Der Papst: Nöthige Aufklärungen aus der Geschichte [Reprint 2019 ed.] 9783111706849, 9783111317410

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Der Papst: Nöthige Aufklärungen aus der Geschichte [Reprint 2019 ed.]
 9783111706849, 9783111317410

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Wer Papst

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Wer

P ap st.

Nöthige Aufklärungen ans

-er

Geschichte.

Berlin, gedruckt und verlegt bei G. Reimcr.

1 8 3 9.

3« der Zeit, wo die christliche Religion sich den Kinsterniffen

des Heidenthums entwand, war es natürlich, daß

sich Gemeinden bildeten

und Vorsteher derselben,

die Angelegenheiten der jungen Kirche leiteten.

welche

Diese in

ihrer Entstehung so einfache Einrichtung war der Keim zu der so verderblichen Hierarchie, deren schädliche Folgen noch bis auf den heutigen Lag

fortdauern.

Nicht zufrieden

mit ihrem bescheidenen Einflüsse, von Hochmuth und Hoffarth geplagt, durch äußere Umstände begünstigt, suchten jene Lehrer der Religion

sich auch

zu einem weltlichen

Range zu erheben; es entstanden Prälaten und Bischöfe, die bald unter einander selbst einen sehr unkirchlichen Kampf um die kirchliche Hoheit begannen. die Bischöfe

in

den beiden

Besonders waren es

Hauptstädten des römischen

Reichs, Rom und Constantinopel, welche der heidnischen Welt das Schauspiel eines Rangstreites gaben, der, wenn auch unter dem Deckmantel religiöser

Meinungen

begon­

nen, eigentlich doch nur ganz weltliche Zwecke hatte. Es mögen sich in den innern Verhältnissen der Kirche in jener frühern Periode Gründe nachweisen lassen, welche es wünschrnswerth, vielleicht nothwendig machten, die Diener der 1 '

4 Religion auch mit einem weltlichen Ansehn zu bekleiden, aber die Lehre selbst, auf die Grundsätze der reinsten Mo­ ral gebaut,

hat unedle Leidenschaften

Triebe stets verdammt.

und

eigensüchtige

Es wäre unnöthig, hier Stellen

aus den Schriften der Apostel anzuführen, die jetzt jeder­ mann bekannt sind; der Kampf um die Hoheit des Pap stes ist bereits vor dreihundert Jahren ausgefochten wor­ den, und daß dieselbe eine angemaßte, nicht in den heili­ gen Büchern begründete ist, bedarf in unsern Zeiten keines weitern Beweises. Hätten die weltlichen Monarchen ahnen können, daß der Hochmuth und

die Herrschbegier des Priesterstandes

darauf ausgehn würden, ihr Ansetzn zu untergraben, um sich aus den Trümmern desselben einen eigenen Thron zu erbauen, so würden sie wahrscheinlich in Zeiten Maßregeln dagegen ergriffen haben. lich,

Auch ist es nicht unwahrschein­

daß die sogenannten Christenverfolgungen in den er­

sten Jahrhunderten nur durch den Stolz, die Habsucht und die Anmaßungen des Priesterstandes hervorgerufen wurden, wodurch namentlich der Kaiser Decius so sehr gegen alles, was Christ hieß, in Harnisch gcrieth. Constantin, der das Christenthum zur Staatsreligion erhob, legte zwar den Grund zu dem System der Verei­ nigung aller christlichen Gemeinden, und gab der Kirche dadurch eine Verfassung;

aber er stellte sich selbst an die

Spitze derselben und ward sonach das Oberhaupt der gan­ zen Geistlichkeit.

Die Priester wurden als öffentliche Be­

amte angesehen, und es siel dem Kaiser gar nicht ein, sie — gegen alle vernünftige Regierungsgrundsätze — zu ei­ nem Staate im Staate zu bilden; noch viel weniger hat er bei seiner Taufe daran gedacht, dem römischen Bischof die Stadt Rom und einen großen Theil der abendländi-

5 schen Provinzen zu schenken, wie die Schmeichler der päpst« lichen Hierarchie so oft zu behaupten sich erdreistet haben. Diese grobe,

schon an sich selbst ganz unwahrscheinliche

Erdichtung ist im achten Jahrhundert

ersonnen worden,

und cs ist nicht die einzige Unwahrheit, auf welche der römische Stuhl sein Anschn gründet. Bei den vielen Streitigkeiten über Glaubenssätze in den frühern Zeiten hatte indeß die Geistlichkeit schon von selbst eine hierarchische Form angenommen, weil die Kir­ chendiener in den Städten denen auf dem Lande, und die Bischöfe in den großen Städten denen der kleinern den Rang abgelaufen hatten.

So entstanden die Patriarchen

von Rom, Constantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem (dieser ad honores), und die kirchliche» Streitig­ keiten wurden von denselben stets mit großer Geschicklich­ keit benutzt, um ihr Ansehn zu befestigen und ihre Persön­ lichkeit mit den Lehrbegriffen der Kirche zu

identisiciren,

so daß die christliche Welt sich nach und nach, selbst, daran gewöhnte, Vorsteher der Kirche

wie von

die Lehrer mit der Lehre und die mit der Kirche vereint zu denken.

Auf der zweiten ökumenischen Kirchenversammlung zu Con­ stantinopel (381) ging bereits der Beschluß durch, daß der Patriarch

oder

Bischof

von

Constantinopel

unmittelbar

nach dem von Rom rangiren, und diese nebst denen von Alerandrien und Antiochien den Vorrang vor allen übri­ gen Metropoliten haben sollten. Von den Kaisern begünstigt maßten sich einige Theo­ logen die höchste Entscheidung in Gloubenssachen an, und es wurde durch ihren Einfluß jedes freie Nachdenken über die Wahrheiten des Christenthumes bei harter Strafe ver­ boten.

Es waren allerdings mancherlei abgeschmackte Leh­

ren zu Tage gefördert worden, denn verdrehte Köpfe hat

6 eS zu allen Zeiten gegeben; manche glaubten z. B. die Borschristen

der

christlichen Religion

am bessten durch Er-

tödtung der Sinnlichkeit und Aufenthalt in Einöden und Klüften zu erfüllen, — eine Liebhaberei, aus welcher nach­ her die verschiedenen Mönchsorden entstanden sind: allein diesen moralischen Uebeln wurde ein noch größeres entge­ gengesetzt, das Glaubensmonopol, welches der heilige Stuhl noch heutzutage auszuüben strebt und auch wirklich aus­ übt.

Eine auffallende Erscheinung bietet sich hier dar, daß

das, was im Finstern entstand und nur im Finstern ge­ deihen konnte,

neben und trotz dem eingetretenen Hellen

Tageslichte noch fortbestehen kann. Die höhere Geistlichkeit bekam auf diese Weise eine Macht in die Hände, die nicht nur mit aller Kraft festge­ halten, sondern auch durch alle zu Gebote stehende Mit­ tel rücksichtslos

erweitert und

ausgedehnt wurde.

Alle

Stellen, die nur einigermaßen mit der Kirche in Verbin­ dung standen, wurden allein von Geistlichen besetzt und da­ durch eine geistliche Miliz geschaffen, welche in Verbindung mit den Mönchen der kirchlichen Herrschaft die trefflichsten Dienste leistete.

Bei Bildung der ersten christlichen

Ge­

meinden war es der Klugheit angemessen, nicht nur keine Verbrecher zuzulassen, sondern auch solche, die sich eines Verbrechens schuldig machten, auszuschließen oder aus der Gemeinschaft der Kirche zu verbannen;

daraus entstand

der Kirchenbann, der nachher zu so vielen Mißbräu­ chen Veranlassung gegeben hat und ein so mächtiges Werk­ zeug wurde, den Slolz und die Habsucht der Priester zu befriedigen.

Die Kirche scheute sich nicht,

was bei der

weltlichen Autorität stets so sehr vermieden und verschrieen worden, die gesetzgebende, die richterliche und die executive Gewalt in eine Hand zu legen oder vielmehr zu nehmen.

7 nnd so den Saamen zu der furchtbaren Inquisition aus­ zustreuen. Die Geistlichkeit wollte herrschen, unh ein Ter­ rorismus, der weit mehr der Hölle angehört als der, wel­ chen die Pariser Blutmenschen in unserer Zeit zu gleichem Zwecke ausübten, schien ihr das geeignetste Mittel, dazu zu gelangen. Jnterdict, Bannstrahl und Inquisition, das waren die Gründe, mit welchen alle Zweifel gelöst und alle Widersprüche beseitigt wurden Die Lehre vom Fegefeuer wurde am End« des sechsten Jahrhunderts vom Bischof Gregor in den katholischen Lehrbegriff eingeführt, der dafür den Namen des Großen erhielt, vermuthlich weil er dadurch Veranlassung zu den Jndulgenzen gab, die in der Folge ein so ergiebiger Erwerbszweig für die Geistlichkeit wur­ den. Der Aberwitz ward zu einem Glaubensartikel ge­ stempelt, weil es den Beutel der Priester füllte. Die Bischöfe zu Rom dienten den Kaisern, die ihre Residenz an den Bosporus verlegt hatten, öfters als Stellvertreter, und dabei versäumte der Stellvertreter nicht, für die Kirche, d. h. für sich und seine Nachfolger, zu sor­ gen und das bischöfliche Ansehn zu befestigen. Das Stre­ ben nach einer einstweilen nur kirchlichen Hoheit war bei den römischen Bischöfen immerfort rege, und als wegen obwaltender Streitigkeiten über die beiden Naturen in Christo die vierte ökumenische Kirchenversammlung zu Chalcedon (451) zusammenberufen ward, wußte es der Pa, triarch Leo, ebenfalls der Große genannt, durch seine Thä­ tigkeit und Intriguen aller Art dahin zu bringen, daß sein Ausspruch als Dogma aufgenommen wurde, und dies be­ nutzte er, nicht nur um bei allen Gelegenheiten das Uebergewicht des Stuhles Petri geltend zu machen, sondern quch dem schwachen Kaiser Valentinian III. die Verordnung abzulocken, daß wegen der Würde des Apostels Petrus und

8 weil Rom die eigentliche Hauptstadt deS Reichs sey, künf­ tig jeder römische Bischof als das Oberhaupt der Kirche rcspeclirt werden sollte. Obgleich dieses Zugeständniß bei Regierung unbedeutend schien,

der Schwäche der

so batte es doch die wich­

tigsten Folgen, indem die Nachfolger Leo's fest daran hiel­ ten, und darüber mit dem Hofe zu Constantinopel in fort­ dauernde Händel geriethen.

Dabei

entblödeten sie sich

nicht, die Hilfe der Barbaren, welche um diese Zeit Ita­ lien verheerten,

in Anspruch zu nehmen und sich in den

Königen der Gothen und Langobarden einen Rückhalt ge­ gen ihren rechtmäßigen Herrn, den Kaiser von Ost-Rom, zu suchen. Man hätte vernünftigerweise glauben sollen, daß die Herrschsucht der römischen Metropoliten,

nach dem ihnen

die oberste Gewalt in der Kirche übertragen worden, friedigt sey; weit gefehlt!

be­

Es gab noch einen Höheren,

dem sie unterworfen waren, und da dieß für sie, die sich schon damals für unfehlbar hielten, eine große Unbequem­ lichkeit war, so wird in ihrem ganzen Benehmen nun das Bestreben sichtbar, sich allem byzantinischen Einflüsse zu entziehen.

Es gab allerdings energische Regenten, die ihre

Rechte zu vertheidigen wußten.

Der Kaiser

Heraclius,

über die römischen Anmaßungen erbittert, schickte Truppen nach Rom und ließ den widerspenstigen Bischof Martin I. (638) einsangen

und nach Constantinopel bringen,

eine

Strenge, die ihre Wirkung nicht verfehlte. «Indessen ist es doch ein großes Aergerniß, wenn die Geistlichkeit, welche allen übrigen als Beispiel vorangchn soll,

zu Erfüllung

ihrer Pflichten durch Zwangsmittel angehalten werden muß. Trotz

dieses Beispiels

widersetzte

sich

schon in der

nächsten Regierung Justinians II. (692) der römische Bi,

9 schof Sergius I. neuerdings den kaiserlichen Befehlen, und eben wurde ihm das Schicksal seines Vorgängers Martin bereitet, als der Kaiser zum Glück für ihn starb.

Dieselbe

Opposition zeigten die Bischöfe Gregor ll. und III. gegen Kaiser Leo HL, den Jsaurier, warf (726).

der den Bilderdienst ver­

Der Kaiser schickte am Ende eine Flotte nach

Italien, um den halsstarrigen Priester nach Constantinopel zu führen, und da diese verunglückte,

so entzog er dem

römischen Kirchcnsprengel alle außerhalb Italien gelegene Districte desselben: Jllyrien, Macedonien, Epirus, Achaja, Thessalonich, und stellte diese unter die Jnspection des Pa­ triarchen zu Constantinopel. Schlag.

Das war ein empfindlicher

Vergebens suchte Gregor

bei den Longobarden

Hilfe und bei Carl Martell, dem Majordom des fränki­ schen Reichs.

Diese Provinzen blieben getrennt.

Pipin, der Sohn des genannten fränkischen Reichs­ verwesers, hatte wichtige Gründe, sich mit dem Nachfolger Gregors, dem Bischof Zacharias, eng zu verbinden; beide brauchten und benutzten einander, der eine um den fränki­ schen Thron zu besteigen, der andere um eine Stütze gegen Griechen und Longobarden zu haben.

Die weltliche Macht

nahm leider oft ihre Zuflucht zu dem Einflüsse der Geist­ lichkeit, um Illegalitäten zu decken, und das benutzte diese, um ihrer Scits Usurpationen zu machen.

Der fränkische

König Childerich wurde nach dem Gutachten des römischen Metropoliten, welches die ganze fränkische Nation respectirte, vom Throne gestoßen,

und dies bloße Gutachten wurde

von der geistlichen Herrschbegier schlauer Weise benutzt zu beweisen, daß der Bischof zu Rom Könige ab- und ein­ setzen könne; ja um diese Prätension noch augenfälliger zu machen, eigentlich aber aus Furcht vor den Longobarden, reiste der nachfolgende Bischof Stephan 111. selbst zu Pipin

10 und salbte ihn und seine Söhne förmlich zu Königen der Franken. Pipin kam ihm dagegen zweimal gegen die 8on» gobarden zu Hilfe, und nachdem er dieselben besiegt hatte, machte er ihm (756) die berühmte Schenkung an Lände­ reien, deren Ausdehnung und Umfang jetzt nicht mehr aus« zumitteln ist. Der römische Bischof sahe sich damit am Ziele seiner derzeitigen Wünsche; er war nun ein weltlicher Fürst und hörte mithin auf, sich für einen Vasallen des griechischen Kaisers anzusehn. Dessenungeachtet war noch Vieles durchzufechten, um den Hochmuth und die Hoffarth des römischen Priesters ganz zu befriedigen. Nachdem Carl der Große dem Lvngobardenreich in Italien ein Ende gemacht hatte, mußte der römische Bi­ schof sich mit seinen weltlichen Besitzungen ebenfalls unter dessen Scepter beugen und einstweilen damit zufrieden seyn, daß dieser Fürst in seinen weiten Eroberungen die christ, liche Religion nach dem römischen Ritus zu verbreiten strebte. Welchen Vorschub er dadurch der künftigen Prie­ sterherrschaft leistete, scheint er nicht geahnet zu haben. Die Völker wurden gleich von Hause aus darauf hingewiesen, in dem römischen Bischof den obersten Priester und Rich­ ter in Glaubenssachen zu verehren. Carl der Große hatte eine Ungerechtigkeit vergessen zu machen, durch welche er Erbe des fränkischen Reiches geworden war, und wollte zugleich der erste unter den Kö­ nigen seyn. Der Bischof von Rom brauchte einen Schirm gegen die byzantinische Ober-Hoheit, darum wurde der alte occidentalische Kaisertitel erneuert, und Carl ließ sich von dem römischen Metropoliten zum Kaiser krönen, ohne daran zu denken, zu welchen Anmaßungen er dadurch den Grund legte und welche Kämpfe gegen den Priesterstolz er dadurch seinen Nachfolgern bereitete.

11

Im neunten Jahrhunderte siel es einem Betrüger ein, untergeschobene Kirchengesctze aus der frühern Periode des Christenthums zu publiciren, welche noch jetzt unter dem Namen der Decretalen des falschen Jsidorus be» sannt sind. Durch diese wurde der römische Bischof zum obersten Gesetzgeber und Richter der ganzen Geistlichkeit er­ klärt und ihm die Macht beigelegt, Bischöfe, ja selbst Kö­ nige ein- und abzusetzen und sie zu richten. Dieses Mach­ werk schmeichelte dem Priesterstolze zu sehr, um nicht als echt anerkannt zu werden, welches anfangs stillschweigend und zuletzt förmlich geschah, bis am Ende protestantische Schriftsteller im sechszehnten Jahrhundert die Unechtheit dieser Sammlung ans Licht brachten. Die in dem damaligen Zeitalter herrschende Unwis­ senheit war es besonders, welche bei den anhaltenden Zwi­ sten unter den Carolingern den römischen Bischöfen ein so großes Uebergewicht verschaffte, daß dabei sogar ihre eigne Jmmoralitat unbeachtet bleiben konnte, indem bekanntlich längere Zeit hindurch ein Paar, durch ihren schlechten Le­ benswandel berüchtigte Weiber den größten und fast ein, zigen Einfluß auf die Wahl mehrerer Metropoliten ausübten. Als die Ottonen den Kaiserthron bestiegen, wußten sie zwar die Anmaßungen und den Uebermuth der Priester wieder einigermaßen in die ihm gebührenden Schranken zu weisen, aber Otto III. beging doch den großen und un­ begreiflichen Fehler zu gestatten, daß der König von Frank­ reich Robert, Hugo Capet's Sohn, aus einer Synode zu Rom (ti98) von Gregor V. förmlich in den Bann gethan wurde. So bahnten die Kaiser der Priesterherrschaft selbst den Weg, und ließen sorglos alles zu, was die verschmitz­ teste Schlauheit nur erdenken konnte, um die weltliche Macht zu überlisten. Aber so ist der Cyclus der Kämpfe, in roet-

chm das Daseyn der Menschen und Nationen sich offen­ bart: zuerst siegt die Stärke, dann die Mehrzahl oder die Masse; nachdem der Besitz sich geltend gemacht hat, er­ hebt sich der Verstand, und dieser wird in der Regel wie­ der durch die List besiegt,

was aber gewöhnlich die Pe­

riode des Verfalls ist. Nachdem Nikolaus II. (1059) den Grund zu dem Cardinals-Collegium gelegt, und dadurch die Wahl des römi­ schen Patriarchen von dem Kaiser ganz unabhängig ge­ macht hatte, blieb nur noch

ein Schritt übrig, um die

Usurpation der kirchlichen Oberherrschaft zu vollenden. Zum Unglück für die weltliche Macht traf der größte Hochmuth und Priesterstolz

auf der einen Seite

mit

der größten

Schwäche und Ohnmacht auf der andern in einer Periode zu­ sammen, so daß das Resultat nicht zweifelhaft seyn konnte. Mit welchen zum Theil unsinnigen Anmaßungen und An­ sprüchen der Archidiakon Hildcbrand, unter dem Namen Gregors VII., den römischen Thron bestieg, ist weltbekannt, man weiß nicht, was man mehr anstaunen soll, seine Toll­ heit oder die Verzagtheit seiner Gegner.

Seine Schritte

gingen darauf hinaus, die Kirche von der weltlichen Macht nicht nur ganz unabhängig zu machen, sondern diese jener ganz zu unterwerfen.

Er wollte eine kirchliche Universal­

monarchie im ausgedehntesten Sinne gründen, der alle Kö­ nige und Völker unterworfen sein sollte». ausschließend den Titel Papst an,

Er nahm daher

den vorher mehrere

hohe Geistliche geführt hatten, und schuf das Cöltbat, um die Geistlichkeit ganz von dem Leben im Staate zu tren­ nen.

Jeder Weltmann, meinte er, Kaiser

nicht ausgeschlossen,

und Könige

sei durch seine Sünden dem Teufel

verfallen, und über diesen habe ja der geringste Geistliche Macht, wie viel mehr also der Papst; das Heilige müsse

13

herrschen und nicht das Profane. Die Zeiten müssen fin­ ster und die Menschen sehr unwissend gewesen seyn, die sich von solchem augenfälligen Unsinn täuschen lassen konnten. Man möchte fragen, ob Kaiser Heinrich IV. eine klare Ansicht von dem Schritte hatte, den er that, als er nach Canossa reiste; aber sicher war es ein verhängnißvoller Au­ genblick, in dem er den Entschluß dazu faßte. Er bezeich­ net den Eintritt der Glanzperiode der päpstlichen Hierar­ chie, die fünftehalb Jahrhunderte ununterbrochen fortdauerte und ohne das Licht der Reformation die Welt am Ende in Nacht und Finsterniß versenkt haben würde. Man muß das trübe Gemälde des durch Pfaffen und Mönche aus­ geübten Gewissenszwanges und der dadurch begründeten Barbarei des Mittelalters in seiner ganzen Ausdehnung kennen, um alle Wohlthaten der durch die Reformation ge­ wonnenen Geistesfreiheit erst recht schätzen zu lernen. Es ist hier der Ort zu fragen: Ist die Priesterherrschaft der Ausbreitung des Christenthums förderlich gewesen? Hat sie dazu beigetragen, die öffentliche Moral fester zu begrün­ den, die Menschen besser, verträglicher, friedfertiger zu ma­ chen, ihnen Sanftmuth, Geduld und die Ausübung aller christlichen Tugenden zu lehren? — Auf diese und ähn­ liche Fragen ließe sich sehr viel und weitläuftig, aber auch wenig und kurz antworten. Man darf den Pricstcrstand in seiner Würde nicht mit der Priesterherrschaft verwechseln. Was in dem Laufe der Zeiten so viele durch wahre Mo­ ralität und Selbstverleugnung ausgezeichnete Männer ge­ than haben, ist ohne Zweifel mehr eine Folge innerer In­ spiration als der Unterwerfung unter die Kirchenzucht ge­ wesen. Wenn man auch nicht in Abrede stellen kann, daß die Einheit in Glaubenssachen durch die kirchliche Oberge­ walt erhalten worden, so folgt immer noch nicht daraus.

14 daß die Kirche unabhängig und keiner weltlichen Macht unterworfen seyn dürfe, ja wohl gar über alle Monarchen und Völker herrschen müsse. Die Verwaltung der Kirche ist ein Zweig der Administration, wie es deren meh­ rere giebt, und es wäre doch ein sonderbares Verlangen, wenn zu Erzielung der Einheit in der Finanz- oder JustizVerwaltung der Finanz- oder Justiz-Minister von dem Oberhaupte des Staates unabhängig seyn oder gar über ihm stehen sollte. Was die Hierarchie in dem langen Zeitraume ihrer größten Macht gewirkt hat, abgesehen von dem immerwäh­ renden Bestreben, ihr Ansehn und ihre Güter zu vermeh­ ren, abgesehen selbst von den Unthaten, Unkeuschheiten, Ver­ brechen, mit welchen der heilige Stuhl besudelt worden, — das beschränkt sich ungefähr auf folgende Gegenstände: 1. Das Glaubensmonopol. Die Schädlichkeit eines jeden Monopols ist längst erwiesen, und das, welches der römische Hof zu seiner Selbsterhaltung bedarf, ist davon nicht ausgeschlossen. Wenn der menschliche Geist nicht dazu bestimmt wäre, sich frei zu entwickeln, so würde der weise Schöpfer auf eine andre Weise dafür Sorge getragen ha­ ben, indem es dem uns angebornen moralischen Gefühl entgegenstrebt, das Wohlseyn eines einzelnen auf die Un­ terdrückung der Gesammtheit zu gründen. ES wäre kon­ sequent, wenn das Symbol des heiligen Stuhles hieße: Alle sollen glauben, was ich glaube! Allein es heißt: Alle sollen glauben, was mir gefällt und ersprießlich ist, wenn ich auch selbst es nicht glaube! Die freie Thätigkeit des Geistes soll unterdrückt werden und das Menschengeschlecht in einer dauernden Unmündigkeit bleiben, zum Nutz und Frommen eines Einzigen oder einiger Wenigen. Alles Nachdenken wird verboten und die Philosophie selbst dann

15 zurückgewiesen, wenn fle sich demüthig und gehorsam zeigt, wie die Lehre des Professors Hermes. men Menschheit arger mitspielen!

Kann man der ar­

Wenn die Priesterherr­

schaft den Forderungen der Vernunft entspricht, wozu diese Lichtscheu? —

Die christliche Welt ließ sich den Kapp­

zaum geduldig anlegen, so lange sie in der Kindheit war, und die Geistlichkeit befand sich wohl dabei; darum muß der Zustand und mit ihm die Unwissenheit deS jugendlichen Alters bleiben. 2. Die Rrcuzzüge, obgleich nicht von den Päpsten ausgedacht,

aber von ihnen gehegt und gepflegt, wurden

trefflich benutzt, um sich lästige Feinde und Widersacher auf eine gute Art vom Halse zu schaffen und dabei den Herrn über Könige und Fürsten zu spielen, was Europa, wenig gerechnet, sechs Millionen Menschen kostete. 3. Die sogenannte scholastische Philosophie oder die Schultheologie.

Da sich nun alles unter den römischen

Despotismus beugen mußte, so hörte natürlich alles freie Denken über religiöse Gegenstände ganz auf, und das wollte man eben erreichen.

Der Geist wurde in Fesseln geschla­

gen und in Formen gezwängt, die keinen freien Aufschwung zuließen.

Die sogenannte scholastische Theologie, welche

im Mittelalter allgemein verbreitet war,

bestand in einem

Gewebe auf Schrauben gestellter, eben so unverständlicher als unerklärbarer Sätze, die nur in der barbarischen selbst­ gemachten lateinischen Sprache vorgetragen werden konn­ ten, und es gehörte die crasse Ignoranz des Zeitalters dazu, um die form- und sinnlosen Redensarten in einen gewissen Zusammenhang zu bringen.

Es waren zu viel Leute da­

bei interessirt, diese Obskurität zu erhalten, als daß erleuch­ tete Köpfe hätten gedeihen oder durchdringen können. Des­ senungeachtet traten hie und da Männer auf, welche der

16 geistlichen Pädagogik trotzend das Treiben der Klerisei auf den Probierstein der Philosophie brachten und so, obgleich langsamen Schrittes, der Welt über den eigentlichen Sinn des Christenthums die Augen

öffneten.

Vermochten sie

auch nicht, die Wahrheit in ihrem ganzen Umfange ans Tageslicht zu ziehen, so erklärten sie doch einstimmig der Priesterherrschaft den Krieg und verwarfen den von dersel­ ben eingeführten Ceremonicnkram.

Die Päpste

wußten

sehr wohl, was sie dabei zu fürchten hatten, und als da­ her jene Selbstdenker im zwölften und dreizehnten

Jahr­

hundert unter dem Namen der Albigenser und Waldenser Aufsehn zu machen anfingen, wurden alle geistliche Waf­ fen gegen sie gekehrt;

sie wurden mit dem Namen von

Ketzern belegt und mit Feuer und Schwert verfolgt, ob sie gleich keinen anderen Zweck hatten, als das ursprüngliche Christenthum in seiner ganzen Reinheit unter sich zu leh­ ren, ohne dabei an eine Trennung von der Kirche zu denken. 4. Die Inquisition darf man bloß erwähnen, um den ganzen Abscheu rege zu machen, den ihr Name allein schon einflößt.

Das erste Gericht dieser Art wurde zu Tou,

louse (1229) gegründet und hatte eigentlich den Zweck, alle Geistesfreihcit durch die stärksten und furchtbarsten Mittel zu unterdrücken. o.

Lirchenstrafen — Seelenmessen — Indulgenzen

gehören in eine Kategorie, denn sie wurden sämmtlich zu Erwerbszweigen für die Geistlichkeit benutzt, und als.man erst inne wurde, wie vortheilhast für den Klerus die Sün­ den der Laien waren, da wurden die Sündenregister im­ mer zahlreicher und die Taxen ansehnlicher.

Für Geld

war alles feil: Recht, göttliche Gnade, und die Erlaubniß, Böses zu thun uud im Bösen zu verbleiben.

Wie war

es möglich, mit dem, was das Ehrwürdigste und Heiligste

17 ist, einen Handel zu treiben wie die Juden, und wie ist es möglich, bei solchen Mißbräuchen zu verharren? 6. Das doppelte Schisma, erst mit der griechischen und nachher mit der protestantischen Kirche, würde ohne die Herrschsucht, welche die Hierarchie charakterisirt, nie zum Ausbruche gekommen seyn. 7. Das letzte Geschenk der geistlichen Herrschaft und das deutlichste Zeichen der durch dieselbe hervorgebrachten Finsterniß waren die Hexenprozesse, welche Jnnocenz VIII., ein Mann, der nicht weniger als sechszehn unehliche Kin­ der hatte, zu Tage gefördert hat. Das Andenken daran erfüllt noch jetzt jedermann mit Schauder und Abscheu. Dieß sind ungefähr die Wohlthaten, mit welchen das Papstthum während eines Zeitraums von vierhundert und fünfzig Jahren die Welt bereichert hat. Jnnocenz III., ein noch ärgerer Despot als Hildebrand, mischte sich voller Uebermuth in die weltlichen Angelegenheiten und nöthigte so­ gar den König von England, Johann Ohneland, zu An­ fange des dreizehnten Jahrhunderts, durch Jnterdict und Bann, sein Königreich von ihm als Lehn zu empfangen. Dagegen demüthigte Philipp der Schöne von Frankreich, achtzig Jahre später, den Prälatenstolz, und rächte zugleich die weltliche Macht, indem er Bonifaz VIII. (1294) gefan­ gen setzen ließ, und später die Päpste nöthigte, ihre Resi­ denz in Avignon aufzuschlagen, welches 72 Jahre währte (1305 bis 1377). Man nennt diese Periode gewöhnlich die babylonische Gefangenschaft der Päpste, und ihre dauernde Abwesenheit von Rom hat sicher den ersten Anstoß zu dem nachherigen Verfall oder wenigstens zu der Beschränkung ihrer Herr­ schaft gegeben. Besonders aber war es ihnen verderblich, daß bei dieser Gelegenheit mehrere Päpste zu gleicher Zeit 2

18 auftraten, die sich einander wechselseitig in den Bann tha­ ten und dadurch den Zauber ihrer Macht selbst zerstörten. Dabei war das Sittenverderbniß unter der Klerisei so auf­ fallend und die Gebrechen der Hierarchie so schneidend, daß sich darüber am Ende ein allgemeiner Unwille erhob.

Ge­

lang es auch, durch die Verfolgungen Wiclefs in England und Hussens

in Deutschland

das Ungewitter

noch

eine

Zeitlang zu beschwören, so konnte doch der endliche Ausbruch dadurch nicht aufgehalten werden, und wenn es ein armer Augustinermönch wagen durfte, die große Kirchenre­ form zu beginnen, so müssen die Elemente dazu in Menge vorhanden gewesen seyn. Die wegen

der kirchlichen

Mißbräuche entstandenen

Unruhen und Kriege dauerten bis zum Jahre 1648. Eine neue Kirche war

entstanden;

ihre Immunitäten wurden

durch den westphälischen Frieden anerkannt.

Als sich daS

Unwetter verzogen hatte, lag die päpstliche Hierarchie in einem großen Theile von Europa in Trümmern, denn die Irrthümer, welche ihr zur Grundlage dienten, waren zer­ stört und die Mißbräuche vernichtet.

Da die Menschen in

der Regel einen großen Werth auf das Nominelle legen, so hätten die Gründer der neuen Lehre vielleicht besser ge, thun, eine weniger fremd klingende Benennung zu wählen,denn Protestantismus ist doch weiter nichts als die rein christliche, von dem Papstthum und allen Irrlehren und Wahn gesäuberte Religion, — ohne menschliche Zuthaten.

es ist der Katholicismus

Der abnorme Name hat die

Spaltung erweitert und tritt der Wiedervereinigung störend in den Weg.

Daß diese am Ende eintreten wird

muß, liegt in der Natur der Sache;

und

wie könnten bei der

steigenden Erleuchtung der ganzen civilisirten Welt so grobe Irrthümer noch fortbestehen wie die, welche die Träger des

19 päpstlichen Stuhles sind?

Jedermann muß es am Ende

begreifen, daß der Papst ein entbehrliches Uebel ist,

eine

Calamität, welche nichts als Unheil, Zwist und Verwirrung stiftet.

Es kann jemand über zukünftige Dinge seinen be­

sonderen Glauben haben; es ist aber ein frevelhafter, auf nichts als Eitelkeit und Wahn gegründeter Hochmuth, zu behaupten, daß außer diesem Glauben kein Heil zu hoffen. Das Dogma der alleinseligmachenden Kirche ist die Haupt­ quelle des religiösen Fanatismus und

der

so

blutigen

Religionskriege, welche zu der Summe der durch die Hie­ rarchie in die Welt gebrachten

Uebel hinzuzufügen

sind.

Die Oekonomie der ganzen Natur, welche der menschliche Forschungsgeist tagtäglich mehr enthüllt, steht durchaus in Widerspruch mit einer solchen Annahme, und wer in un­ sern Zeiten

noch

von Manichäern und Ketzern sprechen

wollte, der würde sich selbst mit dem Namen eines in der tiefsten Unwissenheit

steckenden Obskuranten brandmarken.

Erhebet den Blick auf die weiten Räume der Sphären! Folget dem Forscher in die Welt der Atome, die unsern Sinnen

entgeht!

Ueberall ist Bewegung,

herrscht Regel und Ordnung.

und

überall

Alles, das Lebendige wie

das Leblose, gehorcht Einem mächtigen Willen.

Die Fix­

sterne und das Sonnenstäubchen bewegen sich nach ewigen Gesetzen.

Jedem Weltkörper ist seine Bahn angewiesen,

und jedes Geschöpf ist ausgerüstet, Zwecke zu erfüllen.

um seines

Daseyns

Dort ist Weisheit, dort betet an, und

im Gefühl der Erhabenheit, die sich vor euch ausbreitet, vergeßt alle Kleinlichkeiten des Erdenlebens,

um euch als

Brüder zu umarmen! — Wenn der Mensch aus einer langen Gewohnheit sei­ nen Verstand knechtisch unter die Autorität gewisser Sätze gebeugt hat, die für untrüglich ausgegeben werden, so giebt

2

*

20

« daS lästige Selbstdenken leicht ganz auf und verfällt in einen geistig-lethargischen Zustand, aus dem er sehr schwer zu erwecken ist. Solcher geistiger Schläfer gab es noch eine Unzahl, nachdem bereits die Burg Zion durch die Re­ formation auf allen Ecken in Bresche geschossen war und die Wahrheit von allen Seiten zuströmte; aber um zu se­ hen, muß man die Augen öffnen, und daß die weltlichen Interessen im Hellen Tageslichte besser und herrlicher ge­ deihen als in dicker Finsterniß, wurde nicht überall gleich lebhaft empfunden. Der siatns qno blieb an vielen Orten, und die Männer der Finsterniß schöpften neue Hoffnungen. Eine Sonderbarkeit ist es, daß diese Leute die vor­ herrschende Neigung haben, mit der weltlichen Macht an­ zubinden, und Trotz aller Niederlagen ihren lächerlichen Kampf mit längst stumpf gewordenen Waffen stets von Neuem zu beginnen bereit sind. Eine Ursache davon mag wohl darin liegen, daß bei der eingeführten Wahlsorm in der Regel der hoffährtigste und ehrsüchtigste Candidat auf den päpstlichen Stuhl gelangt, der dann bei vorkommen­ den Fällen es natürlich jedesmal vorzieht, zu dem Schwerte zu greifen, anstatt Worte des Friedens und der Weisheit zu sprechen, wie es sein Amt erforderte. Frankreich hat viele Kämpfe mit der römischen Curie bestanden; Hein­ rich VIII. von England gab auf den gegen ihn geschleuderderten Bannstrahl die Antwort, welche der Thorheit ge­ bührt, wenn sn sich gegen die Macht auflehnt; und Carl V. hielt den heiligen Bater gefangen, während er in den Kir­ chen für dessen Befreiung beten ließ. Der lächerlichste Streit, welchen der römische Stuhl je begonnen, war der gegen die Republik Venedig im An­ fange des siebzehnten Jahrhunderts (1605—7). Wie im Staate, so giebt es in der Kirche eine Ultra-Partei, welche

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die Ueberzeugung hat, der Papst sey der von Gott selbst eingesetzte Souverän, dem die Macht gegeben über alle Fürsten und Völker und Alles, was auf Erden ist, und der in seiner doppelten Eigenschaft als Oberhaupt der Kirche und als unfehlbar das Recht habe, blinden Gehorsam und stille Ergebung in seinen Willen von Jedermann zu for­ dern. Ein solcher Schwärmer war Paul V., aus dem Hause Borghese. Die Republik hatte zwei verbrecherische Geistliche ins Gefängniß gesetzt und die Erbauung von Klöstern, so wie die zum Nachtheil des öffentlichen Schatzes überhand nehmenden Schenkungen weltlicher Güter an geist­ liche Stiftungen beschränkt; Darüber gerieth der Papst in Harnisch. Die Kirche hat ihre eigene Terminologie. Ge­ horchen soll jeder und geben — den Armen nämlich, welche auch einen kleinen Theil davon bekommen. Wer dieß be­ folgt, der gilt für gvttessürchtig und fromm; wer der geist­ lichen Hab- und Herrschsucht nicht fröhut, dem fehlt es an Glauben und Gottesfurcht; er ist gottlos. In diesem Sinne war den Venetianern von Rom auS schon früher angekündigt worden, daß es ihnen an der ge­ hörigen Frömmigkeit fehle; jetzt aber wurde di« Ausliefe­ rung der beiden Geistlichen und die Zurücknahme der an­ geblich zum Nachtheil der Kirche gegebenen Gesetze stürmisch gefordert. Der Senat war nicht geneigt, sich diesen Ein­ griff in seine Souveränitätsrechte gefallen zu lassen; indes­ sen zog er bei Universitäten und berühmten Theologen Gutachten darüber ein, und als diese günstig für ihn lau­ teten, blieb er unerschütterlich. Der Papst ließ das Inter­ dikt los, welches in unzähligen Covien tu ganz Italien verbreitet wurde; es hatte keine andre Wirkung, als daß die Jesuiten und Kapuziner, welche sich demselben gegen dm Willen des Senats fügen wollten, aus dem Ge-

22 biete der Republik vertrieben und ihre Güter eingezogen wurden. So dauerte di« Sache länger als ein Jahr. Der hei» lige Stuhl hatte vergebens

erwartet,

daß eine weltliche

Macht, Frankreich oder Spanien, für ihn auftreten werde; aber keiner hatte Lust, unter dem Panier der Unvernunft zu fechten.

Dabei drohte Venedig und war nahe daran,

sich ganz von der römischen Kirche zu trennen.

Am Ende

sahe der heilige Vater wohl ein, daß es lächerlich sey, mit stumpfen Waffen einen Kampf zu beginnen, und fing an, die Friedensliebe zu zeigen, welche der Kirche von Hause aus geziemt hätte.

Er ließ dem Senate unter der Hand

zu erkennen geben, daß er mit einer geringen Nachgiebig­ keit in seinen Willen sich zu begnügen und den Kirchen­ bann aufzuheben erbötig sey; allein die Antwort war, daß der Senat in seinem Rechte wäre, daß der Bann ohne Kraft sey und es folglich keiner Lösung bedürfe.

Der Schluß

von allen diesen Streitigkeiten war, daß der Papst sich mit Auslieferung eines der verhafteten Geistlichen,

und zwar

noch dazu an den französischen Gesandten begnügen mußte, und da der Senat fortdauernd darauf bestand, den Bann! als einen unschuldigen Spaß zu betrachten und jede Ent­ bindung davon als unnöthig zurückzuweisen, so beging die römische Curie die bemitleidenswerthe Absurdität, zu publi» ciren, daß ihr Abgeordneter beim Eintritt in den Senat das Zeichen des Kreuzes unter seinem Priesterkleide gemacht und so den Bann gelöst habe. Bei dieser Gelegenheit zeichnete sich ein Mann aus, den die Regierung zu ihrem Rathe und Consulenten in geistlichen Sachen ernannt hatte.

Es war Paul Sarpi,

berühmt durch seine Geschichte der Tridentinischen Kirchen­ versammlung.

Er führte bei dem erwähnten Streite die

23 Feber und war der Erste, welcher die Jrrgänge der rSmischen Politik ausveckte und das Papstthum ganz von dem katholischen Lehrbegriff sonderte. Eben so freimüthig als bescheiden sprach er sich über die Einmischung und das Uebergreifen der geistlichen Gewalt in das Gebiet der welt­ lichen Macht aus, so wie gegen die päpstliche Unfehlbar­ keit, den wachsenden Einfluß der Jesuiten und deren Ge­ fahr drohende Grundsätze. Seine Talente waren eben so überwiegend als sein Eifer für das Rechte, Wahre und Gute unerschütterlich, und es ist ein Zeichen von der Nichts­ würdigkeit seiner Gegner, daß sie anstatt der Waffen der Dialektik die des Meuchelmordes gegen ihn gebrauchten, denen er beinahe unterlegen wäre. Die Jesuiten waren 1540 entstanden und hatten sich gleich von Hause aus als eine Miliz und Trabantengarde des heiligen Stuhles bekundet, die bei den damaligen be­ drängten Zeiten sehr willkommen war und vielfach benutzt wurde. Man erkannte aber zuletzt, obgleich etwas spät, daß der Orden eigne Interessen hatte und eigne Zwecke verfolgte, die nicht immer, wie bei den andern geistlichen Brüderschaften, mit denen der katholisch-päpstlichen Lehre übereinstimmten. Es wurden unheimliche Beschuldigungen gegen denselben ausgesprochen und Schauderhaftes ihm zur Last gelegt. Man nannte Moral der Jesuiten, die jedes sittliche Gefühl untergrub, die Leidenschaften unterstützte und für alle Uebelthaten Ausflüchte zuließ; und die Be­ schwerden häuften sich zuletzt in allen Ländern so, daß der Orden, nachdem er 233 Jahre bestanden, wieder aufgeho­ ben wurde (1773). In unsern Zeiten ist es zu verwun­ dern, wie eine Gesellschaft, die sich von den vielen Ankla­ gen nie ganz zu reinigen vermocht hat, wieder Pflege und Schutz finden kann. Haben die Bäter vielleicht Besserung

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angelobt, und will man dem Fuchse trauen, weil er in Schafskleidern erscheint? — Es ist ein gefährliches Ex­ periment! Je mehr das durch die Reformation angesteckte Licht aufflammte, und je mehr es Nahrung fand, desto häufiger und lauter wurden überall die Beschwerden gegen die päpst­ lichen Anmaßungen, und der Stuhl Petri erhielt von allen Seiten Mahnungen, welche ihn an die Vergänglichkeit al­ les Irdischen erinnerten. Der oben erwähnte Venetianer Paul Sarpi fand in einem deutschen Geistlichen einen eben so würdigen als aufgeklärten Nachfolger, der den kirchlichen Despotismus in seinen Grundvesten erschütterte. Der Weih­ bischof Hontheim von Trier trat unter dem versteckten Na­ men eines Rcchtsgelehrten, Justinus Febronius, mit einer Schrift hervor, worin er mit eben so großem Scharfsinn als mit einer tiefgehenden kirchen­ historischen Gelehrsamkeit theils die Gränze zwischen der weltlichen und geistlichen Macht genauer zog, theils die unbefugten Eingriffe und Anmaßungen der römischen Curie in ein helleres Licht setzte, besonders aber den Papst nur in sofern für das geistliche Oberhaupt der Kirche erklärte, als er für die Einigkeit in der Glaubenslehre und Disciplin zu sorgen habe; dagegen die so gepriesene Untrüglichkeit der Päpste von ihm eben so sehr zu den leeren Chi­ mären gerechnet wird, als die Eingriffe in die zeitlichen Güter derRegenten zu den Anmaßun­ gen priesterlichen Hochmuths. Diese Schrift machte großes Aufsehen und wurde von allen helldenkenden Köpfen der katholischen Kirche mit Bei­ fall aufgenommen. So leuchtete die Fackel der Aufklärung

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immer Heller und trug dazu bei, die Dunkelheit zu zer­ streuen, unter deren alleinigem Schutz Irrthümer und Miß­ bräuche so stattlich emporgewuchert hatten. Wie kann man nach allen Stößen, welche die Hierarchie seit einem halben Jahrhundert erlitten, noch Rückschritte für möglich halten? Welche Nation hat ein Interesse, und welche vermöchte es, zum Nutzen eines veralteten Instituts und zum Vor­ theil eines Standes, der sein Ansehn so gemißbraucht hat, eine Menge Einrichtungen zu unterdrücken, die als die heil­ samsten und glänzendsten Fortschritte in dem Culturzu­ stande der europäischen Welt betrachtet werden? Wer würde seine Einsicht so an den Pranger stellen und dazu rathen? Mit Unwillen hatten schon viele Regenten die Ein­ griffe des päpstlichen Stuhles in ihre Hoheitsrechte zurück­ gewiesen; da sich aber die Hierarchie in ihren Forderungen auf keine Weise nachgiebig, sondern vielmehr eine große Zähigkeit zeigte, so faßte Kaiser Joseph U. den Entschluß, das Uebel mit der Wurzel auszurotten. Kaum war er daher Alleinherrscher geworden, als er in einer langen Reihe von Edikten alle Eingriffe des Papstes in seine Souveränitätsrechte in Kirchensachen vernichtetete, und so die ersten Schritte that, das katholische Deutschland von dem Joche der Hierarchie zu befreien. Er verbot vor allen Dingen auf das Feierlichste und Strengste die Bekanntmachung aller Bullen, Breven und anderweitigen Verordnungen des päpstlichen Stuh­ les ohne ausdrückliche landesherrliche Bewilligung; der Eid der Unterwürfigkeit der Bischöfe utttee das Oberhaupt der Rirche wurde dahin beschrankt, daß er mit den Rechten des Landesherr» auf keine Weife in Widerspruch stehen dürfe;

26 das Dlspenstrtionsrecht in Ehesachen übertrug et den Bischöfen seines Reichs und hob alle Rekurse nach Rom, wobei die Landesbehörden umgangen wurden, auf; kein Bischof des Reichs durfte Aemter, Titel und würden von Rom her ohne ausdrückliche landesherr, liche Bewilligung annehmen; alle Verbindungen der inländischen Rlöster mit auswärtigen Ordens-Obern wurden aufgehoben, die Anzahl der Rlöster vermindert und statt derselben wohl« thätige Anstalten gegründet; die künftigen Bischöfe und Vorsteher der Rirche durften sich nicht mehr in Rom ausbilden, und es wurden daher viele Einrichtungen getroffen, um den Lulturzustand der Geistlichkeit überhaupt zu verbes­ sern. Eine Menge Mißbrauche wurden abgeschafft, allgemeine Unterrichtsanstalten errichtet und heilsame Toleranzgesetze erlassen. Dieß waren ungefähr die Einrichtungen, wodurch Kai» (et Joseph die Finsterniß aus seinen Landen verscheuchte und den Grund zu dem jetzigen Flor der österreichischen Staaten legte.

In diesen Reformen stand ihm sein Bru­

der, der Großherzog Leopold von Toscana, Seite.

treulich zur

Auch er beschränkte die in Kirchensachen eingerisse,

nett Mißbräuche und wies die Anmaßungen der Hierarchie aus das Kräftigste zurück.

Aber welches Geschrei wurde

auch darüber erhoben, und mit welchen Waffen trat der Klerus in die Schranken!

Aufrührerische Schriften wur­

den verbreitet, und die beiden Monarchen der Ketzerei be­ schuldigt.

Auf den Kanzeln und in den Beichtstühlen wur»

den Ungehorsam dargestellt.

und Aufruhr

als

eine Religionspflicht

Die Priester, welche die Neuerungen begünstig,

ten, wurden mit dem Tode bedroht.

Die Religion, hieß

27 eS, sey in der größten Gefahr, voraussetzend, daß das Volk noch dumm genug sey, die Priester und die Religion für einerlei zu halten.

Man suchte den Fanatismus auf alle

Weise anzuregen; besonders gelang dieß in den Niederlan­ den, wo die Jesuiten sich früher einen entschiedenen Einfluß zu verschaffen gewußt hatten.

In Lüttich

bildete sich ein

Complott von Er-Jesuiten, welche die niedrigsten Schmä­ hungen und Verläumdungen gegen den Kaiser, in Schriften und Worten, in Beichtstühlen und bei Hausbesuchen, unter das Volk brachten, und so, durch die verworfensten und aller öffentlichen Moral Hohn sprechenden Mittel, am Ende eine förmliche Empörung gegen die wohlgemeinten und heilsa­ men Absichten des menschenfreundlichen Monarchen anzettele ten.

Die Nichtswürdigkeit liegt am Tage; aber was soll

man von einem Volke halten, das sich durch nichtswürdige Mittel zu nichtswürdigen Handlungen verleiten läßt! — Am besten lernt man das Arsenal des päpstlichen Er» gotismus und der kanonischen Hieroglyphik aus den Strei­ tigkeiten mit dem Kaiser der Franzosen kennen und beurthei­ len.

Niemand ist empfindlicher als ein Schlaukopf, wenn

er die Bemerkung macht, daß er überlistet ist und seinen Meister gefunden hat. wesen zu seyn.

So etwas scheint hier der Fall ge­

Bei seiner Reise zur Kaiserkrönung hatte

sichs der heilige Vater in den Kopf gesetzt, daß die Her­ ausgabe der Legationen der Preis seiner hieratischen Selbstverläugnung seyn würde.

Ob dazu von der andern Seite

eine Veranlassung gegeben worden, ist nicht bekannt; es läßt sich aber wohl kaum denken,

daß hier Luftgriffe ge,

schehen sind. So lange die Hoffnung bestand, blieben die Verhält­ nisse die freundlichsten.

Der Papst nahm, wie alle, die ein

Geschenk erwarten, eine fromm-einfältige Miene an; „er

28 sey, sagte er, nicht um weltlicher Zwecke willen nach Frank­ reich gegangen, sondern er habe nur die Religion gesucht (d. h. die Legationen) und gefunden." (Darin bestand eben die Täuschung.) Als der heilige Stuhl sich bald darauf in dem Falle sah, gegen einige Dispositionen Napoleons über Kirchengü­ ter, an deren Besitz die Heiligkeit rin besonderes Wohlge­ fallen findet, Vorstellungen zu machen, hieß es: es sey kein Borwurf, sondern bloß der Ausdruck des tiefsten Schmerzes. Napoleon bezahlte mit gleicher Münze, und man suchte sich wechselseitig mit süßlichen Redensarten zu berauschen.

Der

Kaiser war bekanntlich kein Freund der neuern Philosophie, und da das heilige Collegium mit der ganzen Dataria schon bei diesem bloßen Worte einen Fieberschauer bekommt, so glaubte die Kirche auf diese, aus ganz andern Quellen her­ fließende Abneigung noch andere Hoffnungen gründen zu können. Am Ende aber mußte die Sache zum Ausbruch kom, men. Napoleon, welcher Ober- und Unter-Italien im Besitz hatte, verlangte bei dem bevorstehenden Kriege gegen Oester­ reich und Rußland (1805) mit Recht, daß der Papst zur gemeinschaftlichen Vertheidigung von Italien mitwirken sollte, und als dieß verweigert wurde, ließ er Ankona besetzen. Ohne die Schlacht von Austerlitz wäre wahrscheinlich schon damals der geistliche Zorn erwacht; indeß mag das stets sehr lebhafte Begehrungsvermögen dabei nicht weniger thätig gewesen seyn. Der Papst fand es dermalen gerathen,

zur gewonnenen

Schlacht Glück zu wünschen, und da das Eis einmal gebro­ chen werden mußte, der lang zurückgehaltenen Concupiscenz in Bezug auf die Legationen den Zügel schießen zu lassen. Nach dem, waS vorhergegangen war, läßt sich darin kein Zeichen diplomatischer Feinheit

erkennen;

darum erfolgte

29 darauf auch der etwas barsche Bescheid, daß der Papst wohl Souverän von Rom wäre, Napoleon aber sey als Nachfolger Karlö des Großen dessen Kaiser. Das war ein Donnerwort, worauf der Stellvertreter Petri nichts zu erwiedern wußte, als daß es keinen Kaiser von Nom gäbe, und er keinen solchen anerkenne. Karl der Große, fügte er —wieder etwas tactlos — hinzu, habe die Besitzungen des Stuhls erweitert, welches noch in Krage steht, und von demselben keine Unterwürfigkeit gefordert, welches ein unwürdiges Wortspiel ist; denn der Bischof von Rom war damals dem Kaiser unbedingt tm* terthan,

und es brauchte deshalb keine Unterwürfigkeit erst

von ihm gefordert zu werden. Kann man so etwas an» ders als kindisch nennen? Da nun aber auf diese Weise die Feindseligkeiten aus­ gebrochen waren, so begann die Kirche den kleinen Krieg mit ihren gewöhnlichen Waffen.

Schon als erster Cvnsul

hatte der Kaiser durch Wiederherstellung der zertrümmerten katholischen Kirche der Klerisei wichtige und große Dienste geleistet.

In dem deshalb

1801

abgeschlossenen Concordate

war es verabsäumt worden, über die Zeit der canonischen Bestätigung der Bischöfe zu stipuliren, vermuthlich weil man nicht darauf gerechnet hatte, daß die römische Curie, deren erste Pflicht die Aufrechthaltung der Religion und der öf­ fentlichen Moralität ist,

sich selbst kein Gewissen daraus

machen würde, wie es auch die neuste Zeit gelehrt hat, in ihrem Benehmen die Grundsätze derselben ganz zu verkennen. Aber gerade hier trat die Chikane, von Priesterstolze getragen, mit entblößter Stirn auf.

Die Bestätigung der ernannten

Bischöfe wurde verweigert, und aus welchen Gründen? Von so großen Mitteln, wurde angegeben, die dem Papst ehemals zu Gebote gestanden hätten, um widerspenstige

30 Regierungen und Völker zu züchtigen, sey ihm nichts übrig geblieben als das Recht der kanonischen Bestätigung. Durch deren Verweigerung bei wichtigen Veranlassungen gebe der heilige Stuhl seinen gereckten Unwillen zu erkennen und be­ diene sich derselben als eines heiligen Zw angsmittels, um ungehorsame Regierungen und Völker zu ihren Pflichten gegen die Kirche zurückzuführen. Da nun in der päpstlichen Synonymikdie Ausdrücke: ungehorsam, gottlos, derRirche nichts gebend, gleichlautend sind,

so ist der Sinn dieser

ganzen Hieroglyphe kein andrer als der: wollt ihr die canonische Bestätigung, so gebt die Legationen heraus!

Aber

welche Logik und welcher Ergotismus? Die Heiligkeit und Zwangsmittel sind heterogene Be­ griffe, die nicht auf eine Parallele gehören; und worin sollen die letztem denn bestehen?— Im Hintergründe schlummert immer noch die Idee des Jnterdicts. Den Völkern sollen die Bischöfe, d. h. so weit es angeht, der Gottesdienst ver­ weigert werden, damit sie sich gegen ihre Herrscher aufleh­ nen und von ihnen Abhilfe, d. h. Nachgiebigkeit gegen die Anmaßungen der römischen Curie verlangen. So wird das Heilige zu profanen Zwecken auf eine wahrhaft ärgerliche Weise gemißbraucht! Dabei blieben die Worte süß wie Ho­ nigseim, und während der heilige Vater von seiner väter­ lichen Zuneigung für den sprach,

erstgebornen Sohn der Kirche

that er ihm auf einer andern Seite

und Dampf an.

allen Tort

Man kann aus diesem Pröbchen prie-

sterlicher Regierungsmaximen

schließen,

welches Schicksal

Europa bevorstände, wenn es der Hierarchie gelänge, Für­ sten und Völker von Neuem einzuschüchtern. Napoleon mußte in seiner Politik darauf bestehen, eine gesicherte Verbindung mit Neapel zu haben; der Papst wollte neutral bleiben.

Drei Jahre wurde darum negociirt, ohne

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auch nur einen Schritt vorzurücken; man verschanzte sich hinter Gewissensscrupeln, hinter dem Evangelium und hinter andern geistlichen Bollwerken. Napoleon sahe am Ende ein, daß bloße Redensarten mit solchen Gegnern zu nichts füh­ ren könnten, und befahl kurzweg, die drei Provinzen An­ cona, Urbino und Macerata zu besetzen. Nun wurde auf einmal die römische Curie sehr nachgebend und zuvorkom­ mend. Die französischen Truppen zogen in Rom ein und wurden aufs beßte empfangen. Dem Trotze folgte, wie immer, die Kriecherei. Es zeigte sich, daß die ganze geist­ liche Artillerie nichts war als Dampf und Spiegelfechterei. Auf diesem Wege werden die heiligsten Dinge entwürdigt, und man begreift kaum, wie es noch Heiliges geben kann« Was dem Oberhaupte der Kirche ferner widerfuhr, und welch einen Einfluß die französische Revolution überhaupt auf die Kirchenverfassung gehabt hat, ist weltbekannt. Wir haben alles selbst erlebt und mit angesehen, was die welt­ liche Macht vermag. Wir wissen auch gar wohl, daß der zertrümmerte Stuhl Petri zum Theil mit von denen wieder hergestellt worden ist, die er als seine Gegner verfolgt, und es bleibt merkwürdig, charakteristisch vielleicht, daß die Kirche zum Danke für diese Wohlthat, jetzt Ungehorsam und Auf­ ruhr predigt. Die Hierarchie hält sich in ihrer Existenz für bedroht, weil ein Prälat für seinen Ungehorsam zur Verantwortung gezogen wird. Die gewöhnlichen geistlichen Waffen, Verleumdungen und Schmähungen, Aufreizen zur Empörung und andre niedrige Ränke, wie einst gegen Jo­ seph und Leopold, werden in Bewegung gesetzt; ja die Hie­ rarchie ist so tief gesunken, daß sie zu den unwürdigsten Mitteln ihre Zuflucht nimmt und mit der Revolution einen Bund schließt. Der heilige Vater nennt die Revolutions­ männer seine Brüder und ohne Zweifel wird nun Robes-

32 piene heilig gesprochen werden, und Fouquier Tainville eine Kapelle erhalten! Die Religion dient als Deckmantel für den Hochmuth der Priester.

Sie erklären den Krieg, ohne zu bedenken,

daß dabei ihre ganze Existenz auf dem Spiele steht.

WaS

hat die heilige Religion mit der Priesterherrschaft zu schaf­ fen?

Sie kann ohne dieselbe bestehn und hat ohne sie be­

standen.

Die Kirche ist nicht da, um zu besitzen und sich

mit Reichthümern und weltlichem Ansehn zu brüsten, son­ dern um das Wort Gottes zu verkündigen, die öffentliche Moralität zu befördern und die Leidenschaften der Menschen zu veredlen.

Die Kirchenreform ist vor dreihundert Jah­

ren auf halbem Wege stehen geblieben; vielleicht ist die Halsstarrigkeit eines Kapuziners bloß eine Mahnung an das Nationalgefühl der Deutschen, sich mit ihren Gedan­ ken und Glauben von der Sclaverei eines fremden Gebie­ ters zu befreien!