nur den quintilianschen Vergleich des Ornatus mit dem „weibischen“ Körperschmuck auf, er stellt das Ornamentum auch in den Dienst eines kompensatorischen Funktionalismus: Was nicht schön ist, wird durch Schmuck beschönigt. Und er fährt fort: „Sind wir davon überzeugt, so wird der Schmuck

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gleichsam ein die Schönheit unterstützender Schimmer959 (ornamentum quasi subsidiaria quaedam lux pulchritudinis) und etwa deren Ergänzung (complementum) sein. Daraus erhellt [...], dass die Schönheit gleichsam dem schönen Körper eingeboren ist und ihn ganz durchdringt, der Schmuck aber mehr die Natur erdichteten Scheines und äußerer Zutat habe als innerlicher Art sei.“960 Die Widersprüche dieser Definition sind offensichtlich: Einerseits wird das Ornamentum als eine sekundäre Größe ausgewiesen, andererseits scheint sein Einsatz aufgrund des höchst seltenen Vorkommens echter Schönheit unverzichtbar. Hieraus ergeben sich weitere Ungereimtheiten, auf welche die Forschung ebenfalls hinwies.961 Sie hängen unter anderem mit der Frage zusammen, ob man Complementum im Sinne von Vervollständigung, Ergänzung oder aber als Gegensatz bzw. Gegenpol deuten möchte. Wo man den Akzent auch setzt, der Widerspruch bleibt unauflösbar: Wenn sich Pulchritudo allein in der vollkommenen Übereinstimmung aller Teile konstituiert und durch Hinwegnehmen oder Hinzufügen („aut diminui aut immutari“) eines Teils sofort ins Wanken gerät, wird jedes angebrachte Ornamentum zu einem Identitätsdefizit der Pulchritudo führen. Wenn umgekehrt dem Ornamentum die Aufgabe einer unterstützenden Funktion zukäme, die der Pulchritudo erst ihr Licht, ihren Glanz und Schimmer verleiht, so kann Concinnitas nicht das Kriterium einer in sich geschlossenen, intrinsischen Pulchritudo sein. Die Ornamentkonzepte des späten 18. Jahrhunderts können hier nicht in angemessenem Umfang wiedergegeben werden. Doch lassen sie sich für unseren Zusammenhang so zusammenfassen, dass sie Albertis Pulchritudo-Ornamentum-Aporie durch die Integration des Ornamentbegriffs in den Schönheitsbegriff aufzulösen suchen. Es lassen sich hier grob zwei Wege markieren, von denen der eine über die Erweiterung, der andere über die Einengung des Schönheitsbegriffs verläuft, beide zugunsten des Ornamentum. Ersteren könnte man auch als den funktionalistischen Weg bezeichnen, weil er mit der Zweckmäßigkeit des Ornaments für die Architektur argumentiert. Sein Gewährsmann ist Johann Joachim Winckelmann, der schon in seinen Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke (11755, 21756) forderte: „In allen Verzierungen sind die beyden vornehmsten Gesetze: Erstlich, der Natur der Sache und dem Orte gemäß [...], und Zweytens, nicht nach einer willkührlichen Phantasie zu zieren. Das erste Gesetz, welches allen Künstlern überhaupt vorgeschrieben ist, und von ihnen verlanget, Dinge dergestalt zusammen zu stellen, dass das eine auf das andere ein Verhältnis habe, will auch hier eine genaue Übereinstimmung des Verzierten mit den Zierrathen.“962 Die Forderung der Abstimmung des Ornaments auf den Ort, das heißt des Schmucks auf das Geschmückte, liegt ganz auf der Linie des von Quintilian schon geforderten Aptum bzw. Decorum. Und auch im letzten Satz nimmt Winckelmann Bezug auf das Schönheitsverständnis der Renaissance und der Antike. Allerdings wird der Concinnitas-Gedanke dadurch erweitert, dass nicht das Bauwerk für sich (wie bei Alberti), sondern erst dessen Beziehung zum Ornament als übereinstimmendes Zusammenspiel der Teile ausgewiesen wird. Wenige Jahre später folgt in Winckelmanns Anmerkungen über die Baukunst der Alten (1761) der Gedanke, der deutlich macht, wie wichtig ihm für die Auffas-

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959 Besser: „Licht“. 960 ALBERTI 2005, Buch VI, Kap. 3, S. 293 f. 961 Vgl. BIERMANN 1997, S. 143: „Kann ein ornamentum, das die Schönheit unterstützt, ‚Licht’ der Schönheit ist und als complementum zur Vollendung der Schönheit beiträgt, identisch sein mit einem ornamentum, das als Schminke zur Verschönerung dient?“ Der von der Autorin (ebd., S. 145– 148) unterbreitete Vorschlag zur Güte sieht vor, das Verhältnis zwischen Schönheit und Ornamentum in Analogie zur Beziehung von „Fleisch“ und „Knochen“ zu stellen. Meines Erachtens ist dieser Lösungsvorschlag zu einfach, weil er einerseits Albertis Wertung einer primären und sekundären Größe unkenntlich macht, andererseits aber für das Ornamentum-Verständnis der folgenden Bücher der Baukunst, wo Säulen, Gebälk, Öffnungen und Türme dem Schmuck zugerechnet werden, nicht mehr trägt. 962 WINCKELMANN 1756, S. 164.

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963 WINCKELMANN 1762, S. 50. Diesen Gedanken sollte Hegel in seiner Ästhetik später radikalisieren, wenn er zwischen Grundform der Architektur und Zierform des Ornaments unterschied und resümierte, dass erst dort, wo das funktional zweckmäßige Werk sich mit dem zweckfreien Linienspiel der Zierform verbinde, vom eigentlich schönen Werk gesprochen werden könne. In dieser Verlagerung des Aptum vom Ornament auf die Architektur und dem Bezug auf ein zweckfreies Ornament darf man auch eine Synthese der beiden oben beschriebenen Wege erblicken. Vgl. HEGEL 1955, S. 611. 964 CICERO 2003, Buch II, Nr. 120, S. 281. 965 WINCKELMANN 1756, S. 42/85: „Unsere Schnirkel und das allerliebste Muschelwerk, ohne welches itzo keine Zierat förmlich werden kann, hat manchmal nicht mehr Natur als Vitruvs Leuchter, welche kleine Schlösser und Paläste trugen. Die Allegorie könnte eine Gelehrsamkeit an die Hand geben, auch die kleinsten Verzierungen dem Orte, wo sie stehen, gemäß zu machen. [...] Das Gewächs und die Form einer Muschel haben jederzeit etwas so Liebliches gehabt, dass Dichter und Künstler sogar ungewöhnlich große Muscheln erdacht, und dieselben der Göttin der Lieben einem Wagen zugegeben haben.“ 966 MORITZ 1986, S. 18, 86. 967 MORITZ 1986, S. 18. 968 MORITZ 1986, S. 4. 969 MORITZ 1986, S. 28.

sung von architektonischer Schönheit das Ornament ist: „Ein Gebäude ohne Zierde, ist wie die Gesundheit in Dürftigkeit, die niemand allein für glücklich hält.“963 Concinnitas wird so zu einer Frage des gelungenen Zusammenspiels von Ornament und Architektur und damit das Ornament als Bedingung von Schönheit begriffen. Ganz in der Tradition der antiken Rhetorik ist der Schmuck das die Architektur erst zum Glanz Bringende, ohne dass die Schönheit bereits in der schmucklosen Rede selbst zu suchen wäre. So lässt sich den Sätzen von Winckelmann Ciceros Gedanke zum Schmuck zur Seite stellen, gemäß dem zu unterscheiden ist zwischen „erstens was und zweitens wie wir etwas sagen. [...] was man sagen muss, kommt zwar nicht ohne Theorie aus, sie verlangt jedoch einen fast bescheidenen Grad von Intelligenz. Die andere Aufgabe, etwas, das man sagen muss, schön, wortreich und abwechslungsvoll zu sagen (ornate, copiose, varieque), die ist es, worin sich jene göttliche Kraft und der Wert des Redners zeigt.“964 Konnte Winckelmann dem ornamentalen Muschelwerk noch in gewissen Grenzen Zweckmäßigkeit und Schönheit abgewinnen, insbesondere dann, wenn es in einem allegorischen Zusammenhang stand, so hatten in den Überlegungen von Karl Philipp Moritz zum Ornament die krummen und wellenförmigen Ornamentlinien keinen Platz mehr,965 vor allem deshalb, weil sie aus Moritz’ Sicht der für jede Architektur grundlegenden Maxime der Firmitas widersprechen.966 Insgesamt folgte Moritz in seinem Vorbegriffe zu einer Theorie der Ornamente (1793) der Erweiterung des Schönheitsbegriffs im Sinne einer funktionalistischen Lesart von Ornamentum. Dies zeigt sich gerade an der Anpassung des Ornaments an die Architektur. So dürfe die Zier „[...] nichts fremdartiges enthalten [...], wodurch unsere Aufmerksamkeit von der Sache abgezogen wird, sondern sie muss vielmehr das Wesen der Sache, woran sie befindlich ist, auf alle Weise andeuten und bezeichnen, damit wir in der Zierrath die Sache gleichsam wieder erkennen [...]“.967 Von erheblichen Widersprüchen, die im Wesentlichen auf das Konto Albertis gehen, ist auch Moritz’ Ornamentbegriff nicht frei, so etwa, wenn er mit Bezug auf Raffael die Stanzen kurzerhand zum Rahmenwerk der Malerei erklärt. Hierin klingt vielleicht doch noch die spätbarocke Dominanz des Ornaments gegenüber der Architektur nach, obgleich der Autor seine Schrift letztlich in den Dienst der Aufklärung stellt und dabei dem Ornament die ethische Möglichkeit zur Verfeinerung,Veredelung und Bildung des Menschen zuspricht.968 Zwischen einem funktionalistischen und einem ungebundenen Ornamentbegriff schwankend, konstatiert Moritz am Ende seines Kapitels über die Arabeske: „Es ist das Wesen der Zierde selbst, die sich an kein Gesetz bindet, weil sie keinen Zweck hat, als den, zu vergnügen.“969 Diese Äußerung dürfte Moritz schon seiner Kantlektüre entnommen haben. Denn Kant kommt das wesentliche Verdienst zu, das Ornament von jeglichem Funktionalismus befreit zu haben – nicht ohne dabei allerdings umgekehrt einen sehr materialschwachen Schönheitsbegriff entwickelt zu haben. Für die berühmte Unterscheidung zwischen einer „anhängenden“ und einer „freien“ Schönheit (pulchritudo adhaerens/vaga) in § 16 der Kritik der Urteilskraft (1790) bedient sich Kant unausgesprochen der tradierten Konzeption von Ornamentum

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und Pulchritudo. Unter der Voraussetzung, einen jenseits aller Kriterien von Zweckmäßigkeit, Decorum und Funktionalität losgelösten, reinen Schönheitsbegriff zu destillieren (vgl. bes. §§ 13 & 14), findet eine einschneidende Umkehrung statt, die das Ornamentum zum Schönen und das traditionell Schöne gleichsam zum rhetorischen Ornatus im Dienste ideologischer Interessen macht. Im Interesse, auch das Ornamentum von jedem verdächtigen, wirkungsorientierten Ornatus freizuhalten, führt Kant für die zweite und dritte Auflage der Urteilskraft (1793/99) den Begriff des „parergon“ ein und schreibt: „Selbst was man Zieraten (parerga) nennt, d. i. dasjenige, was nicht in die ganze Vorstellung des Gegenstandes als Bestandsstück innerlich, sondern nur äußerlich als Zutat gehört und das Wohlgefallen des Geschmacks vergrößert, tut dieses doch auch nur durch seine Form: wie Einfassungen der Gemälde, oder Gewänder an Statuen, oder Säulengänge um Prachtgebäude. Besteht aber der Zierat nicht selbst in der schönen Form, ist er, wie der goldene Rahmen, bloß um durch seinen Reiz das Gemälde dem Beifall zu empfehlen angebracht: so heißt es alsdann Schmuck und tut der echten Schönheit Abbruch.“970 Als Beispiele für Parerga gibt Kant die Einfassung von Gemälden und Gewänder an Statuen an, als Exempel für den Schmuck (Ornatus) den Goldrahmen. Worin aber liegt der Unterschied zwischen „Einfassung eines Gemäldes“ und „Goldrahmen“? Ganz offensichtlich ist mit Einfassung nur die Form jenseits ihrer Funktion gemeint, während der Goldrahmen die von der Form untrennbare Aufgabe hat, das Geschmückte zu schmücken.971 Kants sonderbare Destillation des Parergon für das Ideal der Schönheit, die wohl die bemerkenswerteste historische Aufwertung des Ornaments überhaupt darstellt, steht am Scheideweg von Ästhetik und Rhetorik. Ohne den großen Einfluss, den das Ornament, insbesondere die Rocaille, ab 1720/30 auf die bildenden Künste ausübte, ist auch Kants Bestimmung nicht zu verstehen. So setzte sich Kant wohl von dieser Dominanz des Ornaments (im Dienste der Wirkung) ebenso ab, wie er sich auf sie bezog. Gerade für unseren Fall wird daran deutlich, dass die formale Struktur des Parergon bzw. Ornamentum nicht ohne die Wirkungsseite, den Ornatus, gedacht werden kann, der nicht zufällig seit dem späten 16. Jahrhundert auf die gesamte Kirchenausstattung einschließlich der rituellen Gegenstände bezogen wurde.972 Treten wir gegen Ende dieses Kapitels noch einmal zurück und werfen, bevor wir uns im abschließenden Kapitel dem Chorraum zuwenden, ein, zwei letzte Blicke in das Querhaus. Das Augenmerk mag sich auf die obere Sphäre des südlichen Querarms richten, wo sich aus steiler Perspektive der hoch aufragende Altaraufsatz optisch mit Stuck- und Fensterrahmen überschneidet [Abb. 323, 324]. Der Aufsatz schwingt konvex aus der Kirchenwand hervor und bringt Wand und Decke in einen ebenso erzählerischen wie ästhetischen Dialog; Text und Textur verweben sich zu einem Dritten. Mit den aufgesetzten Putti reproduziert der Auszug weder den Altar noch den Goldrahmen des darüberliegenden Querhausfreskos und auch nicht den Stuck oder den Fensterbogen der Wand. Er ist vielmehr die perfekte Überblendung von allem: eine Zwitterfigur, die zu einer eigenen Intensität gefunden hat. Die an dem Auszug angebrachten Engelsputti

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970 KANT 1992, S. 142, § 14, A 43, B 43/44. 971 Auf diesen Aspekt hat schon die bemerkenswerte Derrida-/Kant-Lektüre von Ulrike DÜNKELSBÜHLER 1991, S. 51 f., aufmerksam gemacht. 972 Vgl. den Ornatus Ecclesiasticus, publiziert 1591 von Jakob Müller.

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323 Johann Michael Feichtmayr: Altarauszug mit der Puttigruppe Crux Sacra, Benediktsalar, um 1769/70, südlicher Querhaushauptaltar („italienische Seite)“, Stuck (NvdM)

324 Johann Michael Feichtmayr: Altarauszug mit der Puttigruppe Crux Sacra, (Detail), um 1769/70, südlicher Querhaushauptaltar („italienische Seite)“, Stuck (NvdM)

werden zu freischwebenden Wandpartikeln, die sich in den Dienst des Schmucks gestellt haben. Sie erhalten mit ihrem glänzend weißen Poliment die Kommunikation mit der Wand noch aufrecht, während sie zugleich mit dem Altar in Verbindung stehen und überdies auf das Figurenpersonal des Freskos vorbereiten. Wand und Decke sind die architektonischen Parameter, die von der Ausstattung

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entmaterialisiert und in Schwingung gebracht werden. Hier ist Architektur mehr als eine bloße Handlungsfolie, sie ist das statische Gerüst, auf das die dynamischen Figurationen zur Entfaltung ihrer Energie angewiesen sind. Allein dieses Detail zeigt, dass sich Architektur und Ornatus auf seltsame Weise ebenso abstoßen wie anziehen und zwei widerstreitende Teile eines Antagonismus bilden. Der Begriff des Parergon bringt diese Beziehung auf den Punkt, weil er zugleich Werk und Beiwerk ausdrückt und überdies die neben- und gegenläufige Beziehung der Teile zusammenführt.973 Freilich, nie zuvor wurde das architektonische Ordnungssystem in einem solchen Maße auf den Kopf gestellt. Möglicherweise kommt man dem spätbarocken Verhältnis von Pulchritudo und Ornamentum/Ornatus dann am nächsten, wenn man Albertis Bestimmung als intendiertes Paradox anerkennt, wie es die Rede vom Parergon, das immer auch auf ein Ergon angewiesen ist, um Parergon sein zu können, ja letztlich impliziert. Der spätbarocke Raum zeigt die Differenz von Ergon und Parergon, um diese sogleich wieder zu überspielen. Die parergonale Ästhetik ist die Conditio sine qua non der spätbarocken Raumerfahrung. Hierin – allerdings nur hierin – konvergiert Kants Aufwertung der parergonalen Ästhetik mit der des spätbarocken Raumes. In gewissem Sinn rettet Kant damit den spätbarocken Parergonbegriff der Falte und des Ornaments für die Moderne. Es mag auf den Antagonismus von Architektur und Ausstattung zurückzuführen sein, dass der spätbarocke Sakralraum ein Maximum an Enérgeia in den architektonischen Raum einführt. Durch eine einseitige oder distanzierte Betrachtung wird man das Paradox von Architektur und Ornatus nicht auflösen können. Ihre Synthese findet nicht auf Plänen oder Fotografien statt – sie liegt vielmehr in einer Raumerfahrung, die im dynamischen Wechsel von Sehen und Gehen eine Eigenbewegung hervorbringt, welche aus dem geometrischen Raum einen nicht-linearen Raum erzeugt.

973 Zur Begriffsklärung vgl. DÜNKELSBÜHLER 1991, S. 29–33. Ebd., S. 31: „Die Friktion zwischen ,neben’ und ,gegen’ heißt auf griechisch par(a). Als paralogos von logos selbst.“

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974 PAULUS 1888, S. 178, 180. 975 KOLB 1991, S. 438 f., Nr. 157/1, Presbyteriumsfresko: Ein Benediktinerabt erhält von Maria Messgewänder, Kuppel mit ca. 7,80 x 10,25 m (Längsachse/Querachse). 976 PAULUS 1888, S. 181; KOLB 1991, S. 440, Nr. 158, Chorfresko: Martyrium und wundersame Wiederbelebung von Benediktinern, 15,00 x ca. 13,50 m (Längsachse/ Querachse). Zur Titelgebung vgl. Kap. 15.1. Die Bezahlung an Spiegler für Presbyteriums- (675 fl.) und Chorfresko (725 fl.) sowie für die Seitenfelder (50 fl.) erfolgte am 23. Oktober 1748; vgl. HOSCH 1992, S. 85 und Anm. 50. Entgegen Hoschs Auffassung könnte das Presbyteriumsfresko trotz der Gesamtbezahlung 1748 natürlich auch ein Jahr zuvor entstanden sein. 977 Vgl. das Chorgestühl mit zwei gleichen Abteilungen von je 34 Sitzen und einem Abtstuhl, Nussbaumholz, 21 Reliefs mit Szenen aus dem Marienleben aus vergoldetem Lindenholz. Vgl. hierzu HUBER 1960, S. 77 f., der die Arbeiten auf 1744–1751 datiert, und WEISS 1998; HOSCH 1992, S. 88, hält die zeitliche Einordnung noch für zu unscharf und geht offenbar von einen impliziten Einfluss Feichtmayrs aus. 978 PAULUS 1888, S. 183. 979 KOLB 1991, S. 456, Nr. 161, Hochaltarblatt: Josephs Traum, Öl auf Leinwand, 8,80 x 4,00 m, signiert und datiert „Fr. Jos. Spiegler 1753“. Das bereits aufgespannte Hochaltarblatt wurde 1753 aus der Konstanzer Werkstatt Spieglers von vier Männern abgeholt. Vgl. HOSCH 1992, S. 85. Zur Titelgebung siehe Kap. 15.3. 980 PAULUS 1888, S. 186. 981 PAULUS 1888, S. 187.

Nach knapp vierzehn Jahren Bau- und Planungstätigkeit wurde am 1. Juni 1744 der Grundstein für den neuen Kirchenbau gelegt. Abt Augustin Stegmüller, der noch im gleichen Jahr verstarb und von Benedikt Mauz bereits Ende April 1744 abgelöst worden war, weihte wohl noch den Grundstein. Dieser bildete die erste Ausstattung des Chorraumes. Für den Grundstein wurde der ehemalige Steinsarkophag der Klostergründer Kuno und Luithold von der Achalm verwendet, mit „viele[n] Heiligthümern“ gefüllt und hinter dem jetzigen Hochaltar in das Fundament eingelassen. Noch im selben Jahr, rund zwei Monate nach der Grundsteinlegung, dürfte Johann Joseph Christian in seiner Riedlinger Werkstatt mit den Schnitzarbeiten für das Chorgestühl begonnen haben.974 Beginnend ganz vorne im Presbyterium, nahm die Stuckatorengruppe Johann Michael Feichtmayrs wohl im Mai 1747 die sich über ein Jahr hinziehenden Stuckarbeiten des Chorraumes in Angriff. Dabei präludierten die Stuckarbeiten meist die Werkphasen des Freskanten Spiegler: Wohl noch im selben Jahr oder bereits 1748 malte dieser das erste Deckenfeld über dem Hochaltar.975 Nach Abschluss der Stuckierung des übrigen Chorraumes wurde 1748 mit dem großen Deckenbild für den Mönchschor die Arbeit fortgesetzt.976 Mit der Aufrichtung des Chorgestühls durch den Schreinermeister Hans Martin Hermann (1700–1782) aus Villingen und den Maurerarbeiten am Hochaltar durch Johann Georg Schultheiß aus Pfronstetten nahmen die Ausstattungsarbeiten vier Jahre später (1752) ihren Fortgang.977 Noch vor der erneuten Kirchenweihe am 18. Oktober 1752 in Gegenwart erlauchter Gäste, wie etwa dem Fürsten von Hohenzollern, wurde provisorisch das Altarblatt des alten Münsters in den Hochaltar eingesetzt. 978 Es blieb dort, bis das eigentliche Hochaltargemälde Spieglers 1753 seinen Bestimmungsort erreichte.979 Ein Jahr darauf stellte man Christians noch geschnitzte Nebenfiguren (Altes und Neues Testament bzw. Synagoge und Ecclesia) auf den Nebenportalen des Hochaltars auf.980 Mit der Installation der Chororgel von Joseph Gabler, deren Vorarbeiten spätestens 1754 begannen und bis ins Frühjahr 1755 reichten, waren die Ausstattungsarbeiten im Chorraum abgeschlossen. Der Chronist Baumann teilt mit, dass trotz wiederholter Messfeiern im Chorraum erst zu Ostern 1758, offenbar kurz nachdem das Chorgitter vollendet worden war, das regelmäßige Chorgebet aufgenommen werden konnte.981

15 Chorraum: Tägliches Martyrium (1744–1755)

Der Umstand, dass Zwiefalten (ähnlich wie Einsiedeln und Weingarten) eine Doppelfunktion als Wallfahrts- und Klosterkirche zu erfüllen hatte, ließ es notwendig erscheinen, den Kirchenraum in zwei repräsentative Module zu teilen, verbunden in der Mitte durch Vierung und Querarme.982 Obgleich der wandfüllende Hochaltar den Ostabschluss des Langhauses dominiert, ist das komplexe Bildprogramm aus der Distanz dennoch keinesfalls im Detail zu erkennen. Dies gilt ebenso für die Chorfresken. Für den gewöhnlichen Kirchenbesucher blieb der Chorraum physisch unzugänglich und war lediglich als optische Verlängerung des Langhauses wirksam. So adressiert sich das gesamte Langhausprogramm mit seiner variantenreichen Bilderschau, den Seitenaltären, Beichtstühlen und der sinnlichen Tugendlehre an Wallfahrer und Kirchenbesucher. In Vierung und Querhaus präsentiert sich das Kloster Zwiefalten seinen Kirchenbesuchern mit geschichtlichen und heilsgeschichtlichen Themenkomplexen, exordial vorweggenommen durch das Programm der Vorhalle. Der Chorraum entfaltet hingegen theologisch anspruchsvolle Bildfindungen, die sich ausschließlich an die Konventualen und ihre geistlichen Gäste richteten. Der Grundtenor des Langhauses – historisch-heilsgeschichtliche Themen an der zentralen Decke, Marienleben an den Flanken und typologische Konstellationen an den Altären – wird im Chorraum beibehalten, erfährt jedoch eine theologische Verdichtung. Mit der ganz anderen Funktion des Chorraumes geht auch ein anderer Bewegungsmodus einher, der für die folgenden Beobachtungen zu berücksichtigen ist: Erschließt sich die unerschöpfliche Vielzahl von Bildern im Langhaus durch dynamische Sehprozesse, die im Gehen und Drehen des Körpers von unzähligen Standorten aus „eingesammelt“ werden, so sind die Bilder des Chorraumes gleichsam auf drei Betrachterpositionen arretiert, und zwar auf die drei Schenkel des sich u-förmig zum Hochaltar hin öffnenden Chorgestühls. An die Stelle des Gehens im Langhaus tritt hier das fixierte Stehen (oder Sitzen) bei der Rezitation des Offiziums und beim Psalmodieren. Auf diese Tätigkeit sind die bildnerischen Ausstattungsstücke des Chorraumes formal und inhaltlich eingestellt. Im Rücken der betenden Konventualen sind in den Dorsalen des Chorgestühls Reliefs mit einem Marienzyklus angebracht, welcher insbesondere beim Eintreten in das Gestühl in Einzelsequenzen gesehen werden konnte. Während des Gebetes trat dieser Bildschmuck dagegen in den Hintergrund. Während den in den Stallen betenden Mönchen die rückwärtigen Reliefs nicht einsehbar waren, ließ sich die diesen gegenüber ausgebreitete Relieffolge aus der Ferne nur als ein bewegtes Ineinander aus Dorsalschmuck, Chororgelaufsätzen und dem goldenen Ton der Reliefs erleben. Der eigentliche Gegenstand visueller Aufmerksamkeit waren vor allem die Deckenbilder und der für alle Konventualen gleichermaßen sichtbare Hochaltar. Wie sich noch zeigen wird, enthalten Hochaltar wie Deckenbilder deshalb auch eine auf das Chorgebet zugeschnittene Thematik. Die Bildausstattung des Chorraumes lässt sich kaum verstehen ohne die besondere Rolle, welche die Regula Benedicti dem Stundengebet (officium divinum) zumisst. Fast unvermittelt finden sich in den Kapiteln 8–20 der Regula die Bestimmungen über den Horenzyklus. Sie haben jedoch ihren Platz zwischen dem

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982 Die Modulaufteilung mit je unterschiedlichen Adressaten dürfte auch erklären, weshalb zwei Marienzyklen (im Chorgestühl wie in den Kapellenfresken) umgesetzt wurden.

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983 Regula Benedicti, kommentiert von HOLZ­ HERR 2005, hier S. 158. 984 HOLZHERR 2005, S. 176. 985 DE VOGÜÉ 1983, S. 150. 986 DE VOGÜÉ 1983, S. 157 f., 178. 987 HOLZHERR 2005, S. 148. 988 Vgl. FISCHEDIEK 1993, S. 46–48. 989 Die einschlägigen Stellen der Tradition zitiert bei: HOLZHERR 2005, S. 148 f.

vorausgehenden Demutskapitel und der sich anschließenden Klosterordnung. In dieser Sicht geht den Weisungen zum unablässigen Gebet die Ausrichtung auf Gehorsam und Demut voraus, während die nachfolgenden Kapitel Erstere in ein Verhältnis zur Disziplinierung des Alltags stellen.983 Erst gegen Ende dieser Bestimmungen wird in Kapitel 16 ein vollständiger Plan der Horen vorgelegt: „(1) Entsprechend dem Wort des Propheten: ‚Siebenmal am Tag, singe ich Dein Lob‘. (2) Die geheiligte Siebenzahl wird von uns dann erfüllt, wenn wir unsern schuldigen Dienst leisten zur Zeit von Laudes, Prim, Terz, Sext, Non,Vesper und Komplet; (3) denn von diesen Gebetsstunden am Tag heißt es: ‚Siebenmal am Tag singe ich Dein Lob‘. (4) von den nächtlichen Vigilien jedoch sagt derselbe Prophet: ‚Um Mitternacht stehe ich auf, um dich zu preisen.‘ Zu diesen Zeiten also bringen wir unserem Schöpfer Lob dar wegen seiner gerechten Entscheide, das heißt, zu den Laudes, zu Prim,Terz, Sext, Non,Vesper und Komplet, ‚und bei Nacht stehen wir auf, um ihn zu preisen‘.“984 Obgleich sich der zitierte Text zur Rechtfertigung des unablässigen Gebets zweimal auf die Psalmen bezieht (Ps 119,164 und 119,162), wurzelt der Horenzyklus in erster Linie im frühen Mönchtum des 3. und 4. Jahrhunderts, unter anderem in den Verordnungen von Pachomius und Cassian. Damit wird in abgeschwächter Form die strenge, durch mittelalterliche Prägungen hindurchgegangene Askese des ägyptischen Mönchtums zum Maßstab des Stundengebetes.985 Vor allem die nächtlichen Vigilien, wie sie zu Beginn der Gebetsordnung in ­Kapitel 8 festgelegt sind, spitzen mit ihrer Forderung des unablässigen Gebets diesen Aspekt der Askese zu. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Benediktsregel aufgrund der engmaschigen Gebetszeiten eine Trennung von Stundengebet und klösterlichem Alltag gar nicht anstrebte. Vielmehr versteht sie das gesamte klösterliche Tagwerk als eine asketische Ausrichtung auf Gott, gleich einer kontinuierlichen, pneumatischen Aufnahme des göttlichen Wortes.986 Die disziplinierende Grundlage hierfür bilden die Maximen Ordnung, Gemeinschaft und Askese, und nicht zufällig werden der Bibel entnommene Begriffe wie „standhafte Geduld“, „Starkmut“, „Vertrauen“, „Ausdauer“ und „Beharrlichkeit“ zu wiederkehrenden Formeln der Benediktsregel.987 Deren Gehorsamsverständnis, welches das Hören zur Grundhaltung macht,988 wurde schon im frühen Mönchtum als „Teilnahme am Martyrium“ glorifiziert. Der „Magister“ brachte das auf die Formel: „Im Kloster [...] ertragen sie Prüfungen und das Gericht des Martyriums“, was die christlichen Blutzeugen zu Vorbildern für jenes göttliche Gehorsamsverständnis erhebt. An die Stelle ihres „Kampfes im Martyrium“ tritt im idealen benediktinischen Mönchtum das tägliche „asketische Kämpfen und Ringen“.989 In dieser Sicht wird das kontinuierliche Hören des göttlichen Wortes zu allen Tages- und Nachtzeiten ein Stück weit nicht nur zu einem gemeinschaftlichen Martyrium, sondern (damit verbunden) auch zu einer asketischen Ausrichtung auf den Tod. So bilden das Hören des Gotteswortes, das gemeinschaftliche Martyrium und die Imitatio des tugendmäßigen Lebens der Blutzeugen und Mariens nicht nur die Medien der Kommunikation zwischen Konvent und Gottesvolk in der Vierung und im Querhaus, sondern auch das visuelle Programm des Chorraumes.

15 Chorraum: Tägliches Martyrium (1744–1755)

15.1 Mönchschor- und Presbyteriumsfresko (1747/48) Es verwundert nicht, dass gerade die asketischen Aspekte der Benediktsregel auch gegen die Aufklärung ins Feld geführt wurden. Der aufgeklärten Kritik, in Klöstern werde mit großer Pracht und Verschwendung ein rückständiges Verständnis des Christentums restauriert, hielt ein Festprediger des Klosters Kempten 1777 entgegen: „Umsonst sucht die Welt die klösterliche Zucht geringschätzig [...] zu machen [...]. Sie ist der vollkommenste Abriß jener ersten Helden unserer Religion, die ihre treffliche Bildung aus dem Leben [...] jener alten Einsidler Ägypten Landes entnohmen haben. [...] Und was könnte wohl tauglicher seyn, dieses zu erzielen als die [....] Ordens-Satzung eines heiligen Benedikts?“990 Die betonte Kontinuität von der strengen Ordnung der Mönchsväter bis zur Regula Benedicti wird somit als traditionsbildender Strang der Gegenwart ausgewiesen, der aller ephemeren Kritik zu trotzen vermag. Aspekte des Asketismus wie des täglichen Martyriums schienen die besten Argumente gegen die Unterstellung von Verschwendungssucht angesichts der Prachtentfaltung spätbarocker Kirchenräume. Freilich finden sich Hinweise auf das tägliche Martyrium der benediktinischen Mönche – wie überhaupt eines jeden guten Christen – als Vorbereitung auf einen christlichen Tod nicht nur in der Regula, sondern ebenso in der zeitgenössischen Andachts- und Erbauungsliteratur; auch in jener, die der Zwiefalter Abt Benedikt Mauz bei der Inventio seines Freskenprogramms konsultierte. In Gabriel Bucelins Menologium Benedictinum (1655), Ägidius Ranbecks Calendarium Annale Benedictinum (1677), Gabor Hevenesis Ars Bonae Mortis (1695) und Veremund Eisvogls Concordia Animae ... reflexiones asceticae (1723) bildet die chronikale Textform die Folie, um den Leser durch eine mehr als 1600-jährige Geschichte der Imitatio Christi zu führen. Der Leser sieht sich einer endlosen Kette von, oftmals den Tagen des Jahres zugewiesenen, Viten des standhaften Lebens und Sterbens gegenüber, deren letztes Glied das Leben des Lesers bilden sollte. Es scheint mithin kein Zufall, dass Mauz gerade auf jene Werke zurückgriff, die Aspekte der Askese und des täglichen Martyriums in den Vordergrund rückten, und nicht etwa die historisch-kritische Benediktinerchronik eines Jean Mabillon konsultierte. Obgleich die ersten schriftlichen Entwürfe für das Presbyteriums- und Mönchschorfresko im Gegensatz zu den späteren Konzeptfragmenten noch keine Literaturhinweise enthalten, spricht vieles dafür, dass schon hier Autoren wie Eisvogl, Bucelin, Ranbeck und Hevenesi das quellenmäßige und geistige Fundament bildeten. So notiert Mauz oder dessen Sekretär für das große, 1748 entstandene Chorfresko [Abb. 325,–329]: „Ober dem Chor sihet man folgende Histori, so sich in dem 16.ten Saeculo in Engelland in dem Kloster Magi ord. S. Bened. Zugetragen zu Zeiten der Königin Elisabeth. Man sihet einen formlichen Chor vor dem grossen Hochaltar, in welchem Assumptio virginis Zusehen. vor dem Altar kniet ein Benedictiner Mönch mit ausgespanten Armen bettend. Ober dem Altar, oder der Evangely seiten Zaiget sich die heiligste Jungfrau mit Etlichen heiligen und Englen, deren einer diesem Religiosen mit einem Schweißtuch die Thränen abstreichet. Hinter Ihme herab Zaigen sich beede seiten des

990 Zit. nach RÖMMELT 2003, S. 257.

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325 Mönchschor, Diagramm (NvdM)

15 Chorraum: Tägliches Martyrium (1744–1755)

326 Franz Joseph Spiegler: Martyrium und wundersame Belebung der (Zisterzienser-)Mönche des Klosters „Magi“ (Monasteranenagh), Mönchschorfresko, 1748, 15,00 x 13,50 m (NvdM)

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327 Franz Joseph Spiegler: Martyrium und wundersame Belebung der (Zisterzienser-) Mönche des Klosters „Magi“ (Monasteranenagh), Mönchschorfresko, 1748, zentrales östliches Bildfeld (NvdM)

991 Siehe Konzeptfragmente CH I (um 1744). 992 RANBECK 1677, S. 434. 993 ENRIQUEZ 1623, S. 358–362, spricht von „Magium“ oder „caenobij Magiensis“. 994 RANBECK 1677, S. 434; BUCELIN 1671, S. 261 f., Ann. Chr. 1578; BUCELIN 1655, S. 564 f.; STOLL 2008/11. Auf die Widersprüche hat ansatzweise bereits HOSCH 1990, S. 89, hingewiesen. 995 O′REILLY 1880, S. 71: „Their martyrdom is thus narrated by Dr. Moran, from Henriquez. ‘About the same time the monastery of St. Mary of Maggio* became illustrious by the martyrdom of its holy inmates. A heretical band having entered the adjoining country, spreading on every side devastation and ruin, the monks of Maggio, forty in number, were in hourly expectation of death. They resolved, however, not to fly from the monastery, choosing rather to consummate their course in the asylum which had been so long their happy abode. They therefore assembled in choir, and, having recited the morning office in silence and prayer, awaited their executioners. The heretical soldiers did not long delay. On

Chors, also das alle Zehen auf einer Seiten mit theils abgehauenem, theils mit tödtlich verwundeten Häupteren, und zerstümmelten gliederen auf dem boden ligen. Auf der anderen seiten sind die Engel beschäftiget die abgesönderte Häupter auf die Häls, und andere abgestümmlete glider an sein Orth Zustellen, und die ermordeten Religiosen in ihr Chorgestühl wiederum Zuerheben, und Zustellen.“991 Peter Stoll ist in jüngerer Zeit jener Beschreibung eines Klosters Magi in England aus den Konzeptfragmenten nachgegangen und konnte zeigen, dass sich offenbar schon die von Mauz verwendeten Referenzautoren für diese Begebenheit, Gabriel Bucelin und später Aegidius Ranbeck, auf einen falschen Autor bezogen. Bei dem Autor „Manriquez“ („Citatus Manriquez distinction. 37. lib. 2. in suo fasciculo Sanctorum“)992 handelt es sich Stoll zufolge nicht um den Zisterzienser Ángel Manrique (1577–1649), sondern um seinen Ordenskollegen Crisóstomo Enriquez (1594–1632) und dessen Schrift Fasciculus Sanctorum Ordinis Cisterciensis von 1623, einer Geschichte des Zisterzienserordens.993 Hier findet sich das geschilderte Ereignis mit einem Verweis auf das irische Zisterzienserkloster Monasteranenagh („caenobij Magiensis“).994 Der Umstand, dass sowohl die Namen der Klöster (Magi/Monasteranenagh) wie auch die der Autoren (Enriquez/ Manrique) je nach Sprache leicht zu verwechseln sind, hat schon in der Benediktinterliteratur des 17. Jahrhunderts zu Verwirrungen geführt, zumal Manrique selbst häufig Enriquez als Referenzautor angibt. Bei Enriquez’ Fasciculus handelt es sich aber um die erste nachweisbare und auch detaillierte Schrift, welche die Legende vom Kloster „St. Mary of Maggio“ enthält.995 Im Kontext der historisch gesicherten, sogenannten zweiten Desmond-Rebellion (1579– 1583), soll der Legende nach an einem 14. August (um 1580), also einen Tag vor Mariä

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Himmelfahrt, die Gottesmutter den von den Engländern enthaupteten Zisterziensermönchen eigenhändig (und nicht durch zu Hilfe eilende Engel wie im Konzeptfragment erwähnt) ihre Häupter wieder aufgesetzt haben. Dem Chorfresko mit dem Titel Martyrium und wundersame Wiederbelebung der Benediktiner des englischen Klosters Magi wäre also der historisch korrekte Titel Martyrium und wundersame Wiederbelebung der Mönche des irischen Zisterzienserklosters Monasteranenagh an die Seite zu stellen.996 Allerdings ist es fraglich, ob es notwendig ist, den Titel zu einer historisch fehlerhaften, aber umgesetzten Inventio durch einen historisch korrekten Titel zu ersetzen, dessen Fakten dem Konzeptautor selbst nicht bekannt waren und daher auch nicht in das Chorfresko eingehen konnten. Die Legende vom Martyrium hat bereits in der frühesten Quelle einen eher fiktionalen Charakter, und die Fiktion ist von historischen Tatbeständen nur gerahmt. Mauz adaptierte die Legende in der von Ranbeck kolportierten Form als benediktinisches Martyrium. So scheint auch eher die Abbildung aus Ranbecks Calendarium Annale Benedictinum (1675) [Abb. 330] die Vorlage gewesen zu sein und nicht etwa das gleichnamige Fresko (um 1685) von Giovanni Carlone (1636–1713) auf der Orgelempore der Stiftskirche Schlierbach (Oberösterreich) mit marianisch-zisterziensischem Programm [Abb. 331]. Die Rückverfolgung der Legende verweist auf einen fortwährenden Transformations- und Aneignungsprozess von Legenden und Ereignissen, nicht zuletzt auch durch benediktinische Autoren. Die Angaben aus den Konzeptfragmenten zu einem „Kloster Magi“ gehören wohl zu den frühesten erhaltenen Konzeptfragmenten (um 1744/45) und tauchen im Zusammenhang mit einer ersten schriftlichen Skizze zum Langhausfresko auf (CH I/LA I). Während aber das Langhausfresko eine präzise konzeptionelle Ausarbeitung erfuhr, sind für das Chorfresko keine Präzisierungen bekannt. Das spätere, um 1745 zu datierende Konzeptfragment (FR) mit einer kompletten Auflistung der Freskentitel scheint das Thema für das Chorfresko telquel aus dem Konzeptfragment CH I übernommen zu haben. Der für die Zwiefalter Fresken insgesamt charakteristische, hohe Grad an Detailliertheit findet sich im Chorfresko noch nicht und besteht im Gegensatz zu den (je nach Zählung) mindestens neun Teilszenen des Langhausfreskos bloß aus einer Hauptszene. Hie-

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328 Franz Joseph Spiegler: Martyrium und wundersame Belebung der (Zisterzienser-) Mönche des Klosters „Magi“ (Monasteranenagh), Mönchschorfresko, 1748, nordöstliches Bildfeld (NvdM) 329 Franz Joseph Spiegler: Martyrium und wundersame Belebung der (Zisterzienser-) Mönche des Klosters „Magi“ (Monasteranenagh), Mönchschorfresko, 1748, südöstliches Bildfeld (NvdM)

coming to the monastery, they first imagined that it had been abandoned, so universal was the silence that reigned around it, and they plundered it in every part. On arriving, however, at the church, they found the forty religious kneeling around the altar, unmoved, as if unconscious of the scenes of sacrilegious plunder that were perpetrated around them, and wholly absorbed in prayer. Like hungry wolves, the heretics at once precipitated themselves upon the defenceless religious. The cruelty and ferocity of the soldiers was surpassed only by the meekness and heavenly joy of the victims, and in a few minutes forty names were added to the long roll of our Irish saints. The vigil of the Assumption was the day consecrated by their death. One lay brother of the monastery, who had been absent for some time, returned that evening, and found his former happy abode reduced to a heap of smoking ruins, and, entering the church, he found the altar and choir streaming with blood. Throwing himself prostrate before the mutilated statue of Our Lady, he poured forth his lamentations that her monastery was no more, and that her glorious festival, which should be then commenced, would pass in sadness and si-

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330 Johann Michael Püchler: XL Monachi Mart[yr] Ord[ine] S[ancti] Ben[edicti], aus: RANBECK 1675 (NvdM) 330 Giovanni Carlone: Martyrium der (Zisterzienser-)Mönche des Klosters Monasteranenagh, um 1685, Orgelempore, Stiftskirche Schlierbach (Oberösterreich) (NvdM) lence. He had scarcely breathed his prayer, when he heard the bells of the monastery toll, and, lifting his head, he saw his martyred brethren each taking his accustomed seat; the abbot intoned the solemn vespers, and the psalms were sung as was usual on their festive days. The angels and the Queen of Heaven joined their voices with those of their now sainted companions. The enraptured lay brother knew not whether he had been assumed to heaven or was still on earth, till, the office being completed, the vision ceased, and he once more contemplated around him the mangled and bleeding remains of the martyred religious.’ Manriquez concludes his narrative of their triumph with the impressive words, ’O happy Ireland, that is enriched with the treasure of so many martyrs! O happy community, that sent forth so many intercessors to the heavenly throne!’ – Moran, who refers to Henriquez, Manriquez, Sanctoral. Cisterc, and the Persecut. Hibernic. of the Irish Seminary of Seville.“ 996 Circa 15,00 x 13,50 m in maximaler Spanne. Vgl. KOLB 1991, S. 439 f., Nr. 158, der dem Fresko den Titel „Martyrium und wundersame Wiederbelebung von Benediktinern“ gab.

raus lässt sich schließen, dass Mauz sein methodisches Verfahren des Exzerpierens beim Entwurf wohl als „work in progress“ entwickelte. Fraglich bleibt ebenfalls, ob Mauzens Wahl der Legende als Freskenthema tatsächlich – wie Stoll im Anschluss an Neubert meint – eine gegenreformatorische Stoßrichtung hatte oder ob es ihm nicht vielmehr um eine ortsspezifische Angleichung von thematischem und architektonischem Raum ging, die den realen Chorraum durch einen legendarischen überhöhen und den Zwiefalter Mönchen das Martyrium als Ziel täglicher, schrittweiser Imitatio vor Augen stellen sollte. Die Art und Weise, wie Spiegler Fischers Architektur und Christians Chorgestühl weiterführt, scheint hierfür zu sprechen. [Abb. 328, 329]. Am östlichen Ende des Freskos breitet sich links und rechts ein Chorgestühl aus, das dem neuen, zu jener Zeit noch gar nicht fertiggestellten Zwiefalter Chorgestühl eng verwandt ist. Die zwischen den seitlichen Stuhlreihen platzierte Treppenarchitektur wird zum Schauplatz eines kollektiven Martyriums mit Assoziationen an verwandte Ereignisse der antiken Christenverfolgung. Dargestellt ist der Zeitpunkt nach dem Kollektivmord [Abb. 327]. Vereinzelt sitzen oder stehen die betenden Mönche mit Märtyrerpalmen im Chorgestühl. In der Mitte liegen blutüberströmt die Körper der Enthaupteten. Der stuckierte Arm eines Mönchs mit abgeschlagenem Kopf ragt in den realen Chorraum hinab. Unterdessen eilt eine von Maria ausgesandte Engelschar herbei.Während diese Engel bündelweise Märtyrerpalmen herantragen, sind andere im Begriff, Körper und abgeschlagene Köpfe der Mönche wieder zu vereinen, wieder andere verweisen auf das Gebet im Chorgestühl.997 Im lichtdurchfluteten Zentrum tritt Maria mit ausgebreiteten Armen als Verursacherin dieser wundersamen Wiederbelebung auf, unter ihr ein Engelspaar, das auf ihr Geheiß hin ein großes, faltenreiches Tuch zu den Mönchen trägt.998 Nach Westen hin läuft die Szene in eine weitmaschig verteilte Engelschar aus, von der einige Weihrauchfässer schwingen und andere mit weit geöffneten Armen das Ereignis preisen. In den vier an das Mönchschorfresko angesetzten Seitenfeldern weisen Engel mit Schwertern auf die Tugenden der Gerechtigkeit und der Stärke des Märtyrertums und wohl auch auf das solchermaßen zu verstehende Mönchtum hin.

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Weit mehr als in dem wenige Jahre später entstandenen Langhausfresko dürfte Franz Joseph Spiegler sich hier mit erzählerischen und kompositionellen Problemen konfrontiert gesehen haben. Diese allerdings lassen sich größtenteils auf den besonderen Ort des Freskos im Mönchschor sowie auf die Ausrichtung des Freskenthemas auf die unten im Gestühl betenden Mönche zurückführen. Die Erzählung musste sich, sollte sie von den Mönchen im Chorgestühl gesehen werden können, vor allem im östlichen Feld des Freskos abspielen, sodass die verstreut platzierten Engelsgruppen westlich der Haupthandlung teilweise der zentralen Figurengruppe zu entgleiten drohen. Überdies ließ die erzählerische Plausibilität es wohl notwendig erscheinen, die Handlungsfolge auszutauschen. Während beispielsweise bei Bucelin davon die Rede ist, dass die Mönche nach ihrer Ermordung aufstehen und zu beten beginnen, bevor sie wieder in den Todeszustand fallen und anschließend durch Maria wiederbelebt werden, sind hier die Mönche im Chorgestühl nach dem Martyrium gezeigt. Wie anders hätten sich singende Mönche mit abgeschlagenen Häuptern im Chorgestühl ohne ungewollte Komik darstellen lassen? Hinsichtlich der Grundkomposition erprobte Spiegler schon hier das für das Langhausfresko wichtige, aus der Achse gedrehte Oval mit einer dynamischen, dunkel-erdigen Wolkenformation im östlichen Feld. Auch die östliche Treppenarchitektur als Hauptschauplatz kehrt später im Langhausfresko wieder.Weit ausgeprägter als dort legte Spiegler im Mönchschorfresko allerdings Wert auf eine aus der realen Situation sich ergebende Lichtregie, wie sich der Freskant hier überhaupt weitaus stärker an erzählerischer Plausibilität und wohl auch an der Textvorlage orientierte. In den beiden von Süden und Norden in das Fresko hineinragenden Stichkappen der Chorfenster fusionieren gemaltes und reales Licht, sodass die längs verlaufenden Randzonen des Freskos vom wirklichen Sonnenlicht her beleuchtet zu sein scheinen.999 Eine bemerkenswerte Änderung gegenüber der Konzeptbeschreibung dürfte indessen kein Zufall sein und lag vermutlich nicht in der Verantwortung des Freskanten: Auf das im Konzept erwähnte Hochaltarbild von „Magi“ mit einer Mariä-Himmelfahrts-Darstellung (Assumptio Virginis) wurde wohl nicht nur aufgrund einer möglicherweise störenden Gesamtwirkung verzichtet.1000 Stattdessen dient das Hochaltarbild von Zwiefalten (wohl als Ergebnis eines glücklichen Einfalls) nun auch den irischen Mönchen des Freskos als Altarbild. Auf diese Weise wird die Darstellung des kollektiven Martyriums nicht nur mit der täglichen asketischen Hingabe der betenden Mönche von Zwiefalten, sondern überdies mit der besonderen Thematik des Hochaltarbildes verknüpft, auf das noch einzugehen sein wird. Festzuhalten ist jedenfalls, dass durch Stuck, gemalte Architektur (Chorgestühl, Pfeiler), Darstellungsthema und Hochaltar ein enger Zusammenhang zwischen gemaltem und realem Raum hergestellt wird, der aus dem Ort des Kirchenraums für den Horenzyklus resultiert. 1001 Nicht der unmittelbaren Handlung nach, aber doch konzeptionell geht das Fresko des Presbyteriums dem Chorfresko voraus [Abb. 332, 333]. Den Konzeptfragmenten nach ist das Ausgangsthema dieses ersten, 1747 ausgeführten Freskos der aus dem Benediktinerorden hervorgegangene Bischof Bonitus von

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997 Das Deuten des Engels auf das Chorgestühl könnte auch auf das Motiv der Wiederbelebung verweisen. Hier ist das Fresko vom Erzählablauf her uneindeutig. 998 Ein Hinweis auf die Fürsorge der verletzten Körper durch Maria, möglicherweise dem im Konzept erwähnten Schweißtuch entlehnt. Für die Vermutung, hierin sei der Kopf des Abts geborgen, gibt es keinerlei Hinweise. Vgl. KOLB 1991, S. 440; HOSCH 1992, S. 89. 999 Hierauf hat andeutungsweise auch schon KOLB 1992, S. 440, aufmerksam gemacht. 1000 Vgl. HOSCH 1992, S. 89. 1001 Hierzu ansatzweise zuerst KREUZER 1964, S. 91 f., mit abweichender Interpretation des Hochaltarbildes.

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332 Franz Joseph Spiegler: Maria überreicht dem hl. Bonitus von Ferrand durch einen Engel ein Messgewand, 1747, Presbyteriumsfresko, 10,25 x 7,80 m (NvdM)

333 Hl. Bonitus, Detail aus: Maria überreicht dem hl. Bonitus von Ferrand durch einen Engel ein Messgewand, 1747, Presbyteriumsfresko (NvdM)

1002 Titel: Maria überreicht dem hl. Bonitus von Clermont-Ferrand durch einen Engel ein Messgewand, 10,25 x 3,25 m (größte Spanne); vgl. KOLB 1991, Nr. 157, S. 438 f., der dem Fresko den Titel Ein Benediktinerabt erhält von Maria Messgewänder gab. – Auch für dieses Ereignis griff Mauz auf den (wenn auch nicht zitierten) Bucelin zurück, vgl. BUCELIN 1655, S. 43. Die Benennung der Figur als Ildefons durch SCHURR 1910, S. 157, ist hinfällig; ansatzweise hierzu schon KREUZER 1964, S. 90. Ebenso wenig handelt es sich um den fünften Abt von Monte Cassino namens Bonito. Vgl. KOLB 1991, S. 438.

Clermont-Ferrand († 706), welcher der Legende nach ähnlich wie Ildefons und Thomas Becket für seine verdienstvolle Verehrung der Gottesmutter von Maria ein Messgewand erhielt.1002 Mauz notierte in einem um 1744/45 entstandenen Entwurf, der für das Altargemälde bestimmt war: „Das Altarblath, wan es anderß der Raum leidet, stellet vor Trans-Figurationem Domini S. Bonitus in habitu Monastico stehet Vor dem Altar gleichsam als wollte er das Humeral anziehen. Die Engel seind beschäftiget ihm die andere priesterliche Kleider darzubiethen. Die seligste Jungfrau kniet von fern von dem Altar auf einem bettstuhl, um welchen herum das Himmlische Frauenzimmer [...] Catharina, Agnes beschäftige seind Ihrer Königin aufzuwarthen. S. Martha und Magdalena Zaigen Ihr vor ein weisses Messkleid als ihre Handarbeith, welche nach vollendter Heiliger Meß dem Heiligen Bonito als Marianischen Capellano Zu wohlverdientem Praesend

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334 Franz Joseph Spiegler: Der hl. Martin erweckt einen Toten, 1747, Deckenfresko, ca. 11,0 x 5,40 m, Pfarrkirche St. Martin, Altheim bei Riedlingen (NvdM)

solle verehret Werden. in dem Luft mag die englische HofCapell nach belieben Musicieren.“1003 Wohl in Absprache mit dem Konzeptautor setzte Spiegler die Disposition in einer verdichteten und modifizierten Form für das Presbyteriumsfresko um. Der Freskant griff in das Thema der „heiligen Näherinnen“ ein, rückte es in den Hintergrund und setzte an dessen Stelle eine Gruppe aus drei weiblichen und zwei männlichen Figuren, deren Attribute man wohl zumindest zum Teil als Hinweise auf Martyrien lesen darf.1004 Wiederum ist ein Chorraum Ort der Handlung, in dessen Zentrum Maria mit Zepter und Sternenkranz auf einer in einem Ockerton gehaltenen Wolke thront.Von ihr aus zieht der geisterfüllte Wolkenstrom hinab in Richtung des hl. Bonitus, der vor einem Architekturprospekt kniend und von Engeln gestützt das Marienmirakel erlebt.Von links fliegt

1003 Siehe Konzeptfragmente CH I. 1004 Agnes mit Lamm, Katharina mit Schwert, eine männliche Figur mit Pfeil und eine weibliche mit ausgebreiteten Armen ohne Attribute. Die zwei männlichen Figuren rechts der Fünfergruppe, eine ältere mit Bart und eine jüngere, beide mit geöffneten Armen, lassen sich nicht eindeutig identifizieren. Die Deutung der Figuren als Mönche (KOLB 1992, S. 439) erscheint ihrer Gesichtsbildung nach wenig plausibel, wenn man in der älteren nicht den Ordensgründer Benedikt erblicken will. Zusammen mit dem jüngeren Mann könnte es sich um Gottvater und Christus handeln. Dagegen würde aber dann deren Randplatzierung sprechen.

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1005 Langhausfresko St. Martin/Altheim, ca. 11,00 x 5,40 m, Signatur: „F. J. Spiegler inv. Et pinxit 1747“, vgl. KOLB 1992, Nr. 153, S. 433 f. 1006 Eine Metapher, die der Versuchung entgegenwirkt, das Ornament auf eine dekorative Funktion zu beschränken.

ein prachtvoll gekleideter Engel mit dem Messgewand herab, während eine andere Gruppe am unteren Rahmen das Untergewand ehrfürchtig in den Händen hält und darbietet. Die übrige Handlung räumt dem Psalmengesang und dem Musizieren viel Platz ein. Links an der Rahmenleiste lässt sich ein Chorgestühl erahnen, in dem Mönche aus Gesangbüchern singen, noch weiter links ein Engelsputto, der Mitra und Bischofsstab des Heiligen heranträgt. In die dunklere Wolkenzone, die Maria ringförmig umgibt, sind musizierende Engel mit Fagott, Cello,Triangel, Flöte und Gesangbüchern platziert. Wir sind dem Fresko bislang auf einer weitgehend beschreibenden und identifizierenden Ebene hinsichtlich der erzählerischen Handlung gefolgt. Diese ist im Bild selbst sehr viel offener angelegt, als es unsere Beschreibung nahelegte. So wenig auffällig dieses Fresko, das den malerischen Auftakt zu allem anderen bildet, auf den ersten Blick auch erscheinen mag, so erweist es sich doch als exzellente Probe dessen, was folgen wird. Das Fresko markiert eine klare Zäsur zu dem, was Spiegler zuvor (oder zeitgleich andernorts) schuf. Es soll hier genügen, einen kurzen Seitenblick auf das ebenfalls 1747 von Spiegler geschaffene Langhausfresko für die nahe gelegene Kirche St. Martin in Altheim bei Riedlingen zu richten [Abb. 334].1005 Dem Fresko, das den hl. Martin, einen Toten erweckend, zeigt, legte Spiegler einen registerartigen Aufbau zugrunde. Erst die Aufbietung einer dichten Figurenmasse, die in heftigen Gebärden das Wunder der Totenerweckung bezeugt, erlaubte es dem Freskanten, die gerasterte und etwas starr wirkende Komposition zu durchbrechen, um Affekt und Dynamik ins Bild zu setzen. Ganz anders im Mönchschorfresko: Hier sind die Figurengruppen locker und offen gruppiert. Bei einer isolierten Betrachtung der Figurenkomposition fällt sofort auf, dass die Handlung weniger von der Konstellation der Figuren als von einem alles umfassenden heiligen Windzug zusammengehalten wird. Dieser senkt sich über eine quer laufende Spirale auf den hl. Bonitus herab und ergreift gleichermaßen die erdfarbenen Wolkenmassen wie die zahlreichen gemalten schwellenden Draperien. Es sind diese mal aufgestauten, mal dynamisch auseinandergerissenen Wolkengebilde und die gewundenen Stoffmassen, welche die Intensität einer heiligen Kraft vergegenwärtigen und die auseinanderdriftenden Figurengruppen des Freskos zusammenhalten. Obgleich von einem breiten Goldrahmen begrenzt, hat diese Kraft die Tendenz, das Freskofeld exzentrisch aufzusprengen. Sie greift auf die in dichter Folge angesetzten Stuckkartuschen über, die sich wie ein durch den heiligen Wind aufgeschlagener Verputz darbieten;1006 ebenso auf die hoch aufgeschlagene Draperie des plastischen Vorhanges, der bereits dem Hochaltar angehört, aber einen nahtlosen Übergang zu Bonitus’ heiligem Gewand darstellt. Blicken wir unter diesen Voraussetzungen noch einmal auf die locker verteilten Grundmotive des Freskos, so sind es die betenden und singenden Engel und Mönche und die eifrige Marienverehrung des hl. Bonitus, die von der extensiven Kraft erfasst werden, welche von Maria im lichthaltigen Raum ausgeht, sich auf die kleine Märtyrergruppe ausdehnt und von hier aus die übrigen Figurengruppen mit einbezieht. Chorgebet, Marienverehrung und Martyrium sind die

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zentralen Themen, die über die extensive Wolkenbewegung am Rahmen auf den Stuck überspringen und schließlich in den Chorraum hinabgetragen werden. So klingen hier bereits jene Motive des kollektiven Martyriums im Dienste der Marienverehrung an, die im Mönchschorfresko weiter entfaltet werden. Wie oben erwähnt, scheint es, als sei die Thematik der Transfiguration, also der Verklärung des hl. Bonitus, zunächst für den Hochaltar vorgesehen gewesen, allerdings nur, sofern es „der Raum leidet“. Er litt es offenbar nicht. Schon zu einem frühen Zeitpunkt dürfte Benedikt Mauz beschlossen haben, sich für das Hochaltarblatt ein anderes, zentraleres Thema vorzubehalten, auf das sich, wie sich noch zeigen wird, alle übrigen Ausstattungsstücke des Chorraumes ausrichten sollten. Wiederum fehlt im Presbyteriumsfresko – wie schon im Mönchschorfresko – ein gemalter Hochaltar. Spiegler beschränkte sich auf eine Andeutung unmittelbar oberhalb der gebauten Hochaltararchitektur. So nimmt auch dieses Fresko den gebauten Hochaltar in seine freigelassene Mitte mit hinein. Damit kippen gewissermaßen beide Fresken in die Ebene des östlichen Wandabschlusses ab und stellen sich in parergonale Beziehung zum Hochaltar.

15.2 Das Chorgestühl (1744–1752) Die vorliegende Untersuchung bewegte sich von Westen nach Osten durch den Raum und verlief damit entgegen der Ausstattungschronologie. Das in diesem Unterkapitel behandelte Chorgestühl gehört zu denjenigen Ausstattungsstücken, die relativ früh begonnen und gegen Ende der ersten Ausstattungsphase fertiggestellt wurden. Das Chorgestühl von Zwiefalten ist das zweite von insgesamt fünf Gestühlen, die Johann Joseph Christian (1706–1777) schuf. Der ausgebildete „Bildhauer und Steinmetz“ begann mit rund vierundzwanzig Jahren sein künstlerisches Schaffen.1007 Zunächst arbeitete er an Vortragekreuzen, Kruzifixen und kleineren Figuren aus Holz, meist Lindenholz, die nicht über eine Höhe von 140 cm hinausgingen.1008 Erst Ende der 1730er-Jahre entstanden erste größere Figuren, immer noch in Holz gearbeitet. Nachdem Christian schon für die Liebfrauenkapelle in Zwiefalten um 1733 vier weiß gefasste Holzfiguren geschaffen hatte, entstand mit dem sandsteinernen hl. Nikolaus (um 1740) für die zu Zwiefalten gehörende Probstei Mochental eine zweite Arbeit für den Benediktinerkonvent. 1740 erhielt Christian dann einen größeren Auftrag für die (heute größtenteils zerstörte) Ausstattung der Benediktinerabtei Mehrerau bei Bregenz, zu dem neben der Ausführung der Bauplastik, des Portals und des Hochaltars auch das Chorgestühl gehörte. Mit der Übernahme der Geschäfte durch Abt Benedikt Mauz Ende April 1744 begann die intensive Beschäftigung mit der Ausstattung des neuen Münsters; Anfragen für erste Entwürfe zur Innenausstattung fallen in diese Zeit.Wohl 1744 und noch bevor diese Arbeiten abgeschlossen waren, wurde Christian durch Benedikt Mauz nach Zwiefalten zurückbeordert.1009 Nach Auskunft des Laienbruders Ottmar Baumann nahm Christian seine Arbeit am Chorgestühl am 10. August 1744 auf.1010 1745 wechselte der Bildhauer seinen Wohnort von Riedlingen nach Zwiefalten. 1011 In diesem Jahr oder ein Jahr später

1007 HUBER 1960, S. 17. 1008 Vgl. hierfür wie für das Folgende HUBER 1960, S. 69–74. 1009 Gemäß einem Brief des Abtes von Zwiefalten an den Prälaten von Mehrerau: „Der Bildhauer Christian hat der allhier veraccordierten Arbeit in uno continuo und ohne die mindeste Interruption abzuwarten, sich nachdrücklichst verbunden“. HUBER 1960, S. 96. WEISS 1998, S. 96, sieht hierin einen Hinweis darauf, dass Verträge zwischen Christian und Zwiefalten bereits vor 1740 geschlossen worden sein könnten. 1010 PAULUS 1888, S. 180. 1011 ASSFALG 1998, S. 37: Anmerkung der Stadtrechnungen Riedlingens: „H: Joseph Christian biltd Hauer welcher 1745 von hier nacher Zwyfalten“.

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335 Johann Joseph Christian: Chorgestühl Nord, Nussbaum/Lindenholz, vergoldet, 1744–1753 (NvdM) 336 Johann Joseph Christian: Chorgestühl Süd, Nussbaum/Lindenholz, vergoldet, 1744–1753 (NvdM)

1012 PAULUS 1888, S. 184. 1013 HUBER 1960, S. 77–80. 1014 HUBER 1960, S. 82. 1015 WEISS 1998, S. 93. 1016 Vgl. hierzu BAUER 1991, S. 355, der die Ansicht vertritt, die Einbeziehung des Chorgestühls in den Raum gelte nur unter ikonografischen Kriterien.

waren aller Wahrscheinlichkeit nach die wichtigen Aufträge für die Zwiefalter Ausstattung vergeben. Als Jahr der Fertigstellung des Chorgestühls kann zuverlässig das Jahr 1752 gelten, von dem Baumann berichtet, dass am 31. Oktober erstmals das Stundengebet im neuen Chorgestühl ausgeübt wurde. 1012 Die Aufträge Christians, die dem Zwiefalter Großauftrag vorausgingen, liefern einen guten Ausweis seiner künstlerischen und handwerklichen Praxis. Doch wie Spiegler wuchs auch Christian erst in Zwiefalten über sich selbst hinaus. Erst die besondere Konstellation Mauz/Feichtmayr/Christian/Spiegler scheint diese Entwicklung möglich gemacht zu haben. Christians Auftrag für Zwiefalten umfasste die Ausführung, zum Teil in gemeinschaftlicher Arbeit mit dem Schreiner Hans Martin Hermann, von insgesamt nicht weniger als sechs Portalskulpturen, einem Chorgestühl mit 68 Sitzen und einem Abtstuhl, 21 Reliefs, zehn Beichtstühlen, 16 unterlebensgroßen Figuren für die Seitenkapellen, acht Großplastiken für die Querarme, dann die Figuren für das Kanzelensemble und die vier für den Hochaltar.1013 Außer mit Stein und Holz arbeitete Christian hier erstmals umfangreich mit Stuck. Im Jahre 1755, am Ende der ersten Ausstattungsphase Zwiefaltens, erhielt Christian zusammen mit Feichtmayr und dem Schreiner Hermann den Auftrag für die Ausstattung der Klosterkirche Ottobeuren (einschließlich Chorgestühl) [vgl. oben Kap. 10]. Diese Arbeiten wurden 1767 abgeschlossen;1014 erst im Anschluss hieran entstanden die letzten Großplastiken für Zwiefalten, vor allem die Spitzenwerke für die Kanzel und den Hochaltar (Ezechiel, Matthäus). Nach Georg Anton Macheins Chorgestühl für Bad Schussenried (1715–1717) und Joseph Anton Feuchtmayers/Giuseppe Frisonis Chorgestühl für Weingarten (vollendet 1724) war das Gestühl für Zwiefalten Anfang der 1740er-Jahre ein weiterer großer Auftrag für ein Chorgestühl im schwäbischen Raum. Mit dem Zwiefalter Chorgestühl sollte Christian mehr als nur einen neuen Impuls für diese Gattung liefern. Der maßgeblich von den vergoldeten Dorsalreliefs geprägte ästhetische Charakter des Chorgestühls gehorcht nicht mehr der Funktion des Sitzens, sondern dem Konzept einer Umwertung der architektonischen Wand zur vibrierenden Oberfläche. In Zwiefalten rahmt nicht der Reliefzyklus das Gestühl, sondern das Gestühl (mit den Dorsalaufsätzen) die Reliefs. Rahmung und Gerahmtes, Beiwerk und Werk treten in ein inverses Verhältnis zueinander. Wie sich zeigte, sollte die im Chorgestühl hergestellte Inversion von Parergon und Ergon für das gesamte ästhetische Konzept Zwiefaltens wegweisend werden.1015 Wie oben erwähnt, nimmt das Chorgestühl von Zwiefalten [Abb. 335, 336 und 325] in der Entwicklung dieser Gattung eine zentrale Rolle ein. Das zweireihige Chorgestühl mit insgesamt 68 Sitzplätzen fasst in der hinteren Reihe je zwei Stallen zu einem Dorsalfeld mit je einem vergoldeten Relief zusammen. Schon der gesamte Ausbau des Chorgestühls ist bemerkenswert. Das an den West- und Ostabschlüssen einschwingende Chorgestühl stellt sich mit Chorgitter und Hochaltar in Einklang und schließt so den Chorraum zu einer Einheit [Abb. 337, 338]. Auch in formaler Hinsicht bilden das Chorgestühl und die übrigen Ausstattungsstücke des Mönchschores also eine Einheit.1016 Verwandtschaften ergeben sich überall. Die geschwungenen Ornamentaufsätze des Chorgestühls

15 Chorraum: Tägliches Martyrium (1744–1755)

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337 Johann Joseph Christian: Übergang vom Chorgestühl zu den Nebenportalen des Hochaltars (NvdM)

338 Johann Joseph Christian: Übergang vom Chorgestühl zu den Seitentüren des Chorgitters, mit Abtstuhl (Mitte) (NvdM)

1017 Vgl. hierzu auch HOSCH 1992, S. 88: „Nach einem unbekannten Akkord um 1744/45 lieferte Feuchtmayer mit seinen Stukkaturen ab 1747 die Vorgaben für die [oder einige Partien der (?), NvdM] Malereien Spieglers [...].“

(Christian), der gemalte Chor des Mönchschorfreskos (Spiegler) und der das Fresko umrankende Stuck (Feichtmayr) sprechen mit überraschender Präzision eine gemeinsame Sprache [Abb. 339].1017 In kaum einem anderen Werk interpretierten Bildhauer und Schnitzer das Nussbaumholz so dezidiert als biegsames, dem Stuck anverwandeltes Material. Nirgends sind harte oder kantige Formen anzutreffen. Die über den Dorsalen wogenden Rocaillen lassen die Wand zum Grund werden und bilden gemeinsam mit dem Gestühl wiederum den Rahmen für den elfteiligen Marienzyklus. Ist das Chorgestühl selbst als eingefalteter Raum der Architektur zu verstehen [vgl. Kap. 5], so besteht dieser wiederum aus weiteren Faltungen, die sich zu Gebälk und Gestühl in eine nächsttiefere Ebene der Reliefs fortsetzen und in diesen

15 Chorraum: Tägliches Martyrium (1744–1755)

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339 Ornamentverwandtschaft zwischen Chorgestühl (o. links), Chorfresko (o. rechts) und Stuck am Chorfresko (links) (NvdM)

Reliefs überaus tiefenräumliche Landschafts- und Architekturprospekte entfalten. Jedes dieser Reliefs ist durch das dunkle Nussbaumholz parergonal gerahmt; kaum ein Relief verzichtet jedoch darauf, durch Architekturen,Wolkenformationen und Vorhänge den jeweiligen Szenerien noch einmal eine weitere Rahmung zu verschaffen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass im Chorgestühl von Zwiefalten Ergon und Parergon in einem inversen Verhältnis zueinander stehen. Nicht die Rahmungen aus Reliefs, Dorsalen und Gebälk sind der Funktion des Sitzens untergeordnet, sondern die Funktion des Sitzens dient zur Entfaltung einer iterativen Rahmung. Für das Bewegungsverhalten hat diese Umkehrung Konsequenzen, da sich die Reliefs nicht im Sitzen, sondern im ambulativen Entlangschreiten erschließen. Umgekehrt dürften die Rocaillen und das lebhafte Gebälk über den Dorsalen im besetzten Chorgestühl eine eigene Intensität besessen haben. Während des gemeinsamen Gebetes besitzt das Chorgestühl den Charakter eines Kollektivierungsmöbels, das (wie der Esstisch) das Gemeinschaftliche des Tuns hervorhebt. Es ist dann Rahmenwerk einer Kollektivhandlung, das die Gemeinschaft gegenüber dem Einzelnen betont. Allein der Abt ist aus diesem Kollektiv durch einen separaten, in die Mitte genommenen Sitz herausgenommen und über den Konvent erhoben.

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340 Johann Joseph Christian: Mariä Geburt, erstes Relief des nördlichen Chorgestühls, Lindenholz, vergoldet, um 1750 (NvdM)

1018 Vgl. WEISS 1998, S. 93, 123.

Wie schon Ulrike Weiß bemerkte, zeichnen sich Christians Zwiefalter Reliefs durch eine stark am Bild orientierte Anschaulichkeit aus, in der raumtiefe Architektur- und Landschaftsräume genrehafte Szenerien entfalten. Überdies verdoppelt Christian in nahezu allen Reliefs die reale Nussbaumrahmung durch fiktive szenische Rahmen aus Felsen, Pfeilern,Vorhängen, Wolkengebilden oder Bäumen.101 Der reale Rahmen, so lässt sich hier folgern, ist einer der Darstellungsbedingungen, der fiktive einer des Darstellungsinhalts. Beide profitieren voneinander und erzeugen einen ästhetischen Effekt, der den realen Rahmen selbst zur Fiktion, zum Fensterrahmen werden lässt [Abb. 340, 341]. Der Betrachter blickt einmal hinaus in die Gasse einer Stadt, einmal hinein in die Intimität

15 Chorraum: Tägliches Martyrium (1744–1755)

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341 Johann Joseph Christian: Heimsuchung, drittes Relief des südlichen Chorgestühls, Lindenholz, vergoldet, um 1750 (NvdM)

eines Wohnraumes.Was Derrida als die „Randstärke“ des Parergons bezeichnete [vgl. Kap. 8], bedingt hier die Blickeinstellung. Insgesamt führen die 21 Reliefs mit marianischen Themen dem Konvent das Ideal christlicher Imitatio vor Augen. Mit der Marienverehrung Zwiefaltens steht dies in engster Verbindung. Die Reliefs entfalten eine springende, narrativ auf den Hochaltar zulaufende Erzählung. Die Folge der Reliefs ist im Einzelnen [Abb. 325]:1019 1. Zwiefalten unterstellt sich dem Schutz Mariens (Abtstuhl); 1a. Immaculata; 1b. Mariä Geburt; 2a. Mariä Tempelgang; 1020 2b. Vermählung Mariens;1021 3a. Verkündigung;1022 3b. Heimsuchung1023; 4a. Geburt Christi;1024 4b. Anbetung der Könige;1025 5a. Reinigung Mariä; 1026 5b. Flucht nach Ägypten;1027 6a. Auffindung Jesu im Tempel;1028 6b. Abschied Jesu von Maria; 1029 7a. Begegnung am Kreuzweg; 1030 7b. Maria unter dem Kreuz; 1031 8a. Beweinung;1032 8b. Christus1033 erscheint Maria;1034 9a. Christi Himmelfahrt; 1035 9b. Pfingstwunder; 1035 10a. Tod Mariens; 1036 10b. Aufnahme Mariens in den Himmel.1037 Was sich auf den ersten Blick als lineare Erzählung mit Anfang und Ende zu entwickeln scheint, besitzt den Charakter eines den Raum erschließenden Zyk-

1019 Christoph Bauer hat 1991 eine umfangreiche Magisterarbeit zur Ikonografie und Ikonologie des Chorgestühls vorgelegt. Da die Arbeit bis jetzt unpubliziert ist und der Autor sie freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, seien einige Resultate zu den einzelnen Reliefs hier sehr kompakt resümiert. Eine Betrachtung der Reliefs I, Ia und Ib folgt im Haupttext. 1020 BAUER 1991, S. 117, 119, spricht in diesem Zusammenhang von der Opferung Mariens (im Sinne einer Selbstopferung), um die Bedeutung des Ereignisses innerhalb des Heilsplans zu betonen. Das Relief stellt das Motiv des Emporsteigens, wie es sich beispielsweise bei Tizian findet, nicht in den Vordergrund. Wie bewusst dieses Abrücken dem Bildhauer selbst war, scheint indessen nicht eindeutig beantwortbar. Möglicherweise resultiert die Flachtreppe auch aus der Schwierigkeit der Meisterung der Perspektive. Vor allem der zum Himmel gerichtete Blick von Joachim und Anna scheint den heilsgeschichtlichen Zusammenhang zu betonen. Nicht ohne die Architektur barock zu adaptieren, folgt Christian im Kulissenaufbau der Tradition. Die spiegelbildliche Umkehrung erklärt sich aus dem narrativen Verlauf des Zyklus. 1021 BAUER 1991, S. 124, wertet die Szene aus Gründen des dem Zyklus zugrunde liegenden Immaculata-Motivs als Verlöbnis. Insbesondere wird auch der aktive Mitvollzug der Vermählung durch Maria betont (ebd., S. 126). 1022 Bemerkenswert ist die Angleichung der Hauskulisse an die Santa Casa – eine Beobachtung, die sich sowohl in unsere Analyse des Langhausfreskos wie in den Zwiefalter Loretokult seit Abt Christoph Raßler einfügt. BAUER 1991, S. 136–139. 1023 Im Gegensatz zu früheren Interpretationen (SCHURR 1910, S. 154: Maria und Joseph in Bethlehem; FIECHTER 1926, S. 158: Ankunft in Bethlehem; SCHÖMIG 2000, S. 34: Herbergssuche) wurde das Relief mit überzeugenden Argumenten als Heimsuchung Mariens verstanden. BAUER 1991, S. 140–143. 1024 Im Kontext des Reliefs wurde auf die spätmittelalterlichen Vorbilder und auf den Umstand, dass hier neben Maria auch dem Jesuskind gehuldigt wird, hingewiesen. „Maria ist weder in Anbetung des Kindes begriffen,

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noch präsentiert sie ihr Kind [...], um den Hirten den Anblick zu ermöglichen.“ BAUER 1991, S. 152, 148 f. 1025 Auffällig ist hier die Umgestaltung des Stalles als Ruine – ein Hinweis auf das „Vergehen des Alten Bundes“ (BAUER 1991, S. 156), der sich im Übrigen schon bei Konrad Witz (Petrusaltar) und Hans Holbein d. J. (Oberriedaltar) findet. Das Relief ist innerhalb des Zyklus das am wenigsten auf Maria bezogene (ebd., S. 160). 1026 Auch hier erfolgte eine auf die Gesamtthematik bezogene Präzisierung des Titels (BAUER 1991, S. 161–170). 1027 Dieses Dorsalrelief wurde in Verbindung mit dem Josefskult des 18. Jahrhunderts gesehen (BAUER 1991, S. 173–179), was anders als beim Altarpatrozinium der Josefskapelle jedoch nicht zwingend scheint. 1028 Das Relief wurde bislang als „Zwölfjähriger Jesus im Tempel“ gedeutet (SCHURR 1910, S. 154; MICHALSKI 1927, S. 34; HUBER 1960, S. 78; SCHÖMIG 2000, S. 34). Vor allem steht hier die Funktion Marias als Mittlerin zu Christus im Zentrum (BAUER 1991, S. 186). 1029 Das Thema wird zum Begegnungstypus einer Heimsuchung erweitert, um die „Auszeichnung Mariens durch Christus deutlich zu machen“ (BAUER 1991, S. 193). 1030 Maria tritt als Identifikationsfigur für den Betrachter auf, was allerdings die Wechselbeziehung zwischen passio und compassio in meinen Augen nicht auszuschließen scheint; vgl. BAUER 1991, S. 201. 1031 Die Deutung des Berges als Verweis auf Maria als Opfertisch (vgl. BAUER 1991, S. 210) scheint ikonografisch zu weit gegriffen. 1032 Bei der Restaurierung in den 1980er-Jahren wurde in der Höhle an der Leuchterampel die Signatur Johann Joseph Christians gefunden (Mitteilung des Restaurators Hans-Dieter Ingenhoff, siehe BAUER 1991, S. 226). 1033 Das Thema ergibt sich nicht aus der Bibel, es wird hier eingesetzt, um den Anteil Mariens am Heilsereignis (Einblick in die Geheimnisse der Menschwerdung) deutlich zu machen (BAUER 1991, S. 243). 1034 Die Zwiefalter Darstellung folgt in vielen Punkten der zeitgenössischen und tradierten Typentradition. Dass sie mit einer „Übertragung unumschränkter Herrscherund Richtergewalt durch Gottvater über die übliche Erhöhung Christi“ hinausgehe, lässt sich aus dem Relief nicht bruchlos ableiten (vgl. BAUER 1991, S. 252–255). 1035 Ein Stich von Theodor Galle (nach Vorlage von Rubens, im Rückgriff auf Tizian) dürfte dem Relief als Vorlage gedient haben. Maria kommt innerhalb der Gemeinschaft

lus.1038 Die Reliefs 1b, 2a/b und 3a/b [vgl. Abb. 325] folgen zunächst dem Marienleben; schon hier aber verschränkt die springende Narration Nord- und Südwand raumübergreifend miteinander.Von 4a an und bis zum Relief 9b sind die Vita Christi und die Vita Mariae fugenartig ineinandergeschoben. Der Einschub von Geburt und Tod Christi in das Leben Mariens unterstreicht nicht nur deren Bedeutung als Heilsvermittlerin, die Erzählung gewinnt hierdurch auch an Komplexität.Während die Kapellen die Passion (Beichtstuhlrückwände) und das Marienleben (Kapellenfresken) separat zu je acht Sequenzen ausbreiten, schieben die Dorsalreliefs beide Sequenzen mit einer marianischen Erzählhaltung ineinander. Der Abschluss 10a/b (Tod/Himmelsaufnahme Mariens) erweist sich dann wiederum als eine Konzentration auf die Marienthematik. Einer analogen Verdichtung, aber über die engere Marienvita herausgehoben, folgen die drei den Zyklus als Exposition vorangestellten Reliefs am westlichen Abschluss (1, 1a/b) mit den Themen Zwiefalten unterstellt sich dem Schutz Mariens (1/Abtstuhl), Die Erdteile huldigen der Immaculata (1a) und Mariä Geburt (1b/Patrozinium). Der Umstand, dass diese drei Auftaktbilder aufgrund ihrer theologischen Dichte dem linearen Erzählverlauf übergeordnet sind, mit Mariä Geburt zugleich aber am Anfang der Vita stehen, eröffnet die Möglichkeit einer zyklischen Lektüre, in der Tod und Himmelsaufnahme (beide am Ende) mit Geburt und Immaculata einen narrativen Ringschluss bilden. Aber nicht allein die innerbildlichen Räume in den Dorsalreliefs entfalten die Sehfolge; dem Chorgestühl selbst kommt als durchlaufendem Rahmenwerk die Bedeutung eines Chronotopos zu. Das Rahmenwerk dient den einzelnen Erzählsequenzen als durchlaufendes Kontinuum. An den gekurvten Abschlüssen der Reliefs und an den rocailleverzierten Rahmenecken (beide oben an den Reliefs) springen die Reliefs in das verkröpfte Wellengesims und in die durchbrochenen Rocailleaufsätze der Dorsale über. Auf diesem Weg wird das Erzählmotiv in ein Bewegungsmotiv überführt, das sich zum gesamten Chorraum hin öffnet: „Dargestellter Raum“ (in den Reliefs) und „Raum der Darstellung“ (Chorraum) wirken wechselseitig aufeinander ein. Das beschriebene thematische Überspringen des Dorsalreliefzyklus auf den Chorraum betrifft vor allem den Hochaltar, in dem die Fäden formal wie theologisch zusammenlaufen. Da den drei Auftaktbildern hierbei eine Sonderstellung zukommt, seien ihre Motive hier kurz resümiert. Das glockenförmige Relief des Abtstuhls (I) mit dem Motiv Zwiefalten unterstellt sich dem Schutz Mariens [Abb. 342, 325] fasst die später entstandenen Fresken der Vorhalle (Schutz Zwiefaltens durch Maria) wie der Kuppel (Krönung Mariens) in einer Darstellung zusammen und lässt diese sich wiederum im Gründungsakt (Rückwandbilder der Grottenbeichtstühle) und im aktuellen Geschehen des barocken Kirchenneubaus spiegeln: Memoria, Heilsgeschichte und Gegenwartsbezug sind die drei Zeitebenen, unter denen das Abtstuhlrelief zu betrachten ist: Gezeigt werden 27 kniende Mönche, die in dem eingefriedeten Bezirk eines Tals inmitten einer Hügellandschaft zur himmlischen Marienerscheinung aufblicken. Umgeben von Engelsputten, schaut Maria mit weit ausgebreitetem Gewand auf

15 Chorraum: Tägliches Martyrium (1744–1755)

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342 Johann Joseph Christian: Zwiefalten unter dem Schutz Mariens, Relief hinter dem Abtstuhl, Lindenholz, vergoldet, um 1750 (NvdM)

den Konvent herab. Ein unterhalb der Gottesmutter platzierter Engel trägt ein Modell des barocken Gotteshauses von Zwiefalten in den Händen, während unter ihm drei kleinere Engel dem Betrachter das Zwiefalter Wappen vor Augen führen. Die Einteilung des Reliefs in eine himmlische und eine irdische Zone ist nicht zuletzt an der Bearbeitung des vergoldeten Lindenholzes ablesbar. Während der untere Teil weitgehend als Flachrelief ausgeführt ist und – abgesehen von dem vorderen Figurenpaar – die Mönchsgemeinschaft in den Mittelgrund stellt, geht die Partie oberhalb der Hügellandschaft in eine erhabene himmlische Figurengruppe über. Das Motiv der Schutzmantelmadonna verbindet sich hier mit dem zeitlich aktualisierten Stifterbildnis.1039 Wenn in diesem Zusammenhang an Christians zeitgleiche Umarbeitung der Zwiefalter Schutzmantelmadonna in eine Imago Thaumaturga erinnert wird [vgl. Kap. 7.4 und 7.5], so möge dieser Hinweis genügen, um die Beziehung zwischen dem Zwiefalter Gnadenbild und dem Abtstuhlrelief anzuzeigen, die Rücken an Rücken zueinander stehen und damit ein wichtiges Scharnier im Kirchenraum bilden. Nicht die aus Hirsau nach Zwiefalten gereisten Gründungsmönche (vgl. Grottenbeichtstuhl), nicht der romanische Gründungsbau ist im Dorsalrelief dargestellt, sondern eine sorgfältige

(„Urgemeinde“) ein Ehrenplatz zu, vgl. BAUER 1991, S. 258, 266. 1036 Abweichend von der spätmittelalterlichen Tradition liegen die Betonung der himmlischen Erscheinungen und die Abkehr von den Exequien der Apostel in der Linie der Darstellungspraxis des 18. Jahrhunderts. Maria sieht den Himmel offen, wobei der Strahlenkranz auf das Purissmia-Motiv hindeutet, BAUER 1991, S. 275–277. 1037 Wie in vielen Darstellungen des 17. und 18. Jahrhunderts wird der Gnadenakt der Himmelsaufnahme betont, sodass sie nicht als Himmelfahrt zu verstehen ist. Das Relief verzichtet auf die Angleichung der Darstellung der Himmelsaufnahme an den Immaculatatypus (BAUER 1991, S. 290). 1038 Zur Unterscheidung von Serie und Zyklus vgl. BOEHM 1988, S. 17–24. 1039 BAUER 1991, S. 296 f.

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343 Johann Joseph Christian: Maria präsentiert den Mönchen Zwiefaltens den barocken Neubau, Detail aus: Zwiefalten unter dem Schutz Mariens, Relief hinter dem Abtstuhl, Lindenholz, vergoldet, um 1750 (NvdM)

1040 Das Relief ist also nach dem Modell des Kirchenbaus entstanden, vgl. DISCHINGER 1997. Man wird nicht nur von dieser Darstellung, sondern auch von dem Relief Mariä Geburt an die Santa-Casa-Darstellung bei Gumppenberg und jene in Hergiswald erinnert [vgl. Kap. 7.7]. 1041 Hierzu zuerst: HOLZHERR 1887, S. 169; eingehend: BAUER 1991, S. 298. 1042 Vgl. zu Franz Sales Zehetner LINDNER 1910, S. 69, Nr. 1488; VAN DER MEULEN 2002, S. 415.

Nachbildung des zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellten barocken Kirchenbaus [Abb. 343] inmitten des Bauherrn Abt Benedikt Mauz und seines Konvents.1040 Vergleicht man den im Relief auf einem Polster mit Quasten knienden Abt mit einem Porträt von Mauz, so zeigt sich, dass auch das Relief Mauz darstellt [Abb. 006].1041 Bei der ihm gegenüber knienden Figur dürfte es sich dann um den Prior Franz Sales Zehetner handeln.1042 Während Johann Joseph Christian am Gnadenbild den mittelalterlichen Schutzmantel entfernt hatte, klingt im Dorsalrelief des Abtstuhls das mit juristischen Aspekten verbundene Motiv des Schutzes wieder an. Bei einem Vergleich des Reliefs mit den Beichtstuhlbildern fällt nicht nur die Parallelisierung von legendarischer Klostergründung und Kirchenneubau als allegorischem zweitem Gründungsakt auf, sondern auch die hiermit verbundene Memoria an die Gründungsmönche um Wilhelm von Hirsau, an dessen Stelle im Relief Benedikt Mauz tritt. Maria (und später ihr Gnadenbild) übernahm seit der Gründung die Rolle einer Mutter von Kloster und Konvent. Dieses Herzstück des klösterlichen Selbstverständnisses wurde auch von den Predigern der sechsten und siebten ­Säkularfeier mehrfach ausgeschmückt, so etwa von Joseph Kugler aus dem Kloster Ochsenhausen: „Gewiß, dieß schöne Gnadenbild ist Zeuge ihrer Verehrung, und Sie Zeugen der vielfältigen Hilfe in jeder Not. Die Andacht, die Liebe, die Herzenslust gegen die heilige Maria von Zwiefalten, so nannte man sie immer, hat sie sich nicht bis auf unsere Zeiten ausgegossen? Wetteifern nicht noch heute

15 Chorraum: Tägliches Martyrium (1744–1755)

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344 Johann Joseph Christian: Immaculata, erstes Relief des südlichen Chorgestühls, Lindenholz, vergoldet, um 1750 (NvdM)

die Väter Zwifaltens um die Liebe dieser gebenedeitesten Mutter?“1043 Mutterschaft und Schutzgewährung sind zwei Seiten derselben Medaille; um beides zu gewährleisten, war der Konvent seit seinen Anfängen zur Verehrung und Imitatio Mariae und ihrer Tugenden aufgerufen. Umgeben von einem Sternenkranz präsentiert sich die Gottesmutter im zweiten Relief (1a), welches südlich auf das Abtstuhlrelief folgt [Abb. 344]. Zu Recht wurde betont, dass es sich hier (entgegen früheren Charakterisierungen) um eine Immaculata handelt, der von den Erdteilen gehuldigt wird.1044 Oben bevölkert eine Engelsgruppe mit Attributen die himmlische Sphäre.1045 In ihrer Mitte thront Maria auf der Weltkugel mit einer gewundenen Schlange, während

1043 JUBELFEIER 1789, S. 63 f. 1044 Vgl. BAUER 1991, S. 76–105; vgl. auch HUBER 1960, S. 78. 1045 Symbole aus der Vulgata für die sog. tota pulchra: Spiegel ohne Makel (speculum sine macula), Rosenkranz (sacratissima rosaria), Lilie (lilium inter spinas), Halbmond (pulchra ut luna), Meeresstern (stella maris), Sonne (electa ut sol) und Vlies (vellus Gedonis), vgl. LECHNER 1994, Sp. 528; BAUER 1990, S. 95.

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345 Franz Joseph Spiegler: Verherrlichung der Immaculata mit ihren Eltern Anna und Joachim und durch die vier Erdteile, Öl auf Leinwand, 1742, ca. 425 x 210 cm, katholische Pfarrkirche St. Urban (ehem. Priorat des Benediktinerklosters Ochsenhausen), rechtes Seitenaltarbild (NEUBERT 2007)

1046 Für Bad Buchau lieferte Christian 1775 eine Darstellung (bei HUBER 1960, S. 88, als Maria vom Siege erwähnt). Christians monumentale Immaculata (1753) für die Fassade datiert auf rund ein Jahr nach Fertigstellung des Chorgestühls [vgl. Kap 2.4]. 1047 Vgl. KOLB 1991, S. 376, Nr. 82. 1048 Vgl. KATALOG 1981, Bd. 1, S. 117, Nr. 83. 1049 Auf die Schwierigkeiten bei der Meisterung der perspektivischen Darstellung hat BAUER 1991, S. 111, hingewiesen. 1050 Zusammengefasst bei BAUER 1991, S. 108 f.

von oben der Heilige Geist einen Gnadenstrahl herabsendet. In der unteren, irdischen Sphäre blicken die Allegorien der Erdteile (links Europa und außen Asien, rechts Afrika und außen Amerika) zur Gottesmutter hinauf. Nach dem Abtrelief ist das Relief der Immaculata-Huldigung das wichtigste im gesamten Zyklus. Anders als die übrigen, mehr erzählenden Darstellungen kann dieses Relief als theologische Zuspitzung des Reliefzyklus angesehen werden. Ob Christian zu diesem Zeitpunkt schon mit der komplexen Immaculatathematik völlig vertraut war, darf bezweifelt werden.1046 Möglicherweise holte sich der Bildhauer hier Informationen beim Auftraggeber oder bei Spiegler, mit dem er befreundet war und der schon 1737 an Bad Schussenried ein Immaculata-Blatt geliefert hatte und ungefähr zeitgleich das Zwiefalter Hochaltarblatt (1753) mit analoger Thematik entwarf.1047 1742, also kurz vor Christians Konzeption des Chorgestühls, arbeitete Spiegler zudem an einem gleichnamigen Altarblatt für die Pfarrkirche von Reinstetten bei Ochsenhausen mit ähnlichem Bildaufbau [Abb. 345].1048 Das Thema der reinen Mutterschaft Mariens (Abt­ relief) ist in dem Immaculata-Relief universalisiert und auf den gesamten Erdkreis bezogen. Das nördliche Auftaktrelief der Geburt Mariens (1b) geht phasenlogisch aus dem Abtrelief (1) hervor, denn das Aufrufen des klösterlichen Gründungsaktes am Tag des Festes Mariä Geburt (8. September) zieht die Darstellung des gefeierten Ereignisses schon auf assoziativer Ebene nach sich. Das Relief führt den Betrachter über einen proszeniumartigen, zweiteiligen Innenraum, der (wie auch im Verkündigungsrelief) Anklänge an die Loretokapelle enthält. Ein beiseitegezogener Bühnenvorhang und ein verschlungenes Wolkenband betonen die Wichtigkeit des Ereignisses für die Welt- und Heilsgeschichte. Im hinteren Raumteil findet sich Anna im Wochenbett, während im vorderen Teil drei Frauen damit beschäftigt sind, das Marienkind zu baden.1049 Das kontinuierliche Band aus Vorhang und Wolke bildet das zentrale Motiv der Verschmelzung von himmlischer und irdischer Sphäre. Unter der Leitung eines kleinen Dirigentenputto kommentiert ein himmlisches Orchester aus Engeln und Putti mit Triangel,Traversflöte, Laute, Oboen und Fanfaren das für Zwiefalten wichtigste Ereignis des Kirchenjahres. Dabei ist zu betonen, dass der Eintritt Mariens in die Welt auch am Anfang der Menschwerdung Christi steht. Die früh- und spätmittelalterliche Mariologie hob Mariens Bedeutung als „lebendige Pforte“ hervor, durch die Christus in die Welt treten konnte.1050 Die besonderen Bedingungen der Geburt Marias sind implizit im gegenüberliegenden Relief (Immaculata) enthalten. Das Chorgestühl von Zwiefalten wäre lückenhaft beschrieben ohne den Hochaltar und damit den Zielpunkt, auf welchen die Mönche ausgerichtet werden sollen. Das Marienmotiv des Zyklus, das die Mittler- und Mutterschaft Mariens aus noch darzustellenden Gründen mit dem Gedanken ihrer höchsten Reinheit (Purissima, „ohne Erbsünde empfangen“) versieht, formuliert einen Aufruf zur bedingungslosen Nachfolge, die im Mönchschorfresko unter die Bedingung eines kollektiven Martyriums gestellt ist. Dieses exzeptionelle Martyrium bildet die Folie für eine Gebetsaskese, die sich als tägliche Vorbereitung auf den Tod begreift. Wie das Chorgestühl die Motive des Langhauses aufnimmt

15 Chorraum: Tägliches Martyrium (1744–1755)

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(Marienleben, Gründung, marianischer Schutz), sie vom Volksraum separiert und in einem dichten Bildzyklus komprimiert, so stellt der Hochalter eine weitere Verdichtung der Chorgestühlthematik dar. Die zugleich trennende wie verbindende Gelenkstelle zwischen dem geschlossenen Chorraum der Mönche und dem offenen Langhausraum der Wallfahrer ist durch eine thematische Achse gegeben, die aus den vier Motiven Die Erdteile huldigen der Immaculata (Chorgestühl), Maria als schützende Gründerin und Stifterin Zwiefaltens (Abtstuhl), dem Gnadenbild von Zwiefalten (Imago Thaumaturga) und der Darstellung von Mariä Geburt (Chorgestühl) gebildet ist. Obgleich die ikonische Gesamtkonstellation nicht ohne ihre theologischen Grundmotive lesbar ist, realisiert sich der Lesefluss nicht über einen autonomen „Bilderbau“.1051 In Zwiefalten ist es das parergonale Dazwischen, das die Konstellation von Bildern erst zu einem Gefüge vereint.Vermöge der Öffnung der einzelnen Bilder durch ein dynamisches Rahmenwerk sind die Bilder in die Situation des handelnden Betrachters oder Akteurs hineinge stellt und die Grenzlinien von Repräsentation und Präsenz verschliffen. Im Innenraum von Zwiefalten misst sich die ästhetische Präsenz im Verhältnis 1 : 1 mit seiner heilsgeschichtlichen Repräsentation.

15.3 Hochaltar: Maternitas B. V. secundum Matthaeum (1753/66) Im Hochaltar von Zwiefalten laufen die thematischen Fäden des Chorraumes zusammen [Abb. 346]. Allerdings scheint die Pointe weniger im Altarblatt selbst als in dessen parergonalem Beiwerk, den Stuckfiguren, zu liegen, die zusammen mit der Architektur um das Altarbild herum einen Deutungskontext herstellen. Diese Deutung (Parergon) des Gedeuteten (Ergon) ist aber selbst Teil des Werkes, wenn nicht gar sein eigentlicher Inhalt. Das Altarbild ist aus mehrfachen Brüchen komponiert: aus einer subordinierten chaotischen Anhäufung von Figuren und einer koordinierten Zickzack-Konstellation darüber, aus einer dunklen, erdigen Sphäre unten und einer ihr entgegengesetzten lichthaltigen Mandorla oben, schließlich aus einem Blitz, der vom Jesuskind im Mutterleib aus vorbei an der rechten unteren Figur vorbeiführt und in den Niederungen des Bildes endet. Für die Chronologie des Hochaltars ergibt sich etwa folgender Hergang: Wohl um 1744/45, eher 1744 oder sogar schon 1743, fertigte Johann Baptist Straub mindestens drei Vorentwürfe für den Hochaltar von Zwiefalten an [Abb. 347–349]. Schon die erste Skizze [Abb. 350] enthält mit den konzipierten Stuckfiguren (vielleicht König David oder Jesaja und unten Hohepriester sowie rechts der Evangelist Matthäus und Joseph) die für Zwiefalten wichtigen typologischen Konstellationen, ohne dass diese bereits präzisiert wären. Dass schon hier eine Marienthematik (wohl eine Darstellung von Mariä Geburt) vorgesehen war, ist wahrscheinlich und zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt die erste Konzeptidee einer Darstellung des hl. Bonitus für den Hochaltar wohl bereits überholt (oder noch gar nicht erwogen worden) war.1052 Im zweiten Entwurf [Abb. 348] ver-

1051 Vgl. GANZ 2003, etwa S. 10. 1052 Vgl. Konzeptfragmente CH I: „Das Altarblath, wan es anderst der Raum leidet, stellet vor Transfigurationem Domini S. Bonitus in habitu Monastico stehet vor dem Altar gleichsam als wolte er das Humeral anzichen. Die Engel seind beschäftiget ihme die andere Priesterliche Kleider darzubiethen.“ Die in Straubs Vorentwurf dargestellten Begleitfiguren aus Stuck würden zu dieser Thematik allerdings nicht ganz passen. Das Konzeptfragment AL I, das eine Liste für das gesamte Altarprogramm enthält und um 1747/48, jedenfalls noch vor der definitiven Vergabe des Auftrages für das Hochaltarblatt an Spiegler (1749) entstand, nennt das Thema das Altarblattes: „Maternitas B. V. 2dum Matthaeum“, was auch schon zu Straubs Entwurf gut passen würde.

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346 Johann Michael Feichtmayr/Johann Joseph Christian/Franz Joseph Spiegler: Hochaltar Zwiefalten, 1745–1753/66 (NvdM)

1053 KATALOG 1985, S. 148, mit abweichenden Überlegungen zu den Figuren. – Die hier erwogenen Identifikationen erfolgten im Hinblick auf die realisierte Lösung. Es könnte sich freilich auch um bewusst vage gehaltene Figuren handeln, da das Thema vielleicht noch gar nicht feststand.

einfachte Straub den Altarauszug, indem er auf die Bekrönung verzichtete. Zudem vertauschte er die Stellung der Stuckfiguren (möglicherweise Hohepriester links oben, Matthäus rechts unten, Joseph oder Mensch rechts oben, König David links unten). Die lavierte und aquarellierte letzte Fassung [Abb. 349] bringt die Stuckfigur des Engels ins Spiel, möglicherweise mit Blick auf eine Attributierung des Evangelisten Matthäus, wie es sich dann im realisierten Hochaltarblatt findet (hier dann eventuell: Jesaja/Hohepriester rechts unten, König David links unten, Matthäus mit Engel rechts oben)1053 Der Altar selbst nimmt allem Anschein nach (mit einer Darstellung der Auffindung des Kreuzes im Tabernakel) auf das Kreuz-

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347 Johann Baptist Straub: Entwurf für den Hochaltar Zwiefalten, um 1744/45 (eher 1744), Feder in Braun über Stiftvorzeichnung, 74,4 x 44,7 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 15297 (U. Edelmann – Städel Museum – ARTOTHEK)

partikel aus dem Zwiefalter Reliquienbestand Bezug. Eine vierte, in jüngerer Zeit bekannt gewordene Skizze aus dem Neuen Stadtmuseum Landsberg am Lech ist mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls der Entwurfsphase des Hochaltars von Zwiefalten zuzuweisen [Abb. 350]. Bei diesem Entwurf aus der Hand Johann Michael Feuchtmayrs ging es offensichtlich nicht um das ikonografische oder typologische Programm, sondern um Strukturangaben des Stucks. Auch wenn insbesondere die Säulenstellung noch einmal Abweichungen zur fina-

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348 Johann Baptist Straub: Entwurf für den Hochaltar Zwiefalten, um 1744/45 (eher 1744), Feder in Schwarz über Stiftvorzeichnung , 73,5 x 44,1 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 15298 (STÄDEL, GRAPHISCHE SAMMLUNG)

1054 HINTERSTOCKER 2009, S. 22, ordnet den Entwurf vage Münsterschwarzach, Ottobeuren, Zwiefalten oder einem anderen Großprojekt zu. MAIER 2012, S. 128 f. und 91 f., hält eine Zuschreibung des Entwurfs nach Zwiefalten für möglich, aber nicht für sicher.

len Fassung aufweist, zeigen sich doch hinsichtlich des Kolorits, der Anlage der Durchgangsportale, des Verhältnisses von Tabernakel, Mensa und Altar, des dreistufigen Antritts, schließlich auch hinsichtlich des ornamentalen Gesamtcharakters ausgeprägte Parallelen. Bei dem Entwurf Feichtmayrs würde es sich dann um ein Bindeglied zwischen den Entwürfen Straubs und dem realisierten Hochaltar handeln, womit eine Datierung des Entwurfs um 1745/46 anzunehmen ist. 1054

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349 Johann Baptist Straub: Entwurf für den Hochaltar Zwiefalten, um 1744/45 (eher 1744), Feder in Grau, grau laviert, leicht grün und mattrot aquarelliert, gerändert, 73,0 x 46,0 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 15299 (U. Edelmann – Städel Museum – ARTOTHEK)

Wie oben erwähnt, begann Christian im August 1744 mit dem Chorgestühl; wohl ab 1745 wohnte er in Zwiefalten [vgl. Kap. 15.2]. Möglicherweise rechnete sich der Bildhauer eine Beteiligung am Hochaltar aus, wenn die Entscheidung zugunsten von Feichtmayr und Christian nicht sogar schon längst gefallen war. Mit der Aufmauerung des Hochaltares wurde laut Baumann 1748 begonnen. Spätestens um 1747, also das Jahr, in dem Feichtmayr und Christian vom Chronisten das erste Mal erwähnt werden, wird sich entschieden haben, wer den Zuschlag für den Hochaltar erhalten sollte (die Konstellation war wahrscheinlich

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350 Johann Michael Feichtmayr: Entwurf zum Hochaltar von Zwiefalten, 1745/46, Landsberg am Lech, Neues Stadtmuseum, Inv.-Nr. 197

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analog zu Ottobeuren: Feichtmayr erhielt den Hochaltar, Christian die größeren Stuckfiguren).1055 Auch Spiegler malte bereits 1747/48 im Presbyterium. Im Jahr 1749, also zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Kuppelfreskos, erhielt Spiegler dann den Zuschlag für das Hochaltarblatt. Bis auf die Plastiken und das Altarblatt war der Hochaltar 1752 fertiggestellt. Zum Zeitpunkt der Weihe im Oktober 1752 fehlte also noch das neue Hochaltarblatt. 1753 erfolgte dessen Lieferung, 1754 die der beiden Figuren aus Lindenholz mit Polimentfassung (Ecclesia und Synagoge) für die Nebenportale.1056 1754 schloss Feichtmayr den Hauptvertrag mit dem Reichsstift Ottobeuren ab und erschien zwei Jahre später auf der neuen Baustelle. Ende August 1755 begann Schreinermeister Hans Martin Hermann in Ottobeuren die Arbeiten am Chorgestühl. 1756 war auch Christian das ganze Jahr über in Ottebeuren tätig.1057 Christians übrige und wichtigste Figuren (der Evangelist Matthäus und der Engel) für den Zwiefalter Hochaltar lässt Baumann unerwähnt; höchstwahrscheinlich erfolgte ihre Lieferung erst nach 1767, also nach Christians Arbeiten für Ottobeuren. 1058 Spätestens mit der Freskierung des Presbyteriums (1747/48), eventuell etwas früher stand für den Auftraggeber fest, dass das zentrale Thema des Hochaltars nicht mehr dem hl. Bonitus von Clermont gelten sollte. Ein wohl um diese Zeit entstandenes Konzeptfragment zur Altaraufstellung gibt das genaue Thema des Hochaltars wie folgt an: „In Summa Ara Maternitas B. V. M. ex Matthaeum”.1059 Entgegen früheren Interpretationen bildet also die jungfräuliche Mutterschaft Mariens nach dem Matthäusevangelium das Grundthema des Hochaltars, allerdings mit allen drei in der Angabe enthaltenen Komponenten: Jungfräulichkeit, Mutterschaft, nach Matthäus. Weit ausgeprägter als die Querarmaltäre ruht der queroblonge Hochaltar auf einem breit gelagerten Fundament, über dem sich eine geschwungene, den Altar einrahmende Sockelzone erhebt. Die hoch aufragende, einer geöffneten Tholos entlehnte Säulenordnung1060 nimmt die Säulenstellung des Kirchenraumes auf, steigert sie aber mit je drei Säulen links und rechts, die sich um Altarblatt, Mensa und Presbyteriumsfresko legen. Das aufgesetzte Gebälk folgt dieser dynamischen Säulenstellung und schwingt sich in der Mitte zu einem gemalten Marienmonogramm auf [Abb. 346]. Schon früh wurde auf die Einmaligkeit der Zwiefalter Hochaltararchitektur hingewiesen. Sie beruht darauf, dass die Säulen nicht in einer oder in zwei parallelen Ebenen gestaffelt sind (wie im Früh- und Hochbarock), sondern zwei konkaven Kurvierungen folgen, die den Hochaltar in der Mitte einfalten und darin Altar und Altarbild bergen.1061 Dies macht in der Konsequenz den Hochaltar zu einer Einfaltung der Architektur. Kein anderes Ausstattungsstück in Zwiefalten wurde so dezidiert aus der Architektur (vor allem aus der Außenfassade, der Säulenordnung des Innenraumes und dem Ostabschluss) heraus entwickelt und hat sich zugleich vom Verbund mit der Wand gelöst. Allein die Nebenportale überbrücken die Distanz zwischen Architektur und Hochaltar. Beide gehen einen Dialog ein, zwischen denen die weißen Stuckfiguren – halb Wand, halb Altar – vermitteln. Die vom Eingang aus durch die Säulenstellung wie zentralperspektivisch auf den Hochaltar zulaufende Architektur besitzt eine hinweisende Funk-

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1055 DISCHINGER 2011, S. 181–186; PRUSINOVSKY 2007; PAULUS 1888, S. 180. 1056 Vgl. zu den Daten PAULUS 1888, S. 183– 186. Zusätzlich finden sich am Hochaltar, am Tabernakel und am Kreuzaltar je zwei Putti aus Holz mit Polierweißfassung. Anfängliche Vermutungen, es handle sich hierbei um Grundformen, die später variiert wurden, haben sich bei der Restauration der 1980er-Jahre nicht bestätigt. Vermutlich waren diese Figuren Christians zusammen mit den Nebenportalfiguren erste Belege seines Könnens für den Auftraggeber. Vgl. INGENHOFF 1982, S. 204. 1057 WEISS 1998, S. 104 f. 1058 Zwischen dem Engel des Zwiefalter und dem des Ottobeurer Hochaltares finden sich weitgehende Übereinstimmungen (vgl. HUBER 1960, Abb. 73). Auch hieraus lässt sich schließen, dass die definitive Vollendung des Hochaltars nicht vor 1765 und wohl erst mit Abschluss der Ottobeurer Ausstattungsarbeiten (1766/67) erfolgte. 1059 Vgl. Konzeptfragmente AL I (um 1747/48). Als infrage kommende Künstler werden zu diesem Zeitpunkt zwei Namen angegeben: Balthasar Augustin Albrecht (1687–1765) an erster Stelle und Franz Joseph Spiegler an zweiter Stelle. Albrechts Darstellung von Mariä Himmelfahrt (1738) für die eben (1739) erst fertiggestellte Kirche in Dießen könnte in Zwiefalten das Interesse für den Maler erregt haben. Im Übrigen arbeiteten Albrecht und Straub in Dießen zusammen, sodass sich möglicherweise mit der Absage an den einen Künstler auch die an den anderen verband. 1060 REUTER 2002, S. 165. 1061 ZÜRCHER 1967, S. 42.

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351 Johann Joseph Christian: Figur des Evangelisten Matthäus, um 1767, Hochaltar Zwiefalten (NvdM)

1062 So beschrieb DELEUZE 2000, S. 198, die Erscheinungsqualität der rechten, sich dem Bild zuneigende Figur des Matthäus: „Ein übernatürlicher Wind macht aus dem Mantel des Hieronymus [sic!] des Johann Joseph Christian in der Abteikirche von Zwiefalten ein schwelendes und gewundenes Band, das in der Bildung eines hohen Kamms hinter dem Heiligen ausläuft.“ 1063 Hochaltarbild, Öl auf Leinwand, 8,80 x 4,00 m, signiert: „Fr. Jos. Spiegler 1753“. Vgl. KOLB 1992, S. 456 f.

tion. Der Hochaltar relativiert die Vorrangstellung der Architektur gegenüber der Ausstattung, ja kehrt sie geradezu um, indem er der Architektur die Rolle eines rahmenden und hinweisenden Parergons zuweist. Die am Hochaltar angebrachten weißpolierten und ihrem Charakter nach transitorischen Stuckfiguren [Abb. 351] nehmen den deiktischen Charakter der Architektur auf und werden von einem „übernatürlichen Wind“ ergriffen.1062 Für das Bild selbst [Abb. 352–354] wurde (nach zahlreichen Deutungen) der Titel Josefs Traum vorgeschlagen.1063 Die einschlägige Stelle aus dem Matthäusevangelium (Mt 1,18–21) lautet: „Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef ver-

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352 Franz Joseph Spiegler: Mutterschaft Mariens (Maternitas B. V. M. secundum Matthaeum/Mutterschaft der seligen Jungfrau Maria nach Matthäus), 1753, Öl auf Leinwand, 8,80 x 4,00 m, signiert und datiert, Hochaltarbild Zwiefalten (NvdM)

lobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.“ Die zentrale Stelle des hier zitierten Textes, nämlich die Rede des Engels Gabriel, ist in dem geöffneten Buch zu lesen, welches die prominente Stuckfigur rechts des Altars in den Händen hält („Noli

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353 Franz Joseph Spiegler: Josephs Traum, um 1753, Öl auf Leinwand, 96,5 x 93,5 cm, nicht signiert, nicht datiert, Meran, Städtisches Museum (NEUBERT 2007) 354 Franz Joseph Spiegler: Josephs Traum, um 1753, Öl auf Leinwand, 97,5 x 93,5 cm, nicht signiert, nicht datiert, Frankfurt, Privatbesitz (NEUBERT 2007) 1064 SCHURR 1910, S. 161; HUBER 1960, S. 79, Abb. 44; ZÜRCHER 1967, Abb. 14. Vgl. auch NEUBERT 2007, S. 540: „Josephs Traum (Rat­ s­chluss der Erlösung)“. 1065 „... et pariet filium“/„Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären.“

timere accipere Mariam conjugem tuam; quod enim in ea natum est, de spiritu sancto est. Pariet autem filium et vocabis nomen eius Jesum.“ [Mt 1,20–21]). Da die Schreibfeder in der rechten Hand lange Zeit fehlte, wurde die Stuckfigur fälschlicherweise mit dem Kirchenvater Hieronymus identifiziert.1064 Da ein das Matthäusevangelium lesender Hieronymus für das Zwiefalter Hochaltarbild selbst nicht deutungsrelevant schien, richteten die frühen Interpreten ihre Aufmerksamkeit auf das Schriftband an der südlichen Nebenportalfigur des Hohepriesters, auf dem sich die bei Jes 7,14 und Mt 1,23 zitierte Sentenz „Ecce virgo concipiet“ („Seht, die Jungfrau wird ein Kind gebären“) findet. 1065 Fehldeutungen des Rahmenwerks führten auch zu Fehldeutungen der Figuren im Gemälde selbst. So wurde die bekleidete männliche Figur (unten rechts) gelegentlich als Jesaja, die unbekleidete männliche Rückenfigur am unteren Bil-

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drand dagegen als Joseph interpretiert.1066 Verständlich wird diese Fehlinterpretation, wenn man in dem Titel Josefs Traum das Programm des gesamten Hochaltares zu erkennen glaubt.1067 Dann nämlich erwartet man eine prominente Josephsfigur im Vordergrund, die allerdings weder auf die bekleidete männliche Figur im Mittelgrund (rechts) noch auf die unbekleidete männliche Rückenfigur im Vordergrund (unten) so recht passt. Nimmt man eine wichtige Bildvorlage des Zwiefalter Hochaltarblattes zur Hand, Pietro Liberis Verkündigung (1674) für die Kirche Santa Maria della Salute (Venedig) [Abb. 355], so lassen sich erste Korrekturen der obigen Deutung vornehmen.1068 Spieglers nahezu identischer Engel verweist im Vergleich zu Liberis Gemälde nicht mehr auf die Gestalt Gottvaters, sondern Spiegler senkt die Figur des Engels so ab, dass sie nun auf Maria deutet. Nicht mehr an Maria (wie bei Liberi), sondern an die bekleidete männliche Figur unten rechts adressiert sich nun der Engel, sodass man in dieser abgedunkelten und von der Lichtkomposition her sehr zurückgenommenen Figur wohl den hl. Josef erkennen kann.1069 Kaum deutet die Darstellungsweise des hl. Josefs auf eine Hauptrolle im Gemälde hin. Der Zeigegestus des Engels auf dem Zwiefalter Altarblatt verweist im Vergleich zu Liberis Verkündigung nicht mehr auf Gottvater, sondern auf eine dem Erdboden enthobene und auf einer Mondsichel thronende Maria, umgeben von Lilie, Mandorla und Sternenkranz.1070 Es ist keine irdische Maria, wie sie bei Liberi dargestellt wird, sondern eine durch ihre Reinheit Erhöhte. Sie und der Engelsbote sowie die Rückenfigur unten rechts bilden die eigentliche Trias, denen gegenüber Joseph, ja selbst Gottvater und die Schlange (unten) in den Hintergrund treten. Die Bedeutung des auf dem Altarblatt Dargestellten verschiebt sich somit in einem ersten Schritt weg von einem träumenden Josef hin zum Inhalt seines Traumes: „Sie wird nehmlich in einem schnee weissen Himmels-Kleid in klaren Wolcken […], mit demüthigst niedergeschlagenen Augen, mit zwölf Sternen um das Haupt, einen blühenden weissen Lilien-Stengel in der Hand haltend, auf der Welt Kugel stehende, mit dem andern Fuß aber der Schlangen auf den Kopf tretende, in klaren Wolcken des Himmels mit Sonnen-Strahlen umgeben, und den Mond zum Füssen unter der Welt Kugel gemahlet. Hierdurch wollen sie so viel zuverstehen geben: Maria sey das Weib aus Offenbahrung Johannis mit den 12. Sternen, und gleichwie die weissen Lilien ein Sinnbild der Reinigkeit seyn: Also sey die heilige Maria vor ihrer Empfängniß auch so weiß und reine ohne Fleicken; Und obgleich die höllische Schlange die gantze Welt, nehmlich das gantze menschliche Geschlecht vergifftet habe: So sey doch die heilige Maria die einige reine ohne Erb-Sünde von der gantzen Welt vor allen Menschen davon ausgenommen, deßwegen sie oben auf der Welt Kugel stehende, und der Schlangen auf den Kopft tretende mahlen [...].“1071 Die Verschiebung in der Darstellung vom träumenden Joseph hin zur Darstellung des Inhalts seines Traums – der durch den Heiligen Geist bewirkten Mutterschaft Mariens – erfährt mit der als „Hieronymus“ angesprochenen Stuckfigur eine weitere Verschiebung. Durch die ihm zurück in die Hand gegebene Schreibfeder (dieses marginale Beiwerk eines Beiwerks) wird der Lesende zum Schreibenden und die Figur des Hieronymus zum Evangelisten Matthäus. Mat-

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355 Pietro Liberi: Verkündigung, 1674, Santa Maria della Salute, nordöstliche Kapelle, Öl auf Leinwand, 5,23 x 2,66 m (NvdM) 1066 SCHURR 1910, S. 161. 1067 KOLB 1992, S. 456. 1068 Das Altarbild befindet sich in der nordöstlichen Kapelle der Kirche Santa Maria­della Salute, 1674, Öl auf Leinwand, 5,23 x 2,66 m, RUGGERI 1996, S. 47, 196 f., P 188; vgl. HOPKINS 2000, Plate 31 u. Kat. 11, S. 214. NEUBERT 2007, S. 85. 1069 Auch der von Engeln getragene ausschlagende Stab als Attribut des hl. Joseph gibt zu dieser Vermutung Anlass. 1070 Möglicherweise war Spieglers Altarblatt für Zwiefalten auch Vorbild für den ein Jahr später entstandenen Entwurf für Bad Säckingen. Vgl. NEUBERT 2007, S. 280, ÖS 28; KOLB 1992, S. 471, Nr. 174/5, Himmelfahrt Mariens, Chorfresko, 8,00 x 13,50 m, Bad Säckingen. Modello: Himmelfahrt Mariens, Ölskizze, 66,5 x 40,0 cm, 1754 [1753?], Stuttgarter Privatbesitz, vgl. KOLB 1992, S. 474, Nr. 177. Von Eva POHL 1952, S. 103 f., wurden der Zwiefalter Komposition nicht zufällig Mängel attestiert. 1071 FRANCKENSTEIN 1736, S. 9. Bei dieser traditionellen Charakterisierung handelt es sich bereits um den Beitrag eines protestantischen Theologen zur zeitgenössischen Auseinandersetzung, der auf den folgenden Seiten seines Buches das katholische Verständnis der Unbefleckten Empfängnis einer kritischen Analyse unterziehen sollte.

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thäus (mit dem ihm gegenüber schwebenden Attribut des Engels) tritt sozusagen als Chronist des Geschehens auf. Der Evangelist bezeugt schreibend das geschaute Ereignis. Aber in diesen hybriden Moment aus Reflexion des Schreibens und Erregung des Schauens scheint noch mehr hineingelegt: Der Akt des Bezeugens ist nämlich zugleich ein Akt des Bedeutens.Was der hl. Josef träumend sieht, das schaut der Evangelist Matthäus in seinem heilsgeschichtlichen Zusammenhang. Matthäus erblickt nicht einfach ein Ereignis. Mehr noch als der Ezechiel des Kanzelensembles sieht der Evangelist einen Sinnzusammenhang. Dies macht auch der Kontext von Mt 1,20–21, also der Textstelle des aufgeschlagenen Buches („… fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen …“), deutlich. Der ereignishaft-erzählerische Charakter dieser Passage ist von zwei zentralen Reflexionsfiguren des Matthäusevangeliums gerahmt. Die vorausgehende Passage behandelt zu Anfang des Evangeliums den über 14 Generationen auf Abraham zurückgehenden Stammbaum Jesu. In 35 Gliedern wird konsequent die männliche Stammlinie aufgelistet, und die doppelte Wiederholung einer jeden Figur insistiert auf der Konsistenz der Genealogie („Abraham war der Vater von Isaak, Isaak von Jakob, Jakob von Juda …“, Mt 1,2). Aber mit Maria wird diese implizit auf Adam zurückgehende Generationenkette glorios unterbrochen. Der Schlüsselsatz hierzu lautet: „[…] Jakob war der Vater von Josef, dem Mann Marias; von ihr wurde Jesus geboren, der der Christus (der Messias) genannt wird.“ („Jacob autem genuit Joseph virum Mariæ, de qua natus est Jesus, qui vocatur Christus.“ [Mt 1,16]). Maria ist sozusagen die Sollbruchstelle des Heilsereignisses, die den Joseph der alten Menschheit und den Jesus der neuen Menschheit noch verbindet und schon voneinander trennt. Dass gerade sie als „rein“ konzipiert ist, gehört zu den großartigen Paradoxien der katholischen Mythologie. Die auf „… fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen …“ folgende Textstelle Mt 1,22–23 ist zwar unmittelbar in das Erzählereignis eingelassen, stellt aber wiederum eine sprachliche Reflexionsfigur dar, aus der heraus Matthäus spricht und das Ereignis typologisch deutet: „Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären […]“ („Hoc autem totum factum est, ut adimpleretur quod dictum est a Domino per prophetam dicentem. Ecce virgo in utero habebit, et pariet filium […]“, Mt 1,22–23). An dieser Stelle wird also die oben erwähnte Sentenz aus Jes 7,14 aufgerufen, die nicht nur das Ereignis der Geburt Jesu aus dem Heiligen Geist präfiguriert, sondern auch den Bruch mit der Generationenlinie auf höherer Ebene wieder schließt. Der geschichtliche Bruch mit der Generationenlinie ist von heilsgeschichtlicher Relevanz. Aus dem Aufzeigen der Linie und der Darstellung des Bruches mit ihr resultiert die Konstruktion der für das Bild relevanten Adam-Christus-Typologie. So erscheint die Figurengruppe links und insbesondere unterhalb des hl. Josefs als die genealogische Linie des alten Stammes. Adam als ihr Hauptvertreter und Anfang ist umgeben von Eva und den Knaben Kain und Abel. Darüber präsentieren sich wohl Abraham und Sarah sowie Mose und Aron, welche die Genealogie der Stammfamilie unter dem mosaischen Gesetz verkörpern. Im Leib

15 Chorraum: Tägliches Martyrium (1744–1755)

Mariens keimt jene Energie auf, welche blitzhaft am unteren Bildrand auf die Schlange des Paradiesgartens trifft. Gleichzeitig wird Adam aus den Untiefen der Heilsgeschichte jenes Neuen gewahr, das sich in Maria ankündigt und entfaltet, während sich die Taube auf sie herabsenkt. Die eingangs erwähnten, in Spieglers Bild dargestellten Brüche markieren den in der Mutterschaft Mariens vollzogenen Bruch zwischen Alt und Neu. Dass der Antityp Adam hierbei schon eine paulinische Schärfe besitzt und sich die Mutterschaft Mariens als Immaculata präsentiert, scheint allerdings weniger dem Matthäusevangelium als dessen barocker Lesart durch Benedikt Mauz geschuldet. Es würde zu weit führen, hier die überaus komplexe Theologiegeschichte der Unbefleckten Empfängnis Mariens (Conceptio Immaculata Beatae Mariae Virginis) von ihren patristischen Anfängen über die Hochscholastik bis zur Dogmatisierung im Jahr 1854 durch Papst Pius IX. nachzuzeichnen. Entgegen der gängigen Meinung bezieht sich das Dogma der Unbefleckten Empfängnis jedenfalls nicht auf den Akt der Menschwerdung Christi, sondern auf das Entstehen Mariens im Schoß ihrer Mutter Anna. Das Dogma begründet seine Konzeption der Unbefleckten Empfängnis implizit damit, dass sich die vollkommene Erlösung durch die Menschwerdung des Gottessohnes nur durch eine vorausgegangene Unterbrechung der Erbsünde durch die Gottesmutter denken lässt. Während die Makulisten (unter Berufung auf Thomas von Aquin) die Position vertraten, dass die universale Erlöserfunktion Christi nur dann absolute Gültigkeit besitze, wenn sie Maria einschließe, vertraten die Immakulisten (im Rückgriff auf Wilhelm von Ware und Johannes Duns Scotus) den Standpunkt, die absolute Erlösungsfunktion Christi gelte nur dann, wenn sie die durch Christus vollzogene „Vorherbewahrung“ (praeservatio) Mariens von der Erbsünde, und zwar vor ihrer Beseelung (animatio), einschließe.1072 Da sich die immakulistische Lehre nicht auf direkte Aussagen aus der Schrift berufen konnte, wurde sie mit Pius IX. zum „Factum Ecclesiae“ erklärt.1073 Die in der katholischen Kirche ebenso kontrovers wie leidenschaftlich geführte Debatte um die Conceptio Immaculata erfuhr auch durch die Konzilien von Basel (1438) und Trient keine abschließende Klärung. Doch lässt sich resümieren, dass die Implementierung der Unbefleckten Empfängnis in die Liturgie das Fundament für deren spätere Dogmatisierung legte. So votierte die römische Lehrmeinung mit der Approbation des Festes Mariä Empfängnis (8. Dezember) Ende des 15. Jahrhunderts (Sixtus IV.), der Errichtung der österreichischen Benediktinerkongregation unter dem Titel „Conceptio Immaculata“ 1625 (Urban VIII.) und der kirchlichen Ausdehnung der liturgischen Festfeier „In Conceptione Immaculata B. M. V.“ 1708 (Clemens XI.) in wachsendem Maße für die immakulistische Position.1074 War die Diskussion um die Unbeflecktheit Mariens noch im 17. Jahrhundert Gegenstand innerkatholischer Debatten, so verlagerte sie sich im Laufe des späteren 17. und des 18. Jahrhunderts mehr und mehr zum konfessionellen Streitgegenstand.1075 Die Ausstattung des Chorraumes von Zwiefalten entwickelte sich wohl auch unter dem Eindruck der umfassenden Befürwortung der Conceptio Immaculata durch Papst Benedikt XIV. (1740–1745). Aber auch das Zwiefalter Patrozinium

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1072 Vgl. HORST 1987, S. 5–16. 1073 SEYBOLD 1994, S. 519–521. 1074 Vgl. SEYBOLD 1994, S. 522 f. 1075 Vgl. zur Theologiegeschichte der Conceptio Immaculata und zum ausdrücklichen Votum Benedikts XIV. (1740–1745) für die immakulistische Position: BAUER 1991, S. 78–86.

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Innen

356 Johann Joseph Christian: Buch und Schreibfeder des Matthäus, um 1767, Hochaltar Zwiefalten (NvdM)

Mariä Geburt legte nahe, auf die Praeservatio Mariens mit Nachdruck zu verweisen. Wohl im Sinne von Abt Benedikt Mauz sucht Spieglers Hochaltarbild jene komplexe Konstellation aus Vor- und Ausprägung, aus altem und neuem Menschen zur Darstellung zu bringen. In dieser typologischen Sicht erhebt sich Maria (mit Jesus im Leib) über die dunkle Sphäre der von Adam (und Eva) begründeten Genealogie der Erbschuld. Oberhalb des Altars wölbt sich der Auszug konvex und gibt dem Betrachter ebenso wie dem im Bild stehenden Adam den Blick auf das Marienmonogramm frei, das durch einen beiseitegezogenen Vorhang dem gesamten Kirchenraum präsentiert wird. Das Marienmonogramm ist als eine zur Signatur des Raumes

15 Chorraum: Tägliches Martyrium (1744–1755)

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gewordene Zuspitzung des Immaculata-Typus zu lesen.1076 Und als hätte sich der Inhalt des Marienmonogramms durch die Wand gebrannt, erscheinen an der Außenmauer der Apsis die familiären Bedingungen ihrer Unbeflecktheit: „Filia Patri, Mater Fillii, Sponsa Spiritus Sancti. Ave“. Da eines der zentralen Motive der Conceptio Immaculata in der Berufung Mariens zur Mutterschaft für die Fleischwerdung des Logos liegt,1077 wird das zentrale Bildthema der Immaculata wohl nicht zufällig über den Logos aus dem Bild herausgetragen – durch das Monogramm, aber auch durch den Anfang des Matthäusevangeliums [Abb. 356]. Der Evangelist Matthäus wird zum sprechenden Zeugen nicht nur des Josephstraumes, sondern auch des über ihn projizierten Immaculata-Motivs. Er, ja dessen Schreibfeder, ist radikal parergonal. Die Stuckfigur ist keine flankierende Maßnahme zum Bild, nicht Deutung, sondern bedeutsamer Saum, von dem aus das Bild vor Augen tritt.

1076 Vgl. Timmermann zu Balthasar Caymox‘s Kupferstich des Marienmonogramms „Virgo, Sponsa Parens dotata est“, Anfang 17. Jh., in: HARMS 1989, S. 68 f., Nr. III,32. 1077 SEYBOLD 1994, S. 524–536; HORST 1987, S. 17.

Ausgang

Die universale Mittlerschaft Mariens für den Benediktinerorden und für den Menschen sowie die hiermit verbundene Rolle von Bildern ist das Leitmotiv des Zwiefalter Sakralraums. Bezogen auf den hohen künstlerischen und theologischen Anspruch der Ausstattung (Langhausfresko, Kanzelensemble, Hochaltar) ist Zwiefalten auch über den Benediktinerorden hinaus ein Sonderfall, in manchem (etwa hinsichtlich der theologischen Dichte) dem nicht mehr erhaltenen Sakralraum von Münsterschwarzach verwandter als dem oft bemühten Vergleichsbeispiel Ottobeuren. Zu wenig wurde bislang die herausragende Leistung des Abtes Benedikt Mauz gewürdigt, der nicht nur die Bauherrschaft, sondern auch die künstlerische Regie während der wichtigsten Bau- und Ausstattungsphase führte. Die zwischen 1744 und etwa 1763 entstandenen Konzeptfragmente zeigen die fortwährende Ausdifferenzierung eines thematischen Grundgedankens, ohne dabei die organische Zusammenarbeit der künstlerischen und handwerklichen Prozesse zu behindern. Mauz vermochte sehr genau die Möglichkeiten und Grenzen seines künstlerischen Vermögens einzuschätzen und griff nicht (wie rund 20 Jahre zuvor Pater Ambros Ruepp in Niederaltaich) rigide in die Schaffensprozesse der Künstler ein. Der für den Entwurf der Fresken erfolgte Rückgriff auf zahlreiche Textquellen ist eher transkribierend als exzerpierend zu nennen, weil Mauz im Übergang von den Skripten (Quellen) zu den Transkripten Gewichtungen vornahm, die konsequent den Themenkreis „Maria – Bild – Benediktinerorden“ herauskondensierten [Abb. 357]. Man kann das Entwurfsverfahren von Benedikt Mauz ein Verfahren der kritischen Transkription nennen. Mit Ludwig Jäger lässt sich von einem rezessiven Prozess sprechen, bei dem über das „Erschließen von Bedeutung“ neue Bedeutung produziert wird.1078 Bemerkenswert ist hierbei der intermediale und kondensierende Prozess des Transkribierens, der Text-, Bild- und Kartenmaterial über mehrere Zwischenschritte zu einer Geschichtslandschaft synthetisiert. Wie Konzeption, Planung und Realisierung des Zwiefalter Sakralraums nicht als ein Wurf entstanden sind, so ging auch die vorliegende Arbeit den Weg einer entdeckenden Analyse, deren Begrifflichkeit sich schrittweise aufbaut. Es war nicht das Anliegen, irgendeine These zu bestätigen, sondern entlang einer historischen und ästhetischen Untersuchung ein Thema zu entfalten. Es sollte ein methodischer Beitrag zu einer Raumanalyse durch die Eigenbewegung geleistet werden, deren Erfolg durch eine Einzeluntersuchung noch nicht garantiert ist.

1078 Vgl. zum Thema der Transkription die wohl auch für die Barockkultur wesentlichen Überlegungen von JÄGER 2002.

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Innen

357 Benedikt Mauz: Konzeptffragment LA II, Konzept II für das Langhausfresko, 2v u. r, um 1749/50, Hauptstaatsarchiv Stuttgart B551 Bü 28.

1079 VAN DER MEULEN 2002.

Vom nördlichen Ausgang des Chorraums führt eine Tür in die Totenkapelle der Zwiefalter Koventualen. Angeschlossen hieran ist ein heute zugemauerter Bodenzugang zu einem Kellergewölbe, das von 1747 bis zur Auflösung des Klosters 1802 als Grablege gedient hatte.1079 Die Ausstattung der oberirdischen Totenkapelle ist schlicht, fast puristisch zu nennen. Neben ursprünglich acht (heute sieben) in die Wand eingelassenen und noch aus dem romanischen Bau stammenden Gemäldelünetten mit Darstellungen der Vita Benedikts (nach Christoph Storer) findet sich eine zwar nicht künstlerisch, aber doch theologisch ambitionierte al-secco-Wandbemalung mit Medaillons, die Inschriften der Seligpreisungen und einzelner Psalmensentenzen rahmen. An der Südwand der Totenkapelle betont eine 1,86 m auf 1,83 m messende Darstellung der Armen Seelen im Fegefeuer die Längsseite der Totenkapelle [Abb. 358]. Möglicherweise waren vor diesem zentralen Wandbild die Verstorbenen aufgebahrt. Die Hauptinschrift der Darstellung lautet: „Cur faciem tuam abscondis?“ („Warum verbirgst du dein Gesicht?“ [Hiob 13,24]). Darüber steht links: „Sancta et salubris est Cogitatio“ („Es ist ein

Ausgang

heiliger und frommer Gedanke …“), und rechts: „Pro Defunctis exorare („… für die Toten zu bitten“ [2 Makk 12,46]). Der den Architekturmotiven nach klassizistische Charakter der Wandbemalungen deutet auf eine Ausmalung der Totenkapelle um 1780 oder später hin. Zu diesem Zeitpunkt hatten die großen Künstler Franz Joseph Spiegler, Johann Joseph Christian, Meinrad von Au und Johann Michael Feichtmayr Zwiefalten längst verlassen – Christian, Spiegler und wohl auch Feichtmayr waren sogar bereits verstorben. Liegt es an der Ritualspezifik des Raumes oder an einem sich ankündigenden neuen Weltempfinden? Die Zwiefalter Totenkapelle steht nicht nur hinsichtlich ihrer grisailleartigen Farbigkeit in krassem Gegensatz zur Ausstattung des hier behandelten Sakralraums. Wo es dem Zwiefalter Raum bis in die letzten Winkel und Poren um die Modellierung ästhetischer Lebendigkeit geht, kommt eben dieses Konzept von ästhetischer Lebendigkeit in der Totenkapelle zum Erliegen. In Zwiefalten liegt der Tod der Konventualen jenseits der Demarkationslinie ästhetischer Lebendigkeit. Im Antlitz des eigenen Todes verbirgt Gott sein Gesicht und erscheint als Deus absconditus. Dieser Befund für das Programm der Totenkapelle wirft ein Licht auf das theologische Leitmotiv der Zwiefalter Raumausstattung, deren Vision nicht der verborgene, sondern ein sich in der Weltgeschichte offenbarender Gott ist. Der hiermit verbundene Paradigmenwechsel beruht auf einer Ästhetik, die nicht nur

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357 Cur Faciem tuam absconidis?, um 1780, Seccomalerei, 1,83 x 1,86 m, Begräbniskapelle über dem Zömeterium, Südwand (NvdM)

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Innen

1080 Diese Bemerkung spielt an auf Hans Urs von Balthasars Entwurf einer Theodramatik. Vgl. hier nur BALTHASAR 1971–1983: „Soll Drama sein, müssen Freiheiten einander gegenüberstehen. Soll Theodrama sein, ist dessen erste Voraussetzung, dass ‚neben’ oder ‚innerhalb’ der absoluten göttlichen Freiheit andere, nichtgöttliche, geschaffene Freiheit existiert, die in einem wahren Sinn am Selbststand der göttlichen Freiheit teilnimmt, sowohl in der Entscheidung für Gott wie in der gegen ihn.“ Vgl. ferner die Textstelle: „Die Heiligen sind die authentischen Interpreten des Theodramas. Ihr in dramatischer Existenz dargelebtes Wissen muss bei der Deutung als maßgeblich beachtet werden, nicht nur für das Lebensdrama der Individuen, sondern letztlich auch für die ‚Freiheitsgeschichte’ der Völker und der Menschheit im ganzen.“ (Theodramatik II/1, S. 13, 56.)

darbietet, sondern auch einen Möglichkeitsraum anbietet, um sich diese Offenbarung als individuelle Erfahrung „einzuverleiben“. Die Heilsgeschichte erhält hierbei ein individuelles Gepräge. Sie rückt ins Diesseits ein, ohne uns allerdings wirklich näher zu kommen. Der ästhetische Streich besteht in der individuellen Erfahrung einer Aneignung heilsgeschichtlicher Universalität, die sich immer dann der Aneignung entzieht, wenn der Eindruck der Verfügbarkeit aufscheint. Die ästhetische Erfahrung schaut vom Ganzen auf das Einzelne, gleitet am Einzelnen ab, um in einem zirkulären Prozess wieder aufs Ganze gelenkt zu werden. Das Verhältnis zwischen den Teilen und dem Ganzen bleibt für die Erfahrung in einer nicht endenden Schwebe. Hierin liegt kein Mangel, sondern dies ist dem paradoxen Versuch geschuldet, der diesseitigen individuellen Wahrnehmung die Erfahrung von Unendlichkeit zugänglich zu machen. Diese Annäherung des spätbarocken Raumes an eine individuelle ästhetische Erfahrung von Lebendigkeit und Unendlichkeit verlangt die Einziehung einer neuen Achse: In die Vertikalität des römischen Hochbarock, die sich entlang spektakulärer Themen wie Offenbarung, Erhöhung, Triumph und Verherrlichung und entfaltete, zieht der spätbarocke Sakralraum die horizontale Achse ein, die als Weltgeschichte im eigenen Lebensraum doppelt codiert ist. Der sakrale Raum ist kein isolierter, bloß von außen gedachter heilsgeschichtlicher Raum der Weltgeschichte, sondern in den eigenen Erfahrungsraum eingebettet. Dabei lässt sich von einer Aneignung des Erfahrungsraumes durch den Sakralraum sprechen, deren Hauptindikator die Inversion von außen und innen ist: Wie die Fassade den Hochaltar und die innere Architekturgliederung nach außen stülpt, so falten sich mit dem erdfarbenen Langhausfresko oder der Grottenmotivik an Kanzel und Beichtstuhl Natur- und Landschaftsraum in den Sakralraum ein. Sie tun dies nicht in einem mimetischen oder illusionistischen Sinne – wie häufig für die „Rokokokirche“ konstatiert –, sondern zielen auf Verdichtung und Transformation. Der Sakralraum von Zwiefalten macht sich Bewegungen wie die des ambulativen Lustwandelns im barocken Garten (Grottenbeichtstühle) oder des Reisens zu Orten und Stätten (Langhausfresko) zu eigen und fusioniert solche Bewegungen des Spazierens und Reisens mit religiösen oder liturgischen Körperbewegungen. Die Neugeburt aus dem Grottenbeichtstuhl ist ebenso ein Sakramentalereignis wie ein ästhetisiertes Naturereignis. Das erwähnte Einziehen der horizontalen Achse ist Ausdruck einer orts- und zeitspezifischen Ausfaltung der heilsgeschichtlichen Offenbarung: Die horizontale Achse, die sich vielerorts mit Rocaillen und Rahmungen verbindet, ist der Saum der Heilsgeschichte, ihr weltgeschichtlicher Faltenwurf – ihr Parergon. Man kann das Fundament eines solchen Ausstattungskonzepts, das Weltgeschichte und Heilsgeschichte im eigenen Lebensraum konvergieren lässt, „theodramatisch“ nennen. Es beruht auf der Vorstellung einer konflikthaften Begegnung zwischen einem sich offenbarenden Gott und einem hierzu sich unterschiedlich verhaltenden Menschen, einem Ich, das den Sakralraum durchläuft.1080 „Häresie“, Abkehr, Widerspruch und Grausamkeit gehören ebenso zum Handlungsrepertoire der Akteure in den Zwiefalter Fresken wie Nachfolge, tugendmäßiges Handeln und Martyrium.Wenn Konzepte von Theatralität und Gesamt-

Ausgang

kunstwerk für den spätbarocken Raum dennoch zu kurz greifen, dann deshalb, weil der spätbarocke Raum nicht auf eine Zuschauerästhetik hinausläuft, die das Dargebotene nur noch empfindend nachvollzieht oder tatenlos beobachtet. Die Entfaltung der Heilsgeschichte in der Weltgeschichte, das hiermit einhergehende Zusammentreffen verschiedener Räume wird durch die eigenen Seh- und Körperbewegungen erst hervorgebracht. Für die individuelle Erfahrung von Unendlichkeit im sakralen Raum ist eine Brechung des hochbarocken Zentralismus notwendig. Der parergonale Raum, der Werk (Architektur) und Beiwerk (Ausstattung) neu austariert, konstruiert aus einem singulären Raum unendliche Varianten möglicher Räume. Der spätbarocke Raum ist der Geburtsort eines neuen Konzeptes ästhetischer Einheit aus dem Geiste einer parergonalen Ästhetik. Aber das Beiwerk lässt sich nicht ohne das Werk, das Parergon nicht ohne das Ergon denken. Auch die Konzeption einer parergonalen Ästhetik ist nur möglich, weil ein Eigentliches ergon im Hintergrund mitläuft. In der Eigenbewegung durch den Raum wird die wechselseitige Abhängigkeit und Dialogizität von Architektur und Ausstattung erlebt und realisiert. Der spätbarocke Raum von Zwiefalten bringt alles (auch das Musikalische, die Inskriptionen, das Verbale und die Architektur) auf den Nenner von Bildlichkeit, nicht als Endpunkt, aber als Schalt- und Umschlagplatz unendlicher Operationen der Transformation und Transkription. Eine immense Bildmaschine wird durch Textvorlagen in Gang gesetzt, die ihrerseits kompilatorisch auf andere Kompilationen zurückgreifen und palimpsestartig Quelle über Quelle legen (Langhausfresko, Mönchschorfresko).1081 Das auf dieser Grundlage erzeugte Bild ist selbst Palimpsest. Es ist mit den Kategorien „Realität“ oder „Illusion“ nicht mehr fassbar, weil es in seiner Präsenz real und in seiner Fiktionalität transparent ist. Es ist Lesbares (Bibel), das in ein Bild (Ezechiel) transformiert wird und die Authentizität des Gesprochenen bezeugt (Prediger). Es ist Schrift, deren Illustrationen (Figures de la Bible) zu Bildwerken (Kanzelbecken) werden, die sich in gesprochene Sprache verwandeln (Prediger). Es besteht aus Plastiken, welche die Wahrhaftigkeit der auf Schriftquellen beruhenden Bilder bezeugen und eine Transkription von sichtbar zu lesbar zu schreibbar darstellen (Hochaltar); Plastiken, die auf Bilder deuten, in Ornamente übergehen, um noch einmal Bild zu werden (Seitenaltäre, Kapellenfresken). Es ist pulverisierter Marmor, der in ebenso grotesken wie kalkulierten Architekturelementen neue Gestalt annimmt (Nischen, Stuckmarmorsäulen). Es wäre zu einfach, in diesem Zusammenhang von „Materialillusionen“ oder überhaupt von „Illusionismus“ zu sprechen. Spätbarocker „Illusionismus“ zeigt die Strategien seiner Täuschungsmanöver, gibt sich als Strategie zu erkennen. Daher muss die Frage zu den Theoremen des spätbarocken Illusionismus lauten:Welche Illusion wovon? Die hier geschilderten unendlichen Operationen erzeugen aufgrund ihrer permanenten Wechsel der Medien, Themen und Stofflichkeiten ein verdichtetes Konzept ästhetischer Lebendigkeit. Dieses ist auf die Wahrnehmung von Differenzen ebenso angewiesen wie auf das Realisieren von Übergängen und Neukombinationen. Es demonstriert ein Werden ohne Ende als Genesis.

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1081 Abt Benedikt Mauz exzerpierte aus Aegidius Ranbeck, dieser wiederum aus Crisóstomo Enriquez, den Bucelin fälschlich als Angel Manrique identifizierte (vgl. Mönchschorfresko). Benedikt Mauz exzerpierte aus Gabor Hevenesi nach Aegidius Ranbeck und fügte eigene Kommentare für das auf dieser Grundlage zu malende Bild an (Langhausfresko).

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Innen

In der nicht-linearen „Verzeitlichung des Raumes“ liegt das ästhetische Novum des spätbarocken Raumes. Die in ihm ausgebreiteten Fresken und Bilder verhalten sich parergonal zur Architektur, wie sich der Stuck parergonal zum Fresko verhält und so fort. Der geometrische Raum der Zwiefalter Architektur ist durch die Ein- und Ausfaltungen der Fresken, der Plastiken und des Stucks in einem substanziellen Sinne umgewertet. Die hieraus resultierende Raumerfahrung beruht nicht mehr auf einem statischen Netz von Beziehungen zwischen einzelnen Teilen der Ausstattung oder zwischen Architektur und Ausstattung. Sie besitzt liturgische und ästhetische Zentren (Gnadenbild, Hochaltar), die jedoch einer parergonalen Öffnung unterliegen. Parergonale Ästhetik meint in diesem Zusammenhang nicht bloß Rahmung, sondern auch Saum, Falte, Ornament, Bild, und sie ist in dem Sinne operativ zu nennen, als sie die Identität des Inneren zugleich betont und relativiert, ausweitet und umlenkt. Die Betonung des Inneren durch das Parergon erfolgt zugunsten der Weiterlenkung von Aufmerksamkeit nach außen, über den Rahmen, den Saum hinaus. Die Entriegelung des begrenzenden Rahmens konzipiert den Raum als ein parergonales Gefüge, in das jede Betrachtung situativ verwickelt wird. Dabei ist die Relativierung der Mitte kein Verlust, sondern ästhetisches Kalkül. Die spätbarocke Perfektionierung der parergonalen Ästhetik erzeugt eine neue phänomenale Erfahrung ästhetischer Räume. Der Raum ist phänomenologisch betrachtet nicht mehr objektivierbar oder dem Betrachter als „Raumbild“ gegenübergestellt. Man erlebt ihn von innen her: In der Eigenbewegung werden der „Raum der Darstellung“ (Architektur) und die „dargestellten Räume“ (Gesamtheit der Parerga) miteinander verschränkt. Die Bewegungsanalyse ist hierbei keine von außen an den Gegenstand herangetragene methodische Option, vielmehr ergibt sie sich von der Sache her. Methodisch betrachtet kommt keine Bewegungsanalyse darum herum, konventionelle Vorstellungen von einem dem Betrachter gegenübergestellten Gegenstand abzulegen. Denn aus der Perspektive der Bewegung ist der Betrachter von diesem „Gegenstand“ umgeben, mit ihm verwoben und erfährt ihn (wie sich selbst) als veränderlich. Für das Verständnis der Ästhetik des spätbarocken Raumes scheint diese Perspektive grundlegend. Parergon kennzeichnet auch jene hauchdünne Schnittfläche des Körpereintritts in die Ebene der Darstellung und des Austritts der Darstellung ins Wirkliche. Die Architektur, dies sei noch einmal betont, wird hierbei keinesfalls relativiert, aufgehoben oder obsolet. Sie ist Gegen- und Mitspieler der in ihr angebrachten Parerga. Ausstattung (Parerga) und Ausgestattetes (Architektur) bringen in ihrem Zusammenspiel ein neues Bewegungsverhalten hervor. Der Raum ist kein Raum im Singular mehr – und so auch nicht die Bewegung. Die barocke „Falten-Materie“ kann eine „Zeit-Materie“ (Deleuze) genannt werden, weil sie eine nicht-lineare Verzeitlichung des Raumes etabliert. Der Zwiefalter Hochaltar ist wohl eines der glänzendsten Beispiele für die spätbarocken Operationen von Transkription und Transformation. Er ist aber auch ein Exempel für die Fusion von Fiktion und Präsenz. – Rund drei Jahre nach der Fertigstellung des Hochaltars verfasste Denis Diderot unter ganz ande-

Ausgang

ren weltanschaulichen und gesellschaftlichen Bedingungen seinen Dialog Le Rêve de d’Alembert (1769). In dem Dialog, dessen Zentrum ein Traum ist, führt Diderot mit dem Mathematiker und Physiker Jean le Rond d’Alembert ein Gespräch über physiologische und biologische Grundfragen, vor allem über die Frage nach dem Spezifikum lebendiger Materie. Diderot schlägt vor, die Empfindungsfähigkeit und Lebendigkeit aller Materie durch die Zerschlagung der Marmorplastik Pygmalion et Galatée (1763) des französischen Bildhauers Étienne-Maurice Falconet (1716–1791) zu prüfen. Im anschließenden Gedankenexperiment vermischt und verknetet Diderot das so erzeugte Marmorpulver mit feuchtem Humus, sät auf ihm Erbsen, Kraut und Gemüse und speist es in den Nahrungskreislauf ein. Selbst schon durch die Pflanze in einen lebendigen Organismus verwandelt, wird das Marmorpulver nach der Verdauung zu Fleisch.1082 Die dialogische Ausfaltung der Thematik durch zahlreiche Abschweifungen (Digressionen) wird im Laufe des verschlungenen Textes, der Traum, Fiktion und Wissenschaft, aber auch Handlung und Binnenhandlungen mischt, selbst zu einer rêverie, zu einer Imaginationsmaschine, welche immer neue Bilder und Bildverschiebungen generiert. Nicht die hierbei erzeugten Objekte, sondern der ihnen zugrunde liegende genetische Prozess imaginiert die Belebung von Materie als unendliche Operation. Die Pointe von Le Rêve de d’Alembert liegt aber darin, dass Diderot sein Gedankenexperiment an einem Beispiel entwickelt, das selbst schon Gegenstand einer Transformation gewesen ist: Ovids Pygmalion verwandelt seine Sehnsucht in eine Elfenbeinstatue, die anschließend zu Fleisch wird.1083 Ebendiese Fleisch werdende Galatea stellte Falconet in Marmor dar, den Diderot erneut zu Fleisch machte. Honoré de Balzac dürfte diesen Mythos, aber wohl auch den Dialog Diderots aufgegriffen haben, wenn er den Künstler Sarrasine in seiner gleichnamigen Erzählung das Ideal weiblicher Schönheit nach der Gestalt der Opernsängerin La Zambinella bilden lässt, auf dessen Grundlage Kardinal Cocognara eine Statue in Auftrag gab, nach der Jean Marie Vien ein Gemälde ausgeführt haben soll, für das Balzac Anne Louis Girodets Schlaf des Endymion (1818) als Vorlage benutzte. An der Pointe von Balzacs Sarrasine (1830), nämlich der Entlarvung der zum Weiblichkeitsideal stilisierten La Zambinella als verkleideter Kastrat, sollte schließlich Roland Barthes in S/Z (1970) seine Theorie des pluralen Texts entwickeln, der nicht nur die Lesbarkeit von Zeichen kontingent werden lässt, sondern auch einen pluralen Leser erzeugt, der vieles deutet, weil er selbst vieldeutig geworden ist.1084 Die unendlichen Operationen der Transformationen und Transkriptionen gehören nicht nur zu den spätbarocken Figuren schlechthin, sie sind auch ein kulturwissenschaftliches Paradigma geworden. Umgekehrt tritt im spätbarocken Raum anstelle eindeutig lesbarer Zeichen die unendliche Operation veränderlicher und kontextabhängiger Lesbarkeiten. Hier die Eindeutigkeit von Ikonografien und Zeichenbedeutungen einzufordern, wird dem komplexen Einsatz von Bildern im spätbarocken Raum nicht mehr gerecht. Richard Zürcher schrieb 1967 über den Innenraum von Zwiefalten, er sei „ein Bild, zu dem die Architektur die Leitlinien“ gebe. Paradigmatisch hierfür

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1082 DIDEROT 1981, S. 364–366. 1083 Vgl. BEHRENS 2001, S. 130. 1084 BARTHES 1987, S. 14 f.: „Die Lektüre, das Vergessen: Je pluraler der Text ist, um so weniger ist er geschrieben, bevor ich ihn lese. Ich werde ihn nicht einem seinem Wesen entsprechenden prädikativen Vorgehen – das wir Lektüre nennen – unterziehen. Und das Ich ist kein unschuldiges Subjekt, das dem Text vorherginge und das danach von ihm Gebrauch machte wie von einem Objekt, das zu zerlegen [...] wäre. Dieses Ich, das sich dem Text annähert, ist selbst schon eine Pluralität anderer Texte, unendlicher Codes, oder genauer verlorener Codes (deren Ursprung verloren geht).“ Vgl. auch ebd., S. 118 f.: „Das Meisterwerk: Der zambinellische Körper ist real; dieser wirkliche Körper aber ist nur total (wundervoll), insofern er von einem Körper herkommt, der schon von der Antike (Pygmalion) geschrieben ist. Auch er ist eine Wiedergabe, aus einem Code hervorgegangen. Dieser Code ist unendlich, da er geschrieben ist. Dieser Ursprung, dieses Anhalten, dieser Anschlag des Code ist das Meisterwerk. (...) Den Körper der Zambinella entdecken ist also das Unendliche der Codes aufhören lassen, endlich den Ursprung (das Original) der Kopien finden.“ 1085 Vgl. SCHABACHER 2002.

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Innen

stünde der „in einem totalen Sinne zum Bild“ gewordene Hochaltar.1086 Mit dieser Aussage ist zwar die zentrale Rolle des Bildes für den spätbarocken Raum ausgedrückt, sie bleibt allerdings leer, weil sie sowohl auf fragwürdigem Fundament steht als auch falsche Konsequenzen aus der Aussage zieht. Die Rede von der Bildhaftigkeit des spätbarocken Raumes, welche die Vorstellung einschließt, dass der Raum „nur noch“ durch das Auge zu erleben sei, isoliert den Blick vom Körper. Der Körper wird dabei in einem theoretischen Sinne angekettet und zur Bewegungslosigkeit verurteilt. „Bildhaftigkeit“ beruht auf einer von Hans Sedl­ mayr über Bernhard Rupprecht zum Teil bis in die Gegenwart fortgetragenen Kunstgeschichtsschreibung, die an einer Ideologie ästhetischer Einheit festhält und diese – zumindest im Falle von Sedlmayr – gegen die Moderne ausspielt. Bis in die Gegenwart hinein ist die These von der zentralen Rolle des Bildes für den spätbarocken Raum lediglich hypothetisches Resultat geblieben, nicht aber Ausgangspunkt genauer Analysen. Es verwundert wenig, dass die Kunstgeschichte auf dieser Grundlage ein letztlich statisches Bild vom spätbarocken Raum entwickelte. Der spätbarocke Sakralraum ist nicht bloß eine „Sehenswürdigkeit“ oder ein interessanter Fall der Kunstgeschichte, dem man mit vereinfachten Rhetorikmodellen, baugeschichtlichen, quellenkundlichen, ikonografischen und kennerschaftlichen Spezialfragen beikommen muss. Der spätbarocke Sakralraum lieferte vor allem einen grundlegenden Beitrag zur Neubestimmung des Verhältnisses von Bild und Raum, auf dem die Moderne – vielfach unwissentlich – aufbaute. Der Nachweis seiner Anschlussfähigkeit an den virtuellen Raum steht noch bevor.

1086 Vgl. ZÜRCHER 1967, S. 46.

Anhang 1: Daten zur Bau- und Ausstattungsgeschichte

1089 1109 1510–1517 1689 1709

8. September, Gründung des Klosters Zwiefalten durch Hirsauer Äbte als Stiftung des Grafenbrüderpaares Kuno von Wülflingen (+ 1092) und Luithold von Achalm (+ 1098) 9. September, Kirchweihe Umgestaltung der Klosterkirche Barocke Neuausstattung der Kirche anlässlich der sechsten Säkularfeier Der geplante Umbau der Klosterkirche durch Franz Beer (1600–1726) kommt nicht zustande.

1730–1745

Planungs- und Bauphase

1730er Jahre 1739 1740 1740 1741 1742 1744

Entwurf verschiedener Risse durch die Brüder Joseph Benedikt und Hans Martin Schneider aus Baach Abriss der alten Kirche, Planungs- und Bautätigkeit für den barocken Neubau Fundamentlegung (mit Ausnahme des Nordturmes) Möglicherweise Herstellung eines Modells nach Fischers Entwurf für den barocken Neubau Ankunft des Architekten Johann Michael Fischer in Zwiefalten Legung eines neuen Fundaments (Baumann) Benedikt Mauz tritt am 21. April die Nachfolge Augustin Stegmüllers als Abt von Zwiefalten an (reg. bis 1765). 1. Juni, Grundsteinlegung durch Benedikt Mauz Beginn der Planung für die Ausstattung Erste erhaltene Konzeptfragmente für die Freskenausstattung 10. August, Johann Joseph Christian beginnt nach Baumann die Arbeit am Chorgestühl (fertiggestellt wohl 1751) Entstehung der ersten Konzeptfragmente Rahmenentwurf für einen Langhausaltar des hl. Aurelius (Konzeptfragmente) Vollständiges Hochziehen der Mauern Entwurf für das Portal durch Johann Michael Fischer (HStA Stuttgart, B555, Großkellereirechnung 1751, S. 45) Vorentwürfe Johann Baptist Straubs für Hoch- und Kreuzaltar (Nach Mai?) Christian in Zwiefalten (AßFALG 1998) Aufrichtung des Dachstuhls (Baumann), Richtfest am 21. September Einwölbung des Altarraums, Chors und Langhauses (Wahrscheinlich) Entwurf Johann Michael Feichtmayrs für den Hochaltar

1744 1744 1744 1744 1744/45 1744 1745 1745 1744/45 1745 1745 1745 1745/46

402

Anhänge

1746–1754

Erste Ausstattungsphase

1746/47 1747 1747 1747 1747 1747/48 1748 1748 1748 1749 1748–1749 1748

Einwölbung der Kuppel Mai, Beginn der Stuckarbeiten im Presbyterium durch Johann Michael Feichtmayr Schreiner Hanns Martin Hermann beginnt mit der Aufrichtung des Chorgestühls. Schließung der Vierungskuppel am 7. Juni Erste Bestattung im neuen Zömeterium (Baumann) Presbyteriumsfresko von Franz Joseph Spiegler Abschluss der Stuckarbeiten im Chor (Baumann) Chorfresko von Franz Joseph Spiegler ca., Ölskizze Franz Joseph Spieglers für die Kartusche der „Europa“ Kuppelfresko und Erdteile von Franz Joseph Spiegler ca., Entwurf zu den Querhausaltären Aufmauerung der Sockelzone des Hochaltars; Beginn der Aufrichtung des Hochaltars durch Johann Michael Feichtmayr Auftragserteilung an Spiegler für den Hochaltar Entwurf der Szene Chlodwig und Clothilde für das Langhausfresko gemäß einer erhaltenen Ölskizze Erlangung der Reichsunmittelbarkeit unter Abt Benedikt Mauz Querhausfresken durch Franz Joseph Spiegler Fertigstellung der Stuckarbeiten im Langhaus Abbruch des alten „Vorzeichens“ (Vorhalle und Fassade) Fundamentierung der neuen Vorhalle und Fassade 9. Juni, feierliches Dankfest anlässlich der erworbenen Reichsunmittelbarkeit Langhausfresko von Franz Joseph Spiegler Langhauskartuschen von Franz Joseph Spiegler Einwölbung der Kuppel Stuckfiguren der vier Elemente unter dem Kuppelfresko von Johann Joseph Christian Herstellung und Aufrichtung der Kreuze auf den beiden Türmen Fortsetzung der Arbeit an der Fassade (Anfertigung der Gesimse und Säulen, „welche der Bildhauer [Johann Joseph Christian] hat anfertigen müssen“) Aufrichtung des Dachstuhls über der Vorhalle, Anbringung des Kreuzes auf dem Giebel der Fassade Kartuschenfresken im Langhaus von Franz Joseph Spiegler Fertigstellung des Hochaltares, der Schleif- und Fassarbeiten, abgesehen von den Figuren und dem Altarblatt Erstmaliges Läuten der Glocken des Vorgängerbaus in der neuen Klosterkirche Aufrichtung des Dachstuhls über der Vorhalle Pflasterung des Chores durch Johann Georg Schultheiß aus Pfrontstetten Weihe am 18. Oktober. Spiegler, Christian und Feichtmayr verlassen Zwiefalten 31. Oktober, erstes Stundengebet im neu fertiggestellten Chorgestühl. Pflasterung des Langhauses durch Johann Georg Schultheiß aus Pfrontstetten Fertigstellung des Nordturms Aufstellung der von Johann Joseph Christian vor Ort gehauenen Figuren der hll. Stephanus und Aurelius auf dem Giebel sowie des hl. Benedikt und der Muttergottes in den Nischen der Fassade Fertigstellung und Anbringung des Hochaltarblatts durch Franz Joseph Spiegler; Aufstellung der aus Holz gefertigten Figuren über den Nebenportalen des Hochaltarblatts

1749 1749/50 1750 1750 1750 1750 1750 1750 1751 1751 1751 1751 1751 1752 1752 1752 1752 1752 1752 1752 1752 1752 1753 1753 1753 1753

Anhang 1: Daten zur Bau- und Ausstattungsgeschichte

1753 1753 1754 1754

403

Hochaltarbild von Franz Joseph Spiegler Errichtung eines provisorischen Kreuzaltares Einsetzen der Gitter und Verglasung der Fassadenfenster Einwölbung der Vorhalle

1755–1760 Zwischenphase 1756 1756 1757 1758 1758 1758/62 1759 1760

Beginn der Aufstellung des Chorgitters durch den Schlossergesellen Joseph Büssel (Herstellung im Bregenzer Wald); Einbau der Schlösser in den Portaltüren der Fassade Die von Johann Joseph Christian umgearbeitete spätgotische Madonna kommt wieder ins Münster. Fertigstellung des Chorgitters, Fassung durch Johann Georg Messmer 26. März, Osternacht, offizielle Aufnahme der Messfeier im Chor Abschluss der Stuckarbeiten in der Vorhalle durch Johann Michael Feichtmayr und seine Werkstatt Errichtung und Fassung des Kreuz- oder Herz-Jesu-Altares Letzte Verglasungsarbeiten an den Fassadenfenstern Fertigstellung des Gitters zwischen Vorhalle und Langhaus durch Johann Georg Jüngling von Gossenzugen

1763–1777

Zweite Ausstattungsphase

1763 1764 1765 1765 1765 1765 1766 1768–1769 1767/68 1768 1769 1769–1770 1768 1770 1770–1771 1770 1770 1772–1777 1771–1773 1773 1776 1787 1785 1789

Vorhallenfresko von Franz Sigrist Orgelfresko von Meinrad von Au Nikolaus Schmidler tritt die Nachfolge von Benedikt Mauz als Abt von Zwiefalten an (reg. bis 1787). Emporenfresken von Meinrad von Au Pflasterung der Seitenkapellen 1765 (Halder) Zweite Weihe des Kirchenbaus durch Bischof Roth von Konstanz (gemäß HOLZHERR 1887, S. 155) Kapellenfresken, Meinrad von Au ca., Altäre in den Seitenkapellen des Langhauses durch Johann Michael Feichtmayr und/oder Werkstatt Hochaltarbildfiguren von Johann Joseph Christian ca., Kanzelensemble von Johann Joseph Christian und Johann Michael Feichtmayr (nach Ottobeuren) Kapellenaltarbilder von Nicolas Guibal Beichtstuhlrückwandbilder von Franz Ludwig Herrmann ca., Kanzelensemble von Johann Joseph Christian und Johann Michael Feichtmayr ca., Querhausaltarfiguren von Johann Joseph Christian Passionsbilder über den Beichtstühlen in den Seitenkapellen ca., Stuckfiguren und Altarbekrönungen der Seitenkapellen durch Johann Joseph Christian ca., Beichtstühle von Johann Joseph Christian und Schreiner Hans Martin Hermann Aufstellung der Hauptorgel ca., Stuckfiguren für die Seitenkapellen durch Johann Joseph Christian (u.Werkstatt) ca., Ende der Tätigkeit Christians in Zwiefalten Abdeckbilder für die Katakombenheiligenschreine im Querhaus durch Bernhard Neher Tod Abt Nikolaus Schmidlers, Gregor Weinemer tritt die Nachfolge an ca., Ausmalung der Totenkapelle über dem Zömeterium Siebenhundertjahrfeier des Klosters Zwiefalten

404

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1802 1802 1803 1812 1876 1906 1974–1984 2003–2004 2004–2005 2007 2008–2009 2011–2013

8. September, Besitzergreifung des Klosters durch Württemberg 25. November–1. Dezember, Aufhebung des Klosters Tod des letzten Abtes Gregor Weinemer Nutzung der Klostergebäude als psychiatrische Klinik Restaurierungsarbeiten am Langhausfresko (Signatur: „Straub“) Restaurierung der Fassade Umfassende Restaurierung (Ingenhoff) Restaurierungsarbeiten am Zömeterium (Wandflächen und Neueindeckung) Vierung: Dachsanierung Chorraum: Dachsanierung und Neueindeckung Schiff: Neueindeckung Sanierung der Westfassade

Anhang 2: Konzeptfragmente

Übersicht über die Konzeptfragmente CH I – Konzept für Chorfresko und Hochaltar, um 1744 In pavimento, quod imminet arae princip[al]i Entwurf für den Hochaltar in einer nicht realisierten Fassung, teilweise in das Presbyteriumsfresko eingegangen. Die Idee für das Chorfresko ist in diesem Fragment bereits enthalten und weitgehend umgesetzt. Eine weitere Präzisierung des Themas in einem möglicherweise nicht enthaltenen Fragement ist unwahrscheinlich. Dem Chorfresko mit dem Titel Martyrium und wundersame Wiederbelebung der Benediktiner des englischen Klosters Magi wäre nach der Untersuchung von Peter Stoll der korrekte Titel Martyrium und wundersame Wiederbelebung der Mönche des irischen Zisterzienserklosters Monasteranenagh an die Seite zu stellen (vgl. Kap. 15.1). Das hier geschilderte Thema des Altarblattes (Transfiguration des hl. Bonitus) wandert in modifizierter Form (Der hl. Bonitus, Benediktinerabt von Monte Cassino, erhält von Maria das Pluviale) in das Presbyteriumsfresko ein. Das Presbyteriumsfresko wurde wohl bereits 1747 fertiggestellt oder in Angriff genommen. Damit liegt ein terminus ante quem vor. Wahrscheinlich datiert das Fragment in die erste Planungsphase, eventuell noch vor dem Stellenantritt von Benedikt Mauz als Abt von Zwiefalten. Autor: unbekannt, möglicherweise Benedikt Mauz, jedoch noch nicht mit den präzisen Angaben der nachfolgenden Fragmente. LA I – Konzept für das Langhausfresko, um 1744 Navis Ecclesiae. Dises stellet vor… Erstes Konzept für das Langhausfresko, zusammenhängend mit CH I. CH I und LA I fallen in die erste Entwurfsphase für die Ausstattung der Klosterkirche. Die Grundidee, den hl. Benedikt als Apostel des Okzidents zu propagieren, ist bereits vorhanden. Auch ist von einem Muttergottesbild die Rede, das der hl. Placidus in den Händen trägt. Hierbei könnte bereits auf das Gandenbild von San Benedetto in Piscinula angespielt sein. Ein expliziter Zusammenhang zwischen Benedikt, Marienverehrung und Muttergottesbildverehrung ist hier noch nicht hergestellt. Autor: unbekannt (vgl. CH I und die Bemerkungen zu LA II). LA II – Konzept II für das Langhausfresko, um 1749/50 Pro 4ta parte, Inventores diversorum modorum… sowie Pro 5.ta Parte Apostoli Mariani Ausführliche Beschreibung des Personals für das Langhausfreskos in einer ausgearbeiteten Entwurfsphase. Passagen wurden der Benediktinerliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts mit genauen Nachweisen übernommen und für eine nicht erhaltene Reinschrift durchgestrichen. Der vierte Teil listet Autoren Marianischer Schriften und Hymnen. Der fünfte Teil nennt Missionare und Apostel der Verbreitung der kultischen Verehrung Mariens. Hier liegt der Schwerpunkt bei der bildmäßigen Verehrung Mariens. Geht man davon aus, dass LA II zu einem späteren Zeitpunkt als LA I entstanden ist, so ist von folgender Gliederung für das Langhausfresko auszugehen:Teil 1:Trinität;Teil 2: Maria und das Bild Mater Monachorum/San Bene-

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detto in Piscinula,Trastevere;Teil 3: Ordensgründer Benedikt und Scholastika;Teil 4: Himmlische Szenen: Autoren marianischer Hymnen und Schriften;Teil 5: Irdische Szenen:Verbreitung des Marienkultes, unter besonderer Berücksichtigung des Bilderkults. Teil 1 und Teil 2 sind in LA 1 bereits genannt, jedoch ohne das Bild Mater Monachorum, das auch in LA II nicht erwähnt ist. Insgesamt findet sich in LA I noch keine Akzentuierung der Marienverehrung. Daher ist Konzeptfragment FR auch als kompaktes Ergebnis einer schrittweisen Präzisierung zu lesen. Erst LA II gibt die Verbindung von Benedikt- und Marienthematik zu erkennen. Die Teile 1–3 sind als Überarbeitungen von LA 1 nicht mehr erhalten. Zeitlich fällt das Fragment wohl in den Beginn der ersten Ausstattungsphase. Autor: Benedikt Mauz. KU – Konzept für die Kuppel, um 1746/47 Concept für die Grosse Cuppen, und 4 anstossende Zwickhel… Konzeptentwurf zum Kuppelfresko, ohne die Vier Elemente. Beschreibung der Gesamtidee und Liste des darzustellenden Personals. Aufgeführt sind zehn Personengruppen und rund 130 Personen. Hinzu kommen die zwölf Apostel, die vier Evangelisten sowie weiter Untergruppen. Insgesamt hatte Spiegler mit einer Gesamtzahl von rund 160 Einzelfiguren zu rechnen.Tatsächlich ausgeführt sind über 220 Figuren. Das Fragment dürfte um oder kurz nach der Einwölbung der Kuppel (1746/47) zu datieren sein. Autor: Benedikt Mauz. EL I – Konzept I für die Vier Elemente unter dem Kuppelfresko, um 1749 Der Englische Vorsteher des Feürs,Würd vorgestellet mit auf dem Haubt… Konzeptentwurf zu den Vier Elementen in ausgearbeiteter Form. Autor: Benedikt Mauz. KA IV – Konzept für die Kartuschenfresken, um 1749/50 Cultus Mariani 4 proprietates… Zusammenhängend mit EL I, jedoch möglicherweise etwas später verfasst, stichwortartige Beschreibung der vier Kartuschenfresken im finalen Entwurfsstadium. Die Fertigstellung der Langhauskartuschen fällt in das Jahr 1751. Autor: Benedikt Mauz. EL II – Konzept zu den Vier Elementen, um 1748 Concept Für die 4. Elementen, Feür… Beschreibung des Elements Feuer in einer nicht abgeschlossenen Reinschrift. Darunter findet sich ein Briefentwurf: Der Autor, wohl Benedikt Mauz, teilt seinem Korrespondenten mit, daß er beabsichtigt, in diesem Monat („huius“) zum Namenstag des Propstes in Mochental zu sein und man sicht dort an einem Donnerstag Vormittag verabreden könnte. In Bezug auf das Treffen ist die Rede von einem Donnerstag, einem Freitag und einem 28, vor dem Namenstag wohl des Probstes („anticipando“), was bedeutet, dass der Namenstag nach dem 28. liegt. Dabei werden auch Namen genannt, P. Kuglmeister (zweite Spalte, rechts) und P. Grystheller (unten), die im Professbuch von Zwiefalten (LINDNER 1910) nicht gelistet sind. „Quid vobis videtur?“ („Was haltet Ihr davon?“), so fragt der Verfasser. Da Franz Sales Zehetner der Probstei Mochental erst ab 1750 vorstand und dessen Namenstag auf den 24. Januar fällt, ist wohl eher von dem Vorgänger Zechetners, von Gabriel Rottmund (LINDNER 1910, S. 68) auszugehen, dessen Namenstag auf den 29. September fällt. Es könnte sich bei dem Namenstag also um Sonntag, den 29. September und bei den Terminvorschlägen für das Treffen um den Donnerstag oder Freitag, den 26. oder 27. September 1748 handeln. Die Stuckfiguren werden zwar erst im Jahre 1751 aufgestellt (vgl. PAULUS 1888, S. 182), allerdings sind Spieglers Arbeiten an der Kuppel und an den Erdteilen bereits 1749 abgeschlossen. EL III – Konzept zu den Vier Elementen, um 1749/50 Englische Vorsteher, Des Feürs, Es würd dieser vorgestellt… Reinschrift oder Abschrift einer Reinschrift. Autor: Benedikt Mauz.

Anhang 2: Konzeptfragmente

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KA I – Konzept für die Kartuschenfresken im Langhaus, um 1748 Für die 4 Seithenfelder in dem Langhaus… Zusammenhängend mit EL III und etwa gleichzeitig verfasst. Entwurf zu den Kartuschenfresken im Langhaus in einem frühen Stadium. In diesem Stadium waren noch männliche Marienverehrer wie Gregor d. Gr., Hermann Contractus, etc. vorgesehen. Diese Variante hätte zu unerwünschten Doppelungen mit dem Langhausfresko geführt. Autor: Benedikt Mauz. KA II – Konzept für die Kartuschenfresken im Langhaus, 1749 In denen 4 Seithen felder Unter dem Grossen Plavon des Langhauses… Zweites erhaltenes Konzept zu den Kartuschenfresken im Langhaus, ähnlich wie KA I, mit einigen Änderungen. In der rechten Spalte findet sich ein mit KA II nicht zusammenhängender Briefentwurf, der sich in EL I fortsetzt. In dem Brief ist, wie schon HOSCH 1992 erwähnte, von den hohen Kosten für die „anvertraute Braut Christi, scilicet Mein Gotteshaus“ und für die zu erwerbende Reichsunmittelbarkeit („auslosungswert a nexu Wurttemberg“) die Rede. Oben, in der rechten Spalte von EL I schreibt der Autor von einer bevorstehenden Primiz anläßlich „St. Martini“ (11. November), was eine späte Datierung innerhalb des wahrscheinlichen Jahres 1749 nahelegt. Am Ende des Briefentwurfs folgt auf der rechten Spalte von EL I das knapp gehaltene Fragment KA IV. Autor: Benedikt Mauz. KA III – Konzept III die Kartuschenfresken, 1749/50 Die Ehrforcht. Die Von denen Englen… Aufgeführt sind Beschreibungen für die später realisierten Allegorien Ehrfurcht und Vertrauen. Zudem enthält das Fragment den Entwurf eines nicht realisierten Chronogramms. Inhalt:Verbreitung des Marienkultes in der Abtei und im Kollegium von Zwiefalten; aufgrund der Streichungen nicht eindeutig lesbar. Es bestand zu diesem Zeitpunkt offenbar die Absicht, die vier Eigenschaften des Marienkults stärker an Zwiefalten und dessen Klostergeschichte zu knüpfen. Kurz vor KA IV entstanden. Autor: Benedikt Mauz. FR– Konzept für das gesamte Freskenprogramm, 1747/48 Supra Presbyterium S. Bonitus B. M.V. Sacellanus… Konzeptblatt mit Gesamtplant für die Fresken der Klosterkirche von Zwiefalten ohne Kartuschenfresken in den Zwickeln des Langhauses.Wahrscheinlich kurz vor der Freskierung der Kuppel entstanden. Autor: Benedikt Mauz. AL I – Konzept für das gesamte Altarprogramm, 1747/48 In Summa Ara Maternitas B.V. 2dum Matthaeum… Konzeptblatt für die Altäre, steht in Bezug zu FR. Nach CH I (1744) und vor Auftragserteilung an Franz Joseph Spiegler für den Hochaltar (1749) entstanden. Der Münchner Hofmaler Balthasar Augustin Albrecht war zu jenem Zeitpunkt noch für das Hochaltarbild erstplatziert, was wohl im Kontext der Vorentwürfte Johann Baptist Straubs für den Hochaltar (1744/45) zu sehen ist. Um 1755 arbeiteten Straub und Albrecht zusammen für die Neuausstattung der Abtei Schäftlarn. Johann Baptist Straub liess sich 1763 von Balthasar Augustin Albrecht malen. Autor: Benedikt Mauz. EM I – Konzept I für die Emporenfresken, um 1748 Maria Consolatrix Ord. S. B. S. Godricus in… Konzeptblatt für die Emporenfresken, die später (1765) von Meinrad von Au ausgeführt wurden. Blatt unvollständig oder abgebrochen. Einige der im Konzepfragment enthaltenen Ideen wurden realisiert. Autor: Benedikt Mauz. EM II – Konzept II für die Emporenfresken, um 1748/49 1. MARIA Fundatrix Ord. S. Ben... Konzeptblatt für die Emporenfresken, mit Ausführungen für möglicherweise zehn Kapellen. Daher hypothetisch vor dem

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Bau der Vorhalle, bzw. vor den hiermit verbundenen Planänderungen von 1749 zu datieren. Drei Themen wurden in der beschriebenen Form umgesetzt. Autor: Benedikt Mauz. EM III – Konzeptentwurf III für die Emporenfresken, um 1750 Concept über die 8. Felder ob der Gallery In dem Neuen Münster… Ausgearbeitetes Konzeptblatt. Drei Themen wurden in der beschriebenen Form umgesetzt. Die räumliche Anordnung der Emporenfresken ist konkretisiert. Die Planungen für die Vorhalle, aus denen sich je vier Felder für die Emporen ergeben, scheinen abgeschlossen. Autor: Benedikt Mauz. EM IIIa – Detail zu Konzeptentwurf III für die Emporenfresken, um 1750 Concepte Welche in denen felderen ob der Gallerie Vorzustellen seynd… Variante zu EM III, jedoch unabgeschlossen. Autor: Benedikt Mauz. EM IIIb – Detail zum Konzeptentwurf III für die Emporenfresken, um 1750 Concept für die Gemählde auff der Gallerie der zwyfaltischen Münster-Kirch… Variante zu EM IIIa, jedoch unabgeschlossen. Fundatrix-Motiv in dieser Form nicht realisiert. Die wiederholten Anläufe beim Entwurf der Emporenfresken deuten auf einen längeren und stockenden Entwurfsprozess hin. Autor: Benedikt Mauz. OR – Konzept zum Orgelfresko, um 1762 Concept In dem breitten feldt ober dem Orgel-Chor auszuführen… Diese Blätter wurden nicht von Benedikt Mauz geschrieben, möglicherweise aber von ihm diktiert. Sie kommen dem realisierten Orgelfresko (1764) sehr nahe. Autor: Benedikt Mauz oder Sekretär? Als Sekretär kommt Franz Xaver Stapff in Frage (LINDNER 1910, S. 68). VO I – Konzept I für das mittlere Vorhallenfresko, um 1762 Concept In dem grossen Feld des Propilaei oder – Vorzeichens vorzustellen… Konzept für das im Jahre 1763 von Franz Sigrist ausgeführte mittlere Vorhallenfresko. Die Blätter hängen mit Fragment OR zusammen. Die Vorhalle wurde 1754 eingewölbt. Ab diesem Zeitpunkt wäre mit einem schriflichen Entwurf zu rechnen. Es spricht jedoch manches dafür, dass zu diesem Zeitpunkt keine konkreten Ideen für die Gestaltung der Vorhalle vorlagen Verantwortlich waren hierfür möglicherweise Schulden im Zusammenhang mit der erworbenen Reichsunmittelbarkeit und den gesamten Bauarbeiten. Zudem hatten die wichtigen Künstler Zwiefalten bereits 1752 verlassen. Die bauliche Fertigstellung der Vorhalle steht am Anfang einer Zwischenphase, in der nur wenige Ausstattungsarbeiten vorgenommen wurden (vgl. Anhang 1: Daten zur Bau und Ausstattungsgeschichte). Somit ist wahrscheinlich, dass die Konzeptfragmente in den Beginn der zweiten umfangreichen Ausstattungsphase fallen, also um 1763 zu datieren sind. Mit dem gebotenen Vorlauf für die Ausführung lässt sich für das Fragment VO und damit auch für OR das Jahr 1762 annehmen. Die Fragmente stammen ebenfalls nicht aus der Hand von Benedikt Mauz. 1765 tritt Abt Nikolaus Schmidler die Nachfolge von Mauz an. Autor: Sekretär von Benedikt Mauz? VO Ia – Anmerkungen zum Entwurf für das mittlere Vorhallenfresko, um 1762/63 Anmerkhungen Über das Grössere Feld in dem Propilaeo… Die Anmerkungen zu einem Entwurf für das zentrale Vorhallenfresko sind wohl kurz vor der definitiven Ausführung des Freskos im Jahre 1763 entstanden. Der Text nimmt auf konkrete Details eines Bildentwurfs Bezug und beschreibt hauptsächlich die Allegorie der Gewalt. Die Anmerkungen stammen wahrscheinlich aus der Hand des bereits über siebzigjährigen Benedikt Mauz, der 1765 stirbt.

Anhang 2: Konzeptfragmente

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VO Ib – Anmerkungen zum Entwurf für das mittlere Vorhallenfresko, um 1762/63 Die Gewaltäthigkeit Ist ein Vor zohrn rasendes weib mit einem Helm… Zu VO Ia gehörende Anmerkungen zum Entwurf für das mittlere Vorhallenfresko. Der Text beginnt erneut mit einer Beschreibung der Allegorie der Gewalt. Stellenweise wird konkret auf einen Entwurf Bezug genommen (Bey der Hungers-Noth seynd die Kindlein für derley umständ zu Leib–völlig oder, Fett,). Autor: Benedikt Mauz. AL II – Altarentwurf für das Altarbild des hl. Aurelius, 1744 Copia der den 19. Noveb.: 1744. Ibersehnten Mässerey… Entwurf für den Rahmen des Altarbildes des Hl. Aurelius in der Aureliuskapelle. Der Entwurf fällt in die Zeit der Vorentwürfe Johann Baptist Straubs, also dem Beginn der Ausstattungsplanungen. Die Mauern waren höchst wahrscheinlich erst 1745 vollständig hochgezogen. Der Entwurf macht deutlich, dass dem hl. Aurelius von Beginn an ein repräsentativer Platz zukommen sollte. Autor: Benedikt Mauz. EP – Drei Notizblätter zu den Epitaphen der Klostergründer von Achalm, um 1750 Luitholdus Comes ab Achalm… Entwürfe zu den Epitaphen der Klostergründer Luithold und Cuno von Achalm. Es ist unklar, ob die Entwürfe mit den Ausstattungsarbeiten im Chorraum im Zusammenhang stehen oder möglicherweise doch später zu datieren sind. Autor: unbekannt.

NB1087 Concept für die Fresco-Gemähld.1088

1087 Abk. „Nota Bene“. 1088 Erste eingehende Beschäftigung mit den Konzeptfragmenten bei HOSCH 1992, S. 85 f. Erste Transkription der deutschsprachigen Konzeptfragmente KREUZER 1964, S. 105–108. Untersuchungen zu den Konzeptfragmenten zum Vorhallenfresko bei VETTER 1981 sowie zum Chorfresko und zu einzelnen Szenen des Langhausfreskos bei STOLL 2008.

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CH I – Konzept I für Chorfresko und Hochaltar, um 1744, 1r 1089 In pavimento,1090 quod imminet arae princip[al]i exhibetur S. Bonitus Episcopus Ordinis S. Benedicti Bmae V. Mariae à Sacrificijs, vulgo Capellanus. Anno Christi 685. Diese Jahrzahl Kan, in dem bildt, v[erbi]. g[ratia]. an einem Stuehl ausgetruckhet werden. Das Altarblath,1091 wan es anderst der Raum leidet, stellet vor Transfigurationem Domini. S. Bonitus in habitu Monastico stehet vor dem Altar gleichsam als wolte er das Humeral anziechen. Die Engel seind beschäftiget ihme die andere Priesterliche Kleider darzubiethen. Die Seligste Jungfraw kniet von fern von dem Altar auf einem bettstuhl, um welchen herum das Himmlische Frawenzimmer, benantlich Catharina, Agnes beschäfftiget seind Ihrer Königin aufzuwarthen. S. Martha und Magdalena Zaigen Ihr vor ein weisses Messkleid als ihre Handarbeith, welches nach vollendter Heiliger Mess dem Heiligen Bonito als Marianischen Capellano Zu wohlverdienten Praesent solle verehret Werden. in dem Lufft mag die Englische HoffCapell nach belieben musicieren.1092 Ober dem Chor1093 sihet man folgende Histori, so sich in dem 16.ten Saeculo in Engelland in dem Closter Magi ord. S. Bened. Zugetragen Zu Zeiten der Königin Elisabeth. Man sihet einen formlichen Chor vor dem grossen Hochaltar, in welchem

1089 Eingrenzung der Datierung: Beginn der Arbeiten am Chorgestühl (1744); entstanden wohl vor den Vorentwürfen von Johann Baptist Straub für den Hochaltar (1745), dessen Rahmung eine Verkündigungs- und damit der finalen Fassung verwandtere Szene nahelegt; Konzept möglicherweise noch von Stegmüller oder einem Sekretär verfasst (bis 1744); vor Ausführung des Presbyteriumsfreskos, für welches das beschriebene Programm letztlich übernommen wurde (1747). 1090 Fresko Presbyterium. 1091 Die Beschreibung des Altargemäldes ist evtl. auch Gegenstand des Vorentwurfs für den Hochaltar durch Johann Baptist Straub. 1092 BUCELIN 1655, S. 43. 1093 Gemeint ist das Mönchschorfresko.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

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1v Assumptio Virginis Zusehen. vor dem Altar Kniet ein Benedictiner Mönch mit ausgespanten Armen bettend. ober dem Altar, oder der Evangely seiten Zaiget sich die seeligste Jungfraw mit Etlichen Heiligen und Englen, deren einer disem Religiosen mit einem Schweißtuch die Thränen abstreichet. Hinter Ihme herab Zaigen sich beede Seiten des Chors, also das alle Zechen auf einer Seiten mit theils abgehawenen, theils mit tödtlich verwundeten Häupteren, und Zerstimmleten glideren auf dem boden ligen. Auf der anderen seiten seind die Engel beschäfftiget die abgesönderte Häupter auf die Häls, und andere abgestimmlete glider an sein orth Zuestellen, und die ermordete Religiosen in ihr Chorgestüehl widerum Zuerheben, und Zustellen.1094 [LA I = Konzept für das Langhausfresko, um 1744] Navis Ecclesiae. Dises stellet vor, was massen S. P. Benedictus ob Singularem cultum Marianum von Gott seye erkisen worden zu seyn ein Patriarch und Apostel des Occident. in dem schildt des schwibbogen mag folgendes mit sichtbarlichen Buechstaben geschriben werden: S. Benedictus Patriarcha & Apostolus Occidentis. Zu allerhögst erscheinet die heilige Dreyfaltigkeit, vor welcher 2. Engel die Erdkugel tragen; Jeder hat einen hellglanzenden stern auf seiner Hauptzierd, nemlich Posphorum & Hesperum, Zu zaigen, das diese 2. Engel seyen Angeli Praesides Orientis & Occidentis. Christus in einer

1094 Vgl. BUCELIN 1671, S. 261 f., Ann. Chr. 1578: „Stupendo & memorabili imprimis exemplo quadraginta Magiensis in Hybernia Coenobij Monachi cum suo Abbate, ipso pervigilio Assumtpae Virginis ab haereticis in Choro ante Venerabile Sacramentum agonem suum Domino commendantes...; BUCELIN 1655, S. 564 f., 14 August: “In Hibernia, passio quadraginta Monachorum Caenobii Magiensi… […] Nosti Virgo purissima, unica Domina & Protectrix nostra....”. Dieselbe Begebenheit ist zitiert bei dem auf Bucelin sich beziehenden RANBECK 1677, III, S. 427–434. STOLL 2008/2011 verfolgt von hier aus die Spur zurück zu: Crisóstomo Enriquez [von Ranbeck aufgrund Bucelins falscher Angabe fälschlicherweise als (Angel) Manriquez bezeichnet]: Fasciculus Sanctorum Ordinis Cisterciensis, Brüssel 1623/24, S. 358–362 und schließt daraus auf das irische Zisterzienserkloster Monasteranenagh/Magium, das 1540 aufgelöst wurde.

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Anhänge

2r [einer] hand das Heilige Creüzzaichen haltendt befeuchtet die Erdkugel mit seinem heiligsten seiten-Bluth ein klein wenig unter und neben Christo auf der linkhen seiten dem Spectatori |: id est, wan man das angesicht gegen dem Hochaltar wendet auf der linkhen, das ist Evangely seiten : | stellet der heilige Joan. Baptista; welchen Elias und Elisaeus beglaiten Christo den heiligen Basilium vor in seinem Habitu Monastico. in der hand Er seine Regulas Breviores & brevissimas. als Zuseher siehet man etliche heilige Mönch Paulum & Antonium, wie auch bischöff Gregorium Nazianzenum, & Nyssenum. sovihl circa Orientem. Das ubrige Spatium Orientale wird absque discrimine1095 mit einigen aus folgenden Subjectis alternative angefüllet. Ad Occidentem, id est Zur rechten Hand, stellet die seeligste Jungfraw mit S. Joseph beglaitet Christo den heiligen Benedictum vor. Diser haltet in der hand das Buech Ausculta.1096 Seine augen seind völlig in die Weltkugel entzuckhet. Hinter Ihme stehen 2 Römische Jüngling Maurus und Placidus cum Eutropio & Tertullo parentibus. S. Placidus tragt in der Hand das Marianische Mutter Gottes Bild.1097 Weiter herunter stehen im gyro herum alle Heilige, der erste gyrus Zaiget in seiner helffte, wie der heilige Maurus Viris Principibus, die heilige Scholastica foeminis illustribus abjecta pompa Saeculari den heiligen Ordens Habit darbiethet. Der zweyte Crais zaiget alle heilige Ordensstüffter der jenigen Orden und Congregationen, so aus dem Benedictiner Orden

1095 „ohne Zwischenraum“. 1096 Die Anfangsworte der Benediktregel: „Ausculta o Fili”/ „Höre mein Sohn”, HOLZHERR 2005, S. 41. 1097 Möglicherweise ist in dieser Stelle die Grundidee für die Darstellung der Mater Monachorum im Langhausfresko angelegt.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

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2v entstanden. enumerantur in Lexico Universali Lypsiensi v[el| Basileensi Litt. B. unter disen seind auch einige Ordines Equestres,1098 als Equitum Christi ordo apud Lusitanos. Ordo Equitum Calatravae. Ordo Equitum Alcantarae, de quibus videatur Beyerlinck in Theatro Litt. E. fol. 332. & 334.1099 Die noch ubrige Spatia, und gleichsam Regiones Terrestres können mit folgenden factis ausgefüllet werden. N. 1. mo Der Heilige Gregorius M. als ein Benedictiner Mönch wird wider seinen willen von dem Cardinals Collegio auf den Altar gesezt, und als Pabst angebettet. N. 2.do Der Kayßer Henricus posito diademate fallet Gregorio 7.timo Zu füssen, und bittet von dem Kirchen bann loosgesprochen Zuwerden. N. 3.tio Der Heilige Landfrancus eine Monstranz in Händen tragendt disputiert wider den Erzkezer Berengarium: der Heilige Anselmus wider einen Griechen, der heilige Ildephonsus alle 3. Erzbischöff wider Helvidium. N. 4.to In einem grossen Disputations Saal Zaiget sich der heilige Beda auf einer Professur Kanzel gegen uber gleichfahls der heilige Hermannus Contractus. unten herum sizen Allerhand Gaist- und Weltliche Auditores in der Kleidertracht selbiger Zeiten. N. 5.to Auf dem Meer streiten obgedachte Ordines Equestres in

1098 ZEDLERS UNIVERSALLEXICON 1742, Bd. 31, s.v. „Ritterorden“ (Equestris Ordo) , Sp. 1784: „Ausser denen bisher erzählten geistlichen der Johanniter-Ritter, der Deutschen Ordens-Brüder, sind die vornehmsten und mächtigsten, die Ritter von St. Jacob Calatrava und Alcantara in Spanien, die Schwerdt-Trägerin Liesland, die Ritter beatae Virginis annunciatae zu Mantua und unterschiedene andere, von deren Verfassung, Ordens-Regeln und Geschichten unter ihren absonderlichen Artickeln mit mehrerem nachzulesen ist.“ Hinweis auf Bezug zum Benediktiner bzw. Zisterzienserorden im LThK. 1099 Laurentius Beyerlinck: Magnum Theatrum Vitae Humanae: Hoc Est, Rerum Divinarum Humanarumque Syntagma Catholicum, Philosophicum, Historicum et Dogmaticum; Nunc primum ad normam Polyantheae Cuiusdam Universalis..., Coloniae Agrippinae (Hierati) 1631. [2.–5. Aufl. 1631, 1665 [Lugduni] 1678 und 1707], s.v. „Equites. Equestres“, S. 307–354; S. 332–334: Ordo Equitum Calatravae in Regno Toletano; Ordo Equitum Alcantarae in Regno Legionis; Ordo Militum Jesu Christi a S. Dominico Contra Albigenses haereticos institutus; Ordo S. Mariae de Mercede, et Redemptione Captivorum apud Arragonis celebris; Ordo Equitum Beatae Mariae Gloriosae apud Italos; Ordo Equitum Montesiae in Regno Valentiae; Equitum Christi Ordo apud Lusitanos; Militia Bandae, et Scamae apud Hispanos, et Calzae apud Venetos, et S. Marci; Ordo Equitum Avisorum volgo de avis in Lusitania.

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3r velis crucem S. Benedicti habentes wider die Saracener. N.6.tò Gegen uber Zu Land Zaiget sich der heilige Aemilianus Hispaniae Apostolus in der Lufft streitendt wider die Mohren. N. 7.timò In einer Insul tauffet der spanische Benedictiner Joannes Buellius die erste Americanische Newling.1100 N. 8.vò Gegen uber in einem Meerport, oder potius ad Ostia Tiberina Zaiget sich der grosse Pabst Gregorius, da er 2. Engelländische Knäblein seinen Lehrjüngeren Laurentio & Augustino anverdrawet. Dise alß Missionarij seind im begriff würckhlich das schiff zu besteigen, und unter seegel Zugehen N.9.nò Der heilige Anscharius ist beschäfftiget die Nordische Länder durch Predigen zu dem Evangelio zu bekehren. Es kan sich auch der Heilige Rupertus das Oettingische Marienbild in händen tragendt sehen lassen. Die Gözenbilder werden zerstöhret, die haidnische Tempel angezündet.1101 N. 10mò Gegen uber wird der Sackhsische Fürst Witechindus in gegenwarth Caroli M. mit seinen ganzen Armee von einem Benedictiner Mönch getauffet. Ein Engelein beschüttet mit dem wasser das sackhsische wappen also, das das schwartze pferdt allgemach weiss erscheinet. I. O. G. D.1102

1100 Möglicherweise Langhausfresko, westliche Randzone (D2). 1101 Langhausfresko F5 und E2. 1102 Zum alten benediktinischen Wahlspruch nach der Benediktregel Kap. 57 (vgl. auch 1 Petr 4,11) „Ut in omnibus glorificetur Deus“ (‚auf dass in allem Gott verherrlicht werde‘) . J. Uttenweiler, Art. „Ut in omnibus glorificetur Deus“, LThK 2X, Freiburg 1938, Sp. 464. Freundlicher Hinweis von Mechthild Pörnbacher.

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LA II – Konzept II für das Langhausfresko, um 1749/50, 1v Pro 4.ta parte1103 Inventores diversorum modorum colendi B. M.V. Item promotores S. Joscio Author Cultus Nominis B.M.V. Eisvogl 30.Nov.1104 S. Petrus Eremita à Cruciata nobilis, dicitur primus invenisse modum orandi rosarium ad numerum globulorum. Ars bon. mort. 24. Iul. ex Ranbeck. 1105 S. Urbanus II. Pont. max. Cursus Mariani Author Zelosissimus. Eisvogl 29. Iul. 1106 S. Edmundus Author Orationis illius O Intemerata. Author ternae Salutationis Angelicae ad pulsum campanae1107 S. Hermannus Contractus Author Antiph. Salve Regina et Alma Redemptoris etc. Ars bon. mort. 19. Iul. ex Ranbeck. 1108 S. Bernardus Claravall. Author Hymni Ave Maris Stella. S. Author Hymni: Omni die die Mariae etc. Mart. Bened. S. Gregorius M. Author Antiph.Regina Coeli. Item Rithmi Stabat Mater. Item Missae B.M.V. in Sabbatho. Buc. f. 24.1109 S. Ildephonsus instituit triduanas Lytanias ante festum assumptae Virginis. Buc. f. 331110 S. Petrus Damiani Card[inalis]. Episcopus Sabbathum ut honori B.V. M. esset Sacrum, author fuit, et ingens promotor Cursus seu Officii Mariani. Idem non alibi, quam in Monasterio B.V. dicato mori voluit. Ars. Bon. mort. et Eisvogl 22. Febr. 1111 Videatur etiam Martyrol. Benedict. german. eodem die.1112

1103 Langhausfresko, Himmelszone (D/E 6–7). 1104 EISVOGL 1723, 30. November, S. 570 f. 1105 HEVENESI 1695, S. 20: „18. Juli zu Hermannus Contractus“ nach Ranbeck. Vgl. auch: Calendarium Benedictinum, Pars III, Augsburg 1627, S. 240–249. 1106 EISVOGL 1723, 29. Juli, S. 230 f. 1107 Übersetzung: „dreifach, je drei“, bezogen auf „salutationis“, Verfasser des dreifachen englischen Grußes beim Läuten der Glocke, „Der Engel des Herrn“, wird dreimal am Tag gebetet, vor allem beim Mittagläuten. 1108 Calendarium Benedictinum, Pars III, 196-198. Das „Ave Regina Coelorum“ wurde ebenfalls Hermannus Contractus zugeschrieben. 1109 BUCELIN 1671, S. 24: „Creditur idem Gregorius Author primus Missæ B. M. V. in Sabbatho, cujus etiam Mariani amoris æternùm manet apud fideles symbolum, condolentissimus ille Matri Virgini Rithmus: Stabat mater dolorosa etc. & plurima alia ejusmodi monimenta.“ 1110 BUCELIN 1671, S. 35: „Hyspaniam illustrat mirificè S. Ildephonsus sive Alphonsus noster, Agaliensis Cœnobij Abbas, posteà Archiepiscopùs Toletanus, Deiparæ & in utero Matris amantissimus, qui libro insigni tantæ Amatricis suæ laudes describit, quem ipsa Cælitum Regina, eo prægnanti Matri prænunciavit, & quantus futurus esset Ildephonsus, commendavit.“ 1111 HEVENESI 1695, S. 54; EISVOGL 1723, 22. Februar, S. 228–230. 1112 Langhausfresko, Zentrum (C–E/6–7).

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1r S. Gregorius M. Anglorum Apostolus dimittit sanctos Augustinum, Mellitum, etc. etc. in Angliam, qui iam actu naves conscensuri videntes * dum interim * servis sarcinas importantibus S. Pontifex aliquot adolescentibus Anglis benedicit, alterà manu ijsdem extradit imaginem B.V. à S. Luca picta, quam isti venerabundi excipiunt. S. Rupertus Boiorum Apostolus et author peregrinationis Oettinganae. 27. Mart. Eisvogl, ars bonae mortis etc. 1113 S. Brandanus Abt Abbas primus ad insulas Fortunatas appulit felicior Columbo, quia Fortunatas non invenit, sed fecit; B.Virginem insigniter amavit, à qua et ad coelum invitari meruit. Idem totum peregrinationis suae tempus libro complexus, eundem Arae B. M.V. impositum Deo et Coelorum Reginae consecravit. Eisvogl 18. Maij. fol. 408 et 409.1114 S.Wolfgangus Regni Hungarici vere Mariani primus Apostolus Henrici Imperatoris Magister et institutor, qui solus imperium Marianis Basilicis et coenobiis implevit.

1113 HEVENESI 1695, S. 88; Langhausfresko F5. 1114 EISVOGL 1723, 18. Mai, S. 408 f.; Langhausfresko Westen (D 2).

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2v Pro 5.ta Parte Apostoli Mariani, qui in provincijs â se conversis Cultum Marianum concionibus, erectionibus Imaginum eiusdem, aedificationem monasteriorum, templorum etc. promoverunt. S. Bonifacius, Germaniae Apostolus plurimis in locis imaginis Mariae idolis Substituit. Ars. Bon Mort. 5. Iun.ex Nadasi. 1115 S. Gallus Helvetiae Apostolus Mariani honoris Ursus, iubente S. Gallo, idola praecipitat, conStudiosissimus, idolis dirutis huius imaginem fringit etc. quibus Meinradus substituit Imasubstituit etc. Ars. Bon. mort. ex Nadasi an. Coel. 1116 ginem M.Virg. Einsidlensis, quam diverso S. Leopardus psalterij usum in Germanias situ et in diversu habitu venerantur Helveti, aliaeque usque profert, et nobilissimarum provinciarum nationes. 1117 Alsatiam locupletiore uberioreque omnium fructuum Proventu beat. Ubi Deiparae ope gentiles ad christiana sacra vocat. Bucel. in chronologia Beneditino Mariana ad annum Christi 550. fol. 13. 1118 S. Gerardus, Episcopus Chanadensis, Hungariae Apostplus Visitur Ara, in qua Imago thaumaturga S. Stephano Author fuit, ut regnum faceret Mariae cum inscriptionae: Vectigale, Hungari illam, et quidem non nisi lunato Dominae nostrae. Huic S. Stephanus Rex Genu et nudato capite Dominam nostram nominarent, genu flexus coronam et Sceptrum offert. ponè illiusque arae –pepetuuum Thymiama adoleretur. aram ephebi thus adolentes. circum circa Eisvogl 24. Sept. Ars bon. mort. 1119 eodem venerabundi Hungari etc. hortante ad S. Maurus Psalterij Mariani Apostolus in haec S. Gerardo. 1120 Gallia. Bucel. in Chronol. Ben. Mar. ad Annum 544. f. 12. 1121 S. Clotildis Clodovaei regis et coniugis ad fidem S. Clotildis extradit rosarium precatorium Conversionem multis à Deipara precibus impetravit: Clodovaeo, qui calcato idolo insistens mox illi proinde omnis, qui floret in Gallia, Mariae cultus adoraturus videtur Christum parvulum in sinu velut fundatrici debetur. Ars bon. mort. 3. Iun. Matris, veluti à coniuge iussus: calca quod Calend. Benedict. eodem 1122 adorasti et adora quod calcasti. Regis exemplum Sequuntur et praevertunt Galli Aulici, plebei etc., S. Rupertus Boiorum Apostolus Theodoni principi à se omnes in gestu valde vivace et habitu se digno. Converso suadet, persuadetque, ut Gentium Domitrici Deiparae pio trophaeo statuat Basilicam Oettingensem. Buc.591 fol. 19. 1123 S. Augustinus Angliae Apostolus Cultum Marianum promovit plurimis per Regnum illud Cathedralibus alijsque Basilicis, Monasterijs, Sacellis, Aris, Reginae coelorum extructis et dedicatis, Anglos Angelorum reverentiam erga Deiparam imitari docuit. Buc. f. 25. 1124 1115 HEVENESI 1695, S. 158 (zit. nach Janos Nadasi: Annus Caelistis, Jesu regi, et Mariae reginae sanctisque omnibus sacer…, Wien 1648) und EISVOGL 1723, 5. Juni, S. 458; Langhausfresko C2. 1116 Langhausfresko, Süden, Randzone (F6). 1117 Langhausfresko Südosten, Randzone (F 6/7). 1118 BUCELIN 1671, S. 13 (550): „S. Leopardus Beatissimi Legislatoris discipulus Pasalterij usum in Germanias usque profert, & nobilissimam provinciarum Alsatiam locupletiore uberioreque omnium fructuu?m proventu beat. Ubi & Monstasticum Ordinem primò fundat, & Deiparae ope Gentiles ad Christiana Sacra invitat.“ 1119 HEVENESI 1695, S. 269. 1120 Langhausfresko Südosten, Randzone (F 3).

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1121 BUCELIN 1671, S. 12 (544): „S. Maurus Beatissimi Patris nostri discipulus cum socijs anno superiore in Gallias delatur Regnum illud Psalterij Mariani usu beatissimum reddit, & Glanofoliensem Congregationem instituit.“ 1122 HEVENESI 1695, S. 157. Mittleres Nordfeld des Langhausfreskos, Randzone (B 5). 1123 BUCELIN 1671, S. 19 (591): „Bavariam immortaliter demeretur magnus Boiorum Apostolus S. Rupertus noster, Theodone ipso Gentis Principe ad fidem converso, & salutaribus undis expiato, qui Gentium Triumphatrici Ruperti consilio Trophæum illico statuit, insignem Basilicam B. M. V. Oettingensem in hodiernum usque diem, miraculorum famâ & confluentium peregrinorum frequentiâ celeberrimam.“ 1124 BUCELIN 1671, S. 25.

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2r S. Magnus Sueviae Apostolus magnae Matris S. Magnus seu idolum draconis forma, seu erecto honori ad Lycum omnem insigne Coenobium à se draconi insistens, animat Suevos etc. ad Coet Basilicam molitur, eoq[que] Lycarios et Vindelicos lendam Beatissimam, cuius imaginem in prospect facie invitat. Bucel. anno 632. f. 291125 Ecclesiae abs se constructae digito mostra. Imago ipsa praeferre potest Beatissimam caput draconis S. Anscharius, Mariae filius adoptivus, et conterentem. discipulus Gothos, Suecos, Danos et Anschario è suggestu /. Seu sub die, Frisios convertit ad fidem et cultum BMV. seu in templo ./ feroces hosce populos coelo refractarios fulminante. Eisvogl docenti Maria velut è libro post et Ars bon. mort. 3. Febr.1126 abs se praetenso docenda ingerit: ille S. Amandus Tungrorum, Eburonum, Brabantorum hanc intento velut digito ostendit, quam Flandrorum, Alsatarum Apostolus,Tungrorum Episcopus venerantur aliqui, alij verò repugnantes affectum suum –erga Deiparam aedificatis plurimis è coelo fulminantur. Basilicis comprobavit. Buceli. anno 631. f. 31. i. f. 29 Exhibentur S. Amando plurimae à varijs Item f. 33. ad annum 662.1127 Architectis ideae basilicarum, quibus ipse inscribit titulum Mariae etc. populi autem S.Wandregisilus Mon. Caletensium Apostolus offerunt pecunias, alii manus ad opera, dum strenue B.V. Cultum promovet, à Be- ligonibus, trullis, ascijs etc. armati. thone quodam stricto gladio perimendus invaditur : verum per B.V. servatur parricida à daemone arrepto, atque illius dexterâ stupefacta, quem tamen sanatum mox integrae sanitati restituit, et eodem loco Baslicam B.V. condidit. Buc. 665. f. 36.1128 S. Eligius Noviomensis Episcopus et Flandrorum, Frisonum Suecorumque Apostolus plurimas Basilicas per eas regiones Magnae Virgini, cuius erat amantissmus, consecravit. Idem loc. cit. S. Suitbertus, Episcopus Werdunensis, et potens Saxonum Apostolus matri gravide, stellam praesignatus, primus B.V. M. basilicamWerdunensem consecravit, in qua iuvenem aquis praefocatum in vitam revocavit. Ars. bon. mort. et Eisv. 1. Mart.1129 S. Fridolinus, Abbas Seckingensis, à resuscitatione, et in iudicium adductione Ursionis gloriosus Rhenanorum, Rhaetorum Burgundionum et Grisonum Apostolus.Verùm licet Sanctus iste in habitu Benedictino depingatur, nec dubium sit, quod cum religione Catholica populis à se conversis cultum B. M.V. instillârit; quod tamen iam anno Circa annum 514, qui Ss. Patri nostro 34.tus fuit, defunctus legitur in Breviario, 1125 BUCELIN 1671, S. 29; Langhausfresko, Norddosten (B6/7). 1126 HEVENESI 1695, S. 35. 1127 BUCELIN 1671, 31 (643) u. S. 29 (631): „Germanias famâ implet magnus ille Tungrorum, Eburonum, Brabantorum, Flandrorum, Alsatarum &c. Apostolus S. Amandus ex Oriensi Monasterio ad conversionem gentium progressus, Tungrorum Episcopus, cujus erga Deiparentem affectum, plurimae per tot easque amplissimas provincias magnæ Matris honori sacræ Basilicæ ejus operâ erectæ posteritati commendant.“ S. 35 (662): „Moritur eodem anno magnus ille Virginis Benedictæ Amator & amatus Amandus, multarum Gentium Apostolus, Marianarum Congregationem […].“ Langhausfresko, Osten (E8). 1128 BUCELIN 1671, 31 (665): „Fuit idem annus supremus S. Wandregisilo Abbati...“ 1129 HEVENESI 1695, S. 63; EISVOGL 1723, 1. März, S. 252 f. Langhausfresko (C3).

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Sanctis Ordinis nostri vix accenseri posse videtur. Recensent tamen inter nostros Ranbeck Bucel. et alii 7. Mart.1130 Quos si sequi placeat posset S. Fridolinus exhiberi in praesentia populorum à se conversorum gratias agere coram Imagine thaumaturga Rangckvilana pro assertione iurium et legatorum monasterij Seckingensis Subscriberent Ursio et Landulphus Frater, et Ursio resuscitatus subscribenda porrigeret.

1130 EISVOGL 1723, 7. März, S. 269.

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KU – Konzept für die Kuppel, um 1746/47, r Concept für die Grosse Cuppen, und 4 anstossende Zwickhel MARIA Eine Konigin Himmels und der Erden Mariae. Zuumahl huldreich, demüthig, und Mayestättisch vorgestelleter würdt von dem Himmlischen Vatter übergeben die von denen Englen getragene grosse Welt-Kugl Himmels und der Erden. Der Sohn Gottes reichet Ihro dar den Königlichen Scepter. der Hl Geist, in gestallt einer Taub, sezet Ihro auff die Sternen-Cron. Oder. Der Göttliche Vatter praesentiret Ihr nebst der Weltkugl den Scepter, der Sohn den Thron, der Hl. Geist die Cron. Ein Englischer Herold mit einer Trompeten, an dero fähnl folgende wort eingetragen: Filiae Sion videte Reginam. In gefolg eines geschwaders anderer Gross und kleinen Englen, biethet Himmel und Erden auff, dero Allgemeine Königin nach gebühr zu verehren. Disem zu folg, verehren sie, als Ihre Königin 1. Die Himmlische Geister, als nemmlich Kennzeichen 1. Die Schuz-Engel –   –   –   –   –  – Casquet auff dem Haubt, schildt, und Stäb mit Creuz in der Hand. 2. Die Erz Engel, sonders Michael, Gabriel und Raphael. –   –   –   –   bekannte 3. Die Thronen –   –   –   –   –  – wie es der Namen mitbringt. 4. Die Herrschafften –   –   –   –   –   regiments-stäb 5. Die Fürstenthumer.–   –   –   –   Chur Hüttl. 6. Die Machten. –   –   –   –   –   Königliche Kron- und Scepter 7. Die Kräfften –   –   –   –   –   Saulen. 8. Die Cherubim –   –   –   –   –   Liecht-Strahlen. 9. Die Seraphim –   –   –   –   Feür flammen 2. Die heiligen Patriarchen 3. Die Heilige Propheten Kennzeichen Kennzeichen Joseph. –   –   –   –   Joannes Baptista Joachim und Anna. Zacharias und Elisabeth Schreibtaffeln Abraham und Sara. Schwerdt und feür geschürr Moyses –   –   –   –   Strahl auf dem Haubt Isaac und Rebecca. Holz büschelein David –   –   –   – Cron, Harpfen & buch Jacob und Rahel. Pilger od. Hirtenstab. Elias –   –   Rap mit dem brodt im schnabl Adam und Eva. Apfel. Jsaias –   –   –   – Hölzerne Sägen Abel. –   –   –   Knittel Jeremias –   –   –   band und fesslen Noe. –   –   –   Arch Daniel –  – Löwe oder Drach mit einem bild Töchter Sion Habacuc –   –   –   Josaphat, Josias & König Kron und Scepter. Aggaeus –   –   –   Judith –   –   –   –   Schwerdt. Jonas –   –   –   –   Esther –   –   –   –   Kron und Scepter Ruth –   –   –   –   Sichel und garb. Jahel –   –   –   –   Hamer und Nagel

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v

4. 5. Die Heilige Apostel Kennzeichen Die Heilige Martyer Kennzeichen und Evangelisten Stephanus d. ErzMartyr. Stein, Palmzweig, Lorbeer Placidus und Gesellen. Mühlstein und Schwerdt Stephanus Abbt und Gesellen Schwerdt Palmzweig. Ernestus –   –   –   Pfal mit Därm umwunden Vitalis –   –   –   Schwerdt, Palmzweig. Mauritius–   –   Kriegs-Fahn. Pelagius –   –   Mord-Beyl. Wenceslaus –   –   Degen, Cron, Scepter Laurentius Levit–   Roost etc. Vincentius Levit–   Eyserne Blech, Hakhen etc. Sebastianus–   –   Pfeil. Fidelis –   –   –   Kolb, Schwerdt. Joannes Nepomuc[enus]. 6. Bonifacius Episcopus –   –   Schwerdt in einem buch. Die Unschuldige Kindl Meinradus –   –   –   Kolb, Palmzweig Oswaldus–   –   –   – Rap auf einem pocal. Theopontus –   –   –   Trinkhbecher mit schlangen Senesius –   –   –   gespalthner Ochs Georgius,Venantius. Blasius –   –   –   Kerzen, eyserne Kämm Vitus–   –   –   –   Ölhafen etc. Modestus –   –   7. Die Heilige Bischöf 8. Aurelius – – – Sein gezirtes Haubt. Δ. Die Hl KirchenLehrer Martinus – – – Mantel und schwerdt. Gregorius M. Or. S. B. Taub auf der achsel Nicolaus – – – Goldene Knöpf. Ambrosius – – – Immen Korb. Conradus – – – Kelch mit Spinn. Augustinus – – Udalricus – – – Fisch. Hieronymus – – Löwe. Pirminus – – – Schlangen Anselmus – – – Spiegel. Zeno – Ildephonus – – – Messgewand und Haudegen Wolfgangus – – Beyel. Beda – – – Astron.Weltkugl. Franciscus Salesius – Thomas Aquinus – – Stern an guldener Ketten Edmundus – – – Zedtl: ò Intemerata. Bonaventura–– Dionysius–– – Basilius –– – Leo IX.– – – Isidorus –– – Carolus Borromaeus. Joannes Crysost. – – – Leander.– – – Athanasius. – – – 9. 10. Die Heilige Ordensstiffter Die Heilige Beichtiger Benedictus– – – – Paulus Eremita. Maurus. – – – – – – Bernardus – – – – Joannes de Deo. Wilhelmus Hirsaug. – – – Franciscus – – – – Joannes de Matha. Arsenius. – – – – – – Dominicus – – – – Franciscus de Paula. Leonardus – – – – – –

Carolomannus Nodgerus. Romanus. Henricus

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

Bruno – – – – Ignatius. Norbertus – – – – Robertus. Petrus Coelestinus.– Petrus Nolascus Romualdus – – – – Bernardus Ptolomaeus. Sylvester – – – – Raymundus Nonnatus Guilielmus– – – – Birgitta. Gualbertus– – – – Felix de Valois. Wilhelmus Loricatus– – Caietanus – – – – – Philippus Nerius. – – – Ghilbertus Benedictinus

Magnus – – – – – – Wendelinus – – – – – – Columbanus – – – – – – Gallus – – – – – – Antonius Pad. – – – Franciscus Xaverius – – Joscio – – – – – Aibertus – – – – Tres Magi seu Reges – Leopoldus. – – – – Casimirus – – – – – Alexius – – – – – –

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EL I – Konzept I für die „Vier Elemente“ unter dem Kuppelfresko, um 1749, 1v1131 Der Englische Vorsteher des Feürs Würd vorgestellet mit auf dem Haubt vorbrechender feür-flam, in ganz leicht und ringfertiger Kleidung und halb schwebender Figur. halb kniender Figur, und mit einem Rauchfass, mit welchem gleichfals über sich gerichteten nicht abwärts hangend, sonderen über sich fliegenden thuribulo1132 die Göttliche Mutter verehrend. Neben Ihme seynd genij, oder Kindlein, dero einer die auf dem gewülch, auf welchem der große Engel kniet hervor brechende Donnerkeül auffasset, und mit dem anderen Händlein gleichsam bedrohet nicht weiter zu gehen, oder zu schaden; Andere können sich mit wax-Kerzen und Wax stökh beschäftigen, und solche zu Ehren der Mutter Gottes anzünden. Vorsteher des Wassers Ist Nass gekleidet, hat einen stab mit 3. zinkhen, dergleichen sonst dem Neptuno gegeben würd. Er sizt auf einem delphin, hat neben sich 2 große wassergefäss, praesentiret haltet in die Höche ein Meer-Muschel mit von solcher abfliessendem Wasser. Die neben Ihme sich befindende genij beschäfftigen sich mit Fisch, Krebs, Meer-spinnen etc. oder mit anfassung eines Rosen Kranzes Von Perl, corallen etc. oder auch mit einem Fischer- garn, oder Schiffs ankher und anderem schiff-geräth KA IV – Konzept für die Kartuschenfresken, um 1749/50 haben. Vorsteher des Luffts Hat leicht und fliegende Haar und ge- Cultus Mariani wand, schwebet schier 4 proprietates [von dem unterstehende gewölkh, über der Zeile nachgetragen] 1. Imitatio ––– die Nachfolg ganz frey, haltet 2. Ardor vel devotio f. 43 –– die Inbrunst, oder eüfer 3. Constantia –– die beständigkeit in der hand ein Windmül, oder Tachfänhl, 4. Fiducia –– das vertrauen. die genij beij Ihme spihlen mit denen wasser- blasen, oder einem mit denen Vögel, oder die beständigkeit f. 33. cum palma. auch mit einem Wind-Rädl oder mit einer schiff flaggen. diese haben die Inbrunst oder Eüfer f. 37. sub titulo die Liebe flatter flüglein. Nota Bene mit flügel Vorsteher der Erden Tragt auf dem Haubt ein Cron Von gebäu, praesentiret der Mutter Gottes zerschidene blumen und früchten. Sizt Stützet sich auf einem Löwen die genij spihlen mit schlangen, Affen etc. etc. 1131 Die „Vier Elemente“ wurden 1751 gefasst, vgl. PAULUS [Baumann] 1888, S. 182. 1132 thuribulum = Rauchfass.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

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EL II – Konzept zu den Vier Elementen, um 1748, r1133



Concept Für die 4. Elementen Feür.

Der Engel, so dem Feür vorstehet, wird entworffen in halb schwebend-halb auf einem Wolkhen ganz ringoder flüchtig kniender-figur, in leicht-und weniger Kleidung, mit auf dem Haubt empor steigender feür-flamm.

1133 Gemäß dem letzten Absatz eines hier nicht transkribierten Briefentwurfs, wo u. a. von dem auf einen Freitag fallenden Namenstag des Priors von Mochental (Franz Sales Zehetner, ab 1750) die Rede ist, dürfte der erwähnte Brief am 20. Januar 1749 geschrieben worden sein. Die nicht abgeschlossene Reinschrift zu den „Vier Elementen“ dürfte ebenalls in den Januar 1749 fallen. Zwei Jahre später wurden die Elemente gefasst. Vgl. PAULUS [Baumann] 1888, S. 182.

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EL III – Konzept zu den Vier Elementen, um 1749/50, lr1134

Englische Vorsteher Des Feürs Es würd dieser vorgestellt in halb schwebend – halb auf einem wolkhen kniender Figur, in ganz leicht – und weniger kleidung mit auf dem haubt aufsteigender feürflamm. Er haltet in der hand ein nicht grad vor sich abhangendes, sonderen in die höch geschwungenes thuribulum, mit welchem Er die Göttliche Mutter beehret. Auf dem gewülkh, auf welchem Er kniet, brechen donner-keül herfür, welche aber ein Genius mit dem linken händlein umfasset, mit dem anderen aber dessen weiteren fortgang verbiethet. Andere Genij können sich mit anzündung der wacxKerzen und wax-stökh, oder auch mit zerschidenen schiess-gewöhr divertieren. Des Wassers Dieser ist in Nass- und Kurzem gewand, sizet auf einem delphin, hat neben sich einen stab mit 3 zinkhen, wie der Neptunus, Und 2 Wasser-gefäss, in die höche praesentiret er ein Meer-Muschel mit abfliessendem wasser. Die neben Ihme sich befindende, und mit floss-flügel versehene Genij fassen einen Rosenkranz von perl oder corallen an; oder beschäfftigen sich mit fisch, krabben, Meer-spinnen, fischernez, schiff-Ankher oder anderem schiff-geräth. Des Luffts Es hat diser ganz leicht- und fliegende haar und gewand, schwebet schier von dem untersezten gewülckh ganz frey, haltet in der hand einen schiff-flaggen, so er gleichsam nach befelch Seiner königin schwinget. Die Genij bey Ihme, mit flatter-flüglen, spihlen mit denen Vöglen,Wasser-blasen, kleinen Wind-Rädlein etc. oder Dach-fähnl

1134 Zwei zusammengehörige Blätter, drei beschriebene Seiten. Erster Entwurf zu den zu den Stuckplastiken der vier Elemente unter der Kuppel und zu Spieglers Kartuschenfresken für das Langhaus.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

[v] Der Erden Der Vorsteher dises elements tragt auf Dem haubt ein Cron von gebäu, stüzet sich auf einen Löwen, Opferet der Mutter Gottes zerschidene blumen, FeldUnd baumfrüchten. Die Ihne umgebene Genij haben ihre Kurzweil mit schlangen, affen, und anderen thiren

KA I – Konzept I für die Kartuschenfresken im Langhausfresko, 1748 Für die 4 Seithenfelder in dem Langhaus 1. Der Hl. Gregorius M. hat einen Päbstlichen aufzug, auf der einten achsel den Hl. Geist in gestalt einer Tauben; schreibet auf ein mit musicalischen linien durchzogenes papyer die Wort: Regina Coeli laetare etc. welche Ihm Einige um die Mu in den lüfften schwebende Muttergottes umgebende Engel Ihme vorzusingen scheinen. 2. Der Hl. Hermannus Contractus in gemeinem Benedictiner habit, neben sich eine Krukhen, auf dem tisch einen Globus, habende Und wenigst 26 habende. Er haltet in der hand ein offenes buch, oder grossen zedtl, darinn mit noten geschriben: Salve Regina, welches zu singen Er einige religiosen lehret. Ein Genius, so zumahlen die Krükhen halten könnte, zeiget auch hervor auf einem anderen zedtel das Alma Redemptoris Mater Und Ave Regina Coelorum, welche ebenfahls der Hl. Hermannus componiret. 3. Der Hl. Bernardus Abbt. Nebst Ihme befindet sich Maria, aus Ihrer Jungfräulichen brust die milch in das dinten-fass sprizend, in welche immer eindunckhet, um den Hymnus Ave maris stella, dessen anfang schon in dem von Ihme haltenden Buch zu sehen, fortsezen zu können. Ein Genius haltet nebst dem Abbatial-stab einen binen Korb.

429

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r

4. Der Ehrwürdige Engelbertus, Abbt zu Admont. Ein Engel haltet Ihme ein offenes buch vor, in welchem geschrieben: Maria Mater Jesu. Er hierüber ganz Verzukht fangt an auf einen zedtl zu Schreiben: Omni die dic Mariae, zu dessen fortsezung Ihme ein genius die Federen spizet.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

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KA II – Konzept für die Kartuschenfresken im Langhaus, 1749, 1r1135 In denen 4 Seithen felder Unter dem Grossen Plavon des Langhauses Seynd mit halb erhobener arbeith Vorzustellen 1. Der hl. Gregorius M. in Päpstlichem Aufzug: schreibend auf ein buch Die wort: Regina Coeli, laetare, welche Ihme einige Engel scheinen zue dictiren oder Vorzusingen 2. B. Hermannus Contractus in gemeinem Benedictiner habit. Er hat neben sich ein grukhen, um sich ein bücher gestöll und musicalische instrumenten, Auf einen Tisch seynd einige bücher musikalische bücher, oder schriften, auf dero einem die wort: Alma Redemptoris Mater, auf dem andren Ave Regina Coelorum: auf dem dritten aber: Salve Regina geschriben, welches leztere Er auch würkhlich zu singen scheinet einigen Religiosen lehret. 3. Der Hl. Bernardus Abbt, Ein Kindl bey Ihme haltet den binenkorb [oder passiva ein schrank, über der Zeile nachgetragen] Um Ihne stehen einige bücher, auf dero einem geschriben stehet: Super Missam, auf einem anderen: Super Cantica. Er sebsten haltet einen zedtl auf welchem geschriben Ave maris stella. Bey Ihme befindet sich Maria aus ihrer brust die Jungfräuliche Milch in das dinten-Faß sprizend. 4. Ven. Engelbertus, Abbt zu Admont. hat vor sich etlich aufgeschlagene bücher, auf welche Er mit dra Ein Kindl haltet Ihme Ein offenes buch Vor, in welchem geschriben Maria Mater Jesu. Er hierüber gleichsam Verzuckht schreibet auf ein anderes papier Omni die dic Mariae etc. ein anderes Kindl spizet Ihme die feder, um mehrer schreiben zu können.

1135 Die als Ka I, Ka II und E bezeichneten Blätter wurden mit einigen Auslassungen von KREUZER 1964, S. 109–111, 124, transkribiert. Das erste Blatt ist doppelseitig beschrieben. Die hier nicht transkribierte Briefskizze in der rechten Spalte des Blattes spricht von den hohen Kosten im Zusammenhang mit der erkauften Reichsunmittelbarkeit („a nexu Wurttemberg“). Die Rückseite des Blattes enthält erste Überlegungen zu den Elementen unter der Kuppel, die nach Baumann 1751 ausgeführt wurden. Das Blatt dürfte also in das Jahr der Reichsunmittelbarkeit fallen. Die Skizze zum „Cultus Marianus“ auf der Rückseite und mit Strich abgesetzt, etwas später, um 1751.

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KA III – Konzept III die Kartuschenfresken, um 1749/50, 1r1136

pro MotorI sVo InCIrCVLo ? In CoLLegIo zVVIfVLDa abbatIaLI1137 Die Ehrforcht.1138 Die Von denen Englen mit Cron und Scepter königlicher Cron ge zihrt in beehrte Muetter Gottes haltet einen deütet mit dem in der rechten haltenden Scepter tief gebognen und auf den Knien Ligenden Jungfrauen auf einem buech, dero befelch vor welchem sich eine auf denen kniend und ligende Jungfrau, eine Von dem Hals, zu bezeugung Ihrer leibeigen schafft ab-hangende Ketten zährtig [*an die brust trukhendt, über der Zeile nachgetragen] lich [*] Küssend sich mit geneigtem Haubt unterwürft; da indessen ein Die Seel in gestallt einer geängstigten Jungfrauen, ob- Hündlein auf befelch eines genij schon mit Ketten Von dem Teüfel Sathan, ebenfahls seine aufwarthung machet. mit gold- und Sibernen band von der welt, mit zahrten Strickhlein von dem fleisch ab-ge- Das Vertrauen kindtliche Vertrauen1139 zogen, flihet in die Mutterschoss, oder under den schuzmantl Mariae, eben Die in gestalt einer Jungfrauen Vorgestelt wie die kleine hünlein *durch einen genium Christlich-Marianische Seel, flihet Von unter die flügel der bruthenn getriben werden Löwen, bären, wölf, schlangen etc.Verdurch einen genium, so zumahlen den Raubvogel folget, flihet in die Mütterl(iche) schoß Mariae abhaltet, getriben werden oder unter dero schuzmantel, eben wie die hünl unter die fligel der truth henne, da Ihnen der Raub Vogel nachstellet.1140

1136 Rückseite: Nicht zur Bau- und Ausstattungsgeschichte gehörige Notiz mit Währungsumrechnungen. 1137 Entwurf eines Chronograms zur Verbreitung des Marienkultus in der Abtei und im Kollegium von Zwiefalten, aufgrund der Streichungen nicht eindeutig lesbar. 1138 Siehe KA III, Cultus Marianus, „3. Constantia ---- die beständigkeit“ und auch: 2. Ardor vel devotio f. 43 –– die Inbrunst, oder eüfer. 1139 Vgl. zum Titel: KA III, Cultus Marianus, „4. Fiducia ---- das vertrauen“. 1140 Vgl. Mt 23,37.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

2v1141

Die Nachfolg.1142 In gestalt einer schönen Jungfrauen, welche in ein Herz das portrait der Göttlichen Mutter, so Ihro ein genius vorhaltet, in ein Herz nachmahlet, Ein anderer genius kan einen Spiegl haben. Genius der Liebe.1143 Ein zwischen einer mit lilien gecrönte Jungfrau, trittet den Cupidinem, oder fleischliche Lieb, mit Füssen, und praesentirt ihro Flammendes herz Mariae, wes dero Heiligstes herz ebenfalls brinnet, und kleine flämmlein gegen dise Jungfrau abwürfet, zu sonderer freud eines mit anwesenden, und mit lilien gezihrten Schuz Engels.

1141 Einseitig beschriebenes Blatt. 1142 Vgl. KA III, Cultus Marianus, „1. Imitatio ---- die Nachfolg“. 1143 Vgl. KA III, Cultus Marianus, „2. Ardor vel devotio f. 43 --- die Inbrunst, oder eüfer “.

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FR – Konzept für das gesamte Freskenprogramm, 1747/48, 1r1144

Supra Presbyterium S. Bonitus B. M.V. Sacellanus Supra Chorum Historia Sanctorum Monachorum Ordinis Sancti Patris Nostri Benedicti in Anglia ab Elisabetha regina in vigilia Assumptae Virginis interfectorum, atque ad 1.mas vesperas decantandas resuscitatorum. Supra Cuppam Beneficia B.V. M. Extraordinaria Sancto Ordini nostro impensa atque indulta praesertim privilegia Maria Regina Sanctorum omnium Supra navim Ecclesiae Cultus B[eatae].V[irginis]. M[ariae]. per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus Supra Organum Praecinentem B[eatam]. M[ariam].V[irginem]. suum Magnificat sequentur Benedictini In cantu Chorali et figurati1145 Supra Propilaeum Devotio Fundatorum et Benefactorum nostrorum, nobilium etc. etc. erga Beatam Virginem in fundatione, dotatione etc. Monasterij nostri.

1144 Vgl. zur Vorderseite teilweise ungenau KREUZER 1964, S. 127. Rückseite und Vorderseite wurden von HOSCH 1992, S. 86 f., publiziert. Das Blatt, dessen Vorder- und Rückseite in der Schrift übereinstimmen, ist um 1750, sicher aber nach 1749 und vor 1753 entstanden. Die Vorderseite enthält bereits das Konzept zu Vorhalle und Orgel. Der Entschluss zum Bau der Vorhalle erfolgte laut Baumann um 1749. Zum Zeitpunkt der Grafitzusätze war der definitive Maler des Hochaltars, dessen Aufstellung 1753 erfolgte, noch unklar (Albrecht oder Spiegler). Vgl. PAULUS 1888, S. 181, 185. Vgl. HOSCH 1992, S. 85 f. Die Zahl der Seitenkapellen (acht, ab etwa 1747) und die Lebensdaten der Künstler liefern weitere Hinweise zur Datierung des Blattes. 1145 Zu lesen: figurato.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

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AL I – Konzept für das gesamte Altarprogramm, 1747/48, 1v

In Summa Ara Maternitas B.V. 2dum Matthaeum D. Albrecht* D. Spiegler*



1146

ordinis nostri sancti Monachi S. Benedictus S. Magnus et Ordinis Sancti Monach. . S.Wolfgangus



S.Wenceslaus. S. Stephanus. S. Joan. Nepomuk D. Hermann D. Bergmüller

In Ara Crucis Cor Jesu in ipso Tabernaculo repraesentatur Superius Imago Taumaturga Bmae V. Mariae.

1. s. Episcopus 1. S. Aurelius 1. Missio SS. Apostolorum 2. S. Anna 2. S. Joan. Bapt. 3. S. Agnes D. Hermann D. Bergmüller 3. S. Justina 4. S. Sebastianus 4. S. Pelagius 4. S. Ursula et Sociarum D. Albrecht1147[*] D. Spiegler 4. S. Mauritii et Sociorum

Nota Bene Matthias Günther1148 von Augspurg[*] D. Edmundus1149 von Ellwangen[*] Weißbrodt von stuggardt [*]1150 Nota Bene D.Thomas Scheffler von Augspurg [*]1151

1146 Sämtliche Künstlernamen auf diesem Blatt sind als Grafitbeischriften hinzugefügt; Franz Ludwig Hermann (1723–1791); Johann Georg Bergmüller (1688– 1762). 1147 Balthasar Augustin Albrecht (1687–1765). 1148 Matthäus Günther (1705–1788). 1149 Johann Edmund Widemann, vgl. HOSCH 1992, S. 86 (Deckenfresken der Marienkirche in Ellwangen, um 1753; Stationskapellen auf dem Schönenberg; Assunta, 1753; St. Vitus in Ellwangen). 1150 Johann Philipp Weißbrodt, vgl. HOSCH 1992, S. 86. 1151 Christoph Thomas Scheffler (1699–1756).

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EM I – Konzept I für die Emporenfresken, um 1748, 1r1152 Maria Consolatrix Ord. S. B. S. Godricus in eremo sub Divi Benedicti regula 63. annos transegit inter serpentes et Sylvestres bestias totus securus. Frequenter est ibidem frequenter à B.Virgine à Sanctis Magdalena, Petro et Joanne Ev.Visitatus. semel Magna Mater caput sui Godrici sacris demussit manibus. Alias eundem in gravi tentatione constitutum extra tentationes armavit, eumque in eiusmodi periculo constitutum ita orare docuit: Sancta Maria, Christi Thalamus,Virginalis puritas, Amatris {?, amatrix?} flos, dele mea crimina; regna in me, et duc me ad optatam coeli patriam. Eisvogl 21. Maij. f. 417. et sequ. Idem B. Godericus Eremita, quoties animo triste aliquod patiebatur, ad Deiparam voce in cantum conformata confugit pro solatio, et verè copiosum accepit, dum Mariam sibi apparentem intueri meruit. Haec eius afflicti ad Virginem erat precatio: Sancta Maria! Tuo miserans Succurre Goderico. Ars bon mort. 21. Maij f. 165.1153 Maria proma Conda Ord. S. B. pane è coelo allato cibat fame vix non enactum S. Aibertum, dum vix eidem aditum ex suo spelaeo praecluderet. Eisvogl 7. April. f. 325. sequ. Ranbeck et alij.1155 Apparet in morte S. Galgano Ord. S. Ben. Eremita post iuventutem pessimè absumptam severimè In eremo poenitenti, ostendens illi librum vitae, ad gaudia aeterna maternè invitans: Sat est iam modo tibi, quod laborasti: metes nunc quae seminasti. Eisvogl 2. Nov. p. 2. f. 589. et sequ. Ad stragulam Moribundi exhiberi possunt Angeli instrumentis poenitentialibus, verbi gratia flagellis, cilicijs, spinarum manipulis, lapidibus etc., daemones, mundum, carnem etc. profligentes. vel vincula pe Carnes etc. disrumpentes etc. In eadem urbe Romana beatus Pater /.Wilhelmus Abbas Hirs. aliquandiu moram agens gravissimam aegritudinem inflationem ventris incidit, quae in tantum praevaluit, ut à medicis etiam expertissimis despe- raretur.Tandem iussit se portari ad Ecclesiam B. Mariae semper Virginis, positoque saucio ad Aram ventre suffragium eiusdem advocatae pauperum intentissima supplicatione flagitavit ac subito inter verba orationis convalescere coepit, brevi pristi- nae sanitati restitutus, expeditisque negotiis, pro quibus venit in curiam feliciter ad Hirsaugiam, comitante Domino remeavit etc. Extract.1157 Ex Chronic. Johanni Trithemij f. 71.1158item Buzel. f. 127. ad annum Christi 1091. Item Trithemij in Chronico Hirsaugiensi maiori, ubi tamen omissis illis: positoque saucio ad aram ventre, substituitur flexis ad aram genibus Lavat pedes benedictinorum in esortio Sancti Patris Nostri qui eosdem tergit, inspectante, et pro hoc converso B. Guntelino Iuvene vanissimo, postea Ord. Cisterc. Buc. f. 165.1159

Maria Consolatrix

Maria proma conda1154

Maria consolatrix in morte

Sospitatrix Maria Medica Ord. S. B. Item S. Joannes Damasc. abscissam manum recuperans per Beatissmam. Buc. f. 51 Manu ductrix Collaboratrix cum B.Tutelone pingente. Buc. F. 82 et 83.1156

Maria Sospitatrix

1152 Vgl. KREUZER 1964, S. 111–119. 1153 HEVENESI 1695, S. 143: 21. Mai, B. Godricus Eremita. 1154 proma conda = die Haushofmeisterin 1155 EISVOGL 1723, 7. April, S. 325–327 und nachfolgend EISVOGL 1723, 2. Dezember, S. 589 f. 1156 BUCELIN 1671, S. 82 f. 1157 Abk. „Extractum“. 1158 Johannes Trithemius: Chronicon insigne monasterii Hirsaugiensis, ordinis S. Benedicti, o.O. 1559, späterer Titel: De viris illustribus Ordinis S. Benedicti, libri 4, Coloniae Agrip. 1775. 1159 BUCELIN 1671, S. 165.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

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EM II – Konzept II für die Emporenfresken, um 1748/49, 1r

1. MARIA Fundatrix Ord. S. Ben. S. Benedictus eam à Numine gratiam pro suo in Deiparam cultu consecutus, ut tanti Ordinis fieret Patriarcha et Institutor B. Alanus de Rupe. Ord. S. Dom. Part. 1. Apolog. c. 8. n. 7. apud Bucel. fol. 4. et 6.1160 Vorstellung Der von dem Hl. Geist haüffig bestrahlete Hl.Vatter Benedictus in – oder bey der Hand habend den Marianischen Psalter, oder Rosenkranz von 150. Ave Maria, schreibet auf andictiren der Göttlichen Mutter kniend seine Hl. Regl, nach welcher sehr viele zerschiedenen Stands, Alters, Geschlechts etc. ein hiziges Verlangen bezeugen.



2. MARIA Conservatrix Ord. S. Ben. S. Benedictus pro Confirmatione Ordinis sui per Quinque nota Privilegia in aedicula S. Mariae de Portiuncula per Angelum accipit. Ex Antiquit Sublac. Etc. apud Buc. f. 5.1161 Vorstellung Ein Engel /. Nach der Historie auf einem Stein sizend ./ überreichet dem für seinen Orden inbrünstig bettenden Hl. Benedicto die auf einem grossen zedtl Verzeichnete 5.Verheissungen, welche Christus auf Vorbitt seiner Liebsten Mutter segnet und bekhräftiget. 3. Maria Nutrix Ord. S. Ben.1162 Lactavit S. Ælredum Abbatem S. Fulbertum Episcopum Carnotensem S. Bernardum Claravallensem Annal. Ord. Vorstellung Maria reichet Ihre Jungfraüliche Brust dem Hl. Abbten Ælredo, zu diser eylet der Hl Bernardus, und seüffzet der Krankh-ligende Hl. Bischoff Fulbertus; zu grosser Verwundderung der anwesenden Englen. Virgines lacte potati Ss. Fulbertus, Bernardus, Ælredus.

1160 BUCELIN 1671, S. 4 (505) u. 6 (530): „Eligitur Abbas diu multumque reluctans, quod suos Monachorum illorum moribus non congruere minimè nesciret, sed veneno appetitur, serbatusque miraculo dum ab ipsis digreditùr, paulò post plures lectissimos discipulos meretur, quibus dictante Divino Spiritu Regulam scribit discretione praecipuam, sermone luculentam; eam à Numine gratiam, pro suo in Deiparam eximio cultu & devotione consecutus (ut

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disertissimis verbis B. Alanus de Rupe Ord. Praedicat. B. M. V. Secretarius, praedicat) tanti ut fieret Ordinis Patriarcha & Institutor. [...] B. Alanus Rupe Dominicanus, Vir Maximus, indubitatae fidei testis affirmat, dum omnem hanc Benedicti eminentiam & gratiam, impenso Deiparae ab eodem cultui, dissertissimis verbis assignat, tantumque hujc devotioni tribuit, Ut eo, verba ipsiusmet Alani sunt, tam Divinae monasticae institutionis Fundator et Author fieri merentur, etc. part. 1. Apol. Pro praedicatione sua de Psalterio. C. 8. n. 7.“ Vgl. Alanus de Rupe/ Alanus de La Roche [1428–1475]: Unser lieben Frauen Psalter… Alanus ordens. Vo]n] unser Fraüwen psalter, Geborn in Britania, vnnd von dem conuent Dynant, Ulm 1492 (lateinischer Titel: De psalterio seu rosario Christi ac Mariae, eiusdemque fraternitate rosaria, Mainz 1624). 1161 BUCELIN 1671, S. 5 (517): „De qua ita vetustissimus liber M. S. Sublacensis: Quodam in tempore, cum S. P. Benedictus in loco, qui fortè post obitum ejus S. Mariae in Portiuncula, posteà S. Maria Morrebotis, situs propè sacram Specum circa mille passus &c. oraret, Angelus Domini ei adfuit, sedens super quendam lapidem, dicens: Benedicte, Deus ad te me misit, ut petas quidquid ab eo voluereis, & exaudieris. Cui Sanctus respondit: Et quid ampliùs petam, cum tanta à Deo receperim? quid ulteriùs petere praesumam? Tunc Angelus dixit: Quoniam nihil ampliùs petere voluisti, Deus per me dona quinque tibi concessit […] Ex Antiquit. Sublac. Lirin. Jepes. Wionio. &c.“ 1162 In den realisierten Fresken als Maria Refocillatrix unter Weglassung von Bernhard und Aelred.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

[1v] 4 7. MARIA educatrix MARIA sanctorum ord. S. Ben. **darüber:sanctorum ord. S. Ben. Collaboratrix B.Tuteloni Ord. S. Ben. Morum Magistra *Ordinis Sancti Benedicti* Vorstellung Ss. Petrum Coelestinum postea Pappam, et S. An- Der seelige Tuttelo Tutelo sizet bey seischarium postea Archiepiscopum enim in pueritia der Staffeley in nt entwerffung der bildIn moribus instituit. Annal. Ben. nuss der Göttlichen Mutter beschäfftiget. Vorstellung Maria führet Ihme Vor Verwunderung Die Himmels-Königin, als eine Sorgfältige Pfleg- ganz entzükhten die Hand; die anwesenden Mutter unter weiset mit liebreichem ernst die Engel reiben die farben etc. Mutter-lose waislein, und Heilige knaben 8. Petrum Coelestinum und Anscharium, dero ersterem Maria Die Päbstliche Cron und Schlüssel, sambt einem pascit S. Aibertum Eremitam Ord. S. B. Roten Creüz in denen lüfften, dem anderen aber Vorstellung Nebst bischöfflicher Inful ein Erzbischöfflicher Der Hl. Aibertus in einer Ungeheüren Stab und Pallium, als eine belohnung Vorgewisen Wildnuß ganz eingeschnien und wegen werden. Der eine aus denen Heiligen stehet mit schon Viele tag lang anhaltenden abgang aller aufgehebten Händen Vor der Göttlichen Lehrmei- lebens-mittlen vor Hunger anet fangt sterin ganz Ehrenbiethig, der andere küsset Ihro für Hunger an zu sterben. Maria erscheint die Hand; beyde tretten mit füssen die eytle Ihme in Begleithung der HHl. Mariae Magdaund närrische Kinder Spihl. also Wan- lenae, und Mariae Ägyptiacae sambt einigen gemer1163, Rösselein, pfeifflein, dockhen etc. etc. das Englen, und bringt Ihme ein weisses A.B.V.1164 educati Ss. Coelestinus et Anscharius. Himmel-brott, zur erquikhung. 5. 9. MARIA Sanctarum1165 MARIA Magistra Scientiarum Ord. S. Ben. Solatur in suis afflictionibus S. Godricum Ord. S. Ben. Discipuli Ss. Rupertus Tuitiensis, et Hermannus Vorstellung Contractus. Maria tröstet, und mit dem Hl. Godricum Vorstellung Eremit tröstet den 63 Jahr lang unter den Wilden Die Allerweisiste Jungfrau, gleich einem Pro- thieren ganz sicher wohnenden Hl. Eremiten fessori auf der Kanzel sizendt unterrichtet die Godricum, dem Sie auch mit auflegung Ihrer wohl aufmerkhende Heilige discipel Rupertum Jungfraülich Händen die Kopfschmerzen beund Hermannum, aus welchen Jener zerschidene nimmet. bücher, so er geschrieben, Ihro dankhbarlich auf 10. opferet oder dediciret; der andere aber das von Maria Ihme Componirte Salve Regina etc. anstimmet mit Valetudinem impertit ex acerbissimis doloribus ventris beyhaltung der Engelen, welche zumahlen sich mit Aegro S.Wilhelmo Abbati Hirsaugiensi. seinen Mathematisch- und Musicalischen instrumenten, Vorstellung Bücher und schrifften divertiren. Der Hl.Wilhelmus schon Von seinen schmerzen befreyet 6. Küsset dankhbar seiner Himmlischen MARIA1166 Arztin Mariae, so auf einem Altar sizend Sponsa Sanctorum Ord. S. Ben. Ihme erscheinet, die Hand, da indessen die ienige, Sponsi SS. Benedictus Edmundus, Robertus so Wilhelmus dahin getragen, mit der Sanfften Vorstellung und medicinen, recepten etc. abzihen. Die Göttliche Jungfrau in Hochzeitlichem gewand Vermählet sich mit dem in Liebe, demuth und Verwunderung ganz verdiefften Hl. Roberto, welchem Sie den

1163 Wangemer = Wangener, wohl Anspielung auf die Wangener = Wangemer Fasnet in Wangen im Allgäu. 1164 „A Beata Virgine“ (educati). Im Kapellenfresko: „A B C“. 1165 Die Motive gehen in die „Maria informatrix“-Szene ein. 1166 Entwurf wird für das realisierte Programm gestrichen.

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trau-Ring anstekhet, da indessen Ihme die Engel einen Lilien-kranz aufsezen. der Hl. Edmundus mit der gleichen Cranz schon gezihret, haltet in die höche und zeiget den Von Maria gleichfahls empfangenen Trau-Ring. Die Hl. Hl. Engel ebenfahls mit lilien gecrönet machen hierzu eine freudige music.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

EM III – Konzeptentwurf III für die Emporenfresken, um 1750, 1r Concept über die 8. Felder ob der Gallery In dem Neuen Münster Tituli Exhibenda. 1. instructrix sanctae regulae Maria fundatrix Maria dictirt die regul dem Hlgsten Ord. S. Ben. Vatter Benedicto, nach welcher allerhand Standts, alters- und geschlechts- Personen ein grosses Verlangen tragen. Subscriptio: testimonium B. Alani de Rupe. 2. columen Maria conservatrix Maria erhaltet bey Ihrem Göttlichen Ord. S. Ben. Sohn die privilegia für den Orden des Heiligsten Vatters, über welchen, und dessen Jünger, sie ihren mütterlichen Schuzmantel aussbreithet. 3. Maria Nutrix1267 Maria reichet ihre Jungfräuliche Brust Ord. S. Ben dem Heiligen Ælredo. Ars bonae mortis. 12. Jan.1268 Item dem Krankhligenden Hl. Fulberto, bischof zu Chartres, qui per librum de nativitate scriptum pro moverat cultum in Gallia. Martyr. Ben. 10. April. Buc. f. iii 4. magistra Maria Informatrix Magistra Maria nebst dem Hl. Joanne Evangelista Ord. S. Ben. unterrichtet den Kleinen Heiligen Petrum Coelestinum, für welchen die Päbstliche Cron und Stab, samt zumahlen aber auch ein Rothes Creüz von denen Englen Vorgewisen würdt. Item B. Hermannus Contractus. Buc. f. 111. 5.1268 Maria Amatrix Sponsa Maria Vermählet sich mit dem Heiligen Ord. S. Ben. Roberto, in gegenwarth des Hl. Josephi etc. Unter Englischer music. Edmundus. 6.1270 Maria Collaboratrix Familiaris Maria flikht mit dem Heiligen Erzbischoff Ord. S. Ben. von Candelberg Thoma, das cilicium, mit erstaunung der anwesenden Heiligen und Englen. 7.1271 Maria consolatrix Maria trükhnet den schweiss der in denen Ord. S. Ben. Ernd-geschäfften sich ermüdenden religiosen des Heiligen Petri. 8. Maria Remuneratrix Maria verehret in beysein Vieler Heiligen Ord. S. Ben. dem Hl. Ildephonso ein weisses Mess-gewand. vel. oder Maria Depraedicatrix Maria lobet durch die Hl. Leocadiam den Ihro durch Ord. S. Ben. den Hl. Ildephonsum in Verfechtung dero Jungfrauschafft erwisenen Dienst, welches buch Maria Vorweiset. Vertatur. 1167 Motiv geht unter Streichung des Hl. Aelred in „Refocillatrix Fulberti” ein. 1168 HEVENESI 1695, S. 13. 1169 Motiv wird durch „Medica S. Wilhelmi“ ersetzt. 1170 Aus dem Motiv geht später „Cooperatrix B. Tuteloni“ hervor. 1171 Motiv wird durch „Amplexatrix B. Andreae“ abgewandelt.

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EM IIIa – Detail zu Konzeptentwurf III für die Emporenfresken, um 1750, r Concepte Welche in denen felderen ob der Gallerie Vorzustellen seynd. 1. Maria fundatrix Stiffterin des Ordens S. Benedicti Der Hl. ErzVatter Benedictus, als ein ungefähr 51 Jahr alter, ehrwürdigund Liebreicher Mann, schreibt kniend, oder sizend in seiner Zell sein Heilige Regel mit erhobenem Angesicht gegen Mariam, welche auf einem liechten Wolkhen sizend, oder mit glanz umgeben schwebend, und zumahlen auff ein Crucifix (welches eintweder auf dem schreib-Tisch stehen, oder von einem kindlein vorgehalten werden kann) Ihme die Regel andictiret, da Er indessen zumahl zu diser heiligen Arbeit Von dem oben schwebenden Heil. Geist häuffig bestrahlet wird. Unten her lassen sich viele Personen Von zerschidenem Geschlecht, stand und alter sehen, welche alle ein grosses Verlangen nach diser Hl. regl tragen. Die schreibung der Hl. regl ist Vorgenommen worden in einer Zell des auff dem hohen berg Cassinen stehenden Closters. 2. conservatrix stabilit munit Maria Erhalterin des Ordens S. Benedicti. Benedictus, in seiner Zell kniend empfanget freüdenvoll die durch Mariam Von Ihrem Göttlichen Sohn für sein gestiffteten Orden erhaltene, auff einem gross- und langen Zedtel deütlich geschribene 5 privilegia. Den oberen theil dises zedtels haltet Maria ganz schwach, als ob Sie ihn also gleich erlassen wolte: Dessen Unteren theil ergreifft der Heil.Vatter ganz begürig; den Rumph dieses zedtels gegen dessen Mitte haltet Ein Engel, damit er offen und lesbar seye: Andere kleinere Kindl erfreün sich, und wünschen Benedicto glikh zu einer so gross und aussnemmenden Gnad; Christus aber bestättiget mit zumahl Maiestettisch– und gnädigen angesicht seine auf dem zedtl geschribene Verheissu

S.Thom. Aquino Erhard in gloria S. Ben. 2.1. part. 2. Cap. 11 Ex Alano de Rupe. Fol. 110 in append. lit. 7 et aliis. 1172

1172 Motiv geht unter Streichung des Hl. Aelred in „Refocillatrix S. Fulberti” ein.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

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EM IIIb – Detail zum Konzeptentwurf III für die Emporenfresken, um 1750, 1r Concept für die Gemählde auff der Gallerie der zwyfaltischen Münster-Kirch Auff der Evangelyseithen Auff der Epistel-seithen gegen Mittnacht gegen Mittag, 1. 1. Maria stiftet den Orden Maria unterstüzet den Des Heil.Vatters Bededicti durch Orden S. Benedicti mit für Angebung der heil. Regel. disen Von Gott erhaltenen besonderen privilegien oder freyheiten. Vorstellung Vorstellung Der Heiligste Erz-Vatter Bene- Benedictus ohngefähr 37. Jahr dictus sizet in Sublaco (dises ist alt, in einem Kirchlein vor dem Altar ein unweit von einem sich allda in kniend empfanget freüd und trost-Voll einen fluss aussgiessenden See gelege- die durch Mariam von Ihrem Göttl. ne Wildnuss) in einer schroffichten Sohn, für dessen Orden wohl erhaltenen, felsen-Höhle, und, unter bestrahl- auff einem gross- und langen zedtel lung des Heil. Geist, schreibt seine geschribenen privilegien, welche Christus heilige Regl, das Angesicht gegen mit zumahl Maiestettisch- und liebMariam haltend, welche auff reichen angesicht, Auch etwas herunter einer liechten wolkhen in grossem gelassener rechter handh (so die linkhe glanz sizend, und zumahlen auff sezt Er an die Brust) zu bestettigen ein vor Benedicto stehendes Creuz scheinet. Die Göttliche Mutter zeiget deütend, Ihme die Regel andictiret. mit der einen hand auff den Geber Unten-her lassen sich viele Personen diser freyheiten, mit der anderen haltet von zerschiedenen Geschlecht, stand und sie ganz subtil den oberen theil des alter sehen, welche ein grosse be- zedtels als ob sie solchen würkhlich entgürd nach diser heil. regel zu tragen lassen wolte. damit aber diser nit scheinen. Dise hat Benedictus, als entfalle, und zum lesen aussgebreitet ein noch junger Mann von ungefähr verbleibe, wird er an dem rand von 27. oder 28. Jahren, geschriben. einem grösseren Engel gehalten. der Ex Gabr. Bucel. Chronologia Bene- Heil.Vatter ergreifft den zedtl bey dictino-Mariana ad annum Christi 505. dessen Unteren theil ganz begürig; Fol. 4.1173 Ex P.Thom. Aq. Erhard. Gloria da indessen einige kleine Engelein S. Ben. et Tom. part. Cap. od kündl,1175 sich mit Ihme erfreüen, graet seqq. Ex B. Alano de Rupe Ord. Praedic.1174 tuliren etc. Cit. Bucel. ad annum Christi 517. fol 5.1176 Et aliy. ex Antiquissimo libro M.S.1177 Sublacensi

1173 BUCELIN 1671, S. 4 (504). 1174 Alanus de Rupe/Alanus de La Roche (1428–1475). Vgl. Unser lieben. Frauen Psalter. Diese nachfolgende materi ist gezogen[n] auß aim büchlin. Welichs gemacht hat Alanus ordens. Vo]n] unser Fraüwen psalter, Geborn in Britania, vnnd von dem conuent Dynant, Ulm (Dinckmut) 1492. 1175 Abk. „Kindlein“. 1176 BUCELIN 1671, S. 5 (517): „...Cui Sanctus respondit: Et quid ampliùs petam, cum tanta à Deo receperim? Quid ulteriùs petere præsumam? Tunc Angelus dixit: Quoniam nihil ampliùs petere voluisti, Deus per me dona quinque tibi concessit: videlicet 1. donum, quod Ordo tuus usque in mundi finem stabit. 2. Quod in mundi fine S. Rom. Ecclesiæ adstabit, & plerosque in sancta fide roborabit. 3. Quod nullus morietur in tuo Ordine quin salutem consequatur, & si malè inceperit vivere, si non destiterit, vel confundetur, vel ab ipso Ordine proijcietur, seu per se (desunt cætera, quæ supplentur ex M. S. Lirinensibus hoc modo egredietur). 4. Quod omnis qui Ordinemm tuum persequetur, nisi resipiscat vita sibi abbreviabitur, vel mala morte morietur. 5. Quod omnes, qui ordinem tuum diligent, bonum finem habebunt. Ex Antiquit. Subla. Lirin. Jepes. Wionio. &c.“ 1177 Abk. „Manu Scripto“.

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OR  Konzept zum Orgelfresko, um 1762, 1r Concept fol.1 In dem breitten feldt ober dem Orgel-Chor auszuführen. Beatam me dicent omnes generationes. Mich werden seelig sprechen alle geschlächter, Vorsteher des heyligen Benedictiner-ordens. 1. Maria, die übergebenedeyte Benedictiner-Mutter, kan Von auf zerschidenen Musicalinstrumenten spihlenden grossklein- und mittelmässigen Englen in der glory (in dero höche die allerheyligste Dreyfaltigkeit* durch jenes bekannte Δ angezaigt wird) umgeben, auf einem schimmernden wolkhen sizend etc. in solchen act und expression entworffen werden, aus welcher abzusehen, daß zwar das zu dero höchsten Ehren sowohl in dem Himmel, alß auf der Erden zusamen stimmende Lobgesang Von Ihro begnemmiget, zumahlen aber Gott, alß dem Ursprung all dero preyßwürdikeiten, dankhbar zugewendet werde.

*entweder in personen, oder durch etc.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

v

fol. 2 2. – unter Ihro etwas abseits kommet in den Vorschein unser heyligster Erzvatter Benedictus, neben und hinter sich habend die heylige Seines Ordens, alß Maurum, Placidum, Ernestum, Bonifacium, Magnum,Wilhelmum etc. etc.; die heylige Scholasticam, Gertrudem, Mechtildem, Franciscam Romanam, Chunegundem etc. absonderlich aber einige Stiffter jener orden, so aus dem unßrigen entsprossen, alß Bernardum, Brunonem, Romualdum, Quilielmum etc. Alle dieße muntteret der heylige Vatter auf, Mariam nach all ihren Kräfften zu preyßen; welche auch dises freüdigst befolgen. wie nicht weniger auch 3. die annoch in dem leben sich befindende, und in

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r

fol:3. Zwey Reyhen eines Chors abgetheilte Benedictische Söhn und Töchteren, all dieße in ihrem ordenshabit. 4: Gegen der Mitte des Chors stehet ein grosses pult mit aufgeschlagenem grossen Choral-buch, in welchem zulesen: Magnificat anima mea Dominum. Oder: Beatam me dicent omnes generationes. oder Salve Regina; welches einige vor besagtem pult stehende junge Benedictinische Togaten und Novizen abßingen. 5.Weilen ferner dieses feld ober dem Orgel-Chor sich beyderseiths abwärts in ein zimmliche braite ausdähnet; zumahlen auch die menge der schwarzen Kutten nicht gar

NB. S. Gregorius M. Regina Coeli S. Hermannus Contractus Salve Regina

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

v

4. zu angenemm in das aug fallen möchte: so könnten, ia zu außführung des Concepts. solten selbst Vor- und in dem antritt des Chors vorgestellt werden die Candidaten, oder diejenige, welche um den heyligen Orden anhalten, und zwar aus beyden geschlecht und wenigst Zum Theil in schön- und prächtiger Kleidung: auß disen werden die Mannlichen geschlechts Von Benedictiner, die weiblichen geschlechts Von Closterfrauen, mit Darreichung* einiger ge- *des Ordens-habits, und gesang buchs sang-bücher † in die gesell- neben auch zerschidene Musikinstrumenten schaft des Marianischen † und nicht nur Benedictinische, Lobgesangs eingeladen sondern auch Cistertiens–, Carmel.1178 und aufgenohmmen Charteuser1179 Ordenshabit.

1178 „Cisterziensische – Carmelitische“. 1179 Grafitzusatz nicht leserlich, möglicherweise „Chartausische“.

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VO I = Konzept I für das mittlere Vorhallenfresko, um 1762, r1180 Concept In dem grossen Feld des Propilaei oder – Vorzeichens vorzustellen. Marianischer Schuz über daß Reichß-Stüfft und Gotteshauß Zwyfalten.

1. Die gottselige Grafen und gebrüder Von Achalm Luithold und Cuno, jener in Benedictinisch–, dießer in prächtig– und gräfl. Aufzug, auf einer anhöche kniend, und das Achalmische Wappen neben sich habend, opferen zugleich das in wohl erkanntlichen und Colorirte Riss entworffene Gotteshauß Zwyfalten dessen Mächtigsten Schuz-Mutter Maria mit innbrünstigster Andacht auf.



2. Dieße sammt Ihrem auf der Schoss habenden göttlichen Kind nimmet sowohl dißen Riss, alß die von dem

1180 Die Konzepte zu den Vorhallenfresken wurden von KREUZER 1964, S. 99–105, teilweise fehlerhaft transkribiert. Einige Korrekturen bei VETTER 1981, S. 59–72. Weitere Korrekturen wurden hier ohne Vermerk vorgenommen. Das Konzept zum Orgelfresko wurde von WÜRZ 1936, S. 39–42, mit einigen Fehlern transkribiert und von KREUZER 1964, S. 125 f., in dieser Weise übernommen.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

v

6 Heyligen Abbten Wilhelmo übergebende Stüfftungs-brieff und Urbaria oder Lagerbücher ganz gnädiglich an, und verordnet zu besonderer obsorg über unßer Gotteshauß folgende heylige, nemmlich 3. Den heyln. Martyrer Stephanum, den heyln. Bischof Aurelius, den heyl: Erzvatter Benedictum, St. Agnetam, Justinam, Exuperiam; item St.Vitalem Martyrer, Wens Wenceslaum König und Martyr,Wolfgangum Episcopum, Magnum Abbatem Etc. und dieße zwar deut- oder wohl–erkanntlich; in die Haltung aber eine unzähliche Menge der lieben Heyligen, nicht nur weilen Zwyfalten, nach der Mutter Gottes zu Ehren aller heyligen gestifftet worden, sonderen auch weilen dero- und zwar der Vornemmsten alß

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r

7. St. Josephi, Joannis Bapt., Petri, Pauli und anderer Apostlen, wie auch insonderheit St. Mauritii und Ursulae, und dero Gesellschaften, Reliquien allhier ruhen. Auß dießen Schuzheyligen schirmen einige, sonders deß weiblichen geschlechts, das Closter mit Vorbitt*, andere aber brauchen zu dessen erhaltung ihre Kenn-zaichen, oder insignia, alß der heyl. Stephanus Seine stein, die heyl: heyl: Aurelius und Benedictus ihre stäb, die heyl. heyl.Vitalis und Wenceslaus ihre degen und Säbel etc. 4. sonderheitlich bewahret das gotteshauß ein hierzu aus höchstem befelch eigens Verordneter SchuzEngel. Dessen gewand bestehet aus denen dermahligen Zwyfalt:1181 Liveree-farben, alß grün und roth mit in das grüne eingetragene ineinander geflochtenen

1181 Abk. „Zwyfaltischen“.

*zu beschüzen, andere

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

v

8. Ring und untermengten ineinander sternen: Auf der Haubtzierd, oder Casquet ist zusehen der allhiessige heyl: Creüz-particl, auf dem schildt aber, mit dessen Vorhaltung er Zwyfalten beschürmet, daß allerheyligste Herz Jesu: daß schwerdt, mit welchem er auf die feind zuschlagt, ist geflammt etc. 5. Die feind, welche er Theils zu boden schlagt,Theils in die flucht jagt, seynd folgende: 1. Krieg. ein starkh- und stürmisches Weib; der Kopf, ober welchem ein blutfärbiger, und schwerdt- führender Comet schwebet, hat auf sich ein Wolffs-Kopf, dessen übrige haut über dero übrige Kleidung (sein Brustharnisch und goller) wie die Löwen-haut um den Hercules, flieget: mit ihrer

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r

9. in bären-Brazen sich endigenden ärmen zerreisset Sie die Päbstliche und Kayserliche gnaden brief unter die füss Trittet Sie daß Corpus juris Civilis und Canonici etc; führet einen knopfigen StreittKolben nebst anderen Kriegs-Waffen,* 2. Pest: Ein Krankh Trauriges, in dem angesicht und sonst, mit pest-beulen behafftetes Weib: ober dem Kopf hanget {ein im ?} im ein grässlich blaugrauer, mit einem Todtenkopf bezeichneter Comet, neben sich hat Sie ein Todtenbahr, nebst bikhel und grab-schaufel, und sonders ein Senßen. 3. Hunger: Ein ausgemerglete Mutter, so an einem salva venia1182 veraasten geripp, alß

1182 „mit Verlaub“

*als exempla gratia dresch-phlegel, Salva venia Mist-gablen, Rechen etc.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

v

10. verbi gratia einem dirren RossKopf naget, welchen aber ein ebenfahls ausgehungertes Kind mit allem gewalt Von dem Maul reissen will. Um sich hat Sie läres Kuchel-geschirr; ober sich aber einen bleichen Comet, im welchem eine ruth oder geißel zusehen. 4. Feur: Ein rothlecht-wildes WeibsThier mit aus roth- in feurflammen sich zerstreuenden haaren, in roth- und fliegender Kleidung. Neben sich hat sie Pulverfässl, fakhlen, pechkränz, brinnenden lunten und Schwefelhölzl etc. 5.Wasser: Ein hoch-auffgeschwollenes wassersichtiges Weib mit ebenfahls von Wasser Tropfenden langen haaren aus welchen

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r

11. zumahlen grüne pinßen hervor wachßen. Sie stürzet zwey große wasser geschürr um, aus welchen nebst dem Trüben und mit Leim Vermischten wasser auch stein, holz und gesträuss hervor wallen, wann möglich, Können Ihr auch zerrissene Mühlräder und andere holtzTrümer zugegeben werden. 6. Die Kezerey: Ein hässliches, aber die hässlichkeit mit einer schönen larven verhüllendes weib mit verbundenen augen, EßelOhren, und schlangen haaren. Auf dem haubt tragt Sie ein feder-busch von einem Pfauen-Schweiff nebst abhangenden fux-schweiffen. um den Leib tragt sie ein Schaafbelz, unter welchem sich da und dort wolffs-

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

v

12. Klauen aüsseren. haltet in einer hand die bibel, auf welcher eine große Spinn sizet, Die hand Selbsten aber ist mit einer grossen schlang umwunden, welche mit ihrem anhauchen die nebst der Bibel Tragende Kerz ausblaßet so, daß von dem Liecht nichts, alß ein glimmender Buz und garstiger Rauch überbleibet. 7. Neüd: oder Missgunst: Ein hungriges und bößes weib, mit einer Brillen auf der Naßen: zernaget ihr eigenes herz, hat neben sich ein so bissig– als mageren hund, auß dessen haut aller orten die Beiner heraus schauen. 8. Daß Ungewitter: Ein denen Unholden nicht unähnliches

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r

13. ungezifer, mit Saur und stürmischen angesicht und verworrenen haaren: Sie Blaßet aus einem großen Meerschnekh und dessen zerschidenen öffnungen Schauroder hagelstein, schnee-flokhen, nebel, donnerKeil etc., zerquetschet mit füssen die liebe feld-, baum- und reebfrucht etc.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

VO Ia – Anmerkungen zum Entwurf für das mittlere Vorhallenfresko Vo I, um 1762/63, r

Anmerkhungen Über das Grössere Feld in dem Propilaeo. 1. Die Gewaltäthigkeit behaltet durchgehends (so auch das Gesicht nicht aussgenommen) die gestalt eines grimmigen Wolffs. Der Harnisch und Fuchs–schweiff mögen aussbleiben, an dero statt aber die linkhe vordere brazen mit einem schildt, auff welchem ein Fuchs entworffen, behenkht seyn. Mit diser nemmlichen brazen, und zu mahl mit den zähnen zerreisset er würkhlich ein zugleich in den zähn– und brazen haltend – schon halb zerstöhrtes, mit Vielen sigillen behenckhtes, und Under–über–sich gekehrtes document. Oder, weil die nachfolgende Trangsalen als Weiber vorgestellt werden, kan soll auch das Ungewitter in gestalt einer Hässlich– und grausamen Unhold mit fliegenden langen Haaren, auch fliegendtem Kurz– und grauem mit feur-farben strichen, und ebenfahls fliegendem mantel Von dieser farb Gewand: Sie schwebet etwas in der Lufft, doch nit so hoch, das sie nicht ein großes Wasser-geschürr (neben welchem noch ein anderes, sich selbst aussgüssendes zusehen) mit dem einten fuess umstürzen könne. Beyde flüss laufen zusammen, und reißen mit ihrem strohm zerschidene feld– und Baumfrüchten wie auch Holz-trümmer von Mühl-räder etc. etc. mit sich hinwegg. Auff diese schüttet die Unhold zumahlen mit beyden ärmlen ihren Kunsthaffen auss, auss welchem zugleich Schlossen und donnerkeül hervor-brechen. Umb Sie herum schwärmen Wilde Winds-Köpf mit fledermaussflügeln, dero einer einer schnee-flokhen, ein anderer Hagelstein, oder auch feur-flammen etc. auss seinen mit vollen Bakhen aussblaset. In die Haltung kommen einige gärtner und baursleuth mit sichlen, rechen etc. welche über den ihnen zugefügten schaden iameren.

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VO Ib –Anmerkungen zum Entwurf für die Vorhallenfresken, um 1762/63, v Die Gewaltäthigkeit Ist ein Vor zohrn rasendes weib mit einem Helm mit und Fuchsschweiff über dem helm, anstatt des eines des federbusches auffgestekhten fuchs-schweiff auff dem Kopf. Das Gewand ist ein brust-harnisch, und nicht gar zu langem blutrothen weiber – Rokh. Führet in der einten Hand zumahl ein schwerdt und ein fa Die schulteren seynd mit einer Wolffs-Haut behenkht, von welcher der Kopf, Klauen und schweiff zu erkennen. Sie führet in einer Hand (welche geharnischt seyn kann) zugleich ein flammende dorschen, und ein schwerdt, mit der anderen Hand, und denen zähnen. zugleich, zerreisset sie ein Umgekehrtes, und schon halb zerstöhrtes document, oder urkunds-brieff, an welchem ein, oder mehr sigillen Eb vorwärts herunter hangen. Eben dergleichen übel zugerichtete schrifften, ligen trümmerweis bey ihren füssen, mit welchen sie zumahlen zerschidene bücher, als das ius civile, canonici, publici, Urbarium zertritt. Der obere leib ist etwas Vorwerths auff die seithen gebogen, als ob sie dem auff sie von dem schuz-Engel geführten streich aussweichen wollten. Nebst diser figur lassen sich aller-Hand nicht gattungen nicht nur von Soldaten sondteren auch bauern geräth sehen, als Dresch-flegel, Sensen, Sichlen, gablen etc. etc. sehen. Sie wird begleitet von der Rauberey, einem unter der gestalt eines Greiffens, so ein gross- und geflügletes, an dem vorderen Leib einem Adler, an dem hinderen einem Löwen gleichendtes Thier, so in der Flucht einige geld Beutel (dero einer offen seyn kann, nebst, der besseren erkanntnuss wegen, einige Goldt-münzen herabfallen) mit dem Schnabel, in den vorderen Klauen aber zerschiedenes Kirchen geräth, als e[xempli] g[ratia] Kelch, Leuchter, Lavor etc. mit sich hinweg schleppet. Der Neyd, als zweyte gefehrtin der gewaltäthigeit, unter gestalt eines sehr dirren Hunds, lauffet darvon, speyet iedoch mit gewendetem Kopff auss seinem rachen ein grosse feur-flamm über sich hinauff.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

r

Bey der Hungers-Noth seynd die Kindlein für derley umständ zu Leib–völlig oder, Fett, Unter denen Lieben Heiligen post Patrem et Spiritum sanctum müssen nach der Mutter Gottes fürnemmlich in den Vorschein kommen St. Stephanus Erz Martyrer und erster Patron, welcher mit seinen steinen, und St. Aurelius Bischoff, welcher mit seinem Bischoffstaab das Gotteshäusel wider seine feind beschüzen. St. Josephus, als Congregationis-Patron, ohnweit der Mutter Gottes St. Benedictus, als Ordens-stifter St. Michael, Erz-Engel. Die Heilige Apostel Petrus, Paulus, Joannes,Thomas, Bartholomaeus, Mathias, samt übrigen. Die Heilige heiligen unschuldigen Kindlein. Die Heilige Martyrer Vitalius ein Römer, und Exuperia mit einem Schwedt, und Exuperia ein Königl Matron mit einem Georgius, Sebastianus, Mauritius, St. Gereon, Soldaten,Wenceslaus mit einer schlagbeuel,Vitus mit einem Hafen, Pelagius mit einem schwerdt, alle drey annoch Jüngling, Maurus miles Ss. Placidus mit einem Myhlstein und schwerdt, S. Ernestus mit einem Gedärm umwundenen Pfahl. Hl. Bonifacius Erzbischoff mit einem Halb buch, so duch ein schwerdt Halb gespalten, der Heilige Stephanus Abbt, alle Benedictiner St. Dionysius erster Bischoff zu Augspurg, S. Blasius, Bischoff mit Wax-kerzen, S. Erasmus mit einem bräter, S.Trudpertus mit einem Kolben oder Morgenstern, Ss. Joannes und Paulus, Römische Edelen leuthe gebrüder, Ss. Crispus und Crispinianus, gebrüder. Ss. Pontifices S. Leo IX mit dem Cingulo, S. Martinus, S. Nicolaus. S.Wolfgangus mit einem Kirchlein, S. Udalricus, S. Conradus, S.Wilibaldus, S. Piminius, S. Epiphanius, s. Otho, S. Gebhardus, Ss. 3 Reges, S. Confeßores. S. Maurus. S. Arsenius. S. Bernardus. S. Dominicus. S. Franciscus seraph. S. Gallus. S. Columbanus. S. Sola.

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Ss.Virgines et Viduae S. Anna. S. Exuperia Mart. Rom. S. M. Magdalena. S. Agnes. S. Caecilia. S Agatha. S. Lucia. S. Catharina. S. Barbara. S. Margaretha. S. Justina. S. Leonis. S.Wiberada. S. Hildegardis Abbatissa O.S.B. S. Ursula. S. Chunigundis Imperatrix. S. Elisabetha.

Nota Bene. Concept für die Fresco-Gemähld

AL II – Altarentwurf für das Altarbild des hl. Aurelius, 1744 Copia der den 19. Noveb.:1183 1744. Ibersehnten Mässerey Zu dem Altharblatt S.ti Aurelij Wobey aber gemeldet worden daß man sich an den schwungen, oder ausschweiffung nicht zu halden habe etc.

1183 Abk. „Novembris“. Maße: 1 Schuh = 12 Zoll = 28,649 cm; 1 Zoll = 2,387 cm; Maße Altarblatt: ca. 325 x 172 cm.

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EP – Drei Notizblätter zu den Epitaphen der Klostergründer Achalm, um 1750 Luitholdus Comes ab Achalm Novus in Corrupto Saeculo Deucalion Arcam molitur ad undas duplices; ubi Sua, et Se abdidit, Portum Sanctorum in mediis aquis duplicibus adeptus XV. Calend. Septemb. Anno Christi 1098 Cuno Comes ab Achalm Manu, Consiliô, opibus, dum vixit. Contra Caesarem, quae sunt Dei Deo asseruit Ex hac denique Arce Sacra, quam Domini fundavit Sibi Coelum rapuit. XVII. Calend. Nov. 1092. Luitholdus Comes ab Achalm Monasterium Zwifaltense fundavit Anno 1089. Postquam sua, se denique etiam ipsum Deo consecravit Factus inter nostros Monachus sibi mortuus primum ac post triduum etiam mundo placidè, sanctè defunctus 15. Calend. Septembr. Anno Christi 1098. Cuno Comes ab Achalm Luitholdi germanus frater ut Ecclesiam Romanam propugnaret strenui fortius. Caelbs sine impedimentis caelebs vixit eo tamen foecundior, quo plures fundavit cum Luitholdo etc. eo plurimum adoptivorum foecundior pater quo plures Obijt 17.Calend.Novembr. 1092. Luitholdus Comes ab Achalm Monasterii Zwifaltensis Fundator et Monachus Obijt v. Cal. Sept. MXCVIII. Cuno Comes ab Achalm Monasterij Zwifaltensis Fundator obijt Cal. Nov. MXCII fundatio facta anno 1089.

Bibliografie

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Klosterkirche Zwiefalten, Innenraum (NvdM) Klosterkirche Zwiefalten, Grundriss und Aufriss (HIRMER/LIEB) Kupferstich mit Ansicht des Klosters Zwiefalten: „Wir Geschwohrne Ober und Unter Meister [...] Handwerks der Maurer in dem Reichs Gottshaus Zwiefalten...“, 1786, 45 x 54 cm (Gesellenurkunde), Auktion 103, Zeller, Dez. 2009 004 Ansicht der Klosters Zwiefalten kurz vor seiner Auflösung 1803, Privatbesitz Kaiser, Stuttgart (PRETSCH 1986) 005 Ansicht der Klosters Zwiefalten kurz vor seiner Auflösung 1803, Privatbesitz Kaiser, Stuttgart (PRETSCH 1986) 006 Anonym: Porträt Abt Bendikt Mauz, Ende 18. Jh., Aufgang Orgeltribüne Zwiefalten 007 Klosterkirche Zwiefalten von der zweiten südlichen Seitenkapelle aus mit Blick in den nordwestlichen Abschnitt des Langhausfreskos (NvdM) 008 Gabriel Bucelin: Zeichnung des romanischen Klosterprospekts von Zwiefalten, 1628, WLB HB V4a, fol. 144 (PRETSCH 1990, Constantia Benedictina) 009 Anonym: Abriss und bezürckh Des Closters Zwiefalten wies Anno 1659 gebauen geweßen, 1659, Privatbesitz Bader (NvdM) 010 Johann Georg Glückher/Bartholomäus Kilian:Jubiläumsstich: Arcus triumphales Regi saeculorum ob exacta feliciter bis tria saecula anno Jubileo erectus ab imperiali Monasterio Zwiefaltensi Ordines S. Benedicti simul et theologice disputatus ex Legibus ibidem Anno 1689, Kupferstich,Verbleib unbekannt, aus: LINDNER 1910, dort auch ausführliche Beschreibung durch P. Gregor Reitlehrer OSB, St. Peter, Salzburg, S. 99–102 (LINDNER 1910) 011 Detail aus Abb. 009 (LINDNER 1910) 012 Titelkupfer aus SULGER 1690, um 1690 (NvdM, Universität Basel) 013 Titelkupfer aus SULGER 1690, Detail der schematischen Darstellung des romanischen Baus, um 1690 (NvdM) 014 Stifterrelief aus der Kapitelskapelle Zwiefalten mit schematischer Darstellung des romanischen Baus, 1715 (PRETSCH 1986) 015 Klosterprospekt mit Stephansreliquiar und den Katakombenheiligen Exuperia und Vitalis, um 1690 (Graph. Sammlung Kloster Einsiedeln, PRETSCH 1990) 016 Anonym: Abriss und bezürckh Des Closters Zwiefalten wies Anno 1659 gebauen geweßen, 1659, Prozessionsdarstellung, Detail aus Abb. 3 (NvdM) 017 Skizze des Prozessionsverlaufes anlässlich der Translation der hl. Exuperia, 1669 (NvdM) 018 Skizze des Prozessionsverlaufes anlässlich der Translation des hl.Vitalis, 1685 (NvdM) 019 Offene Telari- oder Translationsbühne mit Altar, anlässlich des Constantius-Spiels in Rorschach, 1674 („Die Szenerie zeigt einen mit stattlichen Häusern umstellten Platz. Zwei Tore bilden die vorderen Seitenabschlüsse.Vom Zeichner weggelassen sind vorne rechts die Kanzel und der Kredenztisch, vorne links das Presbyterium“), Federzeichnung, Stiftsbibliothek St. Gallen (ACHERMANN 1979)20 020 Skizze des Prozessionsverlaufes anlässlich der Säkularfeier von 1689 (NvdM)

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Anonym: Prozession anlässlich der Translation der Katakombenheiligen Getulius und Marianus im Jahre 1652, entstanden um 1652, Öl auf Leinwand, 190 x 230 cm, Klosterkirche Wettingen (Kanton Aargau), linkes Seitenschiff [Künstler unbekannt] (NvdM) Detail aus Abb. 023: „Der müttlere triumpfbogen dess theatir alwo die HH. Leiber abgeholet worden.“ (NvdM) Detail aus Abb. 023: „Der triumpf zur lincken da die action gehalten worden.“ (NvdM) Detail aus Abb. 023: „Der triumpfbogen so vor der äusseren Porten dess Klosters zu sehen ware.“ (NvdM) Detail aus Abb. 023: „Der Triumpfwagen, dessen höche, 16 werck schu[h]och, die die Lenge 11 die Breite 3 ½ erstreckte auff welcher vor derentheil die Römische Kirch, auff dem Zurück und höchere aber S. MARIA Maris[s] tella sassen.“ Vgl. HOEGER 1998, S. 10, 180 f. (NvdM) Prozessionsstange einer Marienbruderschaft mit Gottesmutter, Erzengel Michael und Luzifer (Vorderseite), Dießen, 1752 (NvdM) Prozessionsstange einer Marienbruderschaft mit Gottesmutter, Erzengel Michael und Luzifer (Rückseite), Dießen, 1752 (NvdM) Franz Joseph Degle: Prozessionsfahne aus dem Motiv der Einsetzung des Gnadenbildes durch den Pfarrer von Röhrmoos, aus: Ostabschnitt des Deckenfreskos St.Vitalis, Sigmertshausen (Landkreis Dachau), 6,70 x 6,00 m, 1755 (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Prozessionsfahne aus dem nordwestlichen Abschnitt des Langhausfreskos Zwiefalten, 1752 (NvdM) Abgestellte Prozessionsfahnen im Kirchhof, 1752 (Detail aus Abb. 033) (NvdM) Hans Michael Ostendorfer:Wallfahrt zur Schönen Maria von Regensburg (Detail), 1520, Holzschnitt, 56 x 39 cm Sentiant Umnes Tuum Juvanem – „Niemandt ist der Hilf begehrt, den Maria nit erhört“, Prozessionsfahne mit Motiv der Wallfahrt zur Schmerzhaften Muttergottes, 1750, Museum Steinbach (KATALOG 1981) Detail aus Abb. 34: Prozessionsdarstellung auf Prozessionsfahne, Maria Steinbach, 1750 (NvdM) Detail aus Abb. 34: Brandszene auf Prozessionsfahne, Maria Steinbach, 1750 (NvdM) Detail aus Abb. 34: Bittszene auf Prozessionsfahne, Maria Steinbach, 1750 (NvdM) Darstellung der Translation der hll. Erasmus, Hiacynthus, Sergius und Bacchus anlässlich der Translationsprozession, St. Gallen, 15. September 1680, um 1680 (ACHERMANN 1979) Anonym: Abriss und bezürckh Des Closters Zwiefalten wies Anno 1659 gebauen geweßen, 1659, Prozessionsdarstellung, Detail aus Abb. 9 (NvdM) „Abbildung deß von Seiner Hochfürstlichen gnaden Johann Frantz …, Anno 1738 den 26 Maij vorgenommenen SolennenExpositions … des Allerheiligsten Bluts Jesu Christi in dem Hochfürstl: Rechsgottshauß Reichenau.“ Heilig-Blut-Prozession. Gedächtnisbild anlässlich der Rückführung der Heilig-Blut-Reliquie ins Kloster Reichenau am 26. Mai 1738, um 1738, Münster Reichenau, nördliches Seitenschiff (NvdM) Anonym: Prozession anlässlich des 100. Jubiläums der Translation der Katakombenheiligen Getulius und Marianus im Jahre 1752, entstanden nach 1752, Öl auf Leinwand, 207 x 550 cm, Klosterkirche Wettingen (Kanton Aargau), südliches Seitenschiff (NvdM) Hinterer Prozessionsabschnitt, Detail aus Abb. 038: Prozessionszug (NvdM) Mittlerer Prozessionsabschnitt, Detail aus Abb. 038: Spielbühne (NvdM) Bühnenaufbau, Detail aus Abb. 038: Prozessionszug (NvdM) Detail aus Abb. 38: Triumphwagen, 1752: „Der erste Triumphwagen, ‚13 Schuh hoch‘, mit vier Zugpferden, die von den Personifikationen der vier Erdteile geführt wurden. Zuoberst auf dem Wagen thronte unter einem Baldachin die siegreiche Kirche, umgeben von zwei Genien mit den Attributen Tiara und Schlüssel Petri. Zu Füssen der Kirche lagen, an Ketten gefesselt‚ die überwundene Tyranney, Höll und Abgötterey. Auf dem Bug der Karosse, saß ein Meer-Fräulein als das Ehren-Wappen der Klosters, der heiligen Kirchen für so kostbahren Schatz Danck zu erstatten beflissen.“ Aus: Gründlicher Bericht Hoch-feyrlicher hundert-jähriger Übersetzungs-Festivitet Beyder hei-

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ligen Leiber der glorwürdigen Blutzeugen Christi Mariani und Getulij ... Gedruckt zu Baden, Bey Joseph Ludwig Baldinger. Kantonsbibliothek Aarau, Klosterbibliothek Muri: Mb. 132. fol (g, h. i). Zit. nach: FELDER 1962, S. 85 f. (NvdM) 044 Fassade und Kloster Zwiefalten (Westansicht), von der Reutlinger Straße, Höhe Pfauenstich aus gesehen (NvdM) 045 Johann Michael Fischer: Fassade Zwiefalten, 1750–1759, Frontalansicht (NvdM) 046 Johann Michael Fischer: Fassade Zwiefalten, 1750–1759, Untersicht (NvdM) 047 Johann Michael Fischer: Fassade Zwiefalten, 1750–1759, Untersicht (NvdM) 048 Gian Lorenzo Bernini: Fassade von Sant’Andrea al Quirinale, 1661, Rom (http://deu.archinform.net/projekte/7218.htm [letzter Zugriff: 11.08.2015]) 049 Johann Michael Fischer: Fassade Berg am Laim, Untersicht (NvdM) 050 Johann Michael Fischer: Fassade Dießen am Ammersee, Untersicht (NvdM) 051 Johann Michael Fischer: Fassade Dießen am Ammersee, Frontalansicht (NvdM) 052 Johann Dientzenhofer/Joseph Greising: Fassade des Stifts Neumünster Würzburg, 1716 (NvdM) 053 Giuseppe Sardi: Fassade von Santa Maria Maddalena, 1735, Rom (http://shirleylovesroma.blogspot. ch/2011_12_01_archive.html [letzter Zugriff: 30.01.2011]) 054 Johann Michael Fischer: Fassade Zwiefalten, 1750–1759, Gliederung (NvdM) 055 Johann Michael Fischer: Fassade Zwiefalten, 1750–1759 (NvdM) 056 Mauch und Kunz: Ansicht des Klosters Zwiefalten, 1866, handkolorierter Holzstich, ca. 15 x 16 cm 057 Fassade des Klosters Zwiefalten, 1907 (INGENHOFF 1984, S. 42) 058 Postkartenansicht des Klosters Zwiefalten, um 1925/30 (?) 059 J. M. Fischer: Fassade Zwiefalten, 1750–1759,Westfassade Zwiefalten mit der Dießener Farbfassung (NvdM) 060 Transparenz zwischen Fassade, Chorgitter und Hochaltar (NvdM) 061 Joseph Büssel/Benedikt Mauz (?): Chorgitter Zwiefalten, 1756 (NvdM) 062 Johann Michael Feichtmayr/Johann Joseph Christian/Franz Joseph Spiegler: Hochaltar Zwiefalten, 1747–1754, ca. 1765 (NvdM) 063 Vorhalle Zwiefalten, Blick gegen Süden (NvdM) 064 Vorhalle Zwiefalten, Fresken (NvdM) 065 Franz Sigrist: Enthauptung der Königin Athalia, 1763, nördliches Deckenfresko Vorhalle (NvdM) 066 Franz Sigrist: Bestrafung des Tempelschatzräubers Heliodor, 1763, südliches Deckenfresko Vorhalle (NvdM) 067 Franz Sigrist: Marianischer Schutz über das Reichsstift und Gotteshaus Zwiefalten, 1763, mittleres Fresko Vorhalle (NvdM) 068 Franz Sigrist: Devotio Fundatorum et Benefactorum nostrorum, nobilium, erga Beatam Virginem in fundatione, dotatione Monasterij nostri, 1763, mittleres Fresko Vorhalle (Diagramm) (NvdM) 069 Franz Sigrist: Die fünf Schicksale: Hunger (Mutter mit Kind), Unwetter (Figur mit Blitzen), Raub (Basilisk), Neid (Hund), Krieg (Soldat), Detail aus: Marianischer Schutz über das Reichsstift und Gotteshaus Zwiefalten, 1763, mittleres Fresko Vorhalle (NvdM) 070 Vorhalle Zwiefalten: Grundriss und Freskenprogramm (NvdM) 071 Spiritual Christiani militis certamen / Militia est Vita Hominis Super Terram, 1610, Kupferstich, 30,0 x 39,8 cm, nach Marten de Voes, Stich von Hieronymus Wierix (HARMS/SCHILLING 1985) 072 Johann Jacob Zeiller:Tempelreinigung, 1763, Deckenfresko,Vorhalle Kloster Ottobeuren (NvdM) 073 Michael Kessler: Allegorie des Krieges, 1675/80, Medaillon aus dem Tugend/Laster-Medaillonzyklus des Festsaales von Benediktbeuern (WEBER 1996) 074 Johann Georg Bergmüller: Bestätigung der Klosterrechte durch Papst Innozenz II. Die Dießener Grafen präsentieren ein Bild mit der barocken Ansicht des Klosters. Detail aus dem Hauptfresko des ehem. Augustiner-Chorherrenstifts, Dießen am Ammersee, 1736 (NvdM)

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Johann Michael Feichtmayr: Schrägansicht der Stuckrahmung an der Kartusche der Imitatio, 1753, Detail, Schrägansicht (NvdM) 076 Johann Michael Feichtmayr: Rocaille an der Innenwand der Wallfahrtskapelle St. Anna, Haigerloch, 1753 (NvdM) 077 Johann Jakob Schwarzmann: Stuck an der Decke der Wallfahrtskirche Maria Schray, Pfullendorf, 1751, Schrägansicht (NvdM) 078 Johann Joseph Christian: Grottenbeichtstühle Zwiefalten, um 1770 (NvdM) 079 Klosterkirche Zwiefalten, Querschnitt Osten und Westen (HIRMER/LIEB) 080 Johann Joseph Christian/Johann Martin Herrmann (?): Beichtstuhl in der Seitenkapelle, um 1770 (NvdM) 081 Franz Ludwig Herrmann: Einzug der Hirsauer Mönche in das Tal von Zwiefalten, Gemälde am südlichen Grottenbeichtstuhl, um 1770 (NvdM) 082 Franz Ludwig Herrmann: Übergabe des Stiftungsbriefs durch Kuno und Luithold von der Achalm an Wilhelm von Hirsau, Gemälde am nördlichen Grottenbeichtstuhl, um 1770 (NvdM) 083 Johann Joseph Christian: Das Zusammenstürzen des Dagon-Tempels (Ri 16, 25–30), Relief an der Tür des südlichen Grottenbeichtstuhles, um 1770 (NvdM) 084 Johann Joseph Christian: Korallen, Moose, Palmen, nördlicher Grottenbeichtstuhl Zwiefalten, um 1770, Detail (NvdM) 085 Johann Joseph Christian/(Fass-Maler?): Landschaftsvedute mit Palmen, südlicher Grottenbeichtstuhl Zwiefalten, um 1770, Detail (NvdM) 086 Johann Joseph Christian: Ruinöse Mauerwerkimitationen, Palmen, Blumen, Moose,Tropfsteine, südlicher Grottenbeichtstuhl Zwiefalten, um 1770, Detail (NvdM) 087 Beichtstuhlentwurf der Instructiones (1577) von Carlo Borromeo (nach DE BOER 2001) 088 Beichtstuhlentwurf des Ornatus Ecclesiasticus (1591) von Jacob Müller (NvdM) 089 Philips Galle: Sacramentum Poenitentiae, 1576, Kupferstich (Detail) (HOLLSTEIN XLVI, PART II, S. 200) 090 Beichtstuhl Klosterkirche Irsee, um 1710 (NvdM) 091 Beichtstuhl Klosterkirche Schäftlarn, um 1730 (NvdM) 092 Beichtstuhl Steinhausen, um 1745 (NvdM) 093 Johann Jakob Kürschner: Beichtstuhl Klosterkirche Weltenburg in Kombination mit der Kanzel, 1732 (NvdM) 094 Ägid Quirin Asam: „Mors peccatorum pessima“ („Der Tod der Sünder ist überaus schlimm“), Beichtstuhlaufsatz St.-Johann-Nepomuk-Kirche (Asamkirche), München, 1735 (NvdM) 095 Künstlerwerkstatt Zwink (Ettal): Beichtstuhl in Kombination mit Empore, Klosterkirche Ettal, 1763 (NvdM) 096 Johann Joseph Christian: Beichtstuhl in der Benediktinerabtei Ottobeuren, um 1760 (NvdM) 097 Joseph Anton Feuchtmayer: Beichtstuhl Klosterkirche St. Gallen, 1761/62–1768 (NvdM) 098 Joseph Anton Feuchtmayer: Büste des Adam, um 1761/62–1768, Beichtstuhlaufsatz (NvdM) 099 Johann Georg Üblher: Basrelief mit der hl. Magdalena und Marterwerkzeugen, Beichtstuhlaufsatz, Maria Steinbach, um 1760 (NvdM) 100 Johann Georg Üblher: Putto mit Spiegel der Selbsterkenntnis, Maria Steinbach, um 1760 (NvdM) 101 Andrea Fantoni: Beichtstuhl Santa Maria Maggiore, Bergamo, 1704 (BOLIS s. a.) 102 Theodoor Verhaegen: Beichtstuhl der ehemaligen Prämonstratenserabtei St. Cornelius und Cyprianus in Ninove (heute: Onze-Lieve-Vrouw-Hemelvaartkerk), um 1730 (NvdM) 103 Die Buße als Vorgang der inneren Reinigung: „Wie Jesus auskehrt“, aus: RITTMEYER 1761 (NvdM) 104 Oculus Manus (Ecce oculata manus credens id quod videt: ecce Pulegium antiquae sobrietatis olus: Quo turbam ostenso sedaverit Heraclitus, Mulserit et tumida seditione gravem), Emblem, aus: Andrea Alciatus: Emblemata et aliquot … [1492–1550], Quarta editio. Cum emendatione & auctaio copioso ipsius auctoris, Antwerpen 1584, Emblema XVI (NvdM)

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Anima mea in manibus meis semper, Merkhand, aus Ignatius von Loyola: Exercitia spiritualia, Antwerpen 1606 (NvdM) 106 Peter Overadt: Manuale Examinis Conscientiae. Ein klarer spiegel, um1610, Kupferstich, 28,9 x 20,5 cm (HARMS 1989, S. 166 f., III, 86) 107 Christoph Lochner d.  Ä.: Geistliche Deütung vund Beschreibung vorgemalter Handt, 1607, Kupferstich, 33,1 x 31,0 cm (HARMS 1989, S. 168 f., III, 87). 108 Johann Michael Feichtmayr/Franz Joseph Spiegler: Altar St. Magnus Kapelle Gossenzugen, um 1756 (NvdM) 109 Johann Joseph Christian: Die büßende Magdalena in einer Einsiedelei, Beichtstuhlrelief über einem Beichtstuhl in Ottobeuren, um 1760 (NvdM) 110 Magdalenenkapelle am sog. Spitz („Spitzkirche“), Kloster Rheinau, mit der büßenden Magdalena in einer Grotte, flankiert vom Ordensgründer Benedikt (links) und dem sel. Nikolaus von der Flüe (rechts), 1761, Ausmalung nach Vorschlägen des Priors P. Moritz Hohenbaum van der Meer, Ausführung durch Stuckateur Bernhard Heinz (Bonndorf), Bildhauer Johannes Reindl (Konstanz) und Maler Conrad Wenger, abgebrochen 1930 (FIETZ 1932) 111 Christian C. L. Hirschfeld: Eremit in Einsiedelei, aus: HIRSCHFELD 1785, Bd. 3 (NvdM) 112 „Das Licht durchdringt das Dunkel der Höhle“, Detail aus dem Titelkupfer von 1671 113 Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Zwiefalten: Cultus Beatae Virginis Mariae per Sanctum Ordinem nostrum in toto orbe propagatus, 1751, 27 x 15 m (NvdM) 114 Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Zwiefalten (Diagramm), 1751 (NvdM) 115 Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Bad Säckingen: Apotheose des hl. Fridolin, 1752–1753, ca. 15,00 x 5,40 m 116 Franz Joseph Spiegler/Johann Michael Feichtmayr: Ornament und Amphoren, Detail aus dem Langhausfresko Zwiefalten, 1751 (NvdM) 117 Dreifaltigkeit, Maria mit dem Gnadenbild Mater Monachorum und dem Ordensgründer Benedikt, Detail aus Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko, 1751 (NvdM) 118 Franz Joseph Spiegler: „Mater Monachorum“, Langhausfresko Zwiefalten, 1751 (Detail) (NvdM) 119 Gnadenbild „Mater Monachorum“, San Benedetto in Piscinula/Trastervere (NdM) 120 Carlo Grandi: „Mater Monachorum“, Santa Maria in Piscinula, 1742, Kupferstich (TOBLER 1991) 121 „Mater Monachorum“, San Benedetto in Piscinula, von einem der Klauber in Augsburg hg. Andachtsbildchen von 1784. Im Zentrum der hl. Benedikt mit dem Gnadenbild „Mater Monachorum“, seitlich die von Benediktinern betreuten Gnadenbilder Mariazell,Wessobrunn, Einsiedeln, Ettal. 122 Melchior Puchner (1695–1758):Verehrung der Mater Monachorum durch den hl. Benedikt, inmitten der Gnadenbilder Ettal, Altötting (Bayern), Mariazell (Österreich), Pötsch (Pécs, Ungarn), Tschenstochau (Polen), Santa Maria Maggiore (Italien), Notre-Dame-du-Puy (Frankreich) und Einsiedeln (Schweiz), 1737/38, 2,10 x 1,80 cm, nördliches Seitenschiff, St. Martin (NvdM) 123 Ordensgründer Benedikt, Langhausfresko Zwiefalten, 1751 (Detail) (NvdM) 124 Franz Joseph Spiegler: Marienverehrer (v. r. n. l. und von o. n. u.: Gregor der Große, Petrus Damiani, Petrus Eremita mit Rosenkranz, Hermann der Lahme, Ildefons von Toledo oder Edmund, Bernhard von Clairvaux, Bischof?), Langhausfresko Zentrum, Zwiefalten, 1751 (NvdM) 125 Spiegler: Clothilde und Chlodwig („Zerstöre, was du angebetet hast, bete an, was du zerstört hast“), Langhausfresko Norden, Zwiefalten, 1751 (NvdM) 126 Franz Joseph Spiegler: Clothilde und Chlodwig, 1750, Öl auf Leinwand, 30 x 45 cm, unsigniert, undatiert, Städtisches Museum, Meran (Inv.-Nr. 421, NEUBERT 2007) 127 Franz Joseph Spiegler: Hl. Magnus vor der Fassade von St. Mang, Langhausfresko Nordosten, Zwiefalten, 1751 (NvdM) 128 Augustinus von Canterbury und König Ethelbert von Kent, Langhausfresko Osten, Zwiefalten, 1751 (NvdM) 129 Franz Joseph Spiegler: Hll. Meinrad (Raben) und Gallus (Bär), Langhausfresko Südosten, Zwiefalten, 1751 (NvdM)

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Franz Joseph Spiegler: Der hl. Rupert bringt das Gnadenbild nach Altötting/Enrico Zuccalli präsentiert Kurfürst Ferdinand Maria und Adelheid von Savoyen den Plan für den neuen Kirchenbau, Langhausfresko Süden, Zwiefalten, 1751 (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Der hl. Gerardus überreicht König Stefan von Ungarn ein Muttergottesbild, Langhausfresko Südwesten, Zwiefalten, 1751 (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Benediktinische Mission in Übersee (Joannes Buellius/hl. Brendan), Langhausfresko Westen, Zwiefalten, 1751 (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Bonifatius (?), Langhausfresko Nordwesten, Zwiefalten, 1751 (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Gregor der Große, Prozession mit dem Gnadenbild „Salus Populi Romani“ von Santa Maria Maggiore (laetania septiformis), Langhausfresko Nordwesten, Zwiefalten, 1751 (NvdM) Dreieckskonstellationen im Langhausfresko von Zwiefalten: Dreifaltigkeit; Gottesmutter, Gnadenbild Mater Monachorum, Benedikt Marienverehrer (NvdM) Perspektivkonstruktion und Fluchtpunkt in der Hand Gottvaters (NvdM) Langhausfresko, räumlicher Mittelpunkt hl. Benedikt (NvdM) Mater Monachorum als Zentrum der umliegenden Gnadenbilder, Langhausfresko Zwiefalten (NvdM) Bewegungsdiagramm Langhaus Zwiefalten (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Zwiefalten, Detail, vom Eingang aus gesehen (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Zwiefalten, Detail, vom zweiten Säulenpaar aus gesehen (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Langhausfresko Zwiefalten, Detail, vom dritten Säulenpaar aus gesehen (NvdM) Gnadenbild von Zwiefalten, um 1425, letztmals überarbeitet durch Johann Joseph Christian um 1756, gerahmt von Kreuzaltar (1757) und Chorgitter (1758), beide gefasst von J. G. Meißner in Zusammenarbeit mit Johann Joseph Christian (NvdM) Johann Baptist Straub:Vorentwurf für den Kreuzaltar von Zwiefalten, um 1745 (KATALOG 1985) Gnadenbild von Zwiefalten (ohne Kronen und Herz), 1926 (FIECHTER/BAUM 1926) Das Gnadenbild von Zwiefalten als räumlicher Fluchtpunkt (NvdM) Zwiefalten Langhaus und Gnadenbild, Abendsonne 8. September 2005 (NvdM) Zwiefalten Chorgitter und Gnadenbild, Abendsonne 8. September 2005, Detail (NvdM) Zwiefalten Chorgitter und Gnadenbild, Abendsonne 8. September 2005, Detail (NvdM) Gabriel Weiss: Heinrich v. Rapperswil im Meersturm mit der Stella Maris als rettendem Orientierungspunkt, 1753– 1755, Öl auf Leinwand, Klosterkirche Wettingen (Kanton Aargau) (NvdM) Josef Ignaz Weiss: „dux optima/Der Meersteren sey vergwist der beste fiehrer ist“, um 1758, Kartuschenfresko, „Alte Kirche“, Chorraum, Flüelen (Kanton Uri) (NvdM) Consolatrix Afflictorum („Trösterin der Betrübten“), Gnadenbild Kevelaer, Kupferstich, um 1642, Niederrhein (NvdM) Der gegeißelte Heiland der Wieskirche bei Steingaden, um 1732 (NvdM) Glanz an Stucksäule im Langhaus von Zwiefalten (Johann Michael Feichtmayr) (NvdM) Johann Joseph Christian: Gewand des Propheten Ezechiel an der Gegenkanzel (Detail), ca. 1768 (NvdM) Johann Georg Glückher: Chronos verzehrt die Geschichte Zwiefaltens, im Hintergrund eine schematische Darstellung des romanischen Münsters Zwiefalten, Frontispiz aus: Sulger: Annales Imperialis Monasterii Zwiefaltensis, 1698 (NvdM) Anonym: Gabriel Bucelin, aus G.W. Zapf: Reisen in einige Klöster Schwabens, 1781 [Stump 1976] Georg Knappich: Der Ordensgründer Benedikt nimmt umgeben von benediktinischen Marienverehrern von der Himmelskönigin den Auftrag zur Verbreitung der Marienkultes entgegen, Titelkupfer von BUCELIN 1671 (NvdM)

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Leonhard Heckenauer nach einer Vorlage von Johann Karl von Reslfeld: Glorie des hl. Benedikt, 1701,Thesenblatt der Erzabtei St. Peter, Salzburg 160 Gabriel Bucelin: Bodenseekarte, 1657, aus: BUCELIN 1657 (NvdM) 161 Ernest Friedrich von Altmanshausen invenit, David Herz delinevit, Wolfgang Kilian sculpsit: Bodenseekarte, 1647, Kupferstich, originale Kupferplatte auf Schloss Wolfegg, 54,3 x 35,7 cm (KATALOG 1981) 162 Titelkupfer, aus: Gerardo Mercator: Atlas sive cosmographica, 1595 (http://www.bl.uk/onlinegallery/ttp/ttpbooks. html [letzter Zugriff: 30.10.2010]) 163 Melchior Küsell: Ne feriat, ne pereat, Frontispiz aus: GUMPPENBERG 1657 (NvdM) 164 Melchior Haffner: Ne feriat, ne pereat, Frontispiz aus: GUMPPENBERG 1672 (NvdM) 165 Johann Dietterlin: Legende der Translation der Casa Santa, 1647, Öl auf Leinwand, 170 x 132 cm, östliche Außenwand der Loretokapelle, Hergiswald (Kanton Luzern) (NvdM) 166 Johannes Dietterlin: Reproduktionsvorgang der Casa Santa, Detail aus: Legende der Translation der Casa Santa, 1647 (NvdM) 167 Heinrich Scherer:Vignette Ellwangen, Karte von Bayern und Schwaben, aus: SCHERER 1702, pars III (NvdM) 168 Heinrich Scherer:Vignette Altötting, Karte von Bayern und Schwaben, aus: SCHERER 1702, pars IIIb (NvdM) 169 Heinrich Scherer: Hauptkarte des Atlas Marianus, aus: SCHERER 1702, pars III (NvdM) 170 Carl Rupert OSB: Karte der Germania Benedictina mit der kosmischen Vision des hl. Benedikt, Nürnberg 1732 (NvdM) 171 Übergang vom Langhausfresko zu den Kartuschen, Südosten (NvdM) 172 Langhausfresko Nordwesten (NvdM) 173 François Boucher: Frontispiz, aus: D’ARGENVILLE 1780 (NvdM) 174 Gesteinsmuschel mit menschlichem Antlitz, aus: KIRCHER 1678 (NvdM) 175 Muschelornament über einem Blendfenster im Palazzo Saluzzo Paesana,Turin, 1715–1722 (NvdM) 176 Randzone Langhausfresko mit Bildhauer, Nordosten (NvdM) 177 Syphilisfigur als Antityp zur Allegorie der Fiducia, Südosten (NvdM) 178 Ornatus am Übergang zwischen Kalifornien und der Amerikavignette, Detail aus der Amerikakarte, aus: SCHERER 1702, pars II (NvdM) 179 Franziskus Xaver als Apostel Indiens und Kartenteil von Indien, aus: SCHERER 1702, pars II (NvdM) 180 Franz Joseph Spiegler: Imitatio/Visus, 1752, Langhauskartusche (NvdM) 181 Franz Joseph Spiegler: Constantia/Auditus, 1752, Langhauskartusche (NvdM) 182 Franz Joseph Spiegler: Fiducia/Gustus, 1752, Langhauskartusche (NvdM) 183 Franz Joseph Spiegler: Ardor/Odoratus, bzw.Tactus, 1752, Langhauskartusche (NvdM) 184 Imitatio und Constantia, Öl auf Papier, um 1751 (nachträglich auf Leinwand aufgezogen), 31 x 43 cm,Verbleib unbekannt (NEUBERT 2007) 185 J. G. Hertel: Allegorie der Constantia (Beständigkeit), um 1758 (RIPA) 186 Philips Galle: Allegorie der Constantia (Beständigkeit), ca. 1584 187 J. G. Hertel: Allegorie der Preces (Gebet), um 1758 (RIPA) 188 Maarten de Vos: Allegorie der Gehörs (auditus), Kupferstich, 21,5 x 26,6 cm (HOLLSTEIN XLVI) 189 Johann Evangelist Holzer: Allegorie des Glaubens, 1737, Entwurf für das südöstliche Zwickelfeld unter dem Kuppelfresko von Münsterschwarzach, Öl auf Leinwand, 37,2 x 27,5 cm, Kunstsammlung und Museen Augsburg (KATALOG 2010) 190 Johann Evangelist Holzer: Allegorie der Liebe. Sieg der theologischen Weisheit, 1737, Entwurf für das nordwestliche Zwickelfeld unter dem Kuppelfresko von Münsterschwarzach, Öl auf Leinwand, 36,7 x 25,4 cm, Kunstsammlung und Museen Augsburg (KATALOG 2010) 191 Johann Evangelist Holzer: Allegorie der Hoffnung oder Allegorie der Beständigkeit (Benedikts Tugendweg), 1737,

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Entwurf für das nordöstliche Zwickelfeld unter dem Kuppelfresko von Münsterschwarzach, Öl auf Leinwand, 37,2 x 27,5 cm, Kunstsammlung und Museen Augsburg (KATALOG 2010) Johann Evangelist Holzer: Niederwerfung des Heidentums, 1737, Entwurf für das südwestliche Zwickelfeld unter dem Kuppelfresko von Münsterschwarzach, Kohle auf Papier, 29,3 x 20,1 cm, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum (KATALOG 1990) Stephan Kessler: Allegorischer Triumphzug des Menschen auf dem Weg zur Ewigkeit, um 1675, Kloster Benediktbeuern, Festsaal Deckenbild Gottfried Bernhard Göz: Allegorie der fünf Sinne, 1751, Deckenfresko Schloss Leitheim (ISPHORDING 1997) Robert Fludd: Diagramm des Geistes und seiner Beziehung zu den Sinnen und den Elementen, 1619, aus: FLUDD 1619 (NvdM) Johann Joseph Christian/Johann Michael Feichtmayr: Gegenkanzel Zwiefalten mit dem Propheten Ezechiel, um 1768 (NvdM) Johann Joseph Christian/Johann Michael Feichtmayr: Kanzel Zwiefalten mit Ezechiels Vision vom Totenfeld, um 1768 (NvdM) Diagramm Kanzel und Gegenkanzel (NvdM) Johann Joseph Christian/Johann Michael Feichtmayr:Vision vom Totenfeld mit den christlichen Kardinaltugenden Glaube (Kreuz), Liebe (Herz), Hoffnung (Anker), um 1768 (NvdM) Johann Joseph Christian: Ezechiel, Gegenkanzel Zwiefalten, um 1768 (NvdM) Johann Joseph Christian: Ezechiel und Gottvater (Untersicht), Gegenkanzel Zwiefalten, um 1768 (NvdM) Johann Joseph Christian/Johann Michael Feichtmayr:Vision vom Totenfeld mit den christlichen Kardinaltugenden Glaube (Kreuz) und Hoffnung (Anker), um 1768 (NvdM) Johann Joseph Christian/Johann Michael Feichtmayr:Vision vom Totenfeld mit der Tugend der Liebe, um 1768 (NvdM) Bernard Picart le Romain: Ezechiels Vision, aus: DE HONDT 1728 (NvdM) Bernard Picart le Romain:Vision Ezechiels von den vier Lebewesen inmitten der vier Räder aus Crysolith unter der Herrlichkeit des Herrn (Ez 1,4–28), aus: DE HONDT 1728 (NvdM) Johann Joseph Christian: Der aus der Nische heraustretende Ezechiel im Vormittagslicht, Gegenkanzel Zwiefalten, um 1768 (NvdM) Anton Bader: Kanzel der Filialkirche Sankt Johannes der Täufer von Oppolding (Lkr. Erding, Bayern), um 1765 Anton Bader: Kanzel der Filialkirche Sankt Johannes der Täufer von Oppolding (Landkreis Erding, Bayern), um 1765 Michiel van der Voort/Theodoor Verhaegen: Kanzel für die Prämonstratenserinnen in Leliëndaal (heute Sint-Romboutskathedraal, Mechelen), 1721–1723, Eiche (NvdM) Putto schwingt Weihrauchfass (NvdM) Engel mit Brandfackel entrollt den goldenen Plan Jerusalems. Rechts: König Nebukadnezar (Helm) und das Königshaus Juda (Löwe) als kämpfende Putti, Sockelzone Gegenkanzel Zwiefalten (NvdM) Johann Michael Feichtmayr: Putto wirft Haarbüschel in eine Waage, Gegenkanzel, um 1768 (NvdM) Johann Michael Feichtmayr: Kanzel Zwiefalten, Sockelzone, um 1768 (NvdM) Anonym:Typus hominis interioris. Abschilderung des innerlichen Menschen, in: Ichnographia Emblematica Triplicis, 1779 (STAFFORD 1998) Friedrich Christoph Oetinger:Tugendbaum, 1753 (NvdM) Diagramm der Kapellenpatronate sowie der Emporen- und Kapellenfresken (NvdM) Klosterkirche, Blick ins Langhaus von Westen (NvdM) Nördliche Seitenkapellen, von Südwesten aus betrachtet, um 1769 (NvdM) Dritte nördliche Seitenkapelle, Nothelferaltar, Detail, vom Langhaus aus betrachtet, um 1769 (NvdM) Johann Joseph Christian (Figuren)/Innozenz Columba (Altarbild): Nothelferaltar, (vom Langhaus aus gesehen) um 1769 (NvdM)

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Johann Joseph Christian (Werkstatt?): Arzt, um 1769, Seitenkapelle Nothelfer, Langhaus Zwiefalten (NvdM) Johann Joseph Christian (Werkstatt?): Arzt, um 1769, Seitenkapelle Nothelfer, Drehung der Perspektive (NvdM) Johann Joseph Christian (Werkstatt?): Pestkranker, um 1769, Seitenkapelle Nothelfer, Langhaus Zwiefalten (NvdM) Erste nördliche Seitenkapelle, Aureliusaltar, Kopfreliquiar und Abdeckbild (NvdM) Franz Ludwig Herrmann: Jesus vor Kaiphas, 1770, Aureliuskapelle (NvdM) Aureliuskapelle: Nicolas Guibal: Aurelius als Fürbitter der Kopfkranken, um 1768, Öl auf Leinwand, 300 x 180 cm/ Meinrad von Au: Maria als Erlöserin im Paradies, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm (NvdM) Josephskapelle: Johann Michael Feichtmayr: Ornamentale Rahmung, 1765/Meinrad von Au:Tempelgang Mariens, Deckenfresko, um 1768 (NvdM) Aureliuskapelle, Ornament über dem Beichtstuhl (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Anna-Legende.Verspottung und Verkündigung, St.-Annakapelle Haigerloch, Kuppelfresko im Chor, 1754 (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Die Verheißung des Erlösers im Paradies, Fresko, ca. 400 x 350 cm, erste nördliche Seitenkapelle (Aurelius) (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Mariä Geburt, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, erste südliche Seitenkapelle (Agnes) (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Mariä Tempelgang, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, zweite nördliche Seitenkapelle (Joseph) (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Mariä Verkündigung, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, zweite südliche Seitenkapelle (Anna) (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Mariä Vermählung, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, dritte nördliche Seitenkapelle (Nothelfer) (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Heimsuchung, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, dritte südliche Seitenkapelle (Petrus) (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Darbringung im Tempel, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, vierte nördliche Seitenkapelle (Mauritius) (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Mariä Himmelfahrt, 1766, Fresko, ca. 400 x 350 cm, 4. südliche Seitenkapelle (Ursula) (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Signatur Datierung und Selbstporträt, 1766 (NvdM) Franz Ludwig Herrmann: Jesus vor Kaiphas, Aufsatzbild über dem Beichtstuhl, Aureliuskapelle (NvdM) Josefsaltar mit dem Altarblatt von Innozenz Colomba (1769) und den Stuckfiguren (1768/69) von Johann Joseph Christian und Werkstatt und dem Stuckaufsatz von Johann Michael Feichtmayr (NvdM) Innozenz Columba: Joseph mit dem Jesuskind, 1769, Altarblatt für den Josefsaltar, Öl auf Leinwand, 300 x 180 cm (NvdM) Johann Joseph Christian (Werkstatt): Stuckfigur Hungernder Ägypter/Bruder Josephs, um 1768/69 (NvdM) Johann Joseph Christian (Werkstatt): Stuckfigur Pharao/Joseph als König, um 1768/69 (NvdM) Johann Michael Feichtmayr: Altaraufsatz über dem Josefsaltar, um 1769/70 (NvdM) Deiktischer Chiasmus: Joseph mit Lilie und ausschlagendem Stab/König mit Zepter mit dem Jesuskind, Detail aus Innozenz Columbas Altarblatt für den Josefsaltar, 1769, Öl auf Leinwand, 300 x 180 cm (NvdM) Komplementäre Konstellationen: Detail aus dem Altarblatt Martyrium des hl. Petrus von Nicolas Guibal, 1769, mit der Stuckfigur der Ecclesia von Johann Joseph Christian, um 1768/69 (NvdM) Nicolas Guibal: Martyrium der hl. Agnes (Detail), und Johann Joseph Christian: Personifikation der geistlichen Liebe, um 1769 (NvdM) Johann Michael Feichtmayr: Altaraufsatz und Kreissegmente aus Stuck über dem Altarbild der hl. Agnes, um 1768/69 (NvdM)

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Nicolas Guibal: Martyrium der hl. Agnes, 1769 [datiert und signiert], Öl auf Leinwand, ca. 300 x 180 cm (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Erstes Emporenfresko, Norden, Fundatrix OSB [Gründerin], 1765 (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Zweites Emporenfresko, Norden, Informatrix SS. Pet. Coelst. Anchar. Rupert. Herman Contract. OSB [Lehrerin], 1765 (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Drittes Emporenfresko, Norden, Commensalis B. Hostradi Abbat. OSB [Tischgenossin], 1765 (NvdM) Andreas Meinrad von Au:Viertes Emporenfresko, Norden, Refocillatrix S. Fulberti Episc. OSB [Erquickerin], 1765 (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Erstes Emporenfresko, Süden, Conservatrix OSB [Erhalterin], 1765 (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Zweites Emporenfresko, Medica S.Wilhelmi Abb. Hirsaug. OSB [Ärztin], 1765 (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Drittes Emporenfresko, Amplexatrix B. Andreae Mon. OSB [Umarmerin], 1765 (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Viertes Emporenfresko, Cooperatrix B. Tuteloni Mon. OSB [Mitarbeiterin], 1765 (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Erstes Emporenfresko, Süden, Conservatrix OSB [Erhalterin], 1765 (Detail) (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Orgelfresko Zwiefalten, Praecinentem Beatam Mariam Virginem, suum Magnificat, sequentur Benedictini in cantu Chorali et figurato, 1764 (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Musizierende Mönche mit Hermann dem Lahmen, Zentrum des Orgelfreskos Zwiefalten, 1764 (Detail) (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Hl. Benedikt, Orgelfresko Zwiefalten, 1764 (Detail) (NvdM) Andreas Meinrad von Au: Autoren marianischer Hymnen, Litaneien und Antiphone, 1764, Orgelfresko Zwiefalten, Detail aus dem südlichen Feld (NvdM) Fotomontage mit der ursprünglichen Füllung des Westabschlusses durch den Orgelprospekt, unter Verwendung von KÖNNER 1990 (NvdM) Gurtbogen zwischen Langhaus- und Kuppelfresko (NvdM) Ornamentklammer auf dem Gurtbogen zwischen Langhausdecke und Kuppel (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Kuppelfresko Zwiefalten, Maria regina sanctorum omnium, vom ersten Drittel des Langhauses aus gesehen, 1749/59 (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Kuppelfresko Zwiefalten, vom zweiten Drittel des Langhauses aus gesehen (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Kuppelfresko Zwiefalten, vom östlichen Ende des Langhauses aus gesehen (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Kuppelfresko Zwiefalten, Maria regina sanctorum omnium, 1749 (NvdM) Diagramm Kuppelfresko mit Spiralkomposition und Spieglers Tagewerken (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Maria im Zentrum der Dreifaltigkeit, englischer Herold und Weltkugel, 1749 (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Apostel, Kuppelfresko Zwiefalten, 1749, Detail (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Ordensgründer, Kuppelfresko Zwiefalten, 1749, Detail (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Petrus, Kuppelfresko Zwiefalten, 1749, Detail (NvdM) Nicolas Dorigny: Apostel Petrus, aus der Stichserie „Cupola della Chiesa di S[an]ta Agnese à Piazza Navona in Roma“, nach der Kuppelausmalung von Ciro Ferri, 1690 (KATALOG 1998/99) Franz Joseph Spiegler: Mose, Kuppelfresko Zwiefalten, 1749, Detail (NvdM) Nicolas Dorigny: Moses, aus der Stichserie „Cupola della Chiesa di S[an]ta Agnese à Piazza Navona in Roma“, nach der Kuppelausmalung von Ciro Ferri, 1690 (KATALOG 1998/99) Ciro Ferri/Giovanni Battista Gaulli: Kuppelfresko Sant’Agnese in Agone/Rom, 1689 (NvdM) Cosmas Damian Asam: Ecclesia triumphans, Kuppelfresko der heutigen Basilika Weingarten, 1718–1720 (wikimedia.org) Johann Jakob Zeiller: Entrückung und Krönung des hl. Benedikt inmitten des Heiligenhimmels, Kuppelfresko der Benediktinerklosterkirche Ettal, 1744 (NvdM)

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Johann Jakob Zeiller: Die Vision des hl. Benedikt inmitten der Heiligen des Benediktinerordens, Modello für das Kuppelfresko im Langhaus der Stiftskirche von Ottobeuren, um 1760 (KATALOG 2010) Johann Evangelist Holzer: Die Heiligen des Benediktinerordens, Kuppelentwurf für die Benediktinerabtei Münsterschwarzach, 1737, Öl auf Leinwand, 87 x 110 cm (KATALOG 2010) Matthäus Günther:Verherrlichung des Benediktinerordens, Entwurf für das Mittelkuppelfresko der ehem. Benediktinerabteikirche von Rott am Inn, 1759, Öl auf Leinwand, 127 x 129 cm, Bayerisches Nationalmuseum München (KATALOG 2010) Matthäus Günther: Glorie des Benediktinerordens und seiner Zweige, Rott am Inn, 1761/63 (KATALOG 1988) Der Weg des ewigen Lebens, aus: Antoni Sucquet SJ:Via vitae aeternae [1620], editio sexta, auctior et castigatior, et nouissima, Antverpiae 1625 (NvdM) Robert Fludd:Titelkupfer mit einer Simultandarstellung von Mikro- und Makrokosmos, aus: FLUDD 1617–1619 (NvdM) Robert Fludd: Unitas simplex, Principium Terminus a quo, Fons essentiarum, Actus primus, Ens entium, Natura naturan, aus: FLUDD 1617–1619 (NvdM) Schematische Darstellung der Kugel und des Spielfeldes des Globusspiels von Nikolaus von Kues (NvdM) Nicolaus Cusanus: Globussspiel, aus: Nicolai Cusae Cardinalis Opera, ed. Jacobus Faber Stapulensis, Paris 1514 (NvdM) Nicolaus Cusanus: Globussspiel, aus: Nicolai de Cusa Opera, ed. Henricus Petri, Basel 1565 (NvdM) Nicolaus Cusanus: Globussspiel, aus: Nicolaus Cusanus, De ludo globi, Manuskript, Krakau 1562 (KATALOG 2000) Bewegungsdiagramm unter dem Kuppelfresko von Zwiefalten (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Allegorie des Kontinents Afrika, 1749, Kartusche im südwestlichen Zwickel unter der Kuppel (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Allegorie des Kontinents Asien, 1749, Kartusche im südöstlichen Zwickel unter der Kuppel (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Allegorie des Kontinents Amerika, 1749, Kartusche im nordwestlichen Zwickel unter der Kuppel (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Allegorie des Kontinents Europa, 1749, Kartusche im nordöstlichen Zwickel unter der Kuppel (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Allegorie des Kontinents Europa, 1748/49, Öl auf Leinwand, 33,0 x 22,5 cm, Städtisches Museum Meran Johann Joseph Christian: Allegorie der Erde, 1751, vergoldete Stuckplastik über dem nordwestlichen Vierungspfeiler (NvdM) Johann Joseph Christian: Allegorie des Wassers, 1751, vergoldete Stuckplastik über dem südöstlichen Vierungspfeiler (NvdM) Johann Joseph Christian: Allegorie des Feuers, 1751, vergoldete Stuckplastik über dem nordöstlichen Vierungspfeiler (NvdM) Johann Joseph Christian: Allegorie der Luft, 1751, vergoldete Stuckplastik über dem südwestlichen Vierungspfeiler (NvdM) Blick in das nördliche Querhaus Zwiefalten, 1748–1776 (NvdM) Blick in das südliche Querhaus Zwiefalten, 1748–1776 (NvdM) Hauptaltar des nördlichen Querhauses Zwiefalten (NvdM) Hauptaltar des südlichen Querhauses Zwiefalten (NvdM) Diagramm des südlichen Querhauses, der sogenannten italienischen Seite mit der Puttigruppe Crux Sacra („Crux Sacra sit mihi lux“ – „Das heilige Kreuz sei mein Licht“, Benediktussegen) (NvdM) Diagramm des nördlichen Querhauses, der sogenannten böhmischen Seite mit der Puttigruppe Plenus Spiritus (Apg 7,55) (NvdM)

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Unbekannt (Johann Joseph Christian?): Entwurf für die Hauptaltäre des Querhauses von Zwiefalten, 1748/49, schwarze und graue Feder über der Vorskizzierung in Grafit, 710 x 500 mm (KNAPP 2008) Katakombenheilige Exuperia als römische Patrizierin mit Abdeckbild von Bernhard Neher, um 1776, Translation der Exuperia 1669, Modellierung um 1770 (NvdM) Katakombenheilige Exuperia als römische Patrizierin,Translation 1669, Modellierung um 1770 (NvdM) Modellierter Kopf der Katakombenheiligen Exuperia, um 1770 (NvdM) Katakombenheiliger Vitalis als Miles Christi, schlafend,Translation 1685, Modellierung um 1770 (NvdM) Katakombenheiliger Felix im furnierten Mahagonischrein mit Verglasung und Vorhängen, 1651, Unsere Liebe Frau von Hergiswald (Kanton Luzern) (NvdM) Katakombenheiliger Silvanus, 1682, Jesuitenkirche Luzern (NvdM) Katakombenheilige Theodora des ehemaligen Benediktinerklosters Rheinau, Authentik 1682, Translation 1690 (NvdM) Katakombenheiliger Canditus des Klosters Irsee als stehender Soldat,Translation 1686 (NvdM) Katakombenheiliger Deodatus als ruhender Soldat,Translation 1690, Kloster Rheinau (NvdM) Johann Joseph Christians: Stuckfigur des hl.Wenzeslaus von Böhmen, um 1772 sowie: Bernahrd Neher: Abdeckbild mit Darstellung der Katakombenheiligen Exuperia, 1776, nordwestlicher Querhausnebenaltar (NvdM) Johann Joseph Christian: Ernst von Zwiefalten, um 1769, Stuckplastik, lebensgroß, nördlicher Querhaushauptaltar mit dem Martyrium des hl. Stephanus (NvdM) Johann Michael Feichtmayr/Johann Joseph Christian/Giosuè Scotti: Nördlicher Querhaushauptaltar, 1769/70 Schrägansicht (NvdM) Johann Michael Feichtmayr: Auszug aus dem Stephanusaltar mit Puttenpaar unter dem Fresko der Himmelsvision des hl. Stephanus, nördlicher Querhaushauptaltar, um 1769/70, Stuck (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Himmelsvision des hl. Stephanus, um 1750, Fresko im nördlichen Querhaus, 10 x 5 m (NvdM) Johann Michael Feichtmayr: Altarauszug mit der Puttigruppe Crux Sacra, Benediktsalar, um 1769/70, südlicher Querhaushauptaltar („italienische Seite)“, Stuck (NvdM) Johann Michael Feichtmayr: Altarauszug mit der Puttigruppe Crux Sacra, (Detail), um 1769/70, südlicher Querhaushauptaltar („italienische Seite)“, Stuck (NvdM) Mönchschor, Diagramm (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Martyrium und wundersame Belebung der (Zisterzienser-)Mönche des Klosters „Magi“ (Monasteranenagh), Mönchschorfresko, 1748, 15,00 x 13,50 m (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Martyrium und wundersame Belebung der (Zisterzienser-)Mönche des Klosters „Magi“ (Monasteranenagh), Mönchschorfresko, 1748, zentrales östliches Bildfeld (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Martyrium und wundersame Belebung der (Zisterzienser-)Mönche des Klosters „Magi“ (Monasteranenagh), Mönchschorfresko, 1748, nordöstliches Bildfeld (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Martyrium und wundersame Belebung der (Zisterzienser-)Mönche des Klosters „Magi“ (Monasteranenagh), Mönchschorfresko, 1748, südöstliches Bildfeld (NvdM) Johann Michael Püchler: XL Monachi Mart[yr] Ord[ine] S[ancti] Ben[edicti], aus: RANBECK 1675 (NvdM) Giovanni Carlone: Martyrium der (Zisterzienser-)Mönche des Klosters Monasteranenagh, um 1685, Orgelempore, Stiftskirche Schlierbach (Oberösterreich) (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Maria überreicht dem hl. Bonitus von Ferrand durch einen Engel ein Messgewand, 1747, Presbyteriumsfresko, 10,25 x 7,80 m (NvdM) Hl. Bonitus, Detail aus: Maria überreicht dem hl. Bonitus von Ferrand durch einen Engel ein Messgewand, 1747, Presbyteriumsfresko (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Der hl. Martin erweckt einen Toten, 1747, Deckenfresko, ca. 11,0 x 5,40 m, Pfarrkirche St. Martin, Altheim bei Riedlingen (NvdM)

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Abbildungsverzeichnis

Johann Joseph Christian: Chorgestühl Nord, Nussbaum/Lindenholz, vergoldet, 1744–1753 (NvdM) Johann Joseph Christian: Chorgestühl Süd, Nussbaum/Lindenholz, vergoldet, 1744–1753 (NvdM) Johann Joseph Christian: Übergang vom Chorgestühl zu den Nebenportalen des Hochaltars (NvdM) Johann Joseph Christian: Übergang vom Chorgestühl zu den Seitentüren des Chorgitters, mit Abtstuhl (Mitte) (NvdM) Ornamentverwandtschaft zwischen Chorgestühl (links), Chorfresko (Mitte) und Stuck am Chorfresko (rechts) (NvdM) Johann Joseph Christian: Mariä Geburt, erstes Relief des nördlichen Chorgestühls, Lindenholz, vergoldet, um 1750 (NvdM) Johnan Joseph Christian: Heimsuchung, drittes Relief des südlichen Chorgestühls, Lindenholz, vergoldet, um 1750 (NvdM) Johann Joseph Christian: Zwiefalten unter dem Schutz Mariens, Relief hinter dem Abtstuhl, Lindenholz, vergoldet, um 1750 (NvdM) Johann Joseph Christian: Maria präsentiert den Mönchen Zwiefaltens den barocken Neubau, Detail aus: Zwiefalten unter dem Schutz Mariens, Relief hinter dem Abtstuhl, Lindenholz, vergoldet, um 1750 (NvdM) Johann Joseph Christian: Immaculata, erstes Relief des südlichen Chorgestühls, Lindenholz, vergoldet, um 1750 (NvdM) Franz Joseph Spiegler:Verherrlichung der Immaculata mit ihren Eltern Anna und Joachim und durch die vier Erdteile, Öl auf Leinwand, 1742, ca. 425 x 210 cm, katholische Pfarrkirche St. Urban (ehem. Priorat des Benediktiner­ klosters Ochsenhausen), rechtes Seitenaltarbild (NEUBERT 2007) Johann Michael Feichtmayr/Johann Joseph Christian/Franz Joseph Spiegler: Hochaltar Zwiefalten, 1745–1753/66 (NvdM) Johann Baptist Straub: Entwurf für den Hochaltar Zwiefalten, um 1744/45 (eher 1744), Feder in Braun über Stiftvorzeichnung, 74,4 x 44,7 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 15297 (U. Edelmann – Städel Museum – ARTOTHEK) Johann Baptist Straub: Entwurf für den Hochaltar Zwiefalten, um 1744/45 (eher 1744), Feder in Schwarz über Stiftvorzeichnung , 73,5 x 44,1 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 15298 (STÄDEL, GRAPHISCHE SAMMLUNG) Johann Baptist Straub: Entwurf für den Hochaltar Zwiefalten, um 1744/45 (eher 1744), Feder in Grau, grau laviert, leicht grün und mattrot aquarelliert, gerändert, 73,0 x 46,0 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 15299 Johann Michael Feichtmayr: Entwurf zum Hochaltar von Zwiefalten, 1745/46, Landsberg am Lech, Neues Stadtmuseum, Inv.-Nr. 197 Johann Joseph Christian: Figur des Evangelisten Matthäus, um 1767, Hochaltar Zwiefalten (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Mutterschaft Mariens (Maternitas B. V. M. ex Matthaeum/Mutterschaft der seligen Jungfrau Maria nach Matthäus), 1753, Öl auf Leinwand, 8,80 x 4,00 m, signiert und datiert, Hochaltarbild Zwiefalten (NvdM) Franz Joseph Spiegler: Josephs Traum, um 1753, Öl auf Leinwand, 96,5 x 93,5 cm, nicht signiert, nicht datiert, Meran, Städtisches Museum (NEUBERT 2007) Franz Joseph Spiegler: Josephs Traum, um 1753, Öl auf Leinwand, 97,5 x 93,5 cm, nicht signiert, nicht datiert, Frankfurt, Privatbesitz (NEUBERT 2007) Pietro Liberi:Verkündigung, 1674, Santa Maria della Salute, nordöstliche Kapelle, Öl auf Leinwand, 5,23 x 2,66 m (NvdM) Johann Joseph Christian: Buch und Schreibfeder des Matthäus, um 1767, Hochaltar Zwiefalten (NvdM) Cur Faciem tuam absconidis?, um 1775, Seccomalerei, 1,83 x 1,86 m, Begräbniskapelle über dem Zömeterium, Südwand (NvdM) Benedikt Mauz: Konzeptffragment LA II, Konzept II für das Langhausfresko, 2v u. r, um 1749/50, Hauptstaatsarchiv Stuttgart B551 Bü 28.

Register

Namen Abraham a Sancta Clara 113, 175, 223, 225, 265, 463, 471 Abraham 386, 423 Achalm, Luithold & Kuno 53, 61, 82, 127, 129, 350, 401, 409, 448, 462, 497 Achermann, Hansjakob 47, 48, 50 f., 58, 67, 331–33, 463, 494 f., Alciato, Andrea 141 f., 493, 497 Adam & Eva 138, 213 f., 386–388, 423, 497 Ad Herennium 463, 113 Adelhed von Savoyen 499, 159 f. Adelmann, Josef Anselm 91, 463 Adorno,Theodor W. 102, 493 Aggermann-Bellenberg, Ulrike 65 f., 493 Agnes, hl. 255, 262, 266, 268 f., 273 f., 279–281, 328, 360, 361, 412, 435, 460, 502 f. Alber, Georg 175 Alberti, Leon Battista 75–77, 84, 91, 204, 327, 344–346, 349, 463, 465, 481 Albrecht, Balthasar Augustin 175, 254, 312, 382, 407, 435 Albrecht, Benedikt 111 Alewyn Richard 21, 250, 463 Alpers, Svetlana 123, 463 Altmann, Lothar 463 Altmannshausen, Johann Ernst von 187 f., Amandus (Amand) von Maastricht, hl. 158, 421–422 Ambrosius, hl. 51, 153, 177, 424, 469 Ambos, Claus 42, 463 Angenendt, Arnold 332 f., 463 Anna, hl. 50, 123 f., 233, 253, 254, 261, 263, 265, 268 f., 274

Ansgar, hl. 161, 416, 421, 439 Antonius, hl. 425, 135 Appuhn-Radtke, Sibylle 49, 141, 464 Aristoteles 113, 115, 169 f., 181, 218, 247–249., 315, 338, 464, 481, 485 Arius 272 Asam, Cosmas Damian 116, 136 f., 148,174, 250, 310, 486 f., 503 Asam, Egid Quirin 62, 116, 136f., 247, 250, 469, 486 f. Asam, Georg 114, 136 Assfalg,Werner 128, 173, 253, 363, 464 Au, Andreas Meinrad von 15, 24, 108, 228, 252 f., 254, 259–265, 284, 287–288, 290, 295 f., 393, 403, 468, 472, 474, 502 f., Auerbach, Erich 61, 84, 242, 464 Augenstein,Torsten Mario 297, 464 Augustinus 140, 274, 337, 419, 424, 464 Augustinus von Canterbury 158 f., 217, 498 Aurelius, hl. 40, 82, 90, 254, 258–260, 262, 266, 268 f., 272–274, 328, 401 f., 409, 424, 435, 449 f., 459, 461, 502 Austin, John L. 39 f., 464 Bachelard, Gaston 26, 200–202, 464 Bachmann, Christoph 192, 464 Bachtin, Michail M. 70, 464 Bader, Anton 243, 501 Bahr, Matthias 22, 484 Balthasar, Hans Urs von 221, 394, 464 Balzac, Honoré de 397 Baronius, Cesare 311 Basilius, Katakombenheiliger 48

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Register

Barker, Robert 197 Barlösius, Eva 218 Barri, Giacomo 98 Barthes, Roland 61, 397, 464, 486 Bauer, Barbara 12,117, 224, 464 Bauer, Christoph 369–373, 387, 464 Bauer, Hermann 21 f. 97, 101, 117, 151, 123, 161, 193, 200, 250, 255, 289, 293 f., 311, 364, 464 Baumann, Ottmar 16, 23, 40, 77, 87, 90, 108, 172, 175, 177, 206, 234 f., 252, 325, 350 363 f., 379, 381, 400, 402, 426 f., 431, 434, 484 Baumgartner, Johann Wolfgang 200 Baumstark, Reinhold 477 Büttner, Frank 21, 23, 101, 111, 114, 298, 464, 469, 471, 478, 482 Büttner, Fred 468 Baum, Julius 172, 472 Baumeister, F. 90, 175 f., 464 Baxandall, Michael 123, 339, 463 f. Beer, Franz 401 Behne, Klaus-Ernst 247 f., 464 Behrens, Rudolf 397, 464 Belliger, Andrea 39 f., 45, 465 Bellini, Gentile 66 Belting, Hans 22, 44–46, 62, 156, 180, 238, 335, 465, 470 Benedikt, Ordensgründer 55, 62, 82, 90, 108, 112, 144 f., 151–158, 163–165, 167 f., 174, 186, 195 f., 218, 220, 266–268, 285, 289, 294 f., 310–313, 325, 329, 342, 348, 353, 361, 392, 402, 405 f., 412–414, 416, 424, 434, 435– 445, 447, 450, 459, 468, 470, 472, 477, 498–500, 503 f. Benedikt XIV., Papst 387 Bendrath, Christian 465 Benjamin,Walter 95, 97, 129, 179, 203, 213, 230, 276, 465 Benthien, Claudia 88, 465 Berger, Rupert 65, 472 Bergmüller, Johann Georg 121, 174, 229, 254, 265 f., 311 f., 435, 498 Bertelli, Gioia 153, 473 Bergé, Jacques 231 Bering, Kunibert 27, 62, 465, 276, 480, 484, 49 Bernhard von Clairvaux 112, 155 f., 175 f., 178, 183, 193, 206, 225, 274, 292, 304, 417, 437, 465, 470, 498 Bernini, Gianlorenzo 77, 226

Bernoulli, Jakob 314 Betz-Wischnath, Ingeborg 16, 111, 465 Beyer, Andreas 77, 84, 102, 119, 465 Beyerlinck, Laurentio 415, 465 Bianchi, Paola 465, 469, 476 Biermann,Veronica 345, 465 Binder, Helmut 45, 67 f., 465, 474 Bisky, Jens 85, 465 Bitterli, Dieter 192, 465 Blickle, Peter 46, 466 Bloch, Ernst 24 f., 466 Blick, Marc 181 Blume, Rüdiger 23, 163, 466 Boehm, Gottfried 13, 92, 335, 338, 371, 466, 480, 487, 493 Böhme, Gernot 466 Böhme, Hartmut 149, 216, 347, 466 Böhme, Jakob 465 Böing, Günther 65, 472 Bötticher, Karl 88 Bolis, Ezio 139, 466 Bollnow, Otto Friedrich 112, 466 Bonifatius, hl. 160, 162, 499 Bonitus von Ferrand 359 f., 362 f., 375, 412, 505 Boockmann, Hartmut 45, 466 Borges, Jorge Luis 25, 177, 466 Borinski, Karl 129 Borromäus, Karl 133 f., 138 f., 424, 497 Borromini, Francesco 487, 77, 80, 101 Bosio, Antonio 332 Boucher, François 200 f., 500 Brahe,Tycho 314 Brandstetter, Gabriele 61, 322, 466 Brauchle, Edmund 118 Braun, Heinrich Suso 61, 466 f., Bredekamp, Horst 146, 466, 475, 491 Bredow, Gerda von 305, 316 Brendan (Brandanus), hl. 160 f., 173 f., 499, Brendan, Ignaz 173 f., 217 f., 311 Brommer, Hermann 45, 467 Brosius, Christiane 463, 467, 491 Brossette, Ursula 61f., 84, 250 f., 255, 467 Brown, Patricia 467 Brückner,Wolfgang 12, 45 f., 65 f., 141, 143, 156, 165, 177, 184, 188, 246, 467, 471 Bruyn, Nicolaes de 219

Register

Bucelin, Gabriel 28, 185–188, 196, 284, 286, 289, 311 f., 353, 356, 359 f., 395, 412 f., 417, 419 f., 421 f., 436, 438, 443, 468, 480, 483, 494, 499 f. Buchenrieder, Fritz 216, 468 Buci-Glucksmann, Christine 165 f., 197, 204, 468 Buck, Ingeborg Maria 25, 254, 261, 265, 289, 468, 472, 474 Buellius, Joannes 158, 160 f., 416, 499 Burckhardt, Jacob 22, 95 f., 102, 468, 473, 492 Burda-Stengel 468 Buri, Eugen 24, 254, 261, 289 f., 468, 472, 474 Buri, Eugen 24, 254, 261, 289 f., 468, 472, 474 Burioni, Matteo 102, 119, 465 Burke, Edmund 182 f., 249, 468 Buschow Oechslin, Anja 144, 483 Büssel, Johann Joseph 90 f., 403, 496 Büttner, Frank 21, 23, 101, 114, 299, 464, 468 f., 471, 478, 482 Bushart, Bruno 261, 468 Cameron, Dan 216 Cancik, Hubert 22, 180, 468 Canditus, Katakombenheiliger 336, 505 Canisius, Petrus 132, 140 f., 143, 469 Carlen, Louis 44, 469 Carlone, Giovanni 357 f., 505 Casey, Edward 469 Cassian 352 Caus, Salomon de 145 Ceplak, Birgit 44, 469 Cherle, Benedik, Abt Tierhaupten 185 Chlothilde (Chrodechild) 155, 157 f., 402, 498 Chlodwig I 155, 157 f., 402, 498 Christian, Johann Joseph 15 f., 23, 34, 80, 89, 92, 124, 126– 128, 130 f., 137, 144 f., 171 f., 181 f., 229, 232, 234–237, 239, 242, 252–254, 257 f., 271–273, 278 f., 321, 323, 325 f., 339–341, 350, 358, 363 f., 367–369, 371–373, 374, 367, 379, 381 f., 388, 393, 401–403, 464, 476,482, 485, 496–499, 501 f., 504–506, Chronos 122, 129, 184, 315, 499 Cicero, Markus Tullius 95, 181 f., 203, 240, 242, 338, 344, 345, 469 Clements XI., Papst 387 Clemens XIV., Papst 34 Cobianchi, Roberto 469 Coburg, Uta 247, 469

Cock, Hieronymus 214 Collaert, Adriaen 219 Colomba, Giovanni Battista 229, 254 Colomba, Innozenz 271, 502 Corbin, Alain 216 f., 469 Corregio, Antonio da 310 Constantius, Katakombenheiliger 51, 494 Cortona, Pietro da 310 Cottone, Margherita 224, 469 Cranach, Lucas d. Ä. 178, 343 Crary, Jonathan 215 Crunelle, Marc 216, 469 Cytowic, Richard 246 f., 469 Damasio, Antonio 22, 470 Dassmann, Ernst 51, 469 Davis, Philip J. 314, 469 D’Argenville, A.-J. Dezallier 200 f., 469, 500 de Boer,Wietse 132, 134, 469, 497 Debord, Guy 85, 198, 469 De Certeau, Michel 26, 163, 166, 469 Degle, Franz Joseph 63, 495 De Hondt, Pieter 236 f., 239 Deleuze, Gilles 26 f., 62, 67, 122–124, 162 f., 165, 184, 190, 230, 276, 310, 322, 382, 396, 470 Delvaux, Laurent 231 Deodatus, Katakombenheiliger 266, 336, 505, Derrida, Jacques 205 f., 281, 287, 343, 347, 369, 470 Descartes, René 249, 314 Dettmer, Herman 45, 470 de Vogüe, Adalbert 352, 470 Dewey, John 470 Diaconu, Madalina 215, 247, 470 Diderot, Denis 396 f., 464, 470 Didi-Huberman, Georges 95, 470 Dienstbier, Paul 90, 470 Dientzenhofer, Johann 80, 496 Dilthey,Wilhelm 223 Diers, Michael 465 Dietrich, Dagmar 137, 231, 470 Dischinger, Gabriele 78, 79 f., 87 f., 101, 111, 115, 137, 229, 235, 252 f., 325, 372, 381, 470 Doll, Philipp OSB 18, 34, 128, 217 Döbler, Marvin 23, 470 Dorigny, Nicolas 308 f., 503 Dorn, Ludwig 45, 470

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Douglas, Marry 39 Dragstra, Rolf 216, 470 Drašček, Daniel 45, 470 Duns Scotus, Johannes 387 Durkheim, David Émile 39 Dünkelsbühler, Ulrike 198, 205, 211, 347, 349, 470 Dünninger, Hans 35, 44 f., 65, 467, 470 f. Eco, Umberto 228 f., 471 Edmund von Canterburry, hl. 498, 155 f., 417, 424, 440 f. Ehrlicher, Hanno 471 Eiselin, Georg 328 Eisvogl,Veremund 185, 289 f., 298, 471 Eliade, Mircea 112 Elias, Norbert 217 Eligius, hl. 158, 421 Elisabeth von Reute („gute Beth“) 272 Eminnghaus,W. B. 230, 471 Emrich, Hinderk M. 247, 471 Engelbert von Admont 206, 292, 430 f. Engelberg, Meinrad von 12, 16, 47, 102, 120, 124, 228, 253, 268, 471 Enriquez, Crisóstomo 356, 358, 395, 413, 471 Erasmus, Katakombenheiliger 67, 495 Ernst (Ernestus) von Zwiefalten 340, 342 f., 424, 459, 505 Esperlin, Joseph 202 Ethelbert von Kent (Æthelberth) 158 f., 498 Euler-Rolle, Bernd 226 f., 471 Exuperia, Katakombenheilige 40 f., 47–49, 54, 61, 109, 269, 328, 330 f., 333, 339, 449, 459 f., 494, 505 Eybl, Franz M. 113, 472 Ezechiel 500 f., 182, 216, 232 f., 235–239, 241 f., 244 f., 246, 250, 254, 364, 386, 395 Fantoni, Andrea 134, 138 f., 466, 498 Fassbinder, Stefan 45, 471 Fehl, Philipp 203, 471 Felbecker, Sabine 39, 42, 44, 58, 472 Felder, Peter 62 58, 68 f., 471 Felder, Sabine 95, 97 f., 471 Felix, Katakombenheiliger 333 f., 505 Feichtmayr, Johann Michael 15f., 34, 89 f., 92, 122–124, 144, 151 f., 175, 182, 201, 207, 229, 232–235, 238 f., 244 f., 252–254, 260, 271, 273, 280, 323, 325 f., 341, 348, 350, 364, 366, 376, 378–381, 393, 401–403, 475, 478, 481, 484, 486, 496–499, 501 f., 505 f. Ferdinand Maria von Bayern, Kurfürst 159, 160, 499

Ferri, Ciro 308–310, 503 Feuchtmayer, Joseph Anton 124, 137 f., 181, 202, 364, 366, 478, 497 Feulner, Adolf 252, 471 f., Fiechter, Ernst 23, 78, 172 f., 369, 472, 499 Fietz, Hermann 144 f., 472, 498 Finkenstaedt, Helene 45, 64, 472 Finkenstaedt,Thomas 45, 64, 472 Fischediek,Teresa Karin OSB 352, 472 Fischer, Johann Michael 15, 74, 76, 79–81, 83, 87 f., 229, 288, 326 f., 401, 470, 493, 496 Fischer-Lichte, Erika 22, 85, 466 f., 472, 481, 487, Flasch, Kurt 464, 472, 316 Floris, Frans 214, 218 Fludd, Robert SJ 91, 187, 224 f., 314 f., 472, 501, 504 Folie, Sabine 476 Fornhoff, Roger 228, 472 Fortunatus, Katakombenheilige 328, 333 Foucault, Michel 132, 165, 179, 472, 487 Foerster, Roland G. 65, 472 Forster, Leonhard 223, 481 Forster, Placidus 196 Franckenstein, Christian Gottfried 385, 472 Frank, Isabelle 203, 472, 484 Franke, Birgit 144, 472 Frankl, Paul 26, 101, 472 Franco, Giacomo 66 Fridolin von Säckingen, hl. 148, 151, 253, 421 f., 468, 484, 498 Frisoni, Giuseppe 364 Feedberg, David 43 f., 45 f., 62, 335, 337, 472 Frei,Walter 50 f., 90, 293, 472 Freivogel,Thomas 266 f. Fried, Michael 472 Friedlmaier, Karin 265, 472 Friedrich von Württemberg, Herzog 111 Gabler, Joseph 15, 252 f., 296, 350, 489 Gabor, Ingo 34, 472 Gadamer, Hans-Georg 249, 466, 472 Gaier, Martin 84, 473 Gainsborough,Thomas 97, Gaißer, Georg III, Abt. St. Georgen [52], [56], [185] Galand-Hallyn 338, 473 Galle, Philips 117, 134 f., 213, 475, 497, 500 Galle,Theodor 370

Register

Gallus, hl. 159 f., 419, 425, 459, 498 Gantner, Joseph 96, 100, 473, 492 Ganz, David 25, 45 f., 375, 473, 488 Garber, Klaus 94, 473, 483, 490 Gauer, Heinz 156, 473 Gaulli, Giovanni Battista 308, 310, 503 Gebauer, Gunter 141, 473 Gebert, Martin, Abt St. Blasien 32 Geese, Susanne 231, 473 Gennep, Arnold van 39, 41 f., 490 Germann, Georg 115, 473 Gess, Nicola 181 Getulius, Katakombenheiliger 59, 68, 471, 495 Giedion, Sigfried 473 Gilpin, Christian William 97 Giorgioli, Francesco Antonio 114, 116, 265, 478 Girardon, François 276 Girodet, Anne Louis 397 Glöde, Marc 215 Glückher, Johann Georg 30, 184, 494, 500 Gnehm, Michael 88, 473 Goethe, Johann Wolfgang von 62, 197 f., 473 Göz, Gottfried Bernhard 220 f., 261, 265, 476, 501 Grabes, Herbert 141 Gracián, Baltasar 249 Graham, Dan 119, 473 Grandi, Carlo 154, 498 Grave, Johannes 119, 102, 465 Gregor d. Große 153, 154–156, 158, 161, 162, 206, 292, 295, 407, 415–418, 424, 429, 431, 446, 498 f. Gregor von Tour 65 Gregor VII., Papst 159, 415 Gregor von Nazianz 414 Gregor von Nyssa 414 Greising, Joseph 80, 496 Greuth, Agnes 47 Gropius,Walter 227 Guardini, Romano 217, 473 Guattari, Félix 162 f., 165, 190, 470 Günther, Matthäus 173 f., 229, 254, 311–313, 435, 464, 477, 504 Guggenmos, Eva Maria 492 Guibal, Nicolas 128, 229, 254, 259, 267, 278, 281, 403, 475, 477, 490, 502 f. Guiglia, Guidobaldi,Alessandra 153, 473

511

Gumppenberg,Wilhelm von 29, 188–190, 192, 196, 372, 473, 479, 486, 500 Gurewitsch, Anton 216 Gurlitt, Cornelius 77, 96, 473 Gutwein, Balthasar 311 Habisreuttinger, Columban 147, 293, 473 Hahn, Alois 39, 59, 128, 132 f., 134, 141, 216, 473 f. Hahn, Hans Peter 42 Halder, Reinhold 23, 29 f., 49, 78, 80, 108, 120, 148, 171, 173, 227, 252–254, 265, 267 f., 288, 294, 296, 403, 474 Harather, Karin 88, 474 Harms,Wolfgang 110, 142 f., 224, 389, 474, 496, 498 Harries, Karsten 22, 122, 124, 153, 203, 474 Hartung, Freya 203, 471 f., 484, Haschek, Ingeborg 231, 474 Hass, Ulrike 230, 250, 474 Haug, Dag 169, 474 Hauntinger, Johann Nepomuk 15, 297, 474 Hawel, Peter 270, 343, 474 Hecht, Christian 23, 114, 474 Heckenauer, Leonhard 174, 186, 500, Hegel, Georg Friedrich 346, 475 Hehle, Josef 174, 474 Heidegger, Martin 26, 122, 474 Heinrich IV. 159, 415 Heinse,Wilhelm 85 Heinz, Bernhard 498, 145 Heliodor 104, 111, 496, Henkel, Georg 25, 45 f., 177, 179, 181, 473, 475, 488 Herder, Johann Gottfried 198, 249, 293, 475, 493, 12 Herkenhoff, Paulo 216 Hermann von Reichenau (Contractus) 155 f., 188, 206, 292, 294 f., 297, 407, 415, 417, 429, 431, 439, 441, 446, 498, 503 Herrmann, Franz Ludwig 127, 129, 174, 177, 254, 259, 266 f., 325, 342, 403, 473, 487, 497, 502 Herrmann, Franz Georg 154, 266 Hertel, Johann Georg 109, 111, 213, 500 Herz, David 187 f., 500 Herzog, Urs 113, 175, 231, 241–243, 246, 249, 475 Heublein, Brigitte 271 f., 275, 475 Hevenesi, Gabor 185 f., 272, 289, 353, 395, 417–419, 420 f., 436, 441, 475 Heymer, Kay 66, 475 Hieronymus 274, 382, 384 f., 424

512

Register

Hildebrand, Adolf v. 99 f., 475, 492 Hilgers, Philipp von 316, 475 Hirmer, Max 15, 21, 126, 481, 494, 497 Hirsau,Wilhelm von 127, 497, 503, 56, 109 Hinterstocker, Elisabeth B. 89, 325, 378 Hirschfeld, Christian L. 97 f., 145, 475, 498, 475 Hoegger, Peter 66, 175, 475 Hoets, Gerard 111 Hohenbaum, M. J. A. Franz van der 144 f., 498 Holbein, Hans d. Ä. 267 Holbein, Hand d. J. 370 Holenstein, André 46, 466 Höltgen, Karl Josef 225, 475 Holzhay, Hans Michael 108, 296, 489 Hollstein, F.W. H. 134 f., 214, 219, 475, 497, 500 Holzer, Johann Evangelist 173 f., 217–219, 220, 311–312, 477, 479, 482, 487, 500, 504 Holzherr, Georg 112, 352, 475 Holzherr, Karl 23 f., 30, 197, 253, 268, 372, 403, 414, 476 Höper, Corinna 254, 475 Hopkins, Andrew 385, 475 Hoppe-Sailer, Richard 476 Horst, Ulrich 387, 389, 476 Hosch, Hubert 23, 90, 108 f., 127, 148, 155, 158, 160, 235, 252 f., 255, 261, 265, 303, 350, 356, 359, 367, 407, 411, 434 f., 476 Huber,Wolfgang 181, 235, 254, 272, 275 Huebner, Dietmar 44, 476 Hundemer, Markus 21, 23, 114, 215, 476, Huber, Rudolf 181, 235, 254, 272, 350, 363 f., 369, 373 f., 381, 384 Huber, Ulf 40, 476 Huber,Wolfgang 275, 476 Hüttl, Ludwig 45, 476 Humbert, Klaus 87, 476 Hummel, Heribert 45, 476 Hundemer, Markus 21, 23, 114, 215, 221, 476 Hunt, John 97, 476 Ignatius von Loyola 18 f., 117, 132, 140, 142, 220–222, 224, 425, 476, 479, 481, 489f., 498, Ildefons von Toldeo 155 f., 360, 415, 417, 441, 498 Imorde, Joseph 95, 476 Ingenhoff, Hans 24, 86–88, 164, 228, 313, 326, 370, 381, 404, 476, 496 Innozenz XI. 31

Innozenz II. 121 Isphording, Eduard 221,265, 476, 501 Jakobus, Hl. 50, 268, 272, 274 James,William 216 Jäger, Ludwig 391, 476, 486 Jantschek,Thorsten 476 Jesus Christus 82, 137, 140, 146, 153 f., 156, 172, 240, 254, 259, 266, 271 f., 277, 369 f., 375, 386 f., 497, 502, Johannes d.Täufer 49, 241, 243, 268 f., 270, 328, 435, 501 Johannes Duns Scotus 387 Johannes v. Damaskus 157 Johann Nepomuk, hl. 328 Johnson, Mark 22, 140, 215, 337, 480 Johnson, Philip 119 Jonas, Hans 226, 476 Joseph, AT 272–274, 503, 506 Josef, hl. 117, 245, 260, 262, 271–275, 277, 350, 369 f., 375 f., 383, 384–386, 389, 441, 423, 459, 475, 485, 502 f. Joseph II. 17, 33 f., 117, 271, 485, 489 Justina, hl. 268 f., 328, 435, 449, 460 Kamper, Dietmar 22, 466, 470, 473, 493 Kandinsky,Wassily 277 Kant, Immanuel 175 f., 181, 183, 203, 205, 249, 343, 346, 347, 349, 470, 477, 483 Kantorowicz, Alfred 331, 336, 343 Kaiblin, Modest 49 Karner, Herbert 152, 477 Kauffmann, Hans 215, 218, 478 Keller, Andreas 71, 478 Keller, Harald 227, 478 Keller-Schweizer, Elisabeth 114, 265, 478 Kemmann, A . 338, 478 Kemp, Cornelia 110, 474, 478 Kemp,Wolfgang 98, 478 Kempinski, Diotima von 216, 478 Kern, Margit 45, 124, 478 Kerner, Elmar 45, 478 Kessler, Michael 116 f., 496 Kessler, Stephan 219 f., 477, 501 Kilian, Bartholomäus 30, 141, 464, 494 Kilian,Wolfgang 188, 500 Kimminich, Eva 33 f., 39, 478 Kircher, Athanasius 146, 187, 200 f., 315, 478, 500 Kittler, Friedrich 221, 478

Register

Knape, Joachim 344, 478, 490 Knapp, Ulrich 124, 137, 181, 202, 252 f., 325 f., 478, 487 Knappich, Georg 186, 499, 504 Knöferle, Karl 478 Knoepfli, Albert 463, 466, 493 Knoller, Martin 174, 311, 313 Koch, Anne 22, 478 Koch, Laurentius OSB 137, 478 König, Erich 27, 491 König, Eugen 26, 42, 479, 497 König, Marion 42, 479 Könner, Klaus 127, 227, 253, 255, 296 f., 479, 503 Körner, Hans 241, 479 Kolb, Günter (1990) 253, 479 Kolb, Raimund (1991) 265, 342, 350, 358–362, 374, 382, 385, 479 Konstantin d. Gr. 65 Korff, Gottfried 45, 479 Koschorke, Albrecht 198 f., 479 Koselleck, Reinhart 26, 32, 479 Krämer, Erich 218, 311 f., 479, 491 Krämer, Sybille 71, 479 Krafft, Fritz 315, 479 Krausen, Edgar 188, 479 Kreuzer, Ernst 23, 78, 107, 153, 155, 270, 272, 288 f., 359 f., 411, 431, 434, 436, 448 Krieger, David 39 f., 45, 465 Kriss, Rudolf 45, 62, 479 Kriss-Rettenbeck 45, 477, 479 Krump, Sandra 479 Krogt, Peter van der 189, 490 Kroll, Frank-Lothar 479 Kruse, Norbert 465, 479,487 Kubler, George 42, 480 Kugler, Franz 95, 98, Kugler, Joseph 117, 225,245, 372 Kühne, Hartmut 45, 480 Küppers, Kurt 46, 480 Kues, Nikolaus von 314–319, 467, 472, 480, 504 Küster, Konrad 177, 293, 297, 480 Kullen, Siegfried 186, 188, 480 Kummer, Stefan 24, 87, 326 f., 480 Kuzmics, Helmut 217 Laban, Rudolf von 227 Lachmann, Gabriele 23, 163, 466

513

Lakoff, George 140, 215, 337, 480 Lampl, Sixtus 196, 480 Lanfranco, Giovanni 310 Lang, Franciscus SJ 117, 293, 482, Langen, August 25, 480 Langius, Carolus 224 Lanwerd, Susanne 22, 480 Largey, G. P. 217 Largier, Nikolaus 132, 480 Latour, Bruno 40, 42, 230, 480 Lavin, Irvin 228, 480 Layer, Adolf 192, 480 Leander von Sevilla, hl. 160 f., 424 Lechner, G. 373, 480 Lechner, Joseph 213, 480 Lechtermann, Christina 215 f., 480 Leopardus, hl. 419 Leibniz, Gottfried Wilhelm 25 f., 187, 322, 466, 470 Lessing, Gotthold Ephraim 480 f., 240, 293 Leeuw, Gerardus van der 112 Lefèvre, Jacques 318 Liberi, Pietro 385, 486, 506 Lichte Claudia 45, 481 Lieb, Norbert 15, 126, 481, 494, 497 Lindemann, Bernd Wolfgang 23, 236, 241, 305, 307 f., 481 Lindner, Pirmin OSB 30 f., 16, 48 f., 50, 66, 173, 186, 481, 494 Lipsius, Justus 223 f., 481 Liske, Michael-Thomas 169, 481 Loenhoff, Jens 215–217, 481 Loers,Veit 22, 101, 122, 124, 236, 276 Lorch, Ingomar 76, 84, 481 Lori, Maria 180 Löther, Andrea 44, 71, 481 Lotze Hermann 98, 481 Lukrez 85 Lutz, Ronald 26, 479 Lurz, Meinhold 99, 481 Mabillon, Jean 153 f., 185, 332, 353, 481 Machein, Georg Anton 364 Macho,Thomas 335, 481 Magdalena, hl. Büßerin 114, 135, 137–138, 140, 144 f., 219, 360, 412, 436, 460, 497 f. Magnus, hl. 127, 144, 158 f., 421, 425, 435, 498 Maier, Eva 181, 325, 378, 481

514

Register

Maier-Eichborn, Ursula 115, 481 Mallery, Carol de 117 Manecke,Wolfgang 296, 481 Manrique, Ángel 356, 358, 413 Maresch, Rudolf 479, 481 Marianus, Katakombenheiliger 59, 68 f., 471, 495 Maria Theresia 33 Marxer, Fridolin 117, 222, 481 Matsche, Franz 175, 312 f., 482 Matsche-von Wicht, Betka 252, 311, 481, 492 Marafioti, Hieronymus 141 Marin, Louis 165, 197, 482 Martin, hl. 328, 361, 362, 407, 424, 459, 498, 505 Martin, Joseph (Hayingen) 152 f., 296, 479 Masen, Jacob 293 Matuschek, Stefan 181, 482 Matthäus, Evangelist 254, 364, 375 f., 381–383, 385 f., 388 f., 435, 506 Maulbertsch, Franz 265 Mauritius, hl. 253, 255, 264 f., 268 f., 273, 328, 424, 459, 502 Maurus, hl. 155, 414, 419 f., 424, 459, Mauz, Benedikt, Abt Zwiefalten 15 f., 18, 90 f., 111, 151, 154, 157, 160, 163, 173 f., 177, 185 f., 196, 214, 228 f., 252 f., 288 f., 293, 295, 306 f., 350, 353, 356–358, 360, 363 f., 372, 387 f., 391 f., 395, 401–403, 405–409, 494, 496, 506 Mayer, Anton Ludwig 46 Mayer, Hanna 231 Mayr, Johannes 296, 481 Maximilian I, Herzog von Bayern 187, 488 Meinrad, hl. 160, 419, 424 Meireles, Cildo 216 Melcher, Ralph 281, 482 Ménestrier, Claude-François 293 Mercator, Gerard 189, 490 f., 500 Merian, Matthäus 16, 236, 472, 482 Messerer,Wilhelm 241 Messmer, Johann Georg 90, 403 Merleau-Ponty, Maurice 66, 85, 141, 230, 196, 216, 247 f., 482 Mettler, Adolf 268, 482 Metzler,Thomas OSB 66 Meulen, Nicolaj van der 372, 392, 490 Meurer, Peter H. 195, 483

Meyberg,Walter 88, 24, 476, 482 Meyenburg, Bettina von 200, 482 Meyer, Heinz 117 Meyer, Hermann 296 Meyer-Sickendiek, Burkhard 248 Michael, Erzengel 61, 103, 109, 187, 495 Michalski, Ernst 24, 370, 482 Michel, Paul 71 Michelangelo 75, 98, 472, Mönch, Ingo 217 Moholy-Nagy, László 227 Mohn, Jürgen 22, 482 Mohr, Hubert 22, 44, 57, 70, 170, 180, 468, 482, Mollitor, Matthias 179, Moritz, Karl Philipp 203, 346, 482 Morsack, Joachim OSB 50 Moser, Aurelius OSB 49 Mosquera, Gerardo 216 Möseneder, Karl 62, 228, 265, 483 Mrazek,Wilhelm 211, 483 Müller, Hans Harald 483 Müller, Jacob 483, 489 Münster, Daniel 22, 483 f. Muir, Edward 58, 132, 483 Murašov, Jurij 226, 483 Myers, David W. 483 Nack, Karl Alois OSB 34 Nadal, Jerónimo 222 Nádasi, János 419 Naumann-Beyer,Waltraud 249, 483 Neesen, Claudia Maria 66, 185, 187, 483 Nebukadnezar 244 f., 501 Neher, Bernhard d. Ä. 128, 252, 325, 330, 505, Neubert, Michaela 148, 155, 158 f., 161, 209, 211 f., 339, 358, 374, 384 f., 403, 483, 498, 500, 506 Newton,William John 98, Nicolai, Friedrich 32 f. Nikolaus von Flüe 144 f., 498 Nietzsche, Friedrich 21, 96, 484 Noehles, Karl 91, 483 Norbert, hl. 243, 425 Oechslin,Werner 23, 32, 45, 94, 99, 144, 333, 483 Oehler, Hans Albrecht 254, 483 Oetinger, Friedrich Christoph 240, 249 f., 483, 501 Oettermann, Stephan 197 f., 483

Register

Ohly, Friedrich 305, 484 Onken,Thomas 266, 484 Ortlieb 23, 27, 29, 109, 111, 177, 491 Ostendorfer, Hans 62–64, 495 Osterrieth, Anne 71, 484 Pachomius 352 Palladio, Andrea 75, 77 Paul III, Papst 52 Paula, Georg 220, 484 Paulus 275, 337 Paulus, Eduard von 23, 40, 77, 108, 148, 172 f., 175, 197,203, 246, 254 f., 252, 270, 288, 323, 325, 350, 363 f.,381, 406,426 f.,434, 459, 484 Paulus, Eremit 424 Payne, Alina 203, 484 Pelagius, hl. 424, 435, 459, Peter, Franz 484 Petri, Erika 89, 484 Petrus, Apostel 69, 114, 135, 139, 254, 263, 268 f., 274, 278 f., 308 f., 441, 450, 459, 495, 498, 502 f. Petrus Chrysologus 274 Petrus Damiani 154–156, 417 Petrus Eremita 156, 417 Petrus, Henricus 318 f., 480, 504 Pfeifer, Michael 216 f., 484 Pfyffer, Rudolf 47 Piazetta, Giovanni Battista 148,174, Pius IX, Papst 274, 387 Plett, Heinrich F. 113, 338, 464, 473, 475, 484 Plumier, Pierre 231, Pochat, Götz 227, 231, 471, 484 f. Pörnbacher, Hans 58, 65 Pörnbacher, Mechthild 12, 154, 189, 416, 484 Pötzel,Walter 45, 484 Poeschke, Joachim 482, 484 f. Pohl, Eva 24, 153, 159, 385, 484 Polleross, Friedrich 12, 84, 484 Polonyi, Andrea 47 f., 50 f., 328, 332 f., 343, 484 Poth, Peter 22, 484 Pozzo, Andrea 151, 199, 468, 477 Preimesberger, Rudolf 21, 181, 241, 484 Pretsch, Hermann Josef 16 f., 24, 28, 30, 33, 47, 88, 111, 172, 465, 472, 474, 479 f., 482, 485, 494 Prohl, Inken 45, 57, 485

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Prusinovsky, Rupert P. OSB 128, 253, 381, 485 Püchler, Johann Michael 358, 505 Purselt, Conrad 241 Pseudo-Dionysius Areopagita 305 f., 308, 317–319, 485 Putscher, Marielene 218 f., 485 Quarthal, Franz 12, 16 f., 30, 32, 34, 111, 117, 132, 157, 177, 196, 275, 485, 488 Quintilianus, Marcus Fabius 61, 113, 115, 181, 183, 203 f., 22f f., 485, Racin, Jean 111 Raffael 75, 112, 346 Ranbeck, Aegidius 185, 196, 289, 353, 356–358, 395, 413, 417, 422, 436, 486, 505 Rapperswil, Heinrich von 175 f., 499 Rapp, Christoff 115, 485, Raulet, Gérard 203, 344, 485, Reifenberg, Hermann 44, 217, 231, 485 f. Reindl, Johannes 145, 498 Reitlehrer, Gregor OSB 30, 494 Reinle, Adolf 486 Reslfeld, Johann Karl von 174, 186, 500 Reuter, Guido 23, 62, 91, 93, 255, 381, 486 Ribbele, Moritz OSB 32 Riegl, Alois 95, 99, 159, 203, 486, Rieser, Michael 231, 486 Rietzsch, Barbara 130, 486, Ripa, Cesare 211, 213, 486, 500 Rittmeyer, Johann 131, 140 f., 486, 497 Robert von Molesme 175 Rodt, Franz Konrad von 266 Roesle, Maximilian 466 Rooch, Alarich 26, 465, Römmelt, Stefan W. 52, 353, 486 Ronner, Christel 188, 486 Rottmund, Gabriel 406 Rousseau, Jean-Jacques 249 Rowe, Colin 89, 486 Rubens, Peter Paul 114, 215, 219, 370, 491 Rudolf, Hans Ulrich 479 Ruepp, Ambros 391 Rugeri, Ugo 486 Rupe, Alanus de 437 f., 443 Rupert, Carl 195, 284, 500 Rupert, hl. 159 f., 416, 418–420, 439, 472, 499, 503 Rumohr, Carl Friedrich von 95, 98

516

Register

Rumphius [Rumpf], Georg Eberhard 200, 486 Rupprecht, Bernhard 21 f., 97, 101, 111, 116, 226, 228, 398, 465, 469, 486 Sandler, Christian 192, 486 Sangallos, Giuliano da 75 Sansovino, Jacopo 75 f. Sardi, Giuseppe 80, 496 Schabacher, Gabriele 397, 486 Schiessl, Ulrich 181, 486 Scharl, Placidus 90, 470 Scharnagl, Ralf 89, 486 Scharrer,Werner 266, 486 Schedler, Uta 89, 253, 487 Scheffler, Christoph Thomas 229, 254, 435 Schelling, Friedrich W. J. 33, 226, 486, Scherer, Heinrich 29, 192–196, 204, 480, 486, 500 Scheubel, Johann Joseph 174 Schilling, Florentius 175 Schilling, Michael 110, 224, 496 Schlimme, Hermann 76 f., 82, 487 Schlombs,Wilhelm 131, 134, 138, 487 Schmarsow, August 22, 26, 77, 97 f., 99–101, 487 Schmidler, Nikolaus, Abt 15, 34, 111, 228 f., 253, 403, 408 Schmidt, Albert OSB (1993) 267 Schmidt, Burghart 204, 485 Schmidt, Heinrich Richard 46, 466 Schmitt, Arbogast (2002) 248 Schneider, Erich 134, 173–175, 177, 217 f., 267, 487 Schneider, Gebrüder Hans und Martin 229, 487 Schneider,Wolfgang Christian (2003), 65, 487 Schnell, Hugo 89, 253, 487 Schnorff, Kaspar Ludwig 49 Schömig, Karl Heinz 23, 153, 227, 255, 369 f., 487 Schöpsdau, Klaus 113, 487 Schrader, Ludwig 247, 487 Schrode, Paula 39, 467, 491 Schreiner, Klaus 185, 487 Schultheiß, Johann Georg 350, 402 Schurr, Bernardus 15, 23, 40, 77 f., 82, 87, 153, 155, 159, 172, 231, 254 f., 268, 289, 325, 327, 333, 340, 342, 360, 369 f., 384 f., 487 Schwager, Klaus 470 Schwarte, Ludger 487 Schwitters, Kurt 227 Scotti, Bartolomeo 229, 254 f., 272

Scotti, Giosuè 229, 254 f., 325, 341, 505, Sebastian, hl. 268, 328 f., 342 f., 424, 435, 459 Sedlmayr, Hans 22, 35, 97, 101, 166, 203, 227, 398, 487 f. Segneri, Paulo 140 f., 488 Semper, Gottfried 88, 203, 473 Senti, Alois 32, 45, 488 Serlio, Sebastiano 77, 82, 203 Serres, Michel 165 f., 475, 488 Settelin, Nicolaus OSB 51 Setzler,Wilfried 27, 172, 488 Seybold, M. 387, 389, 488 Seyfried, Johann 173 Shaftesbury, Anthony A. C. 249 Signori, Gabriela 62, 188, 488 Sigrist, Franz 15, 35, 104–109, 111, 229, 252, 403, 408, 481, 491, 496, 497 Silbermann, Johann Andreas 255, 296 Silvanus, Katakombenheiliger 505, 334 Simon Magus 274, 278 Sirach, Jesus (Ecclesiasticus) 62 Sixtus IV, Papst 387 Sloterdijk, Peter, 146, 148, 197, 306, 488 Slutzky, Robert 89, 486 Smith, Johathan Z. 39 Sommerberger, Beda Abt 111, 173, 293 Sonderegger, Ruth 317, 488 Spagnolo-Stiff, Anne 48, 66, 117, 488 Spahr, Gebhard 231, 327, 474, 488 Spanner, Andreas 311 Spees, Friedrich 146 Spiegler, Franz Joseph 15 f., 24, 31, 34, 63, 90, 92, 118, 144, 148 f., 150, 156 f., 158 f., 161, 163, 164 f., 168 f., 187, 197, 206–208, 210 f., 214, 229, 252–254, 261 f., 265, 301–304, 307–313, 320, 323, 326, 342, 350, 355–364, 366, 374–376, 381–386, 388, 393, 402 f., 406 f., 428, 435, 468, 476, 479, 483 f., 488, 496, 498 f., 503–506 Spilling, Herrad 24, 268, 488, 496 Stafford, Barbara Maria 18, 22, 248, 488, 501, 503 f. Stahl, Gerlinde 45, 488 Stalla, Robert 255, 311, 464, 488 Stapff, Franz Xaver 408 Stauder, Jacob Carl 265, 267, Stephan, König von Ungarn, hl. 159, 161, 419 Stegmüller, August 15, 30, 228 f., 350, 401, 412 Steilen, Nikolaus OSB 51

Register

Stephan, Peter 75, 77, 488 Stephanus, hl. 47, 52, 61, 82, 90, 109, 268, 325, 328 f., 340–343, 402, 419, 424, 435, 450, 459, 505 Stoll, Peter 159 f., 356, 358,405, 411–413, 488 Stolt, Bengt 45, 64, 472 Storch,Wolfgang 225 f., 228, 488 Storer, Christoph 49, 220, 392, 464 Strasser, Gerhard F. 141, 488 Straub, Johann Baptist 16, 172, 236, 252, 323, 375 f., 378 f., 381, 401, 404, 407, 409, 412, 490, 499, 506 Ströbele, Ute 17, 489 Stump,Thomas J. 185, 187, 489, 499 Sudbrack, Josef 117, 222, 489 Suitbert, hl. 160, 421 Sulger, Arsenius OSB 29–32, 40, 47 f., 50, 172, 177, 184 f., 268, 293, 489, 494, 499 Sulzer, Johann Georg 61, 226, 489 Supper,Walter 296 f. Tacke, Andreas 477, 489 Tambiah, Stanley J. 40–42, 45 f., 62, 489 Tandecki, Daniela 145 f., 489 Tarkowski, Andrej 70, 489 Tauch, Max 131, 135, 489 Telesko,Werner 12, 21, 261, 265, 489 Tenbruck, Friedrich H. 59, 489 Tertullian 242 Theodora, Katakombenheilige 266, 335, 505 Teresa von Ávila 146, 272, 489 Thümmel, Konstanze 134, 489 Thurn und Taxis, Philipp Konstantin 220 Thurn und Taxis, Sebastian von 220 Thurner, Martin 306, 316, 318, 322, 489 Tiberius, Katakombenheiliger 47 Tiepolo, Giovanni Battista 463, 148, 174 Tietze, Hans 227 Till, Dietmar 61, 344, 478, Tintelnot, Hans 21 f., 94, 98, 101, 250, 255, 478, 489 Tizian 369 f. Tobler, Mathilde 45, 154, 178, 188, 190, 490, 498 Torricelli, Evangelista 314 Traut, Lucia 23, 221, 490, 492 Traeger, Jörg 271, 490 Trithemius, Johannes 436 Tröger, Heide 65, 490

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Turner,Victor 40 f., 45, 490, Tuotilo (Tutilo,Tutelo) 284, 287, 436, 439, 441, 503 Ueding, Gert 487, 490 f. Üblher, Franz Xaver 174 Üblher, Johann Georg 138, 174, 497 Uhlig,Wolfgang 254, 490 Urban II, Papst 155, 417 Urban VII 159 Urban VIII, Papst 387 Ursula, hl. 252, 254, 255, 264, 265, 268 f., 274, 328, 337, 435, 450, 460, 502 Valéry, Paul 201, 490 Vanni, Francesco 266 van Laak, Lothar 247, 490 Verhelst, Aegid 137, 231, 470 Venturi, Robert 119, 490 Verbrugghen, H. F. 231 Verhaegen,Theodor 138 f., 231, 243, 497, 501 Vetter, Ewald 23, 107, 110, 411, 448, 490 Viola, Bill 216 Visler, Ferdinand 221 Vitalis, Katakombenheiliger 40 f., 47, 50, 54, 61, 109, 269, 328, 331, 333, 424, 450, 494, 505 Volk, Peter 490 Voort, Michiel van der 231, 243, 501 Vos, Marten de 110, 117, 213 f., 219, 500 Wackernagel, Martin 227 Wagner-Würz, Auguste 289, 296 Wagner, Brigitte (1993) 228, 472, 485 Wagner, Kirsten 215 f., 480 Wagner, Richard 226 f., 483 f., 490 Waldenfels, Bernhard 84, 215–217, 247 f., 491 Wallach, Luitpold 27, 491 Walsdorf, Hanna 40, 491 Wanner-Meyer, Petra 247, 491 Warburg, Aby 62, 491 Ware,Wilhelm von 387 Warncke, Carsten-Peter 241, 267, 491 Warnke, Martin 94 f., 98 f., 101, 491 Watson, D. R. 217 Wawrik, Franz 192, 491 Weber, Leo 115–117, 220, 491, 496 Weckenmann, Johann Georg 253 Weddigen,Tristan 98, 490 Weinemer, Gregor, Abt 403 f.

518

Register

Weinrauch, Ernestus 297 f., 464 Weiss, Gabriel 175, 176, 499 Weis, Ignaz 176, 499 Weiss, Ulrike 23, 128, 234, 236, 253, 350, 363 f., 368, 381, 491 Weißbrodt, Johann Philipp 435 Weissenberger, Johanna 153, 491 Welsch,Wolfgang 218, 249, 491 Welzel, Barbara 215, 219, 491 Wenger, Conrad 145, 498 Wenzel (Wenceslaus), hl. 328, 424, 435, 449 f., 459 Wenzel, Horst 141, 216, 480, 491 Werber, Niels 479, 481, Wessel, B. 114, 491, Wicht, Betka Matsche von 108, 252, 492 Widermann, Johann Edmund 436 Wiebel-Fanderl, Olivia 32, 45, 492 Wierix, Hieronymus 110, 496 Wilhelm von Hirsau 56, 109, 127, 129, 158, 284, 286, 372, 424, 436, 439, 497, 503 Wilke, Annette 22 f., 490, 492 Winckelmann, Johann Joachim 345 f., 465, 488, 492 Windfuhr, Manfred 246, 492

Wirth, Uwe 40, 464, 489 f., 492 Wittgenstein, Ludwig 39, 141, 492 Wittkower, Rudolf 75, 492 Wohlfeil, Rainer 110, 492 Wohlmuth, Josef 115, 117, 131 f., 134, 493 Wolf, Gerhard 39, 492 Wolfgang, hl. 267 f., 418, 424, 436, 449, 459 Wölfflin, Heinrich 22, 24–27, 77 f., 94–102, 183, 226, 276, 473, 481, 492 Wolfram, Richard 64, 493 Wulf, Christoph 22, 466, 470, 473, 493 Wundram, Manfred 23, 78 f., 82, 493 Yelin, Anton 49 Yepes, Antonio di 311 Zajadacz-Hastenrath, Salome 133, 138, 493 Zedler, Johann Heinrich 27, 46, 181, 415, 493 Zehetner, Franz Sales 372, 406, 427 Zeiller, Johann Jakob 111, 115, 310, 481, 496, 503 f. Zeuch, Ulrike 12, 214, 249, 469, 483, 487, 490, 493 Zuccalli, Enrico 159 f., 499 Zürcher, Richard 23, 78, 87, 101, 153, 226, 255, 382, 384, 397 f., 493

Orte Alpirsbach 268 f., 328 Altheim 148, 361 f., 418f., 505 Altötting 32, 45, 155, 159 f., 164, 192 f., 196, 421, 492, 498–500 Andechs 90 Antwerpen 134, 142 f., 231, 463, 493, 497 f. Au am Inn 111 Bad Buchau 127, 253 f., 374, 421, 488 Bad Säckingen 89, 122, 148, 151, 201, 253, 385, 498 Bad Schussenried 44, 333, 364, 374, 477 Bad Wilsnack 45 Benediktbeuern 89, 114, 116 f., 219 f., 491, 496 Bergamo 134, 138 f., 140, 466, 497 Bernhardzell, Kt. St. Gallen 266 Biberach 252, 296, 470, 485 Birnau 88, 120, 473 St. Blasien 17, 32, 34, 148, 255 Brixen 133, 478

Bruchsal 44, 89, 220, 468, 477 Bruck an der Thaya 265 Brüssel 231, 413, 471, 493 Canossa 159 Denn Haag 236, 470 Dießen 61, 79 f., 87–89, 121, 137, 250, 255, 310, 382, 493, 495 f., Dürenwaldstetten 66 Edinburgh 197 Ehingen 51, 53 Engelberg, Kanton Obwalden 148 Einsiedeln 12, 32, 44 f., 47, 84, 90, 120, 144, 154 f., 159, 164, 196, 297, 323, 343, 351, 464, 466, 475, 483, 488, 494, 498 Ellwangen 45, 192 f., 435, 476, 500, Ettal 136 f., 154 f., 196, 266, 310 f., 478, 497 f., 498, 503 Feldkirch,Vorarlberg 333 Ferrara 62, 491,

Register

Fischbachau, Ldkr. Miesbach 154 f., 196, 480 Florenz 75, 99 Flüelen, Kanton Uri 175 f., 499 Freiburg/Breisgau 12, 30, 416, 464, 467, 471 f., 479–481, 485 f., 489 Freiburg i. Ü 188, 475, 488 Fürstenfeld 137, 255 Füssen 158, 164 Genazzano 159 St. Georgen 52, 57, 185 Habsthal 261 Hagenwil, Kt.Thurgau 58 Haigerloch 89, 122, 124, 201, 253 f., 261, 483, 497, 502 Havelberg 45, 481 Hayingen 253, 255, 296, 479, 481 Hergiswald, Kt. Luzern 188, 190–192, 333 f., 372, 465, 500, 505 Innsbruck 465, 478, 178, 188, 218 Irsee 52, 134 f., 333, 336, 497, 505 Isny 34 Ittingen, Kt.Thurgau 92 Jena 224, 480 Jerusalem 241, 244 f., 304, 328, 501 f. Kaiserswerth 160, 178 f. Kevelaer 499 Kladruby, dt. Kladrau 328 Köln 192, 224, 473, 475 f., 479, 481, 487–489, 493 Konstanz 33, 48–50, 133, 145, 148, 187, 254, 266, 333 f., 350, 423, 463, 478, 481, 490, 493 Kremsmünster 52 Kreuzberg 45, 467 Kreuzlingen 30 Leiden 224 Leitheim 220 f., 261, 501 Lepanto 151 Lindau 187 Löwen 224, 231 Loreto 188,190, 369, Ljubljana (Laibach) 84 Luzern 178, 333 f., 465, 500, 505 Mailand 75, 134, 177, 477 Mammern, Kt.Thurgau 266 Mantua 75, 192, 415 Maria Plain, Österreich 154 Mariastein, Kt. Solothurn 148

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Maria Steinbach, Ldkr. Unterallgäu 64 f., 138, 179 f., 495, 497 Mariazell, Österreich 154 f., 196, 498 Martinsberg, Ungarn 164 Melk 174, 471 Mochental 148, 363, 406, 427 Mönchsdeggingen 159 Montalcino, Italien 266 Montevergine, Italien 154 Montserrat, Spanien 154 München 12, 115, 136 f., 157, 187, 192, 313, 463–497, 504 Münsterschwarzach 89, 155, 173–175, 217–220, 311–313, 378, 391, 477, 479, 482, 487, 500 f., 504 Muri, Kt. Aargau 148 Neresheim 34, 120, 174, 311 Neumar kt 58 Neustift, Südtirol 52 Niederaltaich 391 Ninove, Belgien 138–140, 497 Notre-Dame-du-Puy 154 f., 196, 498 Oberelchingen 45, 470 Obermarchtal 47, 51, 90, 118, 296, 333 Ochsenhausen 34, 47, 50, 117, 148, 274, 296 f., 333, 372–374, 506 Oppolding, Ldkr. Erding 242 f., 501 Ostia 416 Ottobeuren 50, 77, 89, 115 f., 127, 137, 140, 144, 148, 196, 228 f., 234 f., 252–255, 273, 310 f., 364, 378, 381, 391, 403, 470, 476, 496–498, 504 Parma 310 St. Peter, Schwarzwald 148, 266, 487, 491 Petershausen 34, 51 Pfronstetten 350 Pfullendorf 123 f., 254, 261, 497 Pötsch (Mariapócs), Ungarn 155, 196, 498 Prien, Chiemsee 151 Rathausen, Kt. Luzern 334 Ravensburg 44, 470 Regensburg 45, 62 f., 134, 463 f., 469, 476, 483, 484, 486, 488–489, 491, 495 Reichenau 66 f., 155, 297, 495 Reims 164 Rheinau 18, 48, 84, 90, 114, 144 f., 265 f., 333, 335 f., 472, 478, 484, 498, 505 Rigi, Schweiz 145

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Register

Rohr, Niederbayern 62, 250 Röhrmoos, Ldkr. Dachau 63, 495 Rom 32, 40, 47, 49, 54, 77, 80, 85, 153 f., 160 f., 164, 269, 308–310, 328, 332 f., 394, 443, 460, 473, 477, 481, 484, 486 f., 491, 496, 499, 503 Rorschach 51, 494 Rott am Inn 115, 120, 155, 174, 254, 311 f., 464, 484, 493, 504 Rottenbuch 91 Rottweil 51, 172, 179 f. Salem 148 Salzburg 30, 52, 66, 186 f., 463, 470, 477, 481, 493 f., 500 Sankt Gallen 50 f., 58, 67, 137, 159, 164, 333, 495, 497 Schäftlarn 134, 136 f., 236, 407, 497 Scherpenheuvel(-Zichem) 178 Schlierbach, Oberösterreich 357 f., 505, Sigmaringen 254, 261, 265, 465, 468, 474, 480, 489, 491 Sigmertshausen, Ldkr. Dachau 63, 495 Solothurn 90 Spital am Pyhrn, Oberösterreich 62 Subiaco 153, 155 Steingaden 190, 499 Steinhausen 69, 88, 136 f., 144, 497 Stowe 145 Straßburg 85, 197 f., 236, 482 Straubing 52 Stuttgart 108, 127, 157, 195, 254, 296, 312, 331, 385, 392, 401, 463, 466–469, 471, 473–477, 479, 481, 483, 485 f.,

488, 490–493, 494, 506 Trient 91, 131–133, 188, 386, 491 Tschenstochau (Częstochowa), Polen 154 f., 177, 196, 498 Twickenham 145 St. Ulrich, Schwarzwald 90, 266 Upflamör 144 Urspring 197, 333 Venedig 76, 84, 97, 385 Vierzehnheiligen 45, 120, 122, 253, 478 Walldürn 45, 467 Weingarten 148 Weißenau 45, 227, 333, 465, 474, Weltenburg 62, 115, 136 f., 140, 250, 463, 497 Wessobrunn 154, 498 Wettingen, Kt. Aargau 12, 58 f., 66, 68 f., 176, 333, 475, 495, 499 Wien 108, 185, 200, 236, 252, 463, 465 f., 470. 474–477, 484–486, 489 Wieskirche 58, 69, 88, 120, 180, 484, 499 Wolfegg 148, 187 f., 500 Würzburg 80, 123, 148, 173, 467, 469, 470–472, 474, 476, 480, 483, 487, 490f., 493, 496 Wil, Kt. St. Gallen 58

Begriffe Abbild 156, 177, 183 , 189, 314, 318, 338, 343, 479, 490 Abschattung 167 f. Actio 115, 243 Altar, Altarstellungen 47, 50 f., 62, 68, 89, 92f. Ambulativ, ambulatorisch 23 f., 71, 98, 174, 176, 195, 197, 199, 225, 367, 394 Animation/Animatio 43 f., 243, 334, 387, 421 Anthropologie 22, 39, 44, 46, 216, 470, 483, 493 Antifon 155, 177, 212 f., 292, 296 f. Antitypus 118, 202, 207 f., 210 f., 211 f., 217, 223, 387, 500 Anwendung der Sinne 18, 117, 140, 211, 214 f., 215, 217, 220–222, 225, 298, 489 Applicatio Sensuum 18, 117, 140, 217, 222 Architektonische Bildlichkeit 119 f., 124

Architektur 11, 19, 21–27, 69, 77 f., 85, 91, 93 f., 96–102, 120–124, 201–203, 214, 216, 227, 229 f., 326 f., 346, 349, 358, 366, 375, 381 f., 395–397 Architekturfragment 261–265 Architekturkulisse 67, 266 f., 290, 359, 361, 367 Ardor 202, 207, 209–214, 218, 222, 426, 432 f., 500 Ascensus 305–308, 314, 317 Assunta 305, 314, 435, Atlas 29, 148, 165, 185, 188–190, 192–196, 464 f., 469, 473, 475, 486–488, 490f., 500 Attentum parare 113 f., 183, 219, 491 Auditus, siehe Gehörsinn 208, 212, 214, 500 Aufklärung 17, 32–34, 203, 346, 353, 464, 478, 486–488 Authentizität 41, 48 f., 179, 337, 395

Register

Ave Maria 212, 213, 222, 437 Ave Regina Coelorum 212 f., 297, 417, 429, 431 Bewegung, Bewegungsanalyse 11, 15, 18f., 21, 23–27, 41–45, 57–66, 70 f., 75, 80–89, 91–98, 100, 102, 113– 124, 132, 145, 153, 156, 161–171, 183, 194, 197–199, 201, 205 f.,211, 214 f., 226, 230, 241, 248, 255–257, 267, 273, 278, 281–283, 288 f., 290, 295, 299 f., 303–308, 314–320, 322, 328, 338, 340 f., 342–344, 349, 351, 367, 370, 391, 394–398, 499, 504 Beichtstuhl 15–17, 34 f., 114–118, 127–147, 177, 231, 234, 251 f., 254 f., 259 f., 265–267, 328, 337, 351, 364, 370–372, 394, 403, 497 f., 502 Beichte 23, 31 f., 56, 115, 117, 128, 130–147, 255, 328 Beichtende 31, 130 f., 133, 138–141, 144, 146 Beichtvater 116, 131, 133 f., 137, 139, 141, 147, 180, 192, 307, 328 Bekleidung 88, 339, 343 f. Benediktinerorden 153 f., 165, 173, 185, 187, 275, 283, 285, 288, 290, 310–313, 359, 391 Bild 18 f., 22–26, 32 f., 42 f., 57–71, 78–81, 97–102, 114 f., 119–122, 130, 143, 156, 162 f., 165, 168, 177 f., 180, 183, 192 f., 199, 203 f., 211, 215, 221, 239, 275, 275, 277, 281 f., 291, 299, 306, 318, 331 f., 335, 337 f., 368, 389, 391–398 Bild, bewegliches 60, 65 f., 168 f, Bildanthropologie 22, 335, 465, 479 Bilderbau 375 Bilderflut 16, 283 Bilderkult 62, 188, 292, 406 Bilderstreit 156 Bildfindung 22, 218, 283, 289 f., 351 Bildhaftigkeit 22, 75 f., 78, 88, 93, 98, 101 f., 124, 398 Bildhauer 79 f., 89 f., 97–100, 158, 254, 363, 367, 374, 379, 402 Bildlichkeit 93, 124, 168, 246, 250 Bildkonzept 67, 292 Bild (Macht) 156, 197, 283 Bildprogramm 21, 52, 115, 219, 255, 272, 298, 351, Bildrhetorik 166 Bühne 47, 49, 51, 55, 57, 59, 69, 82, 84, 90, 103, 159, 198, 226, 242 f., 250 f., 255, 336, 374 Blickbewegung 93, 205, 257, 299, 337, 342 Blumen 49 f., 53, 131, 224, 245 f., 231, 426, 429 Büßer, Büßerin, siehe Beichtende Casa Santa (Loretokapelle) 52, 188–193, 369, 372, 374

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Chorgitter 29, 89–93, 171, 173, 175 f., 194, 199, 252, 303, 323, 350, 364, 366, 403, 496, 499 Chorraum 92, 109, 111, 176, 227, 252, 261, 296, 328, 347, 350–352, 358, 361, 363, 364, 370, 375, 387, 392, 404, 409, 499 Chorfresko 108, 148, 350, 353, 355 f., 357, 362 f., 366 f., 374, 385, 395, 402, 405, 411 f., 504, 506 Chorgestühl 236, 252, 265, 295 f., 350 f., 356, 358 f., 360, 362–375, 379, 381, 401 f., 412, 464, 505 f. Chronotopos 70, 370 Communitas 333 Complicatio 315, 317 f. Conceptio Immaculata 200, 387, 389, Conchologie 200 Concinnitas 327, 344–366 Confessio 115 Confessionale 130, 134 Constantia 28, 186 f., 206–208, 211 f., 213–219, 222–225, 426, 432, 494, 500 Container(-Metapher) 337, Contritio 115, 141 Corpora Integra 47, 329, 337, Cultus Mariani / 4 proprietates 177, 205–214, 406, 426, 431 Deiktisch 276 f., 382, 502 Descensus 305, 307 f. 317 Deus absconditus 281, 293 Distanz 45, 77–80, 84 f., 93, 102, 166, 179, 240, 251, 305, 322, 251, 381 Dorsale 351, 366 f., 370 Ecclesia 134, 269, 274, 277–279, 350, 381, 387, 405, 413, 421, 434, 436, 443, 462, 502 Ecclesia militans 329, 342 f. Ecclesia triumphans 310, 342 f. Ehrenpforten 59 Einheit 12, 35, 52, 57, 66, 70, 78, 96, –102, 184, 215, 227– 230, 240, 248 f., 277, 305, 322, 334, 364, 395, 398 Einsiedler 32, 145 f. Entwurf, siehe Skizze Ekstase 66, 170 Enargeia 178, 241, 338 Enérgeia 151, 155, 156, 169 f., 241, 281, 306, 308, 332, 338 f., 343, 349 Emblem, emblematisch 35, 49 f., 55, 57, 59, 117, 128 f., 141 f., 218, 225, , 248, 261, 272, 276, 293

522

Register

Embodiment 22, 143, 215, 337 Emporen 202, 229, 252, 300 Emporenfresken 128, 252, 256 f., 265, 283–291, 298, 300, 403, 407 f., 436 f., 441–443, 501, 503 Ens entium 315, 504, Entwurf 16, 21, 49, 75, 77, 85, 89, 90, 107–114, 117 f., 133 f., 145, 157, 172, 186, 196, 206, 209, 214, 218–220, 228, 234, 236, 252, 266–268, 288–290 , 292, 294, 306 f., 312 f., 323, 325 f., 353, 358, 360, 363, 375–380, 385, 391, 394, 402, 405–409, 412, 427 f., 432, 439 Ergon 205 f., 211, 230, 281 f., 299, 339, 343, 349, 364, 367, 375, 395 Erhabenheit 181, 183 Evidentia 203, 241 f., 338, Exerzitien (Ignatius) 117, 132, 140, 143, 222 Exordium 113 f., Explicatio 315, 317 Fahne, Labarum 34, 42–45, 48, 53, 55, 58, 60–66, 69, 71 Falte 26 f., 120–124, 164, 230, 257, 276, 278, 317–319, 322, 349, 367 f., 394, 396, Farbe (Kolorit) 88, 151 f., 181, 265, 303 Fercula,Traggestell 50, 57, 60, 69 Fernbild 100 Fassade 15, 30, 74–93, 95 f., 97–99, 101 f., 109, 158 f., 203, 251, 296, 374, 381, 394, 402–404 Fiducia 202, 207–214, 218, 222, 426, 432 Figura Gratia, s. Gnadenbild Figuration 43, 61, 66, 70, 102, 213, 270, 272, 275–277, 280 f., 281, 339, 349 Figuren, Figura,Wortfiguren 61, 182, 242 Fleisch(werdung) 105, 132, 211, 231, 236, 238, 240–243, 251, 334, 345, 389, 397, 432 f. Fortitudo 181, 273 Fünf Sinne 211, 214 f., 217, 219, 224, 248 Fresko 101, 112, 121, 151, 156, 163, 165–168, 198 f., 206, 260 f., 299 f., 304 f., 313 f., 317, 322, 362 Garten 97 f., 130, 144–146, 224, 243, 394 Gehörsinn, auditus 208, 213 f., 219–221 Geruchssinn, odoratus 210, 214, 216 f., 219, 223 Geschichte 24, 26, 35, 41–43, 57, 59, 62, 70 f., 121, 156, 184, 187, 192, 251, 276, 283, 333, 370, 373, 393 f., Geschmack, gustus 117, 140, 209, 212, 219–221, 246, 283, Gesamtkunstwerk 22, 119, 122, 225–230 Glanz (splendor) 124, 148, 175–183, 193, 200, 240, 276, 339, 345 f., 348

Glocke(nläuten) 16, 33, 39 f., 212 f., 417 Gnadenbild (Figura Gratia, Imago Thaumaturga) 25, 29 f., 35, 39 f., 45–47, 63, 92f., 152–157, 159, 161–165, 171–185, 188–196, 199, 201, 225, 230, 255, 265, 269, 283 f., 286, 294, 300, 303 f., 323, 327 f., 342 f., 371 f., 375, 396, 419, 435 Gottesdienst 32–34, 144, 226, 230, Handlung, Handeln, Handlungsraum 112, 133, 171, 184, 211, 214, 220, 222 f., 225, 251, 339 f. Herz Jesu 103, 171, 173, 323, 328, 343, 403, 451 Hochaltar 51, 62, 78, 89–93, 101, 129, 148, 155, 229, 229 f., 250, 252, 254 f., 350–353, 359, 362–365, 369 f., 374–389, 394–398, 401–403, 405, 407, 412, 414, 434 Heilig Blut 67 f. Humilitas 180, 219 Ikonologie 21, 102 Imago thaumaturga 177, 269, 300, 343, 371, 375, 419, 435 Imitatio 71, 123, 143, 207 f., 210–215, 222 f., 249, 259, 266 f., 283, 305, 313, 316, 332, 338, 352 f., 358, 369, 373, 426, 433, Inkarnation (Fleischwerdung) 240–243, 251, 389 Introitus 50 Inversion 84, 124, 204, 364, 394 Jesuiten 34, 84, 117, 132, 134, 140, 157, 178, 185, 188, 192, 194 f., 220–222, 224, 268, 293, 333 f. Kadrierung 66 f., 169 Katakombenheilige 40 f., 47–49, 66–68, 109, 128, 328– 339, 343, Kanzel 15, 23, 34 f., 51, 100, 136, 144, 160, 182, 187, 229, 231–251, 254, 276, 364, 386, 391, 394 f., 415, 439 Kartografie 165, 185, 192, 194–198, Kartografische Malerei 185 Kartusche(n) 15, 82, 111, 122 f., 148, 151, 175 f., 200, 202, 203–225, 249, 257, 283, 289, 292, 295, 298, 300, 320, 323, 328, 362, 406 f., 426, 428 f., 431 f. Kinästhesie 22 f., 77, 84 f. Kinesis/stasis 57, 85, 166, 169 f., 306, 308, 338 Körper(-lichkeit),Verkörperung 18 f., 21–23, 25 f., 41, 43, 62, 66, 68, 70 f., 77, 84 f., 88, 93 f., 97–100, 102, 113– 118, 122, 124, 130, 132, 137 f., 140, 142, 165, 167–170, 194, 214, 216, 221 f., 226, 238 f., 240–243, 248, 250, 267, 279, 294, 299, 303, 305, 317, 322, 331 f., 334–338, 394 f., 396 f. Kongregation vom hl. Joseph 34, 275 Konzil 91, 115, 117, 131–134, 231, 387

Register

Kopie (Copia) 45, 177 f., 190, 192, 217, 397 Kulturanthropologie 44, 46 Kuppel 108, 252, 275, 299–322, 328, 342, 402 Kuppelfresko 148, 155, 170, 173 f., 175, 186, 217–219, 261, 266, 299–323, 328, 343, 370, 381, 406, 423–425 Laetania, Litania, s. Prozession Landschaft 67–69, 97, 131, 141, 164 f., 185, 193, 196–198, 228, 290, 367 f., 371, 391, 394 Landschaftsgarten 97 f., 281 Langhaus 15, 91, 121, 151, 167, 170 f., 197, 201, 206, 214, 229, 252, 255, 260, 265, 267–270, 275, 297, 328, 351, 391, 402 f., 404 Langhausfresko (Zwiefalten) 32, 34, 63, 148–177, 184– 186, 194–201, 204, 206, 250, 255, 257, 261, 265, 283, 285, 289, 292, 294, 296,299 f., 303 f., 308, 357, 359, 392–395, 402, 405, 407, 413, 416 f., 418 f., 420 f., Lauretanische Litanei 285 Lebendigkeit 18 f., 23, 41, 62, 96, 102, 178–180, 331 f., 333–338, 393–397 Leib, Leiblichkeit, leiblich 18 f., 22, 26, 41, 47, 71, 117, 131–133, 140 f., 180, 216, 221f., 226, 230 f., 238, 248 f., 269 f., 273, 283, 318, 328, 332–334, 337–339 Leiberfahrung 41, 133, 394 Leibraum 226, 230, 240, 242 f., 250 f., Licht(-strahl) 24, 92, 106, 123, 175 f., 178, 181 f., 184, 190, 240–242, 261, 306, 308, 345, 358 f., 362 Lipsanothek 47 Liturgie , liturgisch 18, 23, 29, 33, 42–48, 51, 65, 84, 90, 93, 102, 114 f., 133, 173, 197, 213–217, 226, 231, 250 f., 290, 296, 300, 304, 387, 394, 396 Logos (Wort) 211, 349, 389 Locus Amoenus 146 Ludo globi 314–319 Magnificat 292 f., 434, 446 Märtyrer 27, 41, 47, 49 f., 54, 61, 160, 268 f., 279, 306, 307, 328 f., 331–333, 336, 340–343, 358, 362, 449, 459 Malerisch(e) 22, 78, 94–102, 119, 122, 129, 362 Maria (Gottesmutter) 16, 29, 53 f., 55, 60 f, 62–65, 75, 82, 103, 105, 107, 109, 118, 123, 127, 128, 146, 149, 152, 153, 155–160, 165, 172, 174–177, 183, 187–189, 192 f., 205, 211 f., 219, 223, 259, 262, 265 f., 268, 274, 280, 284 f., 288, 289 f., 292 f., 298 f., 301, 302 f., 304 f., 312, 322, 328, 333, 343, 351, 358–362f., 369–375, 382–388, 391, 405–407, 417 f., 419–423, 426, 429–448, 465, 472 f., 475, 495, 497 f., 502 f., 505 f.

523

Maria Aegyptiaca 135, 137 Maria Collaboratrix 288 f., 436, 439, 449 Maria Conservatrix 284, 286, 288–290, 437, 441 f. Maria Consloatrix 178 f., 285, 288 f., 298, 407, 436, 441 Maria Educatrix 288, 439 Maria Fundatrix 284, 288 f., 407 f., 437, 441 f., Maria, Geburt 16, 29, 109, 127, 146, 174 f., 262, 265, 368–372, 374 f., 388 Maria Himmelfahrt (Assunta, Assumptio) 62, 155, 236, 264 f., 305, 314, 353, 357, 359 371, 381, 385, 413, 435, 499 Maria, Immaculata 265 f., 369–375, 387–389 Maria Informatrix 284, 289, 439, 441 Maria, Königin 53, 61, 174, 186 f., 299, 304, 306, 328, 343, 360, 412, 423, 428, 439 Maria Nutrix 288 f., 437, 441 Maria Proma conda 288 f., 436 Maria, Purissima 266, 374, 413 Maria Remuneratrix 289, 441, Maria Sponsa 288 f., 389, 439, 441 Maria Sospitatrix 288 f., 436 Maria, Stella maris 58, 68, 153, 155, 173–178, 193, 296 f., 300, 373, 417, 421, 429, 431 Marienkult (Cultus Marianus), Marienverehrung 29, 35, 154 f., 157 f., 164 f., 173, 185 f., 192, 196, 205–207, 211–213, 215, 222, 225, 286, 292, 297, 362 f., 369, 405–407, 431–433 Materialität 85, 97, 261, 270 Mater Monachorum 152–156, 163–165, 173, 175, 196 f., 283, 285, 342, 405 f., 414 Membran 75, 84 Memoria 42, 44, 57, 70, 129, 141, 328, 370, 372 Meta-Bild 299 Methexis 177, 306 Miles Christi 47, 273, 331, 335 Möglichkeit, mögliche(r) 23–26, 100 f., 122–124, 140, 183, 199, 230, 281, 306, 314, 322, 395 Montage 57, 61, 70, 261, 265 Muschel 144, 151, 199–201, 231, 346, 426, 428 Musik 18, 49–51, 56 f., 60, 70, 213, 226, 292–298 395, 431, 447 Nahsicht 97, 99 Natura naturans 315 Narration 107, 187, 241, 255, 265, 267, 276, 342, 370 Oberschwäbische Kongregation 34, 117

524

Register

Odoratus, s. Geruchssinn Officium 50, 243, 351 Oper 226, 228, 230, 250 Optisch 23–25, 78, 82, 91–93, 94, 96, 97–99, 101 f. 133, 140, 162, 167, 170, 182, 194, 347, 351 Orgel 100, 108 f., 128, 252 f., 254, 292, 294–298, 350, 434, 444 Orgelfresko 107, 290, 292 f., 294–298, 403, 408, 446, 449 Ornament, Ornamentum (Schmuck) 24 f., 42, 44, 92, 101, 120, 122 f., 137–139, 144, 146, 152, 198–211, 246, 255, 257, 260, 270, 276 f., 281, 299 f., 303, 327, 329, 334, 344–349, 362, 364, 367, 378, 395 f., Ornatus 44, 134, 181, 183, 198, 203 f., 206, 240, 282, 282, 327, 331, 334, 336 f., 339, 341, 343 f., 347, 349 Panorama 165 f., 170, 185, 196 f., Paradies 192, 213, 243, 259, 262, 265, 310, 387 Paratext 261, 270, 286 f., 289 Parerga 347, 396 Parergon, parergonal 42, 205 f., 211, 230, 242, 281 f., 283, 287, 290, 299 f., 339, 343, 347, 349, 363 f., 367, 369, 375, 382, 389, 394 f., 396 Pencillo Naturae 200 f. Performativität, performativ 22, 39 f., 45, 57, 83–85, 89, 100, 130, 170, 206, 225 Perspektive 15, 82 f., 89, 198 f., 230, 236, 258, 347, 369 Perspicuitas 89, 181, 183, 337, 343 f. Persona ficta 332 Persuasio 293 Peterstor 82 f. Phänomenologie, phänomenologisch 44 f., 76, 84, 141, 156, 200, 215 f., 226, 274 f., 316, 396 Pilger 30–32, 45, 63, 71, 178, 188, 272, Poenitentes, s. Beichtende Poetik 70, 129, 226, 228, 247, 293, 423 Pose 43, 57–66, 70, 124, 335, 337 f., 342 Praeservatio 387 f. Präfiguration 272, 275 Präsenz 40, 44, 49, 57, 62, 70, 82, 84 f., 97, 102, 114, 116, 168, 178, 223, 248, 252, 268, 281, 329, 334, 336 f., 375, 395 f. Preces 213 f. Prediger 17 f., 34, 52, 111, 113, 140, 176, 179, 188, 223, 236, 238–243, 246, 249, 270, 296, 353, 372, 395 Predigt 23, 34, 41, 49, 51 f., 56, 61, 113, 117, 128, 173, 175, 177, 185, 213, 217, 223, 225, 234–236, 238–251, 255, 270, 294, 304, 311, 333

Presbyteriumsfresko 350, 353, 360 f., 363, 381, 402, 405, 412 Profan 39, 44, 112 f., 144, 216, 220 Proömium 113–115 Prozession 23, 33–35, 39–71, 84, 160–162, 251, 333, 336 Prozessionskörper 66, 68 Prozessionskultur 23, 58 Prozessionsbewegung 71 Prozessionsstange 43, 64, Pulchritudo 327, 344–349 Puppe 33 Raum 15, 19, 21–27, 43 f., 52, 57–59, 66–68, 70 f., 75–78, 85–89, 98–100, 102, 107, 114, 119–124, 164 f., 184, 197, 199 f., 203, 206, 215 f., 229 f., 235, 242 f., 255, 260, 267, 277, 282, 349, 359, 367, 370, 293–398 Raumbild 91, 93, 97, 101 f., Raumbildende Handlung 170 Raumerfahrung 23, 86 f., 99 f., 102, 115, 121, 124, 165, 170, 197, 199, 204, 214–217, 343, 349, 396 Raumfigur 83–93, 201, 314 Rechtsakt, Rechtsprechung 106, 112, 117 Rede(-schmuck) 52, 113–115, 141, 181, 203 f., 225, 240– 243, 247, 338 f., 344, 346 Regiones coelestes 151, 154, 157 Regiones terrestres 151, 156 f., 164, 185, 415 Regula Benedicti 112, 351–353, Reichsunmittelbarkeit, Reichsfreiheit 16, 34, 116, 196, 253, 402, 407, 408, 431 Religion 22, 170, 226, 217, 343, 421 Religion, material 57 Religionsästhetik 22 f., 45, 221 Religionsgeschichte 45 f., Religionsphänomenologie 22, 170 Religionssoziologie 58 Religionswissenschaft 22, 46 Reliquie 24, 43, 46–53, 59, 61, 66–68, 82, 103, 109, 246, 259, 267–270, 272, 327–329, 332–337, 339 f., 343, 377, 450 Rhetorik 19, 49, 51, 61, 66, 96, 113, 114 f., 163, 165 f., 169, 179, 181, 183, 192, 203, 215, 239 f., 242, 267, 282, 327, 338, 344, 346 f., 398 Richtungsvektor 167, 255 Rites de passage 41 Ritual 17–19, 40–47, 62, 71, 133, 138, 393 Rituale Romanum 44, 138

Register

Ritualtheorien 42, 45 Ritueller Gegenstand 42 Rituelle Handlung 39 f. Rituelles Werkzeug 43, 58 f., 70 Rocaille 101, 122, 124, 144, 151, 153, 165, 199–206, 299, 347, 366 f., 370, 394 Rokoko 22, 35, 93, 99, 101, 119 f., 123, 227, Rokokokirche 22, 101, 124, 394 Rosenkranzbruderschaft 62 Sakralisierung 39 Sakramente 33, 127 f., 134, 246, 329 Säkularfeier 51–56, 111, 372, 401 Säkularisation 16, 32 f., 127, 185, 197, 227, 296 Salus Populi Romani 39, 161 f., Salutation 40 f., 47, 91, 333, Salve Regina 56, 109, 155, 177, 212 f., 295–298, 417, 429, 431, 439 Satisfactio 115, 117, 446, Schauspiel 33, 51 f., 60, 62, 117, 145, 226 Schmuck 33, 44, 55, 88, 137 f., 180–182, 203 f., 206, 230, 240–242, 246, 271, 282, 327, 331–349, 351, 372, Schutz(herrschaft) 29, 35, 39 f., 49, 52, 53, 58, 64, 82, 103, 105, 107, 109, 111 f., 172 f., 189, 272, 288, 342, 369– 373, 375, 423, 432 f., 441, 448, 450, 458 f. Schweizergarde 47, 332 f. Seherfahrung 22–24, 197 Sehen 24 f., 92, 102, 113, 117, 163, 165 f., 168 f., 170, 179, 196, 215 f., 220, 226, 229 f., 240–250, 276, 284, 303, 338, 349, 398 Sehsinn, visus 141, 212, 214, 219, 223, 245 f. Seitenkapellen 15, 127 f., 198, 206, 229, 252–281, 328 f., 364, 434 Sichtbarkeit 21, 62, 97, 168, 242, 272, 275, 308 Sinne 22, 25, 66, 71, 114, 115, 117, 132, 140, 146, 183, 206, 211–226, 243, 246–249, 289 Situation 85, 106, 114, 198, 243 f., 359, 375 Situativ 23, 99, 111, 114, 166, 198, 204, 214 f., 222, 230 f., 281, 396 Skizze/Entwurf 16, 49, 75, 77, 85, 89 f., 107–110, 114, 117 f., 113, 145, 157 f., 172, 173, 185 f., 196, 206 f., 209, 211, 214, 217–221, 226, 228, 234,236, 252, 265–268, 288–290, 304, 306 f., 312 f., 322 f., 325 f., 329, 342, 357 f., 360, 363, 375–380, 385, 391, 393, 401 f., 406-409, 412, 427 f., 432, 439, 441–443, 457, 461

525

Skulptur 98, 101, 130, 135, 138, 140, 144, 277, 329, 339 f., Spätbarock 18 f., 22 f., 25, 27, 35, 43, 46 f., 62, 69, 78, 88 f., 91, 93, 101 f., 114, 119 f., 122–124, 149, 156, 166, 169–171, 176, 181, 183, 198 f., 215, 225–227 f., 230 f., 243, 250 f., 255, 275–277, 281, 322, 327, 331, 346, 353, 394–398 Spiel 139, 203, 314–319 Spirale 362, 123, 201, 299, 307, 313f., 315, 318–322 Spiralkomposition 303, 317 Sprechakt 39 Stabat Mater 155, 417 Staunen (thaumazein) 15, 25, 151, 177–184, 203, 269, 300, 316, 343, 371, 375, Stella maris, s. Maria Stifter 82, 87, 103, 108 f., 117, 270, 307, 371, 375, 459 Stil 93, 95–102, 153, 204, 228, 327, Stuck 120, 124, 145, 175, 181, 198, 202, 207, 229 f., 243, 253 f., 260, 277, 291, 347, 359, 364, 367, 375, 396, 403 Stuckarbeiten 90, 108, 130, 208, 219, 221, 234, 241, 252, 255, 257, 260, 281, 321, 323, 325, 339 f., 348, 350, 358, 362 f., 364, 375, 403, 406 Stuckmarmor 89, 181 f., 206, 395 Stuckornament 122–124, 367 Stuckplastik 122 f., 181, 202, 208, 212, 219, 254, 257, 271 f., 276 f., 339, 358, 381–383, 389, 402, 403, 406, 428 Stuckrahmen 198 f., 265 Stundengebet 351, 364, 402 Sub oculos subiectio 338 Symbol 22 f., 26, 88, 110, 165, 173, 175, 176, 188, 211, 214, 270, 272, 274, 276, 319, 373 Synästhesie, Syästhetisch 215, 231, 246–249 Tableau vivant 61 f., 337 Tastsinn, tactus 117, 182, 212, 214, 219–222, 245 Te Deum 48, 51, 56 Telaribühne 51 Terra Mariana 165, 187, 192, 194, 196, 198, 300 Theater 21 f., 33, 47, 49, 51, 57, 61, 77, 90, 111, 117, 148, 198, 221, 226, 230, 250 f., 254 f., 293, 415 Theatralisch 21 f., 32, 49, 78, 84, 221 Theatralität 21, 33, 43, 57, 221, 250, 394 Transi 332, 337 Transitorik 71, 204, 237, 287, 299, 300, 382 Translation 40 f., 47–52, 58 f., 66–68, 191 f., 330 f., 333– 336 Transkription 288, 391, 395 f.

526

Register

Transkription (Zwiefalten) 12, 175, 391, 405–462 Transparenz 77, 89, 92 f., 102 Triumphwagen 54, 60–62, 70 Tugend 66, 71, 114–118, 138, 143, 145, 177, 206, 211–225, 235, 239, 246, 249, 283, 289, 292, 300, 305, 328, 342, 350, 352, 358, 373, 394 Typologie 386, 131, 270, 273, 275 f., 279 Unerschöpflichkeit der möglichen Bilder 23 f., 96 f., 26, 99, 101, 183, 199 Urbild 155 f., 177, 183, 189, 193, 318, 338 Verzeitlichung des Raumes 27, 71, 230, 396 Vexilium crucis 65 Vier Proprietates 117 f., 205–207, 225, 249, 406, 426 Virtus 328 Visus, siehe Sehsinn Vita Benedicti 153 f., 195, 342, 392, Vorhalle (Vorzeichen) 15, 77, 82, 89 f., 103–118, 120 f., 229, 252 f., 288, 328, 351, 402 f., 408, 448 Vorhallenfresken 34 f., 103–118, 131, 183, 252 f., 275, 370, 408 f., 411, 434, 448–460 Volksfrömmigkeit 46 Wallfahrer 127, 206, 342, 375

Wallfahrt 30, 32–34, 43–47, 62, 65 f., 298, 328 Wallfahrtsforschung 44–47 Wallfahrtsort 29, 32, 35, 62–64, 124, 159, 178 f., 185, 192, 206, 253, 261, 266 Wallfahrtskirche 35, 25f f., 261, 266, 328, 351, Wahrnehmung 12, 18, 21–24, 26, 78, 80, 84 f., 89, 93 f., 97, 100, 112, 120, 141, 161, 165, 168, 170, 196, 199, 203, 216 f., 224–226, 230 f., 243, 247–249, 281, 337, 394, 395 Weihe 32 f., 173, 196, 253, 350, 381, 402 f. Weihrauch 18, 208, 212–218, 223, 244 f., 246, 248, 358 Weltgeschichte 35, 71, 121, 156, 187, 192, 314, 393–395 Werkzeug 42 f., 58 f., 70, 91, 138, 206, 240, 271, 278, 284 Wirkungskalkül 21 Zeichen 22, 270–273, 277, 281, 397 Zeit 32, 41, 52, 55, 57, 66, 70 f., 89, 96, 121 f., 130, 164, 179, 184, 188, 193, 197, 216 f., 220, 230, 237 f., 241, 243, 277, 289, 314 f., 331, 352, 370, 394, 396 Zömeterium 30, 393, 402–404 Zwiefalten (Name) 27 Zwiefalter Gnadenbild 29, 171–177, 179, 265, 371

Bibelstellen AT Gen 37, 5–9 272–274 Ecclesiasticus [Sir] 36, 19, 295 Ecclesiasticus [Sir] 39,20, 35 Ez 1,3 237, 239, 241 Ez 5,1–12 241, 244 f., Ez 8,11 241, 244, Ez 17,3–5 241 Ez 20,41 241, 244, Ez 21,1–37 241 Ez 37,1–4 241 Ez 40,1–44,3 241, 244 Hiob 13,24 392 Hld 3,11 304, 306 Jes 7,14 384 2 Kön 11,1–20 111 2 Kön 13 273 2 Chr 23,1–17 111,

2 Makk 3,1–40 111 f. 2 Makk 12,46 393 Num 24,4 242 2 Sam 2,7 273 Ps 33, 22 136 Ps 119, 162 353 Ps 119, 164 352 Ps 141 (140) 216 Ri 16, 25–30 130 NT Apg 7,55 274 Apg 8,18–25 278 Hebr 5,12 246 Hld 3,11 304 Joh 1,2 240 Joh 1,14 240 Joh 14,28 272

Register

1 Kor 3,2; 15,50–54 246 2 Kor 2,14–16; 5,1–4 216 Lk 18,9–14 115 Mk 12,41–44 115 Mt 1,1–17 272 Mt 1,2 386 Mt 1,18–21 382 Mt 1,20–21 115, 273, 384, 386, Mt 1,22–23 386 Mt 1,23 384

Mt 4,4 246 Mt 8,16 278 Mt 16,18 278 Mt 21,12–17 115 Mt 23,37 432 Offb 12,1 304 Offb 16,1–20 109 Röm 5,14 275

527

WERNER TELESKO

KOSMOS BAROCK ARCHITEKTUR – AUSSTATTUNG – SPIRITUALITÄT. DIE STIFTSKIRCHE MELK

Die Fülle der künstlerischen und inhaltlichen Facetten einer barocken Kirche scheint für den heutigen Betrachter kaum mehr verständlich. Die vorliegende, leicht verständliche Einführung soll als Anleitung dienen, den vielfältigen »Kosmos« eines barocken Kirchenbaus besser verstehen zu können. Prinzipiell charakteristisch für die barocke Ausstattung ist der Umstand, dass kein Gegenstand isoliert präsentiert wird: Alles ist eingebunden in ein umfassendes und fein austariertes Bezugsnetz, das systematisch geordnet ist. Erklärt werden im vorliegenden Werk die vielfältigen Sinnbezüge, Erzähltechniken und Allegorien der frühneuzeitlichen Sakralkunst am Beispiel der berühmten Benediktinerstiftskirche Melk. Hier kann besonders deutlich gemacht werden, welche Bedeutung der Heiligen- und Märtyrerkult, die Verehrung der Sakramente sowie die Verehrung der römischen Kirche im 18. Jahrhundert besitzen. 2013. 212 S. 60 S/W- UND FARB. ABB. GB. 135 X 210 MM. ISBN 978-3-205-78953-6

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