Der neue Gemeinschaftsrahmen für Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen: Inhalt, Bedeutung und Rechtsnatur [1 ed.] 9783428532667, 9783428132669

In ihrer Untersuchung analysiert Corinna Durinke ein wichtiges Instrument der Lissabon-Strategie. Dabei werden drei zent

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Der neue Gemeinschaftsrahmen für Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen: Inhalt, Bedeutung und Rechtsnatur [1 ed.]
 9783428532667, 9783428132669

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Schriften zum Europäischen Recht Band 151

Der neue Gemeinschaftsrahmen für Forschungs-, Entwicklungsund Innovationsbeihilfen Inhalt, Bedeutung und Rechtsnatur

Von Corinna Durinke

a Duncker & Humblot · Berlin

CORINNA DURINKE

Der neue Gemeinschaftsrahmen für Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 151

Der neue Gemeinschaftsrahmen für Forschungs-, Entwicklungsund Innovationsbeihilfen Inhalt, Bedeutung und Rechtsnatur

Von Corinna Durinke

a Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-13266-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Februar 2009 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Aktuelle Literatur konnte teilweise bis Oktober 2009 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt zuvorderst meinem Doktorvater, Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis, für die Betreuung der Arbeit und die Möglichkeit an seinem Lehrstuhl wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Durch die Gewährung großzügiger Freiräume und das unverbrüchliche Vertrauen in die Bearbeitung hat er maßgeblich zum Gelingen derselben beigetragen. Auch Herrn Prof. Dr. Gerd Seidel möchte ich für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens herzlich danken. Besonderer Dank gilt ferner Herrn Rechtsanwalt Dr. Burghard Hildebrandt, der die maßgebliche Anregung zur Themenwahl gegeben und mich in dem Promotionsvorhaben bestärkt hat. Bedanken möchte ich mich weiterhin bei meinen Freunden und Kollegen, die durch ihre Diskussionsbereitschaft und Unterstützung der Arbeit vorangeholfen haben. Vor allem Dr. Albert Ingold, Kathrin Kuhnert, Barbara Priske und Richard Hopkins gilt dieser Dank. Last but not least danke ich meiner Familie für ihre immer währende Ermunterung und Unterstützung bei Studium und Promotion. Vor allem mein Mann ist nie müde geworden, sich auch die abwegigsten Gedanken anzuhören. Ihm sei diese Arbeit gewidmet. Berlin, im Februar 2010

Corinna Durinke

Inhaltsübersicht Thematische Einführung und Gang der Darstellung

19

A. Trend zum Abbau von Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

B. Forschung benötigt Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Der neue F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

1. Kapitel Vergabe von Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen nach nationalem Recht

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A. Grundlagen der Wirtschafts- und Forschungsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Notwendigkeit gesetzlicher Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuständigkeit für die Wirtschafts- und Forschungsförderung . . . . . . . . . . . III. Verfassungsrechtliche Pflicht zur Wirtschafts- und Forschungsförderung?

26 27 29 37

B. Einfluss des Europarechts auf die nationale Forschungsförderung – Die Bedeutung des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

C. Umfang der Forschungsförderung in Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . . . . I. Umfang der deutschen Forschungsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umfang der europäischen Forschungsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Kapitel Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

51

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktion der Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Allgemeine Bedenken gegen die Praxis der Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . I. Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8

Inhaltsübersicht

C. Rechtsgrundlage für die Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage im EG-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlage im Bereich der Regelungen über staatliche Beihilfen . . D. Die I. II. III. IV. V.

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Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Rückschlüsse aus Urheber und Bezeichnung der Handlungsform . . . . . . . 70 Rechtsprechung der europäischen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Die Gemeinschaftsrahmen als Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abschließende Bewertung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen . . . 174

3. Kapitel Artikel 87 EG – Vom Beihilfenverbot und seinen Ausnahmen im Lichte des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation

176

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 I. Überblick über den Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Probleme bei der Anwendung von Art. 87 I EG auf Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 I. Allgemeine Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 II. Festlegungen des Gemeinschaftsrahmens für Forschungs-, Entwicklungsund Innovationsbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 D. Kommissionsentscheidungen auf Basis des neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entscheidungen zur Anpassung und Neumeldung von Beihilferegelungen II. Entscheidungen zu Einzelbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassende Bewertung der Entscheidungspraxis auf Basis des neuen Gemeinschaftsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

249 250 251 256

E. Bewertung des neuen Gemeinschaftsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Wesentliche Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Inhaltsverzeichnis Thematische Einführung und Gang der Darstellung

19

A. Trend zum Abbau von Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

B. Forschung benötigt Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

C. Der neue F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

D. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

1. Kapitel Vergabe von Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen nach nationalem Recht

26

A. Grundlagen der Wirtschafts- und Forschungsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Notwendigkeit gesetzlicher Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuständigkeit für die Wirtschafts- und Forschungsförderung . . . . . . . . . . . 1. Beihilfen auf gesetzlicher Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzesfreie Subventionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze der Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kompetenzverteilung bei der Forschungsförderung . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsrechtliche Pflicht zur Wirtschafts- und Forschungsförderung? 1. Allgemeine Festlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtliche Verbürgungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Forschungsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 27 29 31 32 33 34 36 37 38 39 39 42 43

B. Einfluss des Europarechts auf die nationale Forschungsförderung – Die Bedeutung des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

C. Umfang der Forschungsförderung in Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . . . . I. Umfang der deutschen Forschungsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umfang der europäischen Forschungsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergleich mit den anderen Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Direktsubventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktion der Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Allgemeine Bedenken gegen die Praxis der Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . I. Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches Verhältnis von Rat und Kommission . . . . . . . . . . . . . . a) Aufgaben des Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgaben der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis von Rat und Kommission im Beihilfenrecht . . . . . . . . . . . . . 3. Ratsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Rechtsgrundlage für die Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage im EG-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlage im Bereich der Regelungen über staatliche Beihilfen . .

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D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rückschlüsse aus Urheber und Bezeichnung der Handlungsform . . . . . . . II. Rechtsprechung der europäischen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Ausgangspunkt: Rechtssache Deufil – EuGH, Slg. 1987, 901 ff. b) Wirkung der Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirkung gegenüber der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Bedeutung des Zustimmungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung des EuG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückschlüsse aus den gewählten Verfahrensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Qualifizierung und rechtliche Grundlagen des Vertrages . . . . . . . . . aa) Rechtliche Möglichkeit zum Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gemeinschaftsrahmen als Verwaltungsvertrag nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lehre vom Interventionsminimum und Grundsätze des Art. 5 EG

70 70 71 71 71 72 73 74 75 76 77 79 80 81 81 83 84 85 88 89

Inhaltsverzeichnis aa) Das Interventionsminimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Grundsätze des Art. 5 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft . . . . . (b) Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf die Beihilfenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Benannter Rechtsakt nach Art. 249 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorauswahl möglicher Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gemeinschaftsrahmen als Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bewertung hinsichtlich neuer Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewertung hinsichtlich bestehender Beihilfenregelungen . . . . . (1) Das Zustimmungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Umsetzungserfordernis und Umsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gemeinschaftsrahmen als Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gemeinschaftsrahmen als Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bewertung hinsichtlich neuer Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewertung hinsichtlich bestehender Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . (1) Kategorienbildung bei staatengerichteten Entscheidungen nach dem Vorbild von Mager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Funktion der Entscheidung für das Verhältnis zwischen Gemeinschaftsorgan und Mitgliedstaat . . . . . . . . (aa) Parallele zum Verhältnis „Staat – Bürger“ . . . . . . (bb) Mitgliedstaat als Verwaltungshelfer des Gemeinschaftsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Mitgliedstaat als Weisungsunterworfener . . . . . . . (b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Bedeutung des Einzelfallkriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Erklärungsansatz von Rodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lehre von der Doppelnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Doppelnatur aufgrund unterschiedlicher Regelungen für neue und bestehende Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Änderung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen während des Erlassprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betrachtung des Gemeinschaftsrahmens als Ganzes . . . . . . . . .

11 89 90 91 91 92 93 94 94 95 96 96 97 98 98 99 103 103 105 106 107 108 108 109 110 111 113 114 115 115 121 121 121 122 122 122

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Inhaltsverzeichnis bb) Betrachtung bezogen nur auf die Regelung bezüglich bestehender Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterschiedliche Rechtsnatur aufgrund unterschiedlicher Wirkung gegenüber den Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Relativer Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleichbarkeit der Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vergleichbarkeit vor dem Hintergrund der Hybrid-These der europäischen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abschießende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Gemeinschaftsrahmen als Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wahl einer unbenannten Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung von Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Arten der Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzesauslegende oder norminterpretierende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . cc) Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . ee) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtscharakter und Wirkung der Verwaltungsvorschriften . . . . . . aa) Grundsatz der mittelbaren Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unmittelbare Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . (2) Norminterpretierende oder gesetzesauslegende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . (1) Verwaltungsvorschriften im Sozialhilfebereich . . . . . . . . . . (2) Überbehördliche Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abschließende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Verwaltungsvorschriften im Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtslage nach dem EG-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinschaftsrechtlicher Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mitgliedstaatlicher Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtslage nach dem Verfassungsvertrag und dem Vertrag von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtslage im europäischen Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vergleichbare Rechtsinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123 125 126 127 128 129 129 130 133 133 134 135 135 136 137 138 138 139 142 144 145 146 147 148 149 149 150 151 152 153 154 157 157 158 160

Inhaltsverzeichnis

V.

d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vergleichbare Elemente von Gemeinschaftsrahmen und Verwaltungsvorschriften, insbesondere die Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhaltliche und funktionale Parallelität von Gemeinschaftsrahmen und Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wirkungen gegenüber der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirkungen gegenüber den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hinsichtlich der Regelungen betreffend neue Beihilfen . . . (2) Hinsichtlich der Regelungen betreffend bestehende Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Mit Zustimmung der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ohne Zustimmung der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . cc) Wirkungen gegenüber den europäischen Gerichten . . . . . . . . . . dd) Wirkungen gegenüber den Beihilfeempfängern . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschließende Bewertung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen . . .

13 162

162 162 163 164 166 167 168 168 170 170 172 173 174

3. Kapitel Artikel 87 EG – Vom Beihilfenverbot und seinen Ausnahmen im Lichte des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation

176

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über den Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Beihilfenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuwendungskomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatlich oder aus staatlichen Mitteln gewährt . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Selektivität der Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. (Drohende) Wettbewerbsverfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Probleme bei der Anwendung von Art. 87 I EG auf Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Praktische Bedeutung und grundsätzliche Positionierung der Kommission im neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen zur Anwendung von Art. 87 I EG auf FuEuI-Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betrachtung der Tatbestandsmerkmale in Bezug auf die unterschiedlichen Forschungsstufen, Innovationsarten und Forschungssubjekte . . . a) Die unterschiedlichen Forschungs- und Entwicklungsstufen . . . . . .

177 178 178 179 181 183 184 186 188

189 190 192

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Inhaltsverzeichnis aa) Grundlagenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Aufrechterhaltung der Trennung der Grundlagenforschung in allgemeine und industrielle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Tragfähigkeit der alten Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . (b) Auslegung der neuen Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtliche Handhabung der Grundlagenforschung im Rahmen von Art. 87 I EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Bei Abstellen auf einen Produktmarkt . . . . . . . . . . . . . . (b) Bei Abstellen auf einen Forschungsmarkt . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Industrielle Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Experimentelle Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Innovationsarten und ihre rechtliche Bewertung vor Art. 87 I EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die unterschiedlichen Forschungs- und Innovationssubjekte . . . . . . aa) Einrichtungen der Forschung und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . (1) Forschungseinrichtungen als Beihilfenempfänger . . . . . . . . (a) Beihilfenrechtlich nicht relevante Förderung . . . . . . . . (b) Beihilferechtlich relevante Forschungsförderung . . . . . (2) Forschungseinrichtungen als Beihilfengeber . . . . . . . . . . . . (a) Auftragsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Forschungskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Innovationskerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Junge innovative Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze der Ermessensausübung und gerichtliche Kontrolldichte . . a) Behandlung der Ermessensausübung in der Rechtsprechung der europäischen Gerichte und in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusammenfassendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbstbindung der Kommission bei der Ermessensausübung . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Festlegungen des Gemeinschaftsrahmens für Forschungs-, Entwicklungsund Innovationsbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übergreifende Festlegung – Das neue Abwägungsmodell . . . . . . . . . . . 2. Festlegungen hinsichtlich Art. 87 III lit. b EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse . . .

217 218 220

193 194 195 196 197 198 200 201 202 204 205 207 208 209 210 210 211 212 213 214 214 216 216

222 224 226 228 229 229 232 233

Inhaltsverzeichnis aa) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erfasste Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässige Höchstförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Festlegungen hinsichtlich Art. 87 III lit. c EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gewisse Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete . . . . . . . . . bb) Eignung und Notwendigkeit der Beihilfe zur Förderung . . . . . cc) Abwägungsprogrammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umfang der Ermessensfreiräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zulässige Höchstförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Aufschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Regelungen bezüglich Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Kumulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Wertende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abschließende Gesamtabwägung der Kommission . . . . . . . . . . D. Kommissionsentscheidungen auf Basis des neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entscheidungen zur Anpassung und Neumeldung von Beihilferegelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entscheidungen zu Einzelbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung spanische Turbinenwerke – Beihilfe N 608/2006 . . . . . . 2. Entscheidung Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung – Beihilfe N 65/2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidung Errichtung des Fraunhofer Center of Silicon Photovoltaics – Beihilfe N 365/2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entscheidung FuE-Einzelbeihilfe für Rolls-Royce Deutschland – Beihilfe N 195/2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassende Bewertung der Entscheidungspraxis auf Basis des neuen Gemeinschaftsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 233 234 236 237 238 238 239 240 242 243 243 244 245 245 246 247 248 248 249 250 251 252 252 254 255 256

E. Bewertung des neuen Gemeinschaftsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Wesentliche Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Abkürzungsverzeichnis ABl. AEUV

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Vertrag von Lissabon) AöR Archiv des öffentlichen Rechts Art. Artikel BayVBl. Bayrische Verwaltungsblätter BDI Bundesverband der Deutschen Industrie BIP Bruttoinlandsprodukt BT-Drs. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bzw. beziehungsweise ca. cirka d.h. das heißt DÖV Die öffentliche Verwaltung DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt EFI Expertenkommission Forschung und Innovation EG/EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl EU/EUV Vertrag über die Europäische Union EuG Europäisches Gericht erster Instanz EuGH Europäischer Gerichtshof EuR Europarecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht f., ff. folgende F-&E-&I-/FuEuI- Forschungs-, Entwicklungs- und InnovationsFAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung GewArch Gewerbearchiv GG Grundgesetz GWK Gemeinsame Wissenschaftskonferenz Hrsg. Herausgeber i. S. im Sinne IStR Internationales Steuerrecht

Abkürzungsverzeichnis i.V. m. Jura JuS JZ Kap. KMU lit. Mio. Mrd. m.w. N. NdsVBl. NJW NVwZ NZS OVG RIW Rn. Rs. S. SächsVBl. Slg. sog. UA u. a. VA v. a. VerwArch VGH VO VVDStRL VVE VwGO VwVfG WissR WRV WuW ZaöRV z. B. ZBR ZEuS ZÖR ZRP

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in Verbindung mit Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel kleine und mittelständische Unternehmen Litera (Buchstabe) Millionen Milliarden mit weiteren Nachweisen Niedersächsische Verwaltungsblätter Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Oberverwaltungsgericht Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer Rechtssache Seite Sächsische Verwaltungsblätter Entscheidungssammlung der Europäischen Gerichte sogenannt Unterabsatz und andere Verwaltungsakt vor allem Verwaltungsarchiv Verwaltungsgerichtshof Verordnung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Vertrag über eine Verfassung für Europa Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wissenschaftsrecht Weimarer Reichsverfassung Wirtschaft und Wettbewerb Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für öffentliches Recht Zeitschrift für Rechtspolitik

Thematische Einführung und Gang der Darstellung A. Trend zum Abbau von Beihilfen Das Beihilfenrecht ist von einem grundsätzlichen Dualismus geprägt. Hier widerstreiten die mitgliedstaatlichen und europäischen Interessen. Die Mitgliedstaaten, von einem ihrer Staatlichkeit innewohnenden Gestaltungsanspruch ausgehend, sind nur in einem beschränkten Maße bereit, sich ihrer (fördernden) Gestaltungshoheit „berauben“ zu lassen.1 Die Kommission als Vertreterin der Europäischen Gemeinschaft und als Herrin des Beihilfenaufsichtsverfahrens ist ausschließlich den gemeinschaftsrechtlichen Interessen verpflichtet. Diese Verpflichtung bedeutet im Beihilfenrecht vor allem Abbau von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen zur möglichst effektiven Durchsetzung eines Gemeinsamen Marktes (sog. funktionelle oder negative Integrationsfunktion des Gemeinschaftsrechts).2 Es ist daher Sache der Kommission, dafür zu sorgen, dass die Wettbewerbsbedingungen ungeachtet der Ressourcenausstattung und der unterschiedlichen Traditionen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf staatliche Eingriffe in die Märkte überall gleich sind. Diese Zielvorgaben sind integraler Bestandteil des sog. Beihilfenverbots des Art. 87 I EG. Instrument der Durchsetzung dieser Zielvorgaben ist die Beihilfenkontrolle. Vor dem Hintergrund leerer öffentlicher Kassen verschwimmen die Konfliktlinien zusehends. Mittlerweile ist jenseits aller Gegensätzlichkeiten eine einheitliche Tendenz auszumachen. Sie weist auf einen immer weitergehenden Subventionsabbau hin.3 Dieser ist angesichts des damit einhergehenden Sparpotentials sehr verlockend und wurde in den letzten Jahren umfangreich betrieben. Angesichts eines aktuellen Gesamtvolumens der vom Bund finanzierten Subventionen von 21,5 Mrd. A, wird in Deutschland der Abbau von Fördermaßnahmen in der Politik als wichtiger Weg zur Haushaltssanierung gepriesen.4 Allein im Zeit1 Zum Interessenkonflikt: Mager, Europäische Verwaltung, S. 376. Zum Gestaltungsanspruch der Mitgliedstaaten: Vogt, Die Entscheidung, S. 55. 2 Vgl. zu den unterschiedlichen Integrationsmodellen im Rahmen der Beihilfenaufsicht: Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 142 ff. 3 Soltész, EuZW 2005, 385. 4 Vgl. 21. Subventionsbericht der Bundesregierung vom 15. August 2007, abgedruckt in Monatsbericht des Bundesministerium der Finanzen – September 2007, S. 33, 35; Leisner, EuZW 2006, 648; Frotscher/Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 524.

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Thematische Einführung und Gang der Darstellung

raum von 2005 bis 2008 ging das Subventionsvolumen des Bundes um 2 Mrd. A zurück. Abgebaut werden neben Finanzhilfen, wie zum Beispiel im Steinkohlebergbau, auch Steuervergünstigungen wie Pendlerpauschale und Eigenheimzulage.5 Auf EU-Ebene streitet vor allem die für den Wettbewerb zuständige Kommissarin Neelie Kroes für einen weitergehenden Abbau der Subventionen, um die Entzerrung des Gemeinsamen Marktes zu erreichen.6 Angesichts subventionierter Überproduktionen vor allem im Agrarbereich erscheint dieses Vorgehen nur allzu verständlich. Im Zuge der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich die Zielsetzung etwas verschoben. Die Kommission hat erkannt, dass sie zur Lösung des aktuellen Spannungsverhältnisses einen leichteren Zugang zu staatlichen Mitteln gewähren muss, ohne aber die bisherigen Erfolge komplett in Frage zu stellen. Daher hat sie am 22. Januar 2009 einen vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für Beihilfen im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise erlassen, der bis zum 31. Dezember 2010 gelten soll.7

B. Forschung benötigt Geld8 Dennoch gibt es Gebiete, die sich dem allgemeinen Trend gegenläufig entwickeln. Dem liegt folgender Gedankengang zugrunde: Staatliche Beihilfen können nicht nur einseitig als Markt- und Wettbewerbshemmnisse gesehen werden. Vielmehr erweisen sie sich mitunter als wirksame Instrumente, um Ziele von gemeinsamem Interesse zu erreichen. Sie können Unzulänglichkeiten des Marktes korrigieren – also ein Marktversagen beheben – und so die Funktionsweise der Märkte und die europäische Wettbewerbsfähigkeit verbessern.9 Damit

5 Vgl. 21. Subventionsbericht, S. 33 ff. Nach dem Urteil des BVerfG vom 09.12. 2008, Az. 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, ist die Streichung der Pendlerpauschale für die ersten 20 km des Arbeitsweges nicht mit der Verfassung vereinbar und daher nichtig. 6 Zum Verhältnis der Mitgliedstaaten zur Kommission aus Sicht von Neelie Kroes vergleiche das Interview von Sleegers/Balsen mit derselben in: Berliner Zeitung, Nr. 296 vom 17.12.2008, S. 10. 7 Abgedruckt in ABl. 2009 Nr. C 16, S. 1. 8 In Abwandlung der Aussage von Battis/Kersten, Institut auf Zeit, S. 21, „Wissenschaft benötigt Geld“. Ebenso Meusel, Außeruniversitäre Forschung, § 22, Rn. 336; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 28; Trute, Forschung, S. 412. 9 Aktionsplan Staatliche Beihilfen. Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen – Roadmap zur Reform des Beihilfenrechts 2005–2009, KOM(2005) 107 endgültig, Ziffer 10, S. 4. Positiv hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang vor allem auf die nationalstaatlichen Konjunkturpakete, die Bankenhilfen und die angedachten Konzernunterstützungen im Rahmen der Finanzkrise.

B. Forschung benötigt Geld

21

wohnt dem Beihilfenaufsichtsrecht auch eine positiv integrierende Funktion inne.10 Das Referenzgebiet für diese gegenläufige Entwicklung ist der Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation.11 Hier investieren verstärkt nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Gemeinschaften selbst, um die EU bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu entwickeln. Auf der Tagung des Europäischen Rates in Barcelona im März 2002 haben die Mitgliedstaaten die Vorgaben für die weitere Entwicklung der Forschungsausgaben verabschiedet. Die Gesamtausgaben für Forschung, Entwicklung und Innovation sollen in der Union demnach insgesamt angehoben werden und bis zum Jahr 2010 3% des BIP erreichen.12 Hintergrund dieser Entwicklung ist zum einen das wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Potenzial,13 das Forschung, Entwicklung und Innovation aufweisen und zum anderen die Verpflichtung der Gemeinschaft in Art. 163 EG auf das Ziel „die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der Industrie der Gemeinschaft zu stärken und die Entwicklung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu fördern sowie alle Forschungsmaßnahmen zu unterstützen, die (. . .) für erforderlich gehalten werden“.14 Hinzu kommt die Erkenntnis, dass Unternehmen nur dann mehr Geld in Forschung investieren, wenn die Ergebnisse konkreten wirtschaftlichen Nutzen versprechen.15 Dies ist vor allem im Bereich der Grundlagenforschung nur bedingt der Fall. Daneben besteht das Problem, dass Unternehmen Schwierigkeiten bei der Sicherung der Forschungsergebnisse in der Hinsicht haben, dass sie andere

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Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 148. Ebenso Leisner, EuZW 2006, 648, 651; Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 18. 12 Vgl. dazu: die Ausführungen im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 4; Bericht der Kommission, Anzeiger für staatliche Beihilfen, Herbstausgabe 2007, S. 29; Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 435; Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 123. 13 Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) Gutachten 2008, BT-Drs. 16/8600, S. 4; Heitzinger/Silber, IStR 2005, 118, 119, 122; Heidenhain – RepplingerHach, § 17, Rn. 123; Kiethe, EWS 2006, 426, 427; Goppel, Forschung fördern, S. 17; Nettesheim, DVBl. 2005, 1072. Battis/Kersten, Institut auf Zeit, S. 2 bezeichnen die Forschungsförderung als politisch und ökonomisch notwendig. Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 157, spricht gar von einer untrennbaren Einheit von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Ausführlich zu den Funktionen staatlicher Forschung und staatlicher Forschungsförderung: König, Grundlagen der staatlichen Forschungsförderung, S. 57 ff. Zur Bildung als Wirtschaftsfaktor: Seidel/Beck, Jura 1997, 393, 394. 14 Vgl. dazu auch Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 167 f. 15 Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 28. 11

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Thematische Einführung und Gang der Darstellung

von der Nutzung der gefundenen Ergebnisse ausschließen können. Der gewerbliche Rechtsschutz kann die Entstehung externer Effekte nur unzureichend verhindern, da er zeitlich und sachlich begrenzt ist.16 Forschungstätigkeit ist für Unternehmen insgesamt mit vielen verschiedenen Risiken behaftet: das technische Risiko, dass das geplante Ergebnis nicht erreicht wird, das Verwertungsrisiko, dass sich das Ergebnis als nicht verwertbar erweist, das Kostenrisiko, dass das Ergebnis höhere Kosten erfordert als vorgesehen und schließlich das zeitliche Risiko, dass das Ergebnis erst zu einem späteren Zeitpunkt erreicht wird als erwartet und damit der Vorsprung vor der Konkurrenz begrenzt wird.17 Mit anderen Worten: Aufgrund der vielen Unwägbarkeiten, die mit Forschungsvorhaben verbunden sind, entspricht die Investitionspolitik der Unternehmen grundsätzlich nicht der Bedeutung der Forschung für Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Forschung eine gewisse Marktferne aufweist18 und das forschende Unternehmen ein kleines oder mittelständisches (KMU) ist. In diesem Bereich ist Forschung aufgrund ihrer Kostenintensivität ohne staatliche Förderung fast undenkbar.19 Deshalb bewegt sich der unternehmerische Forschungstrend weg von der Grundlageforschung hin zur angewandten Forschung und zur experimentellen Entwicklung.20 Damit ändert sich aber auch generell die Motivation und der Antrieb der Wissenschaft: Weg von Neugier und selbstformuliertem Forschungsdrang hin zur unternehmensgesteuerten Wissensproduktion.21 Weiterhin hat die Kommission festgestellt, dass es in der EU ein großes ungenutztes Innovationspotenzial gibt.22 Ursache ist vor allem eine unzulängliche Finanzausstattung gerade junger innovativer Unternehmen, da diese oft nur auf Eigenkapital zurückgreifen können. Banken stellen jungen Unternehmen Fremdkapital aufgrund der oben beschriebenen Risiken im Bereich der Forschung,

16 König, Grundlagen der staatlichen Forschungsförderung, S. 48 f.; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 30; Dähne, Forschung zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsfreiheit, S. 203. Dieses Problem nennt auch die Kommission, Mitteilung der Kommission, Konsultationspapier zu staatlichen Innovationsbeihilfen, KOM(2005) 436 endgültig, S. 21 (Anhang: Innovationshemmnisse in Europa). 17 Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 29; König, Grundlagen der staatlichen Forschungsförderung, S. 53. Dass Forschungs- und Innovationspolitik zugleich Risikomanagement bedeutet, geht auch aus dem EFI Gutachten 2008, BT-Drs. 16/8600, S. 16 hervor. 18 Ebenso König, Grundlagen der staatlichen Forschungsförderung, S. 49. 19 Vgl. König, Grundlagen der staatlichen Forschungsförderung, S. 52. 20 Dähne, Forschung zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsfreiheit, S. 200 f.; Schulze-Fielitz, Staatliche Wissenschaftssteuerung, S. 147. 21 Nettesheim, DVBl. 2005, 1072, 1073. 22 Mitteilung der Kommission, Konsultationspapier zu staatlichen Innovationsbeihilfen, KOM(2005) 436 endgültig, S. 20 (Anhang: Innovationshemmnisse in Europa).

C. Der neue F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen

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Entwicklung und Innovation nur selten zur Verfügung.23 Dieser Umstand bremst eine optimale wirtschaftliche Entwicklung des europäischen Wirtschaftsraumes. Das vorhandene Innovationspotenzial nutzbar zu machen, ist Aufgabe der nächsten Jahre.

C. Der neue F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen Deshalb wurde der neue Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation (F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen) aufgelegt,24 der seinen Anwendungsbereich gegenüber den Vorläuferregelungen wesentlich erweitert hat und damit mehr Projekten die Möglichkeit auf eine staatliche Förderung eröffnet. Neben der Einführung der Kategorie „Innovation“25 hat der Gemeinschaftsrahmen vor allem an Detailgenauigkeit gewonnen. Ausführlicher sind v. a. die Beschreibungen der förderfähigen Projekte und deren Voraussetzungen geworden.26 Daneben wurde ein Abwägungsprogramm entwickelt, dass den Mitgliedstaaten und der Kommission ermöglicht, die Wirkungen einer Beihilfe besser zu bewerten. Der Gemeinschaftsrahmen ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Er soll neue Anreizeffekte für eine breitere Forschungs- und Innovationstätigkeit schaffen und dazu führen, dass die Europäische Gemeinschaft ihre Potenziale in diesem Bereich stärker nutzt, um so auch ein Gegengewicht zu den Forschungsmärkten in Asien und den USA27 zu setzen.28 Um den europäischen Forschungsmarkt weiter zu stärken, enthält der Gemeinschaftsrahmen auch Regelungen für die Förderung von universitären und außeruniversitären staatlichen Forschungseinrichtungen und möglichen Kooperationsvereinbarungen zwischen Unternehmen und staatlichen Forschungseinrichtungen. Vor dem Hintergrund dieses neuen Gemeinschaftsrahmens dürften die F-&E&I-Beihilfen zunehmend in das Blickfeld von Investoren rücken. Die im Gewande der „Forschungsförderung“ vergebenen staatlichen Zuwendungen könn-

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Vgl. EFI Gutachten 2008, BT-Drs. 16/8600, S. 5. Abgedruckt in ABl. 2006 Nr. C 323, S. 1. 25 Frenz/Kühl, EuZW 2007, 172; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3, Rn. 1015. 26 Der neue F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen ist fast viermal so lang wie sein Vorgänger. 27 Auf den Abstand Europas zu den USA in den Bereichen Wissenschaft und Forschung eingehend Heitzinger/Silber, IStR 2005, 118. Allgemein von „Hauptkonkurrenten“ spricht Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 123. 28 Vgl. auch die Zielbeschreibung im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 5; Mitteilung der Kommission, Konsultationspapier zu staatlichen Innovationsbeihilfen, KOM (2005) 436 endgültig, S. 21 (Anhang: Innovationshemmnisse in Europa). So auch schon Brenner, Innovationssteuerung im Europarecht, S. 385; Soltész, EuZW 2005, 385. 24

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Thematische Einführung und Gang der Darstellung

ten die auf anderen Gebieten weiter voranschreitende Entwicklung im Subventionsabbau kompensieren.29 Beispielhaft sei hier nur das Projekt im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung genannt, eine Strukturförderung in Ostdeutschland über eine Forschungsförderung an den Hochschulstandorten zu betreiben.30 Damit soll Forschung auch zu einem Standortfaktor in strukturschwachen Regionen gemacht werden, um ausländische Investoren aus zukunftsorientierten Branchen gezielt in diese Regionen zu ziehen.31 Denn Innovationsfähigkeit ist die wesentliche Voraussetzung für eine sich selbst tragende wirtschaftliche Entwicklung für Wachstum und Beschäftigung.

D. Gang der Darstellung „Forschungsförderung“ erfolgt in einer rechtlichen Gemengelage. Zum einen werden Beihilfen direkt von der EU in Form von Gemeinschaftsmitteln gewährt. Hauptinstrument der gemeinschaftlichen Forschungspolitik sind dabei die erstellten Rahmenprogramme.32 Zum Großteil erfolgt die Förderung aber auf nationaler Ebene, ohne dass nationale Forschungsförderungsgesetze existierten.33 Grundlage der Beurteilung nationaler F-&E-&I-Beihilfen ist vielmehr der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, der durch Verwaltungsvorschriften der Nationalstaaten und deren Untergliederungen konkretisiert wird.34 In der vorliegenden Arbeit soll im Schwerpunkt die Vergabe nationaler Beihilfen auf Grundlage des neuen Gemeinschaftsrahmens beleuchtet werden. Dafür soll zunächst ein Blick auf die Vergabe von Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen nach nationalem Recht geworfen werden (1. Kapitel). In diese Ausführungen sind sowohl die Bedeutung des neuen Gemeinschaftsrahmens für die nationale Beihilfenvergabe als auch der Umfang der Forschungsförderung einzubeziehen. Anschließend wird die Rechtsfigur der Gemeinschaftsrahmen beleuchtet (2. Kapitel). Damit soll zugleich ein Beitrag zur Handlungsformenlehre geleistet werden. Dabei wird auch auf allgemeine Probleme wie die Kompetenz zum Erlass der Gemeinschaftsrahmen und die Not29 Ebenso: Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 18; Kiethe, EWS 2007, 1; Kiethe, EWS 2006, 246, 247. 30 Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 28. 31 Battis/Kersten, Standortmarketing im Bundesstaat, S. 13. Siehe zu den kompetenzrechtlichen Problemen des Standortmarketings Kersten, VerwArch 99 (2008), 30, 32 ff. 32 Callies/Ruffert – Kallmayer, Art. 163 EG, Rn. 1. Aktuell gilt das 7. Forschungsrahmenprogramm, das am 01.01.2007 in Kraft trat. Siehe zu diesem ausführlich: Kiethe, EWS 2007, 1 ff. 33 Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 302; Groß/Arnold, Regelungsstrukturen der außeruniversitären Forschung, S. 151. 34 Siehe dazu: Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 18.

D. Gang der Darstellung

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wendigkeit einer Rechtsgrundlage einzugehen sein. Im Nachgang dazu wird eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem neuen Gemeinschaftsrahmen vor dem Hintergrund der Beihilfenregelungen des EG-Vertrages erfolgen (3. Kapitel). Einzubeziehen sind in diese Betrachtungen stets auch die alten Gemeinschaftsrahmen aus den Jahren 1986 und 1996. Aus den Änderungen und Anpassungen können zum Teil Schlussfolgerungen auf den konkreten Inhalt des neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens gezogen werden. Abschließend soll der neue Gemeinschaftsrahmen auch auf Basis einer Analyse aktueller Kommissionsentscheidungen bewertet werden.

1. Kapitel

Vergabe von Forschungs-, Entwicklungsund Innovationsbeihilfen nach nationalem Recht A. Grundlagen der Wirtschafts- und Forschungsförderung Wie bereits angesprochen, erfolgt die nationale Subventions- oder Beihilfenvergabe abseits eines einheitlichen Subventionsgesetzes oder eines gesetzlich vorgezeichneten einheitlichen Rahmens.1 Rechtsgrundlagen für die Vergabe von Beihilfen finden sich vielmehr in zahllosen Sondergesetzen, die sich ausschließlich oder unter anderem mit der Förderung der Wirtschaft beschäftigen.2 Da Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationstätigkeit treibende wirtschaftliche Faktoren sind, ist auch die Forschungsförderung als Teil der Wirtschaftsförderung im weitesten Sinne zu begreifen. Dies gilt vor allem für die Förderung der Forschung an Universitäten und anderen (außeruniversitären) Forschungsinstituten. Der Großteil der Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationstätigkeit wird hingegen von Unternehmen geleistet. In diesem Bereich ist Forschungsförderung gleichzusetzen mit einer Förderung eines Wirtschaftsunternehmens und damit Wirtschaftsförderung im originären Sinne. Die Grundsätze und Problemstellungen der allgemeinen Wirtschaftsförderung sind daher in diesem Bereich auf die Forschungsförderung übertragbar. Der Befund zu den gesetzlichen Verankerungen der Förderungstätigkeit des Staates im Bereich der Forschung, Entwicklung und Innovation stellt sich nicht anders dar als im Bereich der allgemeinen Wirtschaftsförderung. Auch hier findet sich ein großes Sortiment an bundes- wie landesrechtlichen Regelungen: zum Teil im Range eines Gesetzes, zum weit überwiegenden Teil als Durchführungs- und Ausführungsbestimmungen in Gestalt von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften.3 Zum Teil fehlen gesetzliche Regelungen oder Regelungen unterhalb der Gesetzesebene ganz. Daher ist auch die Exekutive in die-

1 Stober, Rückzug des Staates, S. 35 spricht daher vom Subventionsrecht als traditionellem Gebiet der fachgesetzlichen Unternormierung. 2 Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 303; Gramlich, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 212. 3 Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 303; Gramlich, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 212.

A. Grundlagen der Wirtschafts- und Forschungsförderung

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sen Handlungsraum eingedrungen und stützt ihre Förderungsentscheidungen auf Haushaltsansätze, Rahmenpläne oder Verwaltungsrichtlinien.

I. Notwendigkeit gesetzlicher Grundlagen Angesichts dieser rechtlichen Lage stellt sich die Frage, ob Wirtschaftsförderung im Allgemeinen und Forschungsförderung im Speziellen einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage ist im Ergebnis die Frage nach einer gesetzlichen Steuerung der betroffenen Materie.4 Ausgangspunkt soll auch hier der Diskussionsstand im Bereich der Wirtschaftsförderung sein. Bei der Frage nach einer gesetzlichen Grundlage besteht überwiegend Einigkeit dahingehend, dass der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes im Bereich der Eingriffsverwaltung immer, im Bereich der Leistungsverwaltung nur eingeschränkt zur Anwendung kommt.5 Die Wirtschafts- und Forschungsförderung erweitert die Handlungsspielräume und Rechte der Begünstigten durch die Gewährung von Leistungen oder Belastungsverschonungen und ist daher der Leistungsverwaltung zuzuordnen. Im Vordergrund des staatlichen Handelns steht hier die Setzung verschiedenartiger Anreize, um eine bestimmte Entwicklung seitens des geförderten Unternehmens zu erzielen.6 Einer gesetzlichen Regelung bedarf es daher für die Beihilfenvergabe nicht. Vielmehr genügen ein entsprechender Ansatz im Haushaltsplan und die oben genannten exekutivischen Handlungsinstrumente, um die Förderungsentscheidung zu legitimieren.7 Eine gesetzliche Grundlage wird im Bereich der Leistungsverwaltung dann verlangt, wenn durch die Subventionierung wesentlich in die Grundrechte Dritter eingegriffen wird,8 ein möglicher Konkurrent also zur Aufgabe seiner Tätigkeit gleichsam gezwungen wird.9 Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Rege4

Trute, Forschung, S. 235. BVerwGE 6, 282, 287; BVerwGE 58, 45, 48; BVerwGE 75, 109, 117; Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn. 223; Schmidt/Vollmöller, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 7, Rn. 55; Frotscher/Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 561; Detterbeck, Jura 2002, 235, 238 f.; Kühling/ el-Barudi, Jura 2006, 672, 673; Voßkuhle, JuS 2007, 118 f.; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 276. 6 Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 226; Jarass, NVwZ 1984, 473, 477. 7 BVerwGE 6, 282, 287; BVerwG, DVBl. 1963, 859; Jarass, NVwZ 1984, 473, 474. Zur Unumgänglichkeit des haushaltsrechtlichen Ansatzes siehe Jarass, NVwZ 1984, 473, 4478 ff. 8 Siehe zur Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 40, 237, 249; BVerfGE 47, 46, 78 ff.; BVerfGE 49, 89, 126. Siehe zur Wesentlichkeit von Subventionen für die Grundrechtsausübung Dritter: BVerwGE 90, 112, 126; OVG Weimar, GewArch 2002, 325, 326; Detterbeck, Jura 2002, 235, 239. 9 Jarass, NVwZ 1984, 473, 477. 5

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1. Kap.: Vergabe von F-&E-&I-Beihilfen nach nationalem Recht

lung ist im Bereich von Art. 5 I 2 GG für die Pressesubventionen anerkannt. Ob dies auch auf den Bereich der Wissenschafts- und Forschungsförderung auszudehnen ist, ist gerichtlich noch nicht entschieden.10 Teilweise wird dies in der Literatur wegen des in diesem Bereich zentralen Prinzips der staatlichen Neutralität und Toleranz verlangt.11 Aus diesem Prinzip folge, dass die Träger des Grundrechts der Forschungsfreiheit ein Recht auf die Abwehr staatlichen Einwirkens auf den Prozess der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse haben.12 Da aber die Entscheidung über Geldmittel zugleich auch immer eine Entscheidung über Sachfragen in dem Sinne sei,13 dass bestimmt wird, in welchem Bereich geforscht und damit Wissen geschöpft wird, ist eine Subventionierung ohne hinreichende gesetzliche Grundlage nicht möglich. Unter dieser Prämisse wäre aber jede Subventionierung problematisch, da diese ein Element der Verhaltenssteuerung ist. Von dem Empfänger der Beihilfe wird schließlich ein bestimmtes Verhalten, nämlich die Einhaltung der Subventionsvoraussetzungen verlangt. Wendete man den Grundsatz der Neutralität und Toleranz strikt an, würde jede staatliche Förderungstätigkeit ohne gesetzliche Grundlage ausgeschlossen. Ein flexibles Agieren der Verwaltung wäre damit nicht mehr möglich. Problematisch kann daher allenfalls sein, inwieweit die Subventionsvoraussetzungen der geförderten Forschungstätigkeit Vorgaben machen dürfen. Originär inhaltliche Vorgaben, also solche, die z. B. bestimmen, mit welchem konkreten Ergebnis zu forschen ist, sind unzulässig.14 Zulässig sind hingegen allgemeine Vorgaben, die einen zeitlichen und finanziellen oder auch personellen Rahmen abstecken ebenso wie solche, die das grobe Thema der Forschungstätigkeit bestimmen und gewisse wissenschaftliche Standards zur Grundlage der Förderung machen.15 Allein der verhaltenssteuernde Aspekt der Subventionierung macht diese nicht von dem Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage abhängig.16 10 Gegen eine Verallgemeinerung der Rechtsprechung zu den Pressesubventionen siehe Jarass, NVwZ 1984, 473, 475. Für eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die Kunstfreiheit Gersdorf, JuS 1994, 955, 961. 11 So Schmidt/Vollmöller, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 7, Rn. 55. 12 BVerfGE 35, 79, 112 f.; BVerfGE 47, 327, 367 f.; BVerfGE 90, 1, 11 f.; Hömig – Antoni, Art. 5 GG, Rn. 33. 13 Trute, Forschung, S. 427; Groß, Autonomie der Wissenschaft, S. 43; Groß/ Arnold, Regelungsstrukturen der außeruniversitären Forschung, S. 151. Dähne, Forschung zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsfreiheit, S. 199 formuliert ungleich drastischer: „Wer zahlt, schafft an“. 14 Erichsen/Scherzberg, NVwZ 1990, 8, 10, 16; Dähne, Forschung zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsfreiheit, S. 437. 15 Groß, Autonomie der Wissenschaft, S. 43; Groß/Arnold, Regelungsstrukturen der außeruniversitären Forschung, S. 164. In diese Richtung auch Zacher, Forschungsfreiheit und Forschungsförderung, S. 203. Siehe zur Parallele in der Kunstförderung BVerfGE 36, 321, 332. 16 Trute, Forschung, S. 427.

A. Grundlagen der Wirtschafts- und Forschungsförderung

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Auch eine gewisse Wettbewerbsverschiebung ist jeder Subventionierung immanent, so dass ein Konkurrent in der Regel mittelbar betroffen ist. Betont man diesen Umstand über das notwendige Maß hinaus, droht Forschungsförderung im Ergebnis unmöglich gemacht zu werden. Einer entsprechenden Meinung ist aber vor allem entgegen zu halten, dass Art. 5 III 1 GG auch eine objektivrechtliche Dimension hat, die den Staat zu einer entsprechenden finanziellen Ausstattung von Forschung verpflichtet. Eine Förderung muss daher möglich sein und sich zudem an den vorhandenen Forschungsstrukturen orientieren, also flexibel ausgestaltet werden können.17 Eine Wettbewerbsverschiebung durch Subventionierung ist daher grundsätzlich hinzunehmen. Andere folgern aus der Grundrechtssensibilität der Wissenschaftsförderung eine Begrenzung und Strukturierung der staatlichen Subventionstätigkeit.18 Damit wird die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage auf das Wesentliche beschränkt und belässt der Exekutive einen Raum, um situationsgerecht entscheiden zu können. Die Flexibilität bleibt damit gewahrt und kann der Schnelllebigkeit der Forschung adäquat Rechnung tragen. Verständlich ist die Forderung nach einem Gesetzesvorbehalt vor allem bei der Forschungsförderung in Bereichen, die gesellschaftlich und politisch hoch umstritten sind, wie z. B. der Forschung an embryonalen Stammzellen oder der Klonforschung.19 Hier muss der Staat begrenzend und steuernd tätig werden. Der Unterschied zwischen den beiden Positionen ist graduell aber entscheidend. Auch aus kompetenzrechtlichen Gründen ist daher eine Strukturierung der Wissenschafts- und Forschungsförderung zu verlangen.20

II. Zuständigkeit für die Wirtschaftsund Forschungsförderung Von der Frage nach der grundsätzlichen Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage ist die Frage zu unterscheiden, ob Länder und Gemeinden bei der Wirtschafts- und Forschungsförderung durch bestehende bundesgesetzliche Re-

17 Battis/Kersten, Institut auf Zeit, S. 17 f. Siehe dazu ausführlicher sogleich unten 1. Kap. A.III.2. 18 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 367, 555; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 280. Classen, ebd., S. 125 f., 244 ff. zeigt die unterschiedlichen zu berücksichtigenden Maßstäbe und die Auswirkungen von Forschungsförderung auf die Wissenschaft und damit die Notwendigkeit einer gewissen Vorstrukturierung auf. 19 So darf wohl auch Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 279 verstanden werden, wenn er eine hinreichende Publizität der Forschungsförderung fordert. Siehe zu den rechtlichen Problemen im Bereich der embryonalen Stammzellenforschung allgemein Kersten, Klonen von Menschen, S. 30 ff. Allgemein zur Stammzellendebatte SchulzeFielitz, Staatliche Wissenschaftssteuerung, S. 157 f. 20 Siehe dazu sogleich.

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1. Kap.: Vergabe von F-&E-&I-Beihilfen nach nationalem Recht

gelungen begrenzt werden. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst auf staatsrechtliche Grundsätze einzugehen. Deutschland ist als Bundesstaat durch eine „föderale Mehrebenenordnung“ geprägt.21 Die Bundesrepublik Deutschland besteht nach den grundgesetzlichen Festlegungen aus zwei staatlichen Ebenen. Neben dem Gesamtstaat besitzen auch die Gliedstaaten Eigenstaatlichkeit (Bundesstaatsprinzip des Art. 20 I GG). Die einzelnen Bundesländer sind daher staatliche Stellen, die als potenzielle Beihilfengeber in Betracht kommen. Die Gemeinden und Gemeindeverbände stellen keine eigenstaatliche Ebene dar sondern sind Bestandteil der Länder. Sie finden in Art. 28 II GG lediglich mittelbare Anerkennung durch die Gewährleistung eines Selbstverwaltungsrechts.22 Dennoch sind auch sie als potenzielle Beihilfengeber zu betrachten, da die Wirtschaftsförderung in das Spektrum der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben fällt.23 Die kommunale Wirtschaftsförderung ist ihren Zwecken und Zielen nach auf die örtliche Gemeinde und deren Interessen und Bedürfnisse beschränkt.24 Sie kann daher nur die unternehmerische Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationstätigkeit erfassen, die als Teil der originären Wirtschaftsförderung identifiziert wurde. Aufgrund der örtlichen Begrenzung ist die kommunale Wirtschaftsförderung den Maßnahmen auf Bundes- oder Landesebene im Bereich der Wirtschaftsförderung untergeordnet.25 Zum Teil wird sogar verlangt, dass die Kommunen ihre Förderungstätigkeit auf die wirtschaftspolitischen Maßnahmen des Bundes und der Länder auszurichten hätten.26 Andere halten eine kommunale Förderung erst dann für unzulässig, wenn sie die Politik des Bundes und der Länder konterkariere oder nachhaltig beeinträchtige, ohne durch zwingende Gründe ge21

Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 315. Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 315. 23 Erstmals entschieden durch das VG Münster, DÖV 1963, 622, 623 f. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung BVerwGE 84, 236, 239 zum Bereich der kommunalen Wirtschafsförderung auch „die Ansiedlung und Erweiterung gewerblicher Betriebe zur Verbesserung der örtlichen Wirtschaftsstruktur und zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitplätzen“ gezählt. Vgl. aus der Literatur: Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 63 f., 225; Stober, JZ 1984, 105, 112 f.; Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn. 222; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 402; Bleckmann, Subventionsrecht, S. 68 f.; Ehlers, Kommunale Wirtschaftsförderung, S. 114 f.; Oldiges, Kommunale Leistungssubventionen, S. 227. 24 BVerfGE 79, 127, 151 f.; BVerfGE 110, 370, 400; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfauf – Henneke, Art. 28 GG, Rn. 70. Siehe zur örtlichen Begrenzung jeder kommunalen Wirtschaftstätigkeit: Oebbecke, Örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit, S. 193 f. 25 Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn. 222. So im Ergebnis auch Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 407. 26 Bleckmann, Subventionsrecht, S. 69. 22

A. Grundlagen der Wirtschafts- und Forschungsförderung

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rechtfertigt zu sein.27 Andernfalls werde das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht weitgehend ausgehöhlt.28 Die kommunalen Förderungsmaßnahmen sollen aufgrund ihrer untergeordneten Position hier keine weitere Rolle spielen. Im Weiteren soll daher ausschließlich das Verhältnis des Bundes und der Länder bei der Subventionsvergabe betrachtet werden. Aus Art. 30 GG folgt eine strikte Trennung der Kompetenzen des Bundes und der Länder. Eine Aufgabe kann grundsätzlich nicht gleichrangig von beiden staatlichen Ebenen wahrgenommen werden.29 Aufgrund des Umstandes, dass Subventionen auch ohne eigenständige gesetzliche Grundlage (gesetzesfreie Subventionierung) vergeben werden können, ist eine eindeutige Zuordnung der Materie „Subventions- oder Beihilfenvergabe“ an eine der staatlichen Ebenen nicht möglich. Zur Bestimmung der jeweiligen Förderungskompetenzen ist zwischen der Beihilfenvergabe auf gesetzlicher Basis (1.) und der gesetzesfreien Subventionierung zu unterscheiden (2.). 1. Beihilfen auf gesetzlicher Basis Wird die Wirtschaftsförderung an eine Fachmaterie angekoppelt, also im Zusammenhang mit einem Fachgesetz geregelt, dann folgt die Zuständigkeit für die Subventionsvergabe der Kompetenz zur Regelung der Fachmaterie und ist somit relativ klar und unproblematisch.30 Problematisch erscheint hingegen die Möglichkeit des Bundes, ein einheitliches Forschungsförderungsgesetz zu erlassen. Nach Art. 74 I Nr. 13 GG besteht eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit im Bereich der Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Die Länder können hier solange und soweit tätig werden, wie der Bund von seiner Regelungsbefugnis keinen Gebrauch gemacht hat. Da aber der Bund nach Art. 72 II GG für diese Gesetzgebungsmaterie die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung nachweisen muss (sog. Bedarfskompetenz) und an diesen Nachweis entsprechend der restriktiven Rechtsprechung des BVerfG hohe Anforderungen zu stellen sind,31 haben im Ergebnis die Länder die Gesetzgebungskompetenz. Dieser Befund wird auch durch die Regelung des Art. 91b I Nr. 1, 2 GG bestätigt. Sie eröffnet eine Möglich27

Ehlers, Kommunale Wirtschaftsförderung, S. 129; Stober, JZ 1984, 113. Ehlers, Kommunale Wirtschaftsförderung, S. 128. 29 Verbot der „Doppelzuständigkeit“. Siehe: BVerfGE 36, 193, 202 f.; BVerfGE 67, 299, 321; BVerfGE 104, 249, 266 f.; BVerfGE 106, 62, 114; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 30 GG, Rn. 7; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 316. Siehe zu den historisch bedingten Ausnahmen in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung beispielhaft: BVerfGE 61, 149, 204 f.; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 316. 30 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 326. 31 Siehe zu den Anforderungen an die Erforderlichkeitsklausel BVerfGE 106, 62, 141 ff.; BVerfGE 111, 226, 252 ff. 28

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1. Kap.: Vergabe von F-&E-&I-Beihilfen nach nationalem Recht

keit des gemeinsamen Tätigwerdens von Bund und Ländern auf Basis einer Vereinbarung. Eine selbstständige Subventionskompetenz des Bundes wird dadurch nicht bewirkt. Vielmehr erhält der Bund ein Mitwirkungs- bzw. Mitfinanzierungsrecht.32 Für die Förderung unternehmerischer Forschungstätigkeit finden sich im Grundgesetz keine speziellen Regelungen. Für sie gelten daher die Grundsätze der allgemeinen Wirtschaftsförderung. Eine kompetenzrechtliche Grundlage findet die allgemeine Wirtschaftsförderung in Art. 74 I Nr. 11 GG, da das Recht der Wirtschaft auch allgemeine Wirtschaftslenkungsmaßnahmen umfasst.33 Wirtschaftslenkung ist dabei die gezielte Einwirkung auf die unternehmerischen Entscheidungen, um bestimmte öffentliche Aufgaben zu fördern.34 Allerdings muss der Bund auch für „das Recht der Wirtschaft“ nach Art. 72 II GG die Erforderlichkeit seiner Regelung nachweisen. Festzuhalten bleibt daher, dass es zwar Ansatzpunkte für eine gesetzesbasierte Subventionierung im Grundgesetz gibt, der Schwerpunkt dieser Gesetzgebungsmöglichkeiten der Grundregelung in Art. 30, 70 GG folgend bei den Ländern liegt. Überwiegend werden Beihilfen aber gerade nicht auf gesetzlicher Basis vergeben. 2. Gesetzesfreie Subventionierung Unter gesetzesfreier Subventionierung soll hier die Vergabe von Beihilfen lediglich auf Basis eines Haushaltsansatzes und ergänzender exekutiver Akte verstanden werden. In diesem Bereich der Beihilfenvergabe stellen sich ganz eigenständige kompetenzrechtliche Probleme. Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes trifft dazu keine abschließende Aussage. Zurückgreifen lässt sich allenfalls auf die Regelvermutung der Art. 30, 70, 83 GG. Sie besagt, dass, soweit das Grundgesetz nichts anderes vorschreibt, die Länder für die Gesetzgebung und die Verwaltung zuständig sind, mithin die Länder die staatlichen Pflichten tragen. Zunächst sollen daher die Grundsätze zur Kompetenzverteilung bei der gesetzesfreien Subventionierung dargestellt werden [a)]. Anschließend erfolgt eine Übertragung der Grundsätze auf die Forschungsförderung und deren Besonderheiten [b)].

32 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 328; Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 57; Dreier – Heun, III, Art. 91b GG, Rn. 12. 33 BVerfGE 4, 7, 13; BVerfGE 68, 319, 330; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 328; Hömig – Schnappauf, Art. 74 GG, Rn. 10. 34 Bultmann, Öffentliches Recht, S. 151.

A. Grundlagen der Wirtschafts- und Forschungsförderung

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a) Grundsätze der Kompetenzverteilung Übereinstimmend wird davon ausgegangen, dass die Kompetenz zur gesetzesfreien Subventionierung der Verwaltungskompetenz folgt,35 da mit dieser nach Art. 104a GG auch die Finanzierungslast für die jeweilige Aufgabe verbunden ist (sog. Konnexitätsprinzip).36 Wenn Verwaltung und Finanzierung einer Aufgabe zusammengehören, dann ist die Berechtigung zur Subventionierung als jeder Staatlichkeit immanent zu betrachten. Der Bund, die Länder und die Kommunen sind somit berechtigt, in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich Beihilfen aus ihren Haushaltsmitteln zu vergeben.37 Eine beliebige Subventionierung wird durch die Bindung an den Haushalt ausgeschlossen.38 Um die Finanzierungszuständigkeiten und damit die Subventionsberechtigungen klar voneinander trennen zu können, ist es notwendig, eine Abgrenzung der Verwaltungskompetenzen vorzunehmen. Regelungen zu den Verwaltungskompetenzen des Bundes finden sich in Art. 87 ff. GG. Diese Regelungen sind jedoch nicht abschließend. Zuständigkeiten lassen sich auch über ungeschriebene Bundeskompetenzen begründen. Bei der Begründung ungeschriebener Verwaltungskompetenzen ist, wie bei der Begründung ungeschriebener Gesetzgebungskompetenzen auch, äußerste Zurückhaltung geboten.39 Allein eine gesteigerte Zweckmäßigkeit oder Effizienz bei der Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe durch den Bund kann für die Begründung einer Bundeskompetenz nicht ausreichen, da sonst das grundsätzliche Bekenntnis des Grundgesetzes in Art. 30 GG zur Zuständigkeit der Länder bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben umgangen würde.40 Eine ungeschriebene Kompetenz kann nur dann genommen werden, wenn sich aus der Gesamtsicht der Verfassung ergibt, dass die Konsequenzen einer fehlenden Bundeskompetenz nicht gewollt sein können.41 Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine sachgerechte Wahrnehmung einer Aufgabe aufgrund ihres eindeutig überregionalen Charakters nur durch den Bund möglich ist.42

35 BVerfGE 22, 180, 216; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 334; Hömig – Hömig, Art. 30 GG, Rn. 4; Sachs – Siekmann, Art. 104a GG, Rn. 4; Dreier – Heun, III, Art. 104a GG, Rn. 12; Krüdewagen, GewArch 1999, 235, 237; Bleckmann, Subventionsrecht, S. 60. 36 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 335; Hömig – Ruhe, Art. 104a GG, Rn. 2; Sachs – Siekmann, Art. 104a GG, Rn. 2; Dreier – Heun, III, Art. 104a GG, Rn. 12. 37 Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn. 221. 38 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 336. 39 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 341. 40 BVerfGE 22, 180, 217. 41 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 341. 42 BVerfGE 22, 180, 217; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 343.

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1. Kap.: Vergabe von F-&E-&I-Beihilfen nach nationalem Recht

b) Kompetenzverteilung bei der Forschungsförderung Betrachtet man die Verwaltungskompetenzen vor dem Hintergrund der Regelungen in Art. 30, 83 ff. GG, so zeigt sich, dass die Forschungsförderung weitgehend Ländersache ist. Der Bund ist nur dann zu einer Forschungs- und Wirtschaftsförderung berechtigt, wenn ihm durch das Grundgesetz entsprechende Verwaltungskompetenzen ausdrücklich zugewiesen werden oder ungeschriebene Verwaltungskompetenzen im Wege der Verfassungsinterpretation angenommen werden können. Außerhalb des Bereichs der Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91b GG lassen sich keine geschriebenen Bundeskompetenzen zur Forschungsförderung finden. In Betracht kommen daher v. a. ungeschriebene Verwaltungskompetenzen des Bundes, die entsprechend der obigen Ausführungen nur sehr beschränkt angenommen werden können. Äußerste Grenze der Annahme ungeschriebener Verwaltungskompetenzen ist dabei die bestehende Kompetenzordnung im gesetzgeberischen Bereich, denn die Verwaltungskompetenz des Bundes kann nicht weiter gehen als seine Gesetzgebungskompetenz.43 Um eine hinreichende Klärung der Finanzierungskompetenzen in ungeschriebenen Bereichen zu erzielen, wurde 1971 das sog. Flurbereinigungsabkommen zwischen dem Bund und den Ländern entworfen.44 Durch das Abkommen sollte keine Veränderung der Kompetenzordnung vorgenommen werden, sondern nur eine Festschreibung der gemeinsamen Rechtsauffassung des Bundes und der Länder im Bereich der Finanzierungskompetenzen erfolgen.45 Obwohl diese Verwaltungsvereinbarung von den Ländern schließlich nicht unterzeichnet wurde, ist sie Grundlage für die Förderpraxis des Bundes geworden.46 Ausnahmen vom Grundsatz der Verwaltungszuständigkeit der Länder zugunsten des Bundes ergeben sich nach dem Flurbereinigungsabkommen für die Großforschung, die Ressortforschung im Bereich der Bundeszuständigkeiten und der Förderung der Industrieforschung, soweit sie als gesamtstaatliche Wirtschaftsförderung aus der Natur der Sache vom Bund zu betreiben ist.47 In den Bereich der Ausnahmen fallen vor allem Vorhaben der außeruniversitären Kern-, Weltraum-, Luftfahrt- und Meeresforschung. Für diese Forschungsgebiete lassen sich überwiegend Kompetenztitel in den Art. 87 ff. GG finden. Soweit entsprechende ungeschriebene Kompetenzen bestehen sollen, werden diese damit be-

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So bereits BVerfGE 12, 205. Ebenso Bleckmann, Subventionsrecht, S. 61. Abgedruckt bei: Maunz/Dürig – Maunz, Art. 104a GG, Rn. 16. 45 Pietzcker, Handbuch Staatsrecht, Band IV, § 99, Rn. 20; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 345; von Münch/Kunig – Gubelt, Art. 30 GG, Rn. 23; Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Hopfauf – Sannwald, Art. 30 GG, Rn. 39. 46 Hömig – Hömig, Art. 30 GG, Rn. 4; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 346; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf – Sannwald, Art. 30 GG, Rn. 39; Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 57. 47 Hömig – Ruhe, Art. 91b GG, Rn. 1. 44

A. Grundlagen der Wirtschafts- und Forschungsförderung

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gründet, dass hierzu Vorhaben gehören, die wegen ihrer besonderen wissenschaftlichen Bedeutung und ihres außerordentlichen finanziellen Aufwands sinnvollerweise nur vom Gesamtstaat gefördert werden können.48 Allerdings waren gerade die Kompetenzzuweisungen im Bereich der Großforschung Streitpunkt zwischen den Ländern und dem Bund. Diese Differenzen führten schließlich zur Verweigerung der Unterzeichung des Abkommens durch die Länder.49 Eine Befriedungsfunktion in dieser Streitigkeit hat Art. 91b GG. Aus diesem lässt sich eine geschriebene, aber begrenzte Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz des Bundes für die universitäre und außeruniversitäre Forschung herleiten. Die Begrenzung der Kompetenz des Bundes folgt daraus, dass der Bund nicht allein zuständig ist, sondern mit den Ländern auf der Basis von Verwaltungsvereinbarungen kooperiert.50 Dies stellt eine verfassungsrechtlich zulässige Form der Mischverwaltung dar.51 Als institutionelles Koordinationsgremium wurde die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung gegründet.52 Auf Basis des Abkommens zur Einrichtung der Bund-LänderKommission wurde schließlich 1975 die Rahmenvereinbarung Forschungsförderung (RV-Fo) abgeschlossen, die eine Konkretisierung der Aufgaben der Kommission und der Gebiete der gemeinsamen Forschungsförderung einschließlich der geförderten Institutionen sowie den genauen Finanzierungsschlüssel enthält.53 Seit dem 1. Januar 2008 ist die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) an die Stelle der Bund-Länder-Kommission getreten. In ihr kommen die Forschungs- und Finanzminister des Bundes und der Länder zusammen. Arbeitsgrundlage für die Mitglieder der GWK ist das GWK-Abkommen.54 Die GWK behandelt alle den Bund und die Länder gemeinsam berührenden Fragen der Forschungsförderung, der wissenschafts- und forschungspolitischen Strategien

48 So der Wortlaut des Flurbereinigungsabkommens § 1 Abs. 1 Nr. 4 zur Großforschung. Abgedruckt in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf – Sannwald, Art. 30 GG, Rn. 40. Wiedergegeben auch bei Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 347. So auch der Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 51. 49 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 388. 50 Bleckmann, Subventionsrecht, S. 60 folgert daraus eine konkurrierende Kompetenz von Bund und Ländern. 51 So auch Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 57; Dreier – Heun, III, Art. 91a GG, Rn. 7. Kritisch zum Begriff der „Mischverwaltung“ Battis/ Kersten, Standortmarketing im Bundesstaat, S. 68; Kersten, VerwArch 99 (2008), 30, 43. 52 Vgl. dazu Trute, Forschung, S. 452 ff.; Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 58 ff. 53 Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 60 ff.; Groß/Arnold, Regelungsstrukturen der außeruniversitären Forschung, S. 19. 54 GWK-Abkommen veröffentlicht in: Bundesanzeiger Nr. 195 vom 18. Oktober 2007, S. 7787.

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1. Kap.: Vergabe von F-&E-&I-Beihilfen nach nationalem Recht

und des Wissenschaftssystems.55 Daneben wird dieses gemeinsame Gremium genutzt, um sich gegenseitig über wesentliche Planungen und Entscheidungen zu unterrichten, die nicht Gegenstand der gemeinsamen Förderung sind.56 3. Fazit Festzuhalten bleibt, dass das Grundgesetz entgegen seiner Grundkonzeption keine konsistente bzw. trennscharfe Kompetenzordnung für die Wirtschafts- und Forschungsförderung geschaffen hat.57 Problematisch ist dabei vor allem der Bereich der gesetzesfreien Subventionierung. Bund und Länder können hier in unterschiedlichen Bereichen, zum Teil in Kooperationsverhältnissen zuständig für die Wirtschafts- und Forschungsförderung sein. Der Schwerpunkt der Zuständigkeit sollte wegen der Bedeutung von Art. 30 GG für die grundgesetzliche Ordnung – also der Festschreibung der föderalen Ordnung mit einem Länderprimat – bei den Ländern verbleiben. In der Rechtswirklichkeit haben die Länder von ihrer Kompetenz vielfältig Gebrauch gemacht und unterschiedliche Landesprogramme zur Forschungs- und Wirtschaftsförderung aufgelegt. Durch eine verbleibende (meist ungeschriebene) Kompetenz des Bundes kann auch dieser Fördermaßnahmen ergreifen. Dadurch entstehen unter Umständen thematische Parallelitäten zwischen Bundes- und Landesförderungsprogrammen, die aber unterschiedliche Förderungsvoraussetzungen normieren können. Dies gereicht dem Beihilfenempfänger insoweit zum Vorteil, als dass er zwischen unterschiedlichsten Förderungsprogrammen wählen kann. Eine unbeschränkte Ausübung der jeweiligen Kompetenzen kann es aber weder seitens der Länder noch seitens des Bundes geben. Als Kompetenzausübungsschranke wirken vielmehr das Gebot gegenseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme und das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.58 An das Gebot bundesstaatlicher Rücksichtnahme sind Bund und Länder gleichermaßen gebunden. Es verpflichtet die Parteien auf eine koordinierende und kooperative Ausgestaltung der staatlichen Forschungs- und Wirtschaftsförde55

Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 51. Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 52. 57 Andere Ansicht: Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 68. Siehe zum Prinzip der trennscharfen Kompetenzverteilung: BVerfGE 36, 193, 202 f.; BVerfGE 61, 149, 204; BVerfGE 67, 299, 320 f.; von Münch/Kunig – Gubelt, Art. 30 GG, Rn. 20. 58 Der Grundsatz der Bundestreue als Kompetenzausübungsschranke: BVerfGE 4, 115, 140; BVerfGE 8, 122, 138; BVerfGE 12, 205, 254; BVerfGE 81, 310, 337; BVerfGE 104, 249, 269 f.; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 20 GG, Rn. 21; Sachs – Sachs, Art. 20 GG, Rn. 70 m.w. N. Siehe zum Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung: BVerfGE 98, 106, 118 f.; BVerfGE 98, 265, 301; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 20 GG, Rn. 21. 56

A. Grundlagen der Wirtschafts- und Forschungsförderung

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rung.59 Nach dem Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung müssen Regelungen so aufeinander abgestimmt werden, dass der Normadressat sein Handeln eindeutig an den bestehenden Regelungen ausrichten kann.60 Insofern entsteht ein gewisser Abstimmungsbedarf. Im Bereich der universitären Forschungsförderung wird die notwendige Abstimmung vor allem über Vereinbarungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben des Art. 91b GG erreicht. Aktuelles Referenzbeispiel für ein Projekt auf Basis von Art. 91b GG ist die Exzellenzinitiative.61 Aus der Zulassung ungeschriebener Bundeskompetenzen im Bereich der Forschungsförderung kann es zu Kompetenzüberschneidungen kommen. Die Rechtsordnung nimmt unterschiedliche Regelungen allerdings nur in Kauf, soweit nicht in Grundrechte Einzelner eingegriffen wird.62 Überschneidungen ließen sich aber auch dadurch verhindern, dass die ungeschriebenen Bundeskompetenzen restriktiver gehandhabt würden und Kompetenzverteilung wieder stärker auf die Regelvermutung des Art. 30 GG zurückgeführt würde. Ein entsprechendes Vorgehen trüge auch zur Erhöhung der Rechtssicherheit bei. Ausweg kann andernfalls nur eine weitergehende Normierung des Subventionsrechts – unter Aufgabe der notwendigen Flexibilität dieses Bereiches – oder eine eindeutige Klärung der Kompetenzverteilung im Grundgesetz sein.

III. Verfassungsrechtliche Pflicht zur Wirtschaftsund Forschungsförderung? Der generelle Schluss von einer Förderungskompetenz auf eine Förderungspflicht ist nicht möglich.63 Dennoch könnte sich aus der Verfassung, zumindest in bestimmten Bereichen, eine Förderungsverpflichtung des Staates ergeben. Dafür sind zunächst Überlegungen zu einer allgemeine Förderungspflicht anzustellen (1.). Danach ist auf Basis der grundrechtlichen Verbürgungen zu prüfen, ob sich eine Pflicht zur Wirtschafts- (3.) und/oder Forschungsförderung (2.) ergibt und wie weit diese gegebenenfalls reicht. 59 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 364. Bleckmann, Subventionsrecht, S. 66, 68 will aus dem Prinzip der Bundestreue und einer Analogie zu Art. 31 GG hingegen einseitig die Länder auf die Beachtung von Bundesmaßnahmen verpflichten. Siehe zum Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens allgemein: Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 20 GG, Rn. 20 ff.; Sachs – Sachs, Art. 20 GG, Rn. 68 ff. 60 BVerfGE 98, 83, 97; BVerfGE 98, 265, 301. Siehe auch Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 318, 356. 61 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf – Henneke, Art. 91b GG, Rn. 5; Dreier – Heun, III, Art. 91b GG, Rn. 13; Sachs – Siekmann, Art. 91b GG, Rn. 27. 62 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 356. 63 Willems, Förderung des Mittelstands, S. 99; Sachs – Degenhart, Art. 70 GG, Rn. 63; Dreier – Stettner, Band II, Art. 70 GG, Rn. 23. Zur Parallelproblematik im Bereich der Gesetzgebung Battis/Grigoleit, ZBR 2008, 1, 6 (m.w. N.).

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1. Kap.: Vergabe von F-&E-&I-Beihilfen nach nationalem Recht

1. Allgemeine Festlegungen Im Grundgesetz findet sich weder ein eigenes Kapitel zur Wirtschaftsordnung Deutschlands noch eine Festlegung auf ein bestimmtes Wirtschaftssystem in Form von Staatsprinzipien oder Staatszielbestimmungen. 64 Es ist daher folgerichtig, dass das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass das Grundgesetz wirtschaftspolitisch neutral ist.65 Dementsprechend haben der Staat und seine Untergliederungen einen weiten Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen sie die ihnen sachgerecht erscheinende Wirtschaftspolitik verfolgen können.66 Zu dieser Wirtschaftspolitik gehört auch eine umfassende Forschungs- und Bildungspolitik, da Forschung und Bildung die Grundsteine einer jeden wirtschaftlichen Entwicklung sind. Im Grundgesetz finden sich zahlreiche Normen, die die Wirtschaftsordnung prägen.67 Unter Umständen lässt sich aus einzelnen Normen ein Auftrag zur Forschungs- und/oder Wirtschaftsförderung ableiten. Die Aufgabe der Wirtschafts- und der Forschungsförderung wird in zahlreichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen angesprochen; so in: Art. 74 I Nr. 13 GG (Förderung der wissenschaftlichen Forschung), Art. 74 I Nr. 17 GG (Förderung der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte), Art. 91a I GG (Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur), Art. 91b GG (Förderung der wissenschaftlichen Forschung), Art. 109 II GG (Wirtschaftswachstum als Bestandteil des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts68).69 Diese Bestimmungen stellen allesamt Kompetenznormen dar, ermächtigen also den Gesetzgeber Regelungen zu erlassen, ohne deren Inhalt weiter zu determinieren. Eine Förderungspflicht lässt sich aus diesen Regelungen nicht herleiten. Wenn überhaupt, dann ließe sich für Art. 91b GG diskutieren, ob sich aus diesem eine Förderungspflicht hinsichtlich der universitären und außeruniversitären Forschung ergibt. Allerdings herrscht hier Einigkeit, dass (auch) Art. 91b GG eine bloße Ermächtigungsnorm für die Forschungsförderung darstellt und keinen Verfassungsauftrag enthält.70 Gleiches gilt für eine allgemeine Wirtschaftsförderungspflicht und deren Ableitung aus Art. 91a GG. Hier geht es vor 64 Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 39; Schmidt, Ordnung des Marktes, S. 889, 890. 65 So bereits BVerfGE 4, 7, 17 f.; BVerfGE 7, 377, 400. 66 BVerfGE 4, 7, 18; BVerfGE 50, 290, 336 ff.; Krüdewagen, GewArch 1999, 235, 236; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 41 f.; Willems, Förderung des Mittelstands, S. 78. 67 Willems, Förderung des Mittelstands, S. 79. 68 So BVerfGE 79, 311, 338 f.; Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 109 GG, Rn. 5. 69 Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 226 f. 70 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 391; Dreier – Heun, III, Art. 91b GG, Rn. 6; Sachs – Siekmann, Art. 91b GG, Rn. 29; von Münch/Kunig – Mager, Art. 91b GG, Rn. 7; Blümel, Handbuch Staatsrecht, Band IV, § 101, Rn. 142 f.

A. Grundlagen der Wirtschafts- und Forschungsförderung

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allem um strukturpolitische Maßnahmen in einzelnen Gebieten und nicht um branchenbezogene oder gesamtstaatliche Förderungsmaßnahmen.71 Weder eine allgemeine verfassungsrechtliche Förderungspflicht in Bezug auf Forschung und Wirtschaft noch ein entsprechender Förderungsanspruch lassen sich aus den bisher betrachteten Normen herleiten. 2. Grundrechtliche Verbürgungen Bei einem ersten Blick auf den Wortlaut der Grundrechte lässt sich auch aus diesen kein anderes Ergebnis gewinnen. Gleichwohl kann sich aus deren inhaltlicher Festlegung etwas anderes ergeben. Dies wäre zum einen dann der Fall, wenn sie in ihrer Funktion als Leistungs- und Teilhaberechte aktiviert werden könnten. Die Anerkennung von Leistungs- und Teilhaberechten folgt aus dem Gedanken, dass die rechtlich umfassend bestehende Möglichkeit zum Gebrauch der Freiheitsrechte in der Realität für den Einzelnen aufgrund äußerer Umstände teilweise nur begrenzt existiert und daher ein Anspruch auf Herstellung der realen Freiheit grundsätzlich bestehen muss.72 Zum anderen könnte eine verfassungsrechtliche Förderungspflicht aus der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte gewonnen werden. a) Forschungsförderung Eine Pflicht zur Forschungsförderung könnte sich aus Art. 5 III GG ergeben. Anders als in Art. 142 S. 2 WRV findet sich im Grundgesetz keine ausdrückliche Verpflichtung des Staates für die Forschungsförderung.73 Die Förderung der Wissenschaft und Forschung wird heute vielmehr als Ausdruck der Bundesrepublik Deutschland als „Kulturstaat“ angesehen.74 Wie weit diese Verpflich-

71 Willems, Förderung des Mittelstands, S. 101 f.; Dreier – Heun, Band III, Art. 91a GG, Rn. 13 ff.; Sachs – Siekmann, Art. 91a GG, Rn. 24; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 91a GG, Rn. 3; von Münch/Kunig – Mager, Art. 91a GG, Rn. 20 f. 72 BVerfGE 33, 303, 333; BVerfGE 36, 321, 332; Willems, Förderung des Mittelstands, S. 88. So im Ergebnis für die Forschungsförderung auch Trute, Forschung, S. 429. 73 Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 7; Trute, Forschung, S. 421; Dreier – Pernice, Band I, Art. 5 III GG, Rn. 1. Siehe zur Bedeutung und zum institutionellen Verständnis von Art. 142 WRV: Mager, Einrichtungsgarantien, S. 265 ff. 74 BVerfGE 35, 79, 114; BVerfGE 81, 108, 116; BVerfGE 111, 333, 353; Battis/ Kersten, Institut auf Zeit, S. 1; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 125; Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 8; Trute, Forschung, S. 412 f.; Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 159; Dreier – Pernice, Band I, Art. 5 III GG, Rn. 22; Ossenbühl, Wissenschaftsfreiheit, S. 509; Groß, Autonomie der Wissenschaft, S. 43.

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tung zur Förderung der Wissenschaft und Forschung reicht, ist damit nicht gesagt.75 Dies soll nunmehr untersucht werden. Art. 5 III 1 GG statuiert nicht nur die Unabhängigkeit von Wissenschaft, Forschung und Lehre und damit ein subjektives Abwehrrecht des einzelnen Wissenschaftlers gegenüber staatlichen Eingriffen, Art. 5 III 1 GG hat auch eine objektiv-rechtliche Dimension.76 Diese verstärkt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das subjektive Recht des Einzelnen.77 Das in Art. 5 III GG enthaltene Freiheitsrecht steht dabei jedem zu, der wissenschaftlich tätig ist oder tätig werden will und ist nicht auf die Tätigkeit an Hochschulen oder durch Hochschullehrer beschränkt. Der organisatorische Rahmen, in dem Forschung stattfindet, hat damit auf den Inhalt des Begriffs „Wissenschaft“ keine Auswirkung.78 Auch Forschungsanliegen spielen für die Bestimmung des Schutzbereiches von Art. 5 III GG keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass der Erkenntnisgewinn einer anerkannten Methodik folgt und planmäßig betrieben wird, um die Wahrheit zu ermitteln.79 Damit ist auch die unternehmerische, also auf Verwertung der Ergebnisse zielende Forschungstätigkeit als vom Schutzbereich des Art. 5 III GG erfasst anzusehen.80 Die objektiv-rechtliche Dimension ist demgegenüber als eine Schutz- und Förderpflicht des Staates gegenüber einer freien Wissenschaft zu verstehen. Aus dieser folgt das Gebot, funktionsfähige Institutionen für einen freien Wissenschaftsbetrieb zur Verfügung zu stellen.81 Die Organisationsform dieser Institu75 Zum weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Wissenschaftsförderung siehe: BVerfGE 81, 108, 116. 76 BVerfGE 35, 79, 114; Battis/Kersten, Institut auf Zeit, S. 20; Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 148. 77 BVerfGE 35, 79, 114; BVerfGE 88, 129, 137; Mager, Einrichtungsgarantien, S. 271. 78 Dargestellt bei Dähne, Forschung zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsfreiheit, S. 138. 79 BVerfGE 35, 79, 113; BVerfGE 90, 1, 11 f.; BVerwGE 102, 304, 308; Dreier – Pernice, Band I, Art. 5 III GG, Rn. 24. 80 So die ganz herrschende Meinung. Vgl. dazu: BVerfGE, 35, 79, 112 f.; BVerfGE 88, 129, 136; BVerfGE 90, 1, 11 f.; BVerfGE 95, 193, 209; BVerwGE 13, 112, 113 f.; BVerwGE 102, 304, 307; Kamp, Forschungsfreiheit und Kommerz, S. 147; SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf – Kannengießer, Art. 5 GG, Rn. 30; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 84; Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 5 GG, Rn. 122; Dreier – Pernice, Band I, Art. 5 III GG, Rn. 26, 34 unter der Voraussetzung der relativen Ergebnisoffenheit der Forschung; Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 152; Wagner, NVwZ 1998, 1235, 1237 f.; Schulte, VVDStRL 65 (2006), 110, 133; Ossenbühl, Wissenschaftsfreiheit, S. 513. Dagegen: Kleindiek, Wissenschaft und Freiheit, S. 171, 175, 318; Blankenagel, AöR 125 (2000), 70, 97; Dähne, Forschung zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsfreiheit, S. 402 ff. Siehe umfänglich zur Darstellung der unterschiedlichen Ansatzpunkte: Kamp, Forschungsfreiheit und Kommerz, S. 38 ff.

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tion ist dabei nicht vorgeschrieben. Vielmehr muss bezüglich der Organisation den aktuellen Entwicklungen Rechnung getragen werden können.82 Die Bedeutung der staatlichen Finanzierung der Forschungstätigkeit hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Hochschulurteil betont. Dort heißt es, dass „ohne geeignete Organisation und ohne entsprechende finanzielle Mittel, über die im wesentlichen nur noch der Staat verfügt, heute in weiten Bereichen der Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften, keine unabhängige Forschung (. . .) mehr betrieben werden“ könne.83 Dieses Angebot des Staates muss dem einzelnen Grundrechtsberechtigen nicht nur gleichmäßig zugänglich sein (Teilhaberecht), sondern ihm bei Inanspruchnahme auch Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit garantieren.84 Damit wird der Staat nicht nur auf die Förderung der Wissenschaft, sondern auch auf eine wissenschaftsadäquate Forschungsförderungverpflichtet.85 Mit anderen Worten: Die in Art. 5 III 1 GG garantierte Wissenschaftsfreiheit verlangt vom Staat bei der Förderung von wissenschaftlicher Forschung nicht nur die Berücksichtung von Sachstrukturen, sondern zugleich eine flexible Ausrichtung der Forschungsförderung,86 um das wissenschaftlich-kreative Potenzial der Forschung nicht zu gefährden. Der eventuelle Förderungsanspruch bleibt aber untrennbar mit der objektivrechtlichen Dimension von Art. 5 III GG verknüpft.87 Ob sich daraus auch eine Verpflichtung zur umfänglichen Ermöglichung originär unternehmerischer Forschungstätigkeit ableiten lässt, erscheint mehr als nur zweifelhaft. Ein Unternehmen kann schon nicht als Institution in diesem Sinne angesehen werden, da es sich einer staatlichen Einflussnahme in aller Regel entzieht und unabhängig von diesem existiert. Die Förderung der unternehmerischen Forschung ist damit aus 81 BVerfGE 35, 79, 115; BVerfGE 95, 193, 209; BVerfGE 111, 333, 353; Mager, Einrichtungsgarantien, S. 274; Trute, Forschung, S. 413; Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 157; Ossenbühl, Wissenschaftsfreiheit, S. 509; Wagner, NVwZ 1998, 1235, 1237. 82 So eindeutig zur Offenheit der Ausgestaltung der Institution BVerfGE 111, 333, 355 f. Siehe zu den Reformmöglichkeiten im Bereich der Hochschulorganisation: Battis, DÖV 2006, 498 ff.; Battis/Grigoleit, ZRP 2002, 65 ff.; Gärditz, NVwZ 2005, 407 ff. 83 BVerfGE 35, 79, 115; aufgenommen durch BVerwGE 52, 339, 349. So auch Ossenbühl, Wissenschaftsfreiheit, S. 508. 84 BVerfGE 88, 129, 137; BVerwGE 52, 339, 348 f.; Mager, Einrichtungsgarantien, S. 277. 85 Battis/Kersten, Institut auf Zeit, S. 40; Trute/Groß, WissR 1994, 203, 236; Trute, Forschung, S. 430 ff.; Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 161; Groß/Arnold, Regelungsstrukturen der außeruniversitären Forschung, S. 159; Ossenbühl, Wissenschaftsfreiheit, S. 509. 86 Battis/Kersten, Institut auf Zeit, S. 17 f. 87 So auch Nettesheim, DVBl. 2005, 1072, 1080.

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dem Gewährleistungsgehalt des Art. 5 III GG auszuscheiden.88 Im Bereich der unternehmerischen Forschung hat Art. 5 III GG damit „lediglich“ die Funktion, die Freiheit der Forschung von staatlichen Eingriffen und staatlicher Lenkung zu garantieren.89 Auch ein Anspruch auf die Förderung eines konkreten Projekts lässt sich aus der grundsätzlichen staatlichen Verpflichtung nicht ableiten.90 Dies folgt aus der Freiheit des Gesetzgebers bei der Gestaltung seines Haushalts und bei der Festlegung seiner Wirtschaftspolitik.91 Schließlich spricht dagegen auch die Endlichkeit der Haushaltsmittel des Staates. Die grundrechtlichen Verbürgungen sind daher eng auszulegen. Entsprechende Vorbehalte hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Numerus-Clausus-Urteil geäußert: Die persönliche Freiheit des Einzelnen könne auf Dauer nicht unabhängig von der Funktionsfähigkeit des Ganzen verwirklicht werden. Vielmehr sei ein unbegrenztes Anspruchsdenken auf Kosten der Allgemeinheit nicht mit dem Sozialstaatsgedanken vereinbar.92 Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Forschungsförderung besteht daher nur in einem sehr begrenzten Rahmen. Diese Pflicht steht zusätzlich unter dem Vorbehalt des finanziell Möglichen. Des Weiteren korrespondiert ihr in der Regel kein individueller Anspruch,93 so dass die Bedeutung der staatlichen Verpflichtung insgesamt als gering einzustufen ist. b) Wirtschaftsförderung Da unternehmerische Forschungstätigkeit, wie bereits erwähnt, vor allem eine wirtschaftlich-wettbewerbsrechtliche Dimension hat, könnte ein Förderungsanspruch dennoch gegeben sein, wenn es eine entsprechende Verpflichtung zur Wirtschaftsförderung gibt. Eine Verpflichtung könnte sich hier aus einer Zusammenschau unterschiedlicher Grundrechte ergeben. In die Betrachtung sind vor allem Art. 3 I GG, Art. 5 III GG und Art. 12 I GG einzubeziehen. 88 Nettesheim, DVBl. 2005, 1072, 1080 nennt hier als nicht von der Förderungspflicht umfasst den Privatgelehrten und die Privatuniversität. Gilt der Ausschluss für diese Gruppen der Wissenschaftler, dann muss er erst recht für die in Unternehmen tätigen Wissenschaftler gelten. 89 Siehe zur Reichweite dieses subjektiven Freiheitsrechts: BVerfGE 35, 79, 112; BVerfGE 90, 1, 11 f. Ebenso Hömig – Antoni, Art. 5 GG, Rn. 33. 90 Battis/Kersten, Institut auf Zeit, S. 22; Dreier – Pernice, Band I, Art. 5 III GG, Rn. 60. 91 Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 5; Willems, Förderung des Mittelstands, S. 89; Jarass/Pieroth – Jarass, Vorbemerkung vor Art. 1 GG, Rn. 8; Sachs – Sachs, vor Art. 1 GG, Rn. 49. 92 BVerfGE 33, 303, 334; Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 21. 93 Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 159 (m.w. N.).

A. Grundlagen der Wirtschafts- und Forschungsförderung

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Ein Förderungsanspruch aus Art. 3 I GG lässt sich nur als derivativer Teilhabeanspruch und nicht als originärer Leistungsanspruch herleiten. Voraussetzung ist dafür stets eine anderweitige (Selbst-)Verpflichtung zur Subventionierung, z. B. aus Verwaltungsvorschriften. Werden entsprechende Fördergelder vergeben, dann folgt aus Art. 3 I GG i.V. m. der jeweiligen (Selbst-)Verpflichtung, dass jeder geeignete Bewerber ein Recht auf gleichmäßige und diskriminierungsfreie Berücksichtigung seines Förderungsantrages hat.94 Einen gefestigten Anspruch auf Zuteilung einer entsprechenden Leistung kann es auch hier aus Gründen der Beschränktheit der Haushaltsmittel nicht geben.95 Aus Art. 12 I GG folgt nichts anderes, da im Bereich der unternehmerischen Forschungstätigkeit das Forschungsrisiko und damit schließlich auch das Finanzierungsrisiko zum Unternehmensrisiko zählt. Die Ausübung des Berufes oder dessen Wahl wird durch eine fehlende Förderungsverpflichtung seitens des Staates gerade nicht berührt. Aus Art. 12 I GG eine quasi institutionelle Verbürgung für eine Gewährleistung eins fairen und transparenten Wettbewerbs einschließlich der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen herzuleiten, liegt im Bereich des Denkbaren. Konkrete Ansprüche und Förderungsmaßnahmen lassen sich daraus jedoch nicht ableiten,96 da auch hier dem Gesetzgeber ein weiter Entscheidungsspielraum einzuräumen und der Vorbehalt des finanziell Möglichen zu beachten ist. Jede Verpflichtung zur Wirtschaftsförderung seitens des Staates ist daher Ausdruck einer politischen Entscheidung und nicht verfassungsrechtlich vorgegeben.97 Die Verneinung der Ableitung einer generellen Verpflichtung zur Forschungsförderung als Bestandteil der Wirtschaftsförderung aus den Grundrechten entspricht deren konzeptioneller Grundausrichtung als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.98 Art. 5 III GG hat daher keinen über diesen Abwehranspruch hinausgehenden Gewährleistungsgehalt im Sinne einer Förderungspflicht. 3. Ergebnis Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Wirtschafts- und Forschungsförderung besteht nur in einem eng umgrenzten Bereich. Damit kann ein korrespondierender Förderungsanspruch auch nur in Ausnahmefällen existieren. Vor allem im 94 So auch Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 158 f.; Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 43. 95 Krüdewagen, GewArch 1999, 235, 236; Willems, Förderung des Mittelstands, S. 89. 96 Willems, Förderung des Mittelstands. S. 90 f. 97 Krüdewagen, GewArch 1999, 235, 236. 98 Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 158 spricht gar von einer Anspruchs- und Teilhabefeindlichkeit der Forschungsfreiheit als Abwehrrecht.

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1. Kap.: Vergabe von F-&E-&I-Beihilfen nach nationalem Recht

Bereich der unternehmerischen Forschungsförderung steht die Mittelvergabe im Ermessen der zuständigen Förderstelle.99 Ein Anspruch entsteht in diesem Bereich – im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung über Art. 3 I GG – aber immer dann, wenn eine entsprechende Förderungspraxis besteht. Auch wenn sich aus den Grundrechten nur beschränkt ein Förderungsanspruch ergibt, hat doch die Offenheit der grundgesetzlichen Regelungen den Vorteil, dass auf die geänderten Anforderungen im Rahmen des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts adäquat und flexibel reagiert werden kann.100 Die begrenzte Förderungspflicht ohne umfassend korrespondierenden Förderungsanspruch entspricht aber in keinem Fall der Bedeutung von Forschung, Entwicklung und Innovation für den Wirtschafts- und Arbeitsmarkt auf nationaler Ebene. Im Bewusstsein dieser Divergenz haben sich unabhängig von einer Verpflichtung Förderungsinstrumentarien und -mentalitäten entwickelt, die zu der eingangs beschriebenen rechtlichen Gemengelage geführt haben. Der Staat hat hier sein – von einer Verpflichtung unabhängiges – Recht zur Forschungsund Wirtschaftsförderung ergriffen.

B. Einfluss des Europarechts auf die nationale Forschungsförderung – Die Bedeutung des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens In diese rechtliche Gemengelage greift das Europarecht steuernd ein und setzt den nationalen Regelungen Grenzen. Die Kompetenz für die Forschungspolitik liegt originär bei den Mitgliedstaaten.101 Sie nehmen diese auch über eine gezielte Förderung unterschiedlicher Forschungsbereiche wahr und versuchen so einen Wissens- und Technologievorsprung zu erlangen, der schließlich zu einem Wettbewerbsvorteil führen kann. Bezüglich der Vergabe von Beihilfen sind die Mitgliedstaaten insgesamt relativ frei. Ihnen wird die inhaltliche Ausgestaltung ihrer Beihilfen nicht vorgeschrieben. Die Mitgliedstaaten wählen bei ihrer Förderungstätigkeit nicht immer die gleichen Schwerpunkte. Damit entstehen Divergenzen, die eine Gefahr für die Einheitlichkeit der Wirtschaftsbedingungen im Gemeinsamen Markt darstellen können. Daher sind gerade bei gezielter, themenspezifischer Forschungsförderung die Grenzen zu beachten, die im Hinblick auf die Sicherstellung des unverfälschten Wettbewerbs in der Europäischen Union durch das EG-rechtliche Beihilfenregime (Art. 87 ff. EG) gesetzt werden.102 Die Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten im Wirtschaftsbe99

Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 18. Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 42. 101 Ullrich, EWS 1991, 1. 102 Dreier – Pernice, Band I, Art. 5 III GG, Rn. 61; Ullrich, EWS 1991, 1, 2. 100

B. Einfluss des Europarechts auf die nationale Forschungsförderung

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reich, die sie mittels der Beihilfengewährung in Anspruch nehmen können, wird im Rahmen der gemeinschaftlichen Beihilfenaufsicht nicht nur durch das vertraglich festgelegte Erfordernis der Genehmigung jedes beabsichtigten Beihilfevorhabens (Art. 88 III EG) durch die Kommission auf verfahrensrechtlicher Ebene eingeschränkt,103 sondern muss auch final auf das vertragliche Ziel der Errichtung des Gemeinsamen Marktes ausgerichtet sein.104 Das EG-Recht überlagert also die mitgliedstaatlichen Kompetenzen und schränkt diese ein.105 Die vertraglichen Regelungen des EG-Rechts weisen aber eine notwendige Abstraktheit auf, die es dem einzelnen Mitgliedstaat erschweren kann, abzuschätzen, ob die von ihm geplante Förderung europarechtskompatibel ist oder nicht. In diesen Bereich stößt der neue Gemeinschaftsrahmen, indem er erläutert, wie mitgliedstaatliche Förderung gestaltet werden sollte, damit sie im Einklang mit Art. 87 EG steht. Der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen ist im Bereich der Beihilfenaufsicht für die Mitgliedstaaten insbesondere hinsichtlich der Anwendung der Ausnahmeregelungen des Art. 87 III EG von erheblicher praktischer Bedeutung. Auf seiner Basis kann der Mitgliedstaat eine Prognose über die Kommissionsentscheidung bezüglich der Zulassung der Beihilfe treffen.106 Die zu vergebende Beihilfe kann daher anhand der Anforderungen des Gemeinschaftsrahmens konzipiert werden. Damit stellt der Gemeinschaftsrahmen im Ergebnis die wichtigste Grundlage für die Vergabe von nationalen Beihilfen dar.107 Er wird durch einzelne Verwaltungsvorschriften in den Mitgliedstaaten konkretisiert. Neben dem Gemeinschaftsrahmen existieren noch weitere gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für die nationale Forschungslandschaft. Diese beziehen sich aber nicht auf die Vergabe von Fördermitteln, sondern auf die Forschungstätigkeit und ihr Umfeld.108 Sie sind für die weitere Darstellung daher nicht von Bedeutung. Will man die Regelungsinhalte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens mit den deutschen Regelungsvorgaben in Bezug auf die Forschungsförderung vergleichen, so fällt auf, dass der Fokus der Normgeber unterschiedlich ausgerichtet ist. Während nach deutschem Recht Verbürgungen vor allem für die Forschungstätigkeit an Hochschulen und anderen öffentlichen Forschungseinrichtungen 103

Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 18. Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilfenrechts, S. 111. 105 Stober, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 287; Kühling/el-Barudi, Jura 2006, 672. 106 Cremer, EWS 1996, 379, 384. 107 So auch Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 18. 108 Die Europäische Charta für Forscher und der Verhaltenskodex für die Einstellung von Forschern sind enthalten in Empfehlungen der Kommission an die Mitgliedstaaten, ABl. 2005, Nr. L 75, S. 67. Siehe dazu Callies/Ruffert – Kallmayer, Art. 163 EG, Rn. 2, 15. 104

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1. Kap.: Vergabe von F-&E-&I-Beihilfen nach nationalem Recht

existieren, legt der Gemeinschaftsrahmen seinen Schwerpunkt auf die Förderung der Forschung im unternehmerischen Bereich. Dieser Unterschied resultiert aus den differierenden Aufgabenzuweisungen von Staat und EG. Während der Staat eine Allzuständigkeit besitzt und zur Gewährung von Freiheit und Gemeinwohl konzipiert ist, wurden die Europäischen Gemeinschaften unter der Prämisse gegründet, einen einheitlichen Wirtschaftsraum zu schaffen. Insofern beschränken sich auch die Kompetenzen der EG. Dennoch ergänzen sich nationale Regelungsschwerpunkte und die Ausrichtung des Europarechts. Die nationale Struktur fokussiert auf die Grundrechte und die damit verbundenen Garantien hinsichtlich der deutschen Forschungslandschaft. Die Regelung im EG-Vertrag und deren Konkretisierung im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen stellen demgegenüber jenen Bereich ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit, der in Deutschland Domäne der exekutivischen Ausgestaltung geblieben ist: die Forschungsförderung im unternehmerischen Bereich.

C. Umfang der Forschungsförderung in Deutschland und Europa Fast täglich finden sich in der Tagespresse Meldungen über die Forschungsförderung in Deutschland. Sei es, dass über die Exzellenzinitiative oder über Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft oder über neue Förderungsprojekte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geschrieben wird. Die soeben genannten Beispiele sind vor dem Hintergrund der Verpflichtungen des Staates aus Art. 5 III GG besonders interessant, geben sie doch einen Einblick in die Förderungsrealität. Um einen Eindruck vom Umfang der Forschungsförderung zu bekommen, soll hier zunächst eine Kurzauswertung des aktuellen Bundesforschungsberichts erfolgen, der bereits die erste Stufe der Exzellenzinitiative berücksichtigt. Anschließend soll ein kurzer Blick auf die europäische Ebene geworfen werden. Dabei sollen sowohl die Ausgaben der anderen Mitgliedstaaten als auch die EU-Direktsubventionen berücksichtigt werden.

I. Umfang der deutschen Forschungsförderung Die Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung betrugen im Jahr 2007 insgesamt 10,3 Mrd. A und haben damit einen neuen Höchststand erreicht.109 Vergeben werden diese Mittel nicht über eine steuerliche Förderung forschender Einrichtungen,110 sondern durch ein Zuschusssystem mit Antrags109 110

Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 19. EFI Gutachten 2008, BT-Drs. 16/8600, S. 30.

C. Umfang der Forschungsförderung in Deutschland und Europa

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verfahren. Haushaltsrechtlich sind dabei zwei Typen der Forschungsförderung zu unterscheiden: Zum einen die Projektförderung und zum anderen die Institutionsförderung.111 Dabei liegt der bisherige Förderungsschwerpunkt bei der Institutionsförderung,112 also der Förderung von Forschungseinrichtungen wie Hochschulen. Die Hochschulfinanzierung ist und bleibt fest in der Hand des Staates. Betrachtenswert sind in diesem Zusammenhang die Aufwendungen von Bund und Ländern im Rahmen der Exzellenzinitiative. Diese wird von Bund und Ländern mit 1,9 Mrd. A gefördert und hat große Bewegung in die Hochschullandschaft gebracht.113 Mit ihr wurde ein neuartiges Instrument der Wissenschaftsförderung eingeführt.114 Der Bund trägt dabei 75% der Ausgaben, also 1,4 Mrd. A.115 Für die Fortführung der Exzellenzinitiative sind für das Jahr 2007 142,5 Mio. A und für das Jahr 2008 285 Mio. A vorgesehen.116 Dennoch zeigt sich vor allem in der zunehmenden Bedeutung von Drittmitteln bei der Hochschulforschung eine Aufweichung der staatlichen „Alleinzuständigkeit“. Auch durch den Spitzenclusterwettbewerb, der die Innovationskraft der leistungsfähigen Cluster aus Wirtschaft und Wissenschaft stärkt, um Ideen schneller in Produkte, Prozesse und Dienstleistungen umzusetzen, werden die Schnittstellen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft durchlässiger.117 Im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation lässt sich schon seit Mitte der 90er Jahre dieser Trend ausmachen. Er weist weg von der staatlichen hin zu einer privaten bzw. wirtschaftsgetragenen Finanzierung. Forschung insgesamt – also in Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen – wird nur zu gut einem Drittel staatlicherseits finanziert.118 Die staatliche Förderung erstreckt sich dabei vor allem auf die Forschung in Wissenschaftszweigen, die (noch) keinen unmittelbaren Bezug zur technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung haben, die aber gleichwohl im Interesse der Gesellschaft liegen.119 Die F-&E-Ausgaben des Bundes an die gewerbliche Wirtschaft beliefen sich im Jahr 2006 auf 1,854 Mrd. A.120 Rund zwei Drittel aller Aufwendungen im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation werden mittlerweile von der deut111 Battis/Kersten, Institut auf Zeit, S. 4; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 31; Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 339; Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 49. Diese Zweiteilung der Forschungsförderung findet sich traditionell in allen Mitgliedstaaten der EU. Siehe dazu Trute/Groß, WissR 1994, 203, 222. 112 Battis/Kersten, Institut auf Zeit, S. 12 f. 113 Leibfried/Wiesner, FAZ.NET vom 08.07.2008. 114 Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 33. 115 Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 205. 116 Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 205; Sachs – Siekmann, Art. 91b GG, Rn. 27, Fn. 75. 117 Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 20. 118 Goppel, Forschung fördern, S. 19. 119 Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 48. 120 Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 485.

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1. Kap.: Vergabe von F-&E-&I-Beihilfen nach nationalem Recht

schen Wirtschaft getragen.121 Dieses Verhältnis ist auch das Ergebnis einer Wechselbeziehung zwischen staatlichen und wirtschaftlichen Förderungsmaßnahmen. Durch jeden Euro staatlicher F-&E-Finanzierung werden erfahrungsgemäß noch einmal zusätzlich 80 Cent für Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft mobilisiert.122 Detaillierte Daten zu den F-&E-Aufwendungen der deutschen Unternehmen sind jetzt für das Jahr 2006 verfügbar. Sie betrugen 51,98 Mrd. A. Dies entspricht etwa 1,77% des Bruttoinlandsproduktes (BIP).123 Für das Jahr 2007 werden F-&E-Aufwendungen von 54,34 Mrd. A, für 2008 Aufwendungen von 56,8 Mrd. A und damit weitere Steigerungen erwartet. Im Gesamtverhältnis verbleibt es aber bei einem Anteil der Investitionen in Höhe von 1,77% des BIP.124 Die öffentlichen Ausgaben der Länder für Forschung und Entwicklung betrugen im Jahr 2001 rund 7,7 Mrd. A und stellten damit bezogen auf das Gesamtvolumen der Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Deutschland im Jahr 2001 einen Anteil von 14,9%.125 Dieser Wert ist auch im Jahr 2005 konstant geblieben.126 Ebenso wie die Gemeinschaften will Deutschland bis zum Jahr 2010 3% des BIP in Forschung, Entwicklung und Innovation investieren. Von diesem Ziel ist Deutschland aber noch weit entfernt.127 Die Bundesregierung geht davon aus, dass die F-&E-Aufwendungen von Staat, Hochschulen und Unternehmen auf ca. 79 Mrd. A steigen müssen, damit 2010 das festgelegte Ziel erreicht werden kann.128

II. Umfang der europäischen Forschungsförderung Vergleichend soll nunmehr ein kurzer Blick auf die Forschungsförderung in Europa geworfen werden. Dabei sind die anderen Mitgliedstaaten ebenso einzubeziehen wie die EU-Direktsubventionen.

121 Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 47; EFI Gutachten 2008, BT-Drs. 16/8600, S. 15; Dähne, Forschung zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsfreiheit, S. 199. 122 EFI Gutachten 2008, BT-Drs. 16/8600, S. 75. 123 EFI Gutachten 2008, BT-Drs. 16/8600, S. 21; Goppel, Forschung fördern, S. 19. 124 Berliner Zeitung, Nr. 295, vom 16.12.2008, S. 14. 125 Dähne, Forschung zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsfreiheit, S. 200 (unter Verweis auf den Bundesforschungsbericht von 2004). 126 Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 481. 127 So auch die Einschätzung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Berliner Zeitung, Nr. 266, vom 12.11.2008, S. 10. 128 EFI Gutachten 2008, BT-Drs. 16/8600, S. 21.

C. Umfang der Forschungsförderung in Deutschland und Europa

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1. Vergleich mit den anderen Mitgliedstaaten Der Bericht der Kommission – Anzeiger für staatliche Beihilfen – Herbstausgabe 2007 stellt nicht nur die Entwicklung der Forschungs- und Entwicklungsförderung auf Basis der Zahlen aus dem Jahr 2006 dar, sondern kommt auch zu dem Schluss, dass die Zielvorgabe 3% des BIP bis 2010 in F&E&I zu investieren, bei Zugrundelegung der gegenwärtigen Wachstumsrate nicht erreicht werden wird. Durchschnittlich investieren die Mitgliedstaaten lediglich 1,84% ihres BIP in Forschung und Entwicklung. Im Vergleich der Mitgliedstaaten erreichen lediglich Schweden (3,86%) und Finnland (3,48%) die vorgegebene Zielmarge. Deutschland bewegt sich mit seinen Ausgaben von ca. 2,5% des BIP (im Jahr 2005) im oberen Mittelfeld.129 Um das Ziel dennoch zu erreichen, müssen die Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation schneller steigen und neue Impulse erhalten.130 Einen Anreiz für eine vermehrte und leichtere Vergabe nationaler Beihilfen in diesem Bereich soll der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen setzen. Auf den ersten Blick scheint die Impulssetzung auch zu gelingen, denn auf Basis des neuen Gemeinschaftsrahmens wurden allein im Jahr 2007 12 Mrd. A an neuen Beihilfen von der Kommission genehmigt.131 Insgesamt unterscheidet sich nicht so sehr der Umfang der Mittelvergabe in den einzelnen Mitgliedstaaten, sondern die Art und Weise. Die Mehrheit der OECD- (21 von 30) und der EU-Mitgliedsstaaten (15 von 27) hat im Gegensatz zu Deutschland eine explizite steuerliche Unterstützung von Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft eingeführt.132 Dieses System vereinfacht es den Unternehmen, sich für umfangreichere Forschungsprojekte zu entscheiden, auch wenn deren Ergebnisse nicht unmittelbar wirtschaftlich nutzbar sind. Daher hat die Expertenkommission Forschung und Innovation der Bundesregierung empfohlen, im Rahmen der anstehenden Unternehmenssteuerreform über die Einführung eines Steuermodells für Forschung, Entwicklung und Innovation nachzudenken. Dieser Empfehlung hat sich jüngst der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) angeschlossen. Er plädiert für eine pauschale Absetzbarkeit der Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Höhe von 10%.133 2. EU-Direktsubventionen Auch die Gemeinschaft selbst beteiligt sich an der Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation. Nach einer anfänglichen Zurückhaltung ist die 129

Eurostat Jahrbuch 2008, S. 473. Bericht der Kommission – Anzeiger für staatliche Beihilfen, Herbstausgabe 2007, S. 30. 131 Bericht der Kommission – Anzeiger für staatliche Beihilfen, Herbstausgabe 2007, S. 31. 132 Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 32. 133 Berliner Zeitung, Nr. 266, vom 12.11.2008, S. 10. 130

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1. Kap.: Vergabe von F-&E-&I-Beihilfen nach nationalem Recht

Forschungsförderung der Europäischen Gemeinschaften enorm ausgebaut worden.134 Die Vergabe von EU-Direktsubventionen basiert nunmehr auf dem 7. Forschungsrahmenprogramm. Das Rahmenprogramm wird durch eine gemeinsame Entscheidung des Rats der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments festgelegt und beinhaltet die Grundsatzentscheidung über die zu fördernden Forschungsgebiete und die Höhe der Finanzausstattung.135 Die maximale Gesamtbeteiligung der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms liegt bei ca. 50,521 Mrd. A und damit ungefähr dreimal so hoch wie in der vorangegangenen Finanzperiode.136 Die Forschungsförderung in der Europäischen Union ist gänzlich auf Programmforschung ausgerichtet und gliedert sich in sieben spezifische Programme.137 Sie soll kein Ersatz für die nationale Forschungsförderung sein, sondern diese ergänzen und damit vor allem solche Gebiete abdecken, die von den einzelnen Mitgliedstaaten nicht hinreichend effizient betreut werden können.138 Daher erfasst das Rahmenprogramm vor allem grenzüberschreitende Forschungsprojekte und ist mittlerweile zum weltweit größten Forschungsförderungsprogramm geworden.139 Aufgrund seiner breiten Ausrichtung soll nach Vorstellung der Kommission das 7. Rahmenprogramm jetzt auch dazu genutzt werden, um KMU wie auch große Unternehmen in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise zu unterstützen.140

III. Fazit Die Forschungsförderung nimmt sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland einen hohen Stellenwert ein. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind die europäischen Mitgliedstaaten und auch die Europäischen Gemeinschaften von der Erreichung des selbstgesetzten Zieles – 2010 3% des BIP in Forschung zu investieren – noch ein gutes Stück entfernt. Dennoch wird dieses Ziel beharrlich verfolgt. Dieser kontinuierliche Einsatz wird dazu führen, dass in naher Zukunft noch mehr Mittel in Forschung, Entwicklung und Innovation investiert werden. Damit wird im Ergebnis aber auch die Bedeutung des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens als maßgebliche Grundlage für die Zulassung von Beihilfen steigen.

134

Zacher, Forschungsfreiheit und Forschungsförderung, S. 209. Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 435. 136 Kiethe, EWS 2007, 1, 2; Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 434. 137 Dähne, Forschung zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsfreiheit, S. 202; Bundesforschungsbericht 2008, 16/9260, S. 436. 138 Bundesforschungsbericht 2008, BT-Drs. 16/9260, S. 434. 139 Broschüre des Bundesministeriums für Forschung und Bildung zum 7. Forschungsrahmenprogramm, S. 6. 140 Vgl. Vorübergehender Gemeinschaftsrahmen im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise, ABl. 2009 Nr. C 16, S. 1, 3. 135

2. Kapitel

Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens A. Einleitung „Nicht nur die Frage, wer was macht, ist von Bedeutung. Ebenso bedeutsam ist die Frage, in welcher Weise die Union handelt, welcher Instrumente sie sich bedient.“1 Die Bedeutung der Handlungsformen ist eine aktuelle Frage. Sie wurde bei dem Entwurf einer Verfassung für Europa diskutiert und ist auch wieder im Rahmen des Reformvertrages von Lissabon aufgegriffen worden.2 Dieser sieht eine Änderung bzw. Ergänzung des Art. 249 EG vor, der die zentrale Regelung über die Handlungsformen der Organe der EG enthält.3 Die Handlungsformenlehre prägt eine Rechtsordnung maßgeblich, da sie die Instrumente zur Verfügung stellt und definiert, mit der staatliche Aufgaben wahrgenommen werden können.4 Der rechtsstaatliche Effekt der Handlungsformenlehre besteht in der Förderung der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit.5 Für die Untersuchung einzelner Handlungsformen bedarf es stets einer Rückbindung an Fallstudien und der sektorspezifischen Einbindung der Handlungsform. Daraus können dann allgemeine Rückschlüsse auf die Rechtsnatur und ihre Stellung im Gesamtgefüge der Handlungsformen gezogen werden. Zur Handlungsformenlehre soll das folgende Kapitel einen Beitrag leisten, indem es sich der Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens und ihren Folgen widmet. Die Kommission kann sich, um ihrer Rolle als Kontrollorgan über die Einhaltung des Vertrages gerecht zu werden,6 unterschiedlicher Maßnahmen bedienen. 1 Erklärung des Europäischen Rates vom 15. Dezember 2001 „zur Zukunft der Europäischen Union“ unter der Überschrift „Vereinfachung der Instrumente in der Union“; abgedruckt in: Stelkens, ZEuS 2005, 61, 62. 2 Ruffert, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, S. 215, 219. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa sah eine Reduzierung der Typologie der Rechtsakte von mehr als 15 auf 6 vor. Siehe zu den Änderungen nach dem Verfassungsentwurf und dem Vertrag von Lissabon: Lecheler, DVBl. 2008, 873, 876. 3 Ein Inkrafttreten des Reformvertrages ist nach der Zustimmung Tschechiens nunmehr für den 1. Dezember 2009 geplant. 4 Uerpmann, BayVBl. 2000, 705; Lecheler, DVBl. 2008, 873; Ernst, Verwaltungserklärung, S. 33. 5 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 7, Rn. 2; Ernst, Verwaltungserklärung, S. 39. 6 Zu den allgemeinen Aufgaben der Kommission siehe Art. 211 EG.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

Dazu steht ihr der Katalog der Handlungsformen des Art. 249 EG zur Verfügung. Neben diesem Katalog der Handlungsformen besteht ein Wildwuchs an Bezeichnungen für Rechtsakte, die an verschiedenen Stellen in den Verträgen zu finden sind oder die in der Praxis entwickelt worden sind.7 Zu den in der Praxis entstandenen Handlungsformen gehört auch der Gemeinschaftsrahmen. Dieser Begriff findet sich an keiner Stelle im Text des EG-Vertrages und ist außerhalb der Beihilfenaufsicht nicht gebräuchlich.8 Im Beihilfenrecht haben sich die Gemeinschaftsrahmen in den 70er Jahren entwickelt. Als eine der ersten Gemeinschaftsrahmen können jene für den Textilsektor und die Kunstfaserindustrie gelten.9 1986 wurde der erste Gemeinschaftsrahmen für staatliche Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen erlassen.10 Im Laufe der Jahre kamen Gemeinschaftsrahmen unter anderem auf den Gebieten KfZ-Industrie,11 Fischerei und Aquakultur, Agrarprodukte, Umweltschutz,12 Ausbildungsbeihilfen und der Gemeinschaftsrahmen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)13 hinzu.

I. Terminologie Bevor die eigentliche Untersuchung der Gemeinschaftsrahmen erfolgt, ist es erforderlich, den Begriff der Gemeinschaftsrahmen zu umreißen und von den Handlungsformen der „Leitlinie“ und der „Mitteilung“ abzugrenzen. Dies geschieht zunächst vor dem Hintergrund, dass sich im EG-Vertrag keine Legaldefinition einer der drei genannten Akte findet. Zudem hat sich weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung ein positiver Definitionsansatz entwickelt. Vielmehr werden in Teilen der Literatur14 und in der Rechtsprechung15 die Begriffe „Leitlinie“, „Mitteilung“ und „Gemeinschaftsrahmen“ gleichbedeutend verwandt oder eine Differenzierung wird nicht vorgenommen. Dies ist insofern verständlich, als dass diese drei Handlungsformen vor allem von ihrer Funktion 7 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 6, Rn. 1; Mager, Europäische Verwaltung, S. 377. Zur Entwicklungsoffenheit des Art. 249 EG siehe ausführlich unten 2. Kap. D.IV.1. 8 Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 23; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 133; Schweda, Administrative Normsetzung, S. 278. 9 Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 326. 10 ABl. 1986 Nr. C 83, S. 2. 11 ABl. 1989 Nr. C 123, S. 3. 12 ABl. 1994 Nr. C 72, S. 3. 13 ABl. 1992 Nr. C 213, S. 2. 14 So zum Beispiel: Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 20 f.; Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 17; Gronig/Trüe, JZ 2000, 395, 401. Eine Trennung der Begriffe nimmt auch Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 3 nicht vor. 15 Der EuGH wählt in seinen Urteilen sogar noch von der Bezeichnung der Kommission abweichende Begriffe, wie z. B. Beihilfenkodex oder Verhaltensrichtlinie.

A. Einleitung

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her große Ähnlichkeiten aufweisen.16 Sie sind Durchführungsakte mit Strukturgleichheiten und werden daher zum Teil unter einem gemeinsamen Oberbegriff gefasst.17 Eine Ausrichtung der Abgrenzung ausschließlich an der Terminologie der Kommission ist nicht möglich, da auch diese in den Anfangsjahren zu uneinheitlich war und Akte in den unterschiedlichen Landesfassungen eine unterschiedliche Bezeichnung erhielten.18 Mittlerweile ist die Kommission zwar zu einer einheitlicheren Terminologie übergegangen; eine positive Begriffsbestimmung hat sie aber soweit ersichtlich noch nicht vorgenommen. Eine Abgrenzung der Handlungsformen kann daher nur nach dem inhaltlich erfassten Regelungsbereich erfolgen. Auf das Beihilfenrecht gewendet, ergibt sich danach als erstes wichtiges Unterscheidungskriterium die Art der erfassten Beihilfen. Als Gemeinschaftsrahmen sollen nur solche Veröffentlichungen bezeichnet werden, die für bestehende und für neue Beihilfen gelten.19 Im Gegensatz dazu beziehen sich „Leitlinien“ und „Mitteilungen“ der Kommission ausschließlich auf neue Beihilfen;20 treffen also keine Regelung bezüglich bestehender Beihilfen. Sie sind in ihrem Anwendungsbereich somit weniger weitreichend. 16

Zur Funktion sogleich. Z. B. normvertretende Verwaltungsvorschrift. Siehe zu dieser Terminologie von Danwitz, JZ 2000, 429, 434; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 133. Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 96 f., fasst die Handlungsformen unter dem Begriff „soft law“ zusammen, wobei „soft“ nicht „ohne Bindung“ bedeuten soll. 18 Vgl. etwa: Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 203. Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 14 nennt für die Uneinheitlichkeit der Terminologie der Kommission das Beispiel des „Gemeinschaftsrahmens betreffend staatliche Investitionen für die Verarbeitung oder Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse“, der in der englische Fassung nicht „framework“ sondern „guidelines“ heißt. 19 Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14 Rn. 16; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 151, 155; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 116 (EL 24, 09/2004); Bartosch, NJW 2001, 921, 922; Nowak, Staatliche Förderung regionaler Agrarprodukte, S. 212. Im Gemeinschaftsrahmen für Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen begrenzt die Kommission den Geltungsbereich nicht nur auf neue Beihilfen. Auf S. 13 des Textes werden pauschal alle Beihilfen im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation einbezogen. Aus der Notwendigkeit der Zustimmung der Mitgliedstaaten betreffend die Regelungen für bestehende Beihilfen wird deutlich, dass auch die bestehenden Beihilfen dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrahmens unterfallen sollen. Aus der Einleitung zum Gemeinschaftsrahmen geht zusätzlich hervor, dass sich die getroffenen Regelungen sowohl auf angemeldete Beihilfen (S. 4 des Gemeinschaftsrahmens) als auch auf nicht angemeldete Beihilfen (S. 5 des Gemeinschaftsrahmens) beziehen. 20 Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 25; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 152 ff.; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 134 f.; Nowak, Staatliche Förderung regionaler Agrarprodukte, S. 212. 17

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

Was unter bestehenden und neuen Beihilfen zu verstehen ist, soll sich an der vom EuGH gefundenen Definition orientieren. Bestehende Beihilfe im Sinne des Art. 88 I EG seien nach Sinn und Zweck der Norm nur solche, die vor dem Inkrafttreten des Vertrages bestanden hätten oder die unter den Voraussetzungen des Art. 88 III EG ordnungsgemäß durchgeführt werden durften, einschließlich derjenigen Beihilfen, die der Kommission mitgeteilt worden seien, ohne dass diese zur Vereinbarkeit der Beihilfenvorhaben mit dem Gemeinsamen Markt Stellung genommen hätte. Dagegen seien als neue Beihilfen diejenigen Maßnahmen anzusehen, die auf die Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen gerichtet seien, wobei sich die Umgestaltung auf bestehende Beihilfen oder auf der Kommission mitgeteilte ursprüngliche Vorhaben beziehen könne.21 Die Unterscheidung zwischen neuen und bestehenden Beihilfen ist für das gesamte Beihilfenrecht prägend und von großer Bedeutung. Während neue Beihilfen zunächst unzulässig sind und erst auf Grund einer positiven Kommissionsentscheidung eingeführt werden dürfen, sind bestehende Beihilfen bis zur Feststellung des Gegenteils durch die Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen und unterliegen keinem Durchführungsverbot.22 Die Geltung der Gemeinschaftsrahmen erstreckt sich nach diesem Verständnis somit umfänglich auf jede denkbare Beihilfenhandlung und schließt nicht allein unter temporären Aspekten einzelne Maßnahmen aus. Wesentlicher Unterschied zwischen Gemeinschaftsrahmen, Leitlinien und Mitteilungen ist aber nicht nur die unterschiedliche Reichweite, sondern auch der Erlass der jeweiligen Maßnahme. Während Gemeinschaftsrahmen unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten erlassen werden, sind Leitlinien und Mitteilungen einseitig von der Kommission erlassene Rechtsakte.23 Zum Teil wird in der Literatur versucht, eine Abgrenzung der Handlungsformen in Orientierung ihrer Bedeutung für die Auslegung von Art. 87 EG vorzunehmen. Mitteilungen bezögen sich in der Regel auf Art. 87 I EG, Leitlinien hingegen auf die Ausnahmetatbestände in Art. 87 III EG.24 Die Gemeinschaftsrahmen enthalten demgegenüber Regelungen für beide Normbereiche, wobei hier bereits festgehalten werden kann, dass sich der überwiegende Teil der Regelungen der Gemeinschaftsrahmen auf Art. 87 III EG bezieht.25 21

EuGH Rs. C-295/97, Industrie Aeronautich, Slg. 1999 I, 3735, 3737, 3765. Schmidt/Vollmöller, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 7, Rn. 29. 23 Nowak, Staatliche Förderung regionaler Agrarprodukte, S. 212. Siehe zum einseitigen Erlass von Mitteilungen und Leitlinien: Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 17, 44; Schweda, Administrative Normsetzung, S. 246; Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 789. 24 Vgl. dazu Immenga/Mestmäcker – Ehricke, Art. 87 III EG, Rn. 3; Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 203; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 1087. 25 Dazu ausführlich unten 3. Kapitel. 22

A. Einleitung

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Aufgrund der gefundenen Unterscheidungskriterien sind die Gemeinschaftsrahmen wie folgt zu definieren: Gemeinschaftsrahmen sind Regelungen, die die Durchführung des Beihilfenkontrollverfahrens betreffend Auslegungsregeln in Bezug auf Art. 87 I, III EG enthalten und sich dabei auf neue und bestehende Beihilfen beziehen. Sie werden unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten erlassen.

II. Funktion der Gemeinschaftsrahmen Auf dieser Definition aufbauend kann die Funktion der Gemeinschaftsrahmen näher skizziert werden. Sie haben zum einen eine ermessenslenkende Funktion hinsichtlich der Bewertung neuer Beihilfen. Darüber hinaus enthalten sie konkrete Handlungsanweisungen an die Mitgliedstaaten im Hinblick auf bestehende Beihilfen.26 Gemeinschaftsrahmen erfüllen somit auch eine konkretisierende Funktion: Sie machen die abstrakten Vorgaben des Primärrechts anwendbar,27 indem sie „den Mitgliedstaaten das gezieltere Zuschneiden der Beihilfen auf ein festgestelltes Marktversagen erleichtern“28 und ihnen gleichzeitig die Grenzen der Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt aufzeigen. Nach Aussage der Kommission tragen die Gemeinschaftsrahmen daher auch dazu bei, die Rechtssicherheit und Transparenz ihrer Entscheidungsprozesse zu erhöhen.29 Gleichzeitig bewirken sie eine Selbstkontrolle der Arbeit der Kommission.30 Ziel der Kommission ist es also, zum Zwecke auch ihrer eigenen Entlastung den Mitgliedstaaten (und damit auch dem potenziellen Beihilfenempfänger) bereits vor einer Notifizierung und damit noch weit in der Phase der Planung der Vergabe einer Subvention Orientierungshilfen zur Verfügung zu stellen.31 Anhand derer kann dann eine Abschätzung erfolgen, ob eine geplante Beihilfe Aussicht auf eine Genehmigung durch die Kommission hat. Die Kommission sieht die Gemeinschaftsrahmen somit auch als ein Instrument zur Förderung einer rigorosen Beihilfenkontrolle.32 Gemeinschaftsrahmen hat die Kommission

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Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3, Rn. 759; Groß, DÖV 2004, 20, 21. Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 438. 28 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 4. 29 Vgl. dazu: F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 5; Rawlinson, The Role of Policy Frameworks, S. 57; Rydelski, Handbuch EU Beihilferecht, S. 45 f.; Rydelski, EuZW 2001, 458; von Danwitz, JZ 2000, 429, 433. 30 Rawlinson, The Role of Policy Frameworks, S. 57. 31 Gross, Europäisches Beihilfenrecht im Wandel, S. 146; Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787; Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 93. 32 Kommission, 22. Wettbewerbsbericht (1992) Tz. 18; Heidenhain – Jestaedt/ Schweda, § 14, Rn. 10; Rawlinson, The Role of Policy Frameworks, S. 57. 27

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

daher in mehren Bereichen erlassen,33 um die einheitliche Rechtsanwendung in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

B. Allgemeine Bedenken gegen die Praxis der Gemeinschaftsrahmen Die Praxis der Gemeinschaftsrahmen stößt auf zwei grundsätzliche Bedenken. Zum einen geht es um die Frage, ob eine Handlungsform, die sich an keiner Stelle im Vertragstext findet, gewählt bzw. kreiert werden kann und zum anderen wird eingewandt, dass durch die Praxis der Gemeinschaftsrahmen das institutionelle Gleichgewicht zwischen den Organen der Gemeinschaften unzulässigerweise zugunsten der Kommission verschoben werde.34 An dieser Stelle ist nur auf das Problem der Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts einzugehen. Die andere Frage kann erst im Rahmen der Prüfung der Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens beantwortet werden.

I. Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts Es ist also zu fragen, ob die verschiedentlich behauptete Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts tatsächlich festgestellt werden kann. Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland ist die Europäische Gemeinschaft nicht durch das staatsrechtliche Prinzip der Gewaltenteilung im herkömmlichen Sinne gekennzeichnet.35 Der Gedanke der Gewaltenteilung muss als politische Idee den jeweiligen Verhältnissen in seiner konkreten Ausformung angepasst werden. Damit ist Gewaltenteilung in seiner Ausprägung von dem

33 Beispielhaft genannt seinen nur die Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen, für die Textil- und Bekleidungsindustrie, für staatliche Beihilfen im Agrarsektor und der KfZ-Gemeinschaftsrahmen. 34 Adam/Winter, Commission Guidance, S. 641. Eine Verschiebung liege vor allem dann vor, wenn die erlassenen guidelines für die Mitgliedstaaten verbindlich sind. Dann ist eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung durch den EG-Vertrag notwendig. So auch Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 498; Rawlinson, The Role of Policy Frameworks, S. 60; Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 101 f. Im Ergebnis so auch Lecheler, DVBl. 2008, 873 ff. 35 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 1, Rn. 21, § 14, Rn. 1; SchmidtAßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 7. Kap., S. 379; Klösters, Kompetenzen der EG-Kommission, S. 101; Ruffert, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, S. 220 f.; Groß, DÖV 2004, 20; Mager, Europäische Verwaltung, S. 371. Auf nationaler Ebene ist der Gegenentwurf zum Prinzip der Gewaltenteilung die Idee der Gewaltengliederung. Siehe dazu nur Möllers, Gewaltengliederung, S. 2 ff. (m.w. N.).

B. Allgemeine Bedenken gegen die Praxis der Gemeinschaftsrahmen

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jeweiligen Gemeinwesen abhängig.36 Daher ist es nicht verwunderlich, dass der EG-Vertrag ein eigenes System der gegenseitigen Kontrolle im Sinne eines Prinzips von „checks and balances“ schafft.37 Dass das geschaffene System anders ausfallen muss als z. B. in Deutschland, liegt an dem supranationalen Charakter der Gemeinschaft und deren bestehender Rückbindung an die Mitgliedstaaten.38 Dabei liegt der größte Unterschied zum klassischen Prinzip der Gewaltenteilung darin, dass die Organe und die von ihnen wahrgenommenen Kompetenzen nicht eindeutig zur Legislative oder Exekutive zugeordnet werden können.39 Häberle hat dies zutreffend wie folgt beschrieben: „Der Rat ist ein Gesetzgebungsorgan mit exekutiven Befugnissen, die Kommission ist ein Exekutivorgan mit legislativen Befugnissen, das Parlament das Konsultativorgan mit Kontrollbefugnissen und der EuGH das Judikativorgan mit Rechtsprechungsaufgaben.“40 Unter dem institutionellen Gleichgewicht wird daher die funktionelle Verzahnung der Gemeinschaftsorgane im Sinne einer gemeinschaftsrechtlichen Funktionenordnung verstanden,41 die ihren Ausgangspunkt (heute) in Art. 7 I 2 EG nimmt.42 Danach handelt jedes Organ nach Maßgabe der ihm im EG-Vertrag zugewiesenen Befugnisse. Der EuGH hat dieses Prinzip wie folgt beschrieben: „Die Verträge haben (. . .) ein System der Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Organen der Gemeinschaft geschaffen, das jedem Organ seinen eigenen Auftrag innerhalb des institutionellen Gefüges der Gemeinschaft und bei der Erfüllung der dieser übertragenen Aufgaben zuweist. Die Wahrung des institutionellen Gleichgewichts gebietet es, dass jedes Organ seine Befugnisse unter Beachtung der Befugnisse der anderen Organe ausübt.“43 Der EuGH entwickelte daher unter dem Gesichtspunkt des institutionellen Gleichgewichts in ständiger Rechtsprechung eine Garantie der Aufgabenwahrnehmung durch das 36

Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EU, S. 172. Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 210 f.; Häberle, Europäische Verfassungslehre, S. 423; Möllers, Gewaltengliederung, S. 259. 38 Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EU, S. 172; Mager, Europäische Verwaltung, S. 371. 39 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 1, Rn. 21; Triantafyllou, Vom Vertrags- zum Gesetzesvorbehalt, S. 53; Hilf/Classen, Vorbehalt des Gesetzes im Recht der EU, S. 77; Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EU, S. 173; Klösters, Kompetenzen der EG-Kommission, S. 101; Vogt, Die Entscheidung, S. 209. 40 Häberle, Europäische Verfassungslehre, S. 424. 41 Rodi, Subventionsrecht, S. 446; von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 130; Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EU, S. 173. 42 Auf dieser Grundlage entwickelte der Europäische Gerichtshof den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts: EuGH Rs. C-70/88, Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Gemeinschaften, Slg. 1990 I, 2041, 2072. Vgl. auch Ohler, JZ 2006, 359, 360; Möllers, Gewaltengliederung, S. 1; Vogt, Die Entscheidung, S. 209. 43 EuGH Rs. C-70/88, Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Gemeinschaften, Slg. 1990 I, 2041, 2072. 37

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

zuständige Organ, verbunden mit einem Verbot erheblicher Kompetenzverschiebungen durch Zuständigkeitsübertragungen.44 Diese Festschreibung wird auch als Prinzip der begrenzten organschaftlichen Einzelermächtigung bezeichnet. Ein Handeln außerhalb der genau festgelegten Kompetenzen ist daher unzulässig.45 Das institutionelle Gleichgewicht ist damit ein Ergebnis und Erfordernis der im EG-Vertrag festgelegten Zuständigkeitsordnung und als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt.46 Eine Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts könnte nun daraus resultieren, dass durch die Handlung der Kommission in Form von Gemeinschaftsrahmen, eine unzulässige Einschränkung der Rechte des Rates herbeigeführt wird.47 Konkret soll die Einschränkung der Rechte des Rates in einer Verletzung des „Ratsvorbehalts“48 liegen. Um eine Verletzung des institutionellen Gleichgewichts feststellen zu können, müssen zunächst die Befugnisse des Rates und der Kommission im Allgemeinen (1.) und schließlich speziell im Rahmen des Beihilfenrechts (2.) dargestellt werden. Schließlich ist die Frage zu klären, ob es einen „Ratsvorbehalt“ gibt und ob dieser verletzt wurde (3.). 1. Grundsätzliches Verhältnis von Rat und Kommission Will man das Verhältnis zwischen Rat und Kommission im Sinne des institutionellen Gleichgewichts darstellen, kommt man nach Lektüre des EG-Vertrages zu dem von Häberle so treffend beschriebenen Befund.49 Beide Organe haben sowohl exekutive als auch legislative Befugnisse. a) Aufgaben des Rates Die Hauptaufgabe der Europäischen Gemeinschaften ist die Rechtsetzung. Primäres Rechtssetzungsorgan ist der Rat,50 auch wenn er diese Befugnis meist nur unter Mitwirkung anderer Organe wahrnehmen kann.51 Die Aufgaben des 44 Klösters, Kompetenzen der EG-Kommission, S. 102 f.; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 446; so auch Bast, Handlungsformen, S. 503 f. und Hilf/Classen, Vorbehalt des Gesetzes im Recht der EU, S. 77. 45 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 208. 46 Triantafyllou, Vom Vertrags- zum Gesetzesvorbehalt, S. 53; von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 130. 47 Zuletzt wurde eine Beeinträchtigung des institutionellen Gleichgewichts durch die Leitlinie der Kommission zur Festlegung von Bußgeldern in Kartellsachen angenommen. Siehe dazu: Kallmayer/Haupt, EuZW 2002, 677, 679. 48 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 499. 49 Siehe oben 2. Kap. B.I. 50 Streinz, Europarecht, Rn. 287; von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 125; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 220. 51 Meist hat die Kommission ein Initiativrecht (siehe dazu unten bei Aufgaben der Kommission) oder das Parlament ist einzubeziehen.

B. Allgemeine Bedenken gegen die Praxis der Gemeinschaftsrahmen

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Rates werden in Art. 202 EG allgemein aufgezählt und umfassen neben der Rechtsetzung vor allem noch die Bereiche Vertragsänderung und Beitritt von Drittstaaten (Art. 48, 49 EU), Abstimmung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten (Art. 202, erster Spiegelstrich EG), Abschluss von Abkommen mit Drittstaaten und internationalen Organisationen (Art. 300 EG), Kontrolle der Kommission und des Europäischen Parlaments (in Zusammenarbeit mit den Europäischen Gerichten), Haushalts- (Art. 272 EG) und Personalrecht (Art. 210 EG).52 Exekutivische Befugnisse im Sinne einer Berechtigung zur Einzelfallentscheidung hat der Rat nur in einem eng begrenzten Umfang.53 Die wichtigste Ermächtigung zur Einzelfallentscheidung findet sich dabei im Beihilfenrecht in Art. 88 II UA 3 EG.54 Danach kann der Rat einstimmig auf Antrag eines Mitgliedstaats entscheiden, dass eine von diesem Staat gewährte oder geplante Beihilfe in Abweichung von Art. 87 EG oder von den nach Art. 89 EG erlassenen Verordnung als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gilt, wenn außergewöhnliche Umstände ein solche Entscheidung rechtfertigen. Als Fazit kann festgehalten werden, dass der Rat das Organ mit der größten Kompetenzfülle ist.55 b) Aufgaben der Kommission Betrachtet man die Befugnisse der Kommission, so lassen sich zwei Hauptaufgaben herausarbeiten – zum einen eine integrative und zum anderen eine kontrollierende. Die Aufgaben der Kommission werden in Art. 211 EG pauschal beschrieben und durch speziellere Ermächtigungen im Vertragstext ergänzt. Als „Motor der Integration“56 wird die Kommission beschrieben, weil sie regelmäßig ein Initiativmonopol besitzt. Der Rat darf in diesen Fällen nur tätig werden, wenn die Kommission ihm zuvor einen Vorschlag unterbreitet hat. „Hüterin der Verträge“57 wird die Kommission genannt, weil sie über die Anwendung des EG-Vertrages sowie über die von den Organen erlassenen Rechts52 Zu einer umfassenderen Aufzählung der Befugnisse und Aufgaben des Rates siehe auch Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 221; Streinz, Europarecht, Rn. 286 ff. 53 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 5, Rn. 39; Möllers, Tertiäre exekutive Rechtsetzung, S. 296, 298. 54 Siehe dazu die Ausführungen unten: 2. Kap. B.I.2. 55 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 5, Rn. 35. 56 Vgl. nur Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 242; Streinz, Europarecht, Rn. 336; Groeben/Schwarze – Harnier/Jacqué, Art. 211 EG, Rn. 4; Seidel/Beck, Jura 1997, 393, 394. 57 Vgl. nur Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 241; Streinz, Europarecht, Rn. 341; von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 126; Mager, Europäische Verwaltung, S. 381.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

akte zu wachen hat. Allerdings ist anzumerken, dass die Kommission zur effektiven Erfüllung ihrer Wächterfunktion auf eine Zusammenarbeit mit den Europäischen Gerichten angewiesen ist.58 Dies resultiert daraus, dass der Kommission (in der Regel) gegenüber den Mitgliedstaaten keine eigenen Zwangsmittel zur Verfügung stehen.59 Daher ist sie auf die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren verwiesen.60 Auch wenn es den Europäischen Gemeinschaften weitestgehend an einer eigenständigen Verwaltungsstruktur fehlt, was daraus resultiert, dass die Vollziehung des Gemeinschaftsrechts Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, kommen der Kommission in einigen Teilbereichen echte Verwaltungsaufgaben zu.61 Die Exekutivkompetenz der Kommission zeigt sich vor allem im Wettbewerbsrecht.62 Sie überwacht die Einhaltung der aufgestellten Regelungen, indem sie z. B. Einzelmaßnahmen prüft und bei Verstößen gegen die Wettbewerbsbestimmungen Entscheidungen an die Mitgliedstaaten erlässt. Die Kommission ist somit das Verwaltungsorgan der Gemeinschaft.63 Allerdings hat die Kommission durch einzelne Ermächtigungen zum Erlass von Entscheidungen und Durchführungsverordnungen auch rechtsetzende Aufgaben. Diese Ermächtigungen können sich aus einer Delegation der Befugnisse des Rates durch den Rat oder aus dem EGVertrag selbst ergeben. Damit wird eine eindeutige Qualifikation als Exekutivoder Legislativorgan unmöglich gemacht.64 2. Verhältnis von Rat und Kommission im Beihilfenrecht Im Bereich des Beihilfenrechts haben sowohl der Rat als auch die Kommission Handlungsbefugnisse. Dabei ist festzustellen, dass der Kommission die größeren Handlungsspielräume und „Kreativrechte“ zugewiesen sind. Sie trifft die inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Entscheidungen und kann daher auch als „Herrin des Beihilfenaufsichtsverfahrens“65 bezeichnet werden.66 Da die 58

Sydow, Verwaltungskooperation in der EU, S. 74. Ausnahme: Art. 228 II UA 2 Satz 2 EG. Vgl. dazu: Streinz, Europarecht, Rn. 343; von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 126. 60 Siehe zur Alternativlosigkeit dieses Instruments: von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 127. 61 von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 124. 62 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 240. 63 Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 7. Kap., S. 379. 64 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 463. 65 Rawlinson, The Role of Policy Frameworks, S. 60: „(. . .) the guardian of the Treaties in the area of State aid.“ So auch Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EGBeihilfenrecht, S. 104. 66 Zur herausragenden Stellung der Kommission im Verfahren der Beihilfenaufsicht vergleiche auch Heidenhain – Heidenhain, § 1, Rn. 4; Rydelski, Handbuch EU Beihil59

B. Allgemeine Bedenken gegen die Praxis der Gemeinschaftsrahmen

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Kommission den materiellen Interessenausgleich herzustellen hat, besitzt sie in der näheren Ausgestaltung des Verfahrens weite Ermessensspielräume.67 Demgegenüber nehmen sich die Rechte des Rates eher bescheiden aus. Der Rat kann gemäß Art. 87 III lit. e EG über die in lit. a bis d genannten Fallgruppen hinaus weitere Arten von Beihilfen bestimmen, die mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein können. Seine Befugnisse sind auf die Festsetzung einer Ausnahme beschränkt und räumen ihm keine Befugnis ein, eine eigenständige Beihilfenaufsichtspolitik einzuführen.68 Dies folgt zum einen aus dem Vorschlagsrecht der Kommission und deren grundsätzlicher Zuständigkeit für die Überwachung der Beihilfenpolitik der Mitgliedstaaten und zum anderen aus der Festschreibung der allgemein anerkannten Interessen im Bereich der Beihilfenaufsicht im Text des EG-Vertrages.69 Weiterhin ermächtigt Art. 89 EG den Rat zum Erlass von Durchführungsverordnungen. Dabei handelt es sich vorrangig um die Befugnis zur Regelung von Verfahrensfragen, aber auch um die Befugnis zur Regelung materiellen Rechts, wie der Verweis auf Art. 87 EG zeigt.70 Bestimmungen hinsichtlich materieller Fragen können den Inhalt der Vertragsbestimmungen ergänzen aber nicht erweitern oder abändern.71 Auch hier ist der Rat auf eine Zusammenarbeit mit Kommission und Europäischem Parlament angewiesen, kann also nicht eigenständig handeln und entscheiden. Die stärkste Handlungsposition erhält der Rat durch Art. 88 II UA 3 EG. Danach kann er im Einzelfall eine alleinige Entscheidung darüber treffen, ob eine mitgliedstaatliche Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Dadurch werden die Prüfungs- und Überwachungsbefugnisse der Kommission in diesem Fall komplett auf den Rat übertragen, der dann in seiner Entscheidung übergeordneten politischen Gesichtspunkten Vorrang gegenüber den Wertungen des Art. 87 EG geben kann.72 Der Rat besitzt hier eine Letztentscheidungskompetenz. Im Falle einer positiven Entscheidung des Rates ist die Kommission hieran gebunden.73 Auch eine spätere gegenteilige Entscheidung der Kommisfenrecht, S. 44; von Danwitz, JZ 2000, 429, 431. Allgemein zur Stellung der Kommission als Aufsichtsbehörde: Vogt, Die Entscheidung, S. 117; Edwards/Spence – Docksey/Williams, European Commission, S. 120. 67 Heidenhain – Heidenhain, § 1, Rn. 5; Rydelski, Handbuch EU Beihilferecht, S. 44. 68 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 169; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 354. 69 Rawlinson, The Role of Policy Frameworks, S. 60, Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 354. 70 Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 89 EG, Rn. 1. 71 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 169. 72 Frenz, Handbuch Europarecht Band 3, § 4, Rn. 1131. 73 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 173.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

sion ist nicht möglich.74 Problematisch an dieser Kompetenzzuweisung an den Rat ist, dass er durch eine extensive Nutzung der ihm zustehenden Befugnis das Beihilfenverbot des Art. 87 I EG einschränken und die Rechte der Kommission zur Überwachung des Beihilfenrechts aushöhlen könnte. In diesen weitreichenden Folgen zeigt sich, dass die Kompetenz des Rates eine Durchbrechung der allgemeinen Grundsätze der Beihilfenaufsicht darstellt.75 Die Befugnisse des Rates müssen daher als Ausnahmen behandelt werden. Sie sind also auf das Engste zu begrenzen und nur auf außerordentliche, nicht anders zu bewältigende Sachverhalte zu beschränken.76 Aufgrund dieser vielseitig vorhandenen gegenseitigen Verschränkungen der Rechte von Rat und Kommission entsteht ein austariertes Gleichgewicht der Institutionen. Allerdings muss festgestellt werden, dass das institutionelle Gleichgewicht im Bereich des Beihilfenrechts sich gleichsam umgekehrt zum grundsätzlichen Verhältnis von Rat und Kommission im EG-Vertrag verhält, denn nach den Beihilfevorschriften ist die Kommission das mit Abstand wichtigste Gemeinschaftsorgan.77 3. Ratsvorbehalt Dieses quasi bereichsspezifische institutionelle Gleichgewicht könnte dadurch verletzt werden, dass die Kommission mit dem Erlass von Gemeinschaftsrahmen Regelungen für bestehende und neue Beihilfen trifft. Das könnte eine Beeinträchtigung der Ratskompetenzen insofern darstellen, als dass dem Rat in allen wesentlichen Angelegenheiten (sowohl politischen als auch wirtschaftlichen) die abschließende Entscheidung über die Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts zukommt.78 Eine Unterscheidung „zwischen Vorschriften, die für die zu regelnde Materie wesentlich sind und daher der Zuständigkeit des Rates vorbehalten bleiben müssen und Vorschriften, deren Erlass, da sie nur der Durchführung dienen, der Kommission übertragen werden“79 können, ist möglich. Dies folgt aus Art. 202, 211 EG in Verbindung mit den jeweiligen bereichsspezifischen Normen.80 Die Wesentlichkeit ist daher nach dem jeweiligen 74 Frenz, Handbuch Europarecht Band 3, § 4, Rn. 1135. Einschränkend Groeben/ Schwarze – Mederer, Art. 88 EG, Rn. 77. 75 Frenz, Handbuch Europarecht Band 3, § 4, Rn. 1131; Nowak, EuZW 2003, 389, 390. 76 Heidenhain – Heidenhain, § 20, Rn. 5; Nowak, EuZW 2003, 389, 390; Groeben/ Schwarze – Mederer, Art. 88 EG, Rn. 72. 77 Rydelski, Handbuch EU Beihilferecht, S. 44; von Danwitz, JZ 2000, 249, 231. 78 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 5, Rn. 35; Rodi, Subventionsrechtsordnung S. 449; Möllers, Tertiäre exekutive Rechtsetzung, S. 296. 79 EuGH Rs. C-240/90, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1992 I, 5383, 5433 f.

B. Allgemeine Bedenken gegen die Praxis der Gemeinschaftsrahmen

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Politikenfeld gesondert zu bestimmen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind danach wesentlich „solche Bestimmungen, durch die die grundsätzlichen Ausrichtungen der Gemeinschaftspolitik umgesetzt werden“.81 Aus dieser „Wesentlichkeitsrechtsprechung“ folgt daher ein weit zu verstehender Vorbehalt zugunsten des Rates hinsichtlich der Rechtssetzung. Der sogenannte „Ratsvorbehalt“, als Parallele zum deutschen Gesetzes- oder Parlamentsvorbehalt, ist vor allem im Beihilfenrecht problematisch. Auch im deutschen Recht findet sich eine Diskussion, inwieweit bei der Subventionsvergabe gesetzliche Vorgaben durch das Parlament geschaffen werden müssen.82 Im europäischen Beihilfenrecht stellt sich nun die Frage, inwieweit der Rat das Beihilfenrecht vorprägen muss oder anders formuliert, inwieweit die Kommission Freiheiten hat, eine neue Beihilfenpolitik einzuführen. Die Politiken der Gemeinschaft werden im dritten Teil des EG-Vertrages beschrieben. Zu diesen gehören auch die Regelungen über Beihilfen. Die Beihilfenpolitik beschreibt dabei die Grundsätze der Vergabe von Beihilfen. Die Beihilfenpolitik umfasst nicht nur das grundsätzliche Beihilfenverbot, sondern auch die (bereichsspezifischen) Ziele, an denen die Kontrolltätigkeit auszurichten ist. Sie ist dabei insgesamt in die Zielbestimmungen des EG-Vertrages einzubetten.83 Da die Beihilfepolitiken in den einzelnen Sektoren direkte Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten und deren Subventionsvergabe haben, stellen sie eine wesentliche Entscheidung dar. Weil die Gemeinschaften aber über keine eigenständige Legitimationsgrundlage verfügen, bedarf es bei wesentlichen Entscheidungen einer Rückbindung an die Mitgliedstaaten.84 Eine solche demokratische Legitimation wird nicht allein durch das Europäische Parlament vermittelt, sondern auch durch die parlamentarisch kontrollierten Vertreter der Mitgliedstaaten im Rat.85 Daher spricht für eine Notwendigkeit der Vorprägung des Beihilfenrechts durch den Rat seine größere demokratische Legitimation.86 80

Hofmann, Normenhierarchie, S. 118. EuGH Rs. C-240/90, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1992 I, 5383, 5433 f.; Hilf/Classen, Vorbehalt des Gesetzes im Recht der EU, S. 80. 82 Siehe dazu bereits oben, 1. Kap. A.I. 83 Groeben/Schwarze – Mederer, Vorbemerkung zu Art. 87–89 EG, Rn. 3. 84 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 449. Siehe allgemein zur Legitimationsbasis der EU: Brosius-Gersdorf, EuR 1999, 133 ff. 85 Ohler, JZ 2006, 359, 361; Hilf/Classen, Vorbehalt des Gesetzes im Recht der EU, S. 78; von Danwitz, JZ 2000, 429, 432. 86 Zur grundsätzlichen Kritik an der unzureichenden parlamentarischen Kontrolle und demokratischen Legitimation der Beihilfenaufsicht vgl. von Danwitz, JZ 2000, 429, 431. Allgemein zur rechtswissenschaftlichen Diskussion im Bereich der Legitimation der EU: Brosius-Gersdorf, EuR 1999, 133 ff. Siehe zur Zusammensetzung und zur demokratischen Legitimation des Rates: Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 5, Rn. 17 ff. 81

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

Für einen Ratsvorbehalt sprechen auch Aspekte der Entflechtung. Der Kommission obliegt schon die aufsichtsrechtliche Komponente des Beihilfenrechts. Obläge ihr zudem (allein) die Zielbestimmung, also die politische Grundausrichtung, an der die Kontrolltätigkeit auszurichten ist, könnte die Kommission eigene Sachpolitiken durchsetzen und damit die ihr eingeräumten Kompetenzen unzulässig ausweiten.87 Für eine Entscheidung durch die Kommission und damit gegen einen Vorbehalt des Rates sprechen die Unabhängigkeit der Kommissionsmitglieder (Art. 213 I, II EG), die schnellere Reaktionsmöglichkeit der Kommission und die beherrschende Rolle der Kommission im Beihilfenrecht. Die Kommissionsmitglieder entscheiden unabhängig von den mitgliedstaatlichen Vorgaben, da die Kommissare von den Regierungen weder Weisungen anfordern noch annehmen dürfen (Art. 213 II 2 EG).88 Von ihnen ist also eine höhere Objektivität und ein größeres fachliches Verständnis zu erwarten.89 Eine demokratische Rückkopplung besteht auch bei der Kommission.90 Diese ist aber nur mittelbar. Sie wird über die die Benennung vornehmenden Regierungen der Mitgliedstaaten und weiterhin über die Notwendigkeit der Zustimmung durch das Europäische Parlament vermittelt.91 Wendet man die „Wesentlichkeitsrechtsprechung“ des EuGH auf die Gemeinschaftsrahmen an, dann darf durch die Gemeinschaftsrahmen von der Kommission keine neue Beihilfenpolitik, also keine, die von den bisherigen Grundsätzen abweicht, eingeführt werden, auch wenn die Kommission die größere Sachkompetenz besitzt. Die Grundzüge der Beihilfenpolitik müssen daher durch den Rat vorgeprägt werden und durch einen effektiven Rechtsschutz gegen die Verfolgung „einer allzu eigenständigen Beihilfenpolitik durch Entwicklung neuer Entscheidungsmaßstäbe von Seiten der Kommission“92 verteidigt werden.93

87 Siehe zu diesem Spannungsverhältnis: Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 191 f. 88 Möllers, Gewaltengliederung, S. 271. 89 Schütterle, EuZW 1995, 391, verweist dafür auf die Erfahrungen im Stahlbereich, wo nur die Kommission in der Lage war, dem Schutz des Wettbewerbs gegenüber den sachpolitischen oder nationalen Eigeninteressen das ihm zustehende Gewicht zu geben. 90 von Danwitz, JZ 2000, 429, 431. 91 Hilf/Classen, Vorbehalt des Gesetzes im Recht der EU, S. 78 f. 92 von Danwitz, JZ 2000, 429, 432. 93 Siehe zur Notwendigkeit der Ausrichtung der von der Kommission erlassenen Ausführungsakte (speziell Verwaltungsvorschriften) an den Vorgaben des Rates: Klösters, Kompetenzen der EG-Kommission, S. 112. In diese Richtung ist auch die Entscheidung EuGH Rs. C-311/94, Ijssel-Vliet, Slg. 1996 I, 5023, 5060 f. zu verstehen.

C. Rechtsgrundlage für die Gemeinschaftsrahmen

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4. Schlussfolgerung Eine Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts ist also dann nicht zu erwarten, wenn in den Gemeinschaftsrahmen keine neue Beihilfepolitik eingeführt wird. Bestätigung findet dieser Befund durch Art. 87 III lit. e EG und Art. 88 II UA 3 EG, wonach das Recht zur Zulassung „sonstiger Beihilfen“ allein dem Rat zusteht.94

II. Bewertung Durch die Gemeinschaftsrahmen werden keine neuen Beihilfenpolitiken eingeführt. Neben Festlegungen für andere Politikbereiche gibt es vor allem im Bereich von Forschung und Entwicklung bezüglich der gemeinschaftlichen Politikvorstellungen Vorgaben im EG-Vertrag.95 Die Kommission erläutert daher in den Gemeinschaftsrahmen vielmehr ihre Vorstellungen über die Entwicklung der Politik.96 Die bestehenden vertraglichen Vorprägungen werden in dem Sinne weiter ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten verbindliche Entscheidungshilfen an die Hand bekommen sollen. Die Zulässigkeit der Gemeinschaftsrahmen kann unter dem Blickwinkel der Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts daher nicht beanstandet werden.97

C. Rechtsgrundlage für die Gemeinschaftsrahmen Unabhängig von der Frage, ob durch die Gemeinschaftsrahmen eine Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts erfolgt, wird diskutiert, ob die Gemeinschaftsrahmen einer Rechtsgrundlage bedürfen. Diese Diskussion weist im Ergebnis in eine ähnliche Richtung, denn auch sie beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Kompetenzen der Organe der EG zueinander. Daher bedingen sich diese Problemkreise zum Teil. Wenn eine entsprechende Rechtsgrundlage auszumachen ist, dann lässt sich die Frage nach der Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts eindeutig in eine Richtung beantworten. Ist eine Rechtsgrundlage zugunsten der Kommission vorhanden, bestätigt sich das oben gefundene Ergebnis. Festzuhalten ist zunächst, dass es im EG-Vertrag keine allgemeine Kompetenzgrundlage zum Erlass von Gemeinschaftsrahmen gibt.98 94

Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 499. Vgl. für den Bereich Forschung und Entwicklung: Art. 163 ff. EG. 96 Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 25. 97 So im Ergebnis auch Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 791. 98 Dies ist nur logisch, da sich das Institut der Gemeinschaftsrahmen selbst auch nicht im Vertragstext finden lässt. 95

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

I. Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage im EG-Vertrag Unabhängig davon, ob die Regelungen der Gemeinschaftsrahmen Grundsatzoder Durchführungsregelungen sind, sei daran erinnert, dass der Kommission durch den EG-Vertrag sowohl rechtsetzende als auch exekutivische Aufgaben zugewiesen werden. Sollte in den Gemeinschaftsrahmen ein rechtsetzender Akt zu sehen sein, bedürfte die Kommission einer ausdrücklichen vertraglichen Ermächtigung. Dies folgt schon aus dem Grundsatz der organschaftlichen begrenzten Einzelermächtigung. Sollte in den Gemeinschaftsrahmen eine exekutivische Handlungsform erblickt werden, ist fraglich, ob diese einer vertraglichen Ermächtigung (Vertragsvorbehalt) bedürfen.99 Nach dem Modell in der Französischen Verfassung von 1958 hat die Exekutive eine eigene Kompetenz zum Erlass von Durchführungsbestimmungen, ohne dass es dazu einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedarf.100 Danach wäre eine vertragliche Ermächtigung nicht erforderlich. Nach deutscher Dogmatik bedarf jedes in Freiheit und Eigentum eingreifende bzw. jedes für die Grundrechtsverwirklichung wesentliche Verwaltungshandeln einer gesetzlichen Grundlage.101 Ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage darf die Exekutive nicht tätig werden.102 Der Gesetzesvorbehalt erschöpft sich dabei nicht in der Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage für Grundrechtseingriffe. Vielmehr verlangt er auch, dass alle wesentlichen Fragen vom Parlament selbst entschieden und nicht anderen Normgebern überlassen werden.103 Folgt man der deutschen Dogmatik vom Gesetzesvorbehalt, ist eine vertragliche Ermächtigung oder eine Ermächtigung durch den Rat (zum Beispiel in einer Verordnung) zumindest dann erforderlich, wenn es sich bei den Gemeinschaftsrahmen um Akte handelt, die rechtsverkürzend in die grundlegenden Rechte der Betroffenen eingreifen. Da die Gemeinschaftsrahmen von der Kommission als 99 Die Notwendigkeit bejahend Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 86 ff., 93. So auch Schweda, Administrative Normsetzung, S. 280; Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EU, S. 247 ff. Die Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage verneinend, da sich die Verbindlichkeit lediglich aus der Zustimmung der Mitgliedstaaten ergebe: Jestaedt/Schweda, EuZW 1995, 787, 791, 792. 100 Hofmann, Normenhierarchie. S. 126 ff., 135. 101 Dies sind Probleme des Vorbehalts des Gesetzes und der Wesentlichkeitstheorie. Siehe dazu: Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EU, S. 251; Detterbeck, Jura 2002, 235, 236. 102 Reimer, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band I, § 9, Rn. 26; Maurer, Staatsrecht, § 8, Rn. 19. 103 So die ständige Rechtsprechung. Vgl. nur: BVerfGE 95, 267, 307; BVerfGE 83, 130, 142, 152. Ebenso Reimer, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band I, § 9, Rn. 45; Maurer, Staatsrecht, § 8, Rn. 21. Kritisch zum Begriff der Wesentlichkeit: Battis/Gusy, Einführung Staatsrecht, Rn. 258; Reimer, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band I, § 9, Rn. 57 ff.

C. Rechtsgrundlage für die Gemeinschaftsrahmen

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Instrument der rigorosen Beihilfenkontrolle verstanden werden, die Mitgliedstaaten aber aufgrund ihrer Souveränität berechtigt sind, Subventionen nach eigener Vorstellung zu vergeben, könnte eine gesetzliche oder besser gesagt vertragliche Grundlage notwendig sein. Dagegen spricht aber, dass die Gemeinschaftsrahmen überwiegend nur mittelbar eine Auswirkung für die Mitgliedstaaten und die Beihilfenempfänger zeitigen. Vielmehr sind es die auf dem Gemeinschaftsrahmen beruhenden Handlungen, die die Gestaltungshoheit der Mitgliedstaaten beeinträchtigen und damit die Rechtsverkürzung mit sich bringen. Eine dritte Möglichkeit stellt jene These dar, die davon ausgeht, dass das dem Vertragsrecht zugrunde liegende Prinzip der begrenzten Ermächtigung sämtliche Tätigkeit der Gemeinschaft an das Vorliegen einer gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung bindet.104 Dazu führt Brenner aus: „Die mitgliedstaatliche Ermächtigung zur Ausübung gemeinschaftlicher Hoheitsgewalt ist pauschal in dem Sinn erfolgt, dass nicht nur eingreifendes, sondern jegliches Gemeinschaftshandeln auf eine vertragliche Grundlage zurückzuführen sein muss.“105 Auf diese grundlegende Verschränkung zwischen dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und der funktionellen Integration hat bereits im Jahre 1957 der Generalanwalt Lagrange hingewiesen: „[Bei dem Grundsatz der begrenzten Ermächtigung] handelt es sich um einen ganz wesentlichen Aspekt des Vertrages. Die Mitgliedstaaten haben sich nur unter der Bedingung eines Teils ihrer Souveränität zugunsten von Organen begeben, dass diese sich an festumrissene, in sich selbst verständliche Regeln halten. Keines der Organe kann daher Befugnisse ausüben, die ihm nicht durch den Vertrag verliehen worden sind.“106 Demnach ist eine Unterscheidung nach legislativem oder exekutivem, nach belastendem oder begünstigendem Handeln der Organe der EG nicht notwendig bzw. nicht geboten. Die Gemeinschaft hat als überstaatliche Organisationsform gerade keine Allzuständigkeit wie ein Staat,107 sondern ist auf eine Übertragung von Kompetenzen angewiesen.108 Dieser letzte Ansatz entspricht am ehesten der Geschichte der EG und bringt den Grundsatz der begrenzten Ermächtigung zur bestmöglichen Entfaltung. Daher ist dem letzten Ansatz folgend für jede Tätigkeit der Gemeinschaft eine vertragliche Ermächtigung zu fordern. 104 Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EU, S. 247; Kenntner, NJW 1998, 2871; Sydow, Verwaltungskooperation in der EU, S. 40 f. 105 Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EU, S. 248. 106 Schlussanträge in EuGH verbundene Rs. 7/56, 7/57, 7/57, Fräulein Dineke Alegra u. a./Gemeinsame Versammlung der EGKS, Slg. 1957, 83, 140, 167 f. Nachweis auch bei von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, S. 96 f. 107 Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 19. 108 Kenntner, NJW 1998, 2871.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

II. Rechtsgrundlage im Bereich der Regelungen über staatliche Beihilfen Da die Gemeinschaftsrahmen ein spezifisch beihilfenrechtliches Instrument der Kommission sind, müsste eine entsprechende Rechtsgrundlage im EG-Vertrag im Abschnitt über die staatlichen Beihilfen zu finden sein. Art. 88 I EG kann diese notwendige vertragliche Grundlage darstellen. Nach dieser Norm überprüft die Kommission fortlaufend in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen. Zudem schlägt sie die zweckdienlichen Maßnahmen vor, welche die fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erfordern. Die Kommission scheint in dieser Norm eine hinreichende Rechtsgrundlage zu erblicken. Im Gemeinschaftsrahmen für Forschung, Entwicklung und Innovation wird Art. 88 I EG daher als Rechtsgrundlage für die Regelung bestehender Beihilfen zitiert.109 Die Heranziehung von Art. 88 I EG erscheint allerdings in der Hinsicht problematisch, als dass er nur zum Erlass der zweckdienlichen Maßnahmen in Bezug auf bestehende Beihilfenregelungen ermächtigt, die Gemeinschaftsrahmen nach dem Verständnis und der Definition der Kommission aber auch Regelungen für neue Beihilfen enthalten. Aus dem Wortlaut des Art. 88 I EG lässt sich keine Erstreckung der Befugnis auch auf nicht angemeldete (neue) Beihilfen herleiten.110 Dennoch sind die Gemeinschaftsrahmen unter diesem Blickwinkel vor dem EuGH noch nie von einem Mitgliedstaat beanstandet worden. Auch der EuGH hat in seiner Rechtsprechung stets Art. 88 I EG als ausreichende Rechtsgrundlage erachtet.111 Er unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht nach dem jeweiligen Regelungsgehalt der Festlegungen in den Gemeinschaftsrahmen, sondern sieht alle getroffenen Regelungen gleichermaßen als von Art. 88 I EG gedeckt an. Eine Befassung mit der Problematik scheint dennoch aufgrund des unumstrittenen Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung angebracht. Zu untersuchen ist also, ob es auch eine Kompetenz der Kommission zum Erlass von Regelungen in den Gemeinschaftsrahmen betreffend neue Beihilfen gibt. Aufgrund der umfänglichen Geltung des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung, der herausragenden Bedeutung des „effet utile“ und der Entwick109

F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 44. Diese wortlautgebundene Auslegung vertreten auch Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 112, 118; Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 30. 111 EuGH Rs. C-135/93, KfZ-Gemeinschaftsrahmen I, Slg. 1995 I, 1651, 1680; EuGH Rs. C-311/94, Ijssel-Vliet, Slg. 1996 I, 5023, 5057; EuGH Rs. C-292/95, KfZGemeinschaftsrahmen II, Slg. 1997 I, 1931, 1952; Schweda, Administrative Normsetzung, S. 270, 323. 110

C. Rechtsgrundlage für die Gemeinschaftsrahmen

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lung der „implied-powers-Lehre“, gilt im Europarecht der im deutschen Recht unangefochtene Grundsatz, dass von einer Aufgabenzuweisungsnorm nicht auf eine Regelungskompetenz des Organs geschlossen werden kann, nicht.112 Eine Kompetenz könnte daher daraus folgen, dass die Kommission zur Überprüfung neuer Beihilfen berufen ist. Nach Art. 88 III EG wird die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann. Bevor die Kommission nicht eine abschließende Entscheidung erlassen hat, darf der Mitgliedstaat die Beihilfe auch nicht einführen (sogenannte Startverbotsklausel). Wenn allerdings die Kommission zur Überprüfung der neuen Beihilfen berufen ist, spricht nichts dagegen, dass sie ihre Entscheidungsmaßstäbe transparent für die Mitgliedstaaten in einem Gemeinschaftsrahmen festlegt. Die Regelungen betreffend neue Beihilfen greifen im Ergebnis nur auf, was bereits Bestandteil der Rechtsordnung auf Grundlage des EG-Vertrages ist.113 Aus Sicht der Mitgliedstaaten ist die so geschaffene sicherere Rechtslage zu begrüßen, da der Kommission bei der Beurteilung des Tatbestandsmerkmals „Beihilfe“ und bei der Bestimmung der Fakultativausnahmen nach Art. 87 III EG ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird, den der EuGH auch nur eingeschränkt überprüft.114 Der Teil betreffend neue Beihilfen stellt damit vor allem eine Handlungsvorgabe für die Kommission zur Entscheidung im Einzelfall dar, die lediglich eine Konkretisierung des weiten Ermessens der Kommission ist.115 Die Regelungen über die Handhabung neuer Beihilfen können damit auch als ausschließlich kommissionsgerichtet bezeichnet werden.116 Somit stellt eine Zusammenschau der Art. 87 I, III EG und Art. 88 III EG eine entsprechende Rechtsgrundlage für den Erlass von Regelungen bezüglich neuer Beihilfen in den Gemeinschaftsrahmen dar.117 Damit besitzt die Kommission eine Kompetenz sowohl für den Erlass der Regelungen im Gemeinschaftsrahmen bezüglich bestehender als auch bezüglich neuer Beihilfen. Dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung ist damit hinreichend Rechnung getragen.

112 Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 190 f. So im Ergebnis auch Schweda, Administrative Normsetzung, S. 378. 113 Ebenso Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 110. 114 Siehe dazu ausführlich unten: 3. Kap. C. 115 Schweda, Administrative Normsetzung, S. 195. 116 Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 26. 117 Schweda bezeichnet Art. 87 EG auch als offene Kompetenznorm. Zitierung als Rechtsgrundlage: Schweda, Administrative Normsetzung, S. 378; Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 791.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens Zentraler Gegenstand der Untersuchung ist die Frage nach der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen. Eine abschließende Klärung konnte bisher noch nicht herbeigeführt werden. Die europäischen Gerichte waren noch nicht gezwungen, eine entsprechende Entscheidung zu treffen. Ihre Rechtsprechung ist daher deutungsoffen geblieben. In der Literatur werden unterschiedliche Lösungsansätze diskutiert. Zur Klärung der Rechtsnatur sind zunächst die gemeinsamen Grundlagen (I.), anschließend der Stand der Diskussion in der Rechtsprechung (II.) und in der Literatur (III.) darzustellen, um auf dieser Grundlage eine eigene Auffassung zu entwickeln (IV.).

I. Rückschlüsse aus Urheber und Bezeichnung der Handlungsform Durch die Rechtsprechung des EuGH wurde für die Bestimmung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen eine gemeinsame Betrachtungsgrundlage geschaffen. Danach sind die Gemeinschaftsrahmen verbindliche Rechtshandlungen von allgemeiner Tragweite im Beihilfenrecht.118 Aus dieser Aussage entspringen aber auch die unterschiedlichen Lösungsansätze, denn sie ist insoweit neutral, als dass verbindliche rechtliche Regelungen durch unterschiedlichste Handlungen der Verwaltung, innerhalb und außerhalb des Handlungsformenkataloges von Art. 249 EG, erreicht werden können. Weiterhin kann als gegeben unterstellt werden, dass aus dem Umstand, dass die Kommission die Gemeinschaftsrahmen „erlässt“, keine relevante Schlussfolgerung für die Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen gezogen werden kann.119 Dies folgt aus der ambivalenten Position, die die Kommission im Gewaltengefüge des EG-Vertrages einnimmt. Eine eindeutige Qualifikation der Kommission als Exekutiv- oder Legislativorgan ist nicht möglich.120 Auch aus der Bezeichnung einer Handlung kann kein endgültiger Rückschluss auf ihren Rechtscharakter erfolgen. Zwar dient die Bezeichnung eines Rechtsaktes als prima-facie-Hinweis auf deren Rechtsnatur und kann auch bei der Bestimmung des Rechtsgehalts der Maßnahme zur Interpretation herangezogen werden,121 dennoch ist die durch die Bezeichnung erfolgende Einordnung 118 EuGH Rs. C-313/90, CIRFS, Slg. 1993 I, 1125, 1188; EuGH Rs. C-311/94, Ijssel-Vliet, Slg. 1996 I, 5023, 5058. 119 Ruffert, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, S. 221. 120 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 463; Häberle, Europäische Verfassungslehre, S. 424. Siehe dazu auch die Darstellungen oben: 2. Kap. B.I. 121 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 106 (EL 20, 08/2002).

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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widerleglich und damit nicht verbindlich. Dies folgt zum einen aus Art. 249 I EG und zum anderen aus Art. 230 IV EG. Art. 249 I EG stellt die genannten Handlungsformen den aufgezählten Organen zur Verfügung. Dies erlaubt allenfalls einen Rückschluss auf den Urheber der jeweiligen Handlung. Der legislative oder exekutive Charakter einer Maßnahme kann dagegen nicht formal abgeleitet werden.122 Auch kann aus der bloßen Bezeichnung kein Schluss darauf gezogen werden, ob der erlassene Akt Grundsatz- oder Durchführungsregelung ist.123 Schließlich geht auch Art. 230 IV EG davon aus, dass ein Rechtsakt entgegen seiner Bezeichnung eine davon abweichende Rechtsnatur haben kann.124 Nach dem Wortlaut der Norm steht fest, dass ein formal als Verordnung erlassener und bezeichneter Akt im Einzelfall den Charakter einer Entscheidung aufweisen kann. Rückschlüsse auf die Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen sind somit weder aus der Handlungsform noch aus der Tatsache zu gewinnen, dass die Kommission die Gemeinschaftsrahmen erlässt. Eine eingehendere Analyse der Rechtsnatur ist daher notwendig.

II. Rechtsprechung der europäischen Gerichte Die Rechtsprechung der europäischen Gerichte hat die Literatur in ihrer Meinungsbildung maßgeblich beeinflusst. Daher soll als Grundlage der Diskussion die Aufarbeitung der Rechtsprechung dienen. Festzuhalten ist zunächst, dass sich die europäischen Gerichte einer eindeutigen Positionierung hinsichtlich der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen bisher entzogen haben. Dennoch lassen sich aus einigen Entscheidungen wertvolle Hinweise gewinnen, die zumindest eine Verständnispräferenz nahe legen. 1. Rechtsprechung des EuGH a) Der Ausgangspunkt: Rechtssache Deufil – EuGH, Slg. 1987, 901 ff. Die älteste Entscheidung zum Themenkomplex der Gemeinschaftsrahmen ist jene in der Rechtssache Deufil aus dem Jahr 1987.125 In diesem Urteil findet sich eine Aussage, die das Verhältnis der Regelungen der Gemeinschaftsrahmen 122 Hofmann, Normenhierarchie, S. 213; Möllers, Gewaltengliederung, S. 257; Bast, Handlungsformen, S. 503 ff. 123 Hofmann, Normenhierarchie, S. 213. 124 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 106 (EL 20, 08/2002); Groeben/ Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 26. 125 EuGH Rs. C-310/85, Deufil, Slg. 1987, 901 ff.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

zu den Normierungen im EG-Vertrag festlegt. Der Gemeinschaftsrahmen enthalte lediglich Leitlinien für das künftige Vorgehen der Kommission auf dem Gebiet der Beihilfen im entsprechenden Sektor, deren Beachtung die Kommission von den Mitgliedstaaten verlangen könne. Er beinhalte keine Ausnahmeregelung zu den Artikeln 92 und 93 EWG-Vertrag [jetzt Art. 87, 88 EG], was auch unzulässig wäre.126 Dieser Aussage lässt sich entnehmen, dass es selbstverständlich ist, dass der betreffende Gemeinschaftsrahmen die verbindlichen Kriterien für die Gewährung von Beihilfen im erfassten Bereich nicht abschließend festgelegt hat.127 Vielmehr bleiben die allgemeinen Regeln des EG-Vertrages daneben bestehen. Hinsichtlich der Wirkung der Gemeinschaftsrahmen lässt sich der Entscheidung entnehmen, dass sie sowohl für die Kommission als auch für die Mitgliedstaaten eine Bindung entfalten. Wie diese für den jeweiligen Adressaten ausgestaltet ist, wird hingegen nicht deutlich. b) Wirkung der Gemeinschaftsrahmen Zur Wirkung der Gemeinschaftsrahmen und zur Ausgestaltung der Bindung an die Gemeinschaftsrahmen finden sich in den folgenden Jahren mehrere Entscheidungen. Sie bauen aufeinander auf und münden schließlich in der Feststellung, dass die Gemeinschaftsrahmen sowohl für die Kommission als auch für die Mitgliedstaaten eine Bindungswirkung entfalten. Am Anfang dieser Reihe steht die Entscheidung in der Rechtssache CIRFS.128 Der EuGH wies in diesem Urteil zunächst darauf hin, dass es in der Sache darum ginge, ob ein Gemeinschaftsrahmen eine zwingende Wirkung haben könne.129 Diese Frage wurde im Ergebnis bejaht. Der Einwand, dass die Gemeinschaftsrahmen unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten zustande kommen und sie daher als Vereinbarung ohne objektive Bedeutung verstanden werden könnten, wurde zurückgewiesen.130 Daraus wird deutlich, dass der EuGH die Gemeinschaftsrahmen als „eine Handlung mit allgemeiner Tragweite“131 begreift, die weit mehr ist als eine bloße interne Absprache oder ein anderer informeller und unverbindlicher Akt. Daraus folgt zumindest für die Kommission eine Pflicht, die erlassenen Gemeinschaftsrahmen bei ihren Entscheidungen anzuwenden.

126 127 128 129 130 131

EuGH Rs. C-310/85, Deufil, Slg. 1987, 901, 927. Schweda, Administrative Normsetzung, S. 257. EuGH Rs. C-313/90, CIRFS, Slg. 1993 I, 1125 ff. EuGH Rs. C-313/90, CIRFS, Slg. 1993 I, 1125, 1186. EuGH Rs. C-313/90, CIRFS, Slg. 1993 I, 1125, 1186. EuGH Rs. C-313/90, CIRFS, Slg. 1993 I, 1125, 1188.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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aa) Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten Auch für die Mitgliedstaaten müsste im Anschluss an die Entscheidung in der Rechtssache CIRFS eine umfassende und unmittelbare Bindung folgen. Allerdings war die Beachtung des Gemeinschaftsrahmens zur Bedingung der Genehmigung des Beihilfenprogramms gemacht worden. Dadurch folgte die unmittelbare Bindung nicht direkt aus dem Gemeinschaftsrahmen selbst, sondern aus der Genehmigungsentscheidung. Die Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten blieb damit ungewiss. Hier setzte die Entscheidung in der Rechtssache Ijssel-Vliet an.132 Eine der zentralen Fragen war, ob die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Gemeinschaftsrahmen zu berücksichtigen. Das Gericht war somit gezwungen, sich zur Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten zu äußern. In dem Urteil statuierte der EuGH eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, einen Gemeinschaftsrahmen anzuwenden, wenn dieser Produkt der Pflicht zur fortlaufenden Zusammenarbeit aus Art. 88 I EG sei und die Mitgliedstaaten den Gemeinschaftsrahmen auch akzeptiert hätten.133 Aus dieser Äußerung lässt sich eine unmittelbare Bindung der Mitgliedstaaten herleiten. Anzumerken ist aber, dass sich die Pflicht aus Art. 88 I EG nur auf bestehende Beihilfen bezieht. Die Aussage des EuGH kann also nicht auch auf die Regelungen bezüglich neuer Beihilfen erstreckt werden. Außerdem war ebenso wie in der Rechtssache CIRFS die Beachtung des Gemeinschaftsrahmens Bestandteil der Genehmigungsentscheidung der Kommission.134 Ein eindeutiger Schluss auf den Auslöser der Bindungswirkung ist demnach nicht möglich.135 Dennoch wurde später von Generalanwalt Cosmas der verallgemeinernde Schluss gezogen, dass Gemeinschaftsrahmen nach Zustimmung sowohl für die Kommission als auch für die Mitgliedstaaten verbindlich seien.136 Dieser Schluss wurde schließlich vom EuGH in der Rechtssache Regionalbeihilfen bestätigt.137 Die Verbindlichkeit der Gemeinschaftsrahmen folge aus der Zustimmung der Mitgliedstaaten. Ergänzend wurde für die Verpflichtung der Mitgliedstaaten auf die VO (EG) Nr. 659/1999 verwiesen.138 In deren Art. 19 I 2 werden die Mitgliedstaaten ausdrücklich verpflichtet, zweckdienliche Maßnahmen nach Zustimmung durchzuführen. Allerdings erstreckt auch die Verordnung die Bindung entsprechend Art. 88 I EG nur auf bestehende Beihilfen. Eine solche Einschränkung ist der Entscheidung des EuGH aber nicht zu entnehmen. Die Reichweite der Bin132

EuGH Rs. C-311/94, Ijssel-Vliet, Slg. 1996 I, 5023 ff. EuGH Rs. C-311/94, Ijssel-Vliet, Slg. 1996 I, 5023, 5061. 134 Siehe dazu auch Schweda, Administrative Normsetzung, S. 264. 135 Ebenso Schweda, Administrative Normsetzung, S. 266. 136 Schlussanträge in EuGH Rs. C-288/96, Bundesrepublik Deutschland/Kommission (Jadekost), Slg. 2000 I, 8237, 8269. 137 EuGH Rs. C-242/00, Bundesrepublik Deutschland/Kommission (Regionalbeihilfen), Slg. 2002 I, 5603 ff. 138 VO (EG) Nr. 659/1999, abgedruckt in ABl. L 83, S. 1. 133

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

dungswirkung der Gemeinschaftsrahmen für die Mitgliedstaaten kann damit in der Rechtsprechung nicht als abschließend geklärt gelten. bb) Wirkung gegenüber der Kommission Eine umfassende Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen für die Kommission wurde in der Rechtsprechung dagegen eindeutig festgeschrieben. Aufbauend auf den Entscheidungen in den Rechtssachen Deufil und CIRFS wurde in der Rechtssache Jadekost festgestellt, dass sich die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens durch Maßnahmen wie Gemeinschaftsrahmen selbst binden könne, sofern sie Regelungen enthielten, denen sich die von ihr zu verfolgende Politik entnehmen lasse und die nicht von Normen des Vertrages abwichen.139 Aus der Entscheidung lässt sich daneben ablesen, dass die Gemeinschaftsrahmen eine zulässige Konkretisierung der Vorgaben des EG-Vertrages sind und sich die Kommission auf die Regelungen der Gemeinschaftsrahmen direkt berufen kann. Der EuGH hatte diesbezüglich ausgeführt, dass die Kommission nach Feststellung der Eröffnung des Anwendungsbereiches des Gemeinschaftsrahmens nicht verpflichtet sei zu erläutern, weshalb eine Beihilfe den Wettbewerb verfälsche, wenn eine entsprechende Vermutungsregelung im Gemeinschaftsrahmen existiere.140 In der Rechtssache Umweltschutzbeihilfen führte der EuGH diese Rechtsprechung fort und stellt die umfassende Bindung der Kommission an die Gemeinschaftsrahmen klar.141 Die Kommission sei danach verpflichtet, den Gemeinschaftsrahmen anzuwenden, wenn er einschlägig ist.142 Dass die Bindung der Kommission nicht zu einer starren und rein formalen Anwendung des Gemeinschaftsrahmens führen könne, entschied der EuGH 2004 in der Rechtssache KMU-Gemeinschaftsrahmen.143 Der Gemeinschaftsrahmen bleibe vielmehr einer Auslegung zugänglich, die vornehmlich an seinen Erlassgründen auszurichten sei. Durch die gewählte Terminologie und die beschriebene Bindungs- und Konkretisierungswirkung der Gemeinschaftsrahmen rückt der EuGH die Gemeinschaftsrahmen in die Nähe der Verwaltungsvorschriften nach deutschem Vorbild.

139 EuGH Rs. C-288/96, Bundesrepublik Deutschland/Kommission (Jadekost), Slg. 2000 I, 8237, 8303. 140 EuGH Rs. C-288/96, Bundesrepublik Deutschland/Kommission (Jadekost), Slg. 2000 I, 8237, 8303. 141 EuGH Rs. C-409/00, Königreich Spanien/Kommission (Umweltschutzbeihilfen), Slg. 2003 I, 1487 ff. 142 EuGH Rs. C-409/00, Königreich Spanien/Kommission (Umweltschutzbeihilfen), Slg. 2003 I, 1487, 1490. 143 EuGH Rs. C-91/01, Italienische Republik/Kommission (KMU-Gemeinschaftsrahmen), Slg. 2004 I, 4355, 4395.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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c) Die Bedeutung des Zustimmungserfordernisses Mit der Notwendigkeit und der Bedeutung der Zustimmung der Mitgliedstaaten zu den Gemeinschaftsrahmen hat sich der EuGH in mehreren Urteilen beschäftigt. Als Ausgangspunkt für die Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich kann die Entscheidung in der Rechtssache CIRFS gelten. Mit der Aussage, dass die Gemeinschaftsrahmen auf eine Vereinbarung zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission zurückgehen, hat der EuGH die Gemeinschaftsrahmen als quasivertragliche Handlungsform umschrieben. Logisch konsequent forderte er dann auch, dass eine Inhaltsänderung bestimmten Anforderungen zu unterstellen sei. Gemeinschaftsrahmen könnten daher weder stillschweigend durch eine individuelle Entscheidung, noch durch die Wiederholung einer unzutreffenden Auslegung oder die Art und Weise der Reaktion auf eine Entscheidung der Kommission geändert werden.144 Wesentlich bedeutender und prägender für die späteren Entwicklungen in der Literatur sind aber die Entscheidungen in den Rechtssachen KfZ-Gemeinschaftsrahmen I und II.145 In beiden Verfahren ging es um die Verlängerung des KfZ-Gemeinschaftsrahmens. Das Königreich Spanien hatte bemängelt, dass die Kommission eine einseitige Verlängerungsentscheidung getroffen habe und dadurch die Pflicht zur fortlaufenden Zusammenarbeit aus Art. 88 I EG verletzt worden sei. In seinem ersten Urteil stellte der EuGH klar, dass die Verpflichtung der Kommission und der Mitgliedstaaten zu regelmäßiger und laufender Zusammenarbeit nicht zur Disposition der Parteien stehe. Weder die Kommission noch die Mitgliedstaaten könnten sich von dieser für einen unbestimmten, allein vom Willen des einen oder anderen Teils abhängigen Zeitraum frei machen.146 Zur Beantwortung der Frage, ob das Mitwirkungserfordernis durch eine Handlung der Kommission ausgelöst worden sei, zog der EuGH die vertragskonforme Auslegung heran.147 Ergebnis dieser Auslegung war schließlich die Erkenntnis, dass die Mitwirkung der Mitgliedstaaten nur bei inhaltlichen Änderungen und wesentlichen Abweichungen hinsichtlich der Geltungsdauer der Gemeinschaftsrahmen notwendig ist. Als wesentliche Abweichung wurde 144

EuGH Rs. C-313/90, CIRFS, Slg. 1993 I, 1125, 1188. EuGH Rs. C-135/93, KfZ-Gemeinschaftsrahmen I, Slg. 1995 I, 1651 ff.; EuGH Rs. C-292/95, KfZ-Gemeinschaftsrahmen II, Slg. 1997 I, 1931 ff. 146 EuGH Rs. C-135/93, KfZ-Gemeinschaftsrahmen I, Slg. 1995 I, 1651, 1680. Hervorhebung nicht im Original. 147 Dazu der EuGH Rs. C-135/93, KfZ-Gemeinschaftsrahmen I, Slg. 1995 I, 1651, 1683: „Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich dann, wenn eine Bestimmung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts mehr als eine Auslegung gestattet, die Auslegung, bei der die Bestimmung mit dem Vertrag vereinbar ist, derjenigen vorzuziehen, die zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Vertrag führt. Daher ist die Bestimmung, nach der der Rahmen bis zu der nächsten Überprüfung der Kommission weiter gilt, selbst dann, wenn sie mehrdeutig ist, in einem Sinne zu verstehen, der mit der Bestimmung des Vertrages in Einklang steht, deren Durchführung sie dient.“ 145

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

eine Verlängerung auf unbestimmte Zeit qualifiziert. Diese lag aber gerade nicht vor. In der zweiten Entscheidung stellte der EuGH fest, dass eine rückwirkende Verlängerung hingegen nicht möglich sei. Ist der Gemeinschaftsrahmen ausgelaufen, dann müsse auch bei unveränderter Neueinführung das Verfahren nach Art. 88 I EG durchlaufen, die Mitgliedstaaten müssten also beteiligt werden.148 In Zusammenschau der beiden Entscheidungen zum Kfz-Gemeinschaftsrahmen lässt sich ableiten, dass das Zustimmungserfordernis ein Instrument zur Wahrung der erworbenen Rechte der Mitgliedstaaten ist. Erfolgt eine Verlängerung unter inhaltlicher Änderung oder eine Neu- bzw. Wiedereinführung, akzeptieren die Mitgliedstaaten mit ihrer Zustimmung eine Änderung der bestehenden Rechtslage und damit einen Eingriff in ihr rechtlich schutzwürdiges Vertrauen bezüglich bestehender Beihilfen. Damit ist das Zustimmungserfordernis nicht nur Teil kooperativen Zusammenwirkens in Anerkennung der Souveränität der Mitgliedstaaten, sondern zugleich Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unter dem Aspekt des Ausgleichs widerstreitender Interessen. Das Mitwirkungserfordernis ist somit nicht Rechtmäßigkeits- sondern Wirksamkeitsvoraussetzung. In der Rechtssache Regionalbeihilfen ergänzte der EuGH seine Rechtsprechung insoweit, als dass er auch Entscheidungen, sofern sie notwendige Ergänzung der Gemeinschaftsrahmen seien, dem Zustimmungserfordernis unterwarf.149 Damit wird deutlich, dass die notwendige Zustimmung auch auf einzelne Teile des Gemeinschaftsrahmens bezogen sein kann. Aus diesen Urteilen lassen sich Hinweise entnehmen, die für ein Verständnis der Gemeinschaftsrahmen als Vertrag sprechen. Gegen ein solches Verständnis sprechen aber die Zugeständnisse an die Kommission. Diese kann die Gemeinschaftsrahmen unter bestimmten Voraussetzungen einseitig verlängern. In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass sich im Anschluss an die Rechtssache Regionalbeihilfen die Bundesrepublik Deutschland aus Angst vor einem Hauptprüfungsverfahren die grundsätzliche Zustimmung zu dem Gemeinschaftsrahmen abringen ließ. Vertragsfreiheit im Sinne einer Abschlussfreiheit lag damit nicht vor. Ob die Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als vertragliche Handlungsform möglich ist, scheint daher zweifelhaft. 2. Rechtsprechung des EuG Das europäische Gericht erster Instanz hat die Rechtsprechung des EuGH in seinen Entscheidungen stets aufgegriffen und die formulierten Maßstäbe umge148

EuGH Rs. C-292/95, KfZ-Gemeinschaftsrahmen II, Slg. 1997 I, 1931, 1957. EuGH Rs. C-242/00 Bundesrepublik Deutschland/Kommission (Regionalbeihilfen), Slg. 2002 I, 5603, 5638. 149

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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setzt. In der Rechtssache AIUFFASS wurde dabei nicht nur geklärt, dass auf einen Sachverhalt mehrere Gemeinschaftsrahmen anwendbar sein können, sondern auch deutlich herausgestellt, dass das entstehende Spannungsverhältnis im Wege der praktischen Konkordanz zu lösen sei, wenn sich in den Gemeinschaftsrahmen keine Konkurrenzregeln fänden.150 Weiterhin verdeutlicht diese Entscheidung, dass die anwendbaren Gemeinschaftsrahmen Prüfungsmaßstab für die streitige Beihilfe sind. Dies folge schon aus der Bindung der Kommission an die erlassenen Regelungen.151 Über die korrekte Anwendung des Gemeinschaftsrahmens für Umweltschutzbeihilfen hatte das EuG in der Rechtssache Ferriere zu entscheiden.152 Aufmerksamkeit verdient diese Entscheidung, weil die Möglichkeit einer rückwirkenden Erstreckung des Gemeinschaftsrahmens auf eine frühere Beihilfe zu prüfen war. Bei einer rückwirkenden Anwendung seien zwei Aspekte zu berücksichtigen: Die Verfahrensrechte der Beteiligten nach Art. 88 I EG müssten gewahrt bleiben und die Anwendung dürfe keine echte Rückwirkung darstellen. Die Frage der Rückwirkung sei bei den Gemeinschaftsrahmen dabei genauso zu behandeln wie bei jeder anderen abstrakt-generellen Norm. Diese Entscheidungen spiegeln die umfassende Bindung der Gemeinschaftsrahmen für die Kommission wieder. Zugleich verdeutlichen sie die zentrale Bedeutung der Gemeinschaftsrahmen als Prüfungsmaßstab der Gerichte. Vor allem der konkrete Umgang des EuG mit dem Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen nähert diese Regelung den anderen Handlungsformen mit abstrakt-genereller Wirkung an. 3. Rückschlüsse aus den gewählten Verfahrensarten Rückschlüsse auf die Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen können sich auch aus den bisher vor den europäischen Gerichten gewählten Verfahrensarten ergeben. Da die einzelnen Verfahrensarten unterschiedliche Gegenstände und Voraussetzungen haben, lässt sich unter Umständen auf eine mögliche Einordnung der Gemeinschaftsrahmen in das Handlungsformenspektrum des Gemeinschaftsrechts schließen. Grundsätzlich kommen drei verschiedene Verfahrensarten zur Überprüfung der Vereinbarkeit der Gemeinschaftsrahmen mit dem EG-Vertrag in Betracht: Erstens eine Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG direkt gegen den Gemeinschaftsrahmen, zweitens eine Inzidentprüfung im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen eine Kommissionsentscheidung, etwa eine Ablehnungsentscheidung 150

EuG Rs. T-380/94, AIUFFASS, Slg. 1996 II, 2169, 2190. EuG Rs. T-380/94, AIUFFASS, Slg. 1996 II, 2169, 2171, 2190; Schweda, Administrative Normsetzung, S. 269. 152 EuG Rs. T-176/01, Ferriere Nord SpA, Slg. 2004 II, 3931 ff. 151

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

im Rahmen einer Beihilfengewährung, und drittens ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG. Auch wenn mit der Nichtigkeitsklage direkt jede Organhandlung angegriffen werden kann, die dazu bestimmt ist, Rechtswirkungen zu erzeugen,153 und die damit eröffnete objektive Legalitätskontrolle bei entsprechender qualifizierter Betroffenheit auch nichtprivilegierten Klägern offensteht,154 ist bislang ein solches Verfahren gegen einen Gemeinschaftsrahmen noch nicht angestrengt worden.155 Anknüpfungspunkt der Verfahren vor den europäischen Gerichten war fast immer eine konkrete Kommissionsentscheidung, die sich in ihrer Begründung auf einen Gemeinschaftsrahmen stützte. Die Inzidentprüfung ist damit als Regelfall der gerichtlichen Befassung mit den Gemeinschaftsrahmen auszumachen. Ein Vorabentscheidungsverfahren hat bereits ein Mal stattgefunden.156 Dieser Verfahrenstypus dient der Ermittlung des Inhalts und der Tragweite einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung und damit der Sicherung einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die mitgliedstaatlichen Gerichte.157 Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens kann die Gültigkeit jeder gemeinschaftsrechtlichen Organhandlungen sein, unabhängig von ihrer Rechtsverbindlichkeit.158 In dem bisher singulär gebliebenen Vorabentscheidungsverfahren war allerdings die Beachtung des Gemeinschaftsrahmens Bestandteil der in der Sache ergangenen abschließenden Kommissionsentscheidung. Damit war eigentlicher Bezugspunkt des Verfahrens nicht der Gemeinschaftsrahmen selbst, sondern die Kommissionsentscheidung.

153 EuGH Rs. C-135/93, KfZ-Gemeinschaftsrahmen I, Slg. 1995 I, 1651, 1679 f. (so genannte AETR-Formel); EuGH Rs. C-57/95, Französische Republik/Kommission, Slg. 1997 I, 1627, 1628. Ebenso Groß, DÖV 2004, 20, 25. 154 Zur objektiven Legalitätskontrolle: Thiele, Individualrechtsschutz vor dem EuGH, S. 42 f.; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 230 EG, Rn. 1. Zur Möglichkeit einer Individualnichtigkeitsklage gegen verbindliche Rechtsakte: Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 150; Nowak, Zentraler und dezentraler Individualrechtsschutz in der EG, S. 54 ff.; Borowski, EuR 2004, 879, 888; Nettesheim, JZ 2002, 928, 930. Um dieser Rechtsprechung eine Entsprechung im Europäischen Recht zu geben, sah der Verfassungsentwurf eine Änderung des Art. 230 IV EG vor. Der entsprechende Art. III-365 Abs. 4 VVE sprach daher nur noch von „. . . oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen . . .“. Vgl. dazu: Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 230 EG, Rn. 3; Vedder/Heintschel von Heinegg – Pache, Art. III-365 VVE, Rn. 32 ff. 155 Gegen eine Anfechtungsmöglichkeit allgemein: Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 48; Gundel, EuR 1998, 90, 95. 156 EuGH Rs. C-311/94, Ijssel-Vliet, Slg. 1996 I, 5023 ff. 157 Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 147; Borowski, EuR 2004, 879, 895; Pechstein, EU-/EG-Prozessrecht, Rn. 778; Callies/Ruffert – Wegener, Art. 234 EG, Rn. 1; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 14, Rn. 64 f. 158 Schima, Vorabentscheidungsverfahren, S. 12.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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Der empirische Befund, dass (fast) ausschließlich eine inzidente Prüfung der Gemeinschaftsrahmen stattfindet, lässt zwei Schlüsse zu: Erstens kann darauf geschlossen werden, dass die Mitgliedstaaten aufgrund des Zustimmungserfordernisses und der kooperativen Ausgestaltung des Erlassverfahrens der Gemeinschaftsrahmen deren Rechtmäßigkeit nicht anzweifeln. Sie scheinen sich vielmehr im Grundsatz zumindest faktisch gebunden zu fühlen. Allenfalls Unklarheiten hinsichtlich der korrekten Anwendung und der Reichweite der Gemeinschaftsrahmen werden Verfahrensgegenstand. Zweitens kann geschlossen werden, dass die Wirkung gegenüber den Beihilfeempfängern nicht unmittelbar sein kann. Nur eine nicht hinreichende eigene Betroffenheit der Beihilfenempfänger kann erklären, warum noch nie gegen einen Gemeinschaftsrahmen direkt im Wege der Nichtigkeitsklage vorgegangen wurde. Die Betroffenheit der Beihilfenempfänger muss also durch die Beachtung der Gemeinschaftsrahmen bei der mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe entstehen.159 Ein eindeutiger Schluss auf die Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen ist aus den bisher gewählten Verfahrensarten nicht möglich. In Betracht kommt vielmehr jede kooperativ ausgestaltete Handlungsform, die die Bürger nicht unmittelbar und damit individuell betrifft. 4. Zusammenfassende Bewertung Zusammenfassend lässt sich aus der Rechtsprechung der europäischen Gerichte nicht viel mehr herleiten als der bekannte Ausgangsbefund, der Anlass für die Diskussion über die Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen ist. Die Gemeinschaftsrahmen sind Rechtsakte mit allgemeiner Tragweite. Ihre Bindungswirkung für die Kommission ist generell und umfassend, wenn einmal die Zustimmung der Mitgliedstaaten vorliegt.160 Sie werden an den gleichen Maßstäben gemessen, wie jeder andere Akt der europäischen Organe, der eine allgemeine Bindungswirkung entfaltet. Zu berücksichtigen sind insgesamt die primär- und sekundärrechtlichen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts. Daher sind sämtliche Einzelentscheidungen der Kommission unabhängig vom Rechtscharakter des Gemeinschaftsrahmens auch am Primärrecht zu messen.161 Die Gemeinschaftsrahmen dürfen somit keine vom EG-Vertrag abweichenden Regelungen enthalten. Es gilt der Grundsatz der vertragskonformen Auslegung. Ebenso sind die Grenzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes einzuhal-

159

So im Ergebnis auch Groß, DÖV 2004, 20, 24 f. Die besondere Bedeutung des Zustimmungserfordernisses hat der EuGH in seiner Rechtsprechung immer wieder ausdrücklich betont. 161 Cremer, EWS 1996, 379. 160

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

ten. Zwischen den unterschiedlichen Gemeinschaftsrahmen kann wie bei anderen Normen ein Konkurrenzverhältnis bestehen, das im Sinne einer praktischen Konkordanz zu lösen ist.162 Die Rechtsprechungsanalyse hat aber ergeben, dass einige Urteile Hinweise für eine Anknüpfung zur Bestimmung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen enthalten. In Betracht kommt zum einen eine Qualifizierung als Vertrag und zum anderen eine Interpretation als Verwaltungsvorschrift in Anlehnung an das deutsche Recht. Dabei ist auffällig, dass die Entscheidungen in den 90er Jahren eher in Richtung eines vertraglichen Verständnisses deuten. Die jüngeren Urteile weisen hingegen auf eine Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als Verwaltungsvorschrift hin. Insofern könnte von einem gewandelten Verständnis in der Rechtsprechung ausgegangen werden. Eindeutig auszuschließen ist eine Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als „soft law“ oder unverbindliche Handlungsform. In der weiteren Bearbeitung sind die genannten Interpretationsmöglichkeiten auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen, wobei stets eine Rückanbindung an die Rechtsprechung erfolgen soll.

III. Meinungsstand in der Literatur In der Literatur gibt es keine einheitliche Meinung über die Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen. Zur Bestimmung der Rechtsnatur sind grundsätzlich zwei Herangehensweisen zu unterscheiden. Während der eine Teil des Meinungsspektrums den Schwerpunkt seiner Betrachtung auf das Zustandekommen des Gemeinschaftsrahmens legt, ist für die Gegenmeinung die Wirkung des Gemeinschaftsrahmens entscheidend. Die Lehre von der Doppelnatur der Gemeinschaftsrahmen geht schließlich von den unterschiedlichen Phasen der Entstehung des Gemeinschaftsrahmens bis hin zu seiner verbindlichen Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten aus. Die folgende Darstellung wird zunächst auf die Bestimmung der Rechtsnatur nach dem Zustandekommen der Gemeinschaftsrahmen (1.) eingehen. Anschließend soll über die Wirkung der Gemeinschaftsrahmen eine Einordnung in den Katalog der benannten Rechtsakte nach Art. 249 EG versucht werden (2.). Abschließend ist auf die These der Doppelnatur der Gemeinschaftsrahmen (3.) einzugehen.

162 Siehe zum Begriff der praktischen Konkordanz im deutschen Verfassungsrecht: Hesse, Grundzüge Verfassungsrecht, Rn. 317 ff.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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1. Vertragsmodell a) Ausgangspunkt Der Ausgangspunkt des Vertragsmodells ist die in Art. 88 I 1 EG enthaltene Verpflichtung der Mitgliedstaaten und der Kommission zu einer fortlaufenden Zusammenarbeit. Daraus wird ein gewisser Vorrang kooperativer Handlungsformen gefolgert.163 Bevor die Kommission von ihrer Ermächtigung zum einseitigen Handeln Gebrauch machen könne, müsse sie eine Zusammenarbeit versucht haben. Problematisch ist an dieser Aussage, dass sie sich auf eine Norm stützt, die der Kommission die Wahrnehmung ihrer Kontrollfunktion erleichtern soll. Der Begriff und die Verpflichtung der Zusammenarbeit meint in diesem Zusammenhang, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, der Kommission in Form von Auskünften und Jahresberichten über die Gewährung von Beihilfen zuzuarbeiten,164 da diese sonst keine Möglichkeit hat, die notwendige Überprüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem EG-Vertrag in dem entsprechenden Mitgliedstaat vorzunehmen. Dass die zu wählende Handlungsform dann auch kooperativ (im Sinne eines Vertragsschlusses) sein müsste, lässt sich aus der Norm nicht herauslesen. Allerdings enthält der Begriff der „Zusammenarbeit“ nach einem natürlichen Wortverständnis auch eine Komponente der Gegenseitigkeit. Daraus folgert Mederer, die Kommission sei daher auch verpflichtet, die Mitgliedstaaten bei ihrer Aufsichtstätigkeit zu beteiligen.165 Dies bedeutet aber nur, dass die Kommission die Mitgliedstaaten davon in Kenntnis zu setzen hat, wenn sie eine Beihilfe für nicht mehr mit dem gemeinsamen Markt vereinbar hält und daher ein Vorgehen gegen den entsprechenden Mitgliedstaat beabsichtigt. Der Mitgliedstaat erhält dann die Möglichkeit zur Stellungnahme.166 Uerpmann rekurriert als Ermächtigungsgrundlage für eine vertragliche Handlungsform dann auch auf Art. 88 I 2 EG.167 Danach schlägt die Kommission den Mitgliedstaaten die zweckdienlichen Maßnahmen vor, welche die fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erfordern. Art. 88 I 2 EG lässt aber die zweckdienlichen Maßnahmen offen, auf die die Kommission zurückgreifen kann. Als zweckdienliche Maßnahmen sind die möglichen Handlungsformen nach Art. 249 EG denkbar und aufgrund der Entwicklungsoffenheit dieser Norm auch unbenannte Handlungsformen wie Verträge, Beschlüsse, Gemeinschaftsrahmen, Leitlinien oder Mitteilungen. 163

Uerpmann, EuZW 1998, 331. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, Punkt 10.1.1., S. 24. Vgl. auch: Callies/Ruffert – Cremer, Art. 88 EG, Rn. 6 f.; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 88 EG, Rn. 31 f.; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 88 EG, Rn. 113 ( EL 15, 01/2000). 165 Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 88 EG, Rn. 31. 166 Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 88 EG, Rn. 116 (EL 15, 01/2000). 167 Siehe zur Frage der Ermächtigungsgrundlage bereits oben 2. Kap. C.II. 164

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

Den vertraglichen Charakter des Gemeinschaftsrahmens begründen die Vertreter des Vertragsmodells schließlich mit der Art und Weise des Zustandekommens des Gemeinschaftsrahmens:168 Die Kommission erlässt die Gemeinschaftsrahmen nicht völlig autonom. Sie schlägt diese den Mitgliedstaaten vielmehr als zweckdienliche Maßnahme vor. Verbindlich wird ein Gemeinschaftsrahmen erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten;169 erst dann entfaltet er Rechtswirkungen. Der Entwurf des Gemeinschaftsrahmens durch die Kommission stelle daher das „Angebot“, die Zustimmung der Mitgliedstaaten die „Annahme“ des Vertrages dar. Unterstützt wird diese These dadurch, dass der „Annahme“ durch die Mitgliedstaaten zumeist multilaterale Verhandlungen vorausgehen, in deren Rahmen die Kommission Stellungnahmen der Mitgliedstaaten einholt und diese in ihrem Vorschlag berücksichtigt. Die Kommission sei daher grundsätzlich darauf bedacht, einen Konsens mit den Mitgliedstaaten zu erzielen.170 Gegen ein solches Verständnis spricht jedoch, dass die Bestrebungen der Kommission, im Konsens mit den Mitgliedstaaten die Gemeinschaftsrahmen zu erlassen, nur Ausdruck der oben bereits formulierten Verpflichtung zur Zusammenarbeit im Sinne eines gegenseitigen Austausches ist. Wenn die Kommission also Einwände der Mitgliedstaaten berücksichtigt bzw. diesen die Möglichkeit einräumt, Einwände vorzubringen, genügt sie nur ihrer Verpflichtung aus dem EG-Vertrag. Der EuGH stellt dafür auf den Wortlaut von Art. 88 I EG ab. Die Mitgliedstaaten und die Kommission stünden danach in einer Verpflichtung zur regelmäßigen und laufenden Zusammenarbeit, von der sich keiner der Beteiligten einseitig lösen könne. Aus der auch vom EuGH betonten Gegenseitigkeitskomponente im Begriff „Zusammenarbeit“ lässt sich schließlich auch die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Zustimmung ableiten.171 Dieses Ergebnis folgt zumindest aus einer Zusammenschau mit Art. 10 EG, der zum einen eine möglichst effektive Umsetzung des Europarechts in den Mitgliedstaaten verlangt und zum anderen den „Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit“172 statuiert,173 auch wenn sich aus Art. 10 EG nicht genau herleiten lässt, welcher Art die Kooperations168 Uerpmann, EuZW 1998, 331, 332 f.; Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 46; Schweda, Administrative Normsetzung, S. 313 f. Für einen vertragsähnlichen Charakter plädiert in diesem Zusammenhang Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3, Rn. 760. 169 EuGH Rs. C-292/95, KfZ-Gemeinschaftsrahmen II, Slg. 1997 I, 1931, 1958. 170 Schweda, Administrative Normsetzung, S. 313. 171 EuGH Rs. C-135/93, KfZ-Gemeinschaftsrahmen I, Slg. 1995 I, 1651, 1681. So auch Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 139. 172 EuGH Rs. C-400/99, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2005 I, 3657, 3660, 3661. Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet dabei nach der Rechtsprechung des EuGH nicht nur die Kommission, die Mitgliedstaaten bei ihrer Aufsichtstätigkeit zu beteiligen, sondern in gleicher Weise die Mitgliedstaaten, sich zügig und umfassend an der Aufklärung von Problemen durch Abgabe von Stellungnahmen zu beteiligen. Vgl. auch Stelkens/Bonk/Sachs – Bonk, § 54 VwVfG, Rn. 163.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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pflichten im Einzelnen sein sollen.174 Nur durch eine Beteiligung der Mitgliedstaaten kann aber eine effektive Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in Form der Gemeinschaftsrahmen in den Mitgliedstaaten gewährleistet werden. Dies wird umso virulenter, je mehr man sich verdeutlicht, dass die Mitgliedstaaten durch ihre Zustimmung zu den Gemeinschaftsrahmen auf ihre Rechte hinsichtlich bereits bestehender, genehmigter Beihilfenprogramme verzichten.175 So wird deutlich, dass die Zustimmung zum Erlass der Gemeinschaftsrahmen das effektivste Mittel zur Durchsetzung des EG-Rechts im Beihilfensektor ist. Aus der Beteiligungspflicht bzw. aus dem Beteiligungsrecht der Mitgliedstaaten lässt sich somit kein Argument gewinnen, das zwingend auf einen vertraglichen Charakter der Gemeinschaftsrahmen schließen lässt. Dass kooperatives Handeln der Verwaltung auch außerhalb der Handlungsform des Vertrages besteht,176 zeigt im Europarecht z. B. das Komitologieverfahren, im Beihilfenrecht vor allem die Äußerungs- und Unterrichtungspflichten in Art. 88 II, III EG,177 in der deutschen Verwaltungswissenschaft schließlich die Rechtsfigur des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes.178 b) Qualifizierung und rechtliche Grundlagen des Vertrages Verfolgt man dennoch das Vertragsmodell weiter, so stellt sich die Frage nach der Qualifizierung des Vertrages. Die Vertreter dieser Auffassung sind der Meinung, der durch „Angebot“ und „Annahme“ entstandene Vertrag sei als sekundärrechtlich zu qualifizieren. Er wird auf dem Gebiet des Europarechts geschlossen und bezieht sich inhaltlich auf die Maßstäbe der Beihilfenkontrolle; also auf eine Materie des direkten Verwaltungsvollzuges des EG-Rechts. Solche Verträge könnten somit auch als Verwaltungsverträge des Europarechts bezeich173 Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 139; Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 7. Kap., S. 383. 174 Sydow, Verwaltungskooperation in der EU, S. 33. 175 Schweda, Administrative Normsetzung, S. 248. Damit lässt sich auch erklären, warum im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen das ausdrückliche Ersuchen nach einer uneingeschränkten Zustimmung zu dem Gemeinschaftsrahmen nur für bereits bestehende Beihilfen formuliert wird. Dies ist auch insoweit konsequent, als dass der Gemeinschaftsrahmen betreffend neue Beihilfen ausschließlich die Kommission als Adressaten kennt. 176 Auch wenn der Vertrag wohl die wichtigste kooperative Handlungsform außerhalb des informellen Verwaltungshandelns darstellt. So auch Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kap., S. 342. 177 Art. 88 II, III EG sind zugleich explizite Kompetenztitel zur Normierung von Koordinationsbestimmungen. Vgl. dazu: Sydow, Verwaltungskooperation in der EU, S. 41. 178 Das Beispiel des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes als rechtsverbindliches kooperatives Verwaltungshandeln benennend: Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kap., S. 342.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

net werden. Daher seien entsprechende Vereinbarungen den verwaltungsrechtlichen Verträgen des nationalen Rechts vergleichbar.179 Die These der Vergleichbarkeit der Verwaltungsverträge nach dem Europarecht und den deutschen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsverträgen ist zu bezweifeln. Schon die Anerkennung des Instituts des Europäischen Verwaltungsvertrages muss als problematisch gelten, denn für ein vertragliches Verwaltungshandeln der EG-Organe zieht der EG-Vertrag keinen rechtlichen Rahmen.180 aa) Rechtliche Möglichkeit zum Vertragsschluss Diskussionswürdig ist bereits die grundsätzliche Möglichkeit der Kommission, einen Vertrag zu schließen. Dagegen spricht, dass der öffentlich-rechtliche Vertrag nur an wenigen Stellen im EG-Vertrag genannt wird. Dies könnte den Umkehrschluss rechtfertigen, dass ein Vertragsschluss nur dann zulässig sein soll, wenn er explizit zugelassen ist. Das würde aber einem implizierten Handlungsformverbot gleich kommen. Diese Argumentation ist daher unter Verweis auf Art. 88 I EG und auf das ausdrückliche Fehlen eines entsprechenden Handlungsformverbotes abzulehnen.181 Auch wenn Art. 88 I EG oder Art. 249 EG den öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht explizit nennen, ist diese Handlungsform dem EG-Vertrag nicht unbekannt. Dies folgt schon aus Art. 238 EG und aus Art. 288 I EG, die den öffentlich-rechtlichen Vertrag als zulässige Handlungsform voraussetzen.182 Daraus lassen sich jedoch keine Vorgaben für den Vertragsschluss und die Gültigkeitsvoraussetzungen ableiten, da dazu weder Art. 238 EG noch Art. 288 I EG eine Aussage trifft. Aus der Nennung des öffentlich-rechtlichen Vertrages in Art. 238 EG wird auch nicht klar, nach welchem Recht der geschlossene Vertrag zu behandeln ist.183 Denn Art. 238 EG statuiert lediglich die Zuständigkeit des Gerichtshofs aufgrund von Schiedsklauseln in von der Gemeinschaft oder für ihre Rechnung geschlossenen öffentlich-rechtlichen oder privatrecht179 Uerpmann, EuZW 1998, 331, 333. Dass die Gemeinschaftsrahmen weder völkerrechtliche Verträge noch Verwaltungsabkommen sein können, hat Schweda ausführlich dargelegt. Vgl. dazu: Schweda, Administrative Normsetzung, S. 314 ff. 180 Stelkens/Bonk/Sachs – Bonk, § 54 VwVfG, Rn. 163; Bauer, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 36, Rn. 25. 181 Uerpmann EuZW 1998, 331, 333, Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 23, Rn. 24. 182 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 23, Rn. 22; Uerpmann EuZW 1998, 331, 333; Bauer, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 36, Rn. 25; von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 253; Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 47. Jestaedt und Schweda gehen weiterhin davon aus, dass Art. 238 EG als allgemeine Ermächtigungsgrundlage der Gemeinschaftsorgane für vertragliches Handeln ausreicht, begründen dies aber nicht weiter. 183 Zur Problematik der Bestimmung des maßgeblichen Vertragsrechts siehe nur: von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 253 ff. (m.w. N.).

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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lichen Verträgen. Denkbar ist danach die Anwendung des Gemeinschaftsrechts oder des jeweiligen Rechts des Mitgliedstaates. Dabei kann man bei der Frage für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts von folgenden Grundkonstellationen ausgehen: Zum einen wenden die EG-Organe die Handlungsform des Vertrages bei den sogenannten fiskalischen Hilfsgeschäften an und zum anderen kommt eine vertragliche Gestaltung der Handlungen bei der unmittelbaren Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben zum Einsatz.184 Da vorliegend die Kommission mit dem Vertrag die ihr obliegenden Primäraufgaben (Beihilfenkontrolle als Überwachung der Einhaltung der vertraglichen Regelungen) erfüllen will, wird im Zweifel von der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auszugehen sein.185 Außerdem wird aus den Gemeinschaftsrahmen deutlich, dass nicht nationales Recht anwendbar sein soll, sondern für die Vergabe der in Frage stehenden nationalen Beihilfen gerade das Gemeinschaftsrecht Beachtung finden muss. Die Kommission und die Mitgliedstaaten „einigen“ sich also darüber, in welcher Weise die Kommission das Gemeinschaftsrecht anwenden wird. Das mitgliedstaatliche Recht kann jedenfalls nicht bestimmen, unter welchen Voraussetzungen gemeinschaftsrechtliche Rechtsverhältnisse wirksam verändert werden können.186 Gegen eine Anwendung des mitgliedstaatlichen Rechts spricht auch, dass man sich auf die Anwendung des Rechts eines der Mitgliedstaaten einigen müsste, denn sonst wäre ein einheitlicher Vollzug des Beihilfenrechts aufgrund der Divergenzen im mitgliedstaatlichen Recht nicht möglich.187 Deshalb erscheint es sinnvoll, auf die Gemeinschaftsrahmen ausschließlich das Gemeinschaftsrecht anzuwenden. bb) Gemeinschaftsrahmen als Verwaltungsvertrag nach deutschem Recht Wenn aber das Gemeinschaftsrecht Anwendung finden soll, stellt sich die Frage, inwieweit dann noch eine Vergleichbarkeit mit dem deutschen Verwaltungsvertragsrecht anzunehmen ist. Gegen eine Vergleichbarkeit sprechen mehrere Argumente: Zum einen ist festzuhalten, dass nicht in allen Mitgliedstaaten 184 Stelkens, EuZW, 2005, 299; von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 253. Bauer, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 36, Rn. 25, nennt anerkannte Beispiele. 185 Stelkens, EuZW 2005, 299, 300. Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 220 (EL 20, 08/2002) geht davon aus, dass die Wahl der Rechtsordnung, der der Vertrag dann zuzurechnen ist, grundsätzlich nach dem Willen der Vertragsparteien erfolge. Beschränkung finde diese Wahlfreiheit allerdings in den vom EG-Vertrag gesetzten Grenzen (z. B. die Kompetenzordnung, die nicht zur Disposition der Vertragsparteien stehe). 186 Stelkens, EuZW, 2005, 299, 300. 187 Stelkens, EuZW, 2005, 299, 302.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

das Institut des Verwaltungsvertrages bekannt ist.188 Zum anderen ist dem Gemeinschaftsrecht eine Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht fremd und damit auch eine Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag.189 So hat es auch der EuGH bisher vermieden, Verträge als privat- oder öffentlich-rechtlich zu qualifizieren.190 Eine Einordnung des Vertrages als verwaltungsrechtlich, die sich dem deutschen Recht vergleichbar am Schwerpunkt der getroffen Regelungen orientiert, muss folglich ins Leere gehen. Bei einer Übertragung der deutschen Dogmatik stellt sich zudem das Problem der Einordnung des Vertrages in die Systematik der öffentlich-rechtlichen Verträge. Unterschieden wird nach § 54 VwVfG zwischen den subordinationsrechtlichen und den koordinationsrechtlichen Verträgen. Für die Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als subordinationsrechtlicher Vertrag spricht die generelle Überordnung der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten im Beihilfenaufsichtsrecht.191 Dafür spricht weiterhin, dass die Kommission die Einhaltung des Gemeinschaftsrahmens auch bei Verweigerung der Zustimmung durch die Einleitung eines Hauptprüfverfahrens nach Art. 88 II EG durchsetzen kann.192 Dass der Inhalt der Gemeinschaftsrahmen auf eine Regelung für alle Fälle der nationalen Beihilfenvergabe im jeweiligen Sektor zielt und die getroffenen „Vereinbarungen“ eher als abstrakt-generell denn als konkret-individuell zu qualifizieren sind, widerspricht nicht der Möglichkeit der Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als subordinationsrechtlich. Zwar sind die subordinationsrechtlichen Verwaltungsverträge ursprünglich als VA-Surrogate konzipiert worden, doch hat sich ein weites Verständnis der erfassten Regelungen durchgesetzt.193 Nunmehr werden alle öffentlich-rechtlichen Verträge im Bürger-Staat-Verhältnis im Anwendungsbereich von §§ 1, 2 VwVfG erfasst.194 188 Siehe dazu: Schweda, Administrative Normsetzung, S. 316; Bauer, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 36, Rn. 27, Fn. 157. Bleckmann hat bereits 1981 klargestellt, dass nur das deutsche und das französische Recht die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verträgen kennen und das britische Recht eine solche Unterscheidung sogar gänzlich ablehnt. Vgl. dazu: Bleckmann, Dogmatik des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 351. 189 Stelkens, EuZW 2005, 299, 300. 190 Siehe dazu: Tirantafyllou, Vom Vertrags- zum Gesetzesvorbehalt, S. 294. 191 Zur Kennzeichnung des subordinationsrechtlichen Vertrages durch ein generelles Über-Unterordnungsverhältnis: BT-Drs. 7/910, S. 78; Werner, Fehlerfolgenlehre für den Verwaltungsvertrag, S. 91; Gusy, DVBl. 1983, 1222, 1223; Preuß, Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen subordinationsrechtlicher Verwaltungsverträge, S. 63. 192 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3, Rn. 761. 193 Ziekow/Siegel, VerwArch 94 (2003), 593, 606; Preuß, Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen subordinationsrechtlicher Verwaltungsverträge, S. 63 f. Siehe noch zur These der VA-Surrogation: Gusy, DVBl. 1983, 1222, 1223 ff. 194 BVerwGE 111, 162, 165; Stelkens/Bonk/Sachs – Bonk, § 54 VwVfG, Rn. 5, 61; Werner, Fehlerfolgenlehre für den Verwaltungsvertrag, S. 91.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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Auf der anderen Seite stehen sich die Kommission und die Mitgliedstaaten grundsätzlich als gleichgeordnete Partner gegenüber, die in Art. 88 I EG zu einer Zusammenarbeit verpflichtet werden. Nur diese Betrachtung trägt der Souveränität der Mitgliedstaaten hinreichend Rechnung. Die Gemeinschaftsrahmen könnten daher eher als Kooperationsverträge verstanden werden.195 Die Einführung von Kooperationsverträgen in das deutsche Verwaltungsrecht wurde im Musterentwurf des Bundes und der Länder zur Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes angeregt, konnte sich bisher aber noch nicht durchsetzen.196 In Betracht kommt schließlich eine Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als Normersetzungs- oder Normenverträge. Diese werden als echte Rechtsquellen im Sinne eigenständiger Rechtsetzungsformen qualifiziert. Sie entfalten nach korrektem Zustandekommen und Publikation unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber den durch ihre abstrakt-generellen Regelungen betroffenen Dritten und damit auch gegenüber anderen als den Vertragspartnern.197 Im Ergebnis werden durch diese vertraglichen Regelungen Rechtsnormen ersetzt.198 Praktiziert werden solche Verträge vor allem im Sozialversicherungsrecht, im Naturschutzrecht und im Tarifvertragsrecht. Problematisch sind die Normersetzungsverträge unter den Gesichtspunkten der demokratischen Legitimation, des Parlamentsvorbehalts und des Bestimmtheitsgebots.199 Auch wenn unter der Prämisse, dass der administrative Normerlass materielle Verwaltungstätigkeit und nicht Element der Gesetzgebung nach Art. 20 III GG ist,200 die Normersetzungsverträge damit auch Verwaltungsverträge im Sinne von §§ 54 ff. VwVfG sein könnten,201 deckt sich die Wirkung der Gemeinschaftsrahmen nicht mit der beschriebenen Wirkung der Normersetzungsverträge. Unmittelbare Rechtswirkungen entfalten die Gemeinschaftsrahmen nur für die Kommission und die Mitgliedstaaten. Die Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten ist dabei begrenzt und zu einem ganz überwiegenden Teil rein faktischer Natur. Dritte, wie z. B. Beihilfenempfänger, werden durch die Gemeinschaftsrahmen ausschließlich mittelbar betroffen. Eine

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Siehe zum Kooperationsvertrag: Ziekow/Siegel, VerwArch 94 (2003), S. 608. Zur Fortentwicklung von §§ 54 ff. VwVfG siehe: Stelkens/Bonk/Sachs – Bonk, § 54 VwVfG, Rn. 13 ff.; Schröder, Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, S. 303 ff.; Bauer, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 36, Rn. 130 f. 197 Sodan, NZS 1998, 305, 306; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 32; Becker, Kooperative und konsensuale Normsetzung, S. 575. 198 Schlette, Verwaltung als Vertragspartner, S. 208. 199 Siehe dazu: Sodan, NZS 1998, 305, 308 ff.; Werner, Fehlerfolgenlehre für den Verwaltungsvertrag, S. 36; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 35 f. 200 So Erichsen/Ehlers – Gurlit, § 29, Rn. 8; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 263. 201 Schweda, Administrative Normsetzung, S. 320; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 262; Krebs, VerwArch 72 (1981), 49, 54. 196

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normative Wirkung im Sinne einer Rechtsquelle kommt den Gemeinschaftsrahmen mithin nicht zu.202 Auch eine Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als Normsetzungsverträge, also als solche Verträge, die zum Erlass einer untergesetzlichen Norm oder zum Entschluss verpflichten, eine Rechtsnorm nicht zu erlassen,203 kommt nicht in Betracht. Die Gemeinschaftsrahmen stellen gerade keine Vorstufe eines Normenerlasses dar. Sie interpretieren vielmehr die Vorgaben des Art. 87 EG. Die Gemeinschaftsrahmen werden also von den im deutschen Recht bekannten Formen der Verwaltungsverträge nicht erfasst. Damit erweist sich die in der Literatur formulierte These von der Vergleichbarkeit der Gemeinschaftsrahmen mit den Verwaltungsverträgen nach deutschem Recht als nicht haltbar.204 cc) Keine Vertragsfreiheit Gegen eine Qualifizierung der Gemeinschaftsrahmen als Vertrag spricht weiterhin, dass Kommission und Mitgliedstaaten auch durch eine entsprechende Vereinbarung nicht von den materiellrechtlichen Vorgaben der Art. 87 ff. EG abweichen können.205 Nähme man eine Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten und die Kommission bereits dann an, wenn die Mitgliedstaaten einer Regelung zugestimmt haben, könnte die Kommission unabhängig von einer Kompetenz in allen Bereichen für die Mitgliedstaaten verbindliche Regelungen erlassen, vorausgesetzt die Mitgliedstaaten akzeptieren das entsprechende Vorgehen.206 Dies käme einer Änderung des EG-Vertrages gleich, die nur unter qualifizierten Voraussetzungen möglich wäre. Die Konzeption der Beihilfenaufsicht ist somit zwingendes Recht und steht nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Ein vertragliches Erklärungsmodell für die Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen ist daher nicht mit dem geltenden Recht vereinbar. Mit einem vertraglichen Charakter lässt sich auch schwer die Möglichkeit der Kommission erklären, Mitgliedstaaten zur Zustimmung zu den Regelungen des Gemeinschaftsrahmens quasi zu verpflichten. Weigert sich ein Mitgliedstaat, bestimmten Regelungen aus dem Gemeinschaftsrahmen zuzustimmen, kann die Kommission die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 88 II EG veranlassen und den Mitgliedstaat durch eine verbindliche Einzelentscheidung verpflichten, seine Beihilferegelungen entsprechend dem Gemeinschaftsrahmen 202

Siehe dazu ausführlich unten 2. Kap. D.IV.4.b). Becker, Kooperative und konsensuale Normsetzung, S. 575; Schlette, Verwaltung als Vertragspartner, S. 206; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 32. 204 In diese Richtung auch Bauer, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 36, Rn. 27. 205 Rodi, Subventionsrechtsordnung S. 495; Groß, DÖV 2004, 20, 24. 206 Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 111. 203

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auszugestalten.207 Eine solche Möglichkeit offenbart, dass den Mitgliedstaaten keine sichere Verhandlungsposition zukommt, die sie gegenüber der Kommission durchsetzen können. Zu dem Ganzen hat bereits Generalanwalt Lenz zutreffend ausgeführt: „In der Ausgestaltung seiner Beihilfenpolitik gewinnt der Mitgliedstaat, der an dem Übereinkommen nicht mitgewirkt hat, keine Vorteile, da die Kommission im Rahmen der Beihilfenaufsicht die von ihr aufgestellten Leitlinien anwendet und der betreffende Mitgliedstaat dann repressiv an die Beachtung der Leitlinien gebunden wird.“208 Von Vertragsfreiheit im Sinne einer echten Inhalts- und Abschlussfreiheit kann also keine Rede sein. c) Lehre vom Interventionsminimum und Grundsätze des Art. 5 EG Zu untersuchen ist daher, ob die Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als vertragliche Handlungsform aus anderen Gründen zwingend ist. Für die Notwendigkeit einer Betrachtung der Gemeinschaftsrahmen als Vertrag wird angeführt, dass aus der Sicht der Mitgliedstaaten ein Vertrag, an dem sie mitwirken könnten, eine weniger einschneidende Maßnahme ist als ein einseitiger Akt der Kommission.209 Daher sei ein sekundärrechtlicher Vertrag insbesondere dort als zulässig anzusehen, wo die Kommission die Mitgliedstaaten auch durch einseitige Maßnahmen verpflichten könnte. Der damit angedeutete Grundsatz, dass bei mehreren geeigneten Mitteln stets dasjenige Mittel zu wählen sei, das den Rechtsunterworfenen am wenigsten belastet, sei Bestandteil jeder rechtsstaatlichen Ordnung.210 aa) Das Interventionsminimum Die Anwendbarkeit dieses a maiore ad minus-Schlusses erscheint zweifelhaft. Die Argumentation erinnert an die in den Anfangszeiten der europäischen Integration zum EGKS-Vertag entwickelte Lehre vom Interventionsminimum. Sie 207 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3, Rn. 761; Uerpmann EuZW 1998, 331, 333 kennzeichnet diese Möglichkeit als Grenze des kooperativen Verwaltungshandelns. Er zieht daraus aber nicht den Schluss, dass ein Vertrag nicht das richtige Erklärungsmodell ist. Vielmehr gesteht er der Kommission eine Komplementärkompetenz zum einseitigen Handeln zu, die neben dem Vertrag bestehen kann. 208 Schlussanträge des Generalanwalts in EuGH Rs. C-311/94, Ijssel-Vliet, Slg. 1996 I, 5023, 5041. 209 Uerpmann, EuZW 1998, 331, 333. 210 Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 21. Zum Subsidiaritätsprinzip im deutschen Grundgesetz: Bultmann, Öffentliches Recht, S. 143. Zum Subsidiaritätsprinzip im deutschen Recht allgemein und im Recht der europäischen Mitgliedstaaten: Lecheler, Subsidiaritätsprinzip, S. 437 ff.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

hat sich aus dem völkerrechtlichen Grundsatz der größtmöglichen Schonung der Mitgliedstaatenkompetenzen entwickelt. Danach ist jeweils die Handlungsform zu erwählen, die am wenigsten in die Souveränität der Mitgliedstaaten eingreift.211 Somit hätte tatsächlich der Vertrag als kooperative Handlungsform Vorrang vor einer einseitigen Handlung der Kommission. Allerdings könnte danach auch jede andere Handlungsform gewählt werden, die einen kooperativen Charakter hat. Die Schonung der mitgliedstaatlichen Souveränität ist aber kein Gemeinschaftsziel. Die Lehre vom Interventionsminimum wurde nicht als allgemeingültiges Prinzip in den EG-Vertrag aufgenommen.212 Nach der Konzeption des EG-Vertrages darf eine mildere Handlungsform die stärkere vielmehr nur dann ersetzen, wenn es der Zweck der jeweiligen Vertragsvorschrift erlaubt. Der EGVertrag gründet also auf dem Gedanken der möglichst effektiven Umsetzung der Vertragsziele. Das Argument der Schonung der mitgliedstaatlichen Souveränität erweist sich danach als äußerst schwach. bb) Die Grundsätze des Art. 5 EG Fraglich ist, ob die Pflicht zur Wahl einer weniger einschneidenden Handlungsform über ein anderes Argumentationsmodell gehalten werden kann. In Betracht kommt das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 II EG, das als Kompetenzausübungsschranke verstanden wird.213 Dabei steht Art. 5 II EG nicht allein. Das Subsidiaritätsprinzip ist stets in Beziehung zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus Art. 5 I EG und zu dem aus Art. 5 III EG folgenden (eingeschränkten) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu setzen. Die Grundsätze des Art. 5 EG bilden somit eine Schrankentrias.214 Art. 5 I EG verlangt dabei eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage, die, wie oben gezeigt, aus Art. 88 I 2 EG in Zusammenschau mit Art. 87 I, III EG und Art. 88 III EG hergeleitet werden kann. Ein Problem hinsichtlich des grundsätzlichen Dürfens besteht hier also nicht.215 211 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 8, Rn. 38; Trüe, Das System der Rechtssetzungskompetenzen, S. 113. Zur Frage des Vertragsgebotes im deutschen Recht: Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 272 ff.; Schröder, Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, S. 301; Ziekow/Siegel, VerwArch 94 (2003), 593, 604. 212 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 8, Rn. 38. So auch schon Ophüls, NJW 1963, 1697, 1699. 213 Sydow, Verwaltungskooperation in der EU, S. 44 f.; Albin, NVwZ 2006, 629, 630; Kenntner, NJW 1998, 2871; Papier, Subsidiaritätsprinzip, S. 694; Schambeck, Subsidiarität, S. 710; Seidel/Beck, Jura 1997, 393, 398. 214 Ritzer/Ruttloff, EuR 2006, 116, 118; Callies/Ruffert – Callies, Art. 5 EG, Rn. 1, 6; Kenntner, NJW 1998, 2871, 2874; Papier, Subsidiaritätsprinzip, S. 694. 215 Ritzer/Ruttloff, EuR 2006, 116, 118.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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(1) Das Subsidiaritätsprinzip Das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 II EG, das danach fragt, ob im Einzelfall die europäische Maßnahme gegenüber mitgliedstaatlicher Tätigkeit zurücktreten muss,216 ist nur anwendbar, wenn die Norm, auf die sich das Gemeinschaftsorgan stützt, der Gemeinschaft keine ausschließliche Kompetenz einräumt. Nur wenn dies der Fall ist, kann danach gefragt werden, ob es gewichtige Gründe gibt, die es erforderlich erscheinen lassen, dass nur eine gemeinschaftsrechtliche Regelung die einheitliche Rechtsanwendung gewährleisten kann. (a) Ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft Was unter ausschließlicher Zuständigkeit zu verstehen ist, bzw. welche Materien darunter zu fassen sind, ist bisher nicht umfänglich geklärt. Eine einheitliche Definition der ausschließlichen Zuständigkeit hat sich nicht durchsetzen können. Schon die einzelnen EG-Organe gehen von einer unterschiedlichen Reichweite des Begriffes aus.217 Eine Begriffsbestimmung sollte sich sowohl an Wortlaut, Sinn und Zweck der vertraglichen Regelungen als auch an der Rechtsprechung des EuGH orientieren. Danach können als ausschließliche Zuständigkeiten gelten: die gemeinsame Handelspolitik (Art. 133 EG), die Erhaltung der Fischbestände (Art. 102 Beitrittsakte 1972), das interne Organisations- und Verfahrensrecht, die Festlegung des Zolltarifs und das materielle Zollrecht, die Währungspolitik (Art. 105 ff. EG) inklusive ihrer Ausgestaltung im Rahmen der Geld-, Kredit- und Zinspolitik sowie der grenzüberschreitende Verkehr, Kabotage und Dienstleistungsfreiheit von Verkehrsunternehmen (Art. 71 I lit. b EG).218 Nicht zu den ausschließlichen Gemeinschaftskompetenzen gehört also die Beihilfenkontrolle nach Art. 87, 88 EG. Der Entwurf über eine Verfassung der EU sah eine Definition der ausschließlichen Zuständigkeiten in Art. I-12 vor. Eine abschließende Aufzählung der erfassten Bereiche folgte schließlich in Art. I-13 VVE. Diese Aufzählung entspricht den eben genannten Bereichen. Der Vertrag von Lissabon überführt die Regelung des Art. 5 II EG fast unverändert in Art. 3 b III. Eine Definition der Zuständigkeiten findet sich nicht, so dass der bisherige Befund auch auf die Rechtslage nach dem Vertrag von Lissabon übertragen werden kann.

216 Damit wird der Vorrang des indirekten/mitgliedstaatlichen Vollzuges postuliert. Vgl. dazu: Ritzer/Ruttloff, EuR, 2006, 116, 118 f.; Callies/Ruffert – Callies, Art. 5 EG, Rn. 1; Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 7. Kap., S. 382. 217 Siehe die Darstellung bei: Callies/Ruffert – Callies, Art. 5 EG, Rn. 24. 218 Callies/Ruffert – Callies, Art. 5 EG, Rn. 28; Albin, NVwZ 2006, 629, 630 f.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

(b) Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf die Beihilfenkontrolle Gegen eine Anwendung des Subsidiaritätsgrundsatzes auf Maßnahmen der Beihilfenkontrolle spricht die Ausrichtung des Art. 5 II EG auf die Legislativkompetenzen der Gemeinschaftsorgane, d.h. das Subsidiaritätsprinzip findet nur bei Gesetzgebungsakten Anwendung.219 Dies folgt auch aus den unterschiedlichen Subsidiaritätsprotokollen,220 die gemäß Art. 311 EG Vertragsbestandteil sind. Vor allem aus dem ab dem 01.01.2009 geltenden Protokoll wird diese Ausrichtung deutlich, da es ausschließlich von Gesetzgebungsakten spricht.221 Die Beihilfenkontrolle ist keine Legislativ- sondern eine primärrechtliche und originäre Kontrollkompetenz der Gemeinschaft. Damit liegt auch die Anwendungs- und Vollzugsberechtigung einschließlich der weiterführenden Definition der vertraglich vorgegebenen Prüfkriterien in der Kompetenz der Gemeinschaft. Die Mitgliedstaaten sind zu einer Rechtsetzung in diesem Bereich daher nicht mehr befugt. Es ist mithin ein vollkommener Kompetenzverlust seitens der Mitgliedstaaten eingetreten.222 Das Subsidiaritätsprinzip findet somit auf die Beihilfenkontrolle keine Anwendung.223 Für diese Auslegung spricht auch, dass das Beihilfenrecht ein hochsensibler Bereich ist, der stark von widerstreitenden Interessen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten und auch zwischen den Mitgliedstaaten untereinander geprägt ist. Die Abwehr von Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten verleitet leicht zu Maßnahmen, die eine Wettbewerbsverfälschung mit sich bringen und im Ergebnis in protektionistischen Bestrebungen gipfeln können. So würde eine unkontrollierte Vergabe von mitgliedstaatlichen Beihilfen den Wettbewerbsmechanismus und mithin die Statik des Binnenmarktgebäudes gefährden.224 Weiterhin ist anzuführen, dass die Schaffung und die Gewährleistung eines gemeinsamen Marktes das oberste Ziel der EG als einheitlicher Wirtschaftsraum ist. Einen gemeinsamen Markt zu schaffen und die protektionistischen Tendenzen der Mitgliedstaaten auszuschließen, kann nur durch eine einheitliche Kontrolle auf europarechtlicher, also gemeinschaftsrechtlicher Ebene erreicht werden.

219 Callies/Ruffert – Callies, Art. 5 EG, Rn. 28; Albin, NVwZ 2006, 629, 630; Kenntner, NJW 1998, 2871, 2874; Papier, Subsidiaritätsprinzip, S. 697, 699. 220 Siehe dazu beispielhaft das Protokoll von 1997, ABl. 1997, Nr. C 340, S. 105 f. in seinen Ziffern 4 und 6. 221 ABl. 2007, Nr. C. 306, S. 150. 222 Callies/Ruffert – Callies, Art. 5 EG, Rn. 29. 223 So auch Schmidhuber, DVBl. 1993, 417, 418. 224 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 4.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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(2) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Anerkannt ist aber, dass auch auf die Beihilfenkontrolle der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Art. 5 III EG anzuwenden ist.225 Danach ist die Regelungsintensität gegenüber den Mitgliedstaaten auf das Erforderliche zu begrenzen, wenn die Wahl der Handlungsform durch den EG-Vertrag nicht vorgeschrieben ist, dem Organ also ein Formwahlermessen zukommt.226 Dabei bedeutet ein solches Ermessen keine Beliebigkeit, wie es umgekehrt auch nicht bedeutet, gerade diejenige Handlungsform zu erwählen, die den umfassendsten Rechtsschutz bietet.227 Diese Wahlfreiheit besteht grundsätzlich auch bei der Einräumung der Möglichkeit, eine einseitige oder eine kooperative Handlungsform zu wählen. Ein grundsätzlicher Vorrang einer der Handlungsformen besteht daher nicht.228 Grenze ist hier der Missbrauch des Formwahlermessens. Den Ziffern 7 und 8 des Subsidiaritätsprotokolls von 1997 folgend, ist den Mitgliedstaaten auch bei Wahl einer Gemeinschaftsmaßnahme soviel Entscheidungsspielraum einzuräumen, wie sich mit der Gewährleistung des Ziels der Maßnahme vereinbaren lässt.229 Art. 88 I EG lässt die Bestimmung der erforderlichen Maßnahme offen, räumt der Kommission also einen Spielraum ein. Bei „freigestellten“ Maßnahmen der Kommission ist zunächst stets die Wahlmöglichkeit zwischen bindenden und unverbindlichen Maßnahmen zu bedenken. Nur im Fall von unmittelbar bindenden Maßnahmen kommt das Subsidiaritätsprinzip zur pauschalen Lehre vom Interventionsminimum zurück.230 Wo unmittelbar bindende Maßnahmen nicht notwendig sind, muss koordinierenden Programmen, Empfehlungen und internationalen Abkommen Vorrang eingeräumt werden.231 Aus den oben aufgeführten Argumenten ergibt sich, dass ein echter Kompromiss auch unter der Federführung der Kommission aufgrund der gegensätzlichen Positionen der Mitgliedstaaten untereinander und im Verhältnis zur Kommission nur schwer zu schließen sein wird. Effektiver, im Sinne von zur Zielerreichung besser geeignet, ist die Wahl einer bindenden Maßnahme mit kooperativen Elementen, die aber im Ergebnis einseitig erlassen wird. Nach der 225 Vgl. nur: Schmidthuber, DVBl. 1993, 417, 418; Callies/Ruffert – Callies, Art. 5 EG, Rn. 29. 226 Siehe dazu auch: „Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“, ABl. 1997 Nr. C 340, S. 105 f. 227 Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kap., S. 300 f. 228 Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kap., S. 300 f. 229 Callies/Ruffert – Callies, Art. 5 EG, Rn. 54. 230 Trüe, System Europäischer Rechtssetzungskompetenzen, S. 116; Callies/Ruffert – Callies, Art. 5 EG, Rn. 57. 231 Callies/Ruffert – Callies, Art. 5 EG, Rn. 55.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

hier vertretenen Ansicht sind die Gemeinschaftsrahmen nur für die Kommission umfassend unmittelbar bindend. Für die Mitgliedstaaten erhöhen sie überwiegend lediglich die Transparenz künftiger Kommissionsentscheidungen in der Beihilfenaufsicht und ermöglichen so eine passgenaue Ausrichtung der mitgliedstaatlichen Beihilfenvergabe. Damit können sie mit koordinierenden Programmen verglichen werden, da auch sie den Mitgliedstaaten eine Handlungsempfehlung an die Hand geben. Da koordinierende Programme und ähnliche Maßnahmen sowie internationale Abkommen hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips gleichwertige Lösungen sind, kann der besseren Eignung einseitiger Handlungsformen mit kooperativen Elementen im Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht entgegen gehalten werden. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 III EG ist die Wahl einer vertraglichen Lösung somit nicht zwingend. d) Abschließende Betrachtung Die These, Gemeinschaftsrahmen seien Verträge, ist somit unter keinem der vorgebrachten Argumente haltbar. Aufgrund der Befugnis der Kommission eine fehlende Zustimmung durch eine Entscheidung zu ersetzen, fehlt es schon an wesentlichen Elementen eines Vertrages. Auch aus den Grundsätzen des Art. 5 EG lassen sich keine zwingenden Argumente gewinnen, die eine Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als vertragliche Handlungsform verlangen. Vielmehr genügt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jede Ausgestaltung durch eine kooperative Handlungsform. 2. Benannter Rechtsakt nach Art. 249 EG Auch wenn der Begriff der Gemeinschaftsrahmen nicht im Wortlaut des Art. 249 EG zu finden ist, könnten die Gemeinschaftsrahmen dennoch ein benannter Rechtsakt nach Art. 249 EG sein. Denn nach der Auffassung des EuGH ist nicht die Bezeichnung einer Maßnahme entscheidend, sondern deren Wirkung.232 Die wahre Rechtsnatur eines Rechtsaktes ergebe sich aus einer in dem Rechtsakt umschriebenen objektiven Rechts- oder Sachlage in Verbindung mit der Zielsetzung des Aktes.233 Die Auffassung des EuGH findet ihre Stütze im 232 EuGH Rs. C-307/81 Alusuisse Italia SpA/Rat und Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Slg. 1982, 3463, 3471 f.; EuGH verbundene Rs. C-789/79, C-790/79, Calpak SpA u. a./Kommission, Slg. 1980, 1949, 1961; EuGH Rs. C-60/81, International Business Machines Corporation/Kommission, Slg. 1981, 2639, 2651; EuGH Rs. C-147/83, Münchener Import-Weinkellerei/Kommission, Slg. 1985, 257, 270; EuG Rs. T-3/93, Air France/Kommission, Slg. 1994 II, 121, 154. 233 EuGH Rs. C-242/81, Société Roquette Frères/Rat der Europäischen Gemeinschaften, Slg. 1982, 3213. In diese Richtung gehen bereits die Entscheidungen EuGH

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Vertragstext selbst. Art. 230 IV EG spricht von Entscheidungen, die, obwohl sie als Verordnungen ergangen sind, angegriffen werden können, wenn sie den Kläger unmittelbar und individuell betreffen. Nach dieser Norm ist also zwischen der Bezeichnung eines Rechtsaktes und dessen Rechtsnatur zu unterscheiden.234 a) Abgrenzungskriterien Wenn aber die Bezeichnung eines Rechtsaktes nur als Beweis des ersten Anscheins herangezogen werden kann und die Rechtsnatur jeweils einzeln zu bestimmen ist,235 dann stellt sich die Frage nach geeigneten Abgrenzungskriterien. Nettesheim hat für die Bestimmung der wahren Rechtsnatur eines Aktes nach Art. 249 EG die Berücksichtigung folgender Kriterien vorgeschlagen: Art des Adressaten, Offenheit oder Geschlossenheit des Adressatenkreises, Offenheit oder Geschlossenheit der Zahl der erfassten Regelungssachverhalte und die Art der angesprochenen Pflicht.236 Aus der Adressierung eines Aktes kann insofern auf dessen Rechtsnatur geschlossen werden, als dass nicht alle Handlungsformen adressatengebunden sind. So ergeht z. B. die Verordnung im Gegensatz zur Richtlinie und zur Entscheidung nicht an einen bestimmten Adressaten oder Adressatenkreis, sondern ist allgemein verbindlich.237 Weiterhin ist nur die Richtlinie an die Mitgliedstaaten gerichtet, wohingegen die Entscheidung sowohl an die Mitgliedstaaten als auch an natürliche oder juristische Personen adressiert sein kann. Die Offenheit oder Geschlossenheit des Adressatenkreises und der Zahl der erfassten Regelungssachverhalte ist für die Abgrenzung der Handlungsformen notwendig, die allgemein oder individuell wirken können. Dies betrifft vorrangig die Unterscheidung zwischen Entscheidungen und Verordnungen. Das Kriterium der Art der angesprochenen Pflicht bezieht sich auf alle Handlungsformen. Die Pflicht kann ein Tun oder Unterlassen sein. Wird ein positives Tun verlangt, so kann dies z. B. im Erlass eines Rechtssatzes (dann ist der Rechtsakt typischerweise eine Richtlinie) oder in der Vornahme von Verwaltungshandeln (dann ist der Rechtsakt meist eine Verordnung oder eine Entscheidung) lieverbundene Rs. C-16/62, C-17/62, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes/Rat der EWG, Slg. 1962, 960, 966 und EuGH verbundene Rs. C-19/62 bis C-22/62, Fédération nationale de la boucherie en gros/Rat der EWG, Slg. 1962, 1003, 1020. Diese Rechtsprechung wird in der Literatur nicht angegriffen. Siehe hierzu statt vieler nur: Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 14; Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 40 (m.w. N.). 234 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 106 (EL 20, 08/2002); Groeben/ Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 26. 235 Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 26. 236 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 108 (EL 20, 08/2002). 237 Schroeder, EuR 2007, 349, 357; Härtel, Handbuch Europäische Rechtssetzung, § 7, Rn. 28.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

gen.238 Die dargestellten Kriterien können also eine erste grobe Abgrenzung leisten und sollen daher auch in der hier anstehenden Betrachtung berücksichtigt werden. b) Vorauswahl möglicher Handlungsformen Durch die Wortwahl in den Gemeinschaftsrahmen wird überwiegend der Eindruck erzeugt, als seien diese rechtlich verbindliche Normen. Dafür sprechen Formulierungen wie „Geltungsdauer“, „Inkrafttreten“ oder „Durchführung“ der Gemeinschaftsrahmen.239 Da die Gemeinschaftsrahmen abstrakt-generelle Regelungen für bestehende und für neue Beihilfen formulieren, kommen sie als quasi-legislatorische Akte von ihrer Wirkung her den verbindlichen Rechtsakten in Art. 249 EG nahe.240 Verbindliche Rechtsakte sind die Richtlinie, die Verordnung und die Entscheidung. Daher soll im Folgenden untersucht werden, ob die Gemeinschaftsrahmen einer dieser benannten Handlungsformen zugeordnet werden können. Bei der Qualifizierung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen ist aber wie bei jedem anderen Gesamtrechtsakt zu berücksichtigen, dass sich ein solcher aus Bestimmungen unterschiedlicher Rechtsnatur zusammensetzen kann. Daher ist grundsätzlich eine getrennte Betrachtung der einzelnen Regelungen oder Regelungskomplexe vorzunehmen.241 Wegen der unterschiedlichen Reichweite der Bindungswirkung ist daher jeweils zwischen den Regelungen betreffend neue und betreffend bestehende Beihilfen zu unterscheiden.242 Die Notwendigkeit dieser spezifischen Unterscheidung ergibt sich sowohl aus dem Gemeinschaftsrahmen also auch aus dem EG-Vertrag selbst.243 In Art. 88 EG stellt der EGVertrag für das Kontrollverfahren der Kommission unterschiedliche Regelungen hinsichtlich dieser beiden Komplexe zur Verfügung.244 c) Gemeinschaftsrahmen als Richtlinie Die Gemeinschaftsrahmen könnten zunächst als Richtlinien zu qualifizieren sein. Nach Art. 249 III EG ist die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Richtlinien 238

Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 108 (EL 20, 08/2002). Vgl. zu einer entsprechenden Wortwahl: F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 44 f. In der Literatur: Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 488. 240 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 488. 241 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 107 (EL 20, 08/2002); Groeben/ Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 26. 242 So auch Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 29. 243 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 44. 244 Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 790. 239

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formulieren den von den Mitgliedstaaten herzustellenden oder beizubehaltenden Rechtszustand,245 um eine Harmonisierung der nationalen Rechtsordnungen herbeizuführen.246 Damit entfalten Richtlinien in den Mitgliedstaaten grundsätzlich nur eine mittelbare Wirkung für den Marktbürger. Rechte und Pflichten der Bürger ergeben sich in der Regel erst aus den nationalen Umsetzungsakten.247 Die Richtlinie ist also auf eine zweistufige Rechtsetzung ausgerichtet.248 In dieser Hinsicht ist die Wirkung der Gemeinschaftsrahmen ähnlich. Auch sie entfalten nur mittelbar eine Wirkung für den betroffenen Beihilfenempfänger. Allerdings ist die Wirkung von Richtlinien und Gemeinschaftsrahmen in Bezug auf den Mitgliedstaat unterschiedlich. Dies liegt an der unterschiedlichen Adressierung der Maßnahmen. Die Richtlinien sind direkt und ausschließlich an die Mitgliedstaaten adressiert.249 Schließlich wird nur von diesen ein Umsetzungsakt verlangt. aa) Bewertung hinsichtlich neuer Beihilfen Die Vorgaben bezüglich neuer Beihilfen können nicht als Richtlinie betrachtet werden. Bei den Gemeinschaftsrahmen ist die Bindung der Mitgliedstaaten zumindest für neue Beihilfen nur mittelbar. „Hauptadressat“ dieses Regelungskomplexes ist die Kommission selbst. Insofern sprechen schon die Bindungswirkung und die Wahl des Adressaten gegen eine Einordnung als Richtlinie. Als Richtlinien können die Gemeinschaftsrahmen weiterhin deshalb nicht verstanden werden, weil eine Umsetzung der Regelungen der Gemeinschaftsrahmen ins nationale Recht in Form von abstrakt-generellen Regelungen nicht gewollt ist. Dies zeigt sich schon am Fehlen einer Umsetzungsfrist, die aber notwendiger und charakteristischer Bestandteil einer jeden Richtlinie ist.250 Gewollt ist vielmehr eine Einflussnahme auf die mitgliedstaatliche Verwaltung im Sinne einer Verhaltenssteuerung durch die Formulierung der Prüfungskriterien der Kommission für die Vergabe von nationalen Beihilfen.251 Gegen die Einord245 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 133 (EL 20, 08/2002); Groeben/ Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 38. 246 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 124 (EL 20, 08/2002); Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 45; Mager, EuR 2001, 661, 664. 247 Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 45; Fisahn/Mushoff, EuR 2005, 222. Ausnahmsweise können Richtlinien auch unmittelbar wirken, wenn ein Mitgliedstaat sie nicht oder nicht richtig umgesetzt hat. Siehe dazu nur: Fisahn/Mushoff, EuR 2005, 222 ff. 248 Mager, EuR 2001, 661, 665; Fisahn/Mushoff, EuR 2005, 222. 249 Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 37; Mager, EuR 2001, 661, 664. 250 Zur Notwendigkeit und Ausgestaltung der Umsetzungsfrist: Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 134 (EL 20, 08/2002); Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 46. 251 So auch die Formulierung im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 5.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

nung der Gemeinschaftsrahmen als Richtlinie spricht also auch die Art der angesprochenen Pflicht. bb) Bewertung hinsichtlich bestehender Beihilfenregelungen Adressat der Regelungen bezüglich bestehender Beihilfenregelungen sind neben der Kommission auch die Mitgliedstaaten, so dass nach diesem Kriterium die Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als Richtlinie nahe liegt. (1) Das Zustimmungserfordernis Für die Anwendbarkeit der Gemeinschaftsrahmen ist bezüglich der vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen betreffend bestehender Beihilfenregelungen eine ausdrückliche Zustimmung der Mitgliedstaaten erforderlich. Auch wenn das Zustimmungserfordernis bereichsspezifisch verlangt wird (Art. 88 I 2 EG) und sowohl Kommission als auch Mitgliedstaaten durch das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit gebunden sind, ist dieses Vorgehen für eine Richtlinie untypisch. Sie ist vielmehr ein einseitiger Rechtsakt und keine Handlungsform mit kooperativen Elementen. Vor allem die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, ihre Zustimmung zu verweigern und so die Bindungswirkung des Gemeinschaftsrahmens gegenüber den Mitgliedstaaten hinauszuschieben, ist für die Richtlinie nicht charakteristisch. Auch wenn die Richtlinie ihre Verbindlichkeit nur auf ihre Zielsetzung beschränkt, darf daraus keine weniger geringe Bindungswirkung des Rechtsaktes Richtlinie abgleitet werden. Art. 249 III EG belässt zwar den Mitgliedstaaten die Freiheit bei der Wahl der Mittel und Wege zur Durchführung der Richtlinie, doch lässt diese Freiheit die Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten unberührt, innerhalb einer festen Frist im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten252. Dass sich ein Mitgliedstaat der Umsetzung durch Verweigerung der Zustimmung entziehen kann, ist daher nicht mit dem Rechtsakt der Richtlinie vereinbar. Dieses Ergebnis lässt sich auch nicht dadurch argumentativ entkräften, dass der Kommission die Möglichkeit zur Erzwingung der Ausgestaltung des nationalen Rechts im Wege einer verpflichtenden Einzelentscheidung nach Art. 88 II EG verbleibt.253 Dieses Vorgehen behindert die zügige Harmonisierung des Rechtsraums erheblich und ist damit mit der Intention der Richtlinie nicht vereinbar.

252 EuGH Rs. C-14/83, Sabine von Colson, Slg. 1984, 1891, 1906; EuGH Rs. C-79/83, Dorit Harz, Slg. 1984, 1921, 1939; Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 39. 253 Siehe zum genauen Verfahrensablauf: Art. 19 II VO (EG) Nr. 659/1999.

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(2) Umsetzungserfordernis und Umsetzungsfrist Will man die Notwendigkeit der Zustimmung in diesem Zusammenhang nicht überbetonen und ausschließlich als Folge der Regelung des Art. 88 I 2 EG ansehen, sprechen doch weitere wichtige Argumente gegen die Einordnung der Regelung bezüglich bestehender Beihilfen als Richtlinie. In Bezug auf bestehende Beihilfen wird den Mitgliedstaaten die Umsetzung des Gemeinschaftsrahmens ins nationale Recht bzw. die Anpassung der mitgliedstaatlichen Regelungen als zweckdienliche Maßnahme im Sinne des Art. 88 I EG vorgeschlagen. Dabei lässt die Formulierung „um dem vorliegenden Gemeinschaftsrahmen zu entsprechen“254 erkennen, dass die Kommission ihre Vorgaben als zumindest dem Inhalt nach verbindlich ansieht. Die Mitgliedstaaten sind also aufgefordert, Umsetzungsmaßnahmen zu ergreifen. Die für die Richtlinie typische Zweistufigkeit der Rechtsetzung ist somit vorhanden. Für die erforderliche Umsetzung ins nationale Recht wird den Mitgliedstaaten im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen eine Frist von zwölf Monaten nach Inkrafttreten des Gemeinschaftsrahmens eingeräumt,255 wobei diese Frist als nicht zwingend erscheint. Gewählt wurde eine Soll-Vorschrift. Aus den nachfolgend dargestellten Ausnahmen von dieser Fristenregelung, die zum Teil eine großzügigere Übergangszeit festlegen, lässt sich schließen, dass die eigentliche Frist ernst zu nehmen ist. Ein Abweichen soll gerade die Ausnahme bleiben. Damit wäre die notwendige Umsetzungsfrist vorhanden. Allerdings finden sich auch Regelungen, die eine sofortige oder auch verzögerte Gültigkeit einiger Bestimmungen anordnen, ohne dass es dafür einer gesonderten Umsetzung bedürfte. Dieser Aspekt ist mit den Umsetzungsfristen bzw. dem Umsetzungserfordernis für Richtlinien nicht zu vereinbaren. Der Umstand, dass einige Teile des Gemeinschaftsrahmens keiner Umsetzung innerhalb einer bestimmten Frist durch die Mitgliedstaaten bedürfen, ist keine Besonderheit der Umsetzungsfrist. Die fehlende Umsetzungsnotwendigkeit ist auch keine Ausnahme in der Hinsicht, dass Richtlinien auch Bestimmungen enthalten können, die bereits so bestimmt und unbedingt sind, dass sie so, wie sie erlassen wurden, ins nationale Recht übernommen werden können.256 Dieser Umstand verdeutlicht nur, dass die gewährten Anpassungsfristen ein Entgegenkommen der Kommission an die Mitgliedstaaten sind. Die gesetzten Fristen sind damit Ausdruck des gemeinschaftsrechtlichen Vertrauensgrundsatzes bzw. des allgemeineren Prinzips der Rechtssicherheit. Diese Prinzipien sind gemeinschaftsrechtlich anerkannt,257 auch wenn sie in den einzelnen Mitgliedstaaten in unter254

F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 44. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 44. 256 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 133 (EL 20, 08/2002). 257 EuGH Rs. C-143/93, Gebroeders van ES Douane Agenten BV, Slg. 1996 I, 431, 471; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 911. 255

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schiedlicher Intensität ausgeprägt sind.258 Der EuGH verwendet den Begriff der Rechtssicherheit vor allem in Konstellationen, in denen es um die gegenwärtige oder zukünftige Anwendung von Vorschriften geht, die finanziell Konsequenzen haben können.259 Eine Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes steht auch den Mitgliedstaaten offen, wenn sie wie jeder sonstige Wirtschaftsteilnehmer der gemeinschaftsrechtlichen Verwaltung unterworfen sind.260 Allerdings beschränkt sich die Anwendung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht nur auf die Überprüfung von Exekutivakten, sondern ermöglicht auch eine Überprüfung von legislativem Tätigwerden der Gemeinschaft.261 Dass die gewährten Fristen Ausdruck dieser Prinzipien sind und dass die Einräumung der Fristen notwendig oder zumindest wünschenswert ist, um den genannten rechtsstaatlichen Prinzipien gerecht zu werden, zeigen auch die folgenden Überlegungen: Nach Art. 88 I 1 EG ist die Kommission zur fortlaufenden Prüfung der bestehenden Beihilfenregelungen befugt. Damit soll sichergestellt werden, dass bestehende Beihilfenregelungen zu jedem Zeitpunkt mit dem gemeinsamen Markt vereinbar sind und keine wettbewerbsverfälschende Wirkung haben.262 Auch wenn Beihilfen ursprünglich als mit dem gemeinsamen Markt vereinbar angesehen wurden, müssen sie diese Vereinbarkeit doch für die gesamte Dauer ihrer Gewährung aufweisen.263 Bei Änderungen der Wirtschafts- und Wettbewerbslage und bei Einführung neuer Bewertungsmaßstäbe kann diese Vereinbarkeit entfallen. Durch die Formulierung neuer Prüfungskriterien, die eine Reaktion der Kommission auf die veränderten Herausforderungen des Gemeinsamen Marktes darstellen, sind die alten Regelungen erstmalig bzw. verstärkt in der Lage, einen wettbewerbsverzerrenden Einfluss auszuüben. Bei Feststellung einer Unvereinbarkeit gewährter Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt kann die Kommission rechtliche Schritte nach Art. 88 II EG gegen den Mitgliedstaat einleiten, um die Beihilfen den Bedingungen des Art. 87 EG anzupassen.264 Dies kann sie zum Beispiel durch Rückforderung der Beihilfe oder durch Erlass

258 Siehe dazu die ausführlichen rechtsvergleichenden Darstellungen von Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 843 ff. 259 Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 143. Als Beleg aus der Rechtsprechung siehe nur: EuGH Rs. C-30/89, Kommission/Französische Republik, Slg. 1990 I, 691, 716; EuGH Rs. C-326/85, Königreich Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091, 5116. 260 Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 195. 261 Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 913 f. 262 Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 88 EG, Rn. 111 (EL 15, 01/2000); Callies/ Ruffert – Cremer, Art. 88 EG, Rn. 5; Heidenhain – Sinnaeve, § 32, Rn. 1. 263 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 88 EG, Rn. 5; Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 118. 264 Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 118.

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einer Umgestaltungsanordnung geschehen.265 Um den Mitgliedstaaten, die sich bisher rechtstreu verhalten haben und ihre Beihilfenregelungen an der alten Rechtslage ausgerichtet hatten, ein entsprechendes Verfahren zu ersparen und damit eine weniger in die mitgliedstaatliche Souveränität eingreifende Maßnahme zu wählen, hat die Kommission die angesprochenen Übergangsfristen geschaffen. Mit der Frist soll also ein Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten gefunden werden. Dies ist auch notwendig, denn inhaltlich betrifft der Grundsatz der Rechtssicherheit sowohl die Verlässlichkeit der bestehenden Rechtsordnung als auch die Vorhersehbarkeit der künftigen Gemeinschaftsmaßnahmen.266 Seitens der Mitgliedstaaten und der betroffenen Marktbürger ist die bisher erlangte Rechtsposition, für die ein gewisser Vertrauensschutz besteht, zu berücksichtigen. Damit streitet der Aspekt der Rechtssicherheit für das Fortbestehen einer gegebenen rechtlichen Lage und damit für Stabilität und Konstanz.267 Auf der Seite der Kommission steht zum einen der aus Art. 5 I, Art. 220, Art. 230 I EG herleitbare und vom EuGH anerkannte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.268 Schließlich hat sich die Kommission mit dem Erlass des Gemeinschaftsrahmens selbst gebunden. Zum anderen ist die Kommission auf die Aufrechterhaltung der Flexibilität des Gemeinsamen Marktes durch eine flexible Rechtsetzungs- und Rechtsanwendungspraxis verpflichtet.269 Im Rahmen des Prinzips der Rechtssicherheit als rechtsstaatlichem Grundsatz könnte allenfalls problematisch sein, dass sich die neuen Kriterien zur Vergabe von Beihilfen im entsprechenden Bereich auch auf bereits gewährte und von der Kommission ursprünglich als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilfen erstrecken. Wegen der fortlaufenden Prüfungsbefugnis der Kommission kann aber der Vertrauensschutz wertungsmäßig nicht zu hoch angesetzt werden. 265

Siehe dazu auch Art. 18 VO (EG) Nr. 659/1999. Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 143; EuGH Rs. C-143/93, Gebroeders van ES Douane Agenten BV, Slg. 1996 I, 431, 471. 267 Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 143; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 918, 920. 268 EuGH verbundene Rs. C-42/59, C-49/59, SNUPAT/Hohe Behörde, Slg. 1961, 109, 172; EuGH Rs. C-46/87, Hoechst AG/Kommission, Slg. 1989, 2859, 2924; Haibach, NVwZ 1998, 456, 459. Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist den Rechtsordnungen der meisten Mitgliedstaaten bekannt und kann daher auch als allgemeiner Grundsatz des europäischen Verwaltungsrechts gelten. Siehe dazu: Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40, 43; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 216 ff.; Schwarze, NJW 1986, 1067, 1068. Siehe zur Regelung dieses Grundsatzes im Musterentwurf des Europäischen Bürgerbeauftragten in einem Kodex für gute Verwaltungspraxis: Maritnez Soria, EuR 2001, 682, 683, 6691. 269 Vgl. zu den Kriterien des Vertrauensschutzes: Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 196 ff.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 918 ff. 266

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Sowohl den Mitgliedstaaten als auch dem Beihilfeempfänger musste wegen den Rechten der Kommission aus Art. 88 II EG bewusst sein, dass Änderungen oder Rückforderungen möglich sind. Dann aber stellt sich die Änderung der Bewertungsmaßstäbe als eine unechte Rückwirkung dar, da sie keinen abgeschlossenen Tatbestand betrifft.270 Der EuGH hat zu dieser Problematik folgendermaßen Stellung bezogen: „Nach einem allgemein anerkannten Grundsatz sind Gesetzesänderungen, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf die künftigen Wirkungen unter dem alten Recht entstandener Sachverhalte anwendbar.“271 Dabei kann sich die Änderung auch nachteilig für den oder die Betroffen auswirken, ohne dass die herbeigeführte Änderung dadurch unzulässig würde.272 Im deutschen Recht ist anerkannt, dass bei unechten Rückwirkungen, die in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Umstände anknüpfen, Übergangsregelungen erlassen werden, um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.273 Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist das Erfordernis einer Übergangsregelung nicht unbekannt. Notwendig ist diese, wenn ein genügend verfestigter Vertrauenstatbestand durch Übernahme von Verpflichtungen oder durch eine bestimmte Übung der Verwaltung entstanden ist.274 Vor allem im Bereich der Selbstbindung der Verwaltung, durch die seitens der Betroffenen konkrete Stabilitätserwartungen geweckt werden, sind angemessene Übergangszeiten notwendig. Unter diesem Aspekt kann auch die von der Kommission geschaffene Umsetzungs- bzw. Anpassungsfrist betrachtet werden. Damit stellt sich die gewährte Frist nicht als Umsetzungsfrist im typischerweise verstandenen Sinne dar. Sie ist vielmehr als eine Anpassungsfrist oder Karenzzeit zur Reaktion auf die geänderten Prüfungskriterien der Kommission zu betrachten. Daher kann auch wegen der fehlenden Umsetzungsfrist der Abschnitt über bestehende Beihilfenregelungen nicht als Richtlinie betrachtet werden.

270 Diese ursprünglich aus Deutschland stammende Bezeichnung als unechte Rückwirkung einschließlich ihrer Tatbestandsvoraussetzungen hat sich in der europarechtlichen Literatur durchgesetzt. Vgl. dazu: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 1085. Dieser weist auch explizit darauf hin, dass der EuGH diese Terminologie nicht übernommen hat. 271 EuGH Rs. C-1/73, Westzucker GmbH, Slg. 1973, 723, 729; EuGH Rs. C-40/79, Frau P./Kommission, Slg. 1981, 361, 373. 272 Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 1094 (mit Nachweis entsprechender Rechtsprechung). 273 BVerfGE 43, 242, 288; BVerfGE 67, 1, 15; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 874. 274 Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 1097.

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cc) Ergebnis Die Gemeinschaftsrahmen können somit insgesamt nicht als Richtlinien qualifiziert werden. Den beiden Handlungsformen fehlt die notwendige Strukturgleichheit. d) Gemeinschaftsrahmen als Verordnung Die Gemeinschaftsrahmen könnten Verordnungen im Sinne des Art. 249 EG sein. Wesentliches Merkmal der Verordnung ist deren allgemeine und unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten. Die Verordnung stellt damit einen Rechtsetzungsakt dar, der materiell einem Gesetz gleichsteht.275 Nach der Intention der Kommission sind die getroffenen Regelungen innerhalb der Gemeinschaftsrahmen zwar abstrakt-generell formuliert und damit einer allgemein Geltung grundsätzlich zugänglich, jedoch fehlt es an einer umfassenden unmittelbaren Bindungswirkung. Die Gemeinschaftsrahmen kennen nur zwei Adressaten. Dies sind zum einen die Mitgliedstaaten, soweit es um bestehende Beihilfen geht und der jeweilige Mitgliedstaat dem Gemeinschaftsrahmen zugestimmt hat. Zum anderen ist dies die Kommission selbst, soweit es um die Formulierung der Kriterien zur Überwachung der Einführung neuer mitgliedstaatlicher Beihilfen geht. Damit besteht ein geschlossener bzw. abschließend bestimmbarer Kreis von Adressaten. Die Abgeschlossenheit bzw. Bestimmbarkeit des Adressatenkreises ist ein wesentliches Charakteristikum der Entscheidung. Daher sind entsprechende Regelungskomplexe als ein Bündel von Entscheidungen zu bezeichnen. Ein solcher Rechtsakt, der ursprünglich als Verordnung erlassen wurde, tatsächlich aber eine Entscheidung darstellt, kann dann allenfalls als Scheinverordnung bezeichnet werden.276 Würde man auch bei abgeschlossenem Adressatenkreis eine (echte) Verordnung annehmen, wäre eine Abgrenzung zwischen den Instituten der Entscheidung und der Verordnung nicht mehr möglich. Mit der Notwendigkeit der Zustimmung der Mitgliedstaaten zu den Gemeinschaftsrahmen sind weitere Probleme verbunden. Die Verordnung ist ein Rechtssetzungsakt, dem allgemeine Geltung zukommen soll. Das bedeutet, dass die Verordnung keinen räumlich beschränkten Wirkungskreis hat, sondern in allen 275 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 110 (EL 20, 08/2002); Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 39; Mager, EuR 2001, 661, 662. 276 EuGH Rs. C-41/70, NV International Fruit Company u. a./Kommission, Slg. 1971, 411, 422; EuGH Rs. C-113/77, NTN Toyo Bearing Company Ltd u. a./Rat der Europäischen Gemeinschaften, Slg. 1979, 1185, 1205; EuGH Rs. C-354/87, Weddel & Co. BV/Kommission, Slg. 1990 I, 3847 f.; Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 112 (EL 20, 08/2002); Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 29; Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 40; Mager, EuR 2001, 661, 663.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

Mitgliedstaaten gilt.277 Dafür kann der Wortlaut von Art. 249 II EG – „in jedem Mitgliedstaat“ – angeführt werden. Ein Gemeinschaftsrahmen wird aber nur für den Mitgliedstaat verbindlich, der ihm zugestimmt hat. Mit der allgemeinen Geltung ist aber bei der Verordnung ebenso verbunden, dass der jeweilige Akt nicht nur den Mitgliedstaaten, sondern gleichzeitig auch den Bürgern Rechte und Pflichten auferlegt.278 Dies ist bei den Gemeinschaftsrahmen nicht der Fall. Bürger sind allenfalls mittelbar in den Wirkungskreis der Gemeinschaftsrahmen einbezogen. Das Zustimmungserfordernis bezieht sich zudem nicht nur auf den Adressatenkreis, sondern hat auch eine Auswirkung auf die unmittelbare Verbindlichkeit der Gemeinschaftsrahmen. Unmittelbare Verbindlichkeit bzw. Geltung bedeutet bei einer Verordnung, dass sich der Geltungsanspruch allein aus dem unionsrechtlichen Erzeugungsakt ableitet.279 Die Mitgliedstaaten sollen gerade keinen Einfluss auf die Wirksamkeit haben. Eines Umsetzungsaktes oder einer Bekanntgabe nach nationalem Recht bedarf es daher nicht.280 Bei den Gemeinschaftsrahmen ist aber ein zusätzlicher, kooperativer Akt erforderlich, der zur Bedingung der Beachtung der Regelungen bezüglich bestehender Beihilfen gemacht wird. Das Zustimmungserfordernis ist mit dem Charakter einer Verordnung nicht zu vereinbaren. Gegen eine Interpretation der Gemeinschaftsrahmen als Verordnung spricht weiterhin die fehlende Veröffentlichung der Gemeinschaftsrahmen im Amtsblatt L (= Legislation) der Europäischen Union. Gemeinschaftsrahmen werden von der Kommission vielmehr im Amtsblatt C (= Communication) veröffentlicht. Eine Veröffentlichung im Amtsblatt L wäre für eine Verordnung aber notwendig, denn diese Ausgabe enthält die Rechtsvorschriften.281 Dazu gehören vor allem die veröffentlichungsbedürftigen Rechtsakte.282 Gemäß Art. 254 I EG sind ohne Ausnahmen alle Verordnungen entsprechend veröffentlichungsbedürftig. Da die Gemeinschaftsrahmen aber im Amtsblatt C veröffentlicht werden, wären sie, wenn man sie als Verordnungen einstufte, aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Veröffentlichung rechtswidrig.283 Im Gegensatz zum deutschen Normennichtigkeitsdogma spricht für jeden Rechtsakt der Gemeinschaftsorgane grundsätzlich die Vermutung der Gültigkeit. Sie entfalten daher selbst dann, 277 278

Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 119 (EL 20, 08/2002). Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 33; Mager, EuR 2001, 661,

663. 279

Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 121 (EL 20, 08/2002). Zum Umsetzungsakt: Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 42. Zur Bekanntgabe: Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 31; Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 254 EG, Rn. 3. 281 Streinz EUV/EGV – Gellermann, Art. 254 EG, Rn. 4. 282 Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 254 EG, Rn. 4. 283 Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 254 EG, Rn. 9. 280

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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wenn sie fehlerhaft sind, Rechtswirkungen, solange sie nicht aufgehoben oder zurückgenommen werden.284 Eine Inexistenz aufgrund von offensichtlichen oder schwerwiegenden Fehlern ist auf ganz außergewöhnliche Fälle beschränkt.285 Ein solcher liegt hier aber nicht vor. Dieser letzte Aspekt allein kann wegen der Summe der Einwendungen nicht dafür Sorge tragen, dass die Handlungsform der Gemeinschaftsrahmen unter den Rechtsakt der Verordnung zu subsumieren ist. e) Gemeinschaftsrahmen als Entscheidung In Betracht kommt schließlich die Handlungsform der Entscheidung. Unter einer Entscheidung versteht man einen verbindlichen Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts für einen Einzelfall.286 Sie ist gem. Art. 249 IV EG in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet. Eine Entscheidung liegt nur dann vor, wenn und soweit die in Frage stehende Rechtshandlung einem Unionsorgan zuzurechnen ist.287 Adressat einer Entscheidung können neben dem Einzelnen auch ein oder mehrere Mitgliedstaaten sein.288 Nach dem Adressaten richtet sich aber der Wirkungsmodus der Entscheidung aus.289 Daher ist danach zu unterscheiden, ob es sich um eine staatengerichtete oder um eine individualgerichtete Entscheidung handelt.290 Ergeht eine Entscheidung an einen Mitgliedstaat, bindet diese alle Organe des adressierten Staates.291 Dabei entsteht eine Verbindlichkeit hinsichtlich des gesamten Inhalts der Entscheidung und nicht nur, wie bei der Richtlinie, eine Verbindlichkeit hinsichtlich der Zielsetzung.292 Die Entscheidung hat also ebenso wie die Verordnung eine unmittel284

EuGH Rs. C-227/92 HoechstAG/Kommission, Slg. 1999 I, 4443, 4487. EuGH Rs. C-227/92 HoechstAG/Kommission, Slg. 1999 I, 4443, 4489; Callies/ Ruffert – Ruffert, Art. 254 EG, Rn. 9. 286 Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 123; Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 43; Mager, EuR 2001, 661 f.; Sydow, Verwaltungskooperation in der EU, S. 56. Aufgrund dieser Definition ist die Entscheidung bis zu einem gewissen Grad mit dem Verwaltungsakt des deutschen Rechts vergleichbar. Die Vergleichbarkeit mit dem VA erstreckt sich aber nur auf die individualgerichteten Entscheidungen. Bei den staatengerichteten Entscheidungen fehlt eine Parallele zu den nationalen Handlungsformen. 287 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 189 (EL 20, 08/2002). 288 Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 124; Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 45; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 347. 289 Streinz EUV/EGV – Schroeder, Art. 249 EG, Rn. 132; von Bogdandy/Bast/ Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77, 96. 290 von Bogdandy/Bast/Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77, 94; Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 10, Rn. 6 ff. 291 Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 124; Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 45. 292 Mager, EuR 2001, 661, 664. 285

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bare Geltung. Dadurch kann, im Unterschied zur Handlungsform der Richtlinie, eine intensive Verpflichtung des Mitgliedstaates herbeigeführt werden.293 Aufgrund dieser Eigenschaften bietet sich die Entscheidung insbesondere für die vollziehende Funktion der Kommission an.294 aa) Bewertung hinsichtlich neuer Beihilfen Der größte Teil der textlichen Festlegungen der Gemeinschaftsrahmen beschäftigt sich mit den Maßstäben für die Kommission bezüglich der Überprüfung nationaler Beihilfen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. Bezüglich neuer Beihilfen ist ausschließlicher Adressat der Gemeinschaftsrahmen die Kommission. Der Wortlaut des Art. 249 IV EG begrenzt den Adressatenkreis nicht. Daher können mit der Entscheidung grundsätzlich auch Rechtsträger im unionsinternen Bereich adressiert werden.295 Problematisch ist vorliegend, ob die Kommission Adressat einer Entscheidung „Gemeinschaftsrahmen“ sein kann. Diese These ist nicht haltbar, da es dann an der notwendigen Außenwirkung des Rechtsaktes fehlen würde. Eine Außenwirkung ist nur gegeben, wenn die handelnde Stelle und der Adressat der Handlung organverschieden sind. Daran ändert auch ein Urteil des EuG nichts, in dem dieses Entscheidungen auch gegenüber Gemeinschaftseinrichtungen für denkbar hält.296 Diese dann als unionsintern zu bezeichnende Entscheidung ist aber immer noch durch die Personenverschiedenheit von Entscheidungsgeber und Entscheidungsadressat geprägt.297 Wird der organinterne Bereich nicht verlassen, fehlt es an der notwendigen Außenwirkung der Entscheidung. Im vorliegenden Fall wären Entscheidungsgeber und Entscheidungsadressat identisch. Auf beiden Seiten steht die Kommis293 Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 124; Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 194 (EL 20, 08/2002). 294 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 187 (EL 20, 08/2002); Streinz, Europarecht, Rn. 466. Aus den Untersuchungen von von Bogdandy/Bast/Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77, 90, geht hervor, dass die überwiegende Anzahl der Entscheidungen von der Kommission erlassen werden. Ebenso: Streinz, Europarecht, Rn. 466. 295 Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 187, 196 (EL 20, 08/2002); Stelkens, ZEuS 2005, 61, 70. Die Gegenansicht bezieht Art. 249 EG und die dort geregelten Handlungsformen nur auf das Verhältnis zwischen der Gemeinschaft zu den Mitgliedstaaten und den Bürgern. Damit wird aber die „echte Außenwirkung“ Tatbestandsmerkmal der Entscheidung. Siehe dazu: Stelkens, ZEuS 2005, 61, 70 (m.w. N.). 296 EuG Rs. T-166/99, Luis Fernando Andres de Dios u. a./Rat der Europäischen Union, Slg. 2001 II, 1857. Im konkreten Fall wurde die Maßnahme schließlich nicht als Entscheidung sondern als ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung und daher als abstrakt-generelle Norm klassifiziert. 297 Stelkens, ZEuS 2005, 61, 74, spricht daher auch von „Regierungsakten“ zwischen den Gemeinschaftsorganen.

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sion. Damit kann der Gemeinschaftsrahmen hinsichtlich seiner Regelungen bezüglich neuer Beihilfen keine Entscheidung sein. Die Konstellation ist eher der Selbstbindung eines Organs vergleichbar, zu der jedes Organ aufgrund seiner Organisationshoheit befugt ist. Dieses Ergebnis kann auch nicht dadurch umgangen werden, indem man die getroffenen Regelungen auch auf die Mitgliedstaaten in der Weise bezieht, dass man die bloß mittelbare Bindung als entscheidend betrachtet. Die Entscheidung ist gerade dadurch geprägt, dass sie die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten, soweit sie Adressaten derselben sind, unmittelbar festlegt. Damit können die Gemeinschaftsrahmen bezüglich der Regelungen betreffend neue Beihilfen keine Entscheidungen im Sinne des Art. 249 IV EG sein. bb) Bewertung hinsichtlich bestehender Beihilfen Anders könnte die Bewertung hinsichtlich der Regelungen bezüglich bestehender Beihilfen ausfallen. Hier werden ausdrücklich die Mitgliedstaaten angesprochen. Die Mitgliedstaaten sind durch die Notwendigkeit ihrer Zustimmung und durch die vorausgehenden „Verhandlungen“ mit der Kommission am Erlass der Gemeinschaftsrahmen beteiligt. Allein aus den vorausgehenden „Verhandlungen“ lässt sich aber ein Argument gegen eine Qualifikation der Gemeinschaftsrahmen als Entscheidung nicht gewinnen. Denn Entscheidungen können auch in einem Verfahren erlassen werden, in dem Unionsorgane und Behörden der Mitgliedstaaten zusammenwirken.298 Entscheidend ist in solchen Konstellationen des Zusammenwirkens nur, dass der Rechtsakt schließlich dem handelnden Unionsorgan zuzurechnen ist. Inhaltlich sind die Gemeinschaftsrahmen insoweit als an die Mitgliedstaaten adressiert zu betrachten, als dass die Gemeinschaftsrahmen Handlungshilfen für das gezieltere Zuschneiden der Beihilfen auf das festgestellte Marktversagen geben wollen und eine Anpassung der bestehenden Beihilfenregelungen an den Gemeinschaftsrahmen verlangen.299 Damit wird die auferlegte Verpflichtung deutlich. Auch bezüglich des Adressatenkreises ergeben sich keine Bedenken. Entscheidungen, die an Mitgliedstaaten adressiert sind, haben wegen der erforderlich werdenden Umsetzungsmaßnahmen einen „quasi-legislativen“ Charakter.300 Die Umsetzungsmaßnahme ist hier aber nicht gleichbedeutend mit einem 298

Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 190 (EL 20, 08/2002). Im vorliegenden Falle zeigt sich eine Ähnlichkeit mit dem zustimmungsbedürftigen/ mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt nach nationalem Recht. Auch hier besteht ein Problem hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Vertrag und Verwaltungsakt bei vorausgehenden „Verhandlungen“. Siehe zu diesem Problem im deutschen Verwaltungsrecht: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, § 54, Rn. 26 f. 299 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 4, S. 25. 300 Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 124.

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Transformationsakt. Einer Transformation ins innerstaatliche Recht bedarf eine Entscheidung gerade nicht.301 Dies folgt schon aus der unmittelbaren Bindung der Entscheidung. Umsetzung ist hier vielmehr als ein Akt des Verwaltungsvollzuges im jeweiligen Mitgliedstaat zu verstehen, der Resultat der Unterwerfung unter die Entscheidung ist. Diese Zweistufigkeit des rechtsförmigen Handelns ist für eine Vielzahl von staatengerichteten Entscheidungen charakteristisch.302 Dennoch sind staatengerichtete Entscheidungen im Bereich des Beihilfenrechts als wohl bekanntestem Anwendungsbereich der staatengerichteten Entscheidung eher in anderen Konstellationen bekannt, nämlich im Bereich der Genehmigungsentscheidung.303 Dabei können grundsätzlich zwei Fallgestaltungen unterschieden werden: Die Genehmigungsentscheidung im konkreten Einzelfall und die Genehmigungsentscheidung bezüglich mitgliedstaatlicher Beihilfenprogramme als abstrakt-generell umschriebene Subventionsmaßnahme.304 Mit diesen Konstellationen sind die Gemeinschaftsrahmen aber nur bedingt vergleichbar. (1) Kategorienbildung bei staatengerichteten Entscheidungen nach dem Vorbild von Mager Verfolgt man eine allgemeine Kategorienbildung im Bereich der staatengerichteten Entscheidungen, so kann zum einen die Funktion der Entscheidung für das Verhältnis zwischen europäischem Entscheidungsträger und Mitgliedstaat und zum anderen das Kriterium des Einzelfalls als entscheidend betrachtet werden.305 (a) Funktion der Entscheidung für das Verhältnis zwischen Gemeinschaftsorgan und Mitgliedstaat Interessant ist hier vor allem die erste Kategorie. Hinsichtlich der Funktion, in der die Mitgliedstaaten durch die Entscheidung adressiert werden, können bezüglich des Verhältnisses zwischen Gemeinschaftsorgan und Mitgliedstaat drei typische Konstellationen ausgemacht werden. Als erste Konstellation kommt eine vergleichende Betrachtung des Verhältnisses zwischen einem Gemeinschaftsorgan und einem Mitgliedstaat und des Über-Unterordnungsverhältnisses der Bürger-Staat-Beziehung in einem Verwaltungsverfahren in Betracht 301 302 303 304 305

Vgl. hierzu: Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 46. Mager, EuR 2001, 661, 665. Stelkens, ZEuS 2005, 61, 68. Mager, EuR 2001, 661, 666 f. Mager, EuR 2001, 661, 669.

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[(aa)]. Danach ist Ausgangspunkt der Betrachtung folgende Überlegung: Der Mitgliedstaat wird in der Entscheidung als Träger eigener materieller Rechte adressiert, über deren Anwendung ein EG-Organ entsprechend dem Gemeinschaftsrecht verwaltungsförmig entscheidet.306 In der zweiten Konstellation wird der adressierte Mitgliedstaat als Verwaltungshelfer des Gemeinschaftsorgans beschrieben [(bb)]. Der Mitgliedstaat wird in dieser Betrachtung vom Rechtsunterworfenen zum Rechtsanwender mit beschränkten Befugnissen.307 Er wird in funktionaler Hinsicht Teil der Gemeinschaftsverwaltung.308 Auch die dritte Konstellation knüpft an ein Über-Unterordnungsverhältnis im innerstaatlichen Bereich an. Hier wird aber in Abgrenzung zu dem zweiten Betrachtungsmodell die Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten gegenüber den Gemeinschaftsorganen stärker betont. Das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und dem Gemeinschaftsorgan entspräche daher eher dem Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern beim Vollzug des Bundesrechts. Eine Entscheidung der Kommission sei in dieser Konstellation mit einer Weisung des Bundes an das ausführende Land zu vergleichen [(cc)]. Ziel einer solchen weisungsähnlichen Entscheidung sei unter anderem die Vereinheitlichung des Verwaltungsvollzuges in den Mitgliedstaaten.309 Aus diesen unterschiedlichen Kategorisierungen lässt sich ablesen, dass das Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten ambivalent ist. Der Mitgliedstaat wird durch die Entscheidungen der Gemeinschaftsorgane nicht immer in gleicher Weise angesprochen.310 Wenn sich eine dieser Kategorien auf die Regelungen im Gemeinschaftsrahmen hinsichtlich bestehender Beihilfen übertragen ließe, spräche das für das Vorliegen einer Entscheidung. (aa) Parallele zum Verhältnis „Staat – Bürger“ Zunächst soll die Stellung des Mitgliedstaates gegenüber dem handelnden europäischen Organ mit der Stellung eines Bürgers gegenüber der staatlichen Verwaltung verglichen werden. Dann müsste das Gemeinschaftsorgan dem Mitgliedstaat gegenüber das Gemeinschaftsrecht freiheitsbeschränkend anwenden.311 Dieses Verhältnis findet sich grundsätzlich im Beihilfenrecht. Hier steht das mitgliedstaatliche Verhalten unter der Aufsicht der Kommission.312 Dabei überprüft die Kommission die Vergabe von Einzelbeihilfen oder die aufgestell-

306 307 308 309 310 311 312

Mager, EuR 2001, 661, 681. Vogt, Die Entscheidung, S. 55. Vogt, Die Entscheidung, S. 57. Sydow, Verwaltungskooperation in der EU, S. 56. Vogt, Die Entscheidung, S. 55. Mager, EuR 2001, 661, 669; Vogt, Die Entscheidung, S. 118. Vogt, Die Entscheidung, S. 93.

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ten Beihilfenprogramme der Mitgliedstaaten auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des EG-Vertrages. Durch die verfahrensabschließende Positiv- oder Negativentscheidung greift die Kommission in die Gestaltungshoheit der Mitgliedstaaten ein. Die mitgliedstaatliche Freiheit wird damit begrenzt. Im hier entscheidenden Bereich bezüglich bestehender Beihilfen sind die Vorgaben des Gemeinschaftsrahmens ein Maßstab für die Mitgliedstaaten zur Anpassung ihrer eigenen Beihilfenregelungen. Da aber die Anpassung des mitgliedstaatlichen Rechts nicht durch die Gemeinschaftsrahmen unmittelbar erreicht wird, sondern hier ein Umsetzungsakt im Sinne eines echten Transformationsaktes verlangt wird, entfällt die typische Bindungswirkung der Entscheidung und damit die Vergleichbarkeit der Stellung des Mitgliedstaates gegenüber der Kommission mit der Stellung des Bürgers gegenüber der mitgliedstaatlichen Verwaltung. Erst wenn die entsprechende Anpassung nicht erfolgt, kann die Kommission eine Entscheidung nach Art. 88 II EG treffen, in welcher der betreffende Mitgliedstaat zur Anpassung verpflichtet wird. Nur diese Entscheidung enthält den freiheitsverkürzenden Eingriff in die mitgliedstaatliche Souveränität, der für die Vergleichbarkeit der Stellung des Mitgliedstaates mit der eines Bürgers notwendig ist. (bb) Mitgliedstaat als Verwaltungshelfer des Gemeinschaftsorgans Als Entscheidungen können aber auch jene Handlungen der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten qualifiziert werden, die den Mitgliedstaat zwar in den Verwaltungsvorgang einbinden, ihm aber keine Eigenständigkeit mehr überlassen. Dann nämlich hätte die Entscheidung der Kommission die Funktion, eine unmittelbare Rechtswirkung im Mitgliedstaat hervorzurufen. Nicht mehr als eigenständige Vollzugsbehörde, sondern nur als Verwaltungshelfer direkter und unmittelbarer Verwaltung durch die Kommission kann ein Mitgliedstaat dann bezeichnet werden, wenn das Fehlen eigenständiger mitgliedstaatlicher Rechtspositionen bzw. Verwaltungskompetenzen das Verhältnis zwischen den Beteiligten prägt.313 Den beteiligten mitgliedstaatlichen Behörden dürfte demzufolge kein eigener Entscheidungsspielraum mehr zukommen.314 Für die Qualifizierung des Verhältnisses zwischen Mitgliedstaat und Kommission im angesprochenen Sinne sprechen folgende Umstände: Da das Verbot der staatlichen Beihilfen keine unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten hat, obliegt es gem. Art. 88 EG der Kommission, die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der Beihilfen in einem gesonderten Verfahren festzustellen.315 Das Bei313

Mager, EuR 2001, 661, 670. Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 190 (EL 20, 08/2002). 315 Heidenhain – Heidenhain, § 1, Rn. 2; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 1066. 314

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hilfenrecht ist damit eine der wenigen Materien, die dem direkten Vollzug durch die Gemeinschaftsorgane, konkret der Kommission unterliegt.316 Damit könnten die Mitgliedstaaten tatsächlich als bloße Verwaltungshelfer erscheinen. Ihnen steht bei entsprechender Entscheidung der Kommission kein eigener Einschätzungsspielraum zur Verfügung, sondern sie müssen die von der Kommission getroffenen Entscheidungen mit den Mitteln des jeweils geltenden nationalen Rechts umsetzen. Aus der Notwendigkeit der Umsetzung ergibt sich aber auch, dass, obwohl die Kompetenz der nationalen Behörden zum Vollzug des Gemeinschaftsrechts in diesem Bereich verdrängt wird, die Kommission auf die Hilfe der mitgliedstaatlichen Behörden angewiesen ist.317 Die entsprechende Pflicht zu Hilfeleistung folgt aus dem Grundsatz des effet utile, Art. 10 EG. Eine Übertragung des grundsätzlichen Verhältnisses der Mitgliedstaaten zur Kommission im Bereich des Beihilfenrechts auf die Regelungen bezüglich bestehender Beihilfen in den Gemeinschaftsrahmen ist jedoch nicht möglich. Durch die Gemeinschaftsrahmen wird die Beziehung von Kommission und Mitgliedstaat weniger strikt ausgestaltet. Gegen die Charakterisierung der Mitgliedstaaten als Verwaltungshelfer im Rahmen der Gemeinschaftsrahmen spricht das Erfordernis der Zustimmung der Mitgliedstaaten bezüglich der Regelungen für bestehende Beihilfen. Durch das Zustimmungserfordernis erhalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, sich den Vorgaben der Kommission zumindest vorübergehend zu entziehen. Sie erscheinen dadurch nicht nur als verlängerter Arm der Kommission ohne eigene Rechtsposition oder Verwaltungskompetenz. Ihr Recht zur Verweigerung der Zustimmung lässt die Mitgliedstaaten vielmehr als eigenständige souveräne Einheit mit eigenen Entscheidungs- und Handlungsbefugnissen erscheinen. Damit scheidet die Einordnung der Gemeinschaftsrahmen in die Kategorie der Entscheidungen, bei denen die Mitgliedstaaten als Verwaltungshelfer des Gemeinschaftsorgans Kommission erscheinen, aus. (cc) Mitgliedstaat als Weisungsunterworfener In Betracht kommt schließlich die Qualifizierung der Mitgliedstaaten als Empfänger einer gemeinschaftsrechtlichen Weisung. Das daraus resultierende Verhältnis zwischen Kommission und Mitgliedstaat ist dann mit der Anweisungslage zwischen Bund und Ländern beim Vollzug des Bundesrechts durch

316 Streinz, Europarecht, Rn. 535. Die Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Vollzug hat sich in der Rechtslehre entwickelt und ist heute noch anerkannt, auch wenn zunehmend dieses traditionelle Verständnis unter Hinweis auf die verstärkt aufkommenden kooperativen Handlungsformen der Verwaltung als zu schemenhaft und generalisierend angegriffen wird. Es sei vielmehr auf eine neues Bewertungsmodell umzustellen, das sich an den Begriffen Trennung und Kooperation orientiert. Siehe dazu die Ausführungen bei Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, CI ff. 317 Streinz, Europarecht, Rn. 538.

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die Länder vergleichbar.318 Eine Vergleichbarkeit kann vor allem daraus resultieren, dass sowohl durch allgemeine Weisungen als auch durch die Gemeinschaftsrahmen die Einheitlichkeit des Vollzuges einer Norm herbeigeführt werden soll. Um die Vergleichbarkeit der Verhältnisse beurteilen zu können, muss zunächst verdeutlicht werden, wie das Verhältnis zwischen Bund und Ländern beim Gesetzesvollzug durch die Länder und vor allem das Weisungsrecht des Bundes ausgestaltet ist. Nach Art. 30, 83 GG obliegt der Vollzug des Bundesrechts den Ländern. Dabei werden zwei Arten des Landesvollzugs unterschieden: der Vollzug des Bundesrechts als eigene Angelegenheit der Länder und der Vollzug des Bundesrechts im Auftrag des Bundes.319 In beiden Bereichen steht dem Bund ein Recht zur Weisung zu.320 Unter einer Weisung versteht man dabei das Recht, für den Vollzug verbindliche Anforderungen im Innerverhältnis zu treffen, die der Verwaltungssteuerung und der Durchsetzung verwaltungspolitischer Vorstellungen dienen.321 Durch die Weisung kann damit die Festlegung auf eine bestimmte Gesetzesauslegung oder auch die Änderung, Ergänzung oder Aufhebung einer bereits getroffenen Maßnahme erreicht werden.322 Aufgrund seiner Verpflichtung zum bundesfreundlichen bzw. länderfreundlichen Verhalten ist der Bund vor einer Wahrnehmung seines Weisungsrechtes gehalten,323 weniger einschneidende Maßnahmen, wie die Möglichkeit zur Stellungnahme oder die Erteilung eines Hinweises auf die bevorstehende Wahrnehmung der Weisungsbefugnis, zu ergreifen.324 Damit soll den Ländern Gelegenheit gegeben werden, von sich aus eine Anpassung vorzunehmen bzw. ihre Standpunkte dem Bund gegenüber zu verdeutlichen, so dass der Bund den Standpunkt der Länder bei Erteilung der Weisung berücksichtigen kann. Erfolgt eine Weisung, so ist diese verbindlich und ihr Vollzug sicherzustellen. Daraus ergibt sich eine Befolgungspflicht für die Länder.325 318 Mager, EuR 2001, 661, 670. Eine gewisse Ähnlichkeit erkennt auch Sydow, Verwaltungskooperation in der EU, S. 75. 319 Vgl. statt vieler: Maurer, Staatsrecht, § 18, Rn. 10. 320 Ob die Reichweite des Weisungsrechts unterschiedlich ist, ist in der Literatur umstritten und vom Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden worden. Siehe dazu: Blümel, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 101, Rn. 59 ff.; Dreier – Hermes, Band III, Art. 85 GG, Rn. 43; Sachs – Dittman, Art. 85 GG, Rn. 20. 321 Dreier – Hermes, Band III, Art. 85 GG, Rn. 42. 322 BVerfGE 81, 310, 335 f.; BVerfGE 84, 25, 31. Hömig – Hömig, Art. 85 GG, Rn. 8; Dreier – Hermes, Band III, Art. 85 GG, Rn. 40; Vogt, Die Entscheidung, S. 144 f. 323 BVerfGE 81, 310, 337; BVerfGE 102, 167, 173. Dreier – Hermes, Band III, Art. 85 GG, Rn. 48; Sachs – Dittmann, Art. 85 GG, Rn. 22. 324 Zur Ausgestaltung des Weisungsverfahrens: BVerfGE 81, 310, 337; Dreier – Hermes, Band III, Art. 85 GG, Rn. 48 ff.; Sachs – Dittmann, Art. 85 GG, Rn. 22. 325 Dreier – Hermes, Band III, Art. 85 GG, Rn. 57.

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Betrachtet man demgegenüber das Verhältnis zwischen Mitgliedstaat und Kommission beim Vollzug von Gemeinschaftsrecht, so ergeben sich Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede. Auch im Gemeinschaftsrecht ist der Vollzug vornehmlich nicht Aufgabe der Gemeinschaftsorgane selbst, sondern Aufgabe der Mitgliedstaaten. Dennoch erfolgt der Vollzug durch die Mitgliedstaaten nicht unter Ausschluss einer Einwirkung durch die Gemeinschaftsorgane. Diese Einwirkungsmöglichkeit bedeutet aber nicht, dass die Gemeinschaft berechtigt wäre, in die Verwaltungsorganisation der Mitgliedstaaten einzugreifen. Vielmehr erfolgt der gemeinschaftliche Einfluss durch die Schaffung von Vorgaben (z. B. durch Richtlinien und anderen verwaltungslenkenden Maßnahmen), die bei der Umsetzung ins nationale Recht zu beachten sind. Insofern sind die Konstellationen Verhältnis „Bund – Länder“, „Gemeinschaftsorgan – Mitgliedstaat“ durchaus vergleichbar. Dennoch ergeben sich im vorliegenden Fall Zweifel an einer Vergleichbarkeit. Das Beihilfenrecht wird in Unterschied zur sonstigen Rollenverteilung in der EU direkt von den Gemeinschaftsorganen, hier der Kommission, vollzogen. Insofern besteht schon nicht die typische Struktur, die dem oben beschriebenen Bund-Länder-Verhältnis zugrunde liegt. Auch bei einem weitergehenden Vergleich entstehen Zweifel an einer Übertragbarkeit der Situation auf die Konstellation der Gemeinschaftsrahmen. Ein Gemeinschaftsrahmen schafft dadurch, dass er für die Regelungen betreffende bestehender Beihilfen unter dem Vorbehalt der Zustimmung steht, kein zwingendes Recht, wie es bei der Weisung der Fall ist. Vielmehr können die Mitgliedstaaten ihre Zustimmung und damit die Umsetzung des Gemeinschaftsrahmens für bestehende Beihilfen verweigern. Will man in den Kategorien des Weisungsrechts des Bundes bei Vollzug des Bundesrechts durch die Länder bleiben, dann lässt sich die durch den Gemeinschaftsrahmen geschaffene Situation eher mit dem vorgelagerten Weisungsverfahren vergleichen. Der Gemeinschaftsrahmen könnte insofern also ein Hinweis auf eine anstehende Weisung sein. Erst mit der Verweigerung der Zustimmung und der sich anschließenden Entscheidung der Kommission nach Art. 88 II EG erginge die eigentliche Entscheidung bzw. Weisung. Damit ist der Gemeinschaftsrahmen auch nicht als staatengerichtete Entscheidung im Sinne eines Anweisungsverhältnisses für einen einheitlichen Vollzug des Gemeinschaftsrechts anzusehen. (b) Zwischenergebnis Eine Übertragbarkeit der von Mager formulierten Kategorien der staatengerichteten Entscheidung hinsichtlich der Funktion der Entscheidung im Rechtsverhältnis zwischen europäischem Entscheidungsträger und Mitgliedstaat ist im Bereich des Beihilfenrechts, speziell bezüglich der Regelungen der Gemeinschaftsrahmen betreffend bestehende Beihilfen nicht möglich.

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(c) Bedeutung des Einzelfallkriteriums Möglich bleibt danach nur noch eine Einteilung nach der Bedeutung des Einzelfallkriteriums. Dafür sei zunächst angemerkt, dass sich eine staatengerichtete Entscheidung dadurch auszeichnet, dass sie im Verhältnis zum Mitgliedstaat stets die Regelung eines Einzelfalls enthält. Demgegenüber muss die in dem Mitgliedstaat notwendig werdende Umsetzung nicht zwingend durch eine Einzelfallregelung erfolgen, sondern kann auch normativen Charakter haben.326 Der Rechtsakt der Entscheidung kommt dem deutschen Verwaltungsakt am nächsten. Betrachtet man die bekannten Arten des Verwaltungsaktes, könnten die Gemeinschaftsrahmen als rechtsgestaltende Verwaltungsakte in der Form des mitwirkungs- oder zustimmungsbedürftigen Verwaltungsakts klassifiziert werden,327 da die Wirksamkeit der Gemeinschaftsrahmen für bestehende Beihilfen von der Zustimmung der Mitgliedstaaten abhängt. Viel grundlegender als die Frage, ob es sich bei der zu untersuchenden Handlungsform um eine VAähnliche Maßnahme handeln kann – schließlich hat die Kommission die Möglichkeit, die Mitgliedstaaten durch die Durchführung eines Hauptprüfungsverfahrens auf den Inhalt der Gemeinschaftsrahmen zu verpflichten und so die Zustimmung zu erzwingen328 – ist die Frage, wie das Kriterium des Einzelfalls bei staatengerichteten Entscheidungen zu berücksichtigen ist. Dafür sei noch einmal darauf hingewiesen, dass sich die staatengerichtete Entscheidung im Gegensatz zur individualgerichteten Entscheidung gerade nicht mit dem nationalen Verwaltungsakt vergleichen lässt.329 Es besteht auch keine Parallele zu einer anderen nationalen Handlungsform. Damit kann dem Einzelfallkriterium nur eine reduzierte Bedeutung beigemessen werden. Es ist lediglich Tatbestandsmerkmal der Entscheidung und lässt im Gegensatz zu den vorgenannten Kategorien bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen keinen Schluss auf die Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen als Entscheidung zu. Das Kriterium des Einzelfalls dient vor allem der Abgrenzung zur Handlungsform der Richtlinie.330 Eine Abgrenzung zwischen Richtlinie und Entscheidung ist vor allem in den Bereichen notwendig, in denen die Entscheidung der Vereinheitlichung des Verwaltungsvollzuges dient und damit an alle 326

Mager, EuR 2001, 661, 671; Vogt, Die Entscheidung, S. 121 f. Rechtsgestaltende Verwaltungsakte begründen, verändern oder beseitigen ein konkretes Rechtsverhältnis. Siehe zu dieser Definition (mit Beispielen): Maurer, Verwaltungsrecht, § 9, Rn. 45. Die Terminologie hinsichtlich des mitwirkungsbedürftigen VA ist nicht ganz einheitlich. Überwiegend wird der zustimmungsbedürftige VA als Unterfall des mitwirkungsbedürftigen VAs verstanden. Siehe dazu: Stelkens/Bonk/Sachs – Stelkens, § 35 VwVfG, Rn. 229 ff.; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, § 46, Rn. 27 ff. 328 Bartosch, NJW 2001, 921, 922. 329 Vgl. dazu eingehend: Stelkens, ZEuS 2005, 61, 68 ff. 330 Mager, EuR 2001, 661, 670. 327

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Mitgliedstaaten gerichtet ist.331 In diesen Fällen ist schon die Definition dessen, was noch unter Einzelfall verstanden werden kann, äußerst problematisch und führt symptomatisch vor Augen, dass eine Übertragung der Dogmatik des Verwaltungsaktes nicht zielführend ist. Unabhängig davon dürfte das Tatbestandsmerkmal des Einzelfalls im Fall der Gemeinschaftsrahmen nicht erfüllt sein. Denn legt man die von Mager vorgeschlagene Definition zu Grunde, dass ein Einzelfall die regelförmige, keinerlei Gestaltung ermöglichende Anweisung an die Mitgliedstaaten ist, die zudem keine rechtswissenschaftliche Anforderung an die Feststellung ihres Anwendungsbereichs stellt,332 ergibt sich, dass die Gemeinschaftsrahmen gerade keinen Einzelfall in diesem Sinne regeln. Vielmehr eröffnen sich den Mitgliedstaaten durchaus Gestaltungsmöglichkeiten bei der Umsetzung der Gemeinschaftsrahmen. Das „Wie“ der mitgliedstaatlichen Maßnahmen bleibt offen. Auch ermöglicht das Zustimmungserfordernis den Mitgliedstaaten, sich dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrahmens auf bestehende Beihilfen zumindest vorübergehend zu entziehen. Durch die Notwendigkeit der Zustimmung ist auch das Kriterium der unmittelbaren Wirkung der Entscheidung angesprochen. Zwar ist die zweistufige Rechtsetzung auch im Rahmen der Entscheidung durchaus charakteristisch, doch soll gerade ein Transformationsakt ins nationale Recht bei diesen nicht erforderlich sein.333 (2) Schlussfolgerung Die Regelungen der Gemeinschaftsrahmen betreffend bestehende Beihilfen können daher unter keine der gefundenen Kategorien subsumiert werden. Demnach kann dieser Regelungsbereich nach dem Mager’schen Modell keine staatengerichtete Entscheidung darstellen. cc) Der Erklärungsansatz von Rodi Zu einer anderen Einschätzung kann man nur dann gelangen, wenn eine Gesamtbetrachtung angestellt wird, die eine Trennung nach neuen und bestehenden Beihilfenregelungen nicht vornimmt. Dass Gemeinschaftsrahmen Entscheidungen nach Art. 249 EG sind, vertritt vor allem Rodi.334 Seiner These liegt die Postulation einer unmittelbaren und umfassenden Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen zugrunde. Nur diese Annahme stehe im Einklang mit dem 331 332 333 334

Mager, EuR 2001, 661, 673. Mager, EuR 2001, 661, 673. Vgl. hierzu: Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 46. Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 496.

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durch die Wortwahl der Kommission bei der Formulierung der Regelungen erweckten Eindruck einer allgemeinen Verbindlichkeit der Gemeinschaftsrahmen. Eine Unterscheidung hinsichtlich bestehender und neuer Beihilfen werde nicht vorgenommen. Der Ansatz der Gesamtbetrachtung ist insofern nachvollziehbar, als dass auch der EuGH die Gemeinschaftsrahmen als verbindliche Rechtshandlungen von allgemeiner Tragweite versteht.335 Aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung bedarf eine Entscheidung der Kommission einer entsprechenden Grundlage im EG-Vertrag. Wegen der unmittelbaren Bindungswirkung der Entscheidung könne Art. 88 I EG nicht die richtige Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Gemeinschaftsrahmen sein. Dies folge daraus, dass „zweckdienliche Maßnahmen“ im Sinne des Art. 88 I EG nur unverbindliche Handlungsformen im Sinne des Art. 249 EG sein könnten.336 Die seiner Ansicht nach verlangte Unverbindlichkeit der erwählten Handlungsform stünde damit aber im eklatanten Widerspruch zum Eindruck der allgemeinen Verbindlichkeit der Gemeinschaftsrahmen. Auch die Zustimmung der Mitgliedstaaten zu den Gemeinschaftsrahmen könne nicht deren Geltungsgrund darstellen, so dass ein vertragliches Erklärungsmodell nicht in Betracht kommt.337 Problematisch ist an Rodis Ansatz das Ausbleiben der Benennung einer konkreten Rechtsgrundlage für die Handlung der Kommission. Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung bedarf jedwedes Handeln eines EG-Organs einer entsprechenden EG-vertraglichen Grundlage. Rodi betont aber ausdrücklich, dass Art. 88 I EG nicht diese Grundlage sein kann. Er verweist vielmehr auf den allgemeinen Regelungszusammenhang innerhalb der Normen der Art. 87 ff. EG, ohne eine nähere Begründung dafür zu geben. In diesen Normen werde die Kommission unmittelbar zu einem außenwirksamen Tätigwerden ermächtigt.338 Ein Rückgriff auf eine besondere Ermächtigungsgrundlage, und sei es nur über ein Heranziehen von Normen wie Art. 211 EG, sei unnötig. Die Kommission sei vielmehr verpflichtet und berechtigt, das ihr eingeräumte Ermessen in Form von Gemeinschaftsrahmen zu konkretisieren. Dabei könne eine effektive Einhaltung des Gleichheitssatzes und des Grundsatzes der Rechtssicherheit nur dann erreicht werden, wenn den Gemeinschaftsrahmen eine unmittelbare Außenwirkung zukommt. Dies folge aus dem vorzunehmenden komplexen Interessenausgleich. Dieser könne auch nicht im Rahmen einer Selbstbindung der Verwaltung ebenso effektiv herbeigeführt werden, da dies dem mehrpoligen Rechtsverhältnis der Beihilfenaufsicht nicht entspräche.339 335 336 337 338 339

Siehe dazu die Rechtsprechungsdarstellung oben: 2. Kap. D.II. Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 495. Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 495. Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 494. Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 494.

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Abgesehen von einer fehlenden Unterscheidung hinsichtlich der unterschiedlichen Regelungsbereiche der Gemeinschaftsrahmen,340 kann Rodi in einem Punkt zugestimmt werden: Die Kommission ist berechtigt und verpflichtet, ihr Ermessen zu konkretisieren. Vorteil der einheitlichen Betrachtung der Gemeinschaftsrahmen als unmittelbar außenwirksame Entscheidung ist die damit einhergehende Erleichterung in der Handhabung dieses Aktes. Allerdings ist dies nur ein rechtspolitisches Argument, das in der tatsächlichen Ausgestaltung der Gemeinschaftsrahmen auf der Grundlage des EG-Vertrages keine Basis findet. Selbst wenn ein praktischer Regelungsbedarf besteht, darf die Kommission nicht ohne eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage unmittelbar verbindliche Normen erlassen.341 Die von Rodi vertretene allgemeine Bindungswirkung ist weiterhin nicht zwingend.342 Er stützt diese These auf den Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und auf den Grundsatz der Rechtssicherheit. Die Gewährleistung des Gleichheitssatzes lässt sich aber auch über eine Selbstbindung der Kommission als Verwaltungsorgan erreichen. Auf diese Bindung können sich die betroffenen Staaten und Bürger berufen. Die Verbindlichkeit für den jeweiligen Mitgliedstaat entsteht dann durch die Entscheidung im Beihilfenaufsichtsverfahren.343 Ein solches Vorgehen entspricht schließlich auch wieder den bekannten Kategorien der staatengerichteten Entscheidungen im Beihilfenrecht. Durch die These einer unmittelbaren Bindungswirkung verschärft sich zudem das bereits dargestellte Problem der Verschiebung des institutionellen Gleichgewichtes zu Lasten des Rates und zu Gunsten der Kommission.344 Die Gemeinschaftsrahmen weisen ferner eine für Entscheidungen untypische zeitliche sowie inhaltliche Beschränkung auf. Dieses Problem erkennt Rodi auch als solches. Eine Auswirkung auf die Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als Entscheidung lehnt er aber ab. Durch die vielfältigen Beschränkungen und aus der unmittelbaren Wirkung entstünden nur Konsequenzen für die Publizität der Gemeinschafsrahmen.345 Dass neben einer Bekanntgabe auch eine Veröffent340 Auch eine jeweils entsprechende Rechtsgrundlage lässt sich im EG-Vertrag finden, so dass eine pauschalierende Zusammenfassung nicht notwendig erscheint, um die Gemeinschaftsrahmen auf die Basis des EG-Vertrages zu stellen und damit dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung zu genügen. 341 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 31. 342 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 31. 343 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 31. 344 Darauf weist zu Recht auch Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 31, hin. Auch Rodi selbst erkennt das Problem, stellt aber keine höheren Anforderungen an die inhaltlichen Regelungen in den Gemeinschaftsrahmen als jene, die oben entwickelt wurden. Siehe oben: 2. Kap. B.I.4. 345 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 496.

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lichung möglich und in manchen Fällen auch wünschenswert ist, hat der EuGH bereits für zulässig erachtet.346 Dafür spricht auch der Wortlaut von Art. 254 EG, der eine Veröffentlichung ohne Verpflichtung nicht direkt ausschließt. Für eine zusätzliche Veröffentlichung streitet weiterhin der enge Zusammenhang zwischen Rechtsstaatlichkeit und Normenpublizität.347 Aus dem Gebot der Gleichbehandlung, der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit heraus veröffentlicht die Kommission die Gemeinschaftsrahmen im Teil C des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaften. Damit soll eine möglichst große Transparenz im Hinblick auf die Praxis der Kommission im entsprechenden Bereich der Beihilfenkontrolle geschaffen werden.348 Eine Veröffentlichung von Entscheidungen ist in diesem Zusammenhang vor allem dann sinnvoll, wenn neben dem Adressaten andere Personen, die von der Entscheidung betroffen sein können,349 Kenntnis von der Entscheidung erlangen sollen.350 Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ist die Veröffentlichung von unmittelbar bindenden Regelungen sogar geboten.351 Die Veröffentlichung ist dann Ausdruck des allgemeinen Gedankens, dass das Recht leicht erkennbar, zweifelsfrei und ohne Behinderung zugänglich sein muss, um rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen.352 Das eben Gesagte darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass notwendiges Kriterium zunächst die Bekanntgabe der Gemeinschaftsrahmen ist. Erst wenn diese tatsächlich erfolgt ist, kann eine weitere Veröffentlichung unschädlich oder gar wünschenswert sein. Gemäß Art. 254 III EG sind die Entscheidungen demjenigen bekannt zu geben, für den sie bestimmt sind. Das sind im Fall der Gemeinschaftsrahmen vor allem die Mitgliedstaaten. Die Wirksamkeit einer Entscheidung hängt damit von deren Bekanntgabe ab.353 Die Gemeinschaftsrahmen werden aber den einzelnen Mitgliedstaaten nach deren Zustimmung nicht

346 EuGH verbundene Rs. C-73/63, C-74/63, NV Internationale Credit- en Handelsvereinigung „Rotterdam“, Slg. 1964, 3, 29; EuG Rs. T-198/03, Bank Austria Creditanstalt AG, Slg. 2006 II, 1429. In EuGH Rs. C-96/82, NV IAZ International Belgium/ Kommission, Slg. 1983, 3369 geht der EuGH sogar davon aus, dass die Veröffentlichung vor der individuellen Bekanntgabe unschädlich ist bzw. der Entscheidung nicht ihre Rechtmäßigkeit nimmt. Dass eine zusätzliche Veröffentlichung unschädlich ist, hat sich bereits in der Lehre durchgesetzt. Vgl. dazu nur: Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 362. 347 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 466; Tomuschat, Normenpublizität und Normenklarheit, S. 465, 468. 348 Rydelski, Handbuch EU Beihilferecht, S. 46. 349 Im Falle der Gemeinschaftsrahmen sind dies die potentiellen Beihilfenempfänger. 350 Grabitz/Hilf – Krajewski/Rösslein, Art. 254 EG, Rn. 27 (EL 32, 04/2007). 351 Als unmittelbar bindende Regelungen sieht Rodi die Gemeinschaftsrahmen gerade an, so dass nach dieser These eine Veröffentlichung unerlässlich ist. 352 Tomuschat, Normenpublizität und Normenklarheit, S. 468. 353 Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 254 EG, Rn. 2, 18; Stelkens/Bonk/Sachs – Stelkens/Stelkens, 6. Aufl., § 35 VwVfG, Rn. 250c.

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gesondert bekannt gegeben bzw. zugestellt,354 sondern lediglich im Amtsblatt C veröffentlicht. Folgte man der These, dass die Gemeinschaftsrahmen Entscheidung sind, müsste man davon ausgehen, dass durch die Veröffentlichung der Gemeinschaftsrahmen im Amtsblatt C die notwendige Bekanntgabe ersetzt werden könne. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 254 III EG lediglich von einer Bekanntgabe der Entscheidungen spricht. Die Möglichkeit der Veröffentlichung einer Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union ist für Entscheidungen, die nicht im Verfahren des Art. 251 EG angenommen wurden, nicht vorgesehen.355 Dies folgt schon aus der wertenden Zusammenschau von Art. 254 I, III EG. Im Gegensatz zur Formulierung in Art. 254 III EG hinsichtlich der Bekanntgabe von Richtlinien erfasst die Bekanntgabepflicht bei Entscheidungen eben nicht nur die „anderen“ Entscheidungen, sondern sämtliche Entscheidungen und damit auch solche, die bereits veröffentlichungsbedürftig nach Art. 254 I EG sind.356 Daraus folgt aber im Umkehrschluss, dass die Veröffentlichung die Bekanntgabe nicht ersetzen kann;357 die Bekanntgabe ist im Falle der Veröffentlichungspflicht vielmehr kumulative Voraussetzung für die Wirksamkeit der jeweiligen Entscheidung.358 Dieser Befund lässt sich auch mit teleologischen Argumenten stützen. Die individuelle Bekanntgabe soll nicht nur die Kenntnis des Willens der Verwaltung übermitteln, sondern durch die Auswahl des Adressaten auch abschließend klären, wer durch den Rechtsakt unmittelbar berechtigt oder verpflichtet sein soll.359 Durch die Veröffentlichung der Gemeinschaftsrahmen im Amtsblatt C kann die Bekanntgabe somit nicht ersetzt werden. Damit ist die Bekanntgabe als ein zwingendes Formerfordernis zu qualifizieren.360 Daher könnte man sich auf den 354 Obwohl eine besondere Form der Zustellung nicht erforderlich ist, wird dies in der Praxis regelmäßig durch Einschreiben mit Rückschein vorgenommen. Vgl. dazu: Grabitz/Hilf – Krajewski/Rösslein, Art. 254 EG, Rn. 26 (EL 32, 04/2007) mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH. 355 Streinz EUV/EGV – Gellermann, Art. 254 EG, Rn. 1. 356 Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 254 EG, Rn. 10; Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 254 EG, Rn. 2; Streinz EUV/EGV – Gellermann, Art. 254 EG, Rn. 7; Grabitz/Hilf – Krajewski/Rösslein, Art. 254 EG, Rn. 24 (EL 32, 04/2007); Vogt, Die Entscheidung, S. 216. 357 Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 254 EG, Rn. 10; Streinz EUV/EGV – Gellermann, Art. 254 EG, Rn. 7; Grabitz/Hilf – Krajewski/Rösslein, Art. 254 EG, Rn. 27 (EL 32, 04/2007); Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 362. Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 254 EG, Rn. 23, Vogt, Die Entscheidung, S. 217, sind in ihrer Formulierung noch um einiges schärfer. Schmidt und Vogt sprechen davon, dass die Bekanntgabe niemals durch die Veröffentlichung ersetzt werden kann. 358 Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 254 EG, Rn. 2; Streinz EUV/EGV – Gellermann, Art. 254 EG, Rn. 3. 359 Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 254 EG, Rn. 23. 360 Streinz EUV/EGV – Gellermann, Art. 254 EG, Rn. 7.

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Standpunkt stellen, dass die fehlende Bekanntgabe die Wirksamkeit und damit auch die Existenz der Entscheidung entfallen lässt.361 Zu diesem Problem hat der EuGH Folgendes festgestellt: „Für die Rechtsakte der Gemeinschaft spricht grundsätzlich die Vermutung der Gültigkeit, und sie entfalten selbst dann, wenn sie fehlerhaft sind, Rechtswirkungen, solange sie nicht aufgehoben oder zurückgenommen werden. Nach Art. 191 Absatz 3 des Vertrages (jetzt Art. 254 Absatz 3 EG) werden Entscheidungen durch ihre Bekanntgabe wirksam. Es lässt sich nicht sagen, dass eine Entscheidung mangels Bekanntgabe keine Wirkung entfaltet. Denn für die Bekanntgabe eines Rechtsakts gilt wie für jede andere wesentliche Förmlichkeit, dass die Fehlerhaftigkeit entweder so schwer und offenkundig ist, dass sie zur Inexistenz der angefochtenen Handlung führt, oder dass sie eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstellt, die die Nichtigerklärung dieser Handlung nach sich ziehen kann.“362 Damit wendet sich der EuGH gegen eine pauschale Beurteilung in der Hinsicht, dass jede Entscheidung mangels Bekanntgabe inexistent ist, auch wenn die Bekanntgabe ein wesentliches Formerfordernis darstellt. Geht man jedoch von der Praxis der Kommission aus, die die Gemeinschaftsrahmen ausschließlich im Amtsblatt C veröffentlicht und von einer individuellen Bekanntgabe absieht, wird man annehmen müssen, dass diese selbst die Gemeinschaftsrahmen nicht als Entscheidungen ansieht. Auch kann nicht unterstellt werden, dass eine rechtswidrige Veröffentlichungspraxis das wesentliche Erfordernis der Bekanntgabe ersetzen kann. Wegen des dann fortgesetzten Verstoßes gegen die Vorgaben des EG-Vertrages müssten die Gemeinschaftsrahmen sämtlich ohne Wirkung bleiben. Denn aus der Fortsetzung einer rechtswidrigen Praxis folgt die Offenkundigkeit und Schwergewichtigkeit des Fehlers. Die These, dass die Veröffentlichung die Bekanntgabe ersetzt, ist damit nicht haltbar. Gegen die Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als Entscheidung sprechen noch weitere Argumente. Mit der Konzeption der Entscheidung lässt sich die von Rodi postulierte allgemeine Bindungswirkung und damit die Ausgestaltung der Gemeinschaftsrahmen als abstrakt-generelle Regelungen nicht vereinbaren. Der EuGH hat einst formuliert, dass es denkbar ist, dass auch Entscheidungen einen sehr weiten Anwendungsbereich haben können.363 Dennoch könne eine Maßnahme, die auf objektiv bestimmte Tatbestände anwendbar ist und in allen Mitgliedstaaten unmittelbare Rechtsfolgen für Personenkreise erzeugt, die sie in 361 Diese Auffassung vertritt die überwiegende Meinung in der deutschen Literatur. Siehe dazu beispielhaft: Streinz EUV/EGV – Gellermann, Art. 254 EG, Rn. 9; Grabitz/ Hilf – Krajewski/Rösslein, Art. 254 EG, Rn. 30 f. (EL 32, 04/2007). 362 EuGH Rs. C-227/92 HoechstAG/Kommission,Slg. 1999 I, 4443, 4445. 363 EuGH verbundene Rs. C-16/62, C-17/62, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes/Rat der EWG, Slg. 1962, 960, 979; EuGH verbundene Rs. C-19/62 bis C-22/62, Fédération nationale de la boucherie en gros/Rat der EWG, Slg. 1962, 1003, 1020.

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allgemeiner und abstrakter Form ins Auge fasst, nicht als Entscheidung betrachtet werden. Selbst die deutsche Rechtsfigur der Allgemeinverfügung weist entweder eine individuelle oder eine konkrete Komponente auf. Beides aber fehlt in diesem Fall. dd) Zwischenergebnis Wegen der aufgezeigten Probleme ist sowohl dem Erklärungsansatz von Rodi als auch allgemein der These, dass Gemeinschaftsrahmen Entscheidungen im Sinne des Art. 249 IV EG sein können, nicht zu folgen. f) Abschließende Betrachtung Obwohl die Gemeinschaftsrahmen vom EuGH als verbindliche Rechtshandlungen der Kommission betrachtet werden, lassen sie sich doch nicht unter die verbindlichen Handlungsformen des Handlungsformenkatalogs des Art. 249 EG subsumieren. Die Untersuchungen haben ergeben, dass die Gemeinschaftsrahmen weder Richtlinie, noch Verordnung, noch staatengerichtete Entscheidung sein können. Weiterhin ist es abzulehnen, die Gemeinschaftsrahmen als eigenständige allgemeinverbindliche Handlungsform neben den in Art. 249 EG genannten Formen zu installieren. Dies würde den rechtlichen Wirkungen der Gemeinschaftsrahmen widersprechen.364 Es ist daher nach anderen Erklärungsmodellen und Ansätzen zu suchen, um die Handlungsform der Gemeinschaftsrahmen zu bewerten. 3. Lehre von der Doppelnatur Zur Bestimmung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen wird in der Literatur die Lehre von der Doppelnatur vertreten. Unter dieser Bezeichnung werden unterschiedliche Betrachtungsansätze zusammengefasst, die auf keine einheitliche Linie gebracht werden können. Die Doppelnatur wird von den Vertretern dabei zum Teil auf die Unterscheidung zwischen den Regelungen für neue und bestehende Beihilfen [a)], zum Teil auf eine Änderung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen während des Erlassprozesses [b)] oder auch auf die unterschiedliche Wirkung der Gemeinschaftsrahmen in Bezug auf die Betroffenen [c)] gestützt.

364 Zur Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen ausführlich später: 2. Kap. D.IV.4.b).

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a) Doppelnatur aufgrund unterschiedlicher Regelungen für neue und bestehende Beihilfen Der weit überwiegende Teil der Literatur meint, die Doppelnatur der Gemeinschaftsrahmen resultiere daraus, dass diese Regelungen sowohl für neue als auch für bestehende Beihilfen enthalten.365 Aus der Rechtsprechung des EuGH zur Ermittlung der Rechtsnatur von einzelnen Maßnahmen folgt, dass einzelne Regelungen, aber auch Regelungskomplexe, eine andere Rechtsnatur haben können, als der Gesamtakt, in den sie eingebunden sind.366 Als Konsequenz daraus mussten und müssen die Regelungen für neue und bestehende Beihilfen getrennt auf ihre Rechtsnatur untersucht werden. Einen Rückschluss auf die Natur der Gemeinschaftsrahmen lässt dieser Betrachtungsansatz nicht zu. Er ist vielmehr wertungsoffen. b) Änderung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen während des Erlassprozesses Zum Teil wird unter der Doppelnatur der Umstand verstanden, dass die Gemeinschaftsrahmen während des Prozesses ihres Erlasses die Rechtsnatur ändern. Die Gemeinschaftsrahmen sollen demnach in den unterschiedlichen Erlassstadien eine unterschiedliche Rechtsnatur aufweisen. Die Befassung mit dieser These erfolgt dabei unter unterschiedlichen Prämissen. aa) Betrachtung des Gemeinschaftsrahmens als Ganzes Von einigen Autoren wird der Gemeinschaftsrahmen in seiner Gesamtheit betrachtet. Zunächst seien die Regelungen unverbindliche Empfehlungen im Sinne von Art. 249 V EG und würden durch die Zustimmung der Mitgliedstaaten oder durch die Entscheidung der Kommission nach Abschluss der Durchführung eines förmlichen Hauptprüfverfahrens verbindlich.367 Welche Rechtsnatur die Gemeinschaftsrahmen nach der Zustimmung durch die Mitgliedstaaten aufweisen, bleibt zum überwiegenden Teil offen.368 Die abschließende Bestimmung der 365 Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 51; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 138; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 151; Bartosch, NJW 2001, 921, 922; Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 205; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 116 (EL 24, 09/2004); Dauses – Götz/Martínez Soria, Teil H.III., Rn. 139. 366 Siehe dazu bereits oben: 2. Kap. D.III.2.b). 367 So bei Gross, Europäisches Beihilfenrecht im Wandel, S. 148; Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 150. Uerpmann, EuZW 1998, 331, 333, lässt dies zunächst auch offen, plädiert dann aber für die Einordnung des Gemeinschaftsrahmens als öffentlich-rechtlicher Vertrag. Siehe dazu oben: 2. Kap. D.III.1.a). 368 So Gross, Europäisches Beihilfenrecht im Wandel, S. 148.

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Rechtsnatur wird von diesen Autoren anscheinend nicht für erforderlich gehalten. Verständlich ist diese Haltung allenfalls unter dem Blickwinkel des Rechtsschutzes. Die Bezeichnung eines Aktes ist nicht entscheidend für die Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes. Allerdings ist für die Reichweite des Rechtsschutzes, vor allem für die Bestimmung des möglichen Klägerkreises, die Rechtsnatur der angegriffenen Maßnahme essentiell. Insofern greift dieser Erklärungsansatz zu kurz. Dieser Gesamtbetrachtung kann auch deshalb nicht zugestimmt werden, weil sie die Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsnatur von Maßnahmen der Gemeinschaft ausblendet. Bei Gesamtakten ist die Bestimmung der Rechtsnatur jeweils gesondert für die Einzelregelung bzw. für Regelungskomplexe vorzunehmen. Eine pauschalierende Betrachtung verbietet sich daher. bb) Betrachtung bezogen nur auf die Regelung bezüglich bestehender Beihilfen Es gibt aber auch Autoren, die die Änderung der Rechtsnatur ausschließlich auf den Teil bezüglich bestehender Beihilfen beschränken und insoweit eine Kombination mit der ersten These zur Doppelnatur der Gemeinschaftsrahmen verfolgen.369 Das bedeutet, dass sie davon ausgehen, dass die Regelungen bezüglich neuer Beihilfen ihre Rechtsnatur im Laufe des Erlassprozesses der Gemeinschaftsrahmen nie ändern. Das ist richtig, da sich dieser Teil der Regelung in den Gemeinschaftsrahmen nur an die Kommission richtet, diese selbst bindet und daher nicht der Zustimmung der Mitgliedstaaten unterworfen ist.370 Bezüglich der Regelungen für bestehende Beihilfen ist die Argumentationslinie eindeutig. Diese Regelungen seien als zweckdienliche Maßnahmen zunächst unverbindliche Empfehlungen im Sinne von Art. 249 V EG.371 Empfehlungen gehen nach ihrem Sinngehalt auf die Entschlusskraft eines Unionsorgans zurück. Dieses nimmt die Rechtshandlung aufgrund vertraglicher Zuweisung initiativ wahr.372 Die Empfehlung ist dabei ein Instrument der „weichen Rechts-

369 Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 138; Groeben/ Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 151; Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 790; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 60. 370 Siehe dazu ausführlich: 2. Kap. D.II.1.b)bb); 2. Kap. D.IV.4.b)aa); Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 116 (EL 24, 09/2004); Streinz EUV/EGV – Koenig/ Kühling, Art. 87 EG, Rn. 71; Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 205. 371 Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 138; Groeben/ Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 151; Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 790; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 60. 372 Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung bedarf auch ein unverbindliches Rechtshandeln der Gemeinschaftsorgane einer vertraglichen Grundlage. Vgl. dazu nur: Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 128. Siehe zum Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung ausführlich bereits oben: 2. Kap. C.I.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

anpassung“373 und soll dem Adressaten ein bestimmtes Verhalten nahe legen,374 ohne ihn zu binden. Unter diese Beschreibung lassen sich die Regelungen der Gemeinschaftsrahmen betreffend bestehende Beihilfen vor der notwendigen Zustimmung ohne weiteres subsumieren. Sie können damit zunächst Empfehlungen im Sinne von Art. 249 V EG sein. Durch die Zustimmung erlangen die vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen Verbindlichkeit sowohl gegenüber der Kommission als auch gegenüber dem jeweiligen Mitgliedstaat. Mit der eintretenden umfassenden Bindungswirkung muss auch eine Änderung der Rechtsnatur einhergehen. Diese Konstruktion geht auf die Rechtsprechung des EuGH zurück, der die Zustimmung als maßgebliches Kriterium für die Bindungswirkung bestimmt hat.375 Welche Rechtsnatur die Regelungen bezüglich bestehender Beihilfen nach der Zustimmung besitzen, wird in der Literatur in der Regel nicht angegeben.376 Für die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Gemeinschaftsrahmen ist die Rechtsnatur derselben nicht maßgeblich. Dies folgt auch aus Art. 19 I VO (EG) Nr. 659/1999. Darin heißt es: „Wenn der betroffene Mitgliedstaat den vorgeschlagenen Maßnahmen zustimmt und die Kommission hiervon in Kenntnis setzt, hält die Kommission dies fest und unterrichtet den Mitgliedstaat hiervon. Der Mitgliedstaat ist aufgrund seiner Zustimmung verpflichtet, die zweckdienlichen Maßnahmen durchzuführen.“

Auch wenn aufgrund dieser Norm zweckdienliche Maßnahmen eher im Sinne von individuellen Einzelvorschlägen zu verstehen sind, kann daraus doch der oben postulierte allgemeine Grundsatz von der alleinigen Entscheidungserheblichkeit des Zustimmungserfordernisses abgeleitet werden, der sich auf die generalisierten zweckdienlichen Maßnahmen im Sinne der Gemeinschaftsrahmen übertragen lässt.377 Mit den bekannten bindenden Handlungsformen des EG-Vertrages sind die entsprechenden Regelungen der Gemeinschaftsrahmen allerdings trotzdem nicht vergleichbar. An den oben getroffenen Bewertungen ändert sich nichts,378 da sich allein die Perspektive verschoben hat. Zunächst wurden die möglichen Handlungsformen vor der Zustimmung untersucht, aber das Zustimmungserfordernis mit in die Betrachtung einbezogen. Nun müsste die Untersuchung die umgekehrte Perspektive einnehmen und dennoch das Zustimmungserfordernis

373

Grabitz/Hilf – Nettesheim, Art. 249 EG, Rn. 209 (EL 20, 08/2002). Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 48. 375 Siehe dazu oben: 2. Kap. D.II.1.b)aa). 376 Eine Ausnahme bilden hier die Vertreter des Vertragsmodells. Beispielhaft seien hier genannt: Uerpmann, EuZW 1998, 331, 333; Schütterle, EuZW 1995, 391, 393; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 60. 377 Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 140. 378 Vergleich hierzu: 2. Kap. D.III.2. 374

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als Mittler der Verbindlichkeit in den Blick nehmen. Damit kann aber aus den gleichen Gründen wie oben sowohl die Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als Richtlinie, Verordnung oder Entscheidung abgelehnt werden. Für die Ermittlung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen nach der Zustimmung bleibt dieser Ansatz also ohne Erfolg. c) Unterschiedliche Rechtsnatur aufgrund unterschiedlicher Wirkung gegenüber den Beteiligten Zum anderen kann unter der Doppelnatur eine unterschiedliche Wirkung gegenüber den Parteien verstanden werden. Ein solches Verständnis von der Doppelnatur eines Rechtsaktes haben die europäischen Gerichte bereits anerkannt. Eine Gemeinschaftshandlung kann nach der Rechtsprechung gleichzeitig eine generelle Norm und in Bezug auf bestimmte betroffene Wirtschaftsteilnehmer eine Entscheidung sein.379 Dieser Ansatz wird als Hybrid-These bezeichnet.380 Zur Bestimmung der Übertragbarkeit der Hybrid-These auf die Gemeinschaftsrahmen sind deren Regelungsabschnitte und Bindungswirkungen zumindest kurz zu umreißen. Die Kommission bindet sich durch die Gemeinschaftsrahmen unmittelbar und umfassend selbst. Die Mitgliedstaaten werden bezüglich der Regelung betreffend neue Beihilfen nur mittelbar gebunden; bezüglich der Regelungen betreffend bestehende Beihilfen werden sie nach Zustimmung oder Erzwingung der Zustimmung unmittelbar gebunden.381 Aufgrund dieser unterschiedlichen Wirkung hätten die Gemeinschaftsrahmen in Bezug auf die unterschiedlichen Parteien auch eine unterschiedliche Rechtsnatur. Sie könnten einmal Internum mit mittelbarer Außenwirkung und einmal Rechtssatz mit direkter Außenwirkung sein. Ob eine so ausgerichtete differenzierende Betrachtung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen überzeugend ist, soll nachfolgend untersucht werden. Dabei soll rechtsvergleichend auf eine parallele Problematik im deutschen Verwaltungsrecht eingegangen werden. Unter Umständen lassen sich daraus Argumente für einen Umgang mit der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen gewinnen. 379 EuGH Rs. C-50/00, Unión de Pequeños Agricultores/Rat der Europäischen Union, Slg. 2002 I, 6677, 6733; EuG Rs. T-481/93, Vereinigung van Exporteurs in Levende Varkens, Slg. 1995 II, 2941, 2961, EuG Rs. T-47/95, Terres Rouges Consultant SA, Slg. 1997 II, 481, 494. Noch Anfang der 80er Jahre ging die Rechtsprechung davon aus, dass ein und dieselbe Bestimmung nicht zugleich ein Rechtsakt von allgemeiner Bedeutung und eine Einzelmaßnahme sein könne. Vgl. dazu: EuGH Rs. C-45/81 Alexander Mokser Import-Export/Kommission, Slg. 1982, 1129, 1144. 380 Siehe dazu die Ausführungen von: Borowski, EuR 2004, 879 ff.; Nettesheim, JZ 2002, 928 ff. 381 Zur Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen ausführlich unten: 2. Kap. D.IV.4.b).

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

aa) Relativer Verwaltungsakt Dieser Ansatzpunkt ist aus der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik unter dem Schlagwort des „relativen Verwaltungsaktes“, des „Verwaltungsaktes mit Doppelnatur“ oder unter dem Begriff des „janusköpfigen Verwaltungsaktes“ bekannt.382 Trotz Bedenken ist die Rechtfigur des relativen Verwaltungsaktes in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und in Teilen der Literatur akzeptiert worden.383 Die Rechtsnatur einer Maßnahme ist nach dieser Ansicht teilbar. Treffe die unmittelbare Rechtswirkung nicht jedermann, sondern nur einen bestimmten Kreis von Betroffenen, so sei die Entscheidung nur diesen gegenüber ein Verwaltungsakt.384 Eine eingehende Begründung für die Notwendigkeit der Teilung der Rechtsnatur wird meist nicht gegeben. Das BVerwG weist nur darauf hin, dass eine differenzierende Betrachtsweise sinnvoll und systemgerecht sei.385 Gründe für die Einführung des relativen Verwaltungsaktes waren eher pragmatisch orientierte Rechtsschutzerwägungen.386 Mit dieser Konstruktion sollte verhindert werden, dass eine bestimmte hoheitliche Maßnahme von einer Vielzahl von Personen im Wege der Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Damit ist der relative Verwaltungsakt letztlich nur eine unglücklich formulierte Beschränkung des Adressatenkreises.387 In der überwiegenden Literatur stößt die Rechtsfigur des relativen Verwaltungsaktes auf erhebliche Bedenken. Die Vertreter dieser Ansicht halten es nicht für möglich, dass ein und dieselbe Regelung in Bezug auf unterschiedliche Adressaten eine unterschiedliche rechtliche Wirkung haben kann. Verwaltungshandeln sei vielmehr einheitlich zu betrachten und könne damit unabhängig vom konkreten Rechtsbetroffenen auch nur eine Rechtsnatur aufweisen.388 Die Qualität der Maßnahme sei also unteilbar. Wenn eine Maßnahme ein VA sei, dann sei sie es gegenüber jedermann und nicht nur im Verhältnis zu bestimmten Personen.389 Die vom BVerwG zugelassene Differenzierung führe zu terminologischen Komplikationen.390 Weiterhin widerspreche sie dem Grund382 Zum Begriff: Bumke, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 35, Rn. 34; Voßkuhle, SächsVBl. 1994, 54; Stelkens/Bonk/Sachs – Stelkens, § 35 VwVfG, Rn. 23; Maurer, Verwaltungsrecht, § 21, Rn. 69. 383 Stelkens/Bonk/Sachs – Stelkens, § 35 VwVfG, Rn. 23 (m.w. N.). 384 BVerwG, NVwZ 1994, 784; BVerwG, NVwZ 1990, 260, 261; BVerwG, DVBl. 1986, 1003, 1004; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 306; Bumke, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 35, Rn. 34. 385 BVerwG, NVwZ-RR 1990, 260, 261. 386 Voßkuhle, SächsVBl. 1995, 54, 55. 387 Voßkuhle, SächsVBl. 1995, 54, 57. 388 Maurer, Verwaltungsrecht, § 21, Rn. 69. 389 In diese Richtung mittlerweile auch VGH Mannheim, NVwZ 1998, 416. So auch Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 126; Bumke, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 35, Rn. 34. 390 Man bedenke nur die Abgrenzung zum Verwaltungsakt mit Drittwirkung.

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satz, dass ein Verwaltungsakt mit seiner Bekanntgabe an den Betroffenen gegenüber jedermann existent werde.391 Außerdem komme es zur Bestimmung der Verwaltungsaktqualität nicht auf die tatsächlichen Rechtswirkungen an, sondern darauf, dass die hoheitliche Maßnahme auf Außen(rechts)wirkung gerichtet sei. „Regelt eine behördliche Einzelfallmaßnahme nämlich Rechte ihrer Adressaten, so handelt es sich schon deshalb um eine Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung und damit um einen Verwaltungsakt auch aus der Sicht eines Dritten, dessen Rechtssphäre sie nicht berührt. Diesem Dritten fehlt dann lediglich die Klagebefugnis des § 42 II VwGO.“392 Die unmittelbare Außenwirkung sei folglich nach dem objektiven Sinngehalt der Maßnahme zu bestimmen.393 Die praktischen Gründe, die für die Einführung des relativen Verwaltungsaktes benannt wurden, erweisen sich damit als nicht tragfähig. Die Beschränkung des Adressatenkreises, um einer breiten Anfechtung eines Verwaltungsaktes zu entgehen, ist nicht notwendig, denn eine hinreichende Einschränkung der potenziellen Kläger kann über das Erfordernis der Klagebefugnis sichergestellt werden.394 Zwar ist die Rechtsnatur einer Maßnahme nicht mehr entscheidend dafür, ob sie gerichtlich überprüft werden kann oder nicht, dennoch hat sie weite rechtliche Konsequenzen. Die Qualität eine Maßnahme entscheidet über das anzuwendende Verwaltungsverfahren, die Klageart und die Aufhebbarkeit des Aktes,395 sowie über die Fehlerfolgenlehre.396 All dies spricht dafür, Maßnahmen einheitlich zu beurteilen und die Rechtsfigur des relativen Verwaltungsaktes abzulehnen. bb) Vergleichbarkeit der Situationen Die Konstellation bzw. die Intention des Instituts des relativen Verwaltungsaktes und die unterschiedliche Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen gegenüber den betroffenen Parteien sind nur zum Teil miteinander vergleichbar. Im Falle der Gemeinschaftsrahmen betrifft die Doppelnatur grundsätzlich nur die Unterscheidung der Maßnahmenqualität bezüglich neuer und bestehender Beihilfen. Sie ist damit eine Konsequenz aus der genannten Rechtsprechung des EuGH. Beim relativen Verwaltungsakt bezieht sich die Doppelnatur auf ein und dieselbe Regelung, die hinsichtlich der Adressaten eine unterschiedliche Wir391

Stelkens/Bonk/Sachs – Stelkens, § 35 VwVfG, Rn. 20, 23. VGH Mannheim, NVwZ 1998, 416. 393 Voßkuhle, SächsVBl. 1995, 54, 56. 394 VGH Mannheim, NVwZ 1998, 416; Stelkens/Bonk/Sachs – Stelkens, § 35 VwVfG, Rn. 23; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 126; Bumke, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 35, Rn. 34. 395 Voßkuhle, SächsVBl. 1995, 54, 55. 396 Bei einem VA folgt aus der Rechtswidrigkeit im Unterschied zur Norm nicht die generelle Nichtigkeit. 392

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kung entfalten soll, so dass auch eine unterschiedliche Rechtsnatur entsteht. In diesem Bereich besteht keine Vergleichbarkeit der Probleme. Auf der anderen Seite besteht im Bereich der Regelung betreffend neue Beihilfen eine unterschiedliche Bindungswirkung gegenüber Mitgliedstaat und Kommission. Hier käme eine Vergleichbarkeit in Betracht. Allerdings ist hier ein Regelungsbereich betroffen, der ausschließlich an die Kommission adressiert ist. Die Maßnahme soll vom Grundsatz her nur ein Internum sein, ist also nicht auf Außenwirkung gerichtet und erfüllt damit nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des Verwaltungsaktes nach § 35 Satz 1 VwVfG. Unter diesen Voraussetzungen wird auch in der deutschen Dogmatik nicht die Rechtsfigur des relativen Verwaltungsaktes herangezogen. Es handelt sich im deutschen Recht vielmehr um Konstellationen der mittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften. Eine Vergleichbarkeit der Situationen ist daher auch bei den Regelungen betreffend neue Beihilfen nicht vorhanden. cc) Vergleichbarkeit vor dem Hintergrund der Hybrid-These der europäischen Gerichte Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der aktuellen Rechtsprechung der europäischen Gerichte zur Möglichkeit der unterschiedlichen Rechtsqualität von Gemeinschaftsakten gegenüber den unterschiedlichen betroffenen Parteien herleiten.397 Die oben genannte Rechtsprechung bezog sich dabei auf Verordnungen, denen zugleich auch Entscheidungscharakter zugebilligt wurde. Der Verordnung und der Entscheidung ist jedoch gemein, dass sie auf Außenwirkung gerichtet sind und nur einen unterschiedlich weiten Adressatenkreis aufweisen. Bei den Regelungen der Gemeinschaftsrahmen betreffend neue Beihilfen kam aber zum einen eine Betrachtung als Internum mit lediglich mittelbarer Außenwirkung und zum anderen eine Einordnung als abstrakt-generelle Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung in Betracht. Insofern ist schon der Unterschied in den Wirkungen der Rechtsakte zu groß, als dass eine Übertragung der Rechtsprechung zu rechtfertigen wäre. Weiterhin ist zu bedenken, dass die Einordnung einer Verordnung, zum einen als generelle Norm und zum anderen in Bezug auf bestimmte betroffene Wirtschaftsteilnehmer als Entscheidung, lediglich der Eröffnung des Rechtswegs vor den europäischen Gerichten für den individuell Betroffenen diente und damit 397 Zur so genannten Hybrid-These der europäischen Gerichte vgl. EuG Rs. T-481/ 93, Vereinigung van Exporteurs in Levende Varkens, Slg. 1995 II, 2941, 2961; EuG Rs. T-47/95, Terres Rouges Consultant SA, Slg. 1997 II, 481, 494; EuGH Rs. C-50/ 00, Unión de Pequeños Agricultores/Rat der Europäischen Union, Slg. 2002 I, 6677, 6733 und die ausführlichen Darstellungen bei Borowski, EuR 2004, 879, 885 ff. Nettesheim, JZ 2002, 928, 930 ist fälschlicherweise der Meinung, dass die Hybrid-These nicht mehr vertreten wird.

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praktischen Erwägungen geschuldet war.398 Damit verfolgt die Hybrid-These der europäischen Gerichte eine andere Zielrichtung als die Figur des relativen Verwaltungsaktes nach deutschem Recht. Erstere dient der Eröffnung des Rechtswegs, wohingegen letztere die Anfechtungsmöglichkeiten gerade einschränken will. Aufgrund der maßgeblichen praktischen Erwägungen, auf denen die Rechtsprechung der europäischen Gerichte basiert, ist die Entscheidungspraxis einer Verallgemeinerung im Sinne einer grundsätzlichen Zulässigkeit der Aufspaltung der Rechtsnatur je nach Betroffenem nicht möglich. Dies folgt schon aus den unterschiedlichen Rechtsfolgen der Akte und den divergierenden Rechtmäßigkeitsanforderungen.399 Vielmehr muss betont werden, dass sich die Handlungsformenlehre und die Rechtsschutzdogmatik voneinander gelöst haben.400 Für den vorliegenden Fall lassen sich daher keine anderweitigen Rückschlüsse ziehen. d) Abschießende Betrachtung Die Lehre von der Doppelnatur ist nicht als zielführende These für die Bestimmung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen zu qualifizieren. Die unterschiedlichen Ansätze haben sich nicht bewährt, auch wenn sie zum Teil von den richtigen Voraussetzungen für die Bestimmung der Rechtsnatur ausgehen.

IV. Die Gemeinschaftsrahmen als Verwaltungsvorschriften Nachdem nunmehr sowohl die Rechtsprechung der europäischen Gerichte als auch das überwiegende Meinungsspektrum in der Literatur dargestellt wurden, ist ein eigener Ansatzpunkt zu verfolgen. Die in der Literatur entwickelten Modelle haben sich als nicht tragfähig erwiesen. Sie alle lassen sich entweder nicht mit dem Verständnis der Kommission von den Gemeinschaftsrahmen und den dadurch entstehenden Wirkungen vereinbaren oder sie entsprechen nicht der Struktur und Wirkung der zur Systematisierung herangezogenen Handlungsform. Der Rechtsprechung war keine eindeutige Positionierung zur Rechtsnatur zu entnehmen. Dennoch fanden sich vor allem in den jüngeren Entscheidungen einige Hinweise, die die Gemeinschaftsrahmen in die Nähe der Verwaltungsvorschriften nach deutschem Vorbild rückten. Die angesprochenen Entscheidungen verwandten Begriffe wie „Selbstbindung der Kommission bei der Ermessensausübung“ und formulierten, dass die Gemeinschaftsrahmen eine Konkretisierung 398 Zur rechtsschutzeröffnenden Funktion der „Entscheidung“: Borowski, EuR 2004, 879, 880. 399 Ebenso Cremer, Individualrechtsschutz gegen Rechtsakte der Gemeinschaft, S. 32. 400 Thiele, Individualrechtsschutz vor dem EuGH, S. 128; Röhl, ZaöRV 60 (2000), 331, 354, 362 f.; Nettesheim, JZ 2002, 928, 930.

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der Vorgaben des EG-Vertrages seien.401 Auch die europäischen Gerichte erhoben daher die Gemeinschaftsrahmen zum Prüfungsmaßstab in ihren Entscheidungen. Insofern zeigt sich auch hinsichtlich der Wirkung der Gemeinschaftsrahmen eine Parallele zu den Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht. Diesem Ansatz soll in der folgenden Betrachtung weiter nachgegangen werden. In Anlehnung an die gefundenen Aussagen in der analysierten Rechtsprechung sollen die Gemeinschaftsrahmen daher als Verwaltungsvorschriften des Europarechts qualifizieren werden. Ausgangpunkt der Untersuchung soll die Konzeption der Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht sein. Die in einem ersten Schritt dargestellten Bedeutungen und Arten der Verwaltungsvorschriften sowie deren Rechtscharakter und Wirkung gegenüber den Betroffenen (2.) sollen als Vergleichsbasis für die nachfolgenden Überlegungen fungieren. Zur Bestimmung der Rechtslage im europäischen Rechtsraum (3.) ist im Hinblick auf eine Anerkennung europäischer Verwaltungsvorschriften die Betrachtung nicht nur auf das aktuell geltende Recht nach dem EG-Vertrag zu beschränken. Vielmehr sind auch Entwicklungstendenzen im Rahmen des mittlerweile gescheiterten Verfassungsvertrages und des zur Ratifizierung anstehenden Vertrages von Lissabon einzubeziehen. Aus diesen kann unter Umständen eine Öffnung des Europarechts zur Anerkennung von Verwaltungsvorschriften hergeleitet werden. Einzugehen ist aber auch auf die Rechtslage in anderen europäischen Staaten, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang mit der Handlungsform der Verwaltungsvorschriften und so eine gemeinsame Verwaltungstradition zu ermitteln. Nach Abschluss dieser systematischen und rechtsvergleichenden Betrachtungen sollen die Regelungen der Gemeinschaftsrahmen im Verhältnis zur Kommission und zu den Mitgliedstaaten in Abhängigkeit des jeweiligen Regelungszusammenhangs auf ihre Bindungswirkung untersucht werden (4.). Es soll damit der Beweis angetreten werden, dass die Gemeinschaftsrahmen von ihrer Konzeption und Wirkung her den Verwaltungsvorschriften des deutschen Rechts und des Europarechts entsprechen. Bevor diese umfassende Untersuchung durchgeführt werden kann, ist jedoch dem allgemeinen Einwand nachzugehen, dass die Wahl einer unbenannten Handlungsform, hier die Wahl der Handlungsform „Verwaltungsvorschrift“, nicht möglich ist (1.). 1. Wahl einer unbenannten Handlungsform Da die Gemeinschaftsrahmen unter keine der im Handlungsformenkatalog von Art. 249 EG aufgeführten Rechtsakte subsumiert werden können, aktualisiert sich die bereits oben angesprochene Frage nach der Möglichkeit, eine un401

8303.

EuGH Rs. C-288/96, Bundesrepublik/Kommission (Jadekost), Slg. 2000 I, 8237,

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benannte Handlungsform wählen zu können. Die Antwort auf diese Frage ist durch eine Untersuchung des Art. 249 EG und dessen Stellung im Gesamtgefüge des EG-Vertrages zu erlangen. Art. 249 EG gibt den Gemeinschaftsorganen einen Katalog von Handlungsformen vor, um die ihnen durch den Vertrag zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Genannt werden fünf Formen und ihre jeweiligen Wirkungen. Zunächst sei festgehalten, dass Art. 249 EG keinen numerus clausus aufstellt. Das ist unumstritten.402 Einigkeit besteht in dieser Hinsicht schon seit Beginn des Gemeinschaftsrechts.403 Das Gemeinschaftsrecht kennt daher auch rechtliche Handlungsformen, die sich außerhalb der Vorgaben des Art. 249 EG bewegen. Im EG-Vertrag werden z. B. genannt: die völkerrechtlichen Abkommen (Art. 133 III, 170 II, 174 IV 2 und Art. 300 EG), die öffentlich-rechtlichen und die privat-rechtlichen Verträge (Art. 238, 288 I EG), Geschäfts- und Verfahrensordnungen (Art. 199 I, 207 III, 218 I EG), die Berichte und Sonderberichte des Rechnungshofes (Art. 248 EG), Programme (Art. 166 I, 175 III EG) und Leitlinien (Art. 128 II, 155 EG).404 Zu diesen Handlungsformen werden die Gemeinschaftsorgane ausdrücklich durch den EG-Vertrag ermächtigt. Ist eine Kompetenznorm des Vertrages aber insoweit unspezifisch, als dass sie pauschal von „geeignete Maßnahmen vorschlagen“, „zweckdienliche Vorschriften erlassen“ oder „Tätigwerden“ usw. spricht, steht im Grundsatz der gesamte Formenkatalog des Art. 249 EG zur Verfügung.405 Dass auch in dieser Situation der Katalog offen für die Kreation unbenannter Handlungsformen ist, folgt aus der Überlegung, dass einige Handlungsermächtigungen des Vertrages mit den vorgegebenen Handlungsformen des Art. 249 EG nur unzureichend erfüllt werden könnten. Dieses Argument ist zwar schwach; vermischt es doch ein praktisches Bedürfnis nach einer Erweiterung des Formenkataloges mit der Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit von Handlungsformen,406 dennoch streitet der effet utile für eine Auslegung in diese Richtung. Im Sinne des effet utile muss es den Gemeinschaftsorganen möglich sein, diejenige Handlungsform zu wählen, die eine möglichst effektive Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ermöglicht und sich dennoch im Rahmen der übertragenen Kompetenzen hält. Insofern kann auch die Einführung einer unbenannten Handlungsform das effektivste Mittel sein.

402 Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 14; Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 129; Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 6, Rn. 9; Bast, Handlungsformen, S. 500 f. 403 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 6, Rn. 9; Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen, S. 42. 404 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 6, Rn. 7. 405 Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen, S. 11. 406 So auch Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen, S. 46.

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Weiterhin ist anzuführen, dass eine Kongruenz zwischen Art. 230 I EG und Art. 249 EG bestehen muss. Art. 230 I EG schließt aus seinem Anwendungsbereich nur unverbindliche Handlungsformen aus, ohne eine Aufzählung dessen zu geben, was als verbindliche Handlungsform der gerichtlichen Überprüfung offen steht. Daher sind die Vertragsautoren offenbar von der Möglichkeit ausgegangen, dass es noch andere verbindliche Rechtsakte jenseits der Kategorien von Richtlinie, Entscheidung und Verordnung gibt.407 Dass es für den Rechtsschutz nicht darauf ankommt, ob der angegriffene Akt in den Katalog des Art. 249 EG fällt oder einen atypischen Rechtsakt darstellt, ist allgemeine Auffassung.408 Diese Auslegung hat der EuGH durch seine Rechtsprechung bestätigt. Danach unterliegt jedes Organhandeln der Anfechtbarkeit, wenn es geeignet oder bestimmt ist, Rechtswirkungen zu erzeugen.409 Entscheidend ist somit das Wesen einer Handlung und nicht die von dem erlassenden Organ gewählte Form.410 Auch eine unbenannte Handlungsform muss daher rechtsstaatlichen Anforderungen genügen.411 Dies markiert gleichzeitig die Grenze der Formwahlfreiheit des jeweiligen Organs. Neben den ausdrücklich im Vertrag erwähnten Formen gibt es also eine Fülle anderer Handlungsformen, die sich nicht im Vertrag finden. Diese Erscheinungsformen sind bisher wenig erschlossen und aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung auch schwer zu systematisieren.412 Systematisierungsversuche werden aber immer wieder unternommen.413 Dabei haben sich fünf Kategorien von unbenannten Handlungsformen entwickelt: erstens der Beschluss, zweitens die organinternen Rechtsakte, drittens die europarechtlichen Verwaltungsvorschriften, d.h. interne Anweisungen mit Rechtswirkung, Mitteilungen der Kommission, Leitlinien, Rahmen und Bekanntmachungen, viertens Organhandlungen mit unterschiedlichen Bezeichnungen, die unter dem Begriff Entschließungen zusammengefasst werden können und fünftens eine Vielzahl von nur teilweise verbindlichen Rechtshandlungen unter wechselnden Bezeichnungen.414

407

Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen, S. 46. Grabitz/Hilf – Booß, Art. 230 EG, Rn. 12 (EL 15, 01/2000); Callies/Ruffert – Cremer, Art. 230 EG, Rn. 13; Pampel, EuZW 2005, 11, 12. 409 EuGH Rs. C-316/91, Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Union, Slg. 1994 I, 625, 657; Bast, Handlungsformen, S. 517. 410 Grabitz/Hilf – Booß, Art. 230 EG, Rn. 12 (EL 15, 01/2000). 411 Pampel, EuZW 2005, 11, 12. 412 Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 83; Callies/Ruffert – Ruffert, Verfassung der EU, Art. I-33, Rn. 124. 413 Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 22 (S. 467 ff.); Oppermann/Classen/ Nettesheim, Europarecht, § 10, Rn. 141 ff.; Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 131 ff. 408

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Die unterschiedlichen Erscheinungen und Ausprägungen der Handlungsformen in diesen Kategorien ergänzen den nicht abschließenden Katalog des Art. 249 EG und ermöglichen den Organen der Gemeinschaft somit eine größere Flexibilität bei der Umsetzung ihrer Aufgaben.415 Dass die Gemeinschaftsrahmen keine Erwähnung im Vertragstext gefunden haben, steht der Zulässigkeit dieser Handlungsform daher nicht entgegen. Die Wahl eines unbenannten Handlungsinstruments ist deshalb nicht per se rechtsmissbräuchlich.416 Die Frage, ob der Gemeinschaftsrahmen unter die dritte Kategorie der unbenannten Handlungsformen fällt, ist im Folgenden zu beantworten. 2. Die Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht Unter Verwaltungsvorschriften wird im deutschen Recht im Allgemeinen eine im Kern abstrakt-generelle Regelung verstanden, die innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Verwaltungsinstanzen oder Vorgesetzten an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete ergeht und die dazu dient, Organisation und Handeln der Behörde näher zu bestimmen.417 Verwaltungsvorschriften sind somit ein Instrument der Verhaltenssteuerung. a) Bedeutung von Verwaltungsvorschriften Die Bedeutung der Verwaltungsvorschriften ist immens und nimmt immer mehr zu. Es ist kaum ein Gesetz zu finden, zu dem keine Verwaltungsvorschrift erlassen wurde.418 Die Handlungsfähigkeit der Verwaltung wäre sehr stark be414 Siehe zur Darstellung der fünf Kategorien: Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 131 ff. Groeben/Schwarze – Schmidt, Art. 249 EG, Rn. 17 gibt eine Darstellung, der eine Zusammenfassung in diese fünf Kategorien fehlt. 415 Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 80. 416 Pampel, EuZW 2005, 11, 12. 417 Schweda, Administrative Normsetzung, S. 286, Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 1; Maurer, JZ 2005, 895; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 4; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 32; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 53; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 39; Remmert, Jura 2004, 728; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 62; Leisner, JZ 2002, 219, 220; Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 37. 418 Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 29 f. belegt das mit eindrucksvollen Zahlen. Allein im Steuerrecht seien an die 40.000 Verwaltungsvorschriften erlassen worden. So auch Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571 f. Er betont, dass die Verwaltungsvorschriften zahlenmäßig den ersten Platz unter den Normen einnähmen. Ebenso Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

schränkt, wenn es die Verwaltungsvorschriften als Handlungsanleitungen zum Gesetzesvollzug nicht gäbe.419 Dies betrifft vor allem die Verwaltung in Rechtsgebieten, in denen die Gesetze stark auf unbestimmten Rechtsbegriffen aufbauen und damit der Verwaltung einen Handlungsspielraum eröffnen, den diese dann im Rahmen ihrer Bindungen durch Art. 20 III GG ausüben muss. Handlungsspielräume können sich aber nicht nur auf der Tatbestandsseite einer Norm ergeben, sondern auch auf der Rechtsfolgenseite über die Einräumung von Ermessen. Auch dadurch erhält die Verwaltung innerhalb der Grenzen der Ermessensausübung Freiräume, die sie durch Wertungen und Schwerpunktsetzungen auszufüllen hat. Insbesondere auf dem Gebiet des Subventions- und Beihilfenrechts wird in Deutschland (ebenso wie in der EG) in großem Maße von der Möglichkeit einer Regelung durch Verwaltungsvorschriften Gebrauch gemacht.420 b) Die Arten der Verwaltungsvorschriften Verwaltungsvorschriften erfüllen neben Organisationsaufgaben noch andere unterschiedliche Funktionen.421 Dazu gehören zum einen die Konkretisierungsund die Ergänzungsfunktion und zum anderen auch eine Rationalisierungsfunktion. Insgesamt sind die Verwaltungsvorschriften auf eine Verhaltenssteuerung ausgerichtet, da Entscheidungsvorgänge und sonstige Maßnahmen der Verwaltung kanalisiert, dirigiert und rationalisiert werden.422 Nach den Funktionen unterscheidet man herkömmlich drei Kategorien von Verwaltungsvorschriften.423 Allerdings sind weitere Differenzierungen in der Li419 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, § 24, Rn. 13; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 3; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 30; Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kap., S. 325. An den Beispielen des Sozial- und Steuerrechts verdeutlicht dies Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 575. 420 Siehe auch zur herausgehobenen fiskalischen Bedeutung der Verwaltungsvorschriften in diesem Bereich: Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 3 f.; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 31 f. 421 Zu den organisatorischen Verwaltungsvorschriften: Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 14 ff.; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 63. 422 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 17; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 64; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kap., S. 329; Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 572; Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 6. 423 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, § 24, Rn. 14. Maurer, JZ 2005, 895 zieht diese drei Kategorien entlang der Bindungswirkung und unterscheidet daher Verwaltungsvorschriften im internen Bereich, Verwaltungsvorschriften mit mittelbarer Außenwirkung und Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung.

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teratur zu finden.424 Auf die gängigsten Arten der Verwaltungsvorschriften soll an dieser Stelle eingegangen werden. aa) Gesetzesauslegende oder norminterpretierende Verwaltungsvorschriften Eine Kategorie der Verwaltungsvorschriften stellen die gesetzesauslegenden oder norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften dar. Sie bestimmen die Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen, insbesondere bei Vorliegen unbestimmter Rechtsbegriffe.425 Den nachgeordneten Behörden wird damit eine Interpretationshilfe an die Hand gegeben. Über die Klärung von Zweifelsfragen wird ein einheitlicher Vollzug der Gesetze erreicht.426 Damit aber erfüllen die norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften zwei Funktionen: zum einen Sicherstellung von Effektivität und zum anderen Gewährleistung der Einheitlichkeit der Verwaltungstätigkeit.427 bb) Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Die Kategorie der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften wurde durch die Whyl-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eingeführt.428 Sie sollen die – aufgrund gesetzlicher Ermächtigung unbestimmten Rechtsbegriffe bzw. offenen Tatbestände in rechtssatzmäßiger Weise ausfüllen, ohne sich auf die bloße, verwaltungsgerichtlich voll überprüfbare Interpretation zu beschränken.429 Die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften machen damit die Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe eines Gesetzes für den Rechtsanwender handhabbar und formulieren anwendungsreife Maßstäbe und 424 Gegen jegliche Differenzierung: von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 456, da jede Verwaltungsvorschrift ein mit staatlicher Autorität versehener und mit staatlicher Zwangsgewalt sanktionierter hoheitlicher Akt sei und deshalb für Adressaten und Drittbetroffene geltendes Recht darstelle. 425 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 19; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 64; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 64; Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 41. 426 Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 9; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 33; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 19; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 64. 427 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 18; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 64; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61. 428 BVerwGE, 72, 300 ff.; Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 44; Stelkens/Bonk/Sachs – Sachs, § 44 VwVfG, Rn. 80. 429 BVerwGE 110, 216, 219; BVerwGE 107, 338, 340 f.; BVerwGE 72, 300, 320 f.; Leisner, JZ 2002, 219, 228; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 65; Gerhardt, NJW 1989, 2233, 2234.

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Kriterien.430 Insgesamt können sie als „administratives Ergänzungsrecht“431 bezeichnet werden. Teilweise wird sogar überspitzt formuliert, dass erst die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften das Gesetz vollzugsreif machten.432 Mit der Ergänzung einhergehend wird über die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften eine Verfahrensbeschleunigung und eine Erhöhung der Vorhersehbarkeit der Verwaltungsentscheidung erreicht.433 Ihr Inhalt ist nur begrenzt gerichtlich überprüfbar.434 cc) Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften bestimmen, in welcher Weise von dem der Verwaltung eingeräumten Ermessen (sowohl Entschließungs- als auch Auswahlermessen)435 Gebrauch gemacht werden soll. Sie liefern Entscheidungsmuster und Entscheidungsmaßstäbe für den typischen Anwendungsfall und sichern damit eine einheitliche und gleichmäßige Ermessensausübung.436 Dadurch entsteht ein einheitliches Auftreten der Behörden. Grenze der Regelungsdichte der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften sind die Maßstäbe für eine rechtmäßige Ermessensausübung. Die Vorgaben dürfen daher nicht so konkret und eng sein, dass eine Ausübung des Ermessens im eigentlichen Sinne gar nicht stattfinden kann. Die Handlung der nachgeordneten Behörde darf sich nicht in einem bloßen Subsumtionsakt erschöpfen.437 Die ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften haben – wie Battis zu Recht herausstellt – für die nach Ermessen handelnde Verwaltung die gleiche Funktion wie norminterpretierende Verwaltungsvorschriften für die gesetzesgebundene Verwaltung.438

430 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 7; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 20; Hill, NVwZ 1989, 401, 405. Zu den unterschiedlichen Abstufungen der Konkretisierung von Gesetzen: Gusy, DVBl. 1987, 497, 498. 431 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 33. 432 Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 65. 433 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 21. 434 BVerwGE 72, 300, 320; BVerwGE 110, 216, 218; BVerwGE 114, 342, 344; Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 9; Remmert, Jura 2004, 728, 731; Leisner, JZ 2002, 219 ff. 435 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 16; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 65. 436 BVerwGE 34, 278, 281; BVerwGE 37, 57, 59; BVerwGE 100, 335, 339; Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 10; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 19; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 34; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 16; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 65; Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 42. 437 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 19. 438 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 34.

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dd) Gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften In verschiedenen Sachbereichen werden gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften anerkannt. Sie werden dann erlassen, wenn für bestimmte, normbedürftige Bereiche gesetzliche Regelungen fehlen,439 – sei es, dass überhaupt keine gesetzliche Regelung vorliegt, sei es, dass zwar eine gesetzliche Regelung besteht, aber diese so allgemein ist, dass konkretisierende Vorschriften noch erforderlich sind.440 Besonders im letzteren Falle ergeben sich fließende Übergänge zu den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften.441 Von diesen unterscheiden sie sich aber in der Hinsicht, dass sie nicht bereits vorhandene Entscheidungsmaßstäbe konkretisieren, sondern diese selbst erst formulieren.442 Grenze für den Erlass gesetzesvertretender Verwaltungsvorschriften ist der Gesetzesvorbehalt.443 Das heißt, dass solche Verwaltungsvorschriften nur in nicht wesentlichen bzw. nicht grundrechtsrelevanten Bereichen erlassen werden können. Auch scheidet der Bereich der Eingriffsverwaltung aus, da jede in die Rechte von Bürgern eingreifende Maßnahme auf einer gesetzlichen Grundlage basieren muss. Somit verbleiben als Anwendungsbereiche vor allem jene, die der Leistungsverwaltung unterfallen.444 Anerkannt sind gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften im Sozialrecht, im Steuerrecht und im Subventionsrecht.445 Aufgrund einer immer stärker werdenden Normendichte im Bereich der Verwaltung verlieren die gesetzesvertretenden Verwaltungsvorschriften zunehmend an Bedeutung. Die Subventionsvergabe ist das Gebiet, in dem die gesetzesvertretenden Verwaltungsvorschriften noch die größte Bedeutung haben,446 doch auch hier nimmt die Regelungsdichte immer mehr zu.

439 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 27; Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 43. 440 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 19. 441 Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 11. 442 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 19; Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 11; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 68. 443 Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 11; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 19; Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 43. 444 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 28. 445 BVerwGE 94, 335, 339 f.; BVerwGE 58, 45, 48 ff.; Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 43; Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 11; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 28. 446 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 17; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 68.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

ee) Bewertung Die Abgrenzung der Arten der Verwaltungsvorschriften ist im Einzelfall schwierig, da fließende Übergänge bestehen.447 Auch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die einzelnen Arten selten in ihrer Reinform existieren.448 Wenn Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Gesetzen erlassen werden, dann müssen sie alle Besonderheiten des jeweiligen Regelwerkes aufgreifen. Diese Regelwerke bestehen aber in der Regel aus verschiedenen Einzelnormen, die in unterschiedlichen Kombinationen Spielräume sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite einräumen. Daher können zur Durchführung eines Regelungswerkes mehrere Arten von Verwaltungsvorschriften gleichzeitig in Betracht kommen.449 Verwaltungsvorschriften beziehen sich daher oft nicht nur auf ein bestimmtes Merkmal des Tatbestandes oder der Rechtsfolge, sondern sie ergehen pauschal zu einer gesetzlichen Bestimmung.450 Alles andere würde der Handlungsform ihre Flexibilität nehmen. Festzuhalten bleibt noch ein weiterer Aspekt: Der abnehmenden Dichte der Gesetze korrespondieren notwendigerweise wachsende Eigenanteile von Verwaltung und Justiz im Hinblick auf die Rechtsetzung, -anwendung und -entwicklung.451 Dies ist bei der nachfolgenden Untersuchung im Blick zu behalten. c) Rechtscharakter und Wirkung der Verwaltungsvorschriften Der Rechtscharakter der Verwaltungsvorschriften ist umstritten. Aus der Definition der Verwaltungsvorschriften ergibt sich, dass sie als Innenrecht der Verwaltung konzipiert sind.452 Sie haben nach dieser Konzeption keine Außenwirkung gegenüber dem Bürger,453 da sie nicht auf eine solche gerichtet sind. Dennoch sind Verwaltungsvorschriften für die Verwaltung selbst verbindlich und

447 Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 68 bezeichnet sie daher zu recht als heterogene Gebilde. von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 458 lehnt aufgrund der Abgrenzungsschwierigkeiten eine Differenzierung in unterschiedliche Arten ab. 448 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 26. 449 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 26. 450 von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 458. 451 Hill, NVwZ 1989, 401, 403. 452 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 5; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 34; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 29; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 62. Zu den Problemen, die aus dieser Konzeption für die Bestimmung der Rechtsnatur folgen: Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 42 f. 453 BVerfGE 2, 237, 242; BVerwGE 100, 335, 339; Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 17; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 29; Kautz, GewArch 2000, 230, 231.

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enthalten Rechtssätze im rechtstheoretischen Sinne.454 Dabei sind sie aber keine Rechtsquellen im Sinne von Rechtsnormen,455 weil und sofern sie weder nach Inhalt und Funktion sonstige Rechtsquellen mit unmittelbarer Außenwirkung ersetzen.456 Daher wirken Verwaltungsvorschriften für Dritte prinzipiell nur reflektierend, ohne diesen unmittelbar Pflichten und Rechte aufzugeben.457 Aufgrund ihrer Bedeutung wird von einigen Autoren verlangt, die Verwaltungsvorschriften als eine eigenständige, neben Gesetz und Rechtsverordnung stehende Kategorie staatlicher Rechtsetzung anzuerkennen.458 Ob die Forderung so weit gehen muss, ist fraglich. Die Frage nach der Reichweite und Intensität der Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften im Außenverhältnis wird allerdings allgemein als problematisch empfunden. Dabei stehen sich grundsätzlich zwei gedankliche Ansätze gegenüber. Der erste stellt die Grundkonzeption der Verwaltungsvorschriften in den Mittelpunkt der Betrachtung und leitet daraus den Grundsatz der mittelbaren Außenwirkung ab [aa)]. Der zweite Ansatz bewertet die Außenwirkung differenzierend je nach der Art der Verwaltungsvorschrift und stellt dabei jeweils die Frage, wem die Letztentscheidungskompetenz – dem Gericht oder der Behörde – zukommt, ins Zentrum der Betrachtung [bb)]. aa) Grundsatz der mittelbaren Außenwirkung Zunächst soll die Konzeption der Verwaltungsvorschriften als „Innenrecht“ als Ausgangspunkt dienen, um die Bindungswirkung der Verwaltungsvorschrif454 Der Rechtscharakter der Verwaltungsvorschriften ist heute allgemein anerkannt. Vgl. dazu: Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 3; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 31; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 33; Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Kap., S. 53; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 62; Leisner, JZ 2002, 219, 223; Uerpmann, BayVBl. 2000, 705. 455 So schon die Staats- und Verwaltungslehre im 19. Jahrhundert. Siehe dazu: Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 2; Stelkens/Bonk/Sachs – Sachs, § 44 VwVfG, Rn. 75; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 5; von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 454; Hill, NVwZ 1989, 401. Vgl. auch die ständige Rechtsprechung des BVerwG: BVerwGE 104, 220, 222; BVerwGE 61, 15, 18; BVerwGE 58, 45, 49; BVerwGE 34, 278, 283. 456 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, § 24, Rn. 20; Schweda, Administrative Normsetzung, S. 286; Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 3. Andere Ansicht: Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571 ff. 457 BVerwGE 61, 15, 18; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, § 24, Rn. 26. Ein Nachweis für diese Meinung findet sich auch bei Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 574. 458 Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kap., S. 329; Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571 ff. Weitere Nachweise bei: Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 46.

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ten zu beschreiben. Dadurch, dass Verwaltungsvorschriften ein Element der Verhaltenssteuerung seien und die ausführende Behörde an sie gebunden sei, erhielten sie eine sog. selbstbindende Bedeutung.459 Selbstbindung bedeute dabei Bindung der Verwaltung an selbst gesetzte Entscheidungsmaßstäbe im eigenen Funktionsbereich.460 Die Selbstbindung sei damit unabhängig von der allgemeinen Gesetzesbindung der Verwaltung. Diese Innenbereichswirkung sei aber nicht frei von einer Wirkung in der Außenwelt. Eine Vielzahl der Verwaltungsvorschriften bestimme, wie Verwaltungsaufgaben dem Bürger gegenüber wahrzunehmen seien.461 Damit hätten sie eine Ausstrahlungswirkung auf das Verhältnis der Behörde zum Bürger. Der Bürger könne daher verlangen, dass auch in seinem Fall entsprechend der bisherigen Verwaltungspraxis verfahren werde, soweit nicht ein Ausnahmefall vorliege, der eine Abweichung zulasse.462 Die Verwaltungsvorschriften indizierten und repräsentierten dabei die Verwaltungspraxis, so dass ein Verstoß gegen die Verwaltungsvorschriften unmittelbar als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 I GG gewertet werden könne.463 Diese faktische Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften besitze somit rechtliche Relevanz.464 Über die Art der Vermittlung dieser rechtlichen Außenwirkung besteht allerdings keine Einigkeit. Sie könne, wie eben beschrieben, über den Gleichheitssatz gem. Art. 3 I GG i.V. m. der Selbstbindung der Verwaltung hinsichtlich einer gefestigten Verwaltungspraxis vermittelt werden.465 Die Außenwirkung sei dann als mittelbar zu beschreiben.466 Die entstehende Problematik des ersten 459 So die herrschende Meinung. Siehe dazu: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, § 24, Rn. 26; Schweda, Administrative Normsetzung, S. 290; Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 21; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 36; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 35. 460 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 44; Schweda, Administrative Normsetzung, S. 287 f. 461 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 34; Remmert, Jura 2004, 728, 730. 462 Siehe hierzu für die Rechtsprechung: BVerwGE 34, 278, 281; BVerwGE 44, 72, 74 f. Für die Literatur: Schweda, Administrative Normsetzung, S. 288; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 34, 193. 463 BVerwGE 34, 278, 281; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 46; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 34; Saurer, VerwArch 97 (2006), 249, 254; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 81. 464 Dies ist mittlerweile allgemein anerkannt. Vgl. dazu nur: BVerwGE 61, 15, 18; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 36. 465 BVerfGE 2, 237, 243; BVerwGE 8, 4, 10; BVerwGE 34, 278, 280; BVerwGE 36, 323, 327; BVerwGE 44, 72, 74 f.; BVerwGE 61, 15, 18; BVerwGE 100, 335, 339 f.; BVerwGE 104, 220,223; BVerwG, DVBl. 2004, 126; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 45; Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Kap., S. 53; Kautz, GewArch 2000, 230, 231. 466 BVerfGE 2, 237, 242; Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 22. Als über Art. 3 I GG vermittelte Außenwirkung wird sie bei Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts,

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Anwendungsfalls einer Verwaltungsvorschrift wird bei diesem Erklärungsansatz im Wege einer Fiktion gelöst. Diese basiert auf der Annahme, dass über die Vorschrift eine sogenannte „antizipierte Verwaltungspraxis“ zum Ausdruck komme. Die Möglichkeit der Antizipierung der Verwaltungspraxis stellt den Vorteil dieses Begründungsansatzes gegenüber der Herleitung der mittelbaren Außenwirkung über den Grundsatz des Vertrauensschutzes dar.467 Problematisch ist an der Bemühung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes im Hinblick auf den ersten Anwendungsfall einer Verwaltungsvorschrift, dass sich ein Vertrauen erst durch eine Verwaltungspraxis entwickeln kann. Da Verwaltungsvorschriften in der Regel aber nicht veröffentlicht würden,468 dem Bürger also nicht bekannt seien, könnten sie keine Erwartungen wecken.469 Auch eine Bekanntgabe könne das notwendige Vertrauen nicht auslösen, wenn ausschließlich die Verwaltung Adressat der Vorschrift bleibe und der Bürger diese insofern auch nicht auf sich beziehen könne. Abschließend ist festzuhalten, dass der Anknüpfungspunkt bei beiden Erklärungsansätzen nicht die Verwaltungsvorschrift an sich ist, sondern die geübte Verwaltungspraxis und damit die konkreten Einzelentscheidungen. 470 Auf welchem Weg auch immer die mittelbare Außenwirkung hergeleitet wird, sie stellt die Grundregel für die Wirkung der Verwaltungsvorschriften gegenüber dem Bürger dar. Eine unmittelbare Außenwirkung dürfe den Verwaltungsvorschriften aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken, insbesondere einer fehlenden Ermächtigung der Verwaltung zur außenwirksamen Rechtssetzung abseits der Vorgaben des Art. 80 I GG, nicht zukommen.471 Dies habe auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt, indem es entschied, dass Verwaltungsvorschriften mit materiell-rechtlichem Inhalt grundsätzlich Gegenstand, nicht jedoch Band III, § 65, Rn. 45 beschrieben. Ebenso: Schweda, Administrative Normsetzung, S. 290; Remmert, Jura 2004, 728, 730. 467 Zur Herleitung über den Vertrauensschutz: BVerwGE 35, 159, 161 f.; Saurer, VerwArch 97 (2006), 249, 254. Zum Vertrauensschutzaspekt und zu vielen anderen Erklärungsansätzen: Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 45; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 198 ff. 468 Eine Veröffentlichungspflicht bestehe nicht. Dennoch kann die Verwaltung ihre Verwaltungsvorschriften publizieren bzw. muss sie bekannt machen. Vgl. dazu: BVerwGE 104, 220, 227; BVerwGE 35, 159, 162. 469 Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 24; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 43. Kritisch auch Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 49. 470 BVerwG, DVBl. 2004, 126; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 193; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 82. 471 Zur umfassenden Darstellung aller Argumente und verfassungsrechtlicher Bedenken vgl. nur Saurer, VerwArch 97 (2006), 249, 263 ff. Zur umfassenden Darstellung der Gegenargumente zu den verfassungsrechtlichen Bedenken: Hill, NVwZ 1989, 401, 405; Leisner, JZ 2002, 219, 226 f.

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Maßstab der gerichtlichen Kontrolle seien.472 Diese Aussage macht zugleich die Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften gegenüber den Gerichten deutlich: Die Gerichte sind ausschließlich an das Gesetz, nicht aber an Verwaltungsvorschriften gebunden, Art. 20 III, Art. 97 I GG.473 Die Gerichte sind also frei in ihrer Entscheidung, die Regelungen in den Verwaltungsvorschriften zur Überprüfung von Entscheidungen der Verwaltung zu übernehmen oder diese als nicht haltbar zu verwerfen.474 bb) Unmittelbare Außenwirkung Nach anderer Ansicht können Verwaltungsvorschriften auch eine unmittelbare Außenwirkung entfalten.475 Das sei der Fall, wenn sie sich direkt an Dritte wendeten, Rechte und Pflichten begründeten und somit die gleiche Wirkung entfalteten wie förmliche Gesetze.476 Zumindest dann seien die Verwaltungsvorschriften als materieller Rechtssatz anzusehen, der eine Rechtsquelle ersetze.477 Der Bürger habe in diesem Fall aber einen Anspruch auf Einhaltung der Verwaltungsvorschrift (als Norm) und nicht nur einen Anspruch auf Nichtabweichung ohne sachlichen Grund.478 Dies sei vor allem für die gesetzesvertretenden Verwaltungsvorschriften unmittelbar einleuchtend.479 Sie füllten eine gesetzliche Lücke und seien somit sowohl für die Behörden und Gerichte als auch für den Bürger unmittelbar bindend. 472 BVerfGE 78, 214, 227. Aufgegriffen durch das BVerwG in: BVerwGE 107, 338, 340. Siehe dazu auch: Saurer, VerwArch, 97 (2006), 249, 264; Kautz, GewArch 2000, 230, 233. 473 BVerfGE 78, 214, 227; BVerwGE 107, 338, 340; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 65. 474 Vgl. BVerfGE 78, 214. Die Freiheit bezieht sich dabei sowohl auf ermessenslenkende als auch auf norminterpretierende Verwaltungsvorschriften. So verfährt das BVerwG in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG. Siehe beispielhaft nur: BVerwGE 37, 57, 59. Siehe dazu in der Literatur: Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 80 ff.; Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 581. 475 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 39; Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571 ff.; Hill, NVwZ 1989, 401, 402; Gerhardt, NJW 1989, 2233. 476 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 47; Remmert, Jura 2004, 728, 733. von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 451 betont, dass zahlreiche Verwaltungsvorschriften schon von ihrer sprachlichen Fassung her nicht auf eine bloß verwaltungsinterne Wirksamkeit zielten. 477 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 39. 478 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 41. 479 Vgl. dazu: Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 40; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 18, 48. Am Beispiel der Subventionsrichtlinien verdeutlicht dies Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 82 f.

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Die Kompetenz zum Erlass unmittelbar außenwirksamer Verwaltungsvorschriften wird dabei in der Regel aus dem Hoheitsrecht der Exekutive für ihren Funktionsbereich hergeleitet.480 Andere Ansätze bemühen die aus Art. 20 II, III GG folgende Pflicht zum Vollzug der Gesetze und der dieser innewohnenden Interpretationsbefugnis der Verwaltung.481 Grenze einer autonomen Rechtssetzungsgewalt der Verwaltung sei aber immer der Gesetzesvorbehalt, speziell in seiner Gestalt, die er durch die Wesentlichkeitstheorie erhalte.482 Wenn die Verwaltungsvorschriften eine unmittelbare Außenwirkung erlangen könnten, dann müssten sie aber auch veröffentlicht werden.483 Die Publikationspflicht folge aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) und aus der Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG).484 Eine Erfassung der Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften lasse sich jedoch nur erreichen, wenn man eine differenzierende Betrachtungsweise übe.485 Dabei sei die Bindungswirkung für die unterschiedlichen Typen der Verwaltungsvorschriften getrennt zu bewerten. Erst dann lasse sich feststellen, ob die jeweilige Verwaltungsvorschrift Rechtsnorm sei oder bloßer Rechtssatz. Nachfolgend sollen daher die unterschiedlichen Arten der Verwaltungsvorschriften auf ihre Außenwirkung untersucht werden. Bei der unmittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften ist zudem zu beachten, dass die Bindungen je nach „Adressat“ unterschiedlich ausfallen können. Es ist daher zusätzlich grundsätzlich nach der Wirkung gegenüber anderen Behörden, Gerichten und Bürgern zu unterscheiden.

480 Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 25; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 48; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 38; Remmert, Jura 2004, 728, 732; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 62; Kautz, GewArch 2000, 230, 232. 481 von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 487. In diese Richtung lässt sich auch das BVerfG in BVerfGE 78, 214, 227 f. verstehen. Es lässt aber eine unmittelbare Außenwirkung gerade nicht zu. 482 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 12, 41; Remmert, Jura 2004, 728, 732. 483 Schweda, Administrative Normsetzung, S. 291; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 342; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 69; Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kap., S. 330; von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 485. Andere Ansicht aufgrund der grundsätzlichen Konzeption der Verwaltungsvorschriften als Innenrecht: BVerwGE 104, 220, 227. 484 So jüngst auch das BVerwG. Siehe dazu: BVerwGE 122, 264, 270; Wolff/ Bachof/Stober/Kluth, § 24, Rn. 31; Schröppel/Schübel-Pfister, JuS 2006, 314, 315; von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 485. 485 Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 15; Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Kap., S. 53; Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 577.

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(1) Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Betrachtet man die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, so ist zunächst eine Bindung der Gerichte zu konstatieren.486 Diese können die getroffenen Wertungen in der Verwaltungsvorschrift zur Konkretisierung bestehender Spielräume nur beschränkt überprüfen.487 Im Regelfall werden die Wertungen daher übernommen und allenfalls auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht überprüft.488 Damit entsteht eine Reduzierung der gerichtlichen Kontrolle.489 Die Handhabung der Verwaltungsvorschriften nähert sich so derjenigen, die für Rechtsnormen gilt.490 Insgesamt ist die Bindung der Richter an die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften aber weniger strikt als die Bindung an die Gesetze.491 Dies resultiert aus dem Vorbehalt einer Abweichungsbefugnis der Gerichte bei atypischen Sachverhalten und neueren Entwicklungen (z. B. bei technischen Standards). Die grundsätzliche Bindungswirkung der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften gegenüber den Gerichten hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt.492 Auch die durch die Anerkennung der Bindung entstehende Annäherung der Verwaltungsvorschrift an abstrakt-generelle Normen ist aus der Rechtspre486 BVerwGE 72, 300, 320; Gusy, DVBl. 1987, 497; Gerhardt, NJW 1989, 233, 2234; Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 44. 487 BVerwGE 107, 338, 341. 488 BVerwGE 72, 300, 320; Remmert, Jura 2004, 728, 733 f.; Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 578; Kautz, GewArch 2000, 230, 237; Uerpmann, BayVBl. 2000, 705, 706. 489 Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 6. Kap., S. 330; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 86; Kautz, GewArch 2000, 230, 237. 490 Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 85 f. spricht sich für eine Verbindlichkeit entsprechend der Gesetzesbindung aus. Soweit sich die Verwaltungsvorschriften nicht auf den Innenbereich beschränkten, sondern dem einzelnen unmittelbar betreffen und für ihn Rechte und Pflichten begründeten, seien sie für die Gerichte anzuwendendes und nachzuprüfendes Recht. Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 51 geht noch weiter. Er verlangt eine Anerkennung der Verwaltungsvorschriften als administrative Norm, denn nur dann kann das Gericht Verwaltungsvorschriften überhaupt interpretieren, wenn sie Unklarheiten aufweisen. 491 Gusy, DVBl. 1987, 497, 500 f.; Jarass, NJW 1987, 1225, 1230. 492 BVerwGE 107, 338, 341 weist ausdrücklich auf den Ausnahmecharakter der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften hinsichtlich ihrer Bindungswirkung gegenüber den Gerichten hin. Siehe weiterhin zur Bindungswirkung: BVerwGE 110, 216, 218 f. (TA-Luft); BVerwGE 114, 342, 344 ff.; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 60; Schweda, Administrative Normsetzung, S. 291. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 34, betont, dass nur die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften überhaupt eine Bindungswirkung für die Gerichte entstehen lassen. Anderer Ansicht ist Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 66. Sie geht von einer unmittelbaren Außenwirkung aus, die eine Bindung für den Bürger und die Gerichte mit sich bringen soll.

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chung ablesbar. So hat das Bundesverwaltungsgericht formuliert, dass mit den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften die Ausübung des Beurteilungsspielraums von der Einzelentscheidung im jeweiligen Verwaltungsakt in eine abstrakt generalisierende Regelung vorverlagert werde, um so die Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns sicherzustellen.493 Auch haben die Gerichte die Verwaltungsvorschriften stets ausgelegt und damit wie Rechtsnormen behandelt. Die Außenwirkung der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften gegenüber dem Bürger ist nicht eindeutig zu beantworten. Während einige Autoren eine unmittelbare Außenwirkung ablehnen,494 befürworten sie andere unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG.495 Da es bei den Entscheidungen des BVerwG zu den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften aber genau genommen nur um die Bindung der Gerichte ging,496 lässt sich eine unmittelbare Außenwirkung für den Bürger aus der Rechtsprechung nicht herleiten. Eine unmittelbare Außenwirkung wäre nur bei der Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen durch die Verwaltungsvorschrift annehmbar. Denn dann würde die Verwaltung die Ausgestaltung des Spielraums für den jeweiligen Amtswalter so vorprägen, dass dies einer normativen Wirkung gleichkäme.497 Die Antwort auf die Frage der unmittelbaren Bindungswirkung gegenüber dem Bürger ist damit differenzierend zu geben. Im Allgemeinen tritt durch die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften keine Bindung ein. Anders ist es nur, wenn sich diese Konkretisierung unmittelbar auf die Anspruchsberechtigung des Bürgers bezieht. (2) Norminterpretierende oder gesetzesauslegende Verwaltungsvorschriften Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, die nicht der Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen dienen, entfalten keine unmittelbare Außenwirkung.498 Für die Gerichte entsteht keine Bindung, da die Norminterpretation kein eigenfunktioneller Bereich der Verwaltung ist, sondern die letztverbindliche Entschei493

BVerwGE 107, 338, 341. Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 25a; Stelkens/Bonk/Sachs – Sachs, § 40 VwVfG, Rn. 215 f. 495 Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 66; Leisner, JZ 2002, 219, 225 mit Verweis auf BVerwGE 72, 300, 320; BVerwG 110, 216, 218 f. 496 So explizit BVerwGE 72, 300, 320. Vgl. auch Maurer, JZ 2005, 895. 497 Siehe zur parallelen Argumentation bei den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften sogleich. 498 Battis/Ingold, DVBl. 2006, 735, 739; Leisner, JZ 2002, 219, 228; Uerpmann, BayVBl. 2000, 705; Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 41. Auch einer mittelbaren Außenwirkung seien sie nicht zugänglich, wenn sie nicht zur Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums dienten, da der Tatbestand einer Norm nur in einer Weise richtig ausgelegt werden könne. Vgl. dazu: Remmert, Jura 2004, 728, 730 f. Das BVerwGE 34, 278, 281 ff. formuliert ganz ähnlich, stellt aber im Ausgangspunkt auf die Natur der norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften ab. 494

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dung über die Auslegung des Gesetzes beim Richter liegt.499 Auch wenn das Gericht die in der Verwaltungsvorschrift vorgefundene Interpretation im Grundsatz übernehmen will, unterliegt die Frage, ob die Verwaltungsvorschrift den gesetzlich gezogenen Rahmen einhält, im vollen Umfange der gerichtlichen Überprüfung.500 Um eine unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfalten zu können, müssen die norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften einen Regelungsgehalt aufweisen, der über den hinausgeht, den das zugrunde liegende Gesetz hat. Dient die Verwaltungsvorschrift nur der Normeninterpretation, dann leitet sich ein eventueller Anspruch des Bürgers direkt aus dem Gesetz her und nicht aus der Verwaltungsvorschrift. Diese kann nur bestimmen, was gesetzlich bereits festgelegt ist.501 Nähme man stets eine Außenwirkung an, dann verschwämme die Grenze zwischen Normsetzung und Norminterpretation.502 Anders fällt die Bewertung nur dann aus, wenn der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum zusteht. Sie hätte dann im Rahmen dieses Beurteilungsspielraums das Recht zur eigenverantwortlichen und letztverbindlichen Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs.503 (3) Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften Die unmittelbare Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften gegenüber dem Bürger wird überwiegend bei den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften thematisiert. Dabei soll sich die unmittelbare Außenwirkung direkt aus der Ermessensbetätigung beim Richtlinienerlass ergeben.504 Mit der Heranziehung von Ermessensrichtlinien gehe eine Verengung des Ermessensspielraums einher, was auf den Bürger normativ wirke.505 Die Verwaltung ist in ihrer Normierung jedoch nicht frei. Wegen Art. 20 III GG bleibt sie auch in diesem Bereich an das höherrangige Recht gebunden. Zusätzlich gelten die Grundsätze zur Ermes-

499 BVerwGE 34, 278, 281 f.; BVerwGE 72, 300, 320; Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 56; Remmert, Jura 2004, 728, 731; Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 578; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 79; Kautz, GewArch 2000, 230, 234; Leisner, JZ 2002, 219, 228. 500 Gusy, DVBl. 1987, 497, 500. 501 Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 29. 502 Leisner, JZ 2002, 219, 228. 503 Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 29; Guckelberger, Die Verwaltung 35 (2002), 61, 80. Zur aktuellen Rechtsprechung des BVerwG zu den Beurteilungsspielräumen: BVerwGE 129, 27. 504 Saurer, VerwArch 97 (2006), 249, 258. 505 Leisner, JZ 2002, 219, 227; Saurer, VerwArch 97 (2006), 249, 258. In diese Richtung auch das BVerwG in BVerwGE 37, 57, 59.

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sensausübung.506 Das bedeutet vor allem eine Ausrichtung der Verwaltungsvorschriften am Zweck der gesetzlichen Grundlage.507 Hinsichtlich der Verwaltungsgerichte entsteht durchaus eine Bindung. Diese unterscheidet sich aber in keiner Weise von der Bindung, die allgemein Einzelentscheidungen der Verwaltung bei der Eröffnung von Ermessen erzeugen. Die aus § 114 VwGO herzuleitende Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle für die Ermessensentscheidung im Einzelfall ist auf die ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften zu übertragen.508 Diese prägen die Entscheidung des Amtsträgers vor und haben sich an den gleichen Grundsätzen zu orientieren, wie die Einzelentscheidung selbst. (4) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass nur bestimmte Arten von Verwaltungsvorschriften eine unmittelbare Außenwirkung entfalten. Dabei ist stets zwischen der Wirkung gegenüber dem Bürger und den Gerichten zu unterscheiden. Wahl hat zur Verallgemeinerung den folgenden, sehr treffenden Satz formuliert: „Verwaltungsvorschriften, die den materiellen Gehalt der Gesetze weiterentwickeln, vervollständigen, verfeinern und ergänzen, sind wie die Gesetze auch auf die Einzelnen bezogen.“509 Auffällig ist, dass die Verwaltungsvorschriften, denen Außenwirkung zugemessen wird, eine Entsprechung im Bereich der Befugnisse der Verwaltung bei der Einzelfallentscheidung haben.510 In Bezug auf die Bindung der Gerichte kann dabei Folgendes festgestellt werden: Dort, wo auch bei der Einzelfallentscheidung kontrollfreie Entscheidungsspielräume existieren, finden sich auch welche bei den ermessenslenkenden und den normkonkretisierenden Verwal-

506

BVerwGE 100, 335, 343; Leisner, JZ 2002, 219, 227. Stelkens/Bonk/Sachs – Stelkens/Stelkens, 6. Aufl., § 40 VwVfG, Rn. 108; Maurer, Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 31. 508 Remmert, Jura 2004, 728, 731, 733; Leisner, JZ 2002, 219, 227. Zur Bindung der Gerichte an ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften vgl. auch Kautz, GewArch 2000, 230, 233. 509 Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 578 f. 510 So schon für die ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften: BVerwGE 34, 278, 280. Diese Parallelität lässt sich auch aus dem Wyhl-Urteil des BVerwG (BVerwGE 72, 300, 316 ff.) ablesen, das auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Verringerung der Kontrolldichte der Gerichte bei Beurteilungsspielräumen der Exekutive verweist. Vgl. in der Literatur: Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie der Rechtsetzung, S. 571, 578. In diese Richtung auch Kautz, GewArch 2000, 230, 239. 507

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tungsvorschriften.511 Entscheidend für das Bestehen einer Außenwirkung ist damit letztlich die Frage, wem die Letztentscheidungskompetenz zukommt.512 Diese differenzierte Betrachtung ist im Ergebnis durch die Rechtsprechung bestätigt worden.513 Es ist damit nur konsequent, die bisher überwiegende Auffassung zur mittelbaren Außenwirkung lediglich als Grundregel aufzufassen. Damit kann der Bedeutung der unmittelbaren Außenwirkung, die speziell in einigen Rechtsgebieten zur Regel geworden ist,514 hinreichend Rechnung getragen werden. Einer umfassenden unmittelbaren Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften bedarf es hingegen nicht.515 Der Vorteil dieser Ansicht liegt darin, dass Behelfskonstruktionen, wie die antizipierte Verwaltungspraxis und Umschaltnormen wie Art. 3 I GG nicht erforderlich sind, um eine Bindungswirkung zu erklären.516 cc) Aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts In der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zeichnet sich eine weitergehende Öffnung ab. Verwaltungsvorschriften wurde zum einen im Sozialhilfebereich eine unmittelbare Außenwirkung gegenüber Bürgern zuerkannt.517 Zum anderen hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass auch andere als die nachgeordneten Behörden an bestimmte Verwaltungsvorschriften gebunden sein können.518 Inwieweit diese Entscheidungen Neuerungen in die Dogmatik der Verwaltungsvorschriften bringen werden, ist abzuwarten. An dieser Stelle sollen einige markante Punkte der Entscheidungen herausgestellt und bewertet werden. 511 Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 579; Leisner, JZ 2002, 219, 229. Speziell zu den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften: Gerhardt, NJW 1989, 2233, 2234 ff.; Uerpmann, BayVBl. 2000, 705, 706 ff. 512 Kautz, GewArch 2000, 230, 233; Remmert, Jura 2004, 728, 733. 513 Das BVerwG geht von der grundsätzlich nur mittelbaren Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften aus und akzeptiert Ausnahmen lediglich für die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften. Vgl. dazu Maurer, JZ 2005, 895. 514 Genannt seien hier das Immissionsrecht, das Steuer- und Sozialrecht und das Beihilfenrecht. Siehe dazu auch Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 577. 515 So in Konsequenz aber Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 591. Siehe dazu auch: Leisner, JZ 2002, 219, 230; Saurer, VerwArch 97 (2006), 249, 260 f. So auch von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 456, der die unmittelbare Wirkung aus der Geltung der Grundrechte und der Abkehr vom klassischen Eingriffsbegriffs und der damit verbundenen tatsächlichen Betrachtung der Schutzbereichsbetroffenheit ableitet. 516 Schweda, Administrative Normsetzung, S. 294. 517 BVerwGE 122, 264 = NVwZ 2005, 602. 518 BVerwGE 129, 209 = DVBl. 2007, 1564.

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(1) Verwaltungsvorschriften im Sozialhilfebereich Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Pauschalierung von Sozialleisten nicht nur die Möglichkeit der unmittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften bestätigt, sondern in Konsequenz dazu die Überprüfung der Gültigkeit der betroffenen Verwaltungsvorschrift dem Normenkontrollantrag nach § 47 I Nr. 2 VwGO unterworfen. Nach der Zweckrichtung der Normenkontrolle sei der Begriff der Rechtsvorschrift in § 47 I Nr. 2 VwGO so zu verstehen, dass auch solche abstrakt-generellen Regelungen der Exekutive erfasst würden, die die subjektiv-öffentlichen Rechte der Bürger unmittelbar berührten und gestalteten.519 Logisch stringent fordert das Bundesverwaltungsgericht schließlich die Publikation der Verwaltungsvorschrift, um rechtsstaatlichen Pflichten zu genügen.520 Damit rückt das Gericht die Verwaltungsvorschrift dichter an die Rechtsverordnung und die Satzung als allgemein anerkannte Fälle der exekutiven Normsetzung.521 Die Bezeichnung der Verwaltungsvorschrift als anspruchskonkretisierend ist im Bereich des Sozialhilferechts nicht neu.522 Ob dies eine neue Kategorie der Verwaltungsvorschriften darstellt oder ob eine Subsumtion unter die bekannten Arten möglich ist, ist in der Sache irrelevant.523 (2) Überbehördliche Bindungswirkung Einen neuen Weg bezüglich der Wirkungen der Verwaltungsvorschriften beschreitet das Bundesverwaltungsgericht bei seiner jüngsten Entscheidung zur

519 BVerwGE 122, 264, 266; Schröppel/Schübel-Pfister, JuS 2006, 314, 315. Siehe zur Parallelproblematik der analogen Anwendung von § 47 I Nr. 1 VwGO auf Flächennutzungspläne, die ebenfalls als Innenrecht der Verwaltung konzipiert sind: BVerwGE 128, 382, 384 f. 520 BVerwGE 122, 264, 269 f. 521 So auch der Befund von Maurer in: JZ 2005, 895, 896, der allerdings für die Einhaltung einer strikten Trennung votiert und die Ausführungsvorschriften nicht als Verwaltungsvorschriften begreift. Es mache wenig Sinn, eine Gruppe von Verwaltungsvorschriften formell und materiell so zu behandeln wie eine Rechtsverordnung, aber gleichwohl als Verwaltungsvorschrift zu bezeichnen und rechtsdogmatisch den Verwaltungsvorschriften zuzuordnen. Der Unterschied zwischen den einzelnen Handlungsformen würde zu sehr verschwimmen und sich letztlich auf die Ermächtigungsgrundlage und den Ausnahmevorbehalt beschränken. Die Verwaltungsvorschrift mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen sei daher ein Widerspruch in sich. 522 So bereits BVerwGE 94, 335, 340. 523 Für eine Subsumtion unter die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften mit Verweis auf die Parallele in der Begriffswahl: Lange, BayVBl. 2006, 413, 414. Für eine Subsumtion unter die gesetzesvertretenden Verwaltungsvorschriften mit Verweis auf die Entscheidung BVerwGE 94, 335, 340: Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 43.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

TA-Lärm.524 Die Bindungswirkung der TA-Lärm als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift erfasse nicht nur die Gerichte im oben beschriebenen Umfang,525 sondern auch nicht nachgeordnete, also im Prinzip fachfremde Behörden. Damit entsteht eine überbehördliche Bindungswirkung, die der eines Gesetzes oder einer Verordnung faktisch in nichts nachsteht. Allerdings ist diese Entscheidung einer Pauschalierung nicht zugänglich. Die Bindungswirkung der TA-Lärm ergebe sich vorliegend aus dem Baurecht – hier § 35 III 1 Nr. 3 BauGB –, das mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen auf das Immissionsschutzrecht verweise.526 Dennoch lässt sich fragen, warum die Baugenehmigungsbehörde dann nicht zu einer eigenständigen Auslegung des Begriffes „schädliche Umwelteinwirkungen“ befugt ist. Die Verwaltungsvorschriften werden in diesem Zusammenhang faktisch als Bestandteil der Rechtsordnung verstanden, an die jede Behörde über Art. 20 III GG gebunden ist. Die vom Gericht gewählte Konstruktion weist Parallelen zu der Möglichkeit der Adressierung eines VAs an einen anderen Hoheitsträger auf.527 Als Begründung für die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens wurde die höhere Sach- und Fachkompetenz der anordnenden Behörde ebenso angeführt wie Aspekte der Effektivität des Gesetzesvollzuges.528 Diese praktischen Erwägungen lassen sich als Begründungsansatz auch auf den vorliegenden Fall übertragen. Eine überbehördliche Bindungswirkung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften ist bei engen verzahnten Fachbereichen daher zu begrüßen. d) Abschließende Bewertung Den Verwaltungsvorschriften kommt in der Anwendung des Verwaltungsrechts eine große Bedeutung zu. Die vorgenommene Kategorisierung der Verwaltungsvorschriften nach ihren Funktionen sollte sich auch bei der Bewertung ihrer Bindungswirkung widerspiegeln. Die Lehre von der nur mittelbaren Außenwirkung muss sich Unentschlossenheit vorwerfen lassen. Die Verwaltungsvorschriften werden behandelt, als ob sie unmittelbare Außenwirkung hätten, indem Umschaltnormen eingeführt werden. Die (faktisch) vorhandene unmittelbare Außenwirkung wird in der Theorie aber 524

BVerwGE 129, 209 = DVBl. 2007, 1564. Die Werte der TA Lärm hatte das BVerwG bisher nur als Anhaltspunkte für die stets gebotene Einzelfallbeurteilung angesehen und ihnen keinen bindenden Charakter beigemessen. Vgl. dazu: BVerwGE 88, 210, 217; Gatz, jurisParxisReport-BVerwG 25/ 2007 Anm. 3. 526 BVerwGE 129, 209, 212. 527 Vgl. zu dieser Problematik die Entscheidungen: BVerwGE 117, 1; OVG Lüneburg, NdsVBl. 2004, 305. 528 BVerwGE 117, 1, 5; Birtz, DÖV 2002, 891, 895. Kritisch: Glöckner, NVwZ 2003, 1207 ff. 525

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ausdrücklich abgelehnt. Vorzugswürdiger erscheint es deshalb in bestimmten Bereichen eine unmittelbare Außenwirkung zuzulassen. Wenn die Verwaltung durch ihre Praxis die unerlässliche Gleichförmigkeit, Bestimmtheit und Verlässlichkeit ihres Handelns erzeugen darf, warum soll sie dies nicht auch in Form von offen zugestandener Rechtsetzung tun dürfen, solange der Gesetzesvorbehalt dadurch nicht verletzt wird?529 Ein Eingriff in die Zuständigkeiten des parlamentarischen Gesetzgebers kann dann gerade nicht stattfinden.530 Das Bedürfnis nach der Einführung einer generellen unmittelbaren Außenwirkung ist hingegen nicht gegeben. Eine undifferenziert angenommene unmittelbare Außenwirkung ist mit den bestehenden Kategorien legislativer Gesetzgebung auch nicht zu vereinbaren. Daher muss es bei dem Grundsatz einer nur mittelbaren Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften verbleiben. Dieser Ansatz entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, die die unterschiedliche Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften immer wieder bestätigt hat, zuletzt in den oben dargestellten Urteilen. Dass sich die Rechtsprechung nicht explizit gegen die Lehre von der uneingeschränkt mittelbaren Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften stellt und ihre differenzierende Betrachtung begründet, ist unproblematisch. Denn nach dem Verständnis der Rechtsprechung besteht bei der Anwendung der Verwaltungsvorschriften grundsätzlich eine freie Entscheidungslage der Gerichte, so dass diese nicht gezwungen sind, ihr Vorgehen zu erklären.531 Im Ergebnis akzeptieren die Gerichte vertretbare Verwaltungsvorschriften und die in ihnen festgelegten Interpretationen und verwerfen unvertretbare.532 3. Die Verwaltungsvorschriften im Europarecht Die Verwaltungsvorschriften des Europarechts sind als dritte Kategorie der unbenannten Handlungsformen im Rahmen des Art. 249 EG anerkannt. Ihre rechtliche Ausgestaltung ist aber bisher wenig untersucht worden, so dass eine umfassende Beschreibung der Arten und der Wirkung der Verwaltungsvorschriften fehlt. Anhaltspunkte für eine Konturierung der zu untersuchenden Handlungsform können sich dabei zunächst aus dem EG-Vertrag [a)], dem Verfassungsentwurf und dem Vertrag von Lissabon ergeben [b)]. Weitere Aspekte zur Ermittlung der Struktur- und Wirkungsmerkmale der Verwaltungsvorschrif529 Wahl, S. 571, 587. 530 Wahl, S. 571, 587. 531 Wahl, S. 571, 581. 532 Wahl, S. 571, 582.

Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts,

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ten des Europarechts lassen sich aus einer vergleichenden Betrachtung der Rechts- und Verwaltungssysteme im europäischen Ausland gewinnen [c)]. Über die gemeinsamen Verwaltungstraditionen der Mitgliedstaaten kann auf eine Grundkonzeption geschlossen werden, die dann für die Konturierung der Handlungsform nach dem EG-Vertrag nutzbar gemacht werden kann.533 a) Rechtslage nach dem EG-Vertrag Der EG-Vertrag kennt die Verwaltungsvorschriften nicht als benannte Handlungsform der Organe der Gemeinschaften. Allerdings werden im EG-Vertrag die mitgliedstaatlichen Verwaltungsvorschriften vor allem in den Art. 94 ff. EG genannt. Dass die Verwaltungsvorschriften nicht als eigenständiges Handlungsinstrument der EG-Organe benannt sind, wundert insofern nicht, als dass das Gemeinschaftsrecht grundsätzlich dem Vollzug durch die Mitgliedstaaten überstellt ist. Es ist also Aufgabe der Mitgliedstaaten, gegebenenfalls zusätzlich notwendige Vorschriften zu erlassen, um einen geordneten Vollzug des Gemeinschaftsrechts in ihrem Staatsgebiet zu gewährleisten. Durch die grundsätzliche Überstellung des Vollzuges des Gemeinschaftsrechts in die mitgliedstaatliche Verantwortung weist das EG-Recht eine dem deutschen Recht vergleichbare Ausgestaltung des Verwaltungsvollzuges auf. In beiden Rechtsordnungen ist der dezentrale Verwaltungsvollzug die Regel, während der zentrale Vollzug die Ausnahme bildet.534 Der Grundsatz des dezentralen Verwaltungsvollzuges kann aus dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 EG hergeleitet werden.535 Durch den Vertrag von Lissabon ist dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis in Art. 291 AEUV ausdrücklich festgeschrieben worden.536 Betrachtet man die Verwaltungsvorschriften als Instrument der Vollzugssteuerung, dann können sie aufgrund der arbeitsteiligen Wahrnehmung der Vollzugskompetenz in zwei unterschiedlichen Situationen auftreten:537 Erstens können Verwaltungsvorschriften der EG-Organe, vor allem aber der Kommission als 533 Siehe beispielhaft etwa Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 135, der die wesentlichen Charakteristika der Verwaltungsvorschriften nach dem deutschen Recht überträgt. 534 Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 133; von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 316; von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 16; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht, S. 28. 535 Sydow, Die Verwaltung 34 (2001), 517, 533; von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 308; Pache, VVDStLR 66 (2007), 106, 118 f. In Zusammenschau mit anderen Prinzipien: Mager, Europäische Verwaltung, S. 383; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht, S. 28. Andere Ansicht: Möllers, EuR 2002, 483, 501; Möllers, Tertiäre exekutive Rechtsetzung, S. 307. Das Subsidiaritätsprinzip sei vollzugsblind. 536 von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 316 f.; Schwarze, Formen, Standards und Zukunftsperspektiven, S. 15 f. Siehe zur Parallelvorschrift im Verfassungsentwurf: Callies/Ruffert – Ruffert, Verfassung der EU, Art. I-37 VVE, Rn. 2, 7. 537 So auch von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 246.

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primärem Exekutivorgan der EG,538 beim gemeinschaftsrechtlichen, also zentralen Vollzug innerhalb der vorhanden Behördenstrukturen ergehen. Sie werden dann entsprechend der deutschen Konzeption der Verwaltungsvorschriften von der vorgesetzten Behörde an die nachgeordneten Behörden erlassen. Zweitens können Verwaltungsvorschriften bei der Überstellung des Verwaltungsvollzuges an die Mitgliedstaaten im Verhältnis der EG-Organe zu den mitgliedstaatlichen Behörden ergehen. In dieser Konstellation werden die Mitgliedstaaten als funktionaler Teil der Gemeinschaftsverwaltung angesprochen.539 Die Zulässigkeit des Erlasses von Verwaltungsvorschriften gegenüber den Mitgliedstaaten ist problematisch, da hier kein grundsätzliches Über-Unterordnungsverhältnis oder eine behördliche Hierarchie zwischen den Mitgliedstaaten und der EG-Organe besteht.540 Daher ist für die Beurteilung der Zulässigkeit des Erlasses von Verwaltungsvorschriften vor allem durch die Kommission nach der Art des Verwaltungsvollzuges zu unterscheiden. aa) Gemeinschaftsrechtlicher Vollzug Der unmittelbare gemeinschaftsrechtliche Vollzug des Primärrechts (Eigenverwaltungsrecht der EG) ist nicht die Regel- sondern die Ausnahmesituation. Wird eine Materie von den Gemeinschaftsorganen unmittelbar selbst vollzogen, muss es für das jeweils zuständige Gemeinschaftsorgan grundsätzlich möglich sein, Verwaltungsvorschriften zu erlassen.541 Bedenken hinsichtlich der Regelungskompetenzen entstehen hier nicht. Diese ergeben sich vielmehr aus der Sachnorm des EG-Vertrages selbst. Die Befugnis zur Regelung des eigenen Vollzugs folgt aus der Organisationshoheit und der Leitungsbefugnis der handelnden EG-Organe.542 Insofern unterscheidet sich die Rechtslage in der Gemeinschaft nicht von der in den Mitgliedstaaten beim Gesetzesvollzug. Eine der wenigen Materien, die dem direkten Vollzug unterliegen, ist das Beihilfenrecht.543 Das Beihilfenrecht weist aber insofern eine Besonderheit im 538 von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 317; Sydow, Verwaltungskooperation, S. 61; Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 7. Kap., S. 379; Möllers, EuR 2002, 483, 485; Erichsen/Ehlers – Ehlers, § 4, Rn. 34; Edwards/Spence – Docksey/Williams, European Commission, S. 117. 539 Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 77; Sydow, Die Verwaltung 34 (2001), 517, 518; Sydow, Verwaltungskooperation in der EU, S. 70; Möllers, EuR 2002, 483, 500; Möllers, Tertiäre exekutive Rechtsetzung, S. 305; Hegels, EGEigenverwaltungsrecht, S. 32. 540 Sydow, Die Verwaltung 34 (2001), 517, 525; Groß, DÖV 2004, 20, 24; Mager, Europäische Verwaltung, S. 372; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht, S. 32. 541 Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 135; Groß, DÖV 2004, 20, 23. 542 Groß, DÖV 2004, 20, 23. Zur Beschränkung des Regelungsumfanges im Beihilfenrecht siehe bereits oben: 2. Kap. B.I.3. 543 Pache, VVDStRL 66 (2007), 106, 119; Streinz, EUV/EGV – Koenig/Kühling, Art. 88 EG, Rn. 1; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 13, Rn. 10.

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Vollzug auf, als dass die Entscheidungen der Kommission an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, diese die Kommissionsentscheidungen aber nach ihrem nationalen Recht umsetzen müssen. Der Vollzug ist daher zweistufig ausgestaltet.544 Vor allem im Bereich des Beihilfenrechts hat die Kommission eine Praxis umfänglicher administrativer Rechtsetzung entwickelt.545 Zur Gewährleistung eines einheitlichen Vollzuges hat sie nicht nur Gemeinschaftsrahmen für unterschiedliche Industrie- und Lebensbereiche erlassen, sondern auch zahllose Mitteilungen, Bekanntmachungen, Leitlinien und Kodizes. Die Handlungsform der Verwaltungsvorschrift kann daher als klassisches Element der Steuerung des gemeinschaftsrechtlichen Vollzuges des Beihilfenrechts verstanden werden. bb) Mitgliedstaatlicher Vollzug Ist der Vollzug des Gemeinschaftsrechts Aufgabe der Mitgliedstaaten, kann die Frage aufgeworfen werden, ob die Organe der Gemeinschaft zusätzlich zu den zu vollziehenden Rechtsnormen Verwaltungsvorschriften erlassen dürfen. Die Antwort ist aus dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und dem darauf aufbauenden Grundsatz der Verwaltungsautonomie der Mitgliedstaaten beim Gemeinschaftsvollzug herzuleiten.546 Zu bedenken sind bei der Lösung dieses Problems auch die Spannungen, die durch das Bedürfnis der Einheitlichkeit der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts entstehen. Ob eine entsprechende Gemeinschaftskompetenz besteht, wird in der Literatur zumeist unter dem Aspekt der Existenz eines Weisungsrechts der Gemeinschaft gegenüber den Organen der nationalen Verwaltung thematisiert.547 Das Weisungsrecht wird dabei teilweise aus Art. 211 EG hergeleitet, der der Kommission nicht nur die Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung des Vertrages überträgt (Art. 211 UA 1 EG), sondern ihr auch die Befugnis einräumt, die vom Rat übertragenen Rechte auszuüben (Art. 211 UA 4 EG).548 Die Kompetenz der Kommission aus Art. 211 UA 4 EG betrifft die Ausübung von Ratsbefugnissen

544

von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 332. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 367. Groß, DÖV 2004, 20, 21, weist darauf hin, dass es nicht nur im Beihilfenrecht, sondern generell eine Fülle exekutiver Rechtsakte gebe. 546 Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 6; Groß, DÖV 2004, 20, 23; Schwarze, Formen, Standards und Zukunftsperspektiven, S. 15. Allgemein zur Verwaltungsautonomie der Mitgliedstaaten: Klösters, Kompetenzen der EG-Kommission, S. 12 ff. 547 Klösters, Kompetenzen der EG-Kommission, S. 27; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 107. Siehe dazu ausführlich: Rengeling, EuR 1974, 216, 231 ff. 548 Groß, DÖV 2004, 20, 23; Mager, Europäische Verwaltung, S. 380. Dagegen: Sydow, Die Verwaltung 34 (2001), 517, 524 f.; Möllers, EuR 2002, 483, 507. Offengelassen: Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 77. 545

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als eigene Angelegenheit.549 Damit ist die Konkretisierung politischer Entscheidungen gemeint, die in ihrer Erscheinung primär der Befugnis zum Erlass von Rechtsverordnungen nach entsprechender Delegation nach dem Vorbild des Art. 80 GG gleicht.550 Zu Recht ist in der Literatur aber darauf hingewiesen worden, dass eine Konkretisierung politischer Entscheidungen auch im Wege des Erlasses von Verwaltungsvorschriften erreicht werden kann.551 Eine entsprechende Befugnis zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften findet sich in der deutschen Rechtsordnung für die Bund-Länder-Beziehung in Art. 84 II, Art. 85 II GG. Die Intersubjektivität der Verwaltungsvorschriften ist in diesem Verhältnis durch die föderale Struktur vorgegeben,552 die in ähnlicher Weise auf europäischer Ebene zu finden ist.553 Die Mitgliedstaaten sind zwar nicht organisatorisch, wohl aber funktional Teil der Gemeinschaftsverwaltung. Damit kann auch der Erlass von Verwaltungsvorschriften unter den Begriff der Durchführung subsumiert werden. Für eine entsprechende Befugnis zum Weisungserlass lässt sich aus der Parallelität der Ausgestaltung der Rechtssysteme hinsichtlich der Vollzugskompetenzen ein Hinweis darauf ableiten, dass es auch auf EG-Ebene ein Bedürfnis nach einem steuernden Eingreifen durch Verwaltungsvorschriften gibt.554 Weiterhin ist anzuführen, dass der Erlass von Verwaltungsvorschriften gegenüber einem Vorgehen der Gemeinschaft im Wege einer repressiven Aufsicht unter Einschaltung der europäischen Gerichte effektiver ist, um die Gleichmäßigkeit des Vollzuges zu sichern.555 Die Notwendigkeit einer „präventiven Steuerung“ lässt sich dabei mit den enger und vielfältiger werdenden Kooperationen zwischen den Mitgliedstaaten untereinander und zwischen den Mitgliedstaaten und der EG begründen. Eine gezielte und vorausblickende Beeinflussung des Verwaltungshandelns ließe sich zum einen durch eine koordinierende Abstimmung oder zum anderen durch eine einseitige Steuerung durch die Kommission errei-

549 Streinz EUV/EGV – Kugelmann, Art. 211 EG, Rn. 43; Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 211 EG, Rn. 15. 550 Riedel, EuR 2006, 512, 513, 518. 551 Möllers, EuR 2002, 483, 508 f.; Mager, Europäische Verwaltung, S. 380. 552 Groß, DÖV 2004, 20. 553 Ausführlich: Möllers, EuR 2002, 483, 503 ff.; Möllers, Tertiäre exekutive Rechtsetzung, S. 294. 554 Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 133; Hill, Grundlagen Verwaltungsrecht, Band II, § 34, Rn. 77. Auf die harmonisierende Wirkung von Verwaltungsvorschriften weist auch Rengeling, EuR 1974, 216, 231, hin. 555 Ausführlich zu den Nachteilen eines repressiven Vorgehens: Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 9 f. Die Notwendigkeit anderweitiger Kontrollinstrumentarien neben der Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens betont auch Klösters, Kompetenzen der EG-Kommission, S. 39. Siehe zum Konfliktbewältigungspotenzial von Veröffentlichungen der Kommission zur Beihilfenkontrolle: Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 92.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

chen, die hierarchisierende Elemente in das Verhältnis von Kommission und mitgliedstaatlicher Verwaltung einfügt.556 Allerdings verbleiben rechtliche Bedenken gegenüber einer allgemeinen Kompetenz der Kommission zum Erlass von Verwaltungsvorschriften im Bereich des mitgliedstaatlichen Vollzuges, da vor allem in den Art. 94 ff. EG der Erlass von Verwaltungsvorschriften in die Kompetenz der Mitgliedstaaten überstellt wird.557 Im Gegensatz zur nationalen Verwaltung sieht sich die Kommission beim Erlass von Verwaltungsvorschriften der vertraglich gesicherten Souveränität und den damit verbundenen Rechte der Mitgliedstaaten – wie z. B. deren Verwaltungsautonomie – gegenüber.558 Weiterhin ist zu bedenken, dass bei einer Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften der Kommission für den mitgliedstaatlichen Vollzug die Kompetenzen des Rates als primäres Rechtssetzungsorgan der EG berührt sein könnten. Außerdem bedarf jeder bindende Akt der EG-Organe einer Ermächtigungsgrundlage im EG-Vertrag. Daher wird überwiegend die Weisungsbefugnis der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten und damit die Möglichkeit zum Erlass von Verwaltungsvorschriften für Materien, die dem mitgliedstaatlichen Vollzug überstellt sind, verneint.559 Gegen eine Herleitung des Weisungsrechts der Kommission aus Art. 211 EG wird dessen systematische Stellung angeführt. Art. 211 EG ist in den Fünften Teil des EG-Vertrages eingeordnet, der die Innerorganbeziehungen der Gemeinschaft regelt. Die Beziehungen zu den Mitgliedstaaten seien daher von der Regelungsaussage nicht erfasst.560 Der letzten Auffassung ist für den Fall der Einzelweisung zuzustimmen. Diese imperative Anweisung ohne Handlungsspielraum für die Mitgliedstaaten kollidiert mit deren Souveränität. Demgegenüber ist die Zulassung allgemeiner Verwaltungsvorschriften, vor allem bei Aufnahme kooperativer Elemente in den Erlassprozess, weniger problematisch. Notwendig bleibt aber eine Grundlage im EG-Vertrag. Der EG-Vertrag lässt daher unter Einschränkungen auch im Bereich des mitgliedstaatlichen Vollzuges den Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften zu. Die Durchführungsbefugnisse der Kommission im Rahmen des Art. 211 EG sind zwar weit auszulegen, die Norm kann aber nicht als pauschale Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden.561 556

Sydow, Verwaltungskooperation in der EU, S. 74. Ebenso: Rengeling, EuR 1974, 216, 233. 558 Siehe dazu: Klösters, Kompetenzen der EG-Kommission, S. 118. 559 Klösters, Kompetenzen der EG-Kommission, S. 27 ff.; Rengeling, EuR 1974, 216, 231 ff.; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 107; Sydow, Die Verwaltung 34 (2001), 517, 524 f. Erichsen/Ehlers – Ehlers, § 4, Rn. 56. Möllers, EuR 2002, 483, 507 f. lehnt das Weisungsrecht ab, befürwortet aber die Befugnis zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften. 560 Möllers, EuR 2002, 483, 498. 561 Groß, DÖV 2004, 20, 24. 557

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b) Rechtslage nach dem Verfassungsvertrag und dem Vertrag von Lissabon Aus dem gescheiterten Verfassungsvertrag und aus dem Vertrag von Lissabon können unter Umständen weitere Erkenntnisse zum Umgang mit den Verwaltungsvorschriften im Europarecht gewonnen werden.562 Obwohl im Rahmen des Verfassungsvertrages eine umfangreiche Überarbeitung der Rechtsetzung in der EG und damit auch eine Anpassung der Handlungsformen angedacht war,563 so sollte auch dort nicht die Einführung der Handlungsform der Verwaltungsvorschrift erfolgen. Die Verwaltungsvorschrift wäre also auch bei Ratifizierung des Verfassungsvertrages eine unbenannte Handlungsform geblieben.564 Im Vertrag von Lissabon ist eine umfassende Überarbeitung der Rechtsetzung in der EG verbunden mit einer neuen Typisierung der Handlungsformen wie im Verfassungsvertrag nicht mehr vorgesehen.565 Auch hier ist also eine Nennung der europäischen Verwaltungsvorschriften nicht erfolgt. Da der Katalog der Handlungsformen nicht wesentlich überarbeitet wurde,566 wird er weiterhin als nicht abschließend betrachtet werden,567 so dass das Institut der europäischen Verwaltungsvorschrift seine Berechtigung als atypische Handlungsform behält. c) Rechtslage im europäischen Ausland Zur näheren Bestimmung der Konturen der Verwaltungsvorschriften des Europarechts ist eine rechtsvergleichende Betrachtung notwendig. Aus den gemeinsamen Verwaltungstraditionen der Mitgliedstaaten lässt sich auf eine Grundkonzeption der Behandlung und Ausgestaltung der Verwaltungsvorschriften schließen.

562 Allgemein zum Scheitern des Verfassungsvertrages und zur Auffangfunktion des Vertrages von Lissabon: Terhechte, EuR 2008, 143 ff.; Pernice, EuZW 2008, 65; Richter, EuZW 2007, 631 ff.; von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 270 ff.; Magiera, Rechtsetzung und Rechtdurchsetzung in der EU, S. 75; Schwarze, Formen, Standards und Zukunftsperspektiven, S. 14 f.; Pache/Rösch, NVwZ 2008, 473 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 60 ff. Zu den Verfassungsklagen gegen den Reformvertrag von Lissabon: Brok/Selmayr, EuZW 2008, 487 ff. 563 Vorgesehen war eine durchgehend neue Nomination. Siehe dazu: Terhechte, EuR 2008, 143, 178. 564 Vedder/Heintschel von Heinegg – Vedder, Art. I-33 VVE, Rn. 4; ebenso Callies/ Ruffert – Ruffert, Verfassung der EU, Art. I-33 VVE, Rn. 122. 565 Vgl. Weber, EuZW 2008, 7, 12; von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 270. 566 Es erfolgt lediglich eine Umbenennung der Entscheidung in den Beschluss, der auch adressatenlos ergehen kann. Siehe dazu: von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 271. 567 So auch Terhechte, EuR 2008, 143, 178.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

aa) Vergleichbare Rechtsinstitute Verwaltungsvorschriften sind kein Phänomen der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik.568 Bekannt sind sie in Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Österreich, der Schweiz und Griechenland.569 In all diesen Staaten erfüllen sie eine ähnliche ergänzende und konkretisierende Funktion wie Verwaltungsvorschriften des deutschen Rechts. Im Normengefüge der einzelnen Nationalstaaten bilden die Verwaltungsvorschriften als Teil der administrativen Normsetzung eine eigene Kategorie neben Gesetzen und Rechtsverordnungen.570 In Großbritannien ist eine einheitliche Terminologie für die administrative Rechtsetzung nicht auszumachen Meist werden die unterschiedlichen Varianten unter dem Begriff „quasi-legislation“ zusammengefasst.571 Unter „quasi-legislation“ werden dabei solche Akte verstanden, deren gesetzliche Grundlage nur einen partiellen oder relativen Berücksichtigungszwang zulässt oder denen es gänzlich an einer Schnittstelle zur Ebene der verbindlichen Rechtsvorschriften mangelt.572 Da sowohl die Regierung als auch die Verwaltung zum Erlass von administrativen Normen befugt sind, ergibt sich die Schwierigkeit, dass sich delegierte Gesetzgebung und allgemein-generelle Verwaltungsmaßnahmen nicht streng voneinander trennen lassen.573 Am ehesten mit den deutschen Verwaltungsvorschriften vergleichbar sind die administrative rules.574 Sie sind administrative Handlungsanleitungen an untergeordnete administrative Stellen, die in einem öffentlich zugänglichen Dokument niedergelegt sind.575 Die französische Dogmatik unterscheidet zwischen verfahrensbezogenen circulaires und inhaltlichen directives. Bei den circulaires unterscheidet man zwischen denen zur Auslegung des Rechts (circulaires interprétatives), denen mit

568 Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571; von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 473; Groß, DÖV, 2004, 20. 569 Siehe für die letzten drei Rechtsordnungen: Leisner, JZ 2002, 219, 220 (m.w. N.). 570 Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 572. 571 Wade/Forsyth, Administrative Law, S. 867; Schneider – Kleve/Schirmer, Verwaltungsrecht in Europa, S. 59 ff.; Schuhmann, Wissenschaftlich-technische Standards, S. 26. 572 Schuhmann, Wissenschaftlich-technische Standards, S. 32 f. (m.w. N.). 573 Schneider – Kleve/Schirmer, Verwaltungsrecht in Europa, S. 60; Schuhmann, Wissenschaftlich-technische Standards, S. 32 f. 574 Schneider – Kleve/Schirmer, Verwaltungsrecht in Europa, S. 62; Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571; von Bogdandy, Gubernative Rechtssetzung, S. 452, 475 f. 575 Schuhmann, Wissenschaftlich-technische Standards, S. 62.

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gesetzesvertretendem Charakter (circulaires supplétives) und den Rundschreiben mit Verordnungscharakter (circulaires réglementaires).576 In Italien und Spanien heißen die Verwaltungsvorschriften Rundschreiben (circolare/circular oder auch instrucciones).577 Dabei werden in Spanien die Verwaltungsvorschriften ähnlich wie in der deutschen Rechtsordnung definiert: Instrucciones und circulares sind die auf einer Organisations- und Weisungsbefugnis beruhenden Anordnungen einer Behörde an die ihr nachgeordneten Organe oder Beamten.578 Die Rechtslage in Österreich und in der Schweiz ähnelt der in Deutschland. Sowohl die österreichischen Verwaltungsverordnungen als auch die schweizerischen Ausführungs- und Vollzugsverordnungen werden als Innenrecht der Verwaltung mit entsprechend interner Wirkung verstanden.579 Die Kategorisierung der Verwaltungsvorschriften im deutschen Recht findet in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen keine Entsprechung. Dies liegt daran, dass in den anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht zwischen sachverhaltsbezogenem Beurteilungsspielraum und Ermessen auf der Rechtsfolgenseite unterschieden wird.580 Im Vergleich mit den anderen europäischen Staaten erweisen sich die Verwaltungsvorschriften in Deutschland als von minderer Bedeutung. Sie kommen weniger häufig vor, da die Verwaltung in Deutschland viel weniger Letztentscheidungsbefugnisse hat als zum Beispiel die Verwaltung in Frankreich und Großbritannien.581

576 Vgl. dazu: Gundel, EuR 1998, 90, 96 ff.; Hoffmann, Ermessen der Verwaltungsbehörden in Frankreich, S. 164; Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571; von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 453, 473 ff.; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 136 f. 577 Vgl. dazu: Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571; von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 452, 474. 578 Schneider – Díez Sastre/Weyand, Verwaltungsrecht in Europa, S. 210. 579 Siehe dazu: Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 572; Leisner, JZ 2002, 219 220. Aus der österreichischen Literatur: Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht, Rn. 27.112 ff.; Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 771. Aus der schweizerischen Literatur: Biaggini, Bundesverfassung, Art. 182 BV, Rn. 3 ff.; Schwarzenbach-Hanhart, Grundriss allgemeines Verwaltungsrecht, S. 49 f. 580 Ladeur, DÖV 2000, 217, 218. Dies ist auch im Europarecht selbst der Fall. Siehe zu den Konsequenzen hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolldichte unten 3. Kap. C.I. 581 Wahl, Verwaltungsvorschriften: Die ungesicherte dritte Kategorie des Rechts, S. 571, 579 f.; Ladeur, DÖV 2000, 217, 218; Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 175. Die Bedeutung der Letztentscheidungsbefugnisse für die Frage der Außenwirkung hebt vor allem Kautz, GewArch 2000, 230, 239 hervor.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

bb) Bindungswirkung Bei der Betrachtung der Bindungswirkung der nationalen Rechtsinstitute zeigt sich, dass grundlegende Gemeinsamkeit der nationalen Rechtsordnungen die fehlende unmittelbare Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften ist.582 Die in Deutschland im Grundsatz bestehende Auffassung, dass Verwaltungsvorschriften keine normative Bindungswirkung entfalten, entspricht der allgemeinen Auffassung zu den österreichischen und den schweizerischen Verwaltungsverordnungen.583 In Österreich wird zur Abgrenzung zu anderen Handlungsformen und zur Bestimmung der Außenwirkung vor allem auf die äußere Form abgestellt.584 In den Richtlinien (directives) nach französischem Recht legt die Verwaltung ausschließlich allgemeine Entscheidungskriterien für die Ermessensausübung fest.585 Sie sind bei rechtmäßiger Konkretisierung des behördlichen Ermessens für die Gerichte bindend; ihre Einhaltung kann vor Gericht eingefordert werden.586 Anerkannt ist auch bei den directives ein Vorbehalt für atypische Fälle, so dass ein Abweichen von den verwaltungsinternen Vorgaben möglich bzw. notwendig ist.587 Damit gestalten sie die Rechtslage der Bürger nicht direkt, sondern dienen vor allem der gleichmäßigen Ermessensausübung. Die directives können daher sowohl von ihrer Funktion als auch in Bezug auf ihre grundsätzlich nur mittelbare Außenwirkung gegenüber den Bürgern mit den deutschen Verwaltungsvorschriften verglichen werden.588 In der französischen Literatur findet sich in Bezug auf die rechtliche Charakterisierung der directives ein der deutschen Diskussion gleichlaufender Meinungsstreit.589 Bezüglich der Rund582 Leisner, JZ 2002, 219, 220. Ebenso: von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 453 ff., der die Parallelen in Italien, Großbritannien und Spanien aufzeigt. 583 Leisner, JZ 2002, 219, 220. Aus der schweizerischen Literatur: Biaggini, Bundesverfassung, Art. 182 BV, Rn. 3 ff.; Schwarzenbach-Hanhart, Grundriss allgemeines Verwaltungsrecht, S. 49 f. 584 Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht, Rn. 27.112 ff. Kritisch zur allgemeinen internen Bindungswirkung: Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 771 ff. 585 Schlette, Verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Ermessensakten in Frankreich, S. 237. 586 Schlette, Verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Ermessensakten in Frankreich, S. 238. 587 Schlette, Verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Ermessensakten in Frankreich, S. 239. 588 von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 474; Hoffmann, Ermessen der Verwaltungsbehörden in Frankreich, S. 164; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 137 f.; Schlette, Verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Ermessensakten in Frankreich, S. 234 ff. 589 Schlette, Verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Ermessensakten in Frankreich, S. 240 f., mit entsprechenden Nachweisen.

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schreiben (circulaires) wird differenziert zwischen bloßen Auslegungsregeln und solchen mit Verordnungscharakter. Ersteren kommt keine bindende Wirkung zu, wenn sie die geltende Rechtslage lediglich exakt wiedergeben. Verfehlen die Rundschreiben aber das geltende Recht, dann liegt unabhängig von der Bezeichnung ein eigenständiger Rechtsakt vor (circulaire réglementaire), der eine Bindungswirkung entfaltet.590 In Großbritannien war der rechtliche Status der administrative rules lange umstritten.591 Dies liegt daran, dass es hinsichtlich der Bindungswirkung administrativer Akte keine verlässliche Übereinstimmung zwischen Benennungsform und Rechtserheblichkeit gibt. Vielmehr bestimmen die Gerichte die Bindungswirkung der einzelnen Akte im jeweiligen Streitfalle. Zur Ermittlung der Bindung werden dabei unterschiedliche Kriterien herangezogen. Gefragt wird z. B. nach der Beteiligung des Parlaments oder der sprachlichen Abfassung.592 Mittlerweile dürfte die Außenwirksamkeit der administrative rules anerkannt sein.593 Vor allem die entwickelten standardisierten Entscheidungsmuster für die Ausgestaltung von Ermessensspielräumen müssten aufgrund ihrer Bedeutung an eine entscheidungsbestimmende Regel heranreichen.594 Allerdings ist auch im britischen Recht ein Abweichungsvorbehalt für außergewöhnliche Fallgestaltungen bekannt.595 In Spanien ist der Charakter der Verwaltungsvorschriften als Innenrechtssatz heute allgemein anerkannt. Differenziert wird aber die Bindungswirkung der instrucciones und circulares betrachtet. Unmittelbar verbindlich seien die Verwaltungsvorschriften nur im Innenbereich der Verwaltung. Für den Einzelnen begründeten sie hingegen als verwaltungsinterne Regelungen keine Rechte und Pflichten. Eine mittelbare Außenwirkung komme allerdings dadurch zustande, dass die Verwaltung beim Erlass einer Verwaltungsentscheidung einseitig an die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften gebunden sei und ein Verstoß gegen ihre eigenen Akte das Verwaltungshandeln willkürlich erscheinen ließe.596 Damit kann die spanische Rechtslage vollumfänglich mit der tradierten deutschen Auffassung zu den Wirkungen der Verwaltungsvorschriften verglichen werden.

590 Vgl. insgesamt dazu: Gundel, EuR 1998, 90, 96 ff.; Hoffmann, Ermessen der Verwaltungsbehörden in Frankreich, S. 165; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 136 f.; Schlette, Verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Ermessensakten in Frankreich, S. 154. 591 Zur unterschiedlichen Behandlung von administrative rules siehe Wade/Forsyth, Administrative Law, S. 869 f. 592 Schuhmann, Wissenschaftlich-technische Standards, S. 55. 593 Schneider – Kleve/Schirmer, Verwaltungsrecht in Europa, S. 63. 594 Schuhmann, Wissenschaftlich-technische Standards, S. 72 (m.w. N.). 595 Schuhmann, Wissenschaftlich-technische Standards, S. 72. 596 Schneider – Díez Sastre/Weyand, Verwaltungsrecht in Europa, S. 211.

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

Insgesamt ist die fehlende unmittelbare Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften als gemeinsame Verwaltungstradition der europäischen Mitgliedstaaten aufzufassen. Die allgemeine Ablehnung der Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften fußt vor allem in der Wahrung des tradierten Rechtsquellensystems.597 Die generelle Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften anzuerkennen, bedeutet sie als Rechtsquelle neben die anderen Handlungsformen zu stellen. Die Verwaltungsvorschriften würden der Verwaltung einen exklusiven Raum der Normsetzung eröffnen. Dies aber führt zu einem Eingriff in das Primat des Parlaments bei der Rechtssetzung, was allgemein als zu weitgehend empfunden wird.598 d) Zusammenfassung Die europäische Verwaltungsvorschrift kann als bekannte und praktizierte Handlungsform gelten. Die Typisierung dieser ungeschriebenen Handlungsform muss im Wege der Rechtsvergleichung gewonnen werden. Im europäischen Ausland ist die Handlungsform der Verwaltungsvorschrift nicht unbekannt und folgt insgesamt einer einheitlichen Grundstruktur, die neben der Funktion der Handlungsform als solcher auch die Bindungswirkung und die Rechtsstellung im System der Rechtsquellen der Nationalstaaten teilt. Insgesamt gleicht die Ausgestaltung der nach deutschem Recht, so dass eine Übertragung der deutschen Grundsätze unter Einbeziehung europäischer Besonderheiten auf die Handlungsform der europäischen Verwaltungsvorschrift möglich ist. 4. Vergleichbare Elemente von Gemeinschaftsrahmen und Verwaltungsvorschriften, insbesondere die Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen Die Gemeinschaftsrahmen sind als Verwaltungsvorschriften des Europarechts zu qualifizieren. Sie weisen eine hohe Parallelität zu den Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht auf. Deren Grundsätze sind auf die Verwaltungsvorschriften des Europarechts übertragbar, so dass eine Struktur- und Wirkungsanalyse unter Bezugnahme auf die deutsche Rechtslage erfolgen kann. a) Inhaltliche und funktionale Parallelität von Gemeinschaftsrahmen und Verwaltungsvorschriften Vor allem inhaltlich weisen die Gemeinschaftsrahmen und die Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht große Übereinstimmungen auf. Beide nehmen Begriffsdefinitionen vor, enthalten Kriterien für die Ermessensausübung, 597 598

von Bogdandy, Gubernative Rechtssetzung, S. 460. Wade/Forsyh, Administrative Law, S. 870.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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Regelungen zur Erläuterung verfahrensrechtlicher Bestimmungen sowie Regelungen zur Konkretisierung einzelner Normen.599 Die Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht werden entsprechend ihrem Regelungsgehalt kategorisiert. Die Übertragung einer solchen Kategorisierung auf die Gemeinschaftsrahmen ist nur schwer möglich. Dies liegt vor allem in der horizontalen Ausrichtung der Gemeinschaftsrahmen begründet. Sie sind als umfassende Regelung aller Beihilfen auf einem bestimmten Gebiet unabhängig von der sektoralen Zugehörigkeit des Beihilfenempfängers aufzufassen, die die unterschiedlichen Kategorien der Verwaltungsvorschriften in einem Dokument zusammenführen. So enthält der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation (F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen) sowohl Regelungen für die Auslegung des Beihilfenbegriffs nach Art. 87 I EG und die unbestimmten Rechtsbegriffe im Rahmen der Ausnahmetatbestände des Art. 87 III EG als auch typisierte Abwägungsentscheidungen und vorgezeichnete Abwägungsprogramme für die Anwendung von Art. 87 III EG.600 Je nachdem kann der entsprechende Regelungskomplex als normkonkretisierende oder ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift bezeichnet werden.601 Damit weisen Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrahmen eine inhaltliche Parallelität auf. Vergleichbar sind auch Adressatenkreis und Funktion der beiden Handlungsformen.602 Adressiert werden nachgeordnete Behörden oder Dienststellen und nur im Ausnahmefall außenstehende Personen. Ebenso wie die Verwaltungsvorschriften dienen die Gemeinschaftsrahmen der Effektivität und Einheitlichkeit der Rechtsanwendung. Sie erläutern und veranschaulichen die Rechtsauffassung der Kommission im Beihilfenrecht und machen damit den Vollzug der Vertragsbestimmungen transparenter und verständlicher.603 b) Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen Nachdem die inhaltliche und funktionale Parallelität der Gemeinschaftsrahmen zu den Verwaltungsvorschriften festgestellt wurde, ist nunmehr die Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen zu untersuchen. Die Wirkung einer Handlungsform ist für deren rechtliche Qualifizierung ausschlaggebend. Die

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Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 133. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen vom 30.12.2006, ABl. 2006, Nr. C 323, S. 1. 601 Normkonkretisierend sind z. B. die Regelungen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 10 ff. Ermessenslenkend sind z. B. die Regelungen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 12 ff. 602 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 20; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 103; von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 249. 603 Ebenso Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 133; Callies/Ruffert – Ruffert, Art. 249 EG, Rn. 135; von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 249. 600

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

Bindungswirkung einer Handlungsform kann unterschiedliche Ausprägungen haben. Die rechtliche Verbindlichkeit kann unmittelbar oder mittelbar entstehen. Dabei sei daran erinnert, dass Rechtsakte der Kommission aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung nur dann eine unmittelbar bindende Wirkung entfalten können, wenn sie auf eine entsprechende Rechtsgrundlage gestützt werden können.604 Dass eine Rechtsgrundlage für die Gemeinschaftsrahmen vorhanden ist, wurde bereits ausführlich dargestellt.605 Eine unmittelbare Außenwirkung wäre somit prinzipiell möglich. Aufgrund der potenziell möglichen unterschiedlichen Wirkungsweisen einer Handlungsform hat die Bestimmung der Bindungswirkung adressatenbezogen zu erfolgen. Zu unterscheiden sind bei den Gemeinschaftsrahmen die Rechtswirkungen gegenüber der Kommission und die möglichen Rechtswirkungen gegenüber den Mitgliedstaaten.606 Des Weiteren ist auf eine Bindung der europäischen Gerichte und auf eine Auswirkung für die Beihilfeempfänger einzugehen. Im Beihilfenrecht ist weiterhin zwischen den Regelungen für bestehende und für neue Beihilfen zu unterscheiden. Die im EG-Vertrag in Art. 88 I, III insoweit getroffene Entscheidung zur unterschiedlichen Behandlung der Beihilfen muss sich auch in der Bindungswirkung fortsetzen.607 Daher sind die nachfolgenden Untersuchungen entsprechend differenzierend vorzunehmen. Vergleichskomponente für die Ermittlung der Bindungswirkung soll wiederum die Verwaltungsvorschrift nach deutschem Recht sein.608 Für die Beurteilung der Gemeinschaftsrahmen ist im Blick zu behalten, dass allenfalls eine mittelbare Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften zur gemeinsamen verwaltungsrechtlichen Tradition der Mitgliedstaaten gehört.609 aa) Wirkungen gegenüber der Kommission Die unmittelbare Bindung der Kommission ist in der Rechtsprechung anerkannt.610 Übereinstimmend geht auch der überwiegende Teil der Literatur davon aus, dass die Gemeinschaftsrahmen die Kommission binden.611 Die Bin604 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 25; Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 134. 605 Siehe dazu oben 2. Kap. C.II. 606 So auch für Rechtswirkungen der Mitteilungen der Kommission: Pampel, EuZW 2005, 11, 12. 607 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 29. 608 Siehe dazu ausführlich oben: 2. Kap. D.IV.2.c). 609 Siehe dazu oben: 2. Kap. D.IV.3.c). 610 Siehe dazu oben: 2. Kap. D.II.1.b)bb). Vgl. dazu auch die Rechtsprechungsübersicht bei Gronig/Trüe, JZ 2000, 395, 401. Ebenso: Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 115; Nowak, EuZW 2003, 389, 392; Groß, DÖV 2004, 20, 23.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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dungswirkung besteht dabei solange, wie die Regelung von der Kommission aufrechterhalten wird.612 Dies folgt aus den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.613 Da die Regelungen betreffend neue Beihilfen ausschließlich die Kommission zum Adressaten haben, sind sie mit den Leitlinien und Mitteilungen vergleichbar.614 Sie stellen somit Regelungen im Innenverhältnis dar. Solche Regelungen, die die Kommission auf der Grundlage ihrer Organisationsgewalt erlassen hat, sind für sie stets unmittelbar rechtlich verbindlich.615 Die entstehende Bindungswirkung ist dabei umfassend. Dass sich die Kommission mit dem Erlass der Gemeinschaftsrahmen selbst binden will, bringt sie in diesen deutlich zum Ausdruck, indem sie den Anwendungszeitraum ausdrücklich festlegt und Zweifelsregelungen aufstellt.616 Auf diese Bindung der Kommission können sich die Mitgliedstaaten und einzelne Rechtsträger berufen.617 Bezüglich der Regelungen betreffend neue Beihilfen gibt es somit zwischen den Bindungswirkungen von Gemeinschaftsrahmen und Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht keinen Unterschied.618 Zieht man die geltende Rechtslage nach dem Europarecht heran, so zeigt sich, dass die umfassende Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften für das Erlassorgan und dessen Untergliederungen aus der Organisationshoheit des handelnden Organs hergeleitet und damit anerkannt wird. Bei den Regelungen betreffend bestehende Beihilfen entsteht die Bindung durch die Annahme der Gemeinschaftsrahmen durch die Mitgliedstaaten,619 da 611 Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 116 ( EL 24, 9/2004); Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 39; Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 205; Immenga/Mestmäcker – Ehricke, Art. 87 III EG, Rn. 4; Nowak, EuZW 2003, 389, 392; von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 252; Groß, DÖV 2004, 20, 23. 612 Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 790, 792; Schweda, Administrative Normsetzung, S. 276; Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 117. 613 Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 790; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 61; Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 49. 614 Siehe zur Vergleichbarkeit nur: Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 49. 615 Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 118; Immenga, Leitlinien als Instrument europäischer Wettbewerbspolitik, S. 12. 616 Zum Anwendungszeitraum: F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 44. Den eindeutigen Bindungswillen auch aus diesem Umstand ziehend Wagner, Stellung des Wettbewerbers im EG-Beihilfenrecht, S. 114. Zur Zweifelsregelung: F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 45. 617 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 32; Groß, DÖV 2004, 20, 23. 618 So für „interne Richtlinien“ Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 464. 619 Dies hat die Rechtsprechung mehrfach bestätigt. So auch Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 50. Für die Vertreter des Vertragsmodells wird daraus der

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auch letztere Adressaten der Regelungen sind. Ist die bindende Wirkung einmal eingetreten, dann gilt sie umfassend, sofern die Festlegungen in den Gemeinschaftsrahmen keine Abweichungen vom EG-Vertrag enthalten. Die Regelungen müssen also zulässige Konkretisierungen der EG-vertraglichen Vorgaben sein. Entsprechen die Kriterien aber diesen Anforderungen, dann muss sich die Kommission an diese halten. Auch unter Berücksichtigung der Besonderheit des Zustimmungserfordernisses besteht eine Übereinstimmung zwischen den Wirkungen des Gemeinschaftsrahmens und den Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht. Die Notwendigkeit einer Zustimmung zu Verwaltungsvorschriften ist auch dem deutschen Recht nicht fremd. Das Erfordernis einer Zustimmung gilt insbesondere für Verwaltungsvorschriften mit intersubjektiver Wirkung. Nach Art. 84 II, Art. 85 II GG bedürfen allgemeine Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung einer Zustimmung des Bundesrates. Das Zustimmungserfordernis stellt dabei sowohl im deutschen als auch im europäischen Recht eine Kompensation für den Eingriff in die Verwaltungshoheit des jeweiligen Adressaten der Verwaltungsvorschrift dar.620 Bezüglich der Wirkungen gegenüber der Kommission sind die Gemeinschaftsrahmen mit den Verwaltungsvorschriften vergleichbar. bb) Wirkungen gegenüber den Mitgliedstaaten Problematischer ist die Bestimmung der Wirkung der Gemeinschaftsrahmen gegenüber den Mitgliedstaaten. Die Bedeutung der Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten ist umfangreicher als die Bindung der Kommission an die Gemeinschaftsrahmen. Von einer Bindung wären nicht nur unmittelbar die mitgliedstaatlichen Behörden, sondern in Konsequenz auch die Beihilfenempfänger betroffen.621 Dies folgt aus der Umsetzungsverpflichtung der Mitgliedstaaten bei der Vergabe von nationalen Beihilfen. Wenn eine Rechtshandlung der Gemeinschaft die Mitgliedstaaten bindet, dann sind alle Behörden des Mitgliedstaates und damit auch die nationalen Gerichte an diese Handlung gebunden.622 Sollte also eine Bindungswirkung, wenn auch in unterschiedlicher Intensität bestehen, dann hätten nicht nur die nationalen Behörden ihr Handeln entsprechend vertragliche Charakter der Gemeinschaftsrahmen gefolgert. Vgl. dazu nur Schweda, Administrative Normsetzung, S. 328. Siehe ausführlich zum Vertragsmodell bereits oben: D.III.1. 620 Siehe zur parallelen Argumentation beim Komitologieverfahren: Mager, Europäische Verwaltung, S. 386. 621 Zur Wirkung gegenüber den Beihilfeempfängern siehe sogleich: 2. Kap. D.IV.4.b)dd). 622 Pampel, EuZW 2005, 11, 12. Vgl. zur Bindungswirkung der nationalen Gerichte explizit auch Schweda, Administrative Normsetzung, S. 339.

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auszurichten, sondern auch die Gerichte die Pflicht zu prüfen, ob die Nationalstaaten bei der Vergabe der Beihilfen die Vorgaben aus dem Gemeinschaftsrahmen umgesetzt haben.623 Die Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten ist abhängig von der Geltungsdauer der Gemeinschaftsrahmen. Sie kann nur soweit reichen, wie die Gemeinschaftsrahmen von der Kommission aufrechterhalten werden. In der weiteren Untersuchung soll eine differenzierende Betrachtung bezüglich der unterschiedlichen Beihilferegelungen für neue und bestehende Beihilfen erfolgen, auch wenn eine solche Differenzierung in der Rechtsprechung bisher nicht erfolgt ist. Die einheitliche Betrachtung der Gerichte folgt aus dem Umstand, dass Gegenstand der Rechtsprechung stets Einzelentscheidungen der Kommission waren, die sich entweder ausschließlich auf bestehende Beihilferegelungen bezogen oder die die Beachtung der Gemeinschaftsrahmen insgesamt zu ihrem Bestandteil gemacht hatten, so dass sich die Bindung im Ergebnis aus der Entscheidung und nicht aus dem Gemeinschaftsrahmen selbst ergab. (1) Hinsichtlich der Regelungen betreffend neue Beihilfen Für die Mitgliedstaaten sind die Regelungen in Bezug auf die Einführung neuer Beihilfen nur insoweit unmittelbar verbindlich, als sie sie auffordern, neue Beihilfen anzumelden.624 Diese Verpflichtung entsteht aber schon über Art. 88 III EG. Abseits dieser unmittelbaren Bindungswirkung könnten die Gemeinschaftsrahmen für die Mitgliedstaaten eine weitergehende Verbindlichkeit erlangen. Die Gemeinschaftsrahmen stellen Bewertungsmaßstäbe für die Prüfung der Kommission auf Vereinbarkeit der anzumeldenden Beihilfen mit Art. 87 EG auf. Hinsichtlich dieser in den Gemeinschaftsrahmen aufgestellten Maßstäbe werden die Mitgliedstaaten nicht unmittelbar gebunden.625 Gegen eine unmittelbare Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen spricht schon deren Wortlaut. Hinsichtlich neuer Beihilfen wird durch die Gemeinschaftsrahmen schon keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten ausgesprochen. Adressat und damit Verpflichteter ist ausschließlich die Kommission selbst.626 Im Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation (F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen) heißt es dementsprechend: „In diesem Gemeinschaftsrahmen legt die Kommission die Regeln dar, anhand de623

Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 792. Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 790. 625 Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 790; Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 31; Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 61; Pampel, EuZW 2005, 11, 12. Andere Ansicht: Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 494 ff. Er geht von einer generellen unmittelbaren Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen aus. 626 Ebenso Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 105. 624

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

rer sie (. . .) Beihilfen prüfen wird.“627 Wenn sich die Kommission in den Festlegungen des Gemeinschaftsrahmens direkt an die Mitgliedstaaten wendet, dann grundsätzlich in einer unverbindlichen Art und Weise: „Die Kommission schlägt den Mitgliedstaaten (. . .) vor“, „Die Mitgliedstaaten werden ersucht (. . .)“.628 Auch aus der Veröffentlichung der Gemeinschaftsrahmen kann eine unmittelbare Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen bezüglich der Regelungen betreffend neue Beihilfen nicht gefolgert werden.629 Die Gemeinschaftsrahmen werden gerade nicht im Teil L des Amtsblattes veröffentlicht. Somit ist davon auszugehen, dass auch die Kommission die Gemeinschaftsrahmen nicht als unmittelbar bindend für die Mitgliedstaaten betrachtet. Durch die Veröffentlichung der Gemeinschaftsrahmen im Teil C des Amtsblatts der Europäischen Gemeinschaften entsteht gegenüber den Mitgliedstaaten aber ein gewisser Vertrauensschutz, da die beteiligten Parteien davon ausgehen können, dass die Kommission ihre veröffentlichten Beurteilungskriterien befolgen wird.630 Damit haben die Gemeinschaftsrahmen zwar keine direkte rechtliche Bindungswirkung, aber eine indirekte, faktische, die über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung vermittelt wird.631 Eine Orientierung an den im Gemeinschaftsrahmen aufgestellten Kriterien ist somit sinnvoll, wenn die neu einzuführenden Beihilfen eine realistische Chance auf Genehmigung durch die Kommission haben sollen.632 Unmittelbar bindend sind für die Mitgliedstaaten letztlich nur die Festlegungen im EG-Vertrag und nicht jene im Gemeinschaftsrahmen selbst. Die Vermittlung einer faktischen bzw. mittelbaren Außenwirkung über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und über den Grundsatz des Vertrauensschutzes ist auch bei den Verwaltungsvorschriften nach nationalem Recht anerkannt. Insoweit besteht also Kongruenz zwischen der Handlungsform der Verwaltungsvorschriften und der Rechtsfigur der Gemeinschaftsrahmen. (2) Hinsichtlich der Regelungen betreffend bestehende Beihilfen (a) Mit Zustimmung der Mitgliedstaaten In Bezug auf die Regelungen betreffend bestehende Beihilfen sind die Mitgliedstaaten unmittelbar gebunden. Auf der Grundlage von Art. 88 I EG können 627

F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 4 f. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 44. 629 So aber Schweda, Administrative Normsetzung, S. 338; Heidenhain – Jestaedt/ Schweda, § 14, Rn. 51. Beide gehen dabei von einer Zweistufigkeit des Bindungsaktes bei den Gemeinschaftsrahmen aus. 630 Rydelski, Handbuch EU Beihilferecht, S. 46. 631 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 32; Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 120 f., 133; Rogmann, Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, S. 109 f. 632 Ebenso Geiger, EuZW 2000, 325. 628

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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für die Mitgliedstaaten rechtlich bindende Regelungen erlassen werden. Voraussetzung ist aber, dass sich diese Regelungen auf bestehende Beihilfen beziehen, dass sie im Rahmen einer regelmäßigen und laufenden Zusammenarbeit erlassen wurden und die Mitgliedstaaten ihnen schließlich zugestimmt haben.633 Die Mitgliedstaaten sind dann verpflichtet, diese Regelungen auch umzusetzen. Diese Pflicht hat der Rat in seiner VO (EG) 569/1999 in Art. 19 I festgeschrieben.634 Damit entsteht nach der notwendigen Zustimmung eine unmittelbare Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten.635 Damit besteht zwischen den rechtlichen Wirkungen von Gemeinschaftsrahmen und Verwaltungsvorschriften nach nationalem Recht ein Unterschied. Letzteren wird eine unmittelbare Außenwirkung in der Regel versagt.636 Es ist somit festzuhalten, dass aus dem Zustimmungserfordernis die Besonderheit der unmittelbaren Außenwirkung gegenüber den Mitgliedstaaten resultiert. Dieses Ergebnis der Divergenz zwischen den Verwaltungsvorschriften und den Gemeinschaftsrahmen ist mit Blick auf Art. 84 II, Art. 85 II GG in seiner Bedeutung zu relativieren. Auch nach nationalem Recht ist die verpflichtende Wirkung der Verwaltungsvorschriften zwischen den unterschiedlichen Parteien der föderalen Vollzugsstruktur geschuldet. Nach beiden Rechtsordnungen sind die am Vollzug beteiligten Rechtssubjekte als grundsätzlich eigenständig zu begreifen. Allerdings ist aus Gründen der Gewährleistung eines einheitlichen Vollzuges ein Einwirkungsrecht der übergeordneten föderalen Ebene anzuerkennen. Die Zustimmung stellt dabei eine Kompensation für den Eingriff in die Verwaltungshoheit des Adressaten der Verwaltungsvorschrift dar. Daneben ist auf die oben genannten Besonderheiten des Beihilfenrechts abzustellen. Damit sind die Gemeinschaftsrahmen auch im Bereich der Regelungen betreffend bestehende Beihilfen mit den Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht vergleichbar.

633 Dies ist der Befund aus der oben ausgewerteten Rechtsprechung der europäischen Gerichte. Siehe oben: D.II. Vgl. dazu auch in der Literatur: Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 113; Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 30; Heidenhain – Jestaedt/ Schweda, § 14, Rn. 50. 634 Siehe zum Wortlaut des Art. 19 I VO (EG) 569/1999 oben: 2. Kap. D.III. 3.b)bb). 635 Dies hat die Rechtsprechung eindeutig bestätigt. Vgl. dazu die ausführlichen Darstellungen oben: 2. Kap. D.II.1.b)aa). Siehe dazu in der Literatur: Härtel, Handbuch Europäische Rechtssetzung, § 13, Rn. 30; Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 108 ff., 118. Ebenso Schweda, Administrative Normsetzung, S. 337; Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 50. 636 Siehe zu den Ansätzen für eine unmittelbare Außenwirkung zumindest bestimmter Typen von Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht oben: 2. Kap. D.IV.2. c)bb).

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

(b) Ohne Zustimmung der Mitgliedstaaten Ohne die erforderliche Zustimmung können die Gemeinschaftsrahmen im Bereich der Regelungen für bestehende Beihilfen keine unmittelbare Bindungswirkung entfalten. Zu diesem Ergebnis kommt auch Generalanwalt Mischo in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Regionalbeihilfen.637 Die Gemeinschaftsrahmen seien dann ausschließlich als interne Leitlinien anzusehen mit denen die Kommission zum Ausdruck bringt, „bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit nach Artikel 88 Absatz 2 EG, eine Entscheidung zu einer von einem Mitgliedstaat mitgeteilten beabsichtigten Beihilfe zu treffen, eine bestimmte Vorgehensweise zu verfolgen.“638 Dennoch bleiben die Regelungen des Gemeinschaftsrahmens dann nicht ohne jegliche Wirkung. Sie sind in diesem Fall wie die Regelungen betreffend neue Beihilfen zu behandeln und zeitigen damit eine nur mittelbare Wirkung. Der Kommission wird dadurch aber die Möglichkeit eröffnet, die Gemeinschaftsrahmen auch ohne Zustimmung gegenüber dem Mitgliedstaat anzuwenden. Dieser Umgang mit den Gemeinschaftsrahmen findet in der deutschen Rechtsordnung keine Entsprechung. Das Zustimmungserfordernis ist konstruktive Voraussetzung für die Zulässigkeit von Verwaltungsvorschriften im BundLänder-Verhältnis. Der Unterschied in der Behandlung lässt sich aber mit der Überweisung des Beihilfenrechts in den gemeinschaftsrechtlichen Vollzug und der daraus resultierenden Vorrangstellung der Kommission erklären. cc) Wirkungen gegenüber den europäischen Gerichten Die europäischen Gerichte sehen sich an die Vorgaben in den Gemeinschaftsrahmen hinsichtlich der Auslegung und Bewertung einzelner Tatbestandsmerkmale des Art. 87 EG faktisch gebunden.639 So hat der EuGH zum Beispiel zur Ermittlung des Potenzials zur Wettbewerbsverzerrung einer Beihilfe auf die Vermutungsregel in einem Gemeinschaftsrahmen abgestellt.640 Ebenso prüft das EuG die Vereinbarkeit von Beihilfen nicht nur an den Vorgaben des EG-Vertrages, sondern ausdrücklich auch an den Festlegungen einschlägiger Gemein-

637 EuGH Rs. C-242/00, Bundesrepublik Deutschland/Kommission (Regionalbeihilfen), Slg. 2002 I, 5603 ff. 638 Schlussanträge in EuGH Rs. C-242/00, Bundesrepublik Deutschland/Kommission (Regionalbeihilfen), Slg. 2002 I, 5603, 5620. 639 Siehe dazu oben die Aufarbeitung der Rechtsprechung des EuGH und des EuG: 2. Kap. D.II. Siehe dazu auch: Schweda, Administrative Normsetzung, S. 340; Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 52. 640 EuGH Rs. C-288/96, Bundesrepublik Deutschland/Kommission (Jadekost), Slg. 2000 I, 8237, 8306, 8308.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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schaftsrahmen.641 Insgesamt bleibt Art. 87 EG Maßstab der gerichtlichen Entscheidung;642 seine Anwendung wird aber durch die Gemeinschaftsrahmen vorgeprägt. Voraussetzung für eine solche Bindung an die Gemeinschaftsrahmen ist, dass deren Regelungen den Vorgaben des EG-Vertrages entsprechen und keine davon abweichenden Festlegungen treffen. Dabei ist zu beachten, dass der Kommission als rechtsetzendem Organ aufgrund der Formulierung des Art. 87 EG ein gewisser Prognose- und Beurteilungsspielraum zusteht.643 Die Bindungswirkung ist dennoch beschränkt und eröffnet den europäischen Gerichten einen schmalen Raum für eine eigene Vertragsauslegung bezüglich der durch die Gemeinschaftsrahmen konkretisierten Vorgaben. Die Regelungen der Gemeinschaftsrahmen selbst sind dabei grundsätzlich nach Sinn und Zweck ihres Erlasses auszulegen. Es entsteht für die Gerichte also keine „echte Verbindlichkeit“644 im Sinne einer gesetzlichen Bindungswirkung.645 Ebenso ist die Bindungswirkung der deutschen Verwaltungsgerichte an die Verwaltungsvorschriften ausgestaltet. Grundsätzlich werden die in den Verwaltungsvorschriften getroffenen Wertungen übernommen und allenfalls auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht überprüft.646 Auch im deutschen Recht ist für die Reichweite der Bindungswirkung insofern beachtlich, ob der Verwaltung ein eigner Einschätzungsspielraum verbleibt, der der Überprüfung durch die Gerichte entzogen ist. In beiden Fällen nähert sich die Behandlung der durch die Verwaltung gemachten Vorgaben der Behandlung von Rechtsnormen an. Auch in dieser Hinsicht ist also eine Parallelität zwischen den Verwaltungsvorschriften und den Gemeinschaftsrahmen festzustellen. Besondere Beachtung verdient der Umstand, dass das Gericht erster Instanz unter dem Aspekt des Erfordernisses der kohärenten Anwendung sämtlicher gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften die Begriffsdefinitionen des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen für Forschung und Entwicklung auch zur näheren Bestimmung der Bedeutung eines Begriffes in einem anderen Gemeinschaftsakt herangezogen hat.647 Dieses Vorgehen gleicht dem Vorgehen des Bundesverwaltungsgerichts in der Entscheidung zur überbehördlichen Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften.648 In beiden Fällen werden die Begriffs641 642 643 644

EuG Rs. T-380/94, AIUFFASS, Slg. 1996 II, 2169, 2171, 2190. So auch Cremer, EWS 1996, 379. Ebenso Schweda, Administrative Normsetzung, S. 340. EuGH Rs. C-310/99, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 2289,

2339. 645

So auch Nowak, Staatliche Förderung regionaler Agrarprodukte, S. 212. Siehe dazu die Ausführungen oben: 2. Kap. D.IV.2.c), die zusätzlich auf die Besonderheiten bei den unterschiedlichen Arten der Verwaltungsvorschriften eingehen. 647 EuG Rs. T-184/97, BP Chemicals Ltd., Slg. 2000 II, 3145, 3171. 648 Siehe dazu oben: 2. Kap. D.IV.2.c)cc)(2). 646

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

und Definitionsvorgaben der Verwaltungsvorschrift bzw. des Gemeinschaftsrahmens als Bestandteil der Rechtsordnung auf einen außerhalb des Regelungsbereiches der Verwaltungsvorschrift/des Gemeinschaftsrahmens liegenden Rechtsakt übertragen. Insofern besteht auch eine Parallele in der verstärkten Angleichung der Institute an die Rechtsnorm. dd) Wirkungen gegenüber den Beihilfeempfängern Besondere Bedeutung hat die Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen für die Beihilfeempfänger. Für sie ist die Verlässlichkeit der Kriterien, nach der die Kommission Beihilfen genehmigt oder ablehnt, existenzielle Voraussetzung für ein Auftreten im Wirtschaftsleben. Für diese Gruppe der vom Gemeinschaftsrahmen Betroffenen ist festzuhalten, dass die Gemeinschaftsrahmen keine unmittelbare Außenwirkung ihnen gegenüber entfalten;649 dies gilt selbst dann nicht, wenn der betreffende Mitgliedstaat den Regelungen zugestimmt hat. Die Beihilfeempfänger oder ihre Konkurrenten sind nicht Adressaten der Rechtshandlung der Kommission. Auch wenn Dritte durch die Veröffentlichungspraxis der Kommission Kenntnis vom Inhalt des Gemeinschaftsrahmens erlangen können, stellt dieser Akt der Veröffentlichung keinen eigenen selbstbindenden Akt dar.650 Die Beihilfeempfänger oder deren Konkurrenten sind stets nur mittelbar Betroffene der die mitgliedstaatliche Beihilfenvergabe steuernden Kommissionshandlung. Die Beihilfenempfänger könnten allenfalls geltend machen, dass sich die Kommission mit den in den Gemeinschaftsrahmen aufgestellten Bewertungskriterien hinsichtlich des ihr eingeräumten Ermessens selbst gebunden hat. Aus dieser Bindung könnten sich, vermittelt über den Gleichheitssatz und den Grundsatz des Vertrauensschutzes, Rechte der Beihilfeempfänger ableiten lassen.651 Ob dies tatsächlich zu einer mittelbaren Außenwirkung (im rechtlichen Sinne) der Gemeinschaftsrahmen für den Beihilfeempfänger führt, ist jedoch zweifelhaft. Zu beachten ist hier, dass Adressat der Genehmigungsentscheidung der Mitgliedstaat ist und nicht der Empfänger der Beihilfe. Der Beihilfenempfänger steht ausschließlich in einem Rechtsverhältnis zum Beihilfe gewährenden Mitgliedstaat und nicht zur Kommission selbst. Ansprüche aus einer Nichtbeachtung der Regelungen des Gemeinschaftsrahmens können daher entweder zwischen dem Mitgliedstaat und der Kommission oder dem Mitgliedstaat und

649 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 30; von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 250. 650 So aber die These von Schweda, Administrative Normsetzung, S. 338. Ebenso Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 51. Beide gehen dabei von einer Zweistufigkeit des Bindungsaktes bei den Gemeinschaftsrahmen aus. 651 In diese Richtung auch Schweda, Administrative Normsetzung, S. 339.

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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dem Beihilfeempfänger entstehen. Damit besteht ein Unterschied zwischen der Wirkung der Gemeinschaftsrahmen und der Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht gegenüber außerhalb der Verwaltung stehender Personen. Aus letzteren kann der Einzelne Rechte herleiten, auch wenn seine Betroffenheit in der Regel lediglich mittelbar ist. Die Divergenz der beiden Handlungsformen in dieser Hinsicht ist allerdings dem unterschiedlichen Umfang der Beteiligtenebenen geschuldet. Während sich nach nationalem Recht lediglich zwei Ebenen an Beteiligten gegenüberstehen, ist im Gemeinschaftsrecht mit der Kommission eine dritte Ebene eingeführt, die keine Entsprechung im nationalen Recht hat. Es entstehen damit zwei grundsätzlich voneinander zu trennende Rechtsbeziehungen. Zum einen die Beziehung Kommission – Mitgliedstaat und zum anderen die Beziehung Mitgliedstaat – Dritter. Eine Regelungskompetenz besitzt die Kommission im Beihilfenrecht aber nur dem Mitgliedstaat gegenüber. Der Dritte kann danach stets nur mittelbar faktisch betroffen sein. Eine faktische Wirkung kann indes schwerlich geleugnet werden.652 Diese folgt daraus, dass sich die Mitgliedstaaten grundsätzlich an die Gemeinschaftsrahmen halten, da sonst die Kommission die staatliche Beihilfe beanstandet mit der möglichen Folge, dass sie eine Beihilfe nicht genehmigt oder bei einer bereits erfolgten Beihilfe die Rückforderung verlangt.653 Die Wirkungen der Gemeinschaftsrahmen gegenüber dem Beihilfeempfänger und die Wirkungen von Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht gegenüber den Bürgern sind nicht vergleichbar. c) Fazit Für eine abschließende Bewertung ist zu berücksichtigen, dass die gemeinsame verwaltungsrechtliche Tradition der Mitgliedstaaten von einer ausschließlich mittelbaren Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften ausgeht. Insofern ist der Bewertung auch die in Deutschland tradierte Auffassung von einer lediglich mittelbaren Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften zugrunde zu legen. Unter dieser Prämisse sind die Gemeinschaftsrahmen insgesamt als den Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht angenähert zu bewerten.654

652

Immenga, Leitlinien als Instrumente europäischer Wettbewerbspolitik, S. 13. Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 13, Rn. 33; Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 125; von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 251. 654 Sauerland, Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, S. 60; Gronig/ Trüe, JZ 2000, 395, 401; von Danwitz, JZ 2000, 429, 434; Immenga/Mestmäcker – Ehricke, Art. 87 III EG, Rn. 4; Groß, DÖV 2004, 20, 26. In diese Richtung auch Nowak, EuZW 2003, 389, 392, der die Gemeinschaftsrahmen „selbstbindende Verhaltensmaßregeln“ nennt. Den Begriff der Verwaltungsvor653

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2. Kap.: Die Rechtsfigur des Gemeinschaftsrahmens

V. Abschließende Bewertung der Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen Auszugehen ist von einer Einordnung der Gemeinschaftsrahmen als Verwaltungsvorschriften des Europarechts,655 die gegenüber den Verwaltungsvorschriften nach nationalem Recht einige Besonderheiten aufweisen. Besonderheit der Gemeinschaftsrahmen ist vor allem das Zustimmungserfordernis. Dieses Kriterium lässt sich vor dem Hintergrund des Vertrauensschutzes und der Souveränität der Mitgliedstaaten erklären.656 Die Notwendigkeit einer Zustimmung zu Verwaltungsvorschriften ist dem deutschen Recht jedoch nicht unbekannt. Allerdings ist diese nur ausnahmsweise vorgesehen, nämlich im Sonderfall der intersubjektiven Verwaltungsvorschriften nach Art. 84, 85 GG. Grund der Zustimmung ist auch im deutschen Recht die Souveränität und Verwaltungsautonomie des Regelungsadressaten. Damit lässt das Zustimmungserfordernis die Vergleichbarkeit von Gemeinschaftsrahmen und Verwaltungsvorschriften nicht entfallen. Ein Unterschied zwischen den deutschen Verwaltungsvorschriften und den Gemeinschaftsrahmen ergibt sich aus der Veröffentlichungspraxis des Erlassorgans. Die regelmäßige Veröffentlichung der Gemeinschaftsrahmen im Amtsblatt C bewirkt aber keine zusätzliche unmittelbare Bindung. Eine entsprechende Veröffentlichungspraxis gibt es für die deutschen Verwaltungsvorschriften nicht. Allerdings wird aus Gründen der Transparenz und der Rechtssicherheit eine Veröffentlichungspflicht für den Einzelfall angenommen. Ein solcher liegt vor, wenn die Verwaltungsvorschriften die Ansprüche der Bürger direkt ausgestalten.657 Für eine Klassifizierung der Gemeinschaftsrahmen als Verwaltungsvorschriften des Europarechts spricht auch deren Qualifizierung als Durchführungsvorschrift im Rahmen des gemeinschaftsrechtlichen Vollzuges des Beihilfenrechts. Typologisch lassen sich die Gemeinschaftsrahmen als Gesamtakt nicht eindeutig einer Art der Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht zuordnen. Dies liegt zum einen an dem Umfang der Gemeinschaftsrahmen, der eine Befassung mit unterschiedlichen Gebieten der Beihilfenaufsicht ermöglicht, und zum anderen an der unterschiedlichen Normstruktur der einzelnen Absätze des Art. 87 EG. Sie könnten daher sowohl als normvertretende als auch als ermessenslenkende und normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften eingeordnet

schrift meidend: Geiger, EuZW 2000, 325. Dieser spricht von „veröffentlichten Verwaltungsgrundsätzen mit gewisser Selbstbindung der Kommission“. 655 In diese Richtung auch Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 135. 656 Siehe dazu bereits oben: 2. Kap. D.II.1.c). 657 BVerwGE 122, 264, 269 f. Siehe oben: 2. Kap. D.IV.2.c)cc)(1).

D. Die Rechtsnatur des Gemeinschaftsrahmens

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werden.658 Dass eine eindeutige Zuordnung nach der Typologie des deutschen Rechts nicht möglich ist, ist insoweit unschädlich, als dass vom EuGH anerkannt ist, dass nicht die Form einer Handlung entscheidend ist, sondern vielmehr deren rechtliche Wirkung. Somit steht fest: Gemeinschaftsrahmen sind Verwaltungsvorschriften des Europarechts, die neben den benannten Handlungsformen des Art. 249 EG stehen.

658 Siehe dazu bereits oben: 2. Kap. D.IV.4.a). Zur Bezeichnung „normvertretende Verwaltungsvorschrift“: von Danwitz, JZ 2000, 429, 434.

3. Kapitel

Artikel 87 EG – Vom Beihilfenverbot und seinen Ausnahmen im Lichte des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation A. Einleitung Der Abschnitt des EG-Vertrages über staatliche Beihilfen (Art. 87 EG bis Art. 89 EG) trägt wesentlich zu der Gemeinschaftsaufgabe der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes (Art. 2 EG) bei. Dabei steht neben vielen anderen Zielsetzungen vor allem die Einführung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt (Art. 3 I lit. g EG), im Vordergrund.1 Das Beihilfenaufsichtsrecht dient daher vor allem der Kontrolle mitgliedstaatlichen Handelns. Kontrollorgan ist dabei die Kommission.2 Art. 87 I EG konstituiert ein grundsätzliches Beihilfenverbot,3 soweit die Beihilfen geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.4 Eine Beeinträchtigung ist insbesondere bei einer unkontrollierten Vergabe von Beihilfen durch die Mitgliedstaaten zu befürchten. Dennoch werden Beihilfen nicht kategorisch als unzulässig angesehen. Vielmehr sind sie teilweise geeignet, Fälle von Marktversagen zu kompensieren.5 Von dem grundsätzlichen Beihilfenverbot werden folglich in Art. 87 II, III EG Ausnahmen gemacht. Während bei Art. 87 II EG die Kommission über keinerlei Ermessen verfügt, die Beihilfe also bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen genehmigen muss (Legalausnahmen), räumt Art. 87 III EG der Kommission einen Ermessensspielraum ein. In Orientierung an der deutschen Rechtslehre könnte man 1

Rydelski, EuZW 2001, 458; Schmidt, Ordnung des Marktes, S. 894. Zur Rolle der Kommission bei der Beihilfenaufsicht siehe bereits oben: 2. Kap. B.I.2. 3 Zur Kritik an dieser gängigen Terminologie (aufgrund des fehlenden materiellen Verbotscharakters) vgl. nur Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 168 ff. 4 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 1; Groeben/Schwarze – Mederer, Vorbem. zu den Artikeln 87 bis 89 EG, Rn. 2; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 3 (EL 24, 09/2004). 5 Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065; Groeben/Schwarze – Mederer, Vorbem. zu den Artikeln 87 bis 89 EG, Rn. 4. Vgl. auch F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 4. 2

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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diese Vorgehensweise in der Normierung als präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt bezeichnen.6 Die bestehende Konstruktion von Regel und Ausnahme lässt eine gewisse steuernde Wirkung erkennen,7 die einen Rückschluss auf ein „allgemeines europarechtliches Programm der Subventionsentwicklung“8 durch nationale Subventionsvergabe zulässt. Dem Beihilfenrecht wohnt daher auch eine harmonisierende und vereinheitlichende Tendenz inne. Für die Beurteilung von staatlichen Fördermaßnahmen im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation ist aufgrund der EG-vertraglichen Programmierung zunächst zu klären, ob diese überhaupt unter den Beihilfenverbotstatbestand subsumiert werden können (B.). Danach ist zu prüfen, ob Beihilfen in diesem Bereich ausnahmsweise zugelassen werden können (C.).

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG Als Ausgangspunkt für die nachfolgenden Überlegungen soll der Wortlaut des Art. 87 I EG dienen:9 „Soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“

Obwohl dem Begriff der Beihilfe eine große Bedeutung zukommt, wird er im EG-Vertrag nicht definiert. Auch die anderen Tatbestandsmerkmale des Art. 87 I EG sind durch auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe geprägt. Der „dürre Wortlaut“10 liefert also nicht mehr als eine erste Orientierungshilfe für die Beurteilung von beihilferechtlichen Sachverhalten. Jedoch haben sowohl die Rechtsprechung von EuGH und EuG als auch die Anwendungspraxis der Kommission zur Auslegung des Beihilfenverbots maßgeblich zur Konkretisierung der Tatbe6 Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065; Groeben/Schwarze – Mederer/van Ysendyck, Art. 87 EG, Rn. 2; Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 175; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 172; Kühling/el-Barudi, Jura 2006, 672, 678; Vogt, Die Entscheidung, S. 96. Gegen ein solches Verständnis: Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 174. 7 Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 164. 8 Leisner, EuZW 2006, 648, 651. 9 Der Wortlaut des Art. 87 I EG ist in seiner Fassung, die er durch den Vertrag von Lissabon erhalten soll, nur redaktionell angepasst worden. Ersetzt wird der Begriff des „Gemeinsamen Marktes“ durch den Begriff „Binnenmarkt“. Vgl. dazu: Fischer, Vertrag von Lissabon, S. 253 f. 10 Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

standsmerkmale beigetragen. Auch in der Literatur hat Art. 87 I EG eine breite Bearbeitung erfahren.11 Daher soll hier nur ein kursorischer Überblick über den Forschungsstand gegeben werden, der die wichtigsten Ergebnisse zusammenfasst (I.) und diese schließlich auf die Problematik von Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen überträgt und gegebenenfalls Besonderheiten aufzeigt (II.).

I. Überblick über den Forschungsstand 1. Der Beihilfenbegriff Der Begriff der Beihilfe ist das zentrale Tatbestandsmerkmal des Art. 87 I EG. Beihilfen sind dabei entgegen anderen Verlautbarungen nicht nur Instrument des Protektionismus sondern auch Mittel zur Erfüllung staatlicher Aufgaben.12 Funktionell lassen sie sich daher wie folgt umschreiben: „Beihilfen sind ein wettbewerbssteuerndes Instrument des Staates zur Beeinflussung und Lenkung privatwirtschaftlicher Verhaltensweisen, mit deren Gewährung der Staat einen bestimmten Zweck zu erreichen beabsichtigt, sei er wirtschaftspolitischer, sozialpolitischer oder umweltpolitischer Natur. Beihilfen dienen zur Überwindung von Rezensionsphasen, der Flankierung von Strukturanpassungen und dem Erhalt bedrohter Arbeitsplätze.“13 Der Beihilfenbegriff ist nach der ständigen Rechtsprechung weit auszulegen.14 Er ist dennoch ein objektiver Rechtsbegriff, bei dessen Auslegung der Kommission kein weiter Beurteilungsspielraum einzuräumen ist.15 Eine abschließende Begriffsbestimmung hat die Rechtsprechung bisher noch nicht hervorgebracht,16 wohl aber die Erarbeitung einiger essenzieller Bestandteile desselben.

11 Vgl. nur: Hasselmann, Ausschlusstatbestände des Art. 87 EG, S. 7 ff.; Kassow, Beihilfen im Sinne des Art. 87 I EG, S. 5 ff.; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 9–20. 12 So auch Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 4. 13 EuGH Rs. C-61/79, Amministrazione delle finanze dello Stato, Slg. 1980, 1205, 1228; Adam, Mitteilungen der Kommission, S. 14; Groeben/Schwarze – Mederer/van Ysendyck, Art. 87 EG, Rn. 5; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 231. 14 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 9; Groeben/Schwarze – Mederer/van Ysendyck, Art. 87 EG, Rn. 2; Leisner, EuZW 2006, 648, 650; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 224. 15 EuG Rs. T-67/94, Landbroke Racing Ltd., Slg. 1998 II, 1, 26; EuG Rs. T-152/99, HAMSA, Slg. 2002 II, 3049, 3117 f.; Nowak, EuZW 2003, 389, 393; Cremer, Forschungssubventionen, S. 43. 16 Groeben/Schwarze – Mederer/van Ysendyck, Art. 87 EG, Rn. 5; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 231.

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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a) Zuwendungskomponente Der Beihilfenbegriff erfasst jede Leistung, die einen wie auch immer gearteten geldwerten Vorteil darstellt und so die Belastungen verringert, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat.17 Es kann sich bei dem Vorteil sowohl um eine positive Zuwendung handeln, als auch um das Unterlassen der Geltendmachung einer Forderung. In Betracht kommt ferner die Einräumung einer staatlichen Bürgschaft oder Garantieleistung, ebenso wie die Überlassung von Informationen und die Zurverfügungstellung von Infrastruktur.18 Es werden also sowohl direkte als auch indirekte Zuwendungen durch den Staat erfasst, die seitens des Begünstigten spürbar sind.19 Wichtig ist weiterhin, dass der Leistung keine marktübliche Gegenleistung gegenübersteht.20 Die begünstigende Wirkung einer Maßnahme ist damit vor dem Hintergrund normaler Marktbedingungen zu beurteilen. Zu fragen ist nach dem Marktpreis.21 Wenn ein solcher nicht 17 EuGH Rs. C-222/04, Ministero dell’Economia e della Finanze, Slg. 2006 I, 289, 363; EuGH Rs. C-310/99, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 2289, 2339; EuGH Rs. C-404/97, Kommission/Portugiesische Republik, Slg. 2000 I, 4897, 4935 f.; EuGH Rs. C-295/97, Industrie Aeronautich, Slg. 1999 I, 3735, 3761; EuGH Rs. C-75/97, Königreich Belgien/Kommission, Slg. 1999 I, 3671, 3695; EuGH Rs. C39/94, SFEI/La Poste, Slg. 1996 I, 3547, 3595; EuGH Rs. C-30/59 De Gezamenlijke Steinkohleminen/Hohe Behörde, Slg. 1961, 5, 6, 43; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 9; Groeben/Schwarze – Mederer/van Ysendyck, Art. 87 EG, Rn. 5; Grabitz/ Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 9 (EL 24, 09/2004); Nowak, EuZW 2003, 389, 393. 18 Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 7 (EL 24, 09/2004). Siehe zu den letzten beiden Beispielen: Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 241; Zeitz, Begriff der Beihilfe S. 17 ff. Siehe zur Nichtdurchsetzung von Forderungen als Beihilfe Soltész/Makowski, EuZW 2003, 73, 74. 19 Zum Begriff der Spürbarkeit: Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 242. Die Rechtsprechung lehnt allerdings aufgrund des Spürbarkeitskriteriums die Einführung einer Bagatellgrenze ab. Dieses Vorgehen ist zu begrüßen, da jeder (noch so kleine) Vorteil den Wettbewerb beeinträchtigen kann. Vgl. EuGH Rs. C-113/00, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 2002 I, 7601, 7642; EuGH Rs. C-351/98, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 2002 I, 8031, 8085. 20 EuGH Rs. C-39/94, SFEI/La Poste, Slg. 1996 I, 3547, 3596; EuGH Rs. C-256/ 97, DMT, Slg. 1999 I, 3913, 3933 f.; EuGH Rs. C-482/99, Französische Republik/ Kommission, Slg. 2002 I, 4397, 4449; Groeben/Schwarze – Mederer/van Ysendyck, Art. 87 EG, Rn. 6; Leisner, EuZW 2006, 648, 650; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 246 ff.; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 15 (EL 24, 09/2004). Umfassend zum Problem der beihilfenausschließenden Gegenleistung: Hasselmann, Ausschlusstatbestände des Art. 87 EG, S. 47 ff. 21 Dieser kann sich z. B. aus Börsenkursen ergeben (vgl. dafür: EuGH Rs. C-329/ 93, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1996 I, 5151, 5213 ff.) oder auch im Rahmen eines allgemein zugänglichen und bedingungslosen Bietverfahrens ermittelt werden. Vgl. Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1066; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 11; Groeben/Schwarze – Mederer/van Ysendyck, Art. 87 EG, Rn. 20; Koenig, EuZW 2001, 741, 742 f. Ausführlich zu den Problemen im Rahmen der Bestimmung der Marktadäquanz: Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots,

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

zur Verfügung steht, wird zu dessen Ermittlung auf den private-investor-test zurückgegriffen.22 Nach diesem „Prinzip des marktwirtschaftlichen Kapitalgebers“ liegt eine Begünstigung nur dann vor, wenn die Maßnahme unter solchen Umständen erfolgt, die für einen privaten Kapitalgeber unter Marktbedingungen nicht annehmbar wären.23 Bei der Bestimmung der Äquivalenz zwischen der staatlichen und der potenziellen privaten Handlung ist zu berücksichtigen, dass der Staat längerfristige strategische Überlegungen und Rentabilitätsrechnungen zur Grundlage seiner Entscheidung machen darf, die ein unter Umständen kurzfristig denkender privater Kreditgeber bei seiner Entscheidung nicht heranziehen würde.24 Alternativ zum private-investor-test kommt auch ein objektives Bestimmungsverfahren, z. B. in Form eines Wertgutachtens, in Betracht.25 Die entwickelten Kriterien zur Bestimmung der Zuwendungskomponente verdeutlichen, dass die weite Auslegung des Beihilfenbegriffs den Mitgliedstaaten die Möglichkeit nehmen soll allein über die Art der Ausgestaltung der Leistung, den Verbotstatbestand des Art. 87 I EG zu umgehen.26 Für die Bestimmung des Vorliegens einer Beihilfe ist zudem die Motivation des Beihilfengebers unerheblich.27 Entscheidend ist allein die Wirkung der Maßnahme. S. 248 ff. Speziell zur Ausgestaltung des Bietverfahrens: Bauer, EuZW 2001, 748, 751 f.; Koenig, EuZW 2001, 741, 745 f. 22 Auch „market economy investor“. Das Kriterium des Vergleichs mit einem Privaten ist auch in der Konstellation der Nichtdurchsetzung von Forderungen bekannt. Dort heißt es „private-creditor-test“. Siehe dazu: EuGH Rs. C-256/97, DMT, Slg. 1999 I, 3913, 3934; Soltész/Makowski, EuZW 2003, 74, 75 (m.w. N. für die entsprechende Rechtsprechung). 23 Vgl. EuGH Rs. C-142/87, Königreich Belgien/Kommission,Slg. 1990 I, 959, 1012; EuGH Rs. C-305/89, Italienische Republik/Kommission, Slg. 1991 I, 1603, 1640; EuGH Rs. C-278/92, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 1994 I, 4103, 4153; EuGH Rs. C-329/93, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1996 I, 5151, 5211 f.; EuGH Rs. C-482/99, Französische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 4397, 4450; Groeben/Schwarze – Mederer/van Ysendyck, Art. 87 EG Rn. 10 ff.; Leisner, EuZW 2006, 648, 650; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 254; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 32 (EL 24, 09/2004); Soltész/Makowski, EuZW 2003, 73, 75; Nowak, EuZW 2003, 389, 393; Hasselmann, Ausschlusstatbestände des Art. 87 EG, S. 82 ff. 24 Vgl. dazu: EuGH Rs. C-278/92, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 1994 I, 4103, 4153; EuG Rs. T-152/99, HAMSA Slg. 2002 II, 3049, 3107 f.; EuG Rs. T-296/ 97, Alitalia, Slg. 2000 II, 3871, 3904; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 10; Nowak, EuZW 2003, 389, 393. Kritisch zur Einbeziehung des sog. „long-term-investor-Maßstabs“: Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1067; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 255. Den Bedenken ist insofern zuzustimmen, als dass grundsätzlich die Motivation der Beihilfengewährung für deren Beurteilung außen vor zu bleiben hat. 25 Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1066; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 11; Groeben/Schwarze – Mederer/van Ysendyck, Art. 87 EG, Rn. 21; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 253 f. 26 Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1066; Groeben/Schwarze – Mederer/van Ysendyck, Art. 87 EG, Rn. 7.

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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b) Staatlich oder aus staatlichen Mitteln gewährt Mit dem Merkmal der „Staatlichkeit“ soll grundsätzlich eine Abgrenzung von privaten und hoheitlichen Beihilfengebern erreicht werden. Auf die Rechtsform der Empfänger kommt es hingegen nicht an.28 Da „Staatlichkeit“ nicht im Sinne des Mitgliedstaates als Vertragspartei des EG-Vertrages zu verstehen ist,29 gewährleistet dieses Merkmal, dass nicht nur Beihilfen der Mitgliedstaaten selbst erfasst werden sondern auch Zuwendungen von mitgliedstaatlichen Untergliederungen.30 Dies ist vor dem Hintergrund der Funktion und Zweckrichtung des Beihilfenrechts notwendig, da es für die Wettbewerbsbeeinträchtigung keinen Unterschied machen kann, auf welcher staatlichen Ebene die Gewährung der Beihilfe erfolgt. Erfasst werden weiterhin Beihilfengewährungen durch private Einrichtungen,31 wenn eine Zurechnung zum Mitgliedstaat erfolgen kann.32 Es soll den Mitgliedstaaten mithin unmöglich gemacht werden, den Verbotstatbestand des Art. 87 I EG dadurch zu umgehen, dass die Beihilfengewährung auf andere als staatliche Institutionen delegiert wird.33 Nach gefestigter Rechtsprechung wer27 EuGH Rs. C-409/00, Königreich Spanien/Kommission (Umweltschutzbeihilfen), Slg. 2003 I, 1487, 1536; EuGH Rs. C-382/99, Königreich Niederlande/Kommission, Slg. 2002 I, 5163, 5223; EuGH Rs. C-75/97, Königreich Belgien/Kommission, Slg. 1999 I, 3671, 3695; EuGH Rs. C-173/73, Italienische Republik/Kommission, Slg. 1974, 709, 718; EuG Rs. T-67/94, Landbroke Racing Ltd., Slg. 1998 II, 1, 26; Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1066; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 9; Groeben/Schwarze – Mederer/van Ysendyck, Art. 87 EG, Rn. 2; Leisner, EuZW 2006, 648, 650; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 12 (EL 24, 09/2004); Nowak, EuZW 2003, 389, 393. 28 Bartosch, NVwZ 2001, 643, 645. 29 Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 281. 30 EuGH Rs. C-248/84, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4013, 4041; EuGH Rs. C-57/86, Republik Griechenland/Kommission, Slg. 1988, 2855, 2872; EuGH Rs. C-305/89, Italienische Republik/Kommission, Slg. 1991 I, 1603, 1639; EuGH verbundene Rs. C-52/97, C-53/97, C-54/97, Epifanio Viscido u. a., Slg. 1998 I, 2629, 2641; EuG verbundene Rs. T-127/99, T-129/99, T-148/99, Territorio Histórico de Álava, Slg. 2002 II, 1275, 1330; EuG verbundene Rs. T-92/00, T-103/00, Territorio Histórico de Álava, Slg. 2002 II, 1385, 1413. Vgl. ebenso: Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1067; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 18; Nowak, EuZW 2003, 389, 394; Zeitz, Begriff der Beihilfe, S. 230. Siehe ausführlich für die zum Staat zu zählenden Institutionen: Kassow, Beihilfe im Sinne des Art. 87 I EG, S. 117 ff. 31 EuGH Rs. C-379/98, PreussenElektra AG, Slg. 2001 I, 2099, 2181; EuGH Rs. C-189/91, Petra Kirsammer-Hack, Slg. 1993 I, 6185, 6220; EuGH Rs. C-72/91, Sloman Neptun Schiffahrts AG, Slg. 1993 I, 887, 934; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 18; Zeitz, Begriff der Beihilfe, S. 233 f. 32 EuGH Rs. C-482/99, Französische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 4397, 4440; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 18; Jaeger, EuZW 2004, 558, 559; Nowak, EuZW 2003, 389, 394; Kassow, Beihilfe im Sinne des Art. 87 I EG, S. 130 ff. 33 EuGH Rs. C-482/99, Französische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 4397, 4436; Groeben/Schwarze – Mederer/Triantafyllou, Art. 87 EG, Rn. 23; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 35 (EL 24, 09/2004).

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

den von dem Merkmal „Staatlichkeit“ aber nur solche Beihilfen erfasst, die unmittelbar oder mittelbar aus einem staatlichen Haushalt stammen.34 Ein staatlicher Mittelabfluss ist vor allem bei privaten Einrichtungen problematisch und wird bei diesen auch grundsätzlich nicht vorliegen. Ein Direkttransfer von Privaten an Private wird daher nicht erfasst.35 Dieser Ausschluss ist kritisch zu betrachten, wenn der Transfer unter Zwang – z. B. aufgrund gesetzlicher Anordnung – erfolgt. Im Ergebnis kann es nämlich keinen Unterschied machen, ob der Staat die Mittel zunächst selbst einsammelt und sie dann weiterreicht, oder ein Privater zur Weiterreichung verpflichtet wird.36 Eine Staatlichkeit der Mittelvergabe liegt aber auch bei privaten Einrichtungen dann vor, wenn diese dem Staat zurechenbar sind. Eine Zurechnung wird immer dann gegeben sein, wenn die öffentliche Hand durch Rechts- oder Fachaufsicht oder durch Eigenanteile bestimmenden Einfluss auf die private Einrichtung ausüben kann und diesen im konkreten Fall auch ausgeübt hat.37 Fehlt es daran, so liegt das Merkmal staatlicher oder aus staatlichen Mitteln gewährte Zuwendung nicht vor.38 34 EuGH Rs. C-72/91, Sloman Neptun Schiffahrts AG, Slg. 1993 I, 887, 933 f.; EuGH Rs. C-189/91, Petra Kirsammer-Hack, Slg. 1993 I, 6185, 6220; EuGH verbundene Rs. C-52/97, C-53/97, C-54/97, Epifanio Viscido u. a., Slg. 1998 I, 2629, 2641; EuGH Rs. C-200/97, Ecotrade Srl, Slg. 1998 I, 7909, 7937; EuGH Rs. C-295/97, Industrie Aeronautich, Slg. 1999 I, 3735, 3761. Kritisch zu diesem Merkmal Generalanwalt Darmon in seinen Schlussanträgen in: EuGH Rs. C-72/91, Sloman Neptun Schiffahrts AG, Slg. 1993 I, 887, 903, 912; EuGH Rs. C-189/91, Petra KirsammerHack, Slg. 1993 I, 6185, 6197, 6201. Verneint wurde das Merkmal der „Staatlichkeit“ in: EuGH Rs. C-379/98, PreussenElektra AG, Slg. 2001 I, 2099, 2181. Siehe ebenso die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in dieser Rechtssache, EuGH Slg. 2001 I, 2099, 2129 ff. Vgl. für die Literatur: Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 18; Bartosch, NVwZ 2001, 643, 644; Groeben/Schwarze – Mederer/Triantafyllou, Art. 87 EG, Rn. 26; Soltész, EuZW 1998, 747, 750 ff.; Jaeger, EuZW 2004, 558, 559; Nowak, EuZW 2003, 389, 394. 35 So hat dies der EuGH in: EuGH Rs. C-379/98, PreussenElektra AG, Slg. 2001 I, 2099, 2181 f., bewertet. Eine ausführliche Begründung gibt Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen zu dieser Rechtssache, EuGH Slg. 2001 I, 2099, 2140 f. Die Rechtsprechung in der Sache PreussenElektra wurde vom EuGH in: EuGH Rs. C-345/ 02, Pearle BV, Slg. 2004 I, 7139, bestätigt. Siehe dazu: Jaeger, EuZW 2004, 558, 560. 36 So auch: Generalanwalt Darmon in seinen Schlussanträgen in EuGH Rs. C-72/ 91, Sloman Neptun Schiffahrts AG, Slg. 1993 I, 887, 903, 912; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 288 ff.; Soltész, EuZW 1998, 747, 752. So auch die frühere Rechtsprechung des EuGH. Siehe dazu: EuGH Rs. C-47/69, Regierung Französische Republik/Kommission, Slg. 1970, 487, 495 f.; EuGH Rs. C-173/73, Italienische Republik/Kommission, Slg. 1974, 709, 719 f.; EuGH Rs. C-78/76, Steinike & Weinling, Slg. 1977, 595, 613. Ausführlich zur Transformation privater zu staatlichen Mitteln: Kassow, Beihilfe im Sinne des Art. 87 I EG, S. 192 ff. Den Streitpunkt um das Tatbestandsmerkmal der Haushaltsbelastung am Beispiel der Rundfunkgebühren darstellend: Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 76 ff. (EL 24, 09/2004); Jaeger, EuZW 2004, 558, 560 ff.; Kassow, Beihilfe im Sinne des Art. 87 I EG, S. 236 ff. 37 EuGH Rs. C-143/99, Adria-Wien Pipeline GmbH, Slg. 2001 I, 8365, 8395 f.; EuGH Rs. C-173/73, Italienische Republik/Kommission, Slg. 1974, 709, 719; EuGH

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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c) Selektivität der Beihilfe Art. 87 I EG verlangt weiterhin, dass die Beihilfe bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen zugute kommt. Beschrieben wird damit die notwendige Selektivität einer Beihilfehandlung.39 Die Selektivität stellt dabei kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal dar, sondern beschreibt einen bestimmten Aspekt des Beihilfetatbestandes näher; nämlich den der Ungleichbehandlung der Marktteilnehmer.40 Diesem Punkt kommt eine gewisse Ausschlussfunktion zu.41 An der Selektivität einer Maßnahme fehlt es dann, wenn Fördermaßnahmen zugunsten aller Unternehmer ergriffen werden und damit wettbewerbsneutral erfolgen.42 Nicht selektiv ist eine Maßnahme nach Auffassung der Kommission und der europäischen Gerichte dann, wenn sie nach völlig objektiven Kriterien, vollkommen automatisch und ohne jedes Ermessen für alle Unternehmen im Bereich der gewährenden Stelle gewährt wird.43 Werden allerdings Maßnahmen Rs. C-482/99, Französische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 4397, 4440, 4444, 4445. Für den Nachweis genügt nach der Rechtsprechung auch das Vorliegen eines Komplexes von Indizien, der den entsprechenden Schluss zulasse. Eine genaue Anweisung muss demnach nicht nachgewiesen werden. Siehe für die Literatur: Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 282; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 20; Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1068; Jaeger, EuZW 2004, 558, 560; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 39 (EL 24, 09/2004); Soltész/Makowski, EuZW 2003, 73, 78; Nowak, EuZW 2003, 389, 395; Groeben/Schwarze – Mederer/Triantafyllou, Art. 87 EG, Rn. 24 f.; Soltész, EuZW 1998, 747, 752; Zeitz, Begriff der Beihilfe, S. 234. 38 Diesbezüglich herrscht Einigkeit. Vgl. nur: EuGH Rs. C-72/91, Sloman Neptun Schiffahrts AG, Slg. 1993 I, 887, 934; Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1068; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 20. 39 Das Merkmal der Selektivität findet sich in der Literatur und in der Rechtsprechung mit wechselnden Bezeichnungen. Gewählt werden z. B. die Begriffe: Bestimmtheit, Spezialität, Spezifität. Vgl. dafür nur: EuGH Rs. C-75/97, Königreich Belgien/ Kommission, Slg. 1999 I, 3671, 3695. 40 EuGH Rs. C-200/97, Ecotrade Srl, Slg. 1998 I, 7909, 7938; EuGH Rs. C-295/ 97, Industrie Aeronautich, Slg. 1999 I, 3735, 3762; EuGH Rs. C-409/00, Königreich Spanien/Kommission (Umweltschutzbeihilfen), Slg. 2003 I, 1487, 1536; Nowak, EuZW 2003, 389, 395. 41 Ebenso Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 292. 42 Z. B.: Senkung oder Abschaffung der Unternehmenssteuer, Lohnzuschüsse für Ausbildungsmaßnahmen oder Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen oder staatliche Zahlungen von Entlassungsabfindungen. Vgl. dazu: EuGH Rs. C-143/99, Adria-Wien Pipeline GmbH, Slg. 2001 I, 8365, 8394; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 17; Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1068; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 298; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 45 (EL 24, 09/ 2004); Soltész, EuZW 1998, 747, 748; Nowak, EuZW 2003, 389, 395; Groeben/ Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 30, 36; Zeitz, Begriff der Beihilfe, S. 198. Zur Darstellung problematischer Fälle aus der Praxis: Zeitz, Begriff der Beihilfe, S. 216 ff. 43 EuGH Rs. C-256/97, DMT, Slg. 1999 I, 3913, 3935; EuGH Rs. C-295/97, Industrie Aeronautich, Slg. 1999 I, 3735, 3762; EuGH Rs. C-200/97, Ecotrade Srl, Slg. 1998 I, 7909, 7938; EuG verbundene Rs. T-127/99, T-129/99, T-148/99, Territorio

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

ergriffen, die nur einen bestimmten Wirtschaftszweig oder auch nur einzelne Unternehmen aus einem Wirtschaftszweig von allgemeinen Lasten befreien und sind diese Befreiungen nicht durch die Struktur des zugrunde liegenden Systems gerechtfertigt, liegt gleichwohl eine Beihilfe vor, auch wenn die gewährende Stelle keinen Ermessens- bzw. Handlungsspielraum hat.44 Vom Unternehmensbegriff werden alle natürlichen und juristischen Personen des öffentlichen und des privaten Rechts erfasst (mit Ausnahme der Privathaushalte), die ihre Dienstleistungen oder Waren auf einem Markt anbieten.45 Mit der Aufnahme der Produktionszweige in den Tatbestand des Art. 87 I EG sollen auch jene Beihilfen erfasst werden, die allen Unternehmen in einem bestimmten wirtschaftlichen Bereich (Branche) zugute kommen.46 Dabei ist der Begriff des Produktionszweiges weit auszulegen. Er erfasst nicht nur Unternehmen der Güterherstellung, sondern auch Dienstleistungs- und Handelsunternehmen, alle sonstigen Gewerbezweige sowie freie Berufe.47 2. (Drohende) Wettbewerbsverfälschung Zur Erfüllung des Verbotstatbestandes ist weiterhin erforderlich, dass die gewährte Maßnahme den Wettbewerb verfälscht oder zumindest zu verfälschen droht. Dies ist eine konsequente Fortschreibung der Zielsetzung aus Art. 3 I lit. g EG. Allein der Erhalt einer staatlichen Leistung ohne marktmäßige Gegenleistung führt nicht zwingend zu einer Wettbewerbsverfälschung. Zunächst muss eine reale Konkurrenzsituation bestehen, in die durch die Beihilfe eingegriffen werHistórico de Álava, Slg. 2002 II, 1275, 1333; EuG verbundene Rs. T-92/00, T-103/00, Territorio Histórico de Álava, Slg. 2002 II, 1385, 1403, 1405; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 300; Nowak, EuZW 2003, 389, 395; Zeitz, Begriff der Beihilfe, S. 204, 228. 44 Beispielhaft seien hier die Befreiung von der „Ökosteuer“ oder die Befreiung von Sozialabgaben nur für einzelne Unternehmen oder Wirtschaftszweige genannt. Vgl. dazu: EuGH Rs. C-143/99, Adria-Wien Pipeline GmbH, Slg. 2001 I, 8365, 8396 ff.; EuGH Rs. C-75/97, Königreich Belgien/Kommission, Slg. 1999 I, 3671, 3697; EuGH Rs. C-173/73, Italienische Republik/Kommission, Slg. 1974, 709, 719 f. 45 So die ständige Rechtsprechung des EuGH. Vgl. nur: EuGH Rs. C-118/85, Kommission/Italienische Republik, Slg. 1987, 2599, 2621; EuGH Rs. C-35/96, Kommission/Italienische Republik, Slg. 1998 I, 3851, 3895 f.; EuGH Rs. C-309/99, J.C.J. Wouters, Slg. 2002 I, 1577; 1676. Siehe für die Literatur: Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 16; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 31; Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1068; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 294; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 43 (EL 24, 09/2004). 46 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 16. 47 Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 35; Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1068; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 44 (EL 24, 09/2004). Siehe zur Einordnung eines Zahnarztes als Unternehmer: EuGH Rs. C-172/03, Heiser, Slg. 2005 I, 1627, 1657.

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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den kann. Eine Verfälschung dieses Wettbewerbs tritt erst dann ein, wenn eine Verbesserung der Stellung des geförderten Marktteilnehmers zulasten seiner Konkurrenten festgestellt werden kann. Als Referenz für die Feststellung einer Wettbewerbsverfälschung dient eine vergleichende Betrachtung der Konkurrenzlage vor und nach der Subventionierung im jeweils relevanten Produktmarkt.48 Dennoch muss weder die Wettbewerbsverfälschung noch das Wettbewerbsverhältnis bereits zum Zeitpunkt der Beihilfengewährung vorliegen. Nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck von Art. 87 I EG genügt jeweils die Möglichkeit. Auch eine Beihilfe, die lediglich potenziell in ein möglicherweise entstehendes Wettbewerbsverhältnis eingreift, wird demnach von Art. 87 I EG erfasst.49 Damit wird die Feststellung der Wettbewerbsverfälschung letztlich zu einem Prognoseurteil bzw. zu einer Wahrscheinlichkeitsdarstellung.50 Dass einer jeden Beihilfengewährung eine zumindest drohende Wettbewerbsverfälschung immanent ist,51 kann lediglich als Indiz herangezogen werden, befreit die Kommission jedoch nicht von einer Marktanalyse, die die Marktstruktur, den Marktanteil und die Handelsströme berücksichtigt.52 Insgesamt werden an die Feststellung einer (drohenden) Wettbewerbsverfälschung seitens der Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen gestellt, so dass die Marktanalyse regelmäßig in kursorischer Weise erfolgen kann.53

48 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 21; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 41. 49 Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1069. 50 Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 315; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 55 (EL 24, 09/2004). In diese Richtung sind auch die Ausführungen des EuGH Rs. C-372/97, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2004 I, 3679, 3722 f., 3727 zu verstehen. 51 Es ist richtig, dass eine Beihilfe in der Regel die Marktposition des begünstigten Unternehmens verstärkt. Daher war der Schluss vom Bestehen einer Beihilfe auf deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gängige Kommissionspraxis. Vgl. dazu: EuGH Rs. C-730/79, Philip Morris Holland BV/Kommission, Slg. 1980, 2671, 2688 f.; EuGH Rs. C-57/86, Republik Griechenland/Kommission, Slg. 1988, 2855, 2873; EuGH Rs. C-278/92, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 1994 I, 4103, 4158; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 43; Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1069; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 303 ff. 52 EuGH Rs. C-296/82, Königreich Niederlande/Kommission, Slg. 1985, 809, 824; EuGH Rs. C-248/84, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4013, 4041; EuGH Rs. C-329/93, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1996 I, 5151, 5218 f.; EuGH Rs. C-457/00, Königreich Belgien/Kommission, Slg. 2003 I, 6931, 6990; EuGH Rs. C-409/00, Königreich Spanien/Kommission (Umweltschutzbeihilfen), Slg. 2003 I, 1487, 1543; EuGH Rs. C-372/97, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2004 I, 3679, 3730. Ebenso: Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 21; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 41, 43; Leisner, EuZW 2006, 648, 650; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 306; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 55 (EL 24, 09/2004). 53 Bartosch, RWI 2007, 681 f. Kritisch zu dieser unzureichenden Wettbewerbsanalyse: Koenig/Kühling, EuZW 1999, 517, 518.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

Von dieser bisher praktizierten Erleichterung hat sich die Kommission (zumindest in der Theorie) entfernt, indem sie sich zu einer verstärkten Prüfung der Wettbewerbs- und Handelsverzerrung und damit zu einem verstärkten ökonomischen Analyseansatz (more economic approach) verpflichtet hat.54 Daher wäre nunmehr eine genaue Marktanalyse erforderlich, die die Auswirkungen der Beihilfe konkret bezeichnet und bewertet.55 Allerdings ist eine eingehende Analyse der Wettbewerbsbedingungen bisher die Ausnahme geblieben.56 Es ist also davon auszugehen, dass die nur eingeschränkte Marktanalyse die Regel bleiben wird. Ausgeschlossen ist eine Wettbewerbsverfälschung allerdings insbesondere dann, wenn der Begünstigte Monopolist ist, es also keine (potenziell) konkurrierenden Unternehmen gibt.57 Auch eine Förderung aller am Markt tätigen Unternehmen einer Branche könnte das Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsverfälschung entfallen lassen. Richtigerweise liegt dann aber schon das Merkmal der Selektivität nicht vor, so dass diese Fälle nicht über die Wettbewerbsverfälschung erfasst werden.58 3. Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels Eine Handelsbeeinträchtigung liegt vor, wenn die Beihilfe durch die wettbewerbsverfälschende Begünstigung bestimmter Unternehmen den Handel beeinflusst, indem die Einfuhr oder die Ausfuhr für den Beihilfeempfänger erleichtert bzw. für den Konkurrenten erschwert wird.59 Dabei werden vom Handelsbe54 So erstmalig formuliert in: Aktionsplan Staatliche Beihilfen. Weniger und besser ausgerichtete Beihilfen – Roadmap zur Reform des Beihilfenrechts 2005–2009, KOM(2005) 107 endgültig, Ziffer 21. Aufgenommen in: F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 1.3.1., S. 5. Ebenso: Bartosch, RIW 2007, 681; Jaeger, WuW 2008, 1064, 1075. 55 Siehe dafür beispielhaft die Festlegungen im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 7.4., S. 22 f. 56 Ausnahmen bilden folgende Kommissionsentscheidungen: N 270/2006, Italienische Digitaldecoder, ABl. 2007, Nr. C 80, S. 1, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/ community_law/state_aids/comp-2006/n270-06.pdf; KomE 2006/513/EG, Digital TV Berlin, ABl. 2006, Nr. L 200, S. 14, 24-28. Siehe dazu: Jaeger, WuW 2008, 1064, 1075. 57 Auch noch nicht am Markt tätige Konkurrenten werden danach geschützt. Auch Marktzutrittschancen dürfen durch die Beihilfengewährung nicht beeinträchtigt werden. Vgl. dazu: Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1069; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 54 (EL 24, 09/2004); Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 22. 58 Ebenso: Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 43; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 53 (EL 24, 09/2004). Andere Ansicht: Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 22. 59 EuGH Rs. C-310/99, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 2289, 2347; EuGH Rs. C-75/97, Königreich Belgien/Kommission, Slg. 1999 I, 3671, 3700;

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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griff, ebenso wie beim Merkmal der Wettbewerbsbeeinträchtigung, nicht nur gegenständliche Waren, sondern auch Dienstleistungen jeder Art erfasst.60 Bezugspunkt ist der innergemeinschaftliche Handel. Ist lediglich der innerstaatliche Handel betroffen,61 scheidet ein Eingreifen des Art. 87 I EG aus.62 Das Merkmal der Handelsbeeinträchtigung hat also die Funktion, den Geltungsbereich des gemeinschaftlichen Beihilfenaufsichtsrechts gegenüber dem innerstaatlichen Recht abzugrenzen.63 Aufgrund der starken Verflechtung der nationalen Märkte hat die Bedeutung des Merkmals „Zwischenstaatlichkeit des Handels“ als tatbestandsausschließendes Merkmal allerdings stark abgenommen.64 Auch bei der Beurteilung der Handelsbeeinträchtigung erfolgt eine vergleichende Betrachtung in der Weise, dass die Entwicklung des Handelsflusses mit und ohne Beihilfengewährung in den Blick genommen wird. Eine Handelsbeeinträchtigung ist vor allem dort auszuschließen, wo es bisher keinen entsprechenden Handel gab, die Beihilfe also erst die Herstellung oder Vermarktung einer bestimmten Ware ermöglicht.65 Wird eine Handelsbeeinträchtigung festgestellt, ist fraglich, ob diese eine gewisse Intensität erreichen muss.66 Alternativ könnte angenommen werden, dass jegliche Beeinträchtigung zu unterbleiben hat, es also kein „Spürbarkeitserfordernis“ gibt.67 Für letzteres spricht vor allem Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 26; Bührle, Gründe und Grenzen des EGBeihilfenverbots, S. 332 f.; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 47 (EL 24, 09/2004). 60 Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 330; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art 87 EG, Rn. 47 (EL 24, 09/2004). 61 Innerstaatlich ist der Handel nur dann, wenn er ausschließlich lokale, regionale oder nationale Auswirkungen hat. Bei jedweden grenzüberschreitenden Auswirkungen liegt zwischenstaatlicher Handel vor. Notwendig ist dafür nicht, dass das begünstigte Unternehmen selbst grenzüberschreitend tätig wird. Vgl. dazu: EuGH Rs. C-278/92, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 1994 I, 4103, 4158; EuGH Rs. C-75/97, Königreich Belgien/Kommission, Slg. 1999 I, 3671, 3701; EuGH Rs. C-310/99, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 2289, 2347 f.; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 27. 62 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 27; Leisner, EuZW 2006, 648, 651; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 48 (EL 24, 09/2004). 63 Groeben/Schwarze – Mederer/Strohschneider, Art. 87 EG, Rn. 46. 64 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 27; Leisner, EuZW 2006, 648, 650; Soltész/Makowski, EuZW 2003, 73, 78. Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 325 weist zudem darauf hin, dass aufgrund offener Grenzen in der Literatur zum Teil die eigenständige Relevanz des Merkmal bestritten würde. 65 Groeben/Schwarze – Mederer/Strohschneider, Art. 87 EG, Rn. 46. 66 So Groeben/Schwarze – Mederer/Strohschneider, Art. 87 EG, Rn. 49; Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171. 67 So die herrschende Meinung: Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1070; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 339; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 50 (EL 24, 09/2004); Nowak, EuZW 2003, 389, 396. Der EuGH und die Kommission lehnen das Spürbarkeitskriterium grundsätzlich ab, sind in der Hinsicht aber nicht durchgehend konsequent. Siehe für die Ablehnung des

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

die Intention des EG-Vertrages, der jegliche Beeinträchtigung und Verzerrung des Gemeinsamen Marktes verhindern will. Weiterhin wird angeführt, dass bei Einführung eines Intensitätserfordernisses Umgehungsversuche seitens der Mitgliedstaaten provoziert würden.68 Schließlich ist auf die De-minimis-Verordnung hinzuweisen, die abschließend bestimmt, ab welcher Leistungshöhe von einer verzerrenden Beihilfe auszugehen und ein Einschreiten der Kommission geboten ist;69 ihr Eingriffsermessen nach Art. 88 EG also entsprechend reduziert ist.70

II. Probleme bei der Anwendung von Art. 87 I EG auf Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen Auf Basis des gefunden Forschungsstands sollen nunmehr Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen (FuEuI-Beihilfen) im Lichte von Art. 87 I EG betrachtet werden. Ausgangspunkt der nachfolgenden Untersuchung wird dabei zum einen die praktische Bedeutung der Erfassung einer staatlichen Unterstützung durch den Beihilfenverbotstatbestand des EG-Vertrages und zum anderen die grundsätzliche Positionierung der Kommission zum Verhältnis von Art. 87 I EG und FuEuI-Beihilfen sein (1.). Danach sind die Probleme beim Umgang mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 87 I EG in Bezug auf die einzelnen Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationstätigkeiten herauszuarbeiten (2.).

Spürbarkeitskriteriums: EuGH Rs. C-142/87, Königreich Belgien/Kommission, Slg. 1990 I, 959, 1015; EuGH Rs. C-305/89, Italienische Republik/Kommission, Slg. 1991 I, 1603, 1642; EuGH Rs. C-278/92, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 1994 I, 4103, 4159; EuGH Rs. C-329/93, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1996 I, 5151, 5218; EuGH Rs. C-113/00, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 2002 I, 7601, 7642; EuGH Rs. C-409/00, Königreich Spanien/Kommission (Umweltschutzbeihilfen), Slg. 2003 I, 1487, 1544; EuGH Rs. C-372/97, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2004 I, 3679, 3725; EuGH Rs. C-172/03, Heiser, Slg. 2005 I, 1627, 1659. Siehe zur Einbeziehung der Spürbarkeit: EuGH Rs. C-248/84, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4013, 4041; EuGH Rs. C-310/99, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 2289, 2349. 68 Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 337. 69 Zur Anwendung der De-minimis-Verordnung im konkreten Fall: EuGH Rs. C-113/00, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 2002 I, 7601, 7643 f. 70 Der EuGH (EuGH Rs. C-351/98, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 2002 I, 8031, 8086) hat in der Schwellenwertfestsetzung eine zulässige Ermessensausübung der Kommission erblickt. Ebenso: Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 337 f.; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 51 (EL 24, 09/2004).

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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1. Praktische Bedeutung und grundsätzliche Positionierung der Kommission im neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen zur Anwendung von Art. 87 I EG auf FuEuI-Beihilfen Ob auch staatliche Zuwendungen im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation stets unter den Beihilfenbegriff des Art. 87 I EG zu subsumieren sind, ist fraglich. Ein unterschiedsloses Erfassen solcher Begünstigungen durch den Beihilfenverbotstatbestand ist nicht nur von formaler sondern auch von immenser praktischer Bedeutung: Denn unterfällt die staatliche Förderungstätigkeit nicht dem Tatbestand des Art. 87 I EG, dann kann sie ohne gemeinschaftsrechtlichen Legitimationsdruck erfolgen.71 Werden hingegen unterschiedslos alle Maßnahmen vom Beihilfenverbot erfasst, so muss die Kommission über sie im Rahmen der ihr eingeräumten Befugnisse entscheiden.72 Auch die zulässige Höchstförderung ist davon abhängig, ob eine staatliche Zuwendung unter Art. 87 I EG fällt und damit vorbehaltlich der Ausnahmen in Art. 87 II, III EG verboten ist oder ob eine Maßnahme keinen Beihilfecharakter hat. Im ersteren Falle ist die Höchstförderung beschränkt. Für FuEuI-Beihilfen ergibt sich dies ausdrücklich aus den Festlegungen in dem F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen.73 Im zweiten Falle ist auch eine unbegrenzte Förderung möglich. Da staatliche Beihilfen die wirtschaftliche Effizienz fördern und zu einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung beitragen sollen, formuliert die Kommission im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen vor dem Hintergrund des Art. 87 EG, dass staatliche FuEuI-Beihilfen dann mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar seien, wenn von ihnen angenommen werden könne, dass sie zu zusätzlicher FuEuI-Tätigkeit führten und der Wettbewerb nicht in einem dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Ausmaß beeinträchtigt würde.74 Daraus lässt sich ableiten, dass die Kommission FuEuI-Beihilfen nicht stets unter Art. 87 I EG subsumiert. Allerdings geht aus dem F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen auch hervor, dass staatliche Zuwendungen im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation in erster Linie aus den in Art. 87 III lit. b, lit. c EG genannten Gründen zu rechtfertigen seien.75 Die Einordnung von Beihilfehandlungen kann damit nicht pauschal erfolgen. Vielmehr hat eine Einzelfallprüfung stattzufinden. 71 Cremer, Forschungssubventionen, S. 43; Streinz EUV/EGV – Koenig/Kühling, Art. 88 EG, Rn. 12; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 88 EG, Rn. 9; Sinnaeve, EuZW 1998, 268, 269. 72 Cremer, EWS 1996, 379. Sinnaeve, EuZW 1998, 268, 269, weist zu Recht auf die dann entstehenden Probleme bei der Leistungsfähigkeit der Kommission hin. 73 Vgl. die tabellarische Darstellung der Beihilfenintensität im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 24. 74 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 4. 75 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 4.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

Aus den Formulierungen im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen kann auf eine grundsätzlich positive Einstellung der Kommission gegenüber staatlichen Zuwendungen im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation geschlossen werden. Noch im F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1996 hatte die Kommission ihre grundsätzlich positive Haltung eindeutig formuliert. Dort hieß es unter Punkt 1.9.: „Die Kommission hat seit jeher gegenüber staatlichen Beihilfen für Forschung und Entwicklung eine befürwortende Haltung eingenommen. Die Gründe für diese Haltung sind die folgenden: die Ziele der betreffenden Beihilfen, die Finanzierungserfordernisse und die oft erheblichen Risiken der FuE-Tätigkeiten sowie die geringe Wahrscheinlichkeit, dass marktferne Vorhaben den Wettbewerb verfälschen und den Handel beeinträchtigen.“76 Aus den nunmehr weniger eindeutigen Formulierungen lässt sich aber kein Abrücken der Kommission von ihrer bisherigen Haltung ableiten. Vielmehr hat die Kommission ihre befürwortende Einstellung gegenüber FuEuI-Beihilfen in ihrem Bericht – Anzeiger für staatliche Beihilfen – Herbstausgabe 2007 bestätigt. Dort wird ausgeführt, dass generell staatliche Beihilfen mit horizontaler Zielsetzung, d.h. solche, die sich nicht auf einzelne Wirtschaftszweige beschränken, als besser geeignet zum Ausgleich von Marktversagen und damit als weniger wettbewerbsverzerrend als sektorale oder Ad-hoc-Beihilfen angesehen werden.77 Beihilfen im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation sind eines der wichtigen Beispiele für solche Beihilfen mit horizontaler Zielsetzung. 2. Betrachtung der Tatbestandsmerkmale in Bezug auf die unterschiedlichen Forschungsstufen, Innovationsarten und Forschungssubjekte FuEuI-Tätigkeiten sind den Produktmärkten in der Regel vorgelagert.78 Vor allem die Forschungstätigkeit weist überwiegend eine große Marktferne auf. Daher ist bei der Subsumtion einer staatlichen Förderung im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation unter den Verbotstatbestand des Art. 87 I EG insbesondere die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der drohenden Wettbewerbsverfälschung als problematisch zu betrachten. Dass Forschung, Entwicklung und Innovation als Wettbewerbsfaktor anzusehen sind, steht außer Frage. Schließlich zielt v. a. unternehmerische Tätigkeit in diesem Bereich darauf ab, die eigene Wettbewerbssituation am Markt zu verbessern.79 Die Kommission hat dieses Problem erkannt und daher im aktuellen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen auf die unterschiedlichen Ausprägungen der Wettbewerbsverfälschung verwiesen. 76

F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1996 (ABl. 1996 Nr. C 45, S. 5). Bericht der Kommission – Anzeiger für staatliche Beihilfen – Herbstausgabe 2007, 2.1. 78 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 7. 79 Cremer, Forschungssubventionen, S. 50. 77

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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Eine Wettbewerbsverfälschung kann auf einer Störung der marktwirtschaftlichen Anreize für Unternehmen und einer daraus resultierenden Verdrängung ebenso basieren wie auf einer Förderung ineffizienter Produktionen. Dadurch kann der stattfindende Verdrängungswettbewerb verstärkt und einzelne, am Markt bestehende Machtstrukturen vertieft werden. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Ansiedlung von Wirtschaftstätigkeit in den Mitgliedstaaten mit entsprechenden Folgen für die Handelsströme im Binnenmarkt.80 Allerdings stellt sich die Frage, ob Forschungsaktivitäten überhaupt geeignet sind den Wettbewerb zu verfälschen, wenn sie nicht darauf gerichtet sind, ein marktfähiges Produkt hervorzubringen und nur dem allgemeinen Wissenserwerb dienen sollen. Weiterhin können die Bestimmung des relevanten Produktmarktes und die Bestimmung eines bestehenden oder potentiellen Konkurrenzverhältnisses problematisch sein, wenn ein vergleichbares Produkt bisher nicht existierte, die Forschungs- und Entwicklungsarbeit also in eine Monopolstellung mündet.81 Zu berücksichtigen ist ferner die Möglichkeit der Ergebnislosigkeit eines Forschungsprojektes. Damit ist ein weiteres generelles Problem der Forschungstätigkeit angesprochen, das zu Schwierigkeiten im Rahmen der anzustellenden Prognoseentscheidung seitens der Kommission bei der Anmeldung von Beihilfen führt. Es liegt gerade in der Natur der Forschung, dass sich deren Ergebnisse zu Beginn der Tätigkeit einer genauen Vorhersage entziehen.82 Die Beurteilung ist daher an der Marktnähe der Forschungstätigkeit auszurichten und damit an der Wahrscheinlichkeit der kommerziellen Verwertbarkeit der Forschung.83 Denn schließlich ist es das Forschungsergebnis und nicht die Forschungstätigkeit selbst, das zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann.84 Weiterhin kann die Unternehmereigenschaft der Forschungseinrichtung in Frage stehen. Dies insbesondere dann, wenn die forschende Einheit nicht am wirtschaftlichen, wohl aber am wissenschaftlichen Wettbewerb teilnimmt. Soll dann die staatliche Unterstützung der Forschungstätigkeit auch dem Beihilfenbegriff unterfallen? Im Zusammenhang mit den Forschungssubjekten sind schließlich Kooperationen und Auftragsverhältnisse mit Marktteilnehmern zu problematisieren, da bei einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit Ausstattungsmittel der Forschungseinrichtung dem Projektpartner zugänglich gemacht werden können, er also Aufwendungen erspart. 80

Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 9. In diese Richtung auch Eisermann, EuZW 1996, 683, 685. 82 Cremer, Forschungssubventionen, S. 67; Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 190; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 29. Dies erkennt auch die Kommission, vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 6. 83 Dies führt auch die Kommission im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 9 aus. Ebenso Cremer, Forschungssubventionen, S. 67. 84 Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 190. 81

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

Den aufgeworfenen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden. Dabei werden die Vorgaben des neuen Gemeinschaftsrahmens regelmäßig den Ausgangspunkt markieren. Einzubeziehen sind in die Betrachtungen aber auch die Vorgängerregelungen aus den Jahren 1986 und 1996, da sich aus den Entwicklungszusammenhängen Schlussfolgerungen für die Auslegung und Handhabung des aktuellen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens ergeben können. a) Die unterschiedlichen Forschungs- und Entwicklungsstufen Bei der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit werden von der Kommission im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen verschiedene Stufen unterschieden. Die Unterscheidung orientiert sich dabei an der Nähe zur Kommerzialisierung (Marktnähe) der gefundenen Forschungsergebnisse.85 Die anerkannten Stufen sind: Grundlagenforschung, industrielle Forschung und experimentelle Entwicklung.86 Die Einordnung eines Forschungs- oder Entwicklungsprojektes in eine der Stufen des Gemeinschaftsrahmens ist unabdingbare Voraussetzung für die Genehmigungsfähigkeit der staatlichen Zuwendung für das betreffende Projekt.87 Mit der aufgestellten Abstufung geht eine gewisse Vermutung für das Unterfallen der jeweiligen Förderungstätigkeit unter den Verbotstatbestand des Art. 87 I EG einher.88 aa) Grundlagenforschung Erste und damit marktfernste Stufe der Forschung ist die Grundlagenforschung.89 Unter Grundlagenforschung werden experimentelle oder theoretische Arbeiten verstanden, die in erster Linie dem Erwerb neuen Grundlagenwissens ohne erkennbare direkte praktische Anwendungsmöglichkeiten dienen.90 Sie ist vor allem durch Unsicherheiten bezüglich der Ergebnisse der Forschung und deren potenzieller Verwertbarkeit auf dem Markt gekennzeichnet. Grundlagen85 So noch eindeutig die Kommission im alten F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1996 unter Punkt 2.2 (ABl. 1996, Nr. C 45, S. 7). 86 Für die Beibehaltung der Kategorien hat sich die Kommission trotz einiger Anwendungsschwierigkeiten explizit entschieden. Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 1.5., S. 8. 87 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.1.1., S. 13. Zur Vorgängerregelung im F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1996 siehe: Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 19. 88 Kritisch zur Behauptung der wettbewerbspolitischen und -rechtlichen Unbedenklichkeit von Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen: König, Grundlagen der staatlichen Forschungsförderung, S. 47. 89 Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 129; Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 20. 90 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 15.

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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forschung wird überwiegend von allgemeinen Forschungseinrichtungen, wie zum Beispiel von Universitäten, betrieben.91 Allerdings gibt es auch Unternehmen, die Grundlagenforschung in der Hoffnung betreiben, die allgemeinen Erkenntnisse schließlich kommerzialisieren zu können. (1) Aufrechterhaltung der Trennung der Grundlagenforschung in allgemeine und industrielle? Um die Unterschiede in den Ambitionen der forschenden Einrichtungen auch in der Bezeichnung der Forschungstätigkeit widerzuspiegeln, wurde unter der Geltung der beiden alten F-&E-Gemeinschaftsrahmen eine Unterteilung der Grundlagenforschung in allgemeine und industrielle Grundlagenforschung vorgenommen. Im Unterschied zur allgemeinen Grundlagenforschung werde industrielle Grundlagenforschung mit dem Ziel betrieben, ein neues oder verbessertes Verständnis der wissenschaftlichen Grundlagen zu erlagen, um diese schließlich für die Industrie oder ein spezielles Unternehmen für die Produktentwicklung fruchtbar zu machen. Der F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1986 benutzte den Begriff der „industriellen Grundlagenforschung“ nicht in seinen Regelungen, definierte ihn aber in seiner Anlage I unter Punkt 3. ausdrücklich. Davon wich bereits der F-&EGemeinschaftsrahmen von 1996 ab. Er umschrieb die unterschiedlichen Arten der Grundlagenforschung in seiner Anlage I wie folgt: „Unter Grundlagenforschung versteht die Kommission eine Erweiterung der wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse, die nicht auf industrielle oder kommerzielle Zwecke ausgerichtet ist.“ Die Unterteilung war im F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1996 also nicht mehr explizit vorgesehen, konnte jedoch aus seiner Wortwahl geschlussfolgert werden.92 Konsequenz dieser Unterscheidung war eine grundsätzlich unterschiedliche Behandlung der Grundlagenforschung je nach dem, ob sie von einem Unternehmen (mit Kommerzialisierungswillen) oder von einer allgemeinen Forschungseinrichtung (zum allgemeinen Erkenntnisgewinn) betrieben wurde.93 Nur letz-

91 Dähne, Forschung zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsfreiheit, S. 217, spricht davon, dass Universitäten nur noch an der Grundlagenforschung ausgerichtet seien, was insgesamt zu einem Bedeutungsverlust der akademischen Forschung aufgrund der zunehmenden Ökonomisierung der Forschung führe. 92 Siehe noch zum F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1986 (ABl. 1986, Nr. C 83, S. 2), der aber die gleiche Definition der Grundlagenforschung enthielt wie der F-&EGemeinschaftsrahmen von 1996: Cremer, Forschungssubventionen, S. 39 f. Ebenso: Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 187; Cremer, EWS 1996, 379, 381. 93 Vgl. F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1996 (ABl. 1996, Nr. C 45, S. 5) unter 5.2.; Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 129.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

tere wurde grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des Art. 87 I EG ausgeschieden. Die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung dieser Unterscheidung und damit auch die unterschiedliche rechtliche Handhabung ist unter der Geltung des neuen Gemeinschaftsrahmens zweifelhaft. Dagegen sprechen mehrere Umstände: Zunächst ist anzuführen, dass schon eine tragfähige und aussagekräftige Unterscheidung nach dem alten Gemeinschaftsrahmen nicht sinnvoll möglich war [(a)]. Des Weiteren muss der Wortlaut des neuen Gemeinschaftsrahmens berücksichtigt werden. Die neue Definition ist mit Blick auf die Erfahrungen und rechtlichen Erkenntnisse bezüglich der Vorgängerregelungen und vor der gesetzgeberischen Intention der Kommission auszulegen [(b)]. (a) Tragfähigkeit der alten Unterscheidung Mit dem Abstellen auf die Intention des forschenden Subjektes gehen erhebliche Beweisprobleme einher, die schließlich die Zielsetzung der Forschungstätigkeit einer Spekulation seitens der Kommission unterwirft.94 Denn einem Unternehmen wird kaum der Nachweis gelingen, dass es ausschließlich Grundlagenforschung zum allgemeinen Erkenntnisgewinn betreiben will.95 Weiterhin ist zu bedenken, dass die ursprüngliche Aufgabenstellung über die spätere Möglichkeit der Kommerzialisierung der Forschungstätigkeit nichts aussagt. Auch die Ergebnisse einer rein wissenschaftlich orientierten Grundlagenforschung können zur Entwicklung eines marktfähigen Produktes führen.96 Mit dem Abstellen auf den Kommerzialisierungswillen wird daher eine Entscheidung über die Risikoverteilung zu Lasten der Unternehmen getroffen. Ist eine spätere Verwendbarkeit der Forschungsergebnisse auf dem Markt nicht gegeben, kann nachträglich keine höhere Förderung erreicht werden. Für die Grundlagenforschung von allgemeinen Forschungseinrichtungen wird die Risikoverteilung bezüglich der Förderfähigkeit wahrscheinlich deshalb umgekehrt, weil diese eine der Primäraufgaben der Forschungseinrichtungen ist. Auch der Wortlaut von Art. 87 I EG bietet keinen Ansatzpunkt dafür, eine Zuwendung aufgrund der Motivation des Beihilfenempfängers anders zu bewerten. Letztlich wird aufgrund der Beweisschwierigkeiten seitens der Unternehmen eine Vermutungsregelung hinsichtlich einer drohenden Wettbewerbsverzerrung aufgestellt. Dabei ist im Rahmen des Art. 87 I EG anerkannt, dass die Kommission die Beweislast für die Wettbewerbsverfälschung trägt. Für einen Nachweis 94 Siehe dazu die historischen Beispiele bei Cremer, Forschungssubventionen, S. 52 ff. 95 So Cremer, Forschungssubventionen, S. 55. 96 Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 192 bezeichnet die Verwertbarkeit allgemeiner Grundlagenforschung als „unwahrscheinlich und zufällig“.

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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der drohenden Wettbewerbsverfälschung durch die Kommission spricht deren Verpflichtung zur Durchführung einer Marktanalyse, die die Marktstruktur, den Marktanteil und die Handelsströme berücksichtigt.97 Allein aus dem Umstand der Förderung eines Unternehmens auf dessen verbesserte Marktsituation und damit auf eine Wettbewerbsverzerrung zu schließen, ist daher nicht möglich. Vielmehr hat im Einzelfall eine vergleichende Betrachtung der Marktsituationen der konkurrierenden Unternehmen vor und nach der Subventionierung stattzufinden. Eine pauschale Einstufung der industriellen Grundlagenforschung als wettbewerbsrelevant kann die notwendige konkrete Marktanalyse daher nicht ersetzen.98 Auch die Ausrichtung der Forschung auf die Erzielung wettbewerbsrelevanter Ergebnisse und das damit einhergehende Bewusstsein der fördernden Stelle vermag den Umstand einer Wettbewerbsverzerrung nicht zu indizieren,99 da nicht die Intention des Beihilfengebers, sondern ausschließlich die Wirkung der Beihilfe entscheidend ist. Es bleibt also bei dem Erfordernis eines Wahrscheinlichkeits- bzw. Prognoseurteils der Kommission, das die „Unwägbarkeit jeder Forschung“100 berücksichtigen muss. Eine Trennung in allgemeine und industrielle Grundlagenforschung und eine daraus resultierende, im Grundsatz unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf das Eingreifen von Art. 87 I EG lässt sich daher nicht rechtfertigen. (b) Auslegung der neuen Definition Im neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen ist die Definition der Grundlagenforschung von der Ausrichtung auf die Forschungsintention abgerückt. Die Grundlagenforschung wird allgemein als experimentelle oder theoretische Arbeit verstanden, die in erster Linie dem Erwerb neuen Grundlagenwissens ohne erkennbare direkte praktische Anwendungsmöglichkeit dient.101 Der Kommerzialisierungsgedanke ist also nicht mehr entscheidend. 97 EuGH Rs. C-296/82, Königreich Niederlande/Kommission, Slg. 1985, 809, 824; EuGH Rs. C-248/84, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4013, 4041; EuGH Rs. C-329/93, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1996 I, 5151, 5218 f.; EuGH Rs. C-457/00, Königreich Belgien/Kommission, Slg. 2003 I, 6931, 6990; EuGH Rs. C-409/00, Königreich Spanien/Kommission (Umweltschutzbeihilfen), Slg. 2003 I, 1487, 1543; EuGH Rs. C-372/97, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2004 I, 3679, 3730. Ebenso: Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 21; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 41, 43; Leisner, EuZW 2006, 648, 650; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 306; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 55 (EL 24, 09/2004). 98 Ebenso Cremer, Forschungssubventionen, S. 58. 99 So aber: Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 192. Er plädiert für eine weniger strenge Auslegung des Tatbestandsmerkmales der drohenden Wettbewerbsverfälschung im Bereich von FuE-Tätigkeit. 100 Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 192. 101 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 9.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

Schon die Definition spricht dafür, dass eine Trennung der Grundlagenforschung in allgemeine und industrielle nicht mehr vorzunehmen ist. Dennoch wird die grundsätzliche Linie der Forschungsarbeit, nämlich die Ausrichtung auf den Wissenserwerb, betont. Aus der Formulierung „ohne erkennbare direkte praktische Bedeutung“ wird ersichtlich, dass nur die Nähe zum Markt und nicht mehr die Intention der Forschungsarbeit über eine Zuordnung der Tätigkeit zur Grundlagenforschung entscheiden soll. Damit werden im Ergebnis die Risiken der Forschungsarbeiten in diesem Bereich, also das Ausbleiben einer späteren kommerziellen Nutzbarkeit trotz entsprechender Zielsetzung, nicht mehr von den Unternehmen getragen. Die Definition eröffnet damit insgesamt einen weiteren Anwendungsbereich als die Vorgängerbestimmungen. Diese Wortlautanalyse wird auch durch die teleologische Auslegung unterstützt. Ziel des neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens ist der Ausbau der Forschungsförderung, um die marktwirtschaftlichen Potenziale der Europäischen Gemeinschaft zu steigern. Dies kann aber nur erreicht werden, wenn auch für Unternehmen im Grundsatz weniger interessante Forschungsgebiete, wie die Grundlagenforschung, in die breite Förderung mit einbezogen werden. Zur Bedeutung der unternehmerischen Grundlagenforschung führt der aktuelle F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen Folgendes aus: „Wenn zusätzliches Grundlagenwissen geschaffen würde, könnte die gesamte Gesellschaft in sämtlichen Wissensbereichen von dem Wissens-Spillover profitieren. Dies erfordert jedoch unter Umständen eine Unterstützung der Unternehmen seitens des Staates. Im Falle der Grundlagenforschung muss er möglicherweise die Aufnahme der Grundlagenforschung durch die Unternehmen in voller Höhe finanzieren.“102 Das Wissen um den gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen der Grundlagenforschung muss daher als Grund für die Erweiterung der Definition begriffen werden. Dies alles lässt auf einen Willen der Kommission schließen, Grundlagenforschung einheitlich zu betrachten. Die Bedenken, die die Vorgängerregelungen auslösten,103 werden dadurch vermieden. (c) Zwischenergebnis Die Trennung in allgemeine und industrielle Grundlagenforschung ist vor dem Hintergrund der umfangreichen Überarbeitung der Begriffsdefinition und der Zielsetzung des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens nicht aufrechtzuerhalten. Es muss daher eine einheitliche rechtliche Handhabung der Grundlagenforschung stattfinden.

102 103

F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Ziele, Punkt 1.3.2., S. 8. Siehe dazu oben: 3. Kap. B.II.2.a)aa)(1)(a).

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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(2) Rechtliche Handhabung der Grundlagenforschung im Rahmen von Art. 87 I EG Früher wurde die Förderung der (allgemeinen) Grundlagenforschung aufgrund einer Regelung im Gemeinschaftsrahmen typischerweise nicht unter das Beihilfenverbot subsumiert.104 Diese Regelvermutung ist mit dem neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen abgeschafft worden. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass die Förderung der Grundlagenforschung nunmehr pauschal unter den Tatbestand des Art. 87 I EG zu subsumieren ist. Die Abschaffung der Regelvermutung ist lediglich die logisch-konsequente Reaktion auf die Aufhebung der Trennung zwischen allgemeiner und industrieller Grundlagenforschung. Letztlich wird durch die Neufassung des Gemeinschaftsrahmens die Prüfungstätigkeit der Kommission in dieser Hinsicht nicht mehr erleichtert. Vielmehr hat sie in jedem Falle eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, um das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des Art. 87 I EG zu bestimmen. Damit wird eine gleichmäßige und nicht diskriminierende Anwendung des Beihilfenverbots gesichert. Durch die Abschaffung der Regelvermutung wird aber die Vorhersehbarkeit der Kommissionsentscheidung begrenzt. Dieser Nachteil muss jedoch vor der erhöhten Einzelfallgerechtigkeit zurücktreten. Problematisch bleibt bei der Beurteilung der Grundlagenforschung im Rahmen von Art. 87 I EG das Merkmal der (drohenden) Wettbewerbsverzerrung. Um eine Wettbewerbsverzerrung feststellen zu können, muss zunächst ein relevanter Markt ermittelt werden.105 In diesem Markt muss ein (potenzielles) Konkurrenzverhältnis bestehen, in das durch die Subventionierung zum Nachteil eines Marktteilnehmers eingegriffen wird.106 Maßnahmen mit nur abstrakter Eignung zur Verfälschung des Wettbewerbes fallen nicht unter Art. 87 I EG.107 Entscheidend ist vielmehr die konkrete Wirkung der mitgliedstaatlichen Zuwendung. Nähme die Kommission ihre Verpflichtung auf einen wirtschaftsorientierteren Prüfungsansatz (more economic approach) ernst, müsste bereits hier eine umfassende Marktanalyse erfolgen.108 Im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen hat die Kommission für die Analyse der Wettbewerbssituation Festlegungen getroffen. Allerdings ergibt sich aus der Systematik des Gemeinschaftsrahmens, dass diese Regelungen erst bei der Abwä104 Vgl. F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1986 (ABl. 1986, Nr. C 83, S. 2) unter 2.2. und 2. der Anlage I; sowie F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1996 (ABl. 1996, Nr. C 45, S. 5) unter 5.2. 105 Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 42. 106 Siehe dazu bereits ausführlich oben: 3. Kap. B.I.2. 107 Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 43. 108 Die intensive Prüfung im Rahmen des Verbotstatbestand des Art. 87 I EG kritisierend: Bartosch, RIW 2007, 681, 683, 687 ff. Für eine Intensivierung der Prüfung: Jaeger, WuW 2008, 1064, 1076.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

gungsentscheidung berücksichtigt werden sollen. Dies ist aufgrund der Bedeutung von Art. 87 I EG für die Fördertätigkeit der Mitgliedstaaten nicht einsichtig. Auch vor dem Hintergrund der Zielsetzung des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens sollte der Kommission daran gelegen sein, durch eine detaillierte Prüfung des Verbotstatbestandes einen Freiraum für die mitgliedstaatliche Beihilfenpraxis zu schaffen.109 Ein Verlust ihrer Prüfungskompetenz und eine unkontrollierte Subventionierungspraxis sind aufgrund der Startverbotsklausel in Art. 88 III EG nicht zu befürchten. Die Mitgliedstaaten werden bei Maßnahmen, deren Beihilfencharakter zweifelhaft ist, aus Gründen der Rechtssicherheit, insbesondere in Hinblick auf die Rückforderungsgefahr, das Notifizierungsverfahren durchlaufen und die Entscheidung der Kommission abwarten.110 Die Kommission hält unter Punkt 7.4. des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens fest, dass FuEuI-Beihilfen sich auf zwei Ebenen auf den Wettbewerb auswirken können. Dies sei zum einen der Innovationsprozess, das heißt der Wettbewerb, der stattfindet, bevor die Produkte auf den Markt gelangen (im Folgenden: Forschungsmarkt). Und zum anderen sei dies der Produktmarkt, das heißt jener Wettbewerb, in dem die Ergebnisse der FuEuI-Tätigkeit genutzt werden. Die Förderung der Grundlagenforschung ist daher nachfolgend auf ihre wettbewerbsverzerrende Wirkung sowohl auf dem Forschungs- als auch auf dem Produktmarkt zu untersuchen. (a) Bei Abstellen auf einen Produktmarkt Im Bereich der Grundlagenforschung lässt sich schon kein relevanter Produktmarkt bestimmen,111 auf dem durch staatliche Zuwendungen eine Verfälschung des Wettbewerbs eintreten könnte. Die Grundlagenforschung schafft erst die Basis für eine spätere Produktentwicklung.112 Die Marktferne der Grundlagenforschung spricht also gegen eine Anwendung des Beihilfenverbots auf dieselbe. Auf der anderen Seite kann die Erlangung von Grundlagenwissen und der daraus resultierende Erkenntnisvorsprung zu einer Verbesserung der Wettbewerbsposition von Unternehmen bis hin zu einer Monopolstellung führen. Es können also unter Umständen Marktzutrittsschranken errichtet werden.113 Diese Auswirkung auf den Markt ist jedoch nur mittelbar, da erst die Umsetzung der 109

Siehe zur Bedeutung dieses Umstandes oben: 3. Kap. B.II.1. Sinnaeve, EuZW 1998, 268, 269; Streinz EUV/EGV – Koenig/Kühling, Art. 88 EG, Rn. 13. 111 Cremer, Forschungssubventionen, S. 56; Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 173. 112 Dies ergibt sich schon aus der Definition der Grundlagenforschung. Ebenso Cremer, Forschungssubventionen, S. 56 f. 113 Vgl. Cremer, Forschungssubventionen. S. 121 f., 126. 110

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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Ergebnisse der Grundlagenforschung zur tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung führt. Aufgrund dieser möglichen Auswirkungen steht die grundsätzliche Wettbewerbsrelevanz der Grundlagenforschung außer Zweifel. Jedoch kann dieser Umstand die Ermittlung eines relevanten Produktmarktes nicht ersetzen.114 Ursache dieser gegensätzlich anmutenden Aussagen ist der Zeitpunkt, zu dem das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des Art. 87 I EG durch die Kommission zu prüfen ist. Aus der Notifizierungspflicht und der Startverbotsklausel des Art. 88 III EG folgt, dass die Kommission ihre Bewertung bei der Einführung neuer Beihilfen vor deren Auszahlung vorzunehmen hat. Ein Abwarten zur Feststellung der tatsächlichen Marktauswirkungen ist mit der geltenden Rechtslage nicht vereinbar.115 Daher ist von der Kommission ein Wahrscheinlichkeits- oder Prognoseurteil bezüglich der Wettbewerbsverfälschung zu treffen. Sie muss dabei abschätzen, ob eine Wettbewerbsverzerrung droht. Vor dem Hintergrund der Zielrichtung des Beihilfenaufsichtsrechts und auf Basis der bisherigen Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass an den Begriff der „drohenden“ Verfälschung nicht zu hohe Anforderungen zu stellen sind.116 Dass die Kommission von einer großzügigen Auslegung der „drohenden Wettbewerbsverfälschung“ ausgeht, lässt sich auch dem Gemeinschaftsrahmen indirekt entnehmen. In diesem geht die Kommission davon aus, dass FuEuI-Beihilfen in erster Linie aus den in Art. 87 III lit. b, lit. c EG genannten Gründen zu rechtfertigen seien.117 Diese Aussage stellt die Kommission auch im Zusammenhang mit der Grundlagenforschung auf, ohne sie direkt auf jene zu beziehen.118 Einen Leitfaden für die Erstellung dieses Wahrscheinlichkeitsurteils gibt der Gemeinschaftsrahmen nur in begrenztem Maße. Unter Punkt 7.4. stellt die Kommission fest, dass die Auswirkungen von Forschung, Entwicklung und Innovation auf die Produktmärkte weitgehend dynamisch seien, weshalb die Analyse in die Zukunft gerichtet sein müsse. Als typische Auswirkungen von FuEuI-Beihilfen auf die Produktmärkte werden drei Konstellationen benannt. Dies seien: die Verzerrung der dynamischen Innovationsanreize für die Marktteilnehmer (Verdrängungseffekt), die Schaffung oder Aufrechterhaltung von Marktmacht und die Festigung ineffizienter Marktstrukturen. Auch wenn die Umsetzung der Erkenntnisse aus dem Bereich der Grundlageforschung in eine Monopolstellung münden kann und damit eine der typischen Auswirkungen der staatlichen Fördertätigkeit verifiziert werden kann, sind staatliche Zuwendungen für die Grundlagenforschung nicht dem Anwendungsbereich des Art. 87 I EG 114

Cremer, Forschungssubventionen, S. 57. Cremer, Forschungssubventionen, S. 62. 116 Cremer, EWS 1996, 379, 383; Cremer, Forschungssubventionen, S. 71 ff.; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 21. 117 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 4. 118 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 11. 115

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

zu unterwerfen. Ohne einen identifizierbaren Konkurrentenkreis hilft auch ein großzügiges Prognoseurteil nicht. Eine sicher zu prognostizierende oder gar aktuelle Veränderung der Konkurrenzlage auf dem Gütermarkt wird durch eine Beihilfe in diesem Bereich jedenfalls nicht verursacht, so dass auch keine durch sie hervorgerufene Wettbewerbsverfälschung i. S. von Art. 87 I EG vorliegt.119 (b) Bei Abstellen auf einen Forschungsmarkt Damit muss nunmehr danach gefragt werden, ob neben dem Produktmarkt ein eigenständiger Forschungsmarkt existiert. In diesen könnte durch eine staatliche Förderung verfälschend eingegriffen werden. Von dem Vorhandensein eines Forschungsmarktes geht der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen aus.120 Vor allem im Bereich der Hochtechnologie ist die Lizenzierung von Forschungsergebnissen üblich. Lizenzen und andere geistige Eigentumsrechte sind anschließend selbstständig handelbar. In diesen Fällen kann die Kommission auch die Auswirkungen der Beihilfe auf den Wettbewerb in diesen Märkten in Betracht ziehen.121 Das teilweise vorgeschlagene Abstellen auf einen „sachlich relevanten Forschungsmarkt“122 muss im Bereich der Grundlagenforschung aus rein faktischen Gründen fehlgehen. Die Bestimmung eines Forschungsmarktes gestaltet sich nämlich nicht weniger problematisch als die Bestimmung eines Produktmarktes, auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei der Forschung um ein Gut wie jedes andere handelt, das nach Maßgabe der Marktbedürfnisse produziert werden kann.123 Zum einen ist zu berücksichtigen, dass Ergebnisse der Grundlagenforschung aufgrund der sachlichen Begrenztheit des Patentschutzes nur selten durch geistige Eigentumsrechte gesichert und damit zu einem handelbaren Gut gemacht werden können.124 Zum anderen müssten die Einrichtungen bestimmt werden, die als potenzielle Konkurrenten des geförderten Unternehmens erscheinen. Diese müssten willens und in der Lage sein, die gleiche Forschungsleistung zu erbringen. Eine solche Bereitschaft werden die Unternehmen nur höchst selten erklären, da sie zu viele interne Informationen enthielte. Der (sachlich relevante) Forschungsmarkt ist also als völlig in119

Cremer, Forschungssubventionen S. 67. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 7.4., S. 22. 121 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 7.4., S. 22. 122 Cremer, Forschungssubventionen, S. 58 ff. 123 Vgl. König, Grundlagen der staatlichen Forschungsförderung, S. 47 f. 124 Der Patentschutz beschränkt sich nur auf technisch anwendbare Erfindungen (§ 1 PatG). Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 30 f.; König, Grundlagen der staatlichen Forschungsförderung, S. 49; Dähne, Forschung zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsfreiheit, S. 366. Zur Sicherung durch geistige Eigentumsrechte: König, Grundlagen der staatlichen Forschungsförderung, S. 48 f. 120

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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transparent zu beschreiben.125 Damit kann auch die Ersparnis von Aufwendungen, die (potenzielle) Konkurrenten zu tragen haben, nicht Anknüpfungspunkt für eine Wettbewerbsverzerrung sein. Außer in Bereichen, in denen bereits das Grundlagenwissen durch Patentierung und Lizenzierung handelbar gemacht werden kann, kann auch unter dem Betrachtungswinkel eines Forschungsmarktes die Förderung der Grundlagenforschung nicht als wettbewerbsverzerrende Beihilfe eingestuft werden. (c) Ergebnis Im Ergebnis wird eine Subventionierung der Grundlagenforschung aufgrund ihrer Marktferne im Regelfall nicht unter Art. 87 I EG subsumierbar sein.126 Zuwendungen im Bereich der Grundlagenforschung sind daher grundsätzlich unabhängig vom Empfänger ohne eine Legitimation durch die Kommission möglich. Allerdings kann der Kommission im Einzelfall der Nachweis eines entsprechenden Produkt- oder Forschungsmarktes gelingen, so dass Art. 87 I EG anwendbar ist. Dass die Kommission davon ausgeht, einen entsprechenden Markt im Einzelfall nachweisen zu können, zeigen auch die Regelungen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens über die Höchtsfördergrenzen im Bereich der Grundlagenforschung.127 Wäre das wettbewerbsverzerrende Potenzial der Grundlagenforschung immer auszuschließen, dann wären diese Regelungen überflüssig. Selbst wenn der Kommission ein entsprechender Nachweis gelingt, ist die finanzielle Auswirkung für die forschende Einrichtung gering. Für die Grundlagenforschung ist unabhängig vom Forschungssubjekt eine zulässige Höchstförderung von bis zu 100% vorgesehen.128 Diese Festlegung kann als Spiegelbild der Selbstverpflichtung der Europäischen Gemeinschaften in Art. 163 I EG zur Förderung der wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen begriffen werden. Zu unterstützen ist danach bei der gemeinschaftseigenen Beihilfenvergabe insbesondere die Grundlagenforschung.129 Gravierender sind die faktischen Auswirkungen bei einer Erfassung staatlicher Förderung der Grundlagenforschung durch Art. 87 I EG. Aufgrund der 125

Ebenso: Cremer, Forschungssubventionen, S. 59. Dauses – Götz/Martínez Soria, Teil H.III., Rn. 161; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 51 gehen davon aus, dass die Grundlagenforschung aufgrund ihrer Marktferne nie (!) dem Anwendungsbereich des Art. 87 I EG unterfällt. 127 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 13, 14. 128 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 21, 24. Eine 100%ige Förderung für die durch Unternehmen durchgeführte Grundlagenforschung sah der F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1996 unter 5.2. vor. 129 Callies/Ruffert – Kallmayer, Art. 163 EG, Rn. 7; Streinz EUV/EGV – Trute, Art. 163 EG, Rn. 14. 126

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

dann zwingend notwendigen Notifizierung der Maßnahme tritt nicht nur eine zeitliche Verzögerung ein. Die – wenn auch beschränkte – Öffentlichkeit des Prüfverfahrens ermöglicht Außenstehenden Einblicke in die geplante Forschungstätigkeit von Unternehmen. Hergestellt wird die Öffentlichkeit dabei spätestens mit der Bekanntgabe der abschließenden Entscheidung der Kommission im Amtsblatt. Sie kann aber auch schon durch die Beteiligung anderer Marktteilnehmer in Form von Stellungnahmen herbeigeführt werden.130 Dies zeigt die Sensibilität der Forschungstätigkeit von Unternehmen im Allgemeinen. Speziell im Bereich der Grundlagenforschung, die aufgrund ihrer Marktferne schon eine geringere Attraktivität für Unternehmen besitzt, kann durch eine übermäßige Kontrolltätigkeit der Kommission Forschung verhindert werden. Auch diese praktische Erwägung spricht dafür, die Förderung von Grundlagenforschung nur in sehr begrenztem Rahmen dem Verbotstatbestand des Art. 87 I EG zu unterwerfen. bb) Industrielle Forschung Die industrielle Forschung „bezeichnet planmäßiges Forschen oder kritisches Erforschen zur Gewinnung neuer Kenntnisse und Fertigkeiten mit dem Ziel, neue Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen zu entwickeln oder zur Verwirklichung erheblicher Verbesserungen bei bestehenden Produkten, Verfahren oder Dienstleistungen nutzen zu können. Hierzu zählt auch die Schöpfung von Teilen komplexer Systeme, die für die industrielle Forschung und insbesondere für die Validierung von technologischen Grundlagen notwendig sind.“131 Abgeschlossen wird diese Forschungsphase in der Regel mit der Fertigung eines Prototyps, der aber nicht kommerziell nutzbar sein darf. Das Verbot der Kommerzialisierbarkeit lässt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Definition der industriellen Forschung ableiten. Dieser Umstand ergibt sich vor allem aus einem Umkehrschluss zur Definition der experimentellen Entwicklung, die explizit kommerziell nutzbare Prototypen erfasst.132 Basis der industriellen Forschung sind die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung, die auf eine industrielle bzw. unternehmerische Nutzbarkeit hindeuten. Damit weist sie eine größere Marknähe auf als die ihr vorausgehende Grundlagenforschung. Der Unterschied in der Nähe zum Markt hat vor allem Auswirkungen auf die mögliche Eignung von Beihilfen zur Wettbewerbsverzerrung. Die Kommission ist aufgrund einer fehlenden Regelvermutung im Gemeinschaftsrahmen gehalten, die Auswirkungen auf den Markt im Einzelfall festzustellen. Dabei können bezüglich der (drohenden) Wettbewerbsverzerrung 130 Zu den Beteiligungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten von Konkurrenten siehe nur: Soltész, EuZW 2001, 202 ff. 131 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 15. 132 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 15.

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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die gleichen Probleme auftreten wie im Bereich der Grundlagenforschung. Auch bei der industriellen Forschung ist das Ergebnis in der Regel kein fertiges Produkt. Allerdings dürfte es im Rahmen der abstrakten Wahrscheinlichkeitsprognose aufgrund der größeren Marktnähe der industriellen Forschung (gegenüber der Grundlagenforschung) einfacher sein, zumindest einen Forschungsmarkt zu bestimmen. Dies liegt daran, dass diese Forschungstätigkeit für Unternehmen attraktiver und mit weniger Risiken bezüglich der Verwertbarkeit der Ergebnisse verbunden ist, als bei der Grundlagenforschung.133 Die Attraktivität resultiert daraus, dass die Ergebnisse aufgrund ihrer Ausrichtung auf spezifische Produkte oder Verfahren zum Teil nur dem forschenden Unternehmen selbst nützen,134 so dass aus der Forschungstätigkeit ein unmittelbarer Wettbewerbsvorteil resultiert. Auf der anderen Seite können die Fragestellungen bei einem Projekt der industriellen Forschung auch für eine gesamte Branche oder einen Produktionszweig so richtungsweisend sein, dass die Wahrscheinlichkeit konkurrierend forschender Unternehmen steigt. Als Beispiel kann hier die Nutzbarmachung von Wasserstoff als Antriebsmittel für Kraftfahrzeuge genannt werden. Aufgrund ihrer relativen Marktnähe wird die industrielle Forschung daher regelmäßig dem Verbotstatbestand des Art. 87 I EG unterfallen. Dieser Befund wird auch durch einen Vergleich mit der Vorgängerregelung bestätigt. Die industrielle Forschung wurde unter Geltung des F-&E-Gemeinschaftsrahmens von 1996 als stets vom Verbotstatbestand des Art. 87 I EG erfasst angesehen. Dies war zwar nicht explizit im Wortlaut des Gemeinschaftsrahmens festgelegt, sollte aber aus dem Umkehrschluss zur eindeutigen Ausnahme der allgemeinen Grundlagenforschung aus dem Anwendungsbereich des Art. 87 I EG folgen.135 Da allerdings bereits die Grundlagenforschung im aktuellen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen nicht mehr pauschal von Art. 87 I EG ausgenommen wird, ist dieser Umkehrschluss nicht mehr möglich. Im Ergebnis wirkt sich die Wortlautänderung im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen auf diese Einschätzung aber nicht aus. Gezogen werden kann dieser Schluss immer noch aus den zulässigen Höchstförderungsbeiträgen, die der Marknähe der Forschungsaktivität und damit dem wettbewerblichen Verzerrungspotenzial der Zuwendung Rechnung tragen. Gestützt wird dieser Befund auch durch die Nennung der industriellen Forschung bei den Regelungen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens über die Anwendung von Art. 87 III EG.136 Hier kann speziell die Regelung über die Beihilfe für 133

Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 193. König, Grundlagen der staatlichen Forschungsförderung, S. 52. 135 Cremer, EWS 1996, 379, 381; Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 193. 136 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 21. Vgl. für den F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1996: Cremer, EWS, 1996, 379, 381; für den F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1986: Cremer, Forschungssubventionen, S. 39. 134

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

technische Durchführbarkeitsstudien herangezogen werden. Nach Punkt 5.2. des aktuellen Gemeinschaftsrahmens findet auf solche Durchführbarkeitsstudien, die im Vorfeld der industriellen oder experimentellen Forschung stattfinden, Art. 87 III lit. c EG Anwendung. Die Anwendung von Art. 87 III EG setzt aber voraus, dass Art. 87 I EG anwendbar ist.137 Wenn die Anwendbarkeit des Beihilfenverbotstatbestandes schon bei Studien im Vorfeld der industriellen Forschung angenommen wird, dann muss dies erst recht für die industrielle Forschung selbst gelten. Es ist also davon auszugehen, dass staatliche Förderungen im Bereich der industriellen Forschung in der Regel dem Anwendungsbereich des Art. 87 I EG unterfallen. cc) Experimentelle Entwicklung Experimentelle Entwicklung ist die Forschungs- bzw. Entwicklungsstufe mit der größten Marktnähe. Der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen definiert sie wie folgt: „Experimentelle Entwicklung bezeichnet den Erwerb, die Kombination, die Formung und die Verwendung vorhandener wissenschaftlicher, technischer, wirtschaftlicher und sonstiger einschlägiger Kenntnisse und Fertigkeiten zur Erarbeitung von Plänen und Vorkehrungen oder Konzepte für neue, veränderte oder verbesserte Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen. Dazu zählen auch beispielsweise andere Tätigkeiten zur Definition, Planung und Dokumentation neuer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen sowie auch die Erstellung von Entwürfen, Zeichnungen und Plänen und anderem Dokumentationsmaterial, soweit dieses nicht für gewerbliche Zwecke bestimmt ist. Die Entwicklung von kommerziell nutzbaren Prototypen oder Pilotprojekten ist ebenfalls eingeschlossen, wenn es sich bei dem Prototyp notwendigerweise um das kommerzielle Endprodukt handelt und seine Herstellung allein für Demonstrationsund Auswertungszwecke zu teuer wäre. Bei einer anschließenden kommerziellen Nutzung von Demonstrations- oder Pilotprojekten sind die daraus erzielten Einnahmen von den förderbaren Kosten abzuziehen. Die experimentelle Produktion und Erprobung von Produkten, Verfahren und Dienstleistungen ist ebenfalls beihilfefähig, soweit sie nicht in industrielle Anwendungen oder kommerziell genutzt oder für solche Zwecke umgewandelt werden können. Experimentelle Entwicklung umfasst keine routinemäßigen oder regelmäßigen Änderungen an Produkten, Produktionslinien, Produktionsverfahren, bestehenden Dienstleistungen oder anderen laufenden betrieblichen Prozessen, selbst wenn diese Änderungen Verbesserungen darstellen sollten.“138

137 138

Cremer, EWS 1996, 379, 381. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 15.

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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Der Begriff der experimentellen Entwicklung löst den der vorwettbewerblichen Entwicklung ab. Die Neuausrichtung der Begrifflichkeit ist dabei nicht nur redaktioneller Art, sondern auch mit inhaltlichen Auswirkungen verbunden. Auf Basis des F-&E-Gemeinschaftsrahmens von 1996 war es nicht möglich, staatliche Beihilfen für Tätigkeiten zu vergeben, die über die Entwicklung eines ersten Prototyps hinausgingen.139 Dies wurde, wie die Definition zeigt, geändert. Experimentelle Entwicklung ermöglicht nunmehr unmittelbar eine Verwertung der FuE-Ergebnisse auf dem Markt. Eine Förderung in diesem Bereich führt daher unweigerlich zu einer Wettbewerbs- und Handelsverzerrung.140 Der kommerzielle Aspekt und damit auch die Gefahr für den Wettbewerb sind nicht von der Hand zu weisen.141 Vor allem die Bedeutung von Prototypen und von Demonstrations- und Pilotprojekten für die Auswirkungen auf die gemeinschaftliche Wettbewerbssituation hat das Europäische Gericht erster Instanz bestätigt. Nach Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Auswirkungen der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit eines Unternehmens z. B. auf technologischem Gebiet den Wettbewerb umso mehr beeinträchtigen könnten, je mehr sich diese Tätigkeit der Stufe der Vermarktung und damit der kommerziellen Nutzung annäherte. Weiter stehe fest, dass die Verwirklichung von Pilot- und Demonstrationsprojekten im Allgemeinen die letzte Stufe des Forschungs- und Entwicklungsprozesses darstelle, die der industriellen Umsetzung der Ergebnisse dieser Forschung im größtmöglichen Maßstab vorausgehe.142 Eine Förderung im Bereich der experimentellen Entwicklung wird mithin immer die notwendige drohende Wettbewerbsverfälschung aufweisen. Sie ist daher unter den Verbotstatbestand des Art. 87 I EG zu subsumieren. b) Die Innovationsarten und ihre rechtliche Bewertung vor Art. 87 I EG Die Aufnahme von Innovationstätigkeit in den Anwendungsbereich des F-&E&I-Gemeinschaftsrahmens stellt eine der größten Neuerungen gegenüber der Vorgängerregelung dar.143 Die Bedeutung der Innovation für den Wirtschaftsraum Europa war schon bei der Vorgängerregelung bekannt, auch wenn bisher die Förderung von Innovationstätigkeit explizit vom Gemeinschaftsrahmen ausgenommen war, wenn die Neuerung nicht auch unter eine der Forschungs- und Entwicklungsstufen subsumiert werden konnte.144 Im Gemeinschaftsrahmen für 139 Mitteilung der Kommission, Konsultationspapier zu staatlichen Innovationsbeihilfen, KOM(2005) 436 endgültig, S. 13, Rn. 46. 140 Der Wortlaut des F-&E-Gemeinschaftsrahmens 1996 sprach unter Punkt 5.1. noch von einer „eher“ verursachten Wettbewerbsverzerrung. 141 Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 194. 142 EuG Rs. T-184/97, BP Chemicals Ltd., Slg. 2000 II, 3145, 3170 f. 143 Frenz/Kühl, EuZW 2007, 172. 144 Vgl. F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1996 unter Punkt 2.3., S. 7.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

staatliche Umweltbeihilfen von 1994 gab es bereits Regelungen für sog. Innovationsbeihilfen.145 Eine explizite Innovationsförderung wurde bisher also nur bereichsspezifisch zugelassen. Die Innovationstätigkeit wird unter Geltung des neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens in breiter Front einbezogen, wobei aber weiterhin nicht ausgeschlossen wird, dass Innovationstätigkeit, vor allem Prozess- und Betriebsinnovationen im Dienstleistungssektor, unter eine der Forschungskategorien subsumiert werden kann.146 Ist dies der Fall, dann richtet sich die rechtliche Handhabung nach den für diese Kategorie geltenden Bestimmungen.147 Innovation im Allgemeinen ist nach dem Verständnis der Kommission „ein Prozess, bei dem Wissen und Technologie nicht ohne ein gewisses Risiko mit der Nutzung von Marktchancen für neue oder verbesserte Produkte, Dienstleistungen oder Verfahrensabläufe (im Vergleich zu den bereits am Markt vorhandenen) kombiniert werden“.148 Nunmehr sind zwei Arten der Innovationstätigkeit zu unterscheiden: die Prozessinnovationen und die betrieblichen Innovationen. Die Qualifizierung als Prozess- oder Betriebsinnovation ist an strenge Voraussetzungen geknüpft.149 Beide Formen kennen Ausschlusstatbestände. Diese Ausschlüsse sind auch notwendig, da die Innovationstätigkeit durch eine besondere Marktnähe gekennzeichnet ist und daher nicht nur unmaßgebliche Veränderungen förderungswürdig erscheinen.150 Unter Prozessinnovation ist „die Umsetzung einer neuen oder wesentlich verbesserten Produktions- oder Liefermethode (einschließlich wesentlicher Änderungen in den Techniken, Ausrüstungen und/oder der Software) zu verstehen.“151 Ausdrücklich ausgenommen werden durch den F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen geringfügige Änderungen oder Verbesserungen, Steigerungen der Produktions- oder Dienstleistungsfähigkeiten durch die Hinzufügung von Herstellungs- oder Logistiksystemen, die den bereits verwendeten sehr ähnlich sind, Einstellung der Anwendung eines Prozesses, die einfache Kapitalersetzung oder -erweiterung, Änderungen, die sich ausschließlich aus veränderten Faktorpreisen ergeben, die Kundenausrichtung, regelmäßige jahreszeitliche oder sonstige zyk-

145 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltbeihilfen veröffentlicht in: ABl. 1994 Nr. C 72, S. 3. Siehe auch: Brenner, Innovationssteuerung in Europa, S. 375. 146 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.5., S. 16. 147 Siehe dazu bereits oben: 3. Kap. B.II.2.a). 148 Mitteilung der Kommission, Konsultationspapier für staatliche Innovationsbeihilfen, KOM(2005) 436 endgültig, S. 3, Rn. 1. Siehe zur Entwicklung und den unterschiedlichen Dimensionen des Innovationsbegriffs: Hauschildt, Facetten des Innovationsbegriffs, S. 29 ff. 149 Frenz/Kühl, EuZW 2007, 172, 173. 150 Vgl. Mitteilung der Kommission, Konsultationspapier zu staatlichen Innovationsbeihilfen, KOM(2005) 436 endgültig, S. 7, Rn. 22. 151 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 10.

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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lische Veränderungen, Handel mit neuen oder wesentlich veränderten Produkten. „Betriebliche Innovation bedeutet die Umsetzung neuer betrieblicher Verfahren in den Geschäftspraktiken, den Arbeitsabläufen oder Außenbeziehungen eines Unternehmens.“152 Ausgenommen sind auch hier Änderungen in den Geschäftspraktiken, den Arbeitsabläufen oder Außenbeziehungen, die auf der bereits in dem Unternehmen bestehenden betrieblichen Praxis beruhen, Änderungen in der Geschäftsstrategie, Fusionen und Übernahmen, Einstellungen eines Arbeitsablaufs, die einfache Ersetzung oder Erweiterung von Kapital, Änderungen, die sich allein auf Veränderungen bei den Faktorpreisen ergeben, Kundenausrichtung, regelmäßige jahreszeitliche und sonstige zyklische Veränderungen, der Handel mit neuen oder erheblich verbesserten Produkten. Damit wird der Anwendungsbereich der Innovationstätigkeiten bewusst eng gefasst. Diese Begrenzung ist vor der Zielsetzung des Beihilfenrechts – einen möglichst unverfälschten Wettbewerb zu garantieren – zwingend notwendig. Denn Verbesserungen und Neuerungen bei Arbeits- und Produktionsabläufen haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Preisgestaltung und die Absatzfähigkeit von Produkten. Werden solche Innovationen gefördert, erhält ein Unternehmen einen direkten Wettbewerbsvorteil. Daneben ist für das potenzielle Ausmaß der Wettbewerbsverzerrung die Marktmacht des Begünstigten zu berücksichtigen.153 Daher geht auch die Kommission im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen davon aus, dass staatliche Zuwendungen für Innovationstätigkeit regelmäßig unter Art. 87 I EG fallen. Dies kann aus den umfangreichen Regelungen zur Anwendung des Ausnahmetatbestandes des Art. 87 III lit. c EG auf jegliche Förderung unabhängig von der Art der Innovationen gefolgert werden.154 Hinzu kommt, dass eine intensive Beschäftigung mit der Förderung von Innovationstätigkeit im Rahmen des neuen Abwägungsprogramms bereits bei vergleichsweise geringen Förderungsbeträgen zu erfolgen hat. Auch dies lässt auf eine besondere Eignung zur Wettbewerbsverzerrung schließen.155 c) Die unterschiedlichen Forschungs- und Innovationssubjekte Probleme bezüglich der Einordnung von staatlichen Zuwendungen im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation als Beihilfen nach Art. 87 I EG 152

F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 10. Vgl. Mitteilung der Kommission, Konsultationspapier zu staatlichen Innovationsbeihilfen, KOM(2005) 436 endgültig, S. 7, Rn. 23. 154 Vgl. hierzu die Regelungen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.4. bis Punkt 5.6., S. 16 f. 155 Ebenso: Frenz/Kühl, EuZW 2007, 172, 174. 153

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

treten auch im Hinblick auf den Beihilfenempfänger auf. Beihilfenempfänger können nicht nur Unternehmen sein, sondern auch Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen. Zudem wurden mit dem neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen neue Kategorien von potenziellen Beihilfenempfängern eingeführt: Die Innovationskerne und die jungen, innovativen Unternehmen. Während bei der Förderung unternehmerischer Forschungstätigkeit keine weiteren Probleme entstehen, sondern diese entsprechend den obigen Ausführungen je nach getätigter Forschungs- oder Entwicklungsarbeit von Art. 87 I EG erfasst werden, sind bei der Förderung von Forschungseinrichtungen und Innovationskernen Besonderheiten zu beachten. aa) Einrichtungen der Forschung und Wissenschaft Art. 87 I EG definiert als potenzielle Beihilfenempfänger „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“. Vor allem wenn Universitäten oder andere öffentliche Forschungseinrichtungen Begünstigte aus einer staatlichen Zuwendung sind, kann eine Subsumtion unter die genannten Tatbestandsmerkmale schwierig oder gar ausgeschlossen sein. Zur Bewältigung der dadurch entstehenden Probleme liefert der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen Auslegungshilfen bzw. konkretisiert die tatbestandlichen Voraussetzungen. Der Begriff der Forschungseinrichtung bezeichnet nach dem Verständnis des Gemeinschaftsrahmens Einrichtungen wie Hochschulen oder Forschungsinstitute unabhängig von ihrer Rechtsform (öffentlich oder privatrechtlich) oder Finanzierungsweise, deren Hauptaufgabe in Tätigkeiten der Grundlagenforschung, industrieller Forschung und experimenteller Entwicklung besteht und die deren Ergebnisse durch Lehre, Veröffentlichung und Technologietransfer verbreiten. Bedingung ist weiterhin, dass sämtliche Einnahmen in die Forschung, die Verbreitung von Forschungsergebnissen oder die Lehre reinvestiert werden.156 Forschungseinrichtungen können in zweierlei Hinsicht mit dem Beihilfenrecht in Kontakt kommen. Sie können sowohl Beihilfenempfänger als auch Beihilfengeber sein. Als Beihilfenempfänger sind Forschungseinrichtungen dann zu qualifizieren, wenn sie für ihre Tätigkeit Zuwendungen erhalten und diese Leistungen zugleich am Markt anbieten. Beihilfengeber sind sie, wenn sie selbst Liefer- und Dienstleistungsaufträge an Unternehmen vergeben oder im Rahmen von Kooperationsverhältnissen ihre Ausstattung Unternehmen zur Verfügung stellen. Vor allem die Hochschulen nehmen hier eine Zwitterposition ein.157

156 157

Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 14 f. Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171, 172.

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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(1) Forschungseinrichtungen als Beihilfenempfänger Im Rahmen der Diskussion über die Anwendung des Beihilfentatbestandes des Art. 87 I EG auf die Forschungsförderung liegt ein Schwerpunkt auf der Behandlung von Forschungsinstituten als Beihilfenempfänger. Zum Teil wird diesen Instituten pauschal die Eignung als tauglicher Beihilfenempfänger im Sinne von Art. 87 I EG abgesprochen. Sie seien keine bestimmten Unternehmen oder bestimmte Produktionszweige,158 da ihre Ausrichtung nicht primär ökonomischer, gewinnorientierter Natur sei.159 Eine Förderung von Forschungseinrichtungen sei daher aus dem Anwendungsbereich von Art. 87 I EG auszuscheiden.160 Da vom Unternehmensbegriff alle natürlichen und juristischen Personen des öffentlichen und des privaten Rechts (mit Ausnahme der Privathaushalte) erfasst werden, die ihre Dienstleistungen oder Waren auf einem Markt anbieten,161 kann ein pauschaler Ausschluss der Universitäten und sonstiger Forschungseinrichtungen nicht erfolgen. Vielmehr ist im Einzelfall darauf abzustellen, ob die Forschungsergebnisse am Markt angeboten werden oder nicht.162 Es ist also jeweils zu untersuchen, ob die Forschungseinrichtung sich wirtschaftlich betätigt oder nicht. Dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation lässt sich entnehmen, dass die Unterstützung von Universitäten nicht grundsätzlich unter den Beihilfentatbestand fällt. Vielmehr wird auf den differenzierenden Ansatz zur Bestimmung der Unternehmereigenschaft von Forschungseinrichtungen verwiesen.163 Diese Herangehensweise wurde auch vom EuGH bestätigt.164 Um die wirkungsvolle Anwendung des 158 So Cremer, Forschungssubventionen, S. 40. Zum fehlenden Willen des Gesetzgebers, Einrichtungen der Forschung und Wissenschaft als Unternehmen oder Produktionszweig zu verstehen: Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 295. 159 Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 295. 160 Die Nichtanwendung des Art. 87 I EG auf die Förderung von FuE-Tätigkeit formulierte als Grundsatz noch der alte Gemeinschaftsrahmen unter 2.4. (ABl. 1996, Nr. C 45, S. 7). Auch dieser ließ aber im Einzelfall eine andere Bewertung zu. 161 EuGH Rs. C-118/85, Kommission/Italienische Republik, Slg. 1987, 2599, 2621; EuGH Rs. C-35/96, Kommission/Italienische Republik, Slg. 1998 I, 3851, 3895 f.; EuGH Rs. C-309/99, J.C.J. Wouters, Slg. 2002 I, 1577, 1676; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 16; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 31; Koenig/ Kühling, NJW 2000, 1065, 1068; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 294; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 43 (EL 24, 09/2004). 162 Ebenso: Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 179; Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 297; Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171, 172; Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 130. Allgemein zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit einer Tätigkeit: Boysen/Neukirchen, Europäisches Beihilfenrecht und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 109 ff. 163 Siehe dazu die Ausführungen im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 17. 164 EuGH Rs. C-118/85, Kommission/Italienische Republik, Slg. 1987, 2599, 2621. Unter Bezugnahme auf die Erfüllung eines sozialen Zwecks durch öffentliche Einrichtungen: EuGH Rs. C-355/00, Freskot AE/Elliniko Dimosio, Slg. 2003 I, 5263, 5314.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

Beihilfenrechts und damit die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes ohne Wettbewerbsverzerrung zu gewährleisten, verbietet sich daher jede pauschale Betrachtung. (a) Beihilfenrechtlich nicht relevante Förderung Beihilfenrechtlich irrelevant ist also die Förderung nicht wirtschaftlicher Tätigkeiten von Forschungseinrichtungen. Zu klären ist daher, welche Tätigkeiten als nicht wirtschaftlich einzustufen sind. Die Kommission hat im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen klargestellt, dass sie die wesentlichen Tätigkeiten der Forschungseinrichtungen als nicht wirtschaftlich betrachtet. Dies seien neben der Ausbildung von mehr und besser qualifizierten Humanressourcen auch die unabhängige Forschung und Entwicklung, auch im Verbund, zur Erweiterung des Wissens und des Verständnisses sowie die Verbreitung der Forschungsergebnisse.165 Erfasst werden also vor allem diejenigen Tätigkeiten, die in den Bereich fallen, der mit der Bereitstellung „öffentlicher Güter“ umschrieben werden kann.166 Öffentliche Güter sind in diesem Sinne die Primäraufgaben der Universitäten, also Forschung und Lehre. Eine staatliche Unterstützung bei diesen Tätigkeiten kann daher nicht als Beihilfe betrachtet werden und ist somit aus dem Anwendungsbereich von Art. 87 I EG auszuscheiden.167 Damit wird nämlich keine wirtschaftliche Tätigkeit gefördert, sondern ein Teil zur staatlichen Daseinsvorsorge beigetragen.168 (b) Beihilferechtlich relevante Forschungsförderung Beihilfenrechtlich relevant ist hingegen die Förderung von Forschungseinrichtungen, wenn deren Tätigkeit als wirtschaftlich zu betrachten ist, sich die Forschungseinrichtung also wie jeder andere Marktteilnehmer verhält. Forschungseinrichtungen treten zunehmend als Erbringer von Leistungen am Markt auf, indem sie Gutachtertätigkeiten, Beratungsfunktionen und Forschungsund Entwicklungsleistungen (Drittmittelforschung) gegen Entgelt für Dritte erbringen.169 Dabei wird auch auf Ausstattungsgegenstände zurückgegriffen, die

165

F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 17. Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 295. 167 Ebenso: Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 130; Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171, 173. 168 Zur Problematik der Erfassung von staatlichen Zuwendungen im Bereich der Daseinsvorsorge siehe: Koenig, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 375 ff.; Rüfner, Daseinsvorsorge in Deutschland, S. 423 ff. 169 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 18; Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171. 166

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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der Forschungseinrichtung aus staatlichen Mitteln zur Verfügung gestellt wurden, um ihre öffentlichen Aufgaben zu erfüllen. Durch die Nutzung des Inventars können seitens der Forschungseinrichtung also Aufwendungen erspart werden, die ein sonstiger Marktteilnehmer üblicherweise aufwenden müsste. Um ein Unterfallen unter den Beihilfentatbestand des Art. 87 I EG zu verhindern, müsste die Forschungseinrichtung den erzielten Vorteil an den Staat zurückzahlen.170 Da die Ausstattung der öffentlichen Forschungseinrichtungen eine staatliche Maßnahme im Bereich der Daseinsvorsorge ist, kollidiert diese Forderung mit der Verpflichtung des Staates, für eine Grundausstattung zu sorgen. Auf dieses Problem geht der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 3.1.2. ein, indem er die Voraussetzung formuliert, unter der nicht die Forschungseinrichtung selbst, sondern der Empfänger der Forschungsleistung als Beihilfenempfänger zu gelten hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Forschungseinrichtung nachweisen kann, dass sie den staatlicherseits erlangten Vorteil komplett an den Endempfänger der Leistung weitergegeben hat und selbst keinen Vorteil aus der staatlichen Zuwendung gezogen hat. Wie dies gelingen soll, ist dem F-&E-&IGemeinschaftsrahmen jedoch nicht zu entnehmen. Denkbar wäre der Nachweis über den zugrunde liegenden Vertrag, der dann entsprechende Aussagen enthalten müsste, oder über einen Ausweis in der Rechnungslegung. Der Rechnungsansatz könnte z. B. „Abzug für staatliche Zuwendungen“ heißen. (2) Forschungseinrichtungen als Beihilfengeber Im Zusammenhang mit Forschungskooperationen und Drittmittelforschung werden Forschungseinrichtungen von der Kommission vor allem als mögliche Beihilfengeber eingestuft. Über diese Konstruktion vermeidet es die Kommission, die Mittelausstattung von Forschungseinrichtungen (v. a. von Universitäten) generell dem Beihilfenrecht und damit einer Überprüfung zu unterwerfen.171 Die Beihilfenvergabe ist bei Kooperationsverhältnissen und Auftragsforschung dann als mittelbar einzustufen. Sie resultiert aus der Nutzung der Ausstattung der Forschungseinrichtung durch die Unternehmen. Das Unternehmen selbst braucht die nötige „Infrastruktur“ nicht anzuschaffen, kann aber dennoch von ihr Gebrauch machen und schließlich aus den Forschungsergebnissen Nutzen ziehen.172 Da die Forschungseinrichtungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts selbst Teil des Staates sind oder über den staatlichen Einfluss diesem zugerech170

Ebenso: Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171 f. Siehe dazu: Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 296 f. 172 Zu dieser Konstellation: Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 296; Cremer, Forschungssubventionen, S. 31. 171

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

net werden, ist das Tatbestandsmerkmal der „staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten“ Zuwendung ohne weiteres gegeben. Problematisches Tatbestandsmerkmal ist die Erlangung der Zuwendung ohne marktmäßige Gegenleistung. Art. 87 I EG kann aber nur dann einschlägig sein, wenn der Marktpreis für die Forschungstätigkeit nicht gezahlt und auch sonst kein Ausgleich hergestellt wird. (a) Auftragsforschung Für die Fälle der Auftragsforschung, in denen Forschungseinrichtungen als „verlängerte Werkbank einzelner Unternehmen“173 betrachtet werden können, hat der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen Regelungen getroffen. Nach Punkt 3.2.1. des Gemeinschaftsrahmens vergibt eine Forschungseinrichtung dann keine Beihilfe im Sinne des Art. 87 I EG an das beauftragende Unternehmen, wenn die Forschungsleistung zum Marktpreis oder, wenn ein Marktpreis nicht vorhanden ist, zu einem Preis erbringt, der sämtliche Kosten abdeckt und eine angemessne Gewinnspanne enthält. Was genau unter „sämtliche Kosten“ und „angemessener Gewinnspanne“ zu verstehen ist, sagt der Gemeinschaftsrahmen nicht. Die Festlegung dessen überlässt er der Einzelfallprüfung der Kommission im jeweiligen Verfahren. Damit wird im Ergebnis der private-investor-test auf die Forschungstätigkeit übertragen.174 Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein privater Kapitalgeber mit seinem Kapitaleinsatz eine angemessene Rendite erzielen möchte. Zu deren Berechnung eignet sich folgender Ansatz: Es werden der Zinssatz einer hinsichtlich der Kapitalbindungszeit vergleichbaren, aber risikolosen Staatsanleihe und ein Risikoaufschlag, der in Abhängigkeit des durchgeführten Projektes bestimmt wird, addiert.175 In der Regel wird man unter „angemessener Gewinnspanne“ einen Wert von 3% bis 5% verstehen können. In der FuEuI-Beihilfenregelung „Spitzencluster-Wettbewerb“ findet sich gar die Regelung, dass staatlich institutionell geförderte oder vergleichbar grundfinanzierte Einrichtungen (einschließlich staatlicher Hochschulen) anstelle der genannten Gewinnspanne von 5% einen pauschalen Zuschlag von bis zu 10% der Gesamtsumme der für das Vorhaben eingesetzten Personalausgaben veranschlagen dürfen. Die Kommission hat diese Regelung in ihrer Entscheidung zum „Spitzencluster-Wettbewerb“ nicht beanstandet.176 Dies vielleicht vor dem Hin-

173

Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171, 173. So auch Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171, 173. Zum private-investor-test siehe bereits oben: 3. Kap. B.I.1.a). 175 Koenig, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 385. 176 Vgl. die Kommissionsentscheidung vom 18.03.2008 zum „Spitzencluster-Wettbewerb“ – Beihilfe N 616/2007, S. 5, 18, Rn. 84. Entscheidung abrufbar unter: http:// ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2007/n616-07.pdf. 174

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

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tergrund, dass damit auch Ausgaben für Infrastrukturleistungen mit abgedeckt werden können. Unter Heranziehung der Zielrichtung der Beihilfenpolitik der Gemeinschaft – der Schaffung eines Gemeinsamen Marktes ohne Wettbewerbsverzerrungen – werden unter „sämtliche Kosten“ alle tatsächlichen Kosten einschließlich Personal- und Infrastrukturkosten zu verstehen sein.177 Ob eine solche Kostenrechnung tatsächlich möglich ist, da v. a. die Hochschulausstattung durch die Zuweisung globaler Summen erfolgt, erscheint fraglich und muss einer Erprobung in der Praxis überlassen werden.178 (b) Forschungskooperationen Ähnliche Probleme wie bei der Auftragsforschung stellen sich auch bei Forschungskooperationen. Von einer Zusammenarbeit ist auszugehen, wenn mindestens zwei Partner an der Konzeption des Vorhabens mitwirken, zu seiner Durchführung beitragen und seine Risiken und Ergebnisse teilen.179 Bei diesen Kooperationsverhältnissen kann also wiederum ein Unternehmen auf die „Infrastruktur“ der Forschungseinrichtung zurückgreifen, die aus staatlichen Mitteln finanziert wurde. Der Rahmen, in dem dieser Rückgriff geschieht, kann sich dabei ganz unterschiedlich gestalten. Er kann sich z. B. auf Personal, Gegenstände, Wissen und Räumlichkeiten beziehen. Dabei können diese Parameter unterschiedlich kombiniert werden. Vor diesem Hintergrund kann mithin die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass der gewerbliche Projektpartner eine mittelbare staatliche Beihilfe erhält, die seine Wettbewerbsposition gegenüber seinen Konkurrenten verbessert.180 Zur Beurteilung solcher Kooperationsverhältnisse hat die Kommission im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen recht großzügige Kriterien formuliert, um Forschungskooperationen zu fördern und so das wirtschaftliche Potenzial von Forschung und Entwicklung besser nutzbar zu machen. Eine mittelbare staatliche Beihilfe liegt dann nicht vor, wenn eine der nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt ist. Entweder die beteiligten Unternehmen tragen sämtliche Kosten des Vorhabens oder die Ergebnisse, für die keine geistigen Eigentumsrechte begründet werden, können weit verbreitet werden, so dass ein Wissens-Spillover erreicht werden kann. Eine mittelbare Beihilfe liegt auch dann nicht vor, wenn 177

So auch Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171, 173. Als möglich erscheinendes Kostenrechnungsmodell schlagen Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171, 174, die Vollkostenrechnung vor. Die Möglichkeit einer solchen Kostenrechnung verneinend: Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 180. 179 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 19. 180 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3, Rn. 1020. 178

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

geistige Eigentumsrechte erworben werden können, diese der Forschungseinrichtung aber in vollem Umfange zugeordnet werden. Oder die Forschungseinrichtungen erhalten für die geistigen Eigentumsrechte von den beteiligten Unternehmen, wenn diesen die Eigentumsrechte übertragen werden, ein marktübliches Entgelt.181 Auch wenn keine der alternativen Möglichkeiten vorliegt, kann eine Beihilfe ausgeschlossen sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Einzelfallbewertung ergibt, dass sich aus der vertraglichen Vereinbarung der Kooperationspartner schließen lässt, dass sowohl die Eigentumsrechte als auch der Zugang zu den Ergebnissen, gemessen an den Interessen, dem Arbeitsaufwand und der finanziellen und sonstigen Beiträge der Partner, ausgewogen auf die Beteiligten aufgeteilt werden. (3) Zusammenfassung Die Bewertung der Förderung von Forschungseinrichtungen ist unter dem Aspekt des Beihilfentatbestandes des Art. 87 I EG nicht pauschal möglich. Weder sind Forschungseinrichtungen grundsätzlich aus dem Bereich der tauglichen Beihilfeempfänger auszuscheiden, noch kann ihre Zusammenarbeit mit Unternehmen als grundsätzlich wettbewerbsverzerrend eingestuft werden. Notwendig ist stets eine Einzelfallprüfung, die an den aufgezeigten Kriterien des F-&E-&IGemeinschaftsrahmens auszurichten ist. Dennoch ist eine grundsätzlich positive Haltung der Kommission gegenüber Forschungseinrichtungen auszumachen. Die Kommission ist dabei bestrebt, möglichst viel Förderung gegenüber Forschungseinrichtungen zuzulassen und nicht der Anwendung des Art. 87 I EG zu unterwerfen.182 Dabei goutiert sie auch Kooperationsverhältnisse und Drittmittelforschung. Dies vor allem vor dem Hintergrund des kreativen und wirtschaftlichen Potenzials, das solche Verbindungen aufweisen. bb) Innovationskerne Als Innovationskern bezeichnet der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen „Gruppierungen von eigenständigen Unternehmen – innovative Neugründungen, kleine, mittlere und große Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen –, die in einem bestimmten Sektor und einer bestimmten Region tätig sind und Innovationstätigkeiten durch die Förderung intensiver gegenseitiger Befruchtung, die gemeinsame Nutzung von Einrichtungen, den Austausch von Wissen und Kenntnissen und durch einen wirksamen Beitrag zum Technologietransfer, zur Netzwerkbildung und Informationsverbreitung unter den beteiligten Unterneh181 182

Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 3.2.2., S. 12. Ebenso: Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 183 f.

B. Das Beihilfenverbot des EG-Vertrages – Art. 87 I EG

215

men anregen sollen.“183 Beihilfen können hier als Investitionsbeihilfen einmal zum Aufbau und zur Erweiterung von Innovationskernen und zum anderen zur Belebung bestehender Innovationskerne gewährt werden. Die Regelung bezüglich der Innovationskerne ist neu in den F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen aufgenommen worden.184 Auf Erfahrungswerte bei der Beurteilung von Beihilfen für Innovationskerne kann daher nicht zurückgegriffen werden.185 Problematisch ist hier im Hinblick auf Art. 87 I EG, dass die Innovationskerne eine Form der Zusammenarbeit zwischen mehreren Unternehmen beschreiben. Die Einordnung einer Fördermaßnahme als verbotene Beihilfe könnte daher an dem Tatbestandsmerkmal der Selektivität scheitern. Da für die Selektivität aber die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige ausreicht, dürfte auch eine Unterstützung einer solchen Kooperationsform zum gemeinsamen Vorteilsgewinn ausreichen. Der Kreis der Begünstigten ist immer noch hinreichend abgrenzbar. Eine Lösung dieses Problems bietet der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.8. an. Darin geht die Kommission davon aus, dass die Innovationskerne von einer eigenen juristischen Person betrieben werden. Dieser obliegt die Verwaltung der Räumlichkeiten, Anlagen und Tätigkeiten des Innovationskerns im Hinblick auf Nutzung und Zugang. Im Ergebnis definiert die Kommission die „Gruppierung der Unternehmen“ in einem Sinne, der die Handhabung des Tatbestandsmerkmals Selektivität extrem vereinfacht und schließlich unproblematisch erscheinen lässt. Der Umweg über den hinreichend abgrenzbaren Unternehmenskreis ist damit nicht mehr notwendig. Das Tatbestandsmerkmal der potenziellen Wettbewerbsverzerrung ist bei Abstellen auf einen Forschungs- und Wissensmarkt relativ unproblematisch. Aufgrund der Abgrenzbarkeit der beteiligten Unternehmen können potenzielle Konkurrenten von dem Wissensvorsprung ausgeschlossen werden, zumal per definitionem ein regionaler Anknüpfungspunkt bei der Bildung der Innovationskerne besteht,186 so dass die theoretische Möglichkeit eines Zusammenschlusses aller am Markt in einem bestimmten Segment tätigen Unternehmen zu einem Innovationskern ausgeschlossen ist. Zuwendungen an einen Innovationskern unterfallen daher in der Regel dem Beihilfenverbotstatbestand des Art. 87 I EG. Dieses Ergebnis wird auch durch den Gemeinschaftsrahmen selbst bestätigt, der bereits 183

Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 10. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 18. 185 Mitteilung der Kommission, Konsultationspapier zu staatlichen Innovationsbeihilfen, KOM(2005) 436 endgültig, S. 19, Rn. 67. 186 Diese Regionalbezogenheit wird bei der Beihilfenintensität explizit mit berücksichtigt. Vgl. dazu: F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.8., S. 18. Die Bedeutung der Regionalität hatte die Kommission bereits in ihrer Mitteilung, Konsultationspapier zu staatlichen Innovationsbeihilfen, KOM(2005) 436 endgültig, S. 8, Rn. 28, betont. 184

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

bei einer Fördersumme von 5 Mio. A eine intensivere Prüfung der Beihilfe im Rahmen von Art. 87 III EG verlangt.187 cc) Junge innovative Unternehmen Ein Unternehmen ist dann als innovativ einzustufen, wenn der jeweilige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass das Unternehmen in absehbarer Zeit Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren entwickelt, die eine technische Neuerung oder wesentliche Verbesserung im Vergleich zu dem gemeinschaftlichen Standard innerhalb des jeweiligen Wirtschaftszweiges darstellen und mit einem Misserfolgsrisiko behaftet sind. Jung ist ein Unternehmen nur, wenn es zum Zeitpunkt der Beihilfengewährung nicht länger als 6 Jahre bestand.188 Probleme hinsichtlich der Anwendbarkeit des Verbotstatbestandes des Art. 87 I EG ergeben sich hier nicht. Auch junge innovative Unternehmen unterfallen dem Unternehmensbegriff des Art. 87 I EG. Beihilfen für Innovationstätigkeiten sind zudem regelmäßig von Art. 87 I EG erfasst.189 Dass sich die Kommission der besonderen Eignung der Beihilfen zur Wettbewerbsverzerrung bewusst ist, zeigt auch die Beschränkung der Beihilfenintensität von 1 Mio. A bis 1,5 Mio. A.190 Dies resultiert aus der Überlegung, dass bei der Finanzierung neuer innovativer Unternehmen aus öffentlichen Mitteln die Gefahr besteht, dass bei einem ungezielten Einsatz der Mittel, größtenteils unrentable junge Unternehmen entstehen können.191 Damit wäre kein Marktversagen kompensiert, sondern eine erhebliche Verzerrung der Marktchancen anderer Markteilnehmer eingetreten. Besonderheiten bei der Anwendung von Art. 87 I EG ergeben sich hier also nicht. 3. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Kommission hat jede Förderung im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation einer Einzelfallprüfung zu unterziehen. Eine ausdrückliche pauschale Vermutungsregelung für Ausnahmen aus dem Anwendungsbereich des Art. 87 I EG für einige Tätigkeiten gibt es nicht mehr. Bei der Prüfung hat die Kommission den selbst auferlegten Grundsatz des „more economic approach“ stärker zu berücksichtigen, als sie es bisher getan hat. Für die Prüfungstätigkeit der Kommission im Rahmen von Art. 87 I EG lassen sich aus dem F-&E-&I187

F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 20. Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.4., S. 16. Siehe auch: Frenz/ Kühl, EuZW 2007, 172, 173. 189 Siehe dazu bereits oben: 3. Kap. B.II.2.b). 190 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.4.c., S. 16. 191 Siehe dazu Mitteilung der Kommission, Konsultationspapier zu staatlichen Innovationsbeihilfen, KOM(2005) 436 endgültig, S. 10, Rn. 36. 188

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

217

Gemeinschaftsrahmen einige Entscheidungslinien herauslesen. Aus ökonomischer sowie aus beihilfenrechtlicher Sicht ist eine staatliche Unterstützung der Forschungstätigkeit umso eher gewünscht und möglich, je marktferner die Forschung ist. In erster Linie ist also die Grundlagenforschung und nicht die angewandte Forschung zu fördern.192 Die konkrete Förderungsmöglichkeit, d.h. mit oder ohne Legitimationsdruck, bleibt einer Einzelfallprüfung überlassen. Bei Entwicklungs- und Innovationstätigkeiten sind die Auswirkungen auf den Wettbewerb evident. Jede Förderung in diesem Bereich unterfällt Art. 87 I EG. Bezüglich der forschenden Einrichtungen ergeben sich vor allem Besonderheiten bei allgemeinen Forschungseinrichtungen. Diese sind nur in Ausnahmefällen als Empfänger einer Beihilfe zu qualifizieren. Im Bereich der innovativen Unternehmen und Innovationskernen sind in Bezug auf Art. 87 I EG keine Ausnahmen zu beobachten, vielmehr geht die Kommission im aktuellen F-&E-&IGemeinschaftsrahmen davon aus, dass eine Förderung der vorgenommenen Tätigkeit aufgrund der Marktnähe besonders überwachungsbedürftig ist. Dies ist schließlich die notwendige Konsequenz aus der Aufnahme der Innovationstätigkeit in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrahmens.

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG Liegt eine Beihilfe im Sinne des Art. 87 I EG vor, so stellt sich vor dem Hintergrund der Ausnahmen in Art. 87 II, III EG die Frage, ob diese Beihilfe nicht doch mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein kann. Das in Art. 87 I EG aufgestellte grundsätzlich Beihilfenverbot ist daher weder als absolut noch als unbedingt zu qualifizieren.193 Allen Ausnahmetatbeständen des Art. 87 EG ist gemein, dass mit den Beihilfen aus mitgliedstaatlicher Sicht ein bestimmter Zweck verfolgt werden muss.194 Dabei obliegt den Mitgliedstaaten die Einschätzung, ob ein bestimmter Zweck hinreichend förderungswürdig ist. In Bezug zu setzen ist das mitgliedstaatliche Interesse zum jeweils normierten Gemeinschaftsinteresse. Die Ausnahmetatbestände des Art. 87 III EG sind somit auf eine abwägende Entscheidung ausgerichtet. Sie strukturieren den vorzunehmenden Interessenausgleich auf einer abstrakten Ebene vor,195 eröffnen der Kommission jedoch weite Spielräume. In der Praxis bedient sich die Kommission 192

König, Grundlagen staatlicher Forschungsförderung, S. 55. EuGH Rs. C-143/99, Adria-Wien Pipeline GmbH, Slg. 2001 I, 8365, 8393; EuGH Rs. C-301/87, Französische Republik/Kommission, Slg. 1990 I, 307, 355; EuGH Rs. C-78/76, Steinike & Weinling, Slg. 1977, 595, 609. Heidenhain – Jestaedt/ Schweda, § 14, Rn. 1; Nowak, EuZW 2003, 389, 397; Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 19; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 171; Nowak, Staatliche Förderung regionaler Agrarprodukte, S. 189. 194 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 166 f. 195 Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 305. 193

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

zur Ausfüllung dieser Spielräume eigener Strukturierungselemente – sie erlässt z. B. Gemeinschaftsrahmen. Mit der Frage, ob FuEuI-Beihilfen als ausnahmsweise zugelassen angesehen werden können und wenn ja, in welcher Höhe,196 befasst sich der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen in seinem Schwerpunkt.197 Schon an dieser Stelle sei klar gestellt, dass für Forschungs-, Entwicklungsund Innovationsbeihilfen nur eine Ausnahme nach Art. 87 III EG in Betracht kommt.198 Art. 87 II EG stellt nämlich auf Umstände ab, die mit Forschung, Entwicklung und Innovation grundsätzlich nichts zu tun haben.199 Ein Unterfallen einer FuEuI-Beihilfe unter diesen Tatbestand ist vielmehr zufällig.200 Daher wird Art. 87 II EG im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen auch nicht als mögliche Legitimationsgrundlage herangezogen. Aufgrund seiner Bedeutung gerade auch für FuEuI-Beihilfen ist Art. 87 III lit. c EG in der Beihilfenaufsichtspraxis zum wichtigsten Ausnahmetatbestand avanciert.201 Im folgenden Abschnitt dieser Arbeit soll daher zunächst auf allgemeine Fragen, die im Zusammenhang mit der Regelung des Art. 87 III EG stehen, eingegangen werden (I.). Im Anschluss werden die einzelnen Regelungen des Gemeinschaftsrahmens und vor allem das neue Abwägungsmodell dargestellt (II.).

I. Allgemeine Fragen Art. 87 III EG ist als echter Ausnahmetatbestand zu qualifizieren. Auf seiner Basis können Maßnahmen genehmigt werden, die grundsätzlich mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.202 Das der Kommission in Art. 87 III EG eingeräumte Ermessen ist dabei sehr weit.203 Dies ergibt sich bereits aus dem 196 Zur Berechtigung der Festlegung der Beihilfenhöhe vgl. Cremer, EWS 1996, 379, 384 f.; Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 214. 197 Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 128. 198 Cremer, Forschungssubventionen, S. 79; Eisermann, EuZW 1996, 683. 199 Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 210. 200 Cremer, Forschungssubventionen, S. 79. 201 Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 193; Dauses – Götz/Martínez Soria, Teil H.III., Rn. 156; Nowak, Staatliche Förderung regionaler Agrarprodukte, S. 205. 202 Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 166. 203 EuGH Rs. C-456/00, Französische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 11949, 11986; EuGH Rs. C-143/99, Adria-Wien Pipeline GmbH, Slg. 2001 I, 8365, 8393; EuGH Rs. C-156/98, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 2000 I, 6857, 6902; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 35; Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 106; Koenig/Kühling, EuZW 1999, 517, 519; Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1071; von Danwitz, JZ 2000, 429, 433; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 49; Dauses – Götz/Martínez Soria, Teil H.III., Rn. 133.

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

219

Wortlaut der Norm. Verwendet wird der Begriff „kann“. Die Kommission ist also nicht verpflichtet, solche Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären.204 Seitens der Mitgliedstaaten kann damit allenfalls ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung hergeleitet werden.205 Die so eingeräumte Befugnis wird von der Kommission extensiv in Anspruch genommen. Es drängt sich gar der Eindruck auf, dass sie sich immer mehr von der eigentlichen Beihilfenkontrolle entfernt und sich unter dem Deckmantel des „Gemeinschaftsinteresses“ neue Politikfelder erschließt.206 Um diesen Vorbehalt auszuschließen und um die Entscheidungen der Kommission transparenter und nachvollziehbarer zu gestalten, hat die Kommission den F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen erlassen.207 Damit einer der Ausnahmetatbestände des Art. 87 III EG erfüllt ist, muss die Beihilfe nicht nur zur Verwirklichung eines der in diesem genannten Ziele beitragen und notwendig sein,208 sondern auch nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Zielverwirklichung stehen. Die in den einzelnen Fallgruppen (Art. 87 III lit. a–d EG) genannten Ziele sind durch Tatbestandsmerkmale umschrieben, die soziale und wirtschaftliche Wertungen notwendig machen.209 Die Qualifizierung von Art. 87 III EG ausschließlich als Ermessensnorm wird dessen Struktur also nicht gerecht.210 Mit anderen Worten: Entscheidungsspielräume werden der Kommission nicht nur auf der Rechtsfolgenseite eingeräumt, sondern durch die Verwendung ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe auch auf der Tatbestandsseite.211 Verstärkt wird dieser Freiraum der Kom204 EuGH Rs. C-91/01, Italienische Republik/Kommission (KMU-Gemeinschaftsrahmen), Slg. 2004 I, 4355, 4394; EuGH Rs. C-409/00, Königreich Spanien/Kommission (Umweltschutzbeihilfen), Slg. 2003 I, 1487, 1549. 205 Vogt, Rechtsprobleme der europäischen Beihilfenaufsicht, S. 62. 206 Kritisch zum Umfang der Prüfungskompetenz der Kommission anlässlich einer Beihilfe: Soltész, EuZW 2008, 97; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 147; Koenig/Kühling, EuZW 1999, 517, 519; von Danwitz, JZ 2000, 429, 433; Martinez Soria, Gemeinschaftsinteresse, S. 64. 207 So auch die Einschätzung bei von Danwitz, JZ 2000, 429, 434. 208 Für die Zielverwirklichung reicht dabei jede Zielförderung im Sinne einfacher Kausalität aus. Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 111 (EL 24, 09/2004); Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 51. Die Notwendigkeit wird auch als Anreizeffekt bezeichnet. Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 6., S. 19; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 112 (EL 24, 09/2004); Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 51; Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 142. 209 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 35; Cremer, Forschungssubventionen, S. 92; Dauses – Götz/Martínez Soria, Teil H.III., Rn. 133. 210 Vgl. zur Normstruktur von Art. 87 III EG: Cremer, Forschungssubventionen, S. 92. 211 So auch: EuGH Rs. C-62/87, Exécutif régional wallon/Kommission, Slg. 1988, 1573, 1597; Cremer, Forschungssubventionen, S. 109; Koenig/Kühling, EuZW 1999,

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

mission in einigen Fällen durch die Notwendigkeit einer Abwägungsentscheidung. Im Rahmen des Art. 87 III lit. c, lit. d EG müssen die wertungsausfüllungsbedürftigen Merkmale zusätzlich gegeneinander gewichtet werden. Diese Spielräume hat die Kommission durch Festlegungen im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen ausgefüllt. Um die getroffenen Regelungen bewerten zu können, ist es notwendig zu wissen, dass im Europarecht nicht – wie in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte, die von der Literatur mitgetragen wird212 – zwischen tatbestandlichem Beurteilungsspielraum und Ermessen auf der Rechtsfolgenseite unterschieden wird.213 Vielmehr werden die Handlungsspielräume unter den Begriff des Ermessens subsumiert bzw. vom EuGH rechtsdogmatisch als ein „einheitliches Phänomen“ behandelt.214 Dies ist beim weiteren Gang der Darstellung zu berücksichtigen. 1. Grundsätze der Ermessensausübung und gerichtliche Kontrolldichte Nachfolgend sollen die Grundsätze der Ermessensausübung herausgearbeitet werden, um die Festlegungen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens besser systematisieren und bewerten zu können. Dabei wird versucht, Parallelen und Unterschiede zur deutschen Rechtsordnung aufzuzeigen.

517, 519, Dauses – Götz/Martínez Soria, Teil H.III., Rn. 140; Nowak, Staatliche Förderung regionaler Agrarprodukte, S. 205 f. 212 Siehe zur Entwicklung dieser Trennung zwischen Ermessen und Beurteilungsspielraum: Groß, ZÖR 61 (2006), 625, 630; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 256. Eine ähnliche Trennung weisen auch das österreichische und das spanische Recht auf. Siehe dazu: Groß, Die Verwaltung 33 (2000), 415, 428. 213 Ebenso: Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 201; Callies/ Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 36; Cremer, Forschungssubventionen, S. 93; Nowak, EuZW 2003, 389, 397; von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 328; Heidenhain – Schmidt-Kötters, § 18, Rn. 25; Stelkens/Bonk/Sachs – Sachs, § 40 VwVfG, Rn. 8; Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 168; Vogt, Die Entscheidung, S. 94; Erichsen/Ehlers – Ehlers, § 4, Rn. 42. Zur fehlenden Trennung dieser Begriffe im französischen Recht: Hoffmann, Ermessen der Verwaltungsbehörden in Frankreich, S. 109 ff.; Hain, Unbestimmter Rechtsbegriff und Beurteilungsspielraum, S. 37. 214 Zur Bezeichnung Ermessen siehe: Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 143; Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilfenrechts, S. 110; Pache, DVBl. 1998, 380, 384. Rengeling/Middeke/Gellermann – Burgi, § 7, Rn. 103, weist auf die ganz unterschiedlichen Bezeichnungen des EuGH in diesem Zusammenhang hin. Zum „einheitlichen Phänomen“: EuGH Rs. C-183/84, Söhnlein Rheingold, Slg. 1985, 3351, 3361; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 97; Cremer, Forschungssubventionen, S. 93; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 281; Schwarze, EuZW 2000, 133, 142; Stelkens/Bonk/Sachs – Sachs, § 40 VwVfG, Rn. 8; Heidenhain – Jestaedt/Schweda, § 14, Rn. 6; Koenig/Scholz, EWS 2003, 223, 226.

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

221

Ermessenausübung der Verwaltung und gerichtliche Kontrolldichte sind ein zentrales Thema des deutschen wie des europäischen Verwaltungsrechts, da sie den Grundsatz der Gewaltenteilung respektive den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts betreffen.215 Entscheidend ist dabei das grundsätzliche Verhältnis zwischen Kommission und europäischen Gerichten (EuG und EuGH) hinsichtlich der Ermessensausübung. Nach Art. 211 UA 1 EG ist die Kommission für die Anwendung des Vertrages zuständig. In Art. 220 I EG ist die „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrages“ den europäischen Gerichten zugewiesen. Danach ist es nicht Aufgabe des EuGH, die politische Sinnhaftigkeit, die Zweckmäßigkeit oder die Billigkeit des Verwaltungshandelns zu überprüfen. Sind den anderen Gemeinschaftsorganen durch den Vertrag Gestaltungsspielräume eingeräumt, so hat er diese zu akzeptieren.216 Der erste Zugriff und damit die erste Konkretisierungsmöglichkeit obliegt daher stets der Verwaltung. Sie ist befugt, konkretisierende Vorschriften zu erlassen, die in einem gewissen Umfange auch die Gerichte bei der Bewertung streitiger Fragen binden.217 Eine umfassende Bindung der Gerichte kann bei der Überprüfung einer Ermessensentscheidung nie gegeben sein, da sonst deren Kontrollbefugnis aus Art. 220 EG leer liefe. Ebenso wenig kann eine umfassende Kontrollkompetenz bestehen, da sonst der Kernbereich der exekutiven Aufgabenwahrnehmung verletzt wäre. Gerichtliche Kontrolle endet daher vor allem dort, wo das materielle Recht der Exekutive Entscheidungen abverlangt, ohne dafür hinreichend bestimmte Entscheidungsprogramme vorzugeben. Oder auch dort, wo ein Bereich der Eigenverantwortung hinsichtlich der Ermittlung und Bewertung von Tatsachen besteht.218 Daher ist eine beschränkte Prüfungskompetenz der europäischen Gerichte anerkannt.219 Reduzierte Kontrolldichte und Entscheidungsspielraum der Verwaltung entsprechen sich dabei und können als „zwei Seiten einer Medaille“ verstanden werden.220

215 Groß, ZÖR 61 (2006), 625, 626; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 255; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, § 31, Rn. 2 f.; Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EU, S. 375. 216 Pache, DVBl. 1998, 380, 382. 217 Siehe zur Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen gegenüber den europäischen Gerichten oben: 2. Kap. D.IV.4.b)cc). 218 BVerwGE 85, 368, 379; Dolde, NVwZ 2006, 857, 858. 219 Bührle, Gründe und Grenzen des EG-Beihilfenverbots, S. 198, will diese Begrenzung aus einem Umkehrschluss zu Art. 229 EG herleiten. 220 Einen rechtsvergleichenden Überblick über Art und Ausmaß der gerichtlichen Kontrolle der Verwaltung in den europäischen Ländern gibt Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 194 ff. Siehe auch Schwarze, EuZW 2000, 133, 141.

222

3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

a) Behandlung der Ermessensausübung in der Rechtsprechung der europäischen Gerichte und in der Literatur Wie bereits festgestellt, räumt Art. 87 III EG der Kommission einen weiten Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum ein, den sie nach Maßgabe wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausfüllt.221 Nach dem Wortlaut des Art. 87 III EG kommt es für die Genehmigungsfähigkeit allein auf das Interesse der Gemeinschaft an.222 Daher sind die Wertungen der Kommission dabei auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen.223 Wegen der Komplexität der so zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Einflüsse und aus Respekt vor der Fachkompetenz der Kommission als „Herrin des Beihilfenaufsichtsverfahrens“,224 beschränken sich die europäischen Gerichte in der Überprüfung der Entscheidungsfindung durch die Kommission.225 Diese Beschränkung ist vor dem Hintergrund der Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften verständlich. Eine ausdrückliche Beschränkung der Prüfungskompetenz des Gerichtshofs bei der Würdigung wirtschaftlich komplexer Sachverhalte enthielt Art. 33 I 2 EGKS.226 Der EuGH hat diesen Rechtsgedanken auf das geltende Gemeinschaftsrecht übertragen und wiederholt ausgeführt, dass die gerichtliche Nachprüfung der Ausübung des Ermessens auf die Überprüfung der Beachtung der Verfahrens- und Begründungsvorschriften sowie auf die Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der festgestellten Tatsachen und des Fehlens von Rechtsfehlern, von offensichtlichen Fehlern bei der Bewertung der Tatsachen und von Ermessensmissbrauch beschränkt sei.227 Einen Anhaltspunkt für 221 EuGH Rs. C-91/01, Italienische Republik/Kommission (KMU-Gemeinschaftsrahmen), Slg. 2004 I, 4355, 4393; EuGH Rs. C-730/79, Philip Morris Holland BV/ Kommission, Slg. 1980, 2671, 2691; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 110 (EL 24, 09/2004); Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 115; Martinez Soria, Gemeinschaftsinteresse, S. 63. 222 Vgl. dazu den Wortlaut von Art. 87 III lit. b, lit. c, lit. d EG. Diese sprechen von einem gemeinsamen (europäischen) Interesse. 223 EuGH Rs. C-91/01, Italienische Republik/Kommission (KMU-Gemeinschaftsrahmen), Slg. 2004 I, 4355, 4393; EuGH Rs. C-310/99, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 2289, 2337; EuGH Rs. C-113/00, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 2002 I, 7601, 7651; EuGH Rs. C-114/00, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 2002 I, 7657, 7689; EuGH Rs. C-351/98, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 2002 I, 8031, 8093. 224 Zur Bedeutung der Sachkompetenz anderer Organe für die Beschränkung der Kontrollbefugnisse des EuGH: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 283. 225 Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 115; Martínez Soria, Gemeinschaftsinteresse, S. 63 f.; Dauses – Götz/Martínez Soria, Teil H.III., Rn. 134 f. 226 Siehe: Pache, DVBl. 1998, 380, 385; Schwarze/Schmidt-Aßmann, Ausmaß gerichtlicher Kontrolle, S. 271. 227 EuGH Rs. C-91/01, Italienische Republik/Kommission (KMU-Gemeinschaftsrahmen), Slg. 2004 I, 4355, 4393; EuGH Rs. C-409/00, Königreich Spanien/Kommission (Umweltschutzbeihilfen), Slg. 2003 I, 1487, 1549; EuGH Rs. C-351/98, Königreich Spanien/Kommission, Slg. 2002 I, 8031, 8094.

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

223

diese Beschränkung findet sich im aktuellen Vertragstext in Art. 230 II EG und in Art. 229 EG,228 der nur ausnahmsweise eine unbeschränkte Ermessensprüfung zulässt.229 Die Ausübung der gemeinschaftlichen Ermessenskontrolle, also die Feststellung offensichtlicher Fehler,230 folgt dabei der aus dem deutschen Recht bekannten Ermessensfehlerlehre. Die Kommissionsentscheidungen werden auf eine Ermessensüberschreitung, einen Ermessensausfall und einen Ermessensmissbrauch überprüft. Hinsichtlich dieser Prüfungskompetenz hält sich der EuGH in seiner Rechtsprechung an die folgenden Linien: Hat die Kommission ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften in Form von Gemeinschaftsrahmen erlassen und beurteilt die Kommission eine individuelle Beihilfe anhand solcher Verwaltungsvorschriften, so kann ihr weder eine Überschreitung noch eine Nichtausübung ihres Ermessens vorgeworfen werden.231 Der Ermessensmissbrauch als Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung wird in Art. 230 II EG genannt. Nach der Rechtsprechung des EuGH betrifft der Ermessensmissbrauch den Fall, „dass eine Verwaltungsbehörde ihre Befugnisse zu einem anderen Zweck einsetzt als demjenigen, zu dem sie ihr übertragen worden sind. Eine Entscheidung ist nur ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie zu solch einem anderen Zweck getroffen wurde.“232 Damit stellt der Gerichtshof hohe Anforderungen auf: Es wird ein bewusst zweckwidriges Verhalten gefordert,233 das sich im Einzelfall nur schwer beweisen lassen wird.234 Die Restriktionen der Rechtsprechung werden in der Literatur mehrheitlich übernommen. Nur vereinzelt wird auf die rechtsstaatliche Notwendigkeit einer gerichtlich überwachten umfassenden Vollzugsgleichheit im Rahmen der Beihilfenkontrolle hingewiesen.235 Dieses Argument wird vor allem vor dem Hinter228 229

Stelkens/Bonk/Sachs – Sachs, § 40 VwVfG, Rn. 7. Rengeling/Middeke/Gellermann – Burgi, § 7, Rn. 105; Pache, DVBl. 1998, 380,

382. 230 von Danwitz, JZ 2000, 429, 433; Schwarze/Schmidt-Aßmann, Ausmaß gerichtlicher Kontrolle, S. 269. 231 EuG Rs. T-214/95 Het Vlaamse Gewest, Slg. 1998 II, 717, 721 (6. Leitsatz). 232 EuGH Rs. C-400/99, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2005 I, 3657, 3660 (4. Leitsatz). Siehe auch: Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 164; Rengeling/Middeke/Gellermann – Burgi, § 7, Rn. 104. 233 Haibach, NVwZ 1998, 456, 461. 234 Rengeling/Middeke/Gellermann – Burgi, § 7, Rn. 106; Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 164. 235 Das Rechtsstaatsprinzip gebiete eine umfassende gerichtliche Kontrolle des Gemeinschaftshandelns durch den EuGH. Siehe dazu: Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 122; Knapp, DÖV 2001, 12, 19. Zur Vollzugsgleichheit siehe: Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 120; von Danwitz, JZ 2000, 429, 433.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

grund der umfänglichen Überprüfung der kartellrechtlichen Kommissionsentscheidungen durch den EuGH bedeutend. Auch hier hat die Kommission eine komplexe Entscheidung zu treffen, die tiefgreifende wirtschaftliche Bewertungen notwendig macht.236 Die Berufung des EuGH auf die Komplexität und Vielschichtigkeit der zu berücksichtige Belange im Beihilfenrecht erscheine vor diesem Hintergrund mehr als Ausrede denn als Notwendigkeit.237 Diesem Ansatz ist jedoch entgegenzuhalten, dass vor allem die Gemeinschaftsrahmen und andere auslegende und ermessenslenkende Rechtsakte erheblich zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien der Kommission bei der Anwendung von Art. 87 III EG beigetragen haben.238 Sie leisten einen ausgleichenden und damit den notwendigen Beitrag, um die Gleichmäßigkeit der Ermessensausübung durch die Kommission zu gewährleisten. Die beschränkte gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung genügt damit den rechtsstaatlichen Anforderungen. b) Zusammenfassendes Fazit Nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte, die die deutsche Literatur im Ergebnis mitträgt, wird eine Trennung zwischen den administrativen Entscheidungsbefugnissen auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite vorgenommen. Diese Unterscheidung findet im europäischen Verwaltungsrecht – ebenso wie in den meisten anderen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen239 – keine Entsprechung.240 Auch hinsichtlich der Kontrollbefugnisse der Gerichte besteht ein wesentlicher Unterschied, der letztlich auch aus der (fehlenden) Trennung zwischen Ermessen und unbestimmtem Rechtsbegriff resultiert. Die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in der verwaltungsrechtlichen Entscheidung ist, von Ausnahmen abgesehen („unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum“241), nach deutschem Recht gerichtlich voll überprüf-

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von Danwitz, JZ 2000, 429, 433. So auch: Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 122 f. 238 Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 133; Nowak, Staatliche Förderung regionaler Agrarprodukte, S. 211 f. 239 Einen umfassenden rechtsvergleichenden Überblick gibt Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 246 ff. Ebenso: Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 194 ff.; Groß, ZÖR 61 (2006), 625, 632; Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EU, S. 384; Dolde, NVwZ 2006, 857, 858. 240 Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 116; Schwarze, EuZW 2000, 133, 142; Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 167. 241 Siehe dazu die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung: BVerwGE 91, 211, 215; BVerwGE 91, 262, 265 f.; BVerwG, NVwZ 2004, 1375, 1376; BVerwGE 129, 27, 33. 237

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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bar.242 Auf der Rechtsfolgenseite wird gemäß § 114 VwGO nur eine eingeschränkte Kontrolle durch die Gerichte durchgeführt.243 Im Europarecht wird die gerichtliche Überprüfung bezüglich der administrativen Entscheidungsbefugnisse insgesamt begrenzt.244 Damit erhält die Kommission ein größeres Gewicht vor allem in jenen Bereichen, die durch weite Ermessensspielräume – ob nun auf Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite – geprägt sind. Exemplarisch dafür steht das hier interessierende Beihilfenaufsichtsverfahren.245 Die Begrenzung der Kontrolldichte wird dabei auf die Aufrechterhaltung des institutionellen Gleichgewichts, die politische Verantwortung der Verwaltung für die Ausfüllung vorhandener Freiräume, das Fehlen rechtlicher Maßstäbe für die Ermessensausübung und auf die größere Sachkunde und Sachnähe der Verwaltung zu den zu treffenden Entscheidungen gestützt.246 Bei wirtschaftlich komplexen Sachverhalten, wie im Beihilfenrecht, wird die richterliche Kontrolle noch weiter, nämlich auf eine „Evidenzprüfung“247 reduziert, die vor allem der Vielschichtigkeit der zu berücksichtigenden Faktoren Rechnung tragen soll.248 Bedeutung erlangen für diese Evidenzprüfung die erlassenen Gemeinschaftsrahmen, die zumindest die Linien für die Ermessensausübung der Kommission festlegen. Eine tatsächliche gerichtliche Nachprüfung der Kommissionsentscheidung bleibt aus.249 Der EuGH vermeidet es also, seine eigene Bewertung an die des zuständigen Organs der Gemeinschaft zu setzen.250 Die Kommission ist in 242 Groß, ZÖR 61 (2006), 625, 633; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 256; Stelkens/Bonk/Sachs – Sachs, § 40 VwVfG, Rn. 147; Wolff/Bachof/Stober/ Kluth, § 31, Rn. 8; Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EU, S. 376; Schwarze, EuZW 2000, 133, 141. Siehe dazu auch die verfassungsrechtliche Rechtsprechung, die eine eingehende fachgerichtliche Überprüfung anmahnt: BVerfGE 83, 130, 145; BVerfGE 84, 34, 53; BVerfGE 84, 59, 78. 243 Cremer, Forschungssubventionen, S. 93; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 257; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, § 31, Rn. 55. 244 Groß, ZÖR 61, (2006), 625, 638; Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 116. 245 Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 106, spricht gar von einer Exklusivkompetenz der Kommission in Beihilfesachen. 246 Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 235. 247 Heidenhain – Schmidt-Kötters, § 18, Rn. 31; Stelkens/Bonk/Sachs – Sachs, § 40 VwVfG, Rn. 233; Pache, DVBl. 1998, 380, 386. So im Ergebnis auch: Groeben/ Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 143; von Danwitz, JZ 2000, 429, 433. 248 Streinz EUV/EGV – Koenig/Kühling, Art. 87 EG, Rn. 68, Cremer, Forschungssubventionen, S. 94, Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 283 f. sprechen gar von einer Weigerung der europäischen Gerichte, komplexe wirtschaftliche Wertungen zu überprüfen. 249 So auch: Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 117. 250 Das wäre rechtlich auch nicht zulässig. Vgl. EuGH Rs. C-456/00, Französische Republik/Kommission Slg. 2002 I, 11949, 11987; EuGH Rs. C-310/99, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 2289, 2337; EuG Rs. T-288/97, Regione Friuli Venezia Giulia/Kommission, Slg. 2001 II, 1169, 1202; EuG verbundene Rs. T-127/99,

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

der Ermessensausübung allerdings nicht frei, sondern hat sie an den Vorgaben des EG-Vertrages auszurichten. Bei Art. 87 III EG kann daher folgendes Programm für die Ermessensbetätigung der Kommission aufgestellt werden: Auf der Tatbestandsseite verfügt die Kommission bei der Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe über einen weiten Spielraum. Eine Begrenzung erfährt das Ermessen der Kommission durch deren Bindung, die Rechtsbegriffe nach Maßgabe sozialer und wirtschaftlicher Wertungen ausfüllen, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind. Dabei sind alle aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkte heranzuziehen. Welche dies sind, bestimmt sich nach der jeweiligen Ausnahmebestimmung. Dabei kann als Orientierungspunkt folgende Aussage dienen: Je offener ein Gesetzesbegriff ist, desto umfangreicher sind die einzubeziehenden Gesichtspunkte.251 Diese Gesichtspunkte sind z. B. in Gemeinschaftsrahmen festgelegt. Damit tritt im Ergebnis eine Bindung hinsichtlich der Auslegung der Tatbestandsmerkmale an die entsprechenden Regelungen in den Gemeinschaftsrahmen ein. Soweit bestimmte Aspekte auf der Tatbestandsseite noch nicht einzubeziehen waren, hat dies auf der Rechtsfolgenseite zu erfolgen. Auch hier ist die Ausübung des Ermessens an Wertungen zu orientieren, die sich auf die Gemeinschaft als Ganzes beziehen.252 Schließlich muss die Verhältnismäßigkeit der Beihilfe sichergestellt werden. Dafür darf die Beihilfe nicht über das zur Zielerreichung erforderliche Maß hinausgehen. Die Ermessensentscheidung der Kommission ist Ergebnis einer Abwägung. In der Abwägung hat sie die negativen Auswirkungen der Beihilfengewährung für den Wettbewerb und den innergemeinschaftlichen Handel und damit die Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt den positiven Auswirkungen der Beihilfe gegenüberzustellen.253 Die Grundsätze und Linien dieser Ermessensausübung legt die Kommission in den Gemeinschaftsrahmen fest. Von diesen Festlegungen kann sich die Kommission im Regelfall nicht freimachen. 2. Selbstbindung der Kommission bei der Ermessensausübung Die Ermessensausübung der Kommission wird damit durch die Gemeinschaftsrahmen insgesamt determiniert. Diese Selbstbindung der Kommission bei T-129/99, T-148/99, Territorio Histórico de Álava, Slg. 2002 II, 1275, 1365; EuG Rs. T-149/95, Etablissements J.R. Ducros, Slg. 1997 II, 2031, 2052; EuG Rs. T-380/94, AIUFFASS, Slg. 1996 II, 2169, 2190; Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 171; von Danwitz, JZ 2000, 429, 433; Brenner, Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der EG, S. 389; Nowak, EuZW 2003, 389, 397; Nowak, Staatliche Förderung regionaler Agrarprodukte, S. 209. 251 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 38; Haibach, NVwZ 1998, 456, 461. 252 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 39. 253 EuGH Rs. C-372/97, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2004 I, 3679, 3734; Streinz EUV/EGV – Koenig/Kühling, Art. 87 EG, Rn. 68.

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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der Ausübung des eingeräumten Ermessens ist anerkannt und zulässig, wenn die Regelungen nicht von den Normen des EG-Vertrages abweichen.254 Aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung entsteht für den Adressaten einer entsprechenden Verwaltungshandlung ein Vertrauensschutz. Die Bindungswirkung und der daraus resultierende Vertrauensschutz sind jedoch begrenzt. Im deutschen Recht ist anerkannt, dass die im Laufe der Anwendung gewonnene Erfahrungen der Verwaltung, aber auch die Veränderungen der Rahmenbedingungen und der Verwaltungsziele jederzeit zu einer generellen Aufgabe des gesamten Entscheidungsprogramms oder einzelner Elemente führen können.255 Deshalb muss es der Verwaltung möglich sein, ihr Entscheidungsprogramm generell zu ändern, ohne mit dem Gleichheitssatz und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes in Konflikt zu kommen.256 Eine Pflicht zur Änderung besteht dann, wenn die bisherige Ermessenspraxis rechtsfehlerhaft war.257 Mit der Möglichkeit der Lösung von der Selbstbindung wird zum einen die notwendige Flexibilität der Verwaltung gewahrt und zum anderen – bei Rechtswidrigkeit der bisherigen Ermessenspraxis – dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 III GG genügt. Eine Übertragung dieser Grundsätze auf das Europarecht ist im Beihilfenrecht besonders wichtig. Die Marktbedingungen und Wettbewerbssituationen können sich schnell ändern. Eine entsprechend schnelle Reaktion der Kommission auf geänderte Verhältnisse ist zwingend erforderlich,258 wenn sie ihrer Funktion als Wächterin über die Einhaltung der Verträge und damit als Herrin der Beihilfenaufsicht gerecht werden will. Vor allem im Bereich der Ermessensbetätigung ist ein Abweichen von den in den Gemeinschaftsrahmen gesetzten Standards im Einzelfall daher nicht nur erlaubt, sondern auch geboten.259 Dies folgt schon daraus, dass der Vertrauensschutz keine absolute Schranke – im Sinne eines abwägungsfesten Prinzips – ist, sondern als allgemeiner Rechtsge254 Siehe dazu: EuGH Rs. C-288/96, Bundesrepublik Deutschland/Kommission (Jadekost), Slg. 2000 I, 8237, 8303; EuGH Rs. C-310/99, Italienische Republik/Kommission, Slg. 2002 I, 2289, 2339; EuG Rs. T-27/02, Kronofrance SA/Kommission, Slg. 2004 II, 4177, 4207. Ebenso: von Danwitz, JZ 2000, 429, 435; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. LXXI, 1044 f. Vgl. dazu bereits oben: 2. Kap. D.II. 255 Vergleich dazu jüngst: BVerwGE 126, 33. Siehe auch zur Änderung von ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften: BVerwGE 104, 220, 223; BVerwGE 41, 1, 10. In letzterer Entscheidung wurde festgestellt, dass die Verwaltung zur Gegensteuerung von Fehlentwicklungen zur Änderung von Richtlinien stets befugt ist. 256 Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 52; BVerwG 126, 33, 51 ff. 257 BVerwGE 104, 220, 226. 258 von Danwitz, JZ 2000, 429, 435, spricht deswegen auch von einer Verpflichtung der Kommission die erlassenen Verwaltungsvorschriften unverzüglich anzupassen. 259 Schweda, Administrative Normsetzung, S. 347; Cremer, Forschungssubventionen, S. 170. Zur Parallele im deutschen Recht: Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 65, Rn. 52.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

danke der Abwägung mit anderen Rechtsgütern oder Verwaltungsprinzipien zugänglich ist.260 Eine Lösung von den Gemeinschaftsrahmen bzw. deren Anpassung an geänderte Marktverhältnisse scheitert daher nicht grundsätzlich an dem Vertrauensschutzinteresse der Mitgliedstaaten. Auch die kooperativen Erlassstrukturen und die Beschränkung der Geltungsdauer der Gemeinschaftsrahmen können eine andere Bewertung nicht rechtfertigen. Dem Vertrauensschutz der Mitgliedstaaten kann durch eine vorherige Mitteilung Rechnung getragen werden.261 Der F-&E&I-Gemeinschaftsrahmen verlangt daher in seinen Schlussbestimmungen eine Konsultierung der Mitgliedstaaten vor einer Änderung aufgrund einer geänderten Marktsituation.262 Damit erhalten die Mitgliedstaaten Kenntnis von der geplanten Änderung, können ihre Bedenken vortragen und sich auf die neue Situation einstellen, indem sie ihre Förderrichtlinien und Entscheidungsprogramme anpassen. Unproblematisch ist die Beendigung der Selbstbindung der Verwaltung auch im Europarecht, wenn die bisherige Verwaltungspraxis rechtswidrig war.263 In den Bestand einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis kann kein schutzwürdiges Vertrauen bestehen.264 Diesem Umstand trägt auch die Rechtsprechung zu den Gemeinschaftsrahmen Rechnung, da diese nur akzeptiert werden, wenn sie mit dem EG-Vertrag in Einklang stehen. Damit wird im Ergebnis aber schon das Entstehen einer Selbstbindung in Frage gestellt, so dass es auf das Vertrauen des Mitgliedstaates gar nicht mehr ankommen dürfte. 3. Fazit Insgesamt bleibt festzuhalten, dass durch den F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen eine Selbstbindung der Kommission sowohl hinsichtlich der Ermessensausübung als auch im Hinblick auf die Auslegung und Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe im Rahmen von Art. 87 III EG entsteht. Eine Aufhebung dieser Selbstbindung ist unter einschränkenden Voraussetzungen möglich, um den Gegebenheiten der Marktdynamik gerecht zu werden.

260 Haibach, NVwZ 1998, 456, 459; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 924. 261 Für eine Ankündigung im Amtsblatt spricht sich Cremer, Forschungssubventionen, S. 170, aus. 262 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 10.3., S. 25. 263 Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 1048; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 162; Cremer, Forschungssubventionen, S. 169. 264 So ausdrücklich Generalanwalt Capotorti in: EuGH Rs. C-1252/79, SpA Acciaierie e Ferriere Lucchini/Kommission, Slg. 1980, 3753, 3766, 3771.

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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II. Festlegungen des Gemeinschaftsrahmens für Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen Auch wenn im Europarecht zwischen Ermessens- und Beurteilungsspielräumen der Verwaltung dogmatisch nicht differenziert wird, soll diese Unterscheidung in der nachfolgenden Betrachtung beibehalten werden. Dies zum einen, um eine Anschlussfähigkeit zur deutschen Dogmatik herzustellen und zum anderen, um der bereits aufgezeigten Normstruktur des Art. 87 III EG besser Rechnung tragen zu können. Gerade dieser trennende Ansatz stellt die Rechtsnatur der Gemeinschaftsrahmen deutlicher heraus. Der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen enthält im Bereich der Regelungen über den Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG sowohl ermessenslenkende als auch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften. Durch die Qualifizierung des Gemeinschaftsrahmens als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift entsteht eine grundsätzlich zu beachtende Ermessensbindung.265 Es muss nicht mehr jeder Einzelfall für sich abgewogen werden, sondern es kann auf die typisierten Abwägungsergebnisse und das vorgezeichnete Abwägungsprogramm des Gemeinschaftsrahmens abgestellt werden. Eine abweichende Ermessensausübung ist nur in atypischen Fällen möglich.266 1. Übergreifende Festlegung – Das neue Abwägungsmodell Nach Art. 87 III EG soll die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt geprüft werden. Als Bezugspunkt für die Lenkung der Vereinbarkeitsprüfung werden unterschiedliche Elemente und Teilaspekte der gegenwärtigen Marktsituation aufgegriffen. Die Prüfung ist daher als Abwägungsentscheidung ausgestaltet, die zwischen den negativen Auswirkungen staatlicher Beihilfen auf den Wettbewerb und ihren positiven Auswirkungen auf Ziele im gemeinsamen Interesse ausgleichen muss. Im Bereich der Prüfung der Ausnahmetatbestände des Art. 87 III EG hat der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen eine umfassende Änderung erfahren. Eingeführt wurde ein Abwägungsmodell, das eine stärkere Wirtschaftsorientierung („more economic approach“) der Kommissionsentscheidungen sicherstellen soll.267 Der Gemeinschaftsrahmen ist nach der Leitlinie für Risikokapital der zweite Akt der 265 Diese Einschätzung teilt auch Schweda, Administrative Normsetzung, S. 350. Damit setzt er sich aber in Widerspruch zu seiner grundsätzlichen Einschätzung, Gemeinschaftsrahmen seien atypische öffentlich-rechtliche Verträge. 266 Siehe zur Bindungswirkung der Gemeinschaftsrahmen gegenüber der Kommission bereits oben: 2. Kap. D.IV.4.b)aa). Siehe zum Abweichungsrecht bei atypischen Fällen: Heidenhain – Schmidt-Kötters, § 18, Rn. 26. 267 Dauses – Götz/Martínez Soria, Teil H.III., Rn. 158. Siehe zur Entwicklung dieses Ansatzes: Bartosch, RIW 2007, 681 f. Zur Rückführung dieses Ansatzes auf die Lissabon-Strategie siehe: Aktionsplan Staatliche Beihilfen. Weniger und besser ausge-

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

Kommission, der die Abwägungsprüfung des stärker wirtschaftsorientierten Ansatzes in der Beihilfenkontrolle umsetzt.268 Das vorliegende Modell ist unabhängig von einzelnen Normstrukturen in Art. 87 III EG entwickelt worden.269 Es soll lediglich die Entscheidungsfindung der Kommission vereinfachen, indem es die wesentlichen Gesichtpunkte für die Abwägung zusammenstellt und eine Wertigkeit dieser Gesichtspunkte in (zum Teil sehr differenzierten) Zügen festlegt. Der Gemeinschaftsrahmen stellt die Grundzüge der Abwägungskonzeption mit ersten Bezügen zu FuEuI-Beihilfen in seinem ersten Teil (unter Ziffer 1.3. bis 1.5.) dar. Detailregelungen zur Ausfüllung dieses Konzeptes werden erst unter den Ziffern 5. bis 7. des Gemeinschaftsrahmens aufgestellt. Die im Rahmen von Art. 87 III EG notwendige Gesamtabwägung vollzieht sich dabei in drei wesentlichen Schritten, von denen die ersten beiden die positiven Folgen und der dritte die negativen Auswirkungen und die Gewichtung der positiven und der negativen Folgen betreffen.270 Die Kommission muss sich jeweils fragen, ob die geplante Beihilfenmaßnahme einem genau definierten Ziel von gemeinsamem Interesse (z. B. Wachstum, Beschäftigung, Zusammenhalt, Umwelt) dient. Und wenn ja, ob das Beihilfeninstrument geeignet ist, das im gemeinsamen Interesse liegende Ziel zu verwirklichen, d.h., das Marktversagen zu beheben oder ein anderes Ziel zu verfolgen. Dabei muss die Kommission nicht nur die Eignung der Beihilfe und deren Anreizeffekt in Ansatz bringen, sondern auch die Verhältnismäßigkeit der Beihilfe (v. a. deren Umfang) berücksichtigen. Schließlich muss die Kommission feststellen, ob die Verfälschungen von Wettbewerb und Handel in ihrem Ausmaß begrenzt sind, so dass die positiven Folgen überwiegen.271 Eine Zuordnung der einzelnen Prüfungspunkte zu den Normvoraussetzungen der potenziell einschlägigen Art. 87 III lit. b und lit. c EG findet nicht statt.272 Der erste und der zweite Prüfungsschritt greifen allgemeine Tatbestandsvoraussetzungen der in Art. 87 III EG geregelten Fälle auf. Nur der letzte Unterpunkt des zweiten Prüfungsschrittes lässt sich schon – als Ausschnitt der Verhältnismäßigkeitsprüfung – der Rechtsfolgenseite der Norm zuordnen. Der dritte Prüfungsschritt ist eindeutig der Rechtsfolgenseite zuzuordnen, da er zu einer richtete Beihilfen – Roadmap zur Reform des Beihilfenrechts 2005–2009, KOM(2005) 107 endgültig, Ziffer 21 ff., S. 7 f. 268 Bartosch, RIW 2007, 681, 685. 269 Jaeger, WuW 2008, 1064, 1067. Zur grundsätzlichen Entkopplung von Inhalten der Gemeinschaftsrahmen (und Leitlinien) und Normstruktur des Art. 87 III EG und den bedenklichen Folgen: Koenig/Scholz, EWS 2003, 223, 226. 270 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 1.3.1., S. 5. Ebenso: Bartosch, EWS 2007, 681, 682; Jaeger, WuW 2008, 1064, 1066. 271 Dauses – Götz/Martínez Soria, Teil H.III., Rn. 159. 272 So auch Jaeger, WuW 2008, 1064, 1067.

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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umfänglichen Gesamtabwägung führt, die all jene Punkte aufgreift, die auf der Tatbestandsseite noch nicht berücksichtigt werden konnten bzw. diese Punkte zu anderen Zielen und Wertungen ins Verhältnis setzt. Die dargestellten Prüfungsschritte werden durch den F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen ausgefüllt. Für den ersten Prüfungsschritt definiert er das im gemeinsamen Interesse liegende Ziel als die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation. Einer weitergehenden Prüfung bedarf es danach nicht. Dies stellt insofern eine Besonderheit dar, als dass die anderen Prüfungsschritte zwar auch eingangs des Gemeinschaftsrahmens dargestellt werden, aber in den weiteren Regelungen des Gemeinschaftsrahmens wieder aufgegriffen und weiter ausgeführt werden. Aus diesen weitergehenden Ausführungen lässt sich ersehen, dass das Abwägungsmodell auf unterschiedliche Prüfungsintensitäten ausgerichtet ist.273 Wichtige und besonders förderungswürdige Maßnahmen werden typisierend betrachtet. Dadurch wird die notwendige Prüfungsdichte minimiert. Dabei geht die Kommission grundsätzlich davon aus, dass es ausreicht, wenn die betreffende Maßnahme einer der Forschungskategorien zugeordnet werden kann und die zulässige Beihilfenintensität eingehalten wird. Unablässige Voraussetzung ist das Vorliegen eines Anreizeffektes. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, gilt das Überwiegen der positiven Effekte der Beihilfe als gegeben. Die erfassten Maßnahmen erfahren durch die pauschalierende Betrachtung eine Privilegierung. Als privilegierte Vorhaben gelten nach der Festlegung des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen: Erstens Projektbeihilfen und Durchführbarkeitsstudien im Bereich der Grundlagenforschung, der industriellen Forschung und der experimentellen Entwicklung, zweitens Prozess- und Betriebsinnovationen im Dienstleistungssektor und drittens Innovationskerne. Selbst bei diesen privilegierten Vorhaben findet eine eingehende Würdigung dann statt, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Dabei orientiert sich die Festlegung der Schwellenwerte an der Marktnähe des jeweiligen Projektes. Für Tätigkeiten im Bereich der Grundlagenforschung gilt ein Schwellenwert von 20 Mio. A, im Bereich industrielle Forschung liegt der Schwellenwert bei 10 Mio. A, bei allen anderen Projekten (v. a. die Forschungskategorie experimentelle Entwicklung) gilt ein Schwellenwert von 7,5 Mio. A. Bei Innovationstätigkeiten und Innovationskernen gilt einheitlich ein Schwellenwert von 5 Mio. A. Insofern kann auch hier der Grundsatz aufrechterhalten werden: Je marktferner ein Projekt ist, umso förderungswürdiger ist es. In allen übrigen Fällen wird eine zusätzliche Prüfung notwendig, da sie entweder wegen der Art der Tätigkeit, des Beihilfenbetrags oder der Art der Be273 Der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 1.4., S. 7, nennt dies „verschiedene Niveaus für die Würdigung“. Siehe auch: Bartosch, RIW 2007, 681, 686; Jaeger, WuW 2008, 1064, 1067.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

günstigung für den Wettbewerb und den Handel ein größeres Risiko darstellen. Diese eingehende Würdigung wird durch Ziffer 7 des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens umfänglich vorgeprägt. In diesem Abschnitt stellt die Kommission sämtliche zu beachtende Aspekte zusammen, die für eine ausführliche Würdigung – im Sinne einer Gesamtabwägung – der Beihilfe notwendig sind. Im Weiteren werden die Prüfungsschritte des Abwägungsmodells soweit möglich und notwendig bei den entsprechenden Normvoraussetzungen des Art. 87 III EG geprüft bzw. dargestellt. Betrachtet werden die Tatbestände des Art. 87 III lit. b und lit. c EG. Diese werden im aktuellen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen ausdrücklich als mögliche Gewährungstatbestände genannt. 2. Festlegungen hinsichtlich Art. 87 III lit. b EG Zunächst sollen die Festlegungen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens in Bezug auf Art. 87 III lit. b EG dargestellt werden. Zum besseren Verständnis ist vorab kurz auf die Struktur dieses Ausnahmetatbestandes einzugehen. Art. 87 III lit. b EG enthält zwei unterschiedliche Tatbestände.274 Er privilegiert zunächst Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse (1. Alt.). Als zweite Alternative wird die Förderung zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaates genannt. Aus dem neuen Gemeinschaftsrahmen geht, wie aus seinen Vorgängerregelungen,275 eindeutig hervor, dass ausschließlich die erste Alternative zur Begründung für die Vereinbarkeit einer F-&E-&I-Beihilfe von der Kommission herangezogen wird.276 Dabei ist auch hier festzustellen, dass der Regelungsinhalt des neuen Gemeinschaftsrahmens wesentlich an Detailgenauigkeit und Umfang gewonnen hat. Die Kommission legt präzise Voraussetzungen fest, unter denen sie eine Subsumtion unter Art. 87 III lit. b 1. Alt EG vornimmt.277 Sie formuliert dafür vier Voraussetzungen in der üblichen, vom Aufbau der Norm entfernten, Art und Weise: Zu prüfen ist zunächst, ob die Anmeldung der Beihilfe eine präzise Beschreibung des Forschungsvorhabens, der Durchführungskonditionen, der Beteiligten und der Ziele enthält. Anschließend ist zu bestimmen, ob das Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse ist. Die 274 Streinz EUV/EGV – Koenig/Kühling, Art. 87 EG, Rn. 78; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 186; Heidenhain – Jestaedt, § 16, Rn. 1; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 52. 275 Vgl. dazu: F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1986 unter Punkt 3.2., S. 3; F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1996 unter Punkt 3.2.–3.4., S. 8. Zum Gemeinschaftsrahmen von 1986 siehe auch die Ausführungen von Cremer, Forschungssubventionen, S. 81 f. Zum Gemeinschaftsrahmen von 1996 siehe auch die Ausführungen von Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 211. 276 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 4., S. 12 f. 277 Dazu ist sie auch befugt. Siehe dazu: Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 122 (EL 24, 09/2004).

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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Beihilfe muss zudem notwendig sein, um das angestrebte Ziel von gemeinsamem Interesse zu erreichen und Anreize für die Durchführung des Vorhabens schaffen, das außerdem mit einem hohen Risiko verbunden sein muss. Das geförderte Vorhaben muss schließlich von seiner Art und seinem Umfang her von besonderer Bedeutung sein: Es muss sich um ein im Hinblick auf das angestrebte Ziel bedeutsames und vom Umfang her substanzielles Vorhaben handeln.278 Diese Prüfungsvoraussetzungen überschneiden sich zum Teil mit den allgemeinen Prüfungseckpunkten für die Abwägungsentscheidung für die Zulassung einer Beihilfe nach Art. 87 III EG. Sie gehen der allgemeinen Regelung vor. Allerdings entsteht vor diesem Hintergrund insgesamt der Eindruck, dass das neue Abwägungsmodell eher auf die Bestimmung der Vereinbarkeit einer Beihilfe nach Art. 87 III lit. c EG zugeschnitten ist. a) Wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse Der Tatbestand des Art. 87 III lit. b EG und die Prüfung der Kommission werden wesentlich durch den unbestimmten Rechtsbegriff des „wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischen Interesse“ geprägt. Damit eröffnet sich bereits auf der Tatbestandsseite ein Handlungsspielraum für die Kommission. aa) Begriffsbestimmung Der neue F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen macht bezüglich dieses Tatbestandsmerkmals umfangreiche Vorgaben. Die Kommission greift bei ihren Ausführungen auf die bisher in Rechtsprechung und Literatur gefundenen Ergebnisse zur Konkretisierung dieses Merkmals zurück. Eine allgemeingültige Definition dieses Merkmales gibt es jedoch nicht.279 Als wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse akzeptiert der EuGH zumindest Programme, die von mehreren Mitgliedstaaten getragen werden und inhaltlich auf die Bekämpfung einer gemeinsamen Gefahr – wie z. B. der Umweltverschmutzung – gerichtet sind.280 Der Begriff des „gemeinsamen europäischen Interesses“ hat damit sowohl eine quantitative (erforderliche Beteiligung mehrer Mitgliedstaaten) als auch eine qualitative (gemeinsame Gefahr, deren Bekämpfung im Interesse aller liegt) Komponente.281 Die qualitative Komponente nimmt dabei die Ziele der Gemeinschaft in Bezug. Die Kommission hat also bei der An278

Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 4., S. 12 f. Heidenhain – Jestaedt, § 16, Rn. 2. 280 Vgl. dazu: EuGH Rs. C-62/87, Exécutif régional wallon/Kommission, Slg. 1988, 1573, 1595; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 43; Cremer, Forschungssubventionen, S. 143 f.; Koenig/Scholz, EWS 2003, 223, 226. 281 Koenig/Scholz, EWS 2003, 223, 226. 279

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

wendung des Art. 87 III lit. b EG die materielle Zielsetzung des Vorhabens daraufhin zu überprüfen, ob es den insbesondere in Art. 2 und 3 EG enthaltenen Zielvorgaben insgesamt genügt.282 Es sind daher schon auf der Tatbestandsebene sämtliche Gemeinschaftsziele zu berücksichtigen, die durch die Beihilfenvergabe berührt werden.283 Weiterhin muss die Förderungseignung der Beihilfe ebenso mit einbezogen werden wie deren Anreizeffekt. Diese Anforderungen werden im neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen aufgegriffen. Zu dem Tatbestandsmerkmal des „gemeinsamen europäischen Interesses“ wird konkretisierend wie folgt ausgeführt: „Das Vorhaben muss mit erheblichen Fortschritten für die Verwirklichung der Gemeinschaftsziele verbunden sein, beispielsweise durch seine große Bedeutung für den europäischen Forschungsraum oder als Leitprojekt für die europäische Industrie. Der bloße Umstand, dass das Vorhaben von Unternehmen in verschiedenen Ländern ausgeführt wird, reicht hierzu nicht aus. Die positiven Wirkungen der Beihilfe könnten beispielsweise durch wichtige Erkenntnisgewinne für die Gesellschaft, durch den Beitrag der Maßnahme zur Besserung der Lage der Gemeinschaft im FuEuI-Bereich im internationalen Kontext, die Schaffung neuer Märkte oder die Entwicklung neuer Technologien veranschaulicht werden. Die sich aus dem Vorhaben ergebenden Vorteile sollten nicht auf die unmittelbar betroffenen Wirtschaftszweige beschränkt sein; vielmehr sollten die Ergebnisse von größter Relevanz sein und breite Verwendung in der Wirtschaft innerhalb der Gemeinschaft finden (vor- oder nachgelagerte Märkte, alternative Verwendung in anderen Wirtschaftszweigen usw.).“284 Als Essenz kann festgehalten werden, dass das gemeinschaftliche Interesse an einem möglichst unverfälschten Wettbewerb vorliegend aufgrund des Gemeinschaftsziels der Forschungsförderung und Förderung der technologischen Entwicklung (Art. 3 I lit. n EG) in bestimmten Konstellationen (Förderung eines anderen Gemeinschaftsziels, wie z. B. des Umweltschutzes nach Art. 2, 3 I lit. l EG) zurücktreten muss.285 bb) Erfasste Projekte Welche Projekte konkret förderungswürdig erscheinen, wird aus der wiedergegebenen Formulierung nicht deutlich. Die Kommission verwendet vielmehr eine Beispielstechnik, ohne ein konkretes Projekt zu benennen. Dies stellt eine Abkehr von der Vorgängerregelung dar. Der F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 282 Vgl. dazu: Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 43; Cremer, Forschungssubventionen, S. 152; Koenig/Scholz, EWS 2003, 223, 227. 283 Cremer, Forschungssubventionen, S. 152. 284 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 4., S. 12 f. 285 Cremer, Forschungssubventionen, S. 144.

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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1996 enthielt unter Ziffer 3.4. eine Aufzählung derjenigen Projekte, die bisher auf der Grundlage von Art. 87 III lit. b EG genehmigt wurden.286 Im Grundsatz kann jedoch davon ausgegangen werden, dass genehmigungsfähige Projekte eine Ähnlichkeit mit den bisherigen Projekten haben. Die Kommission verwies damals darauf, dass diese Projekte einen qualitativen Beitrag zur Ausarbeitung gemeinsamer Normen, zur Entwicklung einer Industriestrategie und zur Förderung des technologischen Fortschritts zum Wohle der ganzen Gemeinschaft beigetragen hätten.287 Vor diesem Hintergrund, aber vor allem aufgrund der Umschreibung im neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, drängen sich als förderfähige Projekte jene im Tätigkeitsbereich der etwas marktferneren Forschungsarten, insbesondere in der Grundlagenforschung auf.288 Dies bestätigt sich auch mit einem Blick auf das britische ALVEY-Programm, das nach Art. 87 III lit. b EG freigestellt wurde. In diesem Programm ging es um gezielte, kooperative Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Technologien des Fernmeldewesens.289 Aber auch Tätigkeiten im Bereich der experimentellen Entwicklung und der Prozessinnovation können nach Art. 87 III lit. b EG förderfähig sein.290 Dies folgt aus dem neutralen Wortlaut des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens. Als Beispiele für ein förderfähiges Vorhaben nennt er ein „Leitprojekt für die europäische Industrie“ oder die „Entwicklung neuer Technologien“. Daraus kann auf die relative Marktnähe der entsprechenden Vorhaben geschlossen werden. Als mögliches förderungsfähiges Vorhaben kommt die Entwicklung eines Prototyps oder eines Verfahrenskonzepts ebenso in Betracht, wie eine Prozessinnovation, 286 Dies waren vor allem Projekte des EUREKA- und MEDEA+-Programms. Bei dem EUREKA-Programm waren dies Projekte im Bereich des hochauflösenden Fernsehens, der Halbleitertechnik, des terrestrischen digitalen Hörfunks, die JESSI (Joint European Submicron Silicon Initiative) sowie die Errichtung einer Software Factory. Siehe dazu: Heidenhain – Jestaedt, § 16, Rn. 9. Siehe zum MEDEA+-Programm: Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 135; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 206. Das EUREKA-Programm wird zum Teil auch eigenständig als Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse verstanden, ohne einen expliziten Verweis auf den F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen. So Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 187. In letzter Zeit sind aber auch Projekte des EUREKA-Programms auf Grundlage von Art. 87 III lit. c EG genehmigt worden. Vgl. dazu 28. Wettbewerbsbericht der Kommission (1998), S. 282 ff.; 29. Wettbewerbsbericht der Kommission (1999), S. 297. Siehe auch Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 135. 287 19. Wettbewerbsbericht der Kommission (1990), Rn. 144; Cremer, Forschungssubventionen, S. 81; Heidenhain – Jestaedt, § 17, Rn. 9. 288 Zur besonderen Eignung von Projekten der Grundlagenforschung für die Förderung der Vertragsziele: Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 187. 289 Vgl. Cremer, Forschungssubventionen, S. 81 f. 290 Von der Förderungsfähigkeit von Tätigkeiten im Bereich der experimentellen Entwicklung geht auch Cremer, EWS 1996, 379, 384, aus.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

die nicht auf einen Wirtschaftszweig begrenzt ist. Zu denken ist hier beispielsweise an Projekte zur Energieeinsparung oder zur Emissionsvermeidung. Da an die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „gemeinsames europäisches Interesse“ hohe Anforderungen gestellt werden und unter Berücksichtigung des historischen Hintergrunds, wird die typische mitgliedstaatliche Beihilfe an einzelne Unternehmen und Forschungseinrichtungen nicht unter den Ausnahmetatbestand des Art. 87 III lit. b 1. Alt. EG fallen können.291 Dies verdeutlicht die eingeschränkte Anwendbarkeit von Art. 87 III lit. b EG als Genehmigungsbasis für FuEuI-Beihilfen.292 b) Zulässige Höchstförderung Fördert die streitige Beihilfe ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse, fragt sich, ob die Kommission sie dann zulassen muss und in welchem Umfange. Da bereits bei der Prüfung des Tatbestandes eine umfängliche Abwägung mit den anderen Gemeinschaftszielen erfolgt, verbleibt für das Ermessen auf der Rechtsfolgenseite nur die Bestimmung der zulässigen Höchstförderung. Die grundsätzliche Zulassung der Beihilfe kann hier also nicht mehr in Frage gestellt werden. Die Bestimmung der Beihilfenintensität ist dabei Ausdruck einer Verhältnismäßigkeitserwägung. Die Beihilfe ist nach der Festlegung im Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 1.3.5. nur dann als verhältnismäßig anzusehen, wenn dasselbe Ergebnis nicht durch eine weniger wettbewerbsverfälschende Maßnahme hätte erzielt werden können.293 Vor allem Beihilfenbetrag und Beihilfenintensität müssen auf das für die Durchführung der geförderten FuEuI-Tätigkeit absolut erforderliche Minimum beschränkt werden.294 Überraschend ist, dass sich dem neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen im Gegensatz zum F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1996 keine Aussagen mehr zu einer zulässigen Höchstförderung im Bereich von Art. 87 III lit. b EG entnehmen lassen.295 Alle expliziten Angaben zur Beihilfenintensität beziehen sich auf 291 So auch: Heidenhain – Jestaedt, § 16, Rn. 4; EuGH Rs. C-62/87, Exécutif régional wallon/Kommission, Slg. 1988, 1573, 1595. 292 Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 212 f. 293 So auch: Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 113 (EL 24, 09/2004). 294 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 1.3.5., S. 6. 295 Im F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1996 fand sich unter Punkt 5.11., S. 12 folgende Angabe: Wenn eine staatliche Forschungs- und Entwicklungsbeihilfe unter die Ausnahmeregelung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b) EG-Vertrag [jetzt: Art. 87 III lit. b EG] fällt, darf die Bruttobeihilfenintensität die im WTO-Subventionskodex vorgesehenen Höchstgrenzen (75% für industrielle Forschung, 50% für vorwettbewerbliche Entwicklung) nicht überschreiten. Siehe dazu die Ausführungen bei: Cremer, EWS 1996, 379, 385 f.; Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 135.

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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eine Zulassung der Beihilfe nach Art. 87 III lit. c EG. Damit kann eine Beihilfengewährung nach Art. 87 III lit. b EG für ein Unternehmen interessanter sein, da sich keine zwingenden Höchstfördergrenzen ergeben.296 Allerdings lässt sich aus dem F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen entnehmen, dass die Beihilfe „notwendig“297 sein muss. Zudem befindet die Kommission ein Projekt dann für förderungswürdiger, wenn die Begünstigten einen „beträchtlichen Eigenbetrag“298 leisten. Damit wird die Beurteilung des zulässigen Umfangs einer Beihilfe in den Bereich der Kommission überantwortet, ohne dass die Mitgliedstaaten eindeutige Anhaltspunkte erhielten. An welchen Punkten die Kommission ihre Entscheidung schließlich ausrichten wird, ist also nicht transparent und damit für die Mitgliedstaaten nicht vorhersehbar. Der neue F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen stellt hier hinsichtlich der Transparenz von Kommissionsentscheidungen einen Rückschritt gegenüber dem F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1996 dar. c) Fazit Art. 87 III lit. b EG verlangt bereits auf der Tatbestandsseite eine umfassende Abwägungsprüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit der Beihilfe mit anderen Zielen der Gemeinschaft. Der Gemeinschaftsrahmen macht hier Vorgaben, wie diese Abwägung stattzufinden hat. Für das Ermessen der Kommission auf der Rechtsfolgenseite verbleibt nur die Festlegung der Beihilfenintensität. Dafür hat der Gemeinschaftsrahmen keine expliziten Regelungen getroffen. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass eine Zulassung einer FuEuI-Beihilfe nach Art. 87 III lit. b EG nicht der Regelfall, sondern die Ausnahme darstellen wird,299 auch wenn Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen einen zentralen Anwendungsbereich dieser Norm darstellen.300 Dies hat sich auch in der Vergangenheit gezeigt: Die auf Basis von Art. 87 III lit. b EG gewährten Beihilfen sind abzählbar und überschaubar geblieben.301

296

Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 122 (EL 24, 09/2004). F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 4., S. 13. 298 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 4., S. 13. 299 So auch: Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 135. Im Ergebnis auch: Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 44, der darauf hinweist, dass die Kommission verstärkt Art. 87 III lit. c EG heranzieht, auch wenn eine Genehmigung nach Art. 87 III lit. b EG möglich wäre. 300 Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 44; Streinz EUV/EGV – Koenig/Kühling, Art. 87 EG, Rn. 80; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 52; Koenig/Scholz, EWS 2003, 223, 226. 301 Heidenhain – Jestaedt, § 16, Rn. 1. Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 135, weist darauf hin, dass vor allem in jüngerer Zeit kaum Projekte auf Grundlage von Art. 87 III lit. b EG genehmigt wurden. 297

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

3. Festlegungen hinsichtlich Art. 87 III lit. c EG Nach Art. 87 III lit. c EG kann eine Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, wenn sie zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftzweige oder Wirtschaftsgebiete dient, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändert, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Die Anwendung von Art. 87 III lit. c EG stellt nach dem Willen der Kommission und deren Festlegungen im Gemeinschaftsrahmen den Regelfall für die Genehmigung von F-&E-&I-Beihilfen dar.302 In der Kommissionspraxis wird Art. 87 III lit. c EG als Auffangtatbestand behandelt.303 Das bedeutet, dass wenn die Zulassung einer staatlichen Beihilfe nach den Voraussetzungen von Art. 87 III lit. b EG nicht möglich ist, immer noch eine Zulassung der Beihilfe nach Art. 87 III lit. c EG in Betracht kommt. Dieses Stufenverhältnis war im F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1996 in Punkt 3.5. festgelegt.304 Der neue F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen sieht eine solche ausdrückliche Festlegung nicht mehr vor. Allerdings geht er immer noch davon aus, dass staatliche Beihilfen in der Regel nach Art. 87 III lit. c EG zu rechtfertigen sind. Dies kann aus den im Vergleich zu den Regelungen zu Art. 87 III lit. b EG wesentlich umfangreicheren Festlegungen zur Anwendung von Art. 87 III lit. c EG auf FuEuI-Beihilfen geschlossen werden. Die Festlegungen im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens unterscheiden nicht nach dem Tatbestand und der Rechtsfolge von Art. 87 III lit. c EG, sondern geben einen zusammenfassenden Überblick über die zu berücksichtigenden Kriterien bei der Ermessensausübung. Insofern geht auch die Kommission in ihrer Prüfungsentscheidung davon aus, dass eine Trennung zwischen tatbestandlichem Beurteilungsspielraum und Ermessen auf der Rechtsfolgenseite nicht erfolgt. Dennoch soll eine Trennung der Aspekte versucht werden. Dies zum einen, um die Anschlussfähigkeit an die deutsche Dogmatik herzustellen und zum anderen, um der im EG-Vertrag angelegten Normstruktur des Art. 87 III lit. c EG besser gerecht zu werden. a) Tatbestandsseite Art. 87 III lit. c EG verlangt auf der Tatbestandsseite eine Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete. Damit wird

302

Cremer, EWS 1996, 379, 384. Cremer, Forschungssubventionen, S. 151, 157; Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 206. 304 Siehe hierzu auch Heinrich, Rechtliche Systematik der Forschungsförderung, S. 213. 303

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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die streitige Beihilfe zunächst grundsätzlich nach ihrer Ausrichtung bewertet [aa)]. Zusätzlich muss die Beihilfe sowohl geeignet als auch notwendig zur Förderung der Wirtschaftszweige oder -gebiete sein [bb)]. Schließlich darf die staatliche Zuwendung die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft [cc)]. aa) Gewisse Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete Art. 87 III lit. c EG verlangt zunächst die Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige (sektorale Beihilfen) oder Wirtschaftsgebiete (regionale Beihilfen). Horizontale Beihilfen stellen auf ein, von bestimmten Regionen oder Sektoren unabhängiges Kriterium ab,305 können aber regionale oder sektorenspezifische Differenzierungen vorsehen.306 Da FuEuI-Beihilfen als horizontale Beihilfen in der Regel im Rahmen allgemeiner Programme vergeben werden, steht bei der Ausschreibung eines solchen Programms noch nicht fest, welche Branche oder gar welches Unternehmen die Förderung künftig in Anspruch nehmen kann und wird.307 Solche Beihilfen können daher im Grundsatz nicht unter Art. 87 III lit. c EG subsumiert werden.308 Dennoch hat die Kommission solche Programme nach Art. 87 III lit. c EG genehmigt. Sie sieht Art. 87 III lit. c EG demnach als Auffangtatbestand für Beihilfen an, die ohne Rücksicht auf den Wirtschaftszweig oder den Standort des begünstigten Unternehmens gewährt werden.309 Darunter fielen neben allgemeinen auch horizontale Beihilfen. Diese Auffassung wurde weder in der Literatur noch vom EuGH beanstandet.310 Zumeist wird eine solche Förderung mit Hinweis auf die geringe Selektivität

305 Beispielhaft seien hier der Umweltschutz, die Einordnung eines Unternehmens als KMU und die Schaffung von Arbeitsplätzen genannt. 306 Streinz EUV/EGV – Koenig/Kühling, Art. 87 EG, Rn. 70; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 129 (EL 24, 09/2004); Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 194; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 53. 307 Cremer, Forschungssubventionen, S. 158. 308 So ausdrücklich: Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 53. 309 Groeben/Thiesing/Ehlermann – Wenig, Art. 92 EWG, Rn. 63; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 46; Streinz EUV/EGV – Koenig/Kühling, Art. 87 EG, Rn. 91; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 124 (EL 24, 09/2004); Vogt, Rechtsprobleme der europäischen Beihilfenaufsicht, S. 70. 310 In seinen Entscheidungen EuGH Rs. C-730/79, Philip Morris Holland BV/Kommission, Slg. 1980, 2671 und EuGH Rs. C-102/87, Französische Republik/Kommission, Slg. 1988, 4082 ist der EuGH auf die Problematik nicht eingegangen und hat damit implizit das Vorgehen der Kommission gebilligt. Für die Literatur siehe: Cremer, Forschungssubventionen, S. 158; Groeben/Thiesing/ Ehlermann – Wenig, Art. 92 EWG, Rn. 63; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht, S. 53.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

der Maßnahme und der damit verbundenen geringen Auswirkung auf den Wettbewerb als möglich und zulässig beschrieben.311 Würden horizontale Beihilfen von Art. 87 III lit. c EG nicht erfasst, müssten sie stets verboten werden, da sie nicht unter einen der anderen Ausnahmetatbestände subsumiert werden können. Für FuEuI-Beihilfen käme zwar noch eine Zulassung nach Art 87 III lit. b EG in Betracht, allerdings kann die Zulassung der Beihilfe an dem Nachweis des gemeinsamen europäischen Interesses scheitern.312 Die Zulassung von horizontalen Beihilfen nach Art. 87 III lit. c EG ist damit im Ergebnis einem praktischen Bedürfnis geschuldet. Konsequenz dieser Betrachtung ist, dass auf der Tatbestandsebene das Merkmal der „Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftgebiete“ bei horizontalen Beihilfen nicht geprüft, sondern sein Vorliegen vorausgesetzt wird. Das neue Abwägungsmodell des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens verlangt jedoch, dass die geplante Beihilfe einem genau definierten Ziel von gemeinsamem Interesse dient. Der Gemeinschaftsrahmen formuliert zu dieser Anforderung wie folgt: „Die Kommission geht davon aus, dass eine Intensivierung der FuE-Tätigkeiten in der Gemeinschaft im gemeinsamen Interesse der Gemeinschaft liegt, da man erwarten kann, dass sie in erheblichem Maße zu Wachstum, Wohlstand und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.“313 Danach ist und bleibt eine eingehende Prüfung überflüssig. Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals wird vielmehr als gegeben vorausgesetzt. bb) Eignung und Notwendigkeit der Beihilfe zur Förderung Die Beihilfe muss geeignet sein, die Entwicklung der Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete zu fördern. Auf die FuEuI-Beihilfen angewandt bedeutet dies, dass die Eignung zur Förderung der Forschung-, Entwicklungs- und Innovationstätigkeit geprüft werden muss.314 Diese Eignungsbestimmung erfolgt dabei nach dem F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen nicht nur abstrakt unter dem Gesichtspunkt einer Förderkausalität. Vielmehr sind bei der Frage nach der Beihilfe als geeignetes Förderinstrument auch Aspekte der Erforderlichkeit zu berücksichtigen.315 Es ist also danach zu fragen, ob es nicht eine andere staatliche Maßnahme gibt, um das konkrete Marktversagen zu beheben. Als alternative Maßnahmen nennt der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen Instrumente wie Re311 So etwa: Cremer, Forschungssubventionen, S. 158; Callies/Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 46. 312 Siehe dazu bereits oben: 3. Kap. C.II.2.a). Ebenso: Groeben/Thiesing/Ehlermann – Wenig, Art. 92 EWG, Rn. 63. 313 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 7., S. 19. 314 Diese Prüfung entspricht fast vollumfänglich dem 2. Schritt des neuen Abwägungsmodells. So auch: Bartosch, RIW 2007, 681, 686. 315 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 7.3.2., S. 21.

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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gulierung, bessere Finanzierung der Hochschulen oder allgemeine steuerliche Maßnahmen.316 Die Eignung der konkreten Beihilfe ist schließlich durch den Mitgliedstaat darzulegen. Für die Darlegung genügt es, dass der Mitgliedstaat eine andere Maßnahme erwogen und im Ergebnis festgestellt hat, dass die Gewährung einer Beihilfe gegenüber der anderen Maßnahme vorteilhafter ist.317 Von der Notwendigkeit einer Beihilfe ist immer dann auszugehen, wenn die Beihilfe einen Anreizeffekt hat. Dieser ist nur ausgeschlossen, wenn die geförderte Einrichtung oder das Unternehmen die Tätigkeit in gleichem Umfang auch ohne die Beihilfe durchgeführt hätte.318 Der Anreizeffekt fehlt regelmäßig dann, wenn die Tätigkeit bereits vor der Beihilfengewährung durch den Mitgliedstaat begonnen oder nach Ablehnung der Beihilfengewährung trotzdem durchgeführt wurde.319 Auf die vorherige Anmeldung der Beihilfe kommt es hingegen nicht an. Der Anreizeffekt muss durch den Mitgliedstaat nachgewiesen werden, was in der Regel nicht einfach ist.320 Für den Nachweis stellt der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen einen Kriterienkatalog zusammen, an dem der Mitgliedstaat die Darlegung des Anreizeffektes ausrichten kann.321 Mögliche Kriterien sind: die Erhöhung des Projektumfangs oder der Projektreichweite, die Beschleunigung des Vorhabens oder die Aufstockung der Gesamtaufwendungen. Die Prüfung des Anreizeffektes steigt in ihrem Umfang mit der Marktnähe des zu fördernden F-&E-&I-Projektes,322 da mit steigender Marktnähe auch das Verzerrungspotenzial der Beihilfe steigt. Der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen formuliert für einige Arten von Beihilfen einen Automatismus für das Vorliegen des Anreizeffektes,323 entlastet also in diesen Bereichen die Mitgliedstaaten von ihrer Darlegungs- und Beweislast. Im Gegensatz zur Vorgängerregelung im F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1996, der nur dann einen Anreizeffekt automatisch als gegeben ansah, wenn der Beihilfenempfänger ein KMU war,324 gehören jetzt zu diesen Beihilfemaßnahmen 316 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 1.3.3., S. 6 und unter Punkt 7.2.3., S. 21. 317 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 7.2.3., S. 21. 318 EuGH Rs. C-730/79, Philip Morris Holland BV/Kommission, Slg. 1980, 2671, 2690; Cremer, EWS 1996, 379, 389; Cremer, Forschungssubventionen, S. 109. 319 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 6., S. 19; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 112 (EL 24, 09/2004); Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 207. 320 Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 142; Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 21. 321 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 6., S. 19. 322 So der F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1996 unter Punkt 6.5., 1. Spiegelstrich, S. 13. Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 143; Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 21. 323 So auch: Bartosch, RIW 2007, 681, 686. 324 Vgl. F-&E-Gemeinschaftsrahmen 1996 unter Punkt 6.4., S. 13.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

mit automatischem Anreizeffekt unter anderem: Beihilfen für von KMU zu tragende Kosten für gewerbliche Schutzrechte, Beihilfen für junge innovative Unternehmen und Beihilfen zur Ausleihung hochqualifizierten Personals.325 cc) Abwägungsprogrammatik Schließlich verlangt der Tatbestand des Art. 87 III lit. c EG, dass die Förderungen „die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft“. Mit dieser Formulierung werden der Kommission weitreichende Entscheidungsspielräume eingeräumt. Die Handlungsfreiheit der Kommission ist jedoch nicht grenzenlos. Durch die Verpflichtung auf die Schaffung bzw. Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs (Art. 2, Art. 3, Art. 87 EG) wird das Ermessen der Kommission beschränkt. Absolute Grenze bei der Zulassung von Beihilfen ist somit die Ausschaltung wesentlichen Wettbewerbs.326 Das gemeinsame Interesse ist hier daher ausschließlich unter wettbewerbsbezogenen Gesichtspunkten zu bestimmen. Es bezieht sich auf die die Bedingungen des Handels verändernden Auswirkungen einer Beihilfe.327 Um ein „Zuwiderlaufen“ feststellen zu können, bedarf es einer umfänglichen Abwägung der positiven und negativen Effekte der Beihilfe auf den gemeinschaftlichen Wettbewerb.328 Dabei hat die Kommission alle wesentlichen rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkte einzubeziehen. 329 Dies legt auch der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen so fest. Anhand der positiven und negativen Elemente hat die Kommission eine Abwägung zwischen den Auswirkungen der Maßnahme zu treffen, um festzustellen, ob die Wettbewerbsverfälschungen die Handelsbedingungen in einem dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Maße beeinträchtigen. Die Analyse beruht dabei in jedem Einzelfall auf einer Gesamtwürdigung der absehbaren positiven und nachteiligen Auswirkungen der staatlichen Beihilfe.330 Ein Ausgleich erfolgt dann unter Zugrundelegung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Diesen Abwägungsvorgang hat die Kommission im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen für bestimmte Fälle detailliert vorgege325

Vgl. die Aufzählung im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 6., S. 19. Cremer, Forschungssubventionen, S. 158. 327 Cremer, Forschungssubventionen, S. 159; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 124 (EL 24, 09/2004). Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 196 mit Beispielen für zu berücksichtigende Aspekte. 328 EuG Rs. T-288/97, Regione Friuli Venezia Giulia/Kommission, Slg. 2001 II, 1169, 1202; Grabitz/Hilf – von Wallenberg, Art. 87 EG, Rn. 124 (EL 24, 09/2004); Vogt, Rechtsprobleme der europäischen Beihilfenaufsicht, S. 68; Nowak, EuZW 2003, 389, 398; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 53. 329 EuGH Rs. C-296/82, Königreich Niederlande/Kommission, Slg. 1985, 809, 825; Cremer, Forschungssubventionen, S. 110. 330 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 7.5., S. 23. 326

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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ben. Eine umfängliche Einzelfallprüfung ist nur notwendig, wenn nicht eine der privilegierten Maßnahmen vorliegt und die Schwellenwerte der Ziffer 7.1. des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens überschritten werden.331 Die Implementierung einer abwägenden Entscheidung zur Bestimmung der Reichweite des Tatbestandsmerkmals „nicht dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufen“ zeigt, dass die Formulierung eines allgemeinen Abwägungsprogramms mit unterschiedlichen Prüfungsschritten nur eine begrenzte Gültigkeit beanspruchen kann, wenn man der Normstruktur Rechnung tragen will. b) Rechtsfolgenseite Nach der Struktur des Art. 87 III EG wird der Kommission auf der Rechtsfolgenseite Ermessen eingeräumt. Da bereits auf der Tatbestandsseite der Norm eine abwägende Entscheidung zu treffen ist, muss die Frage aufgeworfen werden, welche Entscheidungsfreiräume dann noch für die Rechtsfolgenseite verbleiben. aa) Umfang der Ermessensfreiräume Die auf der Tatbestandsseite durchzuführende umfängliche und gewichtende Prüfung der Auswirkungen der Beihilfengewährung auf den Wettbewerb, könnte zum einen zu einer Vorwegnahme der Ermessensausübung führen. Zum anderen könnte dies auf eine Intendierung der Ermessensausübung hinauslaufen. Eine Vorwegnahme der Ermessensausübung, also eine Vorgabe der Ermessensbetätigung ohne Abweichmöglichkeiten, würde das in Art. 87 III lit. c EG zusätzlich auf der Rechtsfolgenseite eingeräumte Ermessen der Kommission im Ergebnis leer laufen lassen. Die Kommission wäre danach verpflichtet, bei einer positiven Bilanz in der tatbestandlichen Abwägung, die Beihilfe nach Art. 87 III lit. c EG zuzulassen. Diese Lösung wird schon der aus dem Wortlaut folgenden Struktur des Art. 87 III lit. c EG nicht gerecht. Auf der Tatbestandsebene sind ausschließlich die Auswirkungen auf den Wettbewerb zu prüfen. Damit verbleibt für die Rechtsfolgenseite noch der notwendige Ausgleich mit den anderen Zielen der Gemeinschaft. Insofern kann hier auf die Ausführungen zu den Grundsätzen der Ermessensausübung verwiesen werden.332 Dort wurde bereits festgestellt, dass die Kommission die Ausnahmebestimmung des Art. 87 III EG nach Maßgabe wirtschaftlicher und sozialer Wertungen vornehmen muss, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind.333 Die Erfüllung der tatbe331

Siehe dazu allgemein bereits die Ausführungen oben: 3. Kap. C.II.1. Siehe oben: 3. Kap. C.I.1. 333 Vgl. dazu bereits oben: 3. Kap. C.I.1.b). Siehe auch: Cremer, Forschungssubventionen, S. 159. 332

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

standlichen Voraussetzungen kann also nicht dazu führen, dass jede FuEuI-Beihilfe (ebenso wenig jede andere Beihilfe) unabhängig von ihren Auswirkungen auf andere Gemeinschaftsziele zu gewähren ist,334 auch wenn die Kommission eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber den Beihilfen im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation einnimmt. Damit bleibt zu prüfen, ob die umfängliche Abwägungsprogrammatik auf der Tatbestandsseite in eine Intendierung des Ermessens mündet. Auch wenn nach der Konzeption des intendierten Ermessens ein Abweichen im Ausnahmefall zulässig ist, so würde eine Regelbindung die Andersartigkeit der weiteren Abwägungsgesichtspunkte und deren Bedeutung gegenüber der wirtschaftlichen Auswirkung der Beihilfe verkennen. Das heißt, dass auch eine Intendierung des Ermessens nicht aus der umfänglichen Prüfung unter wettbewerblichen Aspekten auf der Tatbestandsseite folgen kann. Das Ermessen der Kommission auf der Rechtsfolgenseite ist damit nach den allgemeinen Regeln, also pflichtgemäß auszuüben.335 Die Kommission hat damit die ausnahmsweise Zulassung einer Beihilfe nach Art. 87 III lit. c EG ins Verhältnis zu den anderen Zielen der Gemeinschaft zu setzen und im Einzelfall zu bewerten.336 Sie muss prüfen, ob die Beihilfe im Ergebnis positiv zu bewerten ist [cc)]. Dabei ist auch auf die Angemessenheit der Beihilfe insgesamt einzugehen [bb)]. Es muss hier vor allem sichergestellt werden, dass mit der Beihilfengewährung die Probleme, die mit ihr ausgeglichen oder behoben werden sollen, nicht nur verlagert werden.337 bb) Zulässige Höchstförderung Im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit der Beihilfe verbleibt damit die Bestimmung des Umfangs der zulässigen Beihilfe. Der eingeräumte Ermessensspielraum wird durch den F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen umfänglich vorgeprägt. Der Bestimmung der Beihilfenintensität widmet die Kommission in dem Gemeinschaftsrahmen insgesamt sechs Seiten.338 Dies ist vor allem gegenüber den Vorgängerregelungen ein beträchtlicher Zugewinn an Detailgenauigkeit. In der Praxis, d.h. für die betroffenen Unternehmen, ist die Frage nach der zulässigen Höhe der Beihilfe von besonderer Bedeutung.339 Regelmäßig werden sie 334

Cremer, Forschungssubventionen, S. 159; Nowak, EuZW 2003, 389, 398. Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 50. 336 Dies ist der wesentliche Unterschied zu der Regelung in Art. 87 III lit. b EG. Dort muss die umfassende Abwägung mit allen gemeinschaftsrechtlichen Zielen bereits auf der Tatbestandsseite vorgenommen werden. So auch Cremer, Forschungssubventionen, S. 160. 337 Groeben/Schwarze – Mederer, Art. 87 EG, Rn. 149; Geiss, Rechtsstaatliche Grundsätze im Beihilfenrecht der EG, S. 51. 338 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen, S. 13–18. 339 Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 20. 335

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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ihre Planung daran orientieren und die Projekte an der Förderfähigkeit ausrichten. (1) Grundregel Im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen finden sich zunächst Ausführungen, die sich an der Art der Forschung und Entwicklung orientieren. Die Marktnähe bzw. -ferne eines Vorhabens ist also zentrales Kriterium für die Bemessung der Beihilfenintensität. 340 Dabei gilt der folgende Grundsatz: Je marktferner das Forschungs- oder Entwicklungsvorhaben, desto höher der zulässige Förderungsumfang.341 Der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen stellt daher unter Punkt 5.1.2. fest, dass die Beihilfenintensität 100% bei der Grundlagenforschung, 50% bei der industriellen Forschung und 25% bei der experimentellen Entwicklung nicht übersteigen darf.342 Die Intensität der zulässigen Beihilfe berechnet sich dabei im Verhältnis zu den förderfähigen Kosten und wird anteilsmäßig für jeden einzelnen Begünstigten bestimmt.343 Die Förderungsfähigkeit eines Projektes steht damit in unmittelbarer Abhängigkeit zu seinem Inhalt. Nicht das Gesamtvolumen der Investition des Beihilfenempfängers ist ausschlaggebend für die mögliche Förderungshöhe, sondern nur der Anteil, der unter die förderfähigen Kosten subsumiert werden kann. Die gesamten Projektkosten sind also nur dann förderungsfähig, wenn sie sich den unter Punkt 5.1.4. des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens definierten förderfähigen Kosten zuordnen lassen.344 Förderfähig sind danach vor allem Kosten für Personal, Ausrüstungen und Instrumente, Gebäude, Grundstücke und Lizenzen. (2) Aufschläge In einzelnen Bereichen hält die Kommission eine Abweichung von der grundsätzlich zulässigen Beihilfenhöhe für geboten. Geregelt wird dabei lediglich ein Abweichen nach oben. Für die Bewertung der möglichen Aufschläge zur zuläs340 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.1.1., S. 13. Ebenso: Callies/ Ruffert – Cremer, Art. 87 EG, Rn. 51; Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 137; Cremer, EWS 1996, 379, 384; Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 20. 341 So auch der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 1.3.6., S. 7. 342 Diese Werte waren in der bisherigen Beihilfenpraxis im F-&E-Bereich bereits anerkannt und stellen damit eine Fortschreibung dieser dar. 343 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.1.2., S. 13. Ebenso: Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 138; Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 20. 344 Heidenhain – Repplinger-Hach, § 17, Rn. 138; Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 20. Die gegebene Definition deckt sich inhaltlich vollständig mit der Regelung des F-&E-Gemeinschaftsrahmens von 1996. Dort fanden sich die Aussagen zu den förderfähigen Kosten in Anlage II.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

sigen Grundförderung stellt der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen erstmalig einen stark differenzierenden Kriterienkatalog zur Verfügung. Dieser löst die weit undifferenzierteren Vorgängerregelungen ab, die die Bestimmung der Beihilfenintensität im Ergebnis auf den Grundsatz der Einzelfallprüfung durch die Kommission zurückführten. Um die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung im Einzelfall zu wahren und den besonderen Bedürfnissen des Marktes und des Forschungssubjektes gerecht zu werden, werden die grundsätzlichen Ausführungen durch entsprechende Parameter ergänzt. So ist die Förderung eines KMU in einem größeren Umfange möglich als die Förderung eines Großunternehmens. Ebenso wird die Zusammenarbeit von Unternehmen unterschiedlicher Größen positiv berücksichtigt.345 Neben diesen Regelungen finden sich weiterhin Festlegungen, die auf die Art der Mittelvergaben (Steuererleichterungen, rückzahlbarer Vorschuss)346 und den Inhalt bzw. Zweck der Mittelverwendung (Erwerb von gewerblichen Schutzrechten,347 Ausleihe von hochqualifiziertem Personal348) abstellen. Die Parameter können zudem in unterschiedlichster Weise kombiniert werden, so dass sie sich im Ergebnis auch gegenseitig verstärken können. Dabei steht vor allem die verstärkte Förderung von KMU im Mittelpunkt. Grund dafür ist das Bewusstsein, dass vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen ein bisher ungenutztes Entwicklungspotenzial vorhanden ist, da diese aufgrund ihrer Größe und finanziellen Ausstattung besondere Schwierigkeiten beim Aufbau und Unterhalt von Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsabteilungen haben. Entfallen ist dagegen die grundsätzliche Möglichkeit einen Regionalbonus zu erhalten. Regionalboni gibt es nur noch im Bereich der Innovationsförderung.349 (3) Regelungen bezüglich Innovation Neben den Bestimmungen für die Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen finden sich vielfältige Regelungen zum Umfang der Förderung von Innovationstätigkeiten. Hier erfolgt keine Festlegung der Beihilfenintensität auf der Basis einer Grundregelung, sondern eine tätigkeitsbezogene Festlegung. Dennoch findet sich auch hier in den einzelnen Regelungen eine abgestufte Beihilfenintensität je nach Beihilfenempfänger. Tendenziell ist aber eine Konzentration der Vergabe von Innovationsbeihilfen auf KMU zu verzeichnen.350 345 Siehe zu den unterschiedlichen Förderintensitäten und einzelnen Aufschlägen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5., S. 13 ff. 346 Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.1.5. und Punkt 5.1.6., S. 15. 347 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.3., S. 16. 348 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.7., S. 17. 349 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.8., S. 18.

C. Der Ausnahmetatbestand des Art. 87 III EG

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Daneben stehen gesonderte Festlegungen für die Förderung von Durchführbarkeitsstudien und Innovationskernen.351 Eine Besonderheit bei der Förderung von Innovationskernen ist, dass hier neben den bekannten Parametern auch Aspekte der Regionalförderung eine Berücksichtigung erfahren.352 (4) Kumulierung Hat die Kommission eine Einordnung der streitigen Beihilfe vorgenommen und nach den Umständen des Einzelfalls die zulässige Höchstförderung nach dem F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen festgestellt, muss in die Betrachtung der Zulassung der Beihilfe die Möglichkeit einer anderweitigen Förderung des Forschungs- und Entwicklungsprojektes einbezogen werden. Dazu trifft der Gemeinschaftsrahmen drei unterschiedliche Äußerungen. Die erste betrifft das Zusammentreffen von mitgliedstaatlicher und gemeinschaftlicher Förderung von F-&E-Projekten: Es gilt die jeweilig Obergrenze des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens. Eine Ausnahme wird nur für F-&E-Rahmenprogramme anerkannt, die gemäß Titel XVIII des EG-Vertrages erlassen werden. Die zweite Festlegung betrifft das Zusammentreffen von Fördermöglichkeiten nach unterschiedlichen Programmen, Gemeinschaftsrahmen oder Leitlinien. Wird das Projekt ganz oder teilweise auch durch andere Beihilfen unterstützt, hat die Behörde die Zulässigkeit einer entsprechenden Kumulierung der Beihilfen zu prüfen. Diese ist, von der Ausnahme für Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in KMU abgesehen,353 nur begrenzt möglich. Für den Beihilfenempfänger gilt hier aber der Meistbegünstigungsgrundsatz. D.h., wenn eine Förderung des Projektes auch für andere Zwecke möglich ist und dort eine andere zulässige Höchstgrenze existiert, gilt die günstigere Obergrenze. Auf jeden Fall ist aber eine bestimmte Beihilfenhöhe einzuhalten. Die dritte Äußerung des Gemeinschaftsrahmens betrifft schließlich ein Zusammentreffen der Förderung nach diesem Gemeinschaftsrahmen und einer Deminimis-Förderung. Eine Kumulierung dieser Förderungen ist ausdrücklich ausgeschlossen, wenn Ziel dieser Kumulierung die Umgehung der festgelegten Höchstfördergrenzen nach dem F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen ist. Inhaltlich findet sich gegenüber dem F-&E-Gemeinschaftsrahmen von 1996 keine wesentliche Änderung. Neu ist nur die Benennung expliziter Ausnahmen.

350

Hildebrandt/Castillon, EWS 2006, 17, 18. Zu den Durchführbarkeitsstudien: F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.2., S. 16. Zu den Innovationskernen: F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.8., S. 18. 352 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 5.8., S. 18. 353 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 8., S. 24. 351

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

Allerdings haben die Festlegungen eine bessere Systematisierung erfahren und an Deutlichkeit in ihrem Aussagegehalt gewonnen. (5) Wertende Zusammenfassung Eine wertende Betrachtung der Regelungen zur Beihilfenintensität führt zu folgendem Resultat: Die neuen Festlegungen sind das Ergebnis aus den Erfahrungen der alten Gemeinschaftsrahmen und der Bedeutung von FuEuI-Beihilfen für den gemeinschaftlichen Wirtschaftsraum. Auch bei Zugrundelegung einer grundsätzlich positiven Einstellung der Kommission gegenüber Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation zeigt sich im Bereich der Bestimmung der Beihilfenintensität die allgemeine Grundtendenz, Beihilfen effektiver und gesteuerter einzusetzen. Sie sind an festen Kriterien zu orientieren und nicht wahllos („mit der Gießkanne“) zu verteilen. Die Ermessensausübung ist daher durch eine einheitliche Grundlinie geprägt. Die neue Detailgenauigkeit trägt zudem maßgeblich zur Erhöhung der Transparenz der Kommissionsentscheidung bei und ist daher aus mitgliedstaatlicher Sicht besonders zu begrüßen. cc) Abschließende Gesamtabwägung der Kommission Auf der Rechtsfolgenseite hat die Kommission zu prüfen, ob die Beihilfe „per saldo“354 positiv zu bewerten ist. Das folgt schon aus der Struktur des Art. 87 EG. Wenn Art. 87 I EG die Gewährung von Beihilfen wegen ihrer möglichen Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt verbietet, dann kann eine ausnahmsweise Zulassung einer Beihilfe nur daraus resultieren, dass die negativen Wirkungen durch andere aus Gemeinschaftssicht positiv zu beurteilende Auswirkungen (über)kompensiert werden.355 Die Kommission muss daher im Einzelfall eine Gesamtabwägung aller Umstände vornehmen.356 Aufgrund der Ausgestaltung des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens ist die Abwägungsprüfung im vollen Umfange nur notwendig, wenn keine der besonders privilegierten FuEuI-Tätigkeiten vorliegt und die in Abschnitt 7.1. festgelegten Schwellenwerte überschritten werden. Maßgeblichen Einfluss auf diese Bewertung haben die anderen Gemeinschaftsziele, zu denen die Beihilfe in Beziehung zu setzen ist, die Beihilfenintensität, mit der die Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt in ihrem Umfang beschränkt werden können, der Umfang des Anreizeffektes und die Bedeutung des zu kompensierenden Marktversagens sowie das Risiko der Wettbewerbsverfälschung. Bezüglich der Gewichtung dieser Gesichtspunkte im Abwä354 355 356

Cremer, EWS 1996, 379, 387. Cremer, EWS 1996, 379, 387. Koenig/Kühling, EuZW 1999, 517, 519.

D. Kommissionsentscheidungen im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen

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gungsprozess muss der Kommission aber ein Entscheidungsspielraum verbleiben.357 Eine umfangreiche Darstellung der möglichen Auswirkungen von Beihilfen und deren Berücksichtigung im Abwägungsprozess findet sich im F-&E-&IGemeinschaftsrahmen unter Ziffer 7.3. bis Ziffer 7.5. Danach sind als positive Aspekte zu werten: Die Eignung der Beihilfe zur Behebung eines Marktversagens, der Anreizeffekt und die Notwendigkeit der Beihilfe, die Verhältnismäßigkeit der Beihilfe, also die Begrenzung auf das Mindestmaß und andere zusätzliche positive Auswirkungen (Spillover) auf das Umfeld. Der wichtigste positive Effekt einer Beihilfe ist der gesetzte Anreizeffekt. Nur wenn durch die Beihilfe zusätzliche FuEuI-Tätigkeit erreicht werden kann, wird die Zielsetzung der Gemeinschaft, die ungenutzten Potenziale im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation als Wirtschaftsmotor und Arbeitsplatzgarant zugänglich zu machen, befördert. Besonders positiv ist stets die Einbindung von KMU zu bewerten. Als negative Auswirkung einer Beihilfe ist die Handels- und Wettbewerbsverzerrung in Ansatz zu bringen. Bei der Bestimmung der verzerrenden Wirkung einer Beihilfe hat die Kommission nun eine umfängliche Prüfung vorzunehmen. Hier findet der Ansatz des „more economic approach“ volle Berücksichtigung. Zu ermitteln sind daher sowohl die aktuellen Marktstrukturen als auch die konkreten Auswirkungen der Beihilfe auf den Markt. Die Beihilfe kann zum einen zu einer Verfälschung der Investitionsanreize für die Wettbewerber führen. Wenn ein Unternehmen Beihilfen erhält, erhöht dies in der Regel die Wahrscheinlichkeit seines Erfolges am Markt. Diese verstärkte Marktpräsenz kann aber die Wettbewerber veranlassen, den Umfang ihrer eigenen Anstrengungen am Markt zu verringern. Damit wird letztlich nur das Marktversagen verschoben und nicht behoben. Die Summe der Investitionen bleibt dann unverändert. Zum anderen können Beihilfen zur Schaffung oder Stärkung von Marktmacht und zur Aufrechterhaltung ineffizienter Marktstrukturen führen. Die konkrete Entscheidung bleibt aber der Kommission in jedem Einzelfall überlassen. Sie muss sich nur in dem vorgegebenen Rahmen halten.

D. Kommissionsentscheidungen auf Basis des neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens Bis zum 30. Juni 2008 hat die Kommission 110 Beihilferegelungen und Adhoc-Beihilfen auf der Grundlage des neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens genehmigt. Rund 20 dieser Regelungen betrafen Innovationsbeihilfen, denen der 357

Cremer, EWS 1996, 379, 388.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

erweiterte Anwendungsbereich des neuen Gemeinschaftsrahmens bereits zugute kam.358 Zusätzlich hatte die Kommission 13 umfangreiche Einzelbeihilfen zu prüfen, die aufgrund der Beihilfenhöhe einer eingehenden Würdigung zu unterziehen waren.359 Im Jahr 2007 gab es einen auffällig hohen Anteil genehmigter Projekte, die von der Agence française de l’innovation industrielle finanziert wurden.360 EU-weit beliefen sich die Ausgaben für staatliche FuEuI-Beihilfen 2007 auf 7,2 Mrd. A.361 Im Folgenden werden einige neuere Entscheidungen der Kommission auf Basis des neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens dargestellt. Dabei soll vor allem die Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationstätigkeit in Deutschland in Bezug genommen werden.

I. Entscheidungen zur Anpassung und Neumeldung von Beihilferegelungen Die Mitgliedstaaten mussten ihre bestehenden Beihilferegelungen bis Ende 2007 an den neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen anpassen.362 Fast alle Mitgliedstaaten (und deren eigenständige Untergliederungen) haben dies mittlerweile getan und ihre bestehenden Beihilfenprogramme bzw. Beihilfenregelungen neu angemeldet. Zum Teil wurden die alten Regelungen um den Aspekt der Innovationsförderung ergänzt, zum Teil wurden getrennte Programme zur Innovationsförderung zur Genehmigung angemeldet.363 Die meisten vorgelegten Regelungen bezogen sich dabei auf die Forschungsförderung und die Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Auffällig ist, dass es insgesamt nur geringe Abweichungen im Wortlaut der mitgliedstaatlichen Regelungen und den Regelungen im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen gibt. Nur bei den Höchstfördersätzen gab es Abweichungen. Die nach dem F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen zulässigen Grenzen wurden dabei aber allenfalls unterschritten.364

358 Bericht der Kommission – Anzeiger für staatliche Beihilfen – Herbstausgabe 2008, KOM(2008)751 endgültig, S. 45. 359 Bericht der Kommission – Anzeiger für staatliche Beihilfen – Herbstausgabe 2008, KOM(2008)751 endgültig, S. 45. 360 Bericht der Kommission – Bericht über die Wettbewerbspolitik 2007, KOM(2008) 368 endgültig, S. 8, Ziffer 25. 361 Bericht der Kommission – Anzeiger für staatliche Beihilfen – Herbstausgabe 2008, KOM(2008)751 endgültig, S. 43. 362 F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 10.2., S. 25; Bericht der Kommission – Anzeiger für staatliche Beihilfen – Herbstausgabe 2008, S. 44. 363 Siehe dazu beispielhaft die Entscheidungen der Kommission zu den deutschen Programmen „PRO INNO II“ (N 613/2007) und „INNO-WATT“ (N 612/2007).

D. Kommissionsentscheidungen im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen

251

Bei der Prüfung der jeweils angemeldeten Regelung legt die Kommission ein festes Schema zugrunde. Zunächst wird das Vorliegen einer Beihilfe, also der Tatbestand des Art. 87 I EG in den Blick genommen. Dabei kann die Würdigung der mitgliedstaatlichen Reglungen nicht sehr tiefgründig erfolgen, da diese notwendigerweise abstrakt gehalten sind. Untergliedert wird die Prüfung aber nach dem Beihilfenempfänger. Hier folgt die Kommission der Festlegung im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen und stellt die Privilegierung der Förderung von Forschungseinrichtungen und bestimmten Kooperationsverhältnissen mit Unternehmen heraus. Bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Regelung mit dem Gemeinsamen Markt wird eine Anbindung an Art. 87 EG aufgegeben. Orientierungsmaßstab sind ausschließlich die Festlegungen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens. Anhaltspunkte für die Auslegung einzelner Regelungen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens lassen sich den Entscheidungen der Kommission nicht entnehmen. Diese sind daher im Ergebnis wenig ergiebig. Auffällig ist, dass die Entscheidungsformel der Kommission als einschlägigen Ausnahmetatbestand stets Art. 87 III lit. c EG benennt. Dies bestätigt die oben gemachte Aussage, dass Art. 87 III lit. c EG ein Auffangtatbestand ist und sein Eingreifen bei Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen die Regel ist. Die bekannteste Beihilfenregelung, die die Kommission bisher genehmigt hat, ist jene zum „Spitzencluster-Wettbewerb“ in Deutschland.365

II. Entscheidungen zu Einzelbeihilfen Interessanter für die Veranschaulichung der Kommissionspraxis sind hingegen die Entscheidungen zu Einzelbeihilfen. Hier bekommt die Kommission die Möglichkeit, die Regelungen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Aus diesen Entscheidungen lassen sich unter Umständen Rückschlüsse auf die Handhabung einzelner Regelungen des Gemeinschaftsrahmens ziehen.

364 So vor allem die Richtlinie der Tiroler Zukunftsstiftung zur Förderung von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung. Siehe dazu die Entscheidung der Kommission vom 31.01.2008 zur Beihilfe N 532/2007. Entscheidung abrufbar unter: http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp2007/n532-07.pdf. 365 Entscheidung der Kommission vom 18.03.2008 zur Beihilfe N 616/2007. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2007/n616-07. pdf.

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

1. Entscheidung spanische Turbinenwerke – Beihilfe N 608/2006366 Die Entscheidung der Kommission in der Sache spanische Turbinenwerke erging am 21.03.2007 und zählt damit zu einer der ersten nach dem Inkrafttreten des neuen F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens am 01.01.2007. Inhaltlich ging es um die Gewährung eines Darlehens und zurückzuzahlender Vorschüsse seitens Spaniens an ein Werk zur Entwicklung der neuartigen Turbine Trent 1000 für die Boeing 787. Schon in dieser Entscheidung zeigt sich, dass die Kommission einzig den F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen als Maßstab heranzieht. Die Entscheidungsstruktur orientiert sich zu 100% an dessen Festlegungen und löst sich von der eigentlichen Struktur des Art. 87 EG. Zwar wird zunächst das Vorliegen einer Beihilfe geprüft. Diese Prüfung fällt allerdings sehr kursorisch aus. Vor allem hinsichtlich der Bestimmung des Marktes und des dort herrschenden Wettbewerbes lässt die Kommission eine detaillierte Analyse vermissen. Dies ist insofern zu bemängeln, als dass sich die Kommission auf den Ansatz des „more economic approach“ verpflichtet hat. Die verstärkt wirtschaftliche Betrachtungsweise wird dann vielmehr im Bereich der Abwägungsentscheidung nachgeholt, um die negativen Auswirkungen der Beihilfe auf den Markt zu bestimmen. Eingehend werden die einzelnen Punkte des neuen Abwägungsprogramms geprüft. Ein Bezug zu einem der Ausnahmetatbestände des Art. 87 III EG wird allerdings nicht hergestellt. Sehr umfangreich werden die Punkte Anreizeffekt der Beihilfe, Zuordnung des Projektes zu den Forschungskategorien und förderfähige Kosten bzw. Beihilfenintensität geprüft. Dies wiederum entspricht der Verpflichtung der Kommission auf einen „more economic approach“. Eine abschließende Entscheidung im Sinne einer Zulassung oder endgültigen Ablehnung hat die Kommission jedoch nicht getroffen. Sie hat sich vielmehr dazu entschlossen, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 II EG zu eröffnen, da zu viele Unsicherheiten bezüglich entscheidungserheblicher Parameter bestanden. 2. Entscheidung Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung – Beihilfe N 65/2007367 Die Entscheidung der Kommission bezüglich des österreichischen Ludwig Boltzmann Instituts (LBI) erging am 29.11.2007. Das LBI ist eine gemeinnüt366

Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/industrie_2006.htm. Entscheidung abrufbar unter: http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp2007/nn065-07.pdf. 367

D. Kommissionsentscheidungen im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen

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zige Einrichtung, die von mehreren anderen juristischen Personen als technologische Plattform für Forschungszwecke gegründet wurde. Am LBI sind die Universität Wien, andere Forschungseineinrichtungen, zwei KMU und ein Großunternehmen beteiligt. Finanziert wird das LBI anteilig durch die beteiligten Kooperationspartner. Dabei tragen die staatlichen Einrichtungen (Universität und Forschungseinrichtungen) die finanzielle Hauptlast. Das LBI wird somit zu 79,6% aus staatlichen Mitteln finanziert. Die ausgeübte Tätigkeit ist der Grundlagenforschung im Bereich der Erforschung kindlicher Krebsformen zuzurechnen. Das ganze Projekt ist durch ein hohes Forschungsrisiko gekennzeichnet. Die Entscheidung der Kommission folgt dem „üblichen Aufbau“. Am Anfang steht die Prüfung des Beihilfenbegriffs. Sie erfolgt hier sehr pauschal und endet in der Bejahung des Tatbestandes von Art. 87 I EG. Auf die unterschiedlichen Beteiligten und die im F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen enthaltenen Tatbestandsausnahmen für Forschungseinrichtungen und Universitäten, solange diese keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, geht die Kommission an dieser Stelle nicht ein. Das bedeutet aber nicht, dass die Kommission dies nicht an anderer Stelle nachholt. Eine umfassende trennende Prüfung der Beihilfenempfänger erfolgt schließlich im Rahmen der Betrachtungen zu Art. 87 III lit. c EG. Dieses Vorgehen ist nicht nur unter systematischen Gesichtspunkten zu kritisieren. Auch der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen zieht die Prüfung des Beihilfenempfängers vor. Er ordnet die Frage der Tatbestandsebene – also Art. 87 I EG zu – und privilegiert Universitäten und Forschungseinrichtungen. Gerechtfertigt ist die Bejahung des Tatbestandes von Art. 87 I EG ausschließlich für die beteiligten Unternehmen. Die nachfolgenden Untersuchungen der Kommission orientieren sich dann wieder an den Vorgaben des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens. Interessant sind hier zwei Aspekte: Zum einen wird die Prüfung der Beihilfenintensität umfänglicher vorgenommen als zu erwarten war, da die staatliche Finanzierung nur 79,6% ausmacht und eine Förderung bis zu 100% zulässig gewesen wäre. Zum anderen wird der Anreizeffekt umfassend für jeden Beteiligten getrennt geprüft. Dabei veranschaulicht die Kommission die Vermutungsregeln und die Anforderungen an die Beweislast der Mitgliedstaaten. Für die beteiligten KMU greift die Vermutungsregel ein. Für das beteiligte Großunternehmen muss der Anreizeffekt dagegen vom Mitgliedstaat nachgewiesen werden. Dies gelang Österreich im vorliegenden Fall vor allem aufgrund des hohen Forschungsrisikos. Eine eingehende abschließende Abwägung führt die Kommission nicht durch. Das entspricht auch dem dargestellten neuen Abwägungsmodell, da das Vorhaben zu den nach dem F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen privilegierten gehört. Aufgrund des relativ geringen Beihilfenbetrages (4,3 Mio. A) und der Marktferne des Forschungsvorhabens (Grundlagenforschung) ist ausreichend, dass die Beihilfenintensität eingehalten wurde und ein Anreizeffekt gegeben ist. Das

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

Überwiegen der positiven Folgen muss daher vermutet werden. Die Kommission hat deshalb keine Einwendungen gegen die Beihilfe erhoben. 3. Entscheidung Errichtung des Fraunhofer Center of Silicon Photovoltaics – Beihilfe N 365/2007368 Die Entscheidung der Kommission zur Errichtung des Fraunhofer Center of Silicon Photovoltaics (CSP) erging am 30.01.2008 und beschäftigt sich vor allem mit der Tatbestandsausnahme für gemeinnützige Forschungseinrichtungen, die der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen in Ziffer 3.1. festlegt. Insofern bestehen hier Überschneidungen mit der vorangegangen Entscheidung zum LBI. Die Kommissionsentscheidung stellt hier richtigerweise die Prüfung der Voraussetzungen von Art. 87 I EG in den Vordergrund, da das CSP ein Institut der 100% gemeinnützigen Fraunhofergesellschaft ist und daher im Grundsatz ohne Gewinnorientierung, also nichtwirtschaftlich arbeitet. Daher liegt zunächst die Unternehmereigenschaft nicht vor. Allerdings übernimmt sowohl die Fraunhofergesellschaft als auch das CSP Auftragsforschungen für Unternehmen. Diese Tätigkeit ist als wirtschaftlich zu betrachten. Für die Behandlung einer Beihilfe im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit gelten auch für gemeinnützige Forschungseinrichtungen die allgemeinen Bestimmungen. Die Kommission prüft daher entsprechend der Bedingungen des F-&E-&IGemeinschaftsrahmens, ob ein Nachweis der hinreichenden Trennung der Kosten und Finanzierung der beiden Tätigkeitsformen vorliegt, so dass eine Querfinanzierung der wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeschlossen werden kann. Wie dieser Nachweis bei öffentlichen Einrichtungen gelingen kann, war bisher nicht geklärt. Vorgeschlagen wurde in der Literatur das Modell der Vollkostenrechnung.369 Mit der vorliegenden Entscheidung hat die Kommission zumindest die Vollkostenrechnung als ausreichenden Nachweis für Forschungseinrichtungen und Hochschulen akzeptiert. Deutschland hatte vorgetragen, dass in der Fraunhofergesellschaft das Prinzip der Vollkosten gelte und eine getrennte Buchführung für die wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten gewährleistet sei. Selbst Abschreibungskosten für Gebäude und Inventar würden bei der Berechnung der Vollkosten berücksichtigt. Die Kommission nahm keine eigenen Erwägungen mehr vor, sondern verwies in ihrer Entscheidung umfänglich auf die Ausführungen Deutschlands und entschied schließlich, dass die Förderung des CSP keine Beihilfe im Sinne des Art. 87 I EG sei.

368 Entscheidung abrufbar unter: http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp2007/n365-07.pdf. 369 So Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171, 174.

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4. Entscheidung FuE-Einzelbeihilfe für Rolls-Royce Deutschland – Beihilfe N 195/2007370 Die Kommissionsentscheidung vom 11.03.2008 beschäftigt sich mit einer Beihilfe im Bereich der experimentellen Entwicklung für Rolls-Royce, einem Großunternehmen. Sie ist hier von Bedeutung, da sie der Kommission aufgrund der Überschreitung der Schwellenwerte in Ziffer 7.1. des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens die Möglichkeit zu einer eingehenden Würdigung eröffnete und daher erläuternde Ausführungen zum neuen Abwägungsmodell erwarten lässt. Das Vorliegen einer Beihilfe ist unproblematisch und wurde von der Kommission daher in der notwendigen Kürze geprüft. Die Entscheidung der Kommission zeichnet sich im Weiteren durch eine große Detailgenauigkeit aus und folgt in ihrem Aufbau dem durch den F-&E&I-Gemeinschaftsrahmen vorgegebenen Prüfungsprogramm. Auch hier findet sich also die oben bereits aufgezeigte Entkopplung von den Vorgaben des Art. 87 III EG. Das Prüfungsprogramm des Gemeinschaftsrahmens wird durch die Kommission eingangs ihrer Entscheidung kurz umrissen. Dabei werden in aller Deutlichkeit die unterschiedlichen Ebenen bzw. die unterschiedlichen Prüfungsniveaus des Abwägungsmodells dargestellt. Die Struktur des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens habe zur Folge, dass die Würdigung auf zweierlei Ebenen zu erfolgen habe. Kapitel 5 enthalte eine Reihe von Bedingungen und Parametern in Bezug auf die geförderte Tätigkeit und die Beihilfenintensität sowie Voraussetzungen für die Vereinbarkeit. In Kapitel 6 des Gemeinschaftsrahmens würden dann ausführlichere Regeln zu Notwendigkeit und Anreizeffekt der Beihilfen formuliert. Bei einer Würdigung auf der ersten Ebene gehe die Kommission davon aus, dass es grundsätzlich ausreiche, dass die betreffenden Maßnahmen mit den in Kapitel 5 genannten Voraussetzungen übereinstimmten, sofern die Voraussetzungen in Kapitel 6 für die Annahme des Anreizeffekts gegeben seien. Bei einer Würdigung auf der zweiten Ebene hingegen sei eine tiefer gehende Prüfung erforderlich. Dies gelte für Beihilfemaßnahmen, die nach Ansicht der Kommission wegen der Art der Tätigkeit, der Höhe der Beihilfe oder der Art des Beihilfeempfängers mit einem höheren Risiko für Wettbewerb und Handel verbunden seien. Eine solche Würdigung werde bei allen Beihilfen vorgenommen, deren Höhe den in Abschnitt 7.1 des Gemeinschaftsrahmens festgelegten Schwellenwert übersteige.371 Im Anschluss daran wird dieses Prüfungsprogramm auf den Fall übertragen. Auf der ersten Prüfungsebene finden sich vor allem Ausführungen zum Anreiz370 EuZW 2008, 259; Entscheidung abrufbar unter: http://ec.europa.eu/community_ law/state_aids/comp-2007/n195-07.pdf. 371 Kommissionsentscheidung zu Beihilfe N 195/2007, S. 11, Rn. 43 f.

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effekt der Maßnahme. Diese waren auch notwendig, da keines der Vorhaben vorliegt, bei denen der Anreizeffekt vermutet wird. Vielmehr musste Deutschland dessen Vorliegen nachweisen. Dies gelang unter Darlegung des Umstandes, dass auf dem freien Markt, auch bei Risikokapitalgebern oder durch „Risk and Revenue Sharing Partner“,372 eine entsprechende Finanzausstattung nicht zu erlangen war, so dass das Projekt ohne die staatliche Unterstützung im Ergebnis aufgegeben worden wäre. Zudem ist als positive Folge der Beihilfe berücksichtigt worden, dass durch das Entwicklungsprojekt neue Arbeitsplätze geschaffen und nicht nur verlagert wurden. Auf der zweiten Prüfungsebene folgt schließlich die eingehende Würdigung der Beihilfe. Hier sind die positiven und negativen Folgen der Beihilfe zu bestimmen und gegeneinander zu gewichten. Bei der Bestimmung und Gewichtung der einzelnen Aspekte folgt die Prüfung der Kommission strikt den Festlegungen im Gemeinschaftsrahmen unter Ziffer 7.3. und 7.4. Die abschließende Abwägung erschöpft sich schließlich in einer Zusammenfassung der positiven und negativen Aspekte, die zu der Schlussfolgerung führte, dass die Beihilfe mit dem Gemeinschaftsrahmen in Einklang steht. Daher sei eine Ausnahme nach Art. 87 III lit. c EG zu erteilen.

III. Zusammenfassende Bewertung der Entscheidungspraxis auf Basis des neuen Gemeinschaftsrahmens Der neue F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen wird von der Kommission als eigenständiges Regelwerk angewandt. Damit wird die Entkopplung der Prüfung der FuEuI-Beihilfen von Art. 87 EG im Ergebnis bestätigt. Die bisherigen Kommissionsentscheidungen haben zur Auslegung einzelner Regelungen des Gemeinschaftsrahmens noch nicht viel beitragen können. Erkenntnisse gibt es lediglich zum Punkt der Kostenrechnung im Rahmen von Forschungseinrichtungen, die sowohl wirtschaftlich als auch nichtwirtschaftlich arbeitend am Markt tätig werden. Das neue Abwägungsmodell wendet die Kommission streng an, wobei sie sich der unterschiedlichen Prüfungsintensitäten bewusst ist. Außerhalb des Abwägungsmodells wird ein breiterer ökonomischer Ansatz nicht verfolgt. Dies 372 Bei Risk an Revenue-Sharing-Vereinbarungen werden Partner aus der Industrie, in der Regel große Montagewerke von Komponenten, im Gegenzug für ihre Beteiligung an den Entwicklungs- oder aber den Produktions- und Mengenrisiken an den künftigen Umsätzen beteiligt. Zu Beginn kann zusätzlich eine Beteiligung an dem Entwicklungsprojekt verlangt werden, z. B. in Form von Barzahlung, Ausrüstungen oder Arbeitskräften. Vgl. dazu die Ausführungen in der vorliegenden Kommissionsentscheidung zu Beihilfe N 195/2007, S. 17, Rn. 78.

E. Bewertung des neuen Gemeinschaftsrahmens

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äußert sich vor allem in der Aufrechterhaltung der kursorischen Prüfung der aktuellen Marktsituation und der Auswirkungen der Beihilfe auf den konkreten Markt. Dieses Vorgehen bleibt daher der wichtigste Kritikpunkt an der Entscheidungspraxis der Kommission.

E. Bewertung des neuen Gemeinschaftsrahmens Auch wenn der neue F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen zur Steigerung der Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationstätigkeit der Gemeinschaften beitragen soll, ist die Kommission in der Bewertung der Aktivitäten insgesamt strenger als bei der Vorgängerregelung.373 Der F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen lässt Beihilfen nur zu, wenn sie drei Kriterien entsprechen: Durch die staatlichen Zuwendungen muss ein genau bezeichnetes Marktversagen behoben werden, die Zuwendung muss das geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Mittel sein um das beschriebene Marktversagen zu beheben und die Handels- und Wettbewerbsverfälschung muss in ihrem Ausmaß so weit begrenzt sein, dass die positiven die negativen Folgen überwiegen.374 Zudem soll eine staatliche Unterstützung nur dann erfolgen, wenn sie einen zusätzlichen Anreizeffekt für das Unternehmen hat. Es soll also Forschung, Entwicklung und Innovation gefördert werden, die ohne die staatlichen Zuschüsse nicht oder nur in einem beschränkteren Rahmen stattgefunden hätte. Damit wird einer Mitnahmementalität entgegengewirkt. Ziel der Kommission ist letztlich die Schaffung eines europäisierten Forschungsmarktes, der allen den Zugang zu den Forschungsergebnissen ermöglicht und geistige Eigentumsrechte in den Hintergrund drängt. Ob sich unter diesen Umständen die Forschungstätigkeit von Unternehmen tatsächlich steigern lässt, erscheint fraglich. Frenz/Kühl weisen in diesem Zusammenhang auf eine Gefahr der „verstaatlichten Forschungslenkung“ hin. Wenn Forschung, Entwicklung und Innovation zu umfangreich gefördert würden, entstünde ein Markt, der sich nicht mehr an den Bedürfnissen der Verbraucher orientierte sondern ausschließlich an der Förderbarkeit des Forschungsprojektes ausgerichtet würde.375 Die Gefahr der Entkopplung vom tatsächlichen Bedürfnis des Marktes ist aber grundsätzlich jeder Beihilfe immanent und hier vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Potenzials von Forschung, Entwicklung und Innovation hinzunehmen. Eine Möglichkeit zur Gegensteuerung bietet der Gemeinschaftsrahmen 373

Huber/Prikoszovits, EuZW 2008, 171, 172. Vgl. F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen unter Punkt 1.3.1., S. 5. Ebenso Huber/ Prikoszovits, EuZW 2008, 171, 172. Siehe zum neuen Gemeinschaftsrahmen allgemein: Frenz/Kühl, EuZW 2007, 172. 375 Frenz/Kühl, EuZW 2007, 172, 174. 374

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3. Kap.: Artikel 87 EG im Lichte des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmens

in einem begrenzten Rahmen. Hinzuweisen ist vor allem auf den Prüfungspunkt der Geeignetheit der Beihilfe und der damit verbundenen Frage, ob nicht auch ohne eine Beihilfe eine entsprechende Entwicklung ermöglicht werden kann. Aufgrund der neuen wirtschaftlichen Ausrichtung und des neuen umfänglicheren Prüfungsprogramms wird die Würdigung der Beihilferegelungen sowohl für die Kommission als auch für Mitgliedstaaten aufwändiger.376 Ob sich dadurch die Genehmigungsdauer verlängert, hängt vor allem von der Vorbereitung und der Effektivität der Zusammenarbeit der Parteien ab. In den betrachteten Entscheidungen waren der Kommission in der Regel die eingereichten Unterlagen der Mitgliedstaaten nicht ausführlich genug. Selbst bei mehrmaligem Nachfragen lagen zwischen der ersten Meldung der Beihilfe bei der Kommission und deren Entscheidung meist nicht mehr als 12 Monate. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass die Kommission für ihre Entscheidung in etwa die gleiche Zeit benötigt, wie auf der Grundlage des früheren F-&E-Gemeinschaftsrahmens. Knapp die Hälfte der angemeldeten Beihilfen wurde innerhalb von sechs Monaten genehmigt.377 Selbst wenn die Beachtung des „more economic approach“ eine Verzögerung bedeutete, ist das neue Prüfungsprogramm zu begrüßen, da es eine höhere Einzelfallgerechtigkeit und einen besseren Zuschnitt der Beihilfen auf die Marktbedingungen ermöglicht. Außerdem geht mit der detaillierten Darstellung des Prüfungsprogramms ein Gewinn an Transparenz und Vorhersehbarkeit der Kommissionsentscheidungen einher. Der Gemeinschaftsrahmen ist daher insgesamt positiv zu bewerten.

376 So auch die Einschätzung der Kommission in: Bericht der Kommission – Anzeiger für staatliche Beihilfen – Herbstausgabe 2008, S. 45. 377 Bericht der Kommission – Anzeiger für staatliche Beihilfen – Herbstausgabe 2008, S. 45.

Wesentliche Ergebnisse der Arbeit • F-&E-&I-Tätigkeit besitzt ein hohes wirtschafts- und arbeitspolitisches Potenzial und wird daher von den EU-Mitgliedstaaten gefördert. Eine Förderungspflicht besteht in Deutschland nur in sehr eingeschränktem Rahmen – nämlich im Sinne einer Institutsförderung. • Die Möglichkeit zur staatlichen Forschungsförderung wird durch den F-&E&I-Gemeinschaftsrahmen determiniert. Er bindet die Kommission umfassend, die Mitgliedstaaten und die europäischen Gerichte hingegen nur begrenzt. Beihilfenempfänger und deren Konkurrenten sind stets nur mittelbar betroffen. • Durch den F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen wird ein wichtiger Beitrag zur Rechtssicherheit geleistet: Er macht die Kommissionsentscheidungen in der Beihilfenkontrolle transparent und vorhersehbar. • Aufgrund seiner Struktur, seiner Funktion und seiner Bindungswirkung ist er mit keiner der in Art. 249 EG benannten Handlungsformen vergleichbar. Auch eine Einordnung als öffentlich-rechtlicher Vertrag wird dem Wesen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen nicht gerecht. Vielmehr ist er als Verwaltungsvorschrift des Europarechts und damit als unbenannte Handlungsform des Art. 249 EG zu qualifizieren. • Inhaltlich greift der neue F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen die Entscheidungsspielräume der Kommission bei der Beihilfenkontrolle auf und zeichnet Entscheidungslinien vor. Entsprechend der Bedeutung der Beihilfe für den Gemeinsamen Markt wird das Prüfprogramm detailliert vorgegeben. Dabei berücksichtigen die Regelungen des F-&E-&I-Gemeinschaftsrahmen den Ansatz des „more economic approach“. • Dieser Ansatz sollte bei der Beihilfenkontrolle insgesamt stärker berücksichtigt werden. Vor allem im Rahmen des Tatbestandes von Art. 87 I EG wird er nur unzulänglich angewandt. Ein Verschieben der Erwägungen zu den aktuellen Marktbedingungen und der Eignung zur Wettbewerbsverzerrung einer Beihilfe vernachlässigt die Bedeutung der Notifizierungsverpflichtung für den beihilfengewährenden Mitgliedstaat.

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Sachverzeichnis Abwägungsmodell 229–232 Anreizeffekt 23, 219, 230, 234, 241, 249, 252–253, 255–257 Auftragsforschung 211–213 Bedarfskompetenz 31 Beeinträchtigung zwischenstaatlicher Handel 186–188 begrenzte Einzelermächtigung 66–68, 90, 116, 154 Beihilfe – Begriff 177–181, 183–184 – Eignung zur Förderung 240–242 – horizontal 190 Beihilfenaufsicht 45, 52, 61–62, 88–89, 94, 116, 174, 176, 219, 239, 242 Beihilfenintensität siehe Höchstförderung Beihilfenkontrolle 67 Beihilfenverbot 176–177, 189 Beurteilungsspielraum 145, 159, 178 Bundeskompetenzen, ungeschriebene 33–34 Bund-Länder-Kommission 35 De-minimis-Verordnung 188, 247 Drittmittelforschung 210–211, 214 effet utile 68, 111, 131 Empfehlung 123–124 Entscheidung 105–106 – Außenwirkung 106–107 – Bekanntgabe 118–120 – individualgerichtet 105 – staatengerichtet 105, 107–108 – Kategorien 108–113 – unionsintern 106 – VA-Ähnlichkeit 114

– Veröffentlichung 118 Ermessen 146, 159, 176 Ermessensausübung 134, 136, 147, 160, 162, 219, 225–226, 228, 238 – Grundsätze 220–221 – Selbstbindung der Kommission 226– 228 – Überprüfung durch Gerichte 222–224 – Umfang bei Art. 87 III lit. c EG 243– 244 Ermessensmissbrauch 223 Ermessensspielraum 176 experimentelle Entwicklung 204–205, 231 – Höchstförderung 245 Exzellenzinitiative 37, 46–47, 267 Flurbereinigungsabkommen 34 Forschungseinrichtungen 208 – als Beihilfenempfänger 209–211 – als Beihilfengeber 211–214 Forschungsförderung 23–24, 196, 209– 210, 234, 250 – Allgemeines 26–27 – Bundeskompetenz 34–35 – Bundeskompetenzen, Beispiele 34 – Einfluss Gemeinschaftsrahmen 44–46 – gesetzliche Grundlage 27, 29 – Pflicht – allgemein 37–39 – Grundrechte 39–42 – Reichweite siehe Forschungsförderung, Pflicht, Grundrechte – Umfang 46–50 – andere Mitgliedstaaten 49 – Deutschland 46–48 – Europäische Gemeinschaften 49–50

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Sachverzeichnis

– unternehmerische Forschung 41–42 – wissenschaftsadäquat 41 – Zuständigkeit 29–37 Forschungskooperationen 211, 213 Forschungsmarkt 23, 198, 200, 203 Forschungsrahmenprogramm 50 Forschungstätigkeit – Bedeutung der staatlichen Finanzierung 41 – Risiken 22 – Zulässigkeit von Vorgaben 28 Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 36 Gemeinsame Wissenschaftskonferenz 35 gemeinsamer Markt 45, 176, 217–218, 238 Gemeinschaftsrahmen – Bindungswirkung 72–74, 79, 87, 115– 116, 125, 163–173 – Beihilfeempfänger 172–173 – Gerichte 170–172 – Kommission 74, 164–166 – Mitgliedstaat 166–170 – Mitgliedstaaten 73–74 – Funktion 55–56 – Rechtsgrundlage 65–69 – im Beihilfenrecht 68–69 – Notwendigkeit 66–67 – Rechtsnatur 70–175 – Doppelnatur 121–129 – Entscheidung 105–121 – Einzelfallkriterium 114–115 – Rechtsprechung 71–77 – Richtlinie 96–103 – Umsetzungserfordernis 99–102 – Verordnung 103–105 – Vertrag 76, 80–94 – Verwaltungsvorschrift 74, 80, 129– 173 – Rückwirkung 77 – Terminologie 52–55

– Überblick 23–24 – Veröffentlichung 104–105, 168, 174 – Verwaltungsvorschrift 223 – ermessenslenkend 229 – Zustimmungserfordernis 75–76, 82, 98, 111, 168–170 Gemeinschaftsrecht, Vollzug 113, 152 – direkt 110–111, 153–154 – indirekt 154–156 gewisse Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete 239–240 Grundlagenforschung 192–202, 231 – allgemeine und industrielle 193–196 – Höchstförderung 245 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 76, 90, 93–94, 102 Grundsatz des Vertrauensschutzes 141, 227 Handlungsformen – Abgrenzungskriterien 95–96 – Bedeutung der Bezeichnung 70–71 – benannter Rechtsakt 94–96 – Gemeinschaftsrahmen 52 – Katalog 52 – numerus clausus 131 – unbenannter Rechtsakt 81, 130–133 – Kategorien 132–133 Handlungsformenlehre 51 Hochschulfinanzierung 47 Höchstförderung – Art. 87 III lit. b EG 236–237 – Art. 87 III lit. c EG 244–248 Hybrid-These 125, 128–129 industrielle Forschung 202–204, 231 – Höchstförderung 245 Innovation – Arten 205–207 – Begriff 206 – Höchstförderung 246 Innovationskern 214–216, 231

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institutionelles Gleichgewicht 56, 117, 221, 225 – Beihilfenrecht 60–62 – Inhalt 56–58 – Verschiebung 58 – Beihilfenrecht siehe Ratsvorbehalt – Gemeinschaftsrahmen 65 Interventionsminimum 89–90, 93

Selbstbindung der Verwaltung 44, 102, 116, 140, 168, 227–228 Spitzencluster-Wettbewerb 47, 212, 251 Subsidiaritätsprinzip 90–93, 152 Subsidiaritätsprotokoll 92–93 Subventionierung, gesetzesfreie 32 – Kompetenzverteilung 33 Subventionsabbau 19

junge innovative Unternehmen 216

Vertragsfreiheit 76, 88–89 Vertrauensgrundsatz 99, 101 Verwaltungsakt – mitwirkungsbedürftiger 114 – relativer 126–127, 129 Verwaltungspraxis 140–141, 148, 228 Verwaltungsvertrag – Deutscher 85–88 – Europäischer 84 – Rechtsgrundlage 84–85 Verwaltungsvollzug 152 Verwaltungsvorschrift – Deutschland 133–151 – Arten 134–138 – Bedeutung 133–134 – mittelbare Außenwirkung 139–142 – Rechtscharakter 138–148 – überbehördliche Wirkung 149–150 – unmittelbare Außenwirkung 142–148 – Wirkung 138–148 – Europarecht 151–157 – EG-Vertrag 152–156 – Verfassungsvertrag 157 – Vertrag von Lissabon 157 – Frankreich 158–161 – Großbritannien 158, 161 – Italien 159 – Österreich 159–160 – Schweiz 159–160 – Spanien 159, 161 Verwaltungsvorschriften, unmittelbare Außenwirkung 141 Vollkostenrechnung 213, 254 Vorabentscheidungsverfahren 78

Kommission – Aufgaben 59–60 – Ermessensausübung 226 Konnexitätsprinzip 33 Leistungsverwaltung 27, 137 Letztentscheidungsbefugnisse 159 Letztentscheidungskompetenz 61, 139, 148 Marktanalyse 185–186, 195, 197 Marktnähe 190–192, 196, 203–204, 206, 217, 231, 235, 241, 245 Marktversagen 20, 55, 107, 176, 190, 216, 230, 240, 249, 257 Mischverwaltung 35 more economic approach 186, 197, 216, 229, 249, 252, 258 Nichtigkeitsklage 77–79 praktische Konkordanz 77, 80 private-investor-test 180 Produktmarkt 185, 190–191, 198, 200 Rat, Aufgaben 58–59 Ratsvorbehalt 62–64 Rechtsakt, verbindlicher 96 Richtlinie 96–97 Rücksichtnahmegebot, bundesstaatliches 36 Schwellenwert, Höhe 231

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Sachverzeichnis

Wettbewerbsverfälschung 184–186 – experimentelle Entwicklung 205 – F-&E-&I-Beihilfen 190–191 – Grundlagenforschung 197–201 – industrielle Forschung 203 – Innovationskern 215 – junge innovative Unternehmen 216 Wettbewerbsverzerrung, Innovation 207 wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse – Begriff 233–234 – Projekte 234–236

Wirtschaftsförderung 34 – Allgemeines 26–27 – gesetzliche Grundlage 27, 29 – kommunale 30–31 – Pflicht – allgemein 37–39 – Grundrechte 42–43 – Zuständigkeit 29–37 Wirtschaftsordnung des GG 38 Wissenschaftsförderung 29, 47 Zusammenarbeit, fortlaufende 81–83