Der neue Diakonat: Das freie Amt für eine missionarische Kirche - Bilanz einer französischen Bewegung 1959-1977 9783666562471, 3525562470, 9783525562475

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Der neue Diakonat: Das freie Amt für eine missionarische Kirche - Bilanz einer französischen Bewegung 1959-1977
 9783666562471, 3525562470, 9783525562475

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Richard Ziegert Der neue Diakonat

RICHARD

ZIEGERT

Der neue Diakonat Das freie Amt für eine missionarische Kirche Bilanz einer französischen Bewegung 1 9 5 9 - 1 9 7 7

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Edmund Schlink, Wolfhart Pannenberg und Reinhard Slenzka Band 41

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen Bibliothek

Ziegert, Richard: Der neue Diakonat : d. freie Amt für e. missionar. Kirche - Bilanz einer franz. Kirche 1959-1977 / Richard Ziegert. - Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1980. (Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie ; Bd. 41) ISBN 3-525-56247-0

© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1980. - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Satz: W. Tutte Druckerei G m b H , Salzweg Druck und Einband: Hubert & Co., Göttingen

Inhalt Vorwort I. Transzendierung des konfessionellen Standorts

9 11

1. Die Erneuerung des Diakonats 2. Diakonat als ökumenisches Thema 3. Prüfstein der Ekklesiologie

11 13 16

II. Die Genese des Problembewußtseins

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1. Trient 2. Die sozialen Krisen und die Aufgabe der Kirche 3. Der doppelte Ansatzpunkt 4. Der Laisierungsschock 5. Vergleichbare deutsche Ansätze 6. Theologische Fundierung der Mission in Frankreich a) Die Katholische Aktion b) Die religiöse Soziologie c) Ziel und Methode der Mission d) Das theologische Fundament: Inkarnation e) Der Weg des >Ressourcement< III. Praktische Versuche zur Mission in Frankreich

21 23 27 31 32 34 35 37 38 41 45 48

1. Der Prado von Lyon 2. Kardinal Suhard und die Mission de France 3. Die missionarische Welle 4. Godin und die Mission de Paris 5. Die Arbeiterpriester 6. Jacques Loew und die neue Mission de France 7. Rene Schaller

48 51 55 58 59 63 66

IV. Die französische Diakonatsbewegung bis zum Konzil

68

1. Der deutsche Neuansatz nach dem Krieg und die ersten Auswirkungen in Frankreich 2. Diakonat als Verfügbarkeit 3. Die Theologen sprechen a) Congar und die Bedeutung des Laien in der Kirche b) Karl Rahner

68 71 73 73 75 5

c) Der Versuch von Paul Winninger d) Μ. D . Epagneul 4. Der Schritt in die Öffentlichkeit V. Die Wiedererneuerung des Diakonates durch das Konzil 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Die Petitionen Problemzusammenhänge der Diakonatsfrage »Ursakrament Kirche« und Sakramentalität des Amtes Die Rolle des Diakonates auf dem Konzil Der neue Diakonat des Konzils Diakonatund Laienstand a) Taufe und die Zugehörigkeit zum Volk Gottes b) Die Laientheologie des Konzils und die Konsequenzen für den Diakonat

VI. Die Interpretation der Konzilsäußerungen zum Diakonat 1. Die Interpretation Karl Rahners 2. Die Interpretation Yves Congars 3. Startsignal in Rom VII. Die französische Diakonatsbewegung 1. 2. 3. 4.

Organisierung und Gestaltgewinnung Auf dem Weg zur Interessengruppe Berufung und Spiritualität Kirchenpolitische Etablierung

VIII. Der Kampf um die Konzeption 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Grünes Licht für den Diakonat Das Comite National du Diaconat Das Motuproprio Papst Pauls vom 18. Juni 1967 Die Entwicklung nach dem Motuproprio Wachsender Anspruch Die erste Krise . . . und der erste Erfolg

IX. Die Auseinandersetzung um die Gestalt des französischen Diakonats in Diacres Aujourd'hui 1. Theologische Zwischenbilanz 2. Diakone-LaienoderHierarchiker? a) Das Dilemma b) Reaktionen in Diacres Aujourd'hui 6

77 79 80 87 87 89 90 92 95 101 103 107 110 110 112 116 120 120 125 128 132 135 135 137 140 143 150 151 153 155 155 157 157 161

X.

3. Was heißt Diakon sein? 4. Der Diakonat innerhalb des hierarchischen Gefüges 5. Prüfsteine eines missionarischen Diakonats a) Das Problem der Ausbildung der Diakone b) Funktion und Ordination c) Mission und Liturgie d) Missionarischer Diakonat und Caritas e) Missionarischer Diakonat und Zölibat 6. Zusammenfassung

167 170 178 178 180 184 185 188 190

Die Auflösung der »Communaute du Diaconat de France«

193

1. Kirchenpolitische Wende 2. Konturen eines neuen Engagements 3. Das Amt der Frau und die gesellschaftlichen Realitäten in der Gemeinde a) Die Abhängigkeiten der Ämtertheologie von der gesellschaftlichen Rolle der Frau b) Römische Aktivitäten c) Die Reaktion der Reformer 4. Authentisches Amt und authentische Gemeinde a) Die ekklesiologische Anfrage b) Die Diskussion in Frankreich c) Amt und Basisgemeinde d) Deutsche Reaktionen 5. Pianezza und das Ende

193 198 202 202 206 207 209 209 211 213 216 220

Abkürzungen

225

Literaturverzeichnis

226

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Vorwort Die Frage nach dem Diakonat ist nicht völlig neu. Das Amt des Diakons gehört zu der Struktur der Kirche, die das Neue Testament nennt. In der historischen Gestalt der christlichen Kirche ist der Diakonat aber mehr und mehr verblaßt. Nicht erst J . H . Wichern verfolgt die Idee, einen Diakonat als ordentliches Amt wiedereinzurichten. Längst vorher und auch nach ihm bricht immer wieder dort mit erstaunlicher Folgerichtigkeit die Frage des Diakonats auf, wo kirchliche Identität und kirchliche Effizienz in der Gesellschaft fraglich werden. Im zeitgenössischen französischen Reformkatholizismus haben Gruppen, die als Reste und Nachfahren der Arbeiterpriesterbewegung anzusehen sind, die Idee des Diakonats auch wieder aufgegriffen und unter den Bedingungen einer laizistischen Gesellschaft und einer reformwilligen Bewegung in der Kirche eine Konzeption vom Diakonat entworfen, die bemerkenswert ist. Hatten die Arbeiterpriester nach dem Scheitern ihrer Bewegung die Motivation für ihren Versuch mit der Formel umschrieben » . . . die Struktur war nicht in Ordnung«, so wird dies auch die Aufgabe der neuen Bewegung für den Diakonat: mit einer Aktualisierung des bislang zu einer bloßen Weihestufe degradierten Diakonats die Ämterstruktur der Kirche so zu öffnen, daß der zum Diakonat ordinierte Christ als eine Art freier Agent den Glauben und den Dienst der Kirche in einer personellen und methodischen Konzeption zur Geltung bringen kann, die an der Realität der Welt, der Gesellschaft und der Menschen orientiert ist. Die Bewegung für den Diakonat innerhalb des französischen Reformkatholizismus ist in der vorliegenden Arbeit bis zu ihrem Ende verfolgt. Ähnlich wie bei den Arbeiterpriestern wurde das Ziel nicht erreicht. Doch ist dies ursächlich in keiner Weise allein durch spezielle oder grundsätzliche Gegebenheiten des römisch-katholischen Zentralismus verursacht. Viel tiefer bedingt dieses Scheitern die Wirklichkeit der Ämterstrukturen in den christlichen Kirchen. Mission, also die Ausstrahlung der christlichen Kirchen in die Gesellschaft hinein, ist ohne eine prinzipielle Offenheit kirchlicher Strukturen nicht möglich. Diakonie und Diakonat sind die Begriffe, auf die das Problem der Offenheit und der Öffnung kirchlicher Strukturen von den französischen Kirchenreformern gebracht werden. Diese beiden Begriffe werden hier wieder neu als offensichtlich unausweichlich belegt. Angesichts neuerer Anstrengunggen unserer christlichen Kirchen im Missionarischen Jahr 1980 zu neuer Wirkung zu kommen, kann das in dieser Arbeit dokumentierte theologische Ringen mithelfen, die praktischen kirchlichen Problemstellungen theologisch präzise und der Wirklichkeit der Gesellschaft entsprechend zu formulieren. 9

Die vorliegende Arbeit ist die in Teilen veränderte und ergänzte Neufassung meiner 1975 der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg eingereichten Dissertation »Missionarische Profilierung der Kirche. Das Beispiel der Diakonatsbewegung im französischen Katholizismus«, die neben meiner Tätigkeit als Gemeindepfarrer entstand. Ohne die Ermutigung durch Prof. D . Dr. Philippi, dem ich auch für die Begleitung während der Arbeit an meiner Dissertation und für die Öffnung vieler Türen in Frankreich besonders danken möchte, wäre es wohl kaum zu dieser Neubearbeitung gekommen. Es war für mich auch ein persönlicher Gewinn, noch einmal und mit Abstand und noch mehr menschlicher Erfahrung in der Gemeinde die in meiner Dissertation aufgenommenen Probleme durchzuarbeiten. Ich möchte Prof. D . D r . D r . Schlink und Prof. Dr. Slenczka danken, daß sie meine Arbeit in die Reihe »Forschungen zur Systematischen und ökumenischen Theologie« aufgenommen haben. Einen Dank anschließen möchte ich auch für den umfangreichen Druckkostenzuschuß vom Forschungsfond des Deutschen ökumenischen Studienausschusses, ebenso für die finanzielle Stützung der Drucklegung durch die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Pfalz. Danken möchte ich auch Rene Schaller und seiner Familie für die großzügige Gastfreundschaft und die Vermittlung vieler Kontakte und Gespräche in Frankreich, ebenso Hannes Kramer und Alexander Gondan vom Internationalen Diakonatszentrum in Freiburg für alle Anmerkungen und für die Wohltat der Hilfen und Freundlichkeiten bei den Tagungen und bei der Beschaffung von Literatur und Dokumentarmaterial. Ludwigshafen am Rhein, den 29. März 1979

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Richard Ziegert

I. Transzendierung des konfessionellen Standorts

ι. Die Erneuerung

des Diakonats

Diakonat als kirchliches Amt - das ist eine Idee, die Erinnerungen an J. H . Wicherns Plan einer institutionalisierten kirchlichen Diakonie wachruft, an einen Plan, der vorsah, den Diakonat als kirchliches Amt wieder einzuführen einschließlich »apostolischer Ordination« 1 . In all dem, was an Strukturen eines Diakonats innerhalb der Kirchen der Reformation bis heute entstanden ist, ist Wicherns Plan allerdings Fragment geblieben. U m so erstaunlicher mutet es aus dem Blick reformatorischer Kirchlichkeit an, daß im katholischen Raum die Idee des Diakonates als eines regulären kirchlichen Amtes mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil feste Gestalt gewinnen konnte. Bedeutsam ist dieses Ereignis auch dadurch, daß die Erneuerung dieses eigenständigen kirchlichen Amtes in der Römisch-Katholischen Kirche keine »Verwaltungsreform« ist, sondern das Ergebnis einer Basisbewegung, ja man spricht formell von der katholischen Diakonatsbewegung 2 , deren Ursprung in Deutschland liegt, wo seit 1951 ein erster Diakonatskreis existiert als eine Gruppe von Laien, die die Kirche bitten, ihnen die Weihe zum Diakon zu spenden 3 . Von allen Ländern, in denen in den folgenden Jahren auch Diakonatskreise entstehen, gewinnt Frankreich entscheidende Bedeutung. Dort trifft nämlich die Idee des Diakonats auf eine latente Kirchenreformbewegung ganz ande1 Einleitende Bemerkungen Wicherns zu seinem Gutachten über die Diakonie und den Diakonat (1856), in: J . H. Wichern, Sämtl. Werke, Bd. III, Teil 1, 1968, S. 128 f: „ . . . Amt ist der Diakonat im apostolischen Sinne. Solcher Diakonat aber erfordert eine apostolische Ordination und umschließt deswegen eine Menge bestimmter Eigenschaften, über die sich die Kirche vergewissern muß, und Gnadengaben oder Charismen, die nach heiliger Schrift immer, also auch in diesem Fall, Voraussetzung der Ordination sind. Der Diakonat wird dadurch zu einem Ordo, zu einer vom Herrn der Kirche gesetzten Ordnung". 2 Der Begriff Diakonatsbewegung ist allgemein anerkannt. S. DIACONIA XP, Juli 1970, S. 4. Er bezeichnet die in den einzelnen Ländern jeweils verschiedene Interessenstärke für den Diakonat, repräsentiert durch Gruppen, die Kandidaten für dieses kirchliche Amt werben und bereithalten. 3 J. Hornef, der „Motor" der katholischen Diakonatsbewegung, gebraucht seit seinen ersten Veröffentlichungen im Jahre 1949 die Wendung „das Diakonat" und hält daran beharrlich fest, obwohl andere und heute fast alle Autoren, die sich der Frage des Diakonats widmen, „der Diakonat" sagen. Hornef möchte, wenn er auf „das Diakonat" besteht, zum Ausdruck bringen, daß es sich hier um ein kirchliches Amt handelt, das unabhängig von den Personen ist, die es ausüben. Dennoch hat sich „der Diakonat" durchgesetzt, wohl deshalb, weil sich die Sprachregelung Hornefs außerhalb des deutschen Sprachraums selten wiedergeben läßt.

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ren Ursprungs als ζ. Β. in Deutschland: Sie trifft genau in die Zeit, in der das Experiment der Arbeiterpriester gerade gescheitert ist. So kann die Idee des Diakonats in Frankreich ein neuer unbelasteter Träger für eine Aufgabe werden, die neben vielen anderen Gruppen die Arbeiterpriester zu erfüllen versuchen : Die Kirche in die Welt und Gesellschaft von heute hineinzutragen, unter der Bedingung einer Situation der Kirche als Minderheit in einer säkularen Gesellschaft. Keine andere Bewegung sieht dieses Problem in solcher Zuspitzung. In den Missionsländern geht es hauptsächlich darum, dem Dienst der Katecheten u. a. eine echte kirchliche Würde und Beauftragung zu geben. In Südamerika steht der Diakon hauptsächlich als Priesterersatz zur Diskussion. In Deutschland stehen einerseits die Caritas als kirchliche Wohlfahrtsorganisation, andererseits das Interesse an der Versorgung kleinerer Gemeinden Pate für die Diakonatsbewegung, wie im einzelnen noch aufzuzeigen sein wird. Frankreich aber hat innerhalb des Weltkatholizismus durch die Laizität der französischen Gesellschaft eine Sonderstellung. J. Rodhain spricht mit einem gewissen Stolz von Frankreich als dem »enfant terrible« der katholischen Welt, in der Frankreich »oft diese Rolle spielt« 4 . So stand im Pariser >Samedi-Soir< vom 25.2. 54: »Einige italienische Prälaten haben die Kirche Frankreichs immer mit Argwohn betrachtet, und ihr Mißtrauen wurde noch durch gewisse Minderwertigkeitsgefühle verstärkt. Die Taten der Geistlichkeit und der Katholiken in Frankreich werden, wie es scheint, beispielhafte Bedeutung gewinnen, eine Bedeutung, die einmal über die zulässigen Grenzen hinausgehen könnte . . , « s . Eine gewisse Berechtigung dieses Ausspruches wird jedermann anerkennen, wenn man nur bedenkt, wie hoch ζ. B. der Anteil französischer Literatur im religiösen katholischen Schrifttum Deutschlands ist 6 : Er beträgt fast ein Drittel. Die Ursache dafür liegt darin, daß es schon seit dem 19. Jahrhundert im katholischen Raum »nur zwei Länder oder Sprachräume« gibt, »in denen die theologische Erneuerung anscheinend Fuß fassen konnte: Frankreich und Deutschland« 7 . So »pendelt das Zentrum dieser Erneuerung zwischen Frankreich und Deutschland hin und her . . . « 8 . Vielleicht drückt dieses Bild des Pendelschlages am angemessensten die Beziehung zwischen dem deutschsprachigen und dem französischsprachigen Katholizismus aus, ja mehr noch: es drückt das Aufeinanderangewiesensein zweier unterschiedlicher Partner angesichts der gleichen Aufgabe aus. Denn es fällt gerade beim Vergleich des deutschen mit dem franzö-

4 Les Pretres Ouvriers, Documents, Paris 1954, S. 113: Le Figaro vom 1. 12. 53. Heute allerdings nimmt die Entwicklung des Katholizismus in Südamerika vielleicht eher noch als die in Frankreich die Aufgabe einer Avantgarde wahr. S. Hannes Kramer, Die Diakonatsbewegung Erneuerung oder Rückschritt, in D I A C O N I A XP, Dez. 1973, S.25. 5 Vgl. Documents aaO S. 115. 6 Adrien Dansette, Tragödie und Experiment der Arbeiterpriester, Wien 1959, Vorwort S. 9. 7 Mark Schoof, Der Durchbruch der neuen katholischen Theologie, Ursprünge - Wege Strukturen, Wien, Freiburg, Basel 1969, S.28. 8 Schoof aaO S. 29.

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sischen Katholizismus auf, daß die französischen Aktivitäten an einer gewissen prinzipiellen Schwäche der Organisation leiden, etwas, das Theodor Brauer schon 1912 feststellte: Dem französischen Aktivismus fehlt eine feste Grundlage, er bleibt ein »Ideenproduzent« 9 . Die theologische Reflexion, die denkerische Vorausbewältigung der neuen Probleme freilich ist - gerade für den deutschen Betrachter - vorbildlich, auch wenn im Detail oft Ungenauigkeiten oder der Verzicht auf Quellenangaben oder Quellenverweise gewisse Probleme mit sich bringen. Die Zielstrebigkeit aber, mit der die Probleme markiert und einer Lösung zugeführt werden, ist jedenfalls erstaunlich 10 . So wird in der folgenden Darstellung die französische Diakonatsbewegung mit den deutschen Aktivitäten zu vergleichen und ihre gegenseitigen Verbindungen und Wirkungen aufeinander werden aufzuzeigen sein. Dabei ist alles noch in Bewegung. Der Austausch zwischen den verschiedenen Theologen, Gruppen, ja Ländern, ist noch in vollem Gange, und noch längst nicht überall sind die tiefen Schichten der kirchlichen Strukturen in Frage gestellt und neu begründet. Auch das Konzil hat hier nicht endgültig abgeschlossen. Im Gegenteil. Eine Tür scheint gerade für die Diskussion der grundlegenden Strukturfrage aufgestoßen 11 .

2. Diakonat als ökumenisches

Thema

»Der Diakonat ist eine Gewissenserforschung, aber er gibt auch das Versprechen, daß wir die Ökumene wiederfinden« 12 , sagt Claude Bridel, als Protestant engagiertes Mitglied im katholischen Internationalen Diakonatszen9 Th. Brauer, Die sozialkatholische Bewegung in Frankreich, in: Hochland 10, Bd. 1, 1912/13, S. 702. Die deutschen Verhältnisse können gegenüber der französischen Situation leicht positiver gesehen werden. Die deutschen theologischen Verhältnisse erscheinen geordneter und ordentlicher. Doch der Schein trügt: Es zeigt sich bald, daß „trotz einiger Unterschiede im einzelnen und trotz anderer Voraussetzungen sowohl die sozialen als auch die religiösen und kirchlichen Probleme in Frankreich wie in Deutschland gleich dringlich sind". Der Unterschied zwischen deutschem und französischem Katholizismus liegt in einer Phasenverschiebung, die heute aufgehoben ist. Aber noch 1947 konnte Henri Perrin schreiben: „Die Deutschen waren den sozialen Problemen gegenüber überhaupt noch nicht richtig aufgeschlossen; Sie neigen zu einem rein innerlichen Christentum und halten vieles für übertriebenen Aktivismus, was uns als einfache Forderung der christlichen Berufung erscheint". Beide Zitate sind den Briefen und Dokumenten aus dem Nachlaß entnommen, der deutsch in München o. J . erschienen ist, S. 125 f. (frz: Itinraire du Henri Perrin, Ed. du Seuil, Paris 1945). 10 Schoof aaO S. 131: „Wer das deutsche Geistesleben mit dem französischen vergleicht, vermißt im letzteren vielleicht die wissenschaftliche Gründlichkeit und das unnachgiebige Ringen nach der Erkenntnis der letzten Gründe. Der franz. Geist geht darüber leichter hinweg, hat aber den Vorteil, daß er durch Großzügigkeit, Elan, Klarheit, kurzum durch Esprit gewinnt. Eine gewisse Nachlässigkeit oder Härte wird dann gerne in Kauf genommen". 11 Gottfried Maron, Kirche und Rechtfertigung, Göttingen 1969, S . 6 . 12 Claude Bridel, Der D i a k o n a t - ein Thema der Ökumene, in: D I A C O N I A X P , Dez. 1971, S. 12; ähnlich auch der Aufsatz von J . Hornef, Diakonat und Ökumene, in: Stimmen der Zeit 90 (1964/1965), S. 6 9 7 - 7 1 1 . Vgl. auch Wichern aaO 128: „ D e r Standort bei Beantwortung dieser

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trum. Die Frage nach dem Diakonat stellen, bedeutet: sich zurückbesinnen. Denn der Diakonat ist keine neue Frage, er gehört zu der Struktur der Kirche, die das Neue Testament kennt und nennt. Zwei Fragen müssen also beantwortet werden, wenn es um den Diakonat geht. Erstens: Warum erlebte das kirchliche Amt des Diakonats schon seit dem zweiten Jahrhundert seinen klaren Niedergang? Zweitens: Was ist der Grund für eine Wiedereinführung des Diakonats? Vor beiden Fragen stehen im Grunde unterschiedslos alle Kirchen. Alle müssen sich fragen, weshalb der Diakonat im eigenen Bereich keine oder nur eine geringe Rolle spielt. Und jede Bemühung um die Wiederherstellung bedeutet nur begreifen wollen, was der Sinn des Diakonats ist. Aber: Läßt sich ernstlich vom christlichen Diakon reden, ohne daß man vom C H R I S T O S D I A K O N O S spricht 13 ? Oder kann man vom Sinn des Diakonats anders sprechen, als daß im Diakonat »einige Gläubige besonders berufen sind, die Diakonie Christi zu aktualisieren?« 14 . Und kann man nicht »mit Sicherheit sagen, daß alles, was uns auf dieses entscheidende Ereignis Jesus Christus zurückweist, und dies ohne Bedingungen zu stellen und ohne vorher Erklärungen zu fordern, daß dies alles wesentlich ist und unsere Einheit begründet? . . . Das Thema Diakonat ist ein christologisches Thema« 1 5 . Auch von katholischer Seite wird immer wieder auf die ökumenische Bedeutung der Diskussion hingewiesen 16 . Aber der christologische Bezug des Diakonats scheint in der katholischen Diskussion weitgehend einer ekklesiologischen Fundamentierung nachgeordnet oder nur locker zu ihr in Beziehung gesetzt zu sein. So kann z . B . Hannes Kramer, einer der »Köpfe« der Diakonatsbewegung, sagen: »Es gibt Anfänge ökumenischer Zusammenarbeit, die modellhaft sein könnten für einen gemeinsamen Weg zur Diakonisierung der Kirche von der Basis der Gemeinde her. Überall, wo wir uns in einem konfessionellen Niemandsland befinden, ist dieser gemeinsame ökumenische Dienst notwendiger denn je. Er ist notwendig bei den Randgruppen von Kirche und Gesellschaft, er ist notwendig in den Ballungszentren der Städte. Und ist er nicht auch notwendig durch eine missionarische Sendung mitten in

Frage muß jegliche Beschränkung des Gesichtskreises von sich ausschließen; er ist für mich ein ökumenischer". 13 Vgl. R o m . 15, 8; Gal. 2, 17 u . v . a . 14 Die Formulierung stammt von A . H a m m a n ; siehe: A . Lagny, diaconat et protestantisme, in: Le Diaconat, Tours 1969, S. 79. 15 Bridel a a O S. 13: „ . . . die römisch-katholische Kirche befindet sich in einer Zeit starken Wandels. Dieser Prozeß ist noch in vollem Gange, ein Ziel auch heute noch nicht in jeder Hinsicht erkennbar. Solche Umbruchzeiten aber gestatten kaum fertige Aussagen. N u r tastend kann man an der Gegenwart die Konturen der Zukunft ausmalen, nur annäherungsweise und noch ungenau lassen sich die Umrisse des Werdenden beschreiben." Bridel setzt große ökumenische Hoffnungen auf die Wiedereinführung des Diakonats. Nicht zuletzt trägt sein letztes Werk über dieses Thema den Titel: A u x seuils de l'esperance, Neuchätel 1971. 16 N u r ein Beispiel: O t t o Pies SJ, Diakonat - Stufe oder Amt, in: Theologie und Glaube, Paderborn I960, S. 18i4: Man erhofft darum einen „wichtigen Beitrag für die Wiedervereinigung der Christen im Abendland".

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eine nichtchristliche Gesellschaft, in der Diakone Zeugnis geben von einem absichtslosen Dienst hingebender Liebe, ohne zu rechnen und zu fragen, was das für die Kirche b r i n g t . . . ? « . Doch den deutlich christologischen Bezug dieser »Diakonisierung« stellt er auf der Ebene der Spiritualität, nicht der Ekklesiologie her: »Uberall, wo neue Wege begangen werden, sollte auch die fundamentale Wesensbestimmung der Kirche von der Diakonie Jesu Christi her nicht nur gepredigt, sondern zuerst gelebt und dann interpretiert werden. Sie wurde uns vorgelebt durch Jesus, beispielhaft in der Fußwaschung, im Gegenüber zu dem, der zu Tische sitzt und dem, der zu Tisch bedient. E R hat gedient bis zur Hingabe des eigenen Lebens. Nur so erfährt sich christliche Gemeinde letztlich als eine in Glaube und Eucharistie geeinte neue Liebesund Lebensgemeinschaft, die sich in der Diakonie aller an den Glaubenden und an allen Menschen in Not verwirklichen kann und verwirklichen soll. So weitet sich dann aber auch der Blick ins Licht. Es weicht die Angst vor dem Dammbruch. Es entsteht ein froher Mut zum Dienst in der Freiheit der Kinder Gottes. Durchaus auf dem festen Boden der Tradition der Kirche in einem urchristlichen Sinn. Aber doch offen und neu gelebt in und für unsere Zeit. Dann geht es nicht mehr um Macht und Prestige, um ein Festhalten an Positionen und Titeln. Es geht um das selbstlose neue Mühen der Liebe, die auch den Feind sucht, im Wissen, daß unsere menschliche Liebe nie in der Zeit das Maß dessen erreichen wird, der uns zuerst geliebt h a t . . .« 1 1 . Es wird aber im ökumenischen Dialog darauf ankommen, wie weit sich durch direkte christologische Rückbezüge das bisherige, durch die Abwesenheit des Diakonats gekennzeichnete spezielle Verhältnis von Christologie und Ekklesiologie verändern läßt. An die katholischen Gesprächspartner ist dabei die Frage zu stellen, ob, wie Bridel sagt, bei der theologischen Fundamentierung des Diakonats nicht bestimmte Bedingungen gestellt und schon Erklärungen gefordert werden, bevor man christologisch begründet. Und - das ist das andere: das am Diakonat sich neu herauskristallisierende Verhältnis von Christologie und Ekklesiologie wird alle bisherigen derartigen Beziehungen und Ableitungen programmieren müssen 18 . Im Diakonat steht damit die ganze Ekklesiologie zur Debatte: »Die Bemühungen um die Wiederherstellung des Diakonats bedeuten eine neue und dynamische Form, das Problem der kirchlichen Ämter anzugehen« 19 . Der Diakonat ist als kirchliches Amt und kirch17 Kramer, Die Diakonatsbewegung - Erneuerung oder Rückschritt? in D I A C O N I A X P , Dez. 1973, S. 26 f. 18 Wenn einige Autoren von der >Hierodiakonie< anstelle der >Hierarchie< sprechen, so ist damit genau diese Veränderung in der Beziehung von Christologie und Ekklesiologie gemeint, die sich zuerst in den kirchlichen Ämtern niederschlägt. Vgl. J . Hornef, Diakon - Laie-Frau in der Kirche, in: Heiliger Dienst 2/3, 1969, S. 139, und P. Philippi, Das sogenannte Diakonenamt S. 18 f. 19 Bridel a a O S. 24. Vgl. auch den Schlußsatz einer Untersuchung von P R O M U N D I V I T A (Brüssel) zur Diakonatsfrage: »Der Diakonat stellt sich als ein wenn auch noch ganz vorsichtiger Versuch dar, von dem aus eine tiefe Veränderung der kirchlichen Ä m t e r und Dienste seinen A n fang nehmen kann« ( N o t e speciale N r . 26, S. 19).

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liehe Wirklichkeit noch offen, unabgeschlossen, und dabei eine Sache, an der sich die ganze Ekklesiologie aufrollen läßt. Er ist derzeit die einzige Möglichkeit, kirchenimmanent Reform der Ämterstruktur zu verwirklichen. Denn der Diakonat erlaubt, einen kritischen, nämlich den christologischen Maßstab in eine erträgliche Form zu bringen: Das Maß der Anknüpfung an bekannte und gültige Traditionen, nicht zuletzt an das N T , ist groß, und der Widerspruch gegen geltende kirchliche Praxis und theologische Theorie ist kein unlösbares Problem, spätestens seitdem das Zweite Vatikanische Konzil hier einen gewissen Freiraum eröffnet hat, denn es geht ja nicht um »Abschaffung« irgendeiner ekklesiologisch bedeutsamen Größe, nicht um eine Alternative zu einer kirchlichen Institution, sondern um einfache Integration eines neuen ekklesiologischen Faktors, der freilich in seiner Eigenart alles wie ein Sauerteig durchdringen und ihm eine neue Qualität geben könnte.

j . Prüfstein der

Ekklesiologie

Zentraler Angelpunkt aller Reformversuche ist die Ekklesiologie. Sie ist die strukturelle Konsequenz des Ansatzes, die Umsetzung der Qualität der Person Christi in Strukturen einer Gruppe, einer Organisation, einer Institution. »Ohne Christus wäre die Kirche nicht, was sie ist« 2 0 , und dies heißt doch: in der Verfassung der Kirche, >Verfassung< dabei im doppelten Sinn verstanden, muß in spezifischer Weise der Christusbezug erkennbar sein. So ist die Ekklesiologie das erste, was sich ändern kann und ändern muß, um den Zusammenhang mit dem Ausgangspunkt zu erhalten. Stellt nun die Einführung des Diakonats tatsächlich eine Innovation im Kirchenbegriff dar, dann wird sich in der »Verfassung« des Diakonats jenes allgemeine Problem widerspiegeln 2 1 : ob man überhaupt die Struktur der »Verfassung« der Kirche zur Diskussion, zur Veränderung freigeben kann, d. h. ob man überhaupt eine Christologie als Vergleichsmöglichkeit und Kriterium der Ekklesiologie aufzustellen wagt. Es wird auch an die Konzilstexte noch die Frage zu stellen sein, ob die von Papst Paul formulierte Aufgabe, »den Kirchenbegriff genauer zu bestimmen« 2 2 , tatsächlich jene Identitätsprüfung meinte und erreichte, die eine mögliche »Krisis« der Kirche überhaupt zu wagen bereit ist. Die Berechtigung dieser Frage wird deutlich, wenn wir nämlich in gewichtigen nachkonziliaren Stimmen ein Verständnis von Kirche finden, das eine solche Krisis ausdrücklich ausschließt: Kirche als »die dem Einzelnen vorge20 Olegario Gonzalez Hernandez, Das neue Selbstverständnis der Kirche und seine geschichtlichen und theologischen Voraussetzungen, in: Barauna I S. 155. 21 Antoine Freund, Vorwort zu: Le Diaconat, hg. von S. Charalambidis, G. Lagny, E. Granger, R. Schaller, Tours 1969, S. 6: »Ja, die Untersuchungen hinsichtlich Diakonat sind verschieden gefärbt je nach der Vorstellung, die man von der Kirche hat, von ihrem Existenzgrund und ihrer Natur«. 22 Vgl. Hernandez aaO S. 157.

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gebene, schon in der Erwählung und Vorherbestimmung Gottes präexistierende, gewissermaßen personale Größe« 2 3 , oder knapper: »Die Kirche ist eine dem Einzelnen vorgegebene Wirklichkeit« 24 . Damit ist die Kirche aber, wie Maron feststellt, »hypostasiert« 25 . Für jede Veränderung, die ja menschliches Werk wäre, wäre kein legitimer Raum; die Kirche selbst hätte dann die Heilsbedeutung Christi völlig in ihre »Verfassung« aufgesogen. Eine Auseinandersetzung, ein Vergleich mit dem Ursprung, mit der Person Christi kann dann nicht mehr echt stattfinden, wenn die Kirche auch Person ist, »Kollektivperson« 26 . Aber - in dem, was in der theologischen Denkordnung der Christologie vorausgehen könnte, in der Trinitätslehre (und damit in der Pneumatologie) ist eine Gleichsetzung von Kirche und Heiligem Geist doch nicht ohne schwierige Manöver durchzuführen. Hans Küng bemerkt sehr scharf: »Eine Kirche, die sich mit dem Heiligen Geist identifiziert, braucht nun einmal nicht mehr zu hören, zu glauben, zu gehorchen . . . Sie braucht nur auf sich selbst zu hören, sich selbst zu gehorchen, an sich selbst zu glauben und die Anderen außerhalb zu Hören, Glauben und Gehorsam aufzufordern« 27 . Das »neue« Amt des Diakonats, nun durch das Konzil in die lateinische Kirche wiedereingeführt, wird in der Linie solcher Auffassung von Kirche in keiner Weise eine neue Beziehung zum Ursprung der Kirche ausdrücken können, sondern wird sich willig in die gegebene Verfassung der Kirche einfügen müssen. Alle christologischen Bezugnahmen sind dann abgefiltert und bestätigen die gegenwärtige Ekklesiologie. Ein Beispiel dafür kann eine Aufsatzsammlung unter dem Titel »Diakonia« 28 in der Festschrift für den Mainzer Bischof Hermann Volk (zum 65. Geburtstag) geben, in der sich keinerlei christologische Bezüge finden. Im ersten Aufsatz der Sammlung mit dem Titel Diakonia und unter der Uberschrift »Auctoritas« spricht Alfred Schüler nicht vom Dienen und vom Geben, sondern vom »Fordern« 29 . Es geht »um die richtige Verwaltung des anerkannten, nicht diskutierbaren Sollens, vor dem wir Tag für Tag stehen. Es soll geschützt werden gegen ein aktuelles, eiferndes Uberfordern« 30 . Unleugbar enthält damit der Dienst des Christen, insbesondere des >BerufschristenHerr< bleibt. 23 So Friedel Wulf SJ, im Kommentar zu Lumen Gentium 39, LThK Konzil 1290; vgl. dazu die Stellungnahme von Maron aaO S. 185 ff. 24 H. Fries, Das Wesen der Kirche nach katholischer Auffassung, in: Catholica 16, 1962, S. 183. 25 Maron aaO S. 185 und S. 186. 26 Maron aaO S. 185. 27 Hans Küng, Die Kirche S.250. Vgl. bei Maron aaO S. 185. 28 Otto Semmelroth, R. Haubst, K. Rahner (Hg.): Martyria, Leiturgie, Diakonia, Festschrift für Hermann Volk zum 65. Geburtstag, Mainz 1968. 29 Alfred Schüler, Auctoritas. Die Schwierigkeit allen Forderns, in: Martyria, Leiturgia, Diakonia S. 385. 30 Schüler aaO S. 385.

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Es ist zu fragen, ob dies dem entsprechen kann, was bis in die Fuß waschung Christi hinein vom Neuen Testament gesagt werden will. Hier jedenfalls müssen wir ein Verständnis von christlichem Dienen zur Kenntnis nehmen, das sich hierarchisch ordnet und an die »Vorsitzfunktion« 31 gebunden ist. Ein Beispiel, wie die bestehende Ekklesiologie als Filter in der Aufnahme »kritischer« Vergleichspunkte wirkt, gibt auch ein Artikel von Papst Paul, der den Titel »Tous serviteurs« 32 trägt. Unter Bezugnahme auf Gedanken von Congar und Heranziehung einiger Bibelstellen spricht Papst Paul ein autoritatives Wort zum Verständnis von Diakonie. Schon bei der Verwendung der Bibelzitate fällt die sehr unspezifische Auswahl der Stellen auf, die zum Thema Diakonie und Diakonat eigentlich sehr wenig beitragen. Außer Matth. 20, 28 ist kein Wort des Jesus der Evangelien zu finden, eine Stelle, die außerdem noch mit der typischen Verkürzung aufgenommen ist und den Hauptsatz, der schon in Matth. 20, 26 beginnt, wegläßt 33 . Gerade die Aussage von Matth. 20, 26 würde eine normative Qualifizierung kirchlicher Arbeit ansprechen, die nur als Dienst Autorität ausübt, was aber von Papst Paul nicht gemeint ist. Im Gegenteil: Bei ihm ist die Reihenfolge umgekehrt. Von Jes 42,1 f über Matth. 20, 28 werden statt echter Dienstaussagen »Autorität« (2 Kor 10, 8 und 13,10), »Würde« (Rom 11, 13 und 2 Kor 3,8), »Anerkennung« (1 Kor 4,21 und Gal 1,8; auch 2 Kor 11,28), als den Diakonat betreffende Grundlagen biblisch abgehandelt und dann Ignatius, Cyprian und zeitlich folgende Autoritäten aufgeführt 34 . Die Tendenz ist klar: Die Autorität legitimiert sich als Dienst. Im Gefolge Augustins 35 faßt der Papst »Dienst als inhaerente Pflicht der Autorität«; dabei ist Autorität zweifellos primär. Was ist aber dann Dienst ? Dienst beleuchtet den emotionalen Stellenwert von Autorität von Hierarchie. Matth. 16,18f kennzeichnet den Ausgangspunkt: Dienst ist eine Methode, Autorität auszuüben. Unmißverständlich weist der Papst auf Unveränderbares: »Die Berufung zum Dienst ändert nichts an den Prärogativen der hierarchischen Funktionen«. Für den Amtsträger existiert eine »lehr- und jurisdiktionsmäßige Autorität, die seiner Weihevollmacht entspringt«. Dienst ist nichts anderes als die Anwendung dieser Prärogativen, von denen Papst Paul sagt: »Diese Prärogativen sind zum Besten des Volkes Gottes« 3 6 , sie dienen, sind gut für das Volk der Kirche. Dienst und die Berufung auf diesen Begriff ändern nichts an der ontologischen Struktur der Kir-

31 H . Vorgrimler, Erneuerung des Diakonats nach dem Konzil, in: Der Seelsorger 35, März 1965, S. 107. Vorgrimler verwendet diesen Begriff kritisch. Er bezieht seinen Standort auch klar in neutestamendichen Texten und bemängelt: »das wesensmäßige Dienen der Hierarchie findet in den heute üblichen und nicht so leicht revidierbaren Formen einen höchst ungenügenden Ausdruck« (S. 108). 32 Papst Paul VI., Tous serviteurs, in: Diacres Aujourd'hui 6, S. 1 f. 33 Vgl. dazu P. Philippi, Christozentrische Diakonie S. 106-122. 34 Papst Paul aaO. 35 Vgl. Migne PL 77, S. 747. 36 Papst Paul aaO S.2.

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che, die eine Kirche mit »oben« und »unten« bleibt. Insofern hat die Berufung auf die Dienstqualität den Charakter einer formalen Behauptung, die die Ausübung der kirchlichen Autorität als sinnvoll qualifizieren soll. Papst Paul sagt: »Die Autorität kommt von Gott, sie ist Dienst« 37 . Hierarchie ist und bleibt »Instrument der Vermittlung göttlicher Geheimnisse«38 und beansprucht dafür Anerkennung. Doch weiß auch Papst Paul, daß es mit dem bloßen Anspruch allein nicht getan ist. Er formuliert die Pflicht zum Dienst auch in einer Seinskategorie: Die Hierarchie ist nach 1 Petr. 5,3 nicht Herrscher, sondern Diener der Gläubigen, indem sie Vorbild ist. Hierarchie findet ihren Sinn darin, Vorbild oder »Modell«39 der Gläubigen zu sein. Der Anspruch, den die Hierarchie an sich selbst stellt, ist die Norm der Kirche, die insgesamt Vorbild der Welt ist. »Die Kirche präsentiert sich als Dienst, als eine Liebe«40.Problematisch ist dabei nur, daß Vorbildsein mit Rechtspositionen verbunden sein muß. Gewiß ist auch eine andere, wenn auch nur schwach reflektierte, Dimension von »Dienst« vorhanden, wenn in einem einzigen Satz ein Bezug auf Christus hergestellt wird: »Das Bild Christi wird in der Kirche deutlicher« 41 . Aber es fehlt darüber hinaus jegliche inhaltliche Erläuterung und Füllung, so daß der Eindruck bleibt, mit »Dienst« sei eine Tugend des kirchlichen Amtsträgers gemeint, also praktisch die Frage der Minimal- oder Maximalerfüllung der Amtsrolle. Die Folgerung aus einer solchermaßen schwachen christologischen Grundlegung ist eine Konzeption des christlichen Dienstamtes, die innerhalb des kirchlichen Amtes das Dienen, um es »besonders anschaulich zu machen«42, »in besonderer Weise einer Stufe (sei. einer unteren!) des kirchlichen Amtes« 43 zuschreibt, um ja nicht die Prärogativen der Hierarchie, die ja per se Dienst sind, noch einem anderen Kriterium zu unterwerfen. Aber findet hier nicht ein Ausweichen vor einer möglichen kritischen Uberprüfung der Theologie des Amtes statt, wenn nicht die Probe gewagt wird, ob der christologische Sinn dem hierarchischen untergeordnet ist? Genau hier liegt ein wunder Punkt der Theologie des Diakonats. H. Vorgrimler hat ihn scharf markiert, wenn er sagt: »Die Theologie des Diakonats darf also in keinem Fall den Diakon als den definieren, der Bischöfen und Priestern dient. Unbeschadet der Rangordnung dient die ganze Hierarchie gemeinschaftlich (>in communionewie die Katze um den heißen Brei< herumdrückt. In diese Perspektive gehört die Tatsache, daß Matth. 25,40 wieder aus der Konzilsvorlage zum Diakonat herausgestrichen wurde 45 . Auch der Theologe Congar, der es sogar wagt, von der »biblischen Norm« 4 6 zu sprechen, flüchtet sich beim Diakonat in eine mehr distanzierte Verwendung des N T : »Die Diakonie aber als Dienst und Hilfeleistung bleibt eine unverlierbare Pflicht der Kirche. Es ist aus allgemeinen Gründen, deren zwingende Macht auf jede Seite des Neuen Testaments, ja selbst im Christentum eingeschrieben ist, von höchster Bedeutung, daß die Diakonie mit dem Diakonat verbunden sei, der Dienst an den Tischen mit dem Dienst am Tisch des H e r r n . . . « 4 7 . Demgegenüber bedeuten z . B . die Thesen über die »Christliche Diakonie«, von der Sachkommission III der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der B R D vorgelegt, eine entscheidende und mutige Wende in der christologischen Begründung: »Christliche Diakonie ist der Mit- und Nachvollzug jenes Dienstes am Menschen, den Jesus in dieser Welt begründet hat (Vgl. Joh. 13,1 f f ) . . . Die christliche Diakonie ist der in Jesus eröffnete Weg zu dem Ziel, daß der in ihm offenbar gewordene Wille Gottes zur Lebensfülle des Menschen in einer menschlicheren und brüderlicheren Welt sich verwirklicht. Sie bezeugt und deutet zugleich die Wahrheit aller unverkürzten, auch der ihres Christus- und Gottesbezugs nicht ausdrücklich bewußten Humanität« (aus These I). In These II wird weitergeführt: »Alle Solidarität unter den Menschen, in der sie einander lieben, wie Jesus den Menschen geliebt hat, ist Kennzeichen seiner Jüngerschaft und Erfüllung seines Auftrags. - Als weltweite Brüderlichkeit umfaßt sie alle Menschen ohne Unterschied der Rasse, Nation, Kultur, Religion und macht zugleich aus denen, die sich ihr im Glauben an Christus öffnen und sie verwirklichen, seine brüderliche Gemeinde« 48 .

der Formulierung durchdringt: »In der Nachfolge Jesu ist der Kirche als ganzer die Diakonia aufgetragen« (S. 36). 45 J. Dupont, Die Kirche und die Armut, in: Barauna I S. 339. 46 Y. Congar, Der Diakonat innerhalb der >Ministerien< der Kirche, in: D I A C O N I A XP, 2, S. 24-41. Franz. Originalfassung in: Vocation Nr. 234, April 1966, S. 273-293; hier: S. 273 (deutsche Fassung). 47 Y Congar, Der Laie, Stuttgart 1957 (deutsche Fassung aus der 2. franz. Aufl. Paris 1954), S. 369. 48 Veröffentlicht in D I A C O N I A XP, März 1972.

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II. Die Genese des Problembewußtseins i.

Trient

Unzweifelhaft stellen die Diskussionen und Beschlüsse des Konzils von Trient um das Jahr 1563 für den katholischen Raum einen entscheidenden Wendepunkt in der Entwicklung der Diakonie als kirchlichem Amt dar, seit den Zeiten der Urkirche bis in die Tage der Reformation hinein. Eine Neubesinnung auf die unerschütterlichen Grundlagen der Kirche konnte nicht am Diakonat vorbeigehen. Eine amtliche Diakonie in der Kirche wurde als »notwendig« erkannt 1 , wobei die Notwendigkeit des Amtes wesentlich durch die Unvollständigkeit des caritativen Dienstes begründet war. Neben der grundsätzlichen Verfügbarkeit gegenüber dem Bischof (durch Taufe, Predigt und Katechese als Einsatzmöglichkeiten des Diakons charakterisiert) macht das Konzil deutlich: »Von Ihnen (den Diakonen) ist in Sorgfalt wahrzunehmen und in Frömmigkeit zu besorgen, alles, was das leibliche Wohlergehen der Witwen, Unmündigen und Waisen, der Gefangenen, Kranken und jeglicher Notleidenden angeht.. . « 2 . Hier zeigt sich eine Frucht aus der Krise der Reformation: Die Theologie und die kirchliche Lehre entdecken neu die Leiblichkeit des Menschen, »das positive Recht des Leibes und der natürlichen Gegebenheiten des Menschen« 3 . Nicht ohne Grund hat ζ. B. die Religionskritik eines Nietzsche, Feuerbach oder Marx gerade an diesem wunden Punkt ansetzen können 4 , wo die Wirkungslosigkeit der Kirche durch den Verlust der Leiblichkeit des Menschen offenkundig wurde, nicht umsonst ist späterhin die Frage des Diakonats immer in Verbindung mit einem neuen Ernstnehmen der Leiblichkeit des Menschen aufgetaucht 5 . Vielleicht gilt für Diakonie und Diakonat in der Kirche auf theologi1 Vgl. das Votum von Kardinal Döpfner vom 7. Oktober 1963 auf dem zweiten Vatikanischen Konzil, in Hampe, Die Autorität der Freiheit II, S. 214. Döpfner kritisiert die Haltung der Konzilsversammlung, die in der Frage des Diakonats in ihrer Intention noch hinter Trient zurückbleibe. 2 Schema, am 6. Juli 1963 den Konzilsvätern zu Trient verteilt, zitiert bei Otto Pies, Diakonat - Stufe oder Amt, S. 178. Die den Diakonat betreffenden Dokumente des Konzils finden sich Trid. sess. X X I can 4, sess. XXIII can 6, (Denz 1765, 1771 ff.). Es ist auffällig, daß im Enchiridion symbolorum (Ed. Denzinger - Schönmetzer) die wichtigsten Texte, die den Diakonat betreffen, fehlen. 3 K. Bockmühl, Leiblichkeit und Gesellschaft, 1961, S.274. 4 Vgl. Bockmühl aaO S. 274, der breit aufweist, wie sehr hier die Theologie eine offene Flanke hat. 5 Dies gilt für die katholischen und evangelischen Bemühungen um den Diakonat in gleicher Weise.

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scher Ebene das, was Hellmut Plessner als anthropologische Grundtatsache so beschrieb, daß »der Mensch immer zugleich Leib ist und diesen Leib als Körper hat« 6 . Man könnte dann sagen: Die Kirche ist als Diakonie immer zugleich Diakonie auch als Amt, als Corpus sich selbst gegenüber. So könnte das immer wieder auftauchende große Problem des Verhältnisses von Diakonie und Diakonat 7 eine einfache anthropologische Rechtfertigung erfahren: Gott kam in Jesus Christus nicht zum idealen Menschen, sondern zum wirklichen 8 . Nur den wirklichen Menschen trifft die Botschaft. Das Evangelium entfaltet seine erlösende Kraft am Menschen, so wie er ist. Nur dann, wenn die Kirche als Trägerin der Botschaft eine Diakonie ist und eine Diakonie hat (z.B. im Diakonat), wird sie sich als wirksam für die Menschen erweisen. Und darum ging es in Trient bei der Frage der Ämter beispielhaft: Man wollte dem Vorwurf eines kirchlichen Doketismus begegnen, man wollte wieder Kirche und Leben verbunden, innig durchdrungen wissen 9 . Aber die Empfehlung von Trient, die niederen Weihen, insbesondere den Diakonat, wieder aufleben zu lassen, »ist zweifellos toter Buchstabe geblieben aufgrund des ausreichenden Priesternachwuchses« 10 . Die Tatsache, daß die kirchliche Verfassung, »der Apparat«, weiterfunktionierte, ließ alle Veränderungsversuche schon in den Anfängen scheitern. Es ist in der Tat sehr auffallend, daß ausgerechnet dort, wo der Priestermangel immer neue Probleme aufwirft, die Frage des Diakonats und der Diakonie am brennendsten wird 11 . Hatten die Beschlüsse des Konzils von Trient für die Wiederbelebung des Diakonats und der Diakonie der Kirche also praktisch keine direkte Bedeutung, so sind sie doch ein wichtiges theologisches Argument geworden, sowohl in der theologischen Vorbereitungsschlacht vor dem Konzil als auch während und nach den Debatten 1 2 . Für viele Konzilväter des zweiten Vatikanischen Konzils war es eben anfangs nicht recht einsichtig, daß der Diakonat ein Sakra-

6 Hellmut Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch, 1928, S. 45; vgl. Bockmühl aaO S.275. 7 Vgl. P. Philippi, Das sogenannte Diakonenamt S. 11 ff. 8 Ohne auch nur annäherungsweise die Vokabeln »Diakonie« und »Diakonat« zu verwenden, hat ζ. B. Gerhard Sauter vom Begriff der Leiblichkeit ausgehend, eine schöne Definition der Diakonie geliefert: »Vielmehr den leiblichen Menschen gilt es zu finden in dem, was ihn beschäftigt, anstrengt, entlastet, ängstigt und freut. Wenn es gelingt, dieses Menschliche, Begrenzte an ihm zu hüten, indem man es vor Auswüchsen und Verirrungen der Menschheit schützt. . . dann wäre dies ein Gottesdienst, der dem Bekenntnis zu Jesus Christus in seiner Mitte angemessen wäre« Aus: Bekenntnis heute - Erwartungen an die Theologie, S. 241. Vgl. besonders Registerstichwort »Leiblichkeit« bei Sauter aaO! 9 Ausführlich hat diese Frage behandelt: A. Duval, L'Ordre au concile de Triente, in: Etudes sur le sacrement de l'Ordre, Paris 1957, S. 2 7 7 - 3 2 4 . 10 Paul Winninger, Die Aufgaben der Diakonie in der Kirche heute, in: Baraüna II S.256. 11 Maron aaO S. 39 12 Vgl. das oben angeführte Zitat von Kardinal Döpfner, ferner die entsprechenden Belege in dem Sammelwerk Diaconia in Christo, 1962 und (als ein Belegbeispiel): Die Konzilspetition der franz. Diakonatskreise, abgedruckt in: La Documentation Catholique 45, April 1963, bes. S. 447.

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ment ist (Denz 966/1776) 1 3 gemäß den Trienter Feststellungen, und ihm damit ein bestimmter Rang in der Kirche eingeräumt werden, der Diakonat also eine bisher nicht zuerkannte Bedeutung allgemein verbindlich erhalten muß.

2. Die sozialen Krisen und die Aufgaben der Kirche Die »soziale Frage« des 19. Jahrhunderts ist ohne Zweifel die Ursache für die erneute Virulenz des Problems von Diakonie und Diakonat im Katholizismus wie im Protestantismus, die beide in der Neuentdeckung der Diakonie zu erstaunlichen ökumenischen Aktivitäten fähig werden. Man denke nur an den Gründungsversuch des »Apostolisch-katholischen Vereins« in Hamburg 14 , an dem Wichern maßgeblich beteiligt war oder an die engen Verbindungen Wicherns mit Erzbischof Diepenbrock 15 . Wenn aber ein historischer Fixpunkt festgestellt werden soll, dann muß man auf die französische Revolution zurückgehen, die, in Frankreich beginnend, »das Bedürfnis einer neuen und engeren Verbindung der Religion mit der Politik« 16 weckte, indem die Mischung von Christlichem und Heidnischem 17 aufgehoben und so das Christliche reiner, klarer hervortreten wird. So »scheint nun eben durch die französische Revolution eine neue Ära für die christliche Religion herbeigeführt zu sein« 18 . Man hat »die damalige Scheidung der Regierung von der Religion nicht als eine Trennung, sondern nur als eine tiefergreifende Unterscheidung beider zu betrachten, und ihre wechselseitige Befreiung ist nicht als ein wechselseitiges Losgewordensein zu fassen,

13 Die Denz 966 - 1 7 7 6 wiedergegebene Trienter Textstelle spricht freilich nicht von diaconis, sondern von ministris. Dies deutet schon eine theologische Kanalisierung der Diakoniefrage an. Jede tiefere christologische Auseinandersetzung ist damit abgeschnitten. Nicht ohne innere Logik folgen der Trienter Konzeption vom Diakon als >minister< die in Rom 1596, 1715, 1736 und 1789 erschienenen Diakonenbücher, die alle mehr oder weniger, aus dem Osten stammend oder für diesen bestimmt, den Diakon als liturgischen Diakon verstehen. Vgl. Dazu Irenaeus Doens, Ältere Zeugnisse über den Diakon aus der östlichen Kirche, in: Diaconia in Christo, S . 5 5 . Dennoch hat die notwendige Einbeziehung des Diakons in die Liturgie die Diskussion über die Zeichenhaftigkeit des Sakraments offengehalten, bis tiefere theologische Schürfungen erfolgreich waren. Vgl. Dazu Maron aaO S. 42. 14 J . Meissner, Der Kirchenbegriff J . H . Wicherns S.202 ff. 15 Uhlhorn, Die christliche Liebestätigkeit, 2. Auflage 1895, S. 772 f. Diepenbrock wird in katholischer Literatur oft irrtümlicherweise im Zusammenhang mit dem Ursprung der Idee des Diakonats in der Erneuerung des 19. Jahrhundens genannt. So bei R . Schaller, Genese et maturation de l'idee du renouveau du Diaconat au X X siecle, in: Voeation, April 1966, S. 316, und J . Hornef, Vom Werden und Wachsen des Anliegens, in: D i C S.343 f. 16 lution litik«, 17 18

S. dieSchriftF. von Baaders aus dem Jahre 1815: »Uber das durch die französische Revoherbeigeführte Bedürfnis einer neuen und innigeren Verbindung der Religion mit der Poabgedruckt in: F. von Baader, Gesellschaftslehre, München, 1957, S. 7 4 - 8 6 . Von Baader aaO S. 85. Von Baader aaO S. 84.

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so wie aus selbem Grund eine tiefere Reunion bedingen kann, aus welchem versöhnte Freunde sich inniger und wahrhafter verbinden, als sie vor ihrem Abfall voneinander verbunden waren« 19 . Hier liegen sicherlich entscheidende Wurzeln für eine neue Auffassung von Kirche als Dienst, als Diakonie. Und gerade Franz von Baader, ein katholischer Laientheologe, ist es ja auch, der sich bereits 1815 2 0 kritisch über den Klerus äußert und in dem Ereignis der französischen Revolution die positive Möglichkeit für die Kirche sieht, die verhindern kann, daß »jeder einzelne Episkopat, sich als autokratisch punktualisierend, alle kräftige Basis in der Gemeinde verliert« 21 . Diese Aufhebung der »Punktualisierung« 22 könnte nach der Loslösung der Kirche vom Staat so geschehen, »daß der bis schier zur sozialen Nullität herabgekommene Klerus dem primitiven Amt des Diakonats wiedergegeben würde, welches bekanntlich mit der materiellen Pflege und Hilfeleistung für die Vermögenslosen sich beschäftigte und welcher menschenfreundliche Dienst, so wie selber in den ersten Zeiten des Christentums die Herzen der Menge selbem zuwandte, das selbe ohne Zweifel zu unseren Zeiten wieder leisten würde, welche in der Tat einer solchen Zuwendung nicht minder bedürfen, als solcher das Heidentum bedurfte« 23 . Wenn man bedenkt, daß von Baader geistig verbunden war mit De Lamennais und seiner Zeitschrift »Avenir«, dem ersten Organ des französischen Katholizismus, das die theologischen und kirchenorganisatorischen Konsequenzen aus der französischen Revolution zog, dann wird auch verständlich, daß in Uhlhorns Darstellung der christlichen Liebestätigkeit im 3. Buch, 5. Kapitel, unter dem Abschnitt »Die Römischkatholische Kirche« in der Hauptsache vom französischen Katholizismus die Rede ist 2 4 ! Die Zeit von der französischen Revolution bis zu den Trennungsgesetzen von 1905 ff, die Staat und Kirche in Frankreich als Systemverbund trennten, ist von diesem Kampf um die neue Möglichkeit, freie, echte Kirche zu sein, bestimmt. Lamennais' »Avenir« hat vermutlich das Startsignal gegeben, wie überhaupt in dieser Kampfperiode Zeitschriften eine große Rolle spielten 25 . Aber nicht nur damals: Ohne die Zeitschriften »Effort diaconal«

19 Von Baader, U b e r die Zeitschrift >Avenir< und ihre Prinzipien, 1831, in: Gesellschaftslehre S. 141. 20 Von Baader, Gesellschaftslehre S. 324. 21 Von Baader, Uber das Kirchen-Vorsteheramt (1858), in: Gesellschaftslehre S . 2 5 1 . 22 »Eben diese Punktualisierung macht die Kirche der Weltmacht faßlich, weil ihr gleich«. So F . von Baader aaO S. 251. Kirche hat aber den Auftrag, eben nicht gleich zu sein: M k 10, 4 0 parr. u . v . a. m. 23 F. von Baader, U b e r das dermalige Mißverständnis der Vermögenslosen oder Proletairs zu den Vermögen besitzenden Klassen der Sozietät i η Betreff ihres Auskommens, sowohl in materieller als auch in intellektueller Hinsicht, aus dem Standpunkt des Rechts betrachtet, 1835, in: Gesellschaftslehre S. 2 3 5 - 2 5 0 ; hier S . 2 4 1 f. 2 4 Uhlhorn aaO S. 7 6 0 - 7 6 8 und 775 ff. 25 Gregor Siefer, Die Mission der Arbeiterpriester, 1960, S. 27. Lamennais ist »der Mann, der am Anfang der intellektuellen Bewegung der französischen Geistlichkeit steht und dem alle großen Strömungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts ihren Ursprung verdanken«. Zur Rolle

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und »Lettres aux communautes« zum Beispiel wäre auch die neue Auseinandersetzung in Frankreich unvorstellbar. Sie sind auch die eigentliche Artikulationsebene der Laien und der Laienbewegung 26 gegenüber einer im kirchlichen Amt »punktualisierten« Kirche. Es fehlen die »Laien« und es fehlt damit das »Leben«. Aber dieses Manko ist nicht einfach ein numerisches Defizit, sondern ein Fehler des Systems 27 , der Struktur der Kirche. Das kirchliche Amt kann, so wie es ist, nicht bleiben; Die Gesamtheit der kirchlichen Funktionen kann nicht an die soziologische Form der zölibatären Priesterexistenz gebunden bleiben. Nur dort wird die Kirche gewinnen, wo sie eine Ausstrahlung und eine Wirkung auf Nichtchristen hat, die über bloße religiöse Versorgung hinausgeht. Dabei ist in der theologischen Diskussion - um 1830 dieses Problem kein rein katholisches, sondern ein ökumenisches, wenn man so will. O b J . H . Wichern ein diakonisches Amt neben dem Pfarrer institutionalisieren will 28 oder ob J . Passavant im Jahr 1840 dem späteren Erzbischof Diepenbrock, dem Freunde Wichern vorschlägt 29 , verheiratete Männer zu Diakonen zu weihen, hat strukturell die gleichen Folgen: Aufhebung der »Punktualisierung«, Entklerikalisierung der Kirche, indem man zur Vielfalt des kirchlichen Amtes zurückkehrt, beginnend mit der Wiedereinführung des Diakonats. So hängen verschiedene Probleme unlösbar zusammen: die Frage der Anziehungskraft der Kirche, ihrer missionarischen Kraft, die Frage nach der rechten Gestalt des kirchlichen Amtes und die Frage nach der rechten Form der Verbindung von Kirche und Gesellschaft. Gerade die letzte Frage scheint aber die Gretchenfrage zu sein, der Schlüssel zur Beantwortung der beiden anderen. Denn: eine gewisse Mindestdistanz von Kirche und Gesellschaft ist einfach notwendig, um in der Prüfung der kirchlichen Probleme und religiösen Identität von politischen Faktoren und Auseinandersetzungen frei zu sein. Ist diese nicht vorhanden, hat jeder Versuch, an der gesellschaftlichen Institution Kirche etwas zu ändern, auch die entsprechende politische Gegnerschaft, die die Einheit von Kirche und Gesellschaft verteidigt. Unversehens kann dann, wie es auch geschehen ist, die angezeigte Strukturfrage der Kirche zu einer Streitfrage zwischen Liberalismus und Integralismus über rein gesellschaftliche Veränderungen degradiert werden. So ist es für den der Zeitschriften vgl. auch Siefer a a O S. 31, der auch auf Dansette, Histoire religieuse de la France contemporaine I S. 373 ff hinweist. 26 Siefer a a O S. 4 4 : A m Beispiel der Zeitschrift »Sillon« ( 1 9 0 2 ) zeigt sich, wie sehr der Einzelne sich seines christlichen und kirchlichen Wertes neu bewußt wird. Man fordert: Das »Apostolat von Arbeitern durch Arbeiter« (aaO). 27 In meiner Begegnung mit den L y o n e r Reformgruppen im Jahuar 1974 war immer wieder diese Klage mit einem resignativen Unterton zu vermerken: es liege alles am »System« oder, wie es Andre Collonge im Blick auf das Scheitern der Arbeiterpriester ausdrückt: . . »die Struktur war nicht in Ordnung« . . ( a a O S. 56). Vgl. auch Maron a a O S. 57. 28 Damasus Zähringer, Ein Berufsdiakonat in der Kirche, 1952, S. 490, und G. Noske, W i cherns Plan einer kirchlichen Diakonie, 1952. 29 Rene Schaller, Renouveau du diaconat au X X 6 siecle, in: Vocation 1966, S . 3 1 7 .

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französischen Katholizismus nach der französischen Revolution eine stete und kräftige Versuchung gewesen (der er auch weithin erlegen ist), die verlorene Sicherung und den verlorenen Glanz durch Wiederherstellung jener gesellschaftlichen Verhältnisse erreichen zu wollen, die vorher die Einheit von Kirche und Gesellschaft garantierten 30 . Dieses Bemühen kann man, vereinfacht, als Integralismus bezeichnen. Die Gegenrichtung nun begreift alle jene Kräfte in sich, die Politik als theologisches Mittel ablehnen und Theologie als Politik verstehen, indem sie eine neue, andere, von der Gesellschaft und deren Kräften freie Kirche 31 bilden wollen. Diese kirchlichen Kräfte werden dann freilich in der gesellschaftlich-kirchenpolitischen Perspektive immer »Die Linke« sein. So mußten sich im 19. Jahrhundert die Liberalkatholiken Lamennais', der französische Sozialkatholizismus und später die Arbeiterpriester dem Vorwurf des Kommunismus aussetzen 32 . Für alle gilt, was Ozanam fast klassisch formulierte: »Erschreckt nicht, wenn die durch eure Reden getroffenen Reichen euch Kommunisten nennen, bleibt trotzdem fest! Ihr müßt Europa durch den Kreuzzug der Liebe retten!« 33 . Aber nur dort, wo zwischen Kirche und Gesellschaft ein Unterschied erfahren wird, nur dort, wo man in der Kirche sagen kann: Hier nicht wie in der Gesellschaft, ohne sofort politisch mundtot gemacht werden zu können, nur dort wird diese Theologie des »Kreuzzugs der Liebe« Erfolg haben können. Oder den Worten F. von Baaders nachgesprochen: nur dort, wo die Affinität der Kirche mit der Gesellschaft und zwangsweise in der Folge davon die Punktualisierung der Kirche allein im Amtsträger aufgehoben wird, nur dort wird man überhaupt echt von Kirche sprechen können. Wenn man jedoch das 19. Jahrhundert überblickt und den Weg der neuen französischen Reformwellen betrachtet, dann wird eines deutlich: wie abhängig nämlich der Erfolg einer Theologie von der jeweiligen politischen Lage ist. Was die französische Revolution für Lamennais, die Revolution von 1848 und der Vormärz für Wichern 34 , der zweite Weltkrieg für die Arbeiterpriester 35 und die Maiunruhen von 1968 für die Diakonatsbewegung 36 waren 30 Am Beispiel der Trennungsgesetze von 1905 ff. wird dies noch deutlicher gezeigt werden können. Zur Beschreibung der konservativen Front vgl. C . Frey, Mysterium der Kirche S. 175. 31 Schon 1830 verlangte Lamennais die finanzielle Befreiung der Kirche! S. Siefer, Arbeiterpriester, S. 39: »Wir müssen es sagen und laut sagen, daßes keine mögliche Freiheit für die Kirche gibt als nur unter einer Bedingung: der Unterdrückung des Gehalts, den der Staat (auf Grund des Konkordats) jährlich dem Klerus bewilligt. Wer bezahlt wird, ist abhängig von dem, der zahlt«. 32 Vgl. die Belege bei Siefer aaO S.29 f. 33 Siefer aaO. Dieses Zitat von Ozanam findet sich interessanterweise sehr oft in der französischen Kirchenreformliteratur. Henri Perrin, Kardinal Suhard u. a. m. verwenden es als Beleg (Beispiele bei Siefer aaO). 34 Aufschlußreich ist, daß die Monbijoukonferenz von 1854 der letzte Punkt war, an dem Kirchenreform im Sinne Wicherns noch einmal auf der Tagesordnung stand. Die Erschütterung hat nicht lange vorgehalten! 35 Frey aaO S. 255. 36 Vgl. den Beitrag Rene Schallers in D . A. 4/68: Dans un monde difficile et mouvant, und den Beitrag von L. Lochet in D . A . 5/68: Les diacres dans la mission actuelle de l'Eglise.

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- offene Ohren fanden sie in der Gesellschaft für die kirchliche Erneuerung, weil die Gesellschaft sich erneuern mußte und dieses »muß« ein unauswischbares Ereignis besiegelt hatte! Aber, und das ist die tiefe Tragik all dieser Reformbemühungen: die Gesellschaft hört in ihren eigenen Grenzsituationen zwar das Wort der Erneuerung, aber sobald es auf die Kirche selbst zurückschlagen soll, hemmt der gesellschaftlich-religiöse Status die Kraft des Kritikers. Denn die innige Verbindung von Gesellschaft und Christentum (christlicher Zivilisation) ist fast nur in der Theorie aufhebbar. Die reale Struktur der Kirche übertrifft an Stabilität und Beharrungsvermögen jede gesellschaftliche Struktur, weil der Wert der Kirche für die Gesellschaft vom Mythos der Stabilität mitbestimmt wird. Nur eine wirklich furchtbare kirchliche Katastrophe wird hier das tiefe emotionale Sicherheitsbedürfnis entfernen, das bisher eine Bewegung der Kirche, die nicht gleich in gesellschaftlichen und politischen Zwecksetzungen endet, verhindert hat. Sehr klar hat schon Jaques Maritain die Richtung dieser Bewegung gezeichnet, wenn er daran erinnert, »daß man das Christentum, diese Ganzheit religiöser Wahrheiten, nicht mit der christlichen Zivilisation verwechseln dürfe, also mit einer Gesamtheit kultureller, politischer und wirtschaftlicher Gebilde, die für ein gegebenes Geschichtszeitalter typisch sind und deren typischer Geist hauptsächlich auf die sozialen Elemente zurückzuführen ist, die in ihr die führende und tonangebende Rolle spielen. Bei der christlichen Zivilisation handelt es sich nicht um ewige Wahrheiten, sondern um ihre zeitlichen Projektionen, die zufälligen Charakter haben. Es gibt und es kann nur ein Christentum geben, aber es hat schon mehrere christliche Kulturen gegeben« 37 .

_}. Der doppelte

Ansatzpunkt

Was ist die Kirche? Wo fängt sie an - wo hört sie auf? Wer gehört zu ihr? Diese in der Theorie der Theologie soziologisch nie ganz klar beantworteten Fragen werden in der Praxis recht deutlich als geklärt vorausgesetzt. Die Zuwendung der Kirche zu »Kirchenfremden« sieht verschieden aus, je nachdem, ob der »Kirchenfremde« als »Christ« oder als »Heide« angesehen wird. Von Trient an waren die Versuche, die Menschen zu gewinnen, die sich mit der Kirche nicht mehr identifizieren, von der ersten Perspektive bestimmt. Diejenigen, um die es geht, sind noch irgendwie Christen, deren Verbindung zur Kirche nicht zerstört (wegen der Taufe unmöglich!), wohl aber zu schmal geworden ist, weil sie nur noch darin besteht, daß sie Getaufte sind. Mit der Diakonie oder der Caritas der Kirche, die die Leiblichkeit jetzt auch erfaßt, wird die Verbindung zur Kirche selbst wieder auf eine breitere Basis gestellt. Die auf diese Leiblichkeit des Menschen eingehende kirchliche Aktivität 37 Dansette, Tragödie und Experiment der Arbeiterpriester S. 17.

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(oder Amtstätigkeit) berührt oder verändert dann in keiner Weise die übrigen Aktivität der Kirche. Der aus dieser Sicht, daß die »Kirchenfremden« Getaufte sind, sich entwickelnde Amtsdiakonat ist dann lediglich eine weitere ergänzende Dienstleistung der Kirche und schafft so für die katholische Amtstheologie keine Probleme: die Ämterstruktur wird in Trient nach unten ergänzt, aber im Prinzip nicht verändert. Diese Perspektive ist auf katholischer Seite bis zum Ende des 19. Jahrhunderts noch virulent. Die Werke von J . N. Seidl (1884) 38 und Dom Grea (1851, 18 85) 39 belegen dies nur zu genau. Auch die Enzyklika »Rerum Novarum« von 1891 ist nach dem Trienter Konzil ein erster offizieller Text, der noch einmal die Notwendigkeit der Diakonie und der Beachtung der Leiblichkeit des Menschen deutlich ins Bewußtsein ruft. Diakone begegnen dort, wo es um die »soziale Not« geht. »Diakone erschienen als Diener der Kirche, deren Berufstätigkeit im Heiligtum begann und in den Stuben der Armen sich fortsetzte. Der Armen- und Krankendienst war dadurch zum Gottesdienst emporgehoben und von diesem selbst untrennbar« 40 . Das kirchliche Leben wird durch diesen caritativen Diakonat intensiver. Jedoch nur dann, wenn gewisse Bindungen an die Kirche wirklich noch bestehn. Auch die Werke von Dom A. Grea setzen dies noch voraus 41 . Rene Schaller, der Kopf der französischen Diakonatsbewegung, gewinnt in der Kritik an Grea schon den anderen Ausgangspunkt: Grea habe dem Problem des Diakonats noch nicht »die Weite« gegeben, die wir ihm heute zuerkennen 42 . Auch die Enzyklika von Leo XIII., »Rerum Novarum«, hat diese »Weite« noch nicht, wie Schaller kritisiert, wenn sie nur einen Diakonat bejaht, »auf daß für jede Bedrängnis eine Abhilfe, für jeden Schmerz ein Trost bestände« 43 , auch wenn mit der Heiligen Schrift begründet wird, daß es »keinen Dürftigen in der Mitte der Gläubigen« (Apg. 4, 34) gab und geben dürfe 44 . Man geht davon aus, daß die Kirche im Grunde noch die ganze Gesellschaft zusammenhält. Die sozialen Probleme im Blick sagt Leo X I I I : »Läßt man die Kirche nicht zur Geltung kommen, so werden alle menschlichen Bemühungen vergeblich sein 45 . Er weist darauf hin, »daß die

38 Johannes Nepomuk Seidl, Der Diakonat in der katholischen Kirche, dessen hierarchische Würde und geschichtliche Entwicklung, Regensburg 1884. 39 Dom A. Grea, Essai historique sur les archidiacres, Bibliotheque de l'Ecole de Chartres 12, 1851, und: l'Eglise et sa divine constitution, Paris 1885 (behandelt ausführlich den Diakonat). 40 Seidl, s. bei H. Kramer, Der Diakon im Spannungsfeld von Liturgie und Diakonie, in: Solidarität und Spirtualität = Diakonie, H . Krimm zum 65. Geburtstag, Stuttgart, 1971, S. 246 (ohne Seitenangabe von Seidl). Vgl. auch: Gemeinschaft des Diakonatskreises Freiburg (Her.): Und sie legten ihnen unter Gebet die Hände auf, Freiburg Dez. 1961, S.26 (über Seidl). 41 J. Presle, Dom A. Grea et le diaconat. Bulletin des chanoines reguliers de l'immaculee Conception, Canisy, Mance, Nr. 72 und 73, 1962. 42 R. Schaller, Rennouveau du Diaconat au XX® siecle, in: Vocation 234, April 1966, S. 318. 43 Christliche Erneuerung der menschlichen Gesellschaft. Die Sozialenzyklika der Päpste, mit einer Einführung von Oswald von Nell-Breuning SJ., Aschaffenburg, 1962, bes. S. 30ff. 44 AaO. 45 AaO S. 22 f (Nr. 13).

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Kirche von Anfang an praktische (organisierte) Maßnahmen zur Milderung des materiellen Notstandes der Besitzlosen eingerichtet hat, und daß dies die Aufgaben waren, welche den Diakonen von den Aposteln gestellt wurden und deretwegen namentlich die besondere Weihestufe des Diakonats eingesetzt war 4 6 . Weil alle Mitglieder der Gesellschaft zur Kirche gehören, getauft sind, kann und muß die Kirche auch die materiell-leiblichen Probleme der Gesellschaft lösen. Das ist eine Begründung für den Amtsdiakonat und die institutionelle Diakonie, die bis in unsere Tage hinein immer wieder auftaucht 47 und die das diakonische Amt als einen weiteren kirchlichen Dienst in die bisherige Kirchen- und Amtsstruktur integriert. Dennoch war die Konsequenz in Frankreich nicht einfach die, daß man die Diakonie im obigen Sinn verstärkt und so den Diakonat als Amt der Kirche wiedererweckt hätte. Die Ausgangsproblematik in Frankreich war längst eine anderegeworden, auch wenn die Enzyklika von 1891 es sich zur Aufgabe gemacht hatte, spezielle Meinungsverschiedenheiten im französischen Sprachraum klären zu wollen 48 . Die Enzyklika traf in Frankreich »auf eine Bewegung, die fast zwei Jahrzehnte lang die revolutionären Kräfte der Kirche zu sammeln vermochte: den >SillonSeele< Frankreichs pflegen, dann muß man zu diesen Massen gehen, die antireligiösen Vorurteile ausreißen und den wohltuenden Einfluß der Religion auf die niederen Volksschichten wirken lassen 51 , dann wird hier ernst zu machen versucht, daß es keine Verbindung zur Kirche mehr gibt, ja, daß auch das Getauftsein im Grunde keine Bindung an die Kirche mehr darstellt! Man hat es, wenn man die ganze Gesellschaft im Blick hat, mit Heiden zu tun. Wer diesen Heiden als Christ, als Mitglied der Kirche begegnet, steht in der vollen Verantwortung des Evangeliums. Die Konsequenz für die Ämterstruktur der Kirche ist deutlich: Der Diakon vor Heiden muß die Kirche als ganze darstellen, er ist Zeuge für das ganze Christentum, nicht Funktionär für einen Teil der Kirche. In seiner Person steht das Ganze auf dem Spiel. Der Weg in den traditionellen Klerus oder in die Orden ist zwar auch ein Weg, der aus den politischen Zwängen herausführt, aber ein Weg, der die Verbindung mit den Heiden völlig unmöglich macht 52 . Mission an Arbeitern durch Arbeiter 53 , das ist die neue Devise des Sillon. Ähnlich klingt die Rede des nordamerikanischen Erzbischofs Ireland vom 25. 6. 1892 vor einer katholischen Studentenverbindung in Paris: »Frankreich braucht Soldaten und das seid ihr. Ihr müßt das Volk in den Schoß der Kirche zurückführen. Um das Volk aber zu gewinnen, müßt ihr auf den Ozean der Demokratie, der unermeßlich vor euch sich auftut, hinaus; ihr müßt selber Volk werden !« 5 4 . Damit wird das Eigentliche der Kirche von ihrer gegenwärtigen Struktur gelöst und in den Schmelztiegel einer zukünftigen Erfahrung hineingegeben. Die Schriften von Abbe Naudet 1895 55 und Abbe Soulange-Bodin von 1897 5 6 stellen dies auch unverblümt dar: Frankreich ist kein christliches Land, sondern ein Missionsland. Doch für Missionierung ist die Struktur der Kirche nicht geschaffen. Die Folgezeit ist von der Auseinandersetzung bestimmt, ob man, um wieder die Verbindung mit anderen Menschen zu bekommen, die Strukturen wirklich ändern muß, oder ob nicht ein Diakonat als eine Teilfunktion und als ergänzende Dienstleistung im Dienstleistungsangebot der Kirche genügt, auf eine Formel gebracht: entweder Diakonat und Diakonie innerkirchlich als Teilrepräsentation der Kirche und ihres Dienstes, oder missionarischer Diakonat und Diakonie als Vollrepräsentation der Kirche unter den Heiden in

51 W . Gurian, Ideen S . 3 5 8 , Anm. 17; Siefer aaO S . 3 6 . 5 2 Im Folgenden wird sich zeigen, daß auch das Ordensleben von den Veränderungen der Geistlichkeit nicht unberührt bleibt. So ist zuerst der Dominikanerorden für diese Probleme sensibel gewesen, und man hat ihn, der in Frankreich von la Cordaire erst neu begründet wurde, als »links« verschrien. Vgl. dazu H . Maier, Revolution und Kirche, S. 1 4 2 - 1 5 2 , 155 f; vgl. auch Siefer aaO S. 30. 53 Gurian aaO S. 301 ff. 54 Gurian aaO S. 403 f, und Brauer, H L 1 0 , 1 , S. 527, H L 8 , 2 , 1 9 1 0 / 1 1 , S. 5; Siefer a a O s. 337. 55 Dansette, Tragödie und Experiment S. 49. 56 Henri le Sourd, Mission et paroisse, in: Paroisse et mission 3, 1957, S. 35.

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der »Welt«. Dies ist bis heute die Alternative im französischen Katholizismus. O b sie so als Alternative stehen bleiben muß, wird später noch einmal zu erörtern sein57.

4. Der Laisierungsschock

Spätestens mit den Trennungsgesetzen von 1905 ff war die Illusion vom »katholischen Frankreich« beendet 58 . Innerhalb der nächsten fünf Jahre ging der Priesternachwuchs um 50% zurück. Die Kirche fand »sich arm wieder, aber frei - nach und nach ihre Augen öffnend auf die heidnische und entchristlichte Welt« 59 . Jetzt waren die letzten (Schein-) Verbindungen mit der gesamten Gesellschaft gefallen. Jetzt war die »Ordnung« der Kirche infragegestellt und diese Erkenntnis hat in den Jahren nach den Trennungsgesetzen den vor allem durch den »Sillon« geprägten Sozialkatholizismus in Frankreich wieder belebt: In der Kampfsituation zählt jedes Mitglied der Truppe. Die Tatsache, daß nun der Kirche eine neue Aufgabe gegeben war, hat zuallererst den Laien aufgewertet. Vor allem das Geldopfer, das auch eine Abhängigkeit der kirchlichen Amtsträger von den Laien deutlich machte, hat die innerkirchlichen Verhältnisse beeinflußt. P. Winninger hat es einmal kurz zusammengefaßt: »Die Opfergaben der Gläubigen sind es, die der Kirche erlauben, Wohltätigkeit zu üben und die eigenen materiellen Bedürfnisse zu bestreiten: Gebäude, Unterhalt der Amtsträger, Einrichtungen« 60 . Eine solche Tatsache hat ihre massiven theologischen Konsequenzen. Die traditionelle »autoritäre Überordnung des Geistlichen«61 muß spätestens jetzt ein Minimum an Kollegialität mit den Laien erkennen lassen, an »Solidarität«62, wie es der Sozialkatholizismus formuliert, um einerseits nicht die wirtschaftliche Basis zu verlieren, und andererseits im Laien jenes Verantwortungsbewußtsein zu erwecken, das ihn befähigt, Repräsentant für die Funktionen der Kirche zu werden, deren Identität bedroht ist. Die soziale Kohäsion innerhalb 57 Diese Alternative wird ζ. B. von Paul Picard, Der Diakonat im Bistum Mainz, aaO S. 86, entschieden abzuwehren versucht. Er fragt: »Meinte man Diakonat ( = Caritasdiakonat) oder meinte man eine Art kirchenpolitisches Anliegen, für das man sich des Diakonats lediglich als Mittel bediente? . . . Zur Präevangelisation ist jeder Christ verpflichtet«. Mit »Präevangelisation« meint Picard eben das Knüpfen der Verbindung mit den Heiden, den Nichtchristen. Aber hat ein Kontakt mit dem Ziel, »Evangelium« zu übermitteln oder aufzuschließen, wirklich die Verheißung des Erfolges, wenn dahinter sehr bald doch wieder ein System formeller Religiosität steht und der andere erkennen muß, daß der Überbringer des Evangeliums zu Priestern und kirchlichen Amtsträgern in einem Abhängigkeitsverhältnis steht? 58 Siefer aaO S. 39. 59 J. Vinatier, La Mission en France, in: Paroisse et Mission 3, S.55. 60 P. Winninger, Die Aufgaben der Diakone in der Kirche heute, in: Baraüna II S.261. 61 C. Frey a a O S . 175. 62 AaO.

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der Kirche ist jetzt die alleinige Basis der Identität 63 , die - und das ist das Neue - von der Gesellschaft ständig infragegestellt wird: Leben mit der ständigen Aufgabe, die eigene Daseinsberechtigung nachweisen zu müssen - das ist die »Last« der Kirche nach den Trennungsgesetzen. Doch die Reaktion der katholischen Öffentlichkeit war keineswegs einhellig im oben beschriebenen Sinn 6 4 . Die meisten Katholiken empfanden die (freilich hauptsächlich finanzielle) Trennung von Staat und Kirche als Verlust, nicht als Gewinn, sodaß jene politischen Kräfte, die eine politische Restauration betrieben, sich innerhalb der Kirche formieren konnten. Umgekehrt unterstützten auch viele Bischöfe diese Kräfte sehr, in der Hoffnung, durch Veränderung der politischen Landschaft die Kirche wieder »gesellschaftsfähig« machen zu können. So hat sich durch den Laisierungsschock der Gegensatz innerhalb der katholischen Kirche noch verschärft. Die Liberalen fühlten sich und wurden immer theologischer, die Integralen immer politischer, d.h. der Gewinn für die Beteiligung und die Verantwortung der Laien wurde dadurch wieder verspielt, daß die administrative Ebene der Bischöfe als ja dennoch bleibende Entscheidungsinstanz in den dauernden Streitigkeiten an politischem Gewicht gewann. So blieben die kirchenpolitischen Fronten, doch wurde jetzt mit anderen Waffen gekämpft, wie die Bewegung der Arbeiterpriester ans Licht bringen sollte. Die Kirche fähig zu machen, das neue Sein anzunehmen und die Mission im eigenen Lande wahrzunehmen, das war die neue Aufgabe. In immer neuen Wellen berennt deshalb der kirchliche »Liberalismus« 65 die klerikale Bastion.

j. Vergleichbare deutsche Ansätze In Deutschland sind in den Jahren nach 1910 die Probleme gewiß nicht die gleichen, aber paradoxerweise entfalten sich hier gewisse Aspekte des Problems »missionarische Kirche« viel deutlicher. Vor allem auf der theologischen Ebene gibt es in Deutschland bemerkenswerte Ansätze und Vorschläge. Ein Grund dafür könnte darin liegen, daß die kirchenpolitische Situation entspannter ist und der Katholizismus in Deutschland durch den vergange-

63 Die dogmatischen Konsequenzen aus dieser Tatsache hat klar H . De Lubac in seinem Buch: Catholicisme. Les Aspects sociaux du dogme, gezogen. Vgl. den Kommentar von F r e y a a O S. 176. Bei D e Lubac wird einfach der 3. Artikel des Glaubensbekenntnisses ernstgenommen. D e r Theologie des Heiligen Geistes wird mehr Raum gegeben. Die »Pluralität der Mitglieder« (S. 397) ist Träger der Einheit - und nicht, wie man negativ ergänzen müßte, ein Teil der Kirche für sich allein. 64 Vgl. Siefer aaO S. 44. »Jede Aktion zog sofort die Gegenreaktion der anderen Seite nach sich«. U n d bis heute ist der Kampf zwischen »Liberalen« und »Integralen« in Frankreich noch nicht zu Ende. 65 Eigentlich müßte man besser sagen: »Anti-Integralismus« anstatt »Liberalismus«.

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nen Kulturkampf eine erheblich größere Geschlossenheit aufweist. So ist es mehr als erstaunlich, daß in einer kleinen Sammelschrift von 1922 eigentlich die ganze Problematik einer diakonisch - missionarischen Kirche vollkommen klar dargelegt ist 66 . Es geht um die Mission, um den »Missionsruf« 67 an die katholischen Christen. Besonders im 3. Beitrag von M. J . Metzger, der »Eine katholische Heilsarmee« überschrieben ist, erscheinen Formulierungen, die eher in die französische Situation zu passen scheinen: »Zurück zum apostolischen Christentum!. . . Urchristlicher Glaubensgeist... Urchristlicher Gemeinschaftsgeist.. . der im Nächsten in erster Linie seinen Bruder sieht und ihm Herz und Türe freudig öffnet; der das Brudertum aller Menschen tapfer bekannt in der Lösung der wirtschaftlichen und sozialen Frag e . . . Urchristlicher Opfergeist. . . dem das Reich Gottes ein Reich gegenseitig dienender Liebe ist, der darunter mitleidet, wenn es dem Nächsten schlecht geht und der nach Kräften die Hände regt, das Los des einzelnen Nebenmenschen und der Gesamtheit zu bessern. Urchristlicher Geist der Anspruchslosigkeit... Urchristlicher Missionsgeist. . . Der sich persönlich mit seiner heiligen katholischen und apostolischen Kirche mitverantwortlich fühlt. . . Urchristlicher Eroberungsgeist... Die Armee der vom Christentum zu innerst erfaßten Katholiken muß sich endlich organisieren als wahrhafte streitende Kirche< zum Unterschied von der >schlafenden KircheDiakonatEngagement< oder >presence< auf den Lippen gehabt, und wir werden es weiter gebrauchen müssen, weil Jesus selbst uns aufgetragen hat, Salz der Erde zu sein«, in: Auf Dein Wort hin, Köln 1968, S. 96. 108 Le renouveau du diaconat, in: La Documentation Catholique 41, August 1959, bes. Sp. 1011. 109 In: La Documentation Catholiqe 41, bes. Sp. 1011. 110 Auch in der noch darzustellenden Bewegung der Arbeiterpriester hat der Begriff »Präsenz« theologische Begründungsfunktion gehabt. Vgl. H . Perrin, Briefe und Dokumente aus dem Nachlaß, München o. J. S. 247; franz.: Itineraire de Henri Perrin, Paris, Ed. du Seuil; Vgl. auch Siefer aaO S. 65. 111 In: La Documentation Catholique 41, Sp. 1012. 112 Brief der Pariser Gruppe: »Hommes et femmes dans l'Eglise« an die franz. Bischöfe, Okt. 1972, in: Effort diaconal 30, S. 56 f. 113 Vgl. bei Frey aaOS. 215. Besonders Chenu verwendet den Begriff »Zeugnis« und spricht damit wohl am tiefsten die theologische Grundlage an: Der aus der religiösen Soziologie stammende Aufruf zum Engagement ist damit in der Treueverpflichtung gegenüber dem begründet,

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d) Das theologische Fundament: Inkarnation Die Schwierigkeit, der Kirche fremd gewordene Mitglieder zu gewinnen, wurde erst nach und nach deutlich. Die Anderen waren mehr als nur NichtChristen. Die »presence«, von der man meinte, sie würde ausreichen, die Kirche in die Gesellschaft ausstrahlen zu lassen, konnte die Integration nicht leisten. Kirche und Gesellschaft erwiesen sich als zwei unvereinbare Größen, als zwei sich strikt ausschließende kulturelle Felder: Kirche ist eine festgefügte Institution mit bestimmten gesellschaftlichen und religiösen Verhaltensmustern und einer Eigengesetzlichkeit. Ein Anspruch der Kirche, in geistlicher Uberordnung über die gesellschaftlichen Belange das letzte Wort sprechen zu wollen, ist wirkungslos, im Gegenteil: Die Begegnung von Kirche und Gesellschaft unter einem Zwang, die Uberordnung der Kirche über die eigene Lebenssphäre annehmen zu sollen, führt zu einer Vertiefung der Kluft 1 1 4 . Die Gesellschaft wird mehr und mehr als »Welt« erkannt und anerkannt 115 , als ein Lebensbereich, der unabhängig vom Leben und Handeln der Kirche einen klaren Eigenwert und eine unaufhebbare Eigengesetzlichkeit hat. In der Erkenntnis dieser Eigengesetzlichkeit entsteht auch die Gewißheit, daß die Kirche niemals die Gesellschaft, die Welt, völlig verkirchlichen kann. Die Differenz von Kirche und Gesellschaft aufzuheben, erscheint für menschliche und kirchliche Anstrengungen unerreichbar. Der Widerspruch zwischen Kirche und Gesellschaft wird nun in die Theologie quasi eingebaut und auf eine theologische Formel gebracht. Die »Präsenz« wird qualifiziert als »Inkarnation«, als Verleiblichung 116 . Aber der Begriff »Inkarnation« selbst war wiederum nicht durch traditionelle theologische Interpretationen abgedeckt und daher vieldeutig - ohne die Möglichkeit, institutionelle Konsequenzen daraus abzuleiten. Er enthält nur eine vage Verbindung mit dem Christusereignis. Inkarnation, angewandt auf das Leben der Christen, erfordert zudem permanent diese Doppelheit der Denk- und Begriffsebenen, denn die Inkarnation des Gotteswortes in Christus konnte nicht einfach als Mofür den man Zeugnis ablegt: Christus selbst. Chenu sieht das Zeugnis als »neue Katechese« für die ungläubige Welt (Ce qui change et ce qui demeure, in: l'Eglise vers l'avenir S. 89), als neuen Weg, der das religiöse Lernen nicht nur auf kognitive Inhalte beschränkt. Der Schüler Chenus, Congar, selbst Autor einer breiten, mehr oder weniger religionssoziologischen Untersuchung über die aktuellen Ursachen der Kirchenferne in den verschiedenen Milieus der franz. Gesellschaft, setzt ebenfalls nach der Kenntnisnahme der erschreckenden Unkirchlichkeit zuerst theologisch an (Une conclusion theologique ä l'enqüete sur les raisons actuelles de l'incroyance, in: La Vie Intellectuelle 37, 1935, S. 214-249). Congar präzisiert das christliche Zeugnis nicht als eine »innere Tugend«, sondern als etwas, was »sich mitteilen möchte im ganzen Verhalten des Menschen«. Es geht um die »innere Notwendigkeit, das Ganze des menschlichen Lebens zu berühren«, so bei Besret aaO S.27. 114 Vgl. C. Frey aaO S. 174 f. 115 Vgl. Congar, Der Laie S. 166-168. 116 Vgl. Besret, Incarnation ou eschatologie S. 69.

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dellfall für christliches Verhalten angenommen werden 117 . Das Tertium comparationis war nur die scheinbare Unüberwindlichkeit der Welt, durch die gläubige Sendung in die Welt hinein schon besiegt. Für den handelnden Christen bedeutet also der Ruf zur Inkarnation nichts anderes, als das zur Voraussetzung und zum Motivationsgrund machen, was erst durch den eigenen Einsatz Zustandekommen sollte: Die Theologie hatte sich wieder mit einer Münchhauseniade begnügt. Beispielhaft möge die Verwirrung veranschaulicht werden, die dadurch entstand, daß »Inkarnation« zu so etwas wie einer Reformparole wurde 118 . »Inkarnation« konnte bedeuten, daß die Bejahung der Eigenexistenz der Welt so angenommen wird, daß die Kirche auf die »Welt« zugeht, sich für die Welt »mitverantwortlich« fühlt 119 , indem man das »Weltliche«, das »Leibliche« anerkennt. Das Konzil sagt später: »Die katholische Kirche anerkennt die Eigengesetzlichkeit der säkularen Lebensbereiche, bejaht deren Dynamik. Denn nur so wird es ihr gelingen, in den Dialog mit der Welt einzutreten, zum Zeichen des Heils für alle Menschen zu werden« 120 . Es »erklärt die Kirche ausdrücklich ihre Bereitschaft, sich an den Problemen der Zeit und ihrer gesellschaftlichen Mitwelt zu beteiligen« 121 . Es ist die »Sorge um das leibliche Wohl« 1 2 2 , worauf sich das Interesse an der Gesellschaft, an der Welt konzentriert. Der »Dialog mit der Welt« wird also nur halb geführt: Das Geistig· Geistliche bleibt undiskutierbar, allein das Leibliche wird als komplementäre kirchliche Aufgabe anerkannt und auch diesbezüglich Versäumnisse zugegeben. Inkarnation ist aber in dieser Anerkennung der Eigenständigkeit der Welt reiner »Kontrastbegriff« gegen eine >bloße< Anpassung« 1 2 3 . Das Ziel auch der Auseinandersetzung, des Dialogs mit der Welt, bleibt »das Reich Gottes« 1 2 4 oder die »christliche Berufung« der ganzen Gesellschaft. Alle gesellschaftlichen Aufgaben sind letzten Endes diakonischer Natur 1 2 5 , können also und müssen durch kirchliches Engagement mit-gelöst und -gestaltet werden. Doch die Devise: nicht nur Kult und Worte, sondern Brot, reicht nicht aus, um mit der Gesellschaft, mit der Welt so etwas wie echte »Gesprächspartnerschaft« 126 haben zu können. Etienne Gilson hat es knapp 117 »Die Idee, das Dogma der Inkarnation zum Modellfall christlichen Verhaltens - wie Gott sich ins Menschliche begeben hat, so begibt sich der Christ in die menschliche Umwelt - zu machen, kommt aus der Katholischen Aktion«, s. Frey aaO S. 184. 118 A a O S. 199. 119 Vgl. die Ausführungen bei Hampe I 251. 120 K. Rahner, ;.v. Galli, O . Baumhauer, Reformation aus Rom, Die katholische Kirche nach dem Konzil, Tübingen 1967, S.99. 121 AaO S. 89. 122 A a O S. 107. 123 Vgl. Siefer aaO S. 16. Dort finden sich auch umfangreichere Literaturangaben zu dieser Frage. 124 Rahner, Galli, Baumhauer aaO S.90. 125 Vgl. H K 1971, S.33. 126 Vgl. Siefer aaO S. 170.

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zusammengefaßt: »Manche scheinen zu glauben, daß unsere Zeit leichter auf das Christentum hören würde, wenn es sich völlig auf den Kampf gegen die sozialen Ungerechtigkeiten und die Leiden des Volkes einließe. Haben wir den Mut, zu bekennen, daß das eine Täuschung über sein Wesen und das Wesen seiner Botschaft ist« 127 . Inkarnation ist in diesem Sinn ein »auf Tuchfühlung gehen« mit der Welt - sie wird berührt - , die Akzeptation der sozialen Angelegenheiten durch die Kirche schlägt die Brücke, aber was dann? Muß nicht jetzt die Reflexion auf die Kirche zurückschlagen? Ist die Einheit wirklich wieder hergestellt? Immer wieder gelingt es in den Jahren nach 1930, in der Kirche irgendwelche Formeln zu finden, mit denen sie sich selbst die Sinnhaftigkeit und den Nutzen der eigenen Verfassung bestätigen will. Siefer schreibt: Es sind »nicht nur die Auflösungsprozesse, sondern ebenso die z . T . unheimlich anmutenden Beharrungstendenzen, die allmählich auch manchen Priester beunruhigen und die Gefahr erkennen lassen, mit der die unverwüstliche Stabilität eigentlich abgelebter Institutionalisierungen mitten in der Kirche zu einer Sprengkraft werden kann, die ein der vielleicht erkannten Wirklichkeit gemäßes Handeln immer wieder verhindert« 128 . Β. Besret hat den Streit um den Begriff »Inkarnation« in den Jahren 1922-1950 gut nachgezeichnet 129 . Der »Inkarnation« als »kirchlichem Integrationshandeln« der Integralisten steht ein Verständnis von »Inkarnation« gegenüber, das vor allen von einem Willen zur »einfachen menschlichen Integration« ausgeht, die den ganzen Menschen trifft und ihn in die Lebenswelt der anderen integriert, ihn ins »Milieu einfügt« oder ihn im Milieu beläßt, ihn nicht - wie die Kirche dies sonst zu tun gewohnt ist - herausreißt 130 . Zum Milieu gehören bedeutet dann auch, nicht nur die äußeren sozialen Bedingungen auf sich nehmen, sondern es bedeutet »die Geistesart haben«, die die anderen auch haben 131 . Milieu ist der Kernbegriff 132 , mit dem die andere konträre Auffassung von »Inkarnation« sich selbst interpretiert. Sehr scharf hat H. Perrin als Arbeiterpriester die Notwendigkeit betont, auch geistig den Standort derer anzunehmen, bei denen man lebt und leben will: »Wir leben wie die Kapitalisten, gegen unseren eigenen Willen; ohne es zu wissen, denken wir kapitalistisch. Ich selbst bin mir dessen wieder bewußt geworden. Wie viele Urteile von Arbeitern über Ereignisse und Menschen sind den unseren gerade entgegengesetzt. Aber viele dieser Urteile sind, wenn man über sie nachdenkt, viel mehr vom christlichen Geist durchdrungen als die unseren. Unser Lebensstil, unsere Gebäude, unsere Empfindlichkeit in Fragen des guten Tons, unsere literarische, künstlerische und philosophische Bildung, das alles ist vom Kapitalismus angekrän127 128 129 130 131 132

E. Gilson in Esprit, 2. Bd., 1946, S. 192; HK, Jan. 1947,227 f.; vgl. bei Siefer aaO S. 163. Siefer a a O S . 18. Vgl. B. Besret, Incarnation, bes. S. 6 5 - 9 9 ; auch C. Frey aaO S. 1 9 2 - 1 9 6 . Vgl. E. Granger, R. Schaller, Le Diaconat S. 114. Siefer aaO S. 203. AaO S. 62.

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kelt und verbürgerlicht. Unser Gebet ist vielleicht kirchlich, bewahrt vielleicht die Tradition, aber es ist kein Gebet des Volkes« 1 3 3 . Es ist der »persönliche Kontakt« 1 3 4 , es ist der »einzigartige Wert der religiösen Begegnung von Mensch zu Mensch« (Suenens) 135 , der »Erfolge« registriert. »Gesprächspartnerschaft wird immer mehr zur selbstverständlichen religiös-kirchlichen Wirkungsform schlechthin« orakelt auch H. Schelsky: »Die soziale Verbindlichkeit ritueller oder nomineller Glaubensaussagen setzt eine Gleichheit der inneren religiösen Erfahrung und der Gegenständlichkeit ihres Bewußtwerdens voraus . . . so muß man als primären sozialen Prozeß erst einmal die subjektiven Erfahrungen und Selbstdeutungen des anderen zu Gesicht bekommen, zu verstehen suchen und sich womöglich auf einen Bestand von Gemeinsamkeiten der Subjektivität, auf ein Verständigtsein einigen, das als soziale gemeinsame Grundlage einer Gemeinschaft im Glauben dienen kann« 1 3 6 . Eine »moderne Glaubensform« (Schelsky) muß entstehen - aber wie sieht sie aus? Die traditionelle Glaubensform - die Amtskirche - scheint ausgedient zu haben, wenn es heißt: »Wenn Gott es nun einmal so gewollt hat, daß der Mensch von seiner Umwelt abhängig ist und wir diesen Willen in unserer praktischen Arbeit mißachten, dann muß man ganz klar sagen: Wir stellen uns der Gnade in den Weg« 1 3 7 . Auch H . Perrin stellt sich diese Frage, wenn er schreibt: » . . . wenn ich, um das zu können (sei. die Befreiung durch Christus zu verkünden), mich selbst von einem hinderlichen Gewand, von leeren bürgerlichen Gewohnheiten und von dem ganzen frömmelnden Kram losgemacht habe, der seine Wirkung auf die Mitmenschen längst verloren hat, so habe ich doch nicht die Form des apostolischen Lebens gefunden, die ihnen Christus wirklich zeigen kann« 1 3 8 . Bei der ganzen Diskussion um »Inkarnation« in den Jahren 1933-1950 geht es entscheidend darum, ob und wie die Form des apostolischen Lebens geändert werden muß. Insofern hat die Diskussion um »Inkarnation« ein Stück weitergeführt, hat aber auch nicht verhindern können, daß sowohl »engagement« als auch »vocation« als auch »presence« weiter als Schlagworte verwendet werden einschließlich des jeweiligen zeitgebundenen Reflexionspotentials.

133 Les Pretres Ouvriers, S. 169 f. Perrin, Journal S. 315 f, vgl. bei Siefer S. 57, Anm. 149. 134 Y. Congar, Jalons pour une Theologie du laicat S. 536 ff. 135 Kardinal Suenens, L'Eglise en etat de mission, Paris 1955, deutsch: Die Kirche im apostolischen Einsatz, Freiburg, o. J., S. 155. 136 H . Schelsky, Ist Dauerreflexion institutionalisierbar?, ZEE 1, 1957, S. 169 f. S. auch Siefer aaO S. 251 Anm. 643. 137 F. Boulard, Itineraires, S. 89; S. auch Godin-Daniel, La France S. 3 0 - 3 2 und G. le Bras, Influence des milieux sur la vie religieuse, Lumen Vitae 3, 1948, S. 9 - 1 0 . 138 H . Perrin, Journal S. 93 f; vgl. Siefer aaO S. 58., Anm. 150.

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e) Der Weg des »Ressourcement· Schon mitten im Streit um »Inkarnation« hatte J . Montuclard darauf aufmerksam gemacht, daß fast nie auch nur annähernd geklärt ist, was denn inkarniert werden solle 139 . In der Tat: Für die einen ist es, wie schon gesagt, unausgesprochen die Kirche, unverändert, so wie sie ist, die inkarniert werden soll, für die anderen, Perrin z.B., ist es nur die eigene Person als Mensch. »Es kommt gar nicht darauf an«, sagt Perrin, »einzelne Arbeiter zu kapern und zur Konversion zu bringen. Ja, man schadet ihnen selbst und der Kirche, wenn man sie ihrem Milieu entfremdet. Einzig wesentlich ist es, das Milieu zu ändern. Das kann nur geschehen, indem man der Gemeinschaft dient, in der man steht 140 . Gegenüber solchen verwirrenden Extremen macht Montuclard den Vorschlag, doch besser den Begriff »temoignage« (Zeugnis) zu verwenden 141 , was Chenu schon von Anfang an getan hat, weil in »Zeugnis« der Inhalt, nämlich die Beziehung auf Christus 142 , enthalten sei. Losgelöst von Apologetik oder Polemik in der Frage der Struktur der Kirche wird hier ein Weg eingeschlagen, der tiefere Lösungsmöglichkeiten eruiert: der Weg des »Ressourcement«. Etwa vom Jahre 1937/38 an kann man vom »Ressourcement« sprechen 143 . Der Begriff stammt von Ch. Peguy 1 4 4 und sieht die Lösung des Problems Kirche und Gesellschaft im Zurückgehen in die vorkonstantinische Zeit, die zur gegenwärtigen Situation des französischen Katholizismus eine gewisse Affinität bieten kann 1 4 5 . Der Blick wendet sich von der Ubermächtigkeit der Aufgabe an der Gesellschaft weg auf die Klarheit und Begrenztheit des Auftrags, der erfüllt werden kann im Hören, im Gehorsam gegenüber dem Auftraggeber. Statt nach vorne schaut man zurück und kommt in der Erforschung der christlichen Vergangenheit auf »die ursprüngliche Inspiration des Evangeliums« 146 , die gegenüber dem gegenwärtigen Zustand der Kirche auch kritische Kräfte entfaltet. Versäumnisse in der unmittelbaren Vergangenheit der Kirche werden erkannt 147 . Auf drei Ebenen wird das »Ressourcement«, das »Hinaufsteigen zur Quelle« versucht. In der biblischen, liturgischen und patristischen Forschung 148 wird das authentische Christentum zu gewinnen 139 Vgl. Frey aaO S. 190. 140 Vgl. bei Siefer, aaO S. 58 und S. 51: Ähnlich urteilt S. Weil über die Arbeit der JOCisten. 141 Frey aaO. S. 196. 142 Frey aaO S. 215. Chenu ist am Ende auch einer der wenigen, die den Reformgeist wirklich durchgehalten haben. 143 Vgl. Congar, Tradition und Kirche S. 152. 143 Vgl. Congar, Tradition und Kirche S. 152. 144 S. bei Congar, Tradition und Kirche S. 10. 145 Vgl. die Ausführungen S.25 f. und Congar, Für eine dienende und arme Kirche S. 56. 146 Schoof aaO S. 138 ff. 147 Vgl. J. Hornef, Das eigenständige Diakonat in der katholischen Kirche - Chancen und Schwierigkeiten, Festschrift für H . Krimm zum 65. Geburtstag 1972, S.241. 148 Frey aaO S.91, Congar, Tradition und Kirche S. 152.

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versucht. Congar beschreibt diesen Vorgang sehr schön: »Wir befinden uns gegenwärtig in der Periode der Wiederentdeckung unseres eigenen Erbes in seiner Weite und Tiefe, vor allem dank der eifrigen Befragung der Quellen aller Zeiten: Schrift, Tradition, Väter, Liturgie . . . Die Rückkehr zu den Quellen, die noch im Gange ist, hat bereits anfänglich eine gewisse Wiederentdekkung zweier religiöser Wirklichkeiten erzwungen, denen gegenüber die Autorität ihre Wahrheit finden muß: Die Gnaden Wirksamkeit des lebendigen Gottes und die heilige brüderliche Gemeinschaft der Gläubigen« 149 . Seit den Trennungsgesetzen von 1905 ff ist das Kernproblem die Aktivierung der Laien, verantwortlich die Aufgabe der Kirche mitzutragen, die vor der Gesellschaft ja als Einheit, als geschlossene Größe dasteht, aber der Gesellschaft nur teilwirksam, im getrennten Amt, begegnet. Durch die besondere Struktur der Kirche scheinen die Laien von dieser Verantwortung im letzten Sinn aber ausgeschlossen. »Die Erkenntnis, daß die Zeichenhaftigkeit des Sakramentes Kirche irgendwie defekt sein könnte, ist zuerst im liturgisch-sakramentalen Bereich aufgebrochen. Dort war es eben bisher nicht gerade so, daß »alle an ihrem Platz« standen . . . Teilt die Kirche nicht bloß - als »Anstalt« - Sakramente aus, sondern ist sie selbst Sakrament, dann ergibt sich ganz von selbst, daß die Laien bisher an dem ihnen zukommenden Platz fehlten« 150 . Nach dem Laisierungsschock muß die Kirche nun zusehen, wie sie »zu einer vorkonstantinischen Situation in einer heidnischen Welt zurückgelangt« 151 , sich selbst wieder den Verhältnissen anpaßt, die sie aus ihrer Vergangenheit kennt, und von denen sie weiß, daß Kirche sein bedeutet, eine bestimmte Qualität der Beziehungen der Kirchenmitglieder untereinander zu schaffen. Denn dies hat den Erfolg der Kirche in der Welt bewirkt und wird heute auch wieder allein der Kirche weitere und wachsende Geltung verschaffen. Das einfache Kirchenmitglied, der Laie, kann nicht bloß Objekt kirchlicher Versorgung sein oder bleiben. »Die Bewegung der Rückkehr zu den Quellen muß zur Wiederherstellung einer ganz dem Evangelium gemäßen Auffassung der Autorität gelangen, die zugleich ganz theologal und gemeinschaftsbezogen ist. Wir sind dazu auf gutem Wege. Weit über allen Moralismus hinaus haben wir die Agape wiederentdeckt, das Laientum, die Gemeinde, die Mission und den Dienst als dem Christenleben wesentliche und gleichrangige Dimensionen« 152 . Soweit Congar. Sein Ziel ist: »ganz vom Evangelium geprägte Formen der Autoritätsausübung in der neuen Welt wiederzufinden« 153 , inhaltlich so beschrieben, daß »Autorität in der Kirche

149 Vgl. Y. Congar, Für eine dienende und arme Kirche, Mainz 1965, S, 55; franz.: Pour une eglise servante et pauvre, Paris 1963. 150 Maron aaO S.42. 151 Congar, Für eine dienende und arme Kirche S.56. 152 AaO S. 55 f. 153 A a O S.56.

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nicht Herrschen ist und keinen Zwang ausübt; sie ist Dienst, Demut, Selbstlosigkeit, Hingabe« 154 . »Im Christentum wird der Geist der Bergpredigt zum Maß aller Dinge« 155 . So kommt das Anliegen des französischen Sozialkatholizismus wieder zur Geltung. Das Verhältnis Priester - Laie wird als Modellfall für das Verhältnis Kirche - Welt gesehen. Erst wenn innerhalb der Kirche das Zwei-Etagen-Denken beendet ist, wird die Kirche in Welt und Gesellschaft als Partner ernst genommen werden können 156 . Man muß darüber hinauskommen, daß »Kirche« primär verstanden werden kann als ein Gebäude mit Altar und Beichtstuhl. Diese Institutionen haben eben das Evangelium so stark formalisiert, daß der Kontakt zum Nichtchristen in der neuen Situation zu große Vorleistungen verlangt, die derjenige, der nicht motiviert ist, ohne sozialen oder gesellschaftlichen Druck nicht erbringt. Das »Ressourcement«, einmal ganz allgemein genommen, hat Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer Veränderung der Kirche aufgezeigt und damit den reformerischen Bewegungen des französischen Katholizismus seit der französischen Revolution theologisch-historische und systematische Argumente gegeben und ihnen zu einem Durchbruch verholfen, der sich später, im Zweiten Vatikanischen Konzil, zu einem allgemeinen Durchbruch ausweitete. Maron, protestantischer Beobachter auf dem Konzil, schreibt mit Recht: »Die Erkenntnis ist für die katholische Kirche epochemachend, wie sie bezeichnenderweise im Konzilsdekret über die Mission so ausgesprochen wird, daß erst ein wahrer Laienstand die Gründung einer Kirche vollendet und sie zu einem >perfectum Christi signum inter homines< macht (Dekret über die Missionstätigkeit, 21). Die Laien können bei der Darstellung des >signum unitatis< vor der Welt nicht fehlen (Dekret über die Kirche in der Welt, 21), und sie sind es, die das >signum communitatis ecclesiae< in überwiegend nichtkatholischen Ländern vor den Augen der Nichtkatholiken (coram aliis) zur Erscheinung bringen (Dekret über das Laienapostolat, 17). Kurzum: Ohne die Arbeit der Laien ist das sacramentum ecclesiae in seiner Wirksamkeit eingeschränkt, denn ohne sie kann die Kirche in der Welt nicht zureichend präsent sein und wirksam werden (Dekret über das Laienapostolat, l)« 157 .

154 S.256. 155 156 157

A a O S. 57. Congar zitiert hier selbst aus P. Brontin, Mysterium Ecclesiae, Paris 1955, Vgl. Frey aaO S. 174-176. Vgl. Frey aaO. Maron aaO S.43.

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III. Praktische Versuche zur Mission in Frankreich Kirchliche Mission als Laienmission war ohne entsprechende theologische Vorarbeit eine aussichtslose Angelegenheit. Durch den Aufschwung des »Ressourcement« als »Laientheologie« oder »Nouvelle Theologie^ ermutigt, war aber eine Bewegung um die Strukturen in Gang gekommen, die einen »Primat der Evangelisation - das Wort im eigentlichen Sinne genommen - gegenüber den kultischen Funktionen« 2 verwirklichen sollte. Alle missionarischen Bewegungen bauen darauf auf3. Doch um wirklich einen konkreten, praktischen Anfang zu machen, bedurfte es erst der allgemeinen, tiefen Verunsicherung durch die Kriegssituation, die latente Bewegungen und Absichten jetzt konkrete öffentliche Gestalt wagen läßt 4 . Seit dem Jahre 1942 kann man von missionarischen Bewegungen sprechen5. Denn tatsächlich gebraucht man erst jetzt die Worte »Mission« und »Missionär« in einem Sinne, der für sie nicht üblich war, und diese Neuerung wurde von der Versammlung der Kardinäle und Erzbischöfe sanktioniert, freilich nicht, ohne daß sich daraus bestimmte Mißverständnisse ergeben hätten 6 . Denn kirchenrechtlich ist Frankreich kein Missionsland. »Plantatio ecclesiae«7 ist in Frankreich nicht notwendig. Dieser Aspekt ist im folgenden stets zu beachten.

i. Der Prado. von Lyon Die von ihrem Charakter und ihrem Ziel her vorsichtigste und die Strukturen der Kirche am wenigsten berührende Missionsunternehmung ist die Gemeinschaft des Prado von Lyon 8 . »Der Prado ist im Grunde ein Säkularinstitut, 1 Vgl. Frey aaO S. 73 und bes. S. 3 5 - 4 7 . 2 Adrien Dansette aaO S. 165. 3 AaO. 4 »Der Krieg war für den französischen Katholizismus eine Zeit fruchtbarer Neuansätze. Der Gedanke einer missionierenden Kirche begann Wirklichkeit zu werden.« Frey, aaO S. 255. 5 Dansette aaO S. 47. 6 AaO. 7 Vgl. M. J. Le Guillon OP, Die missionarische Berufung der Kirche, in: Barauna I S. 622. Vgl. Michel Menant, Spiritualite missionaire, Ed. Ouvrieres, Pris 1963; deutsch: Priester im Aufbruch, Limburg, 1964. Die Titeldifferenz zur franz. Ausgabe ist ein markantes Beispiel für die grundlegende Unfähigkeit des deutschen Katholizismus, die französischen Anstöße in Deutschland originalwirksam werden zu lassen. 8 Der Prado ist ein Wohnviertel in Lyon mit einem hohen Anteil an einfachen Arbeitern, also eine Gegend mit einem hohen Anteil an »Heiden«. S. Siefer aaO S. 113. Mitten in diesem Viertel (heute Rue du P. Chevrier) hat die Gemeinschaft ihr Zentrum.

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das sich aus Geistlichen und Laien zusammensetzt. Dadurch sind sie als Brüder bekannt, und sie müssen nicht nur als Einzelne Zeugnis geben, sondern auch ein Zeugnis für die Kirche ablegen«9. Gegründet im Jahre 1856 von Abbe Chevrier, gab sich die Gemeinschaft eine Regel, die am 25. Januar 1878 von Kardinal Caverot genehmigt worden war. »In »Equipen«, Gruppen von drei bis fünf Mitgliedern, bestehend aus Priestern und Laienbrüdern, die sich natürlich selbst ihren Lebensunterhalt erarbeiten10, lassen sie sich mitten in den Arbeiterbezirken nieder, mit dem Ziel, »eine >presence< Jesu Christi in der Arbeiterwelt zu verwirklichen«11. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, darüber schreibt Alfred Ancel, Weihbischof zu Lyon und derzeitiger Vorstand des Prado: »Es ist uns nicht möglich, im voraus festzulegen, welche besonderen Methoden wir für die Evangelisation anwenden werden; es ist aber notwendig, daß die Evangelisation als Hauptsorge in jedem einzelnen von uns und in unserem Gemeinschaftsleben vorherrscht. Das verlangt zuallererst ein ständiges Bemühen im Gebet, im Studium und im Handeln, nun unser Leben in das Leben Jesu Christi umzugestalten« 12 . Als theologische Begründung führt Ancel dazu aus: »vom theologischen Standpunkt aus hat man den ontologischen Aspekt dieses Geheimnisses besonders hervorgehoben: >Das Wort ist Fleich geworden< (Joh. 1,14), aber vielleicht hat man den soziologischen Aspekt nicht genügend betont: >und es hat unter uns gewohnt. . . die gute Nachricht< zu sagen, man zuerst das gleiche Leben leben muß, wie Christus, der unter uns gewohnt hat, und wie ER die Freuden und Leiden teilen, die Enttäuschungen und Hoffnungen, solidarisch sein mit den echten Sehnsüchten des Lebensraumes. Denn die christliche Wahrheit ist nicht ein System, das sich äußerlich darstellt durch das Prestige derer, die es lehren, und noch nicht einmal durch ihre einzigartige objektive Schärfe: sie stellt sich dar als ein Zeugnis« 54 .

49 Dansette a a O S. 184 50 Siefer a a O s . 7 8 , A n m . 207. 51 Besret, Incarnation S. 55. 52 Besret bringt diese Zitate von G . Ferry, die er etwa in das Jahr 1942 datieren zu müssen glaubt. Vgl. a a O S. 55, Anm. 8. 53 Vgl. R . Aubert, La theologie catholique au milieu du X X " siecle, S. 65; zit. von Besret a a O S. 57. 54 Vgl. Besret a a O S. 70 und Suhard, Essor S. 51.

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4- Godin und die Mission de Pans Im Jahre 1943 erhalten Kardinal Suhards Überlegungen und Projekte überraschende Anstöße. Die beiden Patres Henri Godin und Yves Daniel legen ihm eine Untersuchung über die Entchristlichung Frankreichs vor mit dem Fragetitel »La France - pays de mission ?«, der durch die Ausführungen selbst bejaht wird. Godin als Hauptverfasser zeigt, daß zwischen den Pfarrgemeinden und dem Milieu, dem Selbstverständnis der Mehrheit der Gesellschaft, eine unüberbrückbare Kluft besteht 55 . Eine irgendwie methodisierte Ausdehnung der Pfarrgemeinden ist - nach Godin - ein untaugliches Mittel zur Mission. Als Heilmittel empfiehlt Godin die Bildung kleiner Gruppen - Paragemeinden - , die als neue missionarische Zentren wirken sollen und damit offiziell - nicht nur wie bisher bei der Mission de France in den Gegenden ohne oder mit wenig Klerus - neben dem traditionellen Klerus Missionsarbeit betreiben sollen. Kardinal Suhard nimmt die Anregung auf und bildet die Voraussetzungen für diese Missionsarbeit, die den Missionaren ermöglichen soll »sich anzugleichen«56, sich dort einzuleben, wo man missionieren will. Suhard hat es auf die Formel gebracht: »Apostolat durch den, der dem anderen gleicht«, getreu der paulinischen Begründung des »allen alles werden«57. Im Juli 1944 beschließt Suhard, daß eine kleine Gruppe von Priestern, die meist zum Klerus der Hauptstadt gehören und die den Namen »Mission de Paris« erhalten sollen, sich »als Gemeinschaft einem Volks apostolat missionarischen Charakters weihen sollen« 58 . »Die Aufgabe der Mission ist es, . . . Christus und das Evangelium zur Kenntnis der Menschen zu bringen, die faktisch, und weil die pfarrliche Form des Apostolats ihnen mehr oder weniger verdächtig ist, von der Pfarre getrennt sind« 59 . Suhard setzt tatsächlich im kirchlichen Auftrag neben die Pfarrei eine außerpfarrliche Gemeinschaft, gedeckt durch die Beschränkung der Unternehmung auf die eigene Diözese und durch eine einfache Bestätigung aus Rom, die aber niemals kanonische Gültigkeit erhielt60. Für die Arbeit der »Mission de Paris« wird beschlossen, daß drei Fünftel von Zeit, Kraft und Mitgliedern der Gemeinschaft in der Art der Katholischen Aktion, ein Fünftel in der Art der Heilsarmee und ein weiteres Fünftel in der Entwicklung von Einrichtungen zum Wohl des Proletariats zu verwenden seien61. Dansette bemerkt dazu: »Im ganzen waren die Methoden Ausdruck der mehr oder weniger bewußten Uberzeugung, daß eine gewisse

55 Vgl. F r e y a a O S. 189. 56 Besret a a O S. 6 5 . : »Sich zu inkarnieren, das ist für die Christen von 1944 jetzt: sich anzugleichen, das ist für den Apostel, ein Mensch unter Menschen zu werden, zu denen man geschickt ist, in allererster Linie: ein Arbeiter werden unter Arbeitern«. 57 Besret a a O S. 7 1 ; vgl. 1. K o r . 9, 22. 58 Dansette a a O S. 70 und Cardinal Suhard, Vers une eglise en etat de mission S. 1 4 2 - 1 7 0 . 59 Zitat s. bei Dansette aaO S. 73. 6 0 Vgl. Dansette aaO. 61 Dansette aaO s. 71.

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Anzahl von Teilreformen, wie eine volksnähere Liturgie und die Einrichtung außerpfarrlicher Gemeinschaften ausreichen würde« 62 . Doch dürfte Dansettes Entschärfung des Problems zu sehr von dem Zündstoff ablenken, der in der kirchlich legitimen Existenz der außerpfarrlichen Missionsgemeinschaft logisch enthalten ist: Die »Mission de Paris« wird zum Ursprung dessen, was man allgemein die Bewegung der Arbeiterpriester nennt.

j. Die Arbeiterpriester War bei der Gründung der »Mission de Paris« noch die Methode der Mission offen und strittig, mit der die Verkirchlichung der neuen Heiden erreicht werden könnte, so wurde aus der Notwendigkeit für die Mitglieder der »Mission de Paris«, sich in den Alltag ihrer Mitmenschen einzuleben, die lebensmäßige Identifikation mit der Umwelt. Das bezeichnendste Merkmal dieser Identifikation war die Ausübung eines Berufes, der den Lebensunterhalt des Priesters unabhängig von der Kirche sicherstellte. Damit war die Abhängigkeit des Missionars von der Kirche eine rein geistige geworden, beschränkt auf die Identität des Glaubens und auf die freie Gemeinschaft, die jede formale Bindung an die Kirche als sekundäres Element betrachtet. Alles Kultische war vorerst beiseite gestellt - eine gewichtige Entscheidung, die Gegenreaktionen provozierte: »Der Priester kann nicht ein Mensch wie ein anderer sein, er trägt ein Mysterium in sich. Ausgewählt unter den Menschen ist er für die Menschen bestellt in ihren Angelegenheiten bei Gott (Hebr. 5, 1). . . Seine Weihe macht notwendig einen >SepariertenMann GottesWir haben nicht das Recht, an das Priesteramt zu rühren, das von Christus eingesetzt istlaicos rare et caute frequentdie Kircheein Naiver, der sich von den Pfaffen ausbeuten ließKirchePfarrei< lebt?« 9 2 . Loews Mission hatte also den Charakter einer Neu-bewußtmachung der Gestalt und der Gegenwart der Kirche in der Welt, die an der Kirche selbst in keiner Weise strukturell etwas änderte. »Missionarische Erneuerung der Pfarrei« 93 war demnach nichts anderes als eine Art Blutzufuhr, ein Zuwachs an Interessierten, an neuen Mitgliedern, die der Priester dort abholt, wo sie leben. Nicht ohne Einfluß auf diese rein quantitative Auffassung von Mission war das Rundschreiben Pius' XII. aus dem Jahre 1947 »Mediator Dei«, in dem noch einmal die strukturelle Identität von Kirche und Offenbarung unterstrichen wird: »Ecclesia igitur commune habet cum incarnato verbo propositum, officium, munus« 9 4 . Was bei Loew als »Anhauch des Geistes Jesu« angedeutet ist, bezeichnet eine ur-christliche strukturelle Freiheit, die im missionarischen Feld neue Kirche entstehen lassen könnte. Wie oben schon gesagt, geht es nur um den »Kontakt« zweier Größen, von denen eine unverändert bleibt, um die andere zu verändern. Dom C. Lialine hat dies unmißverständlich deutlich gemacht: »Während Christi Erdenwandels vollführte die Gottheit ihr Erlösungswerk vornehmlich mittels physischen Kontaktes, dadurch, daß die Menschen ihn sahen, hörten und berührten« 95 . »Christus will, daß seine Apostel das weiter tun sollen, was er während seines Erdenlebens getan hat und läßt sie dazu an seiner eigenen Macht teilhaben. So sichert er einem sündigen Menschengeschlecht einen fortlaufenden Kontakt mit seiner heiligen Menschennatur zu . . . « 9 6 . Qualitativ muß sich an der Kirche nichts ändern, sie ist - wie eine Lehräußerung des französischen Episkopats 1950 feststellt »missionarisch in ihrem Sein selbst« 97 . Es geht lediglich um die Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen - überall in der Welt des Menschen, vor allem in der Arbeitswelt. Um dies zu erreichen, wird von Papst Pius XII. am 15. August 1954 schließlich eine apostolische Konstitution in Kraft gesetzt, die die »Mission de France« wiedereröffnet - mit einem neuen Statut und mit neuen Zielen 98 , die die alte Form des Arbeiterpriestertums nun unmöglich machen. Sogar das früher übliche Fabrikpraktikum der Priesteramtskandidaten wird untersagt. »Kirchenrechtlich wurde insofern eine Neuerung eingeführt, als die >Mission de France< unter dem Titel einer >freien Prälatur< mit der alten Zi92 Siefer a a O S. 112. 93 L e Sourd a j O S. 37. 94 Per Erik Persson, Repraesentatio Christi S. 15. 95 Vgl. Persson a a O S. 17. 96 D o m Dialine a a O S.20. 97 Le Sourd a a O S. 39. 98 Der Wortlaut der Konstitution ist in H K 9, O k t . 1954, S. 3 9 - 4 0 abgedruckt. Zum ganzen vgl. H . Le Sourd a a O S. 35, G . Siefer a a O s. 107 ff.

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sterzienserabtei Pontigny (ca. 100 km südöstlich von Paris) ein eigenes, der Diözese Sens entnommenes Territorium erhielt, sodaß die Unklarheit der Autoritätsverhältnisse nunmehr beseitigt war. Vor allem stand die >Mission de France< jetzt offiziell im Rahmen des Kirchenrechts und nicht mehr als Ausnahme daneben« 99 . Drei Dimensionen hatte das Ausbildungsziel am Seminar in Pontigny: Priester auszubilden, die zusätzlich zu den Pfarreipriestern als Priester arbeiten (und sich in eine bestehende Pfarrei integrieren oder eine verwaiste Pfarrei übernehmen sollen). Dann sollen die Priester überdiözesan eingesetzt werden, vor allem in den Diözesen, die weniger Priester haben. Weiterhin sollen die Priester teamfähig sein (»einen equipe-Geist habenArbeiterpriester< weiter unverändert gebraucht, trotz gegenteiliger Bemühungen von Rom« 1 0 1 . Dann entfaltet sich der Beginn der Arbeitermission wieder stärker aus den Gruppen von Arbeiterpriestern, die sich unterworfen haben. Schon im Frühling 1954 hatten die Kardinäle Zusammenkünfte ehemaliger Arbeiterpriester veranlaßt und rangen den Arbeiterpriester das Zugeständnis von vorläufig nur 3 Stunden Arbeit ab, bei Verzicht auf Funktionen in Betriebsräten oder Gewerkschaften 102 . Dann gibt schon im Oktober 1954 ( ! ) die Ständige Kommission der »Mission de France« zu, daß »die Mission de France ohne Arbeiterpriester trotz aller Bemühungen nicht imstande sei, bei der Arbeiterschaft das sichtbare Zeichen Christi und der Kirche aufzurichten« 103 . Bereits im Oktober des gleichen Jahres betraut Kardinal Feitin Arbeiterpriester wieder mit einer besonderen Missionsaufgabe 104 . »Auf der Frühjahrstagung der Kardinäle und Erzbischöfe 1957 werden dann die verschiedenen, in der Arbeitermission tätigen Gruppen zur »Mission Ouvriere« zusammengefaßt und der nicht ganz einfache Versuch einer Koordinierung dieser sehr verschiedenartigen Bemühungen gemacht 105 . Als Gipfel dieser neuen Entwicklung bringt nun die Zeitschrift »Tέmoignage Chretien« in ihrem Heft vom 12. 4. 1957 den aufsehenerregenden Versuch

99 Siefer a a O S. 108; dort weitere Literatur zur neuen >Mission de Frances 100 Vgl. R. Rouquette in D C 11, 1955, H e f t 1, S. 3 9 - 4 4 ; Siefer, a a O S. 108; auch Dansette, Experiment und Tragödie S. 279 ff. bes. S. 22. 101 S. Siefer a a O S. 111, der auf H K 13 S. 267 und S. 470 ff verweist. 102 Dansette a a O S. 283. Vgl. auch F. Heer, Das Missionswerk der Arbeiterpriester, in: Werkheft katholischer Laien 11, 1955, S.243 ff. 103 A a O S. 285. 104 S. Siefer a a O S. 110. Wortlaut in: H K 9 1954 S. 1 0 5 - 1 0 7 . 105 S i e f e r a a O S . l l O .

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einer Ehrenrettung der früheren Arbeiterpriester 106 . Das kann nicht ohne Auswirkungen auf das Seminar in Pontigny bleiben. Die von Dansette registrierte Erhöhung der Seminaristenzahl in Pontigny trotz des anfänglichen Aderlasses, da viele nicht von Lisieux nach Pontigny gegangen sind, kommt dadurch zustande, daß aus den traditionellen Diözesanseminaren Kandidaten überwechseln 107 , weil nur von hier aus ein Start als Arbeiterpriester möglich ist - wenn man vom Prado in Lyon absieht, dessen besondere Rolle aber schon dargestellt ist.

7. Rene Schaller Die besondere Rolle des Seminars in Pontigny kann am Lebenslauf von Rene Schaller, dem Kopf der französischen Diakonatsbewegung deutlich werden 1 0 8 : Schaller ist 1934 geboren und war Seminarist am theologischen Seminar in Straßburg und Schüler von Paul Winningen Es folgten Militärdienst und Dienst als Offizier im Algerienkrieg. Sehr oft kommt Rene Schaller auf eine zentrale existentielle Erfahrung als Offizier zurück: daß Verantwortung, als »pouvoir« begründet, für eine Gemeinschaft negative Folgen hat, daß aber Verantwortung, als »competence« begründet, dem Menschen gerecht wird und die Gemeinschaft voranbringt. Modellhaft hat so das Kriegserlebnis für Rene Schaller die Berufsauffassung des Priesters korrigiert: nicht Hierarchie als »pouvoir spirituel«, sondern Priesteramt als menschliche »competence«, als menschliche Fertigkeit, die den anderen zur Verfügung steht, die sich gibt und nicht fordert. Diese Erfahrung, in der Grenzsituation des Krieges als echte Lebensmöglichkeit verifiziert, läßt ihn nun nicht mehr nach Straßburg zurückkehren. Rene Schaller geht 1959 nach Pontigny zur »Mission de France« und beginnt sich im gleichen Jahr mit dem Diakonat zu beschäftigen. Ein Buch seines ehemaligen Lehrers Paul Winninger über den Diakonat veranlaßt ihn zur eigenen Durchdringung der Problematik. Der Gedanke des Diakonats reift in ihm als Möglichkeit eigener Berufung. Später wird darauf noch einzugehen sein. Drei Jahre bleibt Rene Schaller insgesamt in Pontigny. Dann verläßt er Pontigny, heiratet bald darauf und geht mit seiner Frau Monique, einer in der Schweiz aufgewachsenen Italienerin, nach Lyon, arbeitet als Angestellter in einem großen Kaufhaus und verschafft sich nebenher eine Aüsbildung als So-

106 A a O . 107 Dansette, aaO. Dansettes Rechenexempel ist sehr irreführend, denn er bringt keine Vergleichszahlen aus den Diözesanseminaren! 108 Im Januar 1974 konnte der Verfasser einer Einladung von Rene Schaller, zu ihm nach L y o n zu kommen, folgen. Der Inhalt dieses Abschnittes ist wesentlich aus Gesprächsnotizen dieses Aufenthaltes zusammengestellt.

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zialarbeiter mit dem Schwerpunkt Obdachlosenarbeit. Dazwischen liegen schon zwei Jahre Obdachlosenarbeit mit Abbe Pierre. Das Studium der Psychologie und eine nebenberufliche Tätigkeit als Dozent in der Ausbildung und Fortbildung für Sozialberufe schließen sich an. Im Gespräch mit ihm verstärkte sich der Eindruck, daß die non-directive Psychotherapie auch stark sein Denken über den therapeutischen Sinn der Kirche für die Gesellschaft beeinflußt hat. Die Erfahrung, daß man kein anderer Mensch sein darf, anderen in einem Befehls- und Gehorsamssystem zugeordnet, läßt ihn nach und nach gegenüber dem kirchlichen und gesellschaftlichen System von »pouvoir« Distanz entwickeln.

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IV. Die französische Diakonatsbewegung bis zum Konzil ι. Der deutsche Neuansatz

nach dem Krieg und die ersten in Frankreich

Auswirkungen

In der Zeit der Bedrängnis der Kirche vor dem Zeiten Weltkrieg wurden in Deutschland die Weichen für ein besonderes Verständnis des Diakonats gestellt, das sich von dem Zweck einer vollständigen kirchlichen Dimensionierung der Caritasarbeit herleitet 1 . Man schlägt vor, den »Diakonat als Vorstufe zum Priestertum in ein Caritasdiakonat auszugestalten«2. Nach 1945 gewinnt in Deutschland die Caritas als Organisation wieder Leben und in gleichem Maße wird auch die Diakonatsidee lebendiger in der Form eines Caritasdiakonates, der »eine ideelle und materielle Fundierung der sozial-caritativen Berufstätigkeit«3 erreichen will. Doch ist der Auftrag nicht strikt auf den sozial-caritativen Bereich beschränkt. So wird von der »Caritas« her die Erneuerung des Diakonats mit den Dimensionen Liturgie und Katechese zusammengesehen. Erleichtert und gefördert werden solche Anläufe durch den permanenten Priestermangel, also durch ein quantitatives Defizit kirchlicher Arbeit, die in ihrer Gesamtheit ohnehin nicht mehr von Priestern allein geleistet wird 4 . Die Gewinnung von Diakonen könnte eine Chance für die quantitative Bewältigung der Masse kirchlicher Aufgaben werden. Besonders die Hierarchie ist für dieses Argument aufgeschlossen, wie noch zu zeigen sein wird. Von Seiten der aktiven Laien jedoch scheint von den Anfängen an mehr die Erkenntnis einer qualitativen Veränderung kirchlicher Arbeit die Sicht zu bestimmen und der Motor für das Drängen nach dem Diakonat zu sein. So hat Josef Hornef, wenn er Gedanken von Otto Pies und W. Schamoni (beide

1 G . v . M a n n : Der Caritasdiakonat und seine Erneuerung; Caritas (Freiburg), 1934, S. 2 0 2 - 2 3 6 . Eine gute Einführung in die Geschichte der Diakonatsbewegung gibt J. Hornef, Vom Werden und Wachsen des Anliegens, in: Diaconia in Christo, Freiburg, 1962, S. 3 4 3 - 3 6 1 ; ders.: Die Anfänge der Diakonatserneuerung, in: Der Diakon, Freiburg, 1970; ferner Rene Schaller, Genese et maturation de l'idee du renouveau au diaconat au XXieme siele, in: Vocation, April 1966, S. 3 1 6 - 3 3 0 ; auch: J. Hornef, P. Winninger, Chronique de la restauration du diaconat (1945-1965), in: Winninger, Congar, Le diacre dans l'eglise etlemonde d'aujourd'hui, Paris 1966, S. 2 0 5 - 2 2 2 . 2 Hornef, Vom Werden und Wachsen S. 345. 3 AaOS.346. 4 Vgl. J. Hornef, Kommt der Diakon der frühen Kirche wieder? Wien, 1959, S. 114 ff: »Wesentlich für die geistige Situation i s t . . . , daß der Priestermangel als drängendes Problem nicht nur die Priester, sondern auch das ganze katholische Volk bewegt«.

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sind Priester) aufnimmt, mit seinem Aufsatz »Um die Erneuerung des Diakonats« (1948)5 das Startsignal für eine Entwicklung gegeben, die - vorläufig - in den Beschlüssen des 2. Vatikanischen Konzils über die Wiedereinführung eines ständigen Diakonats ihren Höhepunkt gefunden hat 6 . Hornef charakterisiert selbst seinen Ausgangspunkt: » Z i e l . . . ist der Weihediakonat als Lebensberuf im Sinne einer Berufung, mit seelsorgerlich-priesterlichen Aufgaben (Liturgie, Caritas, Katechese, Hausseelsorge, Jugendarbeit) ohne Verpflichtung zum Zölibat, dafür beispielhaftes Familienleben. Aber auch ein nebenberuflicher Diakonat wird erstrebt... mit den niederen Weihen als Vorstufen. Beide Formen sollen nebeneinander bestehen 7 . Hornefs Vorstellungen von einem neuen, ständigen Diakonat eröffnen eine kirchenreformerische Chance, die in der Wiederherstellung des Diakonats nicht einfach nur ein technisches Problem sieht, sondern auf eine qualitative Veränderung der Kirche hinwirken möchte, insofern sie durch das Amtspriestertum geprägt ist. »Der Priesterstand ist zu scharf von dem Laien getrennt, die Ursache ist zum Teil der Zölibat, zum Teil der Entwicklungsstand früherer Jahrhunderte, in welchem nur die Geistlichen die Gelehrten waren, und also der Gegensatz des Priesters und des Laien auch fast immer der des Wissenden und des Unwissenden w a r . . . H i e r . . . kann auf zweierleit Art Abhilfe geschehen: entweder. . . Priesterehe. . . oder indem sie den Wirkungskreis der Diakonen erweitert« 8 . Hornef zitiert die Antwort des im obigen Zitat angeredeten späteren Kardinals von Diepenbrock 9 : »In allen unbefangen denkenden Menschen dämmert die Ahnung von der Notwendigkeit einer Neugestaltung der Kirche, und nur die Art und Weise wird den wenigsten so klar, wie sie Ihnen geworden« 10 . Hornef weist auch daraufhin, »daß heute nicht nur Afrika und Asien, sondern das christliche Abendland selbst auf weiten Strecken Missionsland ist, nicht zuletzt bedingt durch den in vielen Staaten herrschenden katastrophalen Priestermangel« 11 . Offensichtlich hat hier die französische Diskussion Wellen geschlagen. Auch Hornefs Hinweis, daß der Arbeiterdiakon besser als der Priester-Arbeiter sei, beweist seine Kenntnis der französischen Dis5 Abgedruckt in: Die Besinnung 6, 1949, S. 2 9 8 - 3 0 6 , und in: Werkhefte für katholische Laienarbeit 5, 1951, S. 1 - 5 . 6 Es wäre sicherlich eine lohnende Aufgabe, den ganzen Nachlaß von J . Hornef in Literatur, Korrespondenz und fast 30 Leitz-Ordnern zu sichten, was im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich war. 7 Hornef, V o m Werden und Wachsen S. 349. 8 J . K. Passavant an Melchior von Diepenbrock am 20. 4. 1840, zitiert bei Hornef a a O S. 343. 9 V. Diepenbrock hatte übrigens ausgezeichnete persönliche Verbindungen zu Wichern, eine Tatsache, die Hornef entgangen ist. S. Uhlhorn, D i e christliche Liebestätigkeit, S. 772, 2. Aufl., Stuttgart 1895 ( = Darmstadt 1959). 10 Hornef a a O S. 344. 11 Vgl. Hornef, U m die Erneuerung des Weihediakonats in der Kirche, in: Caritas (Luzern), Mai 1952, S . 2 7 0 .

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kussion, die aber in Frankreich noch ein Problem der Priester und nicht zuerst der Laien ist 12 . Für ihn ist aber »die Erneuerung des urchristlichen Diakonatsamtes . . . nichts anderes als die logische Fortsetzung des Laienapostolatsgedankens . . . sie liegt ganz in der geistigen Linie der von den letzten Päpsten so dringend geforderten und in den vergangenen Jahrzehnten wie in der Gegenwart so mächtig aufgeblühten Katholischen Aktion, die eine größere Mitverantwortung der Laien am Heilswerk der Kirche mit sich brachte«13. Die Neugestaltung der Kirche durch Einführung des Diakons, der eine starke Relation zur Weltwirklichkeit hat und dem Priester gegenüber selbständig ist - genau das war dann das Ziel einer ersten im Herbst 1951 gegründeten Gruppe von Männern, die sich in Freiburg am Wohlfahrtspflegeseminar des Deutschen Caritasverbandes ausbilden ließen und ihre Gruppe »Diakonatskreis« nannten14. »Es geht den jungen Männern um den hauptberuflichen Diakonat - Beruf als Berufung! - mit primär caritativen Aufgaben. Wesentlich ist, daß hier von vornherein der Weihediakonat klar ins Auge gefaßt ist. Gründliche wohlfahrtspflegerische Ausbildung mit gewissen Ausweitungen, asketische Formung, Erziehung zu einfacher Lebensführung. Gemeinschaft der werdenden Diakone und der Diakone im Beruf nach ähnlichen Methoden wie bei den evangelischen Diakonen und praktische Bewährungszeit nach Abschluß der Ausbildung werden gefordert. Der Diakon soll nicht zum Zölibat verpflichtet sein. Wesentlich ist auch, daß die jungen Menschen bemüht sind, sich für das künftige Ziel schon heute zu heiligen durch ein ernstes Gebetsleben und eine entsprechende Haltung im Beruf, ja auch Braut und Frau in diese Ausrichtung auf den Diakonat mithineinzunehmen«15. Am 1.5.1952 erschien das erste »Werkblatt des Diakonatskreises«, für das Hannes Kramer, der Gründer der Gruppe, verantwortlich zeichnet. Im ganzen ist der Diakonatskreis das Werk von Kramer, das er in der folgenden Zeit auf Konferenzen, in Zeitschriften immer wieder vorstellt. Nach J. Hornef ist er wohl einer der eifrigsten Kämpfer für den Diakonat. Interessant und rätselhaft ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung von Pater Damasus Zähringer OSB in der Benediktinischen Monatsschrift von 1952 ( ! ) , in der er sagt: » . . . daß ähnliche Bestrebungen in Frankreich schon zu konkreten Versuchen sich verdichtet haben, sei nur beiläufig erwähnt. Um darauf grundsätzlich einzugehen, müßten die verfügbaren Unterlagen breiter

12 J . Hornef, Was dürfen wir uns von einer Wiedergeburt des Weihediakonats erhoffen?In: Die Seele 25, 1953, S . 3 1 4 . 13 Vgl. Hornef, U m die Erneuerung S. 270. 14 Hornef, V o m Werden und Wachsen S. 350. Wie schon gesagt, ist die ganze deutsche Entwicklung einer gesonderten Erörterung würdig. D o c h hier können leider nur die deutschen Diskussionsbeiträge und Positionen berücksichtigt werden, die mit der französischen Problematik zusammenhängen. Im übrigen gibt Hornefs Artikel einen fast erschöpfenden Überblick über die deutschen Anfänge bis zum Konzil. 15 H o r n e f a a O S. 351.

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sein« 16 . Zähringer nennt keine Namen. Aber nur ein einziger Name kann hier infragekommen: Jean Rodhain, der Mann an der Spitze der französischen Caritas, der später tatsächlich Schritte auf eine Wiedererneuerung des Diakonats in Frankreich unternahm - freilich sehr zaghaft 17 . Nach mündlichen Auskünften von Hannes Kramer und Rene Schaller muß Rodhain sich tatsächlich schon sehr früh (1950 in Freiburg!) zum selbständigen Diakonat bekannt haben, aber Rodhain ist Priester, und dies hat bei ihm nicht die Energien freigesetzt, die von der Laienseite her mobilisiert werden. Konkret geschah in Frankreich nämlich bis zum Jahre 1957 fast nichts. Niemand macht sich zum Schildträger dieses Anliegens 18 . Die starke französische Katholische Aktion denkt gar nicht daran, ihr Laientum aufzugeben, ja die spätere heftige Diskussion sollte zeigen, wie wertvoll die Tatsache >Laie< für eine Reform der Kirche war: man hatte Angst vor einer stärkeren Klerikalisierung ganz im Gegensatz zum deutschen Katholizismus. In Frankreich steht deshalb nach wie vor die Mission an der Spitze der Probleme. Nur dort, wo Mission und Diakonie verknüpft werden können, kann der Diakonat eine Chance haben. Die französische Caritas aber ist nicht die Grundlage, auf der beide zusammengeschweißt werden können.

2. Diakonat als Verfügbarkeit Erst 1960 ins Französische übersetzt, hat die zeitgeschichtlich erste Monographie über die Wiedererneuerung des Diakonats dennoch eine die Diskussion prägende Bedeutung. Sie stammt von Wilhelm Schamoni, einem Priester, der sich schon im KZ mit P. Pies ausgetauscht hatte, und jetzt - im Jahre 1953 - die Antwort eine Priesters auf den »Monolog der Laien« geben will 19 . 16 Damasus Zähringer, Ein Berufsdiakonat in der Kirche?, Benediktinische Monatsschrift, Beuron 1952, S . 4 9 1 . 17 E t w a 1957 setzt sich auch Rodhain öffentlich für eine Wiedererneuerung des Diakonats ein - als auch andere beginnen, den Diakonat zu fordern. 18 Daß auch der französische Episkopat insgesamt keine Reaktion zeigte, obwohl die Arbeiterpriesterdiskussion doch die Einführung des (Arbeiter-)Diakons nahelegen mußte, lag ebenfalls an der Person Jean Rodhains, der für die französische Kirchenpolitik eine Schlüsselposition einnimmt. Die Tatsache, daß die Zentrale des frz. Gesamtepiskopats sich im Gebäude der frz. Caritas in Paris, Rue de Bac 102, befindet (und dort nichts geschieht, was Rodhain nicht wissen müßte), wie auch die Kontrolle über erhebliche finanzielle Mittel (vor allem Staatsleistungen), sichern Rodhain einen Einfluß in fast allen kirchenpolitischen Entscheidungen. Aber Rodhains Aktionen sind nur Symptome einer allgemeinen Situation. Eine einzige Publikation erscheint im Jahre 1953, die den Diakonat thematisiert: Ein Aufsatz von P. A . Hamman, Liturgie et action sociale. Le diaconat aux premiers siecles, in: La Maison-Dieu 3 6 S. 1 5 1 - 1 7 2 , ein Aufsatz ohne Bezüge zur aktuellen kirchlichen Situation. 1954 schreibt P. de Vooght in der Zeitschrift: »Paroisse et liturgie« eine ausführliche Rezension von Schamonis Buch: Peres de families ordonnes diacres? (S. 3 4 2 - 3 4 4 ) , die auch keinen Widerhall erzeugt. 19 H o r n e f aaO S . 3 7 2 .

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Sein Buch trägt den Titel: »Familienväter als geweihte Diakone« 2 0 . Er hebt weniger auf hauptberufliche Diakone ab. Er sieht vielmehr die Chance des Diakonats in der Gewinnung nebenberuflich tätiger Männer für kirchliche Arbeit in kirchlichen Notstandsgebieten und Notstandssituationen. Der hauptberufliche Diakon ist für ihn eine Ausnahme. Schamonis Konzeption gründet in den Aussagen des Tridentinums über den Diakonat 21 und ordnet ihn viel stärker in die Stufenfolge der Ämterhierarchie ein als dies Hornef oder Kramer tun. Selbst Priester, ist Schamoni nicht dazu bereit, die sozialkaritativen Aufgaben grundsätzlich an den Diakon abzugeben. Eine qualitative Veränderung in der Kirche zum Positiven in bringt der Diakon nur insoweit, als er dem Priester quantitativ Arbeit abnimmt. Ein hauptberuflicher Diakon würde deshalb die Variable »Quantität kirchlicher Arbeit« zu einer Konstanten machen und dem Diakon ein ständiges, inhaltlich kontinuierliches Arbeitsfeld geben und damit dem Priester gegenüber ein Gewicht erhalten, das unangemessen die hierarchische Stufenfolge nivellieren könnte. Damit gehört Schamoni deutlich auf die Seite derjenigen, die die kirchenreformerische Notwendigkeit gering veranschlagen. Zwar versucht auch er in einem kleinen historischen Abriß nachzuweisen, daß das katholische Amtsverständnis zu Unrecht im Priester konzentriert bleibt. Der Priester ist nicht der einzige Aufgaben träger in der Kirche. Doch mehr als das, was das Konzil von Trient schon gesagt hatte, sagt auch Schamoni nicht. Im Gegenteil: Gemessen an den Beiträgen der »Laien« versucht Schamoni das Rad zurückzudrehen, indem er die Frage der Optimierung von Gestalt und Ausstrahlungskraft der Kirche und das Problem der Beseitigung anerkannter Notstände nur in quantitativen Kategorien verhandeln will. Der Priester soll zusätzliche Hilfskräfte erhalten, die praktisch auf Abruf zur Verfügung stehen und deren »Amt« in dieser permanenten Verfügbarkeit für den Priester besteht: Ist es wirklich möglich, einen Amtsauftrag durch Weihe zu vergeben ohne eine vorherige Beschreibung der Tätigkeitsmerkmale? Gerade dies letztere aber will Schamoni verhindern: Eine Diskussion über die Tätigkeiten des Priesters, die einmal in Gang gesetzt- alles aufs Spiel setzen könnte. Gewiß würde - dies ist Schamoni zuzugestehen - eine rein quantitative Veränderung im Potential kirchlicher Arbeitskräfte positive Wirkungen haben - aber wäre sie wirklich in der Lage, den entscheidenden Durchbruch zu einer neuen Dynamik der Kirche zu erzielen? Ohne zusätzliche theologische Reflexion und Energie, die das Ganze der Kirche reflektiert und neu begründet, indem sie dem neuen Bestandteil »Diakonat« seinen legitimen Ort zuweist, wird eine erfolgreiche Institutionalisierung des Diakonats sicherlich Wunschtraum bleiben.

20 Paderborn 1953. 21 Schamoni aaO S. 13 f.

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i. Die Theologen sprechen In der nach Schamonis Monographie aufbrechenden, immer breiter werdenden Diskussion über den Diakonat wird die Problematik nun auch auf der Ebene der theologischen Theorie erörtert. Yves Congar, Karl Rahner u.v.a.m. nehmen Stellung. Mehr und mehr stellen theologische Fachzeitschriften der Diakonatsfrage Seiten zur Verfügung. Dabei ist der systematische Fortschritt in der Behandlung der Frage schwer zu fassen, aber von Jahr zu Jahr zweifellos vorhanden.

a) Congar und die Bedeutung des Laien in der Kirche Zentrales Problem bleibt die Frage: Was ist und zu welchem Zweck arbeitet ein Priester? Immer noch trägt der Priester die kirchliche Arbeit, und alle Reformbestrebungen und alle Kritik setzen irgendwie an der Rolle des Priesters an. Congar geht diese Frage nicht direkt, sondern von einem größeren Zusammenhang her an und stellt im Jahre 1953 die epochemachende These auf: Kirche ist nicht primär Hierarchie, sondern Volk Gottes 2 2 . Im Begriff des Volkes Gottes findet Congar eine Kategorie, die Hierarchie und Laien (Kirchenvolk) zusammenschließt und die auch eine Basis für die Erneuerung des Diakonenamtes abzugeben, ja, die die ganze Frage nach Sinn und Zweck des kirchlichen Amtes zu klären schien. Congar hat dabei allerdings ein »Axiom«: die apostolische Kirche ist keine »unterschiedslose Gemeinschaft mit charismatischer Leitung gewesen« 23 , und dies heißt: Der Dienst als Leitung, die Übernahme einer Aufgabe am Ganzen, begründet einen Unterschied, wobei allerdings von Congar abgewehrt wird: Der nun den Klerikerstand bildende Unterschied schafft keinen Lebensstand, sondern einen wenn man so sagen kann - >Funktionsstandfreie GruppenDiakonat< ergibt. Einen Pol der französischen Diskussion stellt Paul Winninger dar, der die Grenze zwischen Priester- und Laientum gewahrt wissen will, einen anderen M . D . Epagneul, für den dies keine Rolle spielt. Ebenfalls im Jahre 1957, wie Winningers Buch, erscheint sein Aufsatz »Du role des diacres dans PEglise d'aujourd'hui« 4 7 . Anders als Winninger, der im Amtspriestertum steht, stammt Epagneul aus der kirchlichen Reformbewegung der Dominikaner und ist der Gründer der »Freres missionaires des Campagnes« 48 . Diese Gemeinschaft besteht fast zur Hälfte aus Laien. Sie ist in etwa zehn Diözesen eingesetzt, die am stärksten unter Priestermangel leiden und am meisten entchristlicht sind. So geht Epagneul auch in seiner Konzeption vom Diakonat von der Tatsache unchristlicher und entchristlichter Gebiete und von der entsprechenden Notwendigkeit einer Mission, einer Christianisierung und Rechristianisierung

47 M. D. Epagneul, Du role des diacres dans l'Eglise d'aujourd'hui, in: Nouvelle Revue Theologique 79, 1957, S. 153-168. 48 Vgl. Die Avantgarde S. 62-64, und D I A C O N I A XP 1, Juli 1966.

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mit Hilfe des Diakonats aus: »Wirkt eine Gemeinschaft von Priestern in einer total unchristlichen Gegend, so kann festgestellt werden, wie der größte Teil der Zeit für Bedürfnisse diakonischer Art verwendet w i r d « 4 9 . Mit anderen Worten: D i e Notwendigkeit der Rechristianisierung zeigt Arbeitsfelder und Aufgaben, die dem Priester als Amtsträger nicht gemäß, aber kirchlich notwendig sind. Epagneul sieht das, was als das qualitative Defizit der Kirche bezeichnet wurde, im Fehlen der Mission für die er sich mit seiner Kongregation einsetzt. Dabei sieht er inhaltlich die kirchliche A u f g a b e der Mission zwar als etwas Neues, Ungewohntes, aber doch wahrhaft apostolisches U n ternehmen. »In einem Milieu aus- und eingehen, Fragen anhören und beantworten, die Lebensprobleme jedes Einzelnen zu begreifen suchen, um ihnen besser zu helfen, daß sie Christus entdecken . . . - Sollte das keine a p o s t o l i sche Tätigkeit sein?« 5 0 . Ist Mission notwendig, dann ist sie eines eigenständigen Amtes wert. D a s ist die Quintessenz der Ausführungen von Epagneul. Eucharistie als kirchliches Zentrum und Mission als Uberbringen Christi in nicht-eucharistischer F o r m , sondern in der F o r m christlicher Existenz, beide müssen vorhanden sein. Der Missionar muß genauso wie der Priester authentischer Christ, Zeuge sein können, wenn er Nichtchristen gegenüber Kirche vertritt. Pointiert ausgedrückt heißt das: D e r » D i a k o n « muß in der Konzeption, die Epagneul andeutet, ebenso wie der Priester Christus repräsentieren.

4. Der Schritt in die Öffentlichkeit E s sind nicht nur Einzelstimmen, die mit literarischen Arbeiten das Gespräch über den Diakonat mehr und mehr in G a n g bringen. D i e Frage der Wiedererneuerung des Diakonats erobert in den Jahren 1956 ff auch die kirchliche Öffentlichkeit 5 1 . D e r im September 1956 in Assisi stattfindende Internationale Pastoralliturgische Kongreß bringt im Hauptreferat des Missionsbischofs van B e k k u m von Ruteng auf Flores (Indonesien) ein dringendes und beachtetes V o t u m für die Einrichtung eines eigenen Standes der Diakone in der Mission. Zum ersten Mal spricht ein Bischof offiziell über den Diakonat. U n d dies im N a m e r aller seiner Mitbrüder in der Mission 5 2 . Van B e k k u m wünscht den hauptamtlichen Diakon, der »Gottesdienste ohne Priester« halten, caritativ tätig sein, ja in allem »Bindeglied zwischen Priester und Volk sein k a n n « 5 3 . Ein Jahr später, auf dem Weltkongreß für Laienapostolat in R o m greift

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Epagneul aaO S. 166. Die Avantgarde der Kirche S. 63. Vgl. Hornef-Winninger, Chronique de la Restauration du diaconat, S. 211. Vgl. Rene Schaller, Renouveau du diaconat S. 322. Vgl. Hornef, in: Diaconia in Christo S. 356.

Papst Pius XII. in seiner Einleitungsrede das Problem des Diakonats auf ohne Zweifel die erste Reaktion auf die Ubersendung des Aufsatzes von Epagneul, der damit den Papst bitten will, sich für die Erneuerung des Diakonates einzusetzen 54 . Der Papst erfüllt zwar nicht die Hoffnungen von Epagneul, aber eine erste Stellungnahme - »die Zeit sei noch nicht reif« 55 - kann dennoch als Ermutigung aufgefaßt werden. Die Diskussion auf dem Kongreß bringt aber dennoch die Sache weiter voran. Sogar Jean Rodhain, dessen Position oben schon dargestellt ist, verkündet laut: »Die Diakone an der Grenze des Laientums sind die Pfeiler des ganzen >Ur-ApostolatesLaienapostolat< und kann auch dann kein hierarchisches Apostolat werden, wenn es im Auftrag der Hierarchie ausgeübt wird« 7 3 . Holstein sieht die Gefahr des Diakonats als Möglichkeit zur Flucht vor voller und ganzer Annahme »des Laienstandes« 74 . Was für ein Mißverständnis von Hierarchie steht aber im Hintergrund?! Das Argument, Verstrickung in Kult- und Verwaltungstätigkeit würde drohen, ist ein Scheinargument, das genau die umgekehrte Konsequenz haben könnte: daß nämlich die in solcher Kultroutine und Verwaltungstätigkeit verstrickten Priester daraus erlöst werden müßten! In der gleichen Rede von Papst Pius XII., die Holstein zitiert, hatte der Papst daran erinnert, »daß der Laie, der zum Diakon geweiht würde, aufhöre, ein >Laie< zu sein und einen Platz in der kirchlichen Hierarchie einnehme« 7 5 . Diese Feststellung des Papstes legt Holstein aber in seinem Sinn aus. Er empfindet Sorge um die Identität des Laienstandes und unausgesprochen um die Identität des Priesterstandes. Denn die Auffassung vom Priesteramt, seiner soziologischen Rolle, seinem Lebensgefühl, all dies wird von der Existenz des Diakonenamtes nicht unberührt bleiben können. Eine zweite, typische und nicht minder starke Sorge verbalisiert R. Rouquette in der gleichen Zeitschrift ein Jahr vorher, indem er vor einer Lähmung der Katholischen Aktion warnt: Die Köpfe der Katholischen Aktion werden fehlen, wenn der Diakonat kommt 7 6 . Rouquette geht davon aus, daß die neuen Diakone dann nicht mehr Mitglieder des Laienstandes sind, son71 H. Holstein: Vers une restauration du diaconat? in: Etudes, 1960, hier S.258 f. 72 A a O S. 260. 73 Papst Pius XII., 5. Oktober 1957, Premier discours au Τ congres mondial de l'apostolat des laics, Trad. Bonne Presse, S. 14 f; bei Holstein aaO S.261. 74 Rene Schaller, Renouveau S. 326. 75 Augustinus Keerkvoorde, Die Theologie des Diakonates, in: D I C S.220. 76 R. Rouquette, Vers un renouveau du diaconat, in: Etudes 301, 1959, S. 238-242.

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dem all die psychologischen und soziologischen Begleiterscheinungen des hierarchischen Priesteramtes sich auf den Diakonat übertragen werden. Rouquette mißtraut dieser neuen Institution »Diakonat«. Er sieht den Diakon als Mitglied der Hierarchie, die auch durch den Diakonat so bleibt wie sie ist. Gerade hier setzt auch die Antwort an Holstein und Rouquette an, die Hornef und Winninger in der Nouvelle Revue Theologique vom April 1961 gemeinsam geben77. Beide, Holstein und Rouquette, sehen keine Möglichkeit, den Diakonat gleichsam als Brücke zwischen Hierarchie und Laienstand zu installieren. Beide fordern nämlich für den Diakon als Mitglied der Hierarchie die Beibehaltung des Zölibats! Hornef und Winninger argumentieren dagegen, daß der verheiratete Diakon als Mitglied der Hierarchie tatsächlich eine Brücke vom Laienstand zur Hierarchie darstelle, indem für den Laien dann ein falsches Bild der Hierarchie weggeräumt sei. Hierarchie, Amt der Kirche mit dem Diakon, ist dann nichts Lebensfremdes mehr, sondern sie kann ihren Dienst an den Laien dann umso besser tun. Laien und Priester sind durch die verheirateten Diakone eine organische Einheit. Hornef und Winninger legen bloß, daß die Befürchtungen von Rouquette und Holstein, der Exponenten der beiden Hauptinteressenträger im Katholizismus, des Priestertums und der Katholischen Aktion, von der einzigen Sorge geleitet sind, daß Nicht-Zölibatäre innerhalb der Hierarchie das bewährte Gegenüber Laien - Hierarchie total verändern, und mit den neuen Anerkennungsschemata eine Phase der totalen Verunsicherung und Neuorientierung in der Führung aller kirchlichen Gruppen und Organisationen eintreten werde, die Rouquette und Holstein sowohl den Priestern als auch den Laien ersparen möchten. Ein anderer Theologe, Augustinus Keerkvoorde, hat sich in einem langen Beitrag schließlich mit dieser von Hornef und Winninger beharrlich gestellten Frage breit auseinandergesetzt: »Welches sind in der Hierarchie der Ort und die Funktion des Diakonates?« 78 . Die Antwort auf die Frage wird es ermöglichen, den Diakonat von der Fixierung auf das alte Bild des Amtspriestertums freizuhalten. Keerkvoorde bezieht sogar das Ordensleben mit in seine Überlegungen ein, ein Gesichtspunkt, der noch Epagneul Schwierigkeiten bereitete79. Keerkvoorde sieht die ganze Weite kirchlicher Institutionen, die alle miteinander den einen Auftrag der Kirche erfüllen wollen, besonders im Fall des Diakonats, wo »zehn, ja hundert kirchliche Institutionen . . . weniger glücklich eine göttliche Institution ersetzt« 80 haben. Keerkvoorde 77 P. Winninger und J. Hornef, Le renouveau du diaconat - situation presente de la controverse, NRTh 83, 1961, S. 337-366. 78 A. Keerkvoorde, Oü en est le probleme du diaconat? in: Paroisse et liturgie 51, 1961, S. 1-89. Leicht verändert unter dem Titel: Die Theologie des Diakonates, in: Diaconia in Christo S. 220-284. 79 M.D. Epagneul, Le diaconat demain, in: NRTh 6, 1965, S.588. 80 A. Keerkvoorde, Die Theologie des Diakonates, S.279. 85

klagt: es gibt »Regularkanonikat... Orden der Minderbrüder . . . Kongregationen und Werke der Caritas, Bewegungen der Katholischen Aktion . . . « und im Blick auf das Laikat, das doch eigentlich einfach »auf den christlichen Sakramenten der Taufe und Firmung gründet« 81 , sagt er: Es gibt stattdessen »eine eindrucksvolle Reihe von Instituten, parakirchlichen Kongregationen . . . Dritten Orden, Oblaten, Ligen, Legionen, Gelübden, Versprechen, Aktionen, Aufträgen, Verpflichtungen usw.«. Er resümiert: »Wie soll man durch diesen Wald von kirchlichen (oder besser parakirchlichen) Institutionen hindurch noch die einfachen und wahren, von Christus eingesetzten Ordines der Kirche sehen können: Episkopat, Presbyterat, Diakonat und Laikat?« 8 2 ! Deshalb kann der Diakonat für das ganze Ordensleben und die ganze Breite der Säkularinstitute eine Chance zur Stärkung der Integration in die Kirche selbst sein. »Der Diakonat könnte eine einheitsstiftende Rolle spielen« 83 . Keerkvoorde hat wohl von allen Theologen am weitesten den Problemhorizont abgesteckt, der in seiner ganzen Spannweite 1962 - noch rechtzeitig vor dem Konzil - in dem Sammelband »Diaconia in Christo«, herausgegeben von Karl Rahner und Herbert Vorgrimler 84 , vereint ist. Der Band bringt 38 Aufsätze in drei Kapiteln: Der Diakon in Geschichte und Gegenwart - Die Theologie des Diakonates im Hinblick auf seine Erneuerung - Bestrebungen, praktische Möglichkeiten und Anregungen zur Erneuerung des Diakonates. Er verarbeitet und nennt alle bis dahin erschienene Literatur (vollständig die Zeit von 1945-1962): Es sind über 700 Monographien und Aufsätze. Im großen und ganzen steht das Werk positiv zur Erneuerung. Das Ja zum Diakonat und die dabei in diesem Werk noch vorhandene Vielfältigkeit und Offenheit der kirchlichen Verwendungsmöglichkeiten und die Stärke der Hoffnungen, die auf den Diakonat gesetzt werden, machen die Frage des Diakonats konzilsreif. Erst im Verlauf des Konzils wurde dann bekannt, daß Hunderte ( ! ) von Bischöfen an die vorbereitende Kommission die Bitte gerichtet hatten, die Frage des Diakonats vor das Konzil zu bringen 85 .

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AaOS.280.

82 A a O . 83 O u en le probleme du diaconat, S. 55. Vgl. auch Rene Schaller a a O S. 328. Auch für die evangelische Kirche gilt diese Vorhaltung von Keerkvoorde: Wieviel unnötige Vielfalt existiert gerade im diakonischen Bereich, die durch einen »einheitlichen« Diakonat wieder deutlicher ihre Verkündigungsdimension zurückerhalten könnte?! 84 Quaestiones disputatae 15/16, Freiburg, 1962. 85 H . Denis und R. Schaller, Diacre dans le monde d'aujourd'hui, Lyon, 1962, S. 52.

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V. Die Wiedererneuerung des Diakonates durch das Konzil Die Wiedererneuerung des Diakonates durch das Konzil begann damit, daß am 17. Januar 1962 Kardinal Masella nach der dritten Sitzung der zentralen Vorbereitungskommission erklärte, »daß das Interesse der Kommission sich auf die Opportunität des Diakonats erstreckt für die pastoralen Erfordernisse unserer Tage. Die Apostel hätten den Diakonat eingesetzt, um den wachsenden Bedürfnissen der Gemeinden besser zu entsprechen . . . »Seit den ersten Tagen des kirchlichen Lebens sieht man drei Ämter der Hierarchie sich herausbilden für den vollständigen Bruderdienst, die geistige und materielle Sorge für alle und für jeden einzelnen der Gläubigen. Heute hat der Diakonat keinen spezifischen Charakter mehr. . . Das Pontifikale zählt indessen die drei Aufgaben des Diakons auf: die heilige Kommunion auszuteilen, zu taufen und zu predigen. Der C I C verlangt von ihm die gleiche Vorbereitung und die gleichen Verpflichtungen, wie sie für die Priester im Zölibat und der Lesung des Offiziums enthalten sind. Jedoch können in der Ostkirche auch verheiratete Männer in den Diakonat gelangen«« 1 .

i. Die

Petitionen

Das Votum von Kardinal Masella erweckt nicht den Eindruck, als ob vom Konzil große Veränderungen im Zusammenhang mit der Diskussion um den Diakonat zu erwarten seien, gleichwohl bedeutet der Hinweis auf die Praxis der Ostkirche neben der deutlichen Hervorhebung der bisherigen Regel die Diskussionswürdigkeit dieser Frage. Dies war nicht ohne Wirkung auf das Engagement derer, die im Blick auf das Konzil mit Petitionen an die vorbereitende Kommission herantraten. Wie schon gesagt hatten sich Hunderte von Bischöfen in ihren Voten für die vorbereitende Kommission dafür eingesetzt, die Frage des Diakonats vor das Konzil zu bringen, doch ausführliche, mit einer entsprechend umfangreichen theologischen Begründung versehene Petitionen gab es unter diesen nur wenige. So legte die »Gemeinschaft der Diakonatskreise« Freiburg/Breisgau eine ausführliche lateinische Petition vor, die von all denen unterzeichnet war, die sich für die Erneuerung des Diakonats

1 Rene Schaller, Renouveau du Diaconat, in: Vocation 234, April 1966, S. 330; La Documentation Catholique Nr. 1370, 18. Febr. 1962, Sp. 238-240.

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einsetzten: J . Colson, Y. Congar, P. Winninger und J . Rodhain 2 . Der verheiratete Diakon ist darin als Selbstverständlichkeit vorgesehen3, ja die Ehe enthält »wertvolle Möglichkeiten des Apostolats« 4 . Für die theologische Begründung werden Acta 6, 1 - 6 , die beiden klassischen Stellen Phil. 1, 1 und Tim. 3, 8ff, das Konzil von Trient und die Feststellung von Pius X I I . herangezogen, daß der Diakonat ein Sakrament sei (Denz 2301) s . Die praktische Seite des Diakonats sieht die deutsche Petition zuerst und eigentlich im liturgischen Dienst, dann auch im Sozialdienst und in der Verkündigung (Predigt), die beiden letzteren allerdings in einer durch die Situation veränderbaren Weise 6 . Doch in der Detailaufzählung der verschiedenen, sich daraus ergebenden Möglichkeiten nimmt eine Tätigkeit den größten Raum ein: »Das Amt der Liebe, das eine Kernaufgabe der apostolischen Funktion ist«, und man beeilt sich hinzuzufügen: »Die Priester und Bischöfe sind daran gehindert, so, wie es nötig wäre, den sozialen Pflichten des Liebesdienstes Genüge zu tun«. Das »neue Gebot der brüderlichen Liebe« erfordert heute, in unserer Zeit »Sachverstand«, »Fachwissen«. Man sieht, daß das alte Problem, wie der Sozialarbeiter (Caritasarbeiter) im Raum der Kirche seinen rechten Platz findet, noch immer stark die deutsche Perspektive bestimmt, auch wenn die liturgische Rolle dem Diakonat einen deutlichen Akzent gibt. Wichtig für die Bewertung der deutschen Petition ist die Tatsache, daß Rodhain, nachdem er die deutsche Petition als »Freund einer Erneuerung des Diakonates« mitunterzeichnet hatte, als zukünftiger Konzilsexperte der vorbereitenden Kommission noch eine weitere persönliche Petition überreicht 8 . Darin legt Rodhain noch mehr den Akzent auf die Entwicklung des Laienapostolats, der im Diakonat eine Möglichkeit für »militante Laien« bietet, stärker mit der Hierarchie zusammenzuarbeiten, aber auch der Laienbewegung ihre Grenzen zu zeigen und ihr damit zu einem klaren Selbstverständnis zu verhelfen 9 , das - so deutet Rodhain an - die jeweilige Besonderheit von Priesteramt und Laientum unterstreicht: »plus grande purete - größere Reinheit des Priestertums ist der Gewinn der Einführung des Diakonats 10 . Durch

2 D C 45, April 1963, Sp. 4 7 5 - 4 5 2 . 3 »Die Kirche und ihre Theologen legen mehr und mehr Nachdruck auf den Wert des Zeugnisses, das durch die Ehe weitergetragen wird.« Man bemüht sich auch, daraufhinzuweisen, daß Paulus, die ersten Konzile und die Ostkirche bis heute in der Verheiratung kein Hindernis für die Übernahme des Diakonats gesehen haben. 4 AaO Sp. 479. 5 AaO Sp. 477. 6 »Der Diakonat enthält sowohl seinsmäßig als auch in der äußeren Erscheinung den liturgischen Dienst; nicht weniger grundlegend erscheinen die anderen Dienste in der Liebestätigkeit und in der Verkündigung, letztere aber in einer Gestalt, die je nach den Gegebenheiten veränderbar ist« ( D C 1963, Sp. 477). 7 A a O Sp. 477 f (alle Zitate). 8 Abgedruckt in D C 1963, Sp. 482 ff. 9 AaO Sp. 482. 10 AaO Sp. 482.

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den Diakonat kann der Priester wieder »reiner« Priester sein und der Laie »echter Laie, zuständig für das Durchdringen der Mehrheit in der Welt« 11 nicht in der Kirche - denn dafür ist der Priester zuständig, der jetzt in der Kirche, von allen weltlichen Aufgaben befreit, wieder ganz Priester sein kann. Rodhains Votum geht somit in eine andere Richtung als die deutsche Konzeption, die den Diakonat als »Bindeglied«12, Rodhain aber als Möglichkeit der »Abgrenzung« 13 sieht. Zwei verschiedene Geisteshaltungen und Erwartungen sprechen sich hier aus. Im weiteren haben nur noch der Episkopat von Congo-Leopoldville 14 und der Klerus von Wien 15 Petitionen eingereicht, die ganz im Sinn der ersten deutschen Petition abgefaßt sind. So greift das Konzil die Frage des Diakonats zu einem Zeitpunkt auf, zu dem noch keine Diakone existieren, noch keine offiziellen Verlautbarungen von seiten der Kurie oder einer Bischofskonferenz erfolgt sind, Es existieren lediglich von vielen Seiten Wünsche zur Erneuerung des Diakonats, mehr oder weniger theologisch begründet. Alles hängt also vom Konzil ab, das nun die Entscheidung zu treffen hat, ob wirklich ein Diakonat eingeführt wird, der die bisherige Praxis - Diakonat als bloßes Durchgangsstadium zum Priesteramt-entscheidend verändert, und ob damit mehr oder weniger positiv auf die Erwartungen der kirchlichen Reformgruppen reagiert wird, die sich für den Diakonat engagieren.

2. Problemzusammenhänge

der Diakonats frage

Es ist allen, die im Blick auf den Diakonat eine Entscheidung erwarten, deutlich, daß der Diakonat nicht das Problem Nummer eins der katholischen Kirche war und ist 16 . Die Diakonatsfrage erscheint deshalb nicht isoliert, sondern immer in anderen, sie umfassenden Problemzusammenhängen, die dann allerdings Teilaspekte oder die ganze Weite der Ekklesiologie thematisieren. Allgemein ist die Frage nach dem Diakonat schon eingebettet in die Frage nach der gegenwärtigen Gestalt der Kirche, nach ihrer pastoralen Organisations· und theologischen Amtsstruktur (Hierarchie). Die katholische Kirche überprüft auf dem Konzil ihre Identität mit ihrem Ursprung, sie prüft die kirchliche Normgestalt oder Normstruktur 17 .

11 A a O Sp. 482. 12 A a O Sp. 479. 13 A a O Sp. 482. 14 Vgl. D C 1962, Sp. 1272. 15 AaO Sp. 1277. 16 D . A . N r . 4, Sept. 1968, S.2. 17 Gottfried Maron, Kirche und Rechtfertigung, S. 30: »Stärker, als es zumeist gesehen wird, hat sich das ZVK mit der >Struktur< der Kirche befaßt, mit dem, was es selbst als >compago visibiliscoetus adspectabiliss als >societas organis hierarchicis instructa< bezeichnet (Lumen Gen-

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» . . . Man kann sagen, daß wohl die Hälfte der Konzilstexte diese Suche nach einem neuen hierarchischen Gleichgewicht widerspiegeln. Die wichtigsten Lösungen, die das ZVK ins Auge gefaßt hat, seien zunächst stichwortartig bezeichnet: Eine neue Stellung des Laien in der Kirche, das Wiederaufleben des Diakonats als eines eigenen Standes in Hilfsfunktion zum Priesterstand, eine neue Wertung des Bischofs in der Kirche, schließlich ein betontes Festhalten an den Bestimmungen des Ersten Vatikanums über das Papstamt in der Kirche bei gleichzeitigem Versuch, dieses Amt auch in einem >kollegialen< Rahmen zu sehen« 18 . Der Diakonat als neues, wiederhergestelltes Amt in der katholischen Kirche ist also Mosaikstein in einem ganz neuen Bild von Kirche, einer neuen Gesamtschau, die durch die Neu-Akzentuierung der Sakramentalität der Kirche bestimmt ist, die auf allen Ebenen und bei allen Problemen zur zentralen Kategorie wird 19 .

j. »Ursakrament Kirche« und Sakramentalität des Amtes Daß sich die Kirche auf die Sendung Jesu Christ als Ursprung stützt, ist selbstverständlich. Doch eine breite Erörterung der Beziehung von Christologie und Ekklesiologie findet sich in den Konzilsakten nicht. Im Gegenteil, es werden biblische Bezüge bewußt außer acht gelassen und damit gerade diese Problematik umgangen 20 . Das Heilswerk Jesu Christi wird nicht erörtert, sondern fraglos die Kirche als »die Fortsetzerin des Heilswerkes Jesu C h r i s t i . . . , und zwar speziell nach dessen sichtbarer, menschlicher Seite« verstanden 21 . Eines wird freilich festgestellt: Christus, als die Einheit von Gott und Mensch, war Sakrament, war sichtbare, greifbare, göttliche Kraft 22 , und dies bedeutet: »Christus will, daß seine Apostel das weiterhin tun sollen, was er während seines Erdenlebens getan hat, und er läßt sie dazu an seiner eitium 8). Als Ausgangspunkt für diese Bemühungen meinten wir die Sorge um die Zeichenhaftigkeit der Kirche bezeichnen zu sollen, die Sorge eben für die rechte Beschaffenheit der sakramentalen >materia< des Ursakramentes, die Sorge für das irdische Element der komplexen Realität Kirche«. 18 Maron aaO S.30f. 19 Maron aaO S. 31: »Das Charakteristische . . . ist nun, daß diese neue Gewichtsverteilung innerhalb der hierarchischen Pyramide nicht primär kirchenrechtlich verstanden werden will. Das Kirchenrecht hat freilich seine beherrschende Rolle in der Sicherung der päpstlichen Autorität behalten. Doch wird in den anderen Fällen in entscheidender Weise die sakramentale Dimension zur Lösung juristischer Probleme herangezogen« (Vgl. Baraunal, 83 ff, 172,176). Vgl. auch Persson, Repraesentatio, S. 133 ff. 20 So hat man z . B . Matth. 25,40 wieder aus der Konzilsvorlage gestrichen. Jeder direkte christologische Bezug wird vermieden. Vgl. Jaques Dupont, Die Kirche und die Armut, in: Barauna I S. 339. 21 Persson aaO S. 18. 22 Vgl. Caminada, Der Diakon, S. 62: Die Kirche ist diejenige, die »in ihrer Gesamtheit den mystischen Leib des Herrn darstellt«.

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gen en Heilsmacht teilhaben. So sichert er einem sündigen Menschengeschlecht einen fortlaufenden Kontakt mit seiner heiligen Menschennatur« (Dom C . Lialine) 23 . »Indem sie Christi Sendung und Funktionen vollführen, bilden die Amtsträger der Kirche eine Prolongation der menschlichen Natur Christi durch die Zeiten und Generationen hindurch. Indem sie Christi Rolle übernehmen und zu jeder neuen Zeit spielen, ist der >sakramentale< Kontakt mit der einmal in der Menschheit Christi gegebenen und für die Erlösung notwendigen Gnade gesichert, solange die Kirche besteht« 24 . »Zuerst kommt Christi eigene menschliche Natur . . . es folgt der Kreis der Apostel, gebildet aus vom göttlichen Wort getrennten selbständig existierenden Hypostasen menschlicher Natur. Diese Menschen bilden zusammengenommen ein der menschlichen Natur Christi analoges Organ oder Werkzeug für das Erlösungswerk« 25 . Diese Apostel nun, die Träger der Vollmacht Christi sind, haben Nachfolger in der Kirche: die Bischöfe, die Hierarchie, »die damit in diesem Sinn als eine Verlängerung des Apostelkollegiums angesehen werden kann. Mit ihm (sei. dem Apostelkollegium) zusammen bilden die Amtsträger der Kirche zu allen Zeiten »eine zweite menschliche Natur Christi« und damit ein »wirksames Heilmittel« 26 , oder anders gesagt: ein »Sakrament« 27 . Die Kirche ist Ersatz für Christus » . . . an seiner Stelle stehen nun andere, die Erlösung aus Gnaden vermittelnde Menschen, die man sehen, hören und berühren kann . . . Ihnen zu begegnen bedeutet, Christus selbst und der durch ihn erworbenen Erlösung zu begegnen« 28 , so faßt Persson klar zusammen. Die Wirklichkeit der Gemeinde als Gemeinschaft tritt damit gegenüber dem Wirken der Apostel als Testamentsvollstrecker Christi in den Hintergrund. Die Einsetzung des Apostelamtes ist »eine entscheidende Grenzziehung innerhalb der Kirche. Die Grenze trennt Menschen mit verschiedenen Befugnissen und begründet die Scheidung von Klerus und Laien« 29 . Doch »auf Christus selbst, und damit auf göttliches Recht, geht noch eine weitere, für die Rechtsstruktur der Kirche entscheidende Grenzziehung zurück, die bereits im Apostelkollegium bestand. Indem Petrus als ihr Führer über die anderen Apostel gesetzt wurde, gehört es ebenfalls zum einmal gegebenen 23 Vgl. Persson aaO S.20 und den Konzilstext Lumen Gentium 19. 24 A a O und Lumen Gentium 19: »Diese Apostel (vgl. 6, 13) setzte er nach Art eines Kollegiums oder eines festen Kreises ein, an dessen Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte (vgl. Joh. 21, 15-17). Er sandte sie zuerst zu den Kindern Israels und dann zu allen Völkern, damit sie in der Teilhabe an seiner Gewalt alle Völker zu seinen Jüngern machten und sie heiligten und leiteten . . .«. 25 A a O S.20 f. 26 Persson aaO S.21. 27 A a O S. 22 und Lumen Gentium 20. Vgl. auch Maron, aaO S. 38: »Insofern muß der Bischof sakramental verstanden werden, ja er ist in gewisser Weise selbst »Sakrament«, weil in ihm allein sich das Sakrament des »ordo« ganz verwirklicht«. 28 Persson a a O S . 22. 29 A a O S. 53.

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und unveränderlichen Wesen der Kirche, daß alle anderen Bischöfe dem Papst untergeordnet sind. Er allein besitzt, wie das Erste Vatikanische Konzil endgültig feststellt, »plenam et supremam potestatem iurisdictionis in universam Ecclesiam« 3 0 . Daß bei allen Reformwünschen »die hierarchische Grundstruktur nicht aufgegeben, sondern erneuert und verbessert werden sollte, gibt das Konzil hinreichend oft zu verstehen« 3 1 . »Auch für das Z V K bleibt deshalb die Kirche eine Gesellschaft von Ungleichen (societas inaequalis), wie es in den Vorarbeiten zum Ersten Vatikanum formuliert wurde, einfach deshalb, weil nicht jedem die gleiche >potestasnicht zum Priestertum, sondern zur Dienstleistung empfangene Mit sakramentaler Gnade gestärkt, dienen sie dem Volke Gottes in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebestätigkeit in Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium. Sache des Diakons ist es, je nach Weisung der zuständigen Autorität, feierlich die Taufe zu spenden, die Eucharistie zu verwahren und auszuteilen, der Eheschließung im Namen der Kirche zu assistieren und sie zu segnen, die Wegzehrung den Sterbenden zu überbringen, vor den Gläubigen die Heilige Schrift zu lesen, das Volk zu lehren und zu ermahnen, dem Gottesdienst und dem Gebet der Gläubigen vorzustehen, Sakramentalien zu spenden und den Beerdigungsritus zu leiten. Den Pflichten der Liebestätigkeit und der Verwaltung hingegeben, sollen die Diakone eingedenk sein der Mahnung des heiligen Polykarp: >Barmherzig, eifrig, wandelnd nach der Wahrheit des Herrn, der aller Diener geworden ist«. Weil diese für die Kirche in höchstem Maße lebensnotwendigen Ämter bei der gegenwärtig geltenden Disziplin der lateinischen Kirche in zahlreichen Gebieten nur schwer ausgeübt werden können, kann in Zukunft der Diakonat als eigene und beständige hierarchische Stufe wiederhergestellt werden. Den zuständigen verschiedenartigen territorialen Bischofskonferenzen kommt mit Billigung des Papstes die Entscheidung zu, ob und wo es für die Seelsorge angebracht ist, der-

55 Lumen Gentium 21. 56 Auch für die Diakonatsfrage gilt, was ζ. B. Schlink ganz allgemein über die Spannungen in den Konzilbeschlüssen sagt (Schlink aaO S. 184ff.). 57 »Die Diakone scheinen nicht von dem - ziemlich ungenau bestimmten - Priestertum ausgeschlossen zu werden, sondern von dem dem Bischof und den Priestern als seinen unmittelbaren Mitarbeitern vorbehaltenen Amt, den Vorsitz zu führen« (Keerkvoorde, in: Barauna II S. 240). 58 Lumen Gentium 21. 59 Vgl. Keerkvoorde aaO S. 240. 60 Wie schon angedeutet, ist dies auch der logische Grund dafür, daß der biblische Beleg Matth. 25,40 wieder aus der Konzilsvorlage herausgenommen wurde. Diese Stelle hätte nämlich genau zu der Konsequenz führen müssen, daß der Diakon auch Diener Christi ist.

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artige Diakone zu bestellen. Mit Zustimmung des Bischofs von R o m wird dieser Diakonat auch verheirateten Männern reiferen Alters erteilt werden können, ferner geeigneten jungen Männern, für die jedoch das Gesetz des Zölibats in Kraft bleiben muß«.

Der erste Satz des Abschnittes 29 ist sehr ernst zu nehmen. »Non ad sacerdotium, sed ad ministerium« wird der Diakon geweiht und über den Laien gesetzt, indem der Diakon bestimmte liturgische Aufgaben, Predigt oder Katechese und bestimmte Aufträge in der Liebestätigkeit übernimmt - aber nur »je nach Weisung der zuständigen Autorität«. Der Diakon handelt für den Bischof, aber nicht in Abwesenheit des Bischofs, nicht »absente episcopo« 61 . Er ist, wie es ein vorkonziliares Bild ausdrückt, »Levit« 62 , unselbständiger Handlanger. Eine Formulierung innerhalb des Abschnitts 29 freilich könnte anderes andeuten oder ermöglichen, wenn es heißt: »Mit sakramentaler Gnade gestärkt, dienen sie dem Volke Gottes in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebestätigkeit in Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium« 63 . Wie ist dieses »in Gemeinschaft mit« zu verstehen? Die Interpretation wird zuerst fragen müssen, ob der Ausdruck, die Diakone »dienen dem Volk Gottes« eine echte theologische Aussage ist oder nur spirituelle Füllung. Eine eindeutige Antwort wird sicher nicht gegeben werden können, obwohl im Kontext von Abschnitt 29 deutlich ist - und hier muß noch einmal der erste Satz von Lumen Gentium 29 als Voraussetzung aller folgenden Sätze in Erinnerung gerufen werden! - daß die Dienstleistung des Diakons logisch zuerst eine Dienstleistung gegenüber dem Bischof ist, der ihn beauftragt und für den er »dient«. In zweiter Linie ist die Tätigkeit des Diakons auch von Wert für die Gläubigen, denn der Bischof schickt ihn ja - und dies ist deshalb auch etwas, was ihn mit Bischof und Priester vor den Laien in eine Reihe stellt. In der nachkonziliaren Interpretation der Konzilstexte meinten dann viele, hierin eine Offenheit finden zu können, die eine gewisse Gleichrangigkeit ermöglichen könnte 6 4 .

61 Kardinal Suhard, Le Pretre dans la Cite, Paris 1949, S. 95. Die Formel stammt aus dem Pontificale Romanum. 62 Bruno Kleinheyer, D e r Diakonat im Licht der römischen Weiheliturgie, in: Diaconia in Christo, S. 86 und S. 8 7 : »Wie der Dienst der Leviten am Heiligen Zelt ist der Dienst der Diakone«. Auch nach dem Konzil ist dieser Sprachgebrauch weiterhin gültig. Vgl. P. Winninger, Les diacres, Paris 1967, S. 36: »Der Diakon i s t . . . ein dienender Levit. Seine besondere Berufung ist die eines Helfers, dem Bischof ergeben für jeden Dienst«. 63 »Diaconi inserviunt populo Dei in communione cum episcopo et suo presbyterio . . . « Diese Formulierung findet sich noch einmal im Dekret über die Hirtenaufgabe 15. 6 4 Es ist bezeichnend, daß im Konzilstext ein wichtiges W o r t bei dem Zitat »non ad sacerdotium, sed ad ministerium« weggelassen wurde: »episcopi«. In den Constitutiones Ecclesiae Aegypticae III, 2 ed. Funk, Didascalia II, 103 heißt es: » . . . non in sacerdotio ordinatur, sed in ministerio episcopi ut faciat ea quae ab ipso iubentur«. Später wird zu diskutieren sein, ob mit der Einschränkung des Konzilstextes der Charakter des Diakons als eines persönlichen Assistenten des Bischofs aufgehoben sein soll. Μ . E . muß dies zutreffen: D e r Diakon soll tatsächlich in der Dreistufigkeit der Hierarchie unter dem Priester stehen. Vgl. auch Caminada aaO S. 2 2 und

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Doch nicht nur in Lumen Gentium 20 und 29 finden sich Aussagen zum Diakonat, viele andere Stellen streifen ihn mehr oder weniger deutlich 65 , sie sagen aber nichts Neues oder Anderes, was den Haupttext, Lumen Gentium 29, infrage stellen könnte. Ausdrücklich ist Lumen Gentium 29 vom Konzil als N o r m text markiert worden 6 6 . Alles, was das Konzil im Blick auf den Diakonat gesagt hat, muß an der »Norm« geprüft werden. So ist das als Nebensache zu verstehen, was z . B . im Dekret über die Priesterausbildung 12 gesagt ist: »Weiter sollen die Bischöfe . . . . überlegen, ob es angebracht ist, die Alumnen nach Abschluß des theologischen Studiums noch eine angemessene Zeit den Weihediakonat ausüben zu lassen, bevor sie zur Priesterweihe zugelassen werden« 6 7 . Es ist erstaunlich, daß der Diakonat als »eigene und beständige Stufe« in fast traditioneller Weise seiner Besonderheit wieder beraubt ist. Im Dekret über die Priesterausbildung ist der Diakonat als Möglichkeit einer zuverlässigeren Erprobung für den Priesteramtskandidaten gesehen, also wiederum als Durchgangsstufe in dem freilich weiteren Sinn, der ja zumindest theoretisch die Möglichkeit beeinhaltet, daß ein Kandidat nicht zum Priesteramt zugelassen wird und auf der »Stufe« des Diakonats verharrt 6 8 . All dies heißt ja nichts anderes, als daß das Priestertum in Einschätzung und tatsächlicher Stellung dadurch auch wieder einen höheren Wert als der Diakonat besitzt. Der erste Satz von Lumen Gentium 29 behält fraglos den Charakter einer Kernthese, an der niemand vorbeikommt. Eigenständigkeit bedeutet für den Diakonat nicht prinzipielle Gleichwertigkeit mit kirchlichen Ämtern, sondern nur die einfache Existenzberechtigung. Wirklichkeit und Verwirklichung des Dia-

S. 70, bes. Anm. 194, wo H . Vorgrimler zitiert wird (H. Vorgrimler, Kommentar zum 3. Kapitel, Art. 29, Lumen Gentium L T H K 2 Erg. band I, Sp. 258): »Man darf in dem >in communione« die zur Zeit am ehesten mögliche Korrektur an der Auffassung einer einbahnigen Stufenleiter innerhalb der Hierarchie sehen (ζ. B. gegen Thomas, S. Th. Suppl. Q . 37a. 2). Es bleibt abzuwarten, ob die konkrete Verwirklichung des Diakonats diesem Hinweis auf die relative Eigenständigkeit und Besonderheit des Diakonats Rechnung trägt«. 65 Vgl. Lumen Gentium 29; 41; Konstitution über die Heilige Liturgie 35, Dekret über die kath. Ostkirchen 17, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe 15, Dekret über die Ausbildung der Priester 12. v 66 Der normative Rang der Kirchenkonstitution gilt auch für andere Konzilsthemen, wie ζ. B. für das Dekret über den Ökumenismus. Die dogmatischen Bestimmungen in Lumen Gentium sind feste Interpretationsgrundlagen. Vgl. E. Schlink, Nach dem Konzil, 1966, S. 52. Zur normativen Geltung von Lumen Gentium 29 für die Diakonatsfrage vgl. Ad gentes 16 und Anm. 41 zu Ad gentes 16 (Rahner-Vorgrimler S.628). 67 Rahner-Vorgrimler, Konzilskompendium S. 303. 68 Vgl. R . Völkl, Dienende Kirche S. 88. Völkl ist sehr optimistisch, wenn er sagt: »Es bleibt zu hoffen, daß er (der Priester) dadurch auch die Tätigkeit des eigenständigen Diakons etwa in seiner zukünftigen Pfarrei und überhaupt den sozialkaritativen Auftrag der Kirche besser verstehen und höher schätzen lernt«. Völkl setzt dabei aber voraus, daß es beim Diakonat so etwas wie profilierte Eigenständigkeit gibt, die - ζ. B. in der Kontinuität des sozialkaritativen Dienstes - den Diakonat als besonderes Tätigkeitsfeld betrachtet, eine Sicht, die von den Konzilstexten her aber mehr als Wunsch denn als Realität zu beurteilen ist.

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konats geschieht nur in den Bahnen, die die Tradition vorgezeichnet hat. Die Struktur der Kirche bleibt auch durch den Diakonat unveränderbar. E. Schlink summiert illusionslos: »Fassen wir die Darlegungen der Konstitution über die Gliederung der Kirche zusammen, so ist deutlich, daß hier ein jedes Glied seinen Ort in einem pyramidalen System von Uber- und Unterordnungen, von umfassenden und begrenzten Vollmachten und von entsprechenden Gehorsamsverpflichtungen erhält - dessen Spitze in der Fülle der Leitungsgewalt des Papstes ist« 6 9 . Die traditionelle Auffassung von der Kirche erfährt durch das Konzil seine ausdrückliche Zementierung. Kirche ist nicht zuerst ausgeteilte Erlösung, befreite Gemeinschaft, sondern austeilende Erlösung, religiöse Monopolwirtschaft. Die Konzilstexte erlauben kaum eine andere Interpretation als die, daß »die iurisdiktionell hierarchische Ordnung den Vorrang erhält gegenüber dem in der gottesdienstlichen Versammlung sich schenkenden Herrn« 7 0 . Die Ortsgemeinde spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die bestimmte Form des Altarsakraments und das es verwaltende und verfügende Amt sind ekklesiologische Aprioritäten, die auch solche Begriffe wie »Dienst«, »Armut« und »Volk Gottes« (Auf den letzteren wird noch genauer einzugehen sein), die in der Konstitution Lumen Gentium gehäuft auftauchen und den Eindruck einer kräftigen Reformtendenz hervorrufen könnten, erheblich relativieren. Es ist eben das gleiche Dilemma, das schon Winningers Buch von 1958 durchzogen hatte: »Die paulinische Lehre von der Verschiedenheit der Gaben und der Vielfältigkeit der Aufgaben im >corps ecclesial·« 71 steht, wenn man nur aus 1. Kor. 12 die Lehre von der völligen Einheit und Gleichwertigkeit der Teile des einen Leibes, die schon Winninger unterschlagen hatte, hinzunimmt, in unaufhebbarer Spannung zum Reservat priesterlicher oder hierarchischer Vollkommenheit. So kennzeichnen den Begriff des Diakonats, wie er sich am Ende des Konzils darstellt, vielerlei Schwächen. Die Eigenständigkeit ist eine relative, sowohl prinzipiell theologisch: der Priester hat einen unaufgebbaren Vorrang, er steht seinsmäßig eine Stufe höher, als auch funktionsmäßig: Die Aufgaben des Diakons sind keine prinzipiell diakonischen Aufgaben, sondern entspringen der rein faktischen Nichterfüllung durch die Priester (und in einem gewissen Sinn auch durch den Bischof). Dazu kommt die psychologische Wirkung auf das Kirchenvolk: Der Diakon wird, da die echte Eigenständigkeit und der Eigenwert der Aufgabe fehlt, im negativen Sinn Priesterersatz sein 72 . Seine Tätigkeit wird immer Mangelcharakter haben. Der Versuch, die Kluft zwischen Klerus und Laien zu überwinden, wird dadurch ins Gegenteil

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Schlink aaO S. 87. Schlink aaO S. 93. Winninger, Vers un renouveau S. 137. Vgl. Schlink aaO S.83f.

verkehrt. Die priesterliche Vollmacht wird aufgewertet und die Kluft zu den Laien vertieft 73 . Der Dienst des Diakons, wie ihn das Konzil versteht, ist zuerst Dienst als Tätigkeit der untersten hierarchischen Stufe. Also zwar kirchlicher Dienst, aber mit einem geringeren Gehalt an Eigentlichkeit, an Christusoffenbarung oder Christusrepräsentation. Eine bedenkenswerte Neuerung bringt der konziliare Diakonatsbegriff, indem er das Zölibat antastet. Auch verheiratete Männer dürfen Diakone und damit Mitglieder der Hierarchie sein, sofern sie reiferen Alters sind (viri maturi uxorati). Hier ist in der Tat ein Ansatzpunkt zu einer Reform gegeben, die Amt und Kirche total betrifft, denn die Bestimmung »reiferes Alter« kann flexibel ausgelegt werden.

6. Diakonat und Laienstand Uber die Aufgabe der Laien hat das Konzil ein eigenes Dekret abgefaßt, nachdem schon im ganzen 4. Kapitel der Kirchenkonstitution und dann in der Pastoralkonstitution »Kirche und Welt« (Art. 21 und 43) wichtige Aussagen über die Aufgabe der Laien gemacht sind 74 . Das Thema »Laie« ist »neu« auf dem ZVK 75 . Immer wieder wird das prägnante Beispiel aus dem Katholischen Kirchenlexikon von Wetzer und Welte von 1891 zitiert, das unter dem Stichwort »Laien« vermerkt: »Laien, s. Clerus« 76 . Das alte Gegenüber von Laien und Klerus - nach dem Konzil spricht man von den »sogenannten Laien« 77 - sollte aufgehoben und gegenüber der missionarischen Aufgabe in einer industrialisierten Welt zu einer neuen Einheit zusammengefügt werden. Erzbischof D'Souza von Bhopal hatte sehr scharf in der Debatte über das Laienapostolat im Blick auf die Textgestalt des Dekrets gesagt, »es sei an der Zeit, die Laien als Erwachsene anzusehen . . . Jetzt machen wir in der Kirche eine Reformperiode durch und am meisten reformbedürftig ist der Geist des Klerikalismus. Laien müssen vom Klerus als Brüder behandelt werden, und dieser darf nicht mehr versuchen, Verantworung an sich zu rei-

73 Auch wenn immer wieder behauptet und gefordert wird, der Diakonat solle die Kluft zwischen Priester und Laie vermindern, evtl. eine Brücke sein, so ist doch offensichtlich, daß mit einem solchen Diakonat die Kluft noch größer werden und der »Gewinn« des Diakonats durch diesen »Verlust« wieder längst aufgehoben werden kann. Vgl. auch Caminada aaO S.65af. 74 Die Pastoralkonstitution wurde am 7. Dez. 1965, erst drei Wochen nach Verabschiedung des Dekrets über das Laienapostolat vom Konzil gebilligt. 75 Vgl. Maron aaO S. 40f. 76 Kirchenlexikon, Bd. 7, 1891, Sp. 1323; vgl. Maron aaO S. 41, der noch weitere Beispiele für die Reformbedürftigkeit der Einstellung der Hierarchie zu den Laien bringt und diese zusammenfaßt: »Die Kirche war lediglich >Heilsanstaltbediente< die Laien und forderte dafür eine entsprechende >Vergütungperfectum Christi signum inter homines< macht (Missionsdekret 21). Die Laien können bei der Darstellung des >signum unitatis< vor der Welt nicht fehlen (Kirche in der Welt, Pastoralkonstitution 21) und sie sind es, die das >signum communitatis Ecclesiae< in überwiegend nicht-katholischen Ländern vor den Augen der Nicht-Katholiken (coram aliis) zur Erscheinung bringen (Dekret über das Laienapostolat 17). Kurzum: ohne die Arbeit der Laien ist das sacramentum Ecclesiae in seiner Wirksamkeit eingeschränkt, denn ohne sie kann die Kirche in der Welt nicht zureichend präsent und wirksam sein (Dekret über das Laienapostolat l)« 7 9 . Die Laien werden also durch das Konzil in die Aufgabe der Kirche miteinbezogen. Sie haben ein Amt: das Apostolat, oder anders gesagt, sie vertreten das kirchliche Amt in ganz spezieller Weise: »Da nun die Laien - im Unterschied zum Klerus als Christen >in der Welt< leben und daher aktiv an allen Äußerungen des staatlichen und kulturellen Lebens teilnehmen, wird das aktive Zeugnis des persönlichen Einsatzes in erster Linie in ihrem Verhältnis zur >Welt< zum Ausdruck kommen. Da sie sich an einer Frondinie befinden, an der die Priester nicht stehen, sind sie als Laien unmittelbar mitverantwortlich für die Aufgabe der Kirche, die Welt nach dem Gesetz Christi umzuformen und so ist die >consecratio mundiinneren< Kreis repräsentiert, der die lebendige Quelle des Ganzen bildet und unmittelbar um der Laiengemeinde willen da ist, die mit einer >äußeren< Kreislinie umschrieben wird« 8 2 und die Welt in einen profanen und heiligen Teil aufteilt. Denn: »Die Laien sind keine profanen Menschen, sondern Glieder der Kirche in einer profanen Welt« 83 . Jeder, der Christ ist, muß Mitverantwortung am Sein und Werden der Kirche in der Welt haben, »denn die christliche Berufung ist ihrer Natur nach auch Berufung zum Apostolat« (Laienapostolat 2). Kraft ihrer Vereinigung mit Christus haben die Laien »Pflicht und Recht zum Apostolat«. Sie sind »vom Herrn selbst mit dem Apostolat betraut« (Laienapostolat 3; vgl. Lumen Gentium 33) 84 .

a) Taufe und die Zugehörigkeit zum Volk Gottes Die Bedeutung des Sakrament und der Sakramentalität ist durch das Konzil noch weiter hervorgehoben worden. Das, was Kardinal Suhard 1949 formulierte, ist durch das Konzil eindrucksvoll theologisch zum System ausgestaltet worden 85 . Auch die Laien sind solche »handgreiflichen Zeichen« und sie müssen es sein: für die heidnische Umwelt, stellvertretend für das Priestertum, bei den Nichtchristen 86 . Innerhalb der Kirche ist der Priester, als Mitglied der Hierarchie (der Bischof noch in vollkommenster Weise), das größte und klarste Zeichen - handgreiflicher jedenfalls als das Zeichen des Laien, denn das Priestertum hat »kraft einer Delegation durch Gott selbst« teil an 81 Rahner-Vorgrimler, Konzilskompendium S. 383 f. 82 Persson aaO S. 136. 83 E. Schillebeecks, Die typologische Definition des christlichen Laien, in: Baraüna II S. 278. 84 Vgl. R. Völkl aaO S.98. 85 Kardinal Suhard, Der Priester in der Welt des Menschen, 1949, S. 43 f. »Wenn es nur einen einzigen Priester gibt, Christus, wie kann es dann noch andere Priester auf Erden geben? Die Frage stellt sich tatsächlich. Aber einmal mehr liegt die Lösung im Erbarmen Gottes. Weil er die Lage des Menschen kennt, weiß er, daß wir handgreiflicher Zeichen bedürfen. Und welche Zeichen können lebendiger sein als menschliche Personen?« 86 Vgl. Völkl aaO S. 104: »Unbedingt notwendig ist namentlich ihr Apostolat des Worts dort, wo ein Mangel an geweihten Amtsträgern besteht oder diese an der Ausübung ihrer Pflichten behindert sind, wo also die Kirche ohne diesen Dienst der Laien nicht präsent und wirksam werden kann . . . «

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der Sendung der Kirche, um in den Laien »das göttliche Leben zu zeugen und zu erhalten« 8 7 . Die Zusammengehörigkeit von Priestertum (ordo) und Laientum in einer Kategorie ist also nur im Blick auf die missionarische Dynamik der Kirche (Apostolat) hin denkbar. Man kann jetzt vom »gemeinsamen Priestertum« sprechen 8 8 . Der »Laie« repräsentiert gegenüber den Nichtchristen also das Priestertum des Priesters insoweit er sich selbst in dieses Priestertum hineinbegibt! Er, der Laie, ist also indirekt Priester, Werkzeug des Priesters, er übt sich und seine Existenz in »aktivem Gehorsam« 8 9 , nicht mehr nur in passivem Gehorsam 9 0 . Der qualitative (nach Lumen Gentium 29: seinsmäßige) Unterschied, die Trennung in zwei Ebenen innerhalb der Kirche, bleibt also bestehen und zwar noch stärker und unerschütterlicher als zuvor. Persson weist klar darauf hin, »daß das für die neuere römisch-katholische Theologie bezeichnende Interesse an den Laien und ihrer für die Kirche als ganze notwendigen Rolle und Aktivität nicht ohne weiteres als Annäherung an die reformatorische Haltung in dieser Frage angesehen werden darf« 9 1 . Im Gegenteil ist die katholische Kirche auf dem Weg, sich in ihrem theologischen System noch weiter von der reformatorischen Position abzusetzen. Dies wird deutlich, wenn wir nach der Bedeutung der Taufe fragen, die nach dem Konzil in die Sakramentshierarchie der Amter eingeordnet ist und als Sakrament des Laienstandes ja nun plötzlich die unterste Stufe aller Sakramente erhält. Das christliche Taufsakrament wird zum untersten Amtssakrament degradiert 92 , indem es mit den kirchlichen Amtssakramenten auf ei87 Vgl. Suenens, L'Eglise en etat de mission, Paris 1955, deutsch: Die Kirche im apostolischen Einsatz, Freiburg (Schweiz), o. J., S.77. Er zitiert indirekt De Lubac. 88 Vgl. Suenens aaO S. 76; an Konzilstexten: Laienapostolat 3, Missionstätigkeit 15, Dogmatische Konstitution über die Kirche 9, 10,26, 34. Bes. auch Gustave Martelet, Die Kirche und das Zeitliche, Auf dem Wege zu einer neuen Auffassung, in: Baraunal S. 483: »Das Priestertum der Gläubigen wird >sacerdotium commune«, gemeinsames Priestertum« genannt, weil es allen zugehört und nicht, weil es allgemeiner Art ist«. Vgl. auch die gute historische Darstellung bei Persson aaO S. 106. 89 Persson aaO S. 112. 90 Persson, aaO S. 101 f: »Je intensiver der Laie an der Sendung und Aufgabe der Kirche teilnimmt, desto größer und intensiver wird seine Abhängigkeit und Unterordnung unter die Hierarchie.« Sachlich hat Persson sicher Recht. Theologisch jedoch muß die Reihenfolge umgekehrt sein, wie oben formuliert. Vgl. auch aaO S. 137 und Schmaus, Katholische Dogmatik III, 1, 1958, S. 729. 91 Persson aaO S. 141. 92 Es ist bezeichnend, daß in den Konzilsaussagen, in denen der Grund des Laienapostolats ausgesagt wird, nie von der Taufe allein die Rede ist, sondern stets von »Taufe und Firmung«. Vgl. Lumen Gentium 33: »Der Apostolat der Laien ist Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst. Zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung bestellt. Durch die Sakramente, vor allem durch die heilige Eucharistie, wird jene Liebe zu Gott und den Menschen mitgeteilt und genährt, die die Seele des ganzen Apostolats ist.« Oder vgl. Laienapostolat 3: »Denn durch die Taufe dem mystischen Leib Christi eingegliedert und durch die Firmung mit der Kraft des Heiligen Geistes gestärkt, werden sie von dem Herrn selbst mit dem Apostolat betraut«. So hat sich die schon in der Enzyklika Pius XII. »Mystici corporis« ange-

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ner Ebene gesehen wird. Die Taufe ist so nichts anderes als eine Teilhypostasierung der menschlichen Person, die den Getauften fähig macht, in Verbindung mit dem vollkommen Hypostasierten kraft dieser Verbindung dennoch etwas »Ganzes«, ein ganzer Christ zu sein. Persson interpretiert klar: »Die Taufe ist somit etwas, das von Grund auf der hier beschriebenen und für die römisch-katholische Ekklesiologie zutiefst charakteristischen Schematik zuwiderläuft, wonach das Heil durch Kontakt mit dem Christus repräsentierenden Amtsträger gewonnen wird. So wird auch die Taufe zu einem diese Gedankenkonstruktion störenden Moment« 9 3 . Dadurch, daß die Taufe praktisch unter die gleiche Struktur wie die Amtsweihe fällt, ergibt sich die widersinnige Entwertung der Taufe zur Übertragung einer Teilvollmacht, deren Mangelcharakter der Christ nur dadurch abschütteln kann, daß er nach einem höheren Amt, einer höheren Weihe strebt. Oder er läßt sich in totalem Gehorsam seiner eigenen Glaubenspersönlichkeit berauben. Christusförmigkeit läßt sich so ja nur durch Unterwerfung unter die Gesetze des höchsten Christusrepräsentanten erreichen94 - klassisch der »sensus catholi95

cus« . Die schon erwähnte Formel vom Volk Gottes, oder vom »pilgernden Gottesvolk, in dem alle solidarisch sind«, in dem auch der Laie »seinen ureigenen rechtmäßig zukommenden Platz« hat 96 , stellt damit eine Einheit dar, die an Stelle eines bewußten Aktes der Uberzeugung und Identifizierung des Einzelnen mit der Kirche eine starke Entpersönlichung des gläubigen Christen stellt 97 . Subjekt des Heils ist nicht primär der Einzelne, sondern das Volk, die Kirche als Ganzheit! Die Rechtfertigung für eine solche »Abwendung von der individualistischen Frömmigkeit und die Ausrichtung auf gemeindeutete Tendenz im Konzil voll durchgesetzt, nach der die Taufe allein nicht genügt. S. dazu M. Schmaus, Kath. Dogmatik III, 1, S. 415: » N a c h dem kirchlichen Rechtsbuch und den früheren Lehräußerungen scheint die Taufe allein zu genügen und auch notwendig zu sein. Nach der Enzyklika über den mystischen Leib Christi sind jedoch für die wirkliche Gliedschaft in der Kirche noch zwei weitere Bedingungen erforderlich: der wahre Glaube und die Unterordnung unter die kirchliche Hierarchie«. S. auch Persson a a O S. 138. N a c h den Aussagen des Konzils ist diese weitere Bedingung konkret die Firmung. Bis heute sind m. E. die Konsequenzen für das ökumenische Verständnis der Taufe noch nicht voll gezogen worden. 93 S. a a O S. 138. Persson zitiert auch Schmaus, Kath. Dogmatik III, 1, S. 410 ff, der diesen Zwiespalt auch offen eingesteht. 94 So wird auch der Inhalt der Christologie als das Bringen eines neuen Gesetzes und Christus als Legislator bezeichnet. Vgl. Schmaus, Kath. Dogmatik III, 1, S. 724. S. auch die umfassende Diskussion bei Persson aaO S . 5 9 f f . 95 Vgl. Maron a a O s. 80, Persson a a O S. 117, der Thomas von Aquin zitiert: »ille est superior, qui secundum maiorem perfectionem Christum repraesentat« (S. T h . supp. qu 40, 4, ad 3). Die schon bei Thomas deutliche Konsequenz, daß das A m t über die Taufe geht, ist eben darin natürlich, daß es irgendein Kriterium des Christseins geben muß. Wenn die Taufe keines ist, dann ist es das A m t . 96 O . Rousseau O S B , D i e Konstitution im Rahmen der Erneuerungsbewegungen in Theologie und Seelsorge während der letzten Jahrzehnte, in: Barauna I S. 37. 97 Maron a a O S . 2 0 3 .

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schaftsbestimmte Formen« 9 8 bezieht man aus eschatologischen Kategorien, die alle eine gewisse innerweltliche Entwicklung der Kirche innerhalb menschlicher Gesellschaften ins Auge fassen, für die sich das Opfer der Persönlichkeit lohnt. Es ist - wie wir hier wieder sehen - nichts anderes als das traditionelle Verständnis von Kirche, das sich in der neuen Vokabel »Volk Gottes« ausspricht. Der Zusammenhang von Ad Gentes 15 sagt es eindeutig: Mit dem Begriff »Volk Gottes« ist weder das Monopol der Christenrepräsentation des »ordo« aufgehoben, nocht ist damit das Evangelium in der Welt voll präsent gemacht. Die zum Begriff »Volk Gottes« gehörenden christologischen Aussagen sind alle ohne Ausnahme Eigentum des Priesteramtes 99 . Alle getauften Christen sind dann nicht aus Gründen der Christusförmigkeit Mitglieder des Volkes Gottes«, etwa als Reich-Gottes-Bürger, sondern deshalb, weil ihnen das volle Maß an Heiligkeit fehlt, denn »dieses Volk Gottes bleibt zwar während seiner irdischen Pilgerschaft in seinen Gliedern der Sünde ausgesetzt, aber es wächst in Christus . . ., bis es . . . zur ganzen Fülle der ewigen Herrlichkeit im himmlischen Jerusalem freudig gelangt« 100 . Guten Aufschluß über den rein eschatologischen Inhalt des Begriffs »Volk Gottes« liefern dann weitere Bestimmungen aus Lumen Gentium 1 0 1 . Bringen wir diese auf eine Formel, so kann dies nur heißen: Zum Volk Gottes gehören all die, die jetzt auch zum Volk der Kirche gehören und die dabei schon nicht mehr ganz nach dem Fleisch leben und ihr Ausgerichtetsein auf Christus, das Haupt, darin zu erkennen geben, daß sie ausgerichtet sind auf die Eucharistie und die diese verwaltende Hierarchie: ». . . durch die Sakramente, deren geregelte und fruchtbare Verwaltung sie mit ihrer Autorität ordnen, heiligen sie (sei. die Bischöfe) die Gläubigen . . . Ferner ermahnen und unterweisen sie sorgsam ihr Volk, daß es in der Liturgie und vorzüglich im Meßopfer seinen Anteil gläubig und ehrfürchtig erfülle« 102 . Die erst eschatologisch Wirklichkeit werdende volle Solidarität unter der Herrschaft Christi bedingt, daß nur der in der Kirche Repräsentant der eschatologischen Wirklichkeit sein kann, der sich auch in gewisser Weise schon 98 Rousseau aaO S. 41. 99 Rahner-Vorgrimler, Konzilskompendium, S. 561, Dekret über Dienst und Leben der Priester, Abschnitt 1: »Durch die Weihe und die vom Bischof empfangene Sendung werden die Priester zum Dienst für Christus, den Lehrer, Priester und König bestellt. Sie nehmen teil an dessen Amt, durch das die Kirche hier auf Erden ununterbrochen zum Volk Gottes, zum Leib Christi und zum Tempel des Heiligen Geistes auferbaut wird«. Vgl. auch S. 563, Abschnitt 2, der Rom. 15, 16 und 1. Kor. 11, 26 zitiert, also sehr stark eschatologisch ausgerichtet ist. 100 Dekret über den Ökumenismus, Abschnitt 3, Konzilskompendium S. 233. 101 Lumen Gentium 9: »So hat er (Gott) sich aus Juden und Heiden ein Volk berufen, das nicht dem Fleische nach, sondern im Geist zur Einheit zusammenwachsen und das neue Gottesvolk bilden sollte« . . . »Dieses missionarische Volk hat zum Haupte Christus, der hingegeben worden ist wegen unserer Sünden und auferstanden ist um unserer Rechtfertigung willen (Rom. 4, 25) und jetzt voll Herrlichkeit im Himmel herrscht«. 102 Lumen Gentium 26.

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freiwillig, vorab, der Welt und ihren Gesetzen entzieht und »geistlich« lebt, weil Christus ja der himmlische geistliche Christus ist und nicht mehr Reste der Welt und Weltlichkeit haben kann. Diese Weltlichkeit ist mit seiner Auferstehung abgetan. Christusförmigkeit bedeutet entsprechende Entweltlichung: »Der Priester hat seine Besonderheit vor allem durch seinen Zölibat, nicht durch sein Priesteramt. Totale Enthaltsamkeit, Gott geweiht, hat einen höheren Sinn« 1 0 3 . Dementsprechend wird für einen Verheirateten, konkret für einen verheirateten Diakon, der ein kirchliches Amt ausüben soll, »der Zölibat nur schwer aufzuwiegen sein«. »Wille und Standhaftigkeit können so schwerer bewiesen werden« 104 .

b) Die Laienthologie des Konzils und die Konsequenzen für den Diakonat Ausführlich ging das Konzil auf die Frage >Laie< und >Laienapostolat< ein. Dies hat seinen Grund vor allem darin, daß der Diakon vor seiner Weihe ja auch nichts anderes als ein Laie ist und danach in gewisser Weise auch Laie bleiben soll, wenn er die »Brückenfunktion« zwischen Klerus und Laie übernehmen soll. So warnt ja Kardinal Suenens: »Es wäre. . . notwendig, daß diese neuen Diener der Kirche die volle Spontaneität ihres Glaubens und den Reichtum ihrer bisherigen Erfahrungen wie auch ihrer weltverbundenen Sprache, ihres verständlichen Vokabulars bewahren; ansonsten machen wir aus ihnen bloß einen neuen Zweig des Klerus, das heißt: eine Welt für sich, die weithin unfähig ist, mit allen übrigen Lebensbereichen ins Gespräch zu kommen« 1 0 5 . Aufschlußreich ist auf alle Fälle, daß der aus diesem Interesse entspringende Begriff des »Laiendiakonats«, der besonders in Amerika häufig ist und auf dem Konzil nicht selten zu hören war, heftig abgewehrt wird 1 0 6 . Auch Karl Rahner stellt klar fest: Wenn es diesen »Unterschied zwi-

103 R. Clement, A propos de mariage et ministere hierarchique, in: D . A. 12, S . 5 . 104 H . Denis, Sens du renouveau du diaconat, in: D . A . 2, S . 3 . 105 Kardinal Suenens, Zum Problem des ständigen Diakonats, in: D I A C O N I A X P 18/19, 1971, S. 53. 106 L . J . Kardinal Suenens, La co-responsabilite au niveau du diaconat, A u s z u g aus: L a coresponsabilite dans l'Eglise d'aujourd'hui, Paris, 1968, S. 6. Suenens zitiert hier Chanoine J . H u ard, D e s diacres en Belgique? in: Revue diocesaine de Tournai, 1967, S. 34: »Die Diakone sind keine Laien mehr, wenn sie die erste Weihestufe des sakramentalen Amtes erlangt haben. Von einem Laiendiakonat zu sprechen entbehrt also jeglichen Sinnes. Sogar wenn er verheirateten Männern übertragen wird, verliert der Diakonat nicht seine sakramentale Natur, er bewirkt eine ein für alle Mal gültige Weihe bei dem, der sie empfängt und er ist der Eintritt in die Amtshierarchie«. S. auch H . Vorgrimler, Erneuerung des Diakonates nach dem Konzil, in: Der Seelsorger 35, M ä r z 1965, S. 104. Vorgrimler interpretiert Lumen Gentium 29 und stellt fest: »Einerseits wird damit bestätigt, was für den Fachtheologen nie eine Frage war: Die Diakone gehören zum Klerus und, dogmatisch noch genauer, zur Hierarchie iuris divini. O b w o h l das schon immer bekannt und 1957 von Pius X I I . nachdrücklich in Erinnerung gerufen worden war, sprechen noch

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sehen der Hierarchie und dem Kirchenvolk trotz des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen« 1 0 7 gibt, »dann bedeutet das, daß sämtliche Aufgaben und Vollmachten eines Diakons durch diese allgemeine Eigentümlichkeit der Aufgaben und Vollmachten des hierarchischen Amts in der Kirche im Unterschied zu den Aufgaben und Vollmachten der Laien charakterisiert sind« 1 0 8 . Was ist aber nun nach Rahner die »allgemeine Eigentümlichkeit der Aufgaben und Vollmachten des hierarchischen Amtes«? Sehr problematisch formuliert Rahner: »Der Umstand also, daß für eine oberflächliche Betrachtung das meiste von dem, was dieser künftige >absolute< Diakon tun wird auch von Laien getan werden kann, spricht bei genauer Analyse des Tuns nicht für seinen wirklich laikalen Charakter, sondern für die Forderung, daß ein solcher Amtsträger jene kirchliche und unter Umständen sakramentale Weihe erhält, die es für die Ämter in der Kirche gab oder gibt. Daß die Grenze zwischen einer laikalen Aufgabe und einer hierarchischen (>nach untenex episcopis, presbyteris et ministris< bestehe« (Denz. 966 aaO). Aber offensichtlich ist dies so. Vgl. auch J. Hornef, Diakon-Laie-Frau in der Kirche, Heiliger Dienst 2/3,1969, S. 136 f; M. D . Epagneul, Le diaconat demain, Nouvelle Revue Theologique Nr. 6, 1965, S. 597: »Niemand kann gleichzeitig Kleriker und Laie sein«. 107 Karl Rahner, Die Theologie der Erneuerung des Diakonats, in: Diaconia in Christo S. 312f. 108 A a O S. 313. 109 Rahner aaO S.313.

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Unterschied, dem auch der Diakonat, wenn man so sagen kann, zum Opfer fällt, geschrieben hatte, ist durch das Konzil eindeutig bestätigt worden: »Grundlegend ist jedoch für das katholische Kirchenverständnis der Unterschied von Laien und Klerus. Er ist nicht das Ergebnis geschichtlicher Entwicklung, sondern Bestimmung Jesu Christi. Er ist göttlicher Herkunft. Mag die nähere Ausgestaltung des Verhältnisses von Laien und Priestertum auch durch die geschichtlichen Entwicklungen bedingt sein, so ist doch die unverwischbare Verschiedenheit selbst durch Christus geschaffen worden und kann daher nicht aufgehoben werden, weder durch einen Wunsch der Laien, noch durch eine Maßnahme der Priester« 110 .

110 M. Schmaus, Katholische Dogmatik III, 1, 1958, S.465.

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VI. Die Interpretation der Konzilsäußerungen zum Diakonat /. Die Interpretation Karl Rahners Rahner stellt fest, daß die verschiedenen und in den einzelnen Konstitutionen und Dekreten verstreuten Konzilsäußerungen zum Diakonat nicht einheitlich sind 1 und noch viele Fragen offen lassen. Eine besondere Differenz sieht Rahner zwischen der Bestimmung des Diakonats in der Konstitution Lumen Gentium und der im Missionsdekret. In Lumen Gentium ist der aktuelle Priestermangel der eigentliche Beweggrund zur Erneuerung, es sind die »Schwierigkeiten der konkreten Situation« 2 . Im Missionsdekret dagegen ist nicht eine aktuelle Schwierigkeit angeführt, sondern es wird gesagt, daß das diakonische Amt faktisch schon existiere. »Es wird nun als selbstverständlich vorausgesetzt und gesagt, daß solche Männer, die dieses faktisch existierende Amt ausüben, notwendiger- oder entsprechenderweise auch mit jener sakramentalen Gnade gestärkt werden müßten, die nach der kirchlichen Lehre in Wahrheit für dieses Amt bestimmt ist. . . Es wird einfach gesagt, dieses Amt gebe es effektiv und in Wirklichkeit und es müsse in jener sakramentalen Vollmacht ausgeübt werden, die Christus seiner Kirche tatsächlich anvertraut hat« 3 . Rahner interpretiert diesen Unterschied so, daß er dem ersten Satz von Lumen Gentium 29, daß der Diakonat, gemessen am Priestertum, eine niedere Stufe der Hierarchie einnehme, die Schärfe nehmen möchte, die Lumen Gentium 29 in Gegensatz zum Missionsdekret 14 und 15 bringt. Rahner meint, der Terminus »niedere Stufe« sei keine prinzipielle Festlegung dogmatischer Art, sondern mehr am faktischen Vollzug im Tun von Priester und Diakon orientiert. Der Priester, dem Konsekration und Verwaltung des Bußsakraments anvertraut sind, werde deshalb leicht im Vergleich zum Diakon höher bewertet werden. Rahner wehrt sich dagegen, die Bestimmung »niedere Stufe« total verstehen zu müssen und sagt: »Wenn wir an den Dienst für die Armen und an viele andere Aufgaben denken, die vorzüglich dem Diakon zukommen, so ist nicht ersichtlich, warum in dieser Beziehung der Diakonat als eine niedere Stufe bezeichnet werden konnte«. Die Legitimität dieser Folgerung leitet sich für Rahner aus der Tatsache ab, daß die Konstitution Lu1 K. Rahner, Die Lehre des II. Vatikanischen Konzils über den Diakonat, in: D I A C O N I A XP 2, S. 15-23. 2 AaO S. 18. 3 A a O S. 19.

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men Gentium nirgends davon spricht, »der Episkopat (munus episcopale) sei eine >höhere< Stufe über dem Priestertum. Vielmehr betrachtet sie das Wesen des Episkopates als Fülle des einen ganzen hierarchischen Amtes, das es kraft göttlicher Einsetzung in der Kirche gibt. Machen wir uns diese Betrachtungsweise zu eigen, dann können wir auch den Diakonat als eine eigene und besondere Teilhabe an diesem Amt in der Kirche auffassen«. Indem nun zum Bischofsamt auch »die nachdrückliche Pflicht, die Liebe Christi in der Welt zu vergegenwärtigen gegenüber allen, die Mühsal leiden, die arm und schwach sind, die Verfolgung erdulden usw.« gezählt wird, meint Rahner folgern zu können: »An dieser ganzen hervorragenden Aufgabe des Bischofs selbst hat nun der Diakon keine geringere Teilhabe als irgendein Priester« 4 . Er möchte aufweisen, daß die Wiederherstellung des Diakonats keine beliebige Angelegenheit ist. Ein Christ, der das diakonische Amt, also die diakonische Aufgabe des Bischofs tatsächlich ausübt, muß auch die entsprechende kirchliche Anerkennung des Amtes, die Diakonatsweihe erhalten. Rahners Interpretation der Korazilaussagen über den Diakonat versucht, die Verbindlichkeit des Diakonats in der Kirche zu stärken. Nicht die aktuelle Schwierigkeit, die kirchlichen Aufgaben nicht vollständig und vollzählig erfüllen zu können, begründet den Diakonat, sondern die tatsächliche Ausübung von diakonischen Aufgaben des Bischofs durch den Diakon zwingt die Kirche, die Weihe zu spenden. Problematisch bleibt bei Rahner die ungenügende Begründung von speziell diakonischer Tätigkeit im Unterschied zu priesterlicher Tätigkeit. Er kann nicht deutlich machen, inwieweit ausgerechnet die Vergegenwärtigung der Liebe Christi in der Welt bei den Schwachen und Kranken eine besondere Aufgabe ist, die ein eigenes Amt ermöglicht und sinnvoll macht. Hier fehlt die christologische und dogmatische Dimensionierung der Notwendigkeit der diakonischen Aufgaben des Bischofs. Man vergleiche nur den Entwurf eines Grundgesetzes der Kirche ( H K 2 5 , 1971, S. 244), Kanon 49, § 1: »Obgleich die Presbyter nicht die höchste Stufe des Priesteramtes innehaben, sind sie doch durch das Weihesakrament zu wahren Priestern des Neuen Bundes geweiht und haben zusammen mit den Bischöfen teil an dem einen und selben Priestertum Christi. So sind sie als Diener Christi eingesetzt, die als Mitarbeiter des O r d o der Bischöfe am A m t und an der Autorität teilhaben, durch die Christus selbst seinen Leib auferbaut, heiligt und leitet«. Oder Kanon 53, § 2 : »Dieses dreifache A m t (sei. Lehrer, Hirte, Priester) nehmen auch die Presbyter wahr, da sie als Mitarbeiter des Standes der Bischöfe ebenfalls Christi Dienstamt ausüben und ihn vertreten. Beim Vollzug dieser Ä m t e r helfen den Bischöfen und Presbytern die Diakone« ( H K 1971, S. 245). Das, was in den Konzilstexten auch schon als direkter christologischer Bezug des Priesters dargelegt wurde, erfährt im zitierten Entwurf eines kirchlichen Grundgesetzes eine klare Interpretation. Vgl. Dekret über Dienst und Leben der Priester 1, 2, 6 , 1 2 , 1 8 ; Dekret über die Priesterausbildung 8, Konstitution über die heilige Liturgie 7. Einige Beispiele daraus können zeigen, wie sehr die Funktion eines Leiters der Meßfeier den Priester im Prinzip mit dem Bischof auf eine Ebene stellt: » Gegenwärtig ist er (Christus) im Opfer der Messe sowohl in der Person dessen, der den priesterlichen Dienst vollzieht - denn >derselbe bringt das Opfer jetzt dar durch den Dienst

4 Alle Zitate A a O S. 22.

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der Priester, der sich einst am Kreuz selbst dargebracht hatOsservatore Romano< veröffendicht wurde. Nach vager Aussage des Staatssekretariats ist es deshalb unterblieben, weil es sich um eine »delikate Angelegenheit gegenüber dem Konzil< handele« 34 .

Dieser Vorgang macht deutlich, wo für die nächste Zukunft retardierende Kräfte für die Wiedererneuerung des Diakonats erscheinen, die durch die überraschende Emotionalität der Konferenz erst recht auf den Plan gerufen werden. Diese Konferenz ist der erste internationale Kongreß und wirkt durch die Hoffnung, die er in den Teilnehmern aus der ganzen römischen Ökumene erweckt hat, verstärkend auf die Motivation, den Diakonat einzuführen. Dadurch, daß das Konzil für die praktische Gestaltung des Diakonats noch fast alles offengelassen hatte, konnte auf der Studienkonferenz das »wie?«, die inhaltliche Ausfüllung, in all seinen Möglichkeiten diskutiert und geprüft werden. Drei Theologen lieferten Exposes: K. Rahner SJ, Y. Congar OP und C. Koser OFM, und aus allen Ländern, in denen sich das Interesse am Diakonat in irgendeiner Weise konkretisiert hatte, wurden Berichte geliefert. Man suchte auf einer im Vergleich zum Konzil unverbindlichen Ebene nach einer praktikablen Konzeption, nach einem deutlichen kirchlichen Zweck, den ein Diakonat erfüllen kann und muß. Es wäre einfacher gewesen, das Konzil hätte allgemein die Wiedereinführung des Diakonats verfügt viele Schwierigkeiten theologischer Art wären grundsätzlich ausgeschaltet worden! So aber liegt die Einführung des Diakonats entsprechend dem Konzilsvotum bei den Bischofskonferenzen - und dies heißt: es gibt keine defini31 Bulletin de la C D F Nr. 11, S. 5. 32 Vgl. H . Denis R. Schaller, Diacres dans le monde d'aujourd'hui, Lyon, 1967, S. 15f. 33 Vgl. Th. Kopp, Der Diakon, Zu einer Frage der Kirche in der Welt von heute, in: DIAC O N I A X P 12 (März 1970), S.4. 34 Th. Kopp aaO S. 4; H K 19, 1964/65, Sp. 694-696.

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tive und absolute kirchliche Notwendigkeit einer Einführung des Diakonenamtes. Dies ist eine konstitutive Schwäche des Diakonats, die auch die positive Seite, die Offenheit der Konzilstexte im Blick auf die praktische Gestaltung, sehr beeinträchtigt. So gab es keine andere Möglichkeit, als auch im Resümee der Konferenz auf endgültige Festlegungen zu verzichten und den Bischofskonferenzen den ersten Schritt nahezulegen, »durch wohldurchdachte Experimente Erfahrungen zu sammeln« 35 . Doch ein Diakonat, der eine Notwendigkeit für das Leben der Kirche ist, kann nicht Gegenstand von kirchlichen Experimenten sein, an deren Ende theoretisch sogar die Uberzeugung stehen könnte, er sei unnütz. Es ist die Schwäche des Anfangs, keinen normativen Zweck und Sinnhorizont für den Diakonat zu haben. Die Erneuerung wird damit an die verschiedenen Situationen und Erfordernisse der einzelnen Länder ausgeliefert. Zudem bringen die vielen Diskussionen auch neue theologische Gesichtspunkte herein, die ein zügiges Ausziehen der theologischen Linien des Konzils in praktische Organisationsformen hinein erschweren 36 . Herbe Kritik an der konziliaren Form des Diakonats, die die Grenze des Widerspruchs erreicht, wird laut: »Selbst wenn die Priester zahlreich wären, hätten die Diakone ihre Existenzberechtigung«, und es wird gewarnt: »Wenn man Diakone weihen würde vor der Klärung der Grundlagen, würde man Gefahr laufen, die so lang ersehnte und für die Kirche so notwendige Erneuerung des Diakonats für lange Zeit zu kompromittieren . . . kein Christ, zölibatär oder verheiratet, Ordensmann oder Laie, kann heute vernünftigerweise die Diakonatsweihe erstreben im jetzigen Zustand« 37 . Doch die Warnungen verhallen ungeachtet. Das Resümee der Konferenz relativiert, wie schon die entsprechenden Konzilstexte, die theologische Bedeutung des Diakonats, indem die Opportunität des Diakonats abhängig gemacht wird von der Bewährung in der 35 D I A C O N I A XP 2, S. 99. 36 War in den Texten des Konzils deutlich und unmißverständlich von der dreifachen Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Caritas die Rede, so sieht im Resümee der Konferenz diese Dreiheit anders aus: Jetzt sind die verschiedenen Formen des Diakonats »cultuel, caritatif, missionaire« (Vgl. Schaller aaO S. 345). Nach dem Konsensus der Studienkonferenz sollte es so sein, daß der Diakon »seinen eigentlichen Bereich im vor-liturgischen Raum, in dem, was wir >Vorfeld der Seelsorge< bzw. Feld der >Präevangelisation< nennen können« hat, was sich deutlich von dem abhebt, was Papst Paul anläßlich der Audienz für die Teilnehmer der Konferenz vom 25. 10. in Anlehnung an die Konzilstexte noch einmal als das dreifache Amt des Diakons formulierte: »Verkündigung des Wortes Gottes . . . Dienst der Sakramente . . . Übung der Liebe« (Winninger-Congar, Le Diacre dans l'eglise . . . S. 11). Unüberhörbar haben hier die kirchlichen Reformgruppen, die den Diakonat zu ihrer Sache gemacht haben, sich unabhängig von der theologischen Linie des Konzils noch einmal theologisch des Diakonats bemächtigt. Vorauszuschikken ist hier auch: eine der treibenden Kräfte zu dieser »missionarischen« Funktionsform des Diakonates auf der Studienkonferenz war die französische Seite und ihr Bericht, auf den im nächsten Abschnitt ausführlicher eingegangen wird. Gerade das missionarische Engagement, in Frankreich zur kirchlichen Legitimation drängend, sollte hier im Diakonat eine vielleicht letzte Chance sehen. 37 M. D. Epagneul, in: D I A C O N I A XP 1, Dokument 23, S. 2.

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kirchlichen Praxis, anstatt umgekehrt zuerst Maßstäbe zu setzen, die freilich Kirche und Gemeinde neuen Ansprüchen unterwerfen würden. Gerade dies ist aber für die Kirche eine äußerst problematische Angelegenheit, wenn man über den Diakonat mehr sagen will als den allgemeinen Satz: »das Band zwischen Priester und Gemeinde ist etabliert« 38 . Die Bilanz der Konferenz zeigt ein Paradoxon: Allergrößte Hoffnungen werden auf den Diakonat gesetzt bei gleichzeitig möglichst minimaler kirchlicher Institutionalisierung, was in Anbetracht des römischen Vorhabens, »Normen« für die Wiederherstellung des Diakonats zu erlassen, zweifellos ein schwerer Unterlassungsfehler war. Congars Interpretation hatte ja gezeigt, wie eng die Frage des Priestertums mit der des Diakonats verknüpft ist. Bestimmt man den Inhalt des Diakonenamtes endgültig, dann hat die Institutionalisierung des Diakonats verändernde Rückwirkungen auf das Priesteramt. Dieser Zusammenhang ist m. E. der tiefere Grund dafür, daß die Konferenz ein Stadium des Experimentierens vorschlägt, das einer endgültigen Etablierung des Diakonats vorgeschaltet werden soll.

38 C . Bridel, Aux seuils de l'experance, NeucKätel 1971, S.38.

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VII. Die französische Diakonatsbewegung 1. Die Organisierung und

Gestaltgewinnung

Auf der Internationalen Studienkonferenz in Rom tritt zum ersten Mal unter den vielen nationalen Diakonatskreisen auch ein französischer Diakonatskreis mit Rene Schaller aus Lyon als Repräsentanten in Erscheinung, der einen Bericht über seinen Kreis und über die Wiederherstellung des Diakonats in Frankreich gibt 1 . Auch das Heft von D I A C O N I A XP, des Organs des Internationalen Informationszentrums für Fragen des Diakonates (ab 1969 Internationales Diakonatszentrum), bietet auf den ersten Seiten eine Synopse über Tätigkeitsbereiche, Berufungen und Kandidaturen, Ansätze und Anregungen zur Verwirklichung des Diakonats der Diakon-Aspiranten, Lebensform (Haupt- und Nebenberuf), Heranbildung und Weihealter. Jeweils 21 Länder sind dabei in ihren schon bestehenden Prädispositionen theoretischer und praktischer Art miteinander verglichen. In den Tabellen finden sich für alle Länder Angaben 2 , Frankreich ausgenommen, dessen Spalte Heranbildung der DiakoneLebensformLebenshaltung< und >Weihealter< leer sind. Dies signalisiert eine Besonderheit der französischen Diakonatsbewegung, die im folgenden aufzuklären ist. Der Gründungstermin eines französischen Diakonatskreises, der analog zu dem schon bestehenden »Diakonatskreis« in Deutschland gebildet wurde, ist bekannt: Im September 1964 wurde anläßlich einer Begegnung von etwa 50 Diakonatskandidaten aus mehreren Ländern in Bendorf (Deutschland) »beschlossen, in Frankreich eine >CommunautePromoteursAnimation . . .< hinzugeben« 68 . In der Tat: den Bischöfen gegenüber mußte deutlich gemacht werden, daß der Diakonat eine lohnende Sache ist - und »lohnend« kann nur heißen: hier sind Kräfte für den kirchlichen Dienst bereit. Deshalb wird als Grundlage neben der »Animation«, die »Sen-

63 La Croix v. 4. 12. 65, siehe bei Schaller, Renouveau S.351. 64 »Freunde, die immer zahlreicher werden, arbeiten an unserem Vorhaben mit«, Bulletin der C D F , Nr, 5, S. 1. Auffallend ist dabei, daß es weniger Kandidaten selbst sind, die in der C D F mitarbeiten, als vielmehr interessierte Außenstehende, meist Theologen. Dies sollte sich später als eine entscheidende Schwäche des Anliegens erweisen. Vgl. auch Bulletin Nr. 12, S . 2 f f . 65 Rückblickend (Stand Mai 1967) sagt die C D F über sich selbst: »keine ihrer Initiativen geschah, ohne daß sie mit Bischöfen bedacht worden war, nie ohne die Hilfe von Theologen, die durch die Hierarchie delegiert worden waren . . . « 66 Vgl. Bulletin, N r . 12, Mai 1967, S.2ff. 67 AaO. 68 AaO.

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sibilierung« der Laien 6 9 betrieben. »Der bedauerliche Mißerfolg der ersten Arbeiterpriester« sorgt dafür, daß die C D F »klug und langsam« vorgeht 7 0 und versuchen muß, eine wirklich breite Basis für ihr Vorhaben innerhalb der Kirche zu erhalten. Dem Vorhaben der C D F , eine solche Erneuerung des Diakonats in Frankreich Wirklichkeit werden zu lassen, kommt zustatten, daß zunächst jeder Aspirant auf den Diakonat tatsächlich zugleich Mitglied der C D F wird. Die erste Gruppe in Lyon hat bald »Filialen« in den meisten kirchlichen Regionen, die durch ihre Offenheit (jeder Christ kann Mitglied werden) rasch an Mitgliedern und Einfluß gewinnen. Die vorher anvisierte besondere Struktur der C D F wirkt sich vorteilhaft aus. Die C D F wird eine überschaubare, straffe Organisation. Jede der regionalen Gruppen (neun, entsprechend den apostolischen Regionen der französischen Kirche) wählt einen Delegierten. Die Delegierten zusammen bilden das »Comite d'animation«, das einen Schatzmeister und einen »animateur national« wählt 7 1 . Von der C D F wird an der Zentralstelle in Lyon ein Büro eingerichtet, für das das >comite< noch zwei Sekretäre und einen Generalsekretär wählt, wobei der letztere mit dem »animateur national« identisch ist. Große Bedeutung hat das Wahlprinzip, die einfache Organisation (nur regionale Gliederung) und die äußerst starke Spitze, konzentriert im »Animateur national«, der der einzige offizielle Sprecher der C D F auf nationaler Ebene ist 7 2 . Daß diese Funktion seit der An69 Bulletin Nr. 13, S. 13. 70 Aao. 71 Der Begriff »animateur« ist in seiner konsequenten Anwendung für die Aufgabe des Diakonats eine Schöpfung von Rene Schaller. »Animateur« drückt die pneumatologische Bezogenheit, das Bewußtsein des Erfaßtseins vom Heiligen Geist aus und signalisiert gleichzeitig die neue Basis der Gemeinschaftsbezogenheit, die einen allgemeinen Amtsbegriff möglich zu machen scheint. Immerhin ist aufschlußreich, daß der Begriff »animateur« sich von Lyon aus konsequent durchgesetzt hat. So spricht C. Bridel, Aux seuils de l'esperance, S. 39, vom Diakon als »Diener und >animateuranimateur< zu sein, damit die Gemeinde Jesu diesen Dienst besser erfüllen kann«. Auch Hannes Kramer übernimmt sinngemäß diesen Begriff. Vgl. Der Diakon im Spannungsfeld von Liturgie und Diakonie, in: Solidarität S. 252 und Tagebuchnotizen vom 26. Mai 1968 in Chile, in: D I A C O N I A XP 13, Juli 1970, S.58. Auch nach Lateinamerika wirkt die Faszination dieses Begriffes. Siehe D I A C O N I A X P 13, S. 60, wo der Diakon praktisch mit »animator« gleichgesetzt wird und ebenfalls S. 5 0 - 52 den Bericht über die nationale Tagung über den Diakonat in Brasilien: Es ist »die Aufgabe jedes Diakons, >animator< und >Former< christlicher Gemeinschaften zu sein« (S. 50). Das Spezifikum des Diakons ist: »Animator der Basisgemeinschaft« (S. 52). Nicht zuletzt wurde der Begriff »animateur« sogar 1971 von der franz. Bischofskonferenz aufgenommen, wo in der Schlußerklärung der Vollversammlung des Episkopats im Oktober 1971 in Lourdes formuliert wurde: »Es ist unsere Aufgabe, in den christlichen Gemeinden die >animateurs< zu erwecken, die sie brauchen«. (Effort diaconal Nr. 30, S.56). 72 D . A . 8, S. 17.

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fangszeit von einem Mann, Rene Schaller, wahrgenommen wird, gibt der C D F ein besonderes Gewicht in der Auseinandersetzung. Die Tätigkeit der C D F hat so fast schon institutionellen Charakter. Wenn sie das Ziel verfolgt, »mit allen Interessenten die Aufgaben für den Dienst zu entdecken und ihre äußere Effizienz und Authentizität zu erreichen« 73 , so kommt dies auch schon einer speziellen Auffassung von Ausbildung gleich. Doch ist deutlich festzustellen: Kirchenoffiziellen Charakter erhält die C D F nicht.

73 D . A . 8, S. 16ff.

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VIII. Der Kampf um die Konzeption 1. Grünes Licht für den Diakonat Im Oktober 1965 wird bekannt, daß die im Juni 1965 berufene begrenzte Kommission zur Erarbeitung von Normen für den Diakonat ein erstes Schema erstellt hat, das jetzt den römischen Kongregationen vorliegt 1 . Im Januar 1966 bringt die Zeitschrift »Parole et Mission« einen ausführlichen Bericht über den Diakonat und den Stand der Diakonatsbewegung in Frankreich. In der Versammlung des ständigen Rats des französischen Episkopats vom 21.-23. Juni 1966 in Paris werden schließlich Fragebögen erarbeitet, die unmittelbar darauf sämtlichen Bischöfen übersandt werden. Die Bischöfe werden gefragt: 1. nach ihren eventuellen Motiven für eine Wiederherstellung des Diakonats, 2. ob sie einen verheirateten oder zölibatären Diakon wünschen, 3. wie die Aufgaben aussehen sollen, die den Diakonen anvertraut werden, 4. wie sich die Beziehungen zwischen Diakon und Priester, Bischof und Laien beschreiben lassen, 5. wie die Wiedererneuerung des Diakonats beginnen kann, speziell, welche Ausbildung erforderlich wäre 2 . Das Ergebnis soll dann in der kommenden Sitzung der Vollversammlung der Französischen Bischöfe beraten werden. Nicht ohne Einfluß auf die Diakonatsdiskussion ist die Veröffentlichung des Motuproprio »Ecclesiae Sanctae« vom 6. August 1966, das darauf drängt, die Volkswahlen in der Kirche soweit wie möglich abzuschaffen. Das heißt für den Diakonat, daß jedes plebiszitär anmutende Element bei der Amtsübertragung ausgeschaltet werden soll. Auf das Ganze gesehen wird aber für das Schicksal des Diakonats in Frankreich die Differenz, die sich auf der Tagung vom 9.-11. September 1966 in Orleans zwischen verschiedenen Auffassungen vom Diakonat zeigt, zum entscheidenden Ballast für die Zukunft. Msgr. Riobe, Bischof von Orleans, hatte privat zu einer Forschungs- und Studientagung über den Diakonat ins große Seminar von Orleans eingeladen, bei der hauptsächlich Mitglieder der CDF, Mitglieder von verschiedenen missionarischen Gruppen und Bischof Mouisset anwesend waren 4 . Im Eingangsreferat versucht Bischof Mouisset, eine theologische Basis für einen möglichen missionarischen Diakonat zu finden, wozu er die Konzilsaussagen

1 Bulletin der C D F N r . 13, S. 10. 2 Bulletin der C D F N r . 7, S. 1. 3 Vgl. O t t o Semmelroth SJ, Demokratie in der Kirche? in: Martyria, Leiturgia, Diakonia, S. 408. Vgl. auch AAS 58, 1966, S. 767. 4 Vgl. Winninger, Les diacres, S. 114. Bulletin der C D F 9, S. 5; N r . 10, S.2ff. 135

einer sehr einseitigen Interpretation unterzieht: Er wagt die These: »Der Text von Lumen Gentium kennt nur ein Motiv: die Bedürfnisse der Kirche«. Diese Formel ist für Mouisset eine Rechtfertigung, den Diakon als verheirateten Diakon »im missionarischen Werk der Kirche, durch die >Präsenzdas Volk lehren und ermähn e n nennt« meint Mouisset 7 . Er sieht den Diakonat als Chance für ein missionarisches Amt in der Kirche - eine Vorstellung, die, wie er meint, durch Lumen Gentium »nicht ausgeschlossen« sei 8 . Mouissets Ausführungen zeigen, wie schwach die Anknüpfung an die Konzilstexte über den Diakonat werden muß, um den Wunsch nach dem missionarischen Diakonat in die Tat umzusetzen. Daß man in Orleans den Boden kirchlicher Tatsachen verlassen hat und beginnt, sich Illusionen zu machen, macht die Forderung der Arbeitsgruppe 1 der Tagung von Orleans am deutlichsten: »Die christliche Gemeinde sollte in der Beurteilung diakonaler Berufungen mitzureden haben« 9 . Man halte dem nur entgegen, was Papst Paul nur wenige Wochen vorher über plebiszitäre Elemente bei kirchlicher Amtsübertragung gesagt hatte 10 . Dann unterläßt man es vollständig, den hierarchischen Charakter des Diakonats auch unter dem Aspekt der Amtsvollmacht zu sehen. Stattdessen spricht man vom Spezifikum des Diakonats als der Teilhabe an der Verantwortung des institutionellen Amtes« 11 und vom Zweck und Ziel der Ausbildung als von einer »theologischen und pastoralen >competenceeinplanendaß alles in der Liebe geschehe< (1. Kor. 16, 14), wie der Apostel Paulus sagt, wobei hier unter Liebe nicht nur die theologische Tugend verstanden ist, die von Gott kommt und uns an ihn bindet, sondern auch diese Harmonie der Herzen und der Taten, die die gegenseitigen Beziehungen der christlichen Gemeinden charakterisieren muß« 4 0 . In den Worten des Papstes kann man die Furcht vor einer echten Veränderung der kirchlichen Verhältnisse wittern, die der Diakonat bringen könnte. Man beachte: Auch im Motuproprio ist die Praxis des Diakons allein beschrieben in dem Satz: Dienst in und an der Hierarchie. Mehr ist nicht gesagt. »Man muß hier bedauern, daß das Motuproprio sich nicht mehr auf die Theologie des Diakonats bezogen hat«, kommentiert das Bulletin der C D F und bemerkt bitter den »Verlust des Eigentlichen« des Diakonats 41 . Eine Totalreflexion über die Kirche und die Möglichkeit einer institutionellen (wenn auch nur theoretischen) Neubegründung der Ämter, speziell des Diakonats, ist damit ausgeschlossen. So war es auch kein Wunder, daß der Passus »viri maturi uxorati« der Konzilskonstitution Lumen Gentium 29 in der Nota Explicativa der Fassung des Motuproprio plötzlich »viri grandioris aetatis« hieß. Die Altersgrenze für 37 A a O S. 11 und 12. »Das Dokument ist schließlich aus sich selbst normativ und disziplinarisch, aber nicht lehrhaft«. 38 Vgl. Denis-Schaller, Diacres dans le monde d'aujourd'hui, L y o n 1967, S. 17; Bulletin der C D F , N r . 11 März 1967, S. 3, und D I A C O N I A X P 6 / 7 , S. 33 f. 39 Vgl. Denis-Schaller aaO S. 19. 40 A a O . 41 Bulletin der C D F N r . 14, S. 3.

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Diakonatskandidaten wurde generell auf 35 Jahre festgesetzt. Dies war praktisch das Ende der Hoffnung auf den hauptamtlichen verheirateten Diakon 4 2 . Aber auch in den anderen Bestimmungen waren die Anforderungen höher geschraubt worden: - die Bischofskonferenzen müssen dem Papst ein Gesuch um Einführung des Diakonats vorlegen, das begründete Erfolgsaussichten enthalten muß. - älteren verheirateten Männern ab 35 Jahren steht der Diakonat offen, wenn die Ehefrau zustimmt, die Ehe mehrere Jahre besteht und Kinder vorhanden sind, wenn eine überdurchschnittliche Bildung vorhanden ist, für eine gewisse Zeit die Aufnahme in ein Kolleg möglich ist, und wenn bei dem Priester (!) eine »Lehrlingszeit« absolviert wird und wenn »keine ungeziemenden Berufe« ausgeübt werden. - an Aufgaben der Diakone werden genannt: liturgische Assistenz, Spendung der Taufe, Aufbewahrung und Spendung der Eucharistie, Eheschließungen, wo kein Priester vorhanden, Sakramentalien und Beerdigungen, Lehre und Ermahnung, Leitung von liturgischen Feiern und Andachten, Wortgottesdienste, Caritas und kirchliche Verwaltung, Pfarreiverwesung, Laienapostolatstätigkeit, kurz: fast alle Aufgaben eines Priesters außer der Spendung des Bußsakramentes und der Konsekration der Eucharistie. - alle Aufgaben sind in vollkommener Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium, d. h. unter der Autorität des Bischofs und des Priesters auszuüben, die am betreffenden Ort die Leitung der Seelsorge haben. - zu den Standespflichten gehören: eifrige Lesung, möglichst tägliches Meßopfer, häufige Buße und Gewissenserforschung, täglich fromme Verehrung und Liebe der Gottesmutter Maria, Breviergebet (!), mindestens jedes dritte Jahr Exerzitien, stetige Weiterbildung, Ehrfurcht und Gehorsam im Verhältnis zum Bischof. - die Detailausführungen dieser Bestimmungen sind den Bischofskonferenzen überlassen 43 . Betrachtet man diesen hier nur gerafft wiedergegebenen Katalog, so ist vollends deutlich, daß für den älteren verheirateten Diakon, der in der Regel den Diakonat nur nebenberuflich ausüben würde, die Bürde, die mit dem Diakonat verbunden ist, ein beträchtliches Ausmaß erreicht und viele Bewerber abschrecken kann. Das Motuproprio scheint sogar echte Abstriche an der These der Eigenständigkeit des Diakonats zu machen. War in der Rede des Papstes vom Februar 1967 nur von der Autorität des Bischofs gesprochen 42 Vgl. dazu den Kommentar von Hornef in: Der Diakon heute, hg. von Langgärtner-Vorgrimler, Würzburg, 1969, S. 12. Mir wurde von mehreren Seiten mündlich mitgeteilt, daß die Festlegung auf »35 Jahre« auf Vorschlag der Internationalen Diakonatskreise erfolgte, die damit die im Entwurf vorgeschlagene Begrenzung von 50 Jahren ( ! ) aufheben konnten. 43 Es wurde der Text des Motuproprio in der Ausgabe des Paulinus-Verlags Trier, 1968, mit einem Kommentar von H . Vorgrimler und die französische Ausgabe: La restauration du diaconat - Motuproprio Sacrum Diaconatus Ordinem, Apostolat des Editions, 91 Arpajon, o. J., benutzt.

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worden, der sich der Diakon unterordnen muß, so läßt das Motuproprio diese Eigenständigkeit sogar noch durch die Autorität von Bischof und Priester relativiert sein. Hierin kommt zum Ausdruck, daß der Diakonat die unterste Stufe der Hierarchie ist und man könnte, scharf formuliert, behaupten: Die Eigenständigkeit des Diakonats besteht nur in der Möglichkeit der Amtsinhaber, gegenüber den Laien eine Besonderheit erlangt zu haben. Der Diakon ist Mitglied der Hierarchie und damit Diener der oberen Stufen. Die Eigenständigkeit des Diakons innerhalb der Hierarchie ist eine rein negative, sie ist durch »nicht« und »noch nicht« bestimmt.

4. Die Entwicklung nach dem Motuproprio Das Ergebnis der Beratungen der Vollversammlung der französischen Bischöfe und die Institutionalisierung des C N D samt den inhaltlichen Konsequenzen ist schon dargestellt worden. Zu ergänzen ist freilich ein Ereignis, das Mouisset's Parole »klug und langsam« nicht gerade entsprechen konnte. Am 27. August 1967 sendet das französische Fernsehen ein Interview, das Maurice Herr mit Rene Schaller und Pere Marty, Pfarrer von Sarcelles, führt 44 . Rene Schaller stellt dort »seine (!) Konzeption vom Diakonat« 45 vor, die darauf abzielt, den Diakon »an der Verbindung mit der Welt«46 zu installieren, also in der Berührungszone von Kirche und Neuheidentum. »Die Wiederherstellung des ständigen Diakonats ist nicht nur eine einfache Reform, sondern eine echte Revolution und fast ein Sprung ins Ungewisse«, sagt Schaller im Fernsehen47. Pere Marty dagegen (mit ihm hatte man einen Gegner der Wiederherstellung des Diakonats ausgewählt) kritisiert den Wunsch nach dem Diakonat, der »ohne tiefe Reflexion« nur »mittelmäßige Lösungen« bringen würde 48 . Eine gewisse Geringschätzung aller idealistischen Bemühungen um den Diakonat ist der deutliche Tenor der Ausführungen von Schallers Kontrahent im Fernsehinterview. Der Anspruch Rene Schallers, mit dem Diakonat die Kirche einer Totalreform unterziehen zu können - das Wort »Revolution« weist ja eindeutig auf historische und zeitgeschichtliche Tendenzen - ist sehr idealistisch. Denn es stellt sich die Frage, ob Schaller dafür eine ausreichende kirchenpolitische Basis besitzt. Zwar sind zu diesem Zeitpunkt die Bedeutung des C N D und die 44 Bulletin der C D F Nr. 14, S . 5 f . 45 AaO. Diese Formulierung ist aufschlußreich. Sie gibt einen Hinweis auf die prägende Gestalt Rene Schallers. Im übrigen ist auch mein persönlicher Eindruck von den Gegebenheiten und Entwicklungen in Frankreich, daß R. Schaller tatsächlich der Motor und entscheidende »Atlas« der Bewegung ist. 46 A a O S . 5 f . 47 AaO. 48 AaO.

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Tendenzen innerhalb des C N D noch nicht abzusehen. Erst am 26. Oktober 1967 findet die konstituierende Sitzung statt und erst im Dezember 1967 werden die schon erwähnten » N o t e d'orientation« und die » N o t e aux eveques pour fixer quatre points dans le choix des candidats« bekannte, die aber zeigen, daß sich auch Mouisset nicht durchsetzen konnte, obwohl er am 9. November 1967 noch vor der Vollversammlung der französischen Bischöfe erklärt hatte: »Wir halten es für absolut notwendig, ganz schnell einige Männer zu weihen, die ohne große Vorbereitung bereit sind, diakonale Aufgaben zu übernehmen (also de facto diakonale Aufgaben, die sie schon als Laien ausfüllen). Diese ersten Diakone müssen vorzugsweise verheiratete Männer sein, Familienväter, die berufstätig sind« 4 9 . Die langsame und bedächtige Arbeit des C N D , dessen Perspektive von der der C D F weit entfernt liegt, verhindert jedoch eine formelle Gestaltwerdung all der aktuell lebendigen Hoffnungen auf den Diakonat, die sich durch die große Zahl von Interessenten dokumentiert. Eine starke Sensibilität für das Problem »Kirche und Welt« bringen allgemein auch die Mai-Juni Ereignisse des Jahres 1968, die in Paris und Lyon zu Verhaftungen von Priestern führen. Henri Bontems spricht von einem »gewissen Einfluß«, den diese Vorgänge gehabt haben. Konkret faßbar ist er aber nirgends. Uberraschend veröffentlichen H . Bourgeois und Rene Schaller am 10. August 1968 ein Buch, das den Titel trägt: »Nouveau Monde - nouveaux diacres«. Schlag auf Schlag folgen weitere Veröffentlichungen. Mit H . D e n i s hatte R . Schaller Ende 1967 ein Buch veröffentlicht, »Diacre dans le monde d'aujourd'hui«, Lyon 1967 und Paul Winninger gibt im Dezember 1967 ein neues Buch über den Diakonat heraus: »Les diacres, Histoire et avenir du diaconat«. Auguste Hamman veröffentlicht sein Buch »Vie liturgique et vie sociale« und Kardinal Suenens läßt sein Buch » L a co-responsabilite dans l'Elise d'aujourd'hui« mit wichtigen Ausführungen zum Diakonat erscheinen, um nur die wichtigsten zu nennen. Besonders Suenens hat - abgesehen von den Veröffentlichungen, an denen Schaller beteiligt ist - in klarer Weise den missionarischen Aspekt als eigenen Auftrag des Diakons dargestellt: » D a s Diakonat ist ein eigenes, vom Amt des Priesters unterschiedenes Amt, das indes in das Ganze des kirchlichen Dienstamtes integriert ist. Dieses Dienstamt ist zutiefst eine Einheit. Dienst am Wort und Dienst am Kult, aber auch missionarische Tätigkeit obliegen dem Diakon, Arbeit in der Pfarrei, Dienst an der Familie, Arbeit im sozialen Bereich. In der Mammutpfarre, wie in der Filiale, fühlt sich der Gläubige isoliert, verloren. Es geht darum, Gemeinden, Gruppen von menschlich überschaubarer Größe zu bilden, Wohnviertelgruppen, Berufs- und ähnliche Gruppen. Hier ist der Platz und die Chance des Diakons, um mitzuhelfen an der Bildung und Leitung der Zentren eines intensiven religiösen L e b e n s « 5 0 .

Eine deutsche Arbeit »Erneuerung des Diakonates - Gründe, Möglichkeiten, 49 Bulletin der C D F N r . 14, Ergänzungsblatt. 50 J . Hornef, Nachkonziliare Literatur über das Diakonat und seine Erneuerung, in: Theologische Revue 65, 1969, Sp. 8. Hornef urteilt klar, daß gemäß der innerfranzösischen Situation »der Akzent auf dem (inner-) missionarischen Aspekt ruht«.

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Wege« von Η . Fleckenstein, nicht ins Französische übersetzt, hatte aber diesen Aspekt des Diakonats als Verantwortung für eine kirchliche Basisgruppe schon früher herausgestellt, freilich in der traditionellen Diktion: »Eine Gruppe von Getauften wird Gemeinde im eigentlichen Sinne nur durch das Gegenüber eines geweihten Amtsträgers und Hirten - zumindest also eines Diakons - als Repräsentanten des Bischofs und Teilhaber an dessen Weihe« 5 1 . Ein solcher Satz scheint m. E. die von der Ämtertheologie her einzig akzeptable Formel zu sein, den Diakon mit einer missionarischen Aufgabe an Getauften zu betreuen. Man muß aber zur Kenntnis nehmen, daß das französische Engagement darüber hinausgeht. Der schon zitierte Überblick von J.Hornef über die Literatur des Jahres 1968 in der Theologischen Revue zeigt, daß an vielen Stellen in der katholischen Welt der Diakonat nun zur Verwirklichung ansteht, nachdem die römischen Normen vorliegen. In den USA, in Kanada, in Afrika besonders im Kongo, in Belgien, Deutschland und Frankreich. Die französischsprachige Literatur über den Diakonat macht bald ein Drittel der Gesamtliteratur zu dieser Frage aus, während im deutschen Raum nur wenig zum Thema erscheint. Besonders interessant ist das kanadische Projekt eines »Manuel d'orientation«, verfaßt von der ständigen bischöflichen Diakonatskommission in Kanada 52 . Dieses auch in französischer Sprache (!) abgefaßte »Handbuch« bietet eine gute Ubersicht über die historischen, zeitgeschichtlichen (Konzil, Motuproprio etc.) und theologischen Voraussetzungen des Diakonats. Es hat den Zweck, bei allen kompetenten Adressaten dieses »Handbuchs« die Voraussetzung für die Beantwortung eines beiliegenden Fragebogens zu schaffen, dessen Auswertung den Bischöfen dann ermöglichen soll, eine von der kirchlichen Öffentlichkeit akzeptierte Form des Diakonats zu institutionalisieren. Aufschlußreich ist darin die Aufzählung der Aufgabenfelder des Diakons, für die der Befragte einen Schwerpunkt angeben soll. Uber die Bestimmungen des Konzils hinaus (Wort, Liturgie, Caritas) werden die möglichen Aufgabenfelder folgend beschrieben: 1. Wortverkündigung (Katechese usw.) 2. Liturgie 3. Caritasarbeit (Hilfsdienste, Werke, Soziale Aktion usw.) 4. Gemeinschaften von Christen (z.B. kleine Pfarreien, neu entstandene Gemeinschaften, Hilfsgemeinschaften, kurz: dort wo es gilt, der Kirche eine >menschliche< Dimension zu geben) 5. Christliche Orientierung in der Säkularität (als profane Wertsetzung) 53 .

51 Vgl. Hornef aaO und seinen Beitrag in Theologische Revue 64, 1968, S. 93f. 52 Conference Catholique Canadienne, 90 Avenue Parent, Ottawa, Maschinenschriftliches Exemplar, Dat. 15. Dez. 1967. Das >Manuel d'Orientation< erschien nicht im Buchhandel, sondern wurde nur einzelnen Personen zugesandt. 53 Der Text der fünf Aufgabenfelder ist original aus dem Fragebogen entnommen (Beilage zum Manuel d'Orientation).

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Auf den ersten Blick könnte der Eindruck entstehen, als ob eine solche Aufgabenbeschreibung, wie sie in den Punkten 4 und 5 vorliegt, durch das Motuproprio des Papstes längst überholt sei, doch wird unten aufzuzeigen sein, daß im Motuproprio selbst eine theologische Lücke enthalten ist, die auch solche Aufgaben abdeckt, wenn der Bischof oder die Bischofkonferenz das Placet dazu gibt. Auch für die C D F ist deutlich, daß die Bedingungen und die Ausführungsbestimmungen, die wirklich praxiswirksam sind, erst von den Bischöfen wirklich entschieden werden. Vom Jahre 1968 an ist die Sache des Diakonats für die C D F endgültig eine innerfranzösische Angelegenheit. Rücksichten auf höhere kirchenpolitische Ebenen können wegfallen und die C D F kann sich selbst in ihrer Arbeit offener, klarer darstellen. Das schon zitierte Wort von der C D F als »groupe de pression« (H.Bourgeois und R. Schaller) ist ein Schlaglicht auf die innere Situation der CDF, die ab März 1968 ihre interne Zurückhaltung aufgibt. Ein Signal dafür ist die Tatsache, daß sie ihr bisheriges zweimonatliches hektographiertes »Bulletin« nun neu als Zeitschrift »Diacres aujourd'hui« herausgibt, mit einer Auflage von ca. 1500 Exemplaren. Das sich stets wiederholende Impressum auf der Rückseite des Titelblattes weist »Diacres aujord'hui« aus als »Le nouveau bulletin de la Communaute du Diaconat de France«, das »ein Ort der Information, der Forschung und des Austausche sein will. Die Aufgabe der Information wird präzisiert als »Informationsdienst über die Entscheidungen, Stellungnahmen und Erfahrungen, die den ständigen Diakonat in Frankreich, den französischsprechenden Ländern und in der ganzen Welt betreffen«. Die Aufgabe der Forschung wird damit präzisiert, daß sich diese Zeitschrift versteht als »Organ der Kommunikation, der ständigen Beobachtung und der Gegenüberstellungverschiedenster theologischer Forschungsergebnisse und pastoraler Erfahrungen im Blick auf die Wiedererneuerung des Diakonates«. Das Stichwort »Austausch« wird damit erklärt, daß diese Zeitschrift eine Art Briefkasten der Aussprache sein will, »ein Ort der Kontakte und des Erfahrungsaustausche, des Dialogs zwischen all denen, die im kirchlichen Suchen und Mühen um den Diakonat engagiert sind (Laien und Diakonatsbewerber, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen)«. Die in solchen Worten ausgewiesene Offenheit als Programm ist aber durch eine bestimmte Zielangabe dieser Zeitschrift eingeschränkt, die, wenn man so will, doch eine Art eigenes Programm skizziert: Die zeitgeschichtliche Situation der Kirche soll ein Rahmen sein, »man will sich im Kontext der heutigen Kirche ansiedeln«. Man will »das Leben der Menschen heute zum Ausdruck bringen in seiner ganzen Vielfältigkeit und Problematik, um darin den Dienst und die Liebe Christi zeichenhaft aufzurichten«. Man will »wie es das Konzil wünscht, ein möglichst fruchtbares Gespräch in Gang bringen zwischen all denen, die das Volk Gottes bilden, Geistliche und Laien, um gegenseitige Hochachtung, Ehrfurcht und Eintracht bei Anerkennung aller rechtmäßigen Verschiedenheiten zu pflegen (Gaudium und Spes 92)«. Ein dritter und letzter Abschnitt des Impressums gibt Auskunft über die redaktionelle und personelle Basis 146

dieser Zeitschrift: sie ist die Frucht gemeinsamer Arbeit von früheren Lesern des »Bulletin« der C D F und von Mitgliedern und Freunden. Die Wohnung von Rene Schaller in Lyon wird zur Redaktion, Schaller selbst und seine Frau bürden sich mit diesem Projekt einer Diakonatszeitschrift ungeheure und entsagungsvolle Arbeit auf, beflügelt von der Hoffnung, der Kirche von Frankreich damit einen Fortschritt ermöglichen zu können. Gegenüber dem C N D ist dieser Schritt sehr wichtig. Die C D F hat jetzt, nachdem sie frei ist vom Schein kirchlich-institutioneller Verpflichtung, die Möglichkeit der Profilierung. Sie sieht die »Zeit gekommen, das Ziel zu erweitern und ein bestimmtes Profil der Bemühung um die Diakonie der Kirche darzustellen« 54 . Nur in dieser Profilierung zu einem »Instrument für einen bestimmten Typus des Diakonats« 5 5 liegt die zukünftige Chance der C D F . Nachdem der Diakonat grundsätzlich akzeptiert ist, kann die C D F als Interessengruppe im eigentlichen Sinn auftreten. Doch diese ganz bestimmte Auffassung der C D F ist nicht voll identisch mit der von Rene Schaller. Obwohl die Zahl der Autoren der Beiträge in »Diacres Aujord'hui« gering ist (1968 14 Autoren, davon 4 Gastbeiträge von 4 protestantischen Autoren) und so auf eine geringe Meinungsbandbreite schließen lassen könnte, war es ζ. B. für Henri Bourgeois und Rene Schaller nicht möglich, ihre Gemeinschaftsarbeit »Nouveau Monde - Nouveaux Diacres« in Namen der C D F herauszugeben, was ursprünglich auch projektiert worden war 56 , aber aus zwei Gründen nicht verwirklicht werden konnte. Zum einen: Dieses Buch spiegelt nicht den Konsens der C D F wider. Die Einigkeit herzustellen »hätte viel Zeit gekostet« 57 , und zum anderen: »Diese oder jene Interpretation hat einen solchermaßen hypothetischen Charakter, daß die C D F sich damit nicht identifizieren kann« 58 . Schaller und Bourgeois, die beide in den ersten beiden Jahren 1968 und 1969 für Diacres Aujourd'hui von allen Autoren die meisten Artikel schrieben, betonen eben in einer unerhörten Schärfe die missionarische Orientierung des Diakonats im Gesamthorizont der Auseinandersetzung Welt - Kirche, während doch auch starke Kräfte innerhalb der CDF, die besonders in Heft 5 (1968) von D . A. zutagetreten, den Diakonat zuerst als eine innerkirchliche Angelegenheit betrachten 59 . Schaller und Bourgeois halten daran fest, daß der Diakonat eine »neue Frage« ist, nur so wird er imstande sein, auch eine »neue Welt« vorzubringen 60 . Doch - welcher Kontrast solcher Wünsche angesichts der von Schaller und Bourgeois selbst erkannten und ausgesprochenen Tatsache: »Der Diakonat ist nicht die Frage Nr. 1 in der Kirche«! 54 55 56 57 58 59 60

D . A . 8, S. 16. AaO. Vgl. auch D . A . 4/1. D . A . 4, S . l . AaO. AaO. AaO S. 2. AaO.

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Im November 1968 wird die vom C N D herausgegebene »Note d'orientation« von der Bischofskonferenz genehmigt. Gleichzeitig trifft dann die Bischofskonferenz weitere Entscheidungen hinsichtlich der Einführung des Diakonats, Entscheidungen, die eine interne Diskussion über diese »Note« widerspiegeln. Der Episkopat verabschiedet ein Dokument: »Declaration et orientation des eveques sur les exigences missionaires en France«. In diesem Dokument werden Bischof, Priester, Ordensleute, Laien und christliche Werke zur Missionsnotwendigkeit in Beziehung gesetzt, doch der Diakonat fehlt! Aber: Gesondert von diesem Dokument nimmt die Bischofskonferenz mit überwältigender Mehrheit folgende Sätze an: 1. Der Diakonat soll im Rahmen einer missionarischen Ausrichtung der Kirche institutionalisiert werden. 2. Es ist wünschenswert, daß sich die Gemeinden um den Diakonat kümmern. 3. Das C N D wird auf Diakonatsbewerber ausgedehnt. Die Auseinandersetzung geht deshalb nun im Rahmen solcher dürftiger, seit November 1968 amtlich festgelegter Aussagen weiter. Einerseits müssen immer noch die theologischen Grundlagen geklärt werden, die durch die Formel »missionarische Ausrichtung« nur angedeutet sind. Andererseits geht es dann um die konkrete Gestalt, um den »Typ« des Diakons, um seine Aufgabe. Beide Fragen sind im Grunde identisch, werden aber wegen den im Kirchenverständnis sich konzentrierenden Schwierigkeiten praktisch getrennt und voneinander unabhängig diskutiert. Die Frage nach der praktischen Verwirklichung des Diakonats ist im Jahre 1968 sehr aktuell geworden. Im Februar 1968 findet in Freiburg/Breisgau eine Arbeitstagung des Internationalen Informationszentrums für Fragen des Diakonats statt, bei der auch Jean Colson und Rene Schaller anwesend sind. Diese Tagung hat im Unterschied zu früheren Veranstaltungen dieser Art einen besonderen Charakter: Es-geht weniger um die theologische Theorie des Diakonats, die Praxis drängt einfach. Fragen der Ausbildung, also des konkreten Aufgabenziels, werden aufgerollt und schon in der Erprobung befindliche Modelle vorgestellt (Köln, Rottenburg und Münster) und diskutiert 61 . Auffallendes gemeinsames Merkmal für die Modelle aus dem deutschen Raum ist die Verwendung des Diakons für vorgegebene kirchliche Aufgaben. Dies bedeutet: Durch den Diakonat tritt keinerlei Veränderung in der Aufgabenstruktur der Kirche ein, so daß der Diakonat seine spezifisch diakonische Struktur weniger von einem besonderen diakonischen Charakter der Aufgabe als vielmehr von dem diakonischen Charakter der Dienstfertigkeit des neuen Dieners der Kirche erhält. In diesen ersten deutschen Modellen heißt Diakonat nichts anderes als Verfügbarkeit für die Kirche und Ihre Aufgaben gemäß dem Motuproprio vom 18. Juni 1967, Abschnitt 22, das die verschiedenen kirchlichen Aufgabengebiete des Diakons aufzählt. Die erste 61 Vgl. D I A C O N I A XP 8/9. Hier findet sich ein ausführlicher Bericht über diese Tagung.

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Diakonatsweihe für den gesamten Bereich der Römischen Kirche am 28. April 1968 in Köln ist dann ganz im Zeichen dieses Diakonatsverständnisses erfolgt: Dienst in den Gemeinden in Predigt und Liturgie 62 . Diesem Verständnis schließen sich, wie aus den Freiburger Dokumenten ersichtlich, die offizielle belgische und französische Vorstellung vom Diakonat nicht an. Bei beiden ist im großen und ganzen die Bestimmung der EndAufgabe des Diakons offengelassen. Die Richtlinien des belgischen Episkopats zur Erneuerung des ständigen Diakonats berufen sich zwar auf Abschnitt 22 des Motuproprio, lassen aber ausdrücklich dem Bischof das Recht der Näherbestimmung der Aufgabe des Diakons aus diesem Katalog, der nämlich eine interessante Lücke aufweist und eine in etwa »offene« Aufgabe enthält: die Aufgabe des Laienapostolats. Unter diese Aufgabe kann alles subsumiert werden, was sich in die übrigen Aufgaben nicht einordnen läßt. Später ist zu sehen, daß diese letzte Aufgabe des »Laienapostolats« im belgischen und französischen Verständnis die eigentliche Aufgabe des Diakons sein wird. Abschnitt 8 der belgischen Richtlinien sagt in aller »Klarheit«: »Der Diakon wird die Aufgaben übernehmen, die seinem Amt innewohnen« 6 3 . Damit ist letzten Endes für die eigene Füllung des Diakonats noch alles offengelassen, der Diakonat kann die »necessite missionaire« übernehmen 64 , »in der Richtung der Mission« liegt die Aufgabe des Diakons, »kaum in der Liturgie, wenn sich dies nicht zufällig einmal ergeben sollte« 65 . Seine Aufgabe ist: »Träger des Evangeliums zu sein und neue Gemeinschaften in den Gesellschaftsbereichen zu bilden, wo solche noch nicht existieren« 66 . Diese belgische Vorstellung ist gleichsam Modell und Ziel auch der französischen Bewegung. Denn am 27. Dezember 1969 wird in Belgien schon der fünfte Diakon unter den geschilderten Voraussetzungen ordiniert. Gerade diese fünfte belgische Ordination zeigt exemplarisch den Inhalt des neuen Amtsverständnisses: Missionarischer Dienst in einem entchristlichten Milieu, in der Umwelt, der Arbeiterwelt des Diakons. Der fünfte belgische Diakon ist Jules Bourlard, aktiver Gewerkschafter, Eisenbahner, Bahnhofsvorstand von Charleroi. Der große Saal eines Cafes gegenüber dem Bahnhof von Charleroi gibt die Kulisse für die Weihe ab. Anwesend sind 300 Personen, zumeist Eisenbahner, Kollegen von Bourlard, unter ihnen viele Nicht-Praktizierende, mehr oder weniger Heiden, dann Bourlards Frau und Kinder, der Chef der belgischen Diakonatsbewegung, drei Mitglieder des Diözesanklerus und der Bischof. Der Ordinand selbst kommt in seiner Dienstkleidung, der Eisenbahneruniform, zum Altar, einem ungeweihten einfachen Tisch, bedeckt mit einem weißen Tuch. »In einem solchen Kontext mußte die 62 Vgl. den Bericht in D . A . 6, S. 17. 63 D I A C O N I A X P 8/9, S. 48. 64 L a Situation du futur diacre en Belgique, Bericht der Communaute du diaconat de Belgique, abgedr. in: D . A . 5, S. 1 3 - 1 5 . 65 A a O S. 15. 66 A a O .

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Weihe auf eine besonders einfache und wahre Weise vor sich gehen. Gesten und liturgische Worten fanden die Spontaneität, die sie in der Urkirche haben mußten« 67 . Das Amen zu den Zeugnissen der Kollegen, der Ehefrau und zum Aufruf des Bischofs drückt sich in Applaus aus. Weißes Gewand und Stola sind dann die einzigen Insignien, die der neue Diakon erhält. Die Homilie des Bischofs (Msgr. Himmer) wird zum Dialog, zum Gespräch mit den Anwesenden. Nach der Ordination assistiert der neue Diakon dem Bischof bei der Austeilung der Eucharistie.

5. Wachsender

Anspruch

»Präsenz eines geweihten Mannes im Arbeitermilieu, mitten im Leben« 6 8 , dies ist der Sinn eines Diakonats, der das alte Anliegen der Arbeiterpriester aufnimmt und den Schaller sich so zum Ziel gesetzt hat. In der Weihe dokumentiert sich authentisches Zeugnis und Übermittlung sakramentaler Gnade zum Dienst in der Welt, in der Profanität. Hier schon beweist sich die Kenntnisnahme der Welt durch die Kirche und die Öffnung der Kirche zur Welt. »Der Ruf, den die Welt an die Kirche richtet und die bleibende Antwort der Kirche auf diesen Ruf«, das ist der Diakonat 69 . Der Begriff »Welt« ist dabei keine mystische oder mythologische Größe. Die Wirklichkeit von Welt ist zugänglich in den verschiedenen »Lebensmilieus« 70 , die gestaltbar sind und zu denen Christus durch das kirchliche Amt des Diakonats Zugang hat. Wendung zur Welt, um der Welt zu dienen, um ihr Christus, das Evangelium zu bringen, dies setzt in der gegebenen Situation der Kirche eine Berechtigung und Beauftragung zur Bildung neuer Basisgemeinden in den entchristlich ten Milieus voraus. Der einzelne Christ, der die Aufgabe, für sein »Milieu« der Christ zu sein, erkennt, braucht für sein Zeugnis eine Gemeinschaft und im weitesten Sinn den universalen Zusammenhang und Zusammenhalt der Kirche, deren Eigenform allerdings von der Art der Welt entfernt und der Welt unverständlich ist. Die geforderte christliche Basisgemeinde ist deshalb zuerst auch als Basisgemeinde des Diakons anzusehen, weniger als christliche Gemeinschaft im egalitären Sinn. Basisgemeinde ist eine neue Form christlicher Gemeinde, wie sie die Säkularität und Profanität einer Neuheiden-Gesellschaft erfordert. So wird nun religiöse Kraft, die früher selbstverständlich unter die Realität der Kirche subsumiert wurde, gesellschaftlich vor allem in der religiösen und menschlichen Qualität des Einzelnen spürbar 71 . Die in di67 S. den Bericht in D. A. 12, S. 13f und den Bericht in D I A C O N I A XP 16/17, S . 2 8 - 3 1 ; vgl. dazu auch die Bemerkungen von R. Schaller in D. A. 11, S. 1. 68 S. den Bericht in D. A. 12, S. 13ff. 69 AaO. 70 D . A . 11, S. 1 und S. 12 f. 71 R. Schaller, L'effort diaconal dans l'Eglise de France, in: D . A . 18, S. 12-14, hier S. 14.

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rekter Konfrontation mit der Welt stehenden Menschen haben keine volle Rückendeckung mehr durch eine ihre ganzen Lebensbezüge umgreifende soziale Macht; Kirche, Gemeinde ist ein Zusammenhang, der durch sie und ihre »Berufung«, durch ihr religiöses Wollen erst im letzten seine immanente Bedeutung erfährt. Gemeinde sind »diejenigen, die sich Christus zugehörig fühlen« 72 . Damit ist deutlich ein säkulares oder vielleicht sogar aufklärerisches Moment in den Kirchenbegriff eingedrungen. Rene Schaller stellt sogar die Frage: »Heißt Diakonat nicht, dem Diakon ausschließlich vorzubehalten, was Spezifität eines jeden Christen ist?«73. Diese »Spezifität« eines jeden Christen ist aber weniger durch theoretische dogmatische Reflexion als vielmehr und m.E. vollständig aus der schwierigen Situation der Kirche in der sich von ihr emanzipierenden Welt zu erklären. Jeder Christ steht schon in irgendeinem Lebensbezug als Christ allein, ohne seine Kirche da. Und in dieser seiner Isolierung ist der Christ Pionier, christliche Besonderheit in seiner Umwelt, die sich auch in seinem innerkirchlichen Selbstbewußtsein niederschlägt.

6. Die erste Krise..

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Ende 1969 gerät die französische Diakonatsbewegung in eine Krise. Ringsum, in Deutschland, in Lateinamerika und besonders in Belgien folgt eine Weihe auf die andere, während in Frankreich noch kein Fortschritt zu sehen ist. Am 18. November 1969 gibtMsgr. Rodhain eine Pressekonferenz, die für die CDF eine offene Herausforderung bedeutet. Rodhain bezeichnet die überaus hohen Anforderungen an die Kandidaten als Ursache für das im Blick auf die Entwicklung im Ausland verwunderliche Ausbleiben des Diakonats in Frankreich. Rodhain gebraucht die Formulierung »Entmutigung der Kandidaten in 90% der Fälle«, eine Behauptung, die von der CDF als sehr mißverständlich korrigiert werden mußte. Die Anforderungen, auf die Rodhain abspielt, sind in einem Kommunique enthalten, das das C N D am 15. Februar 1969 neu herausgegeben hatte 74 . Die Bedingungen hatten folgende Gestalt: 1. Bedingungen persönlicher Art: Vorzug der Kandidatur verheirateter Männer, Familienväter, nicht zu alt, mit menschlicher, beruflicher und geistlicher Wertschätzung, durch die, die ihn in seiner >communaute< kennen. Kandidatur von Junggesellen und Witwern zu den gleichen Bedingungen. 2. Bedingungen struktureller Art: Das C N D wünscht für Frankreich:

72 D . A . 13-14, S.6. 73 R. Schaller, Spiritualität im Diakonat, in D I A C O N I A XP 8/9, S. 22. 74 Abgedruckt in: D . A . 7, S. 15.

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christliche Gemeinschaften aus Priestern, Ordensleuten ud Laien sollen Kandidaten aufnehmen und für Kandidaturen werben. 3. Bedingungen für den Vorgang der Kandidatur: Der Kandidat muß sich dem von seinem Bischof beauftragten Priester für Fragen, die den Diakonat betreffen, zur Verfügung stellen. Der Kandidat muß nach einer bestimmten Zeit der Mitarbeit in der Diakonatsgruppe die Einwilligung des Diözesanpriesters für den Diakonat einholen und dann die Kandidatur beantragen. Die Akte des Kandidaten ist dem C N D zur Begutachtung vorzulegen. Der Bischof der Diözese stellt dann die besonderen Bedingungen der Vorbereitung fest. 4. Bedingungen für den Vorgang der Ausbildung: Vorbildung und aktuelle Verpflichtungen des Kandidaten sind zu berücksichtigen. Ebenso wird Rücksicht genommen auf die Art der zukünftig anvertrauten Aufgabe und ihre Situation. Die Ausbildung geschieht in Kontakten, Begegnungen, längeren Tagungen, eventuellen Abend- und Fernkursen. Nach der Weihe ist Fortbildung notwendig. Diese Bedingungen sind in der Tat recht erheblich, vor allem, wenn man die Abhängigkeit von delegierten Priestern des C N D betrachtet. Dennoch bezeichnet »Diacres Aujourd'hui« die Bedingungen als »in keiner Weise einengend«, d.h. die Anforderungen werden nicht als übermäßig angesehen, denn jedem Christen seien schließlich bestimmte Anforderungen einfach geläufig 75 . Die Voraussetzungen von »Offenheit, Reife und Ausgeglichenheit« seien »normale Erfordernisse«. Dennoch wird zugegeben: »Wir sind keine Heiligen, sondern zur Heiligkeit gerufen« 76 . Hier muß sich der Diakonat in seinen Anforderungen noch einmal, so scheint es, für das hierarchische Amt qualifizieren, um den Mangel des Zölibats zu kompensieren. Die C D F gibt aber nun den Vorwurf zurück: Sie stellt fest, daß von den Priestern für den Diakonat nichts unternommen wird und deshalb die Gemeinden über den Diakonat so gut wie gar nicht informiert sind, so daß von Seiten der Gemeinden kein Echo zu erwarten ist 77 . Der Vorwurf, den Rodhain den Kandidaten macht, sie scheiterten an den geistlichen Voraussetzungen des Diakonats, weist die C D F scharf zurück und wirft im Gegenteil der Kirche insgesamt, vor allem Bischöfen und Priestern vor: Die Erneuerung steht zwar auf dem Papier, aber die Kirche resigniert und scheut sich vor Unruhe, vor dem »frischen Wind«, den der Diakonat bringen wird.

75 D.A. 12, S.2. 76 D.A. 12, S.3. 77 AaO.

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7. . . . und der erste Erfolg Diese durch die Pressekonferenz von Rodhain ausgelöste Erschütterung räumt tatsächlich letzte Hindernisse weg. Die Doppelnummer 1 3 - 1 4 von Diacres Aujourd'hui (März-Juni 1970) berichtet von den ersten fünf Ordinationen von Diakonen in Frankreich, »berufen durch Christus als lebendigen Zeugen einer dienenden und armen Kirche« 7 8 . Vergleicht man die fünf einzelnen Zeugnisse der neuen Diakone aus Diacres Aujourd'hui, so fällt ins Auge, daß alle in irgendeiner Form vom »neuen Sinn für Verantwortlichkeit« 79 sprechen, ja daß kurzum Diakonat definiert wird als »Verantwortlichkeit«, als »totales Engagement und Hintanstellen der eigenen Person«, oder als »Entdeckung der Liebe Christi«, oder »Amt zum Dienst an den Menschen«. Es gilt: Der Christ beginnt ganz konkret dem Menschen von heute seinen »esprit de service« darzustellen. Der Diakon zeigt sich »als Diener aller Menschen und von jedermann« 80 . Damit ist die Öffnung zur Welt, zu allen Menschen als Mission der Kirche in Gestalt der Diakone hinreichend angedeutet 81 . Begleitet ist diese Öffnung von einem durchgängigen starken religiösen Selbstbewußtsein, das, wie oben schon zu deuten versucht, seinen Ursprung in der neuen Situation der Kirche in der Welt hat, eine Situation, die den einzelnen Christen betrifft und seine religiöse Struktur verändert, sofern er die Missionssituation erkennt und in der »vocation« einen neuen, festen, religiös bestimmten Standort sucht. Das, was in diesen Diakonat als missionarische Existenz an kirchlichem Amt eingeht, ist, gemessen am Motuproprio, recht wenig. Kirche berührt, wie schon zu zeigen versucht, lediglich die Innerlichkeit und das »Heimatgefühl« des Diakons, der sich und seinen Dienst zwar als Repräsentation der Kirche versteht, aber diese Repräsentation kommt zustande durch die innere Identität und Identifikation von Repräsentation der Kirche und persönlicher Repräsentation Christi. Keiner der ersten fünf Diakone in Frankreich übernimmt eine klare und konkrete kirchliche Aufgabe. Alle verstehen ihre Weihe als den Beginn der Authentizität ihres Christseins, »als Konsekration ihres Lebens für den Herrn« ohne spezielle Aufgabe. Jeder bleibt in seiner Umwelt mit dem allgemeinen Auftrag zur Mission und Repräsentation Christi, als Sakrament für seine Welt, als »Christus visibile«. Das Recht des Diakons zu den ζ. B. im Motuproprio zitierten Aufgaben, im Höchstfall zur Austeilung der Eucharistie, erscheint nirgends als notwendige Tätigkeit. Dieses Drängen der Diakone, der Welt 78 D . A . 1 3 - 1 4 , S . l . 79 D . A . 1 3 - 1 4 , S.4. 80 D. A. 1 3 - 1 4 , S. 5: Es ist frappierend zu sehen, wie stark die eigene Kraft der Person des Diakons betont wird. Vgl. dazu R. Schaller, L'effort diaconal. . . aaO. D. A. 18, S. 14: »Die Kraft des Diakonats ist die persönliche Bekehrung«. Weniger die Struktur des Amtes als vielmehr die Stärke der persönlichen Frömmigkeit ist maßgebend, ein sicher nicht unproblematischer Ansatz. 81 Vgl. K.v. Holsbeke, Le diaconat en Belgique, in: D . A . 18, S. 10.

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von heute, die der Kirche fern ist, mit und durch die eigene Person ein kommunikatives Sinnzentrum zu bieten, läßt den Willen verständlich erscheinen, alle von der Kirche dem Diakonat aufgerichteten Hürden zu überwinden.

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IX. Die Auseinandersetzung um die Gestalt des französischen Diakonats in Diacres Aujourd'hui 1. Theologische Zwischenbilanz Die Arbeit der C D F kreist, prinzipiell analog zum Bemühen des Konzils, darum, für die ganze Kirche eine gemeinsame Antwort zu finden, die ihren Brennpunkt in Christus hat. Diese neue Antwort hat nun kirchenverändernde Konsequenzen. Denn die »Repräsentatio Christi« 1 soll nicht mehr eine Darstellung gegenüber der Welt sein, in der Christus im Zusammenwirken zweier Faktoren, Laien und Hierarchie abgebildet wird. Jetzt wird der Einzelne aktiv zur Repräsentatio Christi beitragen wollen, es wird selbst ganz Christi sein wollen. Damit wäre auch die theologische Allgemeingültigkeit, vorher objektiviert in der Struktur, nun in die subjektive Christusgewißheit des Einzelnen verwandelt. An die Stelle halbverantwortlicher Repräsentatio Christi durch den Laien tritt die aktive vollverantwortliche Repräsentatio Christi des Diakons, der frei vom Zölibat als einer Art >signum indelebile< der Hierarchie praktisch Kriterien des Laienchristentums zur N o r m der Repräsentatio Christi erheben soll. Die letzte Konsequenz stellt aber für das katholische Kirchenprinzip eine schwere Erschütterung dar, die jedoch von Seiten der französischen Diakonatsbewegung als unumgänglich in Kauf genommen wird. Denn man weiß im voraus sicher, daß die Umwandlung der Halbverantwortlichkeit des Kirchenmitglieds in eine Vollverantwortlichkeit sich nur mit vielen Abstrichen in die traditionelle Doppelheit des Christusbildes einordnen lassen wird: Herrscher der Welt und Diener der Menschen. N u n kann besonders betont werden, daß auch der irdische, leidende, dienende, noch nicht auferstandene Christus ebenfalls die volle göttliche Autorität besitzt. Auch in der tiefsten äußeren Niedrigkeit trägt Christus die Vollmacht Gottes. Damit ist der letztgültige Herrschaftscharakter Christi Wirken nicht bestritten, doch will man in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß in der traditionellen römischen Theilogie zu schnell über den immanenten Dienstcharakter des Wirkens Christi hinweggegangen wird. Beispielhaft dafür ist die theologische Beschreibung der Niedrigkeit Christi in dem Konzilsdekret » A d Gentes« N r . 3 und N r . 8. So heißt es in N r . 3: » D a r u m sandte er seinen Sohn in unserem Fleisch, damit er durch ihn die Menschen der Gewalt der Finsternis und des Satans ent-

1 Zur theologischen Bedeutung des Begriffs >Repräsentatio Christi< sei auf das gleichnamige Buch von P . E . Persson verwiesen.

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reiße und in ihm die Welt sich versöhne«. Die Formulierung »in unserem Fleisch« ist dabei aufschlußreich. Inkarnation, das Offenbarwerden Gottes in unserer Welt, wird nicht objektiv als Gegenwart in den Bedingungen der Welt, so wie sie ist, verstanden, sondern subjektiv in die Annahme der Menschennatur Christi hinein verengt. Zwar sagt »Ad Gentes« 3: »So hat der Sohn Gottes die Wege wirklicher Fleischwerdung beschritten, um die Menschen der göttlichen Natur teilhaft zu machen; unseretwegen ist er arm geworden, da er doch reich war, damit wir durch seine Armut reich würden. Der Menschensohn kam nicht, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld hinzugeben für die vielen, das heißt für alle«. Die typische Verkürzung des Zitats aus Mk. 10,45 ist schon ein Signal dafür, daß es primär nicht um die Qualität einer neuen Beziehung Gott - Welt geht, sondern um die Annahme der »Menschennatur . . . wie sie sich bei uns findet, die wir elend und arm sind« (Ad Gentes3). Die Relation, die Bindung und Erniedrigung Gottes in die tiefste Welthaftigkeit wird seltsam schwach ausgedrückt. Man kann nicht sagen, daß sie völlig fehlen würde, aber sie ist auffallend zurückhaltend ausgedrückt und niemals zu einem klaren theologischen Hauptsatz ausgeformt. So sagt zwar Ad Gentes8: »Christus ist ja Ursprung und Urbild jener erneuerten, von brüderlicher Liebe, Lauterkeit und Friedensgeist durchdrungenen Menschheit, nach der alle verlangen«. Aber die soziale Konsequenz aus einem solchen Satz ist lediglich die, daß deshalb »die Predigt des Evangeliums . . . von niemand und nirgendwo als fremd erachtet« (Ad Gentes8) werden kann. Evangelium ist also, bevor es den Menschen erreicht, schon fertig, und deshalb sind alle sozialen Kriterien an die Botschaft der Kirche im Prinzip nicht anzulegen. Soziale Relevanz ist so ein Produkt, evtl. ein Nebenprodukt, aber nicht die Voraussetzung für das Evangelium Christi. Man kann auf soziale Relevanz verweisen, vielleicht sogar voller Stolz, aber solche Verweise können nie den Charakter von theologischen »Gleichungen« annehmen. So bemerkt ja Ad Gentes 8 fast nebenbei: »In der Tat war das Evangelium in der Geschichte, auch der profanen, den Menschen ein Ferment der Freiheit und des Fortschritts und bietet sich immerfort als Ferment der Brüderlichkeit, der Einheit und des Friedens dar. Nicht ohne Grund wird Christus von den Gläubigen gefeiert als die Erwartung der Völker und ihr Erlöser«. Μ. E. ließe sich am Beispiel der Niedrigkeit Christi sicher zwischen der Struktur der katholischen Auffassung von Verkündigung des »Evangeliums« und der »Amtsstruktur« eine volle Analogie nachweisen. So, wie Kirche, bevor sie sich aus Menschen konstituiert, im »Amt« schon fertig ist (Congar formulierte ja schön: bevor es Kirche gab, gab es das Amt), genauso ist das Evangelium schon fertig, schon »Gesetz« oder »göttliches Recht«, nicht mehr veränderbar, wenn es in die Umstände dieser Welt und ihrer Menschen eingeht.

Auch nach dem Konzil kann über den Sinn der Hierarchie-Struktur in der Kirche nicht frei geurteilt werden ohne Gefahr der Häresie. Die Niedrigkeit Christi spielt - wie übrigens auch weithin im Protestantismus - theologisch keine allzu große Rolle; dem kirchlichen Charakter der Hierarchie entsprechend stehen Hoheitsaussagen und die Reflexion göttlicher Machtzuweisung an erster Stelle. Die Trennung der Kirche in Laien und Hierarchiker wird bleiben. Dementsprechend muß sich das kirchenreformerische Interesse auf die Tatsache richten, daß in der irdischen Repräsentatio Christi vor Heiden der Laie eine tragendere Bedeutung erhält, nämlich die Aufgabe verantwortlicher Ergänzung der Hierarchie, die durch diese Ergänzung erst in die Lage versetzt ist, die Repräsentatio Christi auszuführen. So fällt den Laien im Anblick einer Kirche, die Mission zum Uberleben der alten Gültigkeit und des alten Ansehens braucht, eine de facto der Hierarchie gleichbedingte und gleichwertige Aufgabe zu. Eine solche Aufwertung des Laien, dem Priester komplementär zu sein, scheint auf diese Weise alle Schwierigkeiten beheben zu können, auch wenn es problematisch ist, die Stellung des Laien in der 156

Kirche durch ein Faktum bestimmen zu lassen, das nicht unter völliger Klärung in die Kirchen- und Ämtertheorie aufgenommen ist. Die Situation der Kirche, daß Mission notwendig, ja sogar der Existenzgrund der Kirche überhaupt ist, hat ja ganz bestimmte christologische Ursachen und Konsequenzen. Der - wenn man so sagen kann - Modus defectivus der Repräsentatio Christi - , daß eben nicht alle Christen sind, sondern das Evangelium weitergetragen werden muß, begründet praktisch die menschliche Entscheidungsfreiheit in der Kirche! Dies heißt: Der einzelne Christ, Laie oder Kleriker, der auf Gewinnung anderer zum Christsein aus ist, wird durch die eigene Repräsentatio Christi anderen gegenüber nicht (mehr) so auftreten können, daß ein quasi gesetzlicher Anspruch ihnen die eigene Entscheidung abnimmt, sondern er wird sie ihnen bewußt lassen müssen. Repräsentatio Christi versucht nichts anderes (mehr kann sie gar nicht), als bei anderen eine Entscheidung für Christus zu provozieren. Eine solche Entscheidung für Christus ist aber nur möglich, wenn das neue Kirchenmitglied, der neue Christ, die Wahrheit Christi voll in das eigene Leben übersetzen kann, wenn Christus völlig seine Subjektivität ergreift und keine anderen Objektivitäten seinen Glauben zu seinem Sich-einer-Wahrheit-fügen machen wollen. Fassen wir zusammen: Ist Mission als Priorität der Kirche erkannt, so ist die traditionelle Klerusstruktur der Kirche dafür nicht geeignet. Die neuen missionsfähigen Repräsentanten der Christuswirklichkeit müssen weltteilhaftig und weit-offen sein, nicht allein »hommes du sacrement«, sondern »hommes du monde sacre«. Sie verkündigen und leben Christus nicht als solche, die sich von der Welt zurückziehen, sondern als solche, die der Welt in ihrer Welthaftigkeit dienen. Das Amt der Repräsentatio Christi ist in der Zeit und in dieser Welt nicht zuerst ein eschatologisch-königliches, mit entsprechender >Färbung< kirchlicher Strukturen, sondern ein Amt der Niedrigkeit, des Dienstes an der Welt, in der die >Farbe< der Kirche Dienst und Verzicht auf Herrschaftsinsignien sind. 2. Diakone

- Laien oder

Hierarchiker?

a) Das Dilemma Die im ganzen katholischen Bereich mangelnde christologische Begründung und Reflexion des Diakonats 2 führt dazu, daß dies eines der am meisten dis2 Deutlich zu spüren war dieser Mangel auf der Europäischen Studientagung im Oktober 1973 in Innsbruck, die vom österreichischen Pastoralinstitut und dem IDZ gemeinsam veranstaltet wurde. Das Gespräch in den Arbeitsgruppen, besonders in der AG 1 »Diakonat und Amt«, ging deutlich in die Richtung, daß die Christologie ein Teil der Spiritualität des Diakons, aber nicht ein normativer Teil der Theologie des Diakonats war, die die Struktur des Amtes bestimmt. In seinem Hauptreferat »Diakonat - ein Beitrag zur Erneuerung des kirchlichen Amtes«

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kutierten Probleme von »Diacres Aujourd'hui« wird. Auch bei einigen der hervorragensten Vertreter der Wiedererneuerung des Diakonats ist nämlich die Begründung eines amtsmäßigen Diakonats nicht ganz schlüssig. So schreibt ζ. B. Walter Croce: »Die Diakone sind meistens noch Laien, aber sie legen Zeugnis ab, daß ihr Amt heilig ist« 3 . Der Laienstand ist ein Mangel für den Diakon, der mit dem Prädikat »heilig« irgendwie kompensiert sein soll. Es ist jedoch deutlich, daß die Deklaration »heilig« noch gar nichts über die christologische Bedeutung aussagt. Lediglich ein allgemeiner Zusamhenhang mit Offenbarung wird als Wert ins Spiel gebracht, ohne daß eine klare gedankliche Struktur erkennbar wäre. Interessanter in der christologischen Begründung ist dann schon der Ansatz von Y. Congar in seinem schon zitierten Buch »Der Laie«. Congar spricht zuerst einmal von der »Diakonie als Dienst und Hilfeleistung«, die eine »unverlierbare Pflicht der Kirche bleibt« 4 . Hier ist zweifellos eine christologische Qualität angesprochen - aber eben typisch auf die bezeichnete indirekte Weise: sie wird nicht an biblischen Texten expliziert. Congar sagt zwar: »Dienst am Nächsten« und »Dienst am Tisch des Herrn« stehen einander gegenüber, oder anders gesagt, »Wohltätigkeit und Eucharistie sind komplementäre Ereignisse«. Doch ist zu fragen, wie diese komplementären Pole strukturell klar aus einer einheitlichen christologischen Aussage heraus entfaltet und dargelegt werden können. Dabei muß die wohl nicht überraschende Entdeckung gemacht werden, daß bei Congar diese Doppelheit zwar nicht die Polarität von Priestern und Laien begründet, aber dennoch zwei unterschiedliche christologische Aussagewerte innerhalb der Hierarchie als eine christologischer Gesetzmäßigkeit folgende Abstufung hervorbringt. Es zeigt sich bei Congar, daß die aufgestellte Polarisierung »Eucharistie« und »Dienst« christologisch dem Gegensatz himmlisch (oder kosmisch) und irdisch zugerechnet wird, wobei die Qualifikation >himmlisch< die umgreifendere und bedeutendere (und damit auch wahrere) christologische Bestimmung ist. Denn die einfache christliche Dienstleistung von christologischer (offenbarungsmäßiger) Qualität, die Congar bald Diakonie, bald christliche Caritas nennt, kann von Laien nicht ausgeführt werden. Wenn Diakonie zur Repräsentatio Christi gehört, dann muß »in irdischen Dingen der Kirche« 5 auch ein Repräsentant der Kirche, ein Mitglied der Hierarchie handeln. Und genau an diesem Punkt füllt der Diakonat nach Congar eine theologische Lücke aus. In Anerkennung der übergeordneten Geltung der Eucharistie als schon eschatologischer Qualität wird die irdische Qualität in die konnte P. Hünermann konsequent in seiner Hauptthese jeden direkten christologischen Bezug weglassen: »Die Frage des Diakonats läßt sich nicht beantworten, ohne eine Reflexion auf das kirchliche A m t und den Sinn von Weihe für die heutige Kirche und die technische, säkularisierte Welt und Gesellschaft«. Alle christologische Füllung ist dieser Reflexion gegenüber sekundär. 3 Croce bei Winninger, Vers un renouveau S. 204. 4 Congar, D e r Laie S. 369. 5 Congar aaO S. 369.

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eschatologische mit hineingenommen. Der Diakon wird in das hierarchische Amt integriert, indem er bestimmte exzeptionelle Merkmale des eucharistischen Amtes übernimmt, diesem gegenüber aber inferior bleibt, >secundus gradusDienst an sich< geschehen könnte ohne Verbindung mit der eucharistischen Repräsentation. Für Congar und viele andere ist der Weihediakonat als amtsmäßiges und rechtlich abgesichertes Band der legitime Repräsentant dieser irdischen Funktion Christi, die sonst leicht dem humanistischen Mißverständnis ausgesetzt sein könnte. Doch dieser »Dienst« geschieht für Congar klar auf einer unteren, sogar der untersten Stufe der Hierarchie und dies rührt aus der Auffassung: Das rechte Miteinander von oberer eucharistischer und unterer Dienstqualität ist kein freies Zusammenwirken beider zur Repräsentatio Christi, sondern ist von vornherein von einem Strukturprinzip überformt: der Struktur des Amtes als der ontologisch schon längst vorhandenen und angebotenen Wahrheit Christi. Das Dienen Christi ist apriorisch durch sein Herrschersein überholt. Wo Christi Dienst thematisiert wird, da muß das Reden von seiner himmlischen und endgültigen Herrlichkeit alles andere irdische, weltbezogene Reden überragen. So wird im Folgenden darauf zu achten sein, wo und wieweit Diakonie und Ontologie apriorisch schon zusammen gesehen werden. Es wird sich erweisen, daß mit der Betonung einer nicht apriorisch schon relativierten Diakonie die Welt und ihre Wirklichkeit stärker das Handeln der Kirche beeinflussen können. Gewiß ist eine Isolierung der Weltbezüge gegenüber einer christlichen Eschatologie schlecht und sogar falsch, doch in der Betonung der irdischen Funktion Christi liegt eine Chance zur Veränderung der Gesamterscheinung von Kirche in der Welt, denn die Eucharistie als formalisiertes Evangelium ist doch wohl mehr eine innerkirchliche Angelegenheit geworden. Auch wenn man, wie Congar, von einer Verbindung, einem »Band« spricht, das Eucharistie und Diakonie vereint, so ist das Problem immer noch die objektive Gestalt dieser Verbindung. Bei Congar ist Diakonie ein notwendiger Bestandteil, aber entsprechend der hierarchischen Stufung ein untergeordneter Vorgang in der Kirche. Die Gefahr, daß die Diakonie dabei zu einem »Anhängsel« kirchlicher Aktivitäten, speziell des Gottesdienstes, wird, ist groß. Auch Karl Rahner, selbst einer der engagiertesten Vertreter der Wiedereinführung des Diakonats, drückt die Abhängigkeit der Diakonie von der Eucharistie unmißverständlich aus: »Die Eucharistie ist das Ereignis, in dem das Wesen der Kirche selbst in der intensivsten Weise zum aktuellen Vollzug kommt«. Hier vollzieht sich die Einheit der Kirche im sakramentalen Symbol und in der Liebe Christi« 6 . Nach Rahners Auffassung ist ja gerade in der Eu6 K. Rahner, Die Theologie der Erneuerung des Diakonats, in: Diaconia in Christo, S. 311.

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charistie die »Realisierung der Liebe« 7 gegenwärtig, so daß die Tätigkeit des Diakons ihren »Hauptbezug zur Eucharistie« hat. Konkret heißt dies: Diakonie ist nicht hauptsächlich Dienst an Laien, an Nichtchristen eventuell, sondern Diakonie ist Dienst vom Altar aus, »das ideale und volle Wesen des Diakonats ist vom Altar her entworfen« 8 , so formuliert Rahner, setzt aber unvermittelt hinzu: »Muß es aber nicht sein«. Denn es gibt eine Regel, nach der ein Diakonat, der nicht vom Altar her entworfen ist, gültig sein kann. »Dort, wo . . . größere Funktionen . . . für die Aufgabe der Hierarchie geleistet werden, kann man vom diakonischen Amt sprechen.« Das Kriterium für den Diakonat und den Dienst liegt also nicht in einer Art direkter Anwendung christologischer Maßstäbe, sondern in einem menschlichen Urteil der Hierarchie, inwieweit der betreffende Laie tatsächlich zu dem Dienst, den die Hierarchie tut, selbst aktiv beiträgt. »Die genaue Verleihungsweise der Ämter hängt vom Willen und Absicht der Kirche ab« 9 , wobei die »Kirche« die urteilsfähige Hierarchie, der alleinige Inhaber des Amtes selbst ist und das Kirchenvolk kein Mitspracherecht hat. Der grundlegende Unterschied zwischen Laie und kirchlichem Amtsträger kann also auch durch den Diakonat nicht aufgehoben werden. Dienst, der der Laienchrist tut, ist keine Diakonie, keine Repräsentation Christi mit Offenbarungsqualität. Rahner definiert unzweideutig Diakonie als Übernahme von »Aufgaben, die doch der Hierarchie als solcher zukommen, die aber geeignet sind, die Priester einem spezifisch priesterlich-geistlichen Leben zu entfremden«. Die Rolle der Laien im Blick auf Diakonie ist damit eine absolut uneigentliche. Das dem Weltcharakter entfremdete hierarchische Amt ist das Zentrum kirchlicher Eigentlichkeit. Damit ist aber dem hierarchischen Diakonat alle »weltliche« Kraft genommen und die Möglichkeit der Repräsentation Christi mit irdischen Mitteln ohne Weihe - geleugnet. Die Kriterien für die Weihefähigkeit bilden die Ethik der Entweltlichung. Rahner gibt dies auch zu: Die Grundstruktur der Kirche der »christlichen Gnadenordnung« ist eschatologisch orientiert 10 , >repräsentatio Christi< ist Repräsentation des eschatologischen Christus, des >Christus triumphansApostolos< sein . . .« Auch Rahners Horizont von Eigentlichkeit weist sich als Entweltlichung, als die Tendenz von allem, dem himmlischen Christus entsprechenden Sein mitten in der Welt aus, denn alles Tun, das sein Kriterium am irdischen Wandel Christi nimmt, ist relativ zur himmlischen Existenz Christi und relativ zum Altarsakrament. Durch die gleichzeitige Ontologisierung der innerweltlichen Struktur der Kirche aber immunisiert sich die Hierarchie gegen Innovationen. Alles Denken vom Diakonat kann nur auf der traditionellen Christologie und Ekklesiologie der priesterlichen Hierarchie basieren. Die Titel »Diakonie« und »Diakon« sind völlig auf das kirchliche Amt bezogen, erst mittelbar auf die Kirche als Ganzheit. Neutestamentliche Bezüge haben in dieser »Diakonik« völlig untergeordnete Bedeutung. Die Diakonietheoretiker um und mit Rahner versuchen, den Diakonat aus einer Christologie zu begründen, deren immanenter Halt aus einem apriorischen Prinzip und nicht aus den Zeugnissen des irdischen Christus genommen ist. Gerade an der Einführung des Diakonie-Begriffs wird der ontologisch-apriorische Charakter der ganzen römischen Kirchentheorie deutlich. Deshalb kann es bei Rahner auch kein anderes objektives Kriterium für die Einführung und die Art des Diakonats geben. Es bleibt freilich eine gewisse Offenheit, die minimalen Spielraum läßt für andere Formen des Diakonats als die des Diakons am Altar und »vom Altar aus«, sofern diese nicht kirchenrechtliche Absicherung verlangen. Doch gerade an diesem Punkt ist die Hierarchie besonders hellhörig geworden. b) Reaktionen in Diacres Aujourd'hui Im Heft 6 von Diacres Aujourd'hui vom Januar 1969 ist eine Rede von Papst Paul veröffentlicht: »Tous serviteurs«. Einiges zu diesem Artikel ist in dieser Arbeit schon gesagt. Doch ist noch näher auf die Frage einzugehen, wie sich die Ziele der CDF mit dieser exemplarischen Position verbinden lassen. Dem Charakter der CDF entsprechend ist die Theologie von Rene Schaller und seinen Freunden nur ein Sektor im Meinungsspektrum über den Diakonat, wenn auch in den Artikeln ohne Autorennennung die redigierende Hand von 11 AaO S. 312.

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Rene Schaller durchscheint, der mutig immer wieder - auch gegenüber konträr scheinender Positionen - innerhalb »Diacres Aujourd'hui« einen neuen missionarischen Diakonat projiziert. Doch wird immer wieder betont: »Die »Berufungen« der Diakone haben einen Grundzug: sie sind alle »kirchlich« 12 , d.h. sie wollen innerhalb der kirchlichen und hierarchischen Gegebenheiten ihren Platz finden. Doch wie soll dies möglich sein, wenn Papst Paul das, was bei Rahner der »formelle Unterschied iure divino« war, als die Fähigkeit faßt, »sich an der hierarchischen Norm auszurichten« 13 ? Hierarchische Norm bedeutet: Es gibt Stufen der Vorbildhaftigkeit. Die einzelnen Bedingungen, die von einer Stufe der Hierarchie zur nächsten die Vorbildhaftigkeit qualifizieren, sind Steigerungen auf die kirchliche Norm der Christusförmigkeit hin, die das letzte spirituelle Ziel ist. Alle katholischen Christen haben somit in den Mitgliedern der Hierarchie Vorbilder für das eigene Dienen, für das eigene Leben in der Christus Wirklichkeit. Uber den Diakon und sein Amt hatte Papst Paul in seinem Votum eigentlich sehr wenig gesagt. Es ist auch gar nicht notwendig: Wenn die Struktur der Kirche unverändert bleibt, wenn ein kirchliches Amt nur in der Lebensform des Hierarchikers gelebt werden kann, dann sind die Konsequenzen für den Diakon, der kein Priester ist und auch keiner werden will, deutlich. Entweder er verzichtet auf Weihe oder er geht in die Hierarchie, freilich in deren unterste Stufe. Er richtet sich auf die christliche Qualität aus, die ihm die Hierarchie darstellt - bis hin zur Qualität der Stellvertretung Christi, durch den »Autorität jetzt und immer in der Kirche notwendig« ist, »weil sie durch Christus gewollt ist« 1 4 . Das Votum des Papstes ist sehr ernst zu nehmen. Es zeigt endgültig, daß die Diakone zur Hierarchie gehören werden in der traditionellen kirchlichen Stufenfolge. Der Autoritätsgewinn des Diakons wird aber ein sehr relativer sein. Der Diakon wird in der Selbständigkeit und kirchlichen Authentizität, die er sucht, plötzlich neue »Vorgesetzte« erwerben, die über ihn jetzt stärker verfügen können als zuvor, als der Diakon noch Laie war. Schon in den ersten Nummern von »Diacres Aujourd'hui« erscheint ein Aufsatz von Congar, der diese Frage aufgreift. Congar beginnt überschwenglich mit der These: Die Idee des II. Vatikanischen Konzils ist die »Idee des Dienens« 15 . Zwar definiert die Konzilskonstitution Lumen Gentium »Dienst« als »quod in sacris litteris diakonia seu ministerium nuncupatur«. Es überrascht aber, daß Congar diese Definition kritisiert: »Diese Definition ist unvollständig, die christologische und theologische Natur der Grundlage des Dienes ist nicht gut genug ausgedrückt. Die Diakonie Gottes 1 2 D . A . 4, S.2. 13 P. Paul, Tous serviteurs, D . A . 6, S.2. 14 P. Paul aaO. 15 Y. Congar, La Diaconie dans l'esprit de Vatican II, in: D . A . 1, S. 12.

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in der Welt ist nicht berücksichtigt«. Congar spricht dann von dem, was zu berücksichtigen ist, als der »Kondeszendenz Jesu, seinem Dienst in der Welt« 1 6 . Diese treffende Kritik bindet sich selbst sofort wieder und verliert alle theologische Schärfe, wenn Congar an Unverrückbares erinnert: »Der Diakonat ist nicht gebunden an das Kirchenvolk allein, sondern an eine Göttlich· Apostolische Initiative«. »Diakonie ist gebunden an den ersten Grad des hierarchischen Amtes und an eine sakramentale Weihe« 1 7 . Laien haben auf gar keinen Fall das Recht, ihre Tätigkeit »Diakonie« zu nennen, wenn sie nicht geweiht sind, d . h . ihren Laienstand aufgegeben haben. Das Dilemma, in dem nun eine Laienbewegung zur Erneuerung des Diakonats steht, ist deutlich: In irgendeiner Form muß der Laienstand aufgegeben, muß eine Weihe angestrebt werden. Der neue Diakon muß sich als Hierarchiker verstehen. Die einzige Chance, den neuen Diakonat aber nicht völlig an die hierarchische Struktur der Kirche auszuliefern, liegt nun in der Reduzierung der Bedingungen der Aufnahme in die Hierarchie (kein Zölibat u. ä.) und in der Darstellung des Diakonats als selbständige, unabhängige und gleichwertige Aufgabe neben dem Priestertum. Für beides setzt sich »Diacres Aujourd'hui« intensiv ein. Hauptproblem für die Wiedereinführung des Diakonats ist nicht, wie bestimmte Aufgaben diakonischer Art zu tun sind, sondern »das, was die Diakone sein werden, nicht, was sie tun werden« 1 8 . Heft 1 von »Diacres Aujourd'hui« bringt, gleichsam als Demonstration für die Berechtigung der neuen Titelwahl, einen Bericht von der Weihe der ersten fünf Diakone der Römischen Kirche. Dies ist eine Nachricht, die natürlicherweise die Anstrengungen in Frankreich anstachelt, zumal in Deutschland und Belgien auch schon offizielle Richtlinien für die Ausbildung der Diakone vorliegen, die ebenfalls in Heft 1 abgedruckt sind 1 9 . Rene Schaller fordert im Kommentar zum Stand der Dinge eine »dynamische Verwirklichung« 2 0 : es soll in Frankreich endlich vorangehen! Doch Frankreich hat keinen Kardinal Suenens. Keine große kirchliche Autorität macht sich diese Aufgabe zu eigen. Viel zu sehr steckt den Bischöfen noch die Erfahrung aus dem fehlgeschlagenen Arbeiterpriesterexperiment in den Knochen. Es ist niemand da, der sich - wie Suenens - frei gegen R o m stellen würde. Wenn Henri Denis in N r . 2 feststellt: »Der Diakon ist in erster Linie in Relation mit der Welt« 2 1 ,

16 AaO. 17 Congar aaO S. 13. 18 H . Denis, Sens du renouveau du Diaconat, in: D. A. 2, S. 2. 19 Der Unterschied zwischen den deutschen und belgischen Ausbildungsrichtlinien ist überraschend. Die deutschen Richtlinien sind ausführlicher, viel mehr auf ein Berufsbild des Diakons hinorientiert. Der Gesamtcharakter ist durch einen Satz gut zu kennzeichnen: »Die erworbenen Kenntnisse müssen unter Leitung eines Priesters eingeübt werden« (D. Α. 1, S. 5). In den belgischen Richtlinien dagegen ist das eigentliche Amt die persönliche Spezialdisziplin des Diakons, die völlig offen gelassen ist und nicht in der traditionellen Methodik kirchlicher Arbeit aufgeht. 20 D . A . 1, S.2. 21 D . A . 2, S.2.

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steht dies konträr zu den Intentionen aus Rom. Henri Denis formuliert sogar noch kräftiger: Der Diakonat hat in diesem »in Relation zur Welt sein eine beständige, eigene Sinn- und Zwecksetzung« 22 , und das bedeutet, daß der Diakonat nicht eine jederzeit oder auch nur irgendwann einmal rückgängig zu machende Ausgliederung aus dem Priesteramt ist zwecks Erledigung von Aufgaben, die den Priester in seiner entweltlich ten Existenz beeinträchtigen können. Denis stellt klar: »Der Diakonat bedeutet nicht Ergänzung des Priesteramtes, sondern besitzt Eigenständigkeit« 23 . Der Diakonat soll seinen Ursprung und seine stete Beziehung nicht zum Priesteramt haben und zu den Bedürfnissen desselben, sondern in einem Dauerbezug zur Wirklichkeit Christi stehen. »Das Geschenk Christi an seine Kirche ist von einem solchen Reichtum, daß es nicht nur an ein Amt gebunden ist«. Der theologische Fortschritt und der kirchliche Gewinn, der durch die neuen Diakone erreicht ist, ist der, daß die Hierarchie als Amtspriestertum nicht das einzige Medium Christi sein muß. »Denn das Geheimnis Christi hat zwei Gesichter«, Meisten in der Wahrheit und der Liebe und >Dienerals Kirche< zu ihnen spricht« 36 . Der Kirche selbst sind die missionarischen Situationen nicht bekannt; der Diakon aber kennt sie. Er hat eine »originale Daseinsweise« 37 , er steht mitten im Leben, sein »Amt« ist nicht etwas Ganzes, Fertiges, mit der Weihe übernommen, sondern etwas, das erst »in seinen Taten« entsteht 38 . Der Diakon soll zwar »Diener der Kirche, aber Diener in der Welt« 39 sein, also Repräsentant, bevollmächtigter, eigenständig wirksamer Vertreter der Kirche. Die Richtung des Diakonats »soll nicht auf das innere Leben der Kirche gehen, sondern auf die Ungläubigen« 40 . 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

Denis-Schaller, Diacres dans le monde S.68. A a O S. 62. AaO S. 61. AaO S. 60. A a O S. 62. D . Α. 1, Redaktionsartikel: »Warum träumen wir vom Diakonat?«, S. 16ff. AaO. Denis aaO S. 17. Denis in D. A. 2, S.3. D. A. 2, S. 14.

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Das dritte Heft von Diacres Aujourd'hui gibt einen Uberblick über die Entwicklung des Diakonats in der gesamten protestantischen Welt, die von Rene Schaller zusammengefaßt wird: >In allen Kirchen muß der Diakonat reformiert werden. Uberall ist der Diakonat verhärtet und amputiert. . .« 4 1 . Heft 4 wirbt dann wieder vollständig für die theologische Linie des missionarischen Diakonats, der das verantwortbare Ziel der allgemeinen »missionarischen Sorge« ist, indem der eigenständige Missionsdiakon durch seine relative Entfernung von kircheninternen Aufgaben frei von der Gefahr der Klerikalisierung ist. »Priorität der Mission, d. h. Priorität, zu sein wie jedermann« 4 2 . Schaller und seine Freunde wissen: es wird schwierig werden, den Diakonat wirklich missionarisch auszugestalten 43 - »ganz einfache institutionelle Formen« 4 4 wären dazu notwendig, doch ist die Kirche dazu bereit, einen Menschen, der als Mitglied der Hierarchie sich in seiner Tätigkeit der (sozialen) Kontrolle durch die Hierarchie doch weitgehend entzieht, in der Weihe eine Blanko-Bevollmächtigung zu geben? Wohl kaum. Die Entwicklung in Frankreich wird deutlich zeigen: Je größer das Unabhängigkeitsbedürfnis der Diakone, umso stärker wird das Bedürfnis der Hierarchie nach Uberprüfung der Persönlichkeitseigenschaften der Bewerber für den Diakonat. Die rigorose Zurückweisung von über der Hälfte der Kandidaten durch das C N D beweist dies zur Genüge 45 . Gefährlich wird dies für die Gesamtentwicklung des Diakonats indes in einer Hinsicht: Wird durch den Anspruch an die Person und die Kirchentreue des Diakons die Zahl der Interessenten stärker dezimiert, wird das allgemeine Interesse am Diakonat schlagartig zurückgehen, nicht zuletzt auch durch den Umstand, daß niemand gerne das Risiko einer Ablehnung seiner Kandidatur auf sich nehmen möchte. Doch unbeirrt von solchen kirchenpolitischen Erwägungen verfolgen Schaller und seine Freunde ihre Konzeption von Diakonat. Sie warnen davor, »zuviel Augenmerk auf innerkirchliche Vorgänge« zu richten. »Man vergißt den Lazarus vor der Tür« 4 6 . »Die Wirklichkeit der Christen ist nicht an bestimmte innerkirchliche Zwecke und Rahmen gebunden« 47 . In der Gesamtorientierung einer »missionarischen Präsenz« der Kirche ist der Diakonat »eine der Formen, in denen christliche Uberzeugung und Verantwortlichkeit sich ausdrücken« 48 . 41 D . A . 2. S.5. 42 Denis-Schaller in D. A. 4, S. 5. 43 AaO S. 6. 44 A a O S. 10. 45 In Deutschland ζ. B. ging die Entwicklung des Diakonats deshalb so schnell voran, weil nicht Personen, sondern kirchliche Funktionen im Vordergrund standen, für die bestimmte Sachkriterien maßgebend sind. Es geht um Sachkönnen, um den Vollzug bestimmter Praktiken und Methoden. Hier läßt sich einfach, schnell und für alle Beteiligten einsichtig eine Eignung feststellen. Wie aber will man ζ. B. »la valeur humaine«, den Wert einer Persönlichkeit, feststellen? 46 D . A . 6, S.20. 47 AaO. 48 AaO.

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3. Was heißt Diakon sein? Die Existenzform des Diakonats bedeutet für den, der sie auf sich nimmt, einen hohen menschlichen Anspruch. Es gilt, eine Haltung gegenüber den Menschen durchzuhalten, die, wenn sie wahr sein will, auf jede Machtmittel verzichtet. Der Diakon darf nicht danach streben, »oben« zu sein. Der geringste Schritt zum Priesteramt und zu den priesterlichen Vollmachten hin würde die Identität, die Echtheit des Diakonats aufs höchste gefährden. H.Denis und R.Schaller bringen diese Tatsache auf die Formel: »Der Ausschluß (des Diakons) von der >Leitung der Eucharistie< ist die positive Form seines Dienstes« 49 . Der Diakon darf seine Niedrigkeit, seinen Dienst, seine Christusförmigkeit nicht dadurch gefährden, daß er eventuelle Erfolglosigkeit und das Gefühl der Unrentabilität seines Handelns durch hohe Stellung innerhalb der Gemeinde kompensieren will. Dadurch, daß er vor Ungläubigen Christus bezeugen will, muß sein Zeugnis auch entsprechend aussehen: Wie Christus vor den Ungläubigen verkündigte und diente, aber nicht ihr Herr war, in keiner Weise über sie verfügen konnte, genauso muß der Diakon verkündigen und dienen; wäre der Diakon auch kirchlicher Funktionär mit kirchlichen Machtmitteln, so würde sein Dienst an Echtheit und Uberzeugungskraft einbüßen. Nur der selbst schon Glaubende könnte ihm abnehmen, daß er bei seinem Dienst nicht sich selbst sucht. Die Welt aber muß sehen, daß der Dienst des Diakons auch wirklich Dienst ist, daß die Lebensform des Für-Andere-Daseins für den einzelnen Christusdiener ihren Nutzen und Sinn in sich selbst hat und nicht Mittel für einen ganz anderen Zweck ist. Das Leben selbst, das Ringen um Dasein, um Glück in der Welt, Leiblichkeit im tiefsten und weitesten Sinn muß das alleinige Feld des Dienstes sein, das Leben kann nicht abstrahiert in Formeln und Symbolen Menschen von der Wahrheit überzeugen. Dienst muß konkret Welt in Ordnung bringen, er muß einen Nutzen haben, einen »Nutzen, der sich besonders zeigen muß, indem er in Gruppen gelebt wird« 50 . Auf gar keinen Fall heißt Dienst »Hörigkeit« oder gegenüber der Hierarchie »zu allem bereit sein«, sondern Dienst bedeutet die »therapeutische Aufgabe der Christen in der Gesellschaft« 51 . In der Versammlung der Gemeinde kostet Dienst wenig, hier wird dem »Dienen« allgmeine Anerkennung sicher sein, in nichtchristlicher Umgebung aber hat Dienst eminent mit der Niedrigkeit zu tun, mit echter Kenosis 52 , die eine starke Glaubenskraft erfordert, weil die Gegenwart und Herrlichkeit Gottes eine verborgene ist, die den 49 H. Denis-R. Schaller, Diacres dans le monde d'aujourd'hui, S. 120. 50 H. Bourgeois, Le service et l'eglise, in D. A. 7, S. 10. 51 H. Bourgeois, Demain, pour la France, in D. A. 6, S. 19; vgl. auch D. A. 6, S. 15 (einige Voten aus den Regionalgruppen). 52 »Selbstverleugnung« oder »Humanisierung jedes Menschen, dem man begegnet« sind Formeln, die diese Kenosis als Aufgabe des Diakons bezeichnen (P. Bosse-Platiere, L'amour qui prend en charge l'amour, in: D . A . 16, S.2.).

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Lohn glauben, aber nicht im immanenten Sinn haben kann. So ist Dienst neben der Leitungsaufgabe der »andere Aspekt der Mission Christi« 53 . Die alten kirchlichen Lehraussagen sind somit in den weiteren Horizont der Christologie gestellt und erhalten dann eine andere irdische Gestalt als in der Deduktion der bloßen Lehraussagen. Der Diakonat ist nur formal durch seinen hierarchischen Rang definiert, inhaltlich ist er als Dienst, »niedriger Dienst« qualifiziert 54 . Dieser Dienst macht den Diakon auf gar keinen Fall zum Erfüllungsgehilfen des Priesters 55 . Er übt auch nicht die lediglich traditionellen, bisher der Kirche bekannten Formen aus 56 , sondern übernimmt eine ganz neue Aufgabe der Kirche, für die er besonders geeignet ist. Diese Aufgabe läßt sich aber nicht vorab beschreiben, da sie nicht innerhierarchische Arbeitsteilung zwischen Priester und Diakon ist, sondern »die Verantwortlichkeit eines Nichtpriesters« für die gesamte Kirche, die im Motuproprio theologisch durch den Diakonat als Laienapostolat abgesichert ist. Es ist die »Uberwindung der klerikalen Sicht der Berufung« 57 , der Diakonat bringt »Entklerikalisierung« 58 . Der Diakonat trifft Menschen, die kein hierarchisches Amt bekleiden und gar keines bekleiden wollen, in ihrer vollen christlichen Verantwortung und stellt sie in die erste Reihe. Sie sollen als Christen mit eigenem Wertbewußtsein zu Vorkämpfern für die Kirche, zu Missionaren werden, aber als Missionare keine Institution, keine kirchlichen Honoratioren werden. Die Konkretheit des Diakonats heißt »Verantwortlichkeit«. Sie ist die »Antwort« auf die Frage: »Wie kann ich als Getaufter in der Kirche und der Welt leben?« 59 , die Antwort auf den Aufruf: »Wir müssen wiederentdecken, was Gott will« 60 , wir wollen uns »dem Heiligen Geist zur Verfügung stellen« 61 , wir »wollen Diener sein nach der Weise Jesu Christi« 62 . Diakonie, Dienst in der Welt, verlangt vom Christen eine »radikale und totale Neuorientierung der ganzen Existenz« 63 . »Diakone müssen Zeugen sein und kraft ihres Amtes >animateursKnecht< des Priesters sein 117 . Da die Gestalt und der Umfang der kirchlichen Gemeindearbeit ja wesentlich durch das Amt des Priesters festgelegt ist, muß der Diakon einfach zur Rückbindung auf den Bischof greifen. Nur der Bischof transzendiert die Identität von Priester und Parochie und nur er soll die »notwendige Supervision, damit der Dienst treu geübt wird« 1 1 8 übernehmen. Die Bindung an den Bischof ist das formelle Element des Diakonats, auch wenn der Auftrag ganz vom Bischofsamt gelöst und einem bestimmten Feld in Selbständigkeit zugeordnet ist. Dies war auch schon bei den Arbeiterpriestern so. Im Bischof ist das eine Amt der Kirche fest, autoritativ kondensiert und gerade in dieser Kondensation und soziologischen Konzentration für eine desintegrierte Gesellschaft der heutigen Welt als Animationszentrum untauglich, wenn nicht »das letztlich eine Amt in der Kirche . . . hinsichtlich seiner Funktionen und seiner Aufteilung in verschiedene Ämter viel elastischer, flexibler, flüssiger, wenn man so sagen will, als in den letzten Jahrhunderten« 119 , sich in neue soziologische Formen ergießt. Das letzte Zitat stammt von Karl Rahner, der am 7.12. 1968 in Freiburg auf einer Tagung des Internationalen Diakonatszentrums, bei der auch Rene Schaller anwesend war, einen überraschenden theologischen Neuansatz der Diakonatsfrage vorgestellt hatte, in den die französischen Intentionen voll integriert werden können. Rahner nimmt die Bemühungen um eine kirchliche Verbindlichkeit gegenüber der Welt positiv auf, einschließlich der Bemühungen der Arbeiterpriester 120 . Rahner sagt: » E s gibt zwar neutestamentlich ein A m t in der Kirche; dieses ist letztlich eines, es kann in verschiedene Funktionen je nach den konkreten Bedürfnissen in der Gemeinde aufgegliedert werden; diese Funktionen, so auf verschiedene Träger verteilt, werden gewiß auch als über- und untergeordnet gedacht werden müssen, aber das A m t in der Kirche ist gewissermaßen noch flüssig, kann nach in etwa verschiedenen soziologischen Modellen konkretisiert und differenziert werden und hat auch noch keine sehr deutlichen Grenzen gegenüber anderen Charismen zum Wohl der Gemeinde, die man nicht als eigentlich amtlich und institutionell betrachten k a n n « 1 2 1 .

»Flüssigkeit des Amtes«, »noch variable Verteilung seiner verschiedenen Funktionen auf verschiedene Träger je nach konkreten Umständen und Erfordernissen« 122 sind nach Rahner Kennzeichen einer neuen »Theologie des Amtspriestertums, die für die des Diakonats von größter Bedeutung ist« und die ihren Antrieb aus zwei Quellen bezieht: »von der biblischen Theologie 116 117 118 119 120 121 122

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Lochet a a O S. l f . Denis, Sens du renouveau du diaconat, in: D . A . 2, S . 2 . R . Schaller, L a Diaconie aujourd'hui S. 13. K. Rahner, Theologie des Diakonats, in: Der Diakon, Freiburg, 1970, S. 27. A a O S. 28. A a O S. 27. AaO.

des Amtes in der Kirche und von der innerkirchlichen und profangesellschaftlichen Situation, in der sich heute das Amtspriestertum befindet« 1 2 3 . Die Theologie ist »im Konzil noch gar nicht oder höchstens in ganz unmerklichen Ansätzen gegeben«. Damit läßt Rahner die ganze konziliare Konzeption des Diakonats hinter sich 1 2 4 . Wenn man historische Parallelen zieht, fällt auf, daß schon einmal im Zusammenhang mit der Forderung nach dem Diakonat ein »flüssiges Element«, »das sich schnell den sich rasch wandelnden Nöten des Einzelnen und der Gesellschaft anpassen kann, ohne daß dabei das eine unwandelbare Evangelium verraten wird« 1 2 5 gefordert wird, wenn die Kirche die von Christus gewollte »Kirche für die Welt« sein will 1 2 6 . Rahner selbst diagnostiziert das, was französisch vielleicht mit »Präsenz in der Welt« bezeichnet würde, wie folgt: »Der einzelne Mensch lebt in einer großen Desintegriertheit der Gesellschaft und damit einer Rollenunsicherheit, und dies bedeutet auch ein Fehlen des natürlichen menschlichen Substrats für ein christliches Leben des Einzelnen und für die Eingliederung in die christliche Gemeinde als solche. U m diese Integration der Gesellschaft muß sich natürlich die profane Gesellschaft immer aufs neue bemühen. Aber sie schafft gerade auch so wieder durch die zu diesem Zweck geschaffenen Institutionalismen neue Desintegrationen. . . . Diese Integrationsaufgabe ist zunächst einmal eine menschliche, der sich die Kirche nicht versagen darf, wenn sie den Menschen dienen soll, ist eine Aufgabe der Kirche, auch wenn sie in dieser Hinsicht kein M o n o p o l in der menschlichen Gesellschaft zu beanspruchen hat. Diese Aufgabe ist überdies insofern eine spezifisch kirchliche, als die menschliche Integration des einzelnen in die menschliche Gemeinschaft und

123 A a O S. 26. 124 Rahner distanziert sich in gewisser Weise sogar von seinen eigenen Ausführungen zur Diakonatsfrage vor und während des Konzils! S . 3 1 : Was er damals sagte, »genügt aber heute nicht mehr«. 125 S o J . H . Wichern, S. bei Th. Schober, Leitlinien für morgen, Diakoniekorrespondenz 17, 1974, Stuttgart, v o m 25. 6. 1974, S . 2 . 126 A a O . D a s , was J . H . Wichern mit »innere Mission« bezeichnet hat, könnte sehr gut strukturell als identisch mit Rahners Ideen angesehen werden und zu einer klaren Auffassung vom »allgemeinen Priestertum« oder v o m »flüssigen Priestertum« führen. Zum Vergleich Wicherns Formulierung aus: D i e innere Mission, Eine Denkschrift an die deutsche Nation, 1849, hg. v. M . Gerhardt, 1933, S. 15: »In diesem Sinne geht die innere Mission von der Idee des allgemeinen Priestertums aus; dasselbe stört oder hemmt nicht das geordnete A m t in der Gemeinde, sondern läßt dasselbe als Spender des göttlichen Worts und Verwalter der Sakramente erst recht als den organischen Mittelpunkt und Führer der Gemeinde erkennen; so mithelfend, auch die Todten und Abgefallenen zum Wort und Sakramente sammelnd, werden sich die lebendigen und lebenwirkenden Glieder der Gemeinde in neuer wahrhaft evangelischer Weise um das A m t vereinen . . . Ein Eigentümliches bei dieser Gliederung ist die Freiheit, aus der sie hervorgehen, nicht die Freiheit, welche Willkür ist und nur dem Zwange trotzt, sondern welche auf höherer Ordnung in der Begabung des Heiligen Geistes beruht und dem Liebestriebe innerer N o t w e n digkeit folgt. Wenn in einem, so k o m m t darin die Mangelhaftigkeit der kirchlichen Satzungen zu Tage, daß in ihnen keine Gewähr vorhanden ist, daß G a b e und A m t zusammentreffen. U n d scheint kaum ein anderer Ausweg möglich, dieser apostolischen Forderung am Gemeindeleben für jetzt Genüge zu verschaffen, als solche freie, mehr flüssige Bildungen von Gemeinschaften in der Kirche und Gemeinden«. Wichern spricht dann von einem »neuen Reichtum von Ämtern«, den die innere Mission der Kirche »jetzt vorbildlich entgegenträgt« (aaO S. 10).

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Gesellschaft die Voraussetzung für eine kirchliche Gemeindebildung ist, und eine kirchliche Gemeindebildung, eine Beheimatung des einzelnen in der kirchlichen Gemeinde immer wieder auch eine Rückwirkung auf die Bildung menschlicher Gemeinschaft und auf die Humanisierung der profanen Gesellschaft hat« 1 2 7 .

5. Prüfsteine eines missionarischen

Diakonats

a) Das Problem der Ausbildung der Diakone Die Frage der Ausbildung des neuen Amtsträgers in der Kirche stellt sich unausweichlich. Bei der Vorbereitung auf seine neue Funktion wird sich ja der Zuordnungsmodus zu den bisherigen festen Funktionen offenbaren müssen. Interessant dürfte der Umstand sein, daß schon Schamoni eine besondere Bildung für unnötig erachtete, denn der Diakon könne einfach durch seine Christlichkeit, seine persönliche >imitatio Christi< eine »Formung« haben, die ausreicht, um anderen Christus zu repräsentieren. »Ein solcher Mann, als Charakter geachtet und angesehen und in seinem Beruf etwas Ordentliches leistend, braucht kein besonderes Wissen oder eine besondere Ausbildung« 1 2 8 . Eine Stimme der C D F drückt dies so aus: »Das Bildungsproblem ist einfach zu lösen. Die Diakone bringen ihre Berufs- und Lebensbildung mit. Das ist genug« 129 . Die entsprechende Amtsauffassung, die hinter diesen Sätzen steht, sieht »Amt« einfach als besonders vollkommene Repräsentatio Christi in der Welt, als bewährtes Christsein. Eine solche Auffassung geht aber an der dogmatisch feststehenden kirchlichen Form des Amtes vorbei: die hierarchische Bindung ist hier nicht unterzubringen. Zum Fehlen dieses hierarchischen Momentes kommt noch eine weitere Notwendigkeit hinzu, die den Tatbestand »Ausbildung« in gewisser Weise rechtfertigen könnte: Es ist die grundlegende Notwendigkeit einer »Vertiefung des geistlichen Lebens«, der »Festigung des Willens anderen Menschen im Namen Christi zu helfen« 130 . Diese Ausbildung kann freilich wieder verschiedene Wege haben. Für die C D F bleibt aber auch hierin Leitsatz: Nicht die funktionellen Fähigkeiten des Diakons fordern eine Ausbildung, sondern die Person des Diakons ist es, die ausgebildet, geformt werden muß 131 . Bildung im Sinne der C D F hat nicht Fachkenntnisse, sondern Optimierung der Christusnachfolge zum Ziel. Dies ist gemeint, wenn Denis und Schaller eine »kirchliche, aber nicht exklusiv klerikale Ausbildung« fordern »damit die Liebe im Volk Gottes gelebt wer127 Rahner aaO S. 35. 128 Schamoni aaO S. 34. 129 H . Bourgeois et R. Schaller, aaO in: D . A . 2, S. 14. 130 R. Schaller, La diaconie aujourd'hui, in: D . A . 3, S. 13. 131 Arbeitstagung des Internationalen Informationszentrums im Oktober 1969 in Freiburg, in: D . A . 16, S.15.

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den kann« 1 3 2 . Konkret stellen sich Denis und Schaller die Ausbildung in drei Themenkreisen, drei »Fächern« gleichsam, vor, in denen Christusnachfolge eingeübt wird 1 3 3 : 1. »Ausbildung in der Lehre«: Hier dient die Bibel als Basis. Eingeübt werden muß: Bibelkenntnis, sowohl was den sachlichen Inhalt und die wissensmäßigen Grundlagen betrifft, als auch im Blick darauf, daß die Kandidaten »Geschmack« an biblischer Arbeit bekommen sollen. Zu der biblischen Grundlage kommt auch noch die kirchliche Tradition dazu. Beide, Bibel und Tradition, werden dann auf das tägliche Leben hin reflektiert. 2. »Ausbildung in der Spiritualität«: »Seid Heilige!« schreiben Denis und Schaller über dieses Fach, das das Geschehen in Liturgie und um den Altar zum Inhalt hat. Auch hier spielen biblische Inhalte die entscheidende Rolle: Der Hinweis auf Jesaia 53 soll das eigentliche Feld andeuten, auf dem die »Spiritualität« des Diakons zu suchen und zu vertiefen ist. Auch die Liturgie bezieht ihre Kraft aus biblischen Quellen. 3. »Ausbildung in der Seelsorgearbeit«: »Erlernen verschiedener Methoden . . .« steht hier als Ziel vor Augen. Ein gewisses Handwerkzeug für den U m g a n g mit Menschen und praktische Rezepte, die aber nicht rein zweckorientiert sein dürfen, sollen hier vermittelt werden. Alles Technische gilt nur in Verbindung mit der Grundlage. D a s »Franziskanische« in der »Armut und die Liebe des Diakons« wird dabei als konstitutiv und als eigentliches Rezept angesehen.

Alles in allem fassen Denis und Schaller die Bildung des Diakons als »originale Bildung« 1 3 4 , in der »das Leben des vorherigen Laien nach und nach aufgenommen und erneuert werden muß in der Perspektive eines kirchlichen A m t e s « 1 3 5 . Es handelt sich nun aber nicht um eine hierarchische Ausbildung. Denis und Schaller sprechen nicht von einem hierarchischen, sondern einem kirchlichen Amt, beides muß nicht dasselbe sein. Die Frage der Hierarchie ist dabei noch vollständig offengelassen. Sie muß aber irgendwann doch klar beantwortet werden, denn Bildung, Ausbildung hat als Äquivalent immer eine entsprechende Anerkennung im Gefolge, eine Anerkennung, die in der momentanen Verfassung der Kirche aber nur durch die Hierarchie gewährt werden kann. A m Ende müssen Denis und Schaller deshalb sagen: »Der Bischof ist der Verantwortliche für die Ausbildung« 1 3 6 . Die Organisation der Ausbildung stellen sich Denis und Schaller in zwei Etappen vor: in einer Grund- und einer Aufbaustufe. In Abendkursen, Wochenendkursen und Spezialtagungen soll in den verschiedenen Stufen, für die die jeweils niedere als Probezeit gilt, »eine menschliche, kirchliche, berufliche und familiäre Reife« 1 3 7 erworben werden. Eine Formel sagt es präzise: »Man ist nicht erwachsen, man wird e s « 1 3 8 . Das Endstadium, das »Erwachsensein«, ist aber nicht das Priesteramt. Was es genau ist, wird nicht gesagt - eine solche 132 133 134 135 136 137 138

Denis-Schaller a a O S. 137. A a O S. 138. A a O S. 146. AaO. Denis-Schaller a a O S. 155. AaO. AaO.

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Offenbarung würde zum Konflikt mit dem Priestertum führen. Offiziell sträubt man sich gegen die Deklaration des Diakons als »Hierarchiker« nicht. Tatsächlich baut die C D F aber Abgrenzungen gegen dieses Verständnis in ihr Ausbildungskonzept ein: Das Korrektiv der regionalen Gruppe (in der Organisation der CDF) soll vor Klerikalisierung bewahren. Was aber ist Klerikalisierung? Im Grunde nichts anderes als ein »hierarchisches Gehabe« 139 , ein hierarchischer Status, der der Rolle als Diakon eigentlich nicht entspricht. Hier offenbart sich wieder die bleibende Spannung im Konzept der CDF. Man muß und will den Diakonat als hierarchisches Amt etablieren und möchte aber dabei die durch die Einführung des Diakonenamtes abgelehnten Negativa der Hierarchie, die der Mission abträglich sind, nicht übernehmen. Denis und Schaller konnten sich in ihren Ausbildungsplänen schon an wesentlichen Vorbildern orientieren. So existieren seit März 1968 Richtlinien des deutschen Episkopats für die Ausbildung der Diakone in Deutschland. Diese Richtlinien gehen aber wesentlich von der Vorstellung eines hauptberuflichen Diakonats aus, wie ihn Hornef und andere schon als Möglichkeit für junge Menschen gefordert hatten 1 4 0 . Die deutsche Konzeption des hauptberuflichen Diakons lehnt sich erstaunlich eng an die Ausführungen des Motuproprio an 141 . Eine dreijährige institutsmäßige Ausbildung wird als Grundlage angesehen. Die Tendenz für den hauptberuflichen Diakonat ist, auch wenn sie im Motuproprio und dem Bemühen des deutschen Episkopates gefördert erscheint 142 , in Frankreich kaum zu finden. Die Meinung der C D F ist, daß Verheiratung und Zivilberuf selbstverständlich sein sollten 143 .

b) Funktion und Ordination Der zum Diakonat strebende Christ erscheint vom Moment der Weihe an zum ersten Mal als Diakon. Von diesem Augenblick an übt er sein Amt aus. So kann man schon den ganzen Vorgang der Ordination unter dem Blickwinkel der ersten und typischen Praxis des Diakons betrachten. Ordination kann schon Dokumentation des Amtes in seiner praktischen Gestalt sein, aber sie kann auch negativ die Praxis des Diakonats durch die Gestaltung der Ordination in eine falsche Richtung hin festlegen. Deshalb ist für die C D F die Ordination »Probe aufs Exempel«, »Test für eine verjüngte Kirche« 144 . Gerade weil in der Ordination so viel auf dem Speil steht, gibt R. Schaller die 139 A a O S. 156. 140 Hornef, Kommt der Diakon S. 46f. 141 Richtlinien für die Ausbildung der Diakone von der deutschen Bischofskonferenz, in: D . A . 1, S. 3 - 5 , hier: S.4. 142 Vgl. Motuproprio N r . 19: Die geforderte soziale Sicherheit des Diakons ist erstaunlich: Der Unterhalt ist dem eines Priesters gleichzuordnen. 143 N . et R. Dufour, Conditions du succes, in: D . A . 4, S. 12. 144 H . Denis, Libres reflexions avant le ordinations diaconales, in: D . A . 18, S. 18.

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Devise aus: Solange die Bischöfe die Konzeption der C D F noch nicht verstanden haben, soll die Frage der Ordination nicht gedrängt werden 1 4 5 . Daß Schaller mit seinem Rat, noch eine Weile abzuwarten, nicht ohne Widerstand bleibt, zeigen z.B. die Ausführungen von M.Piton in D . A . N r . 5 vom Oktober 1969: Piton versteht Weihe grundsätzlich so, daß Christus hier selbst mit einem Zeichen vertreten ist. Die Verbundenheit mit Christus wird möglich sein »auf sichtbare Art und Weise«. Folglich ist die Ordinationsmesse sichtbarer O r t der Einheit von Bischof und Diakon. Der Diakon wird als Neu-Ordinierter von der Kirche gleichsam als Kleinod aus dem »Schatz der Kirche« zur Schau gestellt. »Prunkhafte Demonstration vor den Gläubigen, Demonstration der Reichtümer der Kirche, Reichtümer, die aber von Gott kommen und damit zugleich ein Zeichen der Schwachheit sind« 146 , das geschieht in der Weihe des Diakons und so wird für die Weihe geworben. Hier muß aber kritisch festgehalten werden: Die »Schwachheit«, die oben gemeint ist, ist lediglich eine verbal behauptete Schwachheit, die ohne ein existentielles Pendant bleibt. Will man dieses Defizit ausfüllen, muß die Schwachheit willkürlich, nämlich in einer Form der persönlichen Weltentsagung, hergestellt werden: ζ. Β. dem Zölibat. Dies steht biblischer Aussage direkt entgegen: Nicht die Herrlichkeit, der Reichtum der Kirche, ist die Konstante, nicht Herrlichkeit ist das Gefäß, sondern im Gegenteil Schwachheit. Paulus sagt: »Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überragende Größe der Kraft Gottes angehöre und nicht von uns stamme« (2. Kor. 4, 7f.). Bei solcher Nichtachtung von Paulus verwundert es nicht mehr, daß Piton skeptisch feststellt: »Verheiratete Diakone werden Schwierigkeiten haben, den Weihediakonat zu leben. Sie werden kein Personsakrament sein« 147 . Diese Meinung ist nur die logische Folge der Lokalisierung der Amtstätigkeit des Diakons in seiner kultischen Funktion 1 4 8 als »Dolmetscher der Hierarchie«. Piton's Ausführungen zeigen das typische Verständnis von Hierarchie, das auf dem Priesteramt aufgebaut ist. Die C D F hat aber dafür mehr den Bischof im Blick: »Ordination geschieht für den Dienst, nicht für das Priesteramt« 149 . Ordination ist demzufolge kein Zur-Schau-Stellen der Reichtümer der Kirche, kein Aufmarsch von Statisten, sondern »Ordination ist Verordnung zur Nachahmung Christi« 150 . In Heft 11 von »Diacres Aujourd'hui« wird die Ordination der belgischen Diakone besprochen und bewertet. In vielen Punkten bemängelt die Diakonatsbewegung das sich in der Ordination darstellende Bild des Diakons. Generell wird gesagt, daß die Priester bei der Ordination die Bevorzugten sind, weil »die Beziehung Christus - Diakon 145 146 147 148 149 150

H . Bourgeois und R. Schaller aaO. S. 15. Piton aaO S. 8. Piton aaO S. 9. Piton aaO S. 10. R. Schaller, Pour son renouveau, in: D. A. 7, S. 4. AaOS.5.

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nur spirituell und nicht reell verstanden« ist 151 . In der Weihe-Liturgie taucht Jesus gar nicht als »Diener für alle« auf. Es fehlt dort die allgemeine Erkenntnis, daß eigentlich alle Christen auch Diakone sind. Mit anderen Worten, es fehlt die Erkenntnis, daß realer Dienst, Diakonie allgemein, ein normativer Bestandteil der Christologie und des christlichen Lebens ist. Infolgedessen, so bemängelt die CDF, spielen die Ehefrau und die Bezugsgemeinde keine Rolle in der Ordination. Das Mißverständnis scheint unüberwindbanDie Hierarchie versteht Dienst spirituell als Dienst an Christus, der real an ihr selbst geübt wird. Die Diakonatsbewegung versteht Dienst aber real als Dienst an einem bestimmten sozialen Feld und Weihe als konkrete Beauftragung zu diesem Dienst151. Sie kann deshalb die Intra-Orientierung des Diakonats, wie sie noch in Resten in den ersten belgischen Ordinationen erscheint, nicht akzeptieren. Ordination kann nicht ein Zeichen dafür sein, daß die vorhandenen und dargestellten Reichtümer relativiert sind vor dem Angesicht Gottes. Unaufgebbar ist für die Diakonatsbewegung im Gegenteil die Sichtbarkeit der Armut der Kirche. Die Hierarchie könnte antworten, daß das in der Eucharistie geschehe. Doch hier an diesem Punkt erscheint die »Neuheit« des Diakonats. Es ist in der Perspektive der CDF Kritik an der unzureichenden Aussagekraft einer formalisierten Eucharistie in der Messe. Es ist die Kritik an einem Verständnis von Kirche, das sich darauf beschränkt, Gottesdienste zu halten. Die Akzeptation des Menschen durch Gott muß sich im kirchlichen Diakonat auch real ausdrücken. Ordination als erstes Auftreten des Diakons in der Kirche muß deshalb »Symbol einer Kirche sein können, die für alle Menschen da ist« 153 . In der Ordination muß zeichenhaft deutlich werden, daß Kirche eine Zuflucht in der Welt ist und Menschen reale Gemeinschaft geben kann. Der Art des zukünftigen Dienstes entsprechend soll in der Vorstellung der CDF in der äußeren Gestaltung der Ordination der kirchliche Prunk wegfallen. Der Bischof trägt die Mitra nicht, in der Ordinationsmesse finden weder Credo noch Universalgebet statt, die Liturgie ist völlig formlos und der Raum ist nicht geweiht. Der Bischof befragt die Gemeinde, die anwesende Ehefrau, den Chef der jeweiligen Diakonatsgruppe und spricht über den Auftrag des Diakons 154 . Der kirchliche »Kontext« der Ordination hat die Aufgabe, »einfach und wahr« zu sein. Die Ordination soll überzeugend »die herrschaftslose Sendung des diakonischen Dienstes«155 unterstreichen. Was ist aber nun die typische Tätigkeit des Diakons, die in der Ordination schon erscheinen soll? Es ist gewiß nicht die liturgische Rolle. Sondern es ist die kirchliche Inpflichtnahme, Entgegennahme des gelebten »Seins« des Diakons innerhalb seiner sozialen Beziehungen, seiner »Gemeinde« und seiner 151 152 153 154 155

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Documents de Belgique, Le rituel d'ordination des diacres, in: D . A . 11, S.3. AaO. Documents de Belgique, in: D . A . 11, S.5. AaO. Lettre commune des trois diacres de Lyon ä leur archeveque, in: D . A . 13-14, S.6.

»Familie«, seiner Ehefrau, vor dem Bischof. Der Diakon nimmt die Bescheinigung der Kirchlichkeit, der Christusgemäßheit, durch den Bischof entgegen. Die von der Gemeinde bescheinigte humanisierende Kraft des Diakons wird kirchlich für authentisch erklärt. Nur mit der Macht der Liebe kann Humanität durchgesetzt werden, und diese Realität ist und bleibt an die Kirche gebunden 156 . Durch den Akt kirchlicher Bindung ist der Diakon nun »als Christ bekannt« 157 . Durch diese »Erklärung« wird sein Leben verständlich, erst richtig mitteilbar und unabhängig von seiner Person imitierbar. Dann erhält er selbst auch durch diese »Erklärung« eine Norm für sein Leben, die er zwar augenblicklich erfüllt, die aber für sein weiteres Denken und Handeln Ansporn und Ziel sein soll. Sowohl die soziale Bindung an Frau und Familie als auch der unmittelbare soziale Kontaktkreis werden in der Ordination ihre Zustimmung geben müssen, ihre Bescheinigung, daß von dem betreffenden Mann »humanisierende Wirkungen« ausgehen. Denis und Schaller meinten: Die ersten Ordinationen werden die ersten Quellen der Klarheit sein 158 . Betrachtet man die Ordination von Rene Schaller selbst, so ist in der Tat jene erhoffte Einfachheit des Ritus ohne jede Phrase berichtet. Ehefrau und Gemeinde bitten den Bischof um die Ordination mit den Worten: »Die Heilige Kirche, vertreten durch die Christen dieses Wohnviertels, bitten sie, Rene zum Diakon zu weihen«. Es folgt die Begründung, die den Wert und die Wertschätzung von R. Schaller in der Gemeinde angibt: »Wir kennen ihn . . .« 1 5 9 . Die besondere Zustimmung der Ehefrau ist dann die letzte Hürde, bevor der Bischof erklärt: »Mit der Hilfe unseres Herrn Hesus Christus, unseres Gottes und unseres Retters, erwählen wir ihn als Diakon« 1 6 0 . Es ist deutlich, daß diese Form der Ordination der Wahl eines Vorstehers der christlichen Gemeinde, einer »Zelle der Kirche« 1 6 1 sehr nahe kommt. So geben die Anwesenden das Geschehen mit den Worten wieder: »Hier - vor unseren Augen wird diese Revolution, diese Konversion der Kirche Wirklichkeit, auf die wir so gehofft hatten« 162 . Vom Priester und vom Priesteramt findet sich im Bericht von R. Schallers Ordination kein einziges Wort. Auch unausgesprochen muß klar sein: Diakonat ist die Konkurrenz zum Priestertum, das im sterilen Gegenüber zur Gemeinde bleibt und keine Wirkung mehr auf die zahllosen christlichen Randsiedler hat. Hier im neuen Diakonat ist nichts anderes zu sehen als eine neue Gestalt des ganzen kirchlichen Amtes, Sakrament der wahren Humanität in der Welt zu sein, einer Humanität, die die Welt erst nimmt und dafür bereit ist, den Weg des Leidens im Dienst 156 157 158 159 160 161 162

Bosse-Platiere aaO, S.2. A propos de 1'ordination d'un syndicaliste beige, D . A. 12, S. 13. Denis-Schaller aaO S. 132. P. Bosse-Platiere aaO S. 1 - 3 . AaO. AaO. A a O S.2.

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getreu nach dem Vorbild Christi zu gehen, weil nur in dieser Niedrigkeit die Kraft Gottes wirksam werden kann. Beim Diakonat, wie ihn die C D F will, will die Verbesserung der Kirche nicht einfach durch Addition des Diakonats an die bisherige Kirche erreicht werden, auch wenn das im Augenblick so aussieht, sondern Ziel ist im eigentlichen Sinn die Erweckung einer neuen breiten Verantwortlichkeit in der Kirche.

c) Mission und Liturgie Bei der Gegenüberstellung der Tätigkeitsfelder Mission und Liturgie, von missionarischem Außen- und liturgischem Innendienst, wird das Verhältnis beider nicht ein Entweder-Oder, sondern ein spezifisches Miteinander sein, das u. a. in seiner konkreten Gestalt das Verhältnis Bischof - Diakon exakt widerspiegelt. So wird einerseits als Ziel angegeben: »nicht Engagement in klerikalen Strukturen, sondern. . . Mission« 1 6 3 , denn Mission heißt: »mit den Menschen leben und darin die christliche Botschaft darstellen« 1 6 4 . Dieses »mit den Menschen leben« findet nicht in der Liturgie statt. »Der Diakonat marschiert Richtung Mission, nicht Richtung Liturgie« 1 6 5 , so scharf kann mitunter die Antithese ausgesprochen werden. Sie ist der Kern der Konzeption, wird aber nicht in dieser Schärfe durchgehalten und erscheint deshalb nur selten in der Form der totalen Identifikation von Diakonat und Mission. Stattdessen wird meist vorsichtiger formuliert: »Zwischen Diakonat und missionarischem Anliegen besteht eine Verbindung« 1 6 6 , oder: »Der Diakonat ist missionarisch orientiert« 1 6 7 , oder: »der missionarische Akzent legt die Entwicklung des Diakonates fest« 1 6 8 , oder noch vorsichtiger: »Die Wiedererneuerung des Diakonates ist inspiriert durch die missionarischen Aufgaben einer Kirche, die die Dienerin Christi in der Welt von heute sein will« 1 6 9 . Kirchenrechtlich ist aber immer noch nicht entschieden, inwieweit gottesdienstlich-liturgische Verpflichtungen den Einsatz des Diakons absorbieren. Die liturgischen Aufgaben sind eben doch noch »ein ganz entscheidender Faktor, der durch die Tradition gefordert ist« 1 7 0 . N o c h komplizierter wird die Sachlage, wenn eine liturgische Aufgabe des Diakons mit dem Argument begründet wird: »Alle kirchliche Aktivität kulminiert sowieso in der liturgischen Zelebration« 1 7 1 . Rene Schaller selbst sagt dazu sehr vorsichtig: Der Diakonat manifestiert die enge Beziehung zwischen Gottesdienst und Dienst 163 164 165 166 167 168 169 170 171

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La situation du futur diacre en Belgique, D. A. 5, S. 14. AaO. AaO. R. Schaller, H. Bourgeois, Les Diacres? Reactions, in: D. A. 2, S. 9. A a O S. 14. H. Bourgeois, Demain, pour la France, D. A. 6, S. 19. H . Denis, Sens du renouveau, D. A. 2, S. 4. E. Granger aaO S. 10. AaO.

am Nächsten 1 7 2 . In dieser Formulierung ist Gottesdienst aber nicht unmittelbar gleichzusetzen mit dem liturgischen Handeln des Priesters. Die »liturgische« Aufgabe des Diakons muß ja nicht in der Form der Assistenz des Priesters bei der Konsekration der Hostie und bei der Austeilung der Eucharistie geschehen. Ein echter Gottesdienst wird ja so aussehen, daß die Gemeinde dabei eine aktive Rolle spielt, wovon einige Ordinationen von Diakonen schon ein beredtes Zeugnis geben! Deutlich ist: die Hoffnung auf eine Wiederbelebung der liturgischen Form der »missa cum diacono« steht nicht auf dem Programm der C D F . Ihr geht es nicht darum, daß die Messe durch die zeremonienmäßige Beteiligung des Diakons »an Würde gewinnt« 1 7 3 oder an »Ruhe und an Zeit«, wenn die Austeilung der Kommunion durch die Hilfe des Diakons schneller vonstatten geht 1 7 4 . Die Vorstellung, daß ein Diakon seine diakonischen Funktionen im liturgischen Dienst im Rahmen kirchlich sakraler Feierlichkeiten saturiert sieht, ist für die C D F undenkbar 1 7 5 . So kann gesagt werden: der Diakonat, wie er von den Köpfen der französischen Diakonatsbewegung geprägt wird, verzichtet auf eine ständige Rolle in der Messliturgie, wobei die Möglichkeit einer freien jeweiligen Beteiligung, also des Rechtes auf eine liturgische Rolle, unbenommen sein soll, vor allem wegen der Betreuung informeller kirchlicher Gruppen.

d) Missionarischer Diakonat und Caritas Wenn in »Diacres Aujourd'hui« Vinzenz von Paul und dessen »Kampf gegen das Elend« 1 7 6 als Beispiel für eine »Hauptaufgabe« des Diakons angeführt wird, so muß geklärt werden, wie sich die missionarische Priorität mit der Aufgabe »Kampf gegen das Elend« vereinbart. Bedeutet dies, daß hier das Tätigkeitsfeld der Caritas mit in die Arbeitsperspektive des Diakons einbezogen wird? Die französische institutionelle Caritas, die »Secours Catholique« mit J . Rodhain an der Spitze, ist hiermit jedenfalls nicht gemeint. »Die Diakonie ist kein Ensemble von Organisationen«, sagt Rene Schaller, »ein Diakon ist nicht einer, der in einer parakirchlichen Organisation dient« 1 7 7 . Diakonie ist verstanden als christliche Liebe, aber nicht als Verwaltung eines Werks der Liebe. Die Qualität der christlichen Liebe hängt nicht an der Art der Aufgabe, sondern an der Art des diese Aufgabe wahrnehmenden Menschen 1 7 8 . Der Diakon übt >Caritasrepräsentatio Christirepräsentatio Christi< in die Subjektivität des Glaubens normativ eingegangen. U n d weil die Subjektivität nun zum vollen Subjekt des Glaubens wird, hat dieser Glaube auch einen neuen Inhalt: Es ist »ein Glaube, der durch das Ärgernis eines in der Schwachheit offenbaren Gottes hindurchgegangen ist und dessen Macht sich nur in der Schwachheit zeigt. Ein Glaube, der nicht Bequemlichkeit ist, sondern Kampf in der Finsternis, viele Schläge und Bedrückungen. Ein Glaube, der sich gründet in einer Reihe von Paradoxa: Ein Seiender, der Gott ist und Fleisch, bei Gott und unter uns, der war und der kommen wird« 2 2 5 . In der C D F entwickelt sich eine Auffassung von Glaube, der durch keine Hierarchie mehr verwaltet werden kann und der keine allgemeingültige O b jektivität hat, sondern, solange der Glaube in der Welt ist, angefochten bleibt, Glaube in paradoxer Gestalt, eben in der Gestalt und der Form der Niedrigkeit, nicht des Reichtums und nicht eines irdischen kirchlichen Schatzes, der seine Niedrigkeit aus einer bloßen Behauptung beziehen würde. Diese paradoxe Gestalt der Offenbarung, von R . F u c h s schon bis zur Christologie durchgezogen, löst dann auf der Ebene der Ekklesiologie alle »Heiligkeit« als falsche Objektivität auf, wenn sie in eschatologischem Vorgriff Anspruch auf Herrschaft erhebt, auch wenn es Herrschaft in der Kirche ist. Solange die Kirche noch irdische Kirche ist, solange ist sie »im Fleisch«, mitten in der Welt, eine Kirche des Paradoxons, eine Kirche, deren Zeugnis Beweiskraft haben wird nicht durch kirchlichen Prunk und Anspruch, sondern nur durch das Ärgernis der Niedrigkeit hindurch. Deshalb braucht die Kirche den Diakon.

222 AaO. 223 R. Ruchs, Evangile selon St. Jean (6), D. A. 19, S. 12. 224 R. Fuchs, Evangile selon St. Jean (1), D . A. 12, S. 11. 225 Fuchs aaO.

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X. Die Auflösung der »Communaute du Diaconat de France« 1. Kirchenpolitische Wende Schon im November 1970, kurz nach den ersten Ordinationen, deutet Rene Schaller auf der Internationalen Begegnung in Fayt-lez-Manage eine Akzentverschiebung in der theologischen Behandlung der Diakonatsfrage an: Die Zukunft des Diakonats ist für Schaller, der dort im Namen der französischen Delegation spricht, immer noch unentschieden. Er sieht den Diakonat als »dynamische Schöpfung, die die bestehenden kirchlichen Strukturen verändert« und als »ein neues Amt, das nicht locker läßt an festgefahrenen Gewohnheiten zu rütteln, um eine authentische Erneuerung der Ämter anzuregen«1. Diese Formulierung Schallers macht noch einmal die kirchenreformerische Absicht deutlich, in der von der CDF die Erneuerung des Diakonats in dem Bewußtsein der »Erkenntnis der tiefen gegenwärtigen Krise«2 betrieben wird. Radikal, total soll die Problematisierung und die Veränderung sein und das ganze Amt, die ganze Kirche verändern. So ruft Schaller auf zur »radikalen Bekehrung unserer Einstellungen, Denk- und Verhaltensweisen zur Diakonie« 3 . Ein Diakonat ohne die volle spirituelle Tiefe einer Christusbeziehung - ohne Diakonie im echten theologischen Sinn ist für Schaller der Todesstoß für den Diakonat und für das ganze Anliegen, das durch den Diakonat verfolgt wird. Im Dezember 1971 mahnt Schaller: »Eine tiefe Uberzeugung muß uns beleben: Der Erfolg des Diakonats hängt in erster Linie von unserer persönlichen und gemeinschaftlichen Wandlung ab«4. Aber erste Zweifel an der Richtigkeit des eingeschlagenen Weges melden sich ebenfalls. Während z.B. in Belgien und Deutschland der Diakonat Fortschritte macht und doch eine stattliche Anzahl von geweihten Diakonen existiert, tritt die Bewegung in Frankreich praktisch auf der Stelle. »In der augenblicklichen Situation in der Kirche von Frankreich - wo man von Krise spricht, vom Glaubensverlust, von Verunsicherung der Priester, vom Auseinanderbrechen der Gemeinschaften, von Unruhe und der Enttäuschung der Christen - ist es wahr, daß die Frage des Diakonats wenig Interesse und Begeisterung weckt«.

1 Pro Mundi Vita, Le diaconat permanent, son retablissement et son evolution, Note speciale N r . 26, Brüssel, 1973, S.18. 2 AaO. 3 AaO. 4 R. Schaller, Bemühungen um den Diakonat in der Kirche von Frankreich, in: D I A C O N I A XP 18/19, 1971, S.64.

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Schaller beklagt die »Gleichgültigkeit«, mit der die Kirche allgemein der Sache des Diakonats begegnet. Nur »eine kleine Zahl, die möchte, daß es in Frankreich rasch viele Diakone gibt, findet, daß zuviel einschränkende Bedingungen und Forderungen die Kandidaten zum Diakonat entmutigt haben«. Es ist nicht nur die offizielle Kirche, insbesondere das C N D , das hier angeklagt wird. Eine gewisse Ernüchterung - nicht ohne Bitterkeit vorgetragen - über die Resonanz der eigenen Bemühungen in der kirchlichen Öffentlichkeit setzt ein: »Viele französischen Kandidaten . . . kennen den Preis des langsamen Reifungsprozesses und der Entwicklung der Geister. Sie fragen sich, um klar zu sehen, ob die Weihe der ersten fünf französischen Diakone nicht ein wenig zu früh kam, und sie sind sich nicht ganz sicher, ob diese neuen Diakone wirklich die Frucht des Erwachens des Volkes Gottes ist, das sich als Zeuge des Diakons Christus inmitten der Welt fühlt« 5 . Die Möglichkeit, daß die C D F innerhalb der Kirche so etwas wie eine spirituelle Bewegung werden könnte, die zum Träger einer Erneuerung der ganzen Kirche Frankreichs wird, ist sicherlich nicht zuletzt durch die Bildung der CND-Gruppen vereitelt worden. Die Rolle der C D F wird nun im Bewußtsein der Mitglieder anders aussehen müssen. Sie ist nicht mehr Werbetrupp für den Diakonat, sondern jetzt erfolgt eine Wendung nach innen: Aus der Gruppe für Diakonatsinteressenten wird von 1970 bis Ende 1971 die Gruppe für geweihte Diakone! Schaller bekennt diese Rollenverschiebung selbst: »Mindestens vier Jahre lang haben die französischen Diakone ihre Einführung, ihre Vertiefung und ihre Vorbereitung zum Diakonat innerhalb der französischen Gemeinschaft des Diakonats (CDF) durchgeführt. Für diejenigen, die zum Diakon geweiht sind, bleibt die C D F die besondere Verbindung, um ihre Erfahrungen auszutauschen und sich diesen zu stellen, ihre Fortbildung fortzusetzen und ihr geistliches Leben zu nähren« 6 . Dieses Zitat vom Dezember 1971 kennzeichnet die erste Phase des Rückzugs. Die zweite sollte am 7. Mai 1972 deutlich werden: An diesem Tag löst sich die C D F in einer Vollversammlung selbst auf. »Einer der Hauptgründe, die zur Auflösung der C D F geführt haben, ist die Absicht, die Erneuerung des Amtes in der Kirche nicht allein auf die Wiedereinrichtung des ständigen männlichen Diakonats zu beschränken, sondern sehr verschiedene Forschungen und Erfahrungen voran zu bringen im Blick auf die Entstehung neuer Ämter, sowohl für Männer als auch für Frauen. Nicht überall in Frankreich ist eine echte Bewegung zugunsten des Diakonats in Gang gekommen. Der Bericht der Vollversammlung des französischen Episkopats (Lourdes Nov. 1971) spricht von einem relativen Erfolg . . . Ende 1972 gibt es 16 Diakone 7 und 75 5 R. Schaller a a O S . 5 8 . 6 A a O S. 59. 7 Vgl. die Aufstellung über die nationale Verteilung von Diakonen in E . D . 30, März 1973, S. 54. Gegenüber Frankreich, das 16 Diakone hat, zählt Deutschland ( B R D ) bereits 179, die U S A 300! In der ganzen katholischen Welt sind es im Jan. 1973 822 Diakone. Allein im Jahre 1972 wurden 484 Diakone geweiht.

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Anwärter auf das Diakonenamt. . . Priester, Laien und Bischöfe haben noch nicht die Uberzeugung gewonnen, daß der Diakonat eine Notwendigkeit sei. Man sieht nicht ein, daß der Diakon mehr tut als der engagierte Laie« 8 . D i e C D F hatte die Wiedererneuerung des Diakonats mit der gesamten Problematik von Sinn und Genese kirchlicher Ämter befrachtet und damit eine Integration in das bestehende Ämtergefüge praktisch ausgeschlossen. Die offizielle Darstellung von Henri Bontems anläßlich der Auflösung der C D F ist also sehr vordergründig: »Die C D F entschließt sich, die Vollversammlung aufzulösen, aus der Meinung heraus, daß das Eigentliche ihrer Aufgabe, die Sensibilisierung zum Diakonat, nun verwirklicht ist« 9 . Gewiß: der Diakonat existiert, wenn auch schlecht, aber er ist unfähig, als Diakonat Symbol der Diakonie Christi zu sein. Was Schaller zusammen mit E. Granger schon 1969 vor der Ordination geschrieben hatte, zeigt sich jetzt in »Effort diaconal« nach der Auflösung der C D F als neue Handlungsperspektive: »Anstatt uns auf den Diakonat zu konzentrieren, müssen wir eine weitere Perspektive haben und das ganze Geheimnis der Kirche in der Welt im Licht Christi betrachten. U m auf die Fragen über den Diakonat zu antworten, müssen wir die Diakonie der ganzen Kirche ins Auge fassen« 1 0 . Die Auflösung der C D F war dabei ein längst überfälliger Schritt, der Schaller und seinen Freunden nur die letzte Handlungsfreiheit geben konnte, um die Publikation der C D F , »Diacres Aujourd'hui«, noch stärker als Träger ihrer Idee und Theologie in Anspruch nehmen zu können. So erschien auch schon im Oktober 1971 die Zeitschrift »Diacres Aujourd'hui« unter dem neuen Titel »Effort Diaconal«. Die Nummernzählung von D . A. wird dabei fortgesetzt, und der erste Beitrag der N r . 21/22 von Rene Schaller, »Liberons les ministeres« weist dann auch die Richtung, die durch die Veränderung im Titel angezeigt ist: »Diese N u m m e r , die erste mit dem neuen Titel, möchte ihre (sei. des Lesers) Aufmerksamkeit auf einige der zahlreichen Bemühungen lenken, die die Ämter der Kirche erneuern wollen, aber oft ganz bescheiden und unter großen Schwierigkeiten existieren . . . In der Tat zeigen alle Beiträge dieser N u m m e r überzeugend, daß eine Erneuerung der kirchlichen Ämter nicht möglich ist, wenn diese sich nicht frei machen von der männlichen Exklusivität und Vormundschaft der Zölibatären, vom Festhalten an Klerikalismus, vom Streben nach Macht und vom Herrschaftsgeist. Dies allein ist der Preis dafür, daß die Kirche ein Dienst und schließlich eine Liebe sein kann, ansprechbar für das Wohl aller Menschen« 1 1 .

Die N u m m e r 26 vom Juni 1972 bringt dann eine weitere Veränderung nach der Auflösung der C D F . Die Trägerschaft der C D F für »Effort diaconal« muß ja ersetzt werden. U n d so spricht das Impressum nun von »Effort diaconal« ( E . D . ) als einem »Werk einer Gruppe ehrenamtlicher Leute«. Als Herausgeber firmiert jetzt allein Rene Schaller, wobei der weitere tragende 8 Pro Mundi Vita, 9 Henri Bontems, 10 E. Granger, R . 11 Effort diaconal

N o t e speciale N r . 26, S . 4 f . Q u ' e n est-il aujourd'hui?, in: effort diaconal 28/29, S. 4. Schaller, Le diaconat, sacrement de service, Tours 1969, S. 130. 21/22, S. 1.

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Kreis mit »Hauptsächliche Mitarbeiter« umschrieben ist, zu denen Michele Bauduin, Paul Bosse-Platiere, Claude Bridel, Monica Capiaghi, Donna Singles und Sylvain Vanesse gehören. Letzterer spielt als Haupt der belgischen Diakonatsbewegung beim Zustandekommen der neuen Trägerschaft eine besondere Rolle. Auf der ersten Seite von E . D . 26 wird nämlich von einer »Französisch-belgischen Fusion« gesprochen und näher dazu ausgeführt, daß »Effort diaconal« und das belgische Organ »Diacres« nun »ihre Kräfte vereinigt haben«. Wenn von »Fusion der beiden Zeitschriften« gesprochen wird, dann bedeutet dies freilich keine einheitliche französisch-belgische Zeitschrift, sondern nur eine ständige Beteiligungsmöglichkeit von Sylvain Vanesse und dessen Freunden an »Effort diaconal«, vor allem aber am theologischen und praktischen Programm. In einer gemeinsamen Erklärung auf S. 1 spricht dann auch Rene Schaller vom Niedergang des Diakonats, bedingt durch den Verlust der missionarischen Perspektive und führt aus: »Keine kirchliche Rolle, kein Amt kann heute wirklich seine Identität wiederfinden, wenn nicht auch alle anderen diese wiederfinden. Die Neudefinition jedes einzelnen Amtes bedarf der Neudefinition aller Ämter . . . « 1 2 .

Bei aller Demostration theologischer Gemeinsamkeit und kirchenpolitisch bedeutsamen Rückhaltes liegt die finanzielle und ideelle Last der Herausgabe von »Effort diaconal« aber bei Rene Schaller selbst. Es ist jetzt seine Zeitschrift und im Prinzip auch seine Theologie, für die er darin frei von Rücksichten auf andere Konzeptionen vom Diakonat werben kann. »Das Leben der Menschen in seiner ganzen heutigen Komplexität darstellen und darin bezeichnen, was der Dienst und die Liebe Christi ist«, »voranzuschreiten zu einer authentisch diakonischen Kirche, die Dienerin aller Menschen und von jedermann ist« 13 , das ist Schallers Perspektive. Schallers radikale kirchenkritische Position, die bei der Etablierung des Diakonats innerhalb von »Diacres Aujourd'hui« und »Effort diaconal« nicht so sehr im Vordergrund gestanden hatte, braucht jetzt auch ein neues Objekt: Der Diakonat, als Amt eingespannt in fast unlösbare theologisch-ekklesiologische Problemzusammenhänge, hat sich als untauglich erwiesen, »Kirche« in Bewegung zu bringen. Das einzige Objekt, an dem sich für Schallers Theologie noch eine Verifikationsmöglichkeit bietet, ist die Infra-Gemeinde oder kirchliche Basisgruppe, in der die Entstehung des - oder eines - kirchlichen Amtes praktisch theologisch-experimentell nachvollzogen werden kann. Von dort, dieser experimentellen Erfahrung her, kann dann echte Kritik an den bestehenden Ämtern geübt werden. Eine Kritik, die in Appellen wie »Die ganze Kirche muß - Christus getreu - die Diakonie mitten unter den Menschen leben 14 für die kirchliche Institution noch unpraktikabel bleibt.

12 S. Vanesse, R. Schaller, E . D . 26, S. 1. 13 E . D . N r . 26, Titelblattrückseite. 14 E. Granger, R. Schaller aaO S. 142.

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Nur Hinweise wie: »mithelfen, eine bessere Welt zu bauen« 15 und »teilnehmen am Aufbau einer menschlicheren Welt« 16 deuten eine ekklesiologische Dialektik an, in der Kirche nicht Kirche ist ohne die Welt, der Christ nicht Christ ist ohne seine nichtchristliche Umwelt. Freilich zitiert Schaller: »In Christus versammeln, das ist der erste Sinn der Kirche. Christus ist unser Prinzip, ist unser Weg und unser Führer, Christus ist unsere Hoffnung und unser Ziel (Paul VI.)« 1 7 , aber die Kirche hat darin die Aufgabe, die »Präsenz Christi in der Welt« 18 herzustellen. Ein direkter Hinweis auf Mk. 10, 40 19 und ein indirekter Bezug darauf präzisieren das, was mit »Präsenz Christi« gemeint ist. »Wenn man sich auf das Geschenk >von oben< beruft, dann heißt dies einzig, sich auf das Geschenk Gottes beziehen, nicht auf eine monarchische oder aristokratische Vollmacht nach der Art menschlicher Gesellschaften« 20 . »Dienst, der wahrhaft Zeugnis ist« 21 , »Wahrheit im Engagement« 22 , »Dienst brüderlicher Liebe« 23 , »Freiheit von Interessen« 24 oder der Hinweis: »die Liebe sucht nicht ihr eigenes Interesse« 25 , sind Umschreibungen der Qualität Christi, die den Christen als Anspruch mitten in seiner Welthaftigkeit fordert. Auch das Amt innerhalb einer solchen Gemeinschaft von Christen ist dann nicht in weltlichen Herrschaftskriterien zu denken und zu formulieren, sondern »man muß sie (sei. die Ämter) in Begriffen wie >Kondensation< und >Manifestation< denken . . d a ß das Geheimnis, das im Herzen jedes Getauften lebt, sich bei einigen Gliedern im Dienst der Gemeinschaft verfestigt, bei solchen, die es auch manifestieren wollen und die dabei hervorragend den Sinn realisieren« 26 . Interessant und theologisch konsequent ist dabei bei Schaller die Wertung der Taufe als »Quellsakrament« 27 , ein Akt, der ebenfalls konsequent in der Designation eines Amtsträgers die Gemeinschaft der Getauften mit Autorität ausstattet: »Nichts steht im Weg, daß die Designation des Amtsträgers ein Akt der ganzen Gemeinde sein kann, nach der Art eines demokratischen Prozesses« 28 . Versucht man ein Urteil über die Angemessenheit oder den Sinn von Schallers Unternehmungen zu gewinnen, so muß dieser Versuch in einem Staunen 15 A a O S. 128. 16 AaO. 17 A a O S. 139. 18 AaO. 19 A a O S. 134. 20 AaO S. 147. 21 A a O S. 137. 22 AaO. 23 AaO S. 128. 24 A a O S. 156. 25 AaO. 26 A a O S. 145. 27 AaO S. 143: »Jeder geweihte Amtsträger in der Kirche ist zuerst ein Getaufter«. Wichtig ist, daß hier auf die Firmung als Korrelationssakrament zur Taufe verzichtet wird! 28 A a O S. 148.

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über die ungeheure Kühnheit und Konsequenz enden, mit der die Ämterproblematik ohne kirchenpolitischen Rückhalt in Widerspruch und gleichzeitiger minimalster theologischer Anknüpfung an bestehende autoritative Aussagen zur Ämterfrage angegangen wird. Das, was G. Siefer bei den Arbeiterpriestern gesagt hatte, gilt sinngemäß auch für Schaller und seine Zielsetzung, die die C D F opfern konnte: »Diese Praxis, das Uberleben einer Organisationsform schon für einen Beweis ihrer N ü t z lichkeit zu nehmen, verrät sicher eine Art von psychologischer und strategischer Begabung, während die oft kurzlebigen Aktionen und Gründungen der französischen Katholiken . . . mehr von einer impulsiven Kühnheit zeugen, als daß sie Momente einer nüchternen Kalkulation erkennen ließen . . . Doch scheint gerade das - die Abwesenheit der berechnenden Taktik - eine Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit jeder missionarischen Initiative zu sein« 29 .

2. Konturen eines neuen

Engagements

Wenige Monate nach der Auflösung der C D F erscheinen in Rom zwei Texte eines »Motuproprio«. Am 15. August 1972 »Ministeria quaedam« und am 14. September »Ad Pascendum«. Das erste betrifft eine Reform der sogenannten »niederen Weihen«. »Bei der Beibehaltung besonderer Ämter und ihrer Angleichung an die heutigen Zeitbedürfnisse wird alles das bewahrt, was vor allem mit dem Dienst am Wort und am Altar in engerem Zusammenhang steht und in der lateinischen Kirche als das Amt des Lektors, des Akolythen und des Subdiakons bezeichnet wird. Es ist angebracht, daß diese Ämter in der Weise erhalten bleiben und angepaßt werden, daß es von nun an nur noch ein zweifaches Amt gibt: das Amt des Lektors und das Amt des Akolythen, die auch die Aufgaben des Subdiakons miteinschließen sollen« 30 . Beide neuen Ämter bleiben Männern vorbehalten 31 , wobei diese Männer deutlich Laien bleiben. Die Übertragung dieser beiden Dienstämter wird auch »nicht >WeiheEinsetzungBefreiung der Ämter< fortzusetzen«, »unsere Aufgabe ist ein Wachsen neuer Ämter in Vielfältigkeit und Verschiedenheit (das ist unsere Linie, die wir seit 1971 in unseren Publikationen verfolgen)« 5 2 .

3. Das Amt der Frau und die gesellschaftlichen

Realitäten

in der

Gemeinde

a) Die Abhängigkeiten der Ämtertheologie von der gesellschaftlichen Rolle der Frau Die schon erwähnten Diakonatsweihen des belgischen Eisenbahners Boulard und Rene Schallers zeigen, daß die Rolle der Ehefrau des Diakons in der Weiheliturgie das Problem der theologischen und ekklesiologischen Rolle der Frau eigentlich erst richtig auf den Plan ruft, wobei allerdings auch die theologische »Großwetterlage« für das Aufgreifen der Frage »Amt der Frau in der Kirche« günstig ist. Die französische Bewegung steht in ihrem Bemühungen keinesfalls allein. Wenn man weit zurückgreifen will, muß man sogar sagen, daß schon 1944 Edith Stein an eine sakramentale Weihe der Frau gedacht hat, in der Art, daß ein Diakonissenstand mit einer sakramentalen Weihe eine gültige Form für die Mitarbeit der Frau an der großen Aufgabe der Kirche sein könnte 5 3 . In der Tat kann ohne Zweifel gesagt werden, daß ohne die gesell-

49 A a O S. 3. 50 A a O S. 2. 51 A a O S . 3 . 52 A a O S. 1. 53 U m die Erneuerung des Weihediakonates in der Kirche, in: Caritas (Schweiz), Mai 1952, S. 271.

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schaftlichen Veränderungen, die dem »Beruf« 54 der Frau erhebliche Bereiche und Positionen in der Öffentlichkeit öffneten, die Idee einer Veränderung in der kirchlichen Ämterstruktur unmöglich wäre, die der Frau eine fest umrissene Dauerposition im kirchlichen Ämtergefüge geben könnte. So ist eigentlich überall der Hinweis auf die Differenz zwischen gesellschaftlicher und kirchlicher Stellung der Frau das primäre Argument zu einer Neureflexion. Ja noch mehr: Nirgends wird, so weit man sehen kann, direkt von theologischen Kriterien aus das Amt der Frau in seinen ekklesiologischen Funktionen abgeleitet. Uberall in diesen Neuaufbrüchen stehen mehr oder minder soziologische Erwägungen über Rolle und Situation der Frau an erster Stelle. Sogar in den Ordinationen von Rene Schaller am 18. 4. 1970 und von Fernand Catineau am 29. 4. 1973 geschieht die schon vom Motuproprio verlangte Einbeziehung der Frau ohne jede exakte theologische Fundierung: Man begreift lediglich die gesellschaftliche Realität des Einbezogenseins der Frau in den Dienst des Mannes, der nun ein kirchliches Amt innehat. »Von nun an hat Ihre Familie eine neue Verantwortung in der Kirche und in der Welt: ein Zentrum zu sein, das Liebe ausstrahlt und das ein Beispiel evangelischen Lebens ist« 55 , so lautet die Anrede des Bischofs bei der Weihe von Fernand Catineau, bevor er zwei Fragen an seine Ehefrau Liliane richtet: »Nehmen Sie freudig und von ganzem Herzen die Mission an, die der Herr Ihrem Ehegatten und Ihrer Familie anvertraut hat? Sind Sie bereit, am Dienst Ihres Mannes in Zeugnis- und Liebesarbeit Anteil zu nehmen und ihm in seinen Aufgaben in schwierigen Augenblicken zu helfen und ihre Kinder in diesem Geist zu erziehen?« 56 Bei genauerer Betrachtung dieser Sätze fällt auf, daß die Frau nur indirekt und nur teilweise beim Amt des Mannes eine Rolle spielt: indirekt insoweit, als anscheinend unverfänglich »foyer« (Heim, Haus, Familie) eine auch theologisch unanfechtbare Größe ist, die Mann und Frau zusammenschließt. Aber die »Assistenz« der Frau ist nicht als Dauerassistenz des Mannes angesehen, sondern auf »schwierige Augenblicke« beschränkt. Von einem »doppelten Zeugnis« 57 von Mann und Frau gehen diese Ordinationen nicht aus. Die Forderung, daß der Satz gelten solle: »weder Mann noch Frau« 58 , also die Geschlechtszugehörigkeit schlechthin in der Kirche, wo es um die Wahrheit Christi geht, keine Rolle spielen dürfe, findet in der realen auch anscheinend progressiven kirchlichen Praxis keinerlei Anhaltspunkte. Dennoch gehen die Anstrengungen, auch der Frau den Platz eines legitimen, anerkannten Zeu54 Michele Bauduin, Les femmes et les ministeres, in E. D. 30, März 1973, S.41. 55 E . D . 31, Juni 1973, S. 10. 56 AaO. Interessant dürfte der Umstand sein, daß in der Wahl und Zuordnung der Begriffe »Anteilnahme« und »Assistenz« in der Weiheliturgie exakt die Termini derhierarchischen Differenzierung wieder auftauchen. 57 M. Bauduin aaO. 58 S. aaO. M. Bauduin verweist in ihrem Zitat, das übrigens von dem Protestanten Lukas Visher stammt, auf die gleiche Meinung von Joan Brothers in Concilium Nr. 20, S. 113.

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gen in der Kirche zu geben, deutlich in die Richtung, mindestens den Diakonat als Amt für die Frau zu öffnen; einige Vorkämpfer, unter ihnen in besonderer Vehemenz Michele Bauduin, sprechen von »Frauen als Priester« 5 9 . In der Tat: Diese Konsequenz ist nicht auszuschließen. So hatte schon Congar in seinem Gutachten zum Diakonat der Frau geschrieben 60 : »Wir stehen in einer Entwicklung, in der der Frau größere Verantwortung und öffentliche Funktionen zuwachsen. Das Recht sanktioniert diese Bewegung. In der Kirche stellt sich die Frage, die Diskriminierungen der Frau, die ihrer vollen Gleichberechtigung mit dem Mann im Wege stehen, zu beseitigen. Viele Bischöfe, Theologen, Kongresse (besonders der Kongress des Laienapostolats im Oktober 1967 in Rom) haben sich in diesem Sinn ausgesprochen. Papst Paul VI. hat die Heilige Therese von Avila und die Heilige Katharina von Siena zu Kirchenlehrerinnen ernannt! E r hat der Internationalen Theologenkommission aufgetragen, eine Studie über den Diakonat der Frau anzufertigen. Die Frage ist also mit einem solchen Nachdruck und mit einer solchen Berechtigung gestellt, daß irgendetwas geschehen muß. Die Frage nach dem Diakonat der Frau ist eine gute Gelegenheit dazu« 6 1 . »Sicher kommt dem sakramental übertragenen Dienstamt eine eigene und strukturierende Rolle in der kirchlichen Gemeinschaft zu. Aber es ist nicht allein aktiv 62 im Aufbau der Gemeinschaft. Auch wenn man Frauen nicht zur Priesterweihe zuläßt, gibt ihnen eine Ekklesiologie 63 der Ministerien die Möglichkeit, ihnen ihren rechten Platz in der Kirche zuzuweisen. In der Tat üben bereits zahlreiche Frauen echte Ämter aus: in der Katechese, der theologischen Unterweisung . . . Schwestern und Laien taufen, teilen die Kommunion aus und predigen. Nur bestimmte Sakramente sind dem Priester vorbehalten: Die Feier der Eucharistie und die Ausübung des Schlüsselamtes« 64 .

Wenn Congar jetzt im Blick auf den Diakonat sagen kann, er werde »heute nicht mehr nur als >ordo< betrachtet, als eine bestimmte Ordnung innerhalb der Dienste, sondern auch als eine Teilhabe an dem Sakrament, das eine besondere priesterliche Qualität überträgt« 6 5 , wo liegt dann die Grenze, die 59 M. Bauduin aaO S. 43. Auch auf der Tagung von E. D . am 28. 9. 1974 in Paris setzten sich Michele Bauduin und Renee Dufour vehement für eine Öffnung des Priesteramtes für Frauen ein. Für die gesamtkatholische Diskussion vgl. H . van der Meer, Priestertum der Frau?, Freiburg 1969. 60 Y. Congar, Sur le diaconat feminin, in: E. D . 3 4 - 3 5 , Juni 1974, S. 34; der Artikel entspricht dem Vortrag Congars auf dem »Colloque International d'Effort Diaconal« Mai 1974. 61 AaO. 62 In D I A C O N I A X P Nr. 3,1974, S. 15 findet sich eine deutsche Ubersetzung von Congars Gutachten, die den französischen Ausdruck »actif pour« mit »verantwortlich für . . . « wiedergibt. Diese Übersetzung ist nicht nur falsch, sondern auch irreführend, weil sie dem deutschen Leser suggeriert, die »Verantwortlichkeit« des Priesters könne aufgeteilt werden. Davon kann bei Congar keine Rede sein, lediglich die faktische Aktivität wird hier gemessen und verglichen, mehr nicht (Das Gutachten von P. Yves Congar ist mit Datum vom 6. 6. 1973 dem Sekretariat der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der B R D am 14. 6. 1973 zugegangen. In deutscher Sprache ist es veröffentlich in S Y N O D E , Amtliche Mitteilungen der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, 7/1973, vom 30. 11. 1973. In D I A C O N I A X P ist diese Ubersetzung übernommen). 63 AaO. Auch dieser Ausdruck ist in der deutschen Übersetzung falsch wiedergegeben: »une ecclesiologie« kann nicht heißen: »die Ekklesiologie«! Congar ist viel vorsichtiger als die deutsche Übersetzung wahrhaben will. 64 Congar aaO. 65 Congar aaO S. 33. Auch hier ist die vergleichsweise heranzuziehende Ubersetzung von D I A C O N I A X P sinnentstellend und als Diskussionsgrundlage leider untauglich.

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verhindern könnte, daß die Frau die Priesterweihe erhalten kann? Congar denkt hier nicht weiter, er findet sich mit der kirchlichen Faktizität ab, die er auch nicht verteidigt, denn er nennt keine Gründe, die den letzten Schritt, Frauen als Priester im kirchlichen Dienst, wirklich ausschließen müßten. Ganz anders sieht Herbert Vorgrimler diese Situation. Er stellt die These auf: »Man kann den Diakonat ohne weiteres weiterhin als >ordo maior< bezeichnen, ohne darum den Diakonen einen Anteil am Sacerdotium zuzuschreiben. Es gibt eine Zugehörigkeit zum Ordo (maior), durch sakramentale Ordination, ohne daß dadurch eine Zugehörigkeit zum Sacerdotium begründet würde. Diesen Unterschied gibt es theologisch, aber auch im Berufsbild und in der individuellen Berufung. Würde man Frauen den Weg zum Diakonat eröffnen, so müßte man - wie das ja auch deutlich für Männer gesagt wurde - diesen Unterschied deutlich genug aussprechen . . . « 6 6 . Ausgesprochen ist dieser Unterschied schon in Lumen Gentium 29, wo es heißt: »non ad sacerdotium, sed ad ministerium«. Vorgrimler bezieht sich darauf 67 . Aber: ist dies ein echtes Argument für die Beschränkung der Frau auf den Diakonat? Kann man überhaupt die doch auch nach der Feststellung des Konzils sakramentale Weihe des Diakons theologisch so weit von der des Priesters abheben, daß daraus die »Gefahr« (Vorgrimler) eines Aufsteigens einer Frau in noch höhere Weihen (Priester etc.) prinzipiell abgewehrt werden könnte? Wird hier nicht doch mit theologischen Winkelargumenten die Frau auf einer bestimmten sozial-inferioren Dienstebene ohne jede Vollmachtsbefugnisse festgekettet? Denn: wieso kann der männliche Diakon dann weiter aufsteigen und Priester werden, die Frau aber nicht? M . E . können die Überlegungen Vorgrimlers auf eine sicher für die Zukunft noch bedeutsame Tendenz hinweisen: Setzt sich kirchlich tatsächlich ein Diakonat der Frau durch, wobei die Möglichkeit des Priestertums der Frau ausgeschlossen bleibt, dann kann dies sicherlich nicht ohne Rückwirkungen auf den Diakonat als ganzen bleiben. Die Ideologisierung und Tabuisierung der Diskussion um das Priestertum muß dann bei gleichzeitigem Priestermangel aber ein für die kirchliche Öffentlichkeit bedenkliches Maß erreichen. So rettet sich auch Vorgrimler letzten Endes nur so, daß er sagt: »Das Sacerdotium in seiner jetzigen Gestalt kann aus historischen Gründen nicht an Frauen übertragen werden« 68 . Theologische Kriterien, die irgendwie diskutierbar wären, werden von keiner Seite hierfür angeboten.

66 H . Vorgrimler, Gutachten über die Diakonatsweihe für Frauen, in: D I A C O N I A X P Heft 3, 1974, S.23. 67 A a O S . 2 2 . 68 A a O S. 23. So sind denn auch »historische Gründe« die einzige Stütze für diesen in seinen Konsequenzen für das kirchliche Leben bedenklichen Satz aus Lumen Gentium 29: »Non ad sacerdotium, sed ad ministerium . . . «

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b) Römische Aktivitäten Auch von Rom aus sind keine neuen Denkanstöße für die Problematik der Frau im kirchlichen Amt vorhanden, die den Klärungsprozeß fördern könnten. Das diesbezügliche Wort von Kardinal Lercaro, Präsident des nachkonziliaren Liturgierates, an die Bischofskonferenzen aller Länder vom 25. 1. 1966 steht bis etwa Februar 1973 als Hindernis jeder Diskussion undementiert da: »Wieweit das munus liturgicum, das kraft der Taufe Recht und Pflicht ist (Liturgiekonstitution 14), Frauen zukommt, muß noch genau studiert werden. Daß aber die Frau nach der heutigen Ordnung der Liturgie kein Ministerium rings um den Altar hat, ist sicher, da dieses Ministerium vom Willen der Kirche abhängt und die Katholische Kirche Frauen niemals ein liturgisches Ministerium verliehen hat. Jede willkürliche Neuerung auf diesem Gebiet ist daher ein schwerer Verstoß gegen die kirchliche Disziplin und muß mit Festigkeit zurückgewiesen werden« 6 9 .

Erst am 2. Februar 1973 gibt Papst Paul VI durch das schon erwähnte Votum ein Signal, das bisher aussichtslose Hoffnungen neu beflügelte 70 . Am 11. Mai 1973 bringt der Osservatore Romano eine weitere hoffnungsvolle Meldung: »Im Verlauf ihrer letzten Versammlung hat die Bischofssynode den Wunsch ausgedrückt, den sie zum Gegenstand einer besonderen Empfehlung machte, daß die Frauen ihren eigenen Teil an der Verantwortung und der Anteilnahme am gemeinschaftlichen Leben der Gesellschaft und sogar der Kirche erhalten. Darüberhinaus legte sie nahe, daß eine gründliche Studie über diese Angelegenheit angefertigt würde durch geeignete Mittel, zum Beispiel durch eine gemischte Kommission von Männern und Frauen, Ordensleuten und Laien aus verschiedenen Situationen und Disziplinen« 71 . Dieses Votum kam aber durch einen »Wink mit dem Zaunpfahl« zustande: 18 Mitglieder der Bischofssynode hatten zugunsten einer neuen Diskussion der Frage >Frau im kirchlichen Amt< deutlich interveniert, viele darunter sogar im Namen ihrer nationalen Bischofskonferenzen 72 . Der Papst mußte also handeln. Am 3. Mai 1973 verkündete er die Zusammensetzung der Kommission, deren Auftrag zeitlich begrenzt wurde und die die Auflage erhielt, alle Ergebnisse dem Papst vorzulegen. Weiterhin sollte die Kommission zuerst die spezielle Rolle der Frau in der Gesellschaft und die Beziehung Mann-Frau analysieren, dann erst sollten die Möglichkeiten einer Bewußtseinsänderung »in den Strukturen verschiedener Gesellschaften ebenso wie in den verschiedenen gesellschaftlichen Schichten« eruiert werden. »Das Licht der christlichen Vorstellung von der Frau« solle zuletzt die Analyse abrunden 69 Liturgisches Jahrbuch 3, 1967, S. 187. Vgl. auch den diesbezüglichen Kommentar von J . H o r n e f in: D i a k o n - L a i e - F r a u in der Kirche, in: Heiliger Dienst 2/3, 1969, S. 141. 70 E . D . 30, April 1973, S. 3. Der Kommentar Schallers zu diesem Votum des Papstes ist fast schon mehr als euphorisch. 71 E . D . 31, Juni 1973, S . 2 5 . 72 Vgl. die geraffte Darstellung der einzelnen Interventionen der Bischöfe in E . D . 31, S. 1 7 - 2 1 .

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und, indem es den Maßstab an der »Botschaft an die Frauen der ganzen Welt« des Z V K nimmt, feststellen, »inwieweit dieser Ruf schon gehört wurde und noch gehört werden kann«. Erst auf dem Hintergrund eines nochmals in Erinnerung gerufenen kirchlichen Apostolats für Männer und Frauen auf der Grundlage des Tauf- und Firmsakraments erhält die Kommission dann auch die Aufgabe zugesprochen, »die Möglichkeiten eines authentischen Fortschritts für die Frau in den verschiedensten Lebensbereichen und den Bereichen der Mission der Kirche herauszuarbeiten« 7 3 . Die Perspektive der endlich eingesetzten Kommission ist also weit - zu weit, um konkrete, relevante Ergebnisse erwarten zu können. Bis wirklich die Probleme in der aufgegebenen Reihenfolge bewältigt sind und am Ende die kirchlichen Strukturfragen diskutiert werden können, kann die Zeit der Kommission längst abgelaufen sein. Man kann sogar sagen: Die Beschränkungen, denen die Arbeit dieser Kommission von Anfang an unterworfen ist, engen die Tätigkeit absichtlich ein, was durch einen Bericht der italienischen Wochenzeitschrift C O M , abgedruckt in La Croix vom 15. Mai 1973, offenkundig wird. C O M veröffentlicht den Text einer geheimen N o t e aus dem vatikanischen Staatssekretariat, die über die Aufgaben dieser Kommission handelt. Nach dem Wunsch des Papstes soll ein falscher Anfang vermieden werden, »der eine Quelle von Irrtum und Illusion werden könnte« 7 4 . Inhaltlich schreibt diese N o t e z . B . vor, um nur einen herausragenden Punkt zu nennen: »Die Möglichkeit der Weihe der Frau muß ausdrücklich ausgeschlossen bleiben« 7 5 .

c) Die Reaktion der Reformer »Befürchtungen und Enttäuschungen«, so ist in E. D . der Bericht über diese kurialen Manöver mit der Studienkommission über die Rolle der Frau in Gesellschaft und Kirche überschrieben. Aber man gibt nicht auf. Weiterhin bestimmt das Engagement, was Marie-Therese van Lunen-Chenu drei Monate vorher programmatisch erklärt hatte: » D a s ist die tiefste Kritik: Eine Kirche, die immer vor der Anerkennung der vollen Würde der Frau zurückweicht, kann nicht die (Kirche) sein, deren Leben durch die Verkündigung der evangelischen Botschaft der Befreiung bestimmt ist. Sie wird eine (Kirche) sein, die weiterhin Angst hat und die menschliche Wirklichkeit abwehrt, die die wesentliche ist und die sie am stärksten fordern würde, nämlich die Bindung Mann/Frau in ihren vielfältigen Formen. Sie wird weiterhin eine Kirche sein, die das Heilige in eine unwirkliche Welt tragen will, die sich verzettelt in abstrakte Gedankenrichtungen, die nichts bringen und von denen aus sie von oben herab die Welt

73 Alle angeführten Zitate geben wörtlich, bzw. sinngemäß den Text aus dem Osservatore R o m a n o wieder (11. 5. 73); vgl. E . D . 31, S. 2 5 f . 74 Vgl. den Bericht von Francois Bernard in L a Croix vom 15. 5. 73, abgedruckt in E . D . 31 Juni 1973, S . 2 6 f . 75 Vgl. auch den Bericht von Jacques N o b e c o u r t in Le Monde vom 17. 5. 73, abgedruckt in E . D . 31, Juni 1973, S . 2 6 f .

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richte:. . . Das wird die in Privilegien-Strukturen verhärtete Kirche sein, diese Kirche des Vorschriftenkatalogs, der Richter und des Gesetzes, die jeden Tag für Männer und Frauen unserer Zeit noch anachronistischer und ärgerniserregender wird« 7 6 .

Schon im Oktober 1973 gibt es auf der Europäischen Studientagung in Innsbruck eine Arbeitsgruppe »Stellung und Amt der Frau in der Kirche«, die von Rene Schaller geleitet wird. Das Ergebnis der Arbeitsgruppe stellt fest: 1. Die Widerstände gegen ein Amt der Frau in der Kirche sind »psychologischer und kultischer Natur« 7 7 , aber »durch das Richtigstellen des Charakters von Amt überhaupt in Richtung Dienen (können) diese Vorurteile aus dem Glauben und in der Liebe überwunden werden«. 2. »In der ganzheitlichen Annahme der Frau, auch im Amt des Diakonates, muß die Kirche Zeichen sein für die Gesellschaft; dies zu ihrem eigenen Gewinn, aber auch um der Berufung Folge zu leisten, unter den Menschen keine Unterschiede zu kennen, keine Diskriminierungen zuzulassen«. Man will eine theologische Aussage zur Aufgabe und Rolle der Frau neben dem Mann, die in ihren kirchlichen Konsequenzen nicht erst gesellschaftliche Veränderungen in der Rolle der Frau nachvollzieht, sondern Vorbild für die Gesellschaft ist. 3. Drei Anträge der Arbeitsgruppe werden von der Versammlung der Konferenz gebilligt: a) innerhalb des Internationalen Diakonatszentrums wird eine Arbeitsgruppe »Frau und Diakonat« gebildet, b) eine Frau wird Mitglied im Vorstand des IDZ, c) das IDZ engagiert sich dabei, ein Votum der Bischofssynode um Zulassung der Frau zum Diakonat zu unterstützen. Für den 16. und 17. Mai 1974 organisiert Rene Schaller in Paris ein Kolloquium über das Thema: »Diakonatsweihe für Frauen«, für das Congar noch einmal in dem schon erwähnten Referat klar und eindeutig die Weihe der Frau zur Diakonin fordert 78 . Schaller selbst faßt das Ergebnis des Kolloquiums wie folgt zusammen: »Die für Frauen angestrebte Weihe ist wohl die gleiche wie die der männlichen Diakone. Sie kommt aus dem Geist eines wahren Dienstamtes, das offen ist für alle noch so neuen Möglichkeiten von »Presence« in der Welt von heute. Sie könnte eine reale Zusammenarbeit von Männern und Frauen begünstigen in der Achtung ihrer Gleichheit und in dem Bemühen, neue und verschiedenartige Ämter zu finden« 7 9 .

Die Ordination der Frau hat also noch mehr als vorher symbolische Bedeutung. Schaller verwendet alle Kraft darauf zu erreichen, daß auch die Frau in das kirchliche Amt einbezogen wird. »Ganz diakonisch um ganz missionarisch zu sein« 80 , dieses kirchliche Ziel ist für Schaller ohne die authentische 76 M. Th. van Lunen-Chenu, Pour une authentique collaboration, in: E. D. 30, März 1973, S. 53. 77 Vgl. den Arbeitsgruppenbericht von I. Schüllner in D I A C O N I A XP 9, 1974, Heft 2, S. 32 f. 78 Die Doppelnummer 3 4 - 3 5 von E. D . (Juni 1974) enthält alle Vorträge und Zusammenfassungen der Diskussionen und wichtige Einzelbeiträge. 79 E . D . 34-35, S.2. 80 AaO.

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Einbeziehung der Frau von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil die gesellschaftliche Situation der christlichen Frau für die kirchlichen missionarischen Anstrengungen von höchster Bedeutung ist.

4. Authentisches

Amt und authentische

Gemeinde

Für Schaller ist nicht nur der Stand der gesellschaftlichen Entwicklung im Bezug auf die Rolle der Frau für sein Engagement in der »Frauenfrage« maßgebend. Bei ihm stehen theologische Kategorien im Hintergrund, die noch näher auszuleuchten sind. Immer wieder erscheint bei ihm direkt oder indirekt der Hinweis auf die »Diakonie« oder den »Geist des Dienstes«, die eine Art theologisch-ekklesiologischen Begründungszwang darstellen. Oft scheint es so, als ob die Kategorie des »foyer chretien«, der christlichen »Wohnfamilie«, des Diakons oder eine Art christliche Basisgemeinschaft bei Schaller schon informell neue kirchlich-strukturelle Konsequenzen darstellen. Doch wird sich zeigen, daß Schaller weit davon entfernt ist, Organisationsmodelle theologisch zu diskutieren und nebeneinander zu prüfen. Seine originale Position wird sich an seiner Einstellung und Auseinandersetzung mit dem - nicht von ihm herrührenden - Phänomen der kirchlichen Basisgruppen im folgenden profilieren lassen.

a) Die ekklesiologische Anfrage Was ist Kirche? Was ist die Identität kirchlichen Amtes? Diese beiden Fragen müssen in der Gestaltwerdung kirchlicher oder christlicher Basisgruppen, die unterhalb der Parochialebene entstehen, beantwortet werden, vor allen Dingen dann, wenn diese Basisgruppen nicht einfach organisatorische Untergliederung nach unten sind, sondern echte und eigenständige missionarische Gruppen mit einer gewissen Freiheit und Offenheit sein sollen. Das Prädikat »Christlich« oder »Kirchlich« bei diesen Basisgruppen hat ja nur einen Sinn, wenn diese für jede einzelne Gruppe in irgendeiner Weise ganz »Kirche« sind, also eine Einheit darstellen können, ohne in sozialer Abhängigkeit in eine größere Gruppe hineingebunden zu sein, von der die eigene Identität als Gruppe abhängt. Mit der faktischen Realisierung von Basisgruppen unterhalb der Parochialebene stellt sich unausweichlich die Frage nach einem Kriterium der Ekklesiologie, das, wie die meisten Theologen fordern, die Gestalt einer Ergänzung zur Ekklesiologie von Vatikan II haben soll, einer Ergänzung, die Josef Blank in einem Aufsatz vom Juli 1973 versucht: »Für Paulus ist das entscheidende konkrete Subjekt der Ekklesiologie nicht die institutionelle Großkirche, sondern die Gemeinde, die eben nicht von >oben herekklesia< von eigenständiger Bedeutung, ja sogar eigenen Rechtes, das in Glaube, Taufe und Geistbegabung aller Glaubenden gründet. Von der paulinischen Sicht her gewinnt die Basisgemeinde ein für das Leben der Kirche nicht leicht zu überschätzendes Eigengewicht, auch im Sinn einer relativen Autonomie« 81 .

Interessant an Blanks Artikel ist nun die Art, wie eine solche Einsicht mit der letzten offiziellen Darstellung katholischer Ekklesiologie in Lumen Gentium konfrontiert wird, denn darin muß sich das spezifische Verständnis von kirchlicher Einheit zeigen. Blank, der den Begriff >relative Autonomie< einführt, interpretiert ihn dann ausführlich: »Gemessen an den Normen des neutestamentlichen Grundmodells muß das Kirchenbild, wie es in der »Dogmatischen Konstitution über die Kirche (Lumen Gentium)< des II. Vatikanums vorliegt, trotz mancher weiterführender Ansätze als unvollständig bezeichnet werden. Was in diesem Dokument ganz entschieden zu kurz kommt, ist die christliche Gemeinde als Zelle alles christlichen Lebens. Gegenüber der hierarchisch-institutionellen Betrachtungsweise der Kirche als >Volk Gottes< ist es ebenso legitim und notwendig, ein Kirchenverständnis zu entwickeln, das primär bei der Gemeinde ansetzt und das theologische Selbstverständnis von der Gemeindebasis her erarbeitet. Den Gemeinden muß als relativ eigenständigen Gebilden das Recht zu eigenen Initiativen auf den verschiedensten Gebieten zugebilligt werden. Lebendige christliche Gemeinde ist der >normale< Ort, wo Glauben sich zu realisieren hätte, wo die Probleme aufzugreifen, zu diskutieren und soweit möglich auch zu lösen sind, die sich dem Glauben in der heutigen Welt stellen . . . So gesehen kann es heute nicht genug christliche Gruppen, Paragemeinden, Freundeskreise usw. geben. Die Aufgaben, die sie von ihren genuinen Möglichkeiten her übernehmen, werden von der Amtskirche kaum wahrgenommen und können von dieser gar nicht gelöst werden. Der großkirchliche Amtsapparat ist in erster Linie für die Gemeinden und deren Bedürfnisse da und nicht umgekehrt. . . Dagegen entspricht der herrschende Zentralisierungsund Verwaltungsdrang nicht dem neutestamendichen Modell, sondern überträgt das Modell eines Monopol- und Herrschaftsdenkens auf die ekklesia tou theou . . . Faktisch ist es so, daß die. als Herrschaftsmittel eingesetzte zentralistisch-römische Einheitsideologie die relative Autonomie der Kirchen und damit die Koinonia als »Gemeinschaft im Geben und Nehmen< verhindert; zugleich erweist sich diese Ideologie auch als das größte Hindernis auf dem Weg zur Ökumene aller christlichen Kirchen« 82 .

81 J. Blank, Kirche-Gemeinde oder/und Institution? in: Diakonia (Wien-Mainz) 4, 1973, S. 242. Der Artikel von Blank hat auf der Europäischen Studientagung Oktober 1973 in Innsbruck in den Arbeitskreisdiskussionen eine gewisse Rolle gespielt. 82 J. Blank aaO S. 244f., Hervorhebung von mir. Man stelle sich nur einmal praktisch die Konsequenzen für die ökumenische Gesprächssituation vor, wenn ζ. B. ein Satz von Jose Marins aus E. D. 32, Juli 1973, S. 13, der Blanks Ausführungen formelhaft zusammenfaßt, wirklich repräsentative Bedeutung hätte: »Die Basisgemeinschaft ist nicht eine Gruppe von Amateuren, die durch Amateure geführt wird . . . sie ist die Kirche selbst. Das ist auch der Grund für eine Infragestellung der Institution ohne wie ein Fremdkörper nur ganz am Rande zu liegen«. Hier wird die traditionelle Richtung von oben nach unten so verändert, daß man sich unwillkürlich an einen Satz Luthers erinnert fühlen kann: »Bischof, Papst, Gelehrte und jedermann hat Macht zu lehren; aber die Schaf sollen urteilen, ob sie Christi Stimm lehren oder der Fremden Stimm«, (M. Luther, Daß eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu beurteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen, Grund und Ursach aus der Schrift, 1523, abgedr. in: M. Luther, Schriften zur Neuordnung der Gemeinde, des Gottesdienstes und der Lehre, her. von G. Merz und O. Dietz, München, 3. Aufl., 1962, S. 94). Doch auch bei Lutherist nur die Negation völlig klar; was für ihn wirklich sozial »Gemeinde« ist, sagt er nicht.

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b) Die Diskussion in Frankreich Auch in den französischen Publikationen sind diese Gedanken virulent. So schreibt z . B . Charles Perrucon: »Die Einheit der Kirche Jesu Christi ist nicht zuerst in der Linie einer Gesellschaft zu suchen, wo verschiedene Organe sich einander unterordnen. >Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter i h n e n < . . . Es gibt nur eine Kirche, die immer ganz gegenwärtig ist in jeder unserer Versammlungen« 83 . Typisch für die französische Situation ist bei Perrucon die theologische Begründung, die sekundär zwar die exegetische Ebene berührt, primär aber von der Erfahrung der Säkularität der Gesellschaft her gewonnen wird, wie der Gläubige »seinem Herrn meistens incognito, sogar in der Tiefe der menschlichen Erfahrung seiner Brüder« begegnet. Hier findet sich eine starke inhaltliche Affinität der Reflexion zu der Gedankenwelt des späten Dietrich Bonhoeffer 84 . Die Erfahrung, daß Kirche als Großstruktur keine letztlich echt verbindlichen Kräfte zu mobilisieren vermag, erscheint bei Perrucon dann als die Forderung nach » . . . Mikrozentren der Entchiffrierung, der Reflexion, der Konversion; einzig eine ziemlich elastische Struktur der kirchlichen Realität erlaubt ihr heute das Wort des Herrn zu bewahren, sogar im Herzen der Komplexität unserer Welt« 8 5 . Perrucons Forderung nach »Mikrozentren« war 1969 noch Theorie, gleichwohl kann dieses Jahr als das Startjahr der Bewegung kirchlicher Basisgruppen in Frankreich bezeichnet werden, die unabhängig von der Diakonatsbewegung und gegenüber allen anderen Reformbewegungen sich mit einer unerhörten Schnelligkeit ausbreitete. Erste Aufmerksamkeit hatte schon 1967 ein Buch von Anni Perchenet: »Renouveau communautaire et unite chretienne« 86 hervorgerufen. Aus dem Jahr 1968 lassen sich ein Artikel von E.Pin »De l'Eglise comme maniere d'etre ensemble« 87 , eine Monographie von M.Delespesse »Cette communaute qu'on appelle Eglise« 88 und die Publikationen um das Experiment von Bernard Bes83 C h . Perrucon, Avenir de l'Eglise: de nouvelles communautes, in: L'Eglise vers l'avenir, Paris 1969, S. 164. 84 Auch die italienische Diakonatsbewegung bezieht ihre theologischen Argumente besonders hinsichtlich des Verhältnisses von Kirche und Gesellschaft mit von Dietrich Bonhoeffer, vgl. Alberto Altana, Rinnovamento della Eglesia e il Diaconato, Brescia 1973, S. 112. 85 Perrucon aaO. 86 Tours (Marne), 1967, A . Perchenet gibt in ihrem Buch einen Bericht über anglikanische und protestantische Beispiele, die innerkatholische Problematik ist dabei praktisch noch ausgeklammert. 87 Abgedruckt in: Christus, N r . 58, April 1968. Auch die Zeitschrift des Seminars der »Mission de France«, »Lettres aux communautes«, müßte hier erwähnt werden. Sie spielt eine indirekte, bei näherer Analyse sich sicherlich als sehr interessant erweisende Rolle bei der Bewußtseinsbildung für das Problem der »communaute de base«. Leider würde ein weiteres Eingehen auf diese Problematik, so interessant und wichtig es wäre, den Umfang dieser Arbeit untragbar überschreiten. 88 Paris, Editions de Fleurus, 1968. Von Max Delespesse folgt dann 1971 eine noch radikalere Perspektive: in seinem Buch »Revolution evangelique«, ebenfalls bei Fleurus erschienen.

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ret in der reformierten Zisterzienserabtei von Boquen erwähnen 89 . Besret ist trotz seiner Ordensrolle für die Bewegung der kirchlichen Basisgruppen das, was Rene Schaller für die Diakonatsbewegung bedeutet. Im Jahr 1969 wird die Literatur schlagartig breiter, erwähnt seien beispielhaft der Artikel von Georges Casalis »L'Eglise des petites communautes« 90 , die Artikel »Petits groupes sauvages et Eglise« von P. Valadier 91 , »Petites communautes de foi« von L.Kammerer 9 2 und »Imaginer l'Eglise« von P.A.Liege 9 3 , ferner die Monographien von J.Servian »L'experience de l'Isolotto« 94 und von Andre Godin »La vie des groupes dans l'Eglise« 95 . In den Jahren danach wird die Literatur deutlich das Ausmaß der Literatur über den Diakonat übersteigen 96 . 1970 findet in Bourges eine erste nationale Konferenz der »Communautes de Base« statt, zu der etwa 30 Gruppen Delegierte entsenden 97 . Weitere jährliche Tagungen folgen. 1971 wird anläßlich der nationalen Tagung in Paris ein Informationszentrum gegründet, das eine Zeitschrift herausgibt: Le bulletin de liaison et d'information des communautes de base 98 , wobei allerdings schon eine entsprechende belgische Aktivität als Modell dienen kann, das »Centre communautaire internationale de Bruxelles« (1965 schon gegründet), das die Zeitschrift »Le courrier communautaire international« herausgibt 99 . Der Grund, weshalb die Diakonatbewegung sich erst relativ spät in ihren Publikationen mit Basisgemeinschaften beschäftigt, liegt sicher darin, daß sich die »kommunitären Versuche vollständig unabhängig von Entscheidungen oder Initiativen der Hierarchie« 100 entwickelten, da es ihnen nicht primär um die Frage kirchlicher Ämter ging, sondern einfach um die Gestalt christlicher Gemeinschaft. Der Begriff »Basisgemeinschaft« ist so gesehen aber schon das Reifeprodukt einer Entwicklung, die anfangs vielfältige Bezeichnungen kannte. Dieser Begriff »deckt verschiedene Erfahrungen ab, die er aufgreift und auf einen Begriff bringt. Er erhält sein bestimmtes Profil von weiter oben genannten Eingrenzungen: eine Zelle, in der man Mensch ist, Ablehnung von Struktu-

89 B. Besret, Boquen hier, aujourd'hui et demain, Paris 1969; Alain Riviere, Le printemps de Boquen, eine gute Darstellung des Versuchs von B. Besret, »Kirche als Gemeinschaft zu leben«. 90 In: Parole et mission, Oktober 1969, Casalis ist Protestant. 91 In: Chretiens dans l'Universite, Sept.-Oct. 1969. 92 In: Cahiers universitaires catholiques, N o v . - D e c . 1969. 93 In: Parole et Mission Oct. 1969. Das ganze Oktoberheft von Parole et Mission ist dem Thema »Les petites communautes« gewidmet. 94 Paris 1969 (Ed. du Seine). 95 Paris 1969 (Ed. du Centurion). 96 Einen kurzen, aber informativen Überblick über die Literatur geben B. Besret und B. Schreiner, Les communautes de base, Paris, Grasset 1973; vgl. ferner die Literaturhinweise in E. D. 32. 97 B. Schreiner aaO S. 75. 98 Das Zentrum befindet sich 49, Rue du Faubourg-Poisonniere, Paris 9e. 99 Herausgeberanschrift: 76, Avenue de l'Hippodrome, B-1050, Bruxelles. 100 Besret bei Besret-Schreiner aaO S. 11.

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ren, kritisches Bewußtsein, Neudefinition eines Glaubens, der in der Gemeinschaft gelebt wird, eine neue Beziehung unter den Christen, eine neue Vision des Lebens in der Gesellschaft« 101 . Von großer Bedeutung für die Bewegung der Basisgemeinschaften war ohne Zweifel das 2. Straßburger Kolloquium des C E R D I C über das Thema »Les groupes informels dans l'Eglise« (Deutsch: Die Spontangruppen in der Kirche) 102 und die nationale Konferenz von Rennes (29. 4 . - 1 . 5. 1972), die eine entscheidende Erweiterung des Problemhorizontes brachte, denn mittlerweile gab es schon die Situation mehrerer Gruppen in einer Stadt 103 mit allen dazugehörenden Problemen und Gefahren: Entwicklung der Gruppe zur Sekte, Parallelkirche, oder einfach über kurz oder lang Vereinnahmung durch das bestehende kirchliche System 1 0 4 . Aber eine einheitliche Konzeption einer »communaute de base« fehlt noch lange. Noch 1973 signalisiert Schreiner die Heftigkeit der Auseinandersetzung: »Wie sieht die Zukunft der kommunitären Bewegung aus? Ist sie lediglich eine Etappe im Niedergang der traditionellen Kirche (eine Art Beschleunigung im Auflösungsprozeß dieser Kirche) oder im Gegenteil eines der wesentlichen Bestandteile in der Erneuerung des Glaubens, die in der Zukunft eines Tages die veralteten Strukturen der heutigen Kirche ersetzen wird?« 1 0 5 . Ähnlich formuliert J.Marins im gleichen Jahr: »Die Zukunft verlangt von der Kirche eine menschlichere Präsenz in der Welt, nicht als eine besondere, mächtige Gesellschaftsgruppe, sondern als ein Zusammenhalt von echten menschlichen Gemeinschaften, wo man sich kennt und wo einer dem anderen hilft und man sich gegenseitig dient und das Evangelium Christi bezeugt im lebendigen Dialog mit den Zeitgenossen« 106 . Doch dies sind nur einzelne Stimmen. c) Amt und Basisgemeinde Die Perspektive Rene Schallers im Blick auf die Entwicklung der Basisgemeinden kann nicht deutlicher als im Titel des Heftes Nr. 32 von »Effort diaconal« (Sept. 1973) zum Ausdruck kommen: »Basisgemeinschaften und neue Ämter«. Beides gehört für Schaller zusammen. Er kann deshalb niemals die Entwicklung der kirchlichen Basisgruppen unabhängig von der Ordnung und dem Leben der Gesamtkirche sehen. In seiner Einführung zu Heft 32 von E. D . übt er denn auch sublime Kritik an der Entwicklung der Basisgruppenbewegung : 101 102 103 104 105 106

Vgl. Schreiner a a O S.64. Vgl. den Bericht in E . D . 32, S . 3 4 f f . Schreiner a a O S. 76 und S. 213ff. Vgl. Besret a a O S . 5 0 f . A a O S. 77. J . Marins a a O S. 14.

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» E s liegt an der Präsenz der Christen und ihrer Offenheit für das Leben der Menschen, daß diese Bemühungen um neue Gruppenbildungen entstehen. Einige sind durch ihre Situation und ihre Persönlichkeitsstruktur dazu gekommen, andere haben erkannt, daß die gegenwärtigen Strukturen der Kirche den Erwartungen der Menschen nicht entsprechen. In beiden Fällen ist ein Bewußtsein vorhanden, daß die christlichen Kirchen in ihrem jetzigen Zustand sich überhaupt keine Gedanken darüber machen, wie es mit diesen Vorschlägen weitergehen soll, ja, zuweilen ist die Uberzeugung vorhanden, daß es besser wäre, frühzeitig diesen neuen Gruppenbildungen einen Rechtsstatus zu geben, als seine Kräfte für das Image der Kirche einzusetzen« 1 0 7 .

Noch schärfer als Schaller selbst hat sein Mitstreiter Henri Denis Kritik an einer isolierten Frage- und Problemstellung »communaute de base« geübt und ihre Aufgabe relativiert: » D a s römische Modell der Zentralisierung ist durch seinen >Monolithismus< zu starr. Man kann sich nun vorstellen, daß die Institution (sei. die Kirche) ihren Bestand auf zwei entscheidenden Ebenen wiedererneuert: durch die Bedeutung kleiner Gemeinschaften und durch das, was eine universale Gemeinschaft bedeutet, die die Einheit Christi über Spannungen und Verschiedenheiten hinaus offenbar macht. In die Verbindung dieser beiden sich einander nicht ausschließenden Bewegungen muß das Christentum Kraft investieren« 1 0 8 .

Schaller versucht, genau diese von Denis so klar markierte Zwischenposition zu halten und beides, »das Image der Kirche« und die Aufgabe der Bildung von »Basisgemeinschaften« zusammenzufassen, was ja auch bedeutet, daß Schaller Mittel präsentieren muß, die auf der Ebene der Großkirche die auch von Denis zugegebenen Mißstände ausschließen können. In Heft 32 von E. D. bringt Schaller dazu einige Auszüge aus dem Bericht der 10. Missionarischen Studienwoche in Lissabon, Portugal, die er persönlich aus dem Themaheft 59-61 (1972) »Missao e Communidade« der Zeitschrift »Igreja e missao« 1 0 9 übersetzt, freilich in seiner typischen Art der zusammenfassenden Übertragung ohne genaue Zitation: Schaller prägt dabei für die französische Diskussion den Begriff »veritable communaute ecclesiale de base« (einer echten, kirchlichen Basisgemeinschaft), der er dann als Kennzeichen drei Grundeigenschaften zuordnet: 1. Gemeinschaft mit der Kirche, 2. Evangelisation als Priorität, 3. Ganzheitliche Befreiung des Menschen als notwendige Folge 110 . Schaller sucht also nach Kriterien für die Basisgemeinschaft, die freilich gleichzeitig Kriterien für die Gesamtkirche sein müssen, auf die Großkirche also zurückschlagen und ihr >Image< ändern müssen. So bringt er in seiner Zusammenfassung des portugiesischen Artikels auch den Satz: Die kirchliche »Basisgemeinschaft ist nicht vom Klerus abhängig« 111 . Abhängigkeit behindert Gemeinschaft. Das Hauptanliegen Schallers 112 ist, Freiheit vom kirchli107 E . D . 32, S. 1. 108 A a O S. 36. D a s Zitat von H . Denis entstammt original einem Interview aus L e M o n d e vom 18. 3. 71, wird aber erst jetzt (Sept. 73) in E . D . wiedergegeben. 109 Bova N o v a , Valadares, Portugal. 110 E . D . 32, S . 3 . 111 A a O S . 5 . 112 A a O S. 3: » D a f ü r muß die Kirche, die aus uns allen besteht, sich von der Angst freima-

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chen System zu gewinnen, eine Freiheit, die aber sofort gebunden wird in ein gemeinsames Ziel von Großkirche und Basisgruppe: Mission. Immer wieder kommt Schaller auch in seiner Zusammenfassung des portugiesischen Berichts fast stereotyp auf die Mission als Sinnhorizont zu sprechen 113 . Auch für die Basisgemeinschaften will Schaller verhindern, daß man die Gruppensituation als solche zum Ausgangspunkt macht. »Die Basisgemeinschaft hat als erste Basis das Wort Gottes« 1 1 4 . Was heißt dies aber? Das Wort Gottes als Basis? Transzendiert dies nicht völlig die gegenwärtig gültige ekklesiologische Basis? Im folgenden Heft Nr. 33 von E . D . gibt Schaller dazu nähere Ausführungen. Er sagt: »Das Wesentliche liegt nicht in der Veränderung von Strukturen oder in neuen Techniken, die wir anwenden, es ist der Geist, der uns treibt. Von neuen Ämtern zu sprechen genügt nicht, wenn wir uns nicht bekehren, wenn unsere Kirchen nicht so sind, daß sie in der Grundlage eine >Diakonie< sind« 1 1 5 . Rene Schaller begibt sich damit fast vollständig auf die Ebene der Spiritualität und scheint den Kampf um die Struktur aufzugeben. Oder ist es tatsächlich eine Erhöhung des reformerischen Anspruchs, in fast schwärmerischer Weise alles zu fordern, was gefordert werden kann? Ein exaktes Urteil wird man hier kaum fällen können, beides geht bei Schaller irgendwie nahtlos ineinander über. Wenn man den riesigen Aufwand und die ungeheure Kraft Schallers und seiner Freunde in Relation zum Ergebnis setzt und einmal die beabsichtigte »Sensibilisierung« konkret an den Tagungsteilnehmern der letzten Tagung von »Effort diaconal« im September 1974 in Paris erfragt, dann sind gewisse Resignationserscheinungen unvermeidlich und müssen sich auch in einer theologischen Kursänderung niederschlagen. Der radikalisierende Rückzug Schallers auf die letzte Ebene der Spiritualität ist seine theologische Konsequenz aus seinem Kampf um die »Befreiung der Ämter«, besonders des Diakonates. Freilich verliert Schaller in diesem Rückzug nicht alle Objektivitäten, ihm bleibt das Neue Testament als eine für ihn faßbare ekklesiologische Kategorie in der darin dargestellten Wirklichkeit der »Diakonie«, die ein Bild jener grundlegenden kirchlichen Einheit darstellen kann, das Schallers Suche nach Endgültigem befriedigen kann, gleichzeitig dabei in allen Teilen des Ganzen die entscheidende Qualität darstellt, die auch den Teil zu einem Ganzen macht. Schaller braucht nicht die alte Kontroversfrage des allgemeinen Priestertums aufzugreifen und zu entscheiden, die praktisch in der Existenz der Basisgemeinschaften wieder virulent zu werden scheint. Er findet in der Dialektik von »Diakonie« als Einheit und der attributiven Qualifizierung »diakonisch« die theologischen Kategorien, die für alle Christen und die ganze Kirche gelten und in sich die Sprengkraft der Konversion aller Menschen zu Gott tragen. Ein Wort von Kardinal Marty chen, vom ganzen Amtsgehabe und vor allem von gewissen Strukturen, die . . . die Gemeinschaft untereinander verhindern«. 113 A a O S. 5f. 114 A a O S . 5 . 115 E . D . 33, D e z . 1973, S. 1.

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dient Schaller dazu, im Vorwort der Nr. 33 von E. D . diese Perspektive einer »Kirche im Dienst Gottes für das Heil der Menschen, die dazu voranschreitet, von allen Gliedern des Volkes Gottes mitgetragen zu werden« als realen Hoffnungshorizont festzuhalten. Er hat die Idee »einer Kirche, die ganz aus Ämtern besteht, um ganz missionarisch sein zu können« 1 1 6 . Schaller ist davon überzeugt, eine einfache Funktionsbeschreibung christlichen Lebens gefunden zu haben, viel einfacher und problemloser als in der Formel vom allgemeinen Priestertum, die er nach persönlichem Zeugnis für ein Relikt reformatorischer Kontroverstheologie hält. Jeder Christ kann die »Diakonie« übernehmen mit dem realen Vorbild des Diakons Jesus Christus. So kann es keinen geben, der nicht irgendwie »dienen« kann. Vier Aufsätze in E . D . Nr. 33 versuchen dieses primäre Kriterium, das »Diakonie« inhaltlich darstellt, näher zu präzisieren und konkret werden zu lassen. Jean Paul Gabus, Protestant, schreibt über »Die Diakonie in der Bibel«, Annie Jaubert bietet eine Studie über »Der Dienst am Anfang der Kirche«, aus Nordostbrasilien wird ein längerer Bericht über Beispiele sozialer Konsequenzen der christlichen Diakonie gegeben. Eine »Chronik« über die Behandlung dieser Thematik auf sieben verschiedenen Konferenzen und Tagungen der jüngsten Vergangenheit aus der Feder von Rene Schaller selbst versucht aus der Entwicklung der Frage eine Zukunftsperspektive zu gewinnen. Im letzten Satz dieser »Chronik« schreibt er: »Wir erkennen, wie sehr, trotz aller Unsicherheiten und aller Schwierigkeiten, die christlichen Kirchen eine Umgestaltung auf ihren Meister hin suchen, auf Jesus Christus, den Diener, in einem echten Mühen um diakonische und befreiende Präsenz mitten in der Welt von heute« 117 . So zeigt die Zuspitzung der Reflexion Rene Schallers auf christologische Horizonte klar den Weg, der jedem Versuch ekklesiologischer Innovation vorgezeichnet ist: Letztlich wahre und echte Veränderung ist ohne eine tiefe neue Einsicht in das Wesen Christi und seiner Sendung nicht denkbar. Doch bleibt bei Schaller eine Frage offen: Ist es wirklich dann sekundär, wie die Strukturen aussehen? Müßte es nicht so sein, daß in der Kirche auch die Strukturen der Kirche verkündigenden Charakter haben - oder vorsichtiger formuliert: Wäre es für die Verkündigung, die Mission der Kirche, nicht von Vorteil und eine Attraktivität, wenn ihre Strukturen auch jene diakonale Differenz zu den übrigen und üblichen gesellschaftlichen Strukturen aufweisen würden? d) Deutsche Reaktionen Alle Anerkennung, die Schallers Linie und seiner christlichen Radikalität gebührt, kann aber doch eine gewisse Fraglichkeit seiner Ausführungen und 116 E.D. 33, S . l . 117 E.D. 33, S.27.

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seines Bemühens nicht verhindern. Hat Schaller übersehen, daß sogar der Apostel Paulus ganz bescheiden darauf hinweist, daß wir den Schatz der Wahrheit und kirchlichen Vollkommenheit »in irdenen Gefäßen haben« (2. Kor. 4, 7)? Muß dies nicht auch heißen, daß wir uns auch, da sie einen wesentlichen Teil unseres Seins ausmachen, um die Gefäße der Wahrheit kümmern müssen und nicht alles dem »Geist, der uns drängt«, als dem »Wesentlichen« überlassen können und dies auch nicht dürfen!? Geist, Inhalt, und Struktur, Gefäß, beide gehören zur irdischen Realität der Kirche, auf die m . E . die deutschen katholischen Theologen in ihrer Erörterung des Problems »Basisgemeinschaften« eher eingehen. So zeigt ein Artikel von Hannes Kramer »Christliche Basisgemeinschaften - auch in der B R D ? « 1 1 8 schon eher Umrisse klar reflektierter kirchlicher Konsequenzen und praktikabler organisatorischer Möglichkeiten. Auch Kramer sagt ähnlich wie Schaller: »Der zentrale Begriff für die Bezeichnung der Dienste einzelner in der Gemeinde ist >Diakoniekleinen Herde< bei aller Wahrnehmung der gewollten Ordnung der Dienste (1. Kor. 14, 33) >diakonisch< und nicht >hierarchischHingabe< für andere in der Erfüllung des Vaterwillens. >Die Gemeinde, welche die Zumutung des Evangeliums nicht übernimmt, kann das Evangelium der Gesellschaft nicht zumutengroupesCDFTheologie des Diakonatessauvages< et l'Eglise, in: Chretiens dans l'Universite 1, Sept./Okt. 1969, S. 3 0 - 3 5 . Van Bekkum, G . , Le renouveau liturgique au service des missions, rapport du 1er Congres International de Pastorale Liturgique, in: La Maison Dieu 47/48, 1959, S. 1 5 5 - 1 7 6 . - , Intervention au Congres d'Assise, 1 8 . - 2 2 . Sept. 1956, in: D C 41, 1959, Sp. 1 0 1 5 - 1 0 1 6 . Vandenbroucke, F., Vers un renouveau du Diaconat, in: La Revue Nouvelle 29, 1959, S. 660-664. Van der Meer, H . , Priestertum der Frau?, 1969. Vanesse, S., L'ordination des diacres, in: D . A. 11, 1969, S. 2f. Le diaconat dejä en peril?, D . A. 15, 1970, S. 14f. Varillon, F., Incarnation et apostolat, in: Masses Ouvrieres 1, 1944, S. 4 3 - 5 2 . Viering, F., Christus und die Kirche in römisch-katholischer Sicht, Kirche und Konfession Bd. 1, 1962. Vinatier, J . , Promotion feminine et Ecriture, in: E . D . 30, 1973, S. 7 - 1 3 . - , J e plaide pour des femmes-diacres, in: Temoignage chretien, Sept. 1972. - , La Mission en France, in: Paroisse et mission 3, 1957, S. 4 8 - 6 5 .

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F O R S C H U N G E N Z U R SYSTEMATISCHEN UND Ö K U M E N I S C H E N T H E O L O G I E 18 Reinhard Slenczka: Geschichtlichkeit und Personsein Jesu Christi. 1967. 3 6 6 S. 19 Jörg Rothermundt: Personale Synthese. Isaak August Dorners dogmatische Methode. 1 9 6 8 . 2 5 0 S. 2 0 Harald Schultze: Lessings Toleranzbegriff. 1 9 6 9 . 1 7 9 S. 21 Christoph Maczewski: Die Ζοϊ-Bewegung Griechenlands. 1 9 7 0 . 1 6 0 S. 2 2 Friedrich Beißer: Schleiermachers Lehre von Gott dargestellt nach seinen Reden und seiner Glaubenslehre. 1 9 7 0 . 2 6 5 S. 23 Hans J . Kosmahl: Ethik in Ökumene und Mission. 1 9 7 0 . 1 8 3 S. 24 Klaus Rosenthal: Die Uberwindung des Subjekt-Objekt-Denkens als philosophisches und theologisches Problem. 1970. 170 S. 25 Hermann Brandt: Gotteserkenntnis und Weltentfremdung. 1971. 2 6 9 S. 2 6 Hans M. Barth: Atheismus und Orthodoxie. 1971. 3 5 6 S. 27 Adrian Geense: Auferstehung und Offenbarung. Über den Ort der Frage nach der Auferstehung Jesu Christi in der heutigen deutschen evanglischen Theologie. 1971. 235 S. 28 Georg G. Blum: Offenbarung und Überlieferung. Die dogmatische Konstitution „Dei Verbum" des II. Vaticanums im Lichte altkirchlicher und moderner Theologie. 1971. 2 3 4 S. 2 9 Heinrich Leipold: Missionarische Theologie. Emil Brunners Weg zur theologischen Anthropologie. 1974. 298 S. 3 0 Klaus Bümlein: Mündige und schuldige Welt. Überlegungen zum christlichen Verständnis von Schuld und Mündigkeit im Gespräch mit P. Tillich und K. Rahner. 1 9 7 4 . 1 5 5 S. 31 Joachim Track: Der theologische Ansatz Paul Tillichs. 1975. XII. 5 3 8 S. 3 2 Michael Plathow: Das Problem des concursus divinus. 1976. 213 S. 33 Ulrich Schoen: Determination und Freiheit im arabischen Denken heute. Eine christliche Reflexion im Gespräch mit Naturwiss. und Islam. 1 9 7 6 . 2 5 6 S. 34 Berthold Klappert: Promissio und Bund. Gesetz und Evangelium bei Luther · und Barth. 1976. 2 9 6 S. 35 Koloman Micskey: Die Axiom-Syntax des evangelisch-dogmatischen Denkens. Strukturanalysen des Denkprozesses und des Wahrheitsbegriffs in den Wissenschaftstheorien (Prolegomena) zeitgenössischer systematischer Theologen. 1 9 7 6 . 1 6 2 S. 3 6 Wolfgang Greive: Der Grund des Glaubens. Die Christologie Wilhelm Herrmanns. 1 9 7 6 . 3 3 7 S. 3 7 Joachim Track: Sprachkritische Untersuchungen zum christlichen Reden von Gott. 1 9 7 7 . 3 3 7 S. 38 Konrad Fischer: De Deo trino et uno. Das Verhältnis von productio und reductio in seiner Bedeutung für die Gotteslehre Bonaventuras. 1978. 3 6 4 S. 3 9 Günther Gaßmann: Konzeptionen der Einheit in der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung 1 9 1 0 - 1 9 3 7 . 1 9 7 9 . 3 1 1 S. 4 0 Viorel Mehedintu: Offenbarung und Überlieferung. Neue Möglichkeiten eines Dialogs zwischen der orthodoxen und der evangelisch-lutherischen Kirche. 19 ca. 3 7 6 S. VANDENHOECK

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Christofer Frey · Mysterium der Kirche - Öffnung zur Welt Zwei Aspekte der Erneuerung französischer katholischer Theologie. 1969. 3 1 7 Seiten, kartoniert „Der Verfasser vermittelt einen ausgezeichneten Überblick über die Geschichte, die zur neueren französischen Theologie hinleitet, eine aufschlußreiche Darstellung der „Nouvelle theologie", eine Einführung in das neue Verständnis des Mysteriums der Kirche und eine Abhandlung über die modernen Aspekte zum Thema „Kirche und Welt". Im Schlußteil seiner kenntnisreichen und informativen Untersuchung stellt Frey eindringliche Fragen an die theologische Erneuerungsbewegung im katholischen Frankreich. Ein wertvoller und wichtiger Beitrag zum ökumenischen Verständnis und Gespräch der Kirchen." Reformierte Kirchenzeitung

Hans-Jochen Kühne * Schriftautorität und Kirche Eine kontroverstheologische Studie zur Begründung der Schriftautorität in der neueren katholischen Theologie. 1980. Etwa 166 Seiten, kartoniert (Kirche und Konfession, 22) Die vorliegende Studie wertet die seit 1943 zum Thema erschienene deutschsprachige katholische Literatur aus und ist als systematisch-theologische Arbeit angelegt. Im ersten Teil wird die Begründung der Autorität der neutestamentlichen Schriften in der katholischen Theologie darstellend behandelt. Der zweite Teil fragt nach evangelischen Aussagen zur Begründung der Schriftautorität. Der dritte Teil ist eine kritische Befragung der katholischen Aussagen und nimmt diese zugleich als kritische Anfragen auf.

Johannes Dantine · Die Kirche vor ihrer Wahrheit 1980. Etwa 2 5 6 Seiten, kartoniert (Kirche und Konfession, 23) Inhalt: Einleitung: A. Das Problem / B. Die nota-Lehre in der katholisch-protestantischen Kontroverstheologie. 1. Kap.: Die Lehre von den notae ecclesiae in der Reformation. A. Luther / B. Melanchthon / C. Calvin und die reformierten Bekenntnisschriften. 2. Kap.: Die selbstkritische Frage der Kirche nach ihrer Wahrheit im deutschen Kirchenkampf. 3. Kap.: Von der Möglichkeit der wahren Kirche. 4. Kap.: Wahrheitsforderung und Pluralismus. 5. Kap.: Der Versuch der Bestimmung von „notae verae ecclesiae" heute.

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