Der materiell-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch [1 ed.] 9783428480234, 9783428080236

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Der materiell-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch [1 ed.]
 9783428480234, 9783428080236

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GABRIELE

PIETZKO

Der materiell-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 670

Der materiell-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch

Von

Dr. Gabriele Pietzko

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Pietzko, Gabriele: Der materiell-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch / von Gabriele Pietzko. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 670) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-08023-8 NE: GT

D 38 Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: W. März, Tübingen Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08023-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Meinen Eltern, Franz und Annemarie Vogel\ und meinem Ehemann, Dr. Joachim Pietzko, in Verbundenheit

und Dankbarkeit

Vorwort Die Arbeit hat der Hohen Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln im Winter-Semester 1992/93 als Inaugural-Dissertation vorgelegen. Das Manuskript wurde im Februar 1991 abgeschlossen. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem im Oktober 1991 verstorbenen Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Peter Weides, der diese Arbeit angeregt, betreut und deren Fortschreiten mit besonderem Interesse verfolgt hat. Seine Anregungen und seine Unterstützung haben das Gelingen dieser Arbeit entscheidend gefördert. Bei Herrn Prof. Dr. Wolfgang Riifner möchte ich mich dafür bedanken, daß er für Herrn Prof. Dr. Peter Weides die weitere Betreuung der Promotion bereitwillig übernommen hat. Herrn Prof. Dr. Karl Heinrich Friauf gilt mein Dank für die Übernahme des Korreferates. Besonderen Dank schulde ich meinem Ehemann, Dr. Joachim Pietzko, und meiner Mutter, Annemarie Vogel, die stets für mich da waren und ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Es ist mir ein persönliches Anliegen, in diesen Dank meinen im Juni 1983 verstorbenen Vater, Franz Vogel, einzuschließen, der mich in meinem Entschluß, Rechtswissenschaften zu studieren, bestärkt und bis zu seinem Tode mein Studium in jeder Hinsicht begleitet und unterstützt hat. Weiterhin möchte ich Herrn Dr. Stefan Przygode für ständige Diskussionsbereitschaft, Frau Rita Cremer für die Erstellung des Manuskripts sowie meinem Schwiegervater, Karl-Otto Pietzko, und den seinerzeitigen Mitarbeitern am Lehrstuhl für öffentliches Recht, Frau Ruth Fritsch, Herrn Michael Kremke und Herrn Michael Teckentrup, für die Vornahme der Korrekturen Dank sagen. Ebenso bedanke ich mich bei Herrn Dr. Wolfgang März für die Erstellung des druckfahigen Layouts. Schließlich gilt mein Dank dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme der Arbeit in sein Programm. Köln, im Juli 1994

Gabriele Pietzko, geb. Vogel

Inhaltsübersicht

Einleitung

43

Α. Begriffsbestimmung Β.

43

Historische Grundlagen

43

C. Zielsetzung der Arbeit

48

Kapitel 1 Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs A. Einleitung B.

51 51

Die dogmatische Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs in Rechtsprechung und Rechtslehre

I. Öffentlich-rechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs II. Zivilrechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs

58 59 72

C. Die Bedeutung der Rechtsgrundlage für die Ausgestaltung von Tatbestand und Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs I. Das Tatbestandsmerkmal „Eingriff

73

4

74

II. Das Tatbestandsmerkmal „geschützte Rechtsposition"

78

III. Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

81

IV. Teilergebnis

83

D. Stellungnahme: anspruchs

Festlegung der Rechtsgrundlage

des Folgenbeseitigungs-

I. Vorbemerkung

84 84

II. Kritik an den dargestellten Meinungen zur dogmatischen Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs im Hinblick auf die unter I. skizzierten Anforderungen an die Rechtsgrundlage

88

ΙΠ. Eigener Lösungsvorschlag: Fortentwicklung des grundrechtlichen Lösungsansatzes durch eine Analogie zu § 1004 BGB

119

E.

135

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 1. Kapitels

10

Inhaltsübersicht Kapitel 2 Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

136

A. Einleitung

136

B.

137

Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

I. Die geschützte Rechtsposition

137

II. Vorliegen eines Eingriffs

153

III. Hoheitlicher Charakter des Eingriffsverhaltens

240

IV. Die Rechtswidrigkeit der Rechtsbeeinträchtigung

295

V. Fortdauer der rechtswidrigen Rechtsbeeinträchtigung zum Nachteil des Anspruchstellers

343

VI. Kausalität zwischen Eingriff und Rechtsgutsverletzung sowie Zurechnungsproblematik (sog. haftungsbegründende Kausalität)

344

C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 2. Kapitels

378

I. Beeinträchtigung einer subjektiven Rechtsposition des öffentlichen Rechts . . . II. Vorliegen eines Eingriffs

378 378

III. Hoheitlicher Charakter des Eingriffsverhaltens

381

IV. Die Rechtswidrigkeit der Rechtsbeeinträchtigung

384

V. Fortdauer der rechtswidrigen Rechtsbeeinträchtigung zum Nachteil des Anspruchstellers

386

VI. Kausalität zwischen Eingriff und Rechtsgutsverletzung sowie Zurechnung der eingetretenen Rechtsverletzung zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers (sog. haftungsbegründende Kausalität)

387

Kapitel 3 Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

389

A. Einleitung

389

B.

391

Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

I. Meinungsstand II. Kritik

391 399

III. Eigener Lösungsvorschlag

405

IV. Konkretisierung des über den Folgenbeseitigungsanspruch wiederherzustellenden Zustands — Bedeutung der Wiederherstellbarkeit des störungsfreien Zustands

418

Inhaltsübersicht V. Art und Weise der Folgenbeseitigung sowie Kostentragungspflicht

429

VI. Systematische Darstellung einiger praxisrelevanter Fallgruppen

430

VII. Teilergebnis zum Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

432

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

433

I. Einleitung

433

II. Festlegung des Anspruchsumfangs herrschender Ansicht

des Folgenbeseitigungsanspruchs

nach 433

III. Kritik

434

IV. Stellungnahme

436

V. Teilergebnis zum Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs D. Umwandlung des auf Naturalrestitution des ursprünglichen Zustands gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Folgenentschädigungsanspruch . . . . E.

Exkurs: Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs von anderen staatshaftungsrechtlichen Anspruchsnormen

I. Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG II. Enteignungsgleicher/aufopferungsgleicher Eingriff

474

476

478 478 479

ΙΠ. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch

480

IV. Unterlassungsanspruch

482

F.

497

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 3. Kapitels

I. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

497

II. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

498

ΙΠ. Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs von anderen staatshaftungsrechtlichen Rechtsinstituten

500

Kapitel 4 Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

503

A. Vorbemerkung: Dogmatische Einordnung der Ausschlußtatbestände

503

I. Anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale oder Einwendungen

503

II. Einordnung als rechtsvernichtende Einwendungen B. Die Ausschlußgründe im einzelnen I. Tatsächliche Unmöglichkeit der Folgenbeseitigung II. Rechtliche Unzulässigkeit der Wiederherstellung

506 507 507 509

12

Inhaltsübersicht

III. Die Unzumutbarkeit der Wiederherstellung

531

IV. Sinnlosigkeit der Wiederherstellung

537

V. Zur Frage der analogen Anwendbarkeit des § 254 BGB als Haftungsausschlußgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 4. Kapitels

Literaturverzeichnis

538 560

563

Inhaltsverzeichnis Einleitung Α. Begriffsbestimmung Β.

43 43

Historische Grundlagen

43

C. Zielsetzung der Arbeit

48

Kapitel 1 Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

51

A. Einleitung

51

B. Die dogmatische Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs in Rechtsprechung und Rechtslehre

58

I. Öffentlich-rechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs 1. Objektiv-rechtliche Verfassungsnormen a) Art. 20 Abs. 3 GG - Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung - als maßgebliche Rechtsvorschrift zur Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs

59 59

59

aa) Isoliertes Anknüpfen an Art. 20 Abs. 3 GG

60

bb) Kombinierte Lösungskonzepte

61

b) Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG

62

c) Art. 34 GG

63

d) Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 2 und 3, 28 Abs. 1 GG) 2. Subjektiv-rechtliche Verfassungsvorschriften

64 65

a) Die Freiheitsgrundrechte

66

b) Ableitung aus dem jeweils verletzten Einzelgrundrecht

69

c) Art. 2 Abs. 1 GG

70

II. Zivilrechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs C. Die Bedeutung der Rechtsgrundlage für die Ausgestaltung von Tatbestand und Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

72

73

14

nsverzeichnis

I. Das Tatbestandsmerkmal „Eingrifft 1

74

1. Problemstellung

74

a) Art. 20 Abs. 3 GG

74

b) Art. 34 GG

75

c) Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip

76

d) Die Freiheitsgrundrechte

76

2. Schlußfolgerung

77

II. Das Tatbestandsmerkmal „geschützte Rechtsposition"

78

1. Einzelgrundrecht

78

2. Art. 2 Abs. 1 GG

79

3. Art. 20 Abs. 3 GG/Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip

80

4. Zwischenergebnis

81

III. Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

81

1. Art. 34 GG/Die Freiheitsgrundrechte

82

2. § 1004 BGB analog

83

IV. Teilergebnis D. Stellungnahme: anspruchs

83 Festlegung der Rechtsgrundlage

des Folgenbeseitigungs-

I. Vorbemerkung

84 84

1. Materieller Regelungsgehalt

84

2. Subjektiv-öffentlicher Charakter der Rechtsgrundlage

85

3. Strukturelle Übereinstimmung mit den in Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannten Wesensmerkmalen des Folgenbeseitigungsanspruchs

86

4. Gewährleistung von Rechtssicherheit

87

II. Kritik an den dargestellten Meinungen zur dogmatischen Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs im Hinblick auf die unter I. skizzierten Anforderungen an die Rechtsgrundlage

88

1. Art. 20 Abs. 3 GG — Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung . . .

88

a) Materiell-rechtlicher Regelungsgehalt b) Subjektiv-öffentlicher Charakter

89 89

aa) Wortlaut des Art. 20 Abs. 3 GG

89

bb) Systematische Stellung des Art. 20 Abs. 3 GG

90

c) Gewährleistung von Rechtssicherheit 2. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG

90 92

nsverzeichnis a) Materieller Regelungsgehalt aa) Wortlaut des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG

92 92

bb) Historische Auslegung

92

cc) Auffassung des Bundesverfassungsgerichts

93

b) Zwischenergebnis 3. Art. 34 GG

94 94

a) Materieller Regelungsgehalt/Subjektiv-öffentlicher Charakter

95

b) Strukturelle Unvereinbarkeit

96

4. Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip

97

a) Materieller Regelungsgehalt / Anspruchscharakter des Rechtsstaatsprinzips b) Gewährleistung von Rechtssicherheit

98 100

5. Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem jeweils verletzten Einzelgrundrecht

100

6. Die Freiheitsgrundrechte in ihrer Gesamtheit/Art. 2 Abs. 1 GG

102

a) Die rechtliche Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus den Freiheitsgrundrechten und Art. 2 Abs. 1 GG als ein Lösungsmodell . . b) Einwände gegen die Annahme einer grundrechtlichen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs aa) Materieller Regelungsgehalt aaa) Einwand 1: Fehlender eigenständiger Regelungsgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG

102 104 104 104

bbb) Einwand 2: Eingeschränkter Regelungsgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG bzw. der Freiheitsgrundrechte

107

(1) Die Grundrechte als Unterlassungsansprüche

110

(2) Die Grundrechte als Beseitigungsansprüche

111

bb) Zwischenergebnis cc) Das Erfordernis der Rechtssicherheit: Ergänzungsbedürftigkeit des Art. 2 Abs. 1 GG als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

115

dd) Zwischenergebnis

119

ΙΠ. Eigener Lösungsvorschlag: Fortentwicklung des grundrechtlichen Lösungsansatzes durch eine Analogie zu § 1004 BGB 1. Prinzipieller Ausschluß einer Analogie zu § 1004 BGB a) Einwand 1: Unterschiedliche Schutzrichtung des zivilrechtlichen und des öffentlich-rechtlichen Rechtssystems

115

119 120 120

b) Einwand 2: Inhaltliche Veränderungssperre bei einer analogen Heranziehung des § 1004 BGB

122

c) Zwischenergebnis

125

16

nsverzeichnis 2. Zulässigkeit der Analogie zu § 1004 BGB

126

a) Vorliegen einer Regelungslücke

126

b) Regelungsähnlichkeit zwischen § 1004 BGB und dem Folgenbeseitigungsanspruch

127

aa) Unausgesprochene Vorbildfunktion des § 1004 BGB für die Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs

127

bb) Vergleichbarkeit der Zielsetzung des § 1004 BGB und des Folgenbeseitigungsanspruchs

128

cc) Vergleichbarkeit der tatbestandlichen Struktur des § 1004 BGB mit dem Folgenbeseitigungsanspruch

129

dd) Parallelität der Anwendungsbereiche des § 1004 BGB und des Folgenbeseitigungsanspruchs

130

ee) Vorteile der Analogie zu § 1004 BGB

131

c) Zwischenergebnis

132

3. Grenzen und Schranken der Analogie zu § 1004 BGB

133

a) Erforderlichkeit der Heranziehung des § 1004 BGB

133

b) Flexibilität der Analogie zu § 1004 BGB

133

c) Bedeutung der Freiheitsgrundrechte / Art. 2 Abs. 1 GG neben § 1004 BGB

134

E. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 1. Kapitels

135

Kapitel 2 Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

136

A. Einleitung

136

B.

137

Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

I. Die geschützte Rechtsposition

137

1. Schutz absoluter Rechtspositionen

138

a) Verfassungsrechtliche Rechtspositionen

139

aa) Die Freiheitsgrundrechte - speziell Art. 2 Abs. 1 GG - als absolute Schutzgüter des Folgenbeseitigungsanspruchs

139

bb) Die Instituts- und Institutionsgarantien

143

b) Einfachgesetzliche Rechtspositionen

145

c) Durch Verwaltungsakt begründete Rechtspositionen

147

2. Relative Rechte a) Durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geschützte Rechtspositionen

151 ....

151

nsverzeichnis b) Leistungsansprüche

152

3. Teilergebnis zur geschützten Rechtsposition

153

II. Vorliegen eines Eingriffs

153

1. Einleitung

153

2. Der Eingriff durch ein Unterlassen

155

a) Fallkonstellation 1: Eingriff durch Unterlassen nach vorangegangenem Tun

157

b) Fallkonstellation 2: Eingriff durch Unterlassen als Schutzpflichtsverletzung

160

c) Fallkonstellation 3: Rechtswidrige Leistungsanspruchs des Bürgers

161

Nichterfüllung

eines originären

aa) Vollständige rechtswidrige Leistungsversagung durch die Verwaltung

162

aaa) These 1: Unanwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs bei rechtswidriger Leistungsverweigerung

164

bbb) These 2: Einbeziehung der rechtswidrigen Leistungsverweigerung in den Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs . ccc) Stellungnahme (1) Grundsätzliche Erwägungen

169 169

(a) Grammatikalische Auslegung

169

(b) Historische Auslegung

169

(c) Systematische Auslegung

170

(d) Teleologische Auslegung (2) Mögliche Ausnahme: Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die Fälle rechtswidriger Leistungsversagung bei grundrechtlich gewährten Anspruchspositionen

175

(3) Annex: Leistungsrechte als nicht schutzfähige relative Rechte i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs

176

ddd) Zwischenergebnis

2 Pietzko

166

173

178

bb) Verspätete Gewährung der begehrten Leistungsposition seitens der Verwaltung

178

cc) Sonderfall: Die rechtswidrige Leistungsversagung bei anschließender Änderung der Sach- und/oder Rechtslage

179

aaa) Problemstellung

180

bbb) Meinungsstand

181

(1) Die befürwortende Auffassung

181

(2) Die ablehnende Ansicht

183

18

nsverzeichnis ccc) Stellungnahme

184

(1) Kritik an der Argumentation der befürwortenden Ansicht .

185

(a) Unzulässige Heranziehung der Grundsätze über die maßgebliche Sach- und Rechtslage bei der Verpflichtungsklage

185

(b) Keine verfassungsrechtliche Folgenbeseitigungsanspruchs

187

Vorrangstellung

des

(c) Fehlende Gefahr einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis

188

(d) Die Bedeutung des Berufsbeamtentums tragfähige Argumentation

189

als nicht

(2) Gründe für die Unanwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs

189

(a) Bedenken gegen die Heranziehung des Folgenbeseitigungsanspruchs im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal des „geschützten Rechtsguts"

190

(b) Kein Folgenbeseitigungsanspruch contra legem

191

(c) Verstoß gegen den Charakter des Folgenbeseitigungsanspruchs als primärer Störungsbeseitigungsanspruch .

193

(d) Praktische Probleme der Umsetzung einer notwendigen baurechtlichen Planänderung

194

(e) Keine Schutzlosigkeit des betroffenen Bürgers

195

d) Fallkonstellation 4: Rechtswidrige Schlechterfüllung eines originären Leistungsanspruchs des Bürgers

196

e) Teilergebnis zum Eingriff durch Unterlassen

199

3. Die Qualität des Eingriffsverhaltens

200

a) Maßnahmen der Verwaltung

200

aa) Behördlicher Eingriff in Gestalt des Verwaltungsakts

200

bb) Behördliche Eingriffe in Form von Realakten

203

aaa) Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs

203

bbb) Zur Terminologie des Folgenbeseitigungsanspruchs bei Realakten

205

cc) Maßnahmen im innerdienstlichen Bereich

207

dd) Eingriffsverhalten auf der Grundlage eines zwischen Staat und Bürger geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages

209

aaa) Die haftungsrelevante Fallsituation: Der auf vertraglicher Grundlage beruhende „Selbsteingriff des Bürgers"

210

bbb) Tatbestandserfüllung des Folgenbeseitigungsanspruchs: Problematik des Vorliegens eines Eingriffsverhaltens

213

nsverzeichnis ccc) Bedenken gegen das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs bei rechtswidrigen öffentlich-rechtlichen Verträgen . .

217

(1) Einwände angesichts der Regelung der Fehlerfolgen von öffentlich-rechtlichen Verträgen in den §§ 59 ff. VwVfG

217

(2) Einwand im Hinblick auf den Regelungsgehalt des Folgenbeseitigungsanspruchs: Kein Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs gegen den Vertrag als solchen

221

b) Hoheitsakte der Rechtsprechung

222

aa) Rechtsprechungsakte außerhalb des Normbereichs des Folgenbeseitigungsanspruchs

222

bb) Richterliche Tätigkeit mit haftungsrechtlicher Bedeutung im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs

223

c) Legislativakte

225

aa) Rechtswidrige Eingriffsfolgen, die durch die Rechtsnorm als solche entstehen aaa) Das förmliche Gesetz als Eingriffsakt

225 225

(1) Haftungsrechtliche Relevanz förmlicher Gesetzgebungsakte im Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs

225

(2) Die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs

226

. . .

(a) Die Haftung für normatives Unrecht im Geltungsbereich des enteignungsgleichen Eingriffs

226

(b) Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung und Literaturauffassung zum enteignungsgleichen Eingriff auf den Folgenbeseitigungsanspruch

228

(c) Ausnahmetatbestand: Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs bei sog. „Maßnahme- und Einzelfallgesetzen"

229

bbb) Hoheitlicher Eingriff in Gestalt einer Satzung

230

ccc) Hoheitlicher Verletzungsakt in Gestalt einer Rechtsverordnung

231

bb) Rechtsbeeinträchtigungen, die durch den verwaltungsbehördlichen Vollzug einer verfassungswidrigen Ermächtigungsgrundlage hervorgerufen werden

233

aaa) Der maßgebliche Eingriffsakt

234

bbb) Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs

236

cc) Zwischenergebnis zur Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs bei Legislativakten d) Teilergebnis zur Qualität der Eingriffsmaßnahme 4. Die Finalität einer Maßnahme als ungeeignetes Haftungsbegrenzungskriterium im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs

237 238 238

20

nsverzeichnis

III. Hoheitlicher Charakter des Eingriffsverhaltens

240

1. Allgemeine Begriffsbestimmung

240

2. Unproblematische Fälle

242

3. Grenzfälle

243

a) Handeln in Form von öffentlich-rechtlichen Verträgen

243

b) Rechtsprechungsakte

244

c) Realakte

245

aa) Immissionen

246

aaa) Allgemeine Grundsätze

248

(1) Meinungsstand

248

(2) Stellungnahme

250

(a) Vorüberlegungen

250

(b) Schlußfolgerung

253

bbb) Problemfälle

254

(1) Vollständiges Fehlen einer organisatorischen Struktur . . .

255

(2) Über den öffentlich-rechtlichen Widmungsrahmen hinausgehende Sachnutzung

256

(3) Immissionen, die im Zusammenhang mit dem Bau und der Unterhaltung von öffentlichen Einrichtungen entstehen

258

(4) Das liturgische Glockenläuten einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Kirche

260

ccc) Zwischenergebnis

262

bb) Ehrkränkende Äußerung eines Beamten

262

aaa) Allgemeine Grundsätze

263

(1) Die Einordnung ehrkränkender Äußerungen von Beamten nach herrschender Meinung

263

(2) Eigene Stellungnahme

266

(a) Zurechnung der ehrkränkenden Äußerung des Beamten zur Beamtenstellung bzw. zur Privatsphäre aufgrund der Kriterien „in Zusammenhang — bei Gelegenheit" der Amtsführung

266

(b) Die Akzessorietätstheorie

270

(3) Zwischenergebnis bbb) Sonderkonstellation 1: Ehrkränkende Rundfunk- oder Fernsehsendungen (1) Meinungsstand

275 Äußerungen

durch 276 277

nsverzeichnis (a) Argumente für den zivilrechtlichen Rechtscharakter der ehrkränkenden Äußerungen öffentlich-rechtlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten

278

(b) Argumentation zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rechtscharakters der ehrverletzenden Äußerungen in Rundfunk und Fernsehen

280

(c) Differenzierende Auffassung: Abstellen auf den Inhalt der jeweils konkret betroffenen Sendung . . . .

281

(2) Stellungnahme

281

(a) Ablehnung der auf den jeweiligen Inhalt der Sendung abstellenden Auffassung

283

(b) Kritik an der zivilrechtlichen Qualifizierung

284

(c) Zwischenergebnis

291

(d) Bedenken gegen die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges

292

(e) Teilergebnis zur Sonderkonstellation 1

294

ccc) Sonderkonstellation 2: Ehrverletzende Presseerklärungen der Staatsanwaltschaft

295

IV. Die Rechtswidrigkeit der Rechtsbeeinträchtigung

295

1. Der Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils

296

a) Veränderung des Rechtswidrigkeitsurteils in zeitlicher Hinsicht

297

aa) Ursprünglich rechtmäßiger Eingriff führt infolge Wegfalls des legalisierenden Verwaltungsakts durch Eintritt einer der in § 36 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwVfG genannten Umstände zu rechtswidrigen Eingriffsfolgen

297

bb) Änderung des Rechtswidrigkeitsurteils als Folge einer Neuregelung des rechtlichen Bewertungsmaßstabes

300

aaa) Nachträgliche Legalisierung eines ursprünglich rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakts

300

(1) Anknüpfung an die Eingriffsfolgen

302

(2) Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Eingriffsfolgen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung

303

bbb) Nachträglicher

gesetzlicher

Ausschluß

eines

ursprünglich

rechtswidrig verweigerten begünstigenden Verwaltungsakts

. .

304

.

304

b) Sonderfall: Ausschließlich formelle Rechtswidrigkeit des Eingriffsakts aa) Beispielsfall: Die Entscheidung des VGH Mannheim vom 30.3.1982 bb) Die Rechtslage in bezug auf die Anfechtung formell rechtswidriger Verwaltungsakte

304 305

22

nsverzeichnis cc) Harmonisierung des Tatbestands des Folgenbeseitigungsanspruchs mit § 46 VwVfG

307

c) Erstes Teilergebnis zur Rechtswidrigkeit 2. Ausschluß

der

Widerrechtlichkeit:

Fallgruppenartige

311 Systematisierung

praxisrelevanter Duldungspflichten a) Materiell-rechtliche Duldungspflicht aufgrund eines Verwaltungsakts

312 . .

aa) Umfassender Regelungsbereich

312 313

bb) Eingeschränkter Regelungsbereich

314

b) Gesetzliche Vorschriften

315

aa) Immissions-, Bau- und Nachbarrecht

315

aaa) §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 BImSchG

315

bbb) Bauplanungsrechtliche Rechtsvorschriften

317

ccc) Baumschutzregelungen in Gestalt von Rechtsverordnungen und Satzungen

318

ddd) § 906 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB analog (1) Anwendbarkeit des § 906 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB

319 ...

319

(2) Tatbestandliche Voraussetzungen des § 906 BGB (a) Wesentlichkeit und Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung (b) Wirtschaftlich zumutbare Abwehrmaßnahmen durch den Grundstücksbenutzer

322 323 326

eee) Annex: Ablehnung einer richterrechtlichen Duldungspflicht bei gemeinwichtigen Anlagen bb) Ehrkränkende Äußerungen

327 329

aaa) Art. 5 Abs. 1 GG

330

bbb) § 193 StGB analog (1) Anwendbarkeit des § 193 StGB bei unzutreffenden Tatsachenbehauptungen im Zivilrecht

330 332

(a) Fallgruppe 1: Festgestellte Unwahrheit der Tatsachenbehauptung

332

(b) Fallgruppe 2: Vorliegen eines „non liquet" in bezug auf die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung

333

(2) Übertragbarkeit der zivilrechtlichen Grundsätze auf das öffentliche Recht

334

(a) Geltung des § 193 StGB bei Tatsachenbehauptungen .

334

(b) Fallgruppe 1: Festgestellte Unwahrheit der Tatsachenerklärung

334

(c) Fallgruppe 2: Vorliegen eines „non liquet" bezüglich der Unwahrheit der Tatsachenbehauptung

335

nsverzeichnis (3) Analoge Geltung des § 193 StGB

337

(4) Annex: Eingeschränkter Widerrufsanspruch bei inhaltlich zutreffenden, jedoch in rechtswidriger Weise zustandegekommenen hoheitlichen Tatsachenbehauptungen

338

ccc) Art. 97 GG/§ 25 DRiG

339

c) Duldungspflicht aufgrund ausdrücklicher oder konkludenter Zustimmung des betroffenen Rechtsträgers

342

d) Zweites Teilergebnis zur Rechtswidrigkeit

343

V. Fortdauer der rechtswidrigen Rechtsbeeinträchtigung zum Nachteil des Anspruchstellers

343

VI. Kausalität zwischen Eingriff und Rechtsgutsverletzung sowie Zurechnungsproblematik (sog. haftungsbegründende Kausalität)

344

1. Begriffsbestimmung

345

2. Kausalität zwischen staatlicher Eingriffsmaßnahme und Rechtsbeeinträchtigung des Bürgers

346

a) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7.1984 . . . .

346

b) Kritik an der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts

347

c) Eigene Stellungnahme

349

aa) Feststellung der Kausalität im Zivilrecht aufgrund der Adäquanztheorie

350

bb) Entsprechende Geltung der Adäquanztheorie im öffentlichen Recht

350

cc) Zwischenergebnis

351

3. Spezielle Zurechnungsproblematik

352

a) Problemstellung

352

b) Die einzelnen Fallgruppen

353

aa) Fall der hypothetischen Kausalität / sog. „überholende Kausalität" bb) Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens

.

353 355

aaa) Formell rechtswidriger Eingriffsakt

355

bbb) Ermessensfehlgebrauch

356

cc) Mitwirkende Verursachung der Rechtsgutsverletzung durch den betroffenen Rechtsinhaber dd) Mitwirkende Verursachung der Rechtsbeeinträchtigung durch einen Dritten aaa) Die praxisrelevanten Fallgruppen (1) Mitwirkungshandlung eines Dritten in Form der Ausübung eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts

356 357 358

358

24

nsverzeichnis (2) Tatsächliches Handeln des Dritten im Anschluß an die behördlicherseits vorgenommene Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts

359

(3) Verhaltensweisen Dritter als Folge der Benutzung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung oder Anlage

359

bbb) Lösung dieser Zurechnungsproblematik im Zivilrecht

360

ccc) Übertragung dieses zivilrechtlichen Bewertungsmaßstabes auf das öffentliche Recht

361

ddd) FBA-spezifische Zurechnungskriterien bei Mitverursachung der Rechtsbeeinträchtigung durch einen Dritten

362

(1) Fallgruppe 1: Mitwirkungshandlung eines Dritten in Form der Ausübung eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts

362

(a) Fall der „faktischen Vollziehung" der Baugenehmigung durch den privaten Genehmigungsempfänger . .

365

(b) Nachträgliche rechtswidrige Genehmigung zunächst formell illegal errichteten Bauwerks

369

eines

(2) Fallgruppe 2: Die im Anschluß an die behördliche Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts von einem Dritten vorgenommene weitere Rechtsbeeinträchtigung . .

369

(3) Fallgruppe 3: Durch Dritte aufgrund der Benutzung öffentlicher Einrichtungen oder Anlagen hervorgerufene Beeinträchtigungen

371

(a) Beeinträchtigungen bei bestimmungsgemäßer Sachnutzung

373

(b) Belästigungen durch Verhaltensweisen zur bestimmungsgemäßen Sachnutzung

373

(c) Einwirkungen bei (vorhersehbarem) Fehlgebrauch . . .

374

(d) Beeinträchtigungen durch (vorsätzlichen) Mißbrauch der Benutzer

375

(e) Zwischenergebnis

375

4. Teilergebnis zur haftungsbegründenden Kausalität C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 2. Kapitels I. Beeinträchtigung einer subjektiven Rechtsposition des öffentlichen Rechts . . . II. Vorliegen eines Eingriffs

376 378 378 378

1. Aktive Übergriffe der öffentlichen Gewalt

378

2. Eingriff durch Unterlassen

378

3. Die Qualität des Eingriffs Verhaltens

379

nsverzeichnis 4. Die Finalität einer Maßnahme als ungeeignetes haftungsbegrenzendes Kriterium im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs III. Hoheitlicher Charakter des Eingriffsverhaltens

381 381

1. Allgemeine Begriffsbestimmung

381

2. Grenzfälle

382

IV. Die Rechtswidrigkeit der Rechtsbeeinträchtigung

384

1. Der Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils

384

2. Ausschluß der Widerrechtlichkeit bei Vorliegen einer Duldungspflicht

...

385

V. Fortdauer der rechtswidrigen Rechtsbeeinträchtigung zum Nachteil des Anspruchstellers

386

VI. Kausalität zwischen Eingriff und Rechtsgutsverletzung sowie Zurechnung der eingetretenen Rechtsverletzung zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers (sog. haftungsbegründende Kausalität)

387

Kapitel 3 Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

389

A. Einleitung

389

B. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

391

I. Meinungsstand

391

1. Der Folgenbeseitigungsanspruch als negatorischer Störungsbeseitigungsanspruch

391

2. Der Folgenbeseitigungsanspruch als Wiederherstellungsanspruch

393

3. Differenzierende Ansicht: Bestimmung des Anspruchsinhalts des Folgenbeseitigungsanspruchs in Abhängigkeit von dem hoheitlichen Eingriffsakt .

395

4. Der Folgenbeseitigungsanspruch anspruch

397

als umfassender

Wiedergutmachungs-

5. Der Folgenbeseitigungsanspruch als Anspruch mit Doppelcharakter

397

II. Kritik

399

1. Differenzierung nach der Art des Eingriffs 2. Doppelcharakter des Folgenbeseitigungsanspruchs (Auffassung Schleeh)

400 . .

3. Bestehen einer „verdeckten" Rechtsschutzlücke

401 402

a) Ausschluß eines Wiederherstellungsanspruchs gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG

402

b) Rechtsschutz im Wege des enteignungsgleichen Eingriffs

404

26

nsverzeichnis c) Schlußfolgerung: Rechtsschutzlücke infolge des Fehlens eines staatshaftungsrechtlichen Wiederherstellungsanspruchs

404

4. Zwischenergebnis

404

III. Eigener Lösungsvorschlag

405

1. Vorüberlegungen — Ausgangsthese

405

a) Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

405

b) Zielsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs

406

c) Mögliche Anspruchsinhalte des Folgenbeseitigungsanspruchs

406

2. Anspruchsinhalt 1: Beseitigung der Störungsquelle (Herstellung des störungsfreien Zustands) 3. Anspruchsinhalt 2: Wiederherstellung des tatsächlichen Status quo ante (Beseitigung der tatsächlichen Störungsfolgen)

407 409

a) Unergiebigkeit der Analogie zu § 1004 BGB

409

b) Öffentlich-rechtliche Bewertung

411

aa) Regelwidrigkeit der Rechtsschutzlücke

411

bb) Regelungsähnlichkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs

413

4. Anspruchsinhalt 3: Herstellung des hypothetischen Zustands (insbesondere Zubilligung des entgangenen Gewinns)

414

a) Verschiedenheit des Anspruchsbegehrens

414

b) Fehlende Verletzung einer schützenswerten Rechtsposition

415

c) Unzulässige Überschneidung zum Schadensersatzrecht

416

5. Anspruchsinhalt 4: Wahlrecht und Geldentschädigung

zwischen

(Wieder-)Herstellungsanspruch

IV. Konkretisierung des über den Folgenbeseitigungsanspruch wiederherzustellenden Zustands — Bedeutung der Wiederherstellbarkeit des störungsfreien Zustands

416

418

1. Die Entscheidung des VGH Mannheim vom 17.8.1989

419

2. Die Auffassung Benders

420

3. Eigener Lösungsvorschlag

421

a) Eingrenzung der problematischen Fallkonstellationen

421

b) Ausgangspunkt: Bedeutung der Wiederherstellbarkeit im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs

421

c) Zum Begriff der Wiederherstellbarkeit bzw. der vollständigen Zerstörung beim Folgenbeseitigungsanspruch

423

aa) Beschädigung bzw. Zerstörung von Einzelgegenständen

424

bb) Die Beeinträchtigung von Sachgesamtheiten

425

cc) Zur Frage des wirtschaftlichen Totalschadens

427

nsverzeichnis V. Art und Weise der Folgenbeseitigung sowie Kostentragungspflicht

429

VI. Systematische Darstellung einiger praxisrelevanter Fallgruppen

430

1. Vorliegen einer Ehrverletzung durch unzutreffende Tatsachenbehauptung . .

430

2. Vorliegen einer Eigentumsbeeinträchtigung in Gestalt des Sachentzuges

430

. .

3. Vorliegen einer Eigentumsverletzung durch einen Eingriff in die Sachsubstanz

431

VII. Teilergebnis zum Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

432

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

433

I. Einleitung

433

II. Festlegung des Anspruchsumfangs herrschender Ansicht

des Folgenbeseitigungsanspruchs

nach 433

III. Kritik

434

1. Das Kriterium der „Unmittelbarkeit" als untauglicher Abgrenzungsgesichtspunkt

434

2. Festlegung des Schutzzwecks des Art. 20 Abs. 3 GG

435

IV. Stellungnahme

436

1. Fallgruppe 1: Finanzielle Einbußen als zwangsläufige, da gesetzlich vorgesehene Folgewirkung der Erfüllung einer Verwaltungsmaßnahme

437

a) Beispielsfall: Die Entscheidung des VGH Mannheim vom 11.8.1987 . .

437

b) Kritik

438

aa) Unzutreffende Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

438

bb) Unzulässige Begrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs final verursachte Störungsfolgen

439

auf

c) Eigener Lösungsvorschlag: Bestimmung des Anspruchsumfangs kraft Zurechnung aa) Vorüberlegung: Fehlende Anfechtbarkeit des Gebührenbescheides

440 .

440

aaa) Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.11.1969 . .

441

bbb) Einwände und Kritik

442

bb) Bejahung des haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhangs . . .

444

aaa) Wertungsgesichtspunkt 1: Untrennbarer tatsächlicher Zusammenhang

444

bbb) Wertungsgesichtspunkt 2: Die Regelung des § 44a S. 1 VwGO

446

28

nsverzeichnis ccc) Wertungsgesichtspunkt lücken

3: Vermeidung von Rechtsschutz447

ddd) Wertungsgesichtspunkt 4: Spezielle gesetzliche Wertungen

. .

d) Zwischenergebnis

448 450

2. Fallgruppe 2: Folgekosten, die bei freiwilliger Erfüllung eines Verwaltungsakts als faktisch zwangsläufige Beeinträchtigung entstehen

451

a) Beispielsfall 1: Rechtswidrig angeordneter Abriß eines Gebäudeteils

451

b) Beispielsfall 2: Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 19.7.1984 — Rechtswidrig vollzogene Bardepotbescheide

. .

vom

c) Meinungsstand

452 454

aa) Die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts

454

bb) Die Auffassung in der Rechtslehre

454

d) Stellungnahme

455

aa) Das Kriterium der „Unmittelbarkeit" als ungeeignetes Haftungsbegrenzungsmerkmal sowie unzutreffende Würdigung des Schutzzwecks des Art. 20 Abs. 3 GG

455

bb) Der Gesichtspunkt der „Finalität" als untaugliches Abgrenzungskriterium

456

cc) Gefahr der Überschneidung des Folgenbeseitigungsanspruchs mit dem Amtshaftungsanspruch des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG bzw. unzulässige Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch

457

e) Eigener Lösungsvorschlag

460

aa) Problemstellung

460

bb) Wertungsgesichtspunkt 1: Faktisch untrennbarer Zusammenhang von Sekundärfolge und primärer Integritätsverletzung

460

cc) Wertungsgesichtspunkt 2: Die Regelung in § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG

462

dd) Wertungsgesichtspunkt

3: Ersatzfähigkeit

der Folgekosten bei

zwangsweiser Vollstreckung der behördlichen Anordnung ee) Grenze der Zurechnung f) Zwischenergebnis

463 465 466

3. Fallgruppe 3: Rechtsanwaltskosten des betroffenen Rechtsinhabers, die als Folge des staatlichen Unrechtsverhaltens entstanden sind

466

a) Beispielsfall

467

b) Meinungsstand

468

c) Stellungnahme

469

d) Vergleichbare Fallgestaltungen

471

e) Zwischenergebnis

472

nsverzeichnis 4. Fallgruppe 4 (Sonderfall): Gerichts- und Notarkosten, welche bei Eintragung und Löschung einer Zwangshypothek anfallen a) Beispielsfall: Die Entscheidung des OVG Münster vom 21.4.1964

. . .

472 472

b) Lösung dieses Problembereichs in der Rechtsprechung

473

c) Stellungnahme

473

V. Teilergebnis zum Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

474

D. Umwandlung des auf Naturalrestitution des ursprünglichen Zustands gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Folgenentschädigungsanspruch . . . .

476

E. Exkurs: Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs von anderen staatshaftungsrechtlichen Anspruchsnormen

478

I. Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG II. Enteignungsgleicher/aufopferungsgleicher Eingriff

478 479

III. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch

480

IV. Unterlassungsanspruch

482

1. Einleitung

482

2. Problemstellung

484

3. Herkömmlicherweise vertretene Abgrenzung zwischen dem Folgenbeseitigungsanspruch und dem Unterlassungsanspruch 4. Spezifische Abgrenzungsprobleme

zwischen

485

Folgenbeseitigungsanspruch

und Unterlassungsanspruch im Immissionsrecht

487

a) Beispielsfall: Das Urteil des OVG Münster vom 21.4.1983

488

b) Stellungnahme aa) Der mit der Durchsetzung der Immissionsabwehrklage für den Hoheitsträger verbundene Aufwand als Ausgangsüberlegung zur Beantwortung der Abgrenzungsfrage

489

490

bb) Das Kriterium der „Störungsquelle" als untaugliches Abgrenzungskriterium

490

cc) Die maßgeblichen Abgrenzungskriterien

491

aaa) Störung durch die Benutzung der Anlage

492

bbb) Anlagenbedingte Störung

493

ccc) Grenzen des Folgenbeseitigungsanspruchs

495

dd) Anwendung der vorstehend dargelegten Grundsätze auf den der Entscheidung des OVG Münster vom 21.4.1983 zugrundeliegenden Sachverhalt

496

30 F.

nsverzeichnis Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 3. Kapitels

497

I. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

497

II. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

498

III. Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs von anderen staatshaftungsrechtlichen Rechtsinstituten

500

1. Das Verhältnis zum Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG

500

2. Das Verhältnis zum enteignungsgleichen bzw. aufopferungsgleichen Eingriff

500

3. Das Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch

501

4. Das Verhältnis zum verwaltungsrechtlichen Unterlassungsanspruch

501

Kapitel 4 Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

503

A. Vorbemerkung: Dogmatische Einordnung der Ausschlußtatbestände

503

I. Anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale oder Einwendungen

503

1. Tatsächliches Regel-Ausnahme-Verhältnis

504

2. Beeinträchtigung des effektiven Rechtsschutzes zu Lasten des Bürgers . . .

505

3. Parallele zum Zivilrecht

506

II. Einordnung als rechtsvernichtende Einwendungen B.

Die Ausschlußgründe im einzelnen

I. Tatsächliche Unmöglichkeit der Folgenbeseitigung II. Rechtliche Unzulässigkeit der Wiederherstellung 1. Grundsätzliche Erwägungen 2. Sonderfall: Der Folgenbeseitigungsanspruch in dreipoligen Verwaltungsrechtsverhältnissen a) Meinungsstand aa) Unanwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs — Alleinige Heranziehung ordnungsbehördlicher bzw. polizeirechtlicher Generalklauseln bb) Doppelfunktion des Folgenbeseitigungsanspruchs als Anspruchsund Ermächtigungsgrundlage im dreipoligen Verwaltungsrechtsverhältnis b) Stellungnahme

506 507 507 509 509 511 513

513

515 517

nsverzeichnis aa) Der Folgenbeseitigungsanspruch als Anspruchsgrundlage in Drittbeteiligungsfâllen aaa) Generelle Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs

517 . .

bbb) Sonderkonstellation: Schwarzbau bb) Keine Doppelfunktion des Folgenbeseitigungsanspruchs als Anspruchs- und Ermächtigungsgrundlage

517 519 520

cc) Zusammenspiel von Folgenbeseitigungsanspruch und ordnungsbehördlicher / polizeirechtlicher Ermächtigungsgrundlage in Drittbeteiligungsfällen

522

dd) Exkurs: Das Problem der Ermessensausübung bzw. der Folgenbeseitigungslast im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage

523

aaa) Heranziehung der sog. „Folgenbeseitigungslast"

524

bbb) Kritik des OVG Münster an der „Folgenbeseitigungslast" . . .

526

ccc) Zurückweisung der Kritik des OVG Münster

527

ddd) Weitere Abwägungsgesichtspunkte

529

3. Teilergebnis zur rechtlichen Unzulässigkeit der Folgenbeseitigung III. Die Unzumutbarkeit der Wiederherstellung 1. Haftungsausschluß wegen technischer oder finanzieller Gründe

530 531 533

a) Der Einwand fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit als Ausnahmetatbestand

533

b) Der Einwand der Unzumutbarkeit als flexibler Bewertungsmaßstab . . .

534

c) Berücksichtigung des allgemeinen Rechtsgedankens der Rechtsmißbräuchlichkeit

535

2. Haftungsausschluß wegen entgegenstehender öffentlicher Interessen IV. Sinnlosigkeit der Wiederherstellung V. Zur Frage der analogen Anwendbarkeit des § 254 BGB als Haftungsausschlußgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs 1. Der Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur

535 537

538 539

a) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.8.1971 . . . .

539

b) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.4.1989 . . . .

541

2. Kritik

543

a) Anwendbarkeit des § 254 BGB im Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs

543

b) Die Lösungskonzepte hinsichtlich der Berücksichtigung des Mitverschuldens des Verletzten bei Unteilbarkeit des Schadens

545

aa) Erster Lösungsweg: Völliger Ausschluß des Folgenbeseitigungsanspruchs

546

32

nsverzeichnis bb) Zweites Lösungsmodell: gem. § 251 BGB analog

Schaffung

eines

Ausgleichsanspruchs 547

aaa) Unzutreffende Bezugnahme auf die Regelung in § 3 Abs. 3 StHG 1981

547

bbb) Generelle Fragestellung: Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Folgenentschädigungsanspruch bei Unerfüllbarkeit der naturalen Folgenbeseitigung

548

(1) Zubilligung eines Geldentschädigungsanspruchs aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs

549

(2) Kritik und Stellungnahme

550

(a) Fehlender Nachweis der Anwendbarkeit des § 251 BGB im öffentlichen Recht (b) Verstoß gegen die Gebote der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit

551

(c) Unzulässige Modifizierung des Folgenbeseitigungsanspruchs zu einem Kompensationsanspruch

552

(d) Keine Umwandlung des Beseitigungsanspruchs aufgrund § 1004 BGB in einen Geldentschädigungsanspruch

553

(e) Unzureichende Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs von den anderen staatshaftungsrechtlichen Anspruchsnormen

553

3. Eigener Lösungsvorschlag

550

554

a) Das Grundproblem: Berücksichtigung der Mitwirkung des verletzten Rechtsträgers an der rechtswidrigen Zustandsveränderung

554

b) Die Zurechnungskriterien

555

c) Das Problem der Unteilbarkeit der Folgenbeseitigungspflicht

557

d) Durchsetzung der Kostenbeteiligung des verletzten Rechtsinhabers e) Beweislast

...

558 559

C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 4. Kapitels

Literaturverzeichnis

560

563

Abkürzungsverzeichnis andere(r) Ansicht a.a.O.

am angegebenen Ort

abl.

ablehnend(er)

Abs.

Absatz

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

a.E.

am Ende

ÄndG

Änderungsgesetz

a.F.

alte Fassung

AfP

Archiv für Presserecht

AG

Amtsgericht

AGVwGO

Ausführungsgesetz zur VwGO

AK

Alternativkommentar

allg.

allgemein

AllgTeil

Allgemeiner Teil

AllgVerwR

Allgemeines Verwaltungsrecht

Alt.

Alternative

amtl.

amtlich

Amtl. Begr.

Amtliche Begründung

Anm.

Anmerkung

AO 1977

Abgabenordnung 1977

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

Art.

Artikel

AS

Amtliche Sammlung von Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Rheinland-Pfalz und Saarland

Aufl.

Auflage

AWG

Außenwirtschaftsgesetz

AWV

Außenwirtschaftsverordnung

Az.

Aktenzeichen

B.

Beschluß

bad.

badisch

badwürtt.

baden-württembergisch

BAG

Bundesarbeitsgericht

3 Pietzko

34

Abkürzungsverzeichnis

BAnz.

Bundesanzeiger

BauGB

Baugesetzbuch

BauNutzVO

Baunutzungsverordnung

BauO

Bauordnung (der Länder)

BauR

Baurecht

bay.

bayerisch

BayOblG

Bayerisches Oberlandesgericht

BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter

BayVerfGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

bayVwZVG

Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz

BB

Der Betriebs-Berater

BBauBl.

Bundesbaublatt

BBauG

Bundesbaugesetz

BBesG

Bundesbesoldungsgesetz

BBG

Bundesbeamtengesetz

Bd.

Band

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BeamtenR

Beamtenrecht

BeamtVG

Beamtenversorgungsgesetz

Begr.

Begründung, Begründer

Beil.

Beilage

BesTeil

Besonderer Teil

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt (Z)

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Zivilsachen)

Β HO

Bundeshaushaltsordnung

BImSchG

Bundes-Immissionsschutzgesetz

ΒΚ

Bonner Kommentar

Bl.

Blatt

BNatSchG

Bundesnaturschutzgesetz

BR

Bundesrat

BR-Drucks.

Bundesrats-Drucksache

brem.

bremisch

BRRG

Beamtenrechtsrahmengesetz

Abkürzungsverzeichnis BRS

Baurechtssammlung

BSG

Bundessozialgericht

BSGE

Entscheidungen des Bundessozialgerichts

BSHG

Bundessozialhilfegesetz

35

Bspr.

Besprechung

BT

Bundestag

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache

Buchholz

Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, begründet von Karl Buchholz

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

cic

culpa in contrahendo

DB

Der Betrieb

ders.

derselbe

d.h.

das heißt

Diss.

Dissertation

DJT

Deutscher Juristentag

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

DRiG

Deutsches Richtergesetz

DVB1.

Deutsches Verwaltungsblatt

DVO

Durchführungsverordnung

E

Entwurf

ebd.

ebenda

E-StHG

Entwurf eines Staatshaftungsgesetzes, Gesetzentwurf der Bundesregierung

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

Einf.

Einführung

Einl.

Einleitung

Erl.

Erläuterung

ESVGH

Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Entscheidungen der Staatsgerichtshöfe beider Länder

36

Abkürzungsverzeichnis

EVwVfG 1973

Regierungsentwurf vom 18.7.1973 zum Entwurf des Verwaltungsverfahrensgesetzes

f.

folgende Seite

FBA

Folgenbeseitigungsanspruch

ff.

folgende Seiten

FGO

Finanzgerichtsordnung

FStrG

Bundesfernstraßengesetz

Fußn.

Fußnote

GaststättenG

Gaststättengesetz

GBl.

Gesetzblatt

GBO

Grundbuchordnung

GebO

Gebührenordnung

GebOSt

Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr

gem.

gemäß

GewArch

Gewerbearchiv

GewO

Gewerbeordnung

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

GMB1.

Gemeinsames Ministerialblatt

GO

Gemeindeordnung (der Länder)

GSZ

Großer Senat für Zivilsachen

GVB1.

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVB1. NW

Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

h.A.

herrschende Ansicht

Halbbd.

Halbband

Halbs.

Halbsatz

HandwO

Handwerksordnung

hbg.

hamburgisch

HdbStKirchR

Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik

hess.

hessisch

Deutschland HessVRspr.

Rechtsprechung der Hessischen Verwaltungsgerichte

h.L.

herrschende Lehre

h.M.

herrschende Meinung

Hrsg. (hrsg.)

Herausgeber (herausgegeben)

Abkürzungsverzeichnis i.d.F.

37

in der Fassung

i.d.F.d.B.

in der Fassung der Bekanntmachung

i.d.R.

in der Regel

i.E.

im Ergebnis

i.e.S.

im engeren Sinne

insbes.

insbesondere

i.S. der, des

im Sinne der, des

i.S. von

im Sinne von

i.V.m.

in Verbindung mit

i.w.S.

im weiteren Sinne

JA

Juristische Arbeitsblätter

JöR

Jahrbuch für öffentliches Recht

JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JW

Juristische Wochenschrift

JZ

Juristenzeitung

KB, KE-StHG

Reform des Staatshaftungsrechts. Entwürfe eines Staatshaftungsgesetzes und einer Grundgesetzänderung mit Begründungen, Kommissionsbericht

KFZ

Kraftfahrzeug

KG

Kammergericht

krit.

kritisch

1. Sp.

linke Spalte

LBG

Landesbeamtengesetz

Lfg.

Lieferung

LG

Landgericht

LM

Lindenmaier/Möhring desgerichtshofs

LPG

Landespressegesetz

LRGNW

Rundfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen

LS

Leitsatz

LVG

Landesverwaltungsgericht

m.

mit

MB1.

Ministerialblatt

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

(Begr.), Nachschlagewerk des Bun-

38

Abkürzungsverzeichnis

n.F.

neue Fassung

NachbG

Nachbarrechtsgesetz

Nachw.

Nachweis

nds.

niedersächsisch

NdsRpfl.

Niedersächsische Rechtspflege

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungs-Report, Zivilrecht

Nr.

Nummer

NRW

Nordrhein-Westfalen

nrw.

nordrhein-westfälisch

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NuR

Natur und Recht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

NVwZ-Rechtsprechungs-Report, Verwaltungsrecht

nwDSG

Nordrhein-westfälisches Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten

nwLG

Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft — Landschaftsgesetz

nwPolG

Nordrhein-westfälisches Polizeigesetz

NWVBL

Nordrhein-westfälische Verwaltungsblätter

o.

oben

OBG

Ordnungsbehördengesetz

OGHSt (Z)

Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die britische Zone in Strafsachen (Zivilsachen)

OLG

Oberlandesgericht

OLGE

Rechtsprechung der Oberlandesgerichte

OLGZ

Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen

OVG

Oberverwaltungsgericht

OVGE

Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster sowie für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg

OWiG

Ordnungswidrigkeitengesetz

Pkw

Personenkraftwagen

PolG

Polizeigesetz (der Länder)

PresseG

Pressegesetz (der Länder)

preuß. ALR

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten

Prot.

Protokolle der Reichstagsberatungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis

39

PrOVGE

Entscheidungen des (Königlich) Preußischen Oberverwaltungsgerichts

r. Sp.

rechte Spalte

RdErl.

Runderlaß

RdL

Recht der Landwirtschaft

Rdnr. (n)

Randnummer(n)

RE-StHG, RE

Reform des Staatshaftungsrechts. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, Staatshaftungsgesetz, Referentenentwürfe

RG

Reichsgericht

RGRK

Reichsgerichtsräte-Kommentar

RGSt (Z)

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Zivilsachen)

rhpf.

rheinland-pfälzisch

RiA

Das Recht im Amt

Rspr.

Rechtsprechung

RVO

Reichsversicherungsordnung

s., S.

siehe, Seite, Satz (bei Rechtsnormen)

saarl.

saarländisch

schlh.

schleswig-holsteinisch

SchuldR

Schuldrecht

SeuffArch

Seufferts Archiv

SG

Sozialgericht

SGB-AT

Sozialgesetzbuch — Allgemeiner Teil

SGG

Sozialgerichtsgesetz

Slg.

Sammlung von Entscheidungen, Gesetzen etc.

sog.

sogenannte(r)

SoldG

Soldatengesetz

SozR

Sozialrecht

Sp.

Spalte

st.

ständig

StaatsR

Staatsrecht

Sten.Ber.

Stenographische Berichte

Sten.Prot.

Stenographische Protokolle

StGB

Strafgesetzbuch

StHG 1981

Staatshaftungsgesetz 1981

StHR

Staatshaftungsrecht

StPO

Strafprozeßordnung

40

Abkürzungsverzeichnis

str.

streitig

StrG

Straßengesetz (der Länder)

StrWG

Straßen- und Wegegesetz (der Länder)

StT

Der Städtetag

StVG

Straßenverkehrsgesetz

StVO

Straßenverkehrsordnung

StVZO

Straßenverkehrszulassungsordnung

teilw.

teilweise

u., U.

unten, Urteil

u.a.

unter anderen (m), und andere

u.U.

unter Umständen

UFITA

Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht

umstr.

umstritten

unstr.

unstreitig

unveröffentl.

unveröffentlicht

UPR

Umwelt- und Planungsrecht

V.

vom, von

VA (e)

Verwaltungsakt(e)

VB1BW

Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg

Verf.

Verfassung

VerfGH

Verfassungsgerichtshof

VerfR

Verfassungsrecht

Verh.

Verhandlungen

VersammlungsG

Versammlungsgesetz

VersR

Zeitschrift für Versicherungsrecht

VerwArch

Verwaltungsarchiv

VerwProzR

Verwaltungsprozeßrecht

VerwR

Verwaltungsrecht

VerwRspr.

Verwaltungsrechtsprechung

VerwVerfR

Verwaltungsverfahrensrecht

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

VGHE

Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, des Bayerischen Dienststrafhofs und des Bayerischen Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte

Vgl., vgl.

vergleiche

Abkürzungsverzeichnis

41

VO

Verordnung

Vorb., Vorbem.

Vorbemerkung

VR

Verwaltungsrundschau

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz (des Bundes bzw. der Länder)

VwZG

Verwaltungszustellungsgesetz

VwZVG

Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz

w.

weitere

WassG

Wassergesetz (der Länder)

WassHG

Wasserhaushaltsgesetz

WDR-Gesetz

Gesetz über den „Westdeutschen Rundfunk Köln"

WM

Wertpapier-Mitteilungen

WRV

Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8.1919

z.B.

zum Beispiel

z.T.

zum Teil

z.Z.

zur Zeit

ZAP

Zeitschrift für anwaltliche Praxis

ZBR

Zeitschrift für Beamtenrecht

ZDF-Staatsvertrag

Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen"

ZMR

Zeitschrift für Miet- und Baurecht

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZUM

Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Film und Recht)

zust.

zustimmend

zutr.

zutreffend

Einleitung Α. Begriffsbestimmung Der Folgenbeseitigungsanspruch stellt ein heutzutage allgemein anerkanntes, ungeschriebenes Rechtsinstitut dar. I m Sinne einer ersten globalen Begriffsbestimmung läßt er sich definieren als eine Anspruchsnorm, die im Falle eines hoheitlichen, rechtswidrigen Eingriffs in die subjektiv-öffentliche Rechtsstellung des Bürgers eingreift. Sie begründet zugunsten des Betroffenen die Rechtsmacht, von dem störenden Hoheitsträger die tatsächliche Wiederherstellung des vor dem staatlichen Unrechtsverhalten bestehenden Zustands verlangen zu können. 1 M i t diesem Anspruchsinhalt bildet der Folgenbeseitigungsanspruch ein Haftungsinstitut des Staatshaftungsrechts, 2 verstanden als diejenige Rechtsmaterie, welche die Schadensausgleichspflicht des Staates bei Rechtsverletzungen des Bürgers normiert, die durch ein hoheitliches Verhalten entstanden sind. 3

B. Historische Grundlagen Der rechtliche Grundgedanke, daß der Hoheitsträger, der in widerrechtlicher Weise in die Rechtssphäre des Bürgers eingreift, zur realen Beseiti-

1

Vgl. exemplarisch die Begriffsbestimmung bei, Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 219; Ossenbühl, StHR, S. 201; Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 1, S. 599. 2 Die Zurechnung des Folgenbeseitigungsanspruchs zum Staatshaftungsrecht befürwortend: Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 96; ders., VB1BW 1985, 201 (203); Papier, in: M/D/ H/S, GG, Art. 34 I Rdnr. 58; ders., in: Müko, BGB, § 839 Rdnrn. 3, 79; Weyreuther, Gutachten, S. Β 146; s. auch Rüfiier, in: Erichs en/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 603; ebenso die Amtl. Begr. zu dem in § 3 E-StHG 1981 geregelten Folgenbeseitigungsanspruch, BT-Drucks. 8/2079, S. 43. 3 Vgl. hierzu Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 2; enger hingegen Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 2, der die Staatshaftung als Rechtswidrigkeitshaftung definiert. Dieser Begriffsinhalt des Staatshaftungsrechts lag auch dem StHG 1981 zugrunde, vgl. die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 34-38. S. zu der unterschiedlichen Begriffsbestimmung des Staatshaftungsrechts: Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnrn. 1 - 3 . Nach Ansicht von Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 495, gehört der Folgenbeseitigungsanspruch nicht zum Staatshaftungsrecht i.e.S., da dieses auf vermögensrechtliche, d.h. auf Geldersatz gerichtete Klagen gegen den Hoheitsträger begrenzt ist. Auch nach dieser restriktiven Auffassung wird jedoch der sachlich enge Bezug des Folgenbeseitigungsanspruchs zum Staatshaftungsrecht herausgestellt. Die Einordnung des Folgenbeseitigungsanspruchs zum Staatshaftungsrecht offenlassend: Schock, VerwArch 79 (1988), 1 (61 f.).

44

Einleitung

gung des geschehenen Unrechts verpflichtet ist, hat bereits in zwei Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts seinen ersten Niederschlag gefunden. So hat das Gericht mit Urteilen vom 9.11.19334 sowie vom 15.2.19345 die Verpflichtung der Polizei festgestellt, nach Fortfall des eine polizeiliche Notstands Verfügung nach § 21 PolVerwG rechtfertigenden Grundes nicht nur diese Verfügung außer Kraft zu setzen. Vielmehr hat das Gericht eine weitere Handlungspflicht angenommen, falls allein durch die Aufhebung der polizeilichen Anordnung die Freistellung des Nichtpolizeipflichtigen von allen ihm aus der Verfügung erwachsenden Lasten nicht erreicht wird. Die erste grundlegende Auseinandersetzung mit dem Folgenbeseitigungsanspruch als eigenständigem Anspruchsinstitut hat dann Bachof 6 in seiner Habilitationsschrift aus dem Jahre 1951 unternommen. Dabei hat er seine Untersuchung auf die Fallkonstellation der Folgenbeseitigung bei verwaltungsgerichtlicher Aufhebung eines bereits vollzogenen oder erfüllten rechtswidrigen Verwaltungsakts beschränkt, d.h. auf den nachfolgend als „Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch"7 bezeichneten Anwendungsbereich konzentriert. Den Ausgangspunkt seiner Erörterung bildeten die typischen Konfliktfälle der Nachkriegszeit, in denen die Wohnung eines Bürgers zum Zwecke der Obdachloseneinweisung von der Behörde beschlagnahmt und diese Verfügung für sofort vollziehbar erklärt worden war.8 Die sich bei später erfolgender verwaltungsgerichtlicher Aufhebung des Verwaltungsakts stellende Frage, auf welcher Grundlage der Betroffene die tatsächliche Ausweisung des Obdachlosen aus seinen Wohnräumen begehren kann, beantwortete Bachof durch Zubilligung des Folgenbeseitigungsanspruchs.9 Diesen entwickelte er als Entschädigungsanspruch10 für schuldlos rechtswidriges Handeln der 4 5

PrOVGE 92, 108 (111). PrOVGE 92, 113 (114 f.).

6 Otto Bachof \ Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung. Zugleich eine Untersuchung über den öffentlichrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch nach Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes, 1. Aufl., Tübingen 1951; 2. unveränderte Aufl., Tübingen 1968, S. 98 ff. 7

Vgl. hierzu Ossenbühl, StHR, S. 193; Weyreuther,

Gutachten, S. Β 48 mit Fußn. 166.

8

Vgl. die von Bachof in Bezug genommenen Entscheidungen: OVG Hamburg, MDR 1949, 506 f., mit Anm. Ipsen, S. 507 f.; VG München, DVB1. 1950, 795 f., mit Anm. Fritsch, S. 796 f.; VG Stuttgart, DVB1. 1950, 792 ff., mit Anm. Stückrath, S. 794 f. S. weiterhin LVG Braunschweig, NJW 1952, 240; LVG Hannover, DÖV 1956, 157; LVG Schleswig, MDR 1955, 569 f., mit Anm. Bachof\ S. 570 f.; VGH München, BayVBl. 1965, 246; OVG Münster, MDR 1957, 188 f.; OVG Koblenz, OVGE 9, 88 ff.; OVG Lüneburg, OVGE 8, 484 ff., mit Anm. Loppuch, NJW 1955, 117 f.; OVGE 4, 235 ff.; VG Darmstadt, NJW 1953, 1608; VG Neustadt, NJW 1965, 833 ff. 9 10

Bachof ; Vornahmeklage, S. 98 ff. Bachof y Vornahmeklage, S. 114 ff., die Charakterisierung des Folgenbeseitigungs-

Β. Historische Grundlagen

45

Staatsgewalt, basierend auf Art. 20 Abs. 3 GG sowie den in den Landesverfassungen enthaltenen Bestimmungen über die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Ergänzend nahm Bachof auf die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die Vollstreckung nicht rechtskräftiger Entscheidungen gem. §§717 Abs. 2, 945, 302 Abs. 4, 600 Abs. 2 ZPO Bezug.11 In seiner ursprünglichen Konzeption war der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Behebung der unmittelbaren Folgen eines vor Rechtskraft vollzogenen bzw. erfüllten rechtswidrigen Verwaltungsakts beschränkt, wobei die Restitutionspflicht regelmäßig in natura zu erbringen war. 12 Das Lösungsmodell Bachofs hat Bettermann13 im Jahre 1955 einer kritischen Würdigung unterzogen. Vor dem Hintergrund der Überlegung, daß Art. 20 Abs. 3 GG wegen seines Charakters als lex imperfecta als dogmatische Wurzel des Folgenbeseitigungsanspruchs ungeeignet sei,14 entwickelte er in Analogie zu den §§ 1004, 861, 862, 12 BGB den Folgenbeseitigungsanspruch als „quasinegatorischen Wiederherstellungsanspruch", der sowohl bei staatlichen Eingriffen in Gestalt des Verwaltungsakts als auch in Form von tatsächlichem Verwaltungshandeln eingreift. Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs war seiner Ansicht nach die Behebung der fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung des Betroffenen. 15 Auch H.H. Rupp16 befaßte sich in seiner Habilitationsschrift aus dem Jahre 1965 mit dem Rechtsinstitut der Folgenbeseitigung. Unter hauptsächlichem Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG i.V.m. der prozeßrechtlichen Vorschrift des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO begründete er die Existenz eines materiellrechtlichen Beseitigungsanspruchs.17 Dieser sei als öffentlich-rechtlicher Reaktionsanspruch aus Statusverletzungen auf die Ausräumung der statusverletzenden Beeinträchtigung gerichtet18 und stehe in rechtssystematischer Verwandtschaft zum zivilrechtlichen Anspruch des § 1004 BGB. 19 Den primären Angriffsgegenstand dieses Beseitigungsanspruchs bilde dabei die Aufhebung anspruchs als „Entschädigungsanspruch" hat Bachof allerdings in der 2. Aufl. aufgegeben, so Vorwort zur 2. Aufl., S. XIV f. 11

Bachof, Vornahmeklage, S. 128.

12

Bachof; Vornahmeklage, S. 129-133.

13

Karl August Bettermann, Zur Lehre vom Folgenbeseitigungsanspruch, DÖV 1955, 528 ff. 14

Bettermann, DÖV 1955, 528 (531).

15

Bettermann, DÖV 1955, 528 (534-536).

16

Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, Tübingen 1965, S. 259 ff. 17

H.H. Rupp, Grundfragen, S. 249 ff. i.V.m. S. 170 ff.

18

H.H. Rupp, Grundfragen, S. 258.

19

H.H. Rupp, Grundfragen, S. 254.

46

Einleitung

des rechtswidrigen Verwaltungsakts, 20 während der

Folgenbeseitigungsan-

spruch, der in dogmatischer Verwandtschaft zu dem Beseitigungsanspruch stehe, auf die Ausräumung der sekundären Folgen abziele. 21 Eine weitere Fortentwicklung der dogmatischen Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs erfolgte durch Weyreuther 22 in dessen Gutachten zum 47. Deutschen Juristentag im Jahre 1968. Weyreuther sah das rechtliche Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs

in den Freiheitsgrundrechten

des

Grundgesetzes. Diese eröffneten einen Anspruch auf Unterlassung staatlicher Eingriffsakte. Für den Fall, daß die öffentliche Hand gleichwohl die grundrechtlich geschützte Rechtsstellung verletzt habe, wandele sich der Unterlassungsanspruch in einen Beseitigungsanspruch um. 2 3 Der so entstehende Folgenbeseitigungsanspruch erstrecke sich auf staatliches Unrecht sowohl in Form von Verwaltungsakten als auch in Gestalt von Realakten 24 und sei auf die Wiederherstellung des ehemaligen Zustands gerichtet. 25 Das seitens der Literatur maßgeblich entwickelte Rechtsinstitut 26 ist durch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aufgenommen und sodann weiterentwickelt worden. 27 M i t dem grundlegenden Urteil vom 25.8.1971 2 8 hat

20

H.H. Rupp, Grundfragen, S. 254 ff.

21

H.H. Rupp, Grundfragen, S. 259.

22

Felix Weyreuther, Empfiehlt es sich, die Folgen rechtswidrigen hoheitlichen Verwaltungshandelns gesetzlich zu regeln (Folgenbeseitigung, Folgenentschädigung). Gutachten für den 47. Deutschen Juristentag, Band I (Gutachten), Teil B, München 1968. 23

Weyreuther,

Gutachten, S. Β 78 ff., insbes. S. Β 83-90.

24

Weyreuther,

Gutachten, S. Β 65 f., 102 f.

25

Weyreuther,

Gutachten, S. Β 91, 101.

26

Zu erwähnen sind schließlich die Lösungskonzepte von Christian-Friedrich Menger und Dieter Haas, die bereits im Jahre 1955 einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Wiedergutmachungsanspruch postulierten. Nach Ansicht von Menger, Über die Identität des Rechtsgrundes der Staatshaftungsklagen und einiger Verwaltungsstreitsachen, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, München 1955, S. 347 (350), liegt dem Staatshaftungsrecht eine ungeschriebene materielle öffentlich-rechtliche Grundnorm zugrunde, aufgrund derer bei rechtswidrigen, hoheitlichen Eingriffen in die Rechtsstellung des Bürgers, dieser einen Anspruch auf Herstellung des Zustands hat, der bestehen würde, wenn die Beeinträchtigung nicht eingetreten wäre. Diese öffentlich-rechtliche Wiedergutmachungsnorm geht somit nach dem Verständnis von Menger über den Folgenbeseitigungsanspruch in seiner Bedeutung als Anspruch auf Beseitigung der Folgen, die durch den Vollzug eines rechtswidrigen, später verwaltungsgerichtlich aufgehobenen Verwaltungsakts entstanden sind, in erheblichem Umfang hinaus. In ähnlicher Weise hat Haas, System der öffentlichrechtlichen Entschädigungspflichten, Karlsruhe 1955, S. 59 ff., den Folgenbeseitigungsanspruch als Wiedergutmachungsanspruch für alle Arten von Schäden und alle Fälle der Rechtswidrigkeit auf der Basis der Art. 19 Abs. 4, 34 GG, unter ergänzender Heranziehung der Art. 20, 28 GG, qualifiziert. 27

Vgl. exemplarisch die früher datierten Entscheidungen: BVerwG, DVB1. 1960, 255 f.; DVB1. 1960, 854 ff.; VGH Kassel, DÖV 1963, 389 f.; OVG Koblenz, OVGE 9, 88 ff.;

Β. Historische Grundlagen

47

das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Anerkennung des Folgenbeseitigungsanspruchs festgestellt und dessen Anwendungsbereich, über die ursprünglich von Bachof behandelte Konzeption hinausgehend, auf Eingriffe in Gestalt tatsächlichen Verwaltungshandelns ausgedehnt. Heutzutage ist die gewohnheitsrechtliche Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs in der Rechtsprechung allgemeine Überzeugung.29 Schließlich ist im Rahmen der Entwicklungsgeschichte des Folgenbeseitigungsanspruchs, auf die erste bundesgesetzliche Regelung dieses Rechtsinstituts in § 3 des Staatshaftungsgesetzes vom 26.6.198130 hinzuweisen. Sofern die öffentliche Gewalt eine Pflicht des öffentlichen Rechts, die ihr dem Betroffenen gegenüber obliegt, verletzt hat - so der Grundhaftungstatbestand des § 1 Abs. 1 StHG - und hierdurch ein tatsächlicher Zustand verändert worden ist, konnte der Bürger nach Maßgabe des § 3 StHG den Anspruch auf Herstellung der früheren Lage, oder falls dies unzweckmäßig ist, einer gleichwertigen Situation, geltend machen. Der betroffene Rechtsinhaber hatte aufgrund der Regelung im Staatshaftungsgesetz (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 StHG) grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen dem Anspruch auf Geldersatz und dem auf tatsächliche Folgenbeseitigung. Zudem konnte der Bürger dann, wenn die Folgenbeseitigung zum Schadensausgleich nicht genügt bzw. entfällt, neben oder anstelle der tatsächlichen Restitution Geldersatz nach Maßgabe des § 2 StHG begehren (s. § 4 Abs. 2 StHG). Indessen ist diese gesetzliche Regelung mit der Aufhebung des Staatshaftungsgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 19.10. 198231 wegen Verstoßes gegen die Kompetenzvorschrift des Art. 70 GG gegenstandslos geworden.

OVG Lüneburg, OVGE 8, 484 ff.; 4, 235 ff., sowie beispielsweise aus neuerer Zeit: BVerwG, NJW 1989, 2272 ff.; NJW 1989, 2484 ff.; VGH Kassel, NJW 1989, 1500 f.; OVG Koblenz, NVwZ-RR 1988, 42 f.; VGH Mannheim, VB1BW 1990, 102; VGH München, BayVBl. 1990, 627 ff.; BayVBl. 1984, 559 ff.; OVG Münster, NJW 1988, 2636 f. S. weiterhin die ausführlichen Nachweise auf die Rechtsprechung bei Schock, VerwArch 79 (1988), 1 (4 in Fußn. 6). 28

BVerwG, DVB1 1971, 858 (859 f.).

29

Die gewohnheitsrechtliche Anerkennung des Folgenbeseitigungsanspruchs beispielsweise feststellend: VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353); VGH München, BayVBl. 1984, 272 (274); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); VG Frankfurt, NJW 1987, 2248. S. ferner im Schrifttum: Bender, VB1BW 1985, 201 (202 in Fußn. 15); Wallerath, AllgVerwR, S. 331. 30

BGBl. I, S. 553.

31

BVerfGE 61, 149 ff.

48

Einleitung

C. Zielsetzung der Arbeit Nahezu vierzig Jahre nach der Veröffentlichung der Habilitationsschrift von Otto Bachof zum Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch steht die gewohnheitsrechtliche Geltung des Rechtsinstituts außer Zweifel. Der Folgenbeseitigungsanspruch hat sich dabei im Laufe der Jahrzehnte zu einer Anspruchsnorm mit vielfältigster Bedeutung in der Gerichtspraxis entwickelt. Besonders hervorzuheben ist dabei seine Anwendung im Falle des sofort vollzogenen rechtswidrigen Verwaltungsakts nach dessen Aufhebung durch die Behörde oder das Verwaltungsgericht, 32 die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs im Rahmen der baurechtlichen Nachbarklage33 sowie sein Eingreifen in bezug auf tatsächliche hoheitliche Beeinträchtigungen, sei es auf dem Gebiet der ehrkränkenden amtlichen Tatsachenbehauptungen34 oder im Rahmen des Immissionsrechts.35 Allerdings darf die generelle Anerkennung des Folgenbeseitigungsanspruchs als staatshaftungsrechtliches Rechtsinstitut nicht darüber hinwegtäuschen, daß hinsichtlich seiner inhaltlichen Ausgestaltung in Rechtsprechung und Literatur keine Einigkeit besteht.36 Von den kontroversen Ansichten sind sowohl die Rechtsgrundlage als auch die einzelnen Tatbestandsmerkmale sowie die Rechtsfolgen betroffen. Die Rechtsunsicherheit in bezug auf den Tatbestand und die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs läßt sich nicht nur an den nahezu unüberschaubaren wissenschaftlichen Abhandlungen zu diesem Problemkreis feststellen. 37 Sie ist auch durch die grundlegenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7.198438 sowie vom 14.4.1989,39 die im Schrifttum gleichermaßen Zustimmung wie Ablehnung erfahren haben,40 erneut aufgezeigt worden. 32

Vgl. VGH Kassel, DÖV 1963, 389 f.

33

S. beispielsweise OVG Lüneburg, DVB1. 1975, 915 (917 f.); OVG Lüneburg, OVGE 18, 341 (348 ff.); OVG Saarlouis, NVwZ 1983, 685. 34

Vgl. exemplarisch BVerwG, NJW 1989, 2272 (2277 f.); BVerwG, AfP 1989, 487 ff.; BVerwGE 75, 354 (356); OVG Koblenz, NJW 1987, 1660 f.; VGH Mannheim, NVwZ 1989, 279 ff.; VGH München, NVwZ 1986, 327 f. 35

S. z.B. BVerwG, DVB1. 1974, 239 f.; VGH Kassel, NJW 1989, 1500 f.; OVG Koblenz, NJW 1986, 953 f.; OVG Münster, BauR 1987, 46 (49 f.); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 ff.); VG Münster, NJW 1989, 1820 (1821). 36

Ebenso Maaß, BayVBl. 1987, 520; Rüfiier, V 1, S. 600; Schock, VerwArch 79 (1988), 1 (6).

in: Erichsen/Martens,

AllgVerwR, § 53

37 Vgl. die umfangreichen Nachweise bei, Schock, VerwArch 79 (1988), 1 (S. 3 f. in Fußn. 4, S. 4 f. in Fußn. 8 und 9, S. 5 f. in Fußn. 10-13, S. 6 in Fußn. 14 und 15). 38

BVerwGE 69, 366 ff.

39

BVerwG, NJW 1989, 2484 ff.

40

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7.1984 befürwortend: Schullan,

C. Zielsetzung der Arbeit

49

Die Ursachen für dieses Meinungsspektrum sind vielfältig. Zunächst bietet der Folgenbeseitigungsanspruch mangels gesetzlicher Konturen als Institut richterrechtlicher Rechtsfortbildung einen weiteren Interpretationsspielraum, als dies bei einer gesetzlichen Kodifizierung des Folgenbeseitigungsanspruchs der Fall wäre. Hierdurch besteht die Gefahr, daß die Grenzen zwischen den derzeit bestehenden und den ggf. rechtspolitisch wünschenswerten Strukturen der Anspruchsgrundlage verwischt werden. Darüber hinaus erfolgen nicht selten Einzelfallbetrachtungen, die einer systematischen bzw. fallgruppenorientierten Analyse und Abgrenzung seiner Tatbestandsmerkmale entgegenstehen. Schließlich wird die Bestimmung der Rechtsgrundlage häufig als isolierte, rein dogmatische Fragestellung ohne konkreten Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs betrachtet.41 Aus diesem Grunde finden sich nur vereinzelt Versuche, die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs mit dessen tatbestandlicher Ausformung sowie der Bestimmung der Rechtsfolgen zu harmonisieren und aus dem dogmatischen Fundament Auslegungskriterien zur Bestimmung der inhaltlichen Reichweite des Rechtsinstituts zu gewinnen.42 Aus den vorgenannten Ausführungen ergibt sich zugleich die maßgebliche Zielsetzung dieser Arbeit. Ausgehend von der Wechselwirkung zwischen der Rechtsgrundlage und der inhaltlichen Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs soll der Versuch unternommen werden, auf der Grundlage des geltenden Rechts zu einer möglichst exakten Festlegung von Tatbestand und Rechtsfolgen der Anspruchsnorm zu gelangen. Dabei wird durch eine systematische und erforderlichenfalls fallgruppenorientierte Analyse der Strukturelemente des Folgenbeseitigungsanspruchs eine widerspruchsfreie Harmonisierung von Rechtsgrundlage, Tatbestand und Rechtsfolgen angestrebt. Demzufolge wird in Kapitel 1 zunächst die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs ermittelt, um auf dieser Grundlage in Kapitel 2 den Tatbestand und in Kapitel 3 die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs zu erörtern. Den Abschluß der Arbeit bildet in Kapitel 4 die zusammenfassende Darstellung derjenigen Einwände, die zum Ausschluß des Folgenbeseitigungsanspruchs führen können.

BayVBl. 1990, 360 (366). Hingegen diesbezüglich einen kritischen Standpunkt einnehmend: Bender, VB1BW 1985, 201 (202-204); Fiedler, NVwZ 1986, 969 (975); Maaß, BayVBl. 1987, 520 (525); M. Redeker y DÖV 1987, 194 (197 ff.). Weiterhin der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.4.1989 im Ergebnis zustimmend: Busse, ZAP 1989, 541 f. Demgegenüber ablehnend: Schenke, JuS 1990, 370 ff. 41

In diesem Sinne beispielsweise, Bachof\ DÖV 1971, 859 (860); Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 (535). 42 So z.B. Maaß, BayVBl. 1987, 520 ff.; M. Redeker, VerwArch 79 (1988), 1 (32 ff.).

4 Pietzko

DÖV 1987, 194 ff.; SchocK

50

Einleitung

Mit Rücksicht auf die ausschließlich materiell-rechtliche Themenstellung der Arbeit werden prozessuale Aspekte der Geltendmachung des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht behandelt. Ebenfalls ausgegrenzt wird die Erörterung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dieses vom Bundessozialgericht zum Schutz des sozial Schwachen und zur Vermeidung der aufgrund der Amtshaftung sich ergebenden Haftungslücken entwickelte Rechtsinstitut43 ist auf die Herstellung des Zustands gerichtet, der ohne das schädigende staatliche Verhalten bestehen würde. 44 Dem zum Teil vom Bundessozialgericht unternommenen Versuch, diesen Anspruch aus dem Folgenbeseitigungsanspruch abzuleiten,45 stehen Lösungskonzepte gegenüber, die eine eindeutige Trennung der beiden Rechtsinstitute favorisieren. 46 Bereits die Divergenz der Ansichten hinsichtlich der Bestimmung des Rechtsgrundes des Herstellungsanspruchs verdeutlicht die eigenständige Problematik, die diese Anspruchsnorm aufwirft. Auch der Umstand, daß die Anspruchsgrundlage maßgeblich an die Verletzung einer behördlichen Leistungspflicht anknüpft, 47 wohingegen der Folgenbeseitigungsanspruch seiner historischen Herkunft nach im staatlichen Eingriffsrecht verwurzelt ist, dokumentiert den selbständigen Rechtscharakter dieses Anspruchsinstituts, weshalb die Erörterung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vorliegend unterbleiben soll.48

43

Vgl. zu den Gründen für die Schaffung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs: BSGE 57, 288 (290) = JA 1986, 388 ff., mit Bspr. Hertwig-, Bieback, DVB1. 1983, 159 (161 ff.); Ebsen, DVB1. 1987, 389 (390); Rüfiier, in: Wannagat, SGB-AT, § 14 Rdnrn. 11 f.; Wallerath, DÖV 1987, 505 (507). S. außerdem die Nachweise bei Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (25 in Fußn. 142). 44

Vgl. hierzu BSGE 51, 89 (92, 94); 50, 88 (91); 49, 76 (79); Wallerath, 505 (506). 45

DÖV 1987,

BSGE 51, 89 (94); 49, 76 (79 f.).

46

BSGE 46, 175 (177 f.); 41, 260 (261 f.); in diese Richtung tendierend auch: BSGE 41, 126 (127). Ebenfalls kritisch gegenüber der Herleitung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus dem Folgenbeseitigungsanspruch: Bieback, DVB1. 1983, 159 (166 f.); Rüfiier, in: Wannagat, SGB-AT, § 14 Rdnr. 12. 47

Vgl. hierzu die Darstellung bei, Bieback, DVB1. 1983, 159 (160); Ebsen, DVB1. 1987, 389; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 15; Ossenbühl, StHR, S. 206; Rüfiier, in: Erichsen/ Martens, AllgVerwR, § 53 V 4, S. 606-608; ders., in: Wannagat, SGB-AT, § 14 Rdnrn. 11 f.; SchocK VerwArch 79 (1988), 1 (25); Wallerath, DÖV 1987, 505 f. 48 S. zum sozialrechtlichen Herstellungsansrpuch die Ausführungen bei: Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 4, S. 606-608; ders., in: Wannagat, SGB-AT, § 14 Rdnrn. 11 ff. S. außerdem Bieback, DVB1. 1983, 159 ff.; Ebsen, DVB1. 1987, 389 ff. Vgl. weiterhin die den Folgenbeseitigungsanspruch und den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gemeinsam behandelnden Abhandlungen von Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 ff., sowie Wallerath, DÖV 1987, 505 ff.

Kapitel 1

Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs A. Einleitung Der Folgenbeseitigungsanspruch des Bürgers gegenüber staatlichen Eingriffsakten entbehrt einer aktuellen bundesgesetzlichen Regelung.1 Eine ausdrückliche Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs sah § 3 des Staatshaftungsgesetzes von 19812 vor, das jedoch mit Urteil vom 19.10.19823 we1 Einen spezialgesetzlichen, bundesrechtlich geregelten Anwendungsfall des Folgenbeseitigungsanspruchs beinhaltet z.B. § 35 BDSG (Gesetz zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung - BDSG - v. 27.1.1977, BGBl. I S. 201), bezüglich der Berichtigung und Löschung personenbezogener Daten. Als landesrechtliche Normierungen des materiell-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs sind insbesondere zu erwähnen: Art. 39 S. 1, 2 bayVwZVG (bayVerwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz v. 30.5.1961, GVB1., S. 148, i.d.F.d.B. v. 11.11.1970, GVB1. 1971 S. 1), der einen Anspruch auf Beseitigung der Vollstreckungsfolgen für den Fall begründet, daß der Verwaltungsakt nach der vorzeitigen Vollstreckung rechtskräftig aufgehoben oder abgeändert wird bzw. wenn der Verwaltungszwang nach Art. 35 bayVwZVG (Ersatzvornahme/unmittelbarer Zwang) durchgeführt worden ist und nachträglich rechtskräftig festgestellt wird, daß dem Pflichtigen hierdurch rechtswidrig ein Nachteil zugefügt worden ist. S. hierzu Baumeister, FBA, S. 12 ff.; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 232 mit Fußn. 313; v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (826 mit Fußn. 17); Rösslein, FBA, S. 19; Schock, VerwArch. 79 (1988), 1 (32 f.); Spanner, DVB1. 1968, 618 (624 f.). — Weiterhin sind die polizeirechtlichen Vorschriften zu nennen, wonach die Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen vom Betroffenen verlangt werden kann, sofern die Voraussetzungen für ihre Vornahme entfallen sind, vgl. beispielsweise § 14 Abs. 3 nwPolG (nwPolizeigesetz v. 25.3.1980, GVB1. S. 234, i.d.F.d.B. v. 24.2.1990, GVB1. S. 70), sowie die Bestimmungen über die Berichtigung, Löschung und Vernichtung von Daten, z.B. in § 32 nwPolG. S. hierzu Drews / Wache/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 190. — Erwähnt seien ferner die landesrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Berichtigung und Löschung personenbezogener Daten, so beispielsweise § 19 nwDSG (Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten nwDSG - i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Datenschutzes v. 15.3.1988, GVB1. S. 160). Vgl. dazu OVG Münster, NJW 1989, 2966 f. — Hingewiesen sei schließlich auf die ehemaligen §§ 627, 1300 RVO (aufgehoben durch Art. II § 4 Nr. 1 SGB - VerwVerf. - v. 18.8.1980, BGBl. I S. 1469, mit Wirkung v. 1.1.1981), nach denen eine Leistung neu festzustellen war, wenn sich der Träger der Unfallversicherung bzw. Rentenversicherung bei erneuter Prüfung überzeugte, daß eine Leistung zu Unrecht ganz oder teilweise abgelehnt, entzogen, eingestellt oder zu niedrig festgestellt worden war. Vgl. dazu Haueisen, DVB1. 1973, 739 (742 in Fußn. 18); Schock, VerwArch 79 (1988), 1 (33). 2 StHG v. 26.6.1981, BGBl. I S. 553. S. hierzu die Kommentierungen von Schäfer/Bonk, StHG; Schmidt-Bleibtreu, StHG; weiterhin Bender, StHR, 3. Aufl., insbes.

52

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

gen Unvereinbarkeit mit der Kompetenzvorschrift des Art. 70 GG vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt worden ist. Allerdings erweckt § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO 4 zunächst den Anschein einer gesetzlichen Normierung des Folgenbeseitigungsanspruchs. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht im Falle des rechtswidrigen, bereits vollzogenen Verwaltungsakts auf Antrag des Klägers die Verpflichtung der Verwaltungsbehörden zur Beseitigung der Vollzugsfolgen des Verwaltungsakts anordnen. Diese Rechtsnorm, die früher vereinzelt als materieller Rechtsgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs bezeichnet wurde,5 ist indes angesichts ihres ausschließlich prozeßrechtlichen Charakters nicht geeignet, die materiell-rechtliche Legitimation des Folgenbeseitigungsanspruchs zu verkörpern. Vielmehr setzt diese Bestimmung, indem sie lediglich die vereinfachte prozessuale Geltendmachung des Folgenbeseitigungsanspruchs ermöglicht, seine Existenz voraus.6 Dieses gesetzliche Regelungsdefizit hat zur Folge, daß die Rechtsgrundlage dieses Haftungsinstituts in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist. Obwohl der Folgenbeseitigungsanspruch seit Otto Bachof, 7 von dem aus die

Rdnrn. 153 ff.; Boos/Haarmann, Staatshaftung, Rdnrn. 16 ff.; Jacobs, StHR, Rdnrn. 52 ff., sowie die Darstellung bei Bonk , DVB1. 1981, 801 ff.; Hirsch, BayVBl. 1981, 737 ff.; Rüfner, Jura 1982, 1 ff.; ders., AöR 106 (1981), 548 ff.; Schäfer, DÖV 1982, 10 ff.; Thode, DVB1. 1982, 713 ff.; s. auch H.H. Rupp, in: Festschrift für Mühl, S. 553 ff. 3

BVerfGE 61, 149 ff.

4

Vgl. die Parallelvorschriften § 131 Abs. 1 S. 1 SGG, § 100 Abs. 1 S. 2 FGO sowie § 28 Abs. 1 S. 2 EGGVG. 5

Götz, ZBR 1961, 135 (138). Vgl. auch H.H. Rupp, Grundfragen, S. 174 ff., 249 ff., 253 f., 259; ders., JA 1979, 506 (509); ders., DVB1. 1972, 232 f., hinsichtlich § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Nicht eindeutig BVerwG, DÖV 1964, 712 (713 1. Sp. Mitte): Die Klägerin macht „einen Folgenbeseitigungsanspruch, nun nach §113 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwGO, geltend." Unklar auch BVerwG, DÖV 1968, 419 (421 r. Sp. Mitte) = BVerwGE 28, 155 (164 unten): Der „Folgenbeseitigungsanspruch ist eng mit der Anfechtungsklage verbunden und seit 1960 in § 113 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO geregelt"; ausdrücklich weitergehend BVerwGE 69, 366 (369), wonach „der Folgenbeseitigungsanspruch seine Grundlage im Bundesverfassungsrecht hat und demgemäß bei allen Amtshandlungen eingreift". 6 BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860); OVG Koblenz, OVGE 9, 88 (92); OVG Münster, OVGE 27, 125 (126 f.); OVGE 20, 38 (40); VG Hannover, DVB1. 1962, 454 (455 ); Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 2; Hoffmann-Becking, JuS 1972, 509 (510); Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 38; v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (826); W. Martens, Rechtsschutz, S. 8; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 4; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 496; Obermayer, JuS 1963, 110 (113); Papier, DÖV 1972, 845 (847); K. Redeker, DVB1. 1963, 509 (510); Rösslein, FBA, S. 18; Schleeh, AöR 92 (1967), 58 (60 mit Fußn. 4, 5); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (33); Spanner, DVB1. 1968, 618 (622); Theune, BayVBl. 1963, 103 (104); v. Turegg/Kraus, VerwR, S. 210; Wallerath, AllgVerwR, S. 364; Weyreuther, Gutachten, S. Β 43 f. 7

Bachof; Vornahmeklage, S. 98 ff.

Α. Einleitung

53

Problematik der Folgenbeseitigung staatlichen Unrechts ihren maßgeblichen Ausgangspunkt genommen hat, immer wieder neu diskutiert worden und Gegenstand von Habilitationsschriften, 8 Dissertationen,9 Monographien10 sowie weiterer zahlreicher wissenschaftlicher Abhandlungen11 gewesen ist, konnte 8 Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht. Zur Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit, Köln u.a. 1961, S. 168 ff.; H.H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre. Verwaltungsnorm und Verwaltungsrechtsverhältnis, Tübingen 1965, insbes. S. 153 ff., 221 ff., 249 ff. 9 Au, Der Anspruch auf Beseitigung der Folgen von Verwaltungsakten, Diss. Frankfurt a.M. 1969; Baumeister, Der Folgenbeseitigungsanspruch unter besonderer Berücksichtigung des Versagungsakts und der Untätigkeit der Verwaltung, Diss. Würzburg 1971; Böß, Vergleich des Folgenbeseitigungsanspruchs mit dem Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff, Diss. Würzburg 1973; H. Horn, Der Folgenbeseitigungsanspruch im System der öffentlich-rechtlichen Ersatzansprüche, Diss. Köln 1967; Krause, Folgenbeseitigung und Entschädigung wegen sofortiger Vollziehung angefochtener Verwaltungsakte, Diss. Göttingen 1955; Rösslein, Der Folgenbeseitigungsanspruch, Berlin 1968 (= Diss. Tübingen 1967); Schlusnus, Der Anspruch auf Beseitigung der Folgen aus fehlerhaften Verwaltungsakten, Diss. München 1952; Siehoff\ Zur Lehre vom Folgenbeseitigungsanspruch im Verwaltungsrecht, Diss. Würzburg 1958; sowie die unsere Thematik miteinbeziehenden Dissektionen von: F ranke y Der Folgenentschädigungsanspruch - Folgenbeseitigung durch Entschädigung - , Diss. Münster 1965; Hegel, Die Unterbringung Obdachloser in privaten Räumen, Stuttgart 1963 (= Diss. Münster 1961); Heidenhain, Amtshaftung und Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff, Berlin 1965 (= Diss. Tübingen 1964); Hoffmann, Der Abwehranspruch gegen rechtswidrige hoheitliche Realakte, Berlin 1969 (= Diss. Münster 1968); Kohl, Die Lehre von der Unrechtsfähigkeit des Staates. Ein Beitrag zur Dogmatik des öffentlichen Ersatzleistungsrechts, Köln u.a. 1977 (= Diss. Mannheim 1976), S. 109 ff., 116 ff.; W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche im Verwaltungsrecht, Diss. Göttingen 1967; Thomas, Flexible Schadenszurechnung im Staatshaftungsrecht, dargestellt am Beispiel des Mitverschuldens, Diss. Bonn 1977, S. 128 ff. 10 Haas, System der öffentlichrechtlichen Entschädigungspflichten, Karlsruhe 1955, insbes. S. 63 ff.; Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, Berlin 1965, insbes. S. 93 f., 98 ff.; W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, Tübingen 1968, S. 94 ff. 11 Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 216-276; ders., VB1BW 1985, 201 ff.; Bettermann, DÖV 1955, 528 ff.; Broß, VerwArch 76 (1985), 217 ff.; Erichsen, VerwArch 63 (1972), 217 ff.; Erichsen /Hoffmann-Becking, JuS 1971, 144 ff.; Fiedler, NVwZ 1986, 969 ff.; Fiedler/Fink, DÖV 1988, 317 ff.; Franke, VerwArch 57 (1966), 357 ff.; Götz, ZBR 1961, 135 ff.; Haueisen, DVB1. 1973, 739 ff.; Hoffmann-Becking, JuS 1972, 509 ff.; T. Horn, DÖV 1989, 976 ff.; Janssen, DVB1. 1967, 190 ff.; Knemeyer, JuS 1988, 696 ff.; Köckerbauer, JuS 1988, 782 ff.; Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (298 ff.); Maaß, BayVBl. 1987, 520 ff.; v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 ff.; Menger, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 347 ff.; Obermayer, JuS 1963, 110 ff.; Ossenbühl, StHR, S. 192 ff.; Papier, DÖV 1972, 845 ff.; M. Redeker, DÖV 1987, 194 ff.; Ringe, DVB1. 1958, 378 ff.; Rüjher, BB 1968, 881 ff.; ders., DVB1. 1967, 186 ff.; ders., in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V, S. 598 ff.; H.H. Rupp, JA 1979, 506 ff.; ders., DVB1. 1958, 113 (117 ff.); Schenke, DVB1. 1990, 328 ff.; ders., JuS 1990, 370 ff.; ders., in: Festschrift für Mühl, S. 571 (583 ff.); Schleeh, AöR 92 (1967), 58 ff.; W. Schmidt, JuS 1969, 166 ff.; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 ff.; Spanner, DVB1. 1968, 618 ff.; Theune, BayVBl. 1963, 103 ff.; Tietgen, in: Festschrift zum hunderjährigen Bestehen des DJT, S. 325 (345 ff.); Wallerath, DÖV 1987, 505 ff.; Weyreuther, Gutachten zum 47. Deutschen Juristentag, S. Β 13 ff.

54

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

bis zum heutigen Tage keine Einigkeit über seine rechtliche Ableitung erzielt werden. Unbeeindruckt von dieser Auseinandersetzung um die dogmatische Grundlage hat sich der Folgenbeseitigungsanspruch als Rechtsinstitut im Staatshaftungsrecht zweifellos etabliert. So billigen die Rechtsprechung und Rechtslehre diesem Anspruch gewohnheitsrechtliche Geltung zu 1 2 und weisen darauf hin, daß die Anspruchsnorm als allgemeiner verwaltungsrechtlicher Grundsatz anerkannt sei. 13 Groß ist die praktische Bedeutung des Folgenbeseitigungsanspruchs im Gerichtsalltag etwa auf dem Gebiet des Immissionsrechts, 14 im Bereich der ehrkränkenden Äußerung 15 oder auch im Rahmen der baurechtli-

12

VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353); VGH München, BayVBl. 1984, 272 (274); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); VG Frankfurt, NJW 1987, 2248; Bender, VB1BW 1985, 201 (202 in Fußn. 15); Wallerath, AllgVerwR, S. 331. Einschränkend Fiedler, NVwZ 1986, 969 (970); kritisch früher Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 81. Auf den Rechtscharakter des Folgenbeseitigungsanspruchs als ungeschriebenes Richterrecht weisen hin: die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 19; weiterhin Jacobs, StHR, Rdnr. 230; Schäfer/Bonk, StHG, Einf. Rdnr. 23; Schmidt-Bleibtreu, StHG, Einl. S. 28, sowie März, BayVBl. 1974, 509 (511); Hirsch, BayVBl. 1981, 737 (738); Wallerath, wie vor; Zuleeg, DVB1. 1976, 509 (519). 13 So Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 5. Weiterhin stellen die allgemeine Anerkennung des Rechtsinstituts des Folgenbeseitigungsanspruchs beispielsweise fest: BVerfGE 61, 149 (155); BVerwGE 69, 366 (368); 61, 15 (17); 38, 336 (346); BVerwG, DÖV 1968, 419 (421 ); VGH Kassel, DÖV 1963, 389 (390); DÖV 1956, 185 (186 ); OVG Koblenz, NJW 1986, 953; OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207); VGH München, BayVBl. 1990, 627 (628); BayVBl. 1973, 493 (494); OVG Münster, NVwZ 1985, 923; OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 ); OVG Münster, OVGE 27, 125 (127); VG Darmstadt, NJW 1953, 1608; VG Würzburg, NVwZ 1983, 239 (241); Au, Anspruch, S. 13; Bachof, Vornahmeklage, Vorwort, S. XII.; Baumeister, FBA, S. 81; Engelhardt, NVwZ 1985, 621; Fiedler, NVwZ 1986, 969; Franke, VerwArch. 57 (1966), 357; Hoffmann-Becking, JuS 1972, 509 (510); v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825; Rüfiier, AöR 106 (1981), 548 (550); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (30); Wallerath, AllgVerwR, S. 363. Kritisch hingegen Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 1, S. 600 f., hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs. 14

Vgl. exemplarisch die Entscheidungen, BVerwGE 79, 254 (Verlegung einer Feueralarmsirene wegen Lärmbelästigung); VGH Kassel, NJW 1989, 1500, sowie OVG Koblenz, NJW 1986, 953 (Versetzung einer Straßenlampe wegen Beeinträchtigung infolge Lichteinfalls und Verunreinigung durch Insekten); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (Lärmimmissionen durch Baukolonne). S. ausführlich die Nachw. in Kapitel 2, Fußn. 380-391. 15 S. beispielsweise BVerwG, NJW 1989, 2272 (Warnung der Bundesregierung vor ,Jugendreligionen" und ,Jugendsekten" - hier: „Transzendentale Meditation"); BVerwG, NJW 1989, 412 (Klage auf Widerruf einer Presseerklärung der Staatsanwaltschaft); BVerwG, AfP 1989, 487 (Äußerungen eines zum Amtsvormund bestellten Jugendamtes); BVerwGE 75, 354 (Ehrschutz gegen dienstliche Beanstandung); VGH Kassel, DÖV 1988, 468 (Ehrverletzende Äußerungen von Gemeindeorganen); VGH Kassel, DVB1. 1968, 811 (Erklärung von Regierungsmitgliedern); OVG Koblenz, NJW 1987, 1660 (Widerruf ehrkränkender Äußerungen eines Beamten); OVG Münster, NJW 1988, 2636 (Widerrufsklage gegen dienstliche Äußerungen eines Richters). Vgl. weiterhin die Nachweise in Kapitel 2, Fußn. 445-450.

Α. Einleitung

55

chen Nachbarklage16, um nur einige wesentliche Anwendungsbereiche zu nennen. Vor diesem Hintergrund wird vielfach die Auffassung vertreten, daß die exakte Bestimmung des rechtlichen Fundaments des Folgenbeseitigungsanspruchs offenbleiben könne,17 zumal sich die verschiedenen rechtlichen Anknüpfungspunkte zur materiellen Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht ausschließen, sondern vielmehr ergänzen würden.18 Der Streit um die Rechtsgrundlage wird danach als wissenschaftliche Diskussion ohne praktische Relevanz empfunden. Sie wird als Fortsetzung einer Auseinandersetzung verstanden, die mit der allgemeinen Anerkennung des Folgenbeseitigungsanspruchs an sich abgeschlossen ist. Danach könnte die Bestimmung der rechtlichen Grundlage des Beseitigungsanspruchs entbehrlich sein. Diese These von der „Irrelevanz der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs" begegnet jedoch Bedenken. Es darf nicht übersehen werden, daß eine zu Gewohnheitsrecht erstarkte Anerkennung des Folgenbeseitigungsanspruchs lediglich im Hinblick auf die Existenz dieses Abwehranspruchs als solche festzustellen ist. Gerade die Praxis der gerichtlichen Entscheidungen veranschaulicht, daß die Anwendung des Folgenbeseitigungsanspruchs in concreto immer wieder Schwierigkeiten verursacht. Diese beruhen darauf, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen dieses Haftungsinstituts nach wie vor nicht abschließend geklärt sind, so daß gerade in Detailfragen eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht.19 16

Vgl. z.B. OVG Lüneburg, DVB1. 1975, 915 (Klage gegen die Gebäudehöhe und gegen die Zufahrt- und Außenrampenanlage eines Hochhauses); OVG Lüneburg, OVGE 18, 341 (Klage auf Abriß eines Nebengebäudes (Garage und Geräteraum); OVG Münster, NJW 1984, 883 (Anspruch auf bauordnungsbehördliches Einschreiten gegen eine Grenzgarage); OVG Saarlouis, NVwZ 1983, 685 (Klage auf Abriß eines Gebäudeanbaus). S. weiterhin die Darstellung in Kapitel 4, Β II 2., S. 511 ff. 17

BVerwG, DVB1. 1971, 858 (859 r. Sp. Mitte); Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532

(535). 18

Bachof; DÖV 1971, 859 (860); ders., Sitzungsberichte, S. L 55; Haueisen, DVB1. 1973, 739 (7,40); Wolff /Bachof\ VerwR I, § 54 II b, S. 478; vgl. Wallerath, AllgVerwR, S. 364; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 5, mit Bezug auf Bachof, DÖV 1971, 859 (860). Die Argumentation Maurers erscheint allerdings insofern inkonsequent, als er einerseits feststellt, daß „es auf die Begründung nicht entscheidend" ankomme, da der Folgenbeseitigungsanspruch ein anerkanntes Haftungsinstitut darstelle, andererseits indessen einräumt, daß die unterschiedlichen Begründungen zur Bestimmung der Anspruchsvoraussetzungen und der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs wieder bedeutsam werden können, so Maurer, a.a.O.; ähnlich: Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 (535 f.). 19

Hierauf weisen ebenfalls hin: Au, Anspruch, S. 13 f.; Baumeister, FBA, S. 1, 81; Bender, Sitzungsberichte, S. L 14, 17, 27; Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 81; Kökkerbauer, JuS 1988, 782; Luhmann, Entschädigung, S. 98 f.; Maaß, BayVBl. 1987, 520 ; Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 1, S. 600 f.; H.H. Rupp, JA 1979, 506; Schäfer, DÖV 1982, 10 (18); Schaf er / Bonk, StHG, Einf. Rdnr. 70, § 3 Rdnr. 6; Schenke, DVB1. 1990, 328; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (6 f.).

56

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

Folgende Beispiele aus der Rechtsprechung sollen diese Unsicherheit im Hinblick auf die Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs verdeutlichen: -

So bestehen in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Frage, ob im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs auch Rechtsschutz bei einem behördlichen Unterlassen geltend gemacht werden kann.20 Versucht der Betroffene beispielsweise im Falle der zu Unrecht verweigerten beamtenrechtlichen Einstellung oder auch Beförderung im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs die Statusverbesserung zu erreichen, indem ihm die nächste freiwerdende Stelle zugewiesen wird bzw. er versorgungsrechtlich so gestellt wird, als ob er von Anfang an rechtmäßig befördert worden wäre, so wird die Anwendung des Folgenbeseitigungsanspruchs teilweise bejaht21 und zum Teil verneint.22 - Die gleiche Divergenz der Ansichten ist festzustellen, wenn der Antragsteller, dem unberechtigterweise die Baugenehmigung vorenthalten worden ist, diese nunmehr über den Folgenbeseitigungsanspruch erlangen möchte, obgleich der anzuwendende Bebauungsplan zwischenzeitlich geändert wurde und nach nunmehr geltendem Recht das Bauvorhaben nicht mehr verwirklicht werden könnte.23 - Uneinheitlich wird des weiteren die Frage beantwortet, welche Schäden im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs ersatzfähig sind. Insbesondere die Problematik der Eingrenzung der Haftungsfolgen, so z.B. ob der Antragsteller auch einen Ausgleich für die von ihm zur Erfüllung einer rechtswidrigen Bardepotpflicht gemachten Zinsaufwendungen verlangen kann, wird unterschiedlich entschieden.24 20 Befürwortend beispielsweise: Luhmann, Entschädigung, S. 100, 112 ff.; Maaß, BayVBl. 1987, 520 (525 f.); ders., VR 1985, 71 (72 f.); Menger, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 347 (351, 354, 359); Tietgen, in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT, S. 325 (345 ff.); Wallerath, DÖV 1987, 505 (511 ff., insbes. 513). Demgegenüber grundsätzlich ablehnend: Bender, VB1BW 1985, 201 (202); Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 7a; Weyreuther, Gutachten, S. Β 51, 76 ff., 93 ff. Zurückhaltend auch Schock, VerwArch 79 (1988), 1 (39 ff.). Vgl. ausführlich - auch zu den verschiedenen Fallgruppen des behördlichen Unterlassens - die Darstellung in Kapitel 2 Β II 2 a - d , S. 155 ff. 21 OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207 f.).; Tietgen, in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT, S. 325 (345 ff.). 22 Vgl. die Entscheidungen, BVerwG, DVB1. 1979, 852 (854 f.); BVerwG, BayVBl. 1962, 183; OVG Koblenz, DVB1. 1964, 773; OVG Lüneburg, ZBR 1982, 91 (92); Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 603. 23 Für die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs in dieser Fallkonstellation beispielsweise: OVG Lüneburg, OVGE 18, 501 (506 ff.). Ablehnend hingegen: BVerwG, DVB1. 1962, 178 (179); Ossenbühl, StHR, S. 199 f.; Rüjher, in: Erichsen /Martens, AllgVerwR, § 53 V 3, S. 605 f., der in diesem Zusammenhang allerdings die Grundsätze der ,»Folgenbeseitigungslast" heranziehen möchte. 24

Die Ersatzfähigkeit der Zinsaufwendungen verneinend, BVerwGE 69, 366 (insbes. 371 ff.); dieser Entscheidung im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung zustimmend, Ben-

Α. Einleitung

57

Es erhebt sich damit die Frage nach der Ursache dieser teilweise bestehenden Konturlosigkeit des Tatbestands und der Reichweite des Folgenbeseitigungsanspruchs. Deshalb wird vorliegend die Gegenthese aufgestellt, daß die Gründe für die zum Teil festzustellende Unbestimmtheit der Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs vor allem darin liegen, daß seine Rechtsgrundlage nicht zweifelsfrei geklärt ist. Es besteht nämlich die Möglichkeit, daß zwischen der Ausgestaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen und der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs und der jeweiligen Rechtsgrundlage ein Abhängigkeitsverhältnis besteht.25 So ist es denkbar, daß nach gewählter Rechtsgrundlage der Tatbestand enger, weiter oder ggf. auch vollkommen konturlos ist. Mithin besteht der Inhalt der Gegenthese in der Behauptung der „Relevanz der Rechtsgrundlage für die strukturelle Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs". Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, daß die einzelnen Senate des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf die Bedeutung der exakten Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs einen voneinander abweichenden Standpunkt vertreten. Während der 4. Senat in der Entscheidung vom 25.8. 197126 noch festgestellt hat, daß die Frage der rechtlichen Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs letztlich auf sich beruhen möge, da unabhängig von der konkreten Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs an seinem bundesrechtlichen Rang und damit an seiner Revisibilität kein Zweifel bestehen würde, betont der 3. Senat in seinem bereits erwähnten Urteil vom 19.7.198427 zwar auch die Revisibilität des Folgenbeseitigungsanspruchs. Indessen stellt er zudem im Rahmen der Erörterung des Haftungsumfangs auf den Schutzzweck der von ihm befürworteten Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs - Art. 20 Abs. 3 GG - als haftungsbegründende Norm ab.28 Durch die Bezugnahme auf diese Verfassungsbestimmung wird mithin vom Bundesverwaltungsgericht selbst mittelbar eine Wechselwirkung zwischen der rechtlichen Basis und der Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs zugestanden.29

der, VB1BW 1985, 201 (201 in Fußn. 3, 203 f.); demgegenüber das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs bejahend, M. Redeker, DÖV 1987, 194 (198 ff.). S. hierzu die Ausführungen in Kapitel 3 C IV 2, S. 452 ff. 25 Vgl. Au, Anspruch, S. 15; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 232; Fiedler, NVwZ 1986, 969 (970); Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 81, 83; H. Horn, FBA, S. 3; Maaß,, BayVBl. 1987, 520 (521); v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (826); Ossenbühl, StHR, S. 194 f.; M. Redeker, DÖV 1987, 194 (198); H.H. Rupp, JA 1979, 506 (508); Schenke, JuS 1990, 370 (371); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (6 in Fußn. 17, 31 f. mit Fußn. 175); Wallerath, DÖV 1987, 505 (512). 26

BVerwG, DVB1. 1971, 858 (859 r. Sp. Mitte).

27

So BVerwGE 69, 366 (370).

28

BVerwGE 69, 366 (372 f.).

29

Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung des BVerwG, DVB1. 1971,

58

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

Die vorstehend genannte Gegenthese soll im folgenden dadurch überprüft werden, daß zunächst die zur Zeit noch aktuell vertretenen Meinungen hinsichtlich der Fundierung des Folgenbeseitigungsanspruchs dargestellt werden (B). I m Anschluß daran wird untersucht, ob und ggf. in welchem Umfang die jeweils befürwortete Rechtsgrundlage Auswirkungen auf die tatbestandliche Struktur und die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs besitzt (C). Ist eine derartige Wechselwirkung zwischen dem dogmatischen Fundament und dem Anspruchsinhalt festgestellt, so ist die These von der Irrelevanz der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs widerlegt, was die Notwendigkeit zur Konsequenz hat, daß seine tatsächliche rechtliche Wurzel ermittelt werden muß (D).

B. Die dogmatische Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs in Rechtsprechung und Rechtslehre Die rechtliche Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs ist seit dessen Initiierung durch Otto Bachof 30 zum Teil heftig diskutiert worden. Dabei sind eine Vielzahl von Rechtsgrundlagen in Betracht gezogen worden. 31 Aktuell werden noch folgende Auffassungen zur materiellen Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs vertreten. 858. Während, wie bereits erwähnt, einerseits festgestellt wird, daß die rechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs im Hinblick auf die zweifellos bestehende Revisibilität des Rechtsinstituts offenbleiben könne, (vgl. den Nachweis in Fußn. 17), wird andererseits ausgeführt, daß „über die Voraussetzungen des (Folgen-)Beseitigungsanspruchs ... der diesem Anspruch zugrunde liegende Rechtssatz und insofern dessen Ableitung aus dem geschriebenen Bundes(verfassungs)recht" entscheidet, DVB1. 1971, 858 (860 1. Sp. Mitte). Auch hier wird mithin indirekt eine Wechselbeziehung zwischen der Rechtsgrundlage und der Tatbestandsstruktur des Folgenbeseitigungsanspruchs eingeräumt. 30 31

Vgl. den Nachweis in Fußn. 7.

So wurde beispielsweise der Folgenbeseitigungsanspruch früher aus den Grundsätzen des Verwaltungsrechts abgeleitet, BVerwG, DVB1. 1960, 854 (855); DVB1. 1959, 580 (581); - aus dem vorangegangenen rechtswidrigen Handeln der Behörde entwickelt, OVG Hamburg, DVB1. 1951, 472 (473); OVG Koblenz, OVGE 9, 88 (92); OVG Lüneburg, OVGE 4, 235 (238 f.), sowie OVG Münster, OVGE 20, 38 (39); - im Beamtenrecht aus der Treue- und Fürsorgepflicht des Dienstvorgesetzten hergeleitet, VGH Kassel, DÖV 1956, 185 (186); - oder im Wege einer analogen Anwendung der §§ 302 Abs. 4 S. 3, 600 Abs. 2, 717 Abs. 3, 945 ZPO der Folgenbeseitigungsanspruch legitimiert, so Bachof\ Vornahmeklage, S. 128, der allerdings im Vorwort zur 2. Aufl., S. XV, dieses Lösungsmodell selbst aufgegeben hat, s. auch Bachof\ Sitzungsberichte, S. L 65 f. Vgl. zu den früher vertretenen Begründungskonzepten z.B. die Darstellung bei Au, Anspruch, S. 13 ff.; Baumeister, FBA, S. 26 ff.; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 232 ff.; Böß, Vergleich, S. 12 ff.; H Horn, FBA, S. 3 ff.; Rösslein, FBA, S. 30 ff., 40 ff.; Schlusnus, Anspruch, S. 18 ff.; Siehoff, FBA, S. 46 ff., 72 ff.; Weyreuther, Gutachten, S. Β 27 ff.; Wolff /Bachof, VerwR I, § 54 I I b, S. 478.

Β. Die dogmatische Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs

59

I. Öffentlich-rechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs Der weitaus überwiegende Teil der Ansichten, die sich heute mit der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs beschäftigen, geht davon aus, daß die rechtliche Wurzel im Verfassungsrecht verankert ist. Dabei lassen sich zwei grundsätzliche Arten der Argumentation unterscheiden: Einerseits wird das dogmatische Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs in objektiv-rechtlichen Vorschriften gesehen, andererseits werden zur Rechtfertigung dieses Beseitigungsrechts subjektiv-öffentliche Verfassungsrechte herangezogen. I m einzelnen ergibt sich folgendes Meinungsbild:

1. Objektiv-rechtliche Verfassungsnormen a) Art. 20 Abs. 3 G G - Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung - als maßgebliche Rechtsvorschrift zur Herleitung des Foigenbeseitigungsanspruchs In seinem grundlegenden Urteil vom 19.7.1984 32 hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Übereinstimmung mit einem Teil der Literatur 33 32 So BVerwGE 69, 366 (370), hinsichtlich des Vorrangprinzips. Vgl. auch BVerwG, DVB1. 1960, 255 (256); BAG, NJW 1989, 2909; VGH Kassel, VerwRspr. 20, Nr. 204, S. 760 (762); VGH München, BayVBl. 1965, 246, mit Bezug auf Bachof\ Vornahmeklage, 1. Aufl., S. 98 ff.; s. auch OVG Lüneburg, OVGE 18, 341 (349). 33 Haug, DÖV 1967, 86 (91): Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip und der Verpflichtung aus vorangegangenem Tun; Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 86; Köhlen BayVBl. 1986, 712 (713); Menger, VerwArch 50 (1959), 77 (92); Obermayer, JuS 1963, 110 (113); Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, S. 85, 200: Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 3 GG bei Fehlen einer spezialgesetzlichen Regelung des Folgenbeseitigungsanspruchs; vgl. weiterhin K. Redeker, DVB1. 1963, 509 (510); Wallerath, DÖV 1987, 505 (512). Dabei differenzieren die Vertreter dieser Ansicht überwiegend nicht danach, ob der Folgenbeseitigungsanspruch nur auf das zweifelsfrei von Art. 20 Abs. 3 GG erfaßte Vorrangprinzip, vgl. hierzu Herzog, in: M/D/H/S, GG, Art. 20 VI Rdnr. 34, gestützt wird, oder ob durch die Bezugnahme auf Art. 20 Abs. 3 GG auch der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes miterfaßt werden soll. Ob Art. 20 Abs. 3 GG als Grundlage des Vorbehaltsprinzips angesehen werden kann, ist umstritten, befürwortend Katz, StaatsR, § 10 Rdnrn. 190 ff. Ablehnend hingegen Herzog, in: M/D/H/S, GG, Art. 20 V I Rdnrn. 34, 77, 79 f., nach dem das Prinzip des Gesetzesvorbehalts Verfassungsgewohnheitsrecht darstellt bzw. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG zuzuordnen ist. S. weiterhin BVerfGE 40, 237 (248); Hesse, VerfR, § 6 Rdnr. 201; Schnapp, in: v. Münch, GG, Art. 20 Rdnrn. 38 f.; Stern, StaatsR I, S. 805, wonach das Vorbehaltsprinzip nicht durch Art. 20 Abs. 3 GG geregelt, aber vorausgesetzt wird. Demgegenüber hat z.B. Hoffmann , Abwehranspruch, S. 42 ff., bei seinem Lösungsvorschlag bezüglich der Ableitung des allgemeinen Abwehrrechts im Rahmen der Diskussion des Art. 20 Abs. 3 GG ausdrücklich nur auf das Vorrangprinzip abgestellt, da er den Vorbehaltsgrundsatz nicht als vom Gesetzmäßigkeitsprinzip umfaßt ansieht. Anders Bachof ; Sitzungsberichte, S. L 55, 64, der auf das Vorbehaltsprinzip abstellt.

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Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

entschieden, daß das dogmatische Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs in Art. 20 Abs. 3 GG begründet ist. Allerdings ergibt sich in der Rechtslehre insoweit kein einheitliches Bild, als zum Teil ergänzend neben Art. 20 Abs. 3 GG zur Abstützung des Folgenbeseitigungsanspruchs entweder auf das jeweils beeinträchtigte Grundrecht 34 bzw. auf die Freiheitsgrundrechte insgesamt abgestellt wird oder der Vorbehalt des Gesetzes und die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG herangezogen werden.35 Dementsprechend unterscheiden sich auch die Begründungswege.

aa) Isoliertes Anknüpfen an Art. 20 Abs. 3 GG Für die isolierte Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 20 Abs. 3 GG wird geltend gemacht, daß die Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 3 GG die Bindung der exekutiven Gewalt an Gesetz und Recht formuliere. Hieraus ergebe sich nicht lediglich das Verbot der gesetzwidrigen Belastung als solche, sondern darüber hinaus sei gleichzeitig implizit die Wiederherstellung des früheren Zustands geboten. Damit begründe Art. 20 Abs. 3 GG zwangsläufig die Verpflichtung der vollziehenden Gewalt, die rechtswidrigen Folgen ihrer Amtshandlungen zu beseitigen.36 Vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Verfassungssystems sei ein derartiges umfassendes Verständnis des Art. 20 Abs. 3 GG geboten, da nur so die Beachtung des Gesetzmäßigkeitsprinzips durch die Verwaltung ausreichend gesichert sei.37

34

H. Horn, FBA, S. 77, 107; vgl. auch VG Neustadt, NJW 1965, 833 (835).

35

So stellt Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 5, zusätzlich auf die Freiheitsgrundrechte ab; vgl. auch Bender, VB1BW 1985, 201 (202 ). — Bachof, Vornahmeklage, Vorwort S. XIV, S. 127 f., zieht außerdem die Freiheitsgrundrechte, Art. 19 Abs. 4 GG und das Rechtsstaatsprinzip heran; ders. ähnlich, Sitzungsberichte, S. L 64, wonach Bachof auf das Rechtsstaatsprinzip, d.h. den Vorbehalt des Gesetzes, und den status negativus i.S. G. Jellineks, d.h. auf die Freiheitsrechte, abstellt. — Bettermann, in: Die Grundrechte, 3. Bd., 2. Halbbd., S. 803 f., sieht die Grundlage für die Restitutionsklage in Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20, Art. 28 Abs. 1 GG); anders ders., DÖV 1955, 528 (534 f.), wonach die §§ 12, 861, 862, 1004 BGB in analoger Anwendung die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs bilden, vgl. hierzu die Ausführungen unter Β II, S. 21 f. — Maaß, BayVBl. 1987, 520 (524), stützt den Folgenbeseitigungsanspruch ergänzend auf den Vorbehalt des Gesetzes und die Freiheits-(Grund-)Rechte. 36

So BVerwGE 69, 366 (370); vgl. OVG Lüneburg, OVGE 18, 341 (349); Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 86; Köhler, BayVBl. 1986, 712 (713); Obermayer, JuS 1963, 110 (113); vgl. auch K. Redeker, DVB1. 1963, 509 (510). 37

Vgl. Obermayer, JuS 1963, 110 (113); s. weiterhin H. Horn, FBA, S. 65 f., 75 ff., wonach Art. 20 Abs. 3 GG auf dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20, Art. 28

Β. Die dogmatische Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs

61

Des weiteren komme im Bereich des Handelns der Behörde im Wege des Erlasses von Verwaltungsakten als weiterer Gesichtspunkt hinzu, daß die Verwaltung bei der ihr gestatteten vorläufigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse (vgl. § 80 Abs. 2 VwGO) in Kauf nehmen könne, u.U. auch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zu vollziehen. Stehe ihr dieses Privileg im Interesse einer effektiven Staatsverwaltung zu, gebiete es aber umgekehrt der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz, daß dann auch die Exekutive im Falle der Aufhebung eines unrechtmäßigen Verwaltungsakts die nachteiligen Folgen des rechtswidrigen Eingriffsakts von sich aus beheben müsse38 (vgl. in prozessualer Hinsicht § 113 Abs. 1 S. 2, 3 VwGO). Folglich sei das Gesetzmäßigkeitsgebot bereits für sich alleine betrachtet, geeignet, den Folgenbeseitigungsanspruch verfassungsrechtlich abzusichern.

bb) Kombinierte

Lösungskonzepte

Demgegenüber wird von einem Teil der Anhänger dieser Auffassung eingeräumt, daß die Vorschrift des Art. 20 Abs. 3 GG isoliert gesehen nicht ausreiche, um den Folgenbeseitigungsanspruch zu begründen. Zum Teil wird deshalb zur Verstärkung auf weitere objektiv-rechtliche Werte, so den Gesetzesvorbehalt und die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, Bezug genommen.39 Demgegenüber wird in anderen Stellungnahmen darauf hingewiesen, Art. 20 Abs. 3 GG enthalte selbst kein subjektiv-öffentliches Recht, wie es für die Rechtfertigung des Folgenbeseitigungsanspruchs erforderlich sei, und normiere überdies keine eindeutigen Sanktionen für den Fall seiner Verletzung. 40 Dementsprechend sei es notwendig, zusätzlich subjektivGG) und der demokratischen Staatsform eine positive Schutzfunktion zugunsten des Bürgers entfalte, eine individuelle Rechtssphäre des Bürgers unantastbar zu gewährleisten. Er erhalte damit den Charakter einer Sanktionsnorm. Allerdings will sie hieraus nur eine Folgenbeseitigungspflicht der Verwaltungsbehörde ableiten und den Folgenbeseitigungsanspruch selbst zusätzlich auf das jeweils verletzte Grundrecht stützen, so S. 107, vgl. den Nachw. in Fußn. 34. Kritisch zu dieser Argumentationsweise, Hoffmann, Abwehranspruch, S. 45 in Fußn. 9, und M. Redeker, DÖV 1987, 194 (195 f.). 38 Hierzu grundlegend: Bachof, Vornahmeklage, Vorwort S. XIV und S. 128; weiterhin Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 86 f.; Siehoff, FBA, S. 4. 39 40

Vgl. die Nachweise in Fußn. 35.

So stellt das BVerwG, DVB1. 1961, 380 (381), im Rahmen der Erörterung des Widerrufs begünstigender Verwaltungsakte fest: „Die vom Grundgesetz normierte Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht enthält nicht auch zugleich eine Aussage darüber, was zu geschehen hat, wenn diese Bindung einmal außer acht gelassen worden ist. Sie enthält jedenfalls nicht allgemein das Gebot, in jedem Falle gesetzwidrigen Handelns den gesetzmäßigen Zustand herzustellen; andernfalls wären alle nicht verfassungsrechtlichen Vorschriften, die einem solchen Gebot entgegenständen - wie insbesondere die Bestimmungen über die formelle und materielle Rechtskraft - nichtig." Dem Bundesverwaltungsgericht

62

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

öffentliche Verfassungsvorschriften zur Herleitung des Haftungsinstituts heranzuziehen. 41 Erst das Zusammenwirken dieser Bestimmungen ermögliche und gewährleiste eine umfassende Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs. 42

b) Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG Weiterhin wird die Auffassung vertreten, die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs liege in Art. 19 Abs. 4 S. 1 G G . 4 3 Zur Begründung wird ein materiell-rechtliches Verständnis des Art. 19 Abs. 4 S. 1 G G zugrundegelegt. Danach erschöpft sich die Bedeutung dieser Verfassungsvorschrift nicht in ihrer Funktion als institutionelle Garantie und Prozeßrechts-

zustimmend, Bachof, Rspr. des BVerwG I, Nr. 25, S. 261 ff. S. weiterhin OVG Hamburg, DVB1. 1958, 832 (833); Baumeister, FBA, S. 60 f.; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 240; Bettermann, DÖV 1955, 528 (531, 533); Erichsen, VerwArch 63 (1972), 217 (220); Fiedler, NVwZ 1986, 969 (973); Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (510 ); Hoffmann, Abwehranspruch, S. 45; M. Redeker, DÖV 1987, 194 (196); W. Schmidt, JuS 1969, 166 (169); Spanner, DVB1. 1968, 618 (620); Weyreuther, Gutachten, S. Β 28 mit Fußn. 69. 41

Vgl. die Nachweise in Fußn. 34 und 35.

42

Bachof; Vornahmeklage, Vorwort S. XIV; Bender, VB1BW 1985, 201 (202); H. Horn, FBA, S. 107; Maaß, BayVBl. 1987, 520 (524). Demgegenüber sieht Wallerath, DÖV 1987, 505 (512), das Verhältnis von Art. 20 Abs. 3 GG und den Grundrechten genau umgekehrt: Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs, während die grundrechtlichen Abwehr- und Beseitigungsansprüche nur besondere verfassungsrechtliche Ausprägungen des Prinzips der Folgenbeseitigung sind. 43 Heidenhain, Amtshaftung, S. 141 f., der den Beseitigungsanspruch aus dem durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und den verschiedenen verwaltungsprozessualen Gesetzen gebildeten System des Rechtsschutzes ableitet, wobei der Folgenbeseitigungsanspruch in Gestalt des Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruchs als „besondere Ausprägung des umfassenderen Beseitigungsanspruchs ..., der dem Einzelnen aus der rechtswidrigen Beeinträchtigung seiner Rechte erwächst", qualifiziert wird, so S. 145; Haas, System, S. 60, 63 ff., insbes. S. 65, 75: Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG i.V.m. Art. 34 GG sowie ergänzend Art. 20, 28 GG i.S. eines umfassenden Wiedergutmachungsanspruchs. Vgl. des weiteren Bachof\ Nachweis in Fußn. 35. S. außerdem H.H. Rupp, Grundfragen, S. 170 f., 174, 249, 253, der aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. den Vorschriften über die Anfechtungsklage ein Indiz dafür sieht, „daß es bei Statusverletzungen materiell-rechtliche Reaktionsansprüche geben müsse", so S. 174 i.V.m. S. 170 f. Die Folgenbeseitigung sei dabei „wenn überhaupt, ... nur Ausfluß des allgemeinen Reaktionsrechts aus Status Verletzungen", so S. 259. Vgl. ferner H.H. Rupp, DVB1. 1958, 113 (119), in bezug auf die Beseitigungsklage; s. weiterhin Menger, VerwArch 50 (1959), 77 (82 f.); ders., VerwArch 48 (1957), 166 (169 f.), im Hinblick auf die Anfechtungsklage. Offengelassen von G. Schmitt, DVB1. 1978, 973 (976). Bedenken bezüglich der rechtlichen Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG wegen des formellen Charakters dieser Verfassungsvorschrift hingegen bei, v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (830 in Fußn. 67), der allerdings Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als Indiz für die Existenz des Folgenbeseitigungsanspruchs bewertet, so DVB1. 1974, 825 (829); ebenso Schimpf, Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 355 ff.

Β. Die dogmatische Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs

63

norm. 44 Vielmehr verkörpere diese verfassungsrechtliche Bestimmung darüber hinausgehend ein materielles Grundrecht. 45 Demgemäß eröffne diese Vorschrift nicht alleine die formelle Rechtsposition, einen anderweitig begründeten Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Sie beinhalte bereits selbst ein subjektiv-öffentliches Recht auf Behebung der Rechtsverletzung.46 Dieser materielle Wesensgehalt der Rechtsnorm entspreche ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabe, einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten und den individuellen Schutz des Bürgers, insbesondere vor Übergriffen der exekutiven Gewalt, sicherzustellen.47 Die Behebung der rechtswidrigen Folgen staatlichen Handelns, gestützt auf einen aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG abgeleiteten Folgenbeseitigungsanspruch, ist damit das Ergebnis einer auch materiellen Auslegung dieser Rechtswegeröffnung. 48

c) Art. 34 GG Als weitere objektiv-rechtliche Vorschrift zur Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs wird Art. 34 GG herangezogen.49 Gerechtfertigt wird dies damit, daß durch Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB nach richtigem Verständnis eine originäre und unmittelbare Staatshaftung begründet werde. 50 Aus Art. 34 S. 3 GG, der vom „Anspruch auf Schadensersatz" spreche, gehe 44

So jedoch Arentz, Rechtscharakter, S. 122 ff., 175 ff.

45

Haas, System, S. 65; s. weiterhin Heidenhain, Amtshaftung, S. 141, wonach der materielle Beseitigungsanspruch dem bestehenden Rechtsschutzsystem immanent ist. Vgl. auch H.H. Rupp, DVB1. 1958, 113 (119). 46 Haas, System, S. 65; im Ergebnis ähnlich, Heidenhain, Amtshaftung, S. 141. Demgegenüber geht Lorenz, Rechtsschutz, S. 277 f., davon aus, daß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG keine selbständigen materiellen Rechte begründet, sondern vielmehr der Aktualisierung des bereits anderweitig begründeten Rechts dient; vgl. auch v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (829); Schimpf\ Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 353 ff., 356 f. 47 Heidenhain, Amtshaftung, S. 141. Vgl. auch Bachof\ Vornahmeklage, S. 124 f. Allgemein zur Schutzwirkung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG: Bauer, Gerichtsschutz, S. 42 ff.; Lorenz, Rechtsschutz, S. 133 ff. 48

Vgl. hierzu Fiedler, NVwZ 1986, 969 (973); Heidenhain, Amtshaftung, S. 141.

49

Vgl. Mengen in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 347 (350), der Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB als materiell-rechtliche Teilpositivierung einer materiellen Grundnorm der Wiedergutmachung versteht. Zustimmend zur Entwicklung einer „allgemeinen Restitutionsnorm" F. Czermak, BayVBl. 1965, 93 (94). Vgl. weiterhin Haas, Nachweis in Fußn. 43. S. in diesem Zusammenhang auch die Darstellung bei Papier, DÖV 1972, 845 (848 f.). Die Ansicht Mengers datiert zwar bereits aus dem Jahre 1955, indessen wird sie infolge ihrer grundsätzlichen Bedeutung, insbesondere auch hinsichtlich des Verständnisses der Vorschriften des Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB, mit in die Erörterung einbezogen. 50 S. hierzu Haas, System, S. 65 f.; Papier, Forderungsverletzung, S. 111 ff.; ders., DÖV 1972, 845 (848); s. ferner Bettermann, JZ 1961, 482 f., sowie allgemein Heydt, JR 1967, 169 (170).

64

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

hervor, daß Art. 34 GG selbst als Anspruchsnorm ausgestaltet sei.51 Zudem ergebe sich der Charakter des Art. 34 GG als selbständige Haftungsnorm aus der Tatsache, daß im Außenrechtsverhältnis des Staates zu dritten Personen nicht der einzelne Beamte, d.h. der Amtswalter, sondern die juristische Person selbst, für die der Organwalter handele, Zuordnungssubjekt der Rechte und Pflichten sei. Folgerichtig müsse unter diesen Voraussetzungen der Staat selbst im Falle der Verletzung dieser im Verhältnis zum Bürger bestehenden Amtspflichten unmittelbar in Anspruch genommen werden können.52 Da diese durch die Haftungsnorm angeordnete Verantwortlichkeit für Amtspflichtsverletzungen i.V.m. den verwaltungsprozeßrechtlichen Vorschriften über die nachträglichen und ursprünglichen Verwaltungsstreitsachen53 Ausdruck einer umfassenden Wiedergutmachungsnorm sei54 bzw. Art. 34 GG als Haftungsgrundlage für jedes Staatsunrecht zu qualifizieren sei,55 resultiere aus dieser Staatshaftungsnorm auch die rechtliche Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs als schwächere und im Schadensersatz enthaltene Rechtsfolge. 56

d) Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip (Art 1 Abs. 3, 20 Abs. 2 und 3, 28 Abs. 1 GG) Schließlich soll nach einem anderen Lösungsansatz der Folgenbeseitigungsanspruch nicht im Wege der Anbindung an bestimmte einzelne Verfassungsvorschriften abgeleitet werden, sondern es wird das allgemeine Rechtsstaatsprinzip als Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs anerkannt.57 Zur Rechtfertigung wird angeführt, daß der Grundsatz der Rechts51

Papier, Forderungsverletzung, S. 111.

52

Papier, Forderungsverletzung, S. 111 f.

53

Bei den „nachträglichen Verwaltungsstreitsachen" handelt es sich um die Anfechtungssachen, unter den „ursprünglichen Verwaltungsstreitsachen" werden demgegenüber diejenigen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten verstanden, „bei denen dem Verwaltungsrichter ein noch nicht rechtspflegerisch gestalteter Sachverhalt zur ersten rechtlichen Beurteilung und Entscheidung vorgelegt wird", so Menger, System, S. 137, mit Bezug auf Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, 1. Aufl., 1895. 54 Diese Grundnorm erfaßt nach Menger (Nachweis wie Fußn. 49) jedwede öffentliche Amtstätigkeit, während der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Fälle des sog. VollzugsFolgenbeseitigungsanspruchs beschränkt wird, so Menger, a.a.O., S. 350 in Fußn. 13. 55

Vgl. Haas, System, S. 60.

56

Vgl. hierzu Papier, DÖV 1972, 845 (848); s. weiterhin Haas, System, S. 60; Menger, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 347 (350). 57

Krüger, DVB1. 1955, 208 (210 r. Sp. Mitte, 212 1. Sp. Mitte); Wilhelm, BayVBl. 1964, 350 (353); Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 38: Das Rechtsstaatsprinzip und das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als Rechtsgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs; Fiedler, NVwZ 1986, 969 (971), im Hinblick auf die allgemeine verfassungsrechtliche Begründung

Β. Die dogmatische Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs

65

Staatlichkeit das Gebot beinhalte, die Behörde bei einem vorangegangenen rechtswidrigen Verhalten zu verpflichten, den früheren Zustand wiederherzustellen. 58 D a dem Rechtsstaatsprinzip neben seiner Bedeutung als Staatszielbestimmung und normkonkretisierende Auslegungsregel ebenso eine anspruchsbegründende Funktion zukomme, 5 9 könne die Rechtsstaatsgarantie folglich als rechtliche Wurzel des Folgenbeseitigungsanspruchs charakterisiert werden. 60

2. Subjektiv-rechtliche Verfassungsvorschriften I m Unterschied zu den vorgenannten Auffassungen ist den nachfolgend darzustellenden Rechtsansichten gemeinsam, daß sie die Rechtsgrundlage des

des Folgenbeseitigungsanspruchs. Allerdings lehnt Fiedler die Anerkennung des eigenständigen Rechtsinstituts des Folgenbeseitigungsanspruchs für die Fälle ab, in denen der Betroffene durch unmittelbaren Rückgriff auf das jeweilige Grundrecht gegen die hoheitliche Rechtsbeeinträchtigung vorgehen kann. Insofern gebiete eine verfassungsbezogene Interpretation der Grundrechte, daß die Beseitigung der Rechtsverletzung „nicht zusätzlich durch einen weder inhaltlich noch methodisch gesicherten Filter des ,Rechtsinstituts* der Folgenbeseitigung" verwirklicht wird, so Fiedler, a.a.O., S. 972 ; vgl. Oldiges, DÖV 1977, 75 (78); H. J. Vogel, DVB1. 1978, 657 (661); s. weiterhin aus der älteren Rspr.: OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207); OVG Lüneburg, OVGE 4, 484 (485); OVG Lüneburg, DVB1. 1962, 63 (65); LVG Hannover, DÖV 1956, 157; LVG Schleswig, MDR 1955, 569; LG Darmstadt, NJW 1952, 389 (390); in diesem Sinne auch VG Stuttgart, DVB1. 1950, 792 (793 f.). Vgl. ferner die kombinierten Lösungskonzepte: OVG Münster, NVwZ 1984, 530, wonach die Grundlage des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehr-, Beseitigungsund Unterlassungsanspruchs das Rechtsstaatsprinzip und die Freiheitsgrundrechte sind. — Auch Götz, VB1BW 1987, 424 r. Sp. unten; ders., Allg. VerwR, S. 230, sieht das dogmatische Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten. — Ähnlich ebenfalls W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (95), der die Grundlage des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs, gerichtet auf die Beseitigung tatsächlichen Verwaltungshandelns, in der rechtsstaatlichen Gesamtkonzeption des Grundgesetzes i.V.m. den grundrechtlichen Abwehrrechten sieht. — Nicht eindeutig Mayer/Kopp, AllgVerwR, die den Folgenbeseitigungsanspruch einerseits aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem in der Sache jeweils betroffenen Grundrecht ableiten, so S. 496, hingegen gleichzeitig auf § 1004 BGB analog abstellen, so S. 494 f. — Vgl. weiterhin Schimpf\ Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 335. — S. außerdem Franke, VerwArch 57 (1966), 357 (364 ff.), der einen Folgenentschädigungsanspruch aus dem Prinzip des sozialen Rechtsstaates ableitet, das die Verwaltung verpflichte, materiell gerechte soziale Verhältnisse herzustellen, und somit insbesondere dann eingreife, wenn ein Schaden als rechtswidrige Folge hoheitlichen Verhaltens eingetreten sei. 58

Fiedler, NVwZ 1986, 969 (971); Krüger, DVB1. 1955, 208 (210); LG Darmstadt, NJW 1952, 389 (390); vgl. auch OVG Münster, NVwZ 1985, 923. 59 So Krügen DVB1. 1955, 208 (210 r. Sp. Mitte), unter Hinweis auf BVerfGE 3, 377 (381); 3, 248 (253) und OLG Celle, DVB1. 1955, 88 (90 f.); vgl. auch Obermayen Sitzungsberichte, S. L 96; Schlusnus, Anspruch, S. 52. Ebenso für Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip: Zuleeg, DVB1. 1974, 341 (347). 60

So Krügen DVB1. 1955, 208 (210 r. Sp. Mitte, 212 1. Sp. Mitte).

5 Pietzko

66

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

Folgenbeseitigungsanspruchs nicht auf objektiv-rechtliche Verfassungsgarantien stützen, sondern zur Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs an subjektiv-rechtliche Verfassungsbestimmungen anknüpfen. Trotz der Differenzen im Detail besteht das verbindende Element dieser Meinungen darin, dem individuellen Anspruchscharakter des Folgenbeseitigungsanspruchs i m Verhältnis Bürger-Staat auch in rechtsdogmatischer Hinsicht Rechnung zu tragen. Dabei lassen sich drei Auffassungen unterscheiden:

a) Die Freiheitsgrundrechte In Rechtsprechung 61 und Literatur 62 wird zum Teil der Standpunkt vertreten, daß die Freiheitsgrundrechte 63 die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs bilden. Ausgangspunkt dieser Ansicht ist die Feststellung, daß die Grundrechte zugunsten des jeweiligen Rechtsinhabers eine individuelle Freiheitssphäre verbürgen, die eine Ausschlußfünktion gegenüber rechtswidrigen staatlichen

61

BVerwG, DVB1. 1971, 858 (859): Die Freiheitsgrundrechte i.V.m. dem Vorbehalt des Gesetzes; hierauf bezugnehmend OVG Münster, NVwZ 1983, 356 (357); vgl. auch BVerwGE 59, 319 (325 f.); OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 16; VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353); VG Frankfurt, NJW 1988, 1613; wohl in diesem Sinne BSGE 49, 76 (79). 62 Grundlegend Weyreuther, Gutachten, S. Β 83 ff., 90, insbes. unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 14 Abs. 1 GG. Weiterhin Bender, VB1BW 1990, 223 (224 f.); Böß, Vergleich, S. 23 f.; Breuer, DVB1. 1983, 431 (436 f.); Erichsen, VerwR I, S. 220 ff.; ders., VerwArch 63 (1972), 217 (220 f.); Lücke, AöR 104 (1979), 225 (244); W. Martens, JR 1972, 257 (258); W. Müller, Sitzungsberichte, S. L 73 f.; Naumann, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 391 (398); M. Redeker, DÖV 1987, 194 (196 f.); Schenke, DVB1. 1990, 328 (330); ders., JuS 1990, 370 (372); ders., JuS 1989, 557 (558); ders., DÖV 1986, 305 (313 f.), in bezug auf den allgemein aus den Grundrechten folgenden Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch; vgl. auch ders., JuS 1977, 281 (284); J.-J. Rupp, Nachschieben von Gründen, S. 110 mit Fußn. 28; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (34 ff.). Vgl. des weiteren, Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 (535 f.); Rösslein, FBA, S. 69 ff., insbes. S. 77; Stern, StaatsR III/1, S. 673, 675 f., der hervorhebt, daß der Gesetzesvorbehalt und die Freiheitsrechte einander als Pflicht und Anspruch entsprechen, so Stern, a.a.O., S. 676. S. außerdem v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (829 ff.), in bezug auf den Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch; Schlusnus, Anspruch, S. 52, 55; Schmidt-Aßmann, in: M/D/H/S, GG, Art. 19 IV Rdnr. 285; vgl. ferner Papier, JuS 1985, 184 (186 in Fußn. 15), im Hinblick auf die Folgenbeseitigungspflicht. 63 Hingegen werden die Gleichheitsgrundrechte nicht als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs in Erwägung gezogen, vgl. zur Begründung die Darstellung bei Weyreuther, Gutachten, S. Β 29 ff.; s. außerdem Köckerbauer, JuS 1988, 782 (783); W. Schmidt, JuS 1969, 166 (169, 170 in Fußn. 45).

Β. Die dogmatische Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs

67

Übergriffen beinhaltet. 64 Dieser als „status negativus" 65 bezeichnete Freiheitsraum habe nicht nur die Verpflichtung des Staates zur Konsequenz, sich rechtswidriger Einwirkungen in den grundrechtlichen Schutzbereich zu enthalten. Vielmehr sei bei Verletzung dieser Freiheitssphäre gleichzeitig die Rechtsmacht des Begünstigten anzuerkennen, die hoheitlichen Beeinträchtigungen aktiv abzuwehren. 66 Mithin gewährten die Grundrechte selbst den Anspruch auf Unterlassung der Grundrechtsbeeinträchtigung. 67 Liege jedoch bereits eine Verletzung der grundrechtlich garantierten Freiheitssphäre vor, wie es im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs

64 Bachofi in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 287 (293); Wey reuther, Gutachten, S. Β 83 mit Bezug auf Bachof\ a.a.O.; Bender, VB1BW 1990, 223 (224); Schenke, DVB1. 1990, 328 (330); ders., JuS 1989, 557 (558); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (34-38); Stern, StaatsR III /1, S. 673. Allgemein zur Abwehrfunktion der Grundrechte: grundlegend BVerfGE 7, 198 (204 f.) - Lüth-Harlan-Urteil; vgl. weiterhin BVerfG, DÖV 1986, 650 (651); DÖV 1957, 481 (482); BVerwG, NJW 1985, 1481; VGH Mannheim, DÖV 1975, 568 (570); OVG Münster, NVwZ 1985, 123 ; OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); VG Berlin, DVB1. 1975, 268 (269); VG München, BayVBl. 1974, 226 (228); vgl. auch VGH München, BayVBl. 1973, 267 (269); Böß, Vergleich, S. 23 f.; W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 43 f.; Naumann, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 391 (398); Papier, JuS 1985, 184 (186 mit Fußn. 15); Ringe, DVB1. 1958, 834 (835); Rösslein, FBA, S. 69 f.; J.-J. Rupp, Nachschieben von Gründen, S. 109 f.; W. Schmidt, JuS 1969, 166 (169). 65 Zum Begriff des „status negativus" grundlegend: G. Jellinek, System, S. 86 ff., 94 ff. S. weiterhin Katz, StaatsR, § 25 Rdnr. 573; v. Münch, in: v. Münch, GG, Vorb. Art 1 - 1 9 Rdnr. 16. 66 Vgl. Rösslein, FBA, S. 83: Der Folgenbeseitigungsanspruch „entspringt dem freiheitlich-individuumfreundlich konzipierten Bürger-Staat-Verhältnis des Grundgesetzes und entsteht als Reaktion auf eine Verletzung des status negativus". Grundlegend G. Jellinek, System, S. 87: „Dem Staatsmitgliede kommt daher ein Status zu, in dem er Herr ist, eine staatsfreie, das Imperium verneinende Sphäre. Es ist die der individuellen Freiheitssphäre, des negativen Status, des status libertatis, in welcher die streng individuellen Zwecke durch die freie Tat des Individuums ihre Befriedigung finden", weiterhin, S. 103: „Das Individuum soll vom Staate zu keiner gesetzwidrigen Leistung herangezogen werden und hat demnach einen auf Anerkennung seiner Freiheit beruhenden Anspruch auf Unterlassung und Aufhebung der diese Norm überschreitenden obrigkeitlichen Befehle". S. auch Stern, StaatsR III/1, S. 673. 67 OVG Koblenz, NJW 1986, 953; OVG Münster, NVwZ 1985, 123; OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); vgl. auch BVerwG, NJW 1989, 2272 (2277); Bachof; in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 287 (294); Erichsen, VerwR I, S. 221; Naumann, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 391 (398); Weyreuther, Gutachten, S. Β 83 ff.; W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 45 ff.; ders., Sitzungsberichte, S. L 73 f.; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 78; Rösslein, FBA, S. 69 f., 74; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (35 ff.); vgl. außerdem v. Turegg/Kraus, VerwR, S. 167. Stern, StaatsR ΙΠ/1, S. 671, 680 f. i.V.m. S. 562-569, qualifiziert die Unterlassungsansprüche als „Hilfsrechte" der eigentlichen grundrechtlichen Abwehrrechte. Diese definiert er als die „durch Grundrechtsbestimmungen gesicherte(n) subjektive(n) Rechtspositionen, deren Beeinträchtigung der Staatsgewalt verboten ist und die durch negatorische Ansprüche der Berechtigten hiergegen gesichert sind", so S. 569.

68

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

der Fall sei, so werde dieser Unterlassungsanspruch durch einen ebenfalls im Grundrecht verankerten Beseitigungsanspruch ergänzt.68 Dies gebieten zum einen die umfassend verstandene Verteidigungsfunktion der Grundrechte 69 und der Grundsatz der effektiven Grundrechtsverwirklichung. 70 Zum anderen sei es widersprüchlich anzunehmen, daß die Grundrechte zwar die Rechtsposition einräumen würden, den staatlichen Eingriff als solchen abzuwehren, dagegen nicht auch die Befugnis eröffnen würden, die Folgen dieses rechtswidrigen hoheitlichen Eingriffs zu beseitigen. Vielmehr sei aus den Grundrechten ein subjektiv-öffentliches Recht auf Rückgängigmachung der Verletzungsfolgen durch einen actus contrarius anzuerkennen.71 Anderenfalls würden die Grundrechte zu subjektiven Rechten minderen Ranges herabqualifiziert, weil ihnen z.B. im Gegensatz zu den zivilrechtlichen Abwehransprüchen der §§ 12, 862, 1004 BGB ein aus ihnen folgender Beseitigungsanspruch abgesprochen würde. 72 Bestätigung finde dieser Abwehrcharakter der Grundrechte durch das verfassungsrechtlich geschützte Rechtsinstitut der Verfassungsbeschwerde, die es ermögliche, die Beseitigung des die Grundrechtsverletzung verursachenden Akts zu verlangen, vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG. 73 Ungeachtet dieser Übereinstimmung in der Frage, „daß" ein grundrechtlich abgesicherter Beseitigungsanspruch anzuerkennen ist, werden von den Anhängern dieser Auffassung im Hinblick auf das dogmatische Verhältnis zwischen dem aus dem Grundrecht erwachsenden Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch drei unterschiedliche Konzeptionen vertreten:

68 So im Ergebnis übereinstimmend: Weyreuther, Gutachten, S. Β 83 ff., insbes. S. Β 85; weiterhin Bender, VB1BW 1990, 223 (224); Erichsen, VerwR I, S. 221 f.; ders., VerwArch 63 (1972), 217 (221); Krause, Folgenbeseitigung, S. 62; W. Müller, Sitzungsberichte, S. L 73; Papier, JuS 1985, 184 (186 in Fußn. 15); ders., in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 78; M. Redeker, DÖV 1987, 194 (197); Rösslein, FBA, S. 69 f., 74, 83; J.-J. Rupp, Nachschieben von Gründen, S. 109 f.; Schenke, DVB1. 1990, 328 (330); ders., JuS 1989, 557 (558); ders., DÖV 1986, 305 (313 f.); ders., Rechtsschutz, S. 78 ff.; Stern, StaatsR, III/1, S. 671 ff., 680, der die Beseitigungsansprüche wie schon die Unterlassungsansprüche als „Hilfsrechte der grundrechtlichen Abwehrrechte" beschreibt; vgl. auch Naumann, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 391 (398 ff.). 69 Vgl. zu diesem Argument: W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (95), im Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch bei Realakten; Schenke, DÖV 1986, 305 (313); im Anschluß an Schenke, a.a.O., J.-J. Rupp, Nachschieben von Gründen, S. 109 f. 70

Vgl. hierzu M. Redeker, DÖV 1987, 194 (196).

71

Vgl. Nachweis wie vor.

72

Schenke, DVB1. 1990, 328 (330); ders., DÖV 1986, 305 (313 f.); hierauf bezugnehmend J.-J. Rupp, Nachschieben von Gründen, S. 110. 73

So M. Redeker, DÖV 1987, 194 (196); vgl. auch Schenke, Rechtsschutz, S. 79.

Β. Die dogmatische Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs

69

So hat Weyreuther 74 in seinem grundlegenden Gutachten für den 47. Deutschen Juristentag die These entwickelt, daß aus dem Grundrecht zunächst ein Unterlassungsanspruch abzuleiten sei, der sich nach erfolgter Grundrechtsverletzung infolge der Labilität des Unterlassungsanspruchs in einen Beseitigungsanspruch umwandle. Demgegenüber kritisiert Martin Redeker75 die Annahme einer Transformation des Unterlassungs- in den Beseitigungsanspruch mit der Begründung, daß eine entsprechende Transformationsnorm, welche die Umwandlung bewirke, nicht nachgewiesen sei. Eine solche Konstruktion sei zudem entbehrlich, da der Unterlassungsanspruch nach eingetretener Grundrechtsbeeinträchtigung untergehe und an dessen Stelle der Abwehr- und Ausgleichsanspruch als grundrechtlicher Hauptanspruch trete. Schließlich gehen Rösslein und Schoch76 davon aus, daß der Unterlassungs- und der Beseitigungsanspruch als gleichberechtigte grundrechtlich verankerte Rechte nebeneinander bestehen würden. Maßgebend für dieses dogmatische Verständnis ist die Erwägung, daß die Fortdauer der Rechtsbeeinträchtigung eine ständige Verletzung der grundrechtlich begründeten Unterlassungspflicht bewirke. Folgerichtig sei die Beachtung der Unterlassungspflicht nicht mit dem Eintritt der Rechtsverletzung unmöglich geworden. Vielmehr stelle die Beseitigung gerade das „Mittel zur Erfüllung der Unterlassungspflicht dar". 77

b) Ableitung aus dem jeweils verletzten Einzelgrandrecht Eine Abwandlung der vorgenannten Auffassung stellt diejenige Ansicht dar, die, in systematischer Hinsicht abweichend, den Folgenbeseitigungsan74

So Weyreuther, Gutachten, S. Β 83 ff., vor allem S. Β 85; früher schon ders., Klage auf Unterlassung, S. 20 ff.; ebenso Krause, Folgenbeseitigung, S. 62; Papier, JuS 1985, 184 (186 in Fußn. 15); ders., in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 78, mit Bezug auf Weyreuther, Gutachten, S. Β 78 ff., 85; ähnlich auch W. Müller, Sitzungsberichte, S. L 73, der von einem „quantitativen Umschlag" des Unterlassungsanspruchs in den Beseitigungsanspruch spricht; vgl. auch Naumann, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 391 (398 f.); s. des weiteren Erichsen, VerwArch 63 (1972), 217 (221), wonach der Transformator für die Umwandlung des Unterlassungs- in den Beseitigungsanspruch in der „Gesamtkonzeption des GG mit seinem Bekenntnis zum Primat der menschlichen Persönlichkeit und der menschlichen Freiheit ... sowie ... mit seiner Tendenz einer durchgängigen Beschränkung und Kontrolle staatlicher Machtäußerung" liegt, insoweit bezugnehmend auf Bachof, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 287 (301), sowie Naumann, a.a.O. 75

So M. Redeker, DÖV 1987, 194 (197 1. Sp.).

76

Rösslein, FBA, S. 69 f., 77 ff., 83; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (36).

77

So Schoch, Nachweis wie vor; vgl. weiterhin W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 58 ff.

70

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

spruch nicht aus der Gesamtheit der Grundrechte, sondern aus dem im Einzelfall konkret tangierten Grundrecht ableitet, 78 was auch in der Wortwahl zum Ausdruck kommt, indem beispielsweise ausdrücklich von einem Folgenbeseitigungsanspruch „aus Eigentum", Art. 14 Abs. 1 GG, gesprochen wird. 7 9 Ungeachtet dieser systematischen Unterschiede stellt jedoch auch diese Ansicht zur Rechtfertigung der dogmatischen Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs maßgebend auf den Abwehrcharakter der Grundrechte ab, 8 0 der eine Ergänzung des grundrechtlich garantierten Unterlassungsanspruchs durch den Beseitigungsanspruch verlange. Mithin stimmen beide Auffassungen in ihrer Begründung weitestgehend überein, so daß zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden kann. 81

c) Art 2 Abs. 1 GG Einen anderen Anknüpfungspunkt zur rechtlichen Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs wählt die Ansicht, welche den Folgenbeseitigungsanspruch vorrangig aus dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 G G herleiten w i l l . 8 2 78 Das öffentliche Recht gewährt ,Abwehr- und (Folgen-)Beseitigungsansprüche, die in dem jeweils angegriffenen Rechtsgut und seinem öffentlich-rechtlichen Schutz ihre Grundlage finden ...", so BVerwG, NJW 1985, 1481 1. Sp., und BVerwG, DVB1. 1974, 239 r. Sp. Mitte; vgl. weiterhin BVerwG, NJW 1989, 2484 r. Sp. Mitte; NJW 1981, 239 (241 1. Sp. Mitte); VGH Kassel, NVwZ 1982, 565 1. Sp., mit Bezug auf BVerwG, NJW 1974, 817 = DVB1. 1974, 239; vgl. auch VGH Kassel, NJW 1989, 1500 r. Sp. oben; Drews/Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 624 i.V.m. S. 190; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, § 17 Rdnr. 335, in bezug auf den Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch. Der Beseitigungsanspruch gegenüber faktischem hoheitlichem Eingriffshandeln kann nach seiner Ansicht zwar als öffentlich-rechtliche Parallele zu den §§ 12, 862, 1004 BGB entwickelt werden, jedoch sei auch hier aus Vereinfachungsgründen die Ableitung unmittelbar aus den Grundrechten bzw., soweit kein spezielles Grundrecht einschlägig sei, aus Art. 2 Abs. 1 GG vorzugswürdig, so Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, § 18 Rdnr. 340. Anders indessen Fiedler, NVwZ 1986, 969 (972 ), der im Falle des Vorliegens eines Abwehranspruchs aus dem jeweils verletzten Grundrecht den Rückgriff auf das allgemeine Rechtsinstitut des Folgenbeseitigungsanspruchs für entbehrlich hält, vgl. bereits den Nachweis in Fußn. 57. 79

So BVerwG, NJW 1985, 1481 1. Sp.; BVerwG, DVB1. 1974, 239 r. Sp. Mitte; VGH Kassel, NVwZ 1982, 565 1. Sp. Mitte, bezugnehmend auf BVerwG, NJW 1974, 817 = DVB1. 1974, 239. 80

Vgl. BVerwG, NJW 1989, 2484; NJW 1985, 1481; NJW 1981, 239 (241); BVerwG, DVB1. 1974, 239; VGH Kassel, NVwZ 1982, 565, verweisend auf BVerwG, NJW 1974, 817 = DVB1. 1974, 239. 81 82

Vgl. die Darstellung unter Β I 2 a, S. 66 ff.

Au, Anspruch, S. 41 f.: Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG bilden die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs; vgl. weiterhin Hoffmann, Abwehranspruch, S. 78 f. mit Fußn. 62, hinsichtlich des Abwehranspruchs gegenüber rechtswidrigen hoheitlichen Realakten: Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Rechtsgrundsatz,

Β. Die dogmatische Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs

71

Art. 2 Abs. 1 GG sichere als sog. „Hauptfreiheitsgrundrecht" 83 umfassend die Rechtsposition der freien menschlichen Entfaltung und verbürge damit ein Abwehrrecht gegen jedwede rechtswidrige Handlung der öffentlichen Gewalt. Als Konsequenz dieser umfangreichen Schutzfunktion sei diese Vorschrift geeignet, die verfassungsrechtliche Basis des Folgenbeseitigungsanspruchs zu bilden.84 Dem stehe auch nicht entgegen, daß dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG nach allgemein anerkannter Auffassung der Stellenwert eines Auffangrechts zukomme, demzufolge es im Verhältnis zu den nachfolgend geregelten speziellen Grundrechten, z.B. Art. 2 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG, dann verdrängt werde, soweit deren Schutzbereich durch einen Eingriffsakt tangiert werde.85 Es müsse vielmehr zwischen der materiellen Rechtsmacht, die durch die Grundrechte gewährleistet und durch das hoheitliche rechtswidrige Verhalten ggf. verletzt wird, und dem Abwehranspruch gegen die Rechtsbeeinträchtigung unterschieden werden.86 Die subsidiäre Anwendbarkeit des Art. 2 Abs. 1 GG komme nur insoweit zum Tragen, als diese Verfassungsbestimmung einen allgemeinen materiellen Freiheitsgehalt besitze, der auch durch die speziellen Freiheitsrechte gewährleistet werde. Soweit hingegen Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als „aktualisierter status negativus" als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs herangezogen werde,87 griffen vorrangige Einzelgrundrechte nicht ein. Insofern sei unerheblich, ob durch das staatliche Unrecht bereits Einzelfreiheitsrechte verletzt würden. Denn diese verbürgten zwar materielle Freiheitspositionen, jedoch folge die Rechtsmacht, gegen das Verwaltungsunrecht vorzugehen und damit der Abwehranspruch als solcher,88 unmittelbar und „daß jede rechtswidrige hoheitliche Belastung einen Abwehranspruch des betroffenen Bürgers auslöst", stellen die dogmatische Grundlage des Abwehranspruchs dar. S. auch im Rahmen der Erörterung der vorbeugenden Unterlassungsklage, Laubinger, Verwaltungsakt, S. 146. 83

Vgl. hierzu: Dürig, in: M/D/H/S, GG, Art. 2 I Rdnr. 6; Katz, StaatsR, § 30 Rdnr. 683; v. Münch, in: v. Münch, GG, Art. 2 Rdnr. 3. S. außerdem Hesse, VerfR, § 12 Rdnr. 427, der den Begriff der „freien Entfaltung der Persönlichkeit" jedoch restriktiv auslegt, vgl. Hesse, VerfR, § 12 Rdnr. 428. 84

AM, Anspruch, S. 41 f.

85

St. Rspr., vgl. BVerfGE 4, 52 (57); 6, 32 (37); 32, 98 (107); weiterhin Dürig, in: M/ D/H/S, GG, Art. 2 I Rdnr. 6; v. Münch, in: v. Münch, GG, Art. 2 Rdnrn. 4, 76; Hesse, VerfR, § 12 Rdnr. 427. 86 AM, Anspruch, S. 42 mit Fußn. 176, bezugnehmend auf Heidenhain, Amtshaftung, S. 139. 87 88

AM, Anspruch, S. 42.

S. allgemein zum Abwehranspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG: Dürig, in: M/D/H/S, GG, Art. 2 I Rdnr. 26; Schwabe, DÖV 1973, 623; Zuleeg, DVB1. 1976, 509 (514). Während früher der Grundrechtscharakter von Art. 2 Abs. 1 GG zum Teil in Frage gestellt worden ist, ist der subjektiv-rechtliche Gehalt der Grundrechtsbestimmung heutzutage nicht mehr umstritten, vgl. die Darstellung bei v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 1 mit umfangreichen Nachweisen in Fußn. 1.

72

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

alleine aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. 89 Das zwischen Art. 2 Abs. 1 GG und den speziellen Grundrechten bestehende Konkurrenzverhältnis sei deshalb in diesem Zusammenhang ohne Relevanz.90 Aufgrund dessen sei zur Bestimmung der rechtlichen Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs vorrangig auf Art. 2 Abs. 1 GG abzustellen.

II. Zivilrechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs Im Gegensatz zu den vorstehend dargestellten öffentlich-rechtlichen Ableitungen des Folgenbeseitigungsanspruchs hat erstmals Bettermann91 und ihm folgend vereinzelt die Rechtsprechung92 und zum Teil die Lehre 93 einen völlig anderen Lösungsweg beschritten, indem er das rechtliche Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs im Zivilrecht gesucht hat. Danach bilden die §§ 12, 861, 862, 1004 BGB in rechtsanaloger Anwendung die Rechtsgrundlage dieser Anspruchsnorm. Ausgehend von der Prämisse, nach der die Verfassung selbst keine ausdrückliche Regelung des Folgenbeseitigungsanspruchs vorsieht, besteht nach dieser Ansicht die Notwendigkeit, diese Regelungslücke durch Zurückgreifen auf eine positivrechtliche Vorschrift zu schließen.94 Als geeignete Bestimmung sei § 1004 BGB heranzuziehen in der extensiven Auslegung, die diese 89

Au, Anspruch, S. 42 f.

90

Au, Anspruch, S. 43.

91

Bettermann, DÖV 1955, 528 (534 f.); ders., Sitzungsberichte, S. L 66 f. Hingegen hat Bettermann, in: Die Grundrechte, 3. Bd., 2. Halbbd., S. 803 f., als Rechtsgrundlage für die Restitutionsklage Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG, Art. 28 Abs. 1 GG) herangezogen, vgl. den Nachweis in Fußn. 35. 92 VGH München, BayVBl. 1990, 627 (628); OVG Münster, DVB1. 1977, 259, sowie VG Minden, DVB1. 1965, 339 (340), in bezug auf den Beseitigungsanspruch gegenüber tatsächlichem Verwaltungshandeln; vgl. auch VGH Kassel, DÖV 1988, 468; OVG Münster, NVwZ 1985, 123. 93

Kreft, Sitzungsberichte, S. L 77; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 494 f.; vgl. aber auch den Nachweis in Fußn. 57; s. weiterhin Groß, DVB1. 1981, 247 (248); Schleeh, AöR 92 (1967), 58 (76 ff.), wobei nach seiner Auffassung der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch zwei Tatbestände umfaßt: den negatorischen Beseitigungsanspruch i.S. von Bettermann und den deliktischen Beseitigungsanspruch, der als öffentlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch Verschulden voraussetzt und auf volle Naturalrestitution gerichtet ist, Schleeh, a.a.O., S. 80, 94; Schulz-Schaeffer, Sitzungsberichte, S. L 69 f., wonach man aus dem Grundgedanken des § 1004 BGB und der zivilrechtlichen Ordnung auf einen allgemeinen Rechtsgedanken schließen kann, der die dogmatische Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs bildet; vgl. auch Ule/Fittschen, JZ 1965, 315, in bezug auf den Beseitigungsanspruch gegenüber tatsächlichem Verwaltungshandeln. S. außerdem Faber, VerwR, § 28 II, S. 279, sowie Schwerdtfeger, Nachweis in Fußn. 78. 94

Kreft,

Sitzungsberichte, S. L 77.

C. Die Bedeutung der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

73

Rechtsnorm bereits durch die reichsgerichtliche Rechtsprechung gefunden habe. Das Reichsgericht habe, dem Erfordernis eines gerechten Rechtsschutzsystems Rechnung tragend, den Anwendungsbereich des § 1004 BGB auf die Verletzung jedweder absoluter Rechte sowie der sonstigen § 823 BGB unterfallenden Rechtsgüter ausgedehnt,95 wobei dieser Abwehranspruch kein Verschulden voraussetzte und als Rechtsfolge die Beseitigung bereits eingetretener und noch fortdauernder Störungen erfassen sollte.96 Die Übertragung dieser Auslegung des Reichsgerichts in den öffentlichen Rechtskreis sei möglich und sogar geboten,97 da in beiden Rechtsgebieten ein gleichermaßen schutzwürdiges Interesse an der Behebung ungerechtfertigter Rechtsbeeinträchtigungen bestehen würde.98 Folglich sei die rechtliche Abstützung des Folgenbeseitigungsanspruchs durch eine Analogie zu § 1004 BGB sicherzustellen.

C. Die Bedeutung der Rechtsgrundlage für die Ausgestaltung von Tatbestand und Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs Im folgenden soll nunmehr unter drei Gesichtspunkten untersucht werden, ob und ggf. in welchem Umfang die unter B. dargestellten möglichen Rechtsgrundlagen des Folgenbeseitigungsanspruchs Einfluß auf dessen Tatbestandsmerkmale und dessen Rechtsfolgen besitzen. Den Ausgangspunkt der Erörterung bilden dabei diejenigen tatbestandlichen Erfordernisse, die in der Rechtsprechung und Literatur in besonderem Maße kontrovers diskutiert werden oder einen unklaren Rechtsgehalt aufweisen. Denn gerade die Analyse bestrittener Lösungsansätze bietet die Möglichkeit, eine eventuell bestehende Wechselwirkung zwischen der rechtlichen Grundlage und der Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs festzustellen.

95 Bettermann, DÖV 1955, 528 (534), mit Bezug auf RGZ 148, 114 (122 f.); 163, 112 (120) und OGH BZ, MDR 1949, 100 (102). Bei dem Verweis auf RGZ 163, 112 (120), handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler, da dieser Entscheidung keine diesbezüglichen Aussagen zu entnehmen sind. Gemeint ist wohl die Entscheidung RGZ 163, 210 (214), mit ausdrücklicher Aufgabe von RGZ 97, 343 (345); RG JW 1934, 408 Nr. 4 (410). 96

Vgl. die Darstellung bei Bettermann, DÖV 1955, 528 (534).

97

So Bettermann, DÖV 1955, 528 (535 1. Sp. oben).

98

S. den Nachweis wie vor.

74

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

I. Das Tatbestandsmerkmal „Eingriff" Als erste Voraussetzung für das Entstehen eines Folgenbeseitigungsanspruchs muß ein hoheitlicher Eingriff in eine geschützte Rechtsposition des Bürgers vorliegen." Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang die Frage, ob ein Eingriff auch in einem Unterlassen i.S. einer rechtswidrigen Antragsablehnung bestehen kann.

1. Problemstellung Als Beispiel sei ein Sachverhalt aus dem Bereich des Baurechts erwähnt: Einem Bauherrn ist unberechtigterweise die Bauerlaubnis für ein Bauvorhaben versagt worden. Da nachfolgend die Genehmigungsvoraussetzungen durch eine Änderung der Rechtslage verschärft worden sind mit der Folge, daß der Antragsteller nach aktuellem Recht keinen Anspruch mehr auf die Erteilung der Bauerlaubnis hat, begehrt er im Wege der Folgenbeseitigungsklage die Erteilung des begünstigenden Verwaltungsakts. Zur Begründung führt er aus, daß er, wäre sein ursprünglich gestellter Antrag nicht zu Unrecht abgelehnt worden, bereits im Besitz der zwischenzeitlich unanfechtbaren Bauerlaubnis wäre. 100 Während das OVG Lüneburg 101 in diesem Fall die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs befürwortet hat, geht das Bundesverwaltungsgericht 102 in ständiger Rechtsprechung vom Nichteingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs aus. Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Standpunkte stellt sich die Frage nach dem generellen Einfluß der Rechtsgrundlage auf die Begriffsbestimmung dieses Tatbestandsmerkmals.

a) Art 20 Abs. 3 GG Folgt man der Auffassung, nach der die materiell-rechtliche Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs in dem Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG, zu sehen ist, 103 so liegt die Einbeziehung der rechtswidrigen Leistungsverweigerung in den Geltungsbereich des Folgenbe-

99

Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Β II, S. 153 ff.

100

Vgl. den Sachverhalt der Entscheidung, OVG Lüneburg, OVGE 18, 501.

101

OVG Lüneburg, OVGE 18, 501 (506 ff.).

102

BVerwG, BBauBl. 1963, 605 (606); BVerwG, DVB1. 1962, 178 (179).

103

S. hierzu die Ausführungen unter Β I 1 a, S. 59 f., sowie die Nachweise in Fußn. 32-35.

C. Die Bedeutung der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

75

seitigungsanspruchs nahe. 1 0 4 Denn der umfassend formulierten Verpflichtung der Verwaltung zu rechtmäßigem Verhalten läßt sich nicht nur das Verbot entnehmen, den Bürger durch aktives Tun in seiner Rechtssphäre zu verletzen, sondern sie legt der Exekutive gleichermaßen die Verpflichtung auf, eine dem Einzelnen zustehende Rechtsposition nicht rechtswidrigerweise vorzuenthalten. 105

b) Art. 34 GG Dasselbe Ergebnis bestünde auch bei einer Heranziehung des Art. 34 G G als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs. Wird diese Verfassungsbestimmung als Grundlage eines umfassenden Wiedergutmachungsanspruchs und einer originären und unmittelbaren Staatshaftung verstanden, 106 so läßt sich ihr keine Beschränkung auf die Ahndung von positivem Eingriffsverhalten entnehmen. Vielmehr erschiene es dann konsequent, auch die Folgen der unrechtmäßigen Nichtgewährung hoheitlicher Leistungen im Wege eines auf Art. 34 G G gestützten Folgenbeseitigungsanspruchs zu beseiti-

104 So leitet das Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 69, 366 (370), den Folgenbeseitigungsanspruch aus Art. 20 Abs. 3 GG her und geht - allerdings ohne Bezug auf diese Rechtsgrundlage - davon aus, daß der Folgenbeseitigungsanspruch auch im Falle eines administrativen Unterlassens Anwendung finden kann, so BVerwGE 69, 366 (367, 371). Zu der gleichen Schlußfolgerung, d.h. Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs in den Fällen der rechtswidrigen Leistungsversagung bei Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 Abs. 3 GG, kommt Weyreuther, Gutachten, S. Β 77 in Fußn. 313; vgl. außerdem Hoffmann , Abwehranspruch, S. 52 f.; Schenke, JuS 1990, 370 (372). 105 Normiert nämlich Art. 20 Abs. 3 GG anerkanntermaßen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (vgl. die Nachweise in Fußn. 33), nach dem die Exekutive die gesetzlich getroffene abstrakte Entscheidung zu beachten hat (s. hierzu Herzog, in: M/D/H/S, GG, Art. 20 V I Rdnr. 35; Schnapp, in: v. Münch, GG, Art. 20 Rdnr. 38), so folgt hieraus auch die Verpflichtung der Verwaltung, eine dem Bürger gesetzlich zustehende Vergünstigung nicht rechtswidrigerweise vorzuenthalten, vgl. Schnapp, in: v. Münch, GG, Art. 20 Rdnr. 39; s. weiterhin Hoffmann, Abwehranspruch, S. 52 f. Auch im Bereich der Gesetzgebung ergibt sich aus Art. 20 Abs. 3 GG nicht nur das Verbot des Erlasses verfassungswidriger Gesetze, sondern es ist aus der Verfassungsbestimmung ggf. auch das Gebot abzuleiten, eine gesetzliche Regelung zu treffen. Allerdings kann eine Mißachtung dieses Handlungsgebotes v.a. im Hinblick mxf den Grundsatz der Gewaltenteilung vom Bundesverfassungsgericht nicht mit den gleichen Sanktionen wie im Fall des Erlasses eines verfassungswidrigen Gesetzes geahndet werden, s. Herzog in M/D/H/ S, GG, Art. 20 V I Rdnrn. 7 f. 106 107

Vgl. die Darstellung unter Β I 1 c, S. 63 f., und die Nachweise in Fußn. 49-55.

S. hierzu Papier, DÖV 1972, 845 (848 f.), der allerdings im Ergebnis die Einbeziehung der rechtswidrigen Leistungsversagung in den Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruch ablehnt, Papier, DÖV 1972, 845 (850 f.). S. weiterhin Haas, System, S. 65, der den auf Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, Art. 34 GG sowie Art. 20, 28 GG gestützten Folgenbeseitigungsanspruch - Nachweise in Fußn. 43 - als „Wiedergutmachungsanspruch für alle Arten von Schäden und alle Fälle der Rechtswidrigkeit" qualifiziert.

76

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

c) Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip Auf der Grundlage der Überzeugung, daß die rechtliche Basis des Folgenbeseitigungsanspruchs in dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip verankert ist, 108 kann wegen des umfassenden Inhalts und der damit verbundenen Unscharfe dieser Staatszielbestimmung109 keine zwingende Schlußfolgerung zur Beantwortung der Ausgangsfrage ermittelt werden. Allerdings spricht der weitreichende Rechtsgehalt des Rechtsstaatsgrundsatzes eher für eine Erstreckung des Regelungsbereichs des Folgenbeseitigungsanspruchs auch auf eine unterlassene Verwaltungsmaßnahme.

d) Die Freiheitsgrundrechte Bedenken hinsichtlich der Einbeziehung von unterbliebenen Verwaltungstätigkeiten in die Begriffsbestimmung der Anspruchsvoraussetzung „Eingriff 4 ergeben sich demgegenüber bei Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus den Freiheitsgrundrechten. 110 Während einhellig anerkannt ist, daß den grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen eine Abwehrfunktion gegen staatliche rechtswidrige Eingriffe zukommt,111 wird demgegenüber für den Regelfall in Rechtsprechung112 und Literatur 113 abgelehnt, aus den Grundrechten im Falle

108

S. die Ausführungen unter Β I 1 d, S. 64 f., sowie die Nachweise in Fußn. 57.

109

Vgl. BVerfGE 45, 187 (246); 35, 41 (47); Katz, StaatsR, § 10 Rdnr. 169. Danach sind dem Rechtsstaatsprinzip selbst keine für jeden Sachverhalt in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote von Verfassungsrang zu entnehmen. Vielmehr bedarf das Rechtsstaatsprinzip der Konkretisierung je nach den sachlichen Umständen, wobei allerdings die wesensbestimmenden Elemente des Rechtsstaatsgrundsatzes gewahrt bleiben müssen. 110

S. die Darstellung unter Β I 2 a, S. 66 ff. mit den Nachweisen in Fußn. 61 und 62.

111

Vgl. die Nachweise in Fußn. 64-66.

112

So für aus den Grundrechten abgeleitete Leistungsrechte beispielsweise: BVerwG, NJW 1987, 2315 (2316); NJW 1978, 842 f. Ansprüche auf behördliche Leistungen ergeben sich aus dem Grundrecht allenfalls ausnahmsweise, wenn die begehrte und der Behörde mögliche Leistung zum Schutz des grundrechtlich gesicherten Freiheitsraumes unerläßlich ist, BVerwG, NJW 1985, 339 r. Sp. Mitte; BVerwGE 61, 40 (41 f.); 61, 15 (19 f.). Darüber hinaus hat die Rechtsprechung aus den Grundrechten folgende finanzielle Leistungsansprüche in einigen Sonderfällen anerkannt, so BVerwGE 1, 159 (161 f.): Anspruch auf Sozialhilfe im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip; - BVerwGE 9, 78 (80 f.): Anspruch auf Impfung mit Rücksicht auf Art. 2 Abs. 2 GG; - BVerwGE 27, 360 (362 ff.): Anspruch auf Privatschulsubventionierung im Hinblick auf Art. 7 Abs. 4 GG; allerdings eingeschränkt durch BVerwG, NVwZ 1985, 111 f.; s. auch BayVerfGH, NVwZ 1985, 481 ff., sowie Grämlich, JuS 1985, 607 ff. Weiterhin hinsichtlich der Ableitung von Teilhabeansprüchen aus den Grundrechten grundlegend BVerfGE 33, 303 (330 ff.) - Numerus-clausus-Urteil; 35, 79 (114 ff., 127 f.). 113

So in bezug auf grundrechtliche Leistungsansprüche: Katz, StaatsR, § 25 Rdnr. 585,

C. Die Bedeutung der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

77

einer verweigerten staatlichen Maßnahme unmittelbare Leistungsansprüche114 oder Teilhaberechte115 abzuleiten. Konsequenterweise läßt sich folglich aus einer grundrechtlichen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs das Indiz entnehmen, das Tatbestandsmerkmal „Eingriff* regelmäßig auf ein aktives Tun zu beschränken.116

2. Schlußfolgerung Als Ergebnis läßt sich somit festhalten, daß sich aus der Wahl der Rechtsgrundlage zwei Arten von rechtlichen Konsequenzen für die Auslegung des Tatbestandserfordernisses „Eingriff 4 ergeben: - Bei Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus so allgemeinen Grundsätzen wie dem Gesetzmäßigkeitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG sowie dem Rechtsstaatsprinzip legt die umfassende Bedeutung dieser verfassungsrechtlichen Prinzipien eher eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieses Rechtsinstituts auf die rechtswidrige Antragsablehnung nahe. Die Unbestimmtheit und damit einhergehend die Konturlosigkeit dieser Verfassungsbestimmungen eröffnet die Möglichkeit, in die verfassungsrechtlichen Leitziele einen gewünschten Inhalt hineinzuinterpretieren, um diesen dann im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs geltend machen zu können. Bei diesen umfangreich konzipierten Rechtsgrundlagen besteht somit die Gefahr einer unbeschränkten Wechselwirkung der materiellen Grundlage auf die Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs,

zu den in Einzelfällen zu gewährenden Ausnahmen, ders., § 24 Rdnr. 555, § 25 Rdnr. 585; v. Münch, in: v. Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rdnrn. 20 f. Hinsichtlich der Herleitung von Teilhabeansprüchen aus den Grundrechten: Katz, StaatsR, § 24 Rdnr. 555, § 25 Rdnrn. 580 ff.; v. Münch, in: v. Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rdnr. 20. Ausführlich zu der Problematik der grundrechtlichen Leistungs- und Teilhabeansprüche: Stern, StaatsR III /1, S. 687-750. 114 Unter den grundrechtlichen Leistungsansprüchen, auch originäre Teilhabeansprüche genannt, versteht man die unmittelbare Herleitung konkreter oder einklagbarer materieller Verpflichtungen aus Grundrechten, v. Münch, in: v. Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rdnr. 20, d.h., insbes. die Ableitung finanzieller Leistungs- oder Versorgungsansprüche gegen den Staat, Katz, StaatsR, § 25 Rdnr. 585. 115 Teilhaberechte, auch als derivative Teilhabeansprüche bezeichnet, sind Rechte auf verhältnismäßige, alle Kapazitäten ausschöpfende und an Art. 3 Abs. 1 GG orientierte, gleiche Teilhabe an Leistungen und Einrichtungen, die vom Staat bereitgestellt sind, Katz, StaatsR, § 25 Rdnrn. 580 f.; v. Münch, in: v. Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rdnr. 20. 116 Ebenso Weyreuther, Gutachten, S. Β 93 ff.; Schenke, DVB1. 1990, 328 (332); ders., JuS 1990, 370 (372); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (41); Wallerath, DÖV 1987, 505 (512); offengelassen von Schimpf, Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 339, bezugnehmend auf Weyreuther, Gutachten, S. Β 78 ff.

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Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

was letztlich dazu führt, daß der Inhalt dieses Haftungsinstituts zur Disposition des konkret angerufenen Gerichts steht. -

Hinsichtlich der Abstützung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf Art. 34 GG sowie in bezug auf die grundrechtliche Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs ist festzustellen, daß deren Bedeutung zumindest in einer indiziellen Einflußnahme auf die Ausformung des Tatbestands des Folgenbeseitigungsanspruchs besteht. Denn diese rechtlichen Grundlagen weisen im Verhältnis zu den zuvor erwähnten allgemeinen Grundsätzen bezüglich des relevanten Eingriffsverhaltens einen konkreteren Aussagegehalt auf. So ergeben sich bei einer Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 34 GG Anhaltspunkte für eine Erstreckung des Geltungsbereichs des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die unberechtigte Leistungsverweigerung, wohingegen im Falle der grundrechtlichen Wurzel eine Vermutung gegen das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs spricht. Soll von dieser Indizwirkung gleichwohl bei der Definition des Tatbestandsmerkmals abgewichen werden, so ist ein ausführlicher dogmatischer Begründungsaufwand zu fordern, um dieses Ergebnis zu rechtfertigen.

Demnach läßt sich im Hinblick auf die Begriffsbestimmung des Eingriffsverhaltens eine Wechselbeziehung mit der jeweils angenommenen rechtlichen Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs ermitteln.

II. Das Tatbestandsmerkmal „geschützte Rechtsposition" Weiterhin setzt der Folgenbeseitigungsanspruch voraus, daß durch den Eingriff der Verwaltung eine geschützte Rechtsposition des Bürgers tangiert worden ist. 117 Auch in bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal soll untersucht werden, ob sich dessen Inhalt in Abhängigkeit von der gewählten rechtlichen Basis des Folgenbeseitigungsanspruchs verändert.

1. Einzelgrundrecht So ist bei der Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem im Einzelfall jeweils konkret beeinträchtigten Grundrecht 118 für die Bestimmung der geschützten Rechtsstellung der durch das Grundrecht garantierte Schutzbereich maßgebend. Denn geht man davon aus, daß der Folgenbeseitigungsanspruch unmittelbar aus dem verletzten Einzelgrundrecht erwächst, so kann konsequenterweise der Abwehranspruch nur soweit reichen, wie das Grund117 Zu den Einzelheiten siehe die Darstellung in Kapitel 2 Β I, S. 137 ff. 118

Vgl. die Ausführungen unter Β I 2 b, S. 66 f. mit den Nachweisen in Fußn. 78, 79.

C. Die Bedeutung der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

79

recht selbst einen schutzbewehrten Freiheitsraum garantiert. 119 Bei diesem Lösungsansatz ist mithin die durch das Grundrecht verbürgte Freiheitssphäre und der gegen das staatliche Unrecht erwachsende grundrechtliche Beseitigungsanspruch als voneinander abhängig zu bewerten.120 Der Schutzbereich der Grundrechte ist aber je nach Inhalt und Bedeutung des Grundrechts individuell und damit unterschiedlich zu bestimmen. Dies bedeutet beispielsweise für einen aus der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG abgeleiteten Folgenbeseitigungsanspruch, daß der Beseitigungsanspruch nur insoweit eingreifen kann, als durch die Verwaltungsmaßnahme auch eine Eigentumsverletzung verursacht worden ist. Der Eigentumsbegriff umfaßt nach allgemein anerkannter Ansicht alle Vermögenswerten Rechte jedenfalls des Privatrechts,121 wohingegen das Vermögen als solches grundsätzlich nicht geschützt wird. 122 Folge dieser Eigentumsdefinition und mithin Schutzbereichsbestimmung ist somit, daß eine Amtshandlung, die lediglich das Vermögen als Ganzes beeinträchtigt, nicht Gegenstand eines auf Art. 14 GG beruhenden Folgenbeseitigungsanspruchs sein kann. Bei einer Abstützung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem je nach Sachverhalt konkret betroffenen Einzelgrundrecht ist folglich sein Anwendungsbereich abhängig von dem jeweiligen Schutzbereich des Grundrechts.

2. Art 2 Abs. 1 GG Wird demgegenüber die dogmatische Wurzel des Folgenbeseitigungsanspruchs im Rahmen einer generalisierten Betrachtungsweise in der Grund119

S. hierzu Bender, VB1BW 1985, 201 (202); H.J. Müller, DÖV 1977, 215 (216); Ossenbühl, StHR, S. 200. 120 Hierauf weisen auch die Formulierungen des BVerwG, NJW 1985, 1481 1. Sp.; BVerwG, DVB1. 1974, 239 r. Sp. Mitte, sowie des OVG Koblenz, NVwZ 1982, 565 1. Sp. Mitte, hin, wo ausdrücklich von einem Folgenbeseitigungsanspruch „aus Eigentum" gesprochen wird; vgl. auch BVerwG, NJW 1989, 2484; Ossenbühl, StHR, S. 200. 121

Bryde, in: v. Münch, GG, Art. 14 Rdnr. 11; Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rdnrn. 8 ff., 55 f.; v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 14 I Anm. ΠΙ 1 b; Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 14 I Rdnrn. 8, 11; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 14 Rdnr. 3. 122 BVerfGE 4, 7 (17); Bryde, in: v. Münch, GG, Art. 14 Rdnr. 23; v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 14 Anm. III 1 b; Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 14 I Rdnr. 150; Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14/15 Rdnr. 125. A.A. Kimminich, in: BK, Art. 14 Rdnr. 65. Einschränkend allerdings BVerfGE 14, 221 (241), sowie 29, 402 (413), wonach ein Verstoß gegen Art. 14 GG dann möglich ist, wenn Geldleistungspflichten den Bürger übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen. Der Schutz des Vermögens ist somit nur mittelbar über den „Eigentums"-Schutz gegeben, vgl. Papier, in; M/D/H/S, GG, Art. 14 I Rdnr. 150; ders., DVB1. 1980, 787 (789 f.); ders., Der Staat 11 (1972), 483 (489 ff.).

80

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

rechtsnorm des Art. 2 Abs. 1 GG erblickt, 123 so ist für die Frage der geschützten Rechtsposition der durch diese Verfassungsbestimmung garantierte Freiheitsbereich der „freien Entfaltung der Persönlichkeit" maßgebend. Versteht man diesen Begriff mit der ganz h.M. als umfassend gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen,124 die unmittelbar durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt wird, so kann prinzipiell jede gesetzwidrige Beeinträchtigung den Folgenbeseitigungsanspruch auslösen. Zur Vermeidung dieser extensiven Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs wird deshalb zum Teil vorgeschlagen, für den Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs einem Eingriffsverhalten nur dann haftungsrechtliche Relevanz zuzuerkennen, wenn das Gesetz, gegen das der Hoheitsträger verstoßen hat, zugleich den Verletzten gegen die Art der konkret vorliegenden Beeinträchtigung schützen will. 125 Danach wird die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheitssphäre zwar durch diese Grundrechtsnorm vorausgesetzt, indessen inhaltlich erst durch die einfachgesetzlichen Vorschriften ausgestaltet.126 Die Begriffsbestimmung des Tatbestandsmerkmals „geschützte Rechtsposition" würde infolgedessen maßgebend von den konkret einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen abhängig sein, gegen die die Verwaltungsbehörde verstoßen hat. Damit ergibt sich in Abhängigkeit von der befürworteten grundrechtlichen Basis des Folgenbeseitigungsanspruchs ein unterschiedlicher Anwendungsbereich dieses Haftungsinstituts.

3. Art 20 Abs. 3 GG/Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip Gewähren die gerade genannten Begründungskonzepte infolge ihrer Anbindung an die grundrechtlich jeweils geschützten Freiheitsbereiche Anhaltspunkte hinsichtlich der Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzung „geschützte Rechtsposition", so ist dies anders, wenn das Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs in Art. 20 Abs. 3 GG 1 2 7 oder auch in dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip128 gesehen wird. Diese rechtlichen Ableitungen sind wegen ihres umfassenden und damit einhergehenden konturlosen Charakters nicht geeignet, bezüglich dieses tatbestandlichen Erfordernisses Definitions-

123

S. die Ausführungen unter Β I 2 c, S. 70 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 82.

124

Grundlegend BVerfGE 6, 32 (36) - Elfes-Urteil; s. auch BVerfG, NJW 1989, 2525 f. m.w.N.; BVerwGE 45, 224 (227); Dürig, in: M/D/H/S, GG, Art. 2 I Rdnr. 9; v. Münch, in: v. Münch, GG, Art. 2 Rdnr. 17. Vgl. die weiteren Nachweise in Fußn. 220. 125

So Bender, VB1BW 1985, 201 (202 f.).

126

Bender, Nachweis wie vor. Vgl. auch Pietzcker, JuS 1982, 106 (110).

127

Vgl. die Darstellung unter Β I 1 a, S. 59 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 32-35.

128

S. die Ausführungen unter Β I 1 d, S. 64 f., einschließl. der Nachweise in Fußn. 57.

C. Die Bedeutung der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

81

angaben zu vermitteln. 129 Demnach könnte, da sich aus diesen rechtlichen Anknüpfungspunkten keine eindeutige Begrenzung ergibt, um das oben genannte Beispiel noch einmal aufzugreifen, auch ein Folgenbeseitigungsanspruch wegen eines Eingriffs in das Vermögen in Betracht kommen.

4. Zwischenergebnis Zusammenfassend läßt sich folglich festhalten, daß auch zwischen der Ausgestaltung des Tatbestandsmerkmals „geschützte Rechtsposition" und der materiell-rechtlichen Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs eine Wechselbeziehung besteht. Hinsichtlich der Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem im Einzelfall betroffenen speziellen Grundrecht besteht diese darin, daß die Reichweite des Beseitigungsanspruchs in Abhängigkeit von dem grundrechtlichen Schutzbereich zu definieren ist. Bei einer Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 2 Abs. 1 GG ist nach herrschender Ansicht die allgemeine Handlungsfreiheit unmittelbar durch diese Grundrechtsbestimmung garantiert, was einen weitreichenden Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs zur Folge hätte. Dieser würde nur dann eingeschränkt, wenn man der Ansicht folgt, wonach erst die einfachgesetzlichen Rechtsnormen den Inhalt der gem. Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Freiheitssphäre festlegen, so daß die „geschützte Rechtsposition" durch diese außerhalb der Verfassung stehenden Regelungen bestimmt würde. Im Falle der Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs in Art. 20 Abs. 3 GG bzw. in dem Rechtsstaatsprinzip bestünde ähnlich wie bei der Anspruchsvoraussetzung des „Eingriffsverhaltens" die Gefahr einer unbeschränkten Wechselwirkung zwischen Rechtsgrundlage und Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs.

III. Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs Umstritten ist des weiteren, welche Rechtsfolgen der Folgenbeseitigungsanspruch auslöst. Einen bedeutsamen Problembereich der Auseinandersetzung bildet dabei der Inhalt der behördlichen Beseitigungspflicht. 130 Hierbei sind zwei unterschiedliche Ausprägungen denkbar:

129

Zu der Schwierigkeit, spezifische Einzelausformungen des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleiten, Fiedler, NVwZ 1986, 969 (973), mit Bezug auf Bettermann, DÖV 1955, 528 (531); vgl. weiterhin Schenke, JuS 1990, 370 (372 f.). 130

Vgl. die Darstellung in Kapitel 3, B, S. 391 ff.

6 Pietzko

82

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

-

Mit dem Folgenbeseitigungsanspruch kann die Wiederherstellung des Zustande gefordert werden, wie er vor Eintritt des rechtsverletzenden Ereignisses bestanden hat. 131 - Der Folgenbeseitigungsanspruch richtet sich auf die Herstellung des Zustande, der bestehen würde, wenn das rechtswidrige Verwaltungshandeln nicht erfolgt wäre, so daß auch ein entgangener Gewinn ersetzt werden müßte. Dies entspräche der Vorschrift des § 249 S. 1 BGB. 1 3 2

1. Art 34 GG/Die Freiheitsgrundrechte Auf der Grundlage der Auffassung, daß der Folgenbeseitigungsanspruch seine Wurzel in der VerfassungsVorschrift des Art. 34 GG besitzt,133 ist die Reichweite der Beseitigungsverpflichtung konsequenterweise umfassend zu bestimmen. Infolge der dann bestehenden umfangreichen Haftungsverpflichtung der öffentlichen Gewalt und der Anbindung an die Schadensersatzbestimmung des § 839 BGB kommen die §§ 249, 252 BGB zur Anwendung, weshalb als Rechtsfolge die Herstellung des hypothetischen Zustands gefordert werden könnte.134 Dem Charakter nach würde der Folgenbeseitigungsanspruch so zu einem umfassenden Wiedergutmachungsanspruch.135 Zu dem gleichen Ergebnis kommt Martin Redeker, 136 jedoch aufgrund einer anderen rechtlichen Fundierung des Folgenbeseitigungsanspruchs. Als Folge der von ihm befürworteten Ableitung aus den Grundrechten besitze der Folgenbeseitigungsanspruch in der Anspruchsnormenhierarchie eine hervorgehobene Rangstelle. Komme den Grundrechten aber ein besonderer Stellenwert innerhalb der verschiedenen Ansprüche zu, so müsse auch der aus den Grundrechten entwickelte Folgenbeseitigungsanspruch einen dieser Stellung entsprechenden Umfang aufweisen, um eine adäquate und angemessene Sanktion der Grundrechtsverletzung darzustellen. Demzufolge sei dieses Haftungsinstitut als umfassender Wiedergutmachungsanspruch zu qualifizieren.

131

So z.B. BVerwG, NJW 1989, 118; VGH Mannheim, VB1BW 1990, 102; BVerwGE 69, 366 (371); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 219, 271 f.; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 9; Ossenbühl, StHR, S. 201. S. die Ausführungen in Kapitel 3 Β I 2, S. 393 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 22. 132 So beispielsweise M. Redeker, DÖV 1987, 194 (198). Vgl. die Darstellung in Kapitel 3 Β I 4, S. 397 f. mit Nachweisen in Fußn. 38. 133

Vgl. die Ausführungen unter Β I 1 c, S. 63 f. mit Nachweisen in Fußn. 49.

134

Vgl. Menger, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 347 (350, 352); Haas, System, S. 65 f. Vgl. auch die Darstellung bei Bettermann, DÖV 1955, 528 (535). 135 Vgl. Menger, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 347 (350, 352); Haas, System, S. 65 f. 136

M. Redeker, DÖV 1987, 194 (198).

C. Die Bedeutung der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

83

2. § 1004 BGB analog Ein anderes Ergebnis ergibt sich bei Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs in Analogie zu § 1004 BGB. 137 Im Zivilrecht ist allgemein anerkannt, daß - ungeachtet der Meinungsverschiedenheit im Detail - im Rahmen des § 1004 BGB im Gegensatz zu den schadensersatzrechtlichen Vorschriften jedenfalls keine umfassende hypothetische Wiedergutmachung gefordert werden kann.138 Diese unbestrittene Begrenzung auf der Rechtsfolgenseite müßte bei einer Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus § 1004 BGB analog auch im öffentlichen Recht berücksichtigt werden. 139 Der Beseitigungsanspruch wäre somit in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB als (Wieder·) Herstellungsanspruch zu charakterisieren, nicht jedoch wie bei der Herleitung aus Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB als Wiedergutmachungsanspruch.140 Auch hinsichtlich der Rechtsfolge des Folgenbeseitigungsanspruchs ist somit festzuhalten, daß die Rechtsgrundlage Anhaltspunkte in bezug auf den Inhalt der Beseitigungspflicht enthält. Während bei einer Heranziehung des Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB sowie nach Martin Redeker im Fall einer grundrechtlichen Absicherung der typische Wesensgehalt des Folgenbeseitigungsanspruchs in einem Wiedergutmachungsanspruch besteht, hat der Folgenbeseitigungsanspruch auf der Grundlage einer zivilrechtlichen Wurzel in § 1004 BGB analog den Charakter eines (Wieder-) Herstellungsanspruchs.

IV. Teilergebnis Als Teilergebnis ist folglich festzustellen, daß die Wahl der Rechtsgrundlage Auswirkungen auf die Ausgestaltung von Tatbestand und Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs aufweist. Mithin besteht zwischen dem materiell-rechtlichen Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs und dem Anspruchsinhalt eine Wechselwirkung.

137

Vgl. die Darstellung unter Β II, S. 72 f. mit Nachweisen in Fußn. 91-93.

138

Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 1004 Anm. 3 b; Medicus, in: Müko, BGB, § 1004 Rdnr. 61; Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 5 a. S. weiterhin die Nachweise in Kapitel 3, Fußn. 96. 139 140

Vgl. hierzu Weyreuther,

Gutachten, S. Β 72.

Bettermann, DÖV 1955, 528 (535). Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang, wie der Begriff der „Wiederherstellung" im einzelnen zu definieren ist und welchen Anspruchsumfang der Folgenbeseitigungsanspruch aufweisen würde, so beispielsweise die Frage, ob nur der störende Zustand als solcher zu beseitigen ist oder auch die daraus folgenden sekundären Störungsfolgen. S. hierzu die Darstellung in Kapitel 3 Β IV, S. 418 ff., sowie in Kapitel 3 C, S. 433 ff.

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Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs I. Vorbemerkung Mit Rücksicht auf die nachgewiesene Wechselbeziehung zwischen der Rechtsgrundlage und der tatbestandlichen Struktur sowie der Rechtsfolge des Folgenbeseitigungsanspruchs kann die Festlegung der rechtlichen Basis nicht auf sich beruhen. Vielmehr ist erörterungsbedürftig, welche der vertretenen Lösungsmodelle als zutreffend erscheint. Allerdings hat die Diskussion um die dogmatische Herkunft des Folgenbeseitigungsanspruchs bislang darunter gelitten, daß nicht vorab abstrakt ermittelt worden ist, welche rechtlichen Anforderungen an die Anerkennung einer solchen Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs zu stellen sind. Wird die Beantwortung dieser Vorfrage unterlassen, besteht die Gefahr freier schöpferischer Begründungsversuche, die sich allzuweit von dem in seinen Grundstrukturen allgemein anerkannten Haftungsinstitut entfernen. Deshalb ist es geboten, die generellen Kennzeichen aufzuzeigen, welche die zu ermittelnde dogmatische Grundlage aufweisen muß.

1. Materieller Regelungsgehalt Bei dem Folgenbeseitigungsanspruch handelt es sich um ein Rechtsinstitut, das einen materiell-rechtlichen Anspruch des Geschädigten auf Beseitigung der staatlichen Unrechtsfolgen begründet. Daraus leitet sich die logische Notwendigkeit ab, daß bereits die rechtliche Grundlage, aus der heraus dieser Anspruch entwickelt werden soll, einen materiell-rechtlichen Regelungsgehalt besitzt. Dies setzt zweierlei voraus: Zunächst darf es sich bei der als Rechtsgrundlage zu charakterisierenden Vorschrift nicht um eine prozessuale Bestimmung handeln. Eine prozeßrechtliche Rechtsnorm ist dadurch gekennzeichnet, daß sie die Durchsetzung, d.h. die Art und Weise der Geltendmachung eines Anspruchs regelt, indessen die Existenz der Anspruchsgrundlage voraussetzt. Mithin scheidet diese bereits infolge ihres Rechtscharakters prinzipiell als anspruchsbegründendes Fundament eines Haftungsinstituts aus. Zweitens muß die zur rechtlichen Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs heranzuziehende Bestimmung einen konkreten Regelungsgehalt aufweisen. Im Unterschied beispielsweise zu den Staatszielbestimmungen, welche den allgemeinen Auftrag an den Gesetzgeber formulieren, eine diesen Verfassungsgrundsatz ausführende und konkretisierende Normierung zu schaffen, jedoch selbst keine genauen Aussagen hinsichtlich der Verwirkli-

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

85

chung des Verfassungsprinzips bereitstellen,141 muß die als Rechtsgrundlage in Frage kommende Vorschrift bereits selbst einen konkreten Verpflichtungsgehalt besitzen, aus dem heraus die Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs möglich erscheint.

2. Subjektiv-öffentlicher Charakter der Rechtsgrundlage Eine weitere Anforderung an die Rechtsgrundlage besteht im Hinblick auf den Anspruchscharakter des Folgenbeseitigungsanspruchs darin, daß sie ein subjektiv-öffentliches Recht beinhalten muß. 142 Das Erfordernis eines subjektiv-öffentlichen Regelungsgehalts der dogmatischen Grundlage kann nicht mit dem denkbaren Einwand entkräftet werden, daß auch ein objektiv-rechtlicher Charakter der Rechtsgrundlage insofern ausreichend sei, als der Folgenbeseitigungsanspruch selbst das erforderliche subjektiv-öffentliche Recht verkörpere. 143 Diese Argumentation ruft grundsätzlichen Widerspruch hervor. Sie verkennt, daß die Möglichkeit aus einer bestimmten Grundlage einen Anspruch herleiten zu können, logischerweise voraussetzt, daß das Fundament selbst bereits einen subjektiv-rechtlichen Inhalt aufweist. Die Annahme eines irgendwie stattfindenden Umschlags von objektiv-rechtlicher Grundlage zur subjektiv-rechtlichen Anspruchsnorm ist nicht nachgewiesen und folglich abzulehnen. Mithin muß die rechtliche Wurzel des Folgenbeseitigungsanspruchs Anspruchscharakter besitzen. Dies ist dann zu bejahen, wenn sie dem Bürger die Rechtsposition zuerkennt, von einem Träger hoheitlicher Verwaltung ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können. Diese Rechtsmacht unterscheidet das subjektiv-öffentliche Recht vom Rechtsreflex, der aus der Sicht des Bürgers nur die Verpflichtung der staatlichen Stellen zu gesetzmäßigem Vorgehen festschreibt. 144 Die Annahme eines subjektiven-öffentlichen Rechts ist 141

Vgl. die Nachweise in Fußn. 109.

142

S. hierzu im Rahmen der Kritik bezüglich der rechtlichen Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 20 Abs. 3 GG: Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 2; Bender, VB1BW 1985, 201 (202); M. Redeker, DÖV 1987, 194 (196); Schenke, DVB1. 1990, 328 (330); Weyreuther, Gutachten, S. Β 28 f. mit Fußn. 70. A.A. hingegen Wallerath, DÖV 1987, 505 (512 mit Fußn. 78), der Art. 20 Abs. 3 GG als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs anerkennt. Dem Einwand, Art. 20 Abs. 3 GG könne als objektiv-rechtliche Vorschrift keine subjektiven Rechte begründen, hält er entgegen, daß es bei der rechtlichen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs im Verfassungsrecht „lediglich um die Begründung eines auf die Ebene des .Sekundärrechts* hinzielenden ,Rechtsgrundsatzes' geht", der auf der einfachgesetzlichen Ebene der Konkretisierung bedarf. 143 144

Kritisch hinsichtlich dieses Einwandes auch M. Redeker, DÖV 1987, 194 (196).

Vgl. zur Abgrenzung von subjektiv-öffentlichem Recht und Rechtsreflex die Darstellung bei Bühler, Rechte, S. 21, 47 f., 51, 54, 228; G. Jellinek, System, S. 67 ff., 109,

86

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

dabei, ungeachtet verschiedener Auffassungen hinsichtlich der Begriffsbestimmung im einzelnen,145 anerkanntermaßen an drei Bedingungen geknüpft. Neben der ersten Voraussetzung, daß eine Vorschrift eine Rechtspflicht der Verwaltung, d.h. einen materiellen Regelungsgegenstand beinhaltet,146 ist erforderlich, daß die Rechtsnorm zumindest auch dem Schutz der Interessen einzelner Personen zu dienen bestimmt ist und ihr somit eine individuell schützende Funktion zukommt,147 und die Rechtsnorm es dem Betroffenen ermöglichen soll, sich auf die Vorschrift zu berufen. 148 Nur beim kumulativen Vorliegen dieser drei Erfordernisse ist die Bestimmung damit geeignet, das dogmatische Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs zu bilden.

3. Strukturelle Übereinstimmung mit den in Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannten Wesensmerkmalen des Folgenbeseitigungsanspruchs Des weiteren ist bei der Ermittlung der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs zu beachten, daß tragende Eigenschaften dieses Rechtsinstituts inzwischen zu gewohnheitsrechtlicher Anerkennung erwachsen sind. So ist heute unbestritten, daß zur Begründung eines Folgenbeseitigungsanspruchs eine schuldhafte Verletzungshandlung des Hoheitsträgers nicht gefordert ist, 149 und es ist weitgehend anerkannt, daß er als Restitutions- und nicht als umfassender Schadensersatzsanspruch zu qualifizieren ist. 150 Diese zwischen

119 f., 137 f.; Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 8 Rdnrn. 6 ff.

AllgVerwR, § 10 II 5, S. 155 ff.; Maurer,

145 Vgl. zur nach wie vor umstrittenen Definierung dieses Begriffes exemplarisch die Ausführungen bei Bachof, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 287 (291 ff.); ders., Vornahmeklage, S. 63 ff.,84; Bühler, Rechte, S. 9 ff., 224; ders., in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 269 ff.; G. Jellinek, System, insbes. S. 41 ff.; Hoppe, in: Festschrift für H.J. Wolff, S. 307 (315 ff.). 146

Bühler, Rechte, S. 21, 224; G. Jellinek, System, S. 67 f.; Maurer, AllgVerwR, § 8 Rdnr. 8; Stern, StaatsR III /1, S. 543. 147 Vgl. Bühler, Rechte, S. 21, 224; G. Jellinek, VerwR, § 8 Rdnr. 8; Stern, StaatsR III/1, S. 543. 148

System, S. 52 f., 70; Maurer, Allg-

Bühler, Rechte, S. 21, 224; Stern, StaatsR III/1, S. 543.

149

So ausdrücklich: BVerwG, NJW 1989, 2484 (2485); BVerwG, BayVBl. 1987, 541 1. Sp. Mitte; vgl. weiterhin exemplarisch, BVerwG, NJW 1989, 118; BVerwGE 69, 366 (367, 369); VGH Kassel, NJW 1989, 1500; VGH Kassel, NVwZ 1982, 565; OVG Koblenz, NJW 1987, 1660; VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (103); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); Bachof, Vornahmeklage, S. 138; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 219; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 6; Ossenbühl, StHR, S. 201; Rüfher, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 601. 150

S. beispielsweise BVerwG, NJW 1989, 118; BVerwG, BayVBl. 1987, 541 1. Sp. Mitte; BVerwGE 69, 366 (371 ff.); VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (103); Ossenbühl,

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

87

zeitlich zum charakteristischen Inhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs gewordenen Wesensmerkmale fordern eine rechtliche Wurzel, die mit diesen Strukturprinzipien in Einklang steht.

4. Gewährleistung von Rechtssicherheit Schließlich ist zu fordern, daß die Rechtsgrundlage geeignet erscheint, Rechtssicherheit zu gewährleisten, indem sie in ausreichendem Maße die tatbestandliche Struktur des Folgenbeseitigungsanspruchs präzisiert und damit einhergehend die Voraussehbarkeit seiner Handhabung ermöglicht. 151 Bei dem Gebot der Verwirklichung von Rechtssicherheit handelt es sich um eine Anforderung, die grundsätzlich an jede Rechtsgrundlage zu stellen ist, die eine zugunsten des Bürgers eingreifende Anspruchsnorm gegenüber staatlichem Unrecht legitimiert. Über diese allgemeine Bedeutung hinausgehend, kommt dem rechtsstaatlichen Erfordernis im Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs indessen im Hinblick auf dessen besonderen Stellenwert im Staatshaftungsrecht eine hervorgehobene Funktion zu. Durch die Naßauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.7.1981152 und die hieran anschließende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 153 ist das Prinzip manifestiert worden, daß der Einzelne bei rechtswidrigen Übergriffen staatlicher Machtträger vorrangig angehalten ist, gegen diesen Eingriffsakt selbst vorzugehen. Erst dann, wenn diese Rechtsschutzmöglichkeit keinen Erfolg gebracht hat, kann er einen Entschädigungsanspruch aus enteignungs- bzw. aufopferungsgleichem Eingriff durchsetzen. Das Versäumnis StHR, S. 198 f.; Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 601 ff.; Weyreuther, Gutachten, S. Β 18 ff. Uneinigkeit besteht indessen hinsichtlich des Umfangs des mit dem Folgenbeseitigungsanspruch geltend zu machenden Restitutionsbegehrens, insbesondere bezüglich der Frage, ob über die Beseitigung der primären Störungsfolge hinaus auch sekundäre Störungsfolgen zu beseitigen sind, vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 3 C, S. 433 ff. 151 Vgl. zu diesen allgemein aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsätzen, Herzog, in: M/D/H/S, GG, Art. 20 V I I Rdnrn. 61, 63; Katz, StaatsR, § 10 Rdnrn. 198 f.; Schnapp, in: v. Münch, GG, Art. 20 Rdnrn. 25 f. 152 BVerfGE 58, 300 (324); s. hierzu Engelhardt, NVwZ 1985, 621 ff.; Papier, in: M/ D/H/S, GG, Art. 14 VII Rdnrn. 630 ff.; Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 I 2, S. 552 ff. 153 Die Versäumung eines zumutbaren Rechtsmittels wird danach als Mitverschulden nach Maßgabe des § 254 BGB berücksichtigt, so BGH, NJW 1990, 898 (899), mit Bspr. Hermes, NVwZ 1990, 733 f.; BGHZ 92, 34 (50 f.) = JZ 1984, 987 mit Anm. Papier = DÖV 1985, 23 mit Anm. Schwabe; s. hierzu Kosmider, JuS 1986, 274 ff.; vgl. weiterhin BGHZ 90, 17 (31 ff.); BGH, NJW 1984, 1876 (1877); dazu Papier, JuS 1985, 184 ff. S. weiterhin Bender, JZ 1986, 888 (889); Detterbeck, JA 1991, 7 (10); Götz, AgrarR 1984, 1 (2 f.); Schmidt-Aßmann, DVB1. 1987, 216 (218). Vgl. auch die Regelung in § 6 StHG 1981.

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Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

der zumutbaren Wahrnehmung von Primärrechtsschutz gegen die Beeinträchtigung wird dabei regelmäßig mit dem Ausschluß des Entschädigungsanspruchs sanktioniert. Durch diese Rechtsprechung wurde der früher geltende haftungsrechtliche Grundsatz des „dulde und liquidiere" aufgehoben. 154 Als Folge dieses Rechtsprechungswandels hat zwangsläufig der Folgenbeseitigungsanspruch, gerichtet auf die tatsächliche Beseitigung der Verletzungsfolgen, neben der auf den Eingriffsakt abzielenden Anfechtungs- bzw. allgemeinen Leistungsklage, als Bestandteil des Primärrechtsschutzes, an Bedeutung gewonnen.155 Mit Rücksicht auf diese in der Praxis nunmehr bestehende Vorschaltfunktion des Folgenbeseitigungsanspruchs für den nachfolgenden Entschädigungsanspruch ist es im besonderen Maße geboten, den Folgenbeseitigungsanspruch als klar konturiertes Rechtsinstitut auszugestalten. Die Bedeutung des Folgenbeseitigungsanspruchs wird auch nicht durch die Möglichkeit der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen einer Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG relativiert, da das hier gegebene Verschuldenserfordernis die Durchsetzung dieses Anspruchs erschwert. Mithin kann nur das Lösungskonzept als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs akzeptiert werden, das - wie dargelegt - folgenden abstrakten Anforderungen genügt: 1. Materieller Regelungsgehalt, 2. Subjektiv-öffentliches Recht, 3. Strukturelle Übereinstimmung mit den gewohnheitsrechtlich anerkannten Wesensmerkmalen des Folgenbeseitigungsanspruchs, 4. Gewährleistung der Rechtssicherheit.

II. Kritik an den dargestellten Meinungen zur dogmatischen Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs im Hinblick auf die unter I. skizzierten Anforderungen an die Rechtsgrundlage 1. Art. 20 Abs. 3 GG — Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Zu überprüfen ist, ob die rechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Gesetzmäßigkeitsgrundsatz die Kriterien erfüllt, die an die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs zu stellen sind. 154 155

Vgl. BVerfGE 58, 300 (324).

Vgl. hierzu Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 I 2, S. 554 f. S. auch BGH, NJW 1984, 1876 f.; vgl. weiterhin die Darstellung in Kapitel 2 Β II 2, S. 193 f.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

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a) Materiell-rechtlicher Regelungsgehalt Bejaht werden kann dies für das Erfordernis des materiellen Regelungsinhalts der dogmatischen Grundlage. Gem. Art. 20 Abs. 3 GG ist die vollziehende Gewalt an Recht und Gesetz gebunden. Damit wird die Verpflichtung der Verwaltungsbehörden zu rechtmäßigem Verhalten angeordnet und mithin eine objektiv-rechtliche Bindung der Exekutive festgeschrieben. 156

b) Subjektiv-öffentlicher Charakter Zweifelhaft erscheint demgegenüber, ob Art. 20 Abs. 3 GG ein subjektivöffentlicher Regelungsgehalt zukommt.

aa) Wortlaut

des Art,. 20 Abs. 3 GG

Nach dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 3 GG wird die Verpflichtung der Exekutive zu rechtmäßigem Verhalten angeordnet, nicht jedoch ein subjektivöffentliches Recht des Bürgers auf Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns begründet.157 Allerdings könnte diese restriktive grammatikalische Auslegung dem Einwand begegnen, daß ein rechtsstaatliches Denken es gebietet, auch dann ein subjektiv-öffentliches Recht des Bürgers zu befürworten, wenn die konkrete Norm zwar nicht ausdrücklich ein solches festschreibt, jedoch die objektiv-rechtliche Verpflichtung der Verwaltung auch im Interesse des Bürgers geboten erscheint.158 Dies hätte zur Folge, daß Art. 20 Abs. 3 GG zumindest mittelbar ein subjektiv-rechtlicher Wesensgehalt zuerkannt werden müßte. Zutreffend ist dieses Bedenken insoweit, als bei gesetzlichen, d.h. unterhalb der Verfassungsebene stehenden Vorschriften, eine derartige Auslegung zur Verstärkung der Rechtsposition des Bürgers im Einzelfall geboten ist. Es darf allerdings nicht außer acht gelassen werden, daß es sich bei Art. 20 Abs. 3 GG um eine Verfassungsnorm handelt, die somit selbst oberste Rechtsquelle ist und als solche den Maßstab für ihren Anwendungsbereich bestimmt. Im Hinblick auf den Verfassungsrang der Vorschrift und der damit verbundenen herausgehobenen Stellung gebieten es aber die Gebote der Rechtssicherheit und der Bestimmtheit von Normen besonders, die eindeutige 156

Auf den objeküv-rechtlichen Rechtsgehalt des Art. 20 Abs. 3 GG weisen ebenfalls hin: Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 2; M. Redeker, DÖV 1987, 194 (196). 157 Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 2; Au, Anspruch, S. 36 f., 40; Hoffmann, Abwehranspruch, S. 53, 62; Maaß, BayVBl. 1987, 520 (524); W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 33; M. Redeker, DÖV 1987, 194 (1%); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (34). 158

Vgl. hierzu grundlegend BVerwGE 1, 159 (161 f.).

90

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

Wortwahl des Verfassungsgesetzgebers „die vollziehende Gewalt (ist) ... gebunden", die einen eindeutig objektiv-rechtlichen Gehalt aufweist, zu respektieren. Anderenfalls würde dem prinzipiellen Unterschied zwischen objektivem und subjektivem Recht nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen.159 Dem Wortlautverständnis nach weist Art. 20 Abs. 3 GG folglich keinen Anspruchscharakter auf.

bb) Systematische Stellung des Art. 20 Abs. 3 GG Bestätigt wird diese Auslegung durch die systematische Stellung der Norm außerhalb des Grundrechtskatalogs des Grundgesetzes.160 Während in den, dem Art. 20 Abs. 3 GG voranstehenden Verfassungsbestimmungen, in Gestalt der Grundrechte subjektiv-öffentliche Rechte des Bürgers gegenüber der öffentlichen Gewalt festgeschrieben worden sind, steht Art. 20 Abs. 3 GG in einem Abschnitt der Verfassung, der Regelungsgegenstände beinhaltet, die sowohl für den Bund als auch für die Länder Bedeutung haben können, und der darüber hinaus jene allgemeinen Vorschriften enthält, die für den staatsrechtlichen Charakter der Bundesrepublik wesentlich sind. 161 Konkreter Adressat des Art. 20 Abs. 3 GG sind demnach die drei Gewalten, nicht jedoch der Bürger in seiner materiellen Rechtsstellung. Demnach legt auch die systematische Einordnung des Art. 20 Abs. 3 GG im Gesamtgefüge der Verfassung den Schluß nahe, daß in dieser Vorschrift lediglich eine Verpflichtung der Exekutive zu rechtmäßigem Handeln, d.h. im hier relevanten Zusammenhang möglicherweise eine Folgenbeseitigungspflicht, nicht aber ein Folgenbeseitigungsanspruch des Betroffenen seine Grundlage findet. 162

c) Gewährleistung von Rechtssicherheit Ferner würde die Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 20 Abs. 3 GG der an die Rechtsgrundlage zu stellenden Anforderung der Gewährleistung von Rechtssicherheit nicht gerecht.163

159 Vgl. M. Redeker, DÖV 1987, 194 (196); Weyreuther, 70; s. auch Hoffmann, Abwehranspruch, S. 46 mit Fußn. 12. 160

Au, Anspruch, S. 36; Hoffmann,

161

Vgl. JöR, Bd. 1 (1951), Art. 20 GG, Vorb. S. 194 f.

162

Ebenso Au, Anspruch, S. 36; H. Horn, FBA, S. 77, 107.

163

In diesem Sinne auch Schenke, JuS 1990, 370 (372).

Abwehranspruch, S. 52.

Gutachten, S. Β 29 mit Fußn.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

91

Denn der in Art. 20 Abs. 3 GG formulierten Bindung an Recht und Gesetz ist nicht zu entnehmen, wie auf einen möglichen Rechtsverstoß zu reagieren ist: durch tatsächliche Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands oder durch Herstellung der hypothetisch bestehenden Lage, möglicherweise auch durch Zahlung einer Geldentschädigung. Die Offenheit und Unbestimmtheit der Vorschrift schließt es somit aus, aus ihr zwingende Sanktionen im Falle ihrer Verletzung zu folgern. Sie läßt damit keinerlei Begrenzung und Konturen eines auf diese Norm gestützten Haftungsinstituts erkennen, so daß theoretisch auch eine allgemeine Schadensersatzhaftung ohne Verschuldenserfordernis mit Art. 20 Abs. 3 GG - in Abweichung von dem geltenden Staatshaftungsrecht, wie es in § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ausdrücklich geregelt ist - harmonieren würde. 164 Demzufolge wird diese Vorschrift allgemein, auch teilweise von den Anhängern dieser Lösung, als lex imperfecta bezeichnet. 165 Folglich muß mit Rücksicht auf den fehlenden subjektiv-rechtlichen Regelungsgehalt des Art. 20 Abs. 3 GG und angesichts der Gefahr von Rechtsunsicherheit entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts Art. 20 Abs. 3 GG als dogmatisches Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs ausscheiden.166

164 Bettermann, DÖV 1955, 528 (531). Vgl. in diesem Zusammenhang auch Bender, VB1BW 1985, 201 (204), wonach bei ausschließlicher Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 20 Abs. 3 GG nicht einzusehen wäre, warum ein Folgezustand, der von einem Dritten im Anschluß an die rechtswidrige Zustandsveränderung geschaffen worden ist, nicht ebenfalls vom Hoheitsträger zu beseitigen ist. 165 Vgl. zum Rechtscharakter des Art. 20 Abs. 3 GG als lex imperfecta: Baumeister, FBA, S. 60 f.; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 240; ders., VB1BW 1985, 201 (202); Bettermann, DÖV 1955, 528 (531); Erichsen, VerwArch 63 (1972), 217 (220); Fiedler, NVwZ 1986, 969 (973); Hoffmann , Abwehranspruch, S. 45; Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (510); W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 33; M. Redeker, DÖV 1987, 194 (196); Schenke, JuS 1990, 370 (372 f.); W. Schmidt, JuS 1969, 166 (169); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (33 f.); Spanner, DVB1. 1968, 618 (620); Weyreuther, Gutachten, S. Β 28 mit Fußn. 69. Vgl. weiterhin die Nachweise in Fußn. 40 und 42. 166 Soweit einige Vertreter angesichts der Unbestimmtheit des Art. 20 Abs. 3 GG zusätzlich zur Abstützung des Folgenbeseitigungsanspruchs weitere Vorschriften heranziehen vgl. die Darstellung unter Β I 1, S. 59 ff. mit Nachweisen in Fußn. 34 und 35, sowie unter Β I 1, S. 61 mit Nachweisen in Fußn. 39-42 - sollen diese Lösungswege an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden. Denn die zur Unterstützung angewendeten Rechtsnormen, wie die Freiheitsgrundrechte, Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG oder das allgemeine Rechtsstaatsprinzip, werden im folgenden gesondert auf ihre Tragfähigkeit zur rechtlichen Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs hin untersucht.

92

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

2. Art 19 Abs. 4 S. 1 GG Fraglich ist, ob die rechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zu überzeugen vermag.

a) Materieller Regelungsgehalt Klärungsbedürftig ist, ob diese Verfassungsbestimmung einen materiellen Regelungsgehalt aufweist.

aa) Wortlaut

des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG

Nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG steht demjenigen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt worden ist, der Rechtsweg offen. Zweifelsfrei wird hiermit eine prozeßrechtliche Regelung getroffen, indem dem Bürger die formale Rechtsposition eingeräumt wird, bei Verletzungen seiner Rechtsstellung Klage zu erheben.167 Entscheidende Frage ist aber, ob das durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eröffnete verfahrensrechtliche Recht gleichzeitig einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Behebung der Beeinträchtigung festschreibt. Obgleich die Formulierung „wird jemand ... in seinen Rechten verletzt ..." eher die Auslegung nahelegt, daß hierdurch auf bereits in anderen Bestimmungen eröffnete materielle Rechte verwiesen wird, ist diese Auslegung nicht zwingend. Mit dem Wortlaut ist vielmehr auch die Annahme vereinbar, die teilweise vertreten wird, daß dem Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG selbst ein materielles subjektiv-öffentliches Recht immanent ist. 168 Mithin läßt sich aus der grammatikalischen Interpretation zwar ein Indiz gegen den materiellen Regelungsgehalt entnehmen,169 jedoch hieraus keine letztverbindliche Aussage treffen.

bb) Historische Auslegung Möglicherweise gibt jedoch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung weitere Aufschlüsse über den vom Verfassungsgeber intendierten Rechtscharakter des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG. Wie aus den Materialien zur Beratung des

167 Vgl. nur BVerfGE 35, 382 (401); 35, 263 (274); 24, 367 (401); Lorenz, Jura 1983, 393 ff.; Schmidt-Aßmann, in: M/D/H/S, GG, Art. 19 IV Rdnrn. 1 ff., 7. 168

Vgl. die Nachweise in Fußn. 45-48.

169

Ebenso Fromm, DVB1. 1968, 662 (663).

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

93

Grundgesetzes hervorgeht, ist die heute in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG getroffene Regelung ursprünglich in Art. 2 GG als Abs. 4 vorgesehen gewesen.170 Der Hauptzweck der Vorschrift sollte danach darin liegen, verfassungsrechtlich sicherzustellen, daß in allen Fällen, in denen eine Beeinträchtigung der Freiheitsrechte vorliegt, die Möglichkeit zu einem Verwaltungsstreitverfahren gegeben ist. 171 Hierdurch sollte die „'allgemeine Verfolgbarkeit' von Eingriffen in die Freiheit" gewährleistet werden. 172 Entsprechend dieser umfassenden Schutzfunktion wurde die Bestimmung im Verlauf der Diskussion an den Schluß der Grundrechte eingeordnet, um eindeutig klarzustellen, daß sie sich nicht nur auf die in Art. 2 GG garantierten Rechte beziehen würde, sondern auch bei einem staatlichen Eingriff in die anderen grundrechtlich geschützten Rechte den Rechtsweg eröffnen sollte.173 Ausdrücklich wurde Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG in diesem Zusammenhang als „Verfahrensgrundrecht" bezeichnet.174 Die Entstehungsgeschichte der Normierung verdeutlicht infolgedessen, daß der Verfassungsgeber zwar eine umfangreiche formelle Rechtsposition des Betroffenen durch diese Vorschrift verwirklichen wollte, nicht jedoch ein eigenständiges, zusätzlich neben die Grundrechte tretendes materielles Abwehrrecht begründen wollte. Vielmehr stehen nach der Konzeption des Verfassungsgebers das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und die materiellen Freiheitsgrundrechte in einem aufeinander bezogenen Ergänzungsverhältnis.

cc) Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Bestätigung findet dieses prozessuale Verständnis des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Darauf hinweisend, daß dem Bürger durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG ein grundlegendes Recht auf effektiven Rechtsschutz zugestanden wird, 175 stellt das oberste Verfassungsgericht gleichzeitig klar, daß diese Vorschrift keine Aussage über den materiell-rechtlichen Inhalt und Umfang von Rechten und Ansprüchen macht, vielmehr diese zu schützenden Rechte voraussetzt.176 Zudem ist den 170

S. hierzu JöR, Bd. 1 (1951), Art. 19 GG, S. 183 f.

171

JöR, Bd. 1 (1951), Art. 19 GG, S. 184.

172

So v. Mangoldt, in: JöR, Bd. 1 (1951), Art. 19 GG, S. 183 f.

173

JöR, Bd. 1 (1951), Art. 19 GG, S. 184.

174

So ausdrücklich Süsterhenn, Stenoprot. S. 35, in: JöR, Bd. 1 (1951), Art. 19 GG,

S. 185. 175

BVerfG, NJW 1980, 1511; BVerfGE 46, 166 (178); 42, 128 (130); 41, 23 (26); 40, 272 (275); 35, 382 (401); 35, 263 (274); 24, 367 (401). 176 BVerfGE 61, 82 (110); 51, 176 (185); 15, 275 (281); s. auch BVerfGE 27, 297 (305); BVerwG, NJW 1968, 2393 (2394); BVerwGE 11, 95 (97); vgl. ferner BVerwGE 3,

94

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Tendenz zu entnehmen, neben dem aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden allgemeinen Recht auf effektive Kontrolle der öffentlichen Gewalt einen diese Rechtsposition ergänzenden Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz unmittelbar aus dem jeweils konkret betroffenen Einzelgrundrecht herzuleiten.177 Diese nicht unbestrittene Verfahrensweise des Bundesverfassungsgerichts 178 führt im Ergebnis eher sogar zu einer Einschränkung der Bedeutung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG.

b) Zwischenergebnis Mithin kann Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als prozessualer Vorschrift und „formellem Hauptgrundrecht" 179 kein gleichzeitig materiell-rechtlicher Inhalt entnommen werden. Folglich kann der rechtlichen Konzeption, Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs heranzuziehen, nicht zugestimmt werden.

3. Art 34 GG Weiterhin vermag die dogmatische Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs in Art. 34 GG nicht zu überzeugen.

58 (59 f.); BGH, DVB1. 1963, 24 (25); OVG Münster, DVB1. 1968, 660 (662), mit zustimmender Anm. von Fromm, DVB1. 1968, 662 (663); vgl. außerdem OVG Hamburg, DVB1. 1958, 832 (833); s. weiterhin Bartlsperger, DVB1. 1971, 723 (730); Baumeister, FBA, S. 53 f.; Bettermann, AöR 96 (1971), 528 (543), der ausdrücklich feststellt, daß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine reine Rechtsschutznorm darstellt, d.h. dem Prozeß- und Gerichtsverfassungsrecht angehört, nicht jedoch dem materiellen Recht zuzuordnen ist; ders., DVB1. 1976, 64 (65); Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (511); H. Horn, FBA, S. 21 f.; W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 29 f.; Schmidt-Aßmann, in: M/D/H/S, GG, Art. 19 IV Rdnr. 119; Schenke, JuS 1990, 370 (371 f.); Weyreuther, Gutachten, S. Β 45. 177 BVerfGE 53, 30 (57), mit Sondervotum von Simon und Heußner, BVerfGE 53, 69 ff. - sog. Mülheim-Kärlich-Beschluß - aus Art. 2 Abs. 2 GG, mit Anm. Rauschning, DVB1. 1980, 831, und Anm. Weber, JZ 1980, 314, sowie Bspr. v. Mutius, Jura 1984, 529; BVerfGE 52, 391 (407) - aus Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG; BVerfGE 45, 297 (333) - aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG; BVerfGE 39, 276 (294) - aus Art. 12 Abs. 1 GG; BVerfGE 24, 367 (401 f.) - aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Ausführlich zu dieser Rspr. des Bundesverfassungsgerichts: Dolde, NVwZ 1982, 65 ff., sowie Laubinger, VerwArch 73 (1982), 60 ff. Restriktiver nunmehr BVerfG, NJW 1982, 2425 (2429); hierzu Schmidt-Aßmann, NVwZ 1983, 1 (3 ff.). 178 Vgl. hierzu Bethge, NJW 1982, 1 (6 f.); Hendrichs, in: v. Münch, GG, Art. 19 Rdnr. 40; s. weiterhin Lorenz, Jura 1983, 393 (396 f.); ders., AöR 105 (1980), 623 (640 ff.). 179

So Klein, VVDStRL 8 (1950), 67 (88).

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

95

a) Materieller Regelungsgehalt/Subjektiv-öffentlicher Charakter Für eine materiell-rechtliche Fundierung des Folgenbeseitigungsanspruchs in Art. 34 GG wird geltend gemacht, daß diese Bestimmung selbst als Anspruchsgrundlage zu qualifizieren sei, die eine unmittelbare Staatshaftung begründe. Demzufolge könne auch der Folgenbeseitigungsanspruch, der eine direkte Verantwortlichkeit des Staates auslöse, auf Art. 34 GG gestützt werden. 180 Ein derartiges Verständnis von Art. 34 GG als Haftungsbegründungsnorm ist jedoch erheblichen Bedenken ausgesetzt, was ein Blick auf die Rechtsentwicklung der Amtshaftung in Deutschland und die Entstehungsgeschichte des Art. 34 GG verdeutlicht.181 Mit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1.1.1900 wurde in § 839 BGB die Haftung des Beamten für hoheitliches sowie privatrechtliches Staatshandeln geregelt und in § 89 i.V.m. § 31 BGB die Verantwortung öffentlich-rechtlicher Körperschaften für ihre Organe im privatrechtlichen Bereich angeordnet. Eine Normierung der unmittelbaren Haftung des hoheitlich handelnden Staates ist demgegenüber in Art. 77 i.V.m. Art. 3 EGBGB ausdrücklich den Einzelstaaten vorbehalten worden. 182 Wie aus den Materialien zur Entstehung des Art. 34 GG hervorgeht, ist diese Bestimmung in bewußter Anlehnung an Art. 131 WRV, welcher die Haftungsüberleitung vom Beamten auf den Staat festgeschrieben hatte,183 sowie in Anbindung an § 839 Abs. 1 BGB geschaffen worden. 184 Ausdrücklich ist in den Beratungen hervorgehoben worden, daß Voraussetzungen und Umfang der Haftung vom Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt würden. 185 Aufgrund dieses historischen Hintergrundes muß davon ausgegangen werden, daß der Verfassungsgeber des Grundgesetzes von der grundsätzlich bestehenden persönlichen Verantwort-

180

Vgl. die Darstellung unter Β I 1, S. 63 f. mit Nachweisen in Fußn. 49-56.

181

S. hierzu BVerfGE 61, 149 (178 ff.); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 383 ff.; Ossenbühl, StHR, S. 2 ff.; Schäfer/Bonk, StHG, Einf. Rdnrn. 47 f. 182

Zur Funktion des Art. 77 EGBGB vgl. BVerfGE 61, 149 (186).

183

St. Rspr. des Reichsgerichts, so RGZ 167, 1 (7 f.); 106, 34 (35 f.); 105, 334 (335); vgl. weiterhin RGZ 128, 238 (239), sowie die h.L., z.B. Anschütz, WRV, Art. 131 Anm. 1 und 3, wo er zudem feststellt, daß das durch Art. 131 Abs. 1 S. 1, 2 WRV festgelegte Prinzip der Alleinhaftung des Gemeinwesens, dem der Beamte dient, mit dem Rückgriffsrecht gegenüber dem Beamten schon vor Inkrafttreten der Reichsverfassung für die Reichsbeamten und die Beamten der meisten und größten deutschen Länder gegolten hat; W. Jellinek, VerwR, S. 320 ff. Vgl. weiterhin die Darstellung in BVerfGE 61, 149 (192 f.), sowie bei Schäfer/Bonk, StHG, Einf. Rdnr. 47. 184 Vgl. die Darstellung in JöR, Bd. 1 (1951), Art. 34 GG, S. 324 ff.; weiterhin Boos/ Haarmann, Staatshaftung, Rdnr. 4; Schäfer/Bonk, StHG, Einf. Rdnrn. 47 f. 185

S. die Darstellung in JöR, Bd. 1 (1951), Art. 34 GG, S. 325 f.

96

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

lichkeit des Amtsträgers ausgegangen ist, die lediglich auf den Staat übergeleitet werden sollte. 186 Mithin ist Art. 34 G G Ausdruck einer mittelbaren Staatshaftung. 187 Diese verfassungsrechtliche Rechtsnorm stellt somit selbst keine haftungsbegründende Vorschrift dar 1 8 8 und kann deshalb keinen unmittelbar gegen den Staat gerichteten Folgenbeseitigungsanspruch begründen.

b) Strukturelle Unvereinbarkeit Darüber hinaus ist die Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 34 G G mit wesentlichen Strukturprinzipien, die dieses Haftungsinstitut nach allgemeiner Ansicht aufweist, nicht vereinbar. Aus der vom Verfassungsgeber vorgenommenen Anknüpfung des Art. 34 G G an die zivilrechtliche Vorschrift des § 839 B G B folgt, daß bei AbStützung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf Art. 34 G G konsequenterweise auch die in § 839 B G B genannten Haftungsvoraussetzungen zur Anwendung kommen würden. 1 8 9 Danach muß zur Anspruchsbegründung ein schuldhaftes Verhalten des Beamten vorliegen. 190 Demgegenüber ist im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs einhellig anerkannt, daß ein Verschulden des handelnden Amtsträgers für das Eingreifen des Anspruchs nicht erforderlich

186 Der Rechtszweck dieser Haftungsverlagerung im Außen Verhältnis zum Geschädigten besteht einerseits darin, dem Verletzten in Gestalt des Staates bzw. der Dienstkörperschaft einen zahlungsfähigen Schuldner zu vermitteln. Andererseits ist diese Haftungsüberleitung auf den Dienstherrn mit der Absicht verbunden, den in der Regel leistungsschwachen Beamten von der Inanspruchnahme grundsätzlich zu entbinden - zu den Ausnahmen vgl. Art. 34 S. 2 GG sowie beispielsweise §§ 46 BRRG, 78 BBG, 24 SoldG, s. RGRKI Kreft, BGB, § 839 Rdnr. 26 - und hierdurch die Leistungsbereitschaft des Amtsträgers und damit die Funktionsfähigkeit des Staates insgesamt zu verbessern, vgl. Bettermann, in: Die Grundrechte, 3. Bd., 2. Halbbd., S. 831; ders., DÖV 1954, 299; Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 34 I Rdnr. 12; W. Meyer, in: v. Münch, GG, Art. 34 Rdnr. 3; Ossenbühl, StHR, S. 4 f. 187 So die Rspr. und h.L.: vgl. nur BVerfGE 61, 149 (198); BVerwGE 25, 138 (145 f.); 13, 17 (23); BGHZ (GSZ) 34, 99 (109 f.); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 389 f.; W. Meyer, in: v. Münch, GG, Art. 34 Rdnr. 4; W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 23; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 7; RGRK/Kreft, BGB, § 839 Rdnr. 22. Zu den dogmatischen Bedenken hinsichtlich der Konzeption der mittelbaren Staatshaftung sowie zu den Reformbestrebungen, die im Erlaß des vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten StHG v. 26.6.1981 mündeten, vgl. die Darstellung in BVerfGE 61, 149 (155 ff.), sowie bei Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 395 ff.; Bonk, DVB1. 1981, 801 ff.; Ossenbühl, StHR, S. 1, 239 ff.; Papier, DVB1. 1974, 573 ff.; Rüfner, Jura 1982, 1 ff.; Schäfer/Bonk, StHG, Einf. Rdnrn. 48 ff. 188 Vgl. hierzu Heidenhain, Amtshaftung, S. 43, mit umfangreichen Nachweisen in Fußn. 51-54, S. 133 f. 189 Sog. Akzessorietät der Staathaftung zur Beamtenhaftung, vgl. hierzu Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 389 f.; Boos/Haarmann, Staatshaftung, Rdnr. 4; Ossenbühl, StHR, S. 5 f. 190

Ossenbühl, StHR, S. 42 ff.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

97

ist. 191 Die rechtliche Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs in Art. 34 GG würde insoweit mit der anerkannten tatbestandlichen Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht in Einklang stehen. Ein weiterer struktureller Unterschied zwischen der teilweise befürworteten Rechtsgrundlage des Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB und dem Folgenbeseitigungsanspruch betrifft die Rechtsfolgenseite. Während § 839 BGB bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Schadensersatzpflicht anordnet, besteht die Rechtsfolge des Folgenbeseitigungsanspruchs grundsätzlich in der tatsächlichen Beseitigung der eingetretenen Störung.192 Auch diesbezüglich weisen somit beide Normsysteme einen völlig verschiedenartigen Haftungscharakter auf. 193 Damit ist die Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus Art. 34 GG mit dem für Art. 34 GG charakteristischen Haftungssystem unvereinbar. Da eine Loslösung des Art. 34 GG von der zivilrechtlichen Vorschrift des § 839 BGB und den hierdurch vorgegebenen Haftungsprinzipien auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechtszustands nicht zulässig wäre, 194 kann Art. 34 GG nicht als rechtliche Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs klassifiziert werden. 195

4. Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip Einwände erheben sich auch gegen die rechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip nach den Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 2, 3, 28 Abs. 1 S. 1 GG.

191

So insbesondere auch die Vertreter, die den Folgenbeseitigungsanspruch auf Art. 34 GG stützen: Menger, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 347 (350); vgl. auch Haas, System, S. 59 ff., 74. Vgl. darüber hinaus die Nachweise in Fußn. 149. 192

Vgl. die Nachweise in Fußn. 150 sowie in Kapitel 3 Fußn. 12, 13, 22-24 sowie 97.

193

Vgl. Hoffmann , Abwehranspruch, S. 41; Hoffmann- Becking, JuS 1972, 509 (511); H. Horn, FBA, S. 23; Scheuner, DÖV 1955, 545 (550). 194 Vgl. OVG Hamburg, DVB1. 1958, 832 (833); OVG Münster, OVGE 20, 38 (41); Baumeister, FBA, S. 31 ff.; Bettermann, DÖV 1955, 528 (531, 536); Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 84; Heidenhain, Amtshaftung, S. 133 f.; Hoffmann, Abwehranspruch, S. 41; Hoffmann-Becking, JuS 1972, 509 (511); H. Horn, FBA, S. 21, 23; Kökkerbauer, JuS 1988, 782 (783); Maaß, BayVBl. 1987, 520 (523); v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (828 f.); W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 23; H.H. Rupp, Grundfragen, S. 174; ders., JA 1979, 506 (508); Scheuner, DÖV 1955, 545 (550); Weyreuther, Gutachten, S. Β 35 f., weist zutreffend darauf hin, daß Haas und Menger ein in sich schlüssiges System entwickelt haben, das jedoch nicht mit dem geltenden Recht vereinbar ist, weiterhin S. Β 53 f., mit Bezug auf OVG Hamburg, MDR 1958, 547 (548) = DVB1. 1958, 832 (833). 195

Vgl. die Nachweise wie vor.

7 Pietzko

98

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

a) Materieller Regelungsgehalt/Anspruchscharakter des Rechtsstaatsprinzips Widerspruch ruft diese dogmatische Legitimierung zunächst im Hinblick auf den fehlenden Anspruchscharakter des Rechtsstaatsprinzips hervor. Auch wenn den Anhängern dieser Lösung insofern zuzustimmen ist, als eine Verpflichtung der staatlichen Behörden zur Beseitigung der Folgen ihres rechtswidrigen Verhaltens Ausfluß einer rechtsstaatlichen Grundauffassung ist, sagt das Rechtsstaatsprinzip jedoch nichts darüber aus, „ob" ein dieser Bindung korrespondierender Anspruch des Bürgers auf Folgenbeseitigung besteht und „wie" ein derartiges subjektiv-öffentliches Recht konkret ausgestaltet ist. Den von Hildegard Krüger 196 zur Belegung des anspruchsbegründenden Charakters des Rechtsstaatsprinzips herangezogenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie des Oberlandesgerichts Celle kann ein diesbezüglicher eindeutiger Aussagegehalt nicht entnommen werden. 197 Dem von ihr in Bezug genommenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.12.1953198 lag eine Verfassungsbeschwerde zugrunde, bei welcher der Beschwerdeführer die Verletzung des in Art. 103 Abs. 3 GG normierten Rechtssatzes, wonach niemand wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden darf, durch eine Gerichtsentscheidung rügte. Der Beschwerdeführer machte geltend, die Tatsache, daß ihm im Hinblick auf die Zündung zweier Feuerwerkskörper durch Strafbefehl wegen ruhestörenden Lärms und groben Unfugs sowie unbefugten Abbrennens von Feuerwerkskörpern eine Geldstrafe auferlegt worden sei, stünde einer nachfolgenden gerichtlichen Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung entgegen. Im Rahmen der Erörterung, welche rechtlichen Auswirkungen dem rechtskräftigen Strafbefehl bei der Auslegung des Grundsatzes des Art. 103 Abs. 3 GG „ne bis in idem" zukommt, hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, die Bestrafung im ordentlichen Verfahren wegen einer bereits vom Strafbefehl erfaßten Tat sei unter der Voraussetzung zulässig, daß diese unter einem Gesichtspunkt erfolge, der vom Strafbefehl noch nicht gewürdigt worden sei und der eine erhöhte Strafbarkeit begründe. Damit wurde dem Grundsatz der Rechtssicherheit für diesen Fall eine gegenüber dem allgemeinen öffentlichen Interesse an einer gerechten Bestrafung des Täters zurücktretende Bedeutung zuerkannt. Mithin weist diese Entscheidung keine Anhaltspunkte für den Anspruchscharakter des Rechtsstaatsprinzips auf. Vielmehr werden gerade im Gegenteil die Grenzen des Rechtsstaatsgrundsatzes im Verhältnis zur materiellen Gerechtigkeit dargelegt.

196

Vgl. die Nachweise in Fußn. 59.

197

Ebenso Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 85.

198

BVerfGE 3, 248 (253 f.).

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

99

Ähnliches gilt für die zweite zur Rechtfertigung ihrer Ansicht angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 2.11.1954.199 In diesem Urteil wurde der Frage nachgegangen, ob sich aus dem Rechtsstaatsprinzip rechtliche Konsequenzen in bezug auf die Rechtskraft gerichtlicher bzw. verwaltungsverfahrensrechtlicher Entscheidungen ergeben. Den Anlaß für den Rechtsstreit bildete der Sachverhalt, daß dem Kläger aufgrund rechtskräftigen Bescheides eine Haftentschädigung zuerkannt worden war, dieser Verwaltungsakt nachfolgend gem. § 21 nds. Sonderhilfsgesetz durch den Beauftragten des öffentlichen Interesses angefochten worden war, woraufhin der ursprüngliche Bewilligungsbescheid aufgehoben wurde. Die vom Kläger geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des § 21 nds.Sonderhilfsgesetz wurde vom Gericht nicht bestätigt. Es führte vielmehr aus, daß die durch diese Rechtsnorm eröffnete Möglichkeit der Beseitigung öffentlicher Entschädigungsansprüche nach Rechtskraft bzw. Bestandskraft der Entscheidungen der Sonderhilfsausschüsse auch im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip nicht verfassungswidrig sei. Denn diesem könne kein Verbot des Inhalts entnommen werden, rechtskräftige bzw. bestandskräftige Entscheidungen im Wege der Gesetzgebung wieder aufzuheben bzw. ein Verfahren zu ihrer Aufhebung zu eröffnen. Dies müsse zumindest dann gelten, wenn die in Rede stehende gesetzliche Regelung alle betroffenen Personen bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen gleich behandle. Auch in diesem Urteil werden somit die Einschränkungen des Rechtsstaatsprinzips im Verhältnis zur materiellen Gerechtigkeit aufgezeigt, nicht aber ein irgendwie gearteter Anspruchscharakter des Rechtsstaatsprinzips erörtert. Schließlich bezieht sich die dritte von Hildegard Krüger herangezogene Entscheidung auf das Sozialstaatsprinzip. Allerdings wird auch in diesem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 29.4.1954 200 nicht, wie behauptet, der Anspruchsgehalt des Sozialstaatsprinzips behandelt. Der Entscheidung lag eine Verfassungsbeschwerde zugrunde, deren Anlaß in der Kündigung des Dienstverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und der Hansestadt Bremen - Amt für politische Befreiung - durch letztere bestand. Nachdem die gem. § 13 Abs. 1 Schwerbeschädigtengesetz erforderliche Zustimmung zur Kündigung von der hierfür zuständigen Hauptfürsorgestelle für Schwerbeschädigte versagt worden war, hatte der Präsident des Senats, dem das Amt für politische Befreiung unmittelbar unterstand, gegen die Verweigerung der Zustimmung Beschwerde eingelegt und die Genehmigung der Kündigung selbst erklärt. In dieser dem Gesetz nach zulässigen Vorgehensweise rügte der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG wegen Ungleichbehandlung gegenüber in Privatbetrieben beschäftigten Personen sowie

199

OLG Celle, DVB1. 1955, 88 (90 f.).

200

BVerfGE 3, 377 (381).

100

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

eine Mißachtung des Rechtssatzes, daß niemand eine Entscheidung in eigener Sache treffen darf. Der behauptete Verstoß wurde vom Bundesverfassungsgericht mit der Begründung abgelehnt, daß eine Behörde als Arbeitgeber, wenn sie als Beschwerdeinstanz hoheitliche Gewalt ausübe, an das Sozialstaatsprinzip gebunden sei. Danach obliege ihr in concreto die Dienstpflicht, die Schutzbestimmungen für Schwerbeschädigte in besonderem Maße zu beachten. Ein selbständiger Anspruch aus dem Sozialstaatsprinzip wurde jedoch nicht begründet. Folglich kann auf der Grundlage dieser Entscheidungen eine anspruchseröffnende Funktion des Rechtsstaatsgrundsatzes nicht nachgewiesen werden.

b) Gewährleistung von Rechtssicherheit Ferner scheitert eine Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem Rechtsstaatsprinzip auch an dem fehlenden eindeutigen Aussagegehalt dieses Verfassungsgrundsatzes. Ist schon das aus dem Rechtsstaatsgrundsatz als konkretisierendes Einzelelement herzuleitende Gesetzmäßigkeitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG, wie dargelegt,201 im Hinblick auf die rechtliche Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht aussagekräftig, so muß dies erst recht für das noch unbestimmter gefaßte allgemeine Rechtsstaatsprinzip gelten. Gerade bei derart umfassend definierten Begriffen liegt die Gefahr nahe, daß Inhalte in diese hineininterpretiert werden, um dann anschließend aus ihnen das gewünschte Ergebnis als scheinbar zwangsläufig und zwingend ableiten zu können. Infolge dieser wesensimmanenten Unschärfe des allgemeinen Rechtsstaatsgrundsatzes kann der Folgenbeseitigungsanspruch nicht auf dieses Staatsmerkmal gestützt werden. 202

5. Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem jeweils verletzten Einzelgrundrecht Einer rechtlichen Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem im Einzelfall jeweils beeinträchtigten Grundrecht kann ebenfalls nicht zugestimmt werden.

201 202

Vgl. die Darstellung unter D I I 1 c, S. 90 f.

So auch Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 84 f.; M. Redeker, DÖV 1987, 194 (195); Weyreuther, Gutachten, S. Β 33 f. Vgl. ferner Faber, VerwR, § 28 II, S. 278, im Hinblick auf die Ableitung eines Unterlassungsanspruchs gegenüber Realakten; vgl. auch die von Wallerath, DÖV 1987, 505 (510), angeführten Bedenken im Hinblick auf die Ableitung einer Wiedergutmachungspflicht unmittelbar aus dem Gebot der „Rechtsstaatlichkeit" im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

101

Zweifel ruft dieses Lösungskonzept im Hinblick auf das Erfordernis der Gewährleistung von Rechtssicherheit hervor. Dabei soll in diesem Zusammenhang nicht darauf eingegangen werden, ob prinzipiell eine grundrechtliche Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs befürwortet werden kann. Denn die Bedenken resultieren bereits aus dem dogmatischen Ansatz, nach dem jedes einzelne in concreto verletzte Grundrecht die rechtliche Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs bilden soll. Ausgangspunkt der Kritik ist dabei die Überlegung, daß der aus dem Einzelgrundrecht abgeleitete Folgenbeseitigungsanspruch hinsichtlich seines Inhalts und seiner Reichweite von dem konkret betroffenen Grundrecht abhängig ist. Denn der aus einem materiellen Recht entstehende Anspruch kann logischerweise nur soweit reichen, wie das subjektive Recht selbst eine wehrfähige Rechtsposition einräumt. Da jedes Freiheitsrecht durch den für ihn charakteristischen Schutzbereich gekennzeichnet ist, ist folglich bei einer Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem einzelnen Grundrecht auch seine Ausgestaltung je nach dem in Rede stehenden Grundrecht verschieden.203 Diese Unterschiede führen jedoch zu einer fehlenden Generalisierbarkeit der Tatbestandsstruktur des Folgenbeseitigungsanspruchs. Das isolierte Anknüpfen an das konkret betroffene Einzelgrundrecht steht somit zu der im Interesse der Rechtssicherheit zu fordernden abstrakten Bestimmung der Wesensmerkmale des Rechtsinstituts der Folgenbeseitigung in Widerspruch. 204 Überdies ist dieses dogmatische Konzept dem Einwand ausgesetzt, daß hierbei zwei Problembereiche miteinander verwechselt werden. Während es bei der Suche nach dem rechtlichen Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs um eine generelle Fragestellung geht, wird bei einer am Einzelgrundrecht orientierten rechtlichen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs in den Vordergrund gestellt, welches Freiheitsrecht in concreto beeinträchtigt ist, mit der Folge des Eingreifens des Folgenbeseitigungsanspruchs. Damit wird aber die Frage nach der im Einzelfall durch den staatlichen Eingriff tangierten geschützten Rechtsposition aufgeworfen, d.h. eine Tatbestandsvoraussetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs behandelt. Infolgedessen kann einer auf das Einzelgrundrecht abstellenden Argumentation zur Bestimmung der dogmatischen Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht gefolgt werden.

203 204

Vgl. hierzu die Darstellung unter C II 1, S. 78 f. mit Nachweisen in Fußn. 119, 120.

Die gleichen Überlegungen sind auch der von Fiedler befürworteten Konzeption des Verzichts auf ein eigenständiges Rechtsinstitut des Folgenbeseitigungsanspruchs in den Fällen, in denen dem Betroffenen durch direkten Bezug auf das jeweils betroffene Grundrecht Rechtsschutz gewährt werden kann (so Fiedler, NVwZ 1986, 969 [972], vgl. bereits die Nachweise in Fußn. 57 und 78), entgegenzuhalten. Wie Fiedler selbst (a.a.O.) konzediert, birgt dieses Lösungsmodell die „Gefahr der dogmatischen Aufsplitterung eines zuvor mühsam errichteten Rechtsinstituts" in sich.

102

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

6. Die Freiheitsgrundrechte in ihrer Gesamtheit/Art 2 Abs. 1 GG Einer ausführlichen Erörterung bedarf die Frage, ob eine grundrechtliche Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs zu überzeugen vermag. Mit dieser rechtlichen Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs befaßt sich zum einen die Ansicht, nach der die Freiheitsgrundrechte allgemein die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs bilden,205 sowie zum anderen die Auffassung, die Art. 2 Abs. 1 GG im besonderen als rechtliche Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs qualifiziert. 206

a) Die rechtliche Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus den Freiheitsgrundrechten und Art 2 Abs. 1 GG als ein Lösungsmodell Bei diesen beiden Begründungsvorschlägen handelt es sich nur dem äußeren Anschein nach um zwei unterschiedliche Lösungsansätze. In ihrem wesentlichen Kerngehalt stimmen diese beiden Ansichten überein. Beiden Lösungskonzepten ist gemeinsam, daß die Abwehrfunktion der Grundrechte bzw. des Art. 2 Abs. 1 GG als Anknüpfungspunkt zur rechtlichen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs herangezogen wird. 207 Dagegen spricht auch nicht der dem Art. 2 Abs. 1 GG vom Bundesverfassungsgericht zuerkannte Charakter als Auffanggrundrecht im Verhältnis zu den speziell geregelten Einzelgrundrechten, 208 der eine Vorrangstellung letzterer zur Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs auslösen könnte. Nicht zu überzeugen vermag allerdings das in diesem Zusammenhang gegen eine primäre Anwendbarkeit der Einzelgrundrechte vorgetragene Argument, daß die speziellen Grundrechtsverbürgungen zwar zugunsten des jeweiligen Inhabers eine materielle Freiheitssphäre verbürgen würden, indessen die Rechtsmacht, das staatliche Unrecht abzuwehren und mithin der Abwehranspruch als solcher, alleine aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG folgen würde, weshalb gerade im Gegenteil Art. 2 Abs. 1 GG vorrangig einschlägig sei. 209 Denn es ist gerade das Wesensmerkmal der im Grundgesetz verankerten Grundrechte, daß diesen im Unterschied zu den in der Weimarer Reichsverfassung lediglich als Programmsätze formulierten Grundrechten 210 205

Vgl. die Ausführungen unter Β I 2, S. 66 ff. mit Nachweisen in Fußn. 61 und 62.

206

S. die Darstellung unter Β I 2, S. 70 ff. mit Nachweisen in Fußn. 82.

207

Vgl. die Darstellung unter Β I 2, S. 66 ff. mit Nachweisen in Fußn. 64 - 66, sowie die Ausführungen unter Β I 2, S. 70 ff. mit Nachweis in Fußn. 84. 208

Vgl. die Nachweise in Fußn. 85.

209

Vgl. den Nachweis in Fußn. 89.

210

Die Weimarer Reichs Verfassung enthielt in den Art. 109-165 einen Grundrechtskatalog. Dieser weist zwar in formeller Hinsicht Parallelen zum Grundgesetz auf, die

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

103

als subjektiv-öffentliche Rechte auch die Rechtsposition immanent ist, hoheitliche Übergriffe abzuwehren.211 Dieser in bewußter Abweichung von der Weimarer Reichsverfassung zuerkannte Stellenwert jedes einzelnen Grundrechts, welcher in formaler Hinsicht auch darin zum Ausdruck kommt, daß das Grundgesetz mit dem Abschnitt über die Grundrechte beginnt,212 würde negiert, wenn man diese Abwehrposition von den speziellen Grundrechten lösen und alleine Art. 2 Abs. 1 GG zuordnen würde. Auch wenn im Ergebnis dabei die wehrfähige Schutzfunktion der Grundrechte über Art. 2 Abs. 1 GG erhalten bliebe, so würde doch die Bedeutung der speziellen Freiheitsrechte verkannt. 213 Mithin kann der geschilderte Einwand des Auffangcharakters des Art. 2 Abs. 1 GG mit dieser Argumentation nicht entkräftet werden. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang als entscheidend herauszustellen, daß dem zwischen den Einzelgrundrechten und Art. 2 Abs. 1 GG grundsätzlich bestehenden Konkurrenzverhältnis im Hinblick auf die Bestimmung der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs keine Relevanz zukommt. Im Rahmen dieser Konkurrenzfrage geht es um den Anwendungsvorrang von im konkreten Einzelfall geeigneteren, da spezieller betroffenen Grundrechten. 214 Demgegenüber handelt es sich bei der grundrechtlichen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs um die abstrakte Problematik, welches Kriterium bzw. welche Eigenschaft der Grundrechte allgemein, d.h. sowohl der

Grundrechte waren jedoch als Programmsätze konzipiert, d.h. als Verfassungsbestimmungen, die lediglich unerzwingbare Zielsetzungen und unverbindliche Verfassungsaufträge darstellten, vgl. zum Begriff des Programmsatzes, Katz, StaatsR, § 25 Rdnr. 570. Vgl. die Darstellung in JöR, Bd. 1 (1951), Die Grundrechte, Vorb. S. 43; Bleckmann, Grundrechtslehren, S. 157; Katz, StaatsR, § 24 Rdnr. 551; Weber- Fas, Grundgesetz, S. 171. 211 S. hierzu JöR, Bd. 1 (1951), Die Grundrechte, Vorb. S. 42 f., 47; Bleckmann, Grundrechtslehren, S. 155 ff.; Hesse, VerfR, § 9 Rdnrn. 283 ff.; v. Münch, in: v. Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rdnrn. 1 ff.; Scheuner, in: Festschrift für E. R. Huber, S. 139 ff.; W. Schmidt, Jura 1983, 169 ff.; Stern, StaatsR I I I / l , S. 530 ff.; ders., JA 1984, 642 (646 f.); Weber-Fas y Grundgesetz, S. 167 ff., insbes. S. 175 ff.; weiterhin zur Geschichte der Grundrechte Bleckmann, Grundrechtslehren, S. 1 ff.; zur Entwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Oestreich, in: Die Grundrechte, 1. Bd., 1. Halbbd., S. 5 ff. Das Bundesverfassungsgericht qualifiziert die Grundrechte insoweit ausdrücklich „in erster Linie" als „individuelle Rechte", so BVerfG, NJW 1987, 2501; BVerfGE 68, 193 (205); 50, 290 (337); BVerfG, NVwZ 1987, 879 (880). Vgl. hierzu Stern, StaatsR III /1, S. 531 f. 212

Vgl. die Darstellung in JöR, Bd. 1 (1951), Grundrechte, Vorb. S. 47.

213

So wurde in der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ursprünglich aus Art. 2 Abs. 1 GG, z.B. BVerfGE 11, 234 (236 f.); 9, 83 (88); BVerwGE 30, 191 (198), später aus dem jeweils einschlägigen Freiheitsrecht, BVerfGE 24, 367 (384 f.); 13, 181 (190), ein ggf. bestehender Anspruch auf Aufhebung jeglicher Belastung mit einem nicht verfassungsgemäßen Nachteil abgeleitet; zustimmend zum Abstellen auf die Einzelgrundrechte, jedoch kritisch bezüglich der Reichweite dieses Abwehrrechts: Wolff / Bachof y VerwR I, § 43 I b 2, S. 324; s. hierzu Schwabe, DÖV 1973, 623 (624 ff., insbes. 625). 214

Vgl. beispielsweise BVerfGE 4, 52 (57); Düng, in: M/D/H/Sy

GG, Art. 2 I Rdnr. 6.

104

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

speziell geregelten Freiheitsverbiirgungen als auch des Art. 2 Abs. 1 GG, eine rechtliche Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs ermöglichen könnte. Diesbezüglich stimmen beide Lösungskonzepte dahingehend überein, daß dieses Charakteristikum die Funktion der Einzelfreiheitsrechte sowie des Art. 2 Abs. 1 GG als Garanten von Freiheitsräumen und damit korrespondierend deren Abwehraufgabe in bezug auf rechtswidrige staatliche Übergriffe in die geschützte Rechtssphäre ist. Folglich ist es wegen dieses einheitlichen Anknüpfungspunktes gerechtfertigt, beide Lösungsansätze zusammenzufassen und gemeinsam auf ihre Tauglichkeit als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs hin zu untersuchen. Dabei soll nachfolgend Art. 2 Abs. 1 GG als Oberbegriff für die grundrechtliche Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs herangezogen werden.

b) Einwände gegen die Annahme einer grundrechtlichen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs Zu prüfen ist, ob der grundrechtlichen Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs zugestimmt werden kann.

aa) Materieller

Regelungsgehalt

Voraussetzung für die Anerkennung des Art. 2 Abs. 1 GG bzw. der Freiheitsgrundrechte als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs ist zunächst, daß die Freiheitsrechte einen materiellen Regelungsgehalt aufweist, der geeignet ist, den Beseitigungsanspruch zu legitimieren. In der Literatur sind in diesem Zusammenhang vielfach Bedenken geäußert worden.

aaa) Einwand 1: Fehlender eigenständiger Regelungsgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG Als erster Einwand gegen die Qualifizierung des Art. 2 Abs. 1 GG als rechtliche Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs wird von Bender 215 angeführt, daß diese Grundrechtsbestimmung keinen eigenständigen Normgehalt besitze. Auch wenn auf dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welche dem Art. 2 Abs. 1 GG eine lückenfüllende

215 So Bender, VB1BW 1985, 201 (202); vgl. außerdem Bartlsperger, DVB1. 1971, 723 (732); Pietzcker, JuS 1982, 106 (110); Schlichter, NVwZ 1983, 641 (642); s. ferner Schwerdtfeger, NVwZ 1982, 5 (10).

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

105

Schutzfunktion zuerkenne,216 eine weite Auslegung des Schutzguts des Art. 2 Abs. 1 GG, der allgemeinen Handlungsfreiheit, naheliege, dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß ein so weit gefaßtes Schutzgut wie das der allgemeinen Handlungsfreiheit der Ausfüllung und Konkretisierung bedürfe. Diese inhaltliche Ausgestaltung des Art. 2 Abs. 1 GG erfolge in Parallele zu Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG durch die verfassungsmäßige Rechtsordnung unterhalb des Verfassungsrechts, so daß der sich so erst ergebende Freiheitsbereich von Art. 2 Abs. 1 GG vorausgesetzt und in diesem Umfang garantiert, nicht jedoch unmittelbar durch diese Verfassungsbestimmung selbst konstituiert werde. Infolge dieser mangelnden Bestimmtheit des Schutzbereichs von Art. 2 Abs. 1 GG aus sich selbst heraus bestünden Zweifel hinsichtlich der Eignung des Art. 2 Abs. 1 GG zur rechtlichen Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs.217 Fraglich erscheint allerdings, ob dieses Bedenken zu überzeugen vermag. Widerspruch ruft insoweit die Feststellung hervor, daß der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Freiheitsbereich nicht durch diese Grundrechtsnorm selbst konstituiert werde, sondern erst durch die Hinzuziehung außerhalb des Verfassungsrechts stehender Normen bestimmt werde. Bereits dem Wortlaut und der Systematik des Art. 2 Abs. 1 GG läßt sich eine derartige Auslegung nicht entnehmen. Denn in Art. 2 Abs. 1 1. Halbs. GG wird das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen ohne Gestaltungsvorbehalt zugunsten des Gesetzgebers verfassungsrechtlich verankert. Erst daran anschließend wird in Art. 2 Abs. 1 2. Halbs. GG die umfassende Freiheitsgarantie durch das Gebot der Beachtung der Rechte anderer bzw. der verfassungsmäßigen Ordnung oder das Sittengesetz eingeschränkt. Eine derartige Tatbestandsstruktur läßt den Schluß zu, daß der Freiheitsraum des Bürgers durch die Verfassungsvorschrift selbst garantiert wird, und die gesetzlichen Bestimmungen erst als Schranke der verfassungsrechtlich vorgegebenen Freiheit Bedeutung erlangen.218 Unterstützt wird dieses Verständnis durch einen Vergleich des Art. 2 Abs. 1 GG mit der Verfassungsnorm des Art. 14 Abs. 1 S. 1, 2 GG. In dieser Grundrechtsbestimmung ist ausdrücklich geregelt, daß nicht nur die Schranken, sondern bereits der Inhalt der Begriffe Eigentum und Erbrecht durch die einfachgesetzlichen Vorschriften ausgefüllt werden soll. Damit werden Eigentum und Erbrecht von vornherein nur im Rahmen der vom Gesetz216

Vgl. die Nachweise in Fußn. 85, 124 und 220.

217

Vgl. Bender, VB1BW 1985, 201 (202 f.). Vgl. außerdem Schlichter, NVwZ 1983, 641 (642); Schwabe, DÖV 1973, 623 (626 f.). 218 Vgl. Dürig, in: M/D/H/S, GG, Art. 2 I Rdnrn. 9 ff., 12 ff.; Katz,, StaatsR, § 30 Rdnrn. 686, 689 ff.; v. Münch, in: v. Münch, GG, Art. 2 Rdnrn. 12 ff., 23, 30; vgl. auch BVerfGE 9, 83 (88); W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 85 ff.

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Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

geber getroffenen Regelung gewährleistet.219 Dieser offensichtliche Unterschied in der Ausgestaltung des Art. 14 Abs. 1 S. 1, 2 GG läßt e contrario den Schluß zu, daß in Art. 2 Abs. 1 GG gerade nicht eine derartige Inhaltsfestlegung des Freiheitsbegriffs durch den Gesetzgeber beabsichtigt ist. Zieht man zudem die ratio dieser Norm als umfassende und durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigte umfangreiche Freiheitsverbürgung 220 in Betracht, so erscheint auch im Hinblick hierauf eine verfassungsrechtliche Konstituierung der freien Persönlichkeitsentfaltung sachgerecht. Die Ermittlung des weit gefaßten Normbereichs des Art. 2 Abs. 1 GG kann somit nicht über den Weg einer einfachgesetzlichen Konkretisierung erfolgen. Vielmehr ist durch Feststellung des Sinngehaltes der in Art. 2 Abs. 1 GG verwendeten Begriffe (Persönlichkeit, Entfaltung) unter Heranziehung der auch im Rahmen der Interpretation der übrigen Grundrechte anerkannten Auslegungsmethoden221 die Definierung des geschützten Freiheitsbereichs vorzunehmen,222 der dann u.U. im Schrankenbereich durch gesetzliche Vorschriften eine Einschränkung erfährt. Mithin ist entgegen der teilweise geäußerten Kritik davon auszugehen, daß Art. 2 Abs. 1 GG einen eigenständigen Regelungsgehalt aufweist. Darüber hinaus ist der o.g. Einwand hinsichtlich der Qualität des Art. 2 Abs. 1 GG als dogmatisches Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs auch noch aus einem anderen Grunde ohne Durchschlagskraft. Die Kritik beruht dabei auf der Überlegung, daß das von Bender geltend gemachte Bedenken nicht in ausreichendem Maße zwischen der Frage der abstrakten rechtlichen Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs und der hiervon zu 219

Vgl. hinsichtlich der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in bezug auf die Ausgestaltung von Eigentumsrechten: BVerfGE 52, 1 (29 ff.); 50, 290 (339 ff.); 42, 263 (294 f.); 25, 112 (117 f.); 24, 367 (389 f.); 21, 73 (83). 220 Grundlegend BVerfGE 6, 32 (36); s. auch BVerwGE 45, 224 (227); Dürig, in: M/ D/H/S, GG, Art. 2 I Rdnr. 9; v. Münch, in: v. Münch, GG, Art. 2 Rdnr. 17; SchmidtBleibtreu/ Klein, GG, Art. 2 Rdnr. 4; umfangreiche Nachweise bei Scholz, AöR 100 (1975), 80 (87 in Fußn. 49). Abzulehnen ist die Einschränkung des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 1 GG auf den Kernbereich der Persönlichkeit, sog. Persönlichkeitskerntheorie, wie sie vor allem Peters, Recht, insbes. S. 47 ff., vertritt; vgl. auch OLG Koblenz, NStZ 1982, 338 f. Diese restriktive Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG ist weder mit dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte noch mit der ratio legis der Verfassungsbestimmung vereinbar, vgl. JöR, Bd. 1 (1951), Art. 2, S. 61, wo ausdrücklich klargestellt wird, daß durch Art. 2 Abs. 1 GG eine umfassende Freiheitsverbürgung beabsichtigt gewesen ist; s. auch v. Münch, in: v. Münch, GG, Art. 2 Rdnr. 18; gegenüber Peters kritisch Ever s, AöR 90 (1965), 88 ff. 221

S. allgemein zur Grundrechts- und Verfassungsinterpretation: BVerfGE 41, 29 (50 f.); 15, 288 (294 f.); BVerwG, AfP 1985, 72 (73 f.); Böckenförde, NJW 1976, 2089 ff.; Katz, StaatsR, § 5 Rdnrn. 109 ff., § 24 Rdnrn. 564 ff.; Uesegang, JuS 1976, 420 ff.; Ossenbühl, NJW 1976, 2100 ff.; Stern, StaatsR I, S. 123 ff. 222

Vgl. hierzu v. Münch, in: v. Münch, GG, Art. 2 Rdnrn. 12 ff.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

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trennenden Problematik differenziert, ob eine im Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs schutzwürdige Rechtsposition vorliegt, deren Verletzung zum Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs führen kann. Für letztere Fragestellung, welche die tatbestandliche Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs betrifft, ist es ohne Zweifel notwendig, detailliert zu ermitteln, ob in concreto eine wehrfähige Rechtsposition des Betroffenen vorliegt. Sofern spezielle Grundrechte im Einzelfall nicht eingreifen, sind die einschlägigen unterverfassungsrechtlichen Normen daraufhin zu untersuchen, ob ihnen eine drittschützende Funktion zukommt, d.h. ob sie zumindest auch dem Individualschutz des Anspruchstellers dienen.223 Insofern können die einfachgesetzlichen Wertungen in der Tat eine Begrenzung und Schranke der i.S. des Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Freiheitssphäre bewirken. Für die hier zu behandelnde Thematik der rechtlichen Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs ist hingegen die Funktion des Art. 2 Abs. 1 GG als subjektiv-öffentliches Abwehrrecht von Bedeutung. Dieser Charakter der Verfassungsvorschrift als Recht des Einzelnen, sich gegenüber staatlichem Unrecht zu wehren, ist aber unabhängig von der Frage, wie im einzelnen der Schutzbereich der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition zu definieren ist. Somit betrifft der von Bender geäußerte Einwand die Tatbestandsstruktur des Folgenbeseitigungsanspruchs. Für die Bestimmung seiner Rechtsgrundlage hat er hingegen keine Relevanz.

bbb) Einwand 2: Eingeschränkter Regelungsgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG bzw. der Freiheitsgrundrechte Weiterhin wird gegen eine rechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus den Freiheitsgrundrechten vorgebracht, daß eine überzeugende Begründung für die Entstehung des Beseitigungsanspruchs aus den Grundrechten nicht dargelegt worden sei. 224 Dieses Erklärungsdefizit beruhe auf dem Umstand, daß dem Unterschied zwischen dem durch das Grundrecht gewährleisteten status negativus, der eine bestimmte Freiheitssphäre des Bürgers beinhalte, und dem im Falle der Grundrechtsverletzung ggf. entstehenden Abwehranspruch nicht ausreichend Beachtung beigemessen werde. Vielmehr würde übersehen, daß der zur Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs gesuchte „Reaktionsanspruch" nicht mit dem beeinträchtigten materiellen Recht identisch sein könne, da der Abwehranspruch ja erst als Folge

223 224

Vgl. die Darstellung in Kapitel 2 Β I 1, S. 145 ff.

Baumeister, FBA, S. 80 f.; Faber, VerwR, § 28 II, S. 278 f.; Hoffmann-Becking, JuS 1972, 509 (511); H.H. Rupp, JA 1979, 506 (509); Spanner, DVB1. 1968, 618 (620); vgl. auch Fiedler, NVwZ 1986, 969 (971 f.).

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Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

auf die Verletzung des schon vorher bestehenden Rechts ausgelöst werde. 2 2 5 Demzufolge sei bereits fraglich, ob die Grundrechte Unterlassungsansprüche gegen einen Grundrechtseingriff eröffnen würden. 2 2 6 Erst recht sei jedoch die Existenz eines grundrechtlich verbürgten Restitutionsanspruchs zweifelhaft, der über die Verhinderung bzw. aktuelle Abwehr der hoheitlichen Verletzungshandlung hinausgehend, i m Anschluß an die eingetretene Grundrechtsbeeinträchtigung sogar die Wiederherstellung des vorher bestehenden Zustande ermögliche. Die insbesondere von Weyreuther 227 behauptete Umwandlung des aus den Grundrechten fließenden Unterlassungsanspruchs in einen Beseitigungsanspruch sei nicht ausreichend belegt worden. Gleiches gelte für die Konzeption Rössleins, 228 nach der dem verletzten Grundrecht ein Beseitigungsanspruch zur Seite stehe. Auch die Auffassung M . Redekers, 229 wonach der Folgenbeseitigungsanspruch als grundrechtlicher Ausgleichsanspruch an die Stelle des untergegangenen Unterlassungsanspruchs trete, sei nicht überzeugend nachgewiesen worden. Sei aber eine derartige

„Metamorphose"230

des Unterlassungs- in einen Beseitigungsanspruch, wie sie Weyreuther ver-

225 So Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (511); grundlegend zur Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen der verletzten materiellen Rechtsposition und dem Abwehranspruch: H.H. Rupp, Grundfragen, S. 158, 160, 164 f., 171; ders., DÖV 1974, 193 (194); vgl. auch Heidenhain, Amtshaftung, S. 138 f.; Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 (535 f.); Hoffmann, Abwehranspruch, S. 62, 65; Rösslein, FBA, S. 65 f.; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (37 in Fußn. 209 m.w.N.); Stern, StaatsR ΠΙ/1, S. 674. Kritisch hinsichtlich dieser Unterscheidung, W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 44 f., der an Stelle dessen allenfalls zwischen dem „Recht und seiner Quelle, der Rechtsstellung oder dem Status" differenzieren möchte. 226 Vgl. Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (290 f.), mit Bezug auf H.H. Rupp, Grundfragen, S. 162: Bei dem Freiheitsstatus handelt es sich um „einen, durch ein Bündel normativer 'Enthaltungspflichten' der Verwaltung gesetzlich umrissenen Zustand, der als solcher kein subjektives, geschweige denn absolutes Recht ist, sondern bestenfalls bei Verletzung subjektive Rechte erzeugt." 227 Weyreuther, Gutachten, S. Β 83 ff., insbes. S. Β 85; früher schon ders., Klage auf Unterlassung, S. 20 ff. Vgl. bereits die Nachweise in Fußn. 74 228

Rösslein, FBA, S. 69 f., 77 ff., 83. S. außerdem Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (36). So schon die Nachweise in Fußn. 76. 229 M. Redeker, DÖV 1987, 194 (197). Vgl. den Nachweis in Fußn. 75. Kritisch hinsichtlich der Konzeption von Weyreuther und Rösslein: Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (511 f.); Hoffmann, Abwehranspruch, S. 65 f. in Fußn. 4; ders., Sitzungsberichte, S. L 62; Bedenken bezüglich des von Weyreuther und M. Redeker vertretenen Standpunkts bei: Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (36); ebenfalls äußern Zweifel an dem Lösungsmodell Weyreuthers: Hoppe, Organstreitigkeiten, S. 150 ff., der ausführt, daß sich die Umwandlung des Unterlassungs- in einen Beseitigungsanspruch nur auf der Grundlage einer vorausliegenden allgemeinen Restitutionsnorm begründen lasse; Papier, DÖV 1972, 845 (849 f.); Stern, StaatsR I I I / l , S. 672 mit Fußn. 219; zurückhaltend auch v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (829). 230

So Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 241.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

109

treten habe, nicht nachgewiesen, so könne einer grundrechtlichen Abstützung des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht zugestimmt werden. 231 Auch im Hinblick auf dieses zweite Bedenken erheben sich Zweifel an der Stichhaltigkeit der Kritik. Richtig ist sie allerdings insoweit, als sie mit der inzwischen allgemein anerkannten Auffassung davon ausgeht, daß zwischen den materiellen Rechtspositionen, welche durch das staatliche Unrecht tangiert werden, und dem Anspruch, der erst als Folge dieser Rechtsbeeinträchtigung erwächst, differenziert werden muß. 232 Diese zutreffende dogmatische Feststellung läßt jedoch keinerlei Schlüsse dahingehend zu, ob nicht die Grundrechte gleichwohl sowohl das geschützte Recht als auch einen materiell-rechtlichen Anspruch gegen die Rechtsverletzung beinhalten können. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Grundrechte unbestritten einen jeweils durch den Schutzbereich fest umrissenen Freiheitsbereich garantieren, d.h. die Rechtsposition, die durch staatliche Übergriffe beeinträchtigt werden kann, begründen.233 Diese Rechtsmacht soll im folgenden als das grundrechtliche Freiheitsrecht bezeichnet werden. Darüber hinaus ist als weiteres Charakteristikum der Grundrechte festzuhalten, daß diese von den Vätern des Grundgesetzes in bewußter Abweichung von der Weimarer Reichsverfassung als subjektiv-öffentliche Rechte ausgestaltet worden sind,234 was durch die Regelung in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG Bestätigung findet. 235 Unabhängig davon, wie im einzelnen der Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechtes definiert wird, 236 ist im Ergebnis einhellig anerkannt, daß demzufolge die Grundrechte auch die Rechtsposition einräumen, rechtswidrige staatliche Eingriffe in die grundrechtlich statuierte Freiheitssphäre auszuschalten, und sie insoweit Abwehrrechte verkörpern. 237 Mithin erhebt sich die Frage, welchen Inhalt diese grundrechtlichen Abwehr-

231

So Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (511 f.). Vgl. andererseits M. Redeker, DÖV 1987, 194 (197); Schoch, VerwArch 79 (1988) 1 (36); Stern, StaatsR I I I / l , S. 673, 675 f., die trotz ihrer Kritik an den jeweils vorgetragenen Lösungskonzepten an einer grundrechtlichen Fundierung festhalten, ebenfalls v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (829 ff.), in bezug auf den Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch; vgl. auch Erichsen, VerwArch 63 (1972), 217 (220 f.). 232

Vgl. die Nachweise in Fußn. 225.

233

Vgl. die Darstellung in JöR, Bd. 1 (1951), Grundrechte, Vorb. S. 42 f.; BVerfGE 7, 198 (204 f.) - Lüth-Harlan-Urteil; Katz, StaatsR, § 25 Rdnrn. 568, 572 f.; v. Münch, in: v. Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rdnr. 16. 234

Vgl. die Nachweise in Fußn. 210-212.

235

Weyreuther,

236

S. die Nachweise in Fußn. 145-148.

237

Vgl. die Nachweise in Fußn. 64 - 66 und 211.

Gutachten, S. Β 83.

110

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

rechte aufweisen und wie ihr Verhältnis zu dem durch die Grundrechte verbürgten Freiheitsrecht ausgestaltet ist.

(1) Die Grundrechte

als Unterlassungsansprüche

Bei genauerer Untersuchung der inhaltlichen Aussage der Grundrechte lassen sich zum einen Vorschriften feststellen, in denen objektive Eingriffsverbote für die öffentliche Gewalt normiert werden, so daß eine Tangierung der jeweils durch die Grundrechtsnorm geschützten Rechtssphäre entweder prinzipiell ausgeschlossen oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Als Beispiele seien die Vorschriften der Art. 1 Abs. 1 S. 1, 2 Abs. 2 S. 2, 4 Abs. 1, 10 Abs. 1, 13 Abs. 1, 13 Abs. 2, 14 Abs. 3, 16 Abs. 1, 16 Abs. 2 S. 1 GG erwähnt, wo die Unverletzlichkeit bzw. Unantastbarkeit bestimmter Rechtsgüter und Rechte festgeschrieben wird. Weiterhin genannt seien die Regelungen in den Art. 4 Abs. 3, 6 Abs. 3, 7 Abs. 3 S. 3, 12 Abs. 2, 12 Abs. 3 GG, nach denen dem Einzelnen bestimmte Handlungen nicht gegen seinen Willen abverlangt werden dürfen. Statuieren diese Grundrechtsbestimmungen mithin einerseits Unterlassungspflichten der staatlichen Hoheitsträger, und sind die Grundrechte andererseits als subjektiv-öffentliche Rechte vom Verfassungsgeber konzipiert worden, so folgt daraus konsequenterweise, daß der staatlichen Unterlassungspflicht ein grundrechtlich begründeter Unterlassungsanspruch des Betroffenen in bezug auf eben diese der öffentlichen Gewalt untersagten Rechtsverletzungen entsprechen muß. 238 Von diesen Rechtsvorschriften sind zum anderen diejenigen Freiheitsrechte zu unterscheiden, in denen dem Bürger als Normadressaten ein Recht oder eine Tätigkeit eingeräumt wird, wie dies beispielsweise in den Art. 2 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 1, 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 S. 1, 5 Abs. 1 S. 2, 6 Abs. 2 S. 1, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1, 9 Abs. 1, 9 Abs. 3 S. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 S. 1 GG festzustellen ist. Wird in diesen Verfassungsvorschriften über die Anordnung staatlicher Unterlassungspflichten hinausgehend, dem Einzelnen ausdrücklich eine bestimmte Rechtsmacht zuerkannt, so beinhaltet diese Rechtsposition erst recht den grundsätzlich bestehenden Anspruch auf Unterlassung widerrechtlicher Beeinträchtigungen dieser grundrechtlich begründeten Berechtigung. Anderenfalls würde das Freiheitsrecht zu einer leeren Hülse herabgesetzt, was wiederum mit der vom Verfassungsgeber verfolgten Konzeption der Grundrechte als subjektiv-öffentliche Rechte nicht zu vereinbaren wäre. 239

238 239

Vgl. hierzu W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 45 f.

S. dazu W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 47; vgl. weiterhin Weyreuther, Klage auf Unterlassung, S. 19 f.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

111

Nicht zugestimmt werden kann infolgedessen der in jüngster Zeit von Laubinger befürworteten Lösung, nach welcher der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch nicht unmittelbar aus dem Grundrecht selbst hergeleitet werden kann, sondern aus dem „allgemeinen Rechtsgedanken" abzuleiten ist mit dem Inhalt, daß der Inhaber eines Rechts bzw. Rechtsguts die Unterlassung eines Eingriffs in ein absolutes Recht oder ein geschütztes Rechtsgut verlangen kann, sofern keine Duldungsverpflichtung besteht.240 Diese Ansicht, die dem hier vertretenen Verständnis der Freiheitsgrundrechte als gleichzeitigen Garanten von Freiheitsposition und Abwehrrecht widerspricht, ist dem Vorwurf ausgesetzt, daß sie ein für den Bürger bedeutsames Schutzrecht durch Rückgriff auf einen ungeschriebenen Grundsatz zu rechtfertigen sucht, anstatt die vorrangige Anbindung an verfassungsrechtliche Rechtsnormen durch deren extensive Interpretation vorzunehmen. Mithin ist mit der überwiegend vertretenen Auffassung davon auszugehen, daß der materielle Regelungsgehalt der Grundrechte subjektiv-öffentliche Unterlassungsansprüche gegen zukünftige staatliche Übergriffe beinhaltet.241

(2) Die Grundrechte

als Beseitigungsansprüche

Schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage, ob die grundrechtlichen Abwehrrechte auch gegenüber einem bereits erfolgten staatlichen Eingriff einen Beseitigungsanspruch eröffnen. Die zum Nachweis dieses Beseitigungsrechts vertretenen Lösungsmodelle, nach denen sich der Unterlassungsanspruch nach eingetretener Rechtsbeeinträchtigung in einen Beseitigungsanspruch umwandelt242 bzw. der Beseitigungsanspruch an die Stelle des untergegangenen Unterlassungsanspruchs tritt, 243 vermögen nicht zu überzeugen. Beide Auffassungen weisen eine dogmatische Schwäche auf, da weder der Vorgang der Umwandlung des Unterlassungs- in den Beseitigungsanspruch genauer dargestellt noch erklärt wird, wie das Entfallen des Unterlassungsrechts zwangsläufig an dessen Stelle den Beseitigungsanspruch treten läßt. 244 Die Mängel dieser beiden rechtlichen Konstruktionen basieren auf der isolierten Betrachtungsweise von Unterlassungsanspruch einerseits und Beseitigungsrecht andererseits. Davon ausgehend, daß es sich bei diesen beiden Ansprüchen um zwei unabhängige, vollkommen selbständige Rechtspositionen handelt, wird der Nachweis einer „Umwandlung bzw. Ersetzung" des Unter240

So Laubingen VerwArch 80 (1989), 261 (292 f.).

241

Vgl. die Nachweise in Fußn. 67.

242

S. die Nachweise in Fußn. 74 und 227.

243

Vgl. den Nachweis in Fußn. 75 und 229.

244

S. die Nachweise in Fußn. 229.

112

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

lassungs- durch den Beseitigungsanspruch erforderlich, der nicht überzeugend dargelegt werden kann. Dies resultiert insbesondere aus dem Umstand, daß eine Art Anspruchssurrogat dem geltenden Recht fremd ist und beispielsweise auch im Zivilrecht die absolute Ausnahme darstellt. Mithin erscheint diese Konzeption bereits vom Ansatz her verfehlt. Vor diesem Hintergrund ist vielmehr anzunehmen, daß es sich bei dem Unterlassungs- und dem Beseitigungsanspruch um zwei Teilaspekte eines einheitlichen grundrechtlichen Abwehrrechts handelt, lediglich unterschiedlich eingreifend aufgrund des zeitlichen Umstandes, ob die hoheitliche Beeinträchtigung noch bevorsteht bzw. schon eingetreten ist. 245 In diesem zeitlichen Gesichtspunkt liegt indes kein inhaltlicher Unterschied, da Angriffsgegenstand beider Ansprüche die staatlicherseits verursachte Rechtsbeeinträchtigung ist. Sie knüpfen folglich an dieselbe Verpflichtung des Hoheitsträgers an, die Rechtssphäre des Bürgers nicht zu verletzen, d.h. den widerrechtlichen Eingriffsakt, der ursprünglich unterlassen werden sollte, bei gleichwohl erfolgter Realisierung wieder zu beseitigen. Nach diesem Verständnis sind der Unterlassungs- und der Beseitigungsanspruch zwei unterschiedliche Ausprägungen ein und desselben grundrechtlichen Abwehranspruchs.246 Hierfür sprechen folgende Überlegungen: Vorstehend wurde dargestellt,247 daß die Grundrechte gegenüber der öffentlichen Gewalt sowohl Einwirkungsverbote statuieren als auch bestimmte Rechte und Tätigkeiten zugunsten des Bürgers positiv gewährleisten. Als Folge der Ausgestaltung der Grundrechte als subjektiv-öffentliche Rechte eröffnen sie weiterhin nach ganz überwiegend anerkannter Ansicht einen Anspruch auf Unterlassung zukünftig drohender staatlicher Übergriffe. Ist es jedoch bereits zu einer Beeinträchtigung der grundrechtlichen Rechtssphäre gekommen, so kann der durch die Grundrechte garantierte Freiheitsbereich nur durch die Beseitigung der eingetretenen Rechtsverletzung wiederhergestellt werden. Will man somit dem vom Verfassungsgeber gewollten Ziel der Schaffung eines individuellen Freiheitsraumes des Bürgers gerecht werden und dem Charakter der Grundrechtsbestimmungen als subjektiv-öffentliche Rechte Geltung verschaffen, so ist es zwangsläufig geboten, einen grundrechtlichen Beseitigungsanspruch anzuerkennen.248 Bestätigung findet diese 245

Ähnlich W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 61 ff.; vgl. weiterhin Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (36 f.); Rösslein, FBA, S. 70, 74 ff., 77. 246 Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (37), faßt den Unterlassungs- und den Beseitigungsanspruch unter dem Begriff „Integritätsanspruch" zusammen. 247 248

Vgl. die Darstellung unter D I I 6, S. 110 f.

I.E. ebenso: VGH Mannheim, AfP 1985, 240; Bender, VB1BW 1990, 223 (224 f.); Erichsen, VerwR I, S. 221; ders., VerwArch 63 (1972), 217 (221); Führen, VR 1986, 5 (7); Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 9; W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 61 f.; Naumann, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 391 (398 f.); Papier, JuS

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

113

Ansicht durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Rückübereignungsanspruch des enteigneten Eigentümers.249 Hiernach steht dem Enteigneten nach Wegfall der EnteignungsVoraussetzungen gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ein Anspruch auf „Herstellung des verfassungsgemäßen Zustands, d.h. (auf) Rückübereignung des Grundstücks," zu. 250 Dem Einwand, daß der Existenz eines aus den Grundrechten abgeleiteten Beseitigungsanspruchs nicht zugestimmt werden könne, liegt wohl unausgesprochen die Überlegung zugrunde, daß im Gegensatz zum grundrechtlichen Unterlassungsanspruch, der einen reinen Abwehrcharakter aufweist, dem Beseitigungsanspruch, der ja dem Zweck dient, ein bereits geschehenes hoheitliches Unrecht wieder rückgängig zu machen, und folglich vom Staat ein aktives Handeln verlangt, ein Leistungsinhalt zukommt. Da die einhellige Meinung indessen zutreffenderweise davon ausgeht, daß den Grundrechten grundsätzlich keine Leistungsansprüche entnommen werden können,251 könnten in der Tat Bedenken im Hinblick auf die Herleitung eines Beseitigungsanspruchs aus den Grundrechten bestehen. Diesem dem ersten Anschein nach eingreifenden Einwand ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Ableitung des Beseitigungsrechts aus den Grundrechten ausschließlich in rechtlicher Konsequenz zu dem vorher bestehenden Eingriffsverbot für die staatlichen Hoheitsträger entsteht. Die Wurzel des Beseitigungsanspruchs stellt somit die Abwehrfunktion der Grundrechte dar. Der in dem Beseitigungsrecht enthaltene Leistungsinhalt erschöpft sich darin, den Verstoß gegen das staatliche Einwirkungsverbot durch einen actus contrarius auszugleichen, weshalb der Beseitigungsanspruch als Kehrseite des Unterlassungsanspruchs aufzufassen ist. 252 Die Richtigkeit der Annahme eines grund1985, 184 (186 in Fußn. 15); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (36 f.); vgl. auch Schenke, DVB1. 1990, 328 (330); ders., JuS 1990, 370 (372); ders., DÖV 1986, 305 (313 f.); ders., Rechtsschutz, S. 78 ff.; ders., in: Festschrift für Mühl, S. 571 (584 f.); ihm folgend J.-J. Rupp, Nachschieben von Gründen, S. 109 f.; s. weiterhin Stern, StaatsR I I I / 1 , S. 671 ff., 680; vgl. auch W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (95); v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (829 ff.). Dabei weisen die Anhänger der grundrechtlichen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs teilweise auch auf die Schwierigkeit des Nachweises des grundrechtlichen Beseitigungsanspruchs hin, vgl. die Nachweise in Fußn. 231. 249 Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 14 IV Rdnr. 509; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, § 17 Rdnr. 335; Stern, StaatsR III/1, S. 676. Der Anspruch auf Rückübereignung ist nunmehr in § 102 BauGB gesetzlich normiert. 250

BVerfGE 38, 175 (181, 185).

251

Vgl. die Nachweise in Fußn. 112 und 113.

252

Vgl. auch H.H. Rupp, Grundfragen, S. 258 in Fußn. 474, wonach der öffentlich-rechtliche Reaktionsanspruch - im Hinblick auf die Tatsache, daß ,jedes subjektive Recht eine ihm korrespondierende Pflicht voraussetzt", ... „als spezielle Kehrseite eines allgemeineren Rechtssatzes" zu qualifizieren ist mit dem Inhalt, daß die Verwaltung verpflichtet ist, fehlerhafte Akte dem Recht gem. zu korrigieren, unabhängig davon, ob die Maßnahmen belasten oder begünstigen. 8 Pietzko

114

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

rechtlichen Beseitigungsanspruchs wird dadurch bestätigt, daß anderenfalls dem vom Verfassungsgeber den Grundrechten zuerkannten Status einer wehrfähigen Rechtsposition im Hinblick auf den grundrechtlich verbürgten Freiheitsbereich keine ausreichende Rechnung getragen würde. Bei anderer Ansicht hinge das Eingreifen des Rechtsschutzes zugunsten des Bürgers lediglich von dem zeitlichen Zufall ab, wann die Rechtsverletzung erfolgt ist. Hierbei würde aber außer acht gelassen, daß das Bedürfnis des Betroffenen auf ein Einschreiten gegen die Rechtstangierung sowohl bei einer gegenwärtigen bzw. in Aussicht gestellten als auch bei einer bereits verwirklichten Beeinträchtigung der grundrechtlichen Rechtssphäre gleich ist, da es in beiden Fällen um die Verwirklichung des grundrechtlichen Freiheitsraumes geht. Dem trägt auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Nr. 4 a GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG Rechnung.253 Hiernach kann eine Verfassungsbeschwerde auch dann erhoben werden, wenn die eigentliche Rechtsverletzung bereits abgeschlossen ist, indem z.B. der den Eingriff ausweisende Verwaltungsakt zwischenzeitlich aufgehoben worden ist. 254 Denn es ist zu bedenken, daß auch ein schon geschehener Eingriff immer noch insoweit die gegenwärtige Rechtsstellung betrifft, als der unrechtmäßige Zustand und die sich daraus ergebenden Folgen weiter fortwirken. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, daß aus dem grundrechtlich gesicherten Freiheitsbereich ein Abwehranspruch erwächst. Dieser ist latent in jedem Freiheitsgrundrecht gegeben und wird im Falle der Rechtsverletzung aktualisiert. Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die Rechtsbeeinträchtigung erfolgt, hat der Abwehranspruch die Gestalt des Unterlassungs- oder des Beseitigungsanspruchs.255 Folglich ist ein den Grundrechten immanenter Beseitigungsanspruch anzuerkennen. Damit ist auch das zweite Bedenken gegen 253

Vgl. auch M. Redeker, DÖV 1987, 194 (196); Schenke, Rechtsschutz, S. 79.

254

Vgl. in diesem Zusammenhang die Entscheidungen, BVerfGE 53, 152 (157 f.); 52, 42 (51 f.); 50, 244 (247 f.); 33, 247 (253); 25, 256 (262); 21, 139 (143); 9, 89 (92 f.). 255 In diesem Sinne Rösslein, FBA, S. 70; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 9; vgl. weiterhin Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (36 ff.); s. außerdem Stern, StaatsR ΙΠ/1, S. 671 ff., 680 i.V.m. S. 562-569, der allerdings in dogmatischer Hinsicht abweichend zwischen den grundrechtlichen Abwehrrechten einerseits und den ihrer Sicherung dienenden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen andererseits unterscheidet (vgl. bereits die Nachweise in Fußn. 67 und 68). Uneinheitlich sind auch die Stellungnahmen des Bundesverfassungsgerichts: Während das Gericht betont, daß Art. 13 GG der Charakter eines negatorischen Grundrechts zukomme (so BVerfGE 7, 230 [238]), wodurch die Schlußfolgerung nahegelegt wird, daß das Grundrecht selbst als Störungsabwehranspruch qualifiziert wird, spricht es an anderer Stelle von dem „Störungsabwehranspruch, den die Rechtsordnung zum Schutze eines Grundrechts einräumt" (BVerfGE 61, 82 [113]; vgl. auch BVerfGE 69, 315 [343]). Diese Formulierung spricht eher dafür, daß das Grundrecht seinerseits als Schutzobjekt anderweitig begründeter negatorischer Ansprüche verstanden wird. Auf diese Divergenz im Sprachgebrauch hinweisend: Stern, a.a.O., S. 562.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

115

eine grundrechtliche Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs ohne Durchschlagskraft.

bb) Zwischenergebnis Mithin umfaßt der materielle Regelungsgehalt der Grundrechte einen Beseitigungsanspruch des Bürgers gegen die staatlicherseits vorgenommene Rechtsbeeinträchtigung. Sie weisen damit einen subjektiv-öffentlichen Rechtscharakter auf und kommen somit grundsätzlich als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs in Betracht.

cc) Das Erfordernis der Rechtssicherheit: Ergänzungsbedürftigkeit des Art. 2 Abs. 1 GG als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs Während die vorstehend behandelten Bedenken gegen eine grundrechtliche Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht zu überzeugen vermochten, ist demgegenüber fraglich, ob die isolierte Heranziehung der Grundrechte zur rechtlichen Legitimation des Folgenbeseitigungsanspruchs dem Erfordernis der Rechtssicherheit in ausreichendem Maße gerecht wird. Die diesbezüglichen Zweifel beruhen darauf, daß die Freiheitsgrundrechte zwar einen öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanspruch beinhalten, allerdings überwiegend konkrete Anhaltspunkte dahingehend entbehren, „wie" dieser Beseitigungsanspruch ausgestaltet ist. 256 Dieses Problem läßt sich an zwei Beispielen verdeutlichen: Weitgehend nicht möglich ist es beispielsweise, aus den Freiheitsgrundrechten zwingende Rückschlüsse auf die Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs zu gewinnen.257 So läßt sich z.B. die Frage, ob der Folgenbeseitigungsanspruch bei Vorliegen tatsächlicher oder rechtlicher Hinderungsgründe ausscheidet oder die Mitwirkung des Betroffenen an der Entstehung der Rechtsbeeinträchtigung analog § 254 Abs. 1 BGB bei seiner Geltendmachung zu berücksichtigen 256

Dies ebenfalls feststellend: Baumeister, FBA, S. 80 f.; Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (511); v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (829 f.); Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 1, S. 601; Spanner, DVB1. 1968, 618 (620); vgl. auch M. Redeker, DÖV 1987, 194 (196); a.A. demgegenüber Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (38 ff.). 257 Ein Beispiel für eine Aussage der Freiheitsgrundrechte standsstruktur des Folgenbeseitigungsanspruchs ist die bereits der Grundrechte gegen die Einbeziehung der rechtswidrigen Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs, vgl. die S. 76 f. mit Nachweisen in Fußn. 116.

im Hinblick auf die Tatbebeschriebene Indizwirkung Leistungsversagung in den Ausführungen unter C I 1,

116

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

ist, 258 nicht durch die Bezugnahme auf die grundrechtliche Wurzel dieses Rechtsinstituts verbindlich beantworten. Schwierigkeiten bereitet weiterhin die Feststellung, welchen Anspruchsinhalt ein auf Art. 2 Abs. 1 GG bzw. die Freiheitsgrundrechte gestützter Folgenbeseitigungsanspruch aufweisen müßte. Diskutiert wird, ob seine Rechtsfolgen auf eine bloße Beseitigung der Störungsquelle beschränkt sind bzw. darüber hinaus die Wiederherstellung der ursprünglich bestehenden Rechtsintegrität oder aber eine umfassende Wiedergutmachung unter Einschluß des entgangenen Gewinns umfassen. 259 Bezeichnenderweise werden im Schrifttum unter Berufung auf die grundrechtliche Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs die unterschiedlichsten Schlußfolgerungen im Hinblick auf den Anspruchsinhalt gezogen. So weist Hartmut Maurer 260 als Vertreter der grundrechtlichen Legitimation des Folgenbeseitigungsanspruchs darauf hin, daß dieser nur die Wiederherstellung des Status quo ante beinhalte. Im Gegensatz hierzu geht Martin Redeker 261 davon aus, daß ein auf den Grundrechten basierender Folgenbeseitigungsanspruch wegen der weitreichenden Schutzfunktion der Grundrechte als Wiedergutmachungsanspruch ausgestaltet sein müsse. Die Behörde habe demnach den hypothetischen Zustand wiederherzustellen, der ohne Eingreifen des schädigenden Ereignisses bestehen würde. Konsequenterweise könnte der Betroffene demzufolge auch einen entgangenen Gewinn im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs geltend machen. Ohne konkreten Aussagegehalt bezüglich der Ausgestaltung der Rechtsfolgen sind schließlich die Feststellungen von Schoch.262 Ausgehend von der allgemeinen Prämisse, derzufolge der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs in Abhängigkeit von dem jeweils bestehenden Umfang des Grundrechtsschutzes bestimmt werde, läßt er damit im Ergebnis offen, ob der auf die (Wieder-)Herstellung der Rechtsintegrität abzielende Anspruch die Vornahme eines actus contrarius, die Beseitigung der Störungsquelle oder aber eine darüber hinausgehende Wiedergutmachung einschließt. Bereits diese kurze und keinesfalls abschließende Aufzählung zeigt, daß es nicht möglich ist, aus den Freiheitsgrundrechten, für sich genommen, zwingende Rückschlüsse auf die tatbestandliche Ausgestaltung sowie die Rechts-

258

Vgl. dazu die Darstellung in Kapitel 4 Β V, S. 543 ff.

259

S. zum Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs die Ausführungen in Kapitel 3 B, S. 391 ff. 260

So Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnrn. 5, 9.

261

So M. Redeker, DÖV 1987, 194 (198).

262

Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (46, 48 f.).

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

117

folgen des Folgenbeseitigungsanspruchs zu gewinnen.263 Insbesondere dürfen in diesem Zusammenhang zwei Dinge nicht verwechselt werden. Die Erkenntnis, daß eine bestimmte inhaltliche Strukturierung des Folgenbeseitigungsanspruchs mit den Grundrechten in Einklang stehen würde, bedeutet nicht zwangsläufig, daß gerade nur diese Inhaltsbestimmung durch die Rechtsnormen geboten ist. Hervorgerufen wird dieses Regelungsdefizit durch den abstrakt-generellen Rechtscharakter der Grundrechte. Den weitgehend generalklauselartigen Bestimmungen ist kein zwingender Beurteilungsmaßstab für die Ausformung eines konkreten Anspruchs zu entnehmen. Unter anderem aus diesem Grunde hat es das Bundesverfassungsgericht auch abgelehnt, den Grundrechten eine unmittelbare Drittwirkung im Verhältnis der Bürger untereinander zuzubilligen. Maßgebend hierfür war die Überlegung, daß die Grundrechte angesichts ihres extensiven Regelungsgehalts zu vielfältigen Auslegungen Anlaß geben, und damit zur Klärung wechselseitiger alltäglicher Ansprüche zwischen Privatpersonen nur begrenzt geeignet sind.264 Auf der Grundlage einer grundrechtlichen Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs stellt sich dasselbe Problem hinsichtlich der konkreten tatbestandlichen Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs als staatshaftungsrechtlicher Anspruchsgrundlage. Der exemplarisch anhand der genannten Problemkreise veranschaulichte mangelnde Aussagegehalt der Freiheitsgrundrechte in bezug auf den Normgehalt des Folgenbeseitigungsanspruchs führt zur Rechtsunsicherheit in der Anwendung dieses Rechtsinstituts. Diese betrifft in erster Linie den Bürger, dem es in vielen Fällen auch unter Hinzuziehung rechtlichen Beistandes nicht möglich sein wird, die Begründetheit eines Wiederherstellungsanspruchs bzw. die Erfolgsaussichten einer Klage abzuschätzen. Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG stellt es indessen speziell für den staatshaftungsrechtlichen Bereich ein inakzeptables Ergebnis dar, einen durch einen behördlichen Eingriff Geschädigten zusätzlich mit den Zweifeln über das mögliche Eingreifen eines Restitutionsanspruchs zu belasten.265

263 Vgl. hierzu Bachof\ Sitzungsberichte, S. L 55 f.; Baumeister, FBA, S. 81; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 1, S. 601; H.H. Rupp, JA 1979, 506 (509); Spanner, DVB1. 1968, 618 (620). Bemerkenswerterweise weist M. Redeker, der aus der grundrechtlichen Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs dessen Charakter als Wiedergutmachungsanspruch ableitet (vgl. Nachweis in Fußn. 261), selbst an anderer Stelle darauf hin, daß die Grundrechte keine Aussage in bezug auf die mögliche Reaktion auf eine Beeinträchtigung enthalten (so M. Redeker, DÖV 1987, 194 [196 r. Sp.]), ohne die darin liegende Inkonsequenz seiner Argumentation zu erkennen. 264 265

Vgl. hierzu Pieroth/Schlink,

Grundrechte, § 5 II 2 Rdnrn. 204, 210.

S. auch den Hinweis bei Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 6, die ausführen, daß bis zur Regelung des Folgenbeseitigungsanspruchs in § 3 des StHG „alle Wesenselemente dieses Instituts bis zuletzt umstritten" geblieben sind, denn „das Gerechtigkeitsgebot allein, in welcher verfassungs- oder einfachrechtlichen Ausformung auch immer, gab keinen aus-

118

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

Dies gilt um so mehr, als die Zuerkennung staatshaftungsrechtlicher Entschädigungsansprüche nach der neueren Rechtsprechung davon abhängig ist, daß der Betroffene durch die primäre Geltendmachung von Abwehransprüchen zu einer Reduzierung der eingetretenen Rechtsgutsverletzung beiträgt. 266 Mit Rücksicht auf diese dem Folgenbeseitigungsanspruch zukommende Vorschaltfunktion für nachfolgende Entschädigungsansprüche besitzt somit die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs auch Ausstrahlungswirkungen auf die Durchsetzung anderweitiger staatshaftungsrechtlicher Ansprüche. Überdies führt die Unbestimmtheit der Rechtsgrundlage bzw. der damit verbundenen inhaltlichen Ausformung des Folgenbeseitigungsanspruchs auch zu dogmatischer Unsicherheit, als hierdurch die Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs zu den übrigen staatshaftungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen erschwert wird. Dies betrifft namentlich die Standortbestimmung des Folgenbeseitigungsanspruchs im Verhältnis zum verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Angesichts des im geltenden Recht normierten Grundsatzes, wonach Schadensersatzansprüche gegenüber dem Staat nur bei Vorliegen eines schuldhaften Unrechtsverhaltens zugebilligt werden, darf der Folgenbeseitigungsanspruch nicht stillschweigend in einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch kraft richterrechtlicher Rechtsfortbildung umgewandelt werden. Die deshalb zwingend erforderliche Abgrenzung267 läßt sich jedoch nicht durch die alleinige grundrechtliche Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs vornehmen. Damit bewirkt der mangelnde konkrete Regelungsgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG bzw. der Freiheitsgrundrechte als isoliert herangezogene Rechtsgrundlage eine verfassungsrechtliche (im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie), eine staatshaftungsrechtliche (wegen der Ausstrahlungswirkungen auf die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen) und eine dogmatische (angesichts der Schwierigkeit der Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs zu den übrigen staatshaftungsrechtlichen Ansprüchen) Rechtsunsicherheit, die nicht akzeptiert werden kann. Es entsteht damit im Ergebnis eine verfassungsrechtliche Wertekollision, da ein in den Grundrechten verankerter materiell-rechtlicher Beseitigungsanspruch wegen der Unbestimmtheit seines Tatbestands und seiner Rechtsfolgen gegen das grundlegende verfassungsrechtliche Erfordernis der Rechtssicherheit verstößt. Demnach kann einer isolierten Heranzie-

reichenden Anhalt für die Ausgestaltung in den Einzelheiten". Hieraus habe sich als Konsequenz die rechtsstaatliche Kodifizierungspflicht ergeben. 266 267

Vgl. die Nachweise in Fußn. 152-154.

Auf die Notwendigkeit der Grenzziehung zwischen dem Folgenbeseitigungsanspruch und dem Schadensersatzanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG hinweisend: BVerwG, BayVBl. 1987, 541 1. Sp.; BVerwGE 69, 366 (373).

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

119

hung der Freiheitsgrundrechte zur rechtlichen Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht zugestimmt werden.

dd) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis bleibt somit festzuhalten, daß keiner der dargestellten Lösungsvorschläge zur dogmatischen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs vollständig zu überzeugen vermochte. Allerdings ist festgestellt worden, daß die Ableitung dieser Anspruchsnorm aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. den Freiheitsgrundrechten die an eine Rechtsgrundlage generell zu stellenden Anforderungen weitestgehend erfüllt (materiell-rechtlicher Regelungsgehalt und subjektiv-öffentlicher Rechtscharakter), ihr im Endergebnis jedoch wegen der inhaltlichen Unbestimmtheit und der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit nicht zugestimmt werden konnte.

I I I . Eigener Lösungsvorschlag: Fortentwicklung des grundrechtlichen Lösungsansatzes durch eine Analogie zu § 1004 BGB Vor dem Hintergrund des soeben dargestellten Zwischenergebnisses stellt sich die Frage, ob der grundrechtliche Lösungsansatz, d.h. die Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus den Freiheitsgrundrechten bzw. Art. 2 Abs. 1 GG, weiterentwickelt werden kann. Der entscheidende Einwand gegen die alleinige Legitimation des Folgenbeseitigungsanspruchs aus den Freiheitsgrundrechten besteht in der daraus resultierenden tatbestandlichen Unbestimmtheit. Unter der Voraussetzung, daß dieser Mangel beseitigt werden könnte, bestünden hingegen keine Bedenken gegen eine Anerkennung der Freiheitsgrundrechte als Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs. Ausgehend von diesem Anknüpfungspunkt erscheint es überlegenswert, die erforderliche Strukturierung durch Anlehnung an eine bestehende gesetzliche Regelung zu erreichen. Zur inhaltlichen Ausgestaltung des grundrechtlichen Beseitigungsanspruchs kommt insoweit eine Analogie zu § 1004 BGB in Betracht. Sofern die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer entsprechenden Heranziehung des § 1004 BGB bejaht werden können, wären die Freiheitsgrundrechte als Wurzel des Beseitigungsanspruchs i.V.m. § 1004 BGB analog als Konkretisierungsmaßstab gemeinsam als einheitliche Rechtsgrundlage anzuerkennen. Aufgrund dieser Kombination eines verfassungsrechtlichen und eines zivilrechtlichen Strukturelementes könnte von einer Art „typengemischten Lösung" hinsichtlich der dogmatischen Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs gesprochen werden.

120

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

Zu prüfen ist deshalb, ob eine analoge Anwendung des § 1004 BGB zulässig ist.

1. Prinzipieller Ausschluß einer Analogie zu § 1004 BGB Bevor auf die einzelnen Erfordernisse einer Gesetzesanalogie eingegangen wird, stellt sich vorab die Frage, ob die hier in Erwägung gezogene entsprechende Heranziehung des § 1004 BGB als ergänzende Konkretisierungshilfe des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht durch generelle Überlegungen, welche das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Recht einerseits und dem Zivilrecht andererseits betreffen, ausgeschlossen ist. Sollte dies der Fall sein, müßte eine Analogie zu § 1004 BGB von vornherein ausscheiden. Die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Gesetzesanalogie erfüllt sind, würde sich dann erst gar nicht stellen. In der Literatur werden zwei prinzipielle Einwände gegen die analoge Heranziehung des § 1004 BGB zur rechtlichen Abstützung des Folgenbeseitigungsanspruchs geltend gemacht:

a) Einwand 1: Unterschiedliche Schutzrichtung des zivilrechtlichen und des öffentlich-rechtlichen Rechtssystems Gegen eine analoge Heranziehung des § 1004 BGB zur rechtlichen Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs wird angeführt, daß die durch § 1004 BGB geschützten Rechte gegen jedermann eine Ausschlußwirkung entfalten würden, wohingegen die subjektiven Rechte des öffentlichen Rechts, insbesondere die Grundrechte und der aus ihnen hergeleitete Beseitigungsanspruch, prinzipiell nur einen staatsgerichteten Charakter aufweisen würden. Dementsprechend diene das Zivilrecht nach seinem Inhalt und seiner Zielsetzung der Abgrenzung und dem Ausgleich privater Interessensphären, während das hoheitliche, dem öffentlichen Rechtsbereich zugehörige Handeln, grundsätzlich am Allgemeinwohl orientiert sei. Dieser Gegensatz in der Schutzrichtung der beiden Rechtsordnungen stehe einer entsprechenden Anwendung zivilrechtlicher Normen im öffentlichen Recht generell entgegen und widerspreche demzufolge auch der analogen Berücksichtigung des § 1004 BGB zur rechtlichen Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs.268

268

Baumeister, FBA, S. 40 f.; Bender, DÖV 1968, 156 (162); ders., StHR, 2. Aufl., Rdnr. 234 mit Fußn. 317; Böß, Vergleich, S. 15 ff.; Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 84; H. Horn, FBA, S. 36 f. mit Fußn. 123; Rösslein, FBA, S. 73; Schimpf, Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 335 in Fußn. 14; v. Turegg/Kraus, VerwR, S. 210; Weyreuther, Gutachten, S. Β 75 f.; s. weiterhin W. Martens, in: Feschrift für Schack, S. 85

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

121

Dieses Bedenken der grundsätzlichen Unanwendbarkeit zivilrechtlicher Normen im öffentlichen Recht vermag nicht zu überzeugen. Hierbei wird gänzlich außer acht gelassen, daß die analoge Heranziehung privatrechtlicher Vorschriften im Rahmen anderer öffentlich-rechtlicher Rechtsinstitute und Rechtsverhältnisse anerkannt ist. So wird in § 62 S. 2 VwVfG ausdrücklich angeordnet, daß im Bereich des öffentlich-rechtlichen Vertrages die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches ergänzend zu berücksichtigen sind. Auch wenn in diesem Fall eine entsprechende Geltung zivilrechtlicher Normen durch das Gesetz selbst ausdrücklich angeordnet wird, kommt doch gleichzeitig in dieser Regelung die generelle Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck, trotz der Unterschiede in beiden Rechtsgebieten die Beachtung zivilrechtlicher Rechtsvorschriften im öffentlichen Recht für möglich zu erachten. Weiterhin wird im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag 269 oder auch im Regelungsbereich der öffentlich-rechtlichen Verwahrung 270 bzw. des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs271 auf die Normen des Privatrechts Bezug genommen. Ferner beanspruchen die Bestimmungen über die Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB, unbestritten auch im öffentlichen Recht Geltung.272 Ebenso werden die Grundsätze der culpa in

(93), in bezug auf die Anwendung des § 906 BGB im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs gegen Realakte; ferner Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 f.; s. außerdem hinsichtlich der Berücksichtigung zivilrechtlicher Rechtsbestimmungen für die Beurteilung verwaltungsrechtlicher Verträge die Darstellung bei, Frank, DVB1. 1977, 682 (688), mit Bezug auf Otto Mayer, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1924, S. 117, wonach in der Weimarer Verwaltungsrechtsdogmatik die Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften im öffentlichen Recht generell abgelehnt worden ist. 269 Im Regelungsbereich der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag werden die zivilrechtlichen Vorschriften zum Teil analog oder als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken angewendet, vgl. BVerfGE 18, 429 (436 f.); BVerwGE 48, 279 (285); VGH Mannheim, NJW 1977, 1843; OVG Münster, NJW 1976, 1956; Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 30 II, S. 345; Ossenbühl, StHR, S. 225. Demgegenüber gegen die Anerkennung der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag, da diese durch den Erstattungsanspruch im öffentlichen Recht verdrängt worden sei, Wollschläger, Geschäftsführung, S. 32 ff., 60, 95. 270 Grundsätzlich die Bezugnahme auf die privatrechtlichen Regelungen des Verwahrungsvertrages im öffentlichen Recht befürwortend: BVerfGE 18, 429 (436); Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 30 I, S. 344; Ossenbühl, StHR, S. 223 f.; vgl. auch BVerwGE 52, 247 (254); teilweise zustimmend: Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, § 16 Rdnr. 312. Allerdings ist zu beachten, daß im Hinblick auf die unterschiedliche Bedeutung der Verwahrung im öffentlichen Recht und der besonderen Stellung der öffentlichen Verwaltung bestimmte Vorschriften, z.B. §§ 690, 695 BGB, nicht zur Anwendung kommen, hierzu Erichsen, a.a.O.; Ossenbühl, a.a.O., S. 224. 271 Vgl. hierzu BVerwG, DVB1. 1985, 850; Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 30 III, S. 353; Maurer, AllgVerwR, § 28 Rdnr. 21.

AllgVerwR,

272 Vgl. die ausdrückliche Regelung in § 51 SGB - AT - sowie in § 226 AO. S. weiterhin BVerwG, NVwZ 1984, 168; OVG Lüneburg, OVGE 36, 484 ff.; VGH München, BayVBl. 1985, 119 f.

122

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

contrahendo auf Verhandlungen angewandt, die zum Abschluß einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung führen sollen.273 Angesichts der umfangreichen Anerkennung zivilrechtlicher Vorschriften im öffentlichen Rechtsbereich läßt sich daher das Postulat der Unanwendbarkeit des § 1004 BGB wegen der generellen Wesens Verschiedenheit von Privatrecht und öffentlichem Recht nicht aufrechterhalten. Vielmehr ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden, ob die im Zivilrecht geltende Rechtsvorschrift einen Rechtsgedanken bzw. eine Wertung enthält, die gleichermaßen zur Beantwortung der öffentlich-rechtlichen Rechtsfrage herangezogen werden kann. 274

b) Einwand 2: Inhaltliche Veränderungssperre bei einer analogen Heranziehung des § 1004 BGB Weiterhin wird für den Fall einer Analogie zu § 1004 BGB befürchtet, bei einer unveränderten Übernahme der zivilrechtlichen Vorschrift werde den bislang anerkannten öffentlich-rechtlichen Strukturen des Folgenbeseitigungsanspruchs keine Rechnung getragen. Vielmehr bestünde bei einer pauschalen Übernahme der tatbestandlichen Ausgestaltung des § 1004 BGB die Gefahr, öffentlich-rechtliche Wertungsgesichtspunkte zu ignorieren und den Wesensgehalt des Folgenbeseitigungsanspruchs unzulässigerweise umzugestalten. Als Beispiel für dieses Risiko wird darauf hingeweisen, daß im Zivilrecht Rechtsprechung275 und Literatur 276 zum Teil davon ausgingen, im Wege des 273 BVerwG, DÖV 1974, 133 (134); BGH, NJW 1980, 1683 (1684); BGHZ 71, 386 (392 ff.); 6, 330 (332 ff.); OVG Münster, DVB1. 1972, 614 (615); OVG Münster, DÖV 1971, 276 (277); vgl. weiterhin Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 30, S. 342; sowie die Darstellung bei Ossenbühl, StHR, S. 233 f. 274 Vgl. in diesem Zusammenhang, Rüfner, BB 1968, 881 in Fußn. 4, der „die ängstliche Ablehnung der Analogie zur zivilrechtlichen actio negatoria", wie sie sich bei Rösslein, FBA, S. 73 f.; Weyreuther, Gutachten, S. Β 74 ff.; Heidenhain, Amtshaftung, S. 135, 137 in Fußn. 10; W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (91 ff.) findet, - „unbeschadet der zu berücksichtigenden Sonderlage der öffentlichen Verwaltung - nicht für berechtigt (hält)". S. ferner BGHZ 71, 386 (392 f.), wonach die Ausrichtung der öffentlichen Verwaltung auf das Gemeinwohl den vermögensrechtlichen Ausgleich von Interessengegensätzen der Vertragspartner nicht ausschließt, weshalb eine entsprechende Heranziehung der Regeln der zivilrechtlichen culpa in contrahendo im öffentlichen Recht in Betracht kommen könne. 275 BGHZ 28, 110 (113); weitergehend indessen RGZ 127, 29 (33 ff.), wonach bei einem Haldenbrand, der auf einen Bahndamm übergreift, über § 1004 BGB nicht nur die Eindämmung des Feuers, sondern auch die Beseitigung der schon erfolgten Zerstörung verlangt werden kann. Vgl. weiterhin die Nachweise in Kapitel 3, Fußn. 67 und 76. 276

Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 1004 Anm. 3 b; Medicus, in: Müko, BGB, § 1004 Rdnr. 61; Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 5 a; Soergel/Mühl, BGB, § 1004 Rdnr.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

123

§ 1004 BGB könne als Rechtsfolge lediglich die Beseitigung der störenden Einwirkung für die Zukunft, nicht jedoch die Herstellung des früheren Zustande durch Behebung der Folgen des Eingriffsverhaltens begehrt werden. Vielmehr sei letzteres über einen Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB geltend zu machen. Demgegenüber sei in bezug auf den öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch überwiegend anerkannt, daß er jedenfalls nicht nur auf die Behebung der Einwirkung für die Zukunft gerichtet sei. 277 Die unveränderte analoge Heranziehung des § 1004 BGB würde damit den anerkannten Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs unberechtigterweise einschränken. Würde man dagegen trotz der entsprechenden Heranziehung des § 1004 BGB dem betroffenen Bürger über den Folgenbeseitigungsanspruch auch einen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustande zubilligen, würden die Grenzen der Analogie zu § 1004 BGB überschritten.278 Angesichts dieser dogmatischen Bedenken müsse somit § 1004 BGB zur rechtlichen Abstützung des Folgenbeseitigungsanspruchs ausscheiden. 279 Auch der vorgenannte Einwand stellt die analoge Heranziehung des § 1004 BGB indessen nicht in Frage. In bezug auf dieses Argument der „inhaltlichen Veränderungssperre" im Rahmen der analogen Anwendung des § 1004 BGB ist zunächst einzuwenden, daß im Zivilrecht der Geltungsbereich des § 1004 BGB nicht zweifelsfrei geklärt ist und auch eine extensive Auslegung des § 1004 BGB i.S. einer Wiederherstellungsvorschrift befürwortet wird. 280 Läßt man diese Tatsache jedoch einmal außer Betracht und legt einen restriktiven Rechtsfolgenbegriff zugrunde, so steht dies dennoch nicht der analogen Berücksichtigung des

42; s. auch Baur t AcP 160 (1961), 465 (489 f.), wonach der Störer gem. § 1004 BGB die beeinträchtigende Tätigkeit als solche rückgängig machen muß; kritisch insoweit Erman/ Hefermehl BGB, § 1004 Rdnr. 7; HenckeU AcP 74 (1974), 97 (102 f. in Fußn. 8). 277

Vgl. BVerwG, NJW 1989, 118; BVerwG, BayVBl. 1987, 541 1. Sp. Mitte; BVerwGE 69, 366 (371 ff.); VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (103); s. weiterhin die Nachweise bei Weyreuther, Gutachten, S. Β 20 in Fußn. 27. Vgl. außerdem die Darstellung in Kapitel 3 Β I 2, S. 393 ff. mit Nachweisen in Fußn. 22 und 23. 278 In diesem Sinne Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 2; Bender, DÖV 1968, 156 (162); Bö% Vergleich, S. 17 f.; v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (827 f.); vgl. allgemein auch Haas, System, S. 69, wonach beim Analogieschluß die Tatbestandsseite des herangezogenen geregelten Sachverhalts modifiziert wird, hingegen die Rechtsfolge unverändert bleibt. 279 280

So ausdrücklich: Böß, Vergleich, S. 18.

So besteht Uneinigkeit beispielsweise in den Dammbruchfällen: Während das LG Göttingen, NdsRpfl. 1951, 101, gem. § 1004 BGB einen Anspruch auf Trockenlegung befürwortet, gewährt das OLG Stuttgart, OLGE 41, 162, das Recht auf Erneuerung des abgeschwemmten Erdreichs, währenddessen das BayObLG, SeuffA 58, Nr. 106, nur einen Anspruch auf Schließung der Dammlücke anerkennt; vgl. weiterhin RGZ 127, 29 (33 ff.).

124

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

§ 1004 BGB zur inhaltlichen Ausformung des Folgenbeseitigungsanspruchs entgegen. Zuzugeben ist der geschilderten Methodenlehre grundsätzlich vom im Falle eines Analogieschlusses Reichweite dieses Grundsatzes wie

Ansicht allerdings, daß in der juristischen Verbot der Veränderung der Rechtsfolge ausgegangen wird. 281 Allerdings ist die folgt einzuschränken:

-

Zunächst kann das Prinzip der inhaltlichen Veränderungssperre bei einer Analogie dann keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen, wenn die entsprechend angewandte Rechtsnorm in ein anderes Rechtsgebiet übertragen wird. Die spezifischen Strukturprinzipien des regelungsbedürftigen Rechtsbereichs gebieten es hier, erforderlichenfalls eine Modifikation der ergänzend herangezogenen Vorschrift vorzunehmen.

-

Dieses Modell einer eingeschränkten Analogie zivilrechtlicher Normen im öffentlichen Recht wird durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs bestätigt. Auch bei diesem Anspruch handelt es sich um ein inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkanntes Rechtsinstitut.282 Wie das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 12.3.1985283 festgestellt hat, werden die Anspruchsvoraussetzungen des Erstattungsanspruchs in Anlehnung an den zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch gem. den §§ 812 ff. BGB analog bestimmt. Im Unterschied hierzu wird hinsichtlich der Frage, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen sich der Empfänger einer rechtsgrundlosen Leistung auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, nicht auf die Vorschriften der §§ 818 Abs. 3, 819 Abs. 1 BGB abgestellt. Vielmehr schließt das Bundesverwaltungsgericht in bewußter Abweichung von § 819 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des öffentlichen Rechts (Beachtung des Gesetzmäßigkeitsgebotes, Grundsatz des Vertrauensschutzes) bei lediglich grob fahrlässiger Unkenntnis des Betroffenen von der Kausalosigkeit der Leistung den Einwand des Wegfalls der Bereicherung aus.284 Im Ergebnis greift damit das Bundesverwal281

Vgl. hierzu Lorenz, Methodenlehre, S. 365 f.

282

Zur Entwicklung dieses Rechtsinsituts, vgl. Lassar, Der Erstattungsanspruch im Verwaltungs- und Finanzrecht, Berlin 1921, sowie E. Weber, Der Erstattungsanspruch. Die ungerechtfertigte Bereicherung im öffentlichen Recht, Berlin 1970. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist auf die Rückgewährung ohne Rechtsgrund erlangter Leistungen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses gerichtet. S. hierzu BVerwG, DVB1. 1985, 850 f.; BVerwGE 25, 72 (76); 4, 215 (218); Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnrn. 19 ff.; Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 30 III, S. 351 ff.; Maurer, AllgVerwR, § 28 Rdnrn. 20 ff.; H. Weber, JuS 1986, 29 ff. 283

BVerwG, DVB1. 1985, 850 r. Sp. unten.

284

BVerwG, DVB1. 1985, 850 (851 f.). Ebenso §§ 53 Abs. 2 S. 2 BRRG, 87 Abs. 2

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

125

tungsgericht zur Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auf die §§ 812 ff. BGB zurück, modifiziert diese jedoch, sofern dies durch spezielle öffentlich-rechtliche Wertungen geboten ist. 285 Damit trägt das Gericht dem Umstand Rechnung, daß durch die Übertragung privatrechtlicher Normen in das öffentliche Recht keine zwingenden öffentlich-rechtlichen Gebote unterlaufen werden dürfen. Das Verbot einer „Flucht ins Privatrecht" 286 ist demnach auch bei einer entsprechenden Heranziehung zivilrechtlicher Normen im Staatshaftungsrecht zu beachten, weshalb insoweit zutreffenderweise von der Durchführung einer „flexiblen Analogie " gesprochen werden sollte. -

Überdies steht die inhaltliche Bezugnahme auf § 1004 BGB im Wege des Analogieschlusses unter dem Vorbehalt des Bestehens einer regelwidrigen Lücke. Weist daher der Folgenbeseitigungsanspruch anerkannte und konkrete tatbestandliche Strukturen auf, so führt ein eventuell entgegenstehender Inhalt des § 1004 BGB deshalb zu keiner wesensmäßigen Verfremdung dieses Rechtsinstituts, da hier gerade keine Lücke besteht, die über § 1004 BGB ausgefüllt werden müßte.

Die Gefahr, daß über eine unreflektierte Anwendung des § 1004 BGB die Struktur und das Wesen des Folgenbeseitigungsanspruchs unter Mißachtung öffentlich-rechtlicher Wertungen verfälscht werden könnten, ist daher nicht gegeben.

c) Zwischenergebnis Folglich bestehen keine prinzipiellen Einwände gegen eine entsprechende Heranziehung des § 1004 BGB als ergänzender Konkretisierungsmaßstab des Folgenbeseitigungsanspruchs. Maßgeblich für die Zulässigkeit der analogen Anwendbarkeit dieser zivilrechtlichen Vorschrift ist damit allein, ob die nach den Grundsätzen der juristischen Methodenlehre hierfür bestehenden Erfordernisse erfüllt sind. S. 2 BBG, 12 Abs. 2 S. 2 BBesG, 52 Abs. 2 S. 2 BeamtVG, 48 Abs. 2 S. 7 VwVfG, 44a Abs. 2 S. 3 BHO. 285

Zustimmend im Hinblick auf die Heranziehung der §§ 812 ff. BGB zur inhaltlichen Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs: Maurer, AllgVerwR, § 28 Rdnr. 21. Allerdings will Maurer, a.a.O., Rdnr. 28, in bezug auf den Wegfall der Bereicherung nicht wie das Bundesverwaltungsgericht das Vertrauensschutzprinzip, sondern wohl § 819 Abs. 1 BGB analog anwenden, jedoch modifiziert und ausgedehnt auch auf grobfahrlässige Unkenntnis der Kausalosigkeit der Leistung. Auch Ossenbühl, JZ 1985, 795, geht von der „Fehlwertung des § 819 Abs. 1 BGB" aus, der insoweit dem richtigen Maßstab des öffentlichen Rechts angepaßt werden müßte. 286

Der Ausdruck geht auf Fleiner, Institutionen, S. 326, zurück. Dieser Grundsatz findet vor allem dann Anwendung, wenn sich die Verwaltung zur hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung privatrechtlicher Rechtsformen bedient, vgl. Maurer, AllgVerwR, § 3 Rdnr. 9; v. Münch, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 3 II 2, S. 53.

1

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

2. Zulässigkeit der Analogie zu § 1004 BGB Für die Zulässigkeit einer Gesetzesanalogie287 ist anerkanntermaßen notwendig, daß eine regelwidrige Lücke vorliegt und zudem eine Rechtsähnlichkeit des bereits geregelten mit dem regelungsbedürftigen Sachverhalt besteht.288

a) Vorliegen einer Regelungslücke Die Grundvoraussetzung einer jeden analogen Anwendung einer Rechtsnorm, die Existenz einer Regelungslücke, ist dann gegeben, wenn eine im Verhältnis zur Gesamtrechtsordnung planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzesrechts und des Gewohnheitsrechts vorliegt. 289 Wie bereits ausgeführt, 290 ist Art. 2 Abs. 1 GG als Quelle des verfassungsrechtlichen Beseitigungsanspruchs zu qualifizieren, enthält indessen selbst weitgehend keine Angaben dahingehend, „wie" der aus ihm folgende Abwehranspruch beschaffen ist. Deshalb würde die isolierte Heranziehung des Art. 2 Abs. 1 GG als Rechtsgrundlage zu einer verfassungsrechtlichen, staatshaftungsrechtlichen und dogmatischen Rechtsunsicherheit führen, und wäre folglich wegen Verstoßes gegen die Gebote der Rechtsstaatlichkeit sowie des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht verfassungskonform. Das Regelungsdefizit des Art. 2 Abs. 1 GG bewirkt somit eine verfassungsrechtliche Wertekollision zwischen der grundrechtlichen Verankerung des Reaktionsanspruchs gegenüber staatlichem Unrecht auf der einen Seite und der Beeinträchtigung der Rechtsstaatlichkeit infolge fehlender inhaltlicher Konkretisierung des Integritätsanspruchs auf der anderen Seite; ein Widerspruch, der im Ergebnis zum Vorliegen einer Regelungslücke führt. 287

Zu den unterschiedlichen Arten der Analogie, der Gesetzes- und Rechtsanalogie, vgl. exemplarisch die Begriffsbestimmung bei, Larenz, Methodenlehre, S. 368. Danach versteht man unter „Gesetzesanalogie" oder auch „Einzelanalogie" „die Übertragung der für einen Tatbestand gegebenen Regel auf einen anderen, ihm »ähnlichen', d.h. wertungsmäßig gleich zu erachtenden (Tatbestand)". Demgegenüber wird bei der „Rechts"- oder richtiger „Gesamtanalogie" „mehreren gesetzlichen Bestimmungen, die an verschiedene Tatbestände die gleiche Rechtsfolge anknüpfen, ein ,allgemeiner Rechtsgrundsatz' entnommen, der auf den im Gesetz nicht geregelten Tatbestand wertungsmäßig ebenso zutrifft wie auf die geregelten Tatbestände". S. weiterhin Klug, Logik, S. 109 ff.; Sauer, Methodenlehre, S. 310 f. 288 Engisch, Einführung, S. 138 ff., 147 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 354 ff., 365 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 58 ff.; vgl. Sauer, Methodenlehre, S. 305 ff., 313 f.; weiterhin Jesch, Gesetz, S. 63 f. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung BVerfG, BayVBl. 1990, 465 (466). 289 Engisch, Einführung, S. 141 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 361; Zippelius, Methodenlehre, S. 58 ff. 290

Vgl. die Ausführungen unter D I I 6, S. 104 ff., sowie unter D I I 6, S. 115 ff.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

12

An diesem Ergebnis vermag auch der Hinweis auf den allgemein anerkannten Grundsatz, wonach das Bestehen von Gewohnheitsrecht der Annahme einer Lücke entgegensteht,291 nichts zu ändern. Denn der Einwand der gewohnheitsrechtlichen Verfestigung des Folgenbeseitigungsanspruchs ist vorliegend deshalb unbeachtlich, da sich die gewohnheitsrechtliche Anerkennung nur auf dessen Existenz als solche, nicht jedoch auf dessen inhaltliche Struktur bezieht.292 Diese Regelungslücke muß im Hinblick auf den subjektivrechtlichen Abwehrcharakter des Art. 2 Abs. 1 GG sowie angesichts der geschilderten Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Betroffenen mit Rücksicht auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als unbeabsichtigt und planwidrig klassifiziert werden. Mithin ist auf dem Hintergrund dieser wertenden Gesamtbetrachtung das Erfordernis einer planwidrigen Lücke als erfüllt anzusehen.293

b) Regelungsähnlichkeit zwischen § 1004 BGB und dem Folgenbeseitigungsanspruch Des weiteren müßte eine Rechtsähnlichkeit der in § 1004 BGB getroffenen Regelung und der ergänzungsbedürftigen Inhaltsbestimmung des grundrechtlichen Beseitigungsanspruchs bestehen.294 Hierfür sprechen folgende Gesichtspunkte: aa) Unausgesprochene Vorbildfunktion des § 1004 BGB für die Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß § 1004 BGB in der Praxis eine weitgehende Vorbildfunktion für die tatbestandliche Ausformung des Folgenbeseitigungsanspruchs zukommt.295 Diese Orientierung an der zivilrechtlichen 291 Canaris y Feststellung, S. 29 f.; zum Begriff des Gewohnheitsrechts Larenz, Methodenlehre, S. 341. 292 Vgl. hierzu die Darstellung unter A, S. 50 ff. mit den Nachweisen in Fußn. 19-24. S. weiterhin Fiedler, NVwZ 1986, 969 (970), der feststellt, daß eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung von Tatbestand und Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs allenfalls in einem Kernbereich anzuerkennen sei. 293

A.A. Erichsen, VerwArch 63 (1972), 217 (219); M. Redeker, DÖV 1987, 194 (195).

294

Vgl. zum Erfordernis der Rechtsähnlichkeit des bereits geregelten mit dem regelungsbedürftigen Sachverhalt: Larenz, Methodenlehre, S. 365 ff.; Sauer, Methodenlehre, S. 305, 313 f.; Zippelius, Methodenlehre, S. 61 ff. 295 S. hierzu VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353 1. Sp. unten); VGH München, BayVBl. 1990, 627 (628 1. Sp. unten); OVG Münster, NVwZ 1984, 530 r. Sp. Mitte. S. weiterhin Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 500; Sie hoff, FBA, S. 101; vgl. auch Rüfiier, BB 1968, 881 in Fußn. 4; Stern, StaatsR III /1, S. 673.

1

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

Vorschrift wird in der juristischen Literatur bislang nur zögerlich zugestanden. 296 Eindeutiger stellt sich insoweit die neuere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung dar, welche vor allen Dingen im Bereich des Immissionsrechts die Anlehnung an § 1004 BGB offen eingesteht.297 Angesichts dieses zunehmend feststellbaren Vorbildcharakters des § 1004 BGB für den Folgenbeseitigungsanspruch erscheint es jedoch widersprüchlich, sich einerseits an dessen Strukturen anzulehnen, andererseits aber dessen Bedeutung als ergänzende Rechtsgrundlage zu verneinen. Vielmehr spricht schon diese praktizierte Orientierung an § 1004 BGB dafür, die Regelungsähnlichkeit beider Rechtsinstitute zu bejahen.

bb) Vergleichbarkeit der Zielsetzung des § 1004 BGB und des Folgenbeseitigungsanspruchs Die erwähnte praktizierte Vorbildfunktion des § 1004 BGB für den Folgenbeseitigungsanspruch erklärt sich aus der vergleichbaren Zielsetzung beider Anspruchsgrundlagen. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB begründet dem Wortlaut nach einen Beseitigungsanspruch des Rechtsinhabers bei Beeinträchtigungen des Eigentumsrechts. Dieser Abwehranspruch ist durch die Rechtsprechung sowohl auf weitere absolute Rechte i.S. des § 823 Abs. 1 BGB als auch auf schutzwürdige Rechtspositionen wie Kredit, Erwerb und Fortkommen nach Maßgabe des § 824 BGB sowie die Freiheit der Willensbildung ausgedehnt worden. 298 Die damit verbindene Entwicklung des § 1004 BGB zu neinem praxisrelevanten Beseitigungsanspruch ist mit dem Ziel des Folgenbeseitigungsanspruchs, ein Rechtsinstitut zu schaffen, mit welchem der Bürger in umnfassender Weise Verletzungen in seine Rechtsintegrität abzuwehren vermag, vergleichbar. 296 Vgl. beispielsweise Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (44), der ausführt, daß die Bemühungen um die Klassifizierung der Rechtsfolgen des öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanspruchs nach wie vor an der Orientierung am Bürgerlichen Gesetzbuch leiden, er jedoch an anderer Stelle zu dem Ergebnis gelangt, daß nach der von ihm vorgenommenen Bestimmung des Anspruchsinhalts des Folgenbeseitigungsanspruchs „in der Tat eine Parallele mit dem zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB sichtbar" ist, so Schoch, a.a.O., S. 47. 297 OVG Lüneburg, BRS 42 (1984), Nr. 188, S. 423 (424 f.); VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353 1. Sp. unten); OVG Münster, NVwZ 1984, 530 r. Sp. Mitte. Vgl. auch im Rahmen des Widerrufs ehrkränkender Äußerungen VGH Kassel, DÖV 1988, 468; sowie OVG Münster, NVwZ 1985, 123, die ausschließlich auf § 1004 BGB abstellen. S. ferner bezüglich des Anspruchs auf Beseitigung einer Straße vom Grundstück des Anspruchstellers VGH München, BayVBl. 1990, 627 (628 1. Sp. unten). 298

Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 1004 Anm. 1 b; Medicus, in: Müko, BGB, § 1004 Rdnr. 4; Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 1 b aa-cc.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

12

Die in § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB für den Fall einer widerrechtlichen Rechtsbeeinträchtigung normierte Konfliktlösung in Form eines auf tatsächliche Behebung der Verletzung gerichteten Reaktionsanspruchs ist mithin mit der durch den Folgenbeseitigungsanspruch verfolgten Rechtsschutzkonzeption wesensverwandt. Die unterschiedliche generelle Schutzrichtung beider Rechtsordnungen (Abwehr von staatlichen Eingriffen einerseits und Schutz in bezug auf Rechtsbeeinträchtigungen durch jede Privatperson andererseits) muß damit hinter der beiden Haftungsinstituten gemeinsamen Zielrichtung, eine möglichst weitgehende Absicherung der Stellung des Rechtsinhabers im Hinblick auf bestimmte Rechte und Rechtsgüter zu gewährleisten, zurückstehen. Entscheidend ist vielmehr, daß durch beide Haftungsinstitute, unabhängig von der Subjektsqualität des Eingreifenden, bei vergleichbarer Qualität der Eingriffswirkung ein umfangreicher Schutz der Rechtssphäre des Bürgers angestrebt wird. Diese ähnliche Sanktionsfunktion führt zur Rechtsähnlichkeit der hier interessierenden Ansprüche. Insoweit besteht folglich eine Deckungsgleichheit der ratio legis des Folgenbeseitigungsanspruchs mit der des § 1004 BGB.

cc) Vergleichbarkeit der tatbestandlichen Struktur mit dem Folgenbeseitigungsanspruch

des § 1004 BGB

Der identischen Zielsetzung beider Rechtsinstitute entspricht auch eine weitgehende Konformität ihrer tatbestandlichen Struktur. Was den Umfang geschützter Rechtsgüter betrifft, so werden anerkanntermaßen durch beide Anspruchsnormen absolute Rechtspositionen erfaßt. 2" Darüber hinaus setzen beide Anspruchsgrundlagen - im Gegensatz zu den je nach Rechtsgebiet einschlägigen deliktsrechtlichen Vorschriften - kein Verschulden voraus. 300 Sowohl bei § 1004 BGB als auch bezüglich des Folgenbeseitigungsanspruchs soll der bezweckte Rechtsgüterschutz durch eine verschuldensunabhängige Störungsbeseitigung sichergestellt werden. Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen lassen sich jedenfalls in einem Kernbereich Gemeinsamkeiten feststellen. Denn überwiegender Ansicht zufolge umfassen § 1004 BGB und der Folgenbeseitigungsanspruch gleichermaßen von der Rechtsfolge her zumindest die tatsächliche Beseitigung der fortwirkenden Störung für die Zukunft. 301 299 Vgl. im Hinblick auf § 1004 BGB die Nachweise wie vor sowie bezüglich des Folgenbeseitigungsanspruchs die Ausführungen in Kapitel 2 Β I 1, S. 138 ff. mit den Nachweisen in Fußn. 7. 300 S. für § 1004 BGB Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 2 a ff, sowie hinsichtlich des Folgenbeseitigungsanspruchs die Nachweise in Fußn. 149. 301

Vgl. in bezug auf § 1004 BGB die Nachweise in Fußn. 275 und 276 sowie weiterhin

9 Pietzko

130

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

Demnach ist zwischen dem Folgenbeseitigungsanspruch und § 1004 BGB sowohl in tatbestandlicher Hinsicht als auch in bezug auf die Rechtsfolgenseite eine Wesensverwandtschaft gegeben.

dd) Parallelität der Anwendungsbereiche des § 1004 BGB und des Folgenbeseitigungsanspruchs Schließlich wird die Parallelität beider Haftungsinstitute durch die weitgehende Übereinstimmung der praktischen Anwendungsbereiche belegt. Aus der Vielzahl der in Betracht kommenden Fallkonstellationen läßt sich die Kongruenz der einschlägigen Problemfälle besonders eindrucksvoll im Bereich des Nachbarrechts verdeutlichen. Denn es macht in der tatsächlichen Auswirkung auf den Betroffenen zunächst keinen Unterschied, ob sein Eigentumsrecht infolge der Geräuschimmissionen einer öffentlich-rechtlich betriebenen Telefonzelle, 302 eines Kinderspielplatzes303 bzw. einer Feuerwehrsirene 304 oder aber infolge auf privatrechtlicher Grundlage beruhender Belästigungen, z.B. aufgrund des Betriebs einer Omnibushaltestelle,305 tangiert wird. In beiden Fällen geht sein Rechtsschutzinteresse dahin, die Störung u.U. durch Beseitigung der die Immissionen verursachenden Anlage abzuwehren. Hierzu wird im Zivilrecht auf § 1004 BGB und im öffentlichen Recht auf den Folgenbeseitigungsanspruch als einschlägige Anspruchsgrundlage abgestellt.306 Auch in bezug auf die Tangierung der Rechtsstellung des Betroffenen durch ehrkränkende unwahre Tatsachenbehauptungen ist eine Identität des Rechtsschutzbegehrens festzustellen. 307 Hier geht die gemeinsame Fragestel-

die Nachweise in Kapitel 3 Fußn. 67 und 76. S. hinsichtlich des Anspruchsinhalts des Folgenbeseitigungsanspruchs die Darstellung in Kapitel 3 Β I 1, S. 391 ff. mit den Nachweisen in Fußn. 12 und 13, sowie die Ausführungen in Kapitel 3 Β III 2, S. 407 f. mit Nachweis in Fußn. 70. 302

Vgl. die Sachverhalte der Entscheidungen, OVG Koblenz, NJW 1986, 2779 ff.; VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 ff. 303 S. exemplarisch BVerwG, DVB1. 1974, 777 ff.; VGH Kassel, NJW 1981, 2315 f.; VGH Mannheim, VB1BW 1985, 222 f.; VGH München, BayVBl. 1988, 241 ff.; OVG Münster, NVwZ 1983, 356 ff.; VG Münster, NVwZ 1982, 327 f. 304

BVerwGE 79, 254 ff.; Vorinstanz, VGH München, BayVBl. 1986, 690 ff.

305

Vgl. BGH, DVB1. 1984, 472 f.

306

S. zu der sich im Immissionsrecht stellenden Abgrenzungsfrage zwischen dem Eingreifen des Folgenbeseitigungs- und des verwaltungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs die Ausführungen in Kapitel 3 E IV 4, S. 487 ff. 307 Vgl. exemplarisch die Entscheidungen, BVerwG, NJW 1989, 2272 ff.; NJW 1989, 412 ff.; BVerwG, AfP 1989, 487 ff.; BVerwGE 75, 354 ff.; VGH Kassel, DÖV 1988,

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

1

lung dahin, ob der Widerruf der unzutreffenden Erklärung von dem Äußernden verlangt werden kann, wobei das Eingreifen des § 1004 BGB bzw. des Folgenbeseitigungsanspruchs lediglich davon abhängt, ob die strittige Äußerung dem privaten oder dem öffentlichen Rechtsbereich zuzuordnen ist. 308 Die Übereinstimmung der haftungsrechtlichen Interessenlage bzw. die Identität der relevanten Sachverhaltskonstellationen bewirkt zwischen beiden Anspruchsgrundlagen ebenfalls eine Rechtsähnlichkeit, welche für eine analoge Heranziehung des § 1004 BGB erforderlich ist. 309

ee) Vorteile

der Analogie zu § 1004 BGB

Schließlich ist zur Rechtfertigung der hier befürworteten Analogie geltend zu machen, daß durch die ergänzende Heranziehung des § 1004 BGB die Anspruchsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs klarer ermittelt werden können, und folglich dem Gebot der Bestimmtheit von Rechtsnormen und der Rechtssicherheit zugunsten des von einem behördlichen Eingriff Betroffenen Rechnung getragen wird. Dies führt im Ergebnis zu einer den Bedürfnissen der Praxis entsprechenden sicheren Handbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs, indem erforderlichenfalls auf anerkannte Auslegungsgrundsätze des zivilrechtlichen § 1004 BGB zurückgegriffen werden kann.310 Im Hinblick auf die bereits dargestellte Einheitlichkeit der haftungsrechtlichen Interessenlage des privatrechtlichen und des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs sowie unter Berücksichtigung der ohnehin festzustellenden Nähe des Staatshaftungsrechts zum Zivilrecht erscheint somit die analoge Anwendung des § 1004 BGB zur Inhaltsbestimmung des Folgenbeseitigungsanspruchs - solange der Gesetzgeber seinen diesbezüglichen Regelungsauftrag nicht erfüllt hat 311 - als sachgerechte Lösung.312

468 f.; OVG Koblenz, NVwZ-RR 1988, 42 f.; OVG Münster, NJW 1988, 2636 f., sowie BGH, AfP 1989, 534 f.; BGH, NJW 1982, 2246 ff.; BGH, DÖV 1978, 528 f.; BGH, DVB1. 1977, 640 ff.; BGHZ 65, 325 ff.; BGH, DÖV 1967, 569 ff.; BGHZ (GSZ), 34, 99 ff.; BGHZ 3, 270 ff.; OLG Hamm, NJW-RR 1988, 1022; OLG Karlsruhe, NJW 1989, 1360 ff.; LG Bonn, NJW 1989, 2263 f. 308

Vgl. zu dieser Abgrenzungsfrage die Darstellung in Kapitel 2 Β III 3, S. 262 ff.

309

Auf die Identität der Interessenlage im Zivilrecht und im öffentlichen Recht weisen ebenfalls hin: VGH München, BayVBl. 1990, 627 (628); Bettermann, DÖV 1955, 528 (535); Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (512); Mengen in: Festschrift für W. Jellinek, S. 347 (350 ff.); SchleeK AöR 92 (1967), 58 (72 ff.); Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, § 18 Rdnrn. 337 ff.; s. auch Schulz-Schaeffer, Sitzungsberichte, S. L 69 f. 310 311

Vgl. zu diesem Aspekt Weyreuther,

Gutachten S. Β 72.

Das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung des Folgenbeseitigungsanspruchs betonten vor Erlaß des StHG 1981: Baumeister, FBA, S. 85 ff.; Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (513); Rüfner, BB 1968, 881 (886); s. auch das Ergebnis des 47. DJT, Sitzungs-

13

Kap. 1 : Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

Dies muß, wie bereits erwähnt, um so mehr gelten, als die Rechtsprechung von dem Bürger erwartet, daß er sich vorrangig gegen den beeinträchtigenden A k t der öffentlichen Gewalt wehrt und nicht lediglich einen finanziellen Ausgleich begehren kann. 3 1 3 Ist die Geltendmachung der zumutbaren primären Rechtsschutzmöglichkeiten und damit auch die Durchsetzung des tatsächlichen Beseitigungsanspruchs indes zwingende Voraussetzung, um ggf. anschließend einen Entschädigungsanspruch mit Erfolg verwirklichen zu können, so ist es gleichzeitig geboten, dem Bürger auch ein für ihn klar konturiertes Rechtsinstitut zur Verfügung zu stellen. Die inhaltliche Ausformung des Folgenbeseitigungsanspruchs in Anlehnung an den privatrechtlichen negatorischen Beseitigungsanspruch bedeutet insoweit einen Gewinn an Rechtsklarheit.

c) Zwischenergebnis D a somit die Erfordernisse einer Gesetzesanalogie, d.h. das Vorliegen einer planwidrigen Lücke und die Regelungsähnlichkeit gegeben sind, ist die Zulässigkeit der analogen Anwendung des § 1004 B G B als ergänzende Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs zu bejahen.

berichte, S. L 145. Vgl. zu den Reformbestrebungen zur Neuregelung der Staatshaftung die vom Bundesjustizministerium im Oktober 1987 veröffentlichten Arbeitsergebnisse der gemeinsamen Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder. S. weiterhin zu den jüngsten Bemühungen zur Neuregelung des Staatshaftungsrechts den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Amtshaftung und anderer Ersatzansprüche gegen die öffentliche Hand (Amtshaftungs- und Ersatzanspruchsgesetz), vorgelegt von Bayern, BR-Drucks. 644/89, sowie den Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatshaftung), eingebracht von Hamburg, BR-Drucks. 632/90. Außerdem beabsichtigte Bundesjustizminister Engelhard eine Pilotgesetzgebung des Bundes für den Fall, daß sich die Länder zu einer Grundgesetzänderung mit dem Ziel der Schaffung einer Bundeskompetenz für das Staatshaftungsgesetz nicht bereit fänden. Er hoffte, daß sich die Länder fiir ihre Bereiche dann dieser Gesetzgebung anschließen würden, vgl. die Darstellung in ZRP 1990, 40. S. auch zur Reform der Staatshaftung Schullan, BayVBl. 1990, 360 ff. 312 Vgl. auch die Nachweise in Fußn. 295. Ähnlich im Bereich des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs gegenüber Realakten: Hoffmann , Abwehranspruch, S. 79 i.V.m. S. 95; ders., JuS 1972, 509 (513 f.); v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (830, 832); W. Martens, Rechtsschutz, S. 26. Demgegenüber räumt Fiedler, NVwZ 1986, 969 (974 f.), zwar ein, daß die Anwendung des § 1004 BGB sich in der Vergangenheit für das öffentliche Recht bewährt habe. Allerdings erscheine bei Festhalten an einem selbständigen „Rechtsinstitut" des Folgenbeseitigungsanspruchs die Orientierung an § 1004 BGB nicht mehr erforderlich. 313

Vgl. die Nachweise in Fußn. 152-154.

D. Stellungnahme: Festlegung der Rechtsgrundlage

1

3. Grenzen und Schranken der Analogie zu § 1004 BGB Aus den vorgenannten Ausführungen ergibt sich, daß die Freiheitsgrundrechte bzw. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 1004 BGB analog die einheitliche Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs bilden. Die entsprechende Heranziehung des § 1004 BGB dient dabei dem Zweck der Konkretisierung des grundrechtlichen Elements der Legitimationsgrundlage. Dabei steht die analoge Anwendung des § 1004 BGB allerdings ihrerseits unter folgenden Grenzen und Schranken.

a) Erforderlichkeit der Heranziehung des § 1004 BGB Zunächst gilt es zu beachten, daß die Anwendbarkeit des § 1004 BGB durch das Gebot der Erforderlichkeit begrenzt ist. Demnach scheidet eine Bezugnahme auf § 1004 BGB für die inhaltliche Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs dann aus, wenn in concreto Detailfragen bei der Bestimmung von Tatbestand und Rechtsfolgen unstreitig in Rechtsprechung und Literatur geklärt sind. Folglich kommt der analogen Heranziehung des § 1004 BGB erst dann Bedeutung zu, wenn die Auslegung eines bestimmten Tatbestandsmerkmals umstritten ist oder aber gänzlich Anhaltspunkte für die Interpretation bzw. die Problemlösung fehlen. Der hier beschrittene Lösungsvorschlag beachtet deshalb auch in bezug auf Detailfragen das Erfordernis des Vorliegens einer Regelungslücke. Fehlt diese, kommt eine inhaltliche Anlehnung an § 1004 BGB nicht in Betracht.

b) Flexibilität der Analogie zu § 1004 BGB Wie bereits an anderer Stelle dargelegt,314 wird weiterhin keine starre Analogie zu § 1004 BGB befürwortet. Vor allen Dingen weil hier eine zivilrechtliche Vorschrift ins öffentliche Recht transformiert wird, ist dem Modell der flexiblen Analogie, wie es das Bundesverwaltungsgericht bereits in bezug auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch praktiziert, zu folgen. Dies bedeutet, daß eine entsprechende Heranziehung des §1004 BGB dann ausscheidet bzw. zurücktreten muß, wenn zwingende Wertungsgesichtspunkte des öffentlichen Rechts eine abweichende Ausgestaltung von Tatbestand und/oder Rechtsfolgen erfordern. 315

314

Vgl. die Nachweise in Fußn. 283-285.

315

Vgl. die Nachweise in Fußn. 283-285.

13

Kap. 1: Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs

c) Bedeutung der Freiheitsgrundrechte /Art 2 Abs. 1 GG neben § 1004 BGB Ferner behalten die Freiheitsgrundrechte bzw. Art. 2 Abs. 1 GG neben § 1004 BGB analog ihre eigenständige Bedeutung für den Folgenbeseitigungsanspruch. Das vorstehend ermittelte Ergebnis, demzufolge die grundrechtliche Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht als Postulat für eine bestimmte Konturierung dieses Rechtsinstituts verstanden werden kann, darf nicht i.S. einer generellen Bedeutungslosigkeit der Grundrechte für die inhaltliche Strukturierung dieses Haftungsinstituts fehlgedeutet werden. Abgelehnt wurde lediglich, aus den Freiheitsrechten zwingende Folgerungen zugunsten einer bestimmten Ausformung des Folgenbeseitigungsanspruchs abzuleiten, d.h. die grundrechtliche Verankerung i.S. der Forderung der Verfassung nach einer bestimmten Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs mißzuverstehen.316 Aus der entsprechenden Heranziehung des § 1004 BGB folgt indessen keineswegs, daß die Freiheitsgrundrechte lediglich die öffentlich-rechtliche Hülse darstellen, welche vollständig durch die Analogie zu § 1004 BGB ausgefüllt wird. Ein derartiges Verständnis würde der Bedeutung der Freiheitsgrundrechte als ein Element der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs, und damit als ein wesentlicher Wertungsgesichtspunkt, nicht gerecht.317 Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Freiheitsgrundrechte i.V.m. § 1004 BGB gemeinsam die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs bilden. Dies bedeutet zum einen, daß § 1004 BGB die generalklauselartige Weite der Freiheitsrechte konkretisiert. Zum anderen setzt jedoch der Wertgehalt der Freiheitsgrundrechte der Anwendbarkeit des § 1004 BGB Schranken mit der Folge, daß § 1004 BGB nur im Lichte und unter Berücksichtigung der Freiheitsgrundrechte herangezogen werden kann. Zwischen beiden Elementen des dogmatischen Fundaments besteht demnach eine Wechselwirkung, welche, wie noch zu zeigen sein wird, die Ausgestaltung von Tatbestand und Rechtsfolge gleichermaßen beeinflußt.

Die Freiheitsgrundrechte und § 1004 BGB analog bilden damit die sich wechselseitig konkretisierende und korrigierende Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs. Infolge der Herleitung aus Art. 2 Abs. 1 GG, d.h. aus einer bundesverfassungsrechtlichen Vorschrift, ist die Revisibilität des Folgenbeseitigungsanspruchs sichergestellt.318 316 So Fiedler, NVwZ 1986, 969 (971), im Hinblick auf die Ableitung konkreter Anforderungen an die Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem Rechtsstaatsprinzip. 317 318

Vgl. hierzu Stern, StaatsR III/1, S. 673.

Ebenso bei Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus den Freiheitsgrundrechten: BVerwG, DVB1. 1971, 858 (859); vgl. auch Maaß, BayVBl. 1987, 520 (523 mit Fußn. 25); Rüfner, BB 1968, 881 in Fußn. 4; unklar Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 496, wonach

E. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

135

E. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 1. Kapitels 1. Der zwischenzeitlich gewohnheitsrechtlich anerkannte Folgenbeseitigungsanspruch hat seine dogmatische Grundlage in den Freiheitsgrundrechten (Art. 2 Abs. 1 GG) i.V.m. § 1004 BGB analog. Diese typengemischte Lösung, d.h. die inhaltliche Ausgestaltung des grundrechtlich verankerten Folgenbeseitigungsanspruchs durch die Privatrechtsnorm des § 1004 BGB, gewährleistet eine dem Grundsatz der Rechtssicherheit und der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG Rechnung tragende Legitimierung des Rechtsinstituts der Folgenbeseitigung. 2. Die inhaltliche Konkretisierung des Folgenbeseitigungsanspruchs durch § 1004 BGB findet dabei in Gestalt einer flexiblen Analogie statt. Dies bedeutet, daß die in Anlehnung an § 1004 BGB gewonnene Inhaltsbestimmung des Folgenbeseitigungsanspruchs unter dem Vorbehalt einer möglicherweise erforderlichen Modifizierung durch öffentlich-rechtliche Grundsätze steht. 3. Bedeutung kommt hierbei insbesondere den Grundrechten zu, die i.S. einer verfassungsrechtlichen Schranke eine Korrektur bzw. Ergänzung des § 1004 BGB darstellen. Durch diese Wechselwirkung zwischen den Freiheitsgrundrechten einerseits und § 1004 BGB andererseits kann eine möglichst eindeutige Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs sichergestellt und hierdurch vor allem den besonderen öffentlich-rechtlichen Bedürfnissen Rechnung getragen werden. 4. Die Freiheitsgrundrechte und § 1004 BGB analog bilden damit die sich wechselseitig konkretisierende und korrigierende einheitliche Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs. 5. Als Konsequenz der Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs in den Freiheitsgrundrechten, d.h. im Bundesrecht, stellt er revisibles Recht dar.

der Folgenbeseiügungsanspruch trotz seiner Begründung aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem ggf. betroffenen Grundrecht nicht generell Bundesrecht darstellt. Vielmehr sei die Zuordnung des Folgenbeseitigungsanspruchs zum Bundes- oder Landesrecht in Abhängigkeit von der Materie zu beurteilen, der die in Frage stehenden Folgen zuzurechnen sind.

Kapitel 2

Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs A. Einleitung Das Ergebnis des ersten Kapitels, d.h. die Feststellung der Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs gem. den Freiheitsgrundrechten (Art. 2 Abs. 1 GG) i.V.m. § 1004 BGB analog, bildet gleichzeitig den Ausgangspunkt des zweiten Kapitels. Nach inzwischen allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung1 und Literatur 2 wird das Haftungsinstitut des Folgenbeseitigungsanspruchs durch folgende tatbestandliche Voraussetzungen bestimmt: 1. Beeinträchtigung einer subjektiven Rechtsposition des öffentlichen Rechts, 2. Vorliegen eines Eingriffs, 3. Hoheitlicher Rechtscharakter des Eingriffsakts, 4. Rechtswidrigkeit, 5. Fortdauer der Rechtsbeeinträchtigung, 6. Bestehen des Kausal- und Zurechnungszusammenhangs zwischen dem Eingriffsakt und der Rechtsgutsverletzung (sog. haftungsbegründende Kausalität).3

1 Vgl. beispielsweise BVerwG, NJW 1989, 2272 (2277); NJW 1989, 118; BVerwGE 69, 366 (367, 369 ff.); 61, 15 (17); BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860); VGH Mannheim, NVwZ 1987, 711; VGH Mannheim, NJW 1985, 1482; OVG Münster, DVB1. 1987, 1226 (1228); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); vgl. auch BVerfGE 61, 149 (155). 2

S. exemplarisch die Darstellungen bei Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnrn. 4 - 1 6 ; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 218 f.; Bettermann, DÖV 1955, 528 (536); Götz, AllgVerwR, S. 230; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 6; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 497; Ossenbühl, StHR, S. 201; Rösslein, FBA, S. 58 f.; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 601 f.; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (39); weiterhin Au, Anspruch, S. 15, für den Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch. 3

Die Feststellung des Kausal- und Zurechnungszusammenhangs zwischen dem hoheitlichen Eingriffsakt und der eingetretenen Rechtsgutsverletzung wird in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend nicht ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal genannt, expressis verbis indessen darauf hinweisend: BVerwGE 69, 366 (372); Bender, VB1BW 1985, 201 (203); Maaß, BayVBl. 1987, 520 (525); vgl. auch Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 603.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

137

Allerdings spiegelt dieser Konsens hinsichtlich der „Grobstruktur" des Folgenbeseitigungsanspruchs eine trügerische Einigkeit bezüglich des konkreten Norminhalts vor.4 Wie bereits im Rahmen der Ausführungen zur Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs angedeutet,5 ist die Begriffsbestimmung der angefühlten Tatbestandsmerkmale einschließlich einiger problematischer Fallkonstellationen zum Teil heftig umstritten. Das Ziel des zweiten Kapitels besteht darin, die Tatbestandselemente des Folgenbeseitigungsanspruchs zu präzisieren und deren innere Struktur aufzuzeigen. Als Auslegungs- und Konkretisierungsmaßstab soll - soweit erforderlich - maßgeblich auf die ermittelte Rechtsgrundlage, und hierbei insbesondere auf § 1004 BGB analog abgestellt werden. Die entsprechende Heranziehung der privatrechtlichen Vorschrift des § 1004 BGB erfolgt dabei allerdings unter dem Vorbehalt, daß besondere öffentlich-rechtliche Wertungen nicht entgegenstehen. Auf diese Weise soll der Versuch unternommen werden, eine gleichermaßen widerspruchsfreie wie harmonische Konkordanz zwischen der festgestellten Legitimationsgrundlage und der tatbestandlichen Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs zu erreichen, welche in der Praxis eine einfache und berechenbare Handhabung des Rechtsinstituts ermöglicht. Der Gang der Darstellung folgt dabei der Reihenfolge der angeführten Anspruchsvoraussetzungen.

B. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs I. Die geschützte Rechtsposition Voraussetzung für das Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs ist zunächst, daß der Anspruchsteller durch einen hoheitlichen Eingriff in einer subjektiven Rechtsposition beeinträchtigt ist.6 Faßt man die vom Folgenbesei4 Die zum Teil in Rechtsprechung und Schrifttum - vgl. beispielsweise VGH Mannheim, VB1BW 1983, 141; OVG Münster, BauR 1987, 46 (50), sowie Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 497, 498 f. - weiterhin in den Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs einbezogenen Elemente der Möglichkeit, Zulässigkeit und Zumutbarkeit der Folgenbeseitigung werden nach hier vertretener Einordnung in Kapitel 4 als Ausschlußgründe des Folgenbeseitigungsanspruchs gesondert dargestellt, ebenso z.B. Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnrn. 12-14; Ossenbühl, StHR, S. 201, 203 ff.; Wolff/ Bachof, VerwR I, § 54 II g, S. 479; vgl. zur Qualifizierung dieser Merkmale insbesondere die Darstellung in Kapitel 4 A I, S. 503 ff., und die Nachweise auf die unterschiedlichen Ansichten ebd., Fußn. 3 und 4. 5 6

S. die Darstellung in Kapitel 1 A, S. 50 ff., mit den Nachweisen ebd., Fußn. 19-24.

So z.B. BVerwG, NJW 1989, 2272 (2277); NJW 1989, 118; VGH Mannheim, NJW 1985, 1482; OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 6;

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

tigungsanspruch geschützten Rechtspositionen unter verfassungs- bzw. verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkten zusammen, läßt sich nachfolgende Systematisierung vornehmen:

1. Schutz absoluter Rechtspositionen Der Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs umfaßt unbestrittenermaßen den Schutz absolut geschützter Rechtspositionen.7 Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Einbeziehung dieser Rechte in den Regelungsrahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs ist dabei deren Charakter als umfassend verstandener Freiheitsgarantien, d.h. ihre Integritäts- und Ausschlußfunktion gegenüber staatlichen Eingriffen. 8 Der Schutz absoluter Rechte folgt verfassungsrechtlich gesehen aus der dogmatischen Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus den Freiheitsgrundrechten. Deren wesensbestimmendes Merkmal ist darin zu sehen, daß sie ihrem Inhaber die Herrschaft über bestimmte Objekte, z.B. Sachen, Geistesprodukte oder auch Rechte einräumen, wozu auch die Befugnis gehört, über diese Rechte innerhalb gesetzlicher Schranken zu verfügen und störende Einflüsse auszuschließen.9 Die Erstreckung des Geltungsbereichs des Folgenbeseitigungsanspruchs auf absolute Rechtspositionen wird darüber hinaus durch § 1004 BGB analog bestätigt.10 Die Tatsache, daß nach dessen Wortlaut nur das Eigentum vor Übergriffen geschützt ist, steht der vorgenannten Feststellung nicht entgegen. Der Anwendungsbereich des § 1004 BGB ist im Laufe der Rechtsentwicklung vor allem durch die Rechtsprechung auch auf andere absolute Rechtsgüter erstreckt worden. So gilt § 1004 BGB z.B. ebenfalls in bezug auf das Leben, die Gesundheit, die Freiheit sowie das allge-

Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 497; weiterhin Drews /Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 624 f. Vgl. außerdem zur Bedeutung der Rechtsposition in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Enteignungsentschädigung Krohn, in: Festschrift für Geiger, S. 417 ff. 7

So ausdrücklich Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 34 Rdnr. 62; ders., in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79; ders., DÖV 1972, 845; Schenke, DVB1. 1990, 328 (330); ders., in: Festschrift für Mühl, S. 571 (575); Bieback, DVB1. 1983, 159 (164); vgl. auch VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353), für die öffentlich-rechtliche Abwehrklage als Spezialfall des gewohnheitsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs; s. ferner VGH Mannheim, VB1BW 1983, 25 (26), bezüglich des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs. 8

Vgl. VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353); Papier, DÖV 1972, 845; Schenke, DVB1. 1990, 328 (330). 9 Vgl. Wolff/ Bachof, VerwR I, § 43 I a 3 α, S. 320; s. des weiteren die Nachweise in Kapitel 1 Fußn. 64. 10

Ebenso Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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meine Persönlichkeitsrecht etc. und ist dadurch zu einem umfassenden privatrechtlichen Abwehrrecht für alle absoluten Rechtspositionen geworden. 11

a) Verfassungsrechtliche Rechtspositionen Als verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen kommen zwei unterschiedliche Normbereiche in Betracht.

aa) Die Freiheitsgrundrechte

- speziell Art. 2 Abs. 1 GG - als

absolute Schutzgüter des Folgenbeseitigungsanspruchs So sind auf der Verfassungsebene zunächst die speziellen grundgesetzlichen Freiheitsverbürgungen zu nennen, 12 welche anerkanntermaßen unter der Geltung des Grundgesetzes als umfassende Abwehrrechte gegen staatliche Maßnahmen 1 3 (status negativus) 14 und mithin als absolute subjektive Rechte ausgestaltet sind. 15

11

Vgl. exemplarisch im Hinblick auf die Ehre: BGH, NJW 1983, 1183; BGHZ (GSZ) 34, 99 (102 f.); RGZ 163, 210 (214 ff.); 148, 114 (123); vgl. außerdem VGH Kassel, DÖV 1988, 468; - in bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht: BGH NJW 1984, 1886 (1887); OLG München, NJW 1984, 2422; vgl. weiterhin Erman/Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnr. 4; Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 1004 Anm. lb; Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 1 b bb. 12 BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860); VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353); NJW 1985, 1482; Bender, VB1BW 1985, 201 (203); Ossenbühl, StHR, S. 200; Papier, in: M/ D/H/S, GG, Art. 34 Rdnr. 62; ders., in Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79; H.H. Rupp, JA 1979, 506 (509 f.); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (36 f.); Weyreuther, Gutachten, S. Β 78 ff. (insbes. S. Β 93); Drews /Wacke/Vogel /Martens, Gefahrenabwehr, S. 624; vgl. auch W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 84, sowie Schimpf, Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 338, in bezug auf den allgemeinen Beseitigungsanspruch. Bei staatlichen Warnungen und Empfehlungen gegenüber der Öffentlichkeit stellt sich dabei die spezielle Problematik, wann solche Maßnahmen den Schutzbereich eines Grundrechts tangieren. Diese Fragestellung, die in den generellen Problemzusammenhang mittelbarer bzw. faktischer Grundrechtseingriffe einzuordnen ist, kann vorliegend nicht im Detail erörtert werden; hingewiesen sei insoweit auf: BVerfG, NJW 1989, 3269 f.; BVerwG, NJW 1989, 2272 (2273 ff.); Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 ff.; Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2708 ff.); Meyn, JuS 1990, 630 (631 ff.); Ossenbühl, Umweltpflege, S. 42 ff.; Pinger, JuS 1988, 53 (54 ff.); Robbers, AfP 1990, 84 (85 f.); Schulte, DVB1. 1988, 512 (515 ff.); Sodan, DÖV 1987, 858 (860 ff.); Zuck, MDR 1988, 1020 ff., sowie allgemein: Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 49 ff.; Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 ff.; s. ferner Paschke, AfP 1990, 89 ff.; vgl. weiterhin die Nachweise in Fußn. 241, 632 und 633. 13

Vgl. die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 64 - 66.

14

S. die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 65.

15 Vgl. die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 211. Ebenfalls für eine Parallelität zwischen den Freiheitsgrundrechten und den absoluten Rechten des Zivilrechts im Hinblick auf die

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

Sofern die Beeinträchtigung eines benannten Freiheitsgrundrechts ausscheidet, stellt sich die Frage, ob die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG als eigenständiges Schutzgut des Folgenbeseitigungsanspruchs in Betracht kommt. Zweifel hinsichtlich des selbständigen Charakters des Art. 2 Abs. 1 GG als schutzbewehrte Rechtsposition des Folgenbeseitigungsanspruchs macht, wie bereits erwähnt, Bender16 geltend. Danach wird durch Art. 2 Abs. 1 GG zwar die allgemeine Handlungsfreiheit vorausgesetzt, indessen nicht durch diese Verfassungsbestimmung begründet. Die Statuierung des geschützten Freiheitsbereichs müsse vielmehr durch eine einfachgesetzliche Regelung erfolgen. Demgemäß sei Art. 2 Abs. 1 GG nur dann als geschützte Rechtsposition i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs einschlägig, wenn gleichzeitig eine gesetzliche Norm mit subjektivem Regelungsgehalt beeinträchtigt sei.17 Die von Bender geäußerten Bedenken vermögen indes nicht zu überzeugen.18 Zunächst weist die Argumentation Benders einen logischen Fehler auf. Die Tatsache, daß Art. 2 Abs. 1 GG über einen vom Verfassungsgeber bewußt weit konzipierten Anwendungsbereich verfügt, bedeutet nicht zwingend, daß Art. 2 Abs. 1 GG keinen eigenständigen Inhalt aufweist, welcher erst durch ein einfaches Gesetz festgelegt werden müßte. Die Auffassung Benders stellt insoweit ein schlichtes Postulat dar, welches eines Nachweises bedarf. Ein derartiger Nachweis läßt sich indessen nicht führen. Vielmehr begegnet die Meinung Benders dem funktionellen Einwand, daß gesetzliche Regelungen die Grundrechte regelmäßig beschränken bzw. deren bereits vorhandenen Inhalt konkretisieren, nicht jedoch Rechtspositionen mit verfassungsrechtlichem Rang selbständig schaffen. 19 So sind die Grundrechte weitgehend ausdrücklich mit einem Gesetzesvorbehalt ausgestattet, was die Regelungen in Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG, 4 Abs. 3 S. 2 GG, 5 Abs. 2 GG, 8 Abs. 2 GG,

gleichermaßen gegebene AusschlußWirkung gegenüber störenden Einwirkungen: VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353); Papier, DÖV 1972, 845; ders., in Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79; ders., in M/D/H/S, GG, Art. 34 Rdnr. 62; H.H. Rupp, Grundfragen, S. 165 f.; Schenke, DVB1. 1990, 328 (330); Wolff /Bachof,\ VerwR I, § 43 I a 3 α, S. 320; Weyreuther, Klage auf Unterlassung, S. 17 ff. Demgegenüber einen relativen Rechtscharakter der Grundrechte im Hinblick auf die grundsätzlich nur zwischen Staat und Bürger bestehende Grundrechtsgeltung befürwortend: Rösslein, FBA, S. 73; kritisch auch Weyreuther, Gutachten, S. Β 75. 16 Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 D I I 6, S. 104 ff. mit Nachweisen ebd., Fußn. 215 und 217. 17

S. Nachweise wie vor.

18

Vgl. insoweit auch die Kritik in Kapitel 1, Nachweis wie Fußn. 16.

19

Vgl. hierzu W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 85 ff.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

10 Abs. 2 GG, 12 Abs. 1 S. 2 GG sowie 13 Abs. 3 GG verdeutlichen. Sofern im Einzelfall der Inhalt der grundrechtlichen Freiheitsverbürgung erst durch den Gesetzgeber bestimmt werden soll, hat dies im Grundrecht selbst seinen Niederschlag gefunden, was in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zum Ausdruck kommt. Bestätigt wird die Annahme der konstitutiven Gewährleistung des Freiheitsbereichs durch Art. 2 Abs. 1 GG, welche erst durch die verfassungsmäßige Ordnung ihre Begrenzung findet, durch den jüngst ergangenen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 6.6.1989.20 Den in der Literatur vorgetragenen Bedenken gegen die unbegrenzte Einbeziehung jedweder menschlicher Betätigungsform in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG 2 1 begegnet das Gericht mit der Feststellung, daß eine Einengung des Schutzbereichs dieser Verfassungsvorschrift der Entstehungsgeschichte der Grundrechtsnorm entgegenstehen würde. 22 Darüber hinaus würde »jeder Versuch einer wertenden Einschränkung des Schutzbereichs ... zu einem Verlust des Freiheitsraums für den Bürger führen, der nicht schon deshalb geboten sein kann, weil andere Grundrechte einen engeren und qualitativ abgehobenen Schutzbereich haben ...". 23 Des weiteren wird die von Bender geäußerte Kritik der Bedeutung des Art. 2 Abs. 1 GG nicht gerecht. Bei jener verfassungsrechtlichen Bestimmung handelt es sich um ein grundlegendes Freiheitsrecht, das sog. Muttergrundrecht, 24 welches eine bedeutsame Auffangfunktion bei Nichteingreifen eines speziellen Freiheitsrechts erfüllt. 25 Diese herausragende verfassungsrechtliche Bedeutung des Art. 2 Abs. 1 GG als umfassender Freiheitsgarant spricht somit ebenfalls für die prinzipielle Anerkennung der Verfassungsvorschrift als eigenständiges Schutzgut des Folgenbeseitigungsanspruchs. Überdies müssen sich Zweck und Ziel des Art. 2 Abs. 1 GG als Auffangtatbestand und damit angestrebtem lückenlosen Grundrechtsschutz auch auf 20

BVerfG, NJW 1989, 2525, mit Sondervotum Grimm, NJW 1989, 2528 f. S. die Bspr. von Degenhart, JuS 1990, 161 ff.; Kunig, Jura 1990, 523 ff., sowie von Rennert, NJW 1989, 3261 ff. 21

Vgl. Hesse, VerfR, § 12 Rdnrn. 425 ff.; s. auch die Nachweise bei Scholz, AöR 100 (1975), 80 ff. 22

BVerfG, NJW 1989, 2525 (2526).

23

So BVerfG, NJW 1989, 2525 (2526 1. Sp. oben).

24 Vgl. hierzu Dürig, in: M/DfH/S, GG, Art. 2 I Rdnrn. 7 f., unter Bezug auf BGH, DVB1. 1953, 472, wo es allerdings gerade im Gegenteil abgelehnt worden ist, Art. 2 Abs. 1 GG als „die Mutter der übrigen personenbezogenen Grundrechte" zu qualifizieren; vgl. andererseits BGHZ 24, 72 (78), wo auch der Bundesgerichtshof in Art. 2 Abs. 1 GG das „Muttergrundrecht" sieht. 25 Vgl. die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 85, 124 und 220. S. weiterhin BVerfGE 29, 402 (408); 19, 253 (257); 9, 83 (88); BVerwGE 30, 191 (198).

1

Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

den Folgenbeseitigungsanspruch auswirken. Der Folgenbeseitigungsanspruch dient seinerseits der umfassenden Absicherung verfassungsrechtlicher Rechtspositionen. Diese Aufgabenstellung des Rechtsinstituts wäre in Frage gestellt, wenn Art. 2 Abs. 1 GG speziell für den Folgenbeseitigungsanspruch seiner Funktion als ergänzender Grundrechtsnorm enthoben würde. Dadurch würde konsequenterweise - entgegen der vom Verfassungsgeber beabsichtigten Zielsetzung - der Grundrechtsschutz des Bürgers nur fragmentarisch gewährt. Auch unter diesem Aspekt ist es also erforderlich, Art. 2 Abs. 1 GG als eigenständiges Schutzgut im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs anzuerkennen. Schließlich erwächst aus der Qualifizierung des Art. 2 Abs. 1 GG als eigenständigem Rechtsgut im Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs der zusätzliche Vorteil, daß insoweit die eingangs beschriebene anzustrebende Harmonie zwischen der verfassungsrechtlichen Rechtsgrundlage des Rechtsinstituts und seiner tatbestandlichen Ausgestaltung verwirklicht wird. Vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Anerkennung des Art. 2 Abs. 1 GG als Schutzgut des Folgenbeseitigungsanspruchs ist allerdings für eine Fallgruppe auf eine Einschränkung hinzuweisen. Gedacht ist hierbei an die Sachverhaltskonstellation, daß der betroffene Rechtsinhaber eine Rechtsverletzung geltend macht, die nicht in der direkten Rechtsbeziehung zwischen der staatlichen Gewalt und seiner Person verwurzelt ist, sondern die sich vielmehr erst aus der staatlicherseits einem Dritten gewährten Begünstigung ergibt. Hierbei handelt es sich um die Fallgruppe des begünstigenden Verwaltungsakts mit belastender Drittwirkung, wobei als typische Beispielsfälle die baurechtliche Nachbarklage und die Konkurrentenabwehrklage zu nennen sind. Zwar kommt auch in diesen Sachverhaltsgestaltungen Art. 2 Abs. 1 GG als verletzte Rechtsposition in Betracht.26 Allerdings steht hier das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs wegen der bloß indirekt, über die Vergünstigung des Dritten vermittelten Rechtsverletzung, unter dem Vorbehalt, daß die rechtswidrige Leistungsgewährung ein Eingriffsverhalten gegenüber dem Anspruchsteller darstellt. Dies kann regelmäßig unter der Voraussetzung bejaht werden, daß die Verwaltungsmaßnahme trotz ihrer bloß über die Rechtsstellung eines Dritten vermittelten Auswirkung auf die Rechtssphäre des Anspruchstellers ihrer Qualität nach zu besonders gravierenden Eingriffsfolgen auf seine Rechtsstellung führt. 27

26

BVerwGE 60, 154 (159 f.); 30, 191 (198); vgl. außerdem BVerwGE 65, 167 (174), wo allerdings in concreto ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG abgelehnt worden ist. 27 Vgl. BVerwGE 65, 167 (174); 60, 154 (160 f.); 30, 191 (198 f.). S. weiterhin in bezug auf Art. 14 Abs. 1 GG BVerwGE 32, 173 (178 f.) - st. Rspr.; hinsichtlich Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nunmehr BVerwGE 54, 211 (222 f.).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs bb) Die Instituts-

13

und Institutionsgarantien

In seinem grundlegenden Gutachten zum Folgenbeseitigungsanspruch hat Weyreuther 28 darauf hingewiesen, daß möglicherweise auch die verfassungsrechtlich verbürgten Instituts- und Institutionsgarantien als Schutzgüter des Folgenbeseitigungsanspruchs in Betracht zu ziehen sind. Während es sich bei den Institutsgarantien nach herkömmlichem Verständnis um die Gewährleistung privatrechtlich gestalteter Lebensbereiche handelt, versteht man unter den institutionellen Garantien die verfassungsrechtliche Sicherstellung öffentlich-rechtlicher Einrichtungen.29 Zu ersteren zählen insbesondere die Gewährleistung von Ehe und Familie gem. Art. 6 Abs. 1 GG bzw. von Eigentum und Erbrecht nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Als öffentlich-rechtliche Einrichtungen sind exemplarisch Presse und Rundfunk gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, die Universitäten nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, die Kirchen aufgrund Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV, die Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 GG sowie das Berufsbeamtentum gem. Art. 33 Abs. 2, 3 und 5 GG zu erwähnen. Zur Ermittlung des Schutznormcharakters dieser Garantien im Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erscheint dabei eine differenzierte Betrachtungsweise geboten: So entfällt die praktische Relevanz dieser Problematik für den Fall, daß durch eine Grundrechtsbestimmung neben der Einrichtungsgarantie als solcher gleichzeitig ein subjektiv-öffentliches Grundrecht des Bürgers gewährt wird, wie dies bei den privatrechtlich ausgestalteten Lebensbereichen der Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG festzustellen ist. In diesen Fällen privatrechtlich konzipierter Lebensbereiche ist eine geschützte Rechtsposition i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs bereits unter dem vorrangigen Aspekt des betroffenen Grundrechts gegeben. Bedeutung erlangt die vorgenannte Fragestellung allerdings dann, wenn öffentlich-rechtliche Einrichtungen betroffen sind, denen grundsätzlich im Hinblick auf ihre hoheitliche Stellung und ihre damit verbundene Grundrechtsbindung gem. Art. 1 Abs. 3 GG im Verhältnis zum Bürger keine unmittelbare Grundrechtsträgerschaft zukommt. Für diesen Regelungsbereich erhebt sich die Frage, ob der den Institutionen durch die Verfassung zuerkannte eigenständige Freiheitsbereich nicht auch als Rechtsposition im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs anzuerkennen ist.

28 29

Weyreuther,

Gutachten, S. Β 93 mit Fußn. 379.

v. Münch, in: v. Münch, GG, Vorb. Art 1 - 1 9 Rdnr. 23; Katz, StaatsR, § 25 Rdnr. 576. Vgl. auch die Begriffsbestimmung der Einrichtungsgarantien bei Stern, StaatsR I I I / l , S. 751 ff., 776 ff., 791.

1

Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

Im Unterschied zu den Grundrechten dienen diese Gewährleistungen allerdings nicht dem Schutz individueller Rechte, sondern der Garantie der öffentlichen Einrichtung als solcher.30 Anders als die Grundrechtsverbürgungen, die als subjektiv-öffentliche Rechte unmittelbar einer bestimmten Person zustehen, bezieht sich die Einrichtungsgarantie auf die Institution i.S. einer objektiven Gewährleistung, welche durch die Verfassung lediglich in ihrem generellen Bestand geschützt wird, wohingegen die weitere Ausgestaltung dem Gesetzgeber vorbehalten ist.31 Infolge dieser objektiv-rechtlichen Schutzrichtung der Institutionsgarantien könnte zweifelhaft sein, ob sie als Schutzgut des Folgenbeseitigungsanspruchs in Betracht kommen. Indessen ist anerkannt, daß die verfassungsrechtliche Zuerkennung des eigenständigen Freiheitsbereichs zugunsten der Institution, aufgrund derer die öffentlich-rechtliche Einrichtung eine vom Staat unabhängige oder zumindest distanzierte Stellung besitzt, darüber hinaus zur Folge hat, daß die Einrichtung im Ergebnis auch das Recht besitzt, diesen Freiheitsraum gegen staatliche Einflußnahmen zu verteidigen. So verfügen beispielsweise die Gemeinden als Selbstverwaltungsträger bei Eingriffen in ihre Planungs- oder Personalhoheit anerkanntermaßen über ein Abwehrrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG, 32 das als Recht i.S. des § 42 Abs. 2 VwGO die Klagebefugnis im Rahmen der Anfechtungsklage begründet,33 und überdies verfassungsprozessual durch die Kommunalverfassungsbeschwerde gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG abgesichert ist. Gleichermaßen ist allgemeine Meinung, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine Verletzung der Rundfunkfreiheit durch staatliche Maßnahmen geltend machen können.34 Entsprechendes gilt für die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts bei Beeinträchtigungen der verfassungsrechtlich zuerkannten Freiheitssphäre.35 Da der Folgenbeseitigungsanspruch einen umfassenden Schutz des subjektiven Freiheitsbereichs bezweckt, ist es notwendige Konsequenz - um ansonsten entstehende Rechtsschutzlücken von vornherein auszuschließen diese Einrichtungsgarantien mit den subjektiv-öffentlichen Freiheitsrechten

30

Nachweise wie vor.

31

Vgl. BVerfGE 47, 327 (369), in bezug auf Art. 5 Abs. 3 S.l GG; 24, 367 (389), hinsichtlich Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG; 36, 146 (161 f.); 31, 58 (82 f.); 10, 59 (65 f.); 6, 55 (72), im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG; vgl. weiterhin BVerwGE 27, 360 (362 ff.); BVerwG, NVwZ 1985, 111 (112), sowie BayVerfGH, NVwZ 1985, 481 (482 f.), in bezug auf Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG; s. ferner Katz, StaatsR, § 25 Rdnrn. 576 f. 32 BVerfGE 23, 353 (364 ff.); BVerwGE 40, 323 (329 ff.); 31, 263 (264 ff.); BVerwG, DÖV 1982, 283; DÖV 1970, 605; VGH Mannheim, UPR 1990, 308 (309). 33

So ausdrücklich BVerwGE 31, 263 (264); VGH Mannheim, UPR 1990, 308 (309).

34

BVerfGE 59, 231 (254); 31, 314 (322).

35

BVerfGE 53, 366 (387).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

gleichzustellen und sie als Schutzgut des Folgenbeseitigungsanspruchs anzuerkennen.36 Die Gewährleistung der Institutionsgarantie wäre rechtlich ineffizient, wenn sie zwar verwaltungsrechtlich zur Zubilligung eines Außenrechtsverhältnisses nach Maßgabe des § 35 S. 1 VwVfG führen und die prozessuale Möglichkeit der Anfechtungsklage eröffnen würde, hingegen im Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht mit einem subjektiven Durchsetzungsrecht verbunden wäre. So ist es beispielsweise inkonsequent, den Gemeinden einerseits das Recht zuzugestehen, sich im Rahmen der Anfechtungsklage gegen rechtswidrige Maßnahmen der staatlichen Rechtsaufsicht zur Wehr zu setzen, ihnen jedoch andererseits die Befugnis zu verwehren, die ggf. aufgrund der staatlichen Verletzungshandlung bereits eingetretenen Unrechtsfolgen im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs anzugreifen. 37 Diese Einstufung der Institutionsgarantien als geschützte Rechtsposition i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs liegt auch hinsichtlich Art. 28 Abs. 2 GG unausgesprochen einem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 5.12.198638 zugrunde, in dem das Gericht wie selbstverständlich davon ausgegangen ist, daß eine Gemeinde einen Folgenbeseitigungsanspruch gegenüber dem Staat auf Ersatz ihrer an Asylbewerber erbrachten Leistungen geltend machen kann. Demnach stellen die von Verfassungs wegen eingeräumten Einrichtungsgarantien ebenfalls Schutzgüter im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs dar.

b) Einfachgesetzliche Rechtspositionen Neben den verfassungsrechtlich verankerten Rechten können auch gesetzlich normierte subjektiv-öffentliche Rechte im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs geschützte Rechtspositionen bilden. Dies ist allgemein anerkannt39 und folgt bei der hier befürworteten inhaltlichen Anlehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs an die Vorschrift des § 1004 BGB darüber hinaus aus der Tatsache, daß die Rechtsprechung die Anwendbarkeit des § 1004 36 So ebenfalls in bezug auf die Gemeinden sowie im Rundfunk- und Kirchenrecht: Fiedler/Fink, DÖV 1988, 317 (insbes. 318 ff., mit Unterscheidung verschiedener Fallgruppen). 37

Ebenso Fiedler/Fink,

38

BVerwG, BayVBl. 1987, 541.

39

DÖV 1988, 317 (319 f.).

Bender, VB1BW 1985, 201 (202 f.); Drews /Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 624; H.H. Rupp, JA 1979, 506 (509 f.); Schenke, DÖV 1986, 305 (310, 314); W. Müller, Beseiügungs- und Unterlassungsansprüche, S. 85 ff., in bezug auf den allgemeinen Beseitigungsanspruch. S. außerdem VGH Mannheim, VB1BW 1983, 25 (26), hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs. 10 Pietzko

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

BGB neben dem Eigentum auch auf andere Rechtsgüter und rechtlich geschützte Interessen ausgedehnt hat. Insoweit kann inzwischen von einer zu Gewohnheitsrecht erstarkten Rechtsprechung gesprochen werden.40 Nach allgemeiner Auffassung ist für die Annahme eines gesetzlich geregelten subjektiven Rechts erforderlich, daß -

die Rechtsnorm eine Rechtspflicht der Verwaltung statuiert, die Bestimmung zumindest auch dem Schutz der Interessen des einzelnen Bürgers dienen soll, - und die Vorschrift dem Bürger die Rechtsmacht einräumt, sich auf diese zu berufen. 41 Je nach gesetzlicher Gestaltung kann der individualschützende Charakter einer Rechtsnorm ausdrücklich aus dem Wortlaut folgen oder im Wege der Auslegung zu ermitteln sein. So kann beispielsweise bei Verletzung der den Grenzabstand zwischen zwei Gebäuden regelnden bauordnungsrechtlichen Vorschriften ein Folgenbeseitigungsanspruch des beeinträchtigten Nachbarn auf Beseitigung des materiell rechtswidrig errichteten Bauwerks erwachsen.42 Gleiches gilt bei einem Verstoß gegen die bauplanungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 30, 34, 35 BauGB bzw. § 15 BauNVO, denen die Rechtsprechung nach inzwischen gefestigter Ansicht im Wege der teleologischen Auslegung i.V.m. dem Gebot der Rücksichtnahme ausnahmsweise einen nachbarschützenden Charakter zuerkennt 43 Weiterhin kommt bei einer Mißachtung der immissionsschutz40

So Erman/Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnr. 5; vgl. weiterhin Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 1004 Anm. 1 b; Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 1 b cc. 41 Vgl. die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 145-148; s. weiterhin BVerfGE 27, 297 (307); BVerwGE 52, 122 (128); OVG Münster, NJW 1980, 2323; Wolff /Bachof, VerwR I, § 43 I b 2, S. 322 ff.; Langer, NVwZ 1987, 195 (197). Vgl. auch BVerwG, NJW 1988, 434, in bezug auf § 4 Abs. 1 S. 2 i.V.m. §§18, la Abs. 1 WassHG, wobei das Gericht jedoch zusätzlich zur Ermittlung des Schutznormcharakters eine Gesamtbewertung des Wasserhaushaltsgesetzes vornimmt und hieraus ein Rücksichtnahmegebot insoweit ableitet, „als die Belange eines anderen in einer qualifizierten und individualisierten Weise betroffen sind", so BVerwG, a.a.O., S. 435 1. Sp. Mitte. Vgl. zu dieser Entscheidung die Bspr. von Bauer, JuS 1990, 24 ff.; Knauber, NVwZ 1988, 997 ff., sowie Kunig, DVB1. 1988, 237 ff. 42 VGH Kassel, VerwRspr. 20, Nr. 204, S. 760 (761 f.), bezüglich § 25 Abs. 1 hessBauO. 43

OVG Münster, BauR 1987, 46 (47, 49 f.); vgl. allgemein BVerwG, NVwZ 1987, 128 f., in bezug auf § 34 Abs. 1 BBauG v. 23.6.1960 i.d.F. v. 18.8.1976/6.7.1979; BVerwG, NJW 1986, 393 f., zu § 34 BBauG v. 23.6.1960; BVerwG, DVB1. 1981, 928 (929), zu § 34 Abs. 1 BBauG v. 23.6.1960/§ 34 Abs. 1 BBauG v. 18.8.1976/6.7.1979; VGH München, BayVBl. 1989, 755 (756), zu § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB i.d.F.d.B. v. 8.12.1986; BVerwGE 52, 122 (125 f.), in bezug auf § 35 Abs. 1 BBauG v. 23.6.1960; BVerwGE 67, 334 (336 ff.), bezüglich § 30 BBauG v. 23.6.1960 i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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rechtlichen Rechtsnormen der §§ 4 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG ein Folgenbeseitigungsanspruch, gerichtet auf die Beseitigung der immissionsträchtigen Anlage, in Betracht.44 Ferner vermittelt § 5 Abs. 1 Nr. 3 GaststättenG eine geschützte Rechtsposition i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs hinsichtlich derjenigen Rechtsbeeinträchtigungen, die vom Gewerbebetrieb für die Bewohner des Betriebsgrundstücks bzw. die Nachbarn hervorgerufen werden. Wird durch eine einfachgesetzliche Bestimmung ein subjektives-öffentliches Recht des Bürgers begründet, so stellt sich aus dogmatischer Sicht die Frage nach dem Anwendungsverhältnis von verfassungsrechtlicher und gesetzlich eingeräumter Rechtsposition. Die Problematik des Anwendungsvorrangs der konkret betroffenen Schutzgüter stellt sich dabei auch im Verhältnis zwischen einer einfachgesetzlich begründeten Rechtsposition und Art. 2 Abs. 1 GG. Denn wie bereits ausgeführt, bildet diese Verfassungsbestimmung ein eigenständiges Schutzgut i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs. Die Frage, welche von mehreren in Betracht kommenden Rechtspositionen im Einzelfall vorrangig einschlägig ist, ist dahingehend zu beantworten, daß zunächst die rangniedrigere Rechtsnorm als Schutzgut heranzuziehen ist. Dieser Anwendungsvorrang zugunsten des rangniedrigeren Schutzguts resultiert aus dem Umstand, daß es sich bei den einfachgesetzlichen Vorschriften im Regelfall um konkrete und detaillierte Regelungen handelt, die nicht durch ein vorschnelles Zurückgreifen auf die verfassungsrechtlichen Rechtspositionen übergangen werden dürfen. 45 Dies schließt es allerdings nicht aus, zur weiteren Abstützung des Folgenbeseitigungsbegehrens in concreto zusätzlich zu den primär angewendeten einfachgesetzlichen Schutzgütern auf die durch die Verfassung begründeten Rechtspositionen abzustellen.

c) Durch Verwaltungsakt begründete Rechtspositionen Die Frage, ob der Folgenbeseitigungsanspruch auch durch Verwaltungsakt begründete Rechtspositionen erfaßt, wird in Rechtsprechung und Schrifttum 44 Vgl. BVerwG, NJW 1989, 1291 ff. (Abwehranspruch wegen Verletzung von § 22 Abs. 1 BImSchG); BVerwGE 79, 254 (257), hinsichtlich §§ 4 ff., 22 ff. BImSchG. S. auch BVerwGE 68, 58 (59 ff.), zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Vgl. ferner VGH Kassel, DÖV 1989, 911, hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gegenüber herabsetzenden Werturteilen bei Verletzung der §§ 185-187 StGB. 45 Vgl. allgemein zum Anwendungsvorrang der rangniedrigeren Rechtsvorschrift bei Entscheidung eines verwaltungsrechtlichen Sachverhalts: Maurer, AllgVerwR, § 4 Rdnr. 42.

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

- im Vergleich zu den zuvor dargestellten verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Schutzgütern - stiefmütterlich behandelt.46 Dies überrascht insoweit, als anerkanntermaßen subjektiv-öffentliche Rechte auch aufgrund eines Verwaltungsakts entstehen können.47 Zu denken ist in diesem Zusammenhang beispielsweise an den Fall, daß ein subjektiv-öffentliches Recht nicht schon durch die Erfüllung der Voraussetzungen eines gesetzlichen Tatbestandes, sondern erst durch den Erlaß eines besonderen rechtsbegründenden Hoheitsakts in Gestalt eines Verwaltungsakts zugestanden wird, wie dies z.B. für die Erlangung der Beamtenstellung vorgesehen ist, vgl. §§ 6 ff. BBG, §§ 5 ff. BRRG. 48 Des weiteren ist hier die sog. Ausnahmebewilligung, der Dispens, zu erwähnen. Diese ergeht aufgrund gesetzlicher Regelungen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie ein bestimmtes Verhalten, das nicht bereits verfassungsrechtlich garantiert ist, generell mit einem Verbot belegen und nur im Einzelfall zur Vermeidung unbilliger Härten für den Bürger die Gewährung einer Ausnahme gestatten. Sie werden als Verbote mit Befreiungsvorbehalt bezeichnet.49 Einen in der Praxis häufigen Anwendungsfall stellt der baurechtliche Dispens nach § 31 Abs. 2 BauGB dar. Indem dem Betroffenen hierbei eine nicht schon von Verfassungs wegen eröffnete Tätigkeit kraft Verwaltungsakts erlaubt wird, erfährt der Rechtskreis des Begünstigten eine Erweiterung i.S. einer Ausübungsberechtigung,50 auf die er sich grundsätzlich gegenüber jedermann berufen kann. Im Unterschied zu dem Recht auf Erteilung des Verwaltungsakts, das wegen des in der Regel bestehenden Verwaltungsermessens eine in rechtlicher Hinsicht noch unsichere Rechtsmacht darstellt, ist das Recht aus der erteilten Ausübungsermächtigung51 im Hin46 Anders insoweit W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 90 ff. (im Hinblick auf die allgemeinen Abwehransprüche); Wolff/ Bachof, VerwR I, § 43 III, S. 330 ff., insbes. § 43 III d, S. 332. 47 Vgl. Maurer, AllgVerwR, § 9 Rdnrn. 40 ff.; Wolff /Bachof\ S. 331, § 43 I c, S. 327. 48

Vgl. Wolff/

VerwR I, § 43 III c 2,

Bachof, VerwR I, § 43 III c 1, S. 331.

49

So im Anschluß an Maurer, AllgVerwR, § 9 Rdnr. 55, der außerdem den Begriff der ,Ausnahmebewilligung" verwendet. Die Terminologie ist insoweit nicht einheitlich. So wird in BVerwGE 41, 1 (5 ff.), von einem „Genehmigungsvorbehalt" gesprochen; das OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (344 f.), benutzt den Ausdruck „sog. repressives Verbot mit freier Erlaubnis (Erlaubnisvorbehalt)"; Friauf, JuS 1962, 422 f., verwendet die Bezeichnung „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt" unter Bezugnahme auf Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, 3. Aufl., 1924, S. 239-256; Gusy, JA 1981, 80 (83 f.), benutzt den Begriff „Verbot mit Dispensvorbehalt." 50 Vgl. Wolff/Bachof, VerwR I, § 43 III a, S. 330; Maurer, AllgVerwR, § 9 Rdnr. 55; s. außerdem Langer, NVwZ 1987, 195 (196). 51

Vgl. hierzu Wolff/Bachof, Unterlassungsansprüche, S. 91 f.

VerwR I, § 43 I c, S. 327; W. Müller, Beseitigungs- und

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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blick auf die prinzipiell gegebene Bindungswirkung für die Behörde und den somit zugunsten des Bürgers eingreifenden Vertrauensschutz eine eigenständige Rechtsposition. Typisches Beispiel für einen Eingriff in ein derartig vermitteltes Ausübungsrecht ist dessen Entzug. Diese Art der Beeinträchtigung ist jedoch im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs ohne Relevanz, da insoweit Rechtsschutz im Wege der verwaltungsrechtlichen Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO erreicht werden kann. Zu denken ist jedoch an tatsächliche Behinderungen des Ausübungsrechts, deren Beseitigung über den Folgenbeseitigungsanspruch geltend gemacht werden kann. Wird beispielsweise der Inhaber einer Sondernutzungserlaubnis nach § 8 FStrG durch die Unrechtsfolgen faktischer Eingriffsmaßnahmen an der Ausübung der Erlaubnis gehindert, so kommt als Anspruchsgrundlage der Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht.52 Neben diesen beiden unproblematischen Beispielen der Eröffnung eines subjektiv-öffentlichen Rechts kraft Verwaltungsakts ist schließlich noch auf die sog. Kontrollerlaubnis oder Konzession hinzuweisen. Durch diese wird ein bereits verfassungsrechtlich garantiertes, im folgenden jedoch gesetzlich verbotenes Verhalten oder Vorhaben erst im Anschluß an eine behördliche Prüfung, bei der die Einhaltung der Rechtsvorschriften bestätigt werden konnte, zugelassen. Da das Gesetz in diesen Fällen die geplante Tätigkeit nicht prinzipiell verbieten will, vielmehr nur im Wege der vorgeschalteten Untersuchung seitens der Verwaltung sicherstellen will, daß die Rechtsbestimmungen eingehalten werden, spricht man in diesem Zusammenhang von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. 53 Als typische Anwendungsbeispiele sind die Baugenehmigung und die Gewerbe- und Gaststättenerlaubnis zu erwähnen. Gegen die Annahme, daß durch diese Erlaubnis selbst eine subjektive Rechtsposition geschaffen wird, könnte indes eingewandt werden, daß nicht die Erlaubnis die Rechtsstellung begründen würde, sondern im Wege des Verwaltungsakts lediglich die Handlungsfreiheit wiederhergestellt würde, die vor dem Erlaß des gesetzlichen Verbotes ohnehin bereits von Verfassungs 52

S. zu diesem Beispielsfall Wolff /Bachof\ VerwR I, § 43 III d, S. 332; weiterhin W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 91. 53 Auch hier bestehen Unterschiede in der Terminologie, wie hier Maurer, AllgVerwR, § 9 Rdnr. 51, der weiterhin die Bezeichnungen „Erlaubnis" („Kontrollerlaubnis") verwendet; s. außerdem Friauf\ JuS 1962, 422 (423), der insoweit von einer „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" spricht. Gusy> JA 1981, 80 (81 f.), benutzt den Begriff „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt"; kritisch im Hinblick auf die übliche Abgrenzung von sog. präventiven und repressiven Verboten: Schwabe, JuS 1973, 133 ff.; Gusy, JA 1981, 80 (81); vgl. zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen gesetzlichen Erlaubnisvorbehalt: BVerfGE 49, 89 (145 ff.); 20, 150 (154 f.).

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

wegen bestanden hätte.54 Dem Verwaltungsakt käme demnach nur eine deklaratorische oder auch formale Bedeutung zu. 55 Trotz dieses im Prinzip zutreffenden Bedenkens ist jedoch im Interesse eines umfassenden Rechtsschutzes des Bürgers davon auszugehen, daß der Anspruchsteller auch eine derart formal vermittelte Rechtsposition im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs verteidigungsweise geltend machen kann. Denn auch wenn eine bereits bestehende verfassungsrechtliche Verankerung dieses subjektiven Rechts besteht, wird aufgrund der gesetzlichen Lage der Bürger erst durch den Erlaß der Erlaubnis in die Lage versetzt, das angestrebte Vorhaben zu verwirklichen. Auch in diesem Fall vermittelt der Verwaltungsakt dem Betroffenen eine Ausübungsberechtigung.56 Zwar stellt in Anbetracht der gleichfalls gegebenen verfassungsrechtlichen Garantie eine faktische Behinderung dieses Ausübungsrechts u.U. einen Eingriff in eine durch ein Spezialgrundrecht oder zumindest in die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Rechtsposition dar. Dennoch muß es dem Bürger zur Ermöglichung eines weiten Rechtsgüterschutzes möglich sein, die Geltendmachung des Folgenbeseitigungsanspruchs zunächst auf die Verletzung dieser verwaltungsrechtlichen Rechtsposition zu stützen. Denn der Vorteil einer durch Verwaltungsakt begründeten Rechtsposition besteht gerade in ihrer konkreten Ausgestaltung. Anders als bei den Grundrechten fällt es daher in der Praxis leichter, Inhalt und Umfang der Beeinträchtigung des Betroffenen festzustellen. Hierdurch wird dem eingangs erwähnten Ziel der Praktikabilität und Rechtssicherheit bei der Handhabung des Folgenbeseitigungsanspruchs Rechnung getragen. Die Grundrechte, die ggf. neben der durch den Verwaltungsakt begründeten bzw. legitimierten Rechtsposition anwendbar bleiben, sind dann nur noch zur Auslegung oder aber als Ergänzung vonnöten, falls der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts inhaltlich unklar oder begrenzt ist, und deshalb ein Eingriff in die durch den Verwaltungsakt begründete Rechtsposition verneint werden muß. Somit greift auch insoweit ein Anwendungsvorrang zugunsten des konkreter ausgestalteten, rangniedrigeren Schutzguts ein. Mithin bleibt festzustellen, daß auch die durch die Handlungsform des Verwaltungsakts vermittelten subjektiven Rechte als geschützte Rechtsstellungen im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs anzusehen sind. Dies gilt sowohl für die statusbegründenden Verwaltungsakte als auch für die Aus54

So im Hinblick auf die Konzessionen: G. Jellinek, System, S. 110 f.; vgl. auch Maurer, AllgVerwR, § 9 Rdnrn. 52, 55; Langer, NVwZ 1987, 195 (196). 55 56

S. Mauren AllgVerwR, § 9 Rdnr. 52; Langen NVwZ 1987, 195 (196).

S. hierzu Wolff/Bachof,i VerwR I, § 43 III b 2, S. 330 f.; W. Müllen Beseitigungsund Unterlassungsansprüche, S. 91 f.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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Übungsberechtigungen aufgrund einer Ausnahmebewilligung bzw. auf der Grundlage einer Kontrollerlaubnis.

2. Relative Rechte Zweifelhaft erscheint, ob über die genannten absoluten Schutzgüter hinaus auch lediglich relativ geschützte Rechtspositionen vom Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt werden. Diese relativ wirkenden Rechtsstellungen sind dadurch gekennzeichnet, daß sie sich nur auf einen begrenzten Regelungsgegenstand beziehen und bloß in einem individualisierten Personenkreis Geltung besitzen. Die umfassende Ausschlußwirkung der absoluten Rechte weisen sie hingegen nicht auf.

a) Durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geschützte Rechtspositionen Erörterungsbedürftig ist zunächst, ob durch öffentlich-rechtlichen Vertrag begründete Rechte als schutzwürdige Rechtspositionen des Folgenbeseitigungsanspruchs in Betracht kommen. Es ist grundsätzlich anerkannt, daß subjektiv-öffentliche Rechte auch auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages entstehen können,57 sofern die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§54 ff. VwVfG beachtet werden.58 Fraglich erscheint jedoch, ob die durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag festgelegten Rechte ihrer Rechtsqualität nach als eine i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs geschützte Rechtsstellung anzuerkennen sind. Die Bedenken resultieren dabei aus dem relativen Rechtscharakter dieser Rechtspositionen,59 welcher darin besteht, daß die vertragliche Bindung lediglich in dem vereinbarten Rahmen zwischen den konkret beteiligten Vertragspartnern vorliegt. Die Einbeziehung derartiger Rechte in den Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs wäre hingegen mit dessen

57 Vgl. hierzu Bühler, Rechte, S. 224; ders., in Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 269 (274); Wolff/ Bachof, VerwR I, § 43 I c, S. 327; vgl. außerdem BVerwGE 60, 208 (209 f.); OVG Lüneburg, DÖV 1968, 803 (805); Kopp, VwVfG, § 54 Rdnr. 7; W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 92 f. 58 S. hierzu Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, §25 I V - § 27, S. 319 ff.; Ule/Laubinger, VerwVerfR, S. 517 ff.; Wolff /Bachof, VerwR I, § 44 II b, c, S. 345 ff. 59

Ebenso Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 34 I Rdnr. 62; ders., in Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79; ebenfalls den relativen Rechtscharakter vertraglicher Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche betonend: W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 93.

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

grundrechtlicher Legitimierung und inhaltlicher Anlehnung an die Vorschrift des § 1004 BGB nicht vereinbar. Denn sowohl die verfassungsrechtlich verankerten Freiheitsrechte als auch die durch den negatorischen Abwehranspruch des § 1004 BGB umfaßten Schutzgüter sind - auch bei Berücksichtigung der extensiven Auslegung des § 1004 BGB durch die Rechtsprechung keinesfalls durch einen nur relativen Charakter der Rechtsstellungen gekennzeichnet. Vielmehr ist in beiden Fällen die umfassend wirkende Ausschlußund Integritätsfunktion der Rechte festzustellen. Wegen dieser wesensimmanenten strukturellen Unterschiede hinsichtlich der Qualität und des Geltungsrahmens dieser vertraglich entstehenden Rechte werden sie nicht vom Folgenbeseitigungsanspruch erfaßt. 60

b) Leistungsansprüche Schließlich erhebt sich die Frage, ob Leistungsrechte, welche auf gesetzlicher Grundlage dem Bürger den Anspruch auf eine bestimmte Vergünstigung einräumen, als geschützte Rechtspositionen des Folgenbeseitigungsanspruchs in Betracht kommen.61 So stellt sich beispielsweise für den Bürger, dessen Antrag auf Erlaß einer Baugenehmigung unberechtigterweise abgelehnt worden ist, für den Fall einer anschließenden Änderung der Rechtslage, aufgrund derer der Anspruch auf Erteilung der Bauerlaubnis nicht mehr besteht, die Frage, ob er im Hinblick auf die ursprüngliche rechtswidrige Verweigerung der Vergünstigung durch die Behörde den Erlaß der Baugenehmigung im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs begehren kann.62 Diese Problematik, ob auch eine Forderungsverletzung als Regelungsgegenstand des Folgenbeseitigungsanspruchs anzunehmen ist, wird allerdings herkömmlicherweise im Rahmen des Eingriffsmerkmals unter dem Aspekt

60 So auch Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 34 I Rdnr. 62; ders., in Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79; vgl. außerdem ders., DÖV 1972, 845 (850 f.). Die hier behandelte Frage, ob ein hoheitlicher Eingriff in eine vertraglich begründete Rechtsstellung zum Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs führt, ist von der anders gelagerten Problematik zu unterscheiden, ob ein staatliches Eingriffsverhalten durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, das eine Verletzung absolut geschützter Rechtspositionen hervorruft, einen Folgenbeseitigungsanspruch zu begründen vermag. Vgl. zu dieser das Tatbestandsmerkmal des Eingriffsakts betreffenden Fragestellung die Ausführungen unter Β I I 3, S. 209 ff. 61 Ablehnend Weyreuther, Gutachten, S. Β 93 f.; Bieback, DVB1. 1983, 159 (164); W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 84; Papier, in: M/D/H/S y GG, Art. 34 I Rdnr. 62; ders., in Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79; ders., DÖV 1972, 845 (insbes. 850 f.). 62

Vgl. beispielsweise BVerwG, BBauBl. 1963, 605 (606); BVerwG, DVB1. 1962, 178 (179); a.A. OVG Lüneburg, OVGE 18, 501 (506 ff.).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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des „Eingriffs durch ein Unterlassen" diskutiert. Dieser üblichen Darstellungsweise folgend, soll deshalb in diesem Zusammenhang nur auf die Fragestellung als solche hingewiesen werden.63

3. Teilergebnis zur geschützten Rechtsposition Somit bleibt festzuhalten, daß als geschützte Rechtspositionen des Folgenbeseitigungsanspruchs aufgrund seiner dogmatischen Wurzel absolut, und damit rechtlich umfassend gewährleistete Schutzgüter in Betracht kommen. Auf der Ebene des Verfassungsrechts sind insoweit die speziellen Freiheitsgrundrechte, das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG sowie die Institutionsgarantien zu nennen. Weiterhin können die subjektiv-öffentlichen Rechte auch aufgrund gesetzlicher Grundlage oder durch Verwaltungsakt begründet werden. Im Hinblick auf ihren relativen Charakter werden durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geschaffene subjektive Rechte dagegen nicht vom Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt. Ob von diesem Grundsatz für den Fall der gesetzlichen Leistungsansprüche eine Ausnahme zu machen ist, soll, der herkömmlichen Darstellungsweise folgend, im Rahmen des Eingriffserfordernisses unter dem Aspekt des „Eingriffs durch Unterlassen" erörtert werden.

I I . Vorliegen eines Eingriffs Für die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs ist als zweite Anspruchsvoraussetzung ein Eingriff eines Rechtsträgers des öffentlichen Rechts erforderlich. 64

1. Einleitung In einem Teilbereich besteht hinsichtlich der Begriffsbestimmung des Tatbestandsmerkmals des Eingriffs in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit. Unstreitig sind aktive Übergriffe der öffentlichen Gewalt in die subjektive Rechtsstellung des Bürgers als i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs relevantes Eingriffs verhalten zu qualifizieren. 65 Dies ergibt sich als Konsequenz aus 63

S. die Darstellung unter Β II 2, S. 161 ff.

64

Vgl. die Nachweise in Fußn. 1 und 2.

65

BVerwGE 69, 366 (367, 371); BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860); OVG Koblenz,

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

der dogmatischen Herleitung dieses Haftungsinstituts aus den Freiheitsgrundrechten in ihrer Funktion als Abwehrrechte. Darüber hinaus folgt dies - historisch gesehen - aus der Tatsache, daß das Rechtsinstitut des Folgenbeseitigungsanspruchs als Reaktion auf die in der Nachkriegszeit von hoheitlicher Seite vorgenommenen Obdachloseneinweisungen entwickelt worden ist, bei denen gerade ein aktives Handeln der Verwaltungsbehörden vorlag. 66 Indes erfaßt diese Definition des Eingriffs i.S. einer aktiven Verletzungshandlung des Hoheitsträgers nur einen Ausschnitt aus denjenigen Fallkonstellationen, in denen die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs möglich erscheint und auch diskutiert wird. Klärungsbedürftig erscheinen insbesondere folgende Fragestellungen in bezug auf den Inhalt und die Auslegung des Eingriffsmerkmals, um eine vorhersehbare Handhabung des Folgenbeseitigungsanspruchs zu gewährleisten: -

Eingriff durch Unterlassen Als erstes, gleichzeitig den Schwerpunkt der Erörterung darstellendes Problem, ist zu untersuchen, ob das staatliche Eingriffsverhalten nicht nur in einem aktiven Tun, sondern auch in einem Unterlassen der öffentlichen Gewalt bestehen kann (hierzu unter 2).

-

Handlungsform des Eingriffs Ein weiterer Aspekt dieser materiell-rechtlichen Voraussetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs betrifft die Fragestellung, von welcher Qualität oder Handlungsform, z.B. Verwaltungsakt, Realakt oder gesetzliche Maßnahme, die Verletzungshandlung sein muß, um den Folgenbeseitigungsanspruch auslösen zu können (hierzu unter 3).

-

Finalität des Eingriffs Schließlich ist erörterungsbedürftig, ob für die Erfüllung dieses Tatbestandserfordernisses eine gewollte, beabsichtigte hoheitliche Einwirkung i.S. eines finalen Handelns notwendig ist, ober ob auch eine zufallsbedingte Verletzungshandlung ausreichend ist (hierzu unter 4).

DVB1. 1964, 773; VGH Mannheim, JZ 1984, 999; OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); OVG Münster, OVGE 20, 38 (39 f.); v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (825 f., 831 f.); Ossenbühl, StHR, S. 193 f.; Papier, DÖV 1972, 845; Rüfner, in: Erichsen /Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 601; Weyreuther, Gutachten, S. Β 78 ff.; für den Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch grundlegend: Bachof\ Vornahmeklage, S. 106 ff. 66 Grundlegend Bachof\ Vornahmeklage, Vorwort S. XII, S. 98 ff.; s. weiterhin Götz, VB1BW 1987, 424 f.; Ossenbühl, StHR, S. 192 f.; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 1, S. 598 f. Vgl. ferner die Darstellung in der Einleitung B, S. 43 ff.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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2. Der Eingriff durch ein Unterlassen Nach wie vor ungeklärt ist, ob das den Folgenbeseitigungsanspruch begründende hoheitliche Verhalten auch in einem Unterlassen bestehen kann. Die Stellungnahmen in Rechtsprechung67 und Literatur 68 zu dieser Frage sind durch eine Vielfalt der unterschiedlichen Standpunkte gekennzeichnet. Erschwert wird die Feststellung und Bewertung des Meinungsspektrums durch die Tatsache, daß es größtenteils69 an einer systematischen Gesamtschau der Fallgestaltungen fehlt, in denen ein behördliches Unterlassen Bedeutung besitzen kann. Dies hat zur Folge, daß die Möglichkeit eines Eingriffs durch eine unterlassene staatliche Maßnahme als relevante Verletzungshandlung i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs oftmals nur generell bejaht oder verneint wird, ohne zu einer ggf. in Abhängigkeit von der einschlägigen Fallkonstellation erforderlichen Differenzierung in der Beantwortung zu gelangen. Als Beispiel für diese undifferenzierte Beantwortung der Ausgangsfrage sei das bereits erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7. 198470 genannt, wo apodiktisch festgestellt wird, daß der Folgenbeseitigungsanspruch auch durch ein Unterlassen der vollziehenden Gewalt zur Entstehung gelangen kann. Da es für die Entscheidung des konkreten Falles auf die Problematik des Eingriffs durch Unterlassen nicht ankam, ist diese Vor67 Im Bereich des Beamtenrechts hat sich das OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207), zustimmend zur Einbeziehung des behördlichen Unterlassens in den Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs geäußert; ebenfalls für das Prüfungsrecht'. OVG Hamburg, VerwRspr. 9, Nr. 137, S. 635 (637 f.); ebenso für das Baurecht: OVG Lüneburg, OVGE 18, 501 (506 ff.). Ablehnend hingegen im Rahmen des Beamtenrechts: BVerwG, DVB1. 1979, 852 (854 f.); BVerwG, DÖV 1968, 419 (421 f.), mit Anm. W. Schmidt, JuS 1969, 166 ff.; BVerwG, BayVBl. 1962, 183; OVG Koblenz, DVB1. 1964, 773; OVG Lüneburg, ZBR 1982, 91 (92); weiterhin verneinend im Berufsausbildungsrecht: VGH Mannheim, JZ 1984, 999, mit kritischer Bspr. Maaß, VR 1985, 71 ff.; ablehnend im Prüfungsrecht: VGH München, DVB1. 1981, 1158 (1159); dazu Broß, VerwArch 76 (1985), 217 (223 f.). 68

In der Rechtslehre befürworten eine Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf unterlassene staatliche Maßnahmen: Luhmann, Entschädigung, S. 100, 112 f.; Maaß, BayVBl. 1987, 520 (524 ff.); ders., VR 1985, 71 (72 f.); Menger, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 347 (351, 354, 359); Tietgen, in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT, S. 325 (345 ff.); Wallerath, DÖV 1987, 505 (511 ff., insbes. 513). Demgegenüber vertreten einen ablehnenden Standpunkt: Bender, VB1BW 1985, 201 (202); Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 7a; Peters, in: Schweickhardt, AllgVerwR, Rdnr. 1133; Schenke, DVB1. 1990, 328 (332); ders., JuS 1990, 370 (372); Weyreuther, Gutachten, S. Β 51, 76 ff., 93 ff.; Wolff/ Bachof, VerwR I, § 54 II f, S. 479; anders noch Bachof, Rspr. des BVerwG II, Nr. 378, S. 359 f.; ebenfalls zurückhaltend Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (39 ff.); sowie ausdrücklich für den Bereich des Baurechts, Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 3, S. 605 f., der insoweit den Gesichtspunkt der Folgenbeseitigungslast heranzieht, vgl. hierzu die Darstellung unter Β II 2, S. 191 ff. 69

Anders insoweit beispielsweise Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (39 ff.).

70

So BVerwGE 69, 366 (367, 371).

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

gehensweise zwar grundsätzlich sachgerecht und zu respektieren. Im Hinblick auf die Tatsache, daß der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts diese Entscheidung jedoch selbst zum Anlaß genommen hat, über die Beurteilung des in Rede stehenden Sachverhalts hinaus grundsätzliche Erwägungen zum Folgenbeseitigungsanspruch anzustellen, wäre es wünschenswert gewesen, wenn das oberste Verwaltungsgericht auch auf den hier interessierenden Problembereich etwas ausführlicher eingegangen wäre. Offen bleibt damit, welche Fälle das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Äußerung im Auge hatte und wie diese mit der zum Teil in einzelnen Sachgebieten, z.B. im Beamten- und Baurecht, genau entgegengesetzten Rechtsprechung zu vereinbaren ist. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang beispielsweise die Klage einer Beamtin, die unrechtmäßigerweise nicht als Beamtin auf Probe, sondern als Beamtin auf Widerruf eingestellt worden war. Das im Rahmen der gegen die Entlassungsverfügung erhobenen Anfechtungsklage geltend gemachte Begehren, ihr müsse unter dem Gesichtspunkt des Folgenbeseitigungsanspruchs der umfangreichere Entlassungsschutz einer Probebeamtin gewährt werden, hat das Bundesverwaltungsgericht abgelehnt.71 Gleichermaßen blieb dem Rechtsschutzbegehren eines Bauherrn der Erfolg versagt, dem die Baugenehmigung rechtswidrigerweise verweigert worden war, und der aufgrund einer geänderten Rechtslage nach neuem Recht keinen Anspruch mehr auf die Erteilung der Bauerlaubnis besaß. Seine Klage auf Erlaß der Baugenehmigung mit Rücksicht auf das zuvor ihm gegenüber geschehene Verwaltungsunrecht ist als unbegründet zurückgewiesen worden.72 Vor dem Hintergrund dieser Diskrepanz in den Stellungnahmen des Gerichts verwundert es nicht, daß die angeführte Feststellung des 3. Senats zum Eingriff durch Unterlassen im Schrifttum zu kontroversen, teils ablehnenden, teils befürwortenden Reaktionen geführt hat.73 Im folgenden ist deshalb zu untersuchen, in welchen Sachverhaltsbereichen ein staatliches Unterlassen auftreten kann, und ob und ggf. wie dieses hoheitliche Verhalten vom Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt wird.

71

BVerwG, DÖV 1968, 419 (421 f.).

72

BVerwG, DVB1. 1962, 178 (179), allerdings ohne ausdrückliche Bezugnahme auf den Folgenbeseitigungsanspruch. 73 Zustimmend zur Ausdehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf das behördliche Unterlassen durch das Bundesverwaltungsgericht: Maaß, BayVBl. 1987, 520 (524 ff.); ders., VR 1985, 71 (72 f.); Wallerath, DÖV 1987, 505 (513). Ablehnend demgegenüber Bender, VB1BW 1985, 201 (202); zurückhaltend auch Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 7a, unter Hinweis darauf, daß der Entscheidung nicht zu entnehmen sei, welche Begriffsbestimmung dem Unterlassen beigemessen wird.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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a) Fallkonstellation 1: Eingriff durch Unterlassen nach vorangegangenem Tun Vorab ist diejenige Sachverhaltsgestaltung auszugrenzen, welche nur scheinbar in den zu behandelnden Problemzusammenhang des Eingriffs durch Unterlassen einzuordnen ist. Diese Fallkonstellation ist dadurch gekennzeichnet, daß eine Verwaltungsbehörde es nach einem vorangegangenem rechtmäßigen aktiven Tun pflichtwidrig unterläßt, nach dem Fortfall der ursprünglichen Eingriffsvoraussetzungen die Ausgangslage von sich aus wiederherzustellen. Sie wird deshalb im Rahmen des Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruchs häufig auch unter dem Begriff des „nachträglich rechtswidrig gewordenen belastenden Verwaltungsakts" erörtert. 74 Als Beispiel sei der Fall erwähnt, daß die Verwaltungsbehörde einen im Wege der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts rechtmäßigerweise eingezogenen Führerschein nach Aufhebung der Entziehungsverfügung nicht an den Berechtigten zurückgibt.75 Des weiteren ist in diesem Zusammenhang der vor allem in der Nachkriegszeit, jedoch auch in jüngster Vergangenheit wieder vorkommende Sachverhalt zu nennen, bei dem die Behörde nach Fristablauf einer zunächst rechtmäßig erfolgten, zeitlich begrenzten Einweisung eines Obdachlosen in die Wohnung eines Bürgers es unterläßt, deren Räumung zu veranlassen.76 Bei derartigen Fallkonstellationen stellt sich im Rahmen der Prüfung der staatlichen Unrechtshandlung die Frage, ob der Anknüpfungspunkt für das mögliche Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs in dem zeitlich nachfolgenden Unterlassen der vollziehenden Gewalt gesehen werden muß, oder ob nicht vielmehr dem vorangegangenem aktiven Handeln die primäre haftungsrechtliche Relevanz beizumessen ist.

74 Vgl. exemplarisch Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 82 f.; Rösslein, FBA, S. 84; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (40); Weyreuther, Gutachten, S. Β 69 f.; Wolff/ Bachof,; VerwR I, § 54 II c, S. 478. S. des weiteren OVG Koblenz, OVGE 9, 88 (92 f.); OVG Lüneburg, OVGE 8, 484 ff.; OVG Münster, OVGE 20, 38 (40). Vgl. ferner Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 458, zu § 3 Abs. 1 S. 2 StHG 1981. 75 76

VGH Kassel, DÖV 1963, 389. S. auch OVG Lüneburg, OVGE 9, 340.

Vgl. die Sachverhalte der Entscheidungen, VGH Mannheim, VB1BW 1990, 351; VB1BW 1987, 423; OVG Koblenz, OVGE 9, 88; OVG Lüneburg, OVGE 4, 235; VG Neustadt, NJW 1965, 833. S. weiterhin Bachof\ Vornahmeklage, S. 110 ff.; ders., Rspr. des BVerwG II, Nr. 378, S. 358 f.; Hegel, Die Unterbringung Obdachloser, S. 83 mit Fußn. 17; Weyreuther, Gutachten, S. Β 51 mit umfangreichen Nachweisen in Fußn. 174, S. Β 69 f. Außer der Problematik des behördlichen Unterlassens ist bei dieser Fallgruppe darüber hinaus umstritten, ob der Folgenbeseitigungsanspruch hier als ausreichende Ermächtigungsgrundlage für ein Einschreiten gegen den Obdachlosen in Betracht kommt, vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 4 Β II 2, S. 511 ff.

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

Bei wertungsmäßiger Betrachtungsweise liegt bei dieser Fallkonstellation der Schwerpunkt des staatlichen Handelns in der aktiven Verhaltensweise und nicht in einem Unterlassen der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustande, weshalb sich insoweit die Frage nach einem Eingriff durch Unterlassen nicht stellt. Hierfür spricht zunächst, daß das behördliche Nichthandeln nur deshalb rechtliche Bedeutung erlangen kann, weil zuvor bereits ein aktiver Eingriff in die Rechtsgüter des Betroffenen erfolgt ist, d.h. die Behörde durch positives Handeln eine Ursache für die Tangierung der Rechtssphäre des Einzelnen gesetzt hat. Aus tatsächlicher Sicht betrachtet, ist das aktive Verhalten der Behörde conditio sine qua non für den nachfolgenden rechtswidrigen Rechtszustand. Ohne das aktive Einschreiten der Behörde wäre eine nachträgliche widerrechtliche Rechtsgutsbeeinträchtigung des Bürgers nicht denkbar. Hinzu kommt, daß im Verhalten der Behörde keine Zäsur feststellbar ist. Der Hoheitsträger tätigt keinen neuen Willensentschluß bzw. setzt keine neue Kausalkette in Gang. Faktisch „bleibt somit alles beim alten". Aufgrund dessen liegt in tatsächlicher Hinsicht ein Fortwirken des aktiven Eingriffs und keine haftungsrelevante eigenständige Verhaltensweise in Form eines Unterlassens vor. 77 Was sich in dieser Sachverhaltskonstellation in Wirklichkeit ändert, ist die Beurteilung der Rechtslage. Der ehemals rechtmäßige Eingriff erfährt infolge Entfallens des den Eingriff legitimierenden Verwaltungsakts78 eine Veränderung zur Rechtswidrigkeit. Der Wegfall der Duldungspflicht einer behördlichen Anordnung betrifft jedoch ausschließlich das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit.79 Das fortwirkende faktische Verhalten der Behörde und damit die Qualifizierung als aktiver Eingriff wird indes davon nicht berührt. In diesen Fällen ist deshalb das Vorliegen eines aktiven Übergriffs der staatlichen Stellen in die Rechtsstellung des Einzelnen zu bejahen, ohne daß es eines Eingehens auf die Problematik der Verletzungshandlung in Form des Unterlassens bedarf. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch eine weitere Überlegung. Unterstellt man, das Verhalten der Behörde, beispielsweise die Obdachloseneinweisung, 77 I.E. ähnlich VGH Mannheim, VB1BW 1990, 351; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 7a; Rösslein, FBA, S. 24 in Fußn. 40; vgl. auch die Regelung in § 3 Abs. 1 S. 2 StHG 1981 und die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 44 f., sowie die Kommentierungen von Jacobs, StHR, § 3 Rdnr. 278; Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnrn. 51 ff.; SchmidtBleibtreui, StHG, § 3, S. 43. 78

Zur Legalisierungsfunktion des Verwaltungsakts vgl. OVG Koblenz, OVGE 9, 88 (92); OVG Lüneburg, OVGE 4, 235 (239); Weyreuther, Gutachten, S. Β 69 f.; auf diesen bezugnehmend Götz, VB1BW 1987, 424 (425); s. weiterhin die Darstellung unter Β IV 2, S. 312 ff. 79

Vgl. hierzu die Ausführungen unter Β IV 1, S. 297 ff.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, so steht die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs unter dem Aspekt des Eingriffs in Form der unterlassenen Verwaltungsmaßnahme von vornherein nicht zur Diskussion. Vielmehr wird ausschließlich an den aktiven Eingriff, d.h. die Einweisung, angeknüpft. Weder ändert sich an diesem Verhalten der Behörde etwas noch bedeutet es für den betroffenen Bürger einen qualitativen Unterschied des Eingriffsakts, wenn die ursprünglich rechtmäßige Einweisungsverfügung nachträglich unrechtmäßig wird. Auch in diesem Fall wird er einen aktiven Eingriff in seine Rechtsposition beklagen. Bei der erforderlichen Gesamtbewertung des behördlichen Verhaltens liegt folglich im Falle der nachträglichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kein haftungsbedeutsames Unterlassen, sondern lediglich ein fortwirkendes aktives Tun vor. Mithin wird die Fallkonstellation des behördlichen Unterlassens im Anschluß an eine vorangegangene aktive Verletzungshandlung nicht vom Problembereich des Eingriffs in Form des Unterlassens erfaßt. Stattdessen liegt vielmehr ein faktisch fortwirkendes Eingriffsverhalten vor, das zum Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs führt. 80

80

Allerdings ist auch nach anderer Ansicht, welche im Hinblick auf die Tatsache, daß der zunächst geschehene aktive Eingriff zu Recht erfolgt ist, eine Zäsur in der Bewertung des Sachverhalts vornimmt und für das Entstehen der staatlichen Haftung erst auf das anschließende Unterlassen der Verwaltung abstellt, die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs zu bejahen; so Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 497; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (40). Diese Gleichstellung des pflichtwidrigen Unterlassens mit einem positiven Eingriffsverhalten erscheint in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation - mit der Einschränkung, daß nach hier vertretener Auffassung bereits ein fortwirkendes Eingriffsverhalten vorliegt - sachgerecht. Dies folgt aus der Überlegung, daß nach Entfallen des den ursprünglichen Eingriff rechtfertigenden Verwaltungsakts die darauf folgende Nichtbeseitigung der Vollzugsfolgen als ein selbständiger Entzug bzw. als Verletzung einer dem Bürger nunmehr wieder uneingeschränkt zustehenden Rechtsposition zu qualifizieren ist. Hier stellt sich die behördliche Untätigkeit als hoheitliche Maßnahme der Eingriffsverwaltung dar. Dieser kommt vor dem Hintergrund der dogmatischen Wurzel des Folgenbeseitigungsanspruchs in der Abwehrfunktion der Freiheitsgrundrechte die gleiche haftungsrechtliche Relevanz wie die einer aktiven Verletzungshandlung zu. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, daß oftmals in den Formulierungen nicht eindeutig zum Ausdruck kommt, ob für das Auslösen des Folgenbeseitigungsanspruchs von dem Tun oder dem Unterlassen als maßgeblichem Anknüpfungspunkt ausgegangen wird; so sprechen Böß, Vergleich, S. 64 ff.; Schleeh, AöR 92 (1967), 58 (96); Siehoff, FBA, S. 28, sowie in bezug auf § 3 Abs. 1 S. 2 StHG 1981: Jacobs, StHR, § 3 Rdnr. 278, und Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 55, davon, daß ein Unterlassen die Behörde zur Folgenbeseitigung dann verpflichtet, wenn ihr aus einem vorangegangenen Tun eine Rechtspflicht zur Beseitigung der Rechtsbeeinträchtigung erwächst. Ebenso die Kritik von Rösslein, FBA, S. 48 in Fußn. 58, an Schleeh, a.a.O. Vgl. in diesem Zusammenhang weiterhin die Entscheidung VGH München, BayVBl. 1990, 627 (628).

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

b) Fallkonstellation 2: Eingriff durch Unterlassen als Schutzpflichtsverletzung Die zweite zu behandelnde Fallkonstellation ist dadurch gekennzeichnet, daß durch das Unterlassen einer gebotenen hoheitlichen Maßnahme eine Rechtsbeeinträchtigung einer bereits innegehabten Rechtsstellung des Betroffenen verursacht wird. Zu denken ist beispielsweise an den Sachverhalt, daß die im Rahmen von Straßenbauarbeiten unterbliebene Sicherung der Arbeitsstelle zu einem Abrutschen des Erdreichs und damit zu einer Eigentumsbeeinträchtigung des betroffenen Grundstücksanliegers führt. Weiterhin kommt in diesem Zusammenhang die Fallvariante in Betracht, bei der infolge der unterbliebenen ordnungsgemäßen Wartung eines städtischen Schneeräumfahrzeuges ein Defekt an der Bremsanlage unerkannt bleibt. Durch den als Folge dieses technischen Mangels verursachten Verkehrsunfall wird das Kraftfahrzeug einer Privatperson beschädigt. Das gemeinsame Merkmal dieser Fallgestaltungen liegt darin, daß hier das maßgebliche Eingriffsverhalten nicht bereits in einem aktiven Handeln des Hoheitsträgers gesehen werden kann. Denn nicht schon die Ausführung der Bauarbeiten bzw. die Benutzung des Fahrzeuges als solche haben die Rechtsverletzung hervorgerufen. Bei wertender Betrachtungsweise kommt vielmehr der Nichtvornahme geeigneter Abstützungsmaßnahmen und dem Unterbleiben der notwendigen Inspektion die vorrangige haftungsrechtliche Relevanz zu. In derartigen Fallkonstellationen, in denen statt des typischerweise gegebenen aktiven staatlichen Übergriffs eine unterlassene Verwaltungsmaßnahme einen Schaden des Betroffenen auslöst, erscheint die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs gleichermaßen geboten.81 Die Gleichstellung dieser unterbliebenen hoheitlichen Maßnahmen mit einem aktiven staatlichen Eingriffsverhalten folgt aus der Überlegung, daß sich in derartigen Fällen die Untätigkeit der amtlichen Stellen als Verletzung einer dem Bürger gegenüber bestehenden Schutzpflicht darstellt, welche zur Verursachung einer rechtswidrigen Gefahrenlage mit anschließendem Schadenseintritt für das betroffene Rechtsgut geführt hat. Dem Eingriffshandeln vergleichbar findet auch hier durch das Unterlassen die Verletzung einer vom Betroffenen bereits innegehabten absoluten Rechtsstellung statt. Mithin werden auch insoweit die Grundrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte gegen staatliche Einwirkungen berührt. Darüber hinaus spricht auch der Schutzzweck des Folgenbeseitigungsanspruchs für eine Einbeziehung dieses hoheitlichen Verhaltens in den Normbe81 Ähnlich in bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch gem. § 3 StHG 1981: Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnrn. 445 - 447; Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 10.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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reich des Folgenbeseitigungsanspruchs. Das Rechtsinstitut dient dem Bestandsschutzinteresse des Bürgers an der Bewahrung der ihm zustehenden absoluten Schutzgüter. Diese ratio legis des Folgenbeseitigungsanspruchs ist aber ebenfalls betroffen, wenn unterlassene amtliche Verhaltensweisen eine Rechtseinbuße oder Rechtsbeschränkung des Bürgers hervorrufen. Soll der Folgenbeseitigungsanspruch seiner allgemein anerkannten umfassenden freiheitsabsichernden Zielsetzung gerecht werden, so darf es keinen Unterschied für das Eingreifen dieses Rechtsinstituts ausmachen, ob die Integritätsbeeinträchtigung des Betroffenen in concreto durch ein Handeln oder Unterlassen des Hoheitsträgers verursacht worden ist. Vielmehr erschiene es willkürlich, das Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs von dem zufälligen Umstand, ob im Einzelfall ein Tun oder Unterlassen zu der Rechtsverletzung geführt hat, abhängig zu machen. Bestätigung findet die Einbeziehung dieser Schutzpflichtverletzungen in den Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs durch den Umstand, daß auch in bezug auf § 1004 BGB anerkanntermaßen die Nichtrespektierung der durch diese Vorschrift geschützten Rechte den maßgeblichen Haftungsgrund bildet.82 Folgerichtig wird im Einzelfall die Geltung dieser Rechtsnorm auch dann angenommen, wenn ein Unterlassen des Störers zu der Veränderung des faktischen Zustands geführt hat.83 Auch hier wird somit die Verletzung einer bereits innegehabten Rechtsstellung als entscheidender Anknüpfungspunkt für das Eingreifen des zivilrechtlichen Beseitigungsanspruchs gesehen. Mithin sind unterlassene hoheitliche Maßnahmen dann als haftungsrelevantes Eingriffs verhalten i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs einzuordnen, wenn sich die Untätigkeit als Verletzung einer dem Bürger gegenüber obliegenden Schutzpflicht darstellt, welche zum Entzug bzw. zur Beeinträchtigung einer dem Betroffenen bereits eingeräumten absoluten Rechtsposition führt.

c) Fallkonstellation 3: Rechtswidrige Nichterfüllung eines originären Leistungsanspruchs des Bürgers Weitaus größere Schwierigkeiten bereitet demgegenüber die Frage, ob der Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs auch diejenigen Fälle erfaßt, in denen ein originärer Leistungsanspruch des Bürgers seitens der Verwaltung zu Unrecht verweigert oder verspätet erfüllt worden ist. Im einzelnen sind dabei drei Problembereiche erörterungsbedürftig: 82

S. hierzu Erman/Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnrn. 1, 6; Soergel/Mühl, BGB, § 1004 Rdnrn. 3 f.; vgl. weiterhin die Beispiele bei Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 2 a aa-dd. 83

So ausdrücklich Palandt/Bassenge,

11 Pietzko

BGB, § 1004 Anm. 2 a dd.

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

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Zunächst erhebt sich die grundsätzliche Frage, ob die vollständige unberechtigte Leistungsversagung durch die Verwaltung vom Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs umfaßt wird (unter aa). - Daran schließt sich das Problem an, ob die verspätete Forderungserfüllung durch den Hoheitsträger haftungsrechtliche Relevanz im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs besitzt (unter bb). - Weiterhin ist die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs für die Sonderkonstellation der rechtswidrigen Leistungsversagung mit anschließender Änderung der Sach- und/oder Rechtslage zu untersuchen (unter cc).

aa) Vollständige

rechtswidrige

Leistungsversagung durch die Verwaltung

Hierbei spielen zunächst die Sachverhalte eine Rolle, bei denen die Behörde in rechtswidriger Weise eine Leistungsgewährung gänzlich verweigert hat, sei es, daß sie einen ablehnenden Bescheid formuliert hat oder daß sie einen entsprechenden begünstigenden Verwaltungsakt bzw. Realakt nicht vorgenommen hat. Auch wenn im ersteren Fall die Behörde einen Versagungsbescheid erlassen hat, d.h. insoweit ein aktives Tun entfaltet hat, ist diese Verwaltungsmaßnahme aufgrund einer Gesamtbewertung der Umstände, namentlich des Rechtsschutzbegehrens des Betroffenen, als Unterlassungstatbestand zu qualifizieren. Denn letztlich maßgeblich ist insoweit, daß durch das amtliche Verhalten die vom Bürger beanspruchte Leistung rechtswidrig verweigert worden ist.84 Dem entspricht es, daß herkömmlicherweise im Falle der ausdrücklichen Antragsablehnung von einem „qualifizierten Unterlassen" gesprochen wird, wohingegen die pflichtwidrige Untätigkeit als „schlichtes Unterlassen " bezeichnet wird. 85 In derartigen Sachverhaltsgestaltungen stellt sich die Frage, ob im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs die ursprünglich rechtswidrig verweigerte Vergünstigung - bzw. eine vergleichbare - nachträglich begehrt werden kann. Des weiteren ist klärungsbedürftig, ob zumindest die durch die Leistungsversagung erlittenen Nachteile, insbesondere finanzieller Art, geltend gemacht werden können. Erwähnt sei exemplarisch der Fall der widerrechtlich abgelehnten Berufszulassung. Wird einem Bewerber die notwendige Taxikonzession nach Maßgabe der §§ 1, 2, 13 Abs. 5 PBefG zu Unrecht verweigert, so erhebt sich die Frage, ob der Betroffene im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs die

84

Vgl. hierzu Rüfiier,

85

Vgl. Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 264.

DVB1. 1967, 186 (188); ders., BB 1968, 881 (884).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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nächste zur Verfügung stehende Konzession beanspruchen kann.86 Entsprechend ist im Beamtenrecht vor allem an die Fallgestaltungen zu denken, in denen ein Bewerber zu Unrecht nicht in das Beamtenverhältnis berufen oder ein Beamter rechtswidrig nicht befördert worden ist. Hier kann in erster Linie das Begehren auf Zuteilung der nächsten freiwerdenden Planstelle87 oder aber der Antrag des Betroffenen, versorgungsrechtlich so gestellt zu werden, als ob er von Anfang an zutreffend befördert worden wäre, 88 Bedeutung erlangen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Haushaltsgesetzgeber, sofern eine entsprechende Planstelle nicht besteht und auch auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung stehen wird, auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs verpflichtet werden kann, eine diesbezügliche Stelle zu schaffen. 89 Auch der bereits angesprochene Sachverhalt, daß eine Beamtin gegen ihre Entlassung als Beamtin auf Widerruf einwendet, ihr müsse der weitreichendere Entlassungsschutz einer Beamtin auf Probe zugestanden werden, da die Einstellung als Beamtin auf Probe rechtswidrigerweise unterblieben sei, ist hier zu nennen.90 Schließlich können in diesem Zusammenhang die Fälle der fälschlicherweise unterbliebenen Auskunft eine Rolle spielen, in denen die Nichterteilung der gewünschten Information durch die Behörde zu Rechtsnachteilen des Bürgers geführt hat.91 Vergleicht man diese Fallgestaltungen mit den zuvor dargestellten Fallkonstellationen, so wird deutlich, daß sich im Unterschied zu diesen nunmehr

86 Vgl. hierzu BVerwG, NJW 1982, 1168; VGH München, BayVBl. 1982, 367; Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 74. 87

Vgl. den Sachverhalt der Entscheidung OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206, sowie ausführlich hierzu Tietgen, in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT, S. 325 (345 ff.); weiterhin Schenke, in: Festschrift für Mühl, S. 571 (574 ff.), und v. Münch, in: v. Münch, BesVerwR, S. 29. S. außerdem die Entscheidung, BAG, NJW 1989, 2909, hinsichtlich des Anspruchs auf Abschluß eines Arbeitsvertrages wegen rechtswidrig verzögerter Ausbildung im Referendarverhältnis (Beamter auf Widerruf); vgl. hierzu Battis , NJW 1990, 1214 (1217 f.). 88 S. dazu BVerwG, DVB1. 1963, 677; OVG Koblenz, DVB1. 1964, 773. Vgl. ferner BVerwGE 80, 123, allerdings ohne Bezugnahme auf den Folgenbeseitigungsanspruch. S. hierzu die Anm. von Günther, NVwZ 1989, 837, und von Schnellenbach, NVwZ 1989, 435, sowie die Bspr. von Wolf, JA 1989, 468. 89 Einen Folgenbeseitigungsanspruch insoweit verneinend: Schenke, in: Festschrift für Mühl, S. 571 (576); zurückhaltend auch Tietgen, in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT, S. 325 (348 f.); vgl. auch allgemein ablehnend: v. Münch, in: v. Münch, Bes VerwR, S. 29. Demgegenüber für den Fall der Beförderung eine derartige Verpflichtung der Landesregierung auf der Grundlage einer Ermächtigung im Haushaltsgesetz allerdings ohne Bezugnahme auf den Folgenbeseitigungsanspruch - aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht bejahend: VGH Kassel, DVB1. 1983, 86 ff. 90

BVerwG, DÖV 1968, 419 (421 f.).

91

Vgl. die Sachverhalte der Entscheidungen BVerwGE 61, 15; VG Köln, DVB1. 1980,

385.

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

das staatliche Unterlassen nicht an eine zuvor geschehene hoheitliche aktive Einwirkung anschließt bzw. nicht in einer Schutzpflichtverletzung in bezug auf eine bereits vom Betroffenen innegehabten absoluten Rechtsstellung besteht. Vielmehr stellt sich hier das Nichthandeln der Behörde - losgelöst von einem positiven Eingriffsakt - von Anfang an als die rechtswidrige Vorenthaltung einer vom Bürger geforderten Rechtsposition dar. Verallgemeinert formuliert stellt sich damit das Problem der Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs im Hinblick auf behördliche Untätigkeit im Rahmen der Leistungsverwaltung.

aaa) These 1: Unanwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs bei rechtswidriger Leistungsverweigerung Nach Auffassung eines Teils der Rechtsprechung 92 und Rechtslehre 93 ist der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs bei Vorliegen einer rechtswidrigen Leistungsversagung nicht erfüllt. 94 92 Für den Regelungsbereich des Beamtenrechts: BVerwG, DVB1. 1979, 852 (854 f.); BVerwG, DÖV 1968, 419 (421 f.), gegen OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206; BVerwG, DVB1. 1963, 677 (678); BVerwG, BayVBl. 1962, 183; BayVBl. 1960, 88 (89); OVG Koblenz, DVB1. 1964, 773; OVG Lüneburg, ZBR 1982, 91 (92); für das Berufszulassungsrecht: BGH, DVB1. 1963, 24 (25); im Rahmen des Berufsausbildungsrechts: VGH Mannheim, JZ 1984, 999. Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß das Bundesverwaltungsgericht einen Schadensersatzanspruch bei einer fehlerhaften Auswahlentscheidung für eine Beförderung aus der „schuldhaften Verletzung einer eigenen, in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis wurzelnden (quasi-vertraglichen) Verbindlichkeit" (in concreto der Mißachtung der in § 7 nwBG [Art. 33 Abs. 2 GG] festgelegten Auslesekriterien) herleitet. Der Rückgriff auf das Rechtsinstitut der Verletzung der Fürsorgepflicht sei insofern nicht erforderlich, so BVerwGE 80, 123 (125). S. hierzu die weiteren Nachweise in Fußn. 88. Erwähnt sei außerdem, daß nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts einer Bewerbung eines Beamten um eine Stelle nach Ernennung des vorgezogenen Beamten nicht mehr entsprochen werden kann. Mit der Ernennung sei die durch die Ausschreibung eingeleitete Stellenbesetzung beendet. Dies gelte auch für den Fall, daß die der ausgeschriebenen Stelle zugeordnete Planstelle unterwertig besetzt sei, so BVerwG, DVB1. 1989, 1150; BVerwGE 80, 127 (129 ff.). 93 Battis , AllgVerwR, Rdnr. 384; Bender, VB1BW 1985, 201 (202); ders., StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 264 f.; Bettermann, Sitzungsberichte, S. L 67; Bieback,, DVB1. 1983, 159 (164); Eyermann/Fröhler, VwGO, § 80 Rdnr. 54 b; Hoffmann, DVB1. 1967, 667 (668 f.); anders ders., Sitzungsberichte, S. L 62 f.; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 7a; W. Martens, Rechtsschutz, S. 9; Peters, in: Schweickhardt, AllgVerwR, Rdnr. 1133; Rösslein, FBA, S. 85 f., vgl. auch die Darstellung S. 29; Schenke, DVB1. 1990, 328 (332); ders., JuS 1990, 370 (372); ders., in Festschrift für Mühl, S. 571 (574 ff.); W. Schmidt, JuS 1969, 166 (167); Schnellenbach, BeamtenR, Rdnr. 35 in Fußn. 151; Wallerath, AllgVerwR, S. 364 f.; anders ders., DÖV 1987, 505 (511 ff., insbes. 513); Weyreuther, Gutachten, S. Β 51, 76 ff., 93 ff.; Wolff /Bachof, VerwR I, § 54 II f, S. 479; anders noch Bachof, Rspr. des BVerwG II, Nr. 378, S. 359 f.; ebenfalls zurückhaltend Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (39 ff.), sowie ausdrücklich im Rahmen des Baurechts: Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 3, S. 605 f., der insoweit den Gesichtspunkt der Folgenbeseitigungslast

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspchs

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Dieses restriktive Verständnis des Folgenbeseitigungsanspruchs wird zunächst damit begründet, daß er einen Eingriff in eine bereits vorhandene subjektive Rechtsposition des Betroffenen voraussetze. Zur Erfüllung dieses Tatbestandserfordernisses sei aber erforderlich, daß ein staatlicher Übergriff in ein Freiheitsgrundrecht vorliege. Nicht ausreichend sei hingegen die bloße Verletzung einer Leistungspflicht, denn hierbei gehe es um die Einräumung einer erfolglos angestrebten, aber noch nicht innegehabten Rechtsstellung.95 Weiterhin sei eine Einbeziehung der rechtswidrigen Leistungsverweigerung in den Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs auch im Hinblick auf die Rechtsfolgenseite nicht zu befürworten. Der Folgenbeseitigungsanspruch sei nur auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch den hoheitlichen Eingriff veränderten Zustands gerichtet.96 Bei Ausdehnung des Haftungsinstituts auf die zu Unrecht erfolgte Forderungsverletzung werde jedoch die Herstellung einer hypothetischen Lage zugesprochen,97 die vor dem schädigenden Ereignis so gar nicht bestanden habe. Denn vor dem staatlichen Fehlverhalten habe der Bürger lediglich die Aussicht auf eine Vergünstigung besessen. Mithin würde bei Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die rechtswidrige Vorenthaltung einer Vergünstigung eine diesem Rechtsinstitut wesensmäßig verschiedene Rechtsfolge gewährt.98 Deshalb heranzieht, vgl. hierzu Nachweis in Fußn. 68; hingegen offenlassend Schimpf\ Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 339. Zu ergänzen ist, daß auch in bezug auf § 3 StHG 1981 in der amtl. Begr. zum E-StHG angenommen worden ist, daß die bloße Nichterfüllung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs in der Regel nicht dem Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs unterfällt, vgl. BT-Drucks. 8/2079, S. 44; vgl. außerdem Schäfer/ Bonk,, StHG, § 3 Rdnr. 10. 94

Gemeint ist in diesem Zusammenhang der Folgenbeseitigungsanspruch i.w.S., da ein Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch in der hier interessierenden Fallkonstellation ohnehin ausscheidet. Denn auch wenn die Versagung einer Leistung in Gestalt eines Verwaltungsakts erfolgt, so ist dies kein Verwaltungsakt, der i.S. des § 113 Abs. 1 S. 2, 3 VwGO vollziehbar oder zumindest in sonstiger Weise erfüllbar ist, vgl. hierzu Bachof\ Vornahmeklage, S. 98; Papier, DÖV 1972, 845 (847); Rösslein, FBA, S. 85 f.; Rüfner, DVB1. 1967, 186 (188); dersBB 1968, 881 (884); Weyreuther, Gutachten, S. Β 51, 76. 95 BVerwG, DÖV 1968, 419 (422); VGH Mannheim, JZ 1984, 999; Bieback, DVB1. 1983, 159 (164); W. Martens, Rechtsschutz, S. 9; Schenke, in: Festschrift für Mühl, S. 571 (575); Schleeh, AöR 92 (1967), 58 (95). 96 BVerwG, BayVBl. 1987, 541 1. Sp. Mitte; BVerwG, DVB1. 1979, 852 (854 f.); BVerwG, DÖV 1968, 419 (421); BVerwG, DVB1. 1963, 677 (678); BVerwG, BayVBl. 1962, 183; BayVBl. 1960, 88 (89); OVG Koblenz, DVB1. 1964, 773; OVG Lüneburg, ZBR 1981, 91 (92); W. Martens, Rechtsschutz, S. 9; Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 II f, S. 478; s. auch Wallerath, AllgVerwR, S. 365; anders ders., DÖV 1987, 505 (511 ff., insbes. 513); vgl. ferner bezüglich § 3 StHG 1981: Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 10. 97 Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 265; Bieback, DVB1. 1983, 159 (164); Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79; Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 II f, S. 479; s.a. W. Martens, Rechtsschutz, S. 9; Ossenbühl, StHR, S. 199, Rüfner, in: Wannagat, SGB-AT, § 14 Rdnr. 11. 98 BVerwG, DÖV 1968, 419 (422), gegen OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206; Bettermann, Sitzungsberichte, S. L 67.

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

könne der über die Wiederherstellung hinausgehende Erfolg, insbesondere auch das Begehren auf Ausgleich für Schäden, die durch unrichtiges Verwaltungshandeln verursacht worden sind, mittels des Folgenbeseitigungsanspruchs mangels gesetzlicher Vorschriften nicht durchgesetzt werden." Zudem müsse beachtet werden, daß auch kein Rechtsschutzbedürfnis für das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs in dieser Fallkonstellation bestehe. Denn der primäre Erfüllungsanspruch bestehe auch nach dem rechtswidrigen Leistungs versagen unverändert fort. 100 Dieser könne im Wege einer Verpflichtungsklage oder allgemeinen Leistungsklage gerichtlich verfolgt werden. Nicht gegeben sei indessen ein aus der rechtswidrigen Ablehnung der Erfüllung folgender Reaktionsanspruch.101 Aus diesen Gründen scheide das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs im Falle der rechtswidrigen Leistungsversagung aus.

bbb) These 2: Einbeziehung der rechtswidrigen Leistungsverweigerung in den Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs Es erhebt sich indessen die Frage, ob angesichts der Bedeutung und des Stellenwertes der gewährenden Verwaltung im heutigen Rechtsleben die Ausdehnung des Geltungsbereichs des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die widerrechtliche Leistungsverweigerung geboten erscheint. So wird teilweise in der Rechtsprechung102 und im Schrifttum 103 mit Rücksicht auf die Bedeu-

99 So BVerwG, BayVBl. 1987, 541 1. Sp. Mitte; BVerwG, DVB1. 1979, 852 (854 f.); BVerwG, DÖV 1968, 419 (421); BVerwG, BayVBl. 1962, 183; BayVBl. 1960, 88 (89); OVG Lüneburg, ZBR 1982, 91 (92). 100 Papier, DÖV 1972, 845 f.; Rösslein, FBA, S. 85 f.; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (41); Weyreuther, Gutachten, S. Β 95 f.; s. außerdem Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 265. 101

Nachweise wie vor. Vgl. weiterhin W. Schmidt, JuS 1969, 166 (167).

102

So im Bereich des Beamtenrechts: OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207); im Prüfungsrecht: OVG Hamburg, VerwRspr. 9 Nr. 137, S. 635 (637). Unklar ist, ob das Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 69, 366 (367, 371), indem es ausgeführt hat, ein behördliches Unterlassen könne zum Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs führen, auch die Fälle der rechtswidrigen Leistungsversagung im Auge hatte, vgl. hierzu bereits vorstehend unter Β II 2, S. 153 ff. mit Nachweis in Fußn. 70. 103 Bachof, Rspr. des BVerwG II, Nr. 378, S. 358 (359 f.); a.A. Wolff /Bachof, VerwR I, § 54 II f, S. 479; Böß, Vergleich, S. 63 ff.; Hof/mann, Sitzungsberichte, S. L 62 f.; anders ders.y DVB1. 1967, 667 (668 f.); Maaß, VR 1985, 71 (73); vgl. auch ders.y BayVBl. 1987, 520 (524 ff., insbes. 525 f.); Menger, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 347 (351, 354, 359); Tietgen, in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT, S. 325 (345 ff.); ders., DVB1. 1963, 513 (514 f.); Wallerath, DÖV 1987, 505 (511 ff., insbes. 513); anders ders.y AllgVerwR, S. 365; vgl. weiterhin Baumeister y FBA, S. 98 ff., 131 ff. de lege ferenda; aus rechtspolitischer Sicht befürwortend: Luhmanny Entschädigung, S. 100, 112 ff.; ders.y Sitzungsberichte, S. L 49 (Vorschlag für ein StHG); offengelassen von Pietzner/

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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tung, welche die Daseinsvorsorge im modernen Staat hat, die Anwendung des Folgenbeseitigungsanspruchs im hier relevanten Problembereich befürwortet. Ausdrücklich wird der Folgenbeseitigungsanspruch als „ein echter Ausgangspunkt für ein System der Leistungsstörungen in der Leistungsverwaltung"104 bewertet. Die gegenteilige Auffassung sei lediglich als das Ergebnis einer unbegründeten »Angst vor Ausdehnungen und Überschneidungen"105 anzusehen. Vor dem Hintergrund des Stellenwertes der Leistungsverwaltung im sozialen Rechtsstaat sei es vielmehr angemessen - wenn überhaupt - im Hinblick auf mögliche Sanktionen eher das Handeln als das Unterlassen von Verwaltungsmaßnahmen zu begünstigen.106 Die Einbeziehung von Anspruchsverletzungen in den Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs sei mithin im Interesse eines umfassenden und sachgerechten Rechtsschutzes für den Bürger erforderlich. 107 Sie entspreche des weiteren der Tatsache, daß auch ansonsten im Rechtsschutzsystem oftmals staatliches Tun und Unterlassen gleichbehandelt würden, 108 was exemplarisch in der Regelung des § 42 Abs. 1, 2 VwGO zum Ausdruck komme. Für den Betroffenen mache es nämlich keinen Unterschied, ob eine Rechtsbeeinträchtigung durch Handeln oder Unterlassen eingetreten sei. 109 In bezug auf beide Handlungsformen der Verwaltung sei eine Identität der Interessenlage festzustellen, da in beiden Fällen ein Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger mit verbindlicher Wirkung geregelt werde. 110 Indem dem Betroffenen die von ihm berechtigterweise beanspruchte Rechtsposition verwehrt werde, erfolge gleichermaßen wie im klassischen Eingriffsfall eine Verletzung seiner Rechtsstellung, da auch eine rechtmäßig angestrebte Vergünstigung bereits in die Rechtssphäre des Anspruchstellers eingegliedert sei.111

Ronellenfitsch, Öffentliches Recht, § 9 Rdnr. 31, im Rahmen der beamtenrechtlichen Konkurrentenklage, mit Bezug auf OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206; s. auch Franke, VerwArch 57 (1966), 357 (373 ff.), für den seiner Ansicht nach neben den Folgenbeseitigungsanspruch tretenden Folgenentschädigungsanspruch. 104 So Κ . Redeker, DVB1. 1963, 509 (510 r. Sp. oben), der den Folgenbeseitigungsanspruch als geeignete Anspruchsgrundlage anerkennt, um Zinsansprüche gegen die öffentliche Hand geltend zu machen, welche als Folge verspäteter Erfüllung der vom Bürger beantragten Leistungen entstanden sind. 105

Luhmann, Entschädigung, S. 100.

106

Luhmann, Entschädigung, S. 113 f.

107

Vgl. Baumeister, FBA, S. 98; Luhmann, Entschädigung, S. 100; s. auch Franke, VerwArch 57 (1966), 357 (374 f.), für den Folgenentschädigungsanspruch. 108

Luhmann, Entschädigung, S. 100.

109

OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207); Luhmann, Entschädigung, S. 100.

110

So OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207 r. Sp. unten).

1,1

Luhmann, Entschädigung, S. 113. Vgl. weiterhin Böß, Vergleich, S. 66; Baumeister, FBA, S. 134 ff.

1

Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

Zum Teil wird einschränkend geltend gemacht, daß dies zumindest dann gelten müsse, wenn die begehrte und staatlicherseits geschuldete Leistung letztlich auf einem Freiheitsgrundrecht basiere, wie dies z.B. im Fall der Anordnung einer vorgeschalteten Präventivkontrolle vor Grundrechtsausübungen gegeben sei. 112 Würde beispielsweise der Erlaß einer Gewerbeerlaubnis, welche Ausfluß der Berufszulassungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG ist, rechtswidrig versagt, so käme demnach ein Folgenbeseitigungsanspruch auf Ausgleich der hierdurch eingetretenen Nachteile in Betracht. Demgegenüber wird von anderer Seite darüber hinausgehend auch im Hinblick auf die rechtswidrige Vorenthaltung von Ansprüchen, die nicht grundrechtlich verankert sind, z.B. Auskunftsrechten wie auch allgemeinen Ansprüchen zur sachgerechten Verfahrensdurchführung, das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs befürwortet. 113 Folgerichtig könnte im Wege dieses Rechtsinstituts vor allem die Behebung der finanziellen Einbußen gefordert werden, die als Resultat einer unterbliebenen behördlichen Beratung entstanden seien.114 Auch diese Ansprüche würden die gleiche Existenzschwäche und Labilität wie die grundrechtlichen Abwehrrechte aufweisen, woraus die gleiche Regelungsbedürftigkeit im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs folge. 115 Die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs im Falle der Forderungsnichterfüllung sei überdies auch mit seiner Rechtsfolge vereinbar. Da der Folgenbeseitigungsanspruch anerkanntermaßen auf die Wiederherstellung des Status quo ante gerichtet sei, müsse die Behörde den Bürger mittels dieser Haftungsnorm eben in den vor Beginn ihres rechtswidrigen Verhaltens bestehenden Zustand zurückversetzen. Damit müsse sie die Anspruchserfüllung - regelmäßig im Wege des Verwaltungsakts - nachholen, welche sie zu Unrecht zunächst abgelehnt habe.116

112 Vgl. Baumeister, FBA, S. 134 ff.; Dodenhoff, Sitzungsberichte, S. L 115 f.; offengelassen von Bachof\ Rspr. des BVerwG II, Nr. 378, S. 359 f., sowie W u Schmidt, JuS 1969, 166 (167). 113

Wallerath,

DÖV 1987, 505 (512 f.).

114

Damit werden in den Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs auch diejenigen Fallkonstellationen einbezogen, welche nach herkömmlichem Verständnis im Rahmen des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Bedeutung haben, vgl. Wallerath, DÖV 1987, 505 (511 ff.). S. hierzu die Darstellung in der Einleitung C, S. 48 ff. 115

So Wallerath, DÖV 1987, 505 (512 r. Sp. unten); insoweit übereinstimmend Papier, DÖV 1972, 845 (850 1. Sp.). 116

Vgl. OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

ccc) Stellungnahme (1) Grundsätzliche

Erwägungen

Die Frage, ob eine unterlassene Leistungsverweigerung vom Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt wird, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Um ein objektives und nachvollziehbares Ergebnis zu erzielen, soll die Auslegung trotz der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Folgenbeseitigungsanspruchs weitestgehend - neben einigen ergänzenden Ausführungen - im Wege der juristischen Methodenlehre erfolgen.

(a) Grammatikalische Auslegung Zunächst spricht die Wortlautauslegung für die Ausgrenzung staatlicher Versagungsakte aus dem Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs. Während der Begriff „Folgenbeseitigung" beinhaltet, daß ein geschehenes Unrecht wieder behoben werden soll, und damit die Abwehr einer Verletzungshandlung zum Regelungsgegenstand hat, handelt es sich bei der Anspruchsverweigerung um die Nichterfüllung einer Leistungspflicht des öffentlichen Rechts. Das wesensbestimmende Charakteristikum der Folgenbeseitigungsnorm ist damit die Wiederherstellung eines vor dem Eingriff gegebenen Zustands, wohingegen die Forderungsnichterfüllung auf die erstmalige Herstellung einer neuen Lage gerichtet ist.

(b) Historische Auslegung Ist bereits die Begriffsbestimmung des Folgenbeseitigungsanspruchs gegen die Einbeziehung der rechtswidrigen Leistungsversagung in den Geltungsrahmen dieses Rechtsinstituts anzuführen, so wird dieses Ergebnis durch die Entstehungsgeschichte des Folgenbeseitigungsanspruchs bestätigt. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Obdachloseneinweisungen in der Nachkriegszeit ist der Folgenbeseitigungsanspruch als ein Rechtsinstitut geschaffen worden, um eine bis dahin vorliegende Rechtsschutzlücke zu schließen. Diese bestand seinerzeit in dem Fehlen einer Anspruchsnorm, mit deren Hilfe das Begehren auf Rückgängigmachung der faktischen Folgen der ordnungsbehördlichen Einweisungsverfügung nach dem zeitlichen Ablauf bzw. der Aufhebung des Bescheides durchgesetzt werden konnte.117 117

Vgl. hierzu die Darstellung in der Einleitung B, S. 43 ff. mit den Nachweisen ebd., Fußn. 8. S. weiterhin die Nachweise in Fußn. 66. Zum Ausdruck kommt diese Problematik der selbständigen Rechtsbeeinträchtigung durch die tatsächlichen Vollzugsfolgen neben

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Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

Demnach ist das Haftungsinstitut als Reaktion auf die staatlicherseits vorgenommene Rechtsbeeinträchtigung des Bürgers, d.h. als Antwort auf den erfolgten Entzug bzw. die Verschlechterung der bereits innegehabten Rechtsstellung entwickelt worden. Historisch betrachtet stellt der Folgenbeseitigungsanspruch folglich ein Verteidigungsinstrument gegen staatliche Übergriffe in die vorhandene Rechtssphäre dar, nicht jedoch eine Anspruchsgrundlage, die auf Erweiterung der Rechtsstellung hin konzipiert ist.

(c) Systematische Auslegung Darüber hinaus stehen auch systematische Bedenken der Einbeziehung der unberechtigten Leistungsverweigerung in den Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs entgegen. Neben den vorgenannten, aus der Begriffsbestimmung und der Entstehungsgeschichte des Anspruchs selbst folgenden Gründen, die für ein restriktives Verständnis dieses Haftungsinstituts sprechen, sind im Hinblick auf das Rechtsschutzsystem insgesamt zwei weitere Gesichtspunkte für die Ausklammerung der rechtswidrigen Leistungsversagung aus dem Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs anzuführen. Der erste Einwand gegen die Geltung des Beseitigungsanspruchs bei Forderungsverletzungen resultiert aus dem Vorrang des Primärrechtsschutzes bei Fortbestehen des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs. Wird ein Antrag des Betroffenen auf eine Vergünstigung unberechtigterweise abgelehnt oder nicht beschieden, so bleibt der primäre Erfüllungsanspruch des Bürgers zweifelsfrei bestehen.118 Gem. den Grundsätzen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes hat der Antragsteller nunmehr die Möglichkeit, aber auch die Obliegenheit, zur Durchsetzung seiner Forderung eine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO oder eine allgemeine Leistungsklage, vgl. §§ 43 Abs. 2, 111, 113 Abs. 3, 169 Abs. 2, 170 VwGO, zu erheben. Entsprechend dem allgemein anerkannten Prinzip des Vorrangs des Primärrechtsschutzes, welches namentlich durch den Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts119 und durch die diesem nachfolgenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs 120 bestätigt worden ist, wird vom Rechtssuchenden erwartet, daß er die ihm vorrangig zur Verfügung stehenden sachnächsten prozessualen Möglichkeiten ausschöpft. In diesem Zeitpunkt des Leistungsbegehrens besteht folglich schon wegen der vorrangig eingreifenden Rechtsschutzderjenigen durch den Verwaltungsakt in der prozessualen Regelung des § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO, in der ausdrücklich zwischen der Belastung durch den Verwaltungsakt und derjenigen, welche durch dessen reale Umsetzung eintritt, unterschieden wird. 118

Vgl. die Nachweise in Fußn. 100.

119

S. die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 152.

120

Vgl. die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 153.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

17

formen bei Fortbestehen des primären Erfüllungsanspruchs kein rechtlich legitimes Bedürfnis für die Geltendmachung eines Folgenbeseitigungsanspruchs.121 Das zweite systematische Bedenken kommt zum Tragen, wenn der Bürger wegen der inzwischen eingetretenen Unanfechtbarkeit des ursprünglich ablehnenden Bescheides seinen primären Erfüllungsanspruch nicht mehr durchsetzen kann. Im Bereich der staatlichen Einwirkungsakte ist insoweit einmütig anerkannt, daß die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts zum Untergang des Folgenbeseitigungsanspruchs führt. 122 Mit Rücksicht darauf, daß der vorgenannte Grundsatz dem allgemein gültigen Rechtsgedanken der Rechtssicherheit und endgültigen Klärung von Streitfragen entspringt, muß diese Überlegung auch im Regelungsbereich der gewährenden Verwaltung, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Gebots der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG, Gültigkeit besitzen.123 Dies hat zur Konsequenz, daß beispielsweise in dem erwähnten Fall der zu Unrecht nicht zur Beamtin auf Probe ernannten Anspruchstellerin schon wegen der inzwischen eingetretenen Unanfechtbarkeit der Einstellungsverfügung als Beamtin auf Widerruf, eine spätere Folgenbeseitigung nicht mehr in Betracht kommen konnte.124 Anderenfalls - bei Anerkennung eines Folgenbeseitigungsanspruchs - liefen die Rechtsvorschriften über die Verpflichtungsklage, vor allem die Regelungen über das Widerspruchsverfahren, §§68 ff. VwGO, die Klagefrist, § 74 VwGO, sowie die ggf. zu gewährende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 60 VwGO, im Ergebnis leer. 125 Das Nichteingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs stellt auch keine für den Bürger unzumutbare Rechtsschutzverkürzung dar, da ihm die prozessualen Möglichkeiten der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens mit u.U. anschließender Klageerhebung offengestanden haben. Die Versäumnis dieser Rechtsschutzmöglichkeiten führt, außer bei Vorliegen der Wiedereinsetzungsgründe, zum Verlust des

121 Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 265; W. Martens, Rechtsschutz, S. 9; Papier, DÖV 1972, 845 (845 f., 850); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (41); vgl. auch Eyermann/ F röhler, VwGO, § 80 Rdnr. 54; W. Schmidt, JuS 1969, 166 (167); Weyreuther, Gutachten, S. Β 51, 95 f. 122 BVerwG, BayVBl. 1987, 541 r. Sp. Mitte; Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 15; Obermayer, JuS 1963, 110 (114); Ossenbühl, StHR, S. 203; W. Schmidt, JuS 1969, 166 (167); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (52) m.w.N.in Fußn. 319. S. weiterhin die Darstellung unter Β IV 2, S. 312 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 637. 123

BVerwG, DÖV 1968, 419 (421 f.); Papier, DÖV 1972, 845 (846); s. auch Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (40); vgl. weiterhin W. Schmidt, JuS 1969, 166 (167). 124

So BVerwG, DÖV 1968, 419 (421 f.).

125

Papier, DÖV 1972, 845 (846); vgl. auch W. Schmidt, JuS 1969, 166 (167).

1

Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

Erfüllungsanspruchs und damit auch konsequenterweise zum Wegfall der Rechtsbeeinträchtigung.126 Sofern für bestimmte Rechtsbereiche trotz Vorliegens einer bestandskräftigen ablehnenden Verwaltungsentscheidung das Recht des Betroffenen anerkannt ist, erneut einen Antrag auf Erteilung der Vergünstigung zu stellen, ohne daß insoweit der behördliche Einwand der Unanfechtbarkeit durchgreift, ändert dies nichts an dem vorstehenden Ergebnis.127 So hat das Bundesverwaltungsgericht beispielsweise im Bereich des Baugenehmigungsverfahrens mit Rücksicht auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG entschieden, daß hier die Bestandskraft des ablehnenden Bescheides nicht in das nachfolgend initiierte Verwaltungsverfahren hineinwirke. 128 Angesichts der Tatsache, daß dem Anspruchsteller hier wiederum die Möglichkeit der Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs offensteht, scheidet ein rechtliches Bedürfnis für die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs aus. Damit bestätigen diese den Gesamtzusammenhang des Rechtsschutzsystems berücksichtigenden Aspekte, das bereits im Hinblick auf die Begriffsbestimmung und die Entstehungsgeschichte des Folgenbeseitigungsanspruchs gewonnene Ergebnis, daß eine Anwendung des Rechtsinstituts im Regelungsbereich der Forderungsnichterfüllung grundsätzlich ausgeschlossen ist.

126

Ebenso Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 265; Papier, DÖV 1972, 845 (850).

127

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Bedeutung der Bestandskraft für einen erneuten Antrag auf Sachbescheidung in Abhängigkeit von dem betroffenen Rechtsgebiet und der Ausgestaltung des konkreten Verwaltungsverfahrens unterschiedlich zu beurteilen, vgl. BVerwGE 48, 271 (279); 19, 153 (154). So kann es als eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme der Behörde zu qualifizieren sein, wenn der Antragsteller, nachdem bereits eine ablehnende bestandskräftige Verwaltungsentscheidung ergangen ist, einen wiederholten Antrag auf Sachbescheidung stellt, ohne daß irgendwelche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß eine Änderung der Sach- und/oder Rechtslage eingetreten ist, die eine erneute Sachprüfung notwendig machen könnte, siehe hierzu VGH München, BayVBl. 1989, 312 (313); Kopp, VwVfG, § 22 Rdnr. 31. Regelmäßig steht es dann im Ermessen der Behörde, ob sie die angestrebte erneute Sachprüfung unter Hinweis auf die Unanfechtbarkeit der Entscheidung ablehnt, so BVerwGE 19, 153 (155). 128 BVerwGE 48, 271 (274 ff.); OVG Lüneburg, NVwZ 1985, 431; VGH München, BayVBl. 1989, 312 (313). Demgegenüber wird das Sachbescheidungsinteresse des Bauherrn dann verneint, wenn die Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren rechtskräftig verneint worden ist, und Umstände, die für eine veränderte Sach- und/oder Rechtslage sprechen könnten, nicht gegeben sind. Da im Unterschied zum Verwaltungsverfahren, in dem insbes. Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte eine wesentliche Rolle spielen würden, durch das Gericht eine umfassende Prüfung der Rechtslage in einem förmlichen Verfahren vorgenommen werde, entfalte hier das verwaltungsgerichtliche Urteil hinsichtlich der Rechtmäßigkeitsfrage eine Bindungswirkung auch für das anschließende Verwaltungsverfahren, vgl. Nachweise wie vor.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

17

(d) Teleologische Auslegung Weiterhin wäre eine Einbeziehung der rechtswidrigen Leistungsversagung in den Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs mit Sinn und Zweck der Folgenbeseitigungsnorm nicht zu vereinbaren. So steht der Rechtscharakter des Folgenbeseitigungsanspruchs als Reaktions- und Restitutionsanspruch129 seiner Anwendung auf die Fallgestaltung der Forderungsnichterfüllung entgegen. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist dadurch gekennzeichnet, daß er ergänzend zu den Rechtsschutzformen der Anfechtungs-, allgemeinen Leistungs- und Fortsetzungsfeststellungsklage eingreift, um einen ansonsten nicht behebbaren Schadenseintritt zu beseitigen. Der maßgebliche Haftungsgrund dieses Haftungsinstituts liegt somit in der Bestanderhaltungsfunktion hinsichtlich einer vom Betroffenen bereits innegehabten absoluten Rechtsposition. Bestätigung findet diese Charakterisierung des Folgenbeseitigungsanspruchs durch die als Konkretisierungsmaßstab heranzuziehende Vorschrift des § 1004 BGB. 1 3 0 Deren ratio legis liegt anerkanntermaßen in dem Schutz der vom Regelungsbereich dieser Vorschrift erfaßten absoluten Rechte vor rechtswidrigen Übergriffen in ihre Substanz.131 Haftungsrelevanter Auslöser für das Eingreifen des § 1004 BGB ist mithin die Nichtrespektierung der durch die Rechtsnorm gewährleisteten Schutzgüter.132 Ein Unterlassen des Störers ist dabei nur dann als maßgebliches Eingriffsverhalten i.S. des § 1004 BGB zu klassifizieren, wenn die Untätigkeit zu einer Rechtsschutzverkürzung geführt hat. 133 Infolgedessen kommt § 1004 BGB der Rechtscharakter eines Reaktions-, nicht jedoch eines Erfüllungsanspruchs zu. 134 Der Zweck dieser Bestimmung liegt gerade nicht darin, dem Bürger eine Erweiterung seiner Rechtssphäre zu ermöglichen.135 Darüber hinaus widerspricht die dogmatische Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus den Freiheitsgrundrechten der Erstreckung des Normbe-

129

Hierzu Ossenbühl, StHR, S. 198; Wolff/

Bachof, VerwR I, § 54 I I a 1, S. 477.

130

Ebenso Bettermann, Sitzungsberichte, S. L 67; Papier, DÖV 1972, 845 (847 f.); ders., in Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79. 131

Erman/Hefermehl,

BGB, § 1004 Rdnr. 1.

132

Vgl. hierzu Erman/Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnrn. 1, 6; Soergel/Mühl, BGB, § 1004 Rdnrn. 3 f. S. ferner die Anwendungsbeispiele bei Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 2 a aa-dd. 133

Vgl. Palandt/Bassenge,

134

So Bettermann, Sitzungsberichte, S. L 67.

135

Vgl. Nachweis wie vor.

BGB, § 1004 Anm. 2 a dd i.V.m. Anm. 1 a.

1

Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

reichs auf die unberechtigte Anspruchs Verletzung.136 Wie dargelegt137 besteht der Legitimationsgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs in den Freiheitsgrundrechten in ihrer Eigenschaft als Abwehrrechte und damit einhergehender Gewährleistung des status negativus. Im Rahmen der rechtswidrigen Forderungsnichterfüllung ist demgegenüber ein Regelungsbereich betroffen, in dem ein staatliches Handeln erst initiiert und entfaltet werden soll. Beide Handlungsformen - die staatliche aktive Einwirkung in die geschützten Rechtspositionen des Einzelnen und die hoheitliche Leistungsversagung sind somit im Hinblick auf den Regelungsgegenstand durch eine jeweils vollständig konträre Interessenlage gekennzeichnet.138 Dementsprechend ist damit auf der Grundrechtsebene im Falle der rechtswidrigen Forderungsverletzung vorrangig nicht die Abwehrfunktion der Grundrechte, sondern deren Aufgabe als Leistungs- und Teilhabeansprüche betroffen. Dies verdeutlicht, daß infolge der rechtlichen Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus der Ausschlußwirkung bzw. Abwehrfunktion der Grundrechte eine tatbestandliche Einbeziehung der widerrechtlichen Anspruchsverletzung mit der verfassungsrechtlichen Wurzel des Rechtsinstituts nicht in Einklang gebracht werden kann. Dieses Resultat kann auch nicht angesichts der zugegebenermaßen großen Bedeutung, welche der Daseinsvorsorge im heutigen Rechtsalltag zukommt, eine Änderung erfahren. 139 Nach derzeitigem Grundrechtsverständnis kommt auch im modernen Sozial- und Leistungsstaat den Grundrechten nur in Ausnahmefällen der Charakter von Leistungs- und Teilhaberechten zu. 140 Mithin führt eine am Sinn und Zweck der Folgenbeseitigungsnorm orientierte Auslegung unter Einbeziehung ihrer dogmatischen Herkunft zu dem Ergebnis, daß eine Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die rechtswidrige Forderungsnichterfüllung grundsätzlich ausgeschlossen ist.

136

Grundlegend Weyreuther, Gutachten, S. Β 93 ff.; weiterhin Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 34 I Rdnrn. 58, 62; ders., in Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79; Schenke, DVB1. 1990, 328 (332); ders., JuS 1990, 370 (372); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (41). 137

Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 D II 6, S. 107 ff., und in Kapitel 1 D III 3, S. 134 f.

138

So grundlegend Weyreuther, Gutachten, S. Β 95 f., 79; vgl. auch Bettermann, Sitzungsberichte, S. L 67, im Hinblick auf § 1004 BGB. 139 140

Ebenso Weyreuther,

Gutachten, S. Β 94.

Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 C I 1, S. 76 f., sowie die Nachweise ebd., Fußn. 112 und 113.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

17

(2) Mögliche Ausnahme: Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die Fälle rechtswidriger Leistungsversagung bei grundrechtlich gewährten Anspruchspositionen Fraglich ist jedoch, ob von dem gerade gewonnenen prinzipiellen Ergebnis der Nichtgeltung des Folgenbeseitigungsanspruchs in dem Fall der unberechtigten Forderungsnichterfüllung dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn sich die Leistungsverweigerung auf eine bereits von Verfassungs wegen anerkannte Anspruchsposition des Bürgers bezieht.141 Zur Verdeutlichung sei auf die Sachverhalte hingewiesen, in denen dem Bürger eine Baugenehmigung oder eine Gewerbezulassung rechtswidrig vorenthalten wird. Sowohl die Bauais auch die Gewerbefreiheit sind anerkanntermaßen von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG bzw. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG generell gewährleistet, wobei die konkrete Ausübungsberechtigung jedoch von der im Einzelfall von den Verwaltungsbehörden zu treffenden Feststellung abhängig ist, daß die öffentlichrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden (sog. präventives Verbot mit Erlaubnis vorbehält). Bereits im Rahmen der Erörterung des Tatbestandsmerkmals der geschützten Rechtsposition wurde darauf hingewiesen, daß im Schrifttum in diesem Zusammenhang festgestellt wird, daß die Kontrollerlaubnis lediglich die allgemeine Handlungsfreiheit wiederherstellen würde, indem sie das anerkenne, was dem Bürger ohnehin verfassungsrechtlich zustehe.142 Mithin stellt sich die Frage, ob mit Rücksicht auf die grundrechtliche Verbürgung der Bau- bzw. Gewerbefreiheit die rechtswidrige Versagung des begehrten verwaltungsrechtlichen Rechtsakts in Gestalt der Baugenehmigung oder auch der Gewerbeerlaubnis einem aktiven Eingriffsverhalten i.S. des Entzugs bzw. der Verletzung einer bereits innegehabten Rechtsstellung gleichzustellen ist. Vor dem Hintergrund der vorgenannten grundsätzlichen Überlegungen zur Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs im Falle der rechtswidrigen Leistungsvorenthaltung ist diese Frage, insbesondere unter Herausstellung eines Aspektes, indes zu verneinen. So ist gegen die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs im hier interessierenden Problembereich geltend zu machen, daß ungeachtet der generellen verfassungsrechtlichen Anerkennung der betroffenen Freiheiten, vor allem der Bau- und Gewerbefreiheit, der Betroffene eine Ausübungsberechtigung für das konkret geplante Vorhaben anstrebt. Indem sein Begehren auf Aufhebung der gesetzlich angeordneten Schranken im konkreten Fall gerich-

141

Vgl. die Nachweise in Fußn. 112.

142

S. die Ausführungen unter Β I 1, S. 147 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 54.

1

Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

tet ist, macht er eine auf das individuelle Vorhaben bezogene, in die Zukunft gerichtete Rechtskreiserweiterung geltend. Insoweit läßt sich die generelle verfassungsrechtliche Garantie der Freiheit mit einem Stammrecht vergleichen, wobei die konkrete Ausübungsberechtigung dieser Freiheit in concreto einer Legitimation und damit eines formell rechtskreiserweiternden Rechtsakts bedarf. Gerade die Fälle einer Rechtskreiserweiterung, und seien es auch nur die einer formalen Ausdehnung der vorhandenen Rechtssphäre, werden aber nicht vom Folgenbeseitigungsanspruch erfaßt. Dies folgt aus seinem Rechtscharakter und seinem Schutzzweck. Der wesensbestimmende Geltungsgrund dieses Rechtsinstituts besteht darin, den dem Bürger bereits zustehenden Besitzstand gegen rechtswidrige staatliche Übergriffe zu verteidigen. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist hingegen nicht auf eine Ausdehnung des Gestaltungsspielraums des Einzelnen für die Zukunft ausgerichtet. Auch wenn die generelle verfassungsrechtliche Absicherung der genannten Freiheiten gegeben ist, vermag diese grundgesetzliche Verankerung nichts an der Tatsache zu ändern, daß der Betroffene auf der Ebene des Verwaltungsrechts zur Durchsetzung seines konkreten Vorhabens eines begünstigenden Verwaltungsakts bedarf. Aufgrund dieser auf das Erfordernis einer konkreten Ausübungsberechtigung abstellenden Betrachtungsweise ist folglich auch für den Fall der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der beschriebenen Freiheiten bei rechtswidriger Leistungsversagung kein relevanter Eingriffsakt i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs gegeben.143

(3) Annex: Leistungsrechte als nicht schutzfähige i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs

relative

Rechte

Zur Vervollständigung des vorstehend dargestellten Ergebnisses sei auf ein weiteres Argument gegen die Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die Fälle der unberechtigten Leistungsverweigerung hingewiesen, das sich auf das Tatbestandsmerkmal der geschützten Rechtsposition bezieht. Gegen die Einbeziehung der rechtswidrigen Anspruchsversagung in den Regelungsbereich der Folgenbeseitigung wird, wie schon erwähnt, insbesondere vom Bundesverwaltungsgericht eingewandt, daß im Wege der Folgenbeseitigung nur die Behebung des durch den staatlichen Eingriff in eine bereits vorhandene Rechtsstellung veränderten fortdauernden Zustands verlangt werden könne. Soweit der Betroffene lediglich die Einräumung einer solchen

143

I.E. ebenso Weyreuther, Gutachten, S. Β 93 f. mit Fußn. 381, in seiner Kritik an Bachof Rspr. des BVerwG II, Nr. 378, S. 358 (359 f.).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

17

Rechtsposition begehre, liege noch keine Rechtsstellung vor, weshalb der Folgenbeseitigungsanspruch nicht eingreifen könne.144 Diese im Begründungsweg zwar unzutreffende, hingegen im Ergebnis zustimmungswürdige Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts weist auf einen weiteren Gesichtspunkt hin, welcher in tatbestandlicher Hinsicht der Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs bei der rechtswidrigen Leistungsversagung entgegensteht. Kritikwürdig erscheint diese Auffassung im Hinblick auf die pauschale Verneinung des Bestehens einer Rechtsposition. Denn es darf nicht außer acht gelassen werden, daß auch demjenigen, der rechtmäßigerweise eine Leistung beanspruchen kann, eine Rechtsmacht i.S. einer Anspruchsposition zusteht.145 Zweifelhaft ist mithin nicht die Existenz einer Rechtsposition als solcher, sondern die Schutzwürdigkeit dieser Rechtsstellung im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs. Hinsichtlich dieser Frage ist dann allerdings wegen der Verankerung des Haftungsinstituts in der Ausschlußfunktion der Grundrechte und der inhaltlichen Anlehnung an § 1004 BGB festzustellen, daß, wie bereits erörtert, Voraussetzung für sein Entstehen die Beeinträchtigung eines absoluten Rechts i.S. eines Beherrschungsrechts ist. 146 Demgegenüber stehen bei der rechtswidrigen Leistungsversagung Forderungsrechte in Rede, welche die Befugnis vermitteln, ein bestimmtes Tun verlangen zu können. Infolge dieses eingeschränkten Regelungsinhalts der Leistungsrechte erscheint ihre Gleichstellung mit den relativen Rechten sachgerecht.147 Aus dem gleichen Grunde vermag auch die zum Teil geltend gemachte vergleichbare Existenzschwäche der Anspruchspositionen und der grundrechtlichen Unterlassungsansprüche148 das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs in der hier interessierenden Fallgestaltung nicht zu rechtfertigen. Damit stellen die Leistungsansprüche zwar eine bestimmte Kategorie von Rechtspositionen dar, welche indessen angesichts ihres nur relativen Charakters nicht vom Schutzbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs umfaßt werden. 149

144

Vgl. die Darstellung unter Β II 2, S. 164 ff. mit Nachweisen in Fußn. 95.

145

Vgl. Weyreuther,

146

S. die Ausführungen unter Β I 1, S. 138 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 7.

Gutachten, S. Β 77 f.

147

Ebenso Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 34 I Rdnr. 62; ders., in Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79; vgl. auch Bieback, DVB1. 1983, 159 (164). 148

Vgl. die Darstellung unter Β II 2, S. 166 ff. mit Nachweisen in Fußn. 115.

149

I.E. ebenso Bieback, DVB1. 1983, 159 (164); Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 34 I Rdnr. 62; ders., in Müko, BGB, § 839 Rdnr. 79; vgl. Weyreuther, Gutachten, S. Β 93 f. 12 Pietzko

1

Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs ddd) Zwischenergebnis

Somit ist festzuhalten, daß das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs im Falle der rechtswidrigen Leistungsversagung im Hinblick auf zwei Anspruchsvoraussetzungen ausgeschlossen ist: So liegen infolge des relativen Rechtsgehalts der Leistungsrechte keine vom Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßten Schutzgüter vor. Weiterhin stellt die unberechtigte Forderungsnichterfüllung kein für das Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs maßgebliches Eingriffsverhalten dar.

bb) Verspätete

Gewährung der begehrten Leistungsposition seitens der Verwaltung

Neben der vollständigen Leistungsversagung durch die staatlichen Stellen sind die Fälle zu erwähnen, in denen die Behörde die angemessene zügige Entscheidung über das Forderungsbegehren zunächst unterläßt, jedoch nachfolgend die geltend gemachte Vergünstigung zuspricht.150 In konsequenter Fortführung des gerade dargestellten Ergebnisses können infolge der Späterfüllung eingetretene Rechtsnachteile, beispielsweise Verzugszinsen, wegen ihres Zusammenhangs mit der Verfolgung einer Leistungsposition nicht Gegenstand des Folgenbeseitigungsanspruchs sein.151 Dies ergibt sich überdies aus dem Umstand, daß die verzögerte Leistungsgewährung im Vergleich zu der zuvor behandelten gänzlichen Forderungsnichterfüllung den qualitativ geringfügigeren Unterlassungstatbestand darstellt. Ist somit schon bei vollständiger Leistungsversagung das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs abzulehnen, so muß dies erst recht für das weniger gewichtige Unrechtsverhalten der verspäteten Forderungserfüllung gelten.

150 151

Vgl. hierzu Papier, DÖV 1972, 845 (850 f.).

I.E. ebenfalls BVerwGE 14, 1 (2 f.); Papier, DÖV 1972, 845 (850 f.), mit der Begründung, daß der Folgenbeseitigungsanspruch nur auf die Beseitigung der Störung selbst gerichtet sei, nicht jedoch die Ausräumung der weiteren Folgen der Störung beinhalte. Gleichfalls ablehnend Bachof,\ Rspr. des BVerwG II, Nr. 378, S. 358 (360), in bezug auf einen Zinsanspruch, da es sich hierbei weder um eine unmittelbare Eingriffsfolge handele noch eine Folgenbehebung durch hoheitliche Maßnahmen in Rede stehe. A.A. hingegen K. Redeker, DVB1. 1963, 509 (510 f.).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

17

cc) Sonderfall: Die rechtswidrige Leistungsversagung bei anschließender Änderung der Sach- und/oder Rechtslage Möglicherweise muß dieser Grundsatz der Ausgrenzung der unberechtigten Forderungsverweigerung aus dem Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs jedoch dann modifiziert werden, wenn nach der zu Unrecht erfolgten Leistungsvorenthaltung der primäre Erfüllungsanspruch des Bürgers als Folge einer Änderung der Sach- und /oder Rechtslage erloschen ist. Als weiteres Charakteristikum der Fallkonstellation erfolgt dies zu einem Zeitpunkt, in dem noch keine Unanfechtbarkeit des ablehnenden Bescheides eingetreten ist, d.h. regelmäßig während des vom Betroffenen initiierten Rechtsmittelverfahrens. In der Praxis spielen hier beispielsweise im Bereich des Baurechts die Fälle eine Rolle, bei denen eine Baugenehmigung ungerechtfertigterweise versagt worden ist, und nach neuem Recht nicht mehr erteilt werden darf. 152 Im Berufszulassungs- 153 bzw. Berufsausbildungs- 154 und Prüfiingsrecht 155 haben in diesem Zusammenhang Fallgestaltungen Bedeutung erlangt, bei denen nach der rechtswidrigen Verweigerung der Berufszulassung oder der widerrechtlich abgelehnten Zulassung zu einem Praktikum bzw. zu einer Prüfung die Zulassungs- und Prüfungsbedingungen verschärft worden sind. Dies hat zur Folge, daß aufgrund der aktuellen Rechtslage die Berufszulassung bzw. die Zulassung zu dem Praktikum bzw. zu der Prüfung nicht mehr erteilt werden kann. Weiterhin sei aus dem Beamtenrecht der Fall genannt, daß die hessische Landesregierung im Hinblick auf neue Gesetzesvorschriften ihre bis dahin ausgeübte Bewertungspraxis der beamtenrechtlichen Dienstposten aufgibt und die dieser zugrundeliegenden vorläufigen Verwaltungsrichtlinien aufhebt. Als Folge der Neugestaltung kann ein in der Vergangenheit unrechtmäßigerweise abgelehnter Antrag auf eine bestimmte Dienstpostenbewertung nicht mehr zugesprochen werden. 156

152

Vgl. die Entscheidungen BVerwG, DVB1. 1981, 401 ff.; BVerwG, DVB1. 1962, 178 ff.; BVerwG, BBauBl. 1963, 605 ff.; OVG Lüneburg, OVGE 18, 501 ff.; OVG Lüneburg, BBauBl. 1963, 78 if.; OVG Lüneburg, DVB1. 1962, 63 ff. Vgl. auch BVerwG, NJW 1962, 507 f. (baurechtliche Nachbarklage). 153 Vgl. die Entscheidungen BVerwG, DVB1. 1961, 447 ff.; DVB1. 1960, 778 f.; DVB1. 1959, 775 ff.; BVerwGE 4, 81 ff.; BSGE 5, 238 ff.; BGHZ 37, 179 ff. S. ferner BVerwGE 1, 291 ff. (Anspruch auf Zuteilung von Wohnraum). 154

VGH Mannheim, JZ 1984, 999.

155

S. OVG Hamburg, VerwRspr. 9, Nr. 137, S. 635 ff.; VGH München, DVB1. 1981,

1158 f. 156

Vgl. BVerwGE 36, 192 ff.; s. weiterhin BVerwGE 41, 253 ff.

10

Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs aaa) Problemstellung

Die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs könnte in dieser Sonderkonstellation deshalb erforderlich sein, da hier drei Abweichungen von der zuvor dargestellten grundsätzlichen Fallgestaltung vorliegen. (1) Diese bestehen einerseits darin, daß nunmehr anders als zuvor infolge des Erlöschens des ursprünglich bestehenden primären Leistungsanspruchs ein rechtliches Bedürfnis für das Eingreifen eines „Sekundäranspruchs" erwächst, weshalb der Frage nach dem Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs besondere Relevanz zukommt.157 (2) Andererseits ist zu bedenken, daß vorliegend die Gefahr einer Umgehung der speziellen Vorschriften über die Verpflichtungsklage, insbesondere hinsichtlich des Widerspruchsverfahrens und bezüglich der Rechtsmittelfristen, nicht eingreift. 158 (3) Ferner läßt der Umstand, daß hier den Bürger an der Nichtrealisierung des Forderungsrechts keinerlei rechtlicher Vorwurf oder Nachlässigkeit trifft, da er das notwendige Rechtsmittelverfahren eingeleitet hat, zu der Überlegung der möglichen Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs für diese Fälle kommen. Schließlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß außerhalb des Geltungsrahmens des Folgenbeseitigungsanspruchs Rechtsschutz nur in geringem Umfang eröffnet ist. 159 So könnte zwar Rechtsschutz über die Regelungen der Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gesucht werden. Dies wird indes wegen des dort geltenden materiell-rechtlichen Verschuldenserfordernisses und der inhaltlichen Begrenzung des Anspruchs auf eine Geldleistung160 häufig nicht zum gewünschten Erfolg führen. Daneben wäre noch an das Eingreifen des enteignungsgleichen Eingriffs zu denken. Auch dieser Anspruch wird jedoch, selbst wenn man dieses Rechtsinstitut im Falle der Anspruchsverletzung für anwendbar hält, 161 die volle Reichweite der hier inter157

Ebenso Papier, DÖV 1972, 845 f., 851; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (41).

158

Papier, DÖV 1972, 845 (846).

159

Nachweis wie vor.

160 So die ganz überwiegende Ansicht, grundlegend: BGHZ (GSZ) 34, 99 (104 ff.); Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 51 IV, S. 546. S. außerdem die Nachweise in Kapitel 3, Fußn. 57.

161 Differenzierend der Bundesgerichtshof, wonach bei einem schlichten Unterlassen der Tatbestand des enteignungsgleichen Eingriffs ausscheide, wohingegen der enteignungsgleiche Eingriff dann eingreife, wenn ein qualifiziertes Unterlassen vorliege, d.h., wenn die Behörde ein rechtlich gebotenes Handeln entweder förmlich verweigere oder faktisch vorenthalte; s. hierzu exemplarisch BGH, NJW 1988, 478 (481); BGH, VersR 1986, 372 (374); BGH, NJW 1980, 387 f. Kritisch zu dieser Differenzierung: Ossenbühl, StHR,

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

essierenden Fallgestaltungen nicht erfassen. Denn sein Tatbestand ist nur bei Verletzung des Eigentums oder einer Vermögenswerten Rechtsposition erfüllt 1 6 2 und ist überdies auf eine Geldentschädigung gerichtet. 163 Diese Defizite im Rechtsschutz für den Bürger erklären angesichts der umfassenden Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 G G das Bemühen, den Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs auch auf diese Sachverhalte zu erstrecken.

bbb) Meinungsstand Die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs in dieser Fallkonstellation wird lebhaft diskutiert.

(1) Die befürwortende

Auffassung

In der Rechtsprechung 164 und teilweise im Schrifttum 165 wird befürwortet, den Bürger bei derartigen Fallgestaltungen über den Folgenbeseitigungsanspruch so zu stellen, als sei die ursprüngliche, ihm günstige Rechtslage noch in Kraft.

S. 158 f., der vielmehr im Rahmen des Enteignungsrechts das Unterlassen dann einem Eingriff gleichstellt, wenn dem Hoheitsträger eine Rechtspflicht zum Handeln gegenüber dem Betroffenen obliegt; s. auch Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 105 ff., insbes. Rdnr. 109; eher zurückhaltend im Hinblick auf dieses Kriterium Maurer, AllgVerwR, § 26 Rdnr. 47. 162

Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 64; Maurer, AllgVerwR, § 26 Rdnr. 45; Ossenbühl, StHR, S. 153; Rüfner, in: Erichsen /Martens, AllgVerwR, § 52 III 1, S. 577. 163 Ossenbühl, StHR, S. 150, 161 f., 207 f.; Rüfner, in: Erichsen/Martens, § 52 III 2, S. 583-585 i.V.m. § 52 II 3, S. 567-571.

AllgVerwR,

164 Im Beamtenrecht: OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207 f.); im Bereich des Prüfungsrechts: OVG Hamburg, VerwRspr. 9, Nr. 137, S. 635 (637 f.); für das Baurecht: OVG Lüneburg, OVGE 18, 501 (506 ff.). Im Ergebnis ebenfalls im Berufszulassungsrecht, allerdings ohne Bezugnahme auf den Folgenbeseitigungsanspruch: BVerwG, DVB1. 1961, 447; DVB1. 1960, 778 f.; DVB1. 1959, 775 (776 f.); BSGE 5, 238 (241 f.); BGHZ 37, 179 (181); BVerwGE 4, 81 (87 ff.); vgl. außerdem BVerwGE 1, 291 (295 ff.) - Anspruch auf Zuteilung von Wohnraum; vgl. im Unterschied hierzu BVerwGE 29, 304 (305 f.). 165 Grundlegend im Beamtenrecht: Tietgen, in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT, S. 325 (345 ff.); Maaß, BayVBl. 1987, 520 (525 f. mit Fußn. 52), für das Berufsausbildungsrecht; ders., VR 1985, 71 (73); Wilhelm, BayVBl. 1964, 350 (352 ff.), der allerdings einschränkend geltend macht, daß die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs in dieser Fallkonstellation dann abzulehnen sei, wenn höchstrangige Verfassungsgüter, der Grundsatz von Treu und Glauben, die Lehre von der clausula rebus sie stantibus oder das Prinzip des „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" entgegenstehen, vgl. Wilhelm, a.a.O., S. 354; s. ferner Ole, VerwProzR, S. 303, der in diesen Fällen entweder eine Beeinträchtigung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG - vgl.

1

Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

Begründet wird die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs in diesem Problembereich zunächst damit, daß nur so eine effektive Verwaltungskontrolle sichergestellt sei. Bei Nichteingreifen eines Sekundäranspruchs bestünde die Gefahr, daß die Verwaltungsbehörden in Erwartung der bevorstehenden, zuungunsten des Bürgers sich auswirkenden Rechtsänderung, schon im Vorfeld dieser Neugestaltung der Rechtslage noch berechtigte Forderungen des Bürgers vereiteln könnten.166 Dies würde im Ergebnis zu einer unzulässigen Rückwirkung der neuen ungünstigen Rechtsnorm167 bzw. zu einer zu Unrecht erfolgenden Vorwirkung von Rechtsvorschriften führen. 168 Des weiteren sei zwar bei Beachtung der Kollisionsregel „lex posterior derogat priori" die eingetretene Rechtsverschlechterung zu respektieren. Dies würde jedoch unter der Voraussetzung stehen, daß zwischen dem Folgenbeseitigungsanspruch und der Rechtsänderung eine Gleichrangigkeit bestehen würde. Das sei indes gerade nicht festzustellen, da der Folgenbeseitigungsanspruch seine Rechtsgrundlage im Bundesverfassungsrecht habe und damit regelmäßig über dem rechtsändernden Akt stehe.169 Zudem wird zur Rechtfertigung des Eingreifens des Folgenbeseitigungsanspruchs die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Berufszulassungsrecht herangezogen, die aus rechtsstaatlichen Erwägungen in prozessualer Hinsicht auf die ursprüngliche Rechtslage abstellt. Denn der Anspruchsteller wäre bei ordnungsgemäßer Verwaltungshandhabung bereits im Besitz der angestrebten Rechtsstellung. Deshalb wird in Abweichung von dem prozeßrechtlichen Grundsatz, wonach in Verpflichtungsstreitsachen die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erheblich ist, hier als maßgeblich der Zeitpunkt der Klageerhebung bzw. der ablehnenden Verwaltungsentscheidung angesehen.170 hierzu auch ders., DVB1. 1963, 475 (480 ff.) - oder einen Folgenbeseitigungsanspruch für gegeben hält. Im Ergebnis ebenfalls für das Baurecht, jedoch ohne Hinweis auf den Folgenbeseitigungsanspruch: Heise, DÖV 1972, 271 ff., der einschränkend betont, daß die Anwendung der ursprünglichen Rechtslage allerdings nur dann zulässig sei, „soweit dies möglich und mit den öffentlichen Belangen vereinbar (sei)", so Heise, a.a.O., S. 273, bezugnehmend auf OVG Lüneburg, DVB1. 1962, 63 (65). 166 So Maaß, VR 1985, 71 (73); Wilhelm, BayVBl. 1964, 350 (352 f.); vgl. auch OVG Hamburg, VerwRspr. 9, Nr. 137, S. 635 (637). 167

Vgl. die Darstellung bei Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 3, S. 605, mit Nachweisen in Fußn. 75; ders., DVB1. 1967, 186 (188), mit Nachweisen in Fußn. 30. 168

Maaß, BayVBl. 1987, 520 (526 in Fußn. 53); ders., VR 1985, 71 (73).

169

So Maaß, BayVBl. 1987, 520 (526 1. Sp.).

170

OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207 f.), unter Bezugnahme auf BVerwG, DVB1. 1961, 447; DVB1. 1959, 775 (776 f.); DVB1. 1960, 778 f.; weiterhin mit Hinweis auf BGHZ 37, 179 (181), sowie im Rahmen des Baurechts bezugnehmend auf OVG Lüneburg, DVB1. 1962, 63 (65); OVG Lüneburg, OVGE 18, 501 (506 ff.); OVG Lüneburg, BBauBl. 1963, 78 (79 f.). Demgegenüber hat es das Bundesverwaltungsgericht selbst abgelehnt, die

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

13

Speziell für den Regelungsbereich des Beamtenrechts wird darüber hinaus geltend gemacht, daß die heutige Stellung des Beamtentums in der Berufswelt eine Zubilligung des Folgenbeseitigungsanspruchs bei rechtswidrig verweigerter beamtenrechtlicher Ernennung bzw. Beförderung erfordere. 171 Denn die Ämtervergabe diene nicht nur den Gemeinwohlinteressen, sondern geschehe auch, um anerkannten Interessen des Bewerbers Rechnung zu tra-

(2) Die ablehnende Ansicht I m Unterschied zu der zuvor genannten Ansicht hält ein Teil der Rechtsprechung 173 und der Rechtslehre 174 auch im Falle der nachträglichen Veränderung der Sach- und/oder Rechtslage nach der zu Unrecht erfolgten Leistungsversagung den Folgenbeseitigungsanspruch für unanwendbar.

im Berufszulassungsrecht vertretene Ansicht für das Baurecht zu übernehmen, da hier die Baugenehmigung - anders als die Berufszulassung, welche konstitutiv wirke - nur deklaratorischen Charakter besitze und bei Rechtsänderungen zurückgenommen werden könne, so BVerwG, DVB1. 1962, 178 (179 1. Sp.). Kritisch gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht, Weyreuther, DVB1. 1964, 894 ff.; diesem zustimmend Rüfner, DVB1. 1967, 186 (188 in Fußn. 31). 171

So Tietgen, in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT, S. 325 (347).

172

Tietgen, in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT, S. 325 (349 ff.).

173

VGH Mannheim, JZ 1984, 999; ebenfalls im Ergebnis das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs ablehnend: VGH München, DVB1. 1981, 1158 (1159); vgl. außerdem VG Würzburg, NVwZ 1983, 239 (241). Vgl. weiterhin für das Baurecht, BVerwG, DVB1. 1962, 178 (179), jedoch ohne ausdrückliche Erwähnung des Folgenbeseitigungsanspruchs. 174 Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 264-267; Kopp, VwGO, § 113 Rdnrn. 74, 99; Ossenbühl, StHR, S. 199 f.; Weyreuther, Gutachten, S. Β 96 f., 116 f.; Rüfner, in Erichsen/ Martens, AllgVerwR, § 53 V 3, S. 605 f. (für das Baurecht); vgl. auch ders., BB 1968, 881 (884 f.), die vielmehr insoweit den Gesichtspunkt der Folgenbeseitigungslast heranziehen möchten. Rüfner, BB 1968, 881 (884 f.), weist zusätzlich darauf hin, daß „zwischen der Erfüllung des alten Anspruchs und der neuen Entscheidung nach Ermessen" unterschieden werden müsse. Im Einzelfall sei durch Auslegung der neuen Rechtsbestimmungen sowie Beachtung der Grundsätze über die Zulässigkeit der Rückwirkung zu ermitteln, ob der ursprüngliche Erfüllungsanspruch noch bestehe; s. dazu weiterhin ders., DVB1. 1967, 186 (188 f.). Vgl. auch Rösslein, FBA, S. 86 f., der die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs, den er ausschließlich i.S. des Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruchs auffaßt, verneint, wobei er offenläßt, ob aufgrund anderer Lösungswege - Auslegung des jeweiligen Gesetzes, Anwendung des § 162 BGB analog, im Wege einer „allgemeinen Restitutionsnorm" nach Menger, in: Anwendung des Rechtsstaatsprinzips oder des Gleichheitssatzes - die Behörde verpflichtet werden kann, den Bürger so zu stellen, wie wenn sein Leistungsbegehren rechtmäßig beschieden worden wäre. Ebenfalls die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs verneinend: Menger/Erichsen, VerwArch 60 (1969), 171 (176); Papier, DÖV 1972, 845 (850); Weyreuther, DVB1. 1964, 894 (901); einschränkend auch Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (41 f.); hingegen offenlassend Bender, DÖV 1968, 156 (163).

1

Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

Zur Begründung dieses Standpunktes werden die schon angeführten grundsätzlichen Erwägungen genannt, daß der Folgenbeseitigungsanspruch ausschließlich bei Verletzung einer schon zuvor bestehenden Rechtsstellung eingreifen könne175 und nur auf die Wiederherstellung des Status quo ante gerichtet sei. 176 Überdies sei zu berücksichtigen, daß der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Behebung des rechtswidrigen störenden Zustands selbst abziele. Mit dem Untergang des primären Leistungsanspruchs als Konsequenz der Änderung der tatsächlichen und/oder rechtlichen Umstände finde indes die in der Erfüllungsverweigerung liegende Rechtsbeeinträchtigung ihr Ende.177 Der notwendige Rechtsschutz könne insoweit nur nach Maßgabe der Vorschriften über die Amtspflichtverletzung realisiert werden. 178 Darüber hinaus scheitere das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs auch daran, daß das Haftungsinstitut die anspruchsbegrenzende Voraussetzung aufweise, derzufolge die Folgenbeseitigung sowohl tatsächlich wie rechtlich möglich sein müsse. Beide Anforderungen seien aber bei einer Neugestaltung der Sach- und /oder Rechtslage nicht mehr erfüllt, wenn aufgrund der veränderten tatsächlichen Gegebenheiten bzw. nach neuem Recht die Forderungserfüllung ausgeschlos• 179

sen sei. ccc) Stellungnahme Obgleich vor dem Hintergrund der besonderen Regelungsbedürfnisse in dieser Sonderkonstellation der Ruf nach Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes für den Bürger durchaus verständlich erscheint, ist gleichwohl auch hier die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs als Sekundäranspruch für den infolge der geänderten Sach- und/oder Rechtslage untergegangenen primären Leistungsanspruch abzulehnen.

175 176

VGH Mannheim, JZ 1984, 999. VGH Mannheim, JZ 1984, 999; vgl. weiterhin VG Würzburg, NVwZ 1983, 239

(241). 177

Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 265; Papier, DÖV 1972, 845 (850).

178

So Papier, DÖV 1972, 845 (850).

179

So VGH München, DVB1. 1981, 1158 (1159); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 265 i.V.m. Rdnr. 224; Ossenbühl, StHR, S. 200.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs (1) Kritik

an der Argumentation der beßrwortenden

1

Ansicht

Die Argumente derjenigen Auffassung, welche die Heranziehung des Folgenbeseitigungsanspruchs dann bejahen will, wenn sich der rechtswidrig verweigerte Leistungsanspruch infolge einer Änderung der Tatsachen- und /oder Rechtslage nicht mehr durchsetzen läßt, vermögen nicht zu überzeugen.

(a) Unzulässige Heranziehung der Grundsätze über die maßgebliche Sach- und Rechtslage bei der Verpflichtungsklage Verfehlt erscheint es zur Rechtfertigung der Heranziehung des Beseitigungsanspruchs in dieser Fallkonstellation auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hinsichtlich der für die Sachentscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei der Verpflichtungsklage abzustellen.180 Denn die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Berufszulassungsrecht läßt sich nicht auf den Folgenbeseitigungsanspruch übertragen und zu dessen Auslegung heranziehen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die angeführte Festlegung des für die verwaltungsgerichtliche Verpflichtungsklage maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes im Berufszulassungsrecht ein prozeßrechtliches oder materiell-rechtliches Problem darstellt.181 Das Ziel dieser Rechtsprechung besteht unabhängig von der dogmatischen Einordnung in der abstrakten Bestimmung der anwendbaren Sach- und Rechtslage. Demgegenüber steht bei der Überlegung, ob die unrechtmäßige Forderungsverweigerung ausnahmsweise vom Regelungsgehalt des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt wird, die konkrete Bestimmung des Normgehalts des staatshaftungsrechtlichen Instituts zur Diskussion. Beide Problembereiche lassen sich nicht miteinander vergleichen.182

180 Ebenfalls i.E. ablehnend: F. Czermak, BayVBl. 1965, 13 f.; Papier, DÖV 1972, 845 (848); Rösslein, FBA, S. 86; Ule, DVB1. 1963, 475 (481 1. Sp. Mitte), spricht von einer „prozeßrechtlichen Verhüllung"; Weyreuther, Gutachten, S.B 118 ff.; weiterhin kritisch Heise, DÖV 1972, 271 ff. Demgegenüber offenlassend: Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (41 f. in Fußn. 239), der von einem „denkbaren rechtssystematischen Zusammenhang zwischen der Folgenbeseitigung und dem fur die Beurteilung der Sach- und/oder Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt" ausgeht. 181

Für die Charakterisierung als prozeßrechtliches Problem: Ule, VerwProzR, S. 303; Weyreuther, Gutachten, S.B 119; den Klageantrag heranziehend: Ey ermann / F röhler, VwGO, § 113 Rdnrn. 1 f. Demgegenüber die „Zeitpunktfrage" als materiell-rechtliches Problem einordnend insbesondere das Bundesverwaltungsgericht in jüngster Zeit, vgl. BVerwG, NVwZ 1983, 222; BVerwGE 66, 178 (182), wobei jeweils auf die Klageart abgestellt wird. Kritisch bezüglich der materiell-rechtlichen Qualifizierung Kopp, in: Festschrift für Menger, S. 693 (696); ausführlich zu dieser Fragestellung: Kopp, a.a.O., S. 693 ff. 182

I.E. ähnlich Weyreuther,

Gutachten, S. Β 119 mit Fußn. 496, der insoweit die fehlen-

1

Kap. : De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

Hinzu kommt, daß die zitierte Rechtsprechung der Feststellung des im Rahmen der Verpflichtungsklage anzuwendenden Rechts dient. Im Gegensatz hierzu geht es vorliegend um die Fragestellung, ob die neu geschaffene Rechtslage über die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs umgangen bzw. durchbrochen werden kann. Bei der Bestimmung des anzuwendenden Rechts und der Durchbrechung geltenden Rechts durch ein Rechtsinstitut handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Fragestellungen, die wertungsmäßig nicht identisch sind und deshalb auch eine abweichende Beurteilung erfordern. Aufgrund dessen muß die Bestimmung des Normgehalts des Folgenbeseitigungsanspruchs für die vorliegende Sachverhaltskonstellation eigenständig, d.h. aus der Basis der rechtlichen Verankerung sowie der ratio legis des Folgenbeseitigungsanspruchs heraus beantwortet werden. Bestätigung findet diese Kritik an der Heranziehung der genannten Rechtsprechung durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.10. 1967, 183 in dem das oberste Verwaltungsgericht selbst der Bezugnahme auf seine Entscheidungen zum Berufszulassungsrecht zur Rechtfertigung der Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs in der hier interessierenden Fallgestaltung ausdrücklich widersprochen hat. So hat der zweite Senat in jenem Urteil darauf hingewiesen, daß in beiden Entscheidungen lediglich eine Stellungnahme hinsichtlich der Frage nach der entscheidungserheblichen Rechtslage vorgenommen worden sei. Darüber hinaus habe der Erörterungsgegenstand in der Untersuchung der Fragestellung bestanden, ob den neuen gesetzlichen Regelungen eine Überleitungsregelung i.S. einer Besitzstandsklausel dahingehend entnommen werden könne, die angestrebte Berufszulassung nach Maßgabe des vorher geltenden Rechts zuzusprechen bzw. ob diese Vorgehensweise aufgrund des allgemeinen Gebots der Rechtsstaatlichkeit geboten sei.184 Die vorgenannten Äußerungen des Bundesverwaltungsgerichts verdeutlichen, daß die teilweise als Argumentationshilfe in Bezug genommene Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs keine Aussagen gemacht hat und deshalb in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben muß. Demnach stellt die Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Berufszulassungsrecht einen unzulässigen Lösungsansatz dar, der zur Vermischung zweier völlig verschiedener Regelungsbereiche führt, und damit eine nicht akzeptable Problemverlagerung beinhaltet. de Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Recht kritisiert; anders in der Begründung hingegen Rösslein, FBA, S. 86, welcher hierin die fehlende Trennung von materiellem und formellem Recht rügt. 183

BVerwG, DÖV 1968, 418 (422 1. Sp. Mitte).

184

Vgl. Nachweis wie vor.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

(b) Keine verfassungsrechtliche Vorrangstellung des Folgenbeseitigungsanspruchs Nicht zu überzeugen vermag des weiteren die angeführte Argumentation, wonach aus der Unanwendbarkeit des „lex posterior-Grundsatzes" mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlichen Vorrang des Folgenbeseitigungsanspruchs auf das Eingreifen des Anspruchs im hier maßgeblichen Problembereich zu schließen ist. Dieser Begründungsversuch ist bereits grundsätzlichen dogmatischen Bedenken ausgesetzt. So kann dem „lex posterior-Grundsatz" als Kollisionsrecht selbst keine Aussage über den Geltungsbereich einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage entnommen werden. Dieser Grundsatz hat vielmehr seinerseits gerade erst zur Voraussetzung, daß infolge des Eingreifens zweier oder mehrerer Rechtsnormen eine Konkurrenzsituation entsteht, in der sich die Frage nach dem Anwendungsvorrang der Rechtsvorschriften stellt. Die Regel kann somit ihrem Bedeutungsgehalt nach nicht die Frage nach dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs beantworten. Um genau diese Fragestellung geht es aber bei dem Problem, ob der Folgenbeseitigungsanspruch in der vorliegenden Sonderkonstellation zur Anwendung gelangen kann. Doch selbst wenn man einmal unterstellt, daß die rechtswidrige Leistungsversagung in concreto als Eingriffsakt i.S. der Folgenbeseitigungsnorm zu qualifizieren ist und sich damit die Frage der vorrangigen Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs bzw. der neuen Rechtslage stellt, bestehen gegen die dargestellte Argumentation Bedenken. Die Einwände resultieren dabei aus der fehlenden Differenzierung zwischen der dogmatischen Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf der einen Seite und der Einordnung des Rechtsinstituts in das hierarchische Normensystem (sog. Normenpyramide) auf der anderen Seite. So kann mit dem Hinweis auf die bundesverfassungsrechtliche Legitimationsgrundlage nicht zwangsläufig auf den bundesverfassungsrechtlichen Normcharakter des Folgenbeseitigungsanspruchs selbst geschlossen werden. Bei dem Folgenbeseitigungsanspruch handelt es sich vielmehr um ein staatshaftungsrechtliches Rechtsinstitut i.w.S., das als allgemeiner verwaltungsrechtlicher Grundsatz auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts steht.185 Der so begründete „Mischcharakter" des Folgenbeseitigungsanspruchs kommt beispielsweise darin zum Ausdruck, daß er dann entfällt, wenn auf-

185

S. hierzu VGH München, BayVBl. 1984, 272 (274); Bender, VB1BW 1985, 201.

1

.

De

t s n d des Folgenbeseitigungsanspruchs

grund einer einfachgesetzlichen Regelung eine Duldungspflicht hinsichtlich der angegriffenen Beeinträchtigung besteht. Insofern erfährt das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit durch anderweitig bestehende Rechtsnormen eine Konkretisierung. 186 Folglich kommt dem Folgenbeseitigungsanspruch im Verhältnis zu den einfachgesetzlichen Rechtsnormen keine verfassungsrechtliche Vorrangstellung zu. Der Grundsatz „lex posterior derogat priori" findet deshalb uneingeschränkt Anwendung und ist auch in bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch zu respektieren. Dies folgt darüber hinaus noch aus einem weiteren Gesichtspunkt. Geht man von seiner Anwendbarkeit im Regelungsbereich der rechtswidrigen Forderungsnichterfüllung mit nachfolgend eingetretener Änderung der Sach- oder Rechtslage aus, so käme dem Folgenbeseitigungsanspruch konsequenterweise der Charakter eines Sekundäranspruchs an Stelle des erloschenen primären Leistungsrechts zu. 187 Bei letzterem handelt es sich indessen regelmäßig um ein einfachgesetzliches Forderungsrecht. Demgemäß erscheint es auch im Hinblick auf die grundsätzliche Anbindung des Folgenbeseitigungsanspruchs an den untergegangenen einfachgesetzlichen Leistungsanspruch sachgerecht, in bezug auf den „lex posterior-Grundsatz" von der Gleichrangigkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs und der neuen Gesetzeslage auszugehen.

(c) Fehlende Gefahr einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis Soweit für die Einbeziehung der Verletzung von Ansprüchen in den Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs geltend gemacht wird, daß sie zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Verwaltungshandhabung erforderlich sei, kann dem nicht zugestimmt werden. Hinter diesem Argument verbirgt sich die Furcht, die Verwaltung könne angesichts einer für den Bürger ungünstigen, unmittelbar bevorstehenden Gesetzesänderung die Bearbeitung der Leistungsansprüche nach der noch bestehenden Rechtslage bewußt verzögern, um den Anspruch des Bürgers dann nach der neuen Rechtslage ablehnen zu können. Sicherlich läßt sich angesichts „knapper Finanzmittel" eine solche behördliche Verzögerungstaktik nicht vollständig ausschließen. Die Wahrscheinlichkeit eines derartigen bewußten Fehlverhaltens der Behörde kann jedoch wegen der Gesetzesbindung der Exekutive (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 1 Abs. 3 GG) nicht prinzipiell unterstellt werden. Zudem darf die Möglichkeit einer im Einzelfall verfahrenswidrigen Entscheidung über berechtigte öffentlich-rechtliche Forderungen des Bürgers nicht zum Anlaß genommen werden, ein staatshaftungs-

186

Vgl. hierzu die Darstellung unter Β IV 2, S. 315 ff.

187

Vgl. Papier, DÖV 1972, 845 (848).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

189

rechtliches Institut dergestalt „zu Recht zu biegen", daß es schließlich auch diese Sachverhaltsgestaltungen erfaßt. Außerdem besteht bei solchen offensichtlichen Rechtsverstößen der Verwaltung in der Regel kein rechtliches Bedürfnis für das Eingreifen gerade des Folgenbeseitigungsanspruchs. Denn hier wird oftmals ohnehin ein schuldhaftes Verhalten der Behörde nachzuweisen sein, weshalb § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG regelmäßig eine ausreichende Anspruchsgrundlage bieten wird.

(d) Die Bedeutung des Berufsbeamtentums als nicht tragfähige Argumentation Auch der Hinweis auf die Bedeutung des Beamtentums in der heutigen Berufswelt vermag die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs speziell für den Bereich des Beamtenrechts nicht zu begründen. Selbst wenn nach heutigem Verständnis die beamtenrechtliche Ernennung bzw. Beförderung auch im Interesse des betroffenen Bewerbers vorgenommen wird, 188 vermag dieser Umstand nicht zu erklären, weshalb der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs im vorliegenden Problemzusammenhang eingreift. Auch hier erweist sich vielmehr, daß der spezifische Normbereich nur aus der dogmatischen Legitimationsgrundlage und dem Rechtscharakter des Folgenbeseitigungsanspruchs selbst ermittelt werden kann, will man nicht jedwede Konturierung dieses Rechtsinstituts aufgeben. 189

(2) Gründe für die Unanwendbarkeit

des Folgenbeseitigungsanspruchs

Zu prüfen bleibt, ob sich die Argumente derjenigen Ansicht, die den Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs auch nicht ausnahmsweise auf die vorliegende besondere Fallkonstellation ausdehnen will, als stichhaltig erweisen. Dies ist im Ergebnis zu bejahen.

188 Vgl. zur Bedeutung des Art. 33 Abs. 2 GG: BVerfGE 39, 334 (354); BVerwGE 61, 325 (330 f.); BVerwG, DVB1. 1984, 432; BVerwG, ZBR 1982, 85 (86); BAG, NVwZ 1984, 134 (135); Schenke, in: Festschrift für Mühl, S. 571 (576 ff.). 189

I.E. ebenso Schenke, in: Festschrift für Mühl, S. 571 (574 ff.).

190

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

(a) Bedenken gegen die Heranziehung des Folgenbeseitigungsanspruchs im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal des „geschützten Rechtsguts" So ergeben sich bereits aus dem Tatbestandserfordernis des geschützten Rechtsguts Einwände gegen die Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die vorliegende Sonderkonstellation. Wie bereits dargelegt, umfaßt der Schutzbereich des Haftungsinstituts nur absolute Rechte, jedoch keine Leistungsansprüche des Bürgers gegenüber dem Staat, da diese Forderungen lediglich relativen Charakter besitzen.190 Die vorliegende Fallkonstellation weist nun die Besonderheit auf, daß der ursprüngliche Primäranspruch auf Leistung nachträglich infolge der Änderung der Sach- und/oder Rechtslage erloschen ist. Der Folgenbeseitigungsanspruch soll in dieser Situation als Sekundäranspruch eine Art „Surrogatfunktion" übernehmen und denjenigen Zustand herstellen, der bei Fortgeltung der ehemaligen tatsächlichen bzw. rechtlichen Gegebenheiten hätte beansprucht werden können. Indes stellt diese Abweichung der Sonderkonstellation keinen rechtlich relevanten Unterschied zur grundsätzlichen Fallgestaltung dar. Denn auch in dieser modifizierten Form als Sekundäranspruch dient der Folgenbeseitigungsanspruch letztlich dazu, ein Leistungsbegehren zu realisieren, welches von seinem Schutzumfang an sich nicht erfaßt ist. Ein Anspruch, der jedoch bereits im Zeitpunkt seiner Existenz nicht Regelungsgegenstand des Folgenbeseitigungsanspruchs gewesen ist, kann ebenfalls nicht nach seiner Abschaffung aufgrund einer geänderten Sach- und/oder Rechtslage als Schutzgut anerkannt werden. Auch die Tatsache, daß damit im Ergebnis den Forderungsrechten im Verhältnis zu den Beherrschungsrechten ein geringerer Rechtsschutz zuerkannt wird, 191 rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Denn den Anspruchspositionen, welche erst das Recht auf einen zukünftigen Besitzstand verbürgen, ist eine gewisse Existenzschwäche immanent.192 Sie beruht insbesondere darauf, daß der Gesetzgeber grundsätzlich, außer es greift zugunsten des Bürgers ein besonderer Vertrauenstatbestand ein, berechtigt ist, diese Anspruchspositionen 190 Vgl. die Darstellung unter Β I 1, S. 137 ff. mit Nachweisen in Fußn. 7, Β I 2, S. 152, sowie Β II 2, S. 176 ff. mit Nachweisen in Fußn. 147 und 149. 191

So insbesondere die Kritik von Wallerath, DÖV 1987, 505 (512 f.); vgl. weiterhin Franke, Folgenentschädigungsanspruch, S. 69 f.; ders., VerwArch 57 (1966), 357 (374 f.), im Rahmen der Darstellung des Folgenentschädigungsanspruchs. 192

Weyreuther, Gutachten, S. Β 96; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (42), der zusätzlich darauf hinweist, der Grundsatz, daß bereits bestehende Rechtspositionen im Vergleich zu erst angestrebten einen umfassenderen Schutz erfahren, besitze in der Rechtsordnung allgemeine Geltung. Er verweist insoweit auf die Unterschiede zwischen § 80 Abs. 1 VwGO und § 123 VwGO, so Schoch, a.a.O., S. 42 in Fußn. 242.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

19

zu entziehen.193 Erst mit der in concreto erfolgten Zuerkennung der geltend gemachten Vergünstigungen tritt eine Art „Umkehr der Risikozuweisung" zu Lasten des Hoheitsträgers ein mit der Folge, daß ein nunmehr stattfindender Entzug bzw. eine Beeinträchtigung des dem Betroffenen zustehenden Besitzstands den Folgenbeseitigungsanspruch auslösen kann.

(b) Kein Folgenbeseitigungsanspruch contra legem Darüber hinaus steht die Einbindung des Folgenbeseitigungsanspruchs in das geltende Rechtsschutzsystem seiner Anwendbarkeit in der vorliegenden Fallgruppe entgegen. Anerkannt ist der Grundsatz, demzufolge bei Eingreifen mehrerer Rechtsnormen die spezielle die allgemeine Rechtsvorschrift verdrängt, „lex specialis derogat legi generali". 194 Selbst wenn man also von dem Entstehen des Anspruchs im Falle der rechtswidrigen Leistungsverweigerung ausginge, würde sodann die gerade angeführte Regel durchgreifen mit der Folge, daß der Folgenbeseitigungsanspruch als allgemeine staatshaftungsrechtliche Vorschrift die spezielle, neu geschaffene gesetzliche Regelung nicht einfach derogieren darf. Dies muß namentlich dann gelten, wenn der gesetzgeberische Wille gerade dahin geht, den ursprünglich bestehenden Anspruch abzuschaffen, und die Neuregelung die rechtliche Befugnis der Verwaltungsbehörde zum Handeln nach Maßgabe des früheren Rechts explizit ausschließt. Der Folgenbeseitigungsanspruch kann hier nicht den konkret geäußerten gesetzgeberischen Willen, gleichsam contra legem, ignorieren. 195 Etwas anders gelagert ist die in der Praxis wohl häufiger vorkommende Fallgestaltung, bei der das Gesetz keine eindeutig verneinende Regelung hinsichtlich der Berücksichtigung des ursprünglich verfochtenen Leistungsbegehrens trifft bzw. entsprechende Übergangsvorschriften diese Frage offenlassen. Aus den bereits genannten Gründen ist auch hier das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs abzulehnen. Die sachgerechte Beurteilung derartiger Fallgestaltungen ist stattdessen im Wege einer verfassungskonformen Bestimmung des Geltungsbereichs des neuen Gesetzes vorzunehmen.196 In 193

Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (42). Weyreuther, Gutachten, S. Β 96 f., weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß sich hier vorrangig die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit des entschädigungslosen Entzugs von Leistungsansprüchen stellt. 194

Vgl. hierzu Larenz, Methodenlehre, S. 256 f.

195

So Weyreuther, DVB1. 1964, 893 (901 r. Sp.); ders., Gutachten, S. Β 119 in Fußn. 495; ebenso Hoffmann , DVB1. 1967, 667 (668 r. Sp. unten). 196 Weyreuther, Gutachten, S. Β 120 ff.; Rösslein, FBA, S. 87; vgl. auch Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 99 i.V.m. Rdnr. 98.

192

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

deren Rahmen kann insbesondere die Berücksichtigung des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips197 bzw. des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 Abs. 1 GG 1 9 8 oder auch die entsprechende Heranziehung des Rechtsgrundsatzes der §§ 162, 242 BGB 1 9 9 geboten sein. Dabei ist vor dem Hintergrund der Grundsätze hinsichtlich der echten und unechten Rückwirkung von Gesetzen,200 vor allem bei grundrechtlich fundierten Rechtspositionen,auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Überleitungsvorschrift anzunehmen, daß im Zweifel „kraft ungeschriebenen Überleitungsrechts" das alte Recht fortwirkt, 201 soweit keine überwiegenden öffentlich-rechtlichen Interessen dem entgegenstehen. Sofern die Gesetzesinterpretation zu dem Ergebnis gelangt, demzufolge aufgrund des neuen Rechtszustands die ehemals gegebenen Rechtsansprüche untergegangen sind, jedoch weiterhin die Möglichkeit besteht, daß die Behörde im Rahmen der Anwendung des veränderten Rechts noch so entscheidet, wie sie nach altem Recht hätte handeln müssen, kann ggf. der erforderliche Rechtsschutz durch die sog. Folgenbeseitigungslast verwirklicht werden. Der Gesichtspunkt der Folgenbeseitigungslast ist von Weyreuther 202 entwickelt und nachfolgend in der Rechtsprechung203 und Rechtslehre204 überwiegend anerkannt worden. Nach dem Prinzip der Folgenbeseitigungslast ist beispielsweise innerhalb der Prüfung, ob auf der Grundlage des neuen Rechts ein baurechtlicher Dispens zu erteilen ist, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß die Verwaltung die Erfüllung des Leistungsbegehrens seinerzeit unberechtigterweise versagt hat. Die Anwendung der Folgenbeseitigungslast führt damit,

197

Vgl. BVerwG, DVB1. 1961, 447; DVB1. 1960, 778 (779); DVB1. 1959, 775 (776); BGHZ 37, 179 (181). 198 Vgl. Ule, VerwProzR, S. 303; ders., DVB1. 1963, 475 (480 ff.); kritisch insoweit Weyreuther, Gutachten, S. Β 121 in Fußn. 514; vgl. auch ders., DVB1. 1964, 893 (901). 199 S. hierzu OVG Lüneburg, DVB1. 1962, 63 (65); Rösslein, FBA, S. 87; Weyreuther, Gutachten, S. Β 129. 200 Vgl. hierzu beispielsweise BVerfGE 71, 1 (10 ff.); 63, 343 (353 ff.); 45, 142 (166 ff.); 43, 242 (286 ff.); 32, 1 (21 ff.); 31, 275 (284 ff.); 24, 220 (229 ff.); 18, 429 (436 ff.). 201 Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 99 i.V.m. Rdnr. 88; Rüfner, BB 1968, 881 (885); ders., DVB1. 1967, 186 (188). 202

Weyreuther,

Gutachten, S. Β 106 ff. (insbes. 118 ff.).

203

BVerwG, NJW 1968, 2350 (2351); OVG Lüneburg, BRS 38, Nr. 181, S. 400 (401); VG Köln, DVB1. 1980, 985. Offenlassend BVerwG, DÖV 1968, 419 (420), ohne ausdrückliche Bezeichnung als Folgenbeseitigungslast. 204

Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 267; W. Martens, Rechtsschutz, S. 9 f.; Ossenbühl, StHR, S. 200; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 3, S. 605 f.; ders., BB 1968, 881 (884 f.); Schenke, DVB1. 1990, 328 (332); Schnellenbach, BeamtenR, Rdnr. 35 in Fußn. 151; Wallerath, DÖV 1987, 505 (511); Weides, Verwaltungsverfahren, S. 113; i.E. ebenso, allerdings ohne ausdrückliche Nennung der Folgenbeseitigungslast Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 100 i.V.m. Rdnr. 74, der vielmehr insoweit von dem „Gesichtspunkt der »Folgenbeseitigung i.w.S.'" spricht; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 499.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

19

resultierend aus dem seinerzeitigen Fehlverhalten der staatlichen Stelle, zu einer Ermessensbindung und bei Vorliegen einer Ermessensreduzierung auf Null sogar zu einer Anspruchsgewährung.205 Insoweit bewirkt die Folgenbeseitigungslast eine Nachwirkung der ursprünglichen Rechtslage und vor allem des ehemaligen Verwaltungsunrechts. 206 Durch die Heranziehung der Grundsätze über die Folgenbeseitigungslast wird gewährleistet, daß der den Verwaltungsbehörden regelmäßig zustehende Ermessensspielraum aufgrund der neuen Gesetzeslage nicht durch die Zubilligung eines Sekundäranspruchs des Bürgers umgangen wird.

(c) Verstoß gegen den Charakter des Folgenbeseitigungsanspruchs als primärer Störungsbeseitigungsanspruch Die Tatsache, daß im Falle der geänderten Sach- und /oder Rechtslage nicht mehr der ursprünglich bestehende Leistungsanspruch geltend gemacht wird, sondern der Folgenbeseitigungsanspruch als Sekundäranspruch an Stelle des erloschenen Forderungsrechts eingreifen soll, führt zu einem weiteren Einwand gegen die Geltung der Anspruchsnorm im hier relevanten Problemzusammenhang. Wie in bezug auf die rechtliche Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs bereits dargestellt, beinhalten die Grundrechte ein einheitliches Abwehrrecht, das sich je nach dem Zeitpunkt der Rechtsverletzung als Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch darstellt.207 Daraus folgt, daß dem Folgenbeseitigungsanspruch, welcher die bereits eingetretene Rechtsbeeinträchtigung zum Angriffsziel hat, insofern der Charakter eines primären Beseitigungsanspruchs zukommt.208 Dieser aus der dogmatischen Wurzel resultierende Charakter des Folgenbeseitigungsanspruchs, bestätigt durch die gleicher205 BVerwG, NJW 1968, 2350 (2351); W. Martens, Rechtsschutz, S. 9 f.; Ossenbühl, StHR, S. 200; Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 3, S. 606. 206

So Weyreuther,

207

Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 D Π 6, S. 107 ff.

Gutachten, S. Β 122 f.

208 Vgl. Papier, DÖV 1972, 845 (850). S. weiterhin Detterbeck, JA 1991, 7 (12). Allerdings könnte man im Hinblick auf den staatshaftungsrechtlichen Rechtscharakter des Folgenbeseitigungsanspruchs auch daran denken, ihn als Sekundäranspruch zu qualifizieren. Hierdurch würde er von den Ansprüchen, die, wie das Anfechtungsrecht auf die unmittelbare Abwehr des staatlichen Eingriffsakts abzielen, abgegrenzt. Indessen wäre es mit Hilfe dieser Einordnung nicht möglich, den Folgenbeseitigungsanspruch von den auf Kompensation, d.h. auf eine Geldentschädigung gerichteten Anspruchsnormen des enteignungsgleichen und aufopferungsgleichen Eingriffs zu unterscheiden. Demzufolge soll hier zwischen dem primären Abwehranspruch (insbesondere Anfechtungsrecht), dem primären Störungsbeseitigungsanspruch (Folgenbeseitigungsanspruch) und den Sekundäransprüchen (enteignungsgleicher/aufopferungsgleicher Eingriff) differenziert werden.

13 Pietzko

194

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

maßen bestehende Primärfünktion der Vorschrift des § 1004 BGB, 2 0 9 würde in systemwidriger Weise mißachtet, wenn er in Gestalt eines Sekundäranspruchs das Surrogat für das ehemalige Forderungsrecht bilden würde. Der Folgenbeseitigungsanspruch knüpft vielmehr an das Vorhandensein einer wenn auch beeinträchtigten - Rechtsposition an. Bei der rechtswidrigen Erfüllungsverweigerung mit anschließender Veränderung der tatsächlichen bzw. rechtlichen Umstände ist demgegenüber der ursprüngliche Anspruch und damit auch die in der Nichterfüllung liegende Rechtsverletzung entfallen. 210 Das sich daraus in dieser Fallkonstellation ergebende Erfordernis des Eingreifens eines Sekundäranspruchs steht somit gleichermaßen der Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs, qualifiziert als primärer Störungsbeseitigungsanspruch, entgegen.

(d) Praktische Probleme der Umsetzung einer notwendigen baurechtlichen Planänderung Weiterhin ist die Annahme der generellen Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs im Falle der unberechtigten Forderungsnichterfüllung mit anschließend geänderter Sach- oder Rechtslage hauptsächlich für den Regelungsbereich des Baurechts dem Einwand ausgesetzt, daß hierdurch die Umsetzung notwendiger baurechtlicher Planänderungen in der Praxis nur schwer verwirklicht werden könnte.211 Sachgerechter erscheint es vielmehr, durch die verfassungskonforme Auslegung der Neuregelungen unter Abwägung der betroffenen öffentlichen Interessen und Gemeinwohlbelange auf der einen Seite und des Leistungsbegehrens des Einzelnen auf der anderen Seite zu untersuchen, ob in concreto die Erteilung eines baurechtlichen Dispenses möglich und sachgerecht ist. 212 Insoweit kann dem grundrechtlich verankerten Recht auf Baufreiheit im Rahmen der gegebenen Sachlage Rechnung getragen werden. Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Differenzierung danach, ob es sich bei einem rechtswidrig verweigertem Leistungsbegehren um einen Anspruch auf Vergünstigung im Bereich des Baurechts oder im Rahmen des Berufszulassungsrechts handelt,213 erscheint dem209

Vgl. hierzu Medicus, Bürgerliches Recht, § 19 Rdnr. 436, mit Bezug auf die Definition des dinglichen Rechts bei Heck, SachenR, §§ 31, 32 i.V.m. § 11 Rdnr. 205. Danach verwirklichen dingliche Ansprüche wie § 1004 BGB das dingliche Recht, sie entstehen aus einer Beeinträchtigung des dinglichen Rechts. Sie stehen deshalb auf einer Stufe mit dem schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch, der seinerseits einen Primäranspruch beinhaltet. 210

Vgl. die Nachweise in Fußn. 177.

211

So Rüfner, in: Erichsen/Martens,

212

Vgl. Nachweis wie vor.

213

S. die Nachweise in Fußn. 170.

AllgVerwR, § 53 V 3, S. 605 f.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

19

nach nicht sachgerecht. Denn in beiden Regelungsbereichen sind grundrechtlich abgesichelte Rechtspositionen betroffen, zu deren Wahrnehmung der Betroffene einer konkreten Ausübungsberechtigung bedarf. Folgerichtig ist in beiden Sachgebieten eine Auslegung des rechtsändernden Legislativakts unter Berücksichtigung der genannten Auslegungsgrundsätze geboten, um zu ermitteln, ob im Einzelfall eine Leistungsgewährung möglich ist.

(e) Keine Schutzlosigkeit des betroffenen Bürgers Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß der Folgenbeseitigungsanspruch auch in der besonderen Fallkonstellation des unberechtigt verweigerten Leistungsbegehrens mit anschließender Änderung der Sach- und/ oder Rechtslage nicht anwendbar ist. Dieses Ergebnis bereitet indessen insofern Unbehagen, als es dem Gerechtigkeitsgefühl widerspricht, daß ein Bürger eines ihm zustehenden Anspruchs aufgrund einer widerrechtlichen Verwaltungsmaßnahme und einer sich nachfolgend zufällig ändernden Sach- und/oder Rechtslage verlustig gehen kann. Vielmehr erscheint ein entsprechender Ersatz für den untergegangenen Anspruch angemessen. Ob und in welcher Weise ein solcher Ausgleich möglich ist und geschaffen werden kann, geht über den thematischen Rahmen dieser Arbeit hinaus. Hinzuweisen ist jedoch darauf, daß vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zur maßgeblichen Sach- und/oder Rechtslage bei der Verpflichtungsklage vor allem über das Rechtsinstitut der Folgenbeseitigungslast sowie im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG 2 1 4 bzw. eines Anspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff 215 der notwendige Rechtsschutz zumindest in einem gewissen Umfang eröffnet ist. In prozessualer Hinsicht kommen insoweit als geeignete Rechtsschutzmittel insbeson-

214 Vgl. zur Folgenbeseitigungslast die Nachweise in Fußn. 202 - 204. S. weiterhin BVerwG, DÖV 1968, 419 (422); Ey ermann/ F röhler, VwGO, § 80 Rdnr. 54b; W. Martens, Rechtsschutz, S. 10; Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 3, S. 606; Weides, Verwaltungsverfahren, S. 113; Weyreuther, Gutachten, S. Β 96 f. Darüber hinaus kommt im Beamtenrecht ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis begründeten quasi-vertraglichen Verbindlichkeit - vgl. die Nachweise in Fußn. 92 - oder infolge der Fürsorge- und Schutzpflichtsverletzung des Dienstherrn in Betracht, vgl. hierzu Schnellenbach, BeamtenR, Rdnrn. 56 ff. m.w.N.; ders., NVwZ 1989, 435. 215 BVerwG, DÖV 1968, 419 (422); W. Martens, Rechtsschutz, S. 10. Diskutiert wird auch de lege ferenda das Eingreifen eines Folgenentschädigungsanspruchs, vgl. Franke, Folgenentschädigungsanspruch, insbes. S. 57, 63, 69 f.; ders., VerwArch 57 (1966), 357 (373 ff., vor allem 375 f.).

19

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

dere die Verpflichtungs- 216 und Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage 217 in Betracht. Das vorliegende Ergebnis, d.h. die Ablehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs, soll den betroffenen Bürger nicht rechtlos stellen. Im Interesse der tatbestandlichen Präzisierung und der daraus folgenden rechtssicheren Handhabung des Rechtsinstituts erscheint es allerdings geboten, die vorliegende Rechtsschutzfrage im dogmatisch zutreffenden Bereich zu lösen. Im Regelungsrahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs ist die Lösung des Problems der nachträglichen Tatsachen- oder Rechtsänderung bei öffentlich-rechtlichen Leistungsansprüchen jedoch nicht möglich.

d) Fallkonstellation 4: Rechtswidrige Schlechterfüllung eines originären Leistungsanspruchs des Bürgers Abschließend sei eine vierte Fallkonstellation erwähnt, welche dadurch gekennzeichnet ist, daß die Behörde dem Bürger die gewünschte Leistung zwar nicht gänzlich vorenthalten hat, indessen den Anspruch in rechtswidriger Weise erfüllt hat. Die so vorgenommene Schlechterfüllung des Anspruchs hat zur Folge, daß der Betroffene eine beabsichtigte Rechtskreiserweiterung nicht realisieren kann. Die Einordnung derartiger Sachverhalte in den vorliegenden Problemzusammenhang erscheint deshalb gerechtfertigt, als auch hier ein Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber staatlichen Stellen in Rede steht. Zudem kann die nicht sachgerechte Erfüllung der begehrten Leistung auch als Unterlassen einer ordnungsgemäßen Anspruchserfüllung eingeordnet werden. Den hauptsächlichen Anwendungsfall dieser Fallgestaltung bilden fehlerhaft beantwortete Auskunftsbegehren des Bürgers, die dazu führen, daß der Betroffene bestimmte Ansprüche gar nicht oder nur unzureichend verfolgt. 218 216

Eyermann/Fröhler,

VwGO, § 80 Rdnr. 54b.

217

Vgl. hierzu BVerwG, DVB1. 1981, 401 (402 f.); BVerwGE 36, 192 (201 ff., insbes. 203 f.); BVerwG, BayVBl. 1960, 88 (89); s. auch BVerwG, DVB1. 1981, 97 (98), wo jeweils festgestellt wird, daß das Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage gegeben ist. 218 Vgl. hierzu Rüfner, in: Wannagat, SGB-AT, § 14 Rdnrn. 11 f.; Wallerath, DÖV 1987, 505 (511 ff.). Wie bereits erwähnt, - vgl. die Darstellung unter Β II 2, S. 166 ff., sowie den Nachweis in Fußn. 114 - handelt es sich hierbei um die Fallgestaltungen, die vom sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erfaßt werden. Zwei Beispiele zur Verletzung von Beratungs- und Auskunftspflichten seien genannt: So greift beispielsweise nach BSGE 34, 124 (126 f.) und (GS) 34, 1 (14), die vom Versicherungsträger geltend gemachte Einrede der Verjährung im Hinblick auf die Witwenrente bei einer fehlerhaften Beratung durch den Versicherungsträger nicht durch. Ebenfalls ist aufgrund BSGE 32, 60 (62), ein

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

19

Vor dem Hintergrund der in der dritten Fallkonstellation dargestellten Grundsätze sind derartige Leistungsbegehren aus dem Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs konsequenterweise auszuscheiden. Auch hier steht insbesondere sein Charakter als Restitutionsanspruch, der auf Bewahrung absoluter Rechtspositionen gerichtet ist, der Einbeziehung derartiger Fallgestaltungen in den Regelungsrahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs entgegen.219 Anlaß, auf diese Fallgruppe dennoch einzugehen, besteht im Hinblick auf einen Beschluß des VGH Mannheim vom 26.6.1987. 220 Der Entscheidung lag das Begehren einer Bewerberin, die nach einem rechtswidrig durchgeführten Auswahlgespräch bei der Universität Ulm nicht zum Medizinstudium zugelassen worden war, auf erneute Zulassung zu einem Auswahlgespräch in einem nachfolgenden Bewerbungssemester zugrunde. Unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit der beklagten Universität hinsichtlich der Zulassung zu einem weiteren Auswahlgespräch hat der VGH Mannheim den Antrag der Betroffenen abgewiesen.221 Gleichwohl hatte das Folgenbeseitigungsbegehren der Bewerberin unter einem anderen Gesichtspunkt Erfolg: Soweit aufgrund des widerrechtlich vorgenommenen Auswahlgesprächs ein Vermerk der Hochschule an die Zentralstelle zur Vergabe von Studienplätzen (ZVS) erteilt worden war, daß die Bewerberin aufgrund des Auswahlgesprächs nicht zum Studium zugelassen wurde, sollte dieser Vermerk ersatzlos gestrichen werden. Zur Begründung wies der VGH Mannheim darauf hin, daß die so for-

Versäumen materiell-rechtlicher Ausschlußfristen durch den Versicherten bezüglich der Hinterbliebenenrente dann unbeachtlich, wenn der Versicherungsträger dem Rentenberechtigten die falsche Auskunft erteilt hat, daß kein Beitragskonto des verstorbenen Ehemannes bestanden habe. S. ferner BSGE 49, 76 (78 ff.), wonach es dem Versicherten erlaubt sein muß, freiwillige Beitragszahlungen, die er aufgrund einer fehlerhaften Auskunft des Versicherungsträgers nicht geleistet hat, nachträglich zu entrichten. 219

I.E. ebenso Papier, DÖV 1972, 845 (851).

220

VGH Mannheim, NVwZ 1987, 711 ff.

221 So VGH Mannheim, NVwZ 1987, 711 f.; vgl. demgegenüber OVG Münster, DVB1. 1987, 1226 (1227 ff.), wo ein Folgenbeseitigungsanspruch auf Wiederholung des Auswahlgesprächs im nächstmöglichen Termin zugestanden wird. S. ferner BVerwG, BayVBl. 1987, 541 1. Sp. Mitte. In dieser Entscheidung hatte das Gericht die Klage eines Lehrers zurückgewiesen, der im Jahre 1981 die zweite staatliche Prüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen bestanden und 1984 seine Einstellung in den Schuldienst beantragt hatte. Zuvor hatte er bereits im Jahre 1978 eine Wiederholungsprüfung nicht bestanden. Da diese Wiederholungsprüfung wegen unrichtiger Besetzung des Prüfungsausschusses aufgehoben worden war, begehrte er nunmehr im Wege der Folgenbeseitigung so gestellt zu werden, als habe er bereits 1978 die Prüfung erfolgreich abgelegt. Vor allem unter Hinweis darauf, daß der Folgenbeseitigungsanspruch nur auf die Wiederherstellung des Status quo ante gerichtet sei, hat das Bundesverwaltungsgericht den Anspruch abgelehnt.

19

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

mulierte Mitteilung an die ZVS gem. Art. 14 Abs. 4 letzter Satz StV, 222 nach dem jeder Bewerber nur einmal je Studiengang an einem Auswahlgespräch teilnehmen kann, eine Sperrwirkung hinsichtlich der weiteren von der ZVS durchzuführenden Losauswahl für ein Auswahlgespräch entfaltet. So ordne § 31 Abs. 1 W O ZVS 2 2 3 an, daß die Bewerber, „die bereits für den beantragten Studiengang am Auswahlgespräch teilgenommen haben", von der Losauswahl für das Auswahlgespräch ausgeschlossen seien. Diese gelte es zu beseitigen, da das Auswahlgespräch an der Hochschule fehlerhaft abgelaufen sei. 224 Dieser Fall erscheint insofern erwähnenswert, als hier zwei unterschiedliche Rechtsschutzbegehren geltend gemacht werden. Soweit die Betroffene die erneute Zulassung zu einem Auswahlgespräch an der Hochschule wegen des rechtswidrig durchgeführten ersten Gespräches anstrebt, ist dem Anspruchsbegehren aus den dargelegten Grundsätzen der Erfolg versagt. Der V G H Mannheim, der den Folgenbeseitigungsanspruch im Hinblick auf die fehlende Kompetenz der Hochschule bezüglich der Zulassung zu einem erneuten Auswahlgespräch verneint, und ihn damit wegen fehlender rechtlicher Zulässigkeit der begehrten Restitution abgelehnt hat, hätte bereits mit Rücksicht auf die mangelnde Eingriffsqualität den Folgenbeseitigungsanspruch verneinen können. Insofern ist mithin trotz zutreffendem Ergebnis die Begründung der Entscheidung unvollständig. Zuzustimmen ist dem Gericht allerdings in bezug auf die Zuerkennung des Folgenbeseitigungsanspruchs hinsichtlich der von der Hochschule der ZVS gegenüber geäußerten Erklärung. Denn der Sperrvermerk bezüglich der weiteren Losauswahl für ein Auswahlgespräch ist auf der Grundlage eines rechtswidrigen Auswahlgespräches zustandegekommen. Die Mitteilung der Hochschule stellt insoweit gegenüber der Betroffenen ein selbständiges aktives Eingriffsverhalten dar, das zu einer Beeinträchtigung der normativ begründeten Rechtsposition, nämlich der möglichen Teilnahme an einem weite-

222

Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen v. 14.6.1985 (Zustimmung durch HZG v. 14.7.1986, GBl. S. 226 - StV). 223 Verordnung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst über die zentrale Vergabe von Studienplätzen und die Durchführung eines Feststellungsvefahrens (Vergabeverordnung ZVS) v. 1.8.1985, GBl. S. 262. 224 VGH Mannheim, NVwZ 1987, 711 (712). S. in diesem Zusammenhang auch den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts (I. Wehrdienstsenat) v. 11.4.1975, BVerwGE 53, 12 (22). In dieser Entscheidung hatte das Gericht das Begehren eines Soldaten abgelehnt, einen Stabsoffizierslehrgang, den er aufgrund einer fehlerhaften Raterteilung durch einen Vorgesetzten vorzeitig abgebrochen hatte, nachträglich für bestanden zu erklären. Erfolgreich war die Folgenbeseitigungsklage jedoch insofern, als er hiernach in den Stand gesetzt werden mußte, den er vor Abbruch des Lehrgangs bereits innehatte. Demzufolge war dem Antragsteller zu gestatten, den Lehrgang zu wiederholen.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

19

ren Auswahlgespräch, führt. Folgerichtig kommt im Hinblick auf den rechtswidrigen Vermerk ein Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Die Entscheidung des VGH Mannheim verdeutlicht damit die Notwendigkeit, die hoheitlichen Verhaltensweisen im konkreten Fall genau auf ihre Eingriffsqualität i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs hin zu untersuchen. Somit bleibt festzuhalten, daß in Vervollständigung der oben dargelegten Grundsätze der Folgenbeseitigungsanspruch ebenfalls dann ausscheidet, wenn der Betroffene die Beseitigung derjenigen Folgen begehrt, die aufgrund der unsachgemäßen Erfüllung eines originären Leistungsbegehrens durch amtliche Stellen entstanden sind.

e) Teilergebnis zum Eingriff durch Unterlassen Als Teilergebnis ist in bezug auf die Problematik des Eingriffs durch Unterlassen festzuhalten: aa) Vorab ist aus dem Fragenkomplex diejenige Fallkonstellation auszuklammern, bei der die Behörde es nach einem rechtmäßigen aktiven Eingriff im folgenden pflichtwidrig versäumt, nach Wegfall der Eingriffsvoraussetzungen von sich aus die ursprüngliche Lage wiederherzustellen. Bei derartigen Sachverhaltsgestaltungen liegt ausschließlich eine Fortwirkung des aktiven behördlichen Eingriffs und kein rechtlich relevantes Unterlassen vor. bb) Demgegenüber ist eine unterlassene hoheitliche Maßnahme dann als Eingriffsakt i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs zu qualifizieren, wenn sie sich als eine dem Bürger gegenüber bestehende Schutzpflichtverletzung darstellt und in einem Entzug bzw. einer Verletzung einer bereits vom Bürger innegehabten absoluten Rechtsstellung besteht. cc) Macht der Bürger hingegen ein originäres Leistungsbegehren im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs geltend, so ist zu unterscheiden: aaa) Abzulehnen ist die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs, wenn der Bürger mit Hilfe dieses staatshaftungsrechtlichen Instituts die Durchsetzung eines Anspruchsbegehrens erstrebt, das er unmittelbar im Wege der Erfüllung verfolgen kann oder aber dessen Realisierung die Unanfechtbarkeit des die Versagung aussprechenden Bescheides entgegensteht. Ebenfalls werden die infolge einer verzögerten Leistungsgewährung entstandenen Rechtsnachteile, wie z.B. Verzugszinsen, nicht vom Folgenbeseitigungsanspruch erfaßt. bbb) Schwierigkeiten bereitet indessen die Frage, ob die zu Unrecht erfolgte Forderungsnichterfüllung bei im Verlauf des Rechtsmittelverfahrens

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs eingetretener Änderung der Sach- und /oder Rechtslage vom Folgenbeseitigungsanspruch erfaßt wird. Infolge des Untergangs des primären Leistungsanspruchs und der Tatsache, daß hier den Betroffenen keinerlei Nachlässigkeitsvorwurf hinsichtlich der Anspruchsvereitelung trifft, erscheint der Ruf nach dem Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs verständlich, zumal eine Umgehung der Vorschriften über die Bestandskraft bzw. die speziellen prozeßrechtlichen Bestimmungen über die Verpflichtungsklage hier ausscheidet. Doch auch hier muß das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs verneint werden, da die Tatbestandsstruktur, die Ausgestaltung als Primäranspruch sowie die Einbindung dieses Rechtsinstituts in das geltende Rechtssystem insoweit entgegenstehen. dd) Aus den gleichen Gründen kann die rechtswidrige Schlechterfüllung eines originären Leistungsanspruchs des Bürgers nicht im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs geltend gemacht werden.

3. Die Qualität des Eingriffsverhaltens Näherer Untersuchung bedarf des weiteren die Frage, von welcher Qualität die Verletzungshandlung sein muß, die vom Folgenbeseitigungsanspruch umfaßt wird.

a) Maßnahmen der Verwaltung

Unstreitig unterfallen die typischen Handlungsformen der Verwaltung dem Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs.

aa) Behördlicher

Eingriff

in Gestalt des Verwaltungsakts

Den klassischen Fall eines behördlichen Eingriffsverhaltens, in bezug auf den Bachof 225 den Folgenbeseitigungsanspruch entwickelt hat, stellt der Übergriff der Exekutive in Form des Verwaltungsakts dar. Typischer Anwendungsfall ist dabei der durch die Verwaltungsbehörde sofort, d.h. vor Bestandskraft vollzogene, vgl. § 80 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 VwGO, und später vom

225 Bachof\ Vornahmeklage, S. 98 ff. Vgl. weiterhin die Darstellung in der Einleitung B, S. 43 ff.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

Gericht wegen Rechtswidrigkeit aufgehobene Verwaltungsakt, siehe § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO. 2 2 6 Nach inzwischen überwiegend anerkannter Auffassung hat dieser Geltungsbereich des sog. Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruchs in mehrere Richtungen eine Ausdehnung erfahren. -

So unterfällt dem Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs gleichermaßen ein rechtswidriger Verwaltungsakt, welchen nicht die Behörde obrigkeitlich vollzieht, sondern den der Bürger vor Unanfechtbarkeit freiwillig befolgt. 227 Der Einbeziehung dieser Fallsituation in den Geltungsrahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs ist zuzustimmen, da ansonsten der rechtstreue Bürger schlechter gestellt würde als derjenige, der erst auf Initiative der staatlichen Stellen der Anordnung nachkommt.228

-

Das gleiche Ergebnis, nämlich die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs, ist dann anzunehmen, wenn die Behörde den Verwaltungsakt zu Unrecht, d.h. ohne Vorliegen der in § 80 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 VwGO genannten Voraussetzungen, sofort vollzieht.229 In diesen Fällen der sog. faktischen Vollziehung eines Verwaltungsakts muß das Eingreifen des Rechtsinstituts im Wege des Erst-Recht-Schlusses befürwortet werden. Denn hier verstößt nicht nur der den Rechtsgrund der behördlichen Maßnahmen bildende Verwaltungsakt, sondern darüber hinaus auch die Vollziehung als solche gegen das Recht.

226 Vgl. aus der Rspr. BVerwGE 69, 366 (369) - Bardepotbescheid; OVG Hamburg, DVB1. 1951, 472 f. - Geldleistungsbescheid; OVG Lüneburg, OVGE 8, 484 ff. - Obdachloseneinweisung; VGH Mannheim ESVGH 32, Nr. 41, S. 88 ff. - Geldleistungsbescheid; VG Stuttgart, DVB1. 1950, 792 (794) - Obdachloseneinweisung. S. weiterhin in der Literatur Eyermann/Fröhler, VwGO, § 80 Rdnrn. 54, 54a; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 113 Anm. 5, 11; Götz, AllgVerwR, S. 230 f.; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnrn. 3, 8; Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 601 f.; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, S. 86. Hingewiesen sei ferner auf §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 StHG 1981, wonach der Folgenbeseitigungsanspruch als Folge einer Pflichtverletzung des öffentlichen Rechts entstehen sollte, also auch durch einen Verwaltungsakt hervorgerufen werden konnte, vgl. nur Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 44. 227 VGH München, BayVBl. 1965, 246; OVG Münster, MDR 1957, 188 f.; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 231 mit Fußn. 312; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 80 Rdnr. 54b; Kopp, VwGO, § 80 Rdnr. 73, § 113 Rdnr. 44; Rösslein, FBA, S. 15 in Fußn. 13; Wolff/ Bachof; VerwR I, § 54 I I a 2, S. 477; vgl. auch Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 80 Anm. 47. 228 Drews /Wacke/Vogel/Martens, § 80 Rdnr. 54b. 229

So Peters, in: Schweickhardt,

Gefahrenabwehr, S. 625; Eyermann/Fröhler, AllgVerwR, Rdnr. 1136.

VwGO,

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs -

Ebenso wird im Wege des argumentum a fortiori der nichtige, d.h. bereits von Anfang an unwirksame Verwaltungsakt, der behördlich vollzogen wurde, vom sog. Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch umfaßt. 230

-

Ist ein unrechtmäßig erlassener Verwaltungsakt vollzogen worden, welcher später im Hinblick auf seine Rechtswidrigkeit von der Ausgangs- bzw. Widerspruchsbehörde zurückgenommen wird 231 oder wird ein ursprünglich rechtmäßiger Verwaltungsakt im nachhinein infolge Fristablaufs 232 bzw. anderweitiger Erledigung 233 unwirksam, so ist auch hinsichtlich der Vollzugsfolgen eines derartigen Verwaltungsakts das Vorliegen eines Eingriffs zu befürworten. Denn auch in diesen Fällen wird die Rechtssphäre des Bürgers durch einen gegen das Recht verstoßenden Verwaltungsakt bzw. durch einen fortwirkenden Eingriff beeinträchtigt.234

-

Schließlich ist anerkannt, daß über den Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO hinaus der Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch nicht nur im Falle des durch das Gericht aufgehobenen Verwaltungsakts Anwendung findet, sondern auch dann, wenn das Gericht im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts feststellt, sofern sich zwar der Verwaltungsakt, nicht aber die Vollzugsfolgen erledigt haben.235

Die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs hinsichtlich der vorgenannten Fall Varianten erscheint angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG sachgerecht und geboten, um insbesondere das Eingreifen der Anspruchsgrundlage von Zufälligkeiten, beispielsweise der Frage, ob die

230 OVG Münster, OVGE 20, 38 (39); VG Darmstadt, NJW 1953, 1608; VG Münster, DÖV 1951, 85; LVG Münster, MDR 1956, 509 (510); Bachof,\ Vornahmeklage, S. 98; Drews /Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 625; Ey ermann / F röhler, VwGO, § 80 Rdnr. 54a; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 8; Peters, in: Schweickhardt, AllgVerwR, Rdnr. 1136; Rösslein, FBA, S. 24, 84; Wolff/Bachofi VerwR I, § 54 II a 2, S. 477. 231

VGH München, BayVBl. 1965, 246; OVG Münster, DVB1. 1977, 259; OVG Münster, OVGE 20, 38 (39); VG Neustadt, NJW 1965, 833 (835); VG Stuttgart, DVB1. 1950, 792 (793); Drews /Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 625; Ey ermann/ F röhler, VwGO, § 80 Rdnr. 54a; v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (831); Rösslein, FBA, S. 24 f.; Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 I I a 2, S. 477; s. auch Bettermann, DÖV 1955, 528 (535); Götz, ZBR 1961, 135 (138); Stückrath, DVB1. 1950, 683 (684). 232 OVG Münster, OVGE 20, 38 (40); VG Neustadt, NJW 1965, 833 (835); LG Darmstadt, NJW 1952, 389 (390); Götz, AllgVerwR, S. 231; Loppuch, NJW 1955, 117; v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (831); Rösslein, FBA, S. 84. 233

OVG Lüneburg, OVGE 8, 484 (485).

234

Vgl. zu der Einordnung des „nachträglich rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakts" als fortwirkendes hoheitliches Eingriffsverhalten die Darstellung unter Β II 2, S. 157 ff. 235

Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 231; Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 40; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 113 Anm. 5, 11.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs Behörde oder der Bürger den Verwaltungsakt verwirklicht hat, weitestgehend unabhängig zu machen. Ausgeschlossen ist die Durchsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs in solchen Fällen lediglich im Falle der bereits eingetretenen formellen Bestandskraft, d.h. der Unanfechtbarkeit des Verwaltungakts.236

bb) Behördliche Eingriffe

in Form von Realakten

Weiterhin stellt sich die Frage der Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs in bezug auf Verwaltungshandeln in Gestalt von Realakten.

aaa) Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs Neben den durch Verwaltungsakt erfolgenden Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Bürgers werden nach inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkannter Ansicht auch reale Verhaltensweisen der Behörden, d.h. rein faktisches Verwaltungshandeln, vom Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt. 237 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die rechtswidrige Inanspruchnahme eines Privatgrundstücks durch den Straßenverlauf, 238 hoheitlich verursachte Immissionen,239 die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen 240 oder auch der Widerruf einer ehrkränkenden amtlichen Tatsachenbehauptung241 den Streitgegenstand bilden. 236

Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 8; Ossenbühl, StHR, S. 201, 203; Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 602 mit Fußn. 49. Vgl. hierzu die Darstellung unter Β IV 2, S. 312 ff. 237

Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 262; ders., VB1BW 1985, 201; Drews /Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, S. 624 f.; Götz, AllgVerwR, S. 231; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 3; Ossenbühl, StHR, S. 202; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 113 Anm. 11; H.H. Rupp, JA 1979, 506 (510); Weyreuther, Gutachten, S. Β 65 f., 105; Wolff /Bachof,\ VerwR I, § 54 II d, S. 478. Offenlassend Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, S. 86. Vgl. auch BVerwGE 69, 366 (369), wonach jedwede »Amtshandlung" zum Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs führt. Die Einbeziehung von tatsächlichem Verwaltungshandeln wurde ebenfalls im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs aufgrund § 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 StHG 1981 befürwortet, vgl. Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 44. 238 VGH München, BayVBl. 1990, 627; vgl. weiterhin VGH Mannheim, NJW 1985, 1482 - rechtswidrige Beeinträchtigung eines Privatgrundstücks durch Anlegung eines Gehweges; vgl. auch Ossenbühl, StHR, S. 202; s. außerdem in diesem Zusammenhang BGHZ 48, 239. 239 Vgl. exemplarisch BVerwG, DVB1. 1974, 239 - Kläranlage; VGH Kassel, NJW 1989, 1500 - Straßenlampe; OVG Münster, DÖV 1983, 1020 - Feuerwehrgerätehaus; vgl. ferner die Nachweise in Fußn. 380-391. 240

S. hierzu BVerwG, NJW 1989, 2640; VGH Mannheim, NJW 1987, 3022; VGH

4

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Bereits früh in der Literatur befürwortet, 242 fand die Einbeziehung tatsächlicher Verletzungshandlungen in den Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs mit dem richtungsweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.8.1971 2 4 3 auch in der Rechtsprechung Anerkennung. 244 Dieser Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, daß rechtswidrigerweise Teile des Privatgrundstücks eines Bürgers in die geplante Straßenverbreiterung einbezogen worden sind. Der seinerzeit vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Begründung, derzufolge aus der Sicht des Bürgers, unabhängig davon, auf welche Art und Weise - Verwaltungsakt oder Realakt - die Ver-

Mannheim, DÖV 1988, 83; VGH München, BayVBl. 1984, 272; OVG Münster, DÖV 1983, 603; VG Frankfurt, NJW 1987, 2248. 241 Vgl. beispielsweise BVerwG, NJW 1989, 2272; BVerwG, AfP 1989, 487; BVerwGE 75, 354; BVerwG, NJW 1984, 2591; BVerwGE 59, 319; 38, 336; vgl. auch VGH Kassel, DÖV 1988, 468; OVG Koblenz, NJW 1987, 1660; BGHZ (GSZ) 34, 99. S. außerdem die Nachweise in Fußn. 445-450. In bezug auf hoheitliche ehrverletzende Erklärungen ist dabei eine differenzierte Betrachtungsweise geboten: Ein Widerrufsanspruch im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs kommt nur im Hinblick auf unwahre Tatsachenerklärungen in Betracht. Bei Vorliegen von Werturteilen hingegen kann nach anerkannter zivilrechtlicher Rechtsprechung mit Rücksicht auf die Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG Rechtsschutz nur über die Unterlassungsklage geltend gemacht werden. Denn von niemandem könne im Wege der Zwangsvollstreckung verlangt werden, eine Überzeugung aufzugeben oder eine Würdigung zurückzunehmen, so BGH, NJW 1989, 2941 (2942); BGH, AfP 1989, 534; weiterhin BGH, NJW 1982, 2246; Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 5 b. Wenn sich die Hoheitsträger auch auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG im Rahmen der hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung nicht unmittelbar berufen können, so beansprucht dieser Rechtsgedanke anerkanntermaßen im öffentlichen Recht entsprechende Geltung, so VGH Mannheim, VB1BW 1990, 186 (187); VGH München, BayVBl. 1990, 111 (112); VGH München, NVwZ 1986, 327; OVG Münster, NJW 1983, 2402 (2403); demgegenüber sogar für die direkte Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG: OVG Lüneburg, DVB1. 1974, 881 (882). Darüber hinaus stellt sich bei staatlichen Warnungen vor bestimmten Gefahrenquellen gegenüber dem Bürger die Frage, ob derartige Auskünfte und Empfehlungen Eingriffsqualität aufweisen. Auf diese im Zusammenhang der generellen Problematik mittelbarer bzw. faktischer Grundrechtseingriffe stehende Fragestellung, kann hier nicht im einzelnen eingegangen werden, vgl. hierzu: BVerfG, NJW 1989, 3269 f.; BVerwG, NJW 1989, 2272 (2273); Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 (541 ff.); Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2708 ff.); Meyn, JuS 1990, 630 (632 f.); Ossenbühl, Umweltpflege, S. 14 ff.; Pinger, JuS 1988, 53 (54 ff.); Robbers, AfP 1990, 84 (86 ff.); Schulte, DVB1. 1988, 512 (515 ff.); Sodan, DÖV 1987, 858 (860 ff.); Zuck, MDR 1988, 1020 ff., sowie allgemein: Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 1 ff.; Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 ff.; s. ferner: Paschke, AfP 1990, 89 ff.; s. bereits die Nachweise in Fußn. 12, 632 und 633. 242 Bettermann, DÖV 1955, 528 (535); Böß, Vergleich, S. 59 ff.; Obermayer, JuS 1963, 110 (114); Rösslein, FBA, S. 28, 42 f., 82; Rüfner, DVB1. 1967, 186 (187 f.); Weyreuther, Gutachten, S. Β 65 f. Vgl. auch die Nachweise in Fußn. 237. 243 244

BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860).

Vgl. die Nachweise in Fußn. 238-241. Hingegen früher für eine Beschränkung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf Eingriffe in Gestalt von Verwaltungsakten VGH Kassel, DVB1. 1969, 502 (504); OVG Lüneburg, NJW 1953, 839; VG Köln, DVB1. 1965, 882 (883); VG Minden, DVB1. 1965, 339 (340).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs waltungsbehörden tätig würden, 245 das gleiche Rechtsschutzbedürfnis bestehe, ist angesichts der dogmatischen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs in den Freiheitsgrundrechten und der inhaltlichen Ausgestaltung analog § 1004 BGB zuzustimmen. Überdies entspricht die gleichermaßen bestehende haftungsrechtliche Relevanz dieser Handlungsmodalitäten im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs der Tatsache, daß sich die staatlichen Stellen ihrerseits dieser beiden Handlungsformen bedienen können, um ihre öffentlich-rechtlichen Aufgaben gegenüber dem Bürger zu erfüllen. Angesichts der prinzipiellen Wahlmöglichkeit der Behörden hinsichtlich der einzusetzenden Regelungsinstrumente erschiene es auch von daher nicht haltbar, bezüglich der in concreto vorliegenden Verletzungshandlung unterschiedliche Sanktionen zu verhängen. Auch die Rechtsvorschrift des § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO stellt dieses Ergebnis nicht in Frage, da der Rechtsnorm als anerkanntermaßen prozessualer Vorschrift 246 keine Aussage über die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs entnommen werden kann.247

bbb) Zur Terminologie des Folgenbeseitigungsanspruchs bei Realakten Nicht einheitlich wird in diesem Zusammenhang allerdings die terminologische Frage beantwortet, ob bei Übergriffen in Form von Realakten auch von einem Folgenbeseitigungsanspruch gesprochen werden soll. So wird erwogen, zur Kenntlichmachung der andersartigen, der Förmlichkeit des Verwaltungsakts entbehrenden Eingriffshandlung, besser den Ausdruck des allgemeinen Beseitigungsanspruchs zu verwenden.248 Weiterhin wird - fast im Gegensatz zu der gerade genannten Ansicht - diskutiert, den Begriff Folgenbeseitigungsanspruch in bezug auf tatsächliches Verwaltungshandeln zu benutzen und den Bereich des Eingriffsverhaltens in Gestalt des förmlichen Verwaltungsakts dem engeren Ausdruck des Vollzugs-Folgenbeseitigungs245

So BVerwG DVB1. 1971, 858 (860 1. Sp. Mitte). Ebenso BVerwG, DVB1. 1974, 239 r. Sp.; vgl. auch Ossenbühl, StHR, S. 202; Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 1, S. 599; Schenke, DVB1. 1990, 328 (333); ferner v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (825, 830), für den öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanspruch. 246

Vgl. hierzu die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 6.

247

Vgl. Böß, Vergleich, S. 60; Drews/Wacke/Vogel/Martens,

248

Gefahrenabwehr, S. 625.

Ausdrücklich differenzierend: OVG Münster, DVB1. 1977, 259; Götz, ZBR 1961, 135 (136); Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (513 f.); v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (830 ff., insbes. 832); Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, § 17 Rdnr. 334, § 18 Rdnrn. 336 ff., die den Begriff „Folgenbeseitigungsanspruch" auf Eingriffe in Form von Verwaltungsakten beschränken, während bei tatsächlichem Verwaltungshandeln der Ausdruck „allgemeiner Beseitigungsanspruch" verwendet wird. Die Frage der unterschiedlichen Terminologie hingegen offenlassend: BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860).

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs anspruchs vorzubehalten.249 Wieder etwas anders differenziert Rösslein: Auch er will mit der zuerst genannten Auffassung bei der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts von einem Folgenbeseitigungsanspruch sprechen und den Begriff des tatsächlichen Beseitigungsanspruchs für die Fälle des Eingriffs in Form von faktischem Verwaltungshandeln verwenden.250 Darüber hinaus will er den Begriff des tatsächlichen Beseitigungsanspruchs jedoch auch dann anwenden, wenn der Rechtsmangel, der zur Statusverletzung führt, nicht auf dem Vollzug des von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsakts beruht, sondern, wie z.B. in den Fällen, in denen der ursprünglich rechtmäßige Verwaltungsakt durch spätere Aufhebung, Fristablauf oder Bedingungseintritt weggefallen ist, erst auf den Vollzugsakt zurückzuführen ist. 251 Wenn auch die vorgenannten verschiedenen Auffassungen nicht das Eingreifen eines öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanspruchs als solches in Zweifel ziehen,252 so führt doch die begriffliche Differenzierung zwischen Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch einerseits und allgemeinem bzw. tatsächlichem Beseitigungsanspruch andererseits eher zu Rechtsunsicherheit und Verwirrung. Aufgrund der hier vertretenen Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus den Freiheitsgrundrechten, konkretisiert durch die Vorschrift des § 1004 BGB, erscheint eine unterschiedliche Begriffsbildung ohnehin als unangebracht. Denn diese Rechtsgrundlage stellt darauf ab, daß es zu einer Statusbeeinträchtigung gekommen ist, wohingegen die Art und Weise der Eingriffshandlung unmaßgeblich ist. Auch die Tatsache, daß sich bei staatlichen Eingriffen durch Verwaltungsakt u.U. angesichts der formellen Bestandskraft eine Duldungspflicht des beeinträchtigten Rechtsinhabers ergibt, die zum Entfallen des Beseitigungsanspruchs führt, erfordert keine andere Bewertung. Hierbei handelt es sich lediglich um eine mit der Handlungsform des Ver249

Vgl. die Darstellung bei Böß> Vergleich, S. 60, der diese terminologische Unterscheidung allerdings selbst ablehnt. 250

Rösslein, FBA, S. 82.

251

Rösslein, FBA, S. 84 f.

252

So weist Rösslein ausdrücklich darauf hin, daß sich der Folgenbeseitigungsanspruch und der tatsächliche Beseitigungsanspruch inhaltlich entsprechen würden, so Rösslein, FBA, S. 85. Vgl. auch BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860); Böß, Vergleich, S. 60, wonach es sich bei der unterschiedlichen Benennung der beiden Ansprüche nur um eine „rein terminologische Frage" handelt. A.A. beispielsweise Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (513 f.), sowie v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (830 ff.), nach denen der Folgenbeseitigungsanspruch und der allgemeine Beseitigungsanspruch einen unterschiedlichen Anspruchsinhalt mit Rücksicht auf die besondere Qualität des Verwaltungsakts aufweisen. Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 3 Β I 3, S. 395 ff. Zurückhaltend auch Erichsen, VerwArch 63 (1972), 217 (221 f.), wegen der bei Eingriffen durch Verwaltungsakt geltenden Vorschriften über die formelle Bestandskraft von Verwaltungsakten, die zusätzliche Tatbestandsvoraussetzungen des Beseitigungsanspruchs erforderten.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs waltungsakts verbundene besondere Legalisierungswirkung, die indes keine Differenzierung in der Terminologie der Anspruchsgrundlage notwendig macht. Des weiteren erscheint die von Rösslein vorgeschlagene zusätzliche begriffliche Unterscheidung, zumal sie sich auch allgemein im juristischen Sprachgebrauch nicht durchgesetzt hat, als nicht sinnvoll. Entscheidend ist nicht die Differenzierung, ob schon der Verwaltungsakt oder erst die Vollzugsmaßnahme die Statusverletzung hervorgerufen hat, sondern maßgeblicher Haftungsgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs ist vielmehr das Vorliegen eines rechtswidrigen Zustands. Demzufolge soll der Terminus „Folgenbeseitigungsanspruch" einheitlich bei beiden Verletzungshandlungen verwendet werden. 253 Lediglich der Ausdruck „Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch" soll mit Rücksicht auf das traditionelle Verständnis im Interesse der Rechtsklarheit auch weiterhin ausschließlich bei Übergriffen durch Verwaltungsakt als Sonderbegriff zur Anwendung gelangen.254

cc) Maßnahmen im innerdienstlichen

Bereich

Neben der allgemeinen Unterscheidung der Eingriffshandlung in Gestalt von Verwaltungsakt oder Realakt ist noch auf die spezielle Eingriffsmodalität der innerdienstlichen Maßnahme einzugehen. Zunächst ist allgemein darauf hinzuweisen, daß die Einordnung einer Verletzungshandlung als Verwaltungsinternum in Abgrenzung zum Verwaltungsakt früher aus Rechtsschutzerwägungen bedeutsam gewesen ist. Denn seinerzeit war nur bei Feststellung der Verwaltungsaktsqualität die Verteidigung der Rechtsstellung im Wege der Anfechtungsklage eröffnet. Seit Erlaß der Verwaltungsgerichtsordnung, insbesondere der Normierung der Generalklausel in § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO, ist jedoch anerkannt, daß auch bei innerdienstlichen Weisungen ohne Verwaltungsaktscharakter, wie z.B. der Anordnung an einen Beamten hinsichtlich der Art und Weise der Erledigung einer Angelegenheit bzw. bezüglich der Verwendung bestimmter Formulare, 255 der 253 Ebenso BVerwGE 69, 366 (367, 369, 371); 38, 336 (345 f.); Böß, Vergleich, S. 60 f.; Götz, AllgVerwR, S. 230 ff.; Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 1, S. 599; Weyreuther, Gutachten, S. Β 65 in Fußn. 247; s. auch Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 113 Anm. 11; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, S. 86. 254

Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 3; Ossenbühl, StHR, S. 201; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (15 f.), mit umfangreichen Nachweisen in Fußn. 81; Weyreuther, Gutachten, S. Β 65 in Fußn. 247. 255

Vgl. hierzu BVerwGE 60, 144 (146); Kopp, VwVfG, § 35 Rdnr. 55; Maurer, Allg-

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs notwendige Rechtsschutz bei Rechtsverletzungen über die allgemeine Leistungsklage gewährt wird. Folglich hat die Qualifizierung eines Eingriffsakts als innerorganisatorische Maßnahme für die Frage des „ob" der Klagbarkeit an Brisanz verloren. 256 Unstreitig ist mithin, daß der innerbetriebliche Verletzungsakt als solcher, der zu einer Beeinträchtigung der persönlichen Rechtssphäre führt, gerichtlich angreifbar und überprüfbar ist. Denkbar ist darüber hinaus, daß aufgrund einer innerorganisatorischen Anordnung weitere Folgen hinsichtlich der subjektiven Rechtsstellung des Einzelnen ausgelöst werden. Unterstellt sei beispielsweise der Fall, bei dem als Konsequenz einer Umsetzung, d.h. der Zuweisung eines anderen Dienstpostens innerhalb derselben Behörde, 257 die nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts generell als innerdienstliche Maßnahme einzustufen ist, 258 dem Beamten ein Dienstzimmer in einem anderen Gebäude zugewiesen wird. Diese räumliche Veränderung kann für den Betroffenen als nachteilige Rechtswirkung mit sich bringen, daß er als Gehbehinderter nunmehr einen beschwerlicheren Weg zu seinem Dienstplatz hat. Vorstellbar ist des weiteren, daß der Beamte als Nichtraucher infolge der Umsetzung sein neues Dienstzimmer mit rauchenden Kollegen teilen muß. Ist nun die Umsetzung rechtswidrig gewesen und demgemäß der dagegen eingelegte Rechtsbehelf des Beamten erfolgreich, so hat der Betroffene nicht nur ein Interesse an der Rückgängigmachung der Umsetzung, sondern auch an der Beseitigung der Begleitwirkungen. Hier muß der Rechtsschutz im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs möglich sein. Denn ist für die Eröffnung des Rechtsschutzes gegen den Eingriffsakt als solchen die Einordnung einer Maßnahme als Verwaltungsakt oder als Behördeninternum unmaßgeblich, so muß dies konsequenterweise auch für die Folgen dieser Verletzungshandlungen gelten.

VerwR, § 9 Rdnr. 28; Ule/Laubinger, VerwVerfR, S. 349. Vgl. außerdem die Regelung in § 56 Abs. 2 BBG, § 38 Abs. 2 BRRG. 256 Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, DVB1. 1981, 495 (496); BVerwGE 60, 144 (145, 148 f.); 41, 253 (258). S.a. die Darstellung bei Maurer, AllgVerwR, § 9 Rdnr. 28. 257 BVerwG, DVB1. 1981, 495; BVerwGE 60, 144 (146); VGH Kassel, NVwZ-RR 1989, 258; vgl. außerdem BVerwGE 75, 138 (139). 258 So im Unterschied zur Versetzung und Abordnung, welche als Verwaltungsakte qualifiziert werden, BVerwGE 60, 144 (146 ff.), unter ausdrücklicher Aufgabe von BVerwGE 14, 84; BVerwG, DVB1. 1981, 495. Demgegenüber hat die Rechtsprechung früher danach differenziert, ob die Umsetzung den Beamten als Glied der Verwaltung, d.h. in seiner Eigenschaft als Amtswalter, oder als eigenständige, mit individuellen Rechten ausgestattete Rechtspersönlichkeit betrifft, vgl. BVerwGE 14, 84 (85 ff.); ebenfalls noch OVG Lüneburg, DÖV 1981, 107. Wie bereits erwähnt, wurde diese Einordnung von Rechtsschutzerwägungen bestimmt, da nur bei Annahme eines Verwaltungsakts der Klageweg eröffnet war. Wiederum anders Enste, JA 1979, 423 (426 f.), nach dem in bezug auf innerbetriebliche Maßnahmen die Anfechtungsklage infolge einer extensiven Auslegung des Verwaltungsaktsbegriffs eingreifen soll.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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Hinzu kommt, daß ein anderes Ergebnis mit Rücksicht auf das gleiche Rechtsschutzbedürfnis des nachteilig Betroffenen unvertretbar wäre. Mithin unterfallen auch die Folgewirkungen, welche aufgrund innerdienstlicher Anweisungen ohne Verwaltungsaktsqualität entstehen, dem Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs. 259

dd) Eingriffsverhalten auf der Grundlage eines zwischen Staat und Bürger geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages Weitgehend unbeachtet und dementsprechend nicht geklärt ist die Problematik, ob auch solchen Handlungen im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs haftungsrechtliche Relevanz zukommt, die in Erfüllung eines zwischen Staat und Bürger vereinbarten öffentlich-rechtlichen Vertrages vorgenommen werden. 2 6 0 Dabei soll die Darstellung in drei Schritten erfolgen: 259 I.E. ebenso Bößy Vergleich, S. 61; vgl. auch Erichsen, DVB1. 1982, 95 (100). S. weiterhin OVG Münster, NVwZ 1985, 923, bezüglich eines Anspruchs auf Rückumsetzung. Das Gericht hat den Folgenbeseitigungsanspruch abgelehnt, da der ursprünglich innegehabte Dienstposten zwischenzeitlich mit einem anderen Beamten besetzt worden war. S. außerdem BVerwGE 75, 138 (139 ff.); VGH Kassel, NVwZ-RR 1989, 258 f., hinsichtlich des Anspruchs auf Rückgängigmachung einer Umsetzung, allerdings ohne ausdrückliche Bezugnahme auf den Folgenbeseitigungsanspruch. Vgl. auch BVerwG, BayVBl. 1989, 603 f., bezüglich der Entfernung disziplinarrechtlicher Vorermittlungsakten aus den Personalakten; ferner VG Braunschweig, NVwZ-RR 1989, 549, zum Anspruch eines Schülers auf Rükkumsetzung innerhalb der Klasse, jeweils ohne Hinweis auf den Folgenbeseitigungsanspruch. Zum Rechtsschutz gegenüber mißbilligenden Äußerungen von Dienstvorgesetzten, P. Czermah BayVBl. 1989, 193 (200 f.). 260

Diese Fragestellung wird im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs - soweit ersichtlich - nur vereinzelt angesprochen, vgl. Schenke, DVB1. 1990, 328 (333 in Fußn. 42); Stern, StaatsR III /1, S. 676 f. Allerdings wird bisweilen innerhalb der Darstellungen, die sich mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag befassen, die Problematik erörtert, ob dem Bürger in Abweichung von der gesetzlichen Normierung in den §§ 59 ff. VwVfG, welche ausschließlich die Rechtsfolgen nichtiger Verträge regeln, ein Aufhebungs- bzw. Beseitigungsanspruch hinsichtlich rechtswidriger öffentlich-rechtlicher Verträge bzw. deren Vollzugshandlungen zusteht. Neben zivilrechtlich orientierten Lösungsansätzen - z.B. Annahme der Nichtigkeit des rechtswidrigen öffentlich-rechtlichen Vertrages gem. § 306 BGB i.V.m. §§59 Abs. 1, 62 S. 2 VwVfG bei evidenter Verletzung von elementaren Rechtsprinzipien, so früher H. Meyer, NJW 1977, 1705 (1711 f.), der jedoch nunmehr die Anwendung des § 306 BGB ablehnt und stattdessen die eingeschränkte Anwendbarkeit des § 134 BGB vertritt, so Meyer/Borgs, VwVfG, § 59 Rdnrn. 17 ff.; Anwendbarkeit der §§ 54 S. 1, 2. Halbs., 62 S. 2 VwVfG i.V.m. §§ 346 f., 360 BGB, so BlankenageU VerwArch 76 (1985), 276 (290 ff.) - werden aufgrund öffentlich-rechtlicher Lösungskonzepte die entsprechende Heranziehung der Regelungen über den Verwaltungsakt, §§ 40 - 44 VwVfG - so Götz, DÖV 1973, 298 (302) - oder schließlich die Erstreckung des Regelungsbereichs des Folgenbeseitigungsanspruchs auf den verwaltungsrechtlichen Vertrag befürwortet — so Sehenke y JuS 1977, 281 (284 f.) - bzw. die Geltung eines allgemeinen öffentlich-rechtlich fundierten Beseitigungsanspruchs angenommen - so Schimpf Verwaltungsrechtlicher Vertrag, insbes. S. 334 ff. - . 14 Pietzko

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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Zunächst ist erörterungsbedürftig, bei welcher Sachverhaltsgestaltung ein Eingriff in Gestalt einer vertraglichen Regelung Relevanz besitzt (unter aaa). - Daran anschließend ist zu untersuchen, ob die vertraglich begründeten Erfüllungshandlungen als relevanter Eingriffstatbestand i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs zu qualifizieren sind (unter bbb). - Sofern dies bejaht werden kann, stellt sich die Sonderproblematik des Eingreifens des Folgenbeseitigungsanspruchs bei lediglich rechtswidrigen und damit grundsätzlich rechtswirksamen öffentlich-rechtlichen Verträgen (unter ccc).

aaa) Die haftungsrelevante Fallsituation: Der auf vertraglicher Grundlage beruhende „Selbsteingriff des Bürgers" Von vornherein aus diesem Problemzusammenhang auszuschließen sind die Sachverhaltsgestaltungen, in denen bei Nichtigkeit des Verwaltungsvertrages der Rechtsschutz im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verwirklicht wird. Die Rückabwicklung einer zwischen den Vertragspartnern durch Geld- und Sachleistung erfolgten Vermögensverschiebung sowie die Rückgewähr sonstiger Leistungen findet im Falle der Nichtigkeit des Vertrages anerkanntermaßen über das Institut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs statt.261 Demgemäß scheidet in diesen Fällen das rechtliche Bedürfnis für das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs aus, zumal hinzu kommt, daß angesichts des freiwilligen Leistungscharakters der Erfüllungshandlungen der Folgenbeseitigungsanspruch ohnehin tatbestandlich mangels Eingriffsakts nicht gegeben wäre. Haftungsrechtliche Bedeutsamkeit im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs kommt demgegenüber für diejenigen Fallkategorien in Betracht, bei denen sich die zur Verwirklichung der vertraglichen Verpflichtung vorgenommene Handlung des Bürgers nicht als Leistung gegenüber der Verwaltung darstellt, welche deren Besitzstand tatsächlich oder rechtlich bereichert. Zu denken ist hierbei an vertragliche Vereinbarungen, bei denen sich der Bürger gegenüber der Behörde verpflichtet, eine für ihn belastende Maß261

Vgl. hierzu BVerwGE 55, 337 (339 f.); VGH Mannheim, NJW 1978, 2050 (2051 f.); Knack, VwVfG, § 59 Rdnrn. 6 f.; Maurer, AllgVerwR, § 14 Rdnr. 46 i.V.m. § 28 Rdnrn. 20 ff.; Obermayer, VwVfG, § 59 Rdnrn. 140 ff.; Ule/Laubinger, VerwVerfR, S. 552 ff. Hiervon in dogmatischer Hinsicht abweichend, befürworten einen Bereicherungsanspruch gem. § 62 S. 2 VwVfG i.V.m. § 812 BGB, Kopp, VwVfG, § 59 Rdnr. 29; Meyer/Borgs, VwVfG, § 59 Rdnr. 51; unklar Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 54 Rdnr. 75, § 59 Rdnr. 9, § 62 Rdnrn. 11 ff.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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nähme auszuführen. Deren Auswirkungen führen aber nicht zu einer Vermögensmehrung oder sonstigen Kapazitätserweiterung der Verwaltung, sondern bestehen lediglich in einer Einschränkung der Rechtssphäre des Betroffenen. Als Beispiel sei in Abwandlung einer Entscheidung des OVG Lüneburg 262 der Fall genannt, daß sich der Eigentümer einer formell rechtswidrigen Tankstellenanlage gegenüber der Baubehörde zu deren Beseitigung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes verpflichtet, um die Vollstreckung der von der Behörde unmittelbar geltend gemachten Beseitigungsaufforderungen abzuwenden. Im folgenden kommt der Bürger seiner vertraglich übernommenen Verpflichtung nach und reißt das Bauwerk ab. Stellt sich nunmehr die Unzulässigkeit des Verwaltungsvertrages aufgrund § 54 S. 1 VwVfG heraus,263 da der Betroffene rechtlich nicht zur Beseitigung des Bauwerks verpflichtet war, 264 und kommt der Bauherr den formellen Rechtsanforderungen nachträglich durch Beantragung der Bauerlaubnis nach, so erhebt sich die Frage, ob er von den staatlichen Stellen die Wiedererrichtung des Bauwerks verlangen kann. Über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch kann hier Rechtsschutz nicht gewährt werden. Inhaltlich konkretisiert durch die §§812 ff. BGB analog, setzt er nämlich grundsätzlich voraus, daß die Verwaltung „etwas durch Leistung" erlangt hat. 265 Fraglich erscheint bereits, ob in diesem 262 OVG Lüneburg, OVGE 16, 471. Vgl. auch den Beispielsfall bei Götz,, DÖV 1973, 298 (300 f.), in Anlehnung an die Entscheidung des OVG Münster, OVGE 16, 12. 263 Vgl. für die Zeit vor Geltung des VerwaltungsVerfahrensgesetzes OVG Lüneburg, OVGE 16, 471 (475), mit der überzeugenden Begründung, daß die Nichtigkeit der vertraglichen Regelung daraus folge, daß über dieses Regelungsinstrument nicht der Einsatz polizeilicher Mittel in Sachverhalten eröffnet werden dürfe, in denen die gesetzlichen Normen nicht erfüllt seien. Ebenso Kopp, VwVfG, § 54 Rdnr. 27; H.H. Rupp, JuS 1961, 59 (62); Wolff/Bachof\ VerwR I, § 44 II c, S. 347; nicht eindeutig Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 54 Rdnr. 55. 264 Es entspricht allgemein anerkannter Auffassung im Baurecht, daß die formelle Illegalität eines Bauwerks als solche, d.h. das Fehlen der Baugenehmigung, regelmäßig nicht das Recht der Baugenehmigungsbehörden zur Beseitigung der baulichen Anlage begründet. Denn dem Bauherrn steht bei einem materiell-rechtmäßigen Bauvorhaben ein subjektivöffentliches Recht auf Erlaß der Baugenehmigung zu, so schon das Preußische Oberverwaltungsgericht, z.B. PrOVGE 30, 281 (286) - seitdem st. Rspr.; vgl. hierzu Friauf\ in: v. Münch, Bes VerwR, S. 561 f., der zusätzlich darauf hinweist, daß sich diese Ansicht auch im Hinblick auf die oftmals betroffenen volkswirtschaftlich wichtigen Sachwerte durchgesetzt habe und demnach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche, so Friauf \ a.a.O., in Fußn. 477. Als Ausnahme von dem genannten Grundsatz nennt Friauf den Beispielsfall, daß bei Werbeanlagen u. dgl., die durch eine u.U. nur vorübergehende Entfernung nicht zerstört werden, ein Beseitigungsanspruch der Behörden gegeben sein könne, so Friauf\ a.a.O., in Fußn. 478, mit Bezug auf VGH Mannheim, BRS 28, Nr. 173, S. 348 f., sowie D. Meyer, MDR 1971, 978 (980). 265 Vgl. beispielsweise aus der Rspr.: BVerwG, NVwZ 1987, 887; BVerwG, DVB1. 1985, 850, mit Anm. Ossenbühl, JZ 1985, 795; OVG Berlin, NVwZ 1987, 61; VG Min-

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Zusammenhang von einer „Leistung" des Bürgers gesprochen werden kann. Doch selbst wenn man i m Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. B G B „ein Handeln in sonstiger Weise" bejaht, 2 6 6 so müßte zudem festgestellt werden können, daß die Verwaltung „etwas erlangt hat". Gerade dieses Tatbestandselement ist aber zu verneinen. Denn die Erfüllungshandlung des Betroffenen hat keine Erweiterung der behördlichen Rechtsstellung, indessen vielmehr eine Einschränkung der Rechtssphäre des Bürgers bewirkt. Dieser qualitative Unterschied hinsichtlich der Auswirkungen der Vertragsdurchführung führt folglich zum Ausscheiden der Anwendbarkeit des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs. Auch die Vorschrift des § 346 B G B i.V.m. § 6 2 S. 2 V w V f G vermag keine Abhilfe zu schaffen, da das hiernach vorausgesetzte Rückgewährschuldverhältnis nicht vorliegt. 267 Das gleiche Rechtsschutzproblem stellt sich in noch verstärkterem Maße, wenn man mit Götz in einem ähnlich gelagerten Fall annimmt, daß der öffentlich-rechtliche Vertrag im Hinblick auf den geregelten Vertragsgegenstand nicht wegen Verstoßes gegen § 54 S. 1 V w V f G unwirksam, sondern lediglich rechtswidrig, und mithin rechtswirksam ist. 2 6 8 Zusätzlich zu der Fra-

den, NVwZ 1985, 679 f.; vgl. weiterhin Schlechtriem, Palandt/Thomas, BGB, § 812 Anm. 2 a - c , 4 a - d .

in: Jauernig, BGB, § 812 Anm. 2;

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Ungeklärt ist im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, ob über dieses Rechtsinstitut auch Vermögensverschiebungen rückabgewickelt werden können, die i.S. des § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB „in sonstiger Weise" erfolgt sind. Aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach welcher der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch die Kehrseite des öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruchs darstellt - so beispielsweise bereits BVerwGE 4, 215 (219) - geht das VG Minden, NVwZ 1985, 679 (680), von der Nichtanwendbarkeit des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs aus und gewährt Rechtsschutz über die unmittelbare Geltung der §§ 812 ff. BGB, d.h. im Zivilrechtsweg. Vor dem Hintergrund einer weiteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, DVB1. 1985, 850 r. Sp. Mitte, nach der „Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen" über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch rückabzuwickeln sind, erscheint die enge Auslegung des Erstattungsanspruchs unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zwingend. Schon aus Gründen des einheitlichen Rechtsschutzes sollte die Bereicherung „in sonstiger Weise" grundsätzlich auch vom Regelungsbereich des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs mitumfaßt werden. Auf diese Problematik kann hier indes nicht näher eingegangen werden. Vgl. hierzu auch Ossenbühl, StHR, S. 211, m.w.N.in Fußn. 5; Wolff/ Bachof\ VerwR I, § 44 I b 6, S. 340 f. S. weiterhin zur Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs vom Folgenbeseitigungsanspruch die Darstellung in Kapitel 3 E III, S. 480 f. 267 Blankenagel, VerwArch 76 (1985), 276 (290 ff.), befürwortet demgegenüber im Rahmen der rechtswidrigen öffentlich-rechtlichen Verträge die Geltung der §§54 S. 1, 2. Halbs., 62 S. 2 VwVfG i.V.m. §§ 346 f., 360 BGB; s.a. den Nachweis in Fußn. 260. 268 Götz, DÖV 1973, 298 (300 f.), unter Bezugnahme auf OVG Münster, OVGE 16, 12. Die Frage der Rechtsfolge - Nichtigkeit oder bloße Rechtswidrigkeit des Vertrages offenlassend ders., JuS 1970, 1 (6).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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ge, ob hier im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs die „Vollzugshandlungen" aus dem Vertrag beseitigt werden können, erhebt sich das weitere Problem, ob über den Folgenbeseitigungsanspruch auch gegen den Vertrag als solchen vorgegangen werden kann. Dies ist erforderlich, weil der rechtswidrige Vertrag, solange er Bestand hat, die Legitimation für die Rechtsbeeinträchtigung bildet. Folglich ist die vorliegend beschriebene Fallkonstellation dadurch gekennzeichnet, daß der Bürger, um seiner vertraglich eingegangenen Verpflichtung nachzukommen, einen „Selbsteingriff" vornimmt, und sich im Nachhinein die Nichtigkeit oder zumindest die Rechtswidrigkeit der vertraglichen Vereinbarung herausstellt. Der Umstand, daß in § 9 VwVfG neben dem Handeln in Gestalt des Verwaltungsakts der Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages als Inhalt des Verwaltungsverfahrens legaldefiniert wird und die Tatsache, daß in § 54 S. 1 VwVfG die prinzipiell zulässige Austauschbarkeit von Verwaltungsakt und Vertrag festgeschrieben ist, verdeutlichen die Notwendigkeit, auch im Hinblick auf diese Fallkategorie das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs zu untersuchen. Die Frage nach seiner Geltung stellt sich dabei auch, um einer gezielten Wahl der Handlungsform durch die Behörde zur Umgehung von Rechtsschutzmöglichkeiten von vornherein entgegenzuwirken.

bbb) Tatbestandserfüllung des Folgenbeseitigungsanspruchs: Problematik des Vorliegens eines Eingriffsverhaltens Somit ist erörterungsbedürftig, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs bei vertraglichen Erfüllungshandlungen gegeben sind. Die Zweifel hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung beziehen sich dabei auf das Tatbestandselement des „Eingriffs". Dieses Tatbestandsmerkmal setzt begriffsnotwendig ein Agieren gegen den Willen des Rechtsinhabers voraus. Es beinhaltet, daß der Bürger als passiv Beteiligter einem staatlichen Einwirkungsverhalten ausgesetzt wird. Liegt demgegenüber das Einverständnis des Bürgers in die aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung hervorgerufene Rechtsveränderung vor, so schließt dies konsequenterweise prinzipiell ein Eingriffsverhalten aus. Die im Einvernehmen getroffene Rechtsfolgensetzung und die damit einhergehende Mitverantwortung für den Vertragsinhalt führt somit grundsätzlich zur Verneinung einer Eingriffshandlung. 269

269 Ebenso Obermayer, VwVfG, § 59 Rdnr. 30 i.V.m. Rdnr. 29; W. Henke, DVB1. 1984, 647 (648).

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Soweit dieses Ergebnis mit der Überlegung in Frage gestellt werden sollte, daß die Mitwirkung des Betroffenen am Vertragsschluß eine unwirksame Zustimmungshandlung oder einen rechtsungültigen Rechtsmittelverzicht darstelle, da den gesetzlichen Vorschriften über den individuellen Rechtsschutz hinaus eine Ordnungsfunktion zukomme, auf deren Beachtung der Betroffene nicht wirksam verzichten könne,270 würde dieser Einwand nicht überzeugen. Gegen eine derartige Argumentation erheben sich bereits aus rechtsdogmatischen Gründen Bedenken. Denn die Problematik, ob der Bürger rechtsgültig auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen verzichten kann, betrifft die Rechtswidrigkeit der Vereinbarung. Diesbezüglich ist zutreffend, daß dem Betroffenen die Rechtsmacht fehlt, durch eine Einwilligung in die rechtswidrige Regelung die Unbeachtlichkeit des Rechtsverstoßes zu erzwingen, wenn die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften auch im Allgemeininteresse geboten ist. Die Rechtswidrigkeit einer solchen vertraglichen Einigung steht somit außer Zweifel. In dem hier interessierenden Zusammenhang geht es jedoch um die Tatbestandsproblematik, ob ein Übergriff in die Rechtsstellung des Bürgers vorliegt. Hierbei handelt es sich nicht um die rechtliche Wertungsfrage, ob eine rechtswirksame Einwilligung gegeben ist, sondern vielmehr steht ein rein tatsächliches Problem auf der Tatbestandsebene in Rede. 271 Auch der Gedanke des Rechtsmittelverzichts stellt keine überzeugende Argumentationshilfe dar. Denn die Frage, ob ein rechtsgültiger Verzicht auf den Folgenbeseitigungsanspruch gegeben ist, kann sich erst dann stellen, wenn zuvor bereits das Eingreifen des Rechtsinstituts festgestellt wurde. In bezug auf die Erörterung der Frage, ob ein Eingriff vorliegt, vermag eine derartige Argumentation somit keine Aussage zu treffen. Mit den vorstehenden Überlegungen kann folglich das Vorliegen eines Eingriffsverhaltens nicht belegt werden. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob ausnahmsweise die zur Verwirklichung eines subordinationsrechtlichen Vertrages vom Bürger selbst vorgenommene Erfüllungshandlung einem behördlichen Eingriffsverhalten gleichgestellt werden muß. Dies setzt voraus, daß - obwohl der Betroffene die Rechtsbeeinträchtigung selbst durchgeführt und zuvor an dem Vertragsschluß mitgewirkt hat - dennoch die gleiche Rechts- und Interessenlage wie beim klassischen staatlichen Übergriff gegeben ist.

270

Einen Verzicht auf den Beseitigungsanspruch bzw. auf dessen gerichtliche Durchsetzbarkeit als Konsequenz der Mitwirkung des Bürgers beim Vertragsschluß verneinend: Schimpf\ Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 366 ff.; s. in diesem Zusammenhang auch Schenke, JuS 1977, 281 (284 ff.). 271

Vgl. in diesem Zusammenhang Obermayer, VwVfG, § 59 Rdnrn. 29 f.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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Für den sog. koordinationsrechtlichen Vertrag ist die Frage zu verneinen. Dieser Vertragstyp ist dadurch gekennzeichnet, daß hinsichtlich des Vertragsgegenstandes kein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen den Vertragspartnern vorliegt. 272 Die gleichberechtigte Stellung der Beteiligten schließt folgerichtig die Annahme eines Eingriffstatbestands bei Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen aus. Anderes muß jedoch dann gelten, wenn Bürger und Staat die Rechtsverhältnisse im Rahmen von sog. subordinationsrechtlichen Verträgen gestalten. Nach der Legaldefinition des § 54 S. 2 VwVfG ist diese Vertragsform dann anzunehmen, falls die Verwaltungsbehörden an Stelle des Vertrages auch eine Regelung durch Verwaltungsakt treffen könnten. Dies setzt voraus, daß sich entweder in bezug auf den konkreten Vertragsgegenstand oder aufgrund der maßgeblichen Rechtsnormen die Vertragsbeteiligten in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung gegenüberstehen.273 Steht jedoch der Verwaltung als Alternative die Handlungsform des Verwaltungsakts offen, so muß bei realitätsnaher Betrachtung davon ausgegangen werden, daß sich der Bürger oftmals nur unter dem Druck eines sonst befürchteten einseitigen Verwaltungshandelns zu der Mitwirkung am Vertragsschluß bereitfindet. In Unkenntnis der Rechtsschutzmöglichkeiten, die ihm bei der behördlichen Regelung durch Verwaltungsakt zustehen, wird er sich häufig für das scheinbar „kleinere Übel" der vertraglichen Vereinbarung entscheiden. Häufig wird das nicht gleichberechtigte Verhältnis auf den Vertragsinhalt „durchschlagen". Der zufallsbedingte Unterschied, ob die gleiche rechtliche Regelung durch Verwaltungsakt oder Vertrag getroffen wird, darf aber, da der Behörde beide Regelungsinstrumente gleichermaßen zur Verfügung stehen, nicht zu einem Rechtsschutzdefizit für den sachunkundigen Bürger führen. Hinzu kommt, daß mit zunehmender Bedeutung des Verwaltungsvertrages, ähnlich wie im Privatrecht, aus Effektivitäts- und Vereinfachungsüberlegun-

272 Kopp, VwVfG, § 54 Rdnr. 18; Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 54 Rdnr. 25; weiterhin Wolff/Bachof, VerwR I, § 44 II b, S. 345 f., die diesen Vertragstyp als „homogenen Vertrag" bezeichnen. Beispiele bilden die Zweckverbandsvereinbarung, kommunale Gebietsänderungsverträge und die Vereinbarung über die Unterhaltung von Brücken und Wegen; vgl. insgesamt zu den Beispielsfällen Kopp und Wolff/Bachof, a.a.O. 273 Knack, VwVfG, § 54 Rdnr. 4.2; Kopp, VwVfG, § 54 Rdnrn. 20 f.; Wolff/Bachof, VerwR I, § 44 II c, S. 346, die diese Vertragsform auch als „heterogenen Vertrag" definieren. Kritisch hinsichtlich der Begriffsbildung „koordinationsrechtlicher/subordinationsrechtlicher" Vertrag, z.B. Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 54 Rdnr. 25, und Püttner, DVB1. 1982, 122 (124). Als Anwendungsfälle sind exemplarisch die Vereinbarungen über Vorauszahlungen von Erschließungsbeiträgen, vgl. Knack, VwVfG, § 54 Rdnrn. 4.2.1 und 4.2.2; die Ablösungsverträge über Erschließungsbeiträge, s. hierzu BVerwG, DÖV 1982, 641; BVerwGE 22, 138; Weides, JuS 1978, 841 ff., zu § 133 Abs. 3 S. 2 BBauG a.F. sowie der Vertrag über eine Baudispenserteilung zu nennen, vgl. diesbezüglich BGH, DVB1. 1972, 824.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

gen heraus der Gebrauch sog. typisierter Vertragsformulare in den Vordergrund treten wird. Damit kommt aber gerade dem Gesichtspunkt, welcher gegen die Annahme eines Eingriffs sprechen könnte, die gleichberechtigte und engagierte Beteiligung beider Vertragspartner, in der Praxis zum Teil eine nur geringe Bedeutung zu. 274 Kann somit von einer individuellen und gleichberechtigten Beziehung zwischen den Vertragspartnern regelmäßig nicht gesprochen werden, 275 so sind überdies das einseitig dem Hoheitsträger offenstehende Kündigungsrecht des § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG sowie der zugunsten der Behörden eingreifende Vollstreckungsschutz nach § 61 Abs. 2 VwVfG als weitere Belege des bestehenden Ungleichgewichtes zu berücksichtigen.276 Da somit bei subordinationsrechtlichen Rechtsbeziehungen die Wahl der Handlungsform - Verwaltungsakt oder Vertrag - bei realitätsnaher Bewertung nichts an dem bestehenden Ungleichgewicht der Beteiligten ändert, es sich hierbei vielmehr um einen schwerpunktmäßig formalen Unterschied handelt, sind der behördliche Übergriff und die vom Bürger verwirklichte vertragliche Erfüllungshandlung in diesem Bereich gleichzubehandeln. Der darüber hinaus zufallsbedingte Umstand, ob der Bürger oder die Verwaltungsbehörde auf der vertraglichen Grundlage die Erfüllungshandlung vornimmt, erfordert ebenfalls eine Gleichbewertung von „Selbsteingriff" und „Fremdübergriff". Denn der Bürger leistet insoweit lediglich der vertraglich geschaffenen Rechtsgrundlage Folge. Demnach ist der „subordinationsrechtliche Selbsteingriff" dem typischen behördlichen Übergriff gleichzustellen. In diesem Regelungsbereich ist somit die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs grundsätzlich zu bejahen.277

274

Vgl. Maurer, AllgVerwR, § 14 Rdnr. 24.

275

Der Hinweis von Püttner, DVB1. 1982, 122 (124), daß die Terminologie des Gesetzes, die zwischen der ,»Behörde" und dem „Vertragspartner" differenziere, vgl. § 56 Abs. 1 S. 1 VwVfG, die Wertung beinhalten könnte, daß „die Behörde doch kein echter Vertragspartner" sei, ist wohl zu tiefgründig. Vielmehr liegt die Auslegung näher, daß die gesetzliche Begriffswahl aus Vereinfachungsgründen erfolgt ist, um den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten - Vertragsschluß zwischen der Behörde und einem beliebigen Vertragspartner - gerecht zu werden. 276 277

Vgl. hierzu Püttner, DVB1. 1982, 122 (124).

I.E. ebenso Schenke, JuS 1977, 281 (284 f.); vgl. weiterhin ders., DVB1. 1990, 328 (333 in Fußn. 42); Stern, StaatsR III/1, S. 676 f.; s. auch Rüfiier, Formen, S. 342. Einen Eingriffsakt hingegen infolge der zweiseitigen Rechtssetzung ablehnend: W. Henke, DVB1. 1984, 647 (648); ebenfalls die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs verneinend: H. Meyer, NJW 1977, 1705 (1707 in Fußn. 29). Hinzuweisen ist auf die darüber hinaus bestehende Rechtsschutzmöglichkeit der Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, vgl. Blankenagel, VerwArch 76 (1985), 276 (296), m.w.N.in Fußn. 68.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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ccc) Bedenken gegen das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs bei rechtswidrigen öffentlich-rechtlichen Verträgen Die grundsätzliche Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs bei vertraglich fundierten Selbsteingriffen des Bürgers ist allerdings dann zwei Einwänden ausgesetzt, wenn hinsichtlich der vertraglichen Regelung nicht die Nichtigkeitsfolge gem. § 59 VwVfG eingreift, sondern nur die Rechtswidrigkeit der Vereinbarung festgestellt werden kann.

(1) Einwände angesichts der Regelung der Fehlerfolgen von öffentlich-rechtlichen Verträgen in den §§ 59 ff. VwVfG So könnte der Umstand, daß in § 59 VwVfG als Fehlerregelung öffentlich-rechtlicher Verträge lediglich die Nichtigkeitsfolge des Vertrages ausdrücklich vorgesehen ist, und diese Sanktionsnorm nach dem expressis verbis geäußerten gesetzgeberischen Willen abschließenden Charakter aufweist, 278 Einwände in bezug auf das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs im Falle der nur rechtswidrigen Verträge provozieren. 279 § 59 VwVfG liegt die Wertung zugrunde, daß prinzipiell dem einvernehmlichen Verwaltungshandeln auch bei Rechtsverstößen Wirksamkeit beizumessen ist. Demgemäß ist in bezug auf den Verwaltungsvertrag kein dem Anfechtungsrecht beim rechtswidrigen Verwaltungsakt, vgl. §§42 Abs. 1 S. 1, 1. Alt., 113 Abs. 1 S. I VwGO, entsprechendes Aufhebungsrecht normiert. 280 Die Unrechtmäßigkeit des Vertrages ist vielmehr gem. § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG nur dann beachtlich, wenn beide Vertragspartner die Rechtswidrigkeit der Vereinbarung kannten, d.h. insbesondere bei kollusivem Zusammenwirken,281 was in der Praxis indessen kaum nachweisbar sein wird.

278

Vgl. die Amtl. Begr. des Regierungsentwurfs 1973 zu § 55 VwVfG, BT-Drucks. 7/ 910, S. 81. S. weiterhin Kopp, VwVfG, § 59 Rdnr. 2. 279 Ablehnend z.B. Frank, DVB1. 1977, 682 (686 f.); W. Henke, DVB1. 1984, 647 (648); H. Meyer, NJW 1977, 1705 (1707 in Fußn. 29); Ule/Laubinger, VerwVerfR, S. 541 f.; vgl. auch Wolff/Bachof VerwR I, § 44 I I c 3, S. 349. 280 Vgl. die Amtl. Begr. des Regierungsentwurfs 1973 zu § 55 VwVfG, BT-Drucks. 7/ 910, S. 81. S. auch Knack, VwVfG, § 59 Rdnr. 1.2; Wolff/Bachof VerwR I, § 44 II e 3, S. 349. Im Unterschied zur bundesrechtlichen Normierung sieht die Regelung in § 126 Abs. 3 schlholVwVfG die Möglichkeit vor, bei einem Verstoß gegen den Vorrang und den Vorbehalt des Gesetzes in weiteren Fällen innerhalb einer Monatsfrist nach Vertragsabschluß die Unwirksamkeit des Vertrages geltend zu machen. 281 Amtl. Begr. des Regierungsentwurfs 1973 zu § 55 VwVfG, BT-Ducks. 7/910, S. 82. Vgl. weiterhin Kopp, VwVfG, § 59 Rdnr. 19; Meyer/Borgs, VwVfG, § 59 Rdnr. 35; Stelkens /Bonk/Leonharde VwVfG, § 59 Rdnr. 19; s. auch Obermayer, VwVfG, § 59 Rdnrn. 92 ff.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Auch das durch § 60 Abs. 1 VwVfG eröffnete Kündigungsrecht erfordert keine andere Bewertung. Denn der nach § 60 Abs. 1 S. 1 VwVfG sowohl zugunsten des Bürgers als auch der Behörde eingreifende Kündigungsanspruch erfaßt nur die Fälle, in denen bestimmte Umstände nach Vertragsschluß eine Loslösung von der vertraglichen Vereinbarung erfordern. Er entfällt, wenn das Vertragsverhältnis bereits abgewickelt ist. 282 § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG schließlich, der eine Kündigungsmöglichkeit bei Nachteilen für das Gemeinwohl vorsieht - was teilweise bei Rechtswidrigkeit des Vertrages angenommen wird 283 - greift lediglich zum Vorteil der Verwaltungsbehörden ein. Sehen die §§59 ff. VwVfG somit die grundsätzliche Wirksamkeit rechtswidriger öffentlich-rechtlicher Verträge vor, so könnte eine potentielle Aufhebung des Vertrages bzw. seiner „Vollzugsfolgen" über den Folgenbeseitigungsanspruch als Umgehung dieser gesetzlichen Wertentscheidung anzusehen sein. Es ist jedoch zu fragen, ob bei der pauschal angeordneten Sanktionslosigkeit von Rechtsverstößen außerhalb der zur Nichtigkeit führenden Rechtsüberschreitungen stehengeblieben werden kann.284 Möglicherweise erfordert die verfassungskonforme Auslegung der §§59 ff. VwVfG eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Vertragstypen in Richtung auf die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs. Soweit in diesem Zusammenhang die verfassungsrechtlich garantierte Rechtsschutzeröffnung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als Argument gegen die generelle Rechtswirksamkeit rechtswidriger Verträge angeführt wird, 285 ist dem allerdings entgegenzuhalten, daß dieser Vorschrift mit Rücksicht auf ihren überwiegend anerkannten rein prozessualen Charakter 286 keine Aussage

282

Schenke, JuS 1977, 281 (291); vgl. auch Thieme, NJW 1974, 2201 (2202).

283

Diese Frage ist umstritten. Bejaht wird sie beispielsweise von Schenke, JuS 1977, 281 (290 f.); ablehnend jedoch Obermayer, VwVfG, § 59 Rdnr. 26. 284 In diesem Sinne z.B. Frank, DVB1. 1977, 682 (685 ff.); H. Meyer, NJW 1977, 1705 (1707 in Fußn. 29); Obermayer, VwVfG, § 59 Rdnrn. 25 ff. Bedenken im Hinblick auf die Rechtswirksamkeit rechtswidriger Verträge hingegen bei Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 27 IV, S. 336; Götz, DÖV 1973, 298 (302); ders., NJW 1976, 1425 (1430); Maurer, JuS 1976, 485 (495); Schenke, JuS 1977, 281 (283 ff.); Schimpf, Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 332 ff. Vgl. weiterhin Schenke, DVB1. 1990, 328 (333 in Fußn. 42); Stern, StaatsR III /1, S. 676 f. 285

So Blankenagel, VerwArch 76 (1985), 276 (281 f.); Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 27 IV, S. 336; ders., in VerwArch 68 (1977), 65 (69); Götz, DÖV 1973, 298 (302). 286

Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 D II 2, S. 92 ff. mit Nachweisen ebd., Fußn. 167, 176 und 179.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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hinsichtlich der Anwendbarkeit eines materiellen Aufhebungs- bzw. Beseitigungsrechts entnommen werden kann.287 Die Einwände gegen die pauschale Unbeachtlichkeit unrechtmäßiger Vertragsvereinbarungen auf dem Rechtsgebiet des öffentlichen Rechts beruhen vielmehr letztlich auf dem Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG, 2 8 8 und dessen Subjektivierung in den Freiheitsgrundrechten. 289 Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes sowie eine Verletzung des Prinzips des Gesetzesvorbehalts könnte bei oberflächlicher Betrachtung jedoch insofern bezweifelt werden, weil schließlich der Gesetzgeber selbst in den §§59 ff. VwVfG die Beschränkung der Nichtigkeitsgründe angeordnet hat. Die hier getroffene gesetzgeberische Regelung kann indes angesichts der verfassungsrechtlich verbürgten Freiheitsgrundrechte nur dann Bestand haben, wenn die hinter ihr stehende Wertung zutreffend ist. Fehl geht der zur Rechtfertigung der §§59 ff. VwVfG seitens des Gesetzgebers vorgenommene Hinweis auf den Grundsatz „pacta sunt servanda"290 bereits deshalb, weil dieses Prinzip über die Rechtswidrigkeit von Verträgen selbst keine Aussage trifft, sondern nur die Rechtsfolgen rechtsgültiger Verträge regelt. 291 Der des weiteren betonte Umstand, daß ein generelles Aufhebungsrecht rechtswidriger öffentlich-rechtlicher Verträge mit dem Wesen der Vertragsform nicht vereinbar sei, vermag in dieser Generalisiertheit nicht zu überzeugen. Hinter dieser Aussage verbirgt sich die Überlegung, daß der öffentlich-rechtliche Vertrag, anders als der Verwaltungsakt, im einvernehmlichen Zusammenwirken von gleichberechtigten Vertragspartnern geschlossen wird. Die Beteiligung des Bürgers beim Zustandekommen der vertraglichen Vereinbarung und damit einhergehende Gestaltungsmöglichkeit rechtfertige es, den Rechtsschutz bei rechtswidrigen Verträgen einzuschränken. Denn entscheidend sei, daß der Betroffene an der Vertragsgestaltung mitgewirkt und sich damit auch mit einem unrechtmäßigen Vertragsinhalt einverstanden erklärt habe.292

287 S. Schenke, JuS 1977, 281 (283 f.), der die Bedeutung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG jedoch letztlich offenläßt; s. auch Meyer/Borgs, VwVfG, § 59 Rdnr. 6; s. weiterhin die Darstellung in Kapitel 1 D II 2, S. 92 ff. mit Nachweisen ebd., Fußn. 176. 288

BlankenageU VerwArch 76 (1985), 276 (278 ff.); Schenke, JuS 1977, 281 (285 f.).

289

Vgl. Schenke, JuS 1977, 281 (285).

290

So aber die Amtl. Begr. zum Regierungsentwurf 1973 zu § 56 VwVfG, BT-Drucks. 7/910, S. 82. 291 Schenke, JuS 1977, 281 (286 f. mit Fußn. 73), bezugnehmend auf Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, S. 41; vgl. weiterhin Maurer, JuS 1976, 485 (495). 292

Amtl. Begr. des Regierungsentwurfs 1973 zu § 55 VwVfG, BT-Drucks. 7/910, S. 81,

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs Diese an zivilrechtlichen Grundsätzen orientierte Betrachtungsweise ruft allerdings Bedenken hervor, weil die angenommene Prämisse des gleichgeordneten Bürgers nur im Falle des sog. koordinationsrechtlichen Vertrages angenommen werden kann. Das wesensbestimmende Charakteristikum jener Vertragsart besteht, wie bereits erwähnt darin, daß in bezug auf den Vertragsgegenstand zwischen den Vertragspartnern ein Gleichordnungsverhältnis vorliegt. 293 In solchen Fällen erscheint es in der Tat sachgerecht, den Bürger wie im Privatrecht an dem Vertragsinhalt festzuhalten. Die gilt jedoch dann nicht, falls zwischen der Privatperson und dem Hoheitsträger eine Regelung im Rahmen eines subordinationsrechtlichen Vertrages getroffen wird. Vorstehend wurde dargelegt, daß in diesem Regelungsbereich das formal partnerschaftliche Rechtsverhältnis zwischen Bürger und Behörde nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß hier regelmäßig für den Betroffenen ein Sachzwang zum Eingehen der vertraglichen Bindung gegeben ist, um die anderenfalls befürchtete scheinbar noch ungünstigere Handlungsform des Verwaltungsakts zu vermeiden. Soll mit der Schutzfunktion der öffentlich-rechtlichen Rechtsvorschriften Ernst gemacht werden, so ist indes davon auszugehen, daß die grundsätzlich vom Gesetzgeber vorgesehene Wirksamkeit rechtswidriger Verträge dann über verfassungsrechtlich verankerte Rechtsinstitute wie den Folgenbeseitigungsanspruch modifiziert werden darf, wenn die gesetzgeberische Wertung, die zu der Normierung in den §§59 ff. VwVfG geführt hat, mit Rücksicht auf die Freiheitsgarantien in bestimmten Regelungsbereichen nicht zu überzeugen vermag. Nur eine derartige differenzierte Behandlung der verschiedenen Vertragstypen wird der Tatsache gerecht, daß die aus dem Privatrecht entliehene Vertragsform in dem ansonsten sich streng formalisierender Regelungsinstrumente bedienenden öffentlichen Recht einen Fremdkörper darstellt. Bestätigt wird dies durch den allgemein anerkannten Grundsatz, demzufolge auch sonst bei entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Institute im öffentlichen Recht die strengeren Bindungen für die Verwaltung u.U. eine Modifizierung und Anpassung der privatrechtlichen Handlungsformen zwingend erfordern können.294 Das muß auch deshalb gelten, um einem gezielten Formenmißbrauch der Verwaltung zur Umgehung ansonsten bestehender Rechtsschutzmöglichkeiten vorzubeugen.295 zu § 56 VwVfG, S. 82; vgl. weiterhin Frank, DVB1. 1977, 682 (686); Kopp, VwVfG, § 59 Rdnr. 3; Meyer/Borgs, VwVfG, § 59 Rdnr. 8; Obermayer, VwVfG, § 59 Rdnr. 29; Wolff/ Bachof, VerwR I, § 44 II e 3, S. 349. 293

Vgl. dazu die Nachweise in Fußn. 272.

294

S. hierzu die Ausführungen in Kapitel 1 D III 1, S. 122 ff., sowie die Nachweise ebd., Fußn. 283-285. 295

Schenke, JuS 1977, 281 (284); Schimpfi Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 338; vgl. auch BlankenageU VerwArch 76 (1985), 276 (280); Thieme, NJW 1974, 2201 (2204).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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Aus diesen Gründen ist auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtungsweise davon auszugehen, daß die vom Gesetzgeber mit den §§59 ff. VwVfG beabsichtigte prinzipielle Wirksamkeit gegen die Rechtsordnung verstoßender Verträge nur im Falle der koordinationsrechtlichen Verträge Geltung beanspruchen kann. Mit Rücksicht auf die Bindung der Verwaltung an die grundrechtlichen Freiheitsrechte sind die §§59 ff. VwVfG dahingehend auszulegen, daß sie die ergänzende Geltung eines Aufhebungs- bzw. Beseitigungsrechts bei rechtswidrigen subordinationsrechtlichen Verträgen nicht ausschließen.296 Mithin steht die Regelung in den §§ 59 ff. VwVfG der Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs beim „subordinationsrechtlichen Selbsteingriff" nicht entgegen.

(2) Einwand im Hinblick auf den Regelungsgehalt des Folgenbeseitigungsanspruchs: Kein Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs gegen den Vertrag als solchen Als weiterer Vorbehalt gegen die Heranziehung des Folgenbeseitigungsanspruchs bei lediglich rechtswidrigen Verträgen wird eingewandt, der Folgenbeseitigungsanspruch könne seinem Inhalt nach - wenn überhaupt eingreifend - nur auf die Beseitigung der „Vollzugsfolgen" gerichtet sein, nicht jedoch gegen den Vertrag als solchen geltend gemacht werden. 297 An dieser Kritik ist zutreffend, daß auch im Rahmen des Rechtsschutzes gegen rechtswidrige Verwaltungsakte grundsätzlich zwischen dem Anfechtungsrecht hinsichtlich des Verwaltungsakts selbst und dem Folgenbeseitigungsanspruch, der gegenüber den Folgen geltend gemacht werden kann, die aus der Umsetzung des Verwaltungsakts entstanden sind, unterschieden wird. Der Umstand, daß in den §§59 ff. VwVfG kein Aufhebungsanspruch hinsichtlich des rechtswidrigen Vertrages vorgesehen ist, diese Tatsache jedoch im Falle des „subordinationsrechtlichen Selbsteingriffs" verfassungsrechtlich nicht haltbar ist, muß zur Realisierung eines wirksamen Rechtsschutzes dazu führen, den Folgenbeseitigungsanspruch auch auf die Beseitigung des Vertrages als solchen zu erstrecken. Hierfür spricht die verfassungsrechtliche Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs in den Freiheitsgrundrechten, die als Abwehrrechte gegen den unrechtmäßigen Hoheitsakt sowie die daraus resultierenden haftungs296

I.E. ähnlich Schenke, JuS 1977, 281 (283 ff.), sowie Schimpf Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 332 ff., die jedoch nicht so streng zwischen koordinationsrechtlichen und subordinationsrechtlichen Verträgen unterscheiden. Vgl. auch Rüfner, Formen, S. 342. 297

So Frank, DVB1. 1977, 682 (686 f.).

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs rechtlichen Konsequenzen zu charakterisieren sind. Da außerdem der Folgenbeseitigungsanspruch nach richtiger Ansicht einen Reaktionsanspruch gegen die rechtswidrige Zustandsveränderung als solche beinhaltet,298 ist seine Geltung auch im Hinblick auf die Aufhebung des Vertrages zu befürworten. 299 Folglich stehen der Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs bei rechtswidrigen öffentlich-rechtlichen Verträgen keine überzeugenden Bedenken entgegen.

b) Hoheitsakte der Rechtsprechung Auch wenn der Folgenbeseitigungsanspruch als Antwort auf die Eingriffe der Exekutivbehörden entwickelt worden ist, können über diesen ursprünglichen Geltungsrahmen hinaus - allerdings in einem begrenzten Umfang Maßnahmen der Judikative als haftungsauslösende Akte in Betracht kommen. Unter rechtsprechender Gewalt werden dabei gem. den Art. 92 1. Halbs., 97 Abs. 1, 2 GG solche Hoheitsakte verstanden, die in personeller Hinsicht durch Richter ausgeübt werden, d.h. durch Personen, denen die sachliche und persönliche Unabhängigkeit zusteht. Dies ist insbesondere bei den Berufsrichtern, bei den Schöffen sowie bei den ehrenamtlichen Richtern, nicht hingegen bei den Rechtspflegern, anzunehmen.300

aa) Rechtsprechungsakte außerhalb des Normbereichs des Folgenbeseitigungsanspruchs Nicht dem Regelungsrahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs unterfallen diejenigen richterlichen Hoheitsakte, bei denen der Richter eine endgültige, der formellen bzw. materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung in einem Rechtsstreit trifft. 301 In bezug auf Urteile sowie ggf. auf Beschlüsse, bei de298 Grundlegend Bettermann, DÖV 1955, 528 (535); Weyreuther, Gutachten, S. Β 66 ff., s. auch S. Β 102 f.; vgl. außerdem Schimpf\ Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 336 f., 339 mit Fußn. 32, wo er in seiner Kritik an Büchner, Bestandskraft, S. 57 f., darlegt, daß dessen Annahme, der Beseitigungsanspruch sei auf die tatsächlichen Folgen eines Rechtsakts beschränkt, „antiquiert ist". 299

Vgl. Schimpf; Verwaltungsrechtlicher Vertrag, S. 336 ff.

300

Vgl. hierzu BVerfGE 30, 170 (171 ff.); 27, 312 (319 ff.); 26, 186 (192 ff.); 18, 241 (252 ff.); weiterhin Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 279, zu § 839 Abs. 2 BGB; s. zu § 5 StHG, Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 47, sowie Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnrn. 760 f.; Boos/Haarmann, Staatshaftung, Rdnr. 504. 301 Ebenso grundsätzlich § 5 Abs. 1 S. 1, 1. Halbs. StHG 1981, hierzu Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 46 f.; s. weiterhin RE zu § 5 Abs. 1, S. 93 ff.; KB zu § 7 Einleitung, S. 101 f.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs nen es um die abschließende Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten geht, muß der Folgenbeseitigungsanspruch ausgeschlossen werden. Anderenfalls würden die rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens umgangen. Diese im Rahmen des sog. Richterprivilegs des § 839 Abs. 2 S. 1 BGB anerkannten Grundsätze302 beanspruchen gleichermaßen in bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch Geltung.303 Es erscheint allerdings sachgerecht, von diesem Grundsatz in Anlehnung an die Regelung in § 839 Abs. 2 S. 1 BGB dann eine Ausnahme zuzulassen, sofern der Richter einen Straftatbestand, vgl. §§ 332, 336 StGB, vorsätzlich verwirklicht. Da in den Fällen der Rechtsbeugung auch das Eingreifen des nicht gesetzlich normierten enteignungsgleichen Eingriffs befürwortet wird, 304 ist die Anerkennung des Ausnahmetatbestands zur Verwirklichung materieller Gerechtigkeit auch beim Folgenbeseitigungsanspruch geboten.305 bb) Richterliche Tätigkeit mit haftungsrechtlicher Bedeutung im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs Eine Einbeziehung richterlicher Hoheitsakte in den Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs kommt demgegenüber zum einen dann in Betracht, wenn der Richter Maßnahmen gegenüber Personen anordnet, die nicht von der Bindungswirkung der richterlichen Entscheidung erfaßt werden, d.h. z.B. im Verhältnis zu Prozeßbevollmächtigten, Zeugen oder Sachverständigen. Zum anderen kommt solchen Rechtsprechungsakten haftungsrechtliche Bedeutung zu, die, obgleich sie gegenüber Verfahrensbeteiligten vorgenommen werden, nicht zu einer Tangierung der formellen und materiellen Rechtskraft führen. Häufig wird es sich dabei um Akte handeln, welche in materieller Hinsicht als Verwaltungstätigkeit zu qualifizieren sind.306 Zu den302

Vgl. BGHZ 64, 347 (349); Ossenbühl, StHR, S. 61; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnrn. 277 f. 303 Ebenso Böß, Vergleich, S. 63; s. außerdem Stern, StaatsR III/1, S. 679. Vgl. zu § 5 StHG 1981 die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 46 f.; RE zu § 5, S. 93 f.; KB zu § 7 Einleitung, S. 101. Vgl. ferner BGHZ 50, 14 (19 ff.), in bezug auf die Haftung aus Aufopferung; entsprechendes gilt für den enteignungsgleichen Eingriff, vgl. Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 III 1, S. 575. 304 Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 III 1, S. 575, bezugnehmend auf BGHZ 50, 14 (19 ff.), im Hinblick auf die Aufopferung. 305

Vgl. § 5 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. StHG 1981, wonach bei Rechtsprechungsakten die Haftung nach dem StHG dann eingreifen sollte, wenn die Pflichtverletzung eine Straftat darstellt und die Entscheidung rechtskräftig aufgehoben worden ist. S. weiterhin Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 439. 306 S. hierzu in bezug auf § 3 StHG 1981: die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/ 2079, S. 47, sowie Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnrn. 765 ff. S. weiterhin die Regelung in § 5 Abs. 1 S. 2, 3 StHG 1981.

4

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

ken ist hierbei insbesondere an ehrverletzende Äußerungen eines Richters im Rahmen eines Prozesses. Diese können einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Verfahrensbeteiligten oder dritter Personen beinhalten. 307 Zwar bestehen mit Rücksicht auf den Schutz der richterlichen Unabhängigkeit gem. Art. 97 GG, § 25 DRiG Bedenken in bezug auf die Durchsetzbarkeit eines Widerrufsanspruchs gegenüber dem Richter im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs.308 Aus den genannten Vorschriften kann insoweit eine Duldungspflicht für den in seiner Ehre beeinträchtigten Bürger erwachsen.309 Hierbei handelt es sich indes um eine Fragestellung, die bei dem Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit zu erörtern ist. 310 Die tatbestandliche Wirkung der richterlichen Äußerung wird von dieser Problematik nicht berührt, weshalb ein Eingriff i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs zu bejahen ist. Das vorstehende Ergebnis erscheint vor allen Dingen deshalb sachgerecht, weil ansonsten, d.h. bei Ablehnung eines Eingriffs, der Ehrschutz des betroffenen Bürgers bereits auf einer frühen tatbestandlichen Prüfungsebene pauschal ausgeschlossen würde. Eine solche Einschränkung ist jedoch mit der Zielsetzung des Rechtsinstituts, einen umfassenden Grundrechtsschutz zu gewähren, nicht vereinbar. Außerdem muß die Bedeutung des Ehrschutzes in der heutigen Zeit einer differenzierenden Beurteilung zugänglich sein. Diese ist jedoch nur im Rahmen des Tatbestandselements der Rechtswidrigkeit, nicht jedoch durch eine ausnahmslose Verneinung der Eingriffsqualität richterlicher ehrverletzender Äußerungen zu erreichen. Folglich kommen insbesondere ehrkränkende Erklärungen eines Richters während des Gerichtsverfahrens gegenüber Verfahrensbeteiligten oder Dritten als erhebliches Eingriffsverhalten im Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs in Betracht. 307 Vgl. OVG Münster, NJW 1988, 2636 - Ehrkränkende Äußerung eines Richters gegenüber einem Prozeßbevollmächtigten in der dienstlichen Stellungnahme zu einem Befangenheitsantrag; hierzu Hager, NJW 1989, 885 (886); OVG Münster, U. v. 4.6.1985 20 A 659/84 - (unveröffentl.), S. 5 f. - Äußerung eines Richters im Rahmen einer richterlichen Verfügung; OVG Münster, U. v. 9.2.1983 - 20 A 2078/82 - (unveröffentl.), S. 8 Ausführungen in einem Beschluß des Amtsgerichts. S. außerdem zu §§ 3 Abs. 1 S. 1, 5 Abs. 1 S. 2 StHG 1981, Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnrn. 439, 768, sowie Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 36, in bezug auf Ehrkränkungen eines Richters gegenüber Zeugen und anderen Drittbeteiligten. 308

OVG Münster, NJW 1988, 2636 f.; Hager, NJW 1989, 885 (886); offenlassend, OVG Münster, U. v. 4.6.1985 - 20 A 659/84 - (unveröffentl.), S. 6; OVG Münster, U. v. 9.2.1983 - 20 A 2078/82 - (unveröffentl.), S. 8 f. 309

Vgl. Hager, NJW 1988, 885 (886). Das OVG Münster, NJW 1986, 2636 (2637), will die Frage, in welchem Ausmaß die Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit zu einer Begrenzung des Widerrufsanspruchs führt „im Wege der praktischen Konkordanz bei der Bestimmung der Anspruchsgrundlage und deren Reichweite ... ermitteln." 310

Vgl. die Darstellung unter Β IV 2, S. 339 ff.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

c) Legislativakte Zu erörtern bleibt, ob auch Hoheitsakte des Gesetzgebers in den Geltungsrahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs einzubeziehen sind. Bei der Darstellung soll dabei zwischen den zwei nachfolgenden Fallvarianten differenziert werden, bei denen Maßnahmen der Gesetzgebung eine haftungsrechtliche Rolle i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs spielen können.

aa) Rechtswidrige

Eingriffsfolgen, die durch die Rechtsnorm als solche entstehen

Die erste Fallkonstellation ist dadurch gekennzeichnet, daß die Rechtsbeeinträchtigung des Bürgers nicht erst durch eine Vollzugsmaßnahme, sondern bereits durch den Normsetzungsakt als solchen begründet wird. Im Hinblick auf den unterschiedlichen Rechtscharakter der in Frage kommenden Ermächtigungsgrundlagen - förmliches Gesetz, Rechtsverordnung und Satzung - , der möglicherweise auch zu verschiedenen Ergebnissen bezüglich der Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs führt, werden die einzelnen Rechtsnormarten getrennt dargestellt.

aaa) Das förmliche Gesetz als Eingriffsakt Als erstes soll auf die Rechtsbestimmungen eingegangen werden, die vom Parlament in einem formalisierten Gesetzgebungsverfahren erlassen werden.

(1) Haftungsrechtliche Relevanz förmlicher Gesetzgebungsakte im Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs Haftungsrechtliche Bedeutsamkeit können dabei vor allem solche Rechtsvorschriften besitzen, die dem Regelungsadressaten eine Verpflichtung zur Veränderung tatsächlicher Gegebenheiten auferlegen. Zur Verdeutlichung sei der Fall angenommen, daß zur Vereinheitlichung des europäischen Binnenmarktes eine bundesgesetzliche Regelung den Lebensmittelherstellern bestimmte zwingende Vorgaben hinsichtlich der Produktion der Waren macht, wodurch eine technische Umrüstung bestehender Anlagen erforderlich wird. Angenommen, diese Rechtsnorm ist wegen Verletzung formeller Kompetenzbestimmungen verfassungswidrig, so besteht über das Rechtsmittel der Verfassungsbeschwerde gem. Art. 93 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§90 ff. BVerfGG zunächst die Möglichkeit, die Rechtsvorschrift anzugreifen. Das 15 Pietzko

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs Bundesverfassungsgericht stellt bei Unvereinbarkeit des Gesetzes mit höherrangigen Bestimmungen regelmäßig die Nichtigkeit des Legislativakts fest, vgl. §§ 78 S. 1, 95 Abs. 3 S. 1 BVerfGG. 311 Das bedeutet nach herrschender Auffassung, daß die verfassungswidrige Bestimmung von Anfang an, d.h. mit Wirkung ex tunc ohne weiteren Gestaltungsakt ipso iure rechtsunwirksam ist. 312 Der Regelungsadressat wird jedoch u.U., da er einem von Anfang an unwirksamen normativen Befehl nachgekommen ist, darüber hinausgehend ein Interesse daran haben, den ursprünglichen Rechtszustand wiederherzustellen, indem die aufgezwungene Umgestaltung der Produktionsanlagen wieder rückgängig gemacht wird. § 79 Abs. 2 BVerfGG, der die Rechtsfolgen der Nichtigkeitserklärung regelt, trifft hierfür keine Regelung. Vielmehr werden nach § 79 Abs. 2 S. 4 BVerfGG ausdrücklich nur Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, also auch öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche, ausgeschlossen. Mithin erhebt sich in dieser Fallkonstellation die Frage nach dem Eingreifen eines auf die Folgen der Rechtsbeeinträchtigung abzielenden Beseitigungsanspruchs, und damit nach der Anwendbarkeit des Anspruchs auf Folgenbeseitigung. (2) Die Anwendbarkeit

des Folgenbeseitigungsanspruchs

Zweifelhaft erscheint allerdings, ob die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs bei abstrakt-generellen Regelungen, wie sie die förmlichen Gesetze verkörpern, befürwortet werden kann. (a) Die Haftung für normatives Unrecht im Geltungsbereich des enteignungsgleichen Eingriffs Da diese Problematik im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs nur vereinzelt erwähnt wird, 313 hingegen im Bereich des staatshaftungsrechtlichen 311 Vgl. zur Nichtigerklärung verfassungswidriger Normen Schiaich, Bundesverfassungsgericht, S. 161 ff. Daneben sei ergänzend darauf hingewiesen, daß das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus die Entscheidungsvariante entwickelt hat, daß lediglich die Unvereinbarkeit der verfassungswidrigen Norm mit der Verfassung festgestellt wird, ohne indes die Nichtigkeit des Gesetzes zu konstatieren; nunmehr geregelt in §§ 31 Abs. 2 S. 2, 3; 79 Abs. 1 BVerfGG. S. hierzu Schiaich, a.a.O., S. 167 ff., m.w.N. auf das zum Teil kritische Schrifttum in Fußn. 45; Stern, StaatsR Π, S. 1039 ff.; ders., StaatsR I I I / 1 , S. 677 f. 3,2

Schiaich, Bundesverfassungsgericht, S. 161; Stern, StaatsR Π, S. 1039; ders., StaatsR III /1, S. 677. 313 Für die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs in diesem Problembereich: Böß, Vergleich, S. 61 f., soweit der Folgenbeseitigungsanspruch auf Geldersatz gerichtet sei; Haas, System, S. 67; Lerche, Übermaß, S. 169 ff.; Röhder, MDR 1970, 6 (9). S. weiterhin ausführlich Schenke, Rechtsschutz, S. 73 ff., 147 ff.; Stern, StaatsR m / 1 , S. 677 ff. Vgl. außerdem Detterbeck, JA 1991, 7 (12).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs Instituts des enteignungsgleichen Eingriffs umfassend diskutiert wird, liegt es nahe, die dort geltenden Grundsätze hinsichtlich der staatlichen Verantwortlichkeit für normative Rechtsübergriffe auf die Möglichkeit der entsprechenden Heranziehung beim Folgenbeseitigungsanspruch hin zu überprüfen. Aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 314 sowie der zum Teil in der Rechtslehre vertretenen Ansicht315 ist eine Haftung hinsichtlich der nachteiligen Auswirkungen eines mit der Verfassung nicht zu vereinbarenden formellen Gesetzes und dessen Vollzuges unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs ausgeschlossen. Zur Begründung werden im wesentlichen zwei Argumente vorgetragen. Da die Zuerkennung von Entschädigungsansprüchen für legislative Unrechtsmaßnahmen mit weitgehenden Konsequenzen für die Staatsfinanzen verbunden sei, werde eine Regelung des Fragenkomplexes durch den Parlamentsgesetzgeber für erforderlich gehalten. 316 Die Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Normierung folge zudem aus der Überlegung, daß bezüglich der Haftung des Staates für verfassungswidrige Legislativakte verschiedene Lösungskonzepte denkbar seien, 317 was durch die im Rahmen der Staatshaftungsreform von 1981 diskutierten unterschiedlichen Regelungsmodelle bestätigt werde. 318 Diese Proble314 BGHZ 100, 136 (145 ff.), bestätigt und ausgedehnt auf die Verantwortlichkeit wegen enteignenden Eingriffs durch BGH, DÖV 1988, 341 (343 f.); a.A. BGHZ 25, 266 (269 f.); vgl. weiterhin BGHZ 92, 34 (36); 78, 41 (43); 56, 40 (42), allerdings in bezug auf die Haftung für Rechtsverordnungen bzw. Satzungen, die auch aufgrund der neueren Rechtsprechung ausdrücklich vom Haftungsausschluß ausgenommen worden sind, vgl. BGHZ 100, 136 (147). S. auch BGH, BB 1988, 1701. S auch Boujong, in: Festschrift für Geiger, S. 430 ff. 315

RGRK IKreft, BGB, § 839 Rdnr. 221; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rdnr. 446. Kritisch hingegen Detterbeck, JA 1991, 7 (9 ff.); Rüfner, in: Erichsen /Martens, AllgVerwR, § 52 III. 1, S. 576 f., insbesondere, soweit nach der neueren Rechtsprechung auch eine Entschädigung für Vollzugsakte aufgrund rechtswidriger Legislativakte abgelehnt wird; vgl. auch Murswiek, NVwZ 1986, 611 (613). 316 So insbesondere BGHZ 100, 136 (145 f.); s. auch BGH, DÖV 1988, 341 (344) (Waldschäden). 317 318

BGHZ 100, 136 (146). S. außerdem BGH, BB 1988, 1701 (Amtspflichtverletzung).

Im Staatshaftungsgesetz 1981 war die Haftung für die Gesetzgebung nur rudimentär geregelt. In bezug auf das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs bei Rechtsbeeinträchtigungen, die unmittelbar durch das Gesetz hervorgerufen werden, war folgende Regelung vorgesehen: Aufgrund der Grundhaftungsnorm des § 1 Abs. 1 i.V.m. § 3 StHG 1981 bestand ein Anspruch auf Folgenbeseitigung bei Pflichtverletzungen der öffentlichen Gewalt. Nach der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses zum E-StHG, BT-Drucks. 8/4144, S. 35, sollte die Gesetzgebung grundsätzlich nicht hierunter fallen. Entsprechendes galt aufgrund der Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 44, nach der in § 3 StHG 1981 nur die Haftung der vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt für die Folgen einer Pflichtverletzung vorgesehen war. Nach § 5 Abs. 2 S. 1 StHG 1981 sollte die direkte Verantwortlichkeit des Gesetzgebers vielmehr nur dann bestehen, „wenn und soweit ein Gesetz dies bestimmt", wobei unter gesetzlichen Maßnahmen nur die formelle Gesetzgebung verstanden wurde, so BT-Drucks. 8/4144, S. 36. Unberührt sollte

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs matik müsse demnach angesichts der Bedeutung der regelungsbedürftigen Sachmaterie vom Gesetzgeber entschieden werden. Mithin wird im Geltungsrahmen des enteignungsgleichen Eingriffs prinzipiell die Verantwortlichkeit des Gesetzgebers verneint.

(b) Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung und Literaturauffassung zum enteignungsgleichen Eingriff auf den Folgenbeseitigungsanspruch Die Übertragbarkeit dieser für den enteignungsgleichen Eingriff anerkannten Grundsätze auf den Folgenbeseitigungsanspruch folgt zum einen aus dem Gesichtspunkt heraus, daß beide Ansprüche richterrechtlich geprägte und zu Gewohnheitsrecht erstarkte Rechtsinstitute darstellen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß bei beiden Anspruchsgrundlagen die Gefahr einer uferlosen Schadensträchtigkeit im Hinblick auf staatliche Eingriffe durch abstrakt-generelle Regelungen vorliegt, 319 die unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Wesentlichkeitstheorie320 eine parlamentarische Entscheidung erfordert. Schließlich spricht die Rechtsstruktur beider Ansprüche, welche als Rechtsmittel gegen einzelfallbezogene Übergriffshandlungen hoheitlicher Stellen konzipiert sind, für die entsprechende Heranziehung dieser Auffassung im Geltungsrahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs. davon allerdings gem. § 5 Abs. 2 S. 2 StHG 1981 „die Haftung für Pflichtverletzungen der vollziehenden oder rechtsprechenden Gewalt", sein, „die ausschließlich auf dem Verhalten des Gesetzgebers beruhen." Bezüglich der Rechtsverletzungen, die durch Gesetze im formellen Sinn als solche unmittelbar hervorgerufen werden, entfiel mithin die Folgenbeseitigung, vgl. auch Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 770; Boos/Haarmann, Staatshaftung, Rdnrn. 52-54; Schäfer/Bonk> StHG, § 5 Rdnr. 12. Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß nach § 6 Abs. 1 KE-StHG zwar ein Folgenbeseitigungsanspruch bei Gesetzgebungsakten aus Praktikabilitätserwägungen immer verwehrt sein sollte - vgl. KB, § 3 Anm. 1.2, S. 87, § 6 Einleitung, S. 98 - jedoch sollte in den Fällen legislativen Unrechts ein Geldersatzanspruch unter der Voraussetzung entstehen, daß der Gesetzgeber innerhalb von achtzehn Monaten nach verfassungsrechtlicher Feststellung der Rechtswidrigkeit der Rechtsnorm keine andere Regelung trifft. Auch nach dem Referentenentwurf war der Folgenbeseitigungsanspruch bei förmlicher Gesetzgebung ausgeschlossen, RE, § 3, S. 89, § 6 Abs. 1, S. 99 f. Er sah weiterhin eine verschuldensunabhängige Haftung im Wege eines Geldersatzanspruchs für Parlamentsgesetze vor, die verfassungswidrig die Grundrechte des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit der Person, der Berufsfreiheit oder des Eigentums verletzten. Der Geldersatzanspruch entstand grundsätzlich erst, wenn der Gesetzgeber in einem Zeitraum von achtzehn Monaten nach der Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Gesetzes keine andere Haftungsregelung getroffen hatte. Der Ersatz des entgangenen Gewinns und des Nichtvermögensschadens war ausgeschlossen, vgl. RE, § 6 Abs. 1, S. 98 ff. Vgl. zu den unterschiedlichen Reformvorschlägen im einzelnen, Schäfer/Bonk, StHG, § 5 Rdnrn. 11 ff. 319 Hierauf in bezug auf § 6 RE-StHG ebenfalls hinweisend: RE, § 6 Abs. 1, S. 99; ebenso hinsichtlich § 6 KE-StHG, KB, § 6 Einleitung, S. 98, Anm. 1, S. 98 f. 320

Vgl. BVerfGE 41, 251 (259 f.); 34, 165 (192 f.); 33, 1 (11 f.).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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Die vorgenannte Ansicht entspricht im Ergebnis auch dem Standpunkt des Bundesverwaltungsgerichts, das in seiner Entscheidung vom 19.7.1984321 allerdings ohne nähere Ausführungen - annimmt, nur Maßnahmen der vollziehenden Gewalt könnten den Folgenbeseitigungsanspruch auslösen.

(c) Ausnahmetatbestand: Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs bei sog. „Maßnahme- und Einzelfallgesetzen" Eine Abweichung von diesem Ergebnis ist allerdings - ebenfalls in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung zum enteignungsgleichen Eingriff 322 - dann anzuerkennen, wenn ein sog. individuelles Maßnahmeoder Einzelfallgesetz dem Regelungsadressaten den tatsächlichen Umgestaltungsakt abverlangt. Maßnahmegesetze beinhalten im Unterschied zum allgemeinen Gesetz keine abstrakt-generellen Regelungen, sondern werden erlassen, um in einer konkreten Situation einen bestimmten Zweck zu verwirklichen. 323 Einzelfallgesetze, die oftmals gleichzeitig den Charakter von Maßnahmegesetzen aufweisen, sind Normierungen, die entweder als Einzelpersonengesetze nur für bestimmte oder für bestimmbare Personen oder Personengruppen Rechtswirkungen entfalten 324 oder in Gestalt des Einzelfallgesetzes im eigentlichen Sinne nur für einen bestimmten Fall gelten.325 Bei derartigen Legislativakten entfällt das tragende Argument für die Nichtgeltung des Folgenbeseitigungsanspruchs im normativen Bereich. Die uferlosen Schadensauswirkungen abstrakt-genereller Rechtsnormen sind hier nicht gegeben. Vielmehr sind diese Rechtsvorschriften in ihren Rechtsauswirkungen und in ihrem Bedeutungsgehalt für den Bürger mit einer Sachverhaltsregelung durch Verwaltungsakt zu vergleichen. Deshalb ist es bereits nach geltendem Recht erforderlich, im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von gezielten Umgehungsmaßnahmen durch die Wahl der Gesetzesform an Stelle des Verwaltungsakts das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs zuzulassen.

321

BVerwGE 69, 366 (367, 370 f.). Vgl. auch Schenke, DVB1. 1975, 121 (123 f.).

322

So bejahen ein Sonderopfer im Falle eines verfassungswidrigen Maßnahmegesetzes: Detterbeck, JA 1991, 7 (10); Schuck, MDR 1968, 186 (188 f.); Schenke, Rechtsschutz, S. 89 f.; ders., DVB1. 1975, 121 (122); Wolff/Bachof, VerwR I, § 61 II c 4, S. 539 f. Zurückhaltend hingegen: Scheuner, BB 1960, 1253 (1256); Schmitt-Kammler, NJW 1990, 2515 (2519). Auch im Rahmen der Amtshaftung wird bei Vorliegen eines Maßnahme- oder Einzelfallgesetzes die Möglichkeit einer drittschützenden Amtspflichtverletzung vom Bundesgerichtshof befürwortet, vgl. BGH, BB 1988, 1701. 323

BVerfGE 25, 371 (396 ff.); Herzog, in: M/D/H/S,

324

Herzog, in: M/D/H/S,

GG, Art. 19 I Rdnrn. 34 ff.

325

Herzog, in: M/D/H/S,

GG, Art. 19 I Rdnrn. 46 ff.

GG, Art. 20 VII Rdnrn. 46 f.

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs bbb) Hoheitlicher Eingriff in Gestalt einer Satzung Im Gegensatz zum Eingriff durch ein förmliches Gesetz ist die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs dann zu befürworten, wenn die Verletzungshandlung in dem Erlaß einer gegen das Recht verstoßenden Satzung besteht und hierdurch eine Rechtsverletzung des Bürgers ausgelöst wird. 326 Zwar sind Satzungen ihrer Rechtsqualität nach ebenfalls als Rechtsnormen zu qualifizieren, was, wie gerade dargelegt, gegen die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs sprechen könnte. Anders als förmliche Gesetze werden sie jedoch nicht von staatlichen Stellen im eigentlichen Sinne, in concreto dem Parlamentsgesetzgeber auf Bundes- oder Landesebene, erlassen. Vielmehr werden sie von den in den Staat eingegliederten, aber rechtlich selbständigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer gesetzlich eingeräumten Autonomie beschlossen.327 Ihr Regelungsgehalt besteht darin, die Selbstorganisation festzulegen sowie den Aufgabenbereich des Satzungsgebers zu gestalten.328 Diese funktionelle Bedeutung von Satzungen unterscheidet sie wesentlich vom Parlamentsgesetz, da der Regelungsgegenstand von Satzungen Verwaltungsrechtscharakter aufweist. 329 Als weitere maßgebliche Abweichung, die das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs rechtfertigt, tritt hinzu, daß die Satzung neben der ohnehin bestehenden Begrenzung auf das jeweilige, je nach Satzungsgeber differierende Aufgabengebiet, in ihren Rechtsauswirkungen auf die ihr angehörenden

326 Im Ergebnis ebenfalls: Detterbeck, JA 1991, 7 (12). Ebenso die Regelung im StHG 1981: Gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 StHG 1981 war nur die Haftung für förmliche Gesetzgebungsakte ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des Staatshaftungsgesetzes ausgeschlossen. Demzufolge war nach dieser Normierung das Satzungsunrecht über den Folgenbeseitigungsanspruch angreifbar, vgl. Schäfer/Bonk, StHG, § 5 Rdnr. 53. Auch nach der Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 34 f., unterstanden die Satzungen als Akte der vollziehenden Gewalt dem Grundhaftungstatbestand des § 1 StHG 1981 und konnten demgemäß zum Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs führen, der seinerseits die Erfüllung des § 1 StHG 1981 voraussetzte, vgl. BT-Drucks. 8/2079, S. 44. Entsprechendes galt aufgrund des KE-StHG, vgl. KB, § 6 Anm. 6, S. 100. Im Unterschied hierzu war nach dem RE-StHG, s. RE, § 6 Abs. 2, S. 101, die Folgenbeseitigung bei Rechtsverletzungen, die unmittelbar auf Satzungsunrecht beruhten, ausgeschlossen, vgl. die zusammenfassende Darstellung der verschiedenen Reformvorschläge bei Schäfer / Bonk, StHG, § 5 Rdnr. 13. Gleichermaßen erfaßt der Anwendungsbereich des enteignungsgleichen Eingriffs Rechtsverletzungen durch Satzungen, vgl. BGHZ 92, 34 (36) (Bebauungsplan); Bender, VerwArch 77 (1986), 335 (364); Ossenbühl, StHR, S. 153 f. Gleiches gilt für den enteignenden Eingriff, BGH, W M 1975, 630 (631). 327

Vgl. BVerfGE 33, 125 (156); 10, 20 (49 f.); Maurer, AllgVerwR, § 4 Rdnr. 14; Ossenbühl, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 7 V I 1, S. 105. 328 329

Maurer, wie vor; Ossenbühl, in: Erichsen/Martens,

AllgVerwR, § 7 V I 1, S. 106.

Hierauf ebenfalls hinweisend, die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 34 f.; KB, § 6 Anm. 6, S. 100.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

und unterstehenden Personen begrenzt ist. Konsequenterweise ist damit auch das Ausmaß der Schadensfälle eingeschränkt. Schließlich ist ein Indiz für die Annahme, daß bei derartigen untergesetzlichen Normen Rechtsschutz über den Folgenbeseitigungsanspruch auch vom Gesetzgeber für möglich erachtet wird, der Regelung in den §§39 ff. BauGB zu entnehmen. Nach diesen Vorschriften werden u.a. Entschädigungsansprüche des Bürgers bei Vorliegen berechtigten Vertrauens auf den Bestand eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes zugestanden. Diese Ansprüche sind zwar als spezialgesetzliche Ausprägung des enteignungsgleichen Eingriffs anzusehen. Gleichwohl läßt sich aus ihnen angesichts der ausgeführten Parallelität zwischen enteignungsgleichem Eingriff und Folgenbeseitigungsanspruch in bezug auf den Rechtsschutz bei normativem Unrecht 330 zumindest ein Hinweis des Gesetzgebers auch zugunsten einer möglichen Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs bei Satzungsunrecht entnehmen. Aus den vorstehend genannten Gründen umfaßt der Folgenbeseitigungsanspruch auch die aufgrund satzungsrechtlicher Normierung begründeten Rechtsbeeinträchtigungen des Bürgers.

ccc) Hoheitlicher Verletzungsakt in Gestalt einer Rechtsverordnung Konnte die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs im Hinblick auf Eingriffe in Form von Parlamentsgesetz und Satzung eindeutig bestimmt werden, so bereitet demgegenüber die Beantwortung der Fragestellung Schwierigkeiten, ob auch Rechtsverordnungen als Regelungsgegenstand des Anspruchs in Betracht kommen. Die Zweifel bezüglich der Geltung des Rechtsinstituts bei diesem untergesetzlichen Normtyp wurzeln in der Zwischenstellung, welche die Rechtsverordnung im Verhältnis zu Gesetzgebung einerseits und Exekutivhandeln andererseits einnimmt. Betrachtet man zunächst die funktionelle Bedeutung der Rechtsverordnung, so ist festzustellen, daß sie zum einen in der Aufgabe besteht, eine Entlastung der Parlamente zu bewirken. Zum anderen stellt die Rechtsverordnung infolge ihrer Flexibilität ein Regelungsinstrument dar, das den sich ständig ändernden Problemlagen in besonderem Maße Rechnung trägt. 331 Insofern kann die Rechtsverordnung in begrenztem Umfang als eine Art „Ersatzgesetzgebung" klassifiziert werden. Berücksichtigt man überdies, daß die 330 331

Vgl. die Darstellung unter Β II 3, S. 228 f. mit Nachweisen in Fußn. 319.

Maurer, AllgVerwR, § 4 Rdnr. 12; Ossenbühl, in: Erichsen/Martens, § 7 III 1, S. 83 f.

AllgVerwR,

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs Rechtsverordnung die gleiche Bindungswirkung wie die förmlichen Legislativakte entfaltet 332 und oftmals eine Vielzahl von Regelungsadressaten anspricht, so erscheint bei Betonung dieser Wesensmerkmale einer Rechtsverordnung eine haftungsrechtliche Gleichbehandlung mit den Parlamentsgesetzen naheliegend. Dies würde, wie dargelegt,333 zum grundsätzlichen Ausschluß des Folgenbeseitigungsanspruchs führen. Allerdings ist mit der gerade beschriebenen Legislativfunktion der Rechtsverordnung deren Bedeutungsgehalt nicht vollständig erfaßt. Ein wesentlicher Aufgabenbereich der Rechtsverordnung besteht gleichermaßen - quasi als Korrelat zu dem zuerst genannten Funktionsrahmen - darin, dem Vollzug der vom Parlamentsgesetzgeber vorgegebenen Rechtsvorschriften, vgl. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, durch den Erlaß detaillierter Regelungen Geltung zu verschaffen. Hinsichtlich dieser Zweckerfüllung sind die Rechtsverordnungen somit dem Exekutivbereich zuzuordnen. Als Normgeber der Rechtsverordnung kommen entsprechend Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG primär die Bundesregierung bzw. die Bundesminister oder auch die Landesregierungen in Betracht. Da darüber hinaus grundsätzlich jedem Exekutivorgan die Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung eingeräumt werden kann, siehe Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG, sind hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung und des Geltungsumfangs die verschiedensten Rechtsverordnungen vorstellbar. Dies führt dazu, daß in der Praxis sowohl Rechtsverordnungen vorkommen, die sich, wie beispielsweise die Straßenverkehrsordnung, an eine Vielzahl von Regelungsadressaten richten, 334 gleichzeitig aber auch, wie sich am Beispiel der ordnungsbehördlichen Verordnungen nachweisen läßt, Rechtsverordnungen vorliegen können, die in ihren rechtlichen Auswirkungen häufig von denen einer Satzung kaum zu unterscheiden sind.335 Damit erhebt sich die Frage, ob angesichts dessen nicht eher eine Gleichstellung der Rechtsverordnungen mit dem Satzungsrecht innerhalb des Folgenbeseitigungsanspruchs geboten erscheint. Mithin bleibt als Zwischenergebnis festzustellen, daß die Rechtsverordnung je nach der im Einzelfall vorliegenden Ausgestaltung hinsichtlich der Rechtswirkungen und damit verbundenen Schadensträchtigkeit entweder den förmlichen Gesetzen oder den Satzungen vergleichbar ist. Die Beantwortung der Ausgangsfrage nach der Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs in diesem Regelungsbereich muß dabei in der Zielsetzung erfolgen, im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie der damit einhergehenden 332

Maurer, AllgVerwR, § 4 Rdnr. 10.

333

S. die Darstellung unter Β II 3, S. 228 f.

334

Vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH, BB 1988, 1701 1. Sp. Mitte.

335

Vgl. hierzu Maurer, AllgVerwR, § 4 Rdnr. 13.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs Vermeidung unbilliger Prozeßrisiken zu Lasten des Bürgers, ein eindeutiges Abgrenzungskriterium zu bestimmen. Mit Rücksicht auf die Tatsache, daß es sich bei dem Tatbestandsmerkmal des „Eingriffs" um eine Anspruchsvoraussetzung auf früher tatbestandlicher Ebene handelt, sowie angesichts der für den Bürger oftmals bestehenden gleichen haftungsrechtlichen Bedeutung von Satzung und Rechtsverordnung, streitet das Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen für eine Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auch auf die Rechtsverordnung. 336 Dieses weite Verständnis der Anspruchsvoraussetzung des „Eingriffs" kann auf einer nachfolgenden Ebene im Rahmen der Zurechnungsproblematik, soweit dies im Einzelfall geboten ist, eingeschränkt werden. Damit kann auf dem Wege einer restriktiven Auslegung der jeweiligen Rechtsverordnung ein sachgerechtes Ergebnis erzielt werden. Möglicherweise sind es die vorgenannten Erwägungen, die unausgesprochen auch beim enteignungsgleichen Eingriff zu einer Einbeziehung von Rechtsverordnungen in den Geltungsbereich führen. Denn hier geht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 337 und die überwiegende Literaturauffassung 338 ebenfalls von der Anwendbarkeit dieses Haftungsinstituts aus.

bb) Rechtsbeeinträchtigungen, die durch den verwaltungsbehördlichen Vollzug einer verfassungswidrigen Ermächtigungsgrundlage hervorgerufen werden Von den vorgenannten Fällen des unmittelbaren Eingriffs durch ein Gesetz bzw. eine untergesetzliche Rechtsnorm sind diejenigen Sachverhaltsgestaltungen zu unterscheiden, in denen erst durch den Erlaß eines Hoheitsakts auf der Grundlage der nicht verfassungskonformen Ermächtigungsnorm - sei es in Gestalt des förmlichen Gesetzes, der Rechtsverordnung oder der Satzung die Rechtstangierung des Bürgers hervorgerufen wird. -

Ist der Vollzugsakt alleine im Hinblick auf die rechtswidrige Ermächtigungsgrundlage als unrechtmäßig zu qualifizieren, so fragt es sich, ob we-

336 Im Ergebnis ebenso: Detterbeck, JA 1991, 7 (12). Entsprechendes galt im Rahmen des § 3 StHG 1981, vgl. Schäfer/Bonk, StHG, § 5 Rdnr. 53; ebenso befürwortend die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 34 f., wonach Rechtsverordnungen als Maßnahmen der vollziehenden Gewalt dem Geltungsbereich der §§ 1 Abs. 1, 3 StHG unterfielen. Gleiches galt nach dem KE-StHG, vgl. KB, § 6, S. 100; anders hingegen der REStHG, s. RE, § 6 Abs. 2, S. 101, wonach die Folgenbeseitigung nicht zugelassen war. 337 338

BGHZ 100, 136 (147); 78, 41 (43); 56, 40 (42).

Bender, VerwArch 77 (1986), 335 (364); Ossenbühl, StHR, S. 153 f.; kritisch Schwabe, DVB1. 1981, 386 ff.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

gen der in der Rechtsgrundlage begründeten Fehlerursache diese selbst als Angriffsziel des Folgenbeseitigungsanspruchs in Betracht kommt oder ob vielmehr erst dem Einzelvollzugsakt haftungsrechtliche Bedeutung zukommt (unter aaa). - Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts in dieser Fallgruppe zulässig ist (unter bbb).

aaa) Der maßgebliche Eingriffsakt Für ein Anknüpfen an die Ermächtigungsnorm könnte sprechen, daß sich der Vollzugsakt lediglich als fortwirkende Unrechtshandlung des Normgebers einstufen läßt. 339 Zudem könnte die Tatsache, daß die Verwaltungsbehörden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich verpflichtet sind, ordnungsgemäß verkündete Gesetze bis zu einer anderslautenden Entscheidung der Verfassungsgerichte anzuwenden,340 ebenfalls die vorrangige Verantwortlichkeit des Gesetzgebers, welcher die verfassungswidrige Norm erlassen hat, begründen. Trotzdem ist in den hier relevanten Fallgestaltungen der Vollzugsakt als maßgebliches haftungsauslösendes Verhalten anzuerkennen.341 Zunächst entspricht eine solche Betrachtungsweise dem Gebot der Verwirklichung primären Rechtsschutzes. Der die Rechtsstellung des Bürgers tangierende Eingriffsakt ist zwar in der gesetzlichen bzw. untergesetzlichen Vorgabe bereits angelegt. Indessen entfaltet erst die konkrete Umsetzung des Norminhalts durch die Vollzugsbehörden gegenüber dem Betroffenen spürbare Rechtswirkungen. Wird eine behördlicherseits angewendete Rechtsvorschrift im nachhinein gerichtlich für verfassungswidrig erklärt, so stellt sich das amtliche Handeln, da es auf einer ex tunc unwirksamen Rechtsgrundlage beruht, aus der ex-post Betrachtung als Verstoß gegen das Gesetzmäßigkeitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG, und damit als rechtswidrige Maßnahme dar. 342 Mithin liegt insoweit ein eigenständiges Verwaltungsunrecht vor, das Anknüpfungspunkt eines Abwehranspruchs sein kann. Konsequenterweise muß deshalb diese Übergriffs-

339

Vgl. hierzu Schäfer/Bonk,,

StHG, § 5 Rdnr. 56.

340

Vgl. BVerfGE 10, 124 (127 f.). Eine Ausnahme hiervon wird nur bei evidenter Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm für möglich erachtet, vgl. BVerfGE 12, 180 (186 f.). 341 Ebenso die Regelung in § 5 Abs. 2 S. 2 StHG 1981, in bezug auf Pflichtverletzungen der vollziehenden oder rechtsprechenden Gewalt, die ausschließlich auf einem Verhalten des Gesetzgebers beruhen. Vgl. auch Bender, VerwArch 77 (1986), 335 (364), in bezug auf Vollzugsakte aufgrund rechtswidriger Rechtsgrundlage im Rahmen des enteignungsgleichen Eingriffs. S. weiterhin Detterbeck, JA 1991, 7 (8), in bezug auf Vollzugsakte in Gestalt von Verwaltungsakt und schlicht hoheitlichem Verwaltungshandeln. 342

Vgl. hierzu Oldiges, DÖV 1977, 75; Schäfer/Bonk,

StHG, § 5 Rdnr. 58.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs handlung vorrangiger Regelungsgegenstand jedweden Abwehranspruchs sein. Im Verlauf des primären Rechtsschutzverfahrens kann dabei die Ermächtigungsgrundlage inzident auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden, wobei die Möglichkeit der Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG besteht. In bezug auf bundesgesetzliche Ermächtigungsnormen ist überdies zu berücksichtigen, daß die Verwaltungsbehörden auch bei einem Handeln aufgrund einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage in eigener Zuständigkeit und Verantwortung im Verhältnis zum Bürger hoheitlich tätig werden. Sie erfüllen insoweit den ihnen gem. Art. 83 ff. GG verfassungsrechtlich zugewiesenen Vollzugsauftrag. 343 Darüber hinaus trägt das Abstellen auf den Vollzugsakt auch dem Rechtsschutzbedürfnis des Bürgers Rechnung, das dahingeht, unmittelbar gegen diejenige staatliche Maßnahme vorgehen zu können, die seine Rechtssphäre verletzt hat. Denn für den Betroffenen sind die Gründe, auf denen letztlich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns beruht, wie z.B. das Fehlen einer rechtmäßigen Eingriffsermächtigung, nicht übersehbar. Das Risiko zu beurteilen, welche Ursachen die Unrechtmäßigkeit der Exekutivmaßnahme hervorgerufen haben, darf aber in einem Rechtsstaat nicht dem schwächsten Glied in der Kette „Gesetzgeber, Verwaltung und Regelungsadressat" auferlegt werden. Da ferner nur einige Bundesländer die direkte Überprüfungsmöglichkeit von Rechtsverordnungen aufgrund § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO eingeräumt haben, 344 würde bei fehlender behördlicher Haftung in bezug auf den Vollzugsakt ein Rechtsschutzdefizit bei diesen untergesetzlichen Rechtsnormen bestehen. 345 Schließlich ist im Wege des Innenregresses zwischen den ausführenden Verwaltungsbehörden und dem Normgeber die Sanktionierung des normativen Fehlverhaltens möglich.346

343

Hierauf ebenfalls hinweisend: KB, § 6 Anm. 5, S. 100.

344

Bisher haben Baden-Württemberg (§ 5 badwürttAGVwGO), Bayern (Art. 5 bayAGVwGO), Bremen (Art. 7 bremAGVwGO), Hessen (§ 11 hessAGVwGO), Niedersachsen (§ 6a ndsAGVwGO) und Schleswig-Holstein (§ 5a schlholAGVwGO) uneingeschränkt, Rheinland-Pfalz (§ 4 rhpfAGVwGO) mit der Einschränkung, daß Rechtsverordnungen, die Handlungen eines Verfassungsorgans i.S. des Art. 130 Abs. 1 rhpfVerf darstellen, ausgeschlossen sind, die Normenkontrolle gem. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO eingeführt. Vgl. Kopp, VwGO, § 47 Rdnr. 7. S. weiterhin Stüer, DVB1. 1985, 469 ff., mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung. 345 346

S. hierzu RE, § 6 Abs. 2, S. 101; KB, § 6 Anm. 6, S. 100.

Vgl. hierzu die ausdrückliche Regelung in § 11 StHG 1981. Diese Vorschrift war »Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens der Mitverantwortung und Mithaftung bei Mitbeteiligung an haftungsbegründendem Verhalten", so Schäfer/Bonk, StHG, § 11 Rdnr. 8.

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs bbb) Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs Ist demnach der verwaltungsrechtliche Vollzugsakt als maßgebliches Angriffsziel eines Abwehranspruchs anzuerkennen, so stellt sich gleichwohl die Frage, ob ein dahingehender Rechtsschutz im Rahmen des nur gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtsinstituts der Folgenbeseitigung zulässig ist. Dies wäre dann zu verneinen, wenn die bereits gegen die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs bei unmittelbaren Eingriffen durch förmliche Gesetze angeführten Gründe auch im hier einschlägigen Problembereich gegen seine Anwendbarkeit sprechen würden. Klärungsbedürftig ist deshalb, ob das genannte Argument der Schadensträchtigkeit des Regelungsbereichs, welches eine gesetzliche Normierung insbesondere auch im Hinblick auf die verschiedenen Lösungskonzepte erforderlich macht,347 auch dann Geltung beansprucht, wenn es um die Haftung für Vollzugsakte geht, die auf einer rechtswidrigen Ermächtigungsgrundlage basieren. Diese Frage ist zu verneinen. Soweit es sich um Einzelvollzugsakte aufgrund von Rechtsverordnungen und Satzungen handelt, folgt dies aus der bereits geschilderten Tatsache, daß derartigen Rechtsetzungsakten der Exekutive zum Teil ohnehin eine im Verhältnis zum förmlichen Gesetzgebungsakt eingeschränkte Schadensrelevanz beizumessen ist. 348 Aber auch wenn eine Ermächtigungsgrundlage in Gestalt eines förmlichen Gesetzes vorliegt, ist die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs grundsätzlich zu befürworten. Zwar begründet die gesetzliche Vorgabe die Gefahr einer Vielzahl rechtswidriger Vollziehungsmaßnahmen. Jedoch greift in diesem Regelungsbereich - anders als bei unmittelbarem Legislativunrecht - das haftungsbegrenzende Korrektiv der Bestandskraft der Vollzugsmaßnahme, bei der es sich im Regelfall um einen Verwaltungsakt i.S. des § 35 S. 1 VwVfG handelt, ein. Beruht ein unanfechtbarer Verwaltungsakt auf einem verfassungswidrigen Gesetz, so schließt § 79 Abs. 2 S. 1 BVerfGG für den Regelfall die Beseitigung dieses Verwaltungsakts aus. Konsequenterweise steht die Vorschrift auch der Ausräumung der Vollzugsfolgen bei Vorliegen eines bestandskräftigen Verwaltungsakts entgegen. Nach Maßgabe des § 79 Abs. 2 S. 2, 3 BVerfGG ist nur die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung unzulässig und kann ggf. mit der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO angegriffen werden. Die Bestimmungen über die Unanfechtbarkeit von Verwaltungsakten gem. § 79 Abs. 2 S. 1 BVerfGG, §§ 70, 74 VwGO bewirken insofern einen verminderten Haftungsumfang.

347

Vgl. die Darstellung unter Β II 3, S. 226 ff. mit Nachweisen in Fußn. 316-318.

348

S. die Ausführungen unter Β II 3, S. 230 f., 231 ff.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs Auch wenn unterschiedliche Lösungsmodelle zur Sanktionierung des legislativen Unrechts in dieser Fallgruppe denkbar sind, gebietet hier das Gebot einer effektiven Rechtsschutzgewährleistung den gewichtigen Haftungsinteressen des betroffenen Bürgers bereits im Rahmen des gewohnheitsrechtlich anerkannten Folgenbeseitigungsanspruchs Rechnung zu tragen. 349 Demnach bleibt festzuhalten, daß verwaltungsrechtlichen Vollzugsakten, die aufgrund einer verfassungswidrigen Ermächtigungsgrundlage von den Verwaltungsbehörden gegenüber dem Bürger vorgenommen werden, Eingriffsqualität im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs zukommt. Lediglich bei Vorliegen eines unanfechtbaren Verwaltungsakts entfällt der Anspruch auf Folgenbeseitigung.

cc) Zwischenergebnis

zur Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs bei Legislativakten

Als Zwischenergebnis kann festgestellt werden, daß in bezug auf das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs bei Legislativmaßnahmen differenziert werden muß: Beruht die Rechtstangierung auf dem Normakt als solchem, ist zu unterscheiden: Bei förmlichen Gesetzen scheidet die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs grundsätzlich aus, es sei denn, es liegt ein Maßnahmeoder Einzelfallgesetz vor. Hingegen sind untergesetzliche Rechtsnormen, d.h. Satzungen und Rechtsverordnungen, als i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs relevante Eingriffsakte zu qualifizieren. Liegt demgegenüber eine Rechtsverletzung aufgrund des Vollzugs einer verfassungswidrigen Ermächtigungsgrundlage vor, so kann der Legislativakt als solcher nicht über den Folgenbeseitigungsanspruch angegriffen werden. Vielmehr muß der Bürger entsprechend den Grundsätzen des Primärrechtsschutzes gegen die verwaltungsbehördliche Vollzugsmaßnahme selbst vorgehen. Allerdings scheidet der Folgenbeseitigungsanspruch bei einem unanfechtbaren Verwaltungsakt aus. 349 Das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs ebenfalls befürwortend: Oldiges, DÖV 1977, 75 (76 mit Fußn. 14). Vgl. weiterhin die Amtl. Begr. zu dem von Hamburg eingebrachten E-StHG 1990, BR-Drucks. 632/90, S. 4. Auch § 3 StHG 1981 kam insoweit zur Anwendung, vgl. § 5 Abs. 2 S. 2 StHG 1981, in bezug auf Volllzugsakte auf parlamentsgesetzlicher Grundlage. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 KE-StHG war der Folgenbeseitigungsanspruch bei Verwaltungsmaßnahmen aufgrund förmlicher Gesetzgebungsakte nicht zugelassen, hingegen sollten Vollzugsakte aufgrund von Rechtsverordnungen und Satzungen den Folgenbeseitigungsanspruch auslösen können, vgl. KB, § 6, S. 100. Entsprechendes galt aufgrund § 6 Abs. 1 S. 2 RE-StHG, vgl. RE, § 6 Abs. 1, S. 99 f., sowie § 6 Abs. 2, S. 101.

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

d) Teilergebnis zur Qualität der Eingriffsmaßnahme Als Teilergebnis bezüglich der Qualität des Eingriffsverhaltens ist mithin festzuhalten, daß im Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs in erster Linie Maßnahmen der Verwaltung in Gestalt des Verwaltungsakts, des Realakts, der innerdienstlichen Maßnahme und des „subordinationsrechtlichen Selbsteingriffs" im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Vertrages als anspruchsbegründende Eingriffshandlungen in Betracht kommen. Rechtsprechungsakte haben haftungsrelevante Bedeutung für den Folgenbeseitigungsanspruch, wenn es sich um richterliche Handlungsweisen handelt, die nicht der materiellen oder formellen Rechtskraft fähig sind bzw. die Personen betreffen, welche dieser nicht unterfallen. Hierbei wird es sich im Regelfall der Rechtsnatur nach um Verwaltungsmaßnahmen handeln. Im Hinblick auf Legislativakte bleibt festzustellen, daß unmittelbare gesetzliche Eingriffe nur im Falle des Maßnahme- oder Einzelfallgesetzes über den Folgenbeseitigungsanspruch angegriffen werden können. Rechtsverordnungen und Satzungen sind hingegen als Verletzungshandlungen anzuerkennen. Wird eine Rechtsbeeinträchtigung des Bürgers erst durch den Vollzug einer verfassungswidrigen Ermächtigungsgrundlage ausgelöst, so ist Angriffsgegenstand des Folgenbeseitigungsanspruchs der Einzelvollzugsakt als solcher.

4. Die Finalität einer Maßnahme als ungeeignetes Haftungsbegrenzungskriterium im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs Ein dritter Aspekt des Tatbestandselements des Eingriffs besteht in der Fragestellung, ob die maßgebliche Verletzungshandlung i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs auf solche Maßnahmen zu beschränken ist, die final eine Rechtsverletzung des Bürgers verursachen. Diese Problematik ist bereits im Rahmen des enteignungsgleichen Eingriffs diskutiert worden. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde ursprünglich die Anspruchsstruktur des enteignungsgleichen Eingriffs wesentlich von der seinerzeit geforderten Finalität des Eingriffsverhaltens bestimmt. Danach kamen nur solche Verhaltensweisen als Verletzungsakte in Betracht, die final, d.h. willentlich und wissentlich, gegen Vermögenswerte Rechtspositionen gerichtet waren. 350

350

So z.B. BGHZ 23, 235 (240); 12, 52 (57).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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Es wurde jedoch bereits frühzeitig erkannt, daß die Eingrenzung des Anspruchs schon auf der Stufe des Tatbestandsmerkmals des Eingriffs zu unbilligen Rechtsschutzlücken dann führen mußte, wenn an sich erlaubte Verhaltensweisen zu nachteiligen unbeabsichtigten Nebenwirkungen für die Rechtssphäre des Bürgers geführt hatten. Als Beispiel ist hier einmal die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.3.1962 zu nennen, bei der infolge rechtmäßig durchgeführter Artillerieschießübungen auf einem Truppenübungsplatz ein Waldbrand hervorgerufen wurde, der zu einer teilweisen Vernichtung des dort lagernden Holzes des Klägers führte. 351 Ein weiterer Beleg für die Aufgabe des Finalitätserfordernisses in der Rechtsprechung ist das Urteil des Bundesgerichtshof vom 14.10.1963. Dieser Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, daß infolge der Kollision eines Schützenpanzers mit einem Gasthaus dessen Außenmauer zerbrach und so Schäden an den Einrichtungsgegenständen verursacht wurden. 352 In beiden Fallgestaltungen wurde in Abweichung von der ehemaligen Rechtsprechung das Vorliegen eines Eingriffsakts bejaht. Vor dem Hintergrund der bereits geschilderten dogmatischen Verwandtschaft des Folgenbeseitigungsanspruchs mit dem enteignungsgleichen Eingriff erscheint eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf den Folgenbeseitigungsanspruch sachgerecht. Darüber hinaus entspricht die Annahme eines weiten Verständnisses des Eingriffsmerkmals der rechtlichen Verankerung des Rechtsinstituts in den Freiheitsgrundrechten, welche einen umfassenden Rechtsschutz gebietet. Für die Feststellung der Verletzungshandlung ist somit ausschließlich die objektiv gegebene Rechtsbeeinträchtigung entscheidend. Ob der Schadenseintritt auf einer gewollten oder einer zufallsbedingten Handlung beruht, ist dagegen für die Bejahung eines hoheitlichen Eingriffsakts unbeachtlich.353 Damit ist eine über das Finalitätsmerkmal angestrebte Haftungsbegrenzung abzulehnen, da sie auf einer zu frühen Tatbestandsebene ansetzt und infolge der Unflexibilität dieses Abgrenzungskriteriums eine Vielzahl von Sachverhalts-

351

BGHZ 37, 44 (47).

352

BGH, NJW 1964, 104. Zu der Aufgabe des Finalitätsmerkmals durch die Rechtsprechung vgl. beispielsweise Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 67; Ossenbühl, StHR, S. 155. Ergänzend sei angemerkt, daß die Haftungsbegrenzung im Rahmen des enteignungsgleichen Eingriffs nunmehr über das Tatbestandsmerkmal der „Unmittelbarkeit" erfolgt, vgl. hierzu Detterbeck, JA 1991, 7 (8 f.); Eberle /Gersdorf\ Jura 1990, 317 (322); Ossenbühl, StHR, S. 155. 353 BVerwG, NJW 1985, 1481; Weyreuther, Gutachten, S. Β 168. Bei staatlichen Warnungen und Empfehlungen vor bestimmten Gefahrenquellen gegenüber der Öffentlichkeit ist fraglich, ob solche behördliche Informationen Eingriffscharakter besitzen. Zu dieser im Kontext der generellen Problematik mittelbarer bzw. faktischer Grundrechtseingriffe stehenden Frage vgl. die Nachweise in Fußn. 12, 241.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

gestaltungen nicht erfaßt. Dies gilt vor allem für diejenigen Hoheitsakte, die nicht bereits wie der Verwaltungsakt ein zweckgerichtetes Regelungsinstrument darstellen, sondern wie insbesondere Realakte ihrer Wesensart nach grundsätzlich neutrale Handlungen bilden. Folglich werden von dem Eingriffsmerkmal sowohl bewußt und zielgerichtet verursachte Rechtstangierungen als auch zufällig hervorgerufene Rechtsverletzungen erfaßt. Eine Ausklammerung bestimmter Verletzungshandlungen aus dem Regelungsrahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs kann nur dahingehend erfolgen, daß lediglich als „Bagatelleingriff ' zu qualifizierende Übergriffshandlungen nicht als haftungsauslösende Verletzungsmaßnahmen eingeordnet werden. 354 Ob ein derartiger „Minimaleingriff' vorliegt, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung des jeweils betroffenen Schutzguts festzustellen. Aber auch hier muß im Rechtsschutzinteresse des Bürgers und zur Kontrolle der Verwaltung tendenziell der Grundsatz gelten, bei Zweifeln hinsichtlich des Bestehens eines Eingriffs eine Vermutung für das Gegebensein einer Verletzungshandlung anzunehmen.

I I I . Hoheitlicher Charakter des Eingriffsverhaltens Liegt eine Verletzungshandlung vor, so ist weiterhin Voraussetzung für das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs, daß es sich bei dem Eingriffsakt um eine hoheitliche Maßnahme handelt.355 Vorab ist dabei die allgemeine Begriffsbestimmung des Tatbestandsmerkmals „hoheitlich" zu ermitteln, um daran anschließend auf die verschiedenen Arten der hoheitlichen Verletzungshandlungen einzugehen.

1. Allgemeine Begriffsbestimmung Ein hoheitliches Handeln kann nur dann gegeben sein, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die nach Maßgabe des öffentlichen Rechts erfolgt. Allerdings ist der Umkehrschluß nicht zwingend, daß bei jedweder öffentlichrechtlichen Verhaltensweise auch eine Wahrnehmung von Hoheitsbefugnissen

354 Vgl. hierzu OVG Lüneburg, OVGE 18, 341 (346); Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 385, zu § 2 Abs. 2 StHG 1981. 355

BVerwG, NJW 1989, 2272 (2277); BVerwG, AfP 1989, 487; BVerwG, DVB1. 1971, 858; VGH Kassel, NJW 1989, 1500; OVG Koblenz, NJW 1986, 953 f.; OVG Münster, DÖV 1983, 1020 f.; VG Köln, NJW 1980, 799; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 219; Ossenbühl, StHR, S. 201; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 1, S. 598 f.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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vorliegt. So läßt sich aus dem Gesetzeswortlaut des § 35 S. 1 VwVfG „Verwaltungsakt ist jede ... andere hoheitliche Maßnahme ... auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ..." - das Indiz entnehmen, daß es sich bei dem Begriffsmerkmal des „öffentlichen Rechts" um den Oberbegriff handelt, und demzufolge das Tatbestandserfordernis der „hoheitlichen Handlung" durch einengende Charakteristika bestimmt wird. 356 Im Regelungsbereich des Verwaltungsakts wird überwiegend angenommen, das Wesensmerkmal der Hoheitlichkeit bestehe darin, daß die staatlichen Stellen eine einseitige Rechtsfolgenanordnung gegenüber dem Regelungsadressaten treffen. 357 Danach ist der Begriff „hoheitlich" durch das zwischen Staat und Betroffenem bestehende Subordinationsverhältnis gekennzeichnet. Dieses auf die Handlungsform des Verwaltungsakts zugeschnittene Verständnis des hoheitlichen Handelns der Behörden erscheint für den Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs als zu eng. Infolge der Anbindung des Rechtsinstituts an die Freiheitsgrundrechte werden, wie dargelegt, auch tatsächliche Eingriffsakte vom Folgenbeseitigungsanspruch umfaßt. 358 Solchen realen Verhaltensweisen fehlt häufig das oben beschriebene Erfordernis der einseitigen staatlichen Einflußnahme auf die Rechtsstellung des Bürgers auf der Grundlage eines Subordinationsverhältnisses. Statt der einseitigen Regelung von Sachverhalten steht hier vielmehr die faktische Rechtsbeeinträchtigung des Betroffenen im Vordergrund. Für den Folgenbeseitigungsanspruch als umfassend verstandenem Abwehranspruch gegen staatliche Übergriffe ist demzufolge von dem Vorliegen eines hoheitlichen Eingriffsakts dann auszugehen, wenn die Maßnahme von einem Träger öffentlicher Gewalt zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben nach Maßgabe des öffentlichen Rechts vorgenommen wird. Das Gegebensein eines obrigkeitlich ausgestalteten Unter- bzw. Überordnungsverhältnisses zwischen dem Hoheitsträger und dem verletzten Rechtsinhaber ist damit für das Auslösen des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht erforderlich. Demnach können auch schlicht-hoheitliche Verhaltensweisen einen Folgenbeseitigungsanspruch begründen.359 356

Vgl. hierzu, Hill, DVB1. 1989, 321.

357

Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 11 II 3, S. 181 f.; Wallerath, AllgVerwR, S. 150 mit Fußn. IIa; Weides, Verwaltungsverfahren, S. 17. Anders J. Martens, Verwaltungsverfahren, § 7 Rdnrn. 220 ff., der eine Art „Zweiseitigkeit" annimmt, nämlich die Entscheidung der Behörde und der Entschluß des Bürgers, den Verwaltungsakt (nicht) anzufechten; ders., DVB1. 1968, 322 (324 f.). Abweichend auch Meyer/Borgs, VwVfG, § 35 Rdnr. 41, die ausführen, daß sich die Einseitigkeit aus keinem der Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts ergebe, allerdings schon immer mitgedacht gewesen sei. 358

Vgl. die Darstellung unter Β II 3, S. 203 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 237-243.

359

Ebenso VGH München, BayVBl. 1990, 627 (628); OVG Koblenz, NJW 1986, 953; OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); vgl. außerdem OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 16; VGH Kassel, NJW 1989, 1500; OVG Münster, DVB1. 1986, 697; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 40 Rdnr. 27; a.A. Broß, VerwArch 76 (1985), 217 (227 ff.) - kritisch insoweit 16 Pietzko

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Unerheblich ist dabei für das Entstehen des Reaktionsanspruchs, ob - was regelmäßig der Fall sein wird - der Hoheitsträger selbst, d.h. durch seine Bediensteten, den Eingriffsakt ausführt oder ob die Rechtsbeeinträchtigung durch das Handeln von Privatpersonen erfolgt. In letzterem Fall ist allerdings erforderlich, daß der Übergriff als ein dem Staat zurechenbarer hoheitlicher Verletzungsakt gewertet werden kann.360

2. Unproblematische Fälle Unproblematisch ist demgemäß die Einstufung einer Maßnahme als hoheitlich, wenn sich der Hoheitsträger zur Aufgabenwahrnehmung solcher Regelungsinstrumente bedient, die nur auf der Grundlage des öffentlichen Sonderrechts erfolgen dürfen. Mithin ist bei Vorliegen der klassischen Eingriffshandlung in Form des Verwaltungsakts der hoheitliche Charakter gegeben. Dies gilt auch für den Fall, daß die Behörden im konkreten Fall unberechtigterweise die Handlungsform des Verwaltungsakts gewählt haben, weil das Rechtsverhältnis in Wirklichkeit privatrechtlich ausgestaltet ist. 361 Entscheidend ist insoweit vielmehr der Umstand, „daß" ein Verwaltungsakt erlassen worden ist, der zu rechtsbeeinträchtigenden Folgen geführt hat. Denn es muß im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit dem Betroffenen möglich sein, den nun einmal existenten Verwaltungsakt mit seinen Folgen in dem jeweiligen Rechtsweg anzugreifen, der üblicherweise bei Vorliegen dieser Handlungsmodalität eröffnet ist. 362 Gleichermaßen zweifelsfrei ist bei Eingriffsakten im Wege der Rechtsverordnung oder Satzung sowie des selten vorkommenden Maßnahme- und/oder Einzelfallgesetzes die Ausübung öffentlich-rechtlicher Gewalt und damit die hoheitliche Rechtsnatur der Handlungen festzustellen.

Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (48 in Fußn. 287) - ; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnr. 23 i.V.m. Rdnr. 22, wonach der Folgenbeseitigungsanspruch nur auf Eingriffsakte im Überordnungsverhältnis begrenzt ist, während bei schlicht-hoheitlichen Maßnahmen im Gleichordnungsverhältnis ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch eingreifen soll. 360

Vgl. hierzu VGH Kassel, NJW 1989, 1500; VGH Kassel, U.v. 15.12.1987 - 2 OE 96/83 -, S. 11, insoweit in Städtetag 1988, 702 nicht veröffentlicht. S. weiterhin die Darstellung unter Β V I 3, S. 356 ff. 361 Vgl. allgemein BVerwGE 30, 211 (211 f.); 17, 242; 13, 307 (308 f.); OVG Münster, OVGE 30, 138 (138 f.); Zimmer, DÖV 1980, 116 (120 f.). 362

Vgl. allgemein Kopp, VwVfG, § 35 Rdnr. 19.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

3. Grenzfalle a) Handeln in Form von öffentlich-rechtlichen Verträgen Bedenken hinsichtlich des hoheitlichen Wesensgehalts einer Verletzungshandlung können demgegenüber dann entstehen, wenn die Verwaltungsbehörde statt durch Verwaltungsakt mittels der Vertragsform die Rechtsbeziehungen zum Bürger gestaltet. Ob im Einzelfall der „subordinationsrechtliche Selbsteingriff 4363 des Bürgers auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erfolgt ist, wird danach beurteilt, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen Recht zugehört.364 Das maßgebliche Kriterium sind dabei in erster Linie die durch den Vertrag angestrebten Rechtsfolgen. Entscheidend ist danach, ob der Vertragsinhalt in der Ausgestaltung oder Veränderung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen bzw. Berechtigungen besteht365 oder aber zumindest mit solchen inhaltlich derart eng verbunden ist, daß er im Hinblick auf diesen Sachzusammenhang auch dem öffentlichen Recht zuzurechnen ist. 366 Abzustellen ist bei der Ermittlung des Vertragsgegenstandes nicht auf die einzelnen Vertragsbestimmungen, sondern es ist die Gesamtmaterie der Regelungen zu bewerten.367 Bei den sog. gemischten Vertragstypen, die also sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Vertragsregelungen in bezug auf Leistung und Gegenleistung beinhalten, führt dies nach richtiger Ansicht dazu, daß sie einheitlich als öffentlich-rechtliche Verträge einzustufen sind. Nur so kann die

363

S. die Darstellung unter Β I I 3, S. 210 ff.

364

Amtl. Begr. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 7/910, S. 78, zum seinerzeitigen § 50 VwVfG. Vgl. weiterhin BVerwGE 42, 331 (332); 30, 65 (67); 22, 138 (140); BGH, NJW 1988, 1264; BGHZ 56, 365 (368); 35, 69 (71); 32, 214 (215 f.); VGH München, BayVBl. 1978, 146; OVG Münster, NVwZ 1984, 522 (523); Kopp, VwVfG, § 54 Rdnr. 6; Knack, VwVfG, § 54 Rdnr. 2; Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 54 Rdnr. 35. Ausführlich zur Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen vom privatrechtlichen Vertrag: Lange, NVwZ 1983, 313 ff.; ders., JuS 1982, 500 ff. 365 BVerwG, BayVBl. 1985, 371 (372); VGH München, BayVBl. 1978, 146; Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 25 II, S. 314, mit Bezug auf die Amtl. Begr. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 7/910, S. 78; Kopp, VwVfG, § 54 Rdnr. 6; Wollf/Bachof, VerwR I, § 44 II a, S. 345. Nach BGH, JZ 1973, 420 r. Sp. Mitte, kommt es auf die Art des Zusammenhangs der Parteivereinbarung mit einem öffentlichrechtlichen Verhältnis an, wobei die „Art der versprochenen Leistung" und „die Verknüpfung und Bindung der Leistung an die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen und Berechtigungen des Leistenden", d.h. der „Gesamtcharakter der Vereinbarung" maßgebend sei. Grundsätzlich zustimmend Rüfner, JZ 1973, 421 (422), jedoch auf Differenzierungsmöglichkeiten hinweisend. 366 367

Kopp, VwVfG, § 54 Rdnr. 7 m.w.N.

Vgl. Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 25 II, S. 315; Eyermann/ F röhler, VwGO, § 40 Rdnr. 8; Maurer, AllgVerwR, § 14 Rdnr. 11.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

erhöhte Schutzfunktion, welche die öffentlich-rechtlichen Rechtsnormen der §§54 ff. VwVfG bewirken, zugunsten des Bürgers verwirklicht werden. Überdies wird so sichergestellt, daß der Vertrag nicht aufgespalten wird, wodurch die Inanspruchnahme verschiedener Rechtswege erforderlich würde. 368

b) Rechtsprechungsakte Sind richterliche Verhaltensweisen als Angriffsgegenstand im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs betroffen, so ist zunächst festzustellen, daß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG der öffentlich-rechtlichen Natur solcher Maßnahmen nicht entgegensteht. Obgleich die judikative Tätigkeit anerkanntermaßen nicht als öffentliche Gewalt i.S. von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG angesehen wird, 369 ist gleichwohl allgemeine Überzeugung, daß die Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO über den Bedeutungsgehalt dieser Verfassungsbestimmung hinausgehend, für sämtliche Streitigkeiten des öffentlichen Rechts, und damit auch für solche, bei denen Richter Beteiligte sind, den Rechtsweg eröffnet. 370 Entscheidend für die Einordnung eines judikativen Eingriffsakts als hoheitliche Verletzungshandlung ist demnach, ob er in Wahrnehmung amtlicher Aufgaben und Pflichten nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Vorschriften erfolgt ist. 371 368

Vgl. hierzu BVerwGE 42, 331 (333 f.); BVerwG, DÖV 1976, 349; Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 25 II, S. 315 f.; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnr. 8; Maurer, AllgVerwR, § 14 Rdnr. 11; Ule/Laubinger, VerwVerfR, S. 509; s. weiterhin Frank, DVB1. 1977, 682 (690); Menger, VerwArch 64 (1973), 203 f.; nicht eindeutig BVerwG, DVB1. 1980, 686 (687), sowie BVerwG, UPR 1982, 21; a.A. hingegen BGH, UPR 1983, 264 (266). Allerdings ist es möglich, in einem Vertragswerk mehrere Materien selbständig zu regeln und so insgesamt mehrere unabhängige öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Rechtsverhältnisse zu begründen, vgl. BVerwG, DÖV 1981, 878; BVerwG, DVB1. 1980, 686 (687); Ule/Laubinger, VerwVerfR, S. 509; Meyer/Borgs, VwVfG, § 54 Rdnr. 31, sprechen insoweit von „zusammengesetzten Verträgen" im Unterschied zu den „gemischten Verträgen". 369 St. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, BVerfG, DVB1. 1983, 1236 (1237); BVerfGE 49, 329 (340 f.); 25, 352 (365); 22, 106 (110); 15, 275 (280 f.); 11, 263 (265); 4, 74 (96). Vgl. weiterhin Bettermann, in: Die Grundrechte, 3. Bd., 2. Halbbd., S. 790 f.; Schenke, in: BK, GG, Art. 19 IV Rdnr. 275; Schmidt-Aßmann, in: M/D/H/S, GG, Art. 19 IV Rdnr. 96; grundsätzlich auch Hendrichs, in: v. Münch, GG, Art. 19 Rdnr. 42b, der allerdings dann eine Ausnahme anerkennt, wenn ohne Zubilligung einer rechtlichen Überprüfungsmöglichkeit Rechtsschutz überhaupt ausgeschlossen wäre. A.A. hingegen Lorenz, Rechtsschutz, S. 241 ff. 370 Vgl. die Amtl. Begr. zum Entwurf der Bundesregierung für eine VwGO, BT-Drucks. 3/55, S. 30; OVG Münster, NJW 1988, 2636; OVG Münster, U. v. 4.6.1985 - 20 A 659/ 84 - (unveröffentl.), S. 5 f.; OVG Münster, U. v. 9. 2. 1983 - 20 A 2078/82 - (unveröffentl.), S. 8; Hager, NJW 1989, 885 f.; vgl. auch Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 1, § 1 Rdnr. 1; s. auch Preusche, NVwZ 1987, 854 (855). Eher zurückhaltend Menger, VerwArch 66 (1975), 169 (175 f.). 371

Vgl. hierzu OVG Münster, NJW 1988, 2636.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

c) Realakte Die problemträchtigste Fallgruppe in diesem Zusammenhang stellen schließlich die Realakte dar. Diese tatsächlichen Handlungen sind infolge ihrer wesensimmanenten Neutralität schwer zu klassifizieren. In der Praxis tauchen Einordnungsprobleme dabei vor allem in zwei Fallgruppen auf: 1. im Rahmen der Immissionen, sowie 2. im Regelungsbereich der ehrkränkenden Äußerungen. Bevor auf die beiden Fallkategorien genauer eingegangen wird, ist zunächst allgemein festzuhalten, daß die Bestimmung der Rechtsnatur faktischer Eingriffsakte im Kontext der im allgemeinen Verwaltungsrecht behandelten Abgrenzungsfrage von öffentlichem Recht einerseits und Privatrecht andererseits steht. Zu deren Klärung sind die unterschiedlichsten Lösungsmodelle konzipiert worden. Die hier vertretenen Abgrenzungslehren, die Interessentheorie,372 die Subjektions- bzw. Subordinationstheorie373 oder die modifizierte Subjekts- bzw. Zuordnungs- oder Sonderrechtstheorie, 374 vermögen angesichts der in ihnen jeweils herausgearbeiteten - naturgemäß globalen Abgrenzungskriterien, im vorliegenden Problembereich nur eine eingeschränkte Lösungskapazität aufzuweisen. So ist beispielsweise nach der modifizierten Subjektstheorie für die Feststellung des öffentlich-rechtlichen Gehalts einer Streitigkeit maßgebend, ob ihr Rechtsnormen zugrundeliegen, welche den Hoheitsträger als solchen, d.h. in seiner Funktion als Hoheitsträger, berechtigen oder verpflichten. 375 Nun ist im Rahmen der Klassifizierung tatsächlicher Eingriffsakte als hoheitliche oder zivilrechtliche Verletzungshandlungen jedoch gerade die Zuordnung der in Rede stehenden Handlung zu konkreten Rechtsnormen fraglich, weil die Tathandlung selbst im Regelfall gerade nicht auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung vorgenommen wird. Infolge des fehlenden konkreten Normbezuges von Realakten begründet die Bestimmung ihres Rechtscharakters somit ein Zuordnungsproblem. 376 Deshalb soll nachfolgend versucht werden, eigenständige Abgrenzungskrite372

Ulpian, Digesten 1, 1, 1.

373

Vertreten insbesondere vom Reichsgericht, vgl. RGZ 167, 281 (284 f.); 166, 218 (222 ff.); 160, 216 (217 ff.), sowie vom Bundesgerichtshof, vgl. BGHZ 67, 81 (85); BGH, NJW 1970, 811 f.; BGHZ 14, 222 (226 f.), und der unterinstanzlichen zivilrechtlichen Rechtsprechung, z.B. OLG Karlsruhe, NJW 1960, 2241 (2242); vereinzelt außerdem vom Bundesverwaltungsgericht, BVerwGE 29, 159 (161 f.). 374

Begründet von Hans Julius Wolff, , AöR 76 (1950/51), S. 205 ff., insbes. S. 210; Wolff/Bachof,\ VerwR I, § 22 II c, S. 99. 375 So Bachof,; in: Festgabe für das BVerwG, S. 1 (9 ff.); Bettermann, NJW 1977, 513 (516). Nach der von Hans Julius Wolff begründeten älteren Zuordnungstheorie war maßgeblich, ob ein Hoheitsträger ausschließlicher Normadressat ist. Zur Unterscheidung zwischen der älteren und der neueren (modifizierten) Subjektstheorie vgl. Maurer, AllgVerwR, § 3 Rdnr. 18; v. Münch, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 2 II 1, S. 18 f. 376

Hierauf ebenfalls hinweisend Zuleeg, VerwArch 73 (1982), 384 (386 ff., 403).

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

rien herauszuarbeiten, mit denen die Ermittlung der Rechtsnatur faktischer Beeinträchtigungen zumindest erleichtert werden kann.

aa) Immissionen Zunächst stellt sich die Qualifikationsfrage von tatsächlichem Verwaltungshandeln dort, wo der Beseitigungsanspruch gegen Immissionen der öffentlichen Hoheitsträger geltend gemacht wird. 3 7 7 In Anlehnung an die Legaldefinition des § 3 Abs. 2 B I m S c h G sind unter Immissionen Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen zu verstehen, die von der öffentlichen Hand verursacht werden. 3 7 8 I m Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs sind dabei insbesondere die Fallgestaltungen von Interesse, bei denen zur Abwehr der Immissionsbelastung die vollständige Beseitigung der die Störung verursachenden Anlage angestrebt wird. 3 7 9 Besonders häufig kommen in der Praxis folgende Fallgestaltungen vor: Einerseits sind hier die Sachverhalte zu erwähnen, bei denen der Bürger oftmals in Kombination mit einem Unterlassungsanspruch - einen Beseitigungsanspruch gegen einen gemeindlichen Kinderspielplatz geltend macht. 3 8 0 377

Der Hinweis von Robbers, DÖV 1987, 272 (273), bezugnehmend auf Christ, Verwaltung, S. 87; W. Schmidt, Einführung in die Probleme des Verwaltungsrechts, 1982, S. 166, daß die Einordnung der Immissionen unter den Begriff der „tatsächlichen Verletzungshandlung" insofern ungenau sei, als nicht die Immissionen die eigentliche Störungstätigkeit darstellen würden, sondern vielmehr ihrerseits erst die Folge einer vorangegangenen Tätigkeit seien, läßt außer acht, daß erst die Immissionsbelästigung als solche aus der Sicht des betroffenen Bürgers zu einer Tangierung seiner Rechtssphäre führt. Damit bildet diese den primären Anknüpfungspunkt für einen Beseitigungsanspruch, in dessen Rahmen die den Immissionen zugrundeliegende Betätigung zwangsläufig mit in die Prüfung des Bestehens des Abwehranspruchs miteinbezogen wird. Vgl. allgemein Broß, VerwArch 80 (1989), 395 ff. 378 Der Gesetzeswortlaut unterscheidet zwischen den „Immissionen" gem. § 3 Abs. 2 BImSchG, die dadurch gekennzeichnet sind, daß es sich um solche Umweltbelästigungen handelt, die auf Menschen, Tiere, Pflanzen oder andere Sachen einwirken, sowie den „Emissionen" nach § 3 Abs. 3 BImSchG, bei denen das Gesetz hervorhebt, daß diese Umweltbeeinträchtigungen von einer Anlage ausgehen. Im folgenden soll aus Vereinfachungsgründen nur der Begriff „Immissionen" verwendet werden. 379 380

Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 3 E IV 4, S. 487 ff.

BVerwG, DVB1. 1974, 777 (Anspruch auf Beseitigung oder Schließung eines Spielplatzes), mit Anm. Umbach, DVB1. 1974, 779; VGH Kassel, NJW 1981, 2315 (Anspruch auf Beseitigung des Kinderspielplatzes sowie Anspruch auf Einhaltung bestimmter Maßnahmen zur Lärmminderung), mit Anm. Dürr, NVwZ 1982, 296; VGH Mannheim, VB1BW 1990, 431 (Beseitigungsanspruch, Nutzungseinstellung /Kinderspielplatz); VGH Mannheim, VB1BW 1985, 222 (Anspruch auf Beseitigung eines Bolzplatzes); VGH München, BayVBl. 1988, 241 (Beseitigungsanordnung/Nutzungsuntersagung); VG Münster, NVwZ 1982, 327 (Verlegung des Spielplatzes, Anspruch auf Durchführung von Schutzvor-

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs Andererseits sind in diesem Zusammenhang die Fälle von Bedeutung, in denen der Betroffene Rechtsschutz im Hinblick auf die von einer Sport- bzw. Freizeitanlage hervorgerufenen L ä r m - 3 8 1 oder Lichtbeeinträchtigungen 382 oder wegen der durch die Benutzung einer Freizeitanlage befürchteten Brandgefahr 3 8 3 begehrt. 384 Weiterhin sind hier exemplarisch die Fallgestaltungen zu nennen, bei denen der Bürger die Verlegung bzw. Stillegung einer Feuerwehrsirene wegen unzumutbarer Lärmbelästigung erbittet, 385 aus dem gleichen Grunde einen Abwehranspruch gegen die Nutzung eines Feuerwehrgerätehauses als Standort einer Baukolonne verfolgt 386 oder eine Beseitigungsklage gegen eine Telefonzelle anstrengt, deren Benutzung gleichfalls zu Geräuscheinwirkungen führt. 387 Erwähnt seien des weiteren die Sachverhalte, bei denen der betroffene Eigentümer die Beseitigung der auf seinem Grundstück mit seiner Zustimmung errichteten Kläranlage im Hinblick auf die hierkehrungen). Vgl. weiterhin OVG Münster, NVwZ 1983, 356 (Entfernung von einzelnen Spielgeräten des Spielplatzes); OVG Lüneburg, BRS 42 (1984), Nr. 188, S. 423 (Nutzungsuntersagung im Hinblick auf Bolzplatz, Anspruch auf Einhaltung der Öffnungszeiten); VGH München, NVwZ 1987, 986 (Unterlassungsanspruch, Nutzungsuntersagung für bestimmte Zeiten); s. außerdem BVerwG, DVB1. 1973, 635 (Klage gegen die Errichtung eines Spielplatzes); ungenau VGH Kassel, UPR 1988, 117, wo nur allgemein von der Geltendmachung eines „Abwehranspruchs" gesprochen wird. 381

Vgl. hierzu OLG Koblenz, NVwZ 1987, 1021 (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch /Sportplatz); s. weiterhin BVerwG, NVwZ 1990, 858 (Unterlassungsanspruch, Anspruch auf Schutzvorkehrungen/Sportplatz); BVerwG, NJW 1989, 1291 (Abwehranspruch, Nutzungseinstellung, Anspruch auf Schutzvorkehrungen/Sportplatz); BVerwG, NJW 1986, 393 (Unterlassungsanspruch, Nutzungseinstellung/Tennisplatz); OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 16 (Anspruch auf Schutzvorkehrungen/Badestelle); OVG Hamburg, DVB1. 1986, 691 (Unterlassungsanspruch gegen Sportbetrieb); VGH Mannheim, VB1BW 1983, 25 (Unterlassungsklage gegen Lärmbelästigung durch Sportplatz); VGH München, NVwZ-RR 1989, 532 (Abwehranspruch, Nutzungseinstellung/Grillplatz); vgl. ferner BGH, NJW 1983, 751 (Unterlassungsanspruch gegen die von einem Tennisplatz ausgehenden Lärmeinwirkungen); LG Aachen, NVwZ 1988, 189 (Unterlassungsanspruch wegen Lärmbelästigungen von Schulsportplatz). 382 Vgl. VGH Mannheim, VB1BW 1983, 25 (Unterlassungsanspruch wegen Blendbelästigungen durch den Flutlicht-Spielbetrieb eines Sportplatzes). 383

Vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1986, 62 (Allgemeiner Abwehranspruch, Nutzungseinstellung/Steinbruch als Standort für Waldfestplatz). 384 Eine weiter häufig vorkommende Fallgruppe stellen die Sachverhalte dar, bei denen Rechtsschutz gegen die Immissionen, die von einer Kirmesveranstaltung ausgehen, begehrt wird. Da diese Festveranstaltungen zeitlich vorübergehenden Charakter besitzen, wird hier allerdings regelmäßig ein (vorbeugender) Unterlassungsanspruch verfolgt, vgl. exemplarisch BGHZ 41, 264 (Unterlassungsanspruch), mit kritischer Anm. Ule/Fittschen, JZ 1965, 315; VGH Mannheim, VB1BW 1987, 464 (Unterlassungsanspruch); VB1BW 1985, 60 (vorbeugender Unterlassungsanspruch). 385

BVerwGE 79, 254; Vorinstanz: VGH München, BayVBl. 1986, 690.

386 O V G Münster, DÖV 1983, 1020, mit Anm. Schwabe, DÖV 1984, 387, sowie Bspr. Kauther, VR 1984, 64. 387

OVG Koblenz, NJW 1986, 2779; VGH Mannheim, NJW 1985, 2352.

4

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

durch entstehenden Geruchsimmissionen begehrt,388 die Beseitigung von Altglas- und Altpapiercontainern wegen benutzungsbedingter Lärmbelästigungen und Verunreinigungen beansprucht389 oder die Entfernung einer Straßenlaterne angesichts der durch ihren Lichtschein vor einem Einfamilienhaus bzw. vor einem Hotel verursachten Insektenbelästigung fordert. 390 Schließlich sei hier die dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.10.1983 zugrundeliegende Problematik genannt, bei der sich der betroffene Bürger gegen das liturgische Glockenläuten einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Kirche gewandt hat. 391 In diesen Fallbeispielen stellt sich die Frage, ob der von diesen Störungen Betroffene Rechtsschutz im Wege der privatrechtlichen Nachbaransprüche der §§ 903, 906, 1004 BGB zu verfolgen hat oder ob öffentlich-rechtliche Abwehransprüche eingreifen, und damit der Folgenbeseitigungsanspruch zur Anwendung gelangt. aaa) Allgemeine Grundsätze (1) Meinungsstand Nach ständiger Rechtsprechung392 und allgemeiner Literaturansicht 393 entscheidet über die Rechtsqualität des Beseitigungsanspruchs die Rechtsnatur des Eingriffs. Ist hinsichtlich dieser Ausgangsüberlegung weitgehende Einigkeit festzustellen, so bestehen demgegenüber unterschiedliche Ansichten in bezug auf die Wertungskriterien, anhand welcher der Rechtsgehalt des Eingriffsakts zu bestimmen ist. 388

BVerwG, DVB1. 1974, 239. S. auch OVG Lüneburg, OVGE 33, 409 (Unterlassungsanspruch, Verbot der Klärschlammablagerung) — allerdings wurde hier wegen der für das Verwaltungsgericht bindenden Verweisung die Frage des Rechtscharakters der Tätigkeit offengelassen, vgl. OVGE 33, 409 f. 389

VG Münster, NJW 1989, 1820.

390

VGH Kassel, NJW 1989, 1500; OVG Koblenz, NJW 1986, 953.

391 BVerwGE 68, 62; hierzu Goerlich, JZ 1984, 221, sowie Schatzschneiden NJW 1984, 991. Vgl. weiterhin VGH München, BayVBl. 1980, 563, mit Anm. Schatzschneider, BayVBl. 1980, 564; OLG Frankfurt, DVB1. 1985, 861, mit zustimmender Bspr. Müssig, DVB1. 1985, 837. 392

BVerwG, DVB1. 1974, 239 (240 1. Sp. oben); BGH, NJW 1986, 2640 (2641 1. Sp. Mitte); OVG Berlin, UPR 1988, 32 1. Sp. Mitte (insoweit in NVwZ-RR 1988, 16 nicht abgedruckt); OVG Koblenz, NJW 1986, 953 r. Sp. Mitte; VGH Mannheim, VB1BW 1985, 60 1. Sp. unten; VB1BW 1983, 25 (26 1. Sp. Mitte); VGH München, BayVBl. 1988, 241 r. Sp. oben; OVG Münster, DVB1. 1983, 1020 r. Sp. oben. Vgl. außerdem BGHZ 54, 384 (387 f.); 48, 98 (100 ff.). 393 Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnr. 22; Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 29; Ossenbühl, StHR, S. 89 in Fußn. 4; Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 1, S. 2.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

So hat der Bundesgerichtshof und ihm folgend die unterinstanzliche Rechtsprechung zum Teil darauf abgestellt, ob sich der Klageanspruch nach seiner tatsächlichen Begründung als Rechtsfolge eines Sachverhalts darstellt, der nach Maßgabe der allgemein gültigen Rechtsnormen des Privatrechts oder des öffentlich-rechtlichen Sonderrechts für die Entstehung eines solchen Abwehrrechts Raum läßt. 394 Folgerichtig besitze die Immissionsabwehrklage regelmäßig zivilrechtlichen Charakter. Denn gegen widerrechtliche Beeinträchtigungen des Eigentums würden vorrangig die privatrechtlichen Abwehrrechte der §§ 862, 903, 1004 BGB in Betracht kommen.395 Das Argument des Vorliegens öffentlicher Aufgaben reiche jedenfalls alleine nicht aus, um den hoheitlichen Rechtsgehalt der zu deren Realisierung notwendigen Betätigung festzustellen. 396 Vielmehr könne er nur dann angenommen werden, wenn sich die öffentliche Hand, wie beispielsweise im Falle der durch eine Kirmesveranstaltung verursachten Grundstücksimmissionen, bei Ausnutzung und Verwendung des Grundeigentums der öffentlich-rechtlichen Normen bediene, so daß die Vollstreckung des dem Klageantrag stattgebenden Urteils zur Aufhebung oder Änderung einer hoheitlichen Maßnahme führen würde. 397 Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in anderen Entscheidungen die öffentliche Aufgabenwahrnehmung als solche stärker als Abgrenzungsmerkmal in den Vordergrund gestellt.398 Dieser Linie folgt teilweise auch die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung, die zusätzlich den Umstand heranzieht, ob das die Belästigungen auslösende Verwaltungshandeln der öffentlichen Hand in einem öffentlich-rechtlichen Planungs- und Funktionszusammenhang steht.399 Daneben werden auch kombinierte Lösungsansätze vertreten, nach 394 BGHZ 41, 264 (265); BGH, DVB1. 1968, 148, mit ablehnender Anm. W. Martens, DVB1. 1968, 150; vgl. BGHZ 34, 349 (353); 29, 187 (188 f.); 5, 76 (81 f.); OLG Koblenz, NVwZ 1987, 1021; LG Aachen, NJW 1988, 189 (190). Früher auch BVerwGE 27, 170 (174 f.); VGH München, BayVBl. 1965, 390 (391). 395

BGH, DVB1. 1984, 472; BGHZ 41, 264 (266); VGH München, BayVBl. 1965, 390

(391). 396

BGHZ 41, 264 (266 f.).

397

BGH, DVB1. 1984, 472 (473); BGHZ 67, 81 (85); 49, 340 (347); BGH, DVB1. 1968, 148; BGH, DÖV 1965, 569 (570); BGHZ 41, 264 (266 f.); 5, 76 (81). 398 BGH, DVB1. 1970, 273 (274) (Beseitigungs-, Unterlassungsanspruch sowie Anspruch auf Schutz Vorkehrungen); BGH, DÖV 1965, 569 f. (Anspruch auf Installierung von Schutzeinrichtungen); s. außerdem in bezug auf Entschädigungsansprüche: BGH, NJW 1984, 1876; NJW 1980, 770; NJW 1976, 1204 (1205); BGHZ 55, 229 (230). Früher schon RGZ 170, 40 (42 f.), wobei seinerzeit die Verneinung einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit angesichts des noch nicht voll ausgebildeten verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes zu einer Duldungspflicht des Bürgers im Hinblick auf die Beeinträchtigung führte. 399

BVerwG, DVB1. 1974, 239 (240); OVG Berlin, UPR 1988, 32 (insoweit in NVwZRR 1988, 16 nicht abgedruckt); VGH München, BayVBl. 1988, 241. Vgl. weiterhin im Rahmen der Erörterung von Unterlassungsansprüchen: VGH München, NVwZ 1987, 986; ferner VGH Mannheim, VB1BW 1983, 25 (26); LG Aachen, NVwZ 1988, 189 (190).

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

denen maßgebend ist, ob die Tätigkeit in Erfüllung öffentlicher Aufgaben vorgenommen und für diese ausdrücklich oder zumindest konkludent eine öffentlich-rechtliche Befugnis oder ein Recht dazu beansprucht wird, 400 was im Rahmen der Daseinsvorsorge im Zweifel immer zu vermuten sein soll. 401 Schließlich wird als entscheidender Einordnungsgesichtspunkt die öffentliche Aufgabenwahrnehmung durch eine öffentliche bzw. durch eine öffentlichrechtlich organisierte Einrichtung herangezogen.402

(2) Stellungnahme (a) Vorüberlegungen Bei den Immissionen handelt es sich um Realakte, die insofern einen neutralen Rechtscharakter aufweisen, als sie für sich betrachtet, weder privatnoch öffentlich-rechtlich ausgestaltet sind. Folgerichtig stellt sich die Bestimmung ihrer Rechtsnatur als Zuordnungsproblem dar. Als denkbare Anknüpfungspunkte zur rechtlichen Einordnung dieser Tathandlungen kommen dabei, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, in Betracht: -

Die privat- oder öffentlich-rechtlichen Normsysteme, auf deren Grundlage die Abwehransprüche entstehen, - das Kriterium der öffentlichen Aufgabenerfüllung bzw. des öffentlichrechtlichen Planungs- und Funktionszusammenhangs, - die öffentliche Aufgabenerfüllung i.V.m. der Inanspruchnahme einer öffentlich-rechtlichen Befugnis bzw. in Zusammenhang mit der öffentlich400

VGH Mannheim, NJW 1985, 2352; vgl. weiterhin in bezug auf Unterlassungsansprüche: OVG Hamburg, DVB1. 1986, 691; VGH Mannheim, VB1BW 1983, 25 f. S. außerdem BGHZ 54, 299 (301), hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs gem. §§ 276, 278 BGB analog, sowie OLG Karlsruhe, NJW 1960, 2241 (2242), im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs. Ebenso Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 29. Hingegen ist nach Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (263 in Fußn. 9), alleine maßgebend, ob die Tätigkeit, die zu den Immissionen führt, aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, d.h. aufgrund öffentlich-rechtlicher Befugnisnormen oder zumindest Aufgaben(zuweisungs)normen vorgenommen wird. 401 402

Vgl. VGH Mannheim, VB1BW 1983, 25 f.; Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 29.

VGH München, BayVBl. 1988, 241, sowie OVG Münster, DÖV 1983, 1020, beide unter zusätzlicher Betonung des öffentlich-rechtlichen Planungs- und Funktionszusammenhangs. Vgl. weiterhin VGH Mannheim, BauR 1987, 414; VGH Mannheim, VB1BW 1985, 222; VB1BW 1985, 60; Hoffmann, Abwehranspruch, S. 16 ff.; W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (88 f.). Nur auf die öffentlich-rechtliche Organisationsform abstellend: VGH Kassel, UPR 1988, 117; VGH Kassel, NJW 1981, 2315; VGH Mannheim, VB1BW 1987, 464; VGH Mannheim, NVwZ 1986, 62 (63); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 1, S. 1; s. auch Wolff / Bachof, VerwR I, § 22 III b 3, S. 102; ähnlich Papier, NJW 1974, 1797 (1798).

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

rechtlichen Organisationsform der die Aufgaben wahrnehmenden Einrichtungen. Einwände erheben sich zunächst an der vom Bundesgerichtshof zum Teil praktizierten Methode, den Rechtsgehalt der Immissionen mit Rücksicht auf die zivilrechtlichen Abwehrrechte der §§ 862, 903, 1004 BGB regelmäßig als privatrechtlich zu qualifizieren und nur für den Fall eine Ausnahme zu machen, daß aufgrund einer ausdrücklichen öffentlich-rechtlichen Befugnis in das Eigentum eingegriffen worden ist. 403 Diese Argumentation begegnet bereits deshalb Bedenken, als hierbei Ursache und Wirkung miteinander vertauscht werden. Nicht das Vorhandensein einer detaillierten bürgerlich-rechtlichen Abwehrvorschrift vermag den Privatrechtscharakter der Störung zu begründen, sondern vielmehr umgekehrt führt die zivil- oder öffentlich-rechtliche Natur der Immissionen zum Eingreifen der §§ 862, 903, 906, 1004 BGB einerseits bzw. des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs andererseits. 404 Wird die Rechtsstellung des Betroffenen durch öffentlich-rechtlich zu charakterisierende Immissionen beeinträchtigt, so ist nicht das durch § 1004 BGB geschützte Eigentum betroffen, sondern das öffentlich-rechtlich fundierte Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG als gegen den Staat gerichtetes Abwehrrecht tangiert. 405 Stattdessen ist es geboten, auf der Grundlage einer Gesamtbewertung des zu den Immissionen führenden Handelns die Einordnung derartiger Beeinträchtigungen vorzunehmen. Die hierbei bedeutsamen Wertungsgesichtspunkte - Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, Handeln aufgrund öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Rechtsnormen sowie die öffentliche oder privatrechtliche Organisationsform - sind dabei als konkretisierende Beurteilungsmaßstäbe heranzuziehen. Allerdings kommt dabei zwei Kriterien eine besondere Bedeutung zu: Ausgehend von dem allgemein anerkannten Grundsatz, demzufolge die öffentliche Hand, sofern keine gesetzlichen Vorschriften entgegenstehen, die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet des Leistungsrechts wahlweise durch öffentliche oder privatrechtliche Einrichtungen vornehmen kann, 406 stellt die bewußte Entscheidung für eine öffentlich-rechtliche Organi403

Vgl. die Nachweise in Fußn. 394-397.

404

S. hierzu Bettermann, DVB1. 1984, 473; W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (87 f.); Ule/Fittschen, JZ 1965, 315; s. auch BGHZ 9, 65 f., wo der Bundesgerichtshof selbst ausführt, der Umstand allein, daß eine Klage auf eine zivilrechtliche Vorschrift gestützt wird, führe nicht zur Zulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges, vielmehr müsse „die wahre Natur (des) Anspruchs" ermittelt werden. 405 406

So W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 189.

Vgl. exemplarisch BVerwG, MDR 1976, 874; BVerwGE 13, 47 (54); BGHZ 91, 84 (86); VGH Kassel, NJW 1977, 452; OVG Lüneburg, NJW 1977, 450 f.; VGH München,

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

sationsform ein Indiz zugunsten einer auch öffentlich-rechtlichen Nutzung der Einrichtungen dar. Zwar ist es der öffentlichen Hand auch bei einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform grundsätzlich gestattet, sich im Rahmen der Benutzung privatrechtlicher Handlungsformen zu bedienen.407 Diese Wahlfreiheit erweitert jedoch nur den Handlungsspielraum der öffentlichen Träger dieser Anlagen. Bei Fehlen einer ausdrücklichen Inanspruchnahme des zivilrechtlichen Regelungsinstrumentariums erscheint angesichts der Festlegung der öffentlichen Hand auf öffentlich-rechtlich strukturierte Einrichtungen zur Realisierung der Verwaltungsaufgaben die umfassende Unterstellung der Betriebe unter das öffentliche Recht systemkonform. Folgerichtig ist in Abweichung von der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 408 eine Regelvermutung zugunsten der öffentlich-rechtlichen Nutzung der Einrichtungen anzunehmen.409 Die aus dem formalen Kriterium der öffentlich-rechtlichen Organisationsform i.V.m. dem materiell-rechtlichen Gesichtspunkt der hoheitlichen Aufgabenrealisierung erwachsende Vermutung für den öffentlich-rechtlichen Charakter der Betätigung wird durch eine auf den Empfängerhorizont des ggf. betroffenen Bürgers abstellende Betrachtungsweise bestätigt. Für den Bürger stellt sich das die Immissionen hervorrufende Handeln der eine öffentlichrechtliche Organisationsstruktur aufweisenden Funktionsträger infolge dieser Subjektsqualität vorrangig als eine öffentlich-rechtliche Maßnahme dar. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß derartige Belästigungen nicht in einem durch Unter- bzw. Überordnung gekennzeichneten Rechtsverhältnis stattfinden. Denn zum einen ist ein Subordinationsverhältnis keineswegs Voraussetzung für den öffentlich-rechtlichen Charakter der Rechts-

BayVBl. 1965, 390 (392); Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 31, S. 356-358; Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 29; Maurer, AllgVerwR, § 3 Rdnr. 9; Ossenbühl, DVB1. 1974, 541; Wolff/ Bachof, VerwR I, § 23 I a, S. 105, § 23 II b, S. 108 ff. Differenzierend hinsichtlich der Grundrechtsbindung im Verwaltungsprivatrecht v. Zezschwitz, NJW 1983, 1873 (1877 ff.). Einschränkend insgesamt bezüglich der Anwendbarkeit privatrechtlicher Handlungsformen Zuleeg, VerwArch 73 (1982), 384 (397 ff.). 407

Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 31, S. 356-358; Maurer, AllgVerwR, § 3 Rdnr. 9; Ossenbühl, DVB1. 1974, 541; vgl. außerdem Papier, Recht, S. 26. 408 409

Vgl. die Nachweise in Fußn. 394-397.

Vgl. hierzu BVerwGE 61, 222 (225); 32, 333 (337); VGH Kassel, UPR 1988, 117; VGH Mannheim, NVwZ 1985, 437; VGH Mannheim, DÖV 1978, 569; OVG Münster, DVB1. 1976, 398 (399); s. auch BGH, DVB1. 1970, 273 f.; Steinberg, Nachbarrecht, Rdnrn. 4 f., S. 3 ff.; Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 34 I, S. 366; ders., Jura 1982, 537 (544); ferner ders., DVB1. 1986, 1203; Menger/Erichsen, VerwArch 60 (1969), 376 (378); Wolff /Bachof, VerwR I, § 22 III b 2, S. 102; vgl. außerdem Lange, JuS 1982, 500 (502). Gegen eine derartige Regelvermutung Christ, Verwaltung, S. 40 ff.; Ehlers, Verwaltung, S. 497 f.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

beziehung zwischen Bürger und Staat,410 was beispielsweise in dem Rechtsinstitut des kooperationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrages, vgl. § 54 S. 1 VwVfG, zum Ausdruck kommt.411 Zum anderen ist wegen der Anbindung an die hoheitliche Aufgabenerfüllung durch öffentlich-rechtliche Einrichtungen ein ausreichender Ansatzpunkt für den hoheitlichen Charakter der Immissionen gegeben. Der zweite wesentliche Gesichtspunkt für die Annahme des öffentlichrechtlichen Rechtsgehalts der Immissionen liegt in der Unterstellung der Einrichtung unter eine öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung. Die ausdrücklich oder konkludent erfolgende Widmung der Anlage zur hoheitlichen Aufgabenerfüllung wirkt sich zwangsläufig auch auf die von ihr konkret ausgeführte Betätigung aus, indem sie deren Zulässigkeit und Grenzen festlegt. 412 Diese Bedeutung für die Tätigkeit der Einrichtung spricht ebenfalls im Regelfall für eine einheitliche Bewertung des öffentlich-rechtlichen Status der Einrichtungen und der daraus folgenden öffentlich-rechtlichen Sachnutzung.

(b) Schlußfolgerung Vor dem Hintergrund der vorstehenden Überlegungen kann folgendes gesagt werden: Als maßgebliche Wertungskriterien zur Bestimmung der Rechtsnatur von Immissionen sind die öffentliche Aufgabenerfüllung, die einschlägigen Rechtsnormen und die Organisationsform kumulativ heranzuziehen. Besonderes Gewicht bei der Ermittlung des hoheitlichen Rechtsgehalts der Umweltbelästigungen kommt dabei der gewählten öffentlich-rechtlichen Organisationsstruktur der mit der Aufgabenwahrnehmung betrauten Einrichtungen sowie der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung der Anlagen zu, die durch einen expliziten oder stillschweigenden Widmungsakt vorgenommen sein kann. Werden die Verwaltungsaufgaben demgegenüber durch privatrechtlich ausgestaltete Betriebe erfüllt, kommt, da sie grundsätzlich nur über ein zivilrechtliches Regelungsinstrumentarium verfügen, regelmäßig auch nur der privatrechtliche Charakter der durch ihre Betätigung verursachten Belästigun410

Vgl. W. Martens, DVB1. 1968, 150.

411

Vgl. hierzu die Darstellung unter Β II 3, S. 213 ff. mit Nachweisen in Fußn. 272.

412

Den Aspekt der öffentlich-rechtlichen Widmung bei Bestimmung der Rechtsnatur von Immissionen betonen ebenfalls: BVerwGE 68, 62 (65 f.); 27, 170 (175); BGH, NJW 1977, 894 (895); NJW 1976, 570; VGH München, BayVBl. 1988, 241; BayVBl. 1965, 390 (391 f.); OLG Frankfurt, DVB1. 1985, 861 (862); OLG Karlsruhe, NVwZ 1986, 964; VG Münster, NVwZ 1982, 327; weiterhin Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 1, S. 1. Anders hingegen BGH, DVB1. 1968, 148; vgl. auch BGHZ 41, 264 (269 ff.).

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

gen in Betracht. 413 Demzufolge ist beispielsweise die Beseitigungsklage gegen eine von einem privaten Omnibusunternehmer aufgestellte Haltestelle trotz der hierin liegenden Wahrnehmung einer Funktion der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie der Genehmigungspflicht des Betriebs der Omnibuslinie einschließlich des Fahrplans nach §§ 2 Abs. 1, 9, 40 Abs. 2 S. 1 PBefG bürgerlich-rechtlicher Natur. 414 Denn die öffentlich-rechtlichen Vorschriften stellen hier nur die Bewertungsgrundlage dar, aufgrund derer die Zulässigkeit der Errichtung und Nutzung der privatrechtlichen Verkehrseinrichtung ermittelt wird. Auch wenn dadurch die Anlage durch öffentlich-rechtliche Maßstäbe bestimmt wird, kann das nicht im Wege einer Art Wechselwirkung dazu führen, daß nunmehr auch der Charakter der durch eine Zivilperson ins Werk gesetzten Einrichtung sich zum öffentlichen Recht verändern würde. Maßgebend muß hier vielmehr sein, daß der Betreiber der Omnibuslinie über keinerlei Hoheitsbefugnisse verfügt, 415 und die Benutzung der Anlage ausschließlich nach privatrechtlichen Rechtsnormen erfolgt. Eine Änderung dieses Ergebnisses kann lediglich für den selten vorkommenden Fall eintreten, daß es sich bei den Privatrechtssubjekten um Beliehene handelt, denen in einem bestimmten festgelegten Rahmen hoheitliche Befugnisse eingeräumt sind. Infolge dieser bewußt in Abweichung vom Regelfall vorgenommenen Einbindung der Privatpersonen in den öffentlichen Rechtskreis spricht bei Fehlen anderweitiger Anhaltspunkte eine Vermutung für den öffentlich-rechtlichen Charakter ihrer Betätigung und damit einhergehend der hierdurch entstehenden Beeinträchtigungen.416

bbb) Problemfälle Trotz der vorstehend aufgeführten allgemeinen Wertungskriterien bestehen in vier Fallkonstellationen spezielle Einordnungsprobleme. Es handelt sich hierbei um folgende Sachverhaltsgestaltungen: 1. vollständiges Fehlen einer organisatorischen Struktur; 413

Vgl. hierzu BVerwGE 61, 222 (225); VGH Mannheim, NVwZ 1985, 437; OVG Münster, DÖV 1983, 1020; W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (88); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 4, S. 3; ferner Papier, Recht, S. 26. Differenzierend Ossenbühl, DVB1. 1974, 541 ff. 414 So BGH, DVB1. 1984, 472 f.; i.E. zustimmend Bettermann, DVB1. 1984, 473 f.; ebenfalls befürwortend Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 40 Rdnr. 27. Kritisch indes Eyermann/Fröhler, VwGO, § 40 Rdnr. 22. 415 Auf die fehlende Hoheitsgewalt des Unternehmers ebenfalls hinweisend Bettermann, DVB1. 1984, 473 f. 416

Vgl. in diesem Zusammenhang Bettermann, DVB1. 1984, 473 f.; W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (88 mit Fußn. 21); Ossenbühl, DVB1. 1974, 541 ff.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

2. über den öffentlich-rechtlichen Widmungsrahmen hinausgehende Sachnutzung; 3. Immissionen, die im Zusammenhang mit dem Bau und der Unterhaltung von öffentlichen Einrichtungen entstehen; 4. das liturgische Glockenläuten einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Kirche.

(1) Vollständiges

Fehlen einer organisatorischen

Struktur

Einordnungsschwierigkeiten verursachen zunächst diejenigen Fälle, in denen die Einrichtung, welche die hoheitlichen Aufgaben wahrnimmt, über keine Organisationsstruktur verfügt, an die zur Bestimmung des Rechtsgehalts der durch ihre Tätigkeit hervorgerufenen Belästigungen angeknüpft werden könnte.417 So ist gerade bei den in der Praxis häufig vorkommenden Konfliktsituationen, wie beispielsweise den zu Lärmimmissionen führenden Sport- oder Kinderspielplätzen, keine Organisationsstruktur feststellbar. Scheidet diese damit als Anknüpfungspunkt zur Ermittlung der Rechtsnatur der Störungen aus, so kann gleichwohl nicht vom generellen privatrechtlichen Rechtscharakter der Sachnutzung ausgegangen werden. Vielmehr ist für den Regelfall auch hier von einer öffentlich-rechtlichen Nutzung der Anlagen auszugehen. Diese Vermutung beruht einmal auf der Überlegung, daß es sich bei den hier in Frage kommenden Einrichtungen um Grundstücksnutzungen handelt, die in den öffentlich-rechtlichen Bauleitplänen regelmäßig ausgewiesen werden, vgl. §§ 1 Abs. 6, 9 Abs. 1 Nr. 22 BauGB. Sofern die von einer solchen Bodennutzung ausgehenden Immissionen zum Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens werden, ist zu berücksichtigen, daß bei Erfolg des geltend gemachten Abwehranspruchs zumindest mittelbare Auswirkungen auf die Bauleitplanung vorliegen. Deshalb spricht in diesem Fall der öffentlich-rechtliche Planungs- und Funktionszusammenhang418 für eine öffentlich-rechtliche Qualifizierung der Beeinträchtigungen. Sofern für das in Rede stehende Gebiet kein Bebauungsplan existiert, ist ebenfalls im Regelfall der öffentlich-rechtliche Charakter der bei Benutzung der Anlagen verursachten Störungen zu bejahen. Bei derartigen Gemeinschaftsanlagen handelt es sich um Einrichtungen, welche die Gemeinden ihren Einwohnern auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage zur Sachnutzung

417 418

S. hierzu Papier, Recht, S. 25; Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 5, S. 3 - 5 .

Vgl. zu diesem von der Rechtsprechung geprägten Begriff die Darstellung unter Β III 3, S. 248 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 399.

256

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

zur Verfügung stellen, d.h. regelmäßig durch einen Satzungsbeschluß des zuständigen Gemeindeorgans für den öffentlichen Betrieb widmen. Folgerichtig ist auch unter diesem Gesichtspunkt von einer öffentlich-rechtlichen Sachnutzung auszugehen.419

(2) Über den öffentlich-rechtlichen hinausgehende Sachnutzung

Widmungsrahmen

Des weiteren ist eine Fallvariante zu erwähnen, bei der die Immissionen durch eine über den Widmungszweck der Einrichtung hinausgehende Betätigung hervorgerufen werden. Als Beispiel sei der der Entscheidung des LG Aachen vom 7.10.1987 zugrundeliegende Sachverhalt genannt, bei dem der Betroffene einen Unterlassungsanspruch gegen die Lärmimmissionen geltend gemacht hat, die von einem städtischen Grundstück ausgehen. Dieses war im Bebauungsplan als Schulsportplatz ausgewiesen worden und wurde durch die Stadt nach Schulschluß den örtlichen Sportvereinen zur Förderung des Breitensports zur Verfügung gestellt.420 Wendet sich der Bürger gegen diejenigen Geräuschbeeinträchtigungen, die durch die Benutzung des Sportplatzes während der Schulstunden entstehen, so ist auf dem Hintergrund der vorstehend dargelegten Grundsätze vom öffentlich-rechtlichen Charakter solcher Immissionen auszugehen. Dies resultiert aus der Überlegung, daß das Grundstück aufgrund des Bebauungsplans als Schulsportplatz öffentlich-rechtlich gewidmet ist, und die Lärmbelästigungen im Rahmen dieser Zweckbestimmung des Grundstücks hervorgerufen werden. Fraglich ist jedoch, ob das gleiche Ergebnis auch dann angenommen werden kann, wenn Rechtsschutz bezüglich derjenigen Immissionen begehrt wird, die durch den Spielbetrieb der örtlichen Spielwiese nach Beendigung des Schulunterrichts verursacht werden. Aufgrund der hier gebotenen differenzierenden Betrachtungsweise ist für diesen Fall anzunehmen, daß die Nutzung des Grundstücks privatrechlich erfolgt, und demzufolge der Abwehranspruch gem. § 13 GVG vor den Zivilgerichten geltend zu machen ist. 421

419

Vgl. Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 5, S. 4.

420

LG Aachen, NVwZ 1988, 189. Ähnlich OLG Stuttgart, NVwZ 1985, 784. Vgl. außerdem VGH Mannheim, BauR 1984, 151 (Normenkontrollantrag gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen einen Bebauungsplan im Hinblick auf den Umstand, daß ein im Bebauungsplan als „Mehrzweckübungsplatz für ein Gymnasium" ausgewiesenes Grundstück nicht nur für den Schulsport, sondern darüber hinaus auch als Spiel- und Bolzplatz dient). 421 So auch LG Aachen, NVwZ 1988, 189 (190); i.E. auch OLG Stuttgart, NVwZ 1985, 784, allerdings ohne ausdrückliche Erörterung des Rechtscharakters der Immissionen.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Hierbei ist die Erwägung maßgeblich, daß das Grundstück nach der Regelung im Bebauungsplan nur insofern einer öffentlich-rechtlichen Zweckbindung unterfällt, als seine Nutzung als Schulsportplatz betroffen ist. 422 Indem die Stadt den Sportplatz nach Schulende den Sportvereinen zur Verfügung stellt, könnte zwar an eine konkludente Widmungserweiterung des Grundstücks zu denken sein. Weil jedoch vorliegend durch den Bebauungsplan eine eindeutig begrenzte Zweckbestimmung des Grundstücks getroffen worden ist, kann für den Fall, daß die Stadt keine förmliche Widmungserweiterung in Form einer expliziten Willenserklärung durch das zuständige Gemeindeorgan trifft, nicht angenommen werden, daß eine Ausdehnung der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung von der Stadt beabsichtigt war. Im Interesse der Rechtsklarheit ist hier vielmehr ein förmlicher Entscheidungsakt zu fordern, wenn von der planungsrechtlich begründeten Zweckbestimmung abgewichen werden soll. Auch der Umstand, daß die Stadt das Grundstück den Sportvereinen zur Förderung des Breitensports überläßt, vermag keine andere Bewertung zu rechtfertigen. Denn das Kriterium der öffentlichen Aufgabenerfüllung stellt isoliert betrachtet wegen seines unspezifischen Charakters keinen geeigneten und aussagekräftigen Anknüpfungspunkt dar, da die Aufgabenwahrnehmung prinzipiell sowohl auf öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Grundlage erfolgen kann.423 Damit ist die Überlassung des Grundstücks an die Sportvereine als eine Nutzung zu charakterisieren, welche die Stadt in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin vornimmt. Insoweit realisiert sie eine Handhabung ihres Eigentums, die auch jeder Privateigentümer im Rahmen eines privatrechtlichen Vertragsverhältnisses verwirklichen könnte. Folglich kann festgehalten werden, daß diejenigen Immissionen, die aufgrund einer Sachnutzung hervorgerufen werden, die über den im Bebauungsplan bzw. Widmungsakt festgesetzten Rahmen hinausgehen, nur dann einen öffentlich-rechtlichen Charakter aufweisen, wenn die Widmung in einem förmlichen Entscheidungsakt erweitert worden ist. Bei Fehlen einer expliziten Willenserklärung stellt die Nutzung des Grundstücks, die über den ausdrücklichen öffentlich-rechtlichen Widmungsrahmen hinausgeht, eine privatrechtliche Nutzung der Einrichtung dar.

422

LG Aachen, NVwZ 1988, 189 (190).

423

Vgl. die Darstellung unter Β III 3, S. 250 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 406.

17 Pietzko

25

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

(3) Immissionen, die im Zusammenhang mit dem Bau und der Unterhaltung von öffentlichen Einrichtungen entstehen Weiterhin stellt sich die Qualifikationsfrage von Immissionen dort, wo es nicht um die widmungsgemäße oder widmungserweiternde Sachnutzung als solche geht, sondern die Beeinträchtigungen vielmehr durch die Bau- bzw. Instandsetzungsarbeiten an den öffentlichen Einrichtungen entstehen. Die Gerichte haben sich in diesem Zusammenhang hauptsächlich mit Sachverhalten beschäftigt, bei denen sich die Bürger gegen die durch Straßenbauarbeiten verursachten Lärm- und Staubbelästigungen zur Wehr gesetzt haben.424 Die Rechtsprechung bietet diesbezüglich ein uneinheitliches Bild. Während der Bundesgerichtshof im Rahmen der Prüfung vor allem von Entschädigungsansprüchen zum Teil angesichts des Planfeststellungsbeschlusses den öffentlich-rechtlichen Charakter derartiger Einwirkungen befürwortet hat, 425 hat er an anderer Stelle maßgebend zur Rechtswegbestimmung darauf abgestellt, ob die Arbeiten durch eigene Leute der Verwaltung oder beauftragte Privatfirmen ausgeführt worden sind.426 Der zuletzt genannte Gesichtspunkt stellt indessen kein brauchbares Abgrenzungsmerkmal dar. Dies folgt bereits aus der Überlegung, daß in den Fällen, in denen der Straßenbaulastträger zur Durchführung der Bauarbeiten sowohl eigene als auch außenstehende Kräfte einsetzt, eine eindeutige und einheitliche Charakterisierung der Immissionen nicht möglich wäre. 427 Im 424 Vgl. beispielsweise BGHZ 54, 384; 48, 98; vgl. auch BGHZ 72, 289; BGH, NJW 1977, 894; BGHZ 64, 220; 29, 314. In der Praxis stellt sich die Rechtsschutzfrage gegenüber derartigen Einwirkungen allerdings in erster Linie im Hinblick auf die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen. S. die Darstellung bei Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 5, S. 4. 425 So BGHZ 54, 384 (388); vgl. außerdem BGH, NJW 1977, 894 (895), wo maßgeblich auf die hoheitliche Eröffnung der Straße für den Kraftverkehr und die dieser Zweckbestimmung zugrundeliegende öffentlich-rechtliche Widmung abgestellt wird. 426 BGHZ 72, 289 (292 f.). Auch im Rahmen von BGHZ 48, 98 (103) wurde dieses Abgrenzungskriterium herangezogen, jedoch i.E. der Rechtscharakter der Beeinträchtigungen offengelassen, vgl. BGHZ 48, 98 (103, 104 f., 106). Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof im Rahmen von Amtshaftungsansprüchen auf die Möglichkeit staatlicher Einflußnahme, beispielsweise in Gestalt von Weisungen auf die Ausführung der Arbeiten durch die Privatfirmen abgestellt, vgl. BGH, UPR 1986, 179 (181); BGH, NJW 1981, 50 (51); NJW 1980, 1679; BGH, DVB1. 1974, 285 (286); vgl. außerdem BGHZ 48, 98 (103). Auch dieser Gesichtspunkt ist indessen abzulehnen, da er sich der Kenntnisnahme durch den Bürger entzieht und damit zu Rechtsunsicherheit führt. Auch wäre eine Umgehung der staatlichen Haftung durch weisungsfreie Beauftragung privater Unternehmen möglich, vgl. hierzu Ossenbühl, StHR, S. 13 ff. Demgegenüber im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs ausdrücklich zwischen der Ausführung der Bauarbeiten aufgrund privatrechtlicher Werkverträge einerseits und der hoheitlichen Aufgabenerfüllung (in concreto: Hochwasserschutz) andererseits differenzierend BGHZ 54, 165 (167 ff.). Danach wurde der öffentlich-rechtliche Rechtsgehalt der Baumaßnahmen bejaht. 427

Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 8, S. 6.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Extremfall könnte folglich je nach der die Beeinträchtigungen verursachenden Arbeitsmannschaft die Doppelgleisigkeit der Rechtswege bei demselben Anspruchsziel - Abwehr der Immissionen - in Betracht kommen. Das würde aber - was der Bundesgerichtshof selbst an anderer Stelle kritisiert hat - dazu führen, daß der Betroffene wegen der für ihn unklaren Rechtslage an einer effektiven Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte gehindert wäre. 428 Darüber hinaus erfaßt das vordergründige Kriterium der eingesetzten Arbeitskräfte nicht den Gesamtzusammenhang, in dem die Arbeiten vorgenommen werden. Die Wahl der Arbeitskräfte wird regelmäßig durch praktische und wirtschaftliche Überlegungen bestimmt. Demgegenüber ist die Qualifizierung der Immissionen ein Problem der Zuordnung, d.h. es ist gerade zu hinterfragen, wem die Immissionsverursachung letztlich als verantwortlicher Stelle zugerechnet werden muß. Demgemäß ist im Falle der Bau- und Reparaturmaßnahmen an öffentlich gewidmeten Einrichtungen davon auszugehen, daß diese Arbeiten den Rechtscharakter der Anlagen teilen, mithin gleichermaßen dem öffentlichen Rechtskreis zuzuordnen sind.429 Solche Bauarbeiten dienen gerade dem Ziel, die Einrichtung ihrem bestimmungsgemäßen Zweck zuzuführen. Als Vorfeldmaßnahmen stehen sie in einem notwendigen Zusammenhang mit der öffentlichrechtlichen Zweckbestimmung. Dieser gemeinsame Bezugspunkt erfordert eine einheitliche Bewertung sowohl derjenigen Immissionen, die durch den Gebrauch der öffentlichen Einrichtung hervorgerufen werden als auch der Belästigungen, welche als Folge der Bau- und Instandsetzungsarbeiten entstehen. Auch insoweit bietet die öffentlich-rechtliche Widmung einen klaren und eindeutigen Einordnungsgesichtspunkt. Zu ergänzen bleibt, daß für den Hauptanwendungsfall der Bauarbeiten an der Straßenfläche als zusätzliches Argument für den öffentlich-rechtlichen Charakter der Arbeitsmaßnahmen spricht, daß die meisten landesrechtlichen Straßengesetze die Straßenverkehrssicherungspflicht, d.h. die Verpflichtung, die Straßenfläche in einem verkehrssicheren Zustand zu halten, als Ausübung hoheitlicher Tätigkeit definiert haben, vgl. Art. 72 bayStrG, § 59 badwürttStrG, § 10 Abs. 1 ndsStrG sowie § 9a Abs. 1 nwStrWG. 430

428 So BGHZ 72, 289 (294 f.). Hierauf ebenfalls hinweisend Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 6 mit Fußn. 21, S. 5. 429 430

Ebenso Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 5, S. 4.

Auch § 17 Abs. 3 StHG 1981 hat in Abweichung von dem Grundsatz des § 17 Abs. 2 StHG 1981, der die Verkehrssicherungspflicht dem privatrechtlichen Haftungssystem unterstellte, für die Verkehrssicherungspflicht in bezug auf Straßen, Wege, Plätze, Wasserstraßen und Wasserflächen, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, als Ausnahme die Anwendung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften vorgesehen.

26

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

(4) Das liturgische Glockenläuten einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Kirche Einordnungsprobleme besonderer Art ruft schließlich der Abwehranspruch gegen das liturgische Glockenläuten einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Kirche hervor. 431 Die im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs eines Bürgers gegen das Läuten aktuell gewordene Abgrenzungsfrage kann allerdings im Geltungsrahmen der Folgenbeseitigungsklage nur insoweit von Relevanz sein, als zur Abwehr der Lärmbeeinträchtigungen die Beseitigung der immittierenden Anlage selbst, d.h. der Glocke, begehrt würde, 432 was regelmäßig nicht der Fall sein wird. Deshalb sei hier nur in der gebotenen Kürze auf die Problematik eingegangen. Die Qualifizierungsfrage wird in diesem Problemfeld zusätzlich durch den Streit erschwert, ob der Rechtsstatus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts überhaupt dazu führt, daß die Immissionen einer Einrichtung der öffentlichen Hand zuzuschreiben sind. Mithin ist fraglich, ob die Betätigung eines öffentlichen Hoheitsträgers vorliegt. 433 Während die unterinstanzliche Rechtsprechung434 und zum Teil das Schrifttum 435 davon ausgehen, daß das Glockenläuten als spezifische Kulthandlung zur Religionsausübung gehöre, und sich die Rechtsbeziehungen zu den betroffenen Nachbarn nach bürgerlichem Recht richten, hat das Bundesverwaltungsgericht in dem viel diskutierten Urteil vom 7.10.1983 436 ausführlich den öffentlich-rechtlichen Charakter einer derartigen Betätigung festge431 BVerwGE 68, 62 ff., entgegen der vorinstanzlichen Entscheidung des VGH Mannheim, Die Justiz 1981, 255 f., mit ablehnender Anm. von Goerlich, JZ 1984, 221 ff., sowie im materiell-rechtlichen Ergebnis zwar zustimmender, die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges jedoch verneinender Bspr. von Schatzschneider, NJW 1984, 991. Weiterhin VGH München, BayVBl. 1980, 563 f., mit zustimmender Bspr. von Schatzschneider, BayVBl. 1980, 564 f.; OLG Frankfurt, DVB1. 1985, 861 f., mit befürwortender Bspr. von Müssig, DVB1. 1985, 837 ff. S. außerdem VG Stade, NVwZ 1989, 497 ff., zum Anspruch des Nachbarn auf aufsichtsbehördliches Einschreiten gegen das Glockengeläut einer Kirchengemeinde. Vgl. ferner zur Problematik von staatlicher und kirchlicher Gerichtsbarkeit: Ehlers, JuS 1989, 364 ff.; Listi , DÖV 1989, 409 ff.; Sachs, DVB1. 1989, 487 ff., sowie Steiner, NVwZ 1989, 410 ff. 432

Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 3 E IV 4, S. 487 ff.

433

Ebenso Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 9, S. 6.

434

VGH Mannheim, Die Justiz 1981, 255 f.; VGH München, BayVBl. 1980, 563 (564).

435

von Campenhausen, DVB1. 1972, 316 (319 f.); Rüfiier, in: HdbStKirchR, Bd. I, S. 759 (768 f.); Schatzschneider, NJW 1984, 991; ders., BayVBl. 1980, 564 (565); Stolleis, BayVBl. 1972, 23. 436

BVerwGE 68, 62 (63-66). Im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zustimmend: Goerlich, JZ 1984, 221 (222 ff.).

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

stellt. Der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist zuzustimmen. Das Kernproblem der Einordnung besteht in der Fragestellung, ob trotz des Status der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts es im Hinblick auf ihre Loslösung aus jeglicher staatlichen Verwaltung geboten erscheint, sie in bezug auf das streitige Glockenläuten einem privaten Immittenten gleichzustellen. Das ist jedoch aus zwei Gründen abzulehnen: Zum einen erscheint der Rückschluß vom Fehlen der staatlichen Einbindung auf die privatrechtliche Tätigkeit einer Einrichtung keineswegs zwingend, da die Begriffe „öffentlich-rechtlich" und „staatlich" nicht notwendig deckungsgleich sind.437 Zum anderen ist die öffentlich-rechtliche Einordnung deshalb geboten, weil nur so der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Kirchen als juristische Personen des öffentlichen Rechts aufgrund Art. 137 Abs. 5 WRV i.V.m. Art. 140 GG im Unterschied zu den der Privatrechtsordnung unterliegenden Religionsgesellschaften Rechnung getragen wird. Der den Kirchen ausdrücklich eingeräumte öffentlich-rechtliche Status führt nicht nur zu der Befugnis, sich der öffentlich-rechtlichen Handlungsformen zu bedienen,438 sondern bewirkt gleichzeitig die Absicherung der kirchlichen Selbstbestimmung.439 Die Respektierung dieser durch den Verfassungsgeber zugestandenen Rechtsposition hat zur Konsequenz, daß die mit der Rechtsform unmittelbar zusammenhängenden Betätigungen, d.h. diejenigen Tätigkeiten, die zum Zweck der öffentlich-rechtlich organisierten kirchlichen Funktionen wahrgenommen werden, gleichermaßen von der öffentlichrechtlichen Rechtsform erfaßt werden. Demzufolge ist davon auszugehen, daß die Kirchenglocken als res sacrae den Status einer öffentlichen Sache besitzen. 440 In Anwendung der oben beschriebenen Grundsätze ist daraus zu folgern, daß auch die Nutzung dieser Gegenstände zum widmungsgemäßen Zweck als Ausdruck des Sachbesitzes am öffentlich-rechtlichen Charakter teilhat.441 Abwehransprüche gegen das liturgische Glockenläuten sind folglich als öffentlich-rechtliche Verteidigungsrechte einzustufen.

437 Vgl. in anderem Zusammenhang, Arndt, JZ 1965, 337; Bethge, NJW 1973, 1508 (1509); ders., VerwArch 63 (1972), 152 (167). 438

Vgl. hierzu W. Martens, Rechtsbegriff, S. 145 f.; Steiner, JuS 1980, 342 (344); s. auch Schatzschneider, NJW 1984, 991; ders., NJW 1980, 2118 (2119). 439 BVerwGE 68, 62 (64 ff.); OLG Frankfurt, DVB1. 1985, 861; Müssig, DVB1. 1985, 837 (840 f.). 440 BVerwGE 68, 62 (63); OLG Frankfurt, DVB1. 1985, 861; Papier, Recht, S. 33; Renck, DÖV 1990, 333 (336); Wolff/Bachofi VerwR I, § 55 II a, S. 485. 441 BVerwGE 68, 62 (65 f.); OLG Frankfurt, DVB1. 1985, 861 f.; Müssig, DVB1. 1985, 837 (840); Renck, DÖV 1990, 333 (336); ders., BayVBl. 1982, 329 (330).

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

ccc) Zwischenergebnis Auf der Grundlage der Ausgangsüberlegung, daß die Rechtsqualität des Beseitigungsanspruchs die Rechtsnatur des Eingriffsakts teilt, stellt sich die Einordnung der an sich rechtlich neutralen Immissionen als Zuordnungsproblem dar. Da die öffentliche Aufgabenwahrnehmung für sich betrachtet kein ausreichendes Abgrenzungskriterium darstellt, weil die Verwaltungsaufgaben sowohl auf öffentlich-rechtlicher als auch auf privatrechtlicher Grundlage verwirklicht werden können, ist zur Bestimmung des Rechtsgehalts der Immissionen insbesondere auf die nach außen sichtbare Entscheidung für die öffentlich-rechtliche Organisationsform der Einrichtung i.V.m. der öffentlichrechtlichen Indienststellung sowie auf den öffentlich-rechtlichen Widmungsakt bei Fehlen einer Organisationsstruktur abzustellen. Soweit die widmungsgemäße Nutzung der Einrichtung die Immissionen hervorruft, schlägt der öffentlich-rechtliche Charakter der Einrichtung auf diese Sachnutzung als Ausübung des Sachbesitzes durch. Das gleiche gilt für diejenigen Belästigungen, die bei den Bau- und Instandsetzungsarbeiten an den öffentlichen Einrichtungen entstehen, die als flankierende Maßnahmen zur Ermöglichung des reibungslosen Sachgebrauchs notwendig sind. Demgegenüber stellt der über die öffentlich-rechtliche Zweckbindung hinausgehende, widmungsfremde Gebrauch eine privatrechtliche Nutzung der Einrichtung dar. Der Sonderfall des Abwehranspruchs gegen das liturgische Glockenläuten einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Kirche beurteilt sich nach öffentlichem Recht. Werden Verwaltungsaufgaben demgegenüber durch privatrechtliche Unternehmen verwirklicht, ist grundsätzlich vom zivilrechtlichen Charakter der Betätigung auszugehen. Eine Ausnahme von dieser Regel kommt nur für die mit einem Beliehenenstatus ausgestatteten privatrechtlichen Unternehmen in Betracht, deren dieser Stellung entsprechende Tätigkeit dem öffentlichen Recht unterfallt.

bb) Ehrkränkende

Äußerung eines Beamten

Als zweiter Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs, bei dem die Feststellung der hoheitlichen Eingriffsqualität Schwierigkeiten bereiten kann, sind die ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen von Beamten zu nen-

442

Wie bereits in Fußn. 241 dargestellt, kommt ein auf den Folgenbeseitigungsanspruch

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Die Einordnungsprobleme hinsichtlich derartiger Eingriffe basieren zum einen darauf, daß die Tatsachenäußerungen als neutrale Realakte einerseits der Privatperson bzw. andererseits dem Amtswalter zuzurechnen sein können. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß die ehrkränkende Erklärung des Beamten sowohl bei der hoheitlichen Aufgabenerfüllung als auch bei der privatrechtlichen Betätigung der Behörden, sei es in Gestalt fiskalischer Hilfsgeschäfte oder erwerbswirtschaftlicher Betätigung, erfolgen kann. Diese unterschiedlichen Erscheinungsformen ehrkränkender Äußerungen führen zu der Frage, ob die konkrete Erklärung als privat- oder öffentlich-rechtlicher Eingriffsakt einzustufen ist. In Abhängigkeit von der Beantwortung dieser Ausgangsfrage ergibt sich als Konsequenz entweder das Eingreifen des zivilrechtlichen Widerrufsanspruchs, gestützt auf § 1004 BGB, §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 249 Abs. 1, 89, 31 BGB bzw. nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung i.V.m. § 278 BGB, 443 oder die Anwendbarkeit des öffentlich-rechtlichen Widerrufsrechts mit der Anspruchsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs. -

Dargestellt werden zunächst die allgemeinen Grundsätze, die zur Abgrenzung hoheitlicher und zivilrechtlicher Ehrkränkungen zu befürworten sind (unter aaa). - Anschließend wird die Sonderkonstellation der ehrverletzenden Tatsachenfeststellungen seitens der öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunk- und Fernsehanstalten behandelt (unter bbb). - Des weiteren wird die Problematik amtlicher Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft skizziert (unter ccc).

aaa) Allgemeine Grundsätze (1) Die Einordnung ehrkränkender nach herrschender Meinung

Äußerungen von Beamten

Zur Feststellung, welche Anspruchsgrundlage für das Widerrufsbegehren des Bürgers einschlägig ist, differenziert die herrschende Meinung zunächst gestützter Widerrufsanspruch nur im Hinblick auf amtliche Tatsachenbehauptungen in Betracht. Gegenüber behördlichen Meinungsäußerungen bzw. Werturteilen kann demgegenüber entsprechend dem Rechtsgedanken des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG Rechtsschutz nur im Wege des Unterlassungsanspruchs geltend gemacht werden, vgl. Nachweise a.a.O. 443

Vgl. zu den zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen für das Widerrufsbegehren: Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 5 b; Palandt/Thomas, BGB, Einf. vor § 823 Anm. 9; weiterhin Frotscher, JuS 1978, 505 (506 f.). Dem negatorischen Beseitigungsanspruch des § 1004 BGB komt dabei in der Praxis die hauptsächliche Bedeutung zu, da dieser - anders als der deliktische bzw. vertragliche Widerrufsanspruch - kein Verschulden des Erklärenden voraussetzt.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

danach, ob die Äußerung ausschließlich der Privatperson oder aber dem Amtsträger zugerechnet werden kann. Eine Zuordnung ehrkränkender Tatsachenbehauptungen zur Privatsphäre wird dabei zweifelsfrei dann bejaht, wenn die streitige Erklärung im privaten Lebensbereich des Beamten, beispielsweise in seinem Freundes- und Bekanntenkreis, von ihm geäußert wird. 444 Das gleiche Ergebnis wird für die Tatsachenfeststellung angenommen, die zwar gelegentlich der hoheitlichen Amtsführung vorgenommen wird, jedoch mit dieser Funktion in keinerlei Zusammenhang steht,445 bzw. obgleich dem äußeren Anschein nach der Amtsführung zurechenbar, so sehr Ausdruck der individuellen Ansicht des Beamten ist, daß sie als seine rein persönliche Erklärung zu verstehen ist. 446 In beiden Fallkategorien wird folglich ein privatrechtlich fundierter Widerrufsanspruch unmittelbar gegen die Privatperson befürwortet. Denn nur durch eine persönliche Widerrufserklärung des Privatmannes könne die beim Betroffenen eingetretene Ehrverletzung beseitigt und dadurch eine ausreichende Genugtuungswirkung erzielt werden. 447 Wird im Unterschied hierzu die Tatsachenbehauptung mit Bezug zum Beamtenstatus abgegeben, so soll für den Rechtscharakter dieser Eingriffshandlung die ihr zugrundeliegende konkrete Amtstätigkeit maßgebend sein.448 Hat danach der Beamte die Ehrkränkung in seiner Eigenschaft als Amtsträger im 444

Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 28; Maurer, AllgVerwR, § 3 Rdnr. 23.

445

BVerwGE 75, 354 (356); VGH Mannheim, VB1BW 1990, 186 (187); VGH Mannheim, U. v. 17.5.1979 - X 639/78 - (unveröffentl.), S. 7 f.; OLG Hamburg, AfP 1976, 142 (143); LG Oldenburg, GRUR 1980, 1020 (1021 f.); Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 28. 446

BVerwG, DÖV 1968, 429; VGH Mannheim, VB1BW 1990, 186 (187); OVG Münster, ZBR 1984, 16 f.; OLG Hamburg, AfP 1976, 142 (143); OLG Zweibrücken, NVwZ 1982, 332, mit Bezug auf BGHZ (GSZ) 34, 99 (107, 110), mit Anm. von Bettermann, JZ 1961, 482; Helle, NJW 1961, 1157; H.H. Rupp, NJW 1961, 811; Tsatsos, JuS 1962, 98. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung allerdings ausdrücklich nur ausgeführt, daß wegen des persönlichen Gepräges der Äußerung die Passivlegitimation des Beamten selbst für die Widerrufserklärung anstelle der Körperschaft zu bejahen ist, hingegen zum Rechtscharakter der Streitigkeit - öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich - ausdrücklich keine Stellung genommen; ähnlich bereits LG Bonn, DÖV 1958, 870 f. Die Offenheit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezüglich der Rechtsnatur des Eingriffs ebenfalls feststellend: LG Oldenburg, AfP 1984, 247 f. Deutlicher demgegenüber BGH, LM, § 13 GVG, Nr. 55, Bl. 47 (48 f.), wo für den Fall, daß die Äußerung trotz äußeren Anscheins der Zugehörigkeit zur Amtsführung tatsächlich ohne innere Beziehung zu dieser formuliert wird, ein zivilrechtlicher Widerrufsanspruch befürwortet wird. 447 BVerwGE 75, 354 (356); BVerwG, DÖV 1968, 429; BGH, LM, § 13 GVG, Nr. 55, Bl. 47 (48 f.); OVG Münster, ZBR 1984, 16 f.; OLG Zweibrücken, NVwZ 1982, 332; vgl. auch LG Oldenburg, GRUR 1980, 1020 (1021 f.). 448 BVerwGE 75, 354 (355 f.); BVerwG, DVB1. 1970, 576 (577); BGH, DÖV 1960, 344 (345); OVG Koblenz, U. v. 13.11.1986 - 5 U 79/86 - (unveröffentl.), S. 6 f.; OLG Düsseldorf, AfP 1980, 46 (47); vgl. VG Köln, DVB1. 1965, 882; LG Oldenburg, GRUR 1980, 1020 (1021); Frotscher, JuS 1978, 505 (505 f., 512); Helle, NJW 1961, 1157 f.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Rahmen der öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung, gestützt auf eine tatsächlich vorhandene oder vermeintliche öffentlich-rechtliche Befugnis, formuliert, so sei konsequenterweise die hoheitliche Rechtsqualität der Tatsachenbehauptung erfüllt. 449 Demgegenüber seien die auf der Grundlage der privatrechtlich ausgestalteten Verwaltungstätigkeit vorgekommenen Ehrkränkungen - unbeschadet ihres amtlichen Charakters - als zivilrechtliche Eingriffsakte einzustufen. 450 Zur Begründung werden im wesentlichen zwei Argumente vorgetragen: -

So soll der Grundsatz der Akzessorietät zwischen der Rechtsnatur der ehrverletzenden Äußerung und dem im Einzelfall betroffenen Bezugsrahmen, dem sog. „Grundgeschäft", 451 die künstliche Aufspaltung eines einheitlich zu bewertenden Lebensvorganges verhindern. 452 Zu berücksichtigen sei, daß die amtlichen Äußerungen der Verwaltungsbehörden im Gesamtzusammenhang der Verwaltungsführung betrachtet werden müßten, da sie für sich isoliert bewertet einen unselbständigen Charakter aufwiesen. 453 Denn die behördlichen Tatsachenbehauptungen seien jeweils auf die zu-

449 BVerwG, AfP 1989, 487; BVerwGE 75, 354 (355 f.); 59, 319 (325 f.); BVerwG, DVB1. 1970, 576 (577); BVerwG, DÖV 1968, 429; BVerwGE 14, 323 (328); BGH, DÖV 1978, 528 f.; BGH, DVB1. 1963, 439 (440); BGHZ (GSZ) 34, 99 (106 ff.); BGH, DÖV 1960, 344 (345); BGH, LM, § 13 GVG, Nr. 55, Bl. 47 ff.; BGHZ 14, 222 (226 f.), mit Anm. Johannsen, LM, § 13 GVG, zu Nr. 27, Bl. 912 f.; BSG, NJW 1989, 2771 ff.; VGH Kassel, DÖV 1988, 468; VGH Kassel, B. v. 26.1.1982 - IX TG 86/80 - (unveröffentl.), S. 9 f.; vgl. auch VGH Kassel, NJW 1989, 1753; OVG Koblenz, NVwZ-RR 1988, 42 f.; VGH Mannheim, NVwZ 1989, 279 f.; VGH Mannheim, U. v. 17.5.1979 - X 639/78 (unveröffentl.), S. 7 f.; VGH München, DVB1. 1963, 447 (448); OVG Münster, NJW 1988, 2636; OVG Münster, U. v. 4.6.1985 - 20 A 659/84 - (unveröffentl.), S. 6; OVG Münster, U. v. 9.2.1983 - 20 A 2078/82 - (unveröffentl.), S. 8; OVG Münster, DVB1. 1967, 51 (52); DVB1. 1964, 882 (883); OLG Zweibrücken, NVwZ 1982, 332; VG Düsseldorf, NJW 1982, 2333; VG Köln, DVB1. 1965, 882; LG Oldenburg, AfP 1984, 247; LG Oldenburg, GRUR 1980, 1020 (1021); LG Stuttgart, NJW 1989, 2257 (2258); FG Berlin, DVB1. 1969, 626 (627). S. weiterhin Frotscher, JuS 1978, 505 (508, 512); Helle, NJW 1961, 1157 f.; Maurer, AllgVerwR, § 3 Rdnr. 23; vgl. auch Kopp, VwGO, § 40 Rdrn. 28 (Widerrufsanspruch analog § 1004 BGB); Klein, DÖV 1952, 285 (286). S. außerdem BGH (GSZ), BGHZ 67, 81 (85 ff.); BGHZ (GSZ) 66, 229 (232 ff.), für den Bereich des Wettbewerbsrechts. 450 BGH, DÖV 1978, 528; BGH, LM, § 13 GVG, Nr. 74, Bl. 96 f.; BGHZ (GSZ) 34, 99 (109); BGH, DÖV 1960, 344 (345); OLG Düsseldorf, AfP 1980, 46 (47); LG Oldenburg, GRUR 1980, 1020 (1021); Frotscher, JuS 1978, 505 ff.; Helle, NJW 1961, 1157 f.; Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 28; Maurer, AllgVerwR, § 3 Rdnr. 23; vgl. außerdem BGHZ 66, 182 (185 ff.), in bezug auf die Programmgestaltung einer Fernseh- und Rundfunkanstalt; BGH (GSZ), BGHZ 67, 81 (85 ff.); BGHZ (GSZ) 66, 229 (232 ff.), im Rahmen des Wettbewerbsrechts. 451

So Berg, JuS 1984, 521 (523).

452

So BGH, DVB1. 1963, 439 (441 1. Sp.); weiterhin BGH, DÖV 1978, 528 (529 r. Sp.

Mitte). 453

BGH, DÖV 1978, 528 (529).

26

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

grundeliegende Amtstätigkeit bezogen.454 Überdies würden die Interessen des betroffenen Bürgers bereits durch die Verwaltungstätigkeit als solche berührt. 455 Zudem würde bei Qualifizierung einer Ehrkränkung in Anknüpfung an das Grundgeschäft im Falle der zivilrechtlichen Betätigung mit einbezogen, daß hier die Verwaltungsträger dem Bürger auf der Ebene der Gleichordnung begegneten, was auch auf die während dieser Tätigkeit geäußerte Tatsachenbehauptung durchschlagen müsse.456 -

Weiterhin werde durch diese Abgrenzungsmodalität dem Sinn und Zweck der Rechtswegzuweisung Rechnung getragen, indem dasjenige Gericht zur Entscheidung über den Widerrufsanspruch berufen werde, das auch über die das Grundgeschäft betreffenden Rechtsfragen, zu urteilen habe. Damit sei der Rechtsweg für das sachnächste und daher kompetenteste Gericht eröffnet. 457

(2) Eigene Stellungnahme Sowohl die von der überwiegenden Ansicht angeführten Abgrenzungskriterien zwischen hoheitlicher und zivilrechtlicher Ehrkränkung als auch die zu deren Rechtfertigung vorgetragenen Argumente vermögen nicht zu überzeugen.

(a) Zurechnung der ehrkränkenden Äußerung des Beamten zur Beamtenstellung bzw. zur Privatsphäre aufgrund der Kriterien „in Zusammenhang — bei Gelegenheit" der Amtsführung Zuzustimmen ist der herrschenden Meinung allerdings insoweit, als Ehrkränkungen eines Beamten, die sich ausschließlich in dessen privaten Lebensbereich ereignen und sich auf Gegenstände des persönlichen Umfeldes beziehen, nur dem Privatmann zurechenbar sind, und folglich in diesem Zusammenhang der Folgenbeseitigungsanspruch ausscheidet. In solchen Fällen ist weder ein örtlicher noch inhaltlicher Bezug zur Amtstätigkeit feststellbar, die Tatsachenbehauptungen werden vielmehr in eigener persönlicher Verantwortung aufgestellt.

454

BGH, Nachweis wie vor; Frotscher, JuS 1978, 505 (506).

455

BGH, Nachweis wie in Fußn. 453.

456

BGH, DÖV 1978, 528; DÖV 1960, 344 (345); OLG Düsseldorf, AfP 1980, 46 (47); grundsätzlich auch Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 28. 457

BGH, DÖV 1978, 528 (529); OLG Düsseldorf, AfP 1980, 46 (47); vgl. auch BGHZ (GSZ) 67, 81 (87).

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Bedenken ruft hingegen die Zuordnung einer ehrenrührigen Erklärung zur Amtswalterstellung bzw. zur privaten Rechtsposition anhand der Begriffsmerkmale „in Zusammenhang" bzw. „bei Gelegenheit" der Amtsführung hervor. Kritikwürdig erscheint diese in Anlehnung an den Wortlaut des Art. 34 S. 1 GG („... in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes ...") getroffene Abgrenzung deshalb, weil sie im Regelungsbereich der ehrkränkenden Tathandlungen zu keinen klar konturierten Aussagen führt. Bezichtigt beispielsweise ein Beamter einer Bundeswehrdienststelle einen Kollegen während einer Personalversammlung einer unkorrekten Dienstausübung, wodurch sich der beschuldigte Beamte verleumdet fühlt, und woraufhin der tadelnde Beamte seinerseits nunmehr gegen diesen Verleumdungsvorwurf vorgehen möchte, so ist ein Lebensvorgang betroffen, der dem äußeren Eindruck nach dem dienstlichen Bereich angehört (Beispielsfall l). 45* Gleiches ist dann anzunehmen, wenn ein Truppenarzt einem Soldaten anläßlich einer Auseinandersetzung bezüglich der Entlassungsformalitäten einer Wehrübung Quertreiberei vorwirft (Beispielsfall 2).459 Da in beiden Fallbeispielen ein zumindest äußerer Bezug zur Amtstätigkeit des Beamten festzustellen ist, müßte bei Zugrundelegung des Abgrenzungsgesichtspunkts „in Zusammenhang" der Amtsführung konsequenterweise der öffentlich-rechtliche Rechtsgehalt der Erklärung bejaht werden. Gleichwohl erheben sich gegen dieses Ergebnis Einwände. Denn in beiden Fallgestaltungen besteht der Eindruck, daß es sich bei den Äußerungen auch um rein private Ansichten des Erklärenden handeln kann, weshalb eine Zurechnung zum hoheitlichen Bereich in Frage gestellt werden kann. Dies verdeutlicht, daß mit Hilfe der beschriebenen Abgrenzungsmethoden eine Zuordnung insofern Schwierigkeiten bereitet, als es sich hierbei um rein formale Kriterien handelt, bei denen offen bleibt, welcher Anknüpfungspunkt für die Einordnung maßgebend ist, ob eine Erklärung nur gelegentlich oder in Zusammenhang mit der Amtstätigkeit geäußert worden ist. Vorzugswürdig erscheint es deshalb, auf einen materiellen Maßstab zur Qualifizierung der Tatsachenbehauptungen eines Beamten abzustellen. Zu fragen ist deshalb bei Vorliegen einer ehrkränkenden Äußerung, die mit äußerem Bezug zur Amtsausübung, beispielsweise in den Diensträumen, formuliert wird, ob sie analog § 133 BGB aus der Sicht eines objektiven Dritten im fremden, d.h. im amtlichen, oder im eigenen Namen getroffen worden ist. 460 458 So der Sachverhalt der Entscheidung des OVG Koblenz, NJW 1987, 1660. S. allgemein zum Rechtsschutz gegen mißbilligende Äußerungen von Dienstvorgesetzten P. Czermak, BayVBl. 1989, 193 ff. (insbes. 200 f.). 459 Diese Fallgestaltung lag der Entscheidung des OLG Zweibrücken, NVwZ 1982, 332 zugrunde. 460

Vgl. Bettermann, NJW 1977, 513 (518); ders., bereits JZ 1961, 482 (483), allerdings

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Dabei sind zur Präzisierung dieser Abgrenzungskriterien als Konkretisierungsmaßstab verschiedene Indizien heranzuziehen. So spricht für das Handeln im fremden Namen bei schriftlichen Erklärungen die Verwendung eines behördlichen Briefbogens bzw. die Angabe eines behördlichen Aktenzeichens. Erfolgt die Äußerung des weiteren unter Inanspruchnahme des Ansehens des Amtes sowie in Erfüllung hoheitlicher Kompetenzen und wird die Erklärung anderen Behörden zur Kenntnisnahme weitergeleitet, so rechtfertigt dies bei schriftlichen wie mündlichen Behauptungen gleichermaßen die Vermutung des Handelns im Namen des Hoheitsträgers. 461 Um Rechtsunsicherheit zu vermeiden, und weil die Äußerung eines Beamten aus der Sicht des betroffenen Empfängers amtliche Autorität besitzt, ist bei Erklärungen, die zumindest auch im fremden Namen abgegeben werden, alleine wegen dieses erhöhten Stellenwertes der Äußerung, ebenfalls der hoheitliche Rechtsgehalt zu bejahen.462 Lediglich wenn die ehrenrührige Feststellung trotz äußerer Verknüpfung mit dem dienstlichen Bereich ausschließlich als Äußerung in Wahrnehmung eigener Interessen und in eigener persönlicher Verantwortung vorgenommen wird, ist die Erklärung aus dem Rechtskreis des Verwaltungsträgers auszugliedern. Folglich kann der Widerruf dieser in materieller Hinsicht privatrechtlichen Äußerung nur von der Privatperson selbst im Zivilrechtsweg beansprucht werden. In den oben erwähnten Beispielsfällen wäre demnach auf der Grundlage der skizzierten Grundsätze in beiden Fällen der hoheitliche Rechtscharakter der Äußerungen abzulehnen, und vielmehr ein Handeln des Amtswalters im eigenen Namen anzunehmen. Denn in beiden Fallgestaltungen liegt trotz des dienstlichen Grundverhältnisses eine persönliche Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten vor. Im Beispielsfall 1 hat der klagende Beamte geltend gemacht, durch den seitens des Beklagten erhobenen Verleumdungsvorwurf persönlich in seiner Ehre verletzt zu sein. Die beabsichtigte Erhebung der Verleumdungsklage durch den getadelten Beamten stellte insoweit eine in dessen eigenem Interesse vorgenommene Reaktion auf den vorher vom Kläger geäußerten Verdacht einer unkorrekten Dienstausübung dar. Der Vorwurf der Verleumdung wurde bei Gesamtbewertung der Umstände gerade nicht im Namen des Verwaltungsträgers, sondern ausschließlich zum Zwecke der persönlichen Genugtuung des kritisierten Beamten formuliert. Inkonsequent er-

im Hinblick auf die Festlegung der Passivlegitimation; ders., DÖV 1958, 871 (872). S. zur Heranziehung eines objektiven Bewertungsmaßstabs: BVerfG, NJW 1989, 3269 f.; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 3030. 461 Vgl. hierzu VGH München, BayVBl. 1990, 111 (112), im Rahmen der Erörterung der Passivlegitimation; Ole, DVB1. 1959, 583. 462

Vgl. BGH, DÖV 1978, 528 (529); OVG Koblenz, U. v. 13.11.1986 - 5 Κ 79/86 (unveröffentl.), S. 7; s. außerdem LG Oldenburg, GRUR 1980, 1020 (1021).

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs scheint insofern die Argumentation des O V G Koblenz im Beispielsfall 1: M i t Rücksicht auf den Umstand, daß der Widerrufsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland als Träger der Behörde Standortverwaltung gerichtet ist, und der geltend gemachte Anspruch „aus einem dem dienstlich-hoheitlichen Bereich der Beklagten zuzurechnenden Geschehensablauf her(ge)leitet (wird)", wird vom Gericht das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit bejaht. 4 6 3 Gleichwohl wird im folgenden die Passivlegitimation des Dienstherrn im Hinblick auf das fehlende Verwaltungsrechtsverhältnis und das besondere persönliche Gepräge der Erklärung des Beamten verneint. 464 Ist jedoch die Zurechnung der Äußerung des Amtswalters zum Rechtskreis des Verwaltungsträgers nicht möglich, so scheidet folgerichtig nicht erst die Passivlegitimation des Dienstherrn, sondern bereits die hoheitliche Rechtsnatur der Erklärung aus. Denn entweder ist die Äußerung des Beamten - trotz äußeren Bezuges zur Amtsführung - in materieller Hinsicht als private Erklärung im eigenen Namen zu bewerten oder aber es ist ein Handeln für die Körperschaft gegeben. 465 Die Annahme einer dienstlichen Erklärung, die gleichwohl als persönliche Stellungnahme des Beamten zu qualifizieren ist, erscheint in sich widersprüchlich.

463 So OVG Koblenz, NJW 1987, 1660 r. Sp. oben. Vgl. auch die Entscheidung des FG Berlin, DVB1. 1969, 626 (627), in der alleine wegen des äußeren Bezuges zur Amtsführung der öffentlich-rechtliche Charakter der Erklärung bejaht worden ist, auch wenn in concreto in der Äußerung in starkem Maße die persönliche Meinung des Erklärenden zum Ausdruck gekommen ist. Dem Genugtuungsinteresse des Betroffenen an einer persönlichen Erklärung des Beamten soll dadurch Rechnung getragen werden, daß die beklagte Körperschaft dazu verurteilt wird, den Widerruf durch ihren Organwalter, der die Äußerung getätigt hat, aussprechen zu lassen. 464 465

OVG Koblenz, NJW 1987, 1660 f.

Vgl. hierzu JescK DÖV 1961, 755 (756 r. Sp. Mitte); diesem zustimmend, Tsatsos, JuS 1962, 98 (101). Ungenau erscheint somit die Ansicht des Bundesgerichtshofs in dem Beschluß v. 19.12.1960, BGHZ (GSZ) 34, 99 (107) - vgl. bereits den Nachweis in Fußn. 446 -, in dem das Gericht ausführt, daß eine Erklärung des Amtswalters „unbeschadet (der) Zurechnung zur Amtsführung (§ 839 BGB) so sehr Ausdruck einer persönlichen Meinung oder Einstellung sein (kann), daß wegen dieses persönlichen Gepräges der Ehrkränkung die Widerrufserklärung eine unvertretbare persönliche Leistung des Beamten darstellt und eben nur, wenn sie vom Beamten persönlich abgegeben wird, geeignet ist, der Wiederherstellung der Ehre zu dienen." Denn sofern ein derartig eigenständiger persönlicher Charakter der Erklärung feststellbar ist, erscheint eine Zurechnung zur hoheitlichen Tätigkeit gerade ausgeschlossen. Der lediglich formale äußere Bezug zur Amtstätigkeit kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß infolge des individuellen Charakters der Erklärung eine Äußerung des Privatmannes im eigenen Namen vorliegt. Die Stellungnahme des Bundesgerichtshofs leidet mithin an dem Mangel, daß nicht deutlich wird, ob mit dem Begriff der „Zurechnung zur Amtsführung" lediglich eine formale Anknüpfung der Äußerung zur Amtsführung zum Ausdruck gebracht werden sollte, (die zweifellos gegeben ist) oder darüber hinaus eine materiell-rechtliche Einordnung der Erklärung zum dienstlichen Bereich vorgenommen worden ist. Letztere wäre nach hier vertretener Auffassung unzutreffend, da bei Vorliegen einer Erklärung in der Eigenschaft als Privatperson gerade eine Zurechnung zur Amtsführung ausscheidet.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Gleichermaßen erscheint es gerechtfertigt, in dem zweiten Fallbeispiel einen zivilrechtlichen Widerrufsanspruch unmittelbar gegen den Truppenarzt zu eröffnen. Denn auch hier ist der streitige Vorwurf der Quertreiberei aus Anlaß eines Wortgefechts zwischen den Beteiligten als persönliches Werturteil des Beklagten zu bewerten. 466 Allerdings ist einschränkend folgendes zu beachten: Die Tatsache alleine, daß der Amtswalter im Einzelfall seine dienstlichen Kompetenzen bei Abgabe der Erklärung überschreitet, kann nicht prinzipiell zur Verneinung der hoheitlichen Gewaltausübung führen. Ansonsten bestünde die Gefahr, daß sich der Hoheitsträger alleine durch die Geltendmachung einer Kompetenzüberschreitung durch den Beamten seiner Verantwortung entziehen könnte. Auch hier ist vielmehr entscheidend, ob aus der Sicht des objektiven Empfängers die Äußerung noch in dem allgemeinen Rahmen der Kompetenzen des Hoheitsträgers liegt und sich als Äußerung im amtlichen Namen darstellt.467

(b) Die Akzessorietätstheorie Des weiteren vermag die von der herrschenden Meinung vertretene Akzessorietätstheorie nicht zu überzeugen. Hiernach bestimmt der privat- oder öffentlich-rechtliche Rechtscharakter derjenigen Rechtsbeziehungen, auf deren Grundlage die ehrkränkende Äußerung abgegeben worden ist, wegen dieses Sachzusammenhangs auch die Rechtsnatur der Tathandlungen.468 (aa) Zunächst ist gegen die vorstehend erwähnte Auffassung der Einwand geltend zu machen, daß sie dem sonst allgemein anerkannten Grundsatz widerspricht, wonach sich die Rechtsqualität der Verletzungshandlung nach der wahren Rechtsnatur des Eingriffs selbst richtet.469 Maßgebend ist danach nicht der Rechtscharakter der der Übergriffshandlung zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen des Grundverhältnisses, sondern entscheidend ist der Rechtsgehalt des Eingriffsakts als solcher. Dieser besteht in concreto in der unwahren Tatsachenbehauptung des hoheitlichen Funktionsträgers. Obgleich der herrschenden Ansicht zuzugeben ist, daß die öffentlichen Erklärungen 466

I.E. ebenso das OLG Zweibrücken, NVwZ 1982, 332 f. Vgl. weiterhin Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 28. 467 Insoweit i.E. zutreffend OVG Koblenz, NJW 1987, 1660. Vgl. hierzu auch im Hinblick auf die deliktische Haftung bei einer Gesamtvertretung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB i.V.m. § 31 BGB, BGH, WM 1986, 1104 ff. 468 Ebenfalls kritisch gegenüber der Akzessorietätstheorie: Berg, JuS 1984, 521 (522 f.); Jesch, DÖV 1961, 755 (757 f.); offenlassend FG Berlin, DVB1. 1969, 626 (627 1. Sp. Mitte). 469

Buri, NJW 1971, 468. Vgl. weiterhin die Nachweise in Fußn. 392 und 393.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

inhaltlich regelmäßig auf eine bestimmte Amtstätigkeit bezogen sind, so läßt sich gleichwohl aus dieser Anbindung nicht zwangsläufig der gleiche Rechtscharakter ableiten. Im Hinblick auf die Gesetzesbindung der Verwaltung gem. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG gehört es zu den Amtspflichten der Träger hoheitlicher Gewalt, nur sachlich wahrheitsgemäße Tatsachenbehauptungen, die Informationen hinsichtlich der zwischen Staat und Bürger bestehenden Rechtsbeziehungen beinhalten, sowohl im innerbehördlichen Bereich als auch gegenüber dem Bürger, zu formulieren. Diese Rechtspflicht der Verwaltungsbehörden knüpft an deren hoheitliche Funktion an und besteht demgemäß unabhängig davon, ob die der Erklärung zugrundeliegende Rechtsbeziehung zwischen dem Betroffenen und der Exekutive durch öffentliche oder zivilrechtliche Grundsätze bestimmt wird. 470 (bb) Des weiteren ist dem Akzessorietätsgrundsatz entgegenzuhalten, daß keineswegs die rechtlichen Interessen des betroffenen Bürgers immer schon durch die zugrundeliegende Verwaltungstätigkeit als solche tangiert werden. Behauptet beispielsweise der Hoheitsträger auf der Basis eines zivilrechtlichen Vertrages zwischen einem Transportunternehmer und der Verwaltung über die Lieferung von Asche für den Bau einer Sportanlage, der Lieferant habe durch unzutreffende Mengenangaben der bereitgestellten Asche eine Überbezahlung erlangt, wobei diese Äußerung in der Öffentlichkeit bekannt wird, 471 so ist durch die Behauptung einer Vertragsverletzung ein privatrechtlicher Regelungsgegenstand betroffen. Da die Erklärung von einem öffentlichen Funktionsträger abgegeben worden ist, ist ihr sowohl im Verhältnis zum Betroffenen als auch in den Augen der Öffentlichkeit eine amtlich autorisierte Wirkung beizumessen. Folgerichtig ist der behördlicherseits erklärte Vorwurf in erheblich größerem Maße geeignet, die Ehre und den guten Ruf des Getadelten zu gefährden, als dies bei einer entsprechenden Äußerung durch einen Privatmann möglich wäre. 472 Im Unterschied zu dem bürgerlich-rechtlichen Vertragsverhältnis betreffend die Lieferung bestimmter Güter, das durch ein Gleichordnungsverhältnis geprägt ist, ist bezüglich des Vorwurfs der Fehllieferung und damit bezweifelten Integrität des Vertragspartners mit Rücksicht auf die Amtsautorität und die besondere Sachkunde des Äußernden gerade keine Gleichstellung der Beteiligten gegeben.473 Damit kommt der

470

Vgl. Berg, JuS 1984, 521 (522 f.); Jesch, DÖV 1961, 755 (757).

471

So der dem Beschluß des BGH v. 19.12.1960, BGHZ (GSZ) 34, 99 zugrundeliegende Sachverhalt. 472 Vgl. hierzu OVG Koblenz, NJW 1987, 1660; Berg, JuS 1984, 521 (523); s. auch OVG Berlin, NJW 1978, 1644 (1645), hinsichtlich der Weitergabe personenbezogener Informationen durch den Verfassungsschutz. 473 Vgl. Berg, JuS 1984, 521 (523, 525); VG Düsseldorf, NJW 1982, 2333 (2334), im Rahmen der Erörterung der Beweislast hinsichtlich der Wahrheit der Tatsachenbehauptung;

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

amtlich erklärten Tatsachenbehauptung ein eigenständiges Verletzungsgewicht zu. Nun würde der erhöhten Schutzbedürftigkeit des Bürgers gegen amtliche Erklärungen dann keine praxisrelevante Bedeutung zukommen, wenn der privatrechtliche und der öffentlich-rechtliche Rechtsschutz gegen ehrkränkende Äußerungen als gleichwertig, d.h. gleichermaßen rechtsschutzeffektiv, bewertet werden könnte. Dies ist jedoch aus zwei Gründen gerade nicht festzustellen. Denn zum einen stellt das durch den Untersuchungsgrundsatz bestimmte Verwaltungsprozeßrecht (§ 86 VwGO) in den Fällen, in denen der Wahrheitsgehalt der Äußerung unklar ist, einen für den Bürger weitreichenderen gerichtlichen Spielraum zur Verfügung als in dem durch die Verhandlungsmaxime charakterisierten Zivilprozeßrecht. 474 Zum anderen können sich Unterschiede in den Rechtswegen hinsichtlich der Beweislast ergeben, wenn die Richtigkeit der streitigen Äußerung nicht feststellbar ist. So gilt im Zivilrecht in bezug auf ehrverletzende Tatsachenbehauptungen eine komplizierte Beweislastverteilung, die den Rechtsschutz des Betroffenen nicht in dem gebotenen Umfang sicherstellt. Auszugehen ist von dem allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsatz, demzufolge der Kläger die anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen, also auch die Unwahrheit der angegriffenen Tatsachenbehauptungen, darlegen und beweisen muß. 475 Diese Beweislast kehrt sich in Anknüpfung an die Regelung des § 186 StGB i.V.m. mit § 823 Abs. 2 BGB bei ehrverletzenden unrichtigen Tatsachenäußerungen, d.h. der üblen Nachrede, zugunsten des in der Ehre beeinträchtigten Klägers um. 476 Indes gilt diese Beweislastumkehr zum Vorteil des Klägers bei übler Nachrede nicht uneingeschränkt. Im Hinblick auf die „persönlichkeitsrechtlichen Belange des Verletzers" soll es bei Widerrufsklagen im Ergebnis bei der grundsätzlichen Beweislast des Klägers für die Unrichtigkeit der angegriffenen Tatsachenbehauptungen bleiben.477

vgl. weiterhin OVG Berlin, NJW 1978, 1644 (1645); s. außerdem BGHZ (GSZ) 34, 99 (108); FG Berlin, DVB1. 1969, 626 (627). 474

Berg, JuS 1984, 521 m.w.N. in Fußn. 5.

475

OLG Frankfurt, NJW 1980, 597; OLG Hamburg, AfP 1982, 36 (38); vgl. auch Palandt/Thomas y BGB, § 824 Anm. 8. 476

OLG Frankfurt, NJW 1980, 597; OLG Hamburg, AfP 1982, 36 (38); OLG Karlsruhe, AfP 1987, 614 (615 f.); OLG Köln, AfP 1985, 223 (224 f.). 477 BGHZ 37, 189 (190); vgl. weiterhin BGHZ 69, 181 (185); OLG Frankfurt, NJW 1980, 597; OLG Hamburg, AfP 1982, 36 (38); Palandt/Thomas, BGB, § 824 Anm. 8. Vgl. weiterhin die Darstellung unter Β IV 2, S. 332 ff. mit Nachweisen in Fußn. 732.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Im Gegensatz dazu wird für den verwaltungsrechtlichen Widerrufsanspruch in Rechtsprechung und Literatur zum Teil ohne Einschränkung bzw. Ausnahme die entsprechende Heranziehung des § 186 StGB zugunsten des beeinträchtigten Bürgers befürwortet. Folgt man dieser Rechtsauffassung, so trägt der Hoheitsträger als der potentielle Verletzer der Rechtssphäre des Betroffenen die Beweislast für die Wahrheit der amtlich aufgestellten Behauptungen.478 Mithin ist für den in seiner Ehre betroffenen Rechtsinhaber bei der Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges die Beweislastverteilung günstiger. Diese prozeßrechtliche Besserstellung erscheint auch sachgerecht. Hierfür spricht, daß sich die Äußerung einer amtlichen unzutreffenden Tatsachenbehauptung wegen der Beteiligung eines öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträgers, der sich im Hinblick auf seine Amtsautorität bei Erklärungen gerade nicht auf einer Gleichordnungsebene mit dem Bürger befindet, als Eingriff in die grundrechtlich geschützte Ehre darstellt. 479 Mit Rücksicht auf die Gesetzesbindung der Verwaltung gem. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG erscheint es indes angemessen, für den Regelfall dem Staat die Beweislast für das Vorliegen einer Eingriffsbefugnis aufzuerlegen. 480 Das verdeutlicht die Bedeutung, die der Rechtswegfrage für den Ehrschutz zukommt und unterstreicht damit die Richtigkeit des Ergebnisses, amtliche Äußerungen der Behörde wegen der Abgabe durch einen öffentlich-rechtlichen Funktionsträger auch bei zivilrechtlichen Grundgeschäften dem öffentlichen Rechtskreis zuzuordnen. (cc) Ferner vermag das mit der Akzessorietätstheorie eng verknüpfte Argument nicht zu überzeugen, wonach das Abstellen auf das jeweilige Grundgeschäft zur Entscheidungsbefugnis fur das sachnächste Gericht führt. Zwar ist der herrschenden Meinung zu konzedieren, daß sich die Frage des Wahrheitsgehalts der streitigen Bemerkung regelmäßig nur unter Klärung des Sachverhalts des Grundverhältnisses, d.h. unter Umständen eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts, ermitteln läßt. Dennoch bilden die maßgebliche Entscheidungsgrundlage für den Widerrufsanspruch des Bürgers gegenüber amtlichen Erklärungen öffentlich-rechtliche Normen, so daß insoweit die Verwaltungsgerichte als vorrangig entscheidungskompetent anzusehen sind. Das wird einerseits darin deutlich, daß im Rahmen der Begründetheit des Widerrufsanspruchs die Rechtswidrigkeit der Äußerung wegen der Abgabe der Er478 VG Düsseldorf, NJW 1982, 2333 f.; zustimmend Berg, JuS 1984, 521 (525 f.). I.E. ebenso Erichsen/ Hoffmann-Becking, JuS 1971, 144 (149 f.). 479

Vgl. hierzu VG Düsseldorf, NJW 1982, 2333 f.; Berg, JuS 1984, 521 (525 f.).

480

VG Düsseldorf, NJW 1982, 2333 (2334); Berg, JuS 1984, 521 (525); vgl. auch Erichsen/ Hoffmann-Becking, JuS 1971, 144 (150), unter Bezugnahme auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts für Eingriffe der Verwaltung in Rechte des Bürgers. 18 Pietzko

2

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

klärung durch einen hoheitlichen Funktionsträger - unabhängig von der Rechtsqualität des Grundgeschäfts - aufgrund der öffentlich-rechtlichen Kompetenzzuweisung sowie der dem Hoheitsträger eingeräumten amtlichen Befugnisse zu beurteilen ist. 481 So ist anerkannt, daß die Unrechtmäßigkeit einer durch den Verwaltungsträger abgegebenen Erklärung daraus folgen kann, daß der unzuständige Beamte gehandelt hat bzw. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mißachtet worden ist 4 8 2 Andererseits ist zu berücksichtigen, daß sich die Ehrkränkung durch den Träger hoheitlicher Gewalt im Verhältnis zum Bürger, der dem Hoheitsträger in bezug auf die amtliche Mitteilung nicht als gleichberechtigter Partner gegenübersteht, als staatliche Gewaltausübung und damit als Grundrechtseingriff darstellt. Somit ist Streitgegenstand des Prozesses aber nicht die Abgrenzung gleichrangiger Rechtspositionen, wie sie für das Privatrecht charakteristisch ist, sondern das Kollisionsverhältnis zwischen hoheitlicher Rechtsmacht auf der einen Seite und den Grundrechten des Bürgers auf der anderen Seite.483 Die Behauptung, bei formalem Anknüpfen an die der Erklärung zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen werde die Zuständigkeit des jeweils kompetenteren Gerichts begründet, ist folglich in dieser generellen Form nicht haltbar. (dd) Neben diesen systematischen Bedenken ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, daß die Anhänger der herrschenden Meinung im Einzelfall selbst das Akzessorietätskriterium aufgeben und mit Hilfe einer Gesamtbetrachtung auch bei Vorliegen einesfiskalischen Hilfsgeschäfts zur Bejahung des hoheitlichen Rechtscharakters einer amtlichen Erklärung gelangen. Dies soll beispielsweise dann anzunehmen sein, wenn konkreter Anlaß einer behördlichen Mitteilung gegenüber der Presse zwar ein fiskalisches Grundgeschäft ist, die öffentlichen Erklärungen hingegen gleichzeitig der Darstellung bzw. Rechenschaft der behördlichen Verwaltungstätigkeit, in concreto der Finanzpolitik eines kommunalen Verwaltungsträgers, dienen.484 Darin wird deutlich, daß auch die herrschende Auffassung im Einzelfall das Abstellen auf das Grundgeschäft ebenfalls für nicht sachgerecht erachtet. Hierin verbirgt sich der Vorwurf, daß die Heranziehung des Akzessorietätsgesichtspunkts wegen seiner wesensimmanenten Begrenzung die Einbeziehung von übergeordneten hoheitlichen Funktionszusammenhängen außer acht las-

481

Vgl. Berg, JuS 1984, 521 (523).

482

So BVerfG, NJW 1989, 3269 (3270 f.); BVerwG, AfP 1989, 487 (488 r. Sp. oben); BVerwGE 59, 319 (326); Koch, JA 1990, 25 (26). 483

VG Düsseldorf, NJW 1982, 2333 f.; Berg, JuS 1984, 521 (523, 525).

484

So BGH, DÖV 1978, 528 f.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

sen muß. 485 Das ist aber genau der Kritikpunkt, der nach hier vertretener Ansicht generell die Ungeeignetheit dieses Abgrenzungsmerkmals begründet.

(3) Zwischenergebnis Aus den vorgenannten Gründen ist entgegen der herrschenden Meinung davon auszugehen, daß Tatsachenbehauptungen, die von Beamten geäußert werden, dann einen hoheitlichen Rechtsgehalt aufweisen und damit dem Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs unterfallen, wenn die Erklärung im Namen bzw. zumindest auch im Namen des Verwaltungsträgers abgegeben worden ist. Der privat- oder öffentlich-rechtliche Rechtscharakter der zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen, des sog. „Grundgeschäfts", ist hierbei unerheblich. Vielmehr ist anzunehmen, daß amtliche Tatsachenfeststellungen der Behörden wegen der Abgabe durch einen öffentlich-rechtlichen Funktionsträger auch bei einem zivilrechtlichen „Grundgeschäft" über eine hoheitliche Rechtsnatur verfügen. Bei der entsprechend § 133 BGB gebotenen Auslegung der Erklärung ist zu überprüfen, wie die Äußerung aus Sicht eines objektiven Dritten zu verstehen gewesen ist. Als Indizien, die für den hoheitlichen Charakter der Erklärung sprechen, ist dabei z.B. zu berücksichtigen, ob bei schriftlichen Mitteilungen der behördliche Briefkopf verwendet bzw. ein behördliches Aktenzeichen angegeben worden ist. Weiterhin ist zu beachten, ob die Erklärung mit Bezug auf den amtlichen Status, d.h. unter Inanspruchnahme des Ansehens des Amtes formuliert worden ist, oder ob die Tatsachenfeststellung anderen Behörden zur Kenntnisnahme weitergeleitet wird. Demgegenüber ist die privatrechtliche Rechtsnatur der ehrkränkenden Mitteilung mit der Folge des Eingreifens des zivilrechtlichen Widerrufsanspruchs dann festzustellen, wenn die Äußerung im Namen der Privatperson getätigt worden ist. Das ist zweifelsfrei dann gegeben, falls die Erklärung im privaten Lebensbereich ohne zeitlichen oder räumlichen Bezug zur dienstlichen Stellung abgegeben wird. Darüber hinaus ist dies auch dann anzunehmen, wenn die Tatsachenbehauptung sich dem äußeren Anschein nach im Rahmen der Amtsführung ereignet, gleichwohl aber als Äußerung in eigener Verantwortung und für den persönlichen Rechtskreis zu verstehen ist. 485 Vgl. insbesondere folgende Argumentation des Bundesgerichtshofs, DÖV 1978, 528 (529 1. Sp. Mitte): „Zwar befaßte sich die Information u.a. mit Vorgängen aus dem fiskalischen Bereich des Landkreises. Mit Recht hat aber das Berufungsgericht diesen Inhalt der Äußerungen des Zweitbeklagten für die Natur der sich aus der Verlautbarung ergebenden Rechtsbeziehungen nicht entscheidend sein lassen. Insoweit kommt es in erster Linie auf die Erklärung als solche und weniger auf das Erklärte an. Inhalt und Gegenstand der Erklärung kann allenfalls Anhaltspunkte dafür liefern, zu welchem Zweck und in Wahrnehmung welcher Funktionen die Information der Presse erfolgt".

26

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

bbb) Sonderkonstellation 1: Ehrkränkende Äußerungen durch Rundfunk- oder Fernsehsendungen Näherer Betrachtung bedarf weiterhin der Rechtscharakter ehrkränkender oder geschäftsschädigender Behauptungen, die in Rundfunk- oder Fernsehsendungen geäußert werden. Sofern es sich hierbei um Ehrkränkungen handelt, die in Sendungen der inzwischen in weitgehendem Umfang vorhandenen privaten Rundfunk- und Fernsehveranstalter getätigt werden, 486 kommt ausschließlich ein privatrechtlicher Widerrufsanspruch in Betracht. 487 Zwar nehmen die privaten Sendeanstalten mit ihren Sendungen in einem gewissen Umfang eine öffentliche Aufgabe wahr, wobei sie zur Ausübung ihrer Tätigkeit bestimmte öffentlichrechtliche Erfordernisse erfüllen müssen.488 Dessen ungeachtet verfügen sie über keinerlei hoheitliche Befugnisgewalt oder öffentlich-rechtliche Regelungsinstrumente. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die ausdrücklich den öffentlich-rechtlichen Anstalten als Ausgleich für die Defizite des privaten Rundfunks die Aufgabe der „Grundversorgung" für die demokratische Ordnung zugewiesen hat, 489 kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, daß den privaten Sendeanstalten der Status eines Beliehenen zuzuerkennen ist. 490 Umstritten ist jedoch, wie die Rechtsnatur solcher beleidigender Tatsachenfeststellungen zu bewerten ist, die in öffentlich-rechtlich organisierten 486

Zur Verfassungsmäßigkeit der Zulassung privater Rundfunkveranstalter vgl. insbes. BVerfGE 57, 295 ff. - Drittes Rundfunkurteil, sowie BVerfGE 73, 118 (157) - Viertes Rundfunkurteil; ebenfalls bereits BVerfGE 12, 205 (262) - Erstes Rundfunkurteil. S. auch BVerfGE 74, 297 ff. - Fünftes Rundfunkurteil -, welches das Verhältnis von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk behandelt. Vgl. ferner OLG Köln, NJW 1973, 858. S. außerdem zur Problematik von Persönlichkeitsschutz und Medienrecht, Scherer, ZRP 1990, 332 ff. 487

A.A. hingegen Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 28 a, a.E.

488

BVerfGE 74, 297 (331 ff.); 73, 118 (155 ff.); 57, 295 (324 ff.).

489

Der Begriff der „Grundversorgung" im Rundfunkrecht geht auf Günter Hermann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, S. 346, weiterhin S. 322, 332, 345, 378, zurück. Er knüpfte seinerseits an die Ausführungen Herbert Krügers, Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, insbes. S. 74 ff., 82, an. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 74, 297 (326); 73, 118 (157 ff.), werden von der „Grundversorgung" vor allem drei Elemente umfaßt: - „eine Übertragungstechnik, bei der ein Empfang der Sendungen für alle sichergestellt ist ..., - der inhaltliche Standard der Programme im Sinne eines Angebots, das nach seinen Gegenständen und der Art ihrer Darbietungen oder Behandlung dem dargelegten Auftrag des Rundfunks nicht nur zu einem Teil, sondern voll entspricht, - die wirksame Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt in der Darstellung der bestehenden Meinungsrichtungen durch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen." 490

Anders demgegenüber Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 28 a, a.E.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Rundfunk- und Fernsehanstalten491 publik gemacht werden. Einigkeit besteht lediglich dahingehend, daß es sich bei der Veranstaltung von Rundfunk- und Fernsehsendungen, der sog. „Programmsendetätigkeit", um eine öffentliche Aufgabe 492 im Bereich der Leistungsverwaltung, d.h. der Daseinsvorsorge und mithin der schlichten Hoheitsverwaltung,493 handelt. Hieraus läßt sich allerdings nicht zwingend schließen, daß demzufolge auch die Gestaltung der Rundfunk- und Fernsehprogramme, der sog. „Programmfunk", öffentlichrechtlichen Charakter aufweisen müßte.494 Denn es ist anerkannt, daß es den öffentlich-rechtlichen Funktionsträgern prinzipiell freisteht, sich zur Aufgabenerfüllung privatrechtlicher Handlungsformen zu bedienen.495

(1) Meinungsstand Während vor allem die zivilrechtliche Rechtsprechung496 die privatrechtliche Rechtsnatur derartiger Äußerungen bejaht, geht die ganz herrschende Meinung im öffentlich-rechtlichen Schrifttum 497 von dem hoheitlichen 491

Im folgenden unter dem Oberbegriff „Rundfunkanstalten" zusammengefaßt.

492

BVerfGE 31, 314 (329); 14, 121 (130); 12, 205 (244, 246); 7, 99 (104); BVerwGE 22, 299 (306), mit Anm. Kratzer, BayVBl. 1966, 204 f.; BGHZ 66, 182 (185); OLG Köln, NJW 1973, 858; Fette, NJW 1971, 2210 (2211); Frotscher, JuS 1978, 505 (508); Kopp, BayVBl. 1988, 193 (194). 493

BVerwGE 22, 299 (306); BGHZ 37, 1 (16); KG Berlin, Ufita 54 (1969), 291 (292); LG Stuttgart, NJW 1962, 1622 (1623); Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (154 f. mit umfangreichen Nachweisen in Fußn. 17); ders., NJW 1973, 1508; Fette, NJW 1971, 2210

(2211). 494

Ebenso Kopp, BayVBl. 1988, 193 (194).

495

Vgl. hierzu BVerwGE 19, 308 (312); 7, 264 (264 f.); 5, 325 (327); BGH, DVB1. 1969, 623; VGH München, BayVBl. 1971, 64; OLG Köln, NJW 1973, 858; Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (159); ders., NJW 1973, 1508; Fette, NJW 1971, 2210 (2211); T.G. Schmidt, NJW 1970, 2026 (2027). S. des weiteren die Nachweise in Fußn. 406. 496

BGH, JZ 1987, 414 (415), mit Anm. Brüggemeier, JZ 1984, 415 f.; BGH, DÖV 1978, 528 (529); BGHZ 66, 182 (185-187), mit Anm. Eschenlohr, NJW 1976, 1202; BGH, NJW 1970, 187; NJW 1966, 2353 ff.; NJW 1966, 2010 ff.; NJW 1963, 484; NJW 1960, 2043; OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (47 f.); OLG Köln, NJW 1973, 858; KG Berlin, Ufita 54 (1969), 291 (292 f.); LG Stuttgart, NJW 1962, 1622 (1622 ff.), mit zustimmender Anm. von Hartmann, NJW 1962, 1622 f.; vgl. auch BGHZ 37, 1 (16 ff.); Benke, JuS 1972, 257 (insbes. 259 f.); Lorenz, BayVBl. 1971, 52 f., wonach zwar die Veranstaltung von Rundfunksendungen eine öffentlich-rechtlich strukturierte Aufgabe sei, während die Programmgestaltung eine außerstaatlich-gesellschaftliche Aufgabe darstelle, für die das Privatrecht einschlägig sei; T.G. Schmidt, NJW 1970, 2026 (2027); Wasserburg, Schutz, S. 342 f. Grundsätzlich auch Mestmäcker, NJW 1969, 1 (3 f.); vgl. außerdem Löffler, NJW 1965, 942 (945). 497 Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (156 ff.); ders., NJW 1973, 1508 f.; Bettermann, NJW 1977, 513 ff.; Birkhahn, MDR 1963, 636; Buri, NJW 1972, 705 ff.; ders., NJW 1971, 468; Erichsen, VerwArch 62 (1971), 181 (184); Frotscher, JuS 1978, 505 (507 f.);

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Rechtsgehalt dieser Ehrkränkungen aus. Nach einer differenzierenden Auffassung, die das OLG München in der Entscheidung vom 14.5.1970498 vertreten hat, ist zwar grundsätzlich die privatrechtliche Qualität der ehrverletzenden Behauptungen anzunehmen. Jedoch wird für den Fall, daß die Sendung, wie es bei der konkret in Streit befindlichen Sendung »Aktenzeichen X Y ungelöst" festzustellen ist, in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft gestaltet wird und die Aufgabe verfolgt, die polizeiliche Fahndung und die Strafverfolgung zu unterstützen, ausnahmsweise der hoheitliche Rechtscharakter befürwortet.

(a) Argumente für den zivilrechtlichen Rechtscharakter der ehrkränkenden Äußerungen öffentlich-rechtlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten Für den privatrechtlichen Rechtsgehalt der durch die Rundfunk- und Fernsehsendungen hervorgerufenen Ehrverletzungen wird zunächst die durch das Bundesverfassungsgericht bestätigte Stellung der Rundfunk- und Fernsehveranstalter als Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG angeführt. 499 Aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Freiheitsgewährleistung seien Rundfunk und Fernsehen hinsichtlich der Durchführung der Programme aus jeglicher Staatsverwaltung herausgelöst und dieser vielmehr in einer dem Bürger vergleichbaren Rechtsposition gegenübergestellt.500 Infolge der Staatsfreiheit des Rundfunks führten Ehrkränkungen in den Rundfunk- und Fernsehprogrammen zu einer Konfliktlage zwischen den Interessen der Sendeanstalten auf der einen und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des betroffenen Rechtsinhabers auf der anderen Seite, wobei es sich um einen Konflikt

Kopp, BayVBl. 1988, 193 (insbes. 195 f.); ders., VwGO, § 40 Rdnr. 28 a; Lerche, in: Festschrift für Löffler, S. 217 (220 ff.); Maurer, AllgVerwR, § 3 Rdnr. 23; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 146; wohl auch v. Münch, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 2 II 1, S. 19 ff.; in der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung auch, VG Neustadt, Ufita 65 (1972), 312 (320). Der Entscheidung lag zwar eine ehrverletzende Äußerung in der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst" zugrunde. Das Gericht hat zur Begründung des öffentlich-rechtlichen Charakters der Ehrkränkung indes nicht auf den besonderen Zweck dieser Sendung abgestellt, sondern ist generell vom Vorliegen öffentlicher Verwaltungstätigkeit ausgegangen. Allerdings hat das Gericht offengelassen, ob dies auch für Beeinträchtigungen durch Werbefernsehsendungen gilt. 498 OLG München, NJW 1970, 1745; NJW 1958, 1298 (1299 f.), mit Anm. Beyer, NJW 1958, 1298 f. 499

BGHZ 66, 182 (186), unter Hinweis auf BVerfGE 12, 205 (261, 263); 31, 314 (322, 329); 31, 337 (341 ff.); 35, 202 (222 ff.); Leibholz, Menschenwürde und freiheitliche Rechtsordnung, 1974, S. 10 ff.; Ipsen, DÖV 1974, 721 (724); Maunz, DVB1. 1974, 1 (4). Vgl. weiterhin OLG Köln, NJW 1973, 858, mit Bezug auf BVerfGE 12, 205 (261). 500

So BGHZ 66, 182 (186).

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

gleichberechtigter Grundrechtsträger handele.501 Gegen die vorgenannte Argumentation könne auch nicht die Organisationsform des Rundfunks und Fernsehens als Anstalten des öffentlichen Rechts eingewandt werden. Denn diese Ausgestaltung sei nicht mit staatlicher Gewaltausübung verbunden, vielmehr verfügten Rundfunk und Fernsehen über keinerlei hoheitliche Zwangsgewalt. 502 Die Anwendung des Privatrechts auf diesen Problembereich sei auch insofern angemessen, als die Reichweite der zulässigen Rundfunk- oder Fernsehkritik durch zivilrechtliche Grundsätze bestimmt werde. 503 Ferner seien die Rundfunk- und Fernsehanstalten in ihrer Funktion und Bedeutung der Presse als zweifellos privatrechtlichem Kommunikationsträger vergleichbar, 504 was dadurch bestätigt werde, daß der presserechtliche Gegendarstellungsanspruch des Bürgers nicht nur im Bereich des Pressewesens, sondern auch hinsichtlich Rundfunk und Fernsehen aufgrund der landesrechtlichen Pressegesetze als privatrechtlicher Anspruch in die Entscheidungskompetenz der ordentlichen Gerichte falle. 505 Da der Gegendarstellungsanspruch eine Vorstufe zum eigentlichen Beseitigungsanspruch sei, 506 könne dieser Regelung das Indiz entnommen werden, daß der Gesetzgeber alle Ansprüche gegen Presse und Rundfunk im gleichen Rechtsweg behandelt wissen wolle. 507 Die pressegesetzliche Rechtswegregelung sei als konkludente Rechts501 BGHZ 66, 182 (186 f.); OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (48); OLG München, NJW 1958, 1298 (1299); KG Berlin, Ufita 54 (1969), 291 (292 f.); LG Stuttgart, NJW 1962, 1622 (1623 f.); Hartmann, NJW 1962, 1622 f. 502 Abweichendes Sondervotum der Richter Geiger, Rinck und Wand, BVerfGE 31, 314, 337 (342); OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (48), mit Bezug auf Hartmann, NJW 1962, 1622; KG Berlin, Ufita 54 (1969), 291 (292 f.); Fette, NJW 1971, 2210 (2211 f.); T.G. Schmidt, NJW 1970, 2026 (2027). 503

BGHZ 66, 182 (186); Wasserburg,

Schutz, S. 342 f.

504

OLG Köln, NJW 1973, 858 (859); KG Berlin, Ufita 54 (1969), 291 (293); LG Stuttgart, NJW 1962, 1622 (1624); Benke, JuS 1972, 257 (259 f.); Löffler, Presserecht, Bd. 2, § 25 LPG Rdnr. 108; T.G. Schmidt, NJW 1970, 2026 (2027); s. auch Löffler, NJW 1965, 942 ff. 505

So OLG Köln, NJW 1973, 858 (859), für §§ 26 Abs. 1, 11 Abs. 4 nwLPG a.F. — Der Gegendarstellungsanspruch gegenüber dem Rundfunk ist nunmehr aufgrund der Regelung in § 9 Abs. 6 S. 1 des WDR-Gesetzes vom 19.3.1985, GVB1. S. 237, i.d.F.d.B. v. 11.1.1988, GVB1. S. 27, sowie nach Maßgabe des § 18 Abs. 6 S. 1 nwLRG v. 19.1.1987, GVB1. S. 22, i.d.F.d.B. v. 11.1.1988, GVB1. S. 6, ausdrücklich den ordentlichen Gerichten zugewiesen. S. ferner KG Berlin, Ufita 54 (1969), 291 (293), hinsichtlich § 23 berlPresseG. Vgl. weiterhin Benke, JuS 1972, 257 (260), mit Bezug auf § 4 Abs. 4 des ZDF-Vertrages, wonach der Gegendarstellungsanspruch im Hinblick auf das Fernsehprogramm vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist; T.G. Schmidt, NJW 1970, 2026 (2027). 506 OLG Köln, NJW 1973, 858 (859), bezugnehmend auf Köbel, Das presserechtliche Entgegnungsrecht, S. 123. 507

OLG Köln, NJW 1973, 858 (859); vgl. weiterhin BGHZ 66, 182 (187).

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

wegzuweisung jeglicher Abwehransprüche des Bürgers betreffend den Presseund Rundfunkbereich zu verstehen.508

(b) Argumentation zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rechtscharakters der ehrverletzenden Äußerungen in Rundfunk und Fernsehen Demgegenüber wird von der Gegenauffassung eingewandt, die privatrechtliche Qualifizierung der Ehrkränkungen sei mit der öffentlich-rechtlichen Organisationsstruktur der Rundfunkanstalten nicht vereinbar. 509 Die Ausgestaltung der Rundfunkanstalten als juristische Personen des öffentlichen Rechts sei gerade Ausdruck der Tatsache, daß der Gesetzgeber diesen eine Sonderstellung habe einräumen wollen.510 Weiterhin müsse berücksichtigt werden, daß es sich nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bei der Veranstaltung von Rundfunk- und Fernsehsendungen nicht lediglich um eine Aufgabe, sondern vielmehr um „eine Funktion des öffentlichen Rechts" handele.511 Die Tätigkeit der Rundfünkund Fernsehanstalten - hierzu gehörten die „Sendetätigkeit", aber auch die „Verbreitung von Nachrichten und Darbietungen" - vollziehe sich im öffentlichen Bereich. 512 Besonders deutlich werde der öffentlich-rechtliche Charakter des Handelns der Rundfunk- und Fernsehanbieter bei der Vergabe von Sendezeiten an politische Parteien. Obgleich die Parteien in diesem Zusammenhang keinen öffentlich-rechtlichen Status besitzten, sei die Ausübung öffentlicher Gewalt durch die Rundfunk- und Fernsehanbieter in diesem Bereich anerkannt.513 Auch der Umstand, daß sich die Grenzen der zulässigen Kritik in Rundfunk- und Fernsehsendungen erst unter Hinzuziehung zivilrechtlicher Wer-

508

So OLG Köln, NJW 1973, 858 (859), in bezug auf § 26 Abs. 1 nwLPG (a.F.).

509

Bethge, NJW 1973, 1508; Buri , NJW 1972, 705 (708); Frotscher, JuS 1978, 505 (508); Kopp, BayVBl. 1988, 193 (195); Maurer, AllgVerwR, § 3 Rdnr. 23; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 146; s. außerdem v. Münch, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 2 II 1, S. 21. 510

So Kopp, BayVBl. 1988, 193 (195).

511

Bettermann, NJW 1977, 513 (514), unter Bezugnahme auf BVerfGE 31, 314 (329); BVerwGE 22, 299 (306). 512

Bettermann, NJW 1977, 513, sowie Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 146, jeweils unter Hinweis auf BVerfGE 31, 314 (329). 513 Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (161 f.); Bettermann, NJW 1977, 513. Vgl. hierzu exemplarisch BVerfGE 69, 257 (266); 47, 198 (223); 14, 121 (130); 7, 99 (104), wonach die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Vergabe von Sendezeiten an im Wahlkampf stehende Parteien eine hoheitliche Gewaltausübung vornehmen, s. die weiteren Nachweise in Fußn. 568-570.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

tungsmaßstäbe entscheiden lasse, sei kein gegen den öffentlich-rechtlichen Gehalt sprechendes Argument. Denn es komme häufig bei Rechtsinstituten, die im öffentlichen Recht ihre Wurzel hätten, jedoch nicht über ein so detailliertes Regelungssystem verfügten wie es das Zivilrecht beinhalte, vor, daß die im Privatrecht geltenden Grundsätze auch im Verwaltungsrecht angewendet würden, sofern sie als Ausdruck allgemeiner Überzeugungen auch im öffentlichen Rechtsbereich Geltung beanspruchten.514 Fehl gehe auch der Hinweis auf den presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch, da die Presse einen völlig anderen historischen Werdegang besitze, sie eine privatwirtschaftliche Organisationsform aufweise und es infolgedessen an der Vergleichbarkeit der Kommunikationsträger fehle. 515

(c) Differenzierende Auffassung: Abstellen auf den Inhalt der jeweils konkret betroffenen Sendung Des weiteren wird vom OLG München in seiner Entscheidung vom 14. 5. 1970 ausgeführt, die Programmgestaltung stelle zwar regelmäßig eine privatrechtliche Tätigkeit dar. Allerdings sei es geboten, im Einzelfall auf den Inhalt und den Zweck der jeweils in Streit befindlichen Sendung abzustellen.516 Handele es sich - wie es bei der der Entscheidung zugrundeliegenden Sendereihe „Aktenzeichnen X Y ungelöst" der Fall gewesen sei - um einen Programmbeitrag, der in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt durchgeführt und inhaltlich gestaltet werde, und der den Zwecken der Strafverfolgung und Fahndung diene, so sei wegen dieses Programmgegenstandes die hoheitliche Tätigkeit der Sendeanstalten festzustellen. 517

(2) Stellungnahme Die Schwierigkeiten, die sich bei der Feststellung der Rechtsnatur ehrkränkender Behauptungen, die in öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsendungen geäußert werden, ergeben, beruhen letztlich auf der Ambivalenz der Rechtsstellung, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten zukommt. Während diese einerseits aufgrund ihrer hoheitlichen 514 Kopp, BayVBl. 1988, 193 (195 f.); s. auch Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (175); Bettermann, NJW 1977, 513 (515 f.). 515 Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (179 f.); Erichsen, VerwArch 62 (1971), 181 (184); Kopp, BayVBl. 1988, 193 (196); v. Münch, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 2 I I 1, S. 21. 516

OLG München, NJW 1970, 1745.

517

Vgl. Nachweis wie vor.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Organisationsform und dem damit verbundenen öffentlich-rechtlichen Regelungsinstrumentarium, wie beispielsweise der Gebührenerhebung, dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, könnte andererseits die Loslösung der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehveranstalter aus jeglicher Staatsverwaltung die Zurechnung zum privaten Rechtsbereich nahelegen. Dabei kommt der Bezugnahme auf die verfassungsrechtliche Rechtsprechung zur Beantwortung der Ausgangsfrage kein eindeutiger Aussagegehalt zu, da sich die - bezeichnenderweise von beiden Ansichten für ihren jeweiligen Standpunkt in Anspruch genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 518 - oftmals ausdrücklich nur mit der Frage der Veranstaltung von Rundfunksendungen, nicht jedoch mit der Qualifizierung der Programmtätigkeit als solcher befassen. 519 Soweit in den Entscheidungen die Tätigkeit der Rundfunkanstalten überhaupt thematisiert wird, lassen sich ebenfalls für beide Rechtsansichten Formulierungen herausgreifen. So wird ausgeführt, die Rundfunkveranstalter bedienten sich überwiegend privatrechtlicher Handlungsformen. 520 Hingegen wird an anderer Stelle festgestellt, daß deren Tätigkeit - wobei aus dem diesbezüglich aufgestellten Erfordernis der Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Kräfte deutlich wird, daß unter Tätigkeit auch die Programmgestaltung verstanden wird, 521 - sich im öffentlich-rechtlichen Bereich vollziehe.522 Wenig Sinn macht es weiterhin, in der beispielsweise gem. § 18 Abs. 6 S. 1 nwLRG, 523 § 9 Abs. 6 S. 1 des WDR-Gesetzes524 und § 4 Abs. 4 des

518 So berufen sich der Bundesgerichtshof, BGHZ 66, 182 (186), und Bettermann, NJW 1977, 513 f., gleichermaßen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 31, 314 (322, 329), zur Rechtfertigung ihrer unterschiedlichen Ansichten. 519 Hierauf ebenfalls hinweisend Benice, JuS 1972, 257 (259); vgl. auch Weber, 1972, 46 (47). 520

BVerfGE 7, 99 (104).

321

Weber, JuS 1972, 46 (47).

JuS

522

BVerfGE 31, 314 (329). S. auch BVerwGE 22, 299 (306), wonach es sich bei der Tätigkeit der Rundfunkanstalten um „schlichte Hoheitsverwaltung handelt". Die Qualifizierung der Programmtätigkeit der Rundfunkanstalten indes offenlassend BVerfGE 69, 257 (266), nach der die Rundfunkveranstalter jedenfalls bei der Zuteilung von Sendezeiten hoheitlich tätig werden. 523

Rundfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - LRG NW - v. 19.1.1987, GVB1. S. 22, i.d.F.d.B. v. 11.1.1988, GVB1. S. 6. Die Regelung in § 18 Abs. 6 S. 1 nwLRG ersetzt damit die in §§ 26 Abs. 1, 11 Abs. 4 nwLPG (a.F.) enthaltene Rechtsweganordnung, s. bereits den Nachweis in Fußn. 505. 524 Gesetz über den „Westdeutschen Rundfunk Köln" - WDR-Gesetz - v. 19.3.1985, GVB1. S. 237, i.d.F.d.B. v. 11.1.1988, GVB1. S. 27. Durch § 9 Abs. 6 S. 1 des WDR-Gesetzes ist die frühere Rechtswegregelung der §§ 26 Abs. 1, 11 Abs. 4 nwLPG (a.F.) abgelöst worden, vgl. bereits den Nachweis in Fußn. 505.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

ZDF-Staatsvertrages 525 hinsichtlich des Gegendarstellungsanspruchs gegenüber dem Rundfunk ausdrücklich angeordneten Rechtswegzuweisung zu den ordentlichen Gerichten eine Auslegungshilfe zu erblicken. Dabei kann es hier dahingestellt bleiben, ob die Wesensverwandtschaft des Gegendarstellungsund Widerrufsanspruchs eine analoge Heranziehung dieser Rechtswegeröffnung auf den Widerrufsanspruch gestatten würde. 526 Denn diese explizite Rechtswegzuweisung kann argumentativ für beide Ansichten in Anspruch genommen werden. Entweder man sieht in dieser Rechtsweganordnung eine Bestätigung des öffentlich-rechtlichen Gehalts der Programmgestaltung, da sich nur so die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung zu den ordentlichen Gerichten sinnvoll erklären läßt, oder man interpretiert die Vorschriften als eine deklaratorische Festschreibung des infolge des privatrechtlichen Charakters der Programmtätigkeit ohnehin sachlich gegebenen Zivilrechtsweges. Mithin kann nur versucht werden, im Wege der Auseinandersetzung mit den jeweils vorgetragenen Argumenten, den Rechtsgehalt der Programmgestaltung zu bestimmen, und damit die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs zu klären.

(a) Ablehnung der auf den jeweiligen Inhalt der Sendung abstellenden Auffassung Nicht gefolgt werden kann der differenzierenden Lösung des OLG München,527 die zur Ermittlung der Rechtsqualität der streitigen Äußerung auf den Inhalt und die Zwecksetzung der jeweiligen Sendung, in dier die Behauptung aufgestellt worden ist, abstellt.528 Diese Ansicht ist zum einen aus grundsätzlichen Überlegungen abzulehnen. Angesichts der Vielfältigkeit der denkbaren Sendungsformen mit gemischt unterhaltendem wie im öffentlichen Interesse liegendem Inhalt bietet sie kein klares Abgrenzungskriterium, bei dem für den Betroffenen von vornherein die Rechtswegfrage klar zu entscheiden wäre. 529 Sie wird damit dem 525 Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen" v. 6.7.1961, i.d.F.d.B. v. 9.8.1961, GVB1. S. 269. 526

Vgl. hierzu die nachfolgende Darstellung unter Β III 3, S. 392 ff.

527

Vgl. den Nachweis in Fußn. 516.

528

Ebenfalls ablehnend OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (48); Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (163 f.); Fette, NJW 1971, 2210 (2211); Lorenz, BayVBl. 1971, 52 (53 f.); T.G. Schmidt, NJW 1970, 2026 (2026 f.); s. auch Ipsen, NJW 1963, 2049 (2052 in Fußn. 21). 529 Benke, JuS 1972, 257 (257 f.); Fette, NJW 1971, 2210 (2211); Lorenz, BayVBl. 1971, 52 (53); T.G. Schmidt, NJW 1970, 2026.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Gebot der Rechtssicherheit nicht gerecht. Zum anderen hat Lorenz in seiner Kritik an der Entscheidung des OLG München zutreffend darauf hingewiesen, daß auch im Bereich anderer Kommunikationsträger eine derartige Heranziehung des Inhalts der streitigen Beiträge zur Begründung ihres öffentlichen Rechtsgehalts nicht praktiziert wird. So würde die Gestaltung einer Zeitung, die unzweifelhaft dem privaten Rechtsbereich angehöre, nicht alleine deshalb zur öffentlich-rechtlichen Tätigkeit, weil in der Zeitung Fahndungsberichte veröffentlicht worden seien.530 Mithin ist der Inhalt der streitigen Programmbeiträge als ungeeigneter Abgrenzungsgesichtspunkt abzulehnen.

(b) Kritik an der zivilrechtlichen Qualifizierung Einwände erheben sich auch gegen die privatrechtliche Klassifizierung der ehrkränkenden Eingriffshandlungen im vorliegenden Regelungszusammenhang. (aa) Bedenken ruft zunächst die Tatsache hervor, daß der Ausgestaltung von Rundfunk und Fernsehen in Form juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird. Zwar ist einzuräumen, daß sich aus der öffentlich-rechtlichen Organisationsform alleine der öffentlich-rechtliche Gehalt der Betätigung keinesfalls zwingend ableiten läßt, da grundsätzlich die Wahlfreiheit der öffentlich-rechtlichen Funktionsträger in bezug auf die Handlungsform anerkannt ist. 531 Gleichwohl darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Rechtsform ein wichtiges Indiz für die Rechtsnatur der Tätigkeit, die von der juristischen Person wahrgenommen wird, beinhaltet. Folgerichtig ist bei öffentlich-rechtlicher Organisation prima facie die Anwendung des öffentlichen Rechts auch hinsichtlich der von der Einrichtung ausgeübten Tätigkeit anzunehmen.532 Abweichungen von diesem Grundsatz sind, wie gesagt, möglich, müssen jedoch, da sie die Ausnahme von der Regel darstellen, nach außen erkennbar in Erscheinung getreten sein.533 Das ist schon deshalb geboten, um aus der 530 Lorenz, BayVBl. 1971, 52 (53 f.); diesem insoweit zustimmend Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (164). 531

Vgl. hierzu die Nachweise in Fußn. 495 sowie in Fußn. 406.

532

Erichsen, VerwArch 62 (1971), 181 (184); Frotscher, JuS 1978, 505 (508); Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 146 i.V.m. Rdnr. 144 und Rdnr. 128 mit Fußn. 327; vgl. weiterhin BVerwG, DVB1. 1961, 207 (209), mit Anm. Wolff, DVB1. 1961, 209; BGHZ 38, 49 (51 f.); 4, 266 (268); Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (160); Wagner, JZ 1968, 245 (246 in Fußn. 10); Wolff/ Bachof, VerwR I, § 23 V a, S. 112. 533

Erichsen, VerwArch 62 (1971), 181 (184).

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Sicht des Bürgers eindeutig qualifizierbare Handlungsformen der Verwaltung zu gewährleisten. Vorliegend ist eine derart nach außen dokumentierte Entscheidung für eine zivilrechtlichen Grundsätzen folgende Ausgestaltung der Rundfunk- und Fernsehprogramme nicht feststellbar. Somit ist unter Beachtung des gerade dargestellten Regel-Ausnahme-Verhältnisses von der öffentlich-rechtlichen Betätigung der öffentlich-rechtlich strukturierten Rundfunk- und Fernsehanbieter auszugehen. Dies muß um so mehr gelten, als die öffentlich-rechtliche Rechtsform der Rundfunkanstalten von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG anerkanntermaßen nicht gefordert wird. Demnach wäre ein Wechsel der Rechtsform unter der Bedingung zulässig, daß die pluralistische Organisationsstruktur bei Umwandlung der Rundfunkanstalten in juristische Personen des Privatrechts erhalten bliebe.534 Wird aber auf dem Hintergrund dieser Überlegung die nach dem Zweiten Weltkrieg auf Initiative der Alliierten vorgenommene Strukturierung der Rundfunkanstalten in Form staatsunabhängiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts535 beibehalten, so spricht dies bei Fehlen einer explizit geäußerten privatrechtlichen Handlungsform dafür, daß hiermit insgesamt eine Entscheidung zugunsten der Geltung des öffentlichen Rechts auch hinsichtlich der Programmgestaltung getroffen worden ist und fortgeführt werden soll. (bb) Das zugunsten der privatrechtlichen Auffassung zunächst am überzeugendsten sprechende Argument ist die Geltung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hinsichtlich der Rundfunk- und Fernsehanstalten. Die den Rundfunkanstalten eingeräumte Grundrechtsbefugnis, verbunden mit der Freistellung aus jeglicher Staatsverwaltung, legt dem ersten Anschein nach deren Zuordnung zum privaten Rechtskreis nahe. Dennoch erheben sich gegen diese Argumentationsweise Zweifel. Ein erster Kritikpunkt bezieht sich auf die insbesondere vom Bundesgerichtshof vertretene Auffassung, nach der es sich bei dem Konflikt zwischen Rundfunkanstalten einerseits und Verletztem andererseits um die Auseinandersetzung zwischen zwei gleichberechtigten Grundrechtsträgern handelt.536 Diese Ansicht erscheint fragwürdig, weil in ihr eine verkürzte Sicht der Problematik zum Ausdruck kommt. Zweifellos besitzen die Rundfunkanstalten als Inhaber der Berichterstattungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eine dem Bürger 534

BVerfGE 12, 205 (262); Bethge, AöR 104 (1979), 265 (285 f.), mit Bezug auf Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 241 Fußn. 14; Groß, DVB1. 1980, 933 (934, 936); v. Münch, in: v. Münch, GG, Art. 5 Rdnr. 34; s. auch Starck, NJW 1980, 1359. 535

Vgl. hierzu Groß, DVB1. 1980, 933 (934).

536

S. hierzu die Darstellung unter Β III 3, S. 278 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 501.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

insofern vergleichbare Rechtsstellung, als sie beide als Träger von Grundrechten anerkannt sind. Diese Grundrechtsinhaberschaft ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, daß die Rundfunkanstalten der Meinungs- und Informationsfreiheit ihrer Zuhörer bzw. Zuschauer aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG verpflichtet sind, d.h. insoweit als Grundrechtsschuldner anzusehen sind. Diese von Bettermann537 beschriebene grundrechtliche Doppelstellung der Rundfunkanstalten hat zur Konsequenz, daß sich die Rundfunkveranstalter und der Verletzte eben nicht wie zwei gleichgestellte Grundrechtsinhaber gegenüberstehen. Des weiteren ist fraglich, ob die Staatsfreiheit des Rundfunks zwingend zur Geltung privatrechtlicher Grundsätze führen muß. Ausgangspunkt der Überlegung ist in diesem Zusammenhang der Grundsatz, daß die Grundrechte als Abwehrrechte von Bürgern bzw. diesen gem. Art. 19 Abs. 3 GG gleichgestellten juristischen Personen des Privatrechts gegenüber dem Staat konzipiert sind.538 Neben diesem klassischen Anwendungsfall der Grundrechtsverbürgungen ist im Ergebnis anerkannt, daß sich auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Einzelfall partiell auf bestimmte Grundrechte berufen können.539 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts soll dies vor allem dann der Fall sein, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts von der ihr durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgabe her „unmittelbar einem bestimmten grundrechtlich geschützten Lebensbereich zugeordnet (ist)", 540 was beispielsweise für die Hochschulen hinsichtlich Art. 5 Abs. 3 GG 5 4 1 sowie für die Rundfunkanstalten in bezug auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG 5 4 2 anerkannt worden ist, oder „kraft ihrer Eigenart ihm von vorneherein zugehör(t)". 543 Grundrechtsfähig sind danach die Kirchen und die mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts versehenen Religionsgesellschaften hinsichtlich Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV. 5 4 4 In diesen Fällen ist eine mit der Rechtsstellung des Bürgers im Verhältiiis zur staatli537

Bettermann, NJW 1977, 513 (514).

538

Vgl. zum Abwehrcharakter der Grundrechte die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 64 - 66. 539 Vgl. zum Meinungsstand exemplarisch Bethge, AöR 104 (1979), 54 ff., 265 ff.; Bettermann, NJW 1969, 1321; Kröger, JuS 1981, 26; v. Münch, in: v. Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rdnr. 10. 540 BVerfG, NJW 1988, 1715; BVerfGE 75, 192 (196); vgl. auch BVerfGE 62, 354 (369); 42, 312 (321 ff.); 31, 314 (322); 15, 256 (262). 541

BVerfGE 15, 256 (262).

542

BVerfGE 59, 231 (254 f.); 31, 314 (322); s. auch BVerfG, NJW 1988, 1715, wobei gleichzeitig ausgeführt wird, daß die Geltendmachung des Grundrechtsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ausgeschlossen ist. 543

BVerfGE 75, 192 (196). Vgl. auch BVerfGE 18, 385 (386 f.).

544

BVerfGE 68, 193 (207); 42, 312 (321 f.).

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

chen Gewalt vergleichbare Schutzbedürftigkeit, eine „grundrechtstypische Gefährdungslage", 545 festzustellen. 546 Damit erhebt sich die Frage, inwieweit die Einräumung grundrechtlicher Freiheitsgarantien zugunsten der juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Anwendung zivilrechtlicher Rechtsnormen führen kann. Für den Fall, daß die Gemeinden bezüglich ihrer Amtshandlungen, die sie in Wahrnehmung ihrer Aufgaben durchführen, gegenüber dem betroffenen Bürger ihr durch Art. 28 Abs. 2 GG geschütztes Selbstverwaltungsrecht ausüben, wird trotz der Bezugnahme auf diese Verfassungsbestimmung der hoheitliche Rechtsgehalt der Maßnahmen bejaht.547 Möglicherweise ist allerdings eine unterschiedliche Bewertung des Handelns der Gemeinden und der Rundfunkanstalten deshalb geboten, weil die Gemeinden - im Unterschied zu den Rundfunkanstalten - gerade keine vom Staat völlig losgelösten Einrichtungen darstellen.548 In diesem Problembereich ist von Bedeutung, aus welchem Grunde und in welcher Intention die Rundfunkanstalten aus der Staatsverwaltung losgelöst worden sind und welche Funktion der Staatsfreiheit des Rundfunks im modernen Staatswesen zukommt. Die Ausformung der Rundfunkanstalten als staatsunabhängige juristische Personen des öffentlichen Rechts geht insbesondere auf die Initiative der Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, die eine bewußte Abkehr vom Staatsfunk nationalsozialistischer Prägung sichergestellt wissen wollten. 549 Angesichts des seinerzeit bestehenden Frequenzmangels und des mit der Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen verbundenen erheblichen Kostenaufwands sollten die Rundfunkveranstalter nicht den privatrechtlichen Marktgesetzen unterworfen werden. 550 Rechtsvorschriften, die die Programmgestaltung und die Repräsentanz aller gesellschaftlichen Gruppen gewährleisten, dienen dem Schutz der Unabhängigkeit der Anstalten und garantieren

545

BVerfGE 61, 82 (102).

546

Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht die Grundrechtsfähigkeit der Gemeinden bezüglich Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verneint, BVerfGE 61, 82 (100 ff.) - SasbachBeschluß. 547

Bettermann, NJW 1977, 513 (514).

548

Vgl. zur Stellung der Gemeinden im Staatswesen einerseits BVerfGE 61, 82 (103); Maurer, AllgVerwR, § 23 Rdnrn. 1 - 6 , sowie zur Stellung der Rundfunkanstalten andererseits Buri , NJW 1972, 705 (708); Ipsen, DÖV 1974, 721 (724 ff.); Leibholz, in: Festschrift für Geiger, S. 9 (10 f.); Maunz, DVB1. 1974, 1 (4). 549 550

Vgl. hierzu Groß, Nachweis in Fußn. 535.

S. dazu BVerfGE 57, 295 (322); 31, 314 (326); 12, 205 (261); BayVerfGH, DVB1. 1987, 1219 (1220).

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

die politische Neutralität, um eine effektive Aufgabenerfüllung zu garantieren. 551 Die im sog. vierten Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts formulierte öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Rundfunkanstalten, die „Grundversorgung" der Bevölkerung als Ausgleich für die Defizite des privaten Rundfunks sicherzustellen,552 wirkt sich auch auf den inhaltlichen Standard der Programme aus, deren Darbietungen diesem Auftrag in vollem Umfang entsprechen müssen.553 Hiermit kommt zum Ausdruck, daß die Wahl der öffentlich-rechtlichen Rechtsform eine Grundentscheidung darstellt, die sich sowohl auf die öffentliche Aufgabe des Rundfunks als auch auf die Inhalte der Sendungen bezieht. Infolge dieser Wechselwirkung zwischen der öffentlichen Aufgabe der Rundfunkanstalten und der Programmgestaltung erscheint eine einheitliche Bewertung deren Rechtsqualität geboten. Denn die Ausgestaltung der Programme erfolgt gerade in Erfüllung des öffentlichen Auftrages. 554 Berufen sich die Rundfunkanstalten auf ihr subjektiv-öffentliches Recht aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, so ist dies vor dem Hintergrund der öffentlich-rechtlichen Organisationsstruktur als öffentlich-rechtliche Maßnahme einzuordnen. Die Freistellung der Rundfunkanstalten aus dem staatlichen System dient somit der Gewährleistung eines dezentralisierten, freien Rundfunks zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgabe, kann aber nicht dazu führen, daß nunmehr zwingend privatrechtliche Vorschriften zur Anwendung kommen müßten.555 Hat man sich somit einmal zur Grundrechtsfähigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts für einen bestimmten Regelungsbereich bekannt, so ist hierin zwar eine den zivilen Personen vergleichbare Rechtsstellung gegeben. Dessenungeachtet verlieren die nunmehr grundrechtsfähigen juristischen Personen nicht ihren öffentlich-rechtlichen Status und ihre vorrangige Einbeziehung in den öffentlichen Rechtskreis.556 Ob eine konkrete Handlung dieser Funktionsträger im Einzelfall nach öffentlichen oder privatrechtlichen Grundsätzen zu bewerten ist, richtet sich wie auch sonst nach der gewählten Handlungsform. Diese ist bei öffentlich-rechtlicher Organisationsstruktur regelmäßig öffentlich-rechtlich, es sei denn, es kommt der Wille nach privatrechtlichen Regeln handeln zu wollen, nach außen erkennbar zum Ausdruck. Da dies für die Rundfunkanstalten nicht erfolgt ist, ist somit trotz Grundrechtsfähigkeit und

551

Vgl. BVerfGE 12, 205 (261 f.); Leibholz, in: Festschrift für Geiger, S. 9 f.

552

BVerfGE 73, 118 (157); hierzu Schmitt-Glaeser, DVB1. 1987, 14 (17 ff.); bestätigt im Fünften Rundfunkurteil, BVerfGE 74, 297 (325 f.). Vgl. zur Begriffsbestimmung der „Grundversorgung" die Nachweise in Fußn. 489. 553

BVerfGE 74, 297 (326).

554

Vgl. Birkhahn, MDR 1963, 636 (638).

555

Siehe Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (167); Bettermann, NJW 1977, 513 (514).

556

Vgl. hierzu die Nachweise wie vor.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Freistellung der Rundfunkanstalten aus der Staatsverwaltung der öffentlichrechtliche Charakter ihrer Tätigkeit zu bejahen. Nur diese Auslegung entspricht einem zeitgemäßen Verständnis des Begriffs „öffentlich-rechtlich", wonach nicht zwangsläufig eine Identifizierung des Ausdrucks „öffentlich-rechtlich" mit „staatlich" vorgenommen wird. 557 (cc) Ein weiteres Indiz für die Anwendung des Privatrechts soll nach Auffassung des Bundesgerichtshofs und Teilen der Literatur darin zu sehen sein, daß zwischen der Rundfunkanstalt und dem verletzten Rechtsinhaber kein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis bestehe. Das Vorliegen einer derartigen Rechtsbeziehung sei aber nach der Subordinationstheorie maßgeblicher Gesichtspunkt für die Annahme eines öffentlichen Rechtsverhältnisses. Wegen dieses Gleichordnungsverhältnisses zwischen den Beteiligten und dem Fehlen jeglicher Zwangsgewalt seien die zivilrechtlichen Vorschriften anwendbar.558 Dieser Argumentation ist zunächst entgegenzuhalten, daß das isolierte Abstellen auf das Subordinationsverhältnis ein Abgrenzungskriterium darstellt, das die vielfältigen Erscheinungsformen der Beziehungen zwischen öffentlichem Aufgabenträger und Bürger nicht zu erfassen vermag. 559 So läßt sich zwar im Regelungsbereich der klassischen Eingriffsverwaltung anhand dieses Merkmals der öffentlich-rechtliche Gehalt der jeweiligen Maßnahmen ermitteln. Demgegenüber kann dieses Begriffsmerkmal diejenigen Fallgestaltungen nicht erfassen und beschreiben, in denen sich die öffentliche Hand und der Bürger in einem gleichgestellten Verhältnis gegenüberstehen. Daß dies auch im öffentlichen Rechtsgebiet vorkommen kann, beweisen beispielsweise die kooperationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertragsgestaltungen (vgl. § 54 S. 1 VwVfG). 5 6 0 Weiterhin ist die Ansicht dem Einwand ausgesetzt, daß das Nichtvorhandensein von hoheitlicher Befehlsgewalt nicht zwangsläufig zum Eingreifen privatrechtlicher Normen führen muß. Dies belegt aus dem Bereich der modernen Leistungsverwaltung beispielsweise das Subventionsrecht, das nicht durch obrigkeitliche Zwangsausübung, sondern durch ein System gegeneinander abzuwägender Interessen und Verpflichtungen gekennzeichnet ist. 561

557 S. in diesem Zusammenhang Arndt, JZ 1965, 337; Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (167); ders., NJW 1973, 1508 (1509). 558

Vgl. die Darstellung unter Β III 3, S. 278 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 501, 502.

559

Benke, JuS 1972, 257 (258); Bettermann, NJW 1977, 513 (515); Buri , NJW 1971, 468; VG Neustadt, Ufita 65 (1972), 312 (321). Kritisch insoweit auch OLG Köln, NJW 1973, 858. 560

Vgl. W. Martens, DVB1. 1968, 150.

561

Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (160 f.); Buri, NJW 1971, 468; VG Neustadt, Ufita 65 (1972), 312 (321); so ebenfalls OLG Köln, NJW 1973, 858. 19 Pietzko

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Darüber hinaus ist fraglich, ob die Ausgangsüberlegung völlig zutreffend ist, daß seitens der Rundfunkveranstalter keinerlei Zwangsgewalt ausgeübt wird. Dies ist zwar im Verhältnis zu Drittbetroffenen festzustellen, kann indessen mit diesem ausschließlichen Anspruch nicht im Verhältnis zum Zuhörer bzw. Zuschauer konstatiert werden. Unabhängig davon, ob man die Rundfunkgebühr als Anstaltsnutzungsgebühr,562 als Beitrag 563 oder als Anstaltsbenutzungsgebühr mit Beitragseinschlag564 klassifiziert, so wird sie im Ergebnis anerkanntermaßen als öffentlich-rechtliche Geldleistungsverpflichtung eingestuft. 565 Durch das den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zustehende Recht der Gebührenerhebung - die Bundespost tritt insoweit lediglich als Inkassomandatarin auf 566 - wird aber eine öffentliche Zwangsbefugnis ausgeübt.567 (dd) Bestätigung findet die hier vertretene Ansicht durch die Tatsache, daß sich auf ihrer Grundlage in sich schlüssige und nachvollziehbare Ergebnisse erzielen lassen. So geht das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Vergabe von Sendezeiten an im Wahlkampf stehende Parteien eine hoheitliche Gewaltausübung vornehmen,568 was auch von den Anhängern der zivilrechtlichen Auffassung konzediert wird. 569 Ebenso ist die verweigerte Teilnahme einer Wählergemeinschaft an einer redaktionell gestalteten Wahlsendung als öffentlichrechtliche Maßnahme in der Rechtsprechung behandelt worden. 570 Ungeklärt bleibt dabei, wie sich diese Annahme auf dem Boden einer privatrechtlichen

562

Giese, DÖV 1953, 587 (589); Hermann, AöR 90 (1965), 286 (324 f.).

563

Wolff/

Bachof, VerwR I, § 42 II a 2, S. 308.

564

Knemeyer, DVB1. 1968, 922 (923), mit Bezug auf Ipsen, Die Rundfunkgebühr, S. 60 ff., 62 ff., 73. 565

Bethge, NJW 1973, 1508 (1509); Mestmäcker, NJW 1969, 1 (4); B. Schmitz, DÖV 1968, 683 (685); Stern/Bethge, Finanzierung, S. 8; ebenso LG Stuttgart, NJW 1962, 1622 (1623 f.). 566

BVerwGE 29, 214 (218).

567

Bettermann, NJW 1977, 513.

568

BVerfGE 69, 257 (266); 47, 198 (223); 14, 121 (130); 7, 99 (104); BVerwG, NJW 1987, 270; OVG Bremen, NJW 1987, 3024; VGH München, DVB1. 1971, 73 (74); Bethge, NJW 1973, 1508; vgl. auch Köper, NJW 1987, 2984. 569 Abweichendes Sondervotum der Richter Geiger, Rinck und Wand zu BVerfGE 31, 314 - BVerfGE 31, 337 (341 f.); OLG München, NJW 1958, 1298 (1299 f.); KG Berlin, Ufita 54 (1969), 291 (292); T.G. Schmidt, NJW 1970, 2026 (2027). 570 OVG Hamburg, NJW 1988, 928, das den öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Maßnahme voraussetzt und nicht gesondert darlegt. Vgl. weiterhin OVG Bremen, AfP 1990, 160 f., zu einem Anspruch politischer Parteien auf Wahlwerbung in Rundfunk und Fernsehen.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Lösung rechtfertigen läßt. 571 Die Tatsache allein, daß den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten insoweit bis vor kurzem eine Monopolstellung zukam, stützt diese Auffassung nicht.572 Denn das seinerzeit bestehende alleinige Recht zur Vergabe von Sendezeiten führte zwar infolge des öffentlichen Auftrages der Parteien zu einer Verpflichtung der Rundfunkanbieter, diesen Sendekapazitäten zur Verfügung zu stellen. Hierdurch konnte indessen nicht der Umschlag von der privatrechtlichen zur öffentlich-rechtlichen Handlungsform begründet werden. Auch mit Rücksicht auf die aus Art. 21 GG abgeleitete Stellung der Parteien als „integrierende Bestandteile des Verfassungsaufbaus" und „damit (als) verfassungsrechtlich notwendige Institutionen"573 kann dieser Wechsel in der Rechtsqualität des Handelns der Rundfunkanstalten nicht gerechtfertigt werden. Denn bei der Zuteilung von Sendezeiten steht unbestrittenermaßen nicht der organschaftliche öffentlich-rechtliche Status der Parteien im System der Verfassungsorgane in Rede, sondern ihre Rechtsstellung als Gesellschaften bzw. Vereine des Privatrechts zu den Rundfunkanstalten ist betroffen. 574 Geht man hingegen generell von der öffentlich-rechtlichen Qualität der Tätigkeit der Rundfunkanbieter aus, so stellt sich die Vergabe von Sendezeiten als Teilbereich aus dem öffentlich-rechtlichen Handlungsspektrum der Veranstalter dar. Mithin ist die Annahme des öffentlich-rechtlichen Charakters der Betätigung der Rundfunkanstalten mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Ergebnis zu vereinbaren und wird dadurch gleichzeitig durch sie bestätigt.

(c) Zwischenergebnis Entgegen der zivilrechtlichen Rechtsprechung ist davon auszugehen, daß es sich bei ehrkränkenden Äußerungen, die durch die Programmgestaltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hervorgerufen werden, um hoheitliche Eingriffsakte handelt mit der Folge, daß der Widerrufsanspruch in 571

Vgl. hierzu ebenfalls die Kritik bei Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (161 ff.).

572

So aber BVerfGE 7, 99 (104), wobei allerdings offenbleibt, ob das Bundesverfassungsgericht generell vom öffentlich-rechtlichen Charakter der Programmgestaltung ausgeht, und die Zuteilung von Sendezeiten an die Parteien nur als einen Teilaspekt dieser öffentlich-rechtlichen Tätigkeit der Rundfunkanstalten betrachtet, oder aber ob das Gericht für den Regelfall vom privatrechtlichen Rechtsgehalt der Tätigkeit ausgeht und für die Vergabe von Sendezeiten an die Parteien einen Ausnahmetatbestand anerkennt. 573 So BVerfGE 13, 54 (81 f.); vgl. weiterhin BVerfGE 20, 56 (100 ff.); s. ferner zur verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien BVerfGE 12, 276 (280); 1, 208 (225 f.). 57 4

Bethge, VerwArch 63 (1972), 152 (161 f.).

2

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Gestalt des Folgenbeseitigungsanspruchs vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen ist.

(d) Bedenken gegen die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges Obwohl vorstehend der öffentlich-rechtliche Charakter der Ehrverletzungen festgestellt worden ist, bestehen gegen die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges Bedenken. Diese Einwände resultieren aus zwei Überlegungen. So ist zunächst zu berücksichtigen, daß sich das ursprünglich gegebene Monopol öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten nunmehr zu einem gemischten dualen Rundfunksystem verändert hat. Im Hinblick hierauf scheint es geboten, aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtsvereinheitlichung sowohl bei Widerrufsklagen, die gegen die öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunkanstalten gerichtet sind, als auch bei Widerrufsklagen gegen die privaten Rundfunkveranstalter wegen des Regelungszusammenhangs, d.h. der Übereinstimmung der Verletzungshandlung, den gleichen Rechtsweg zu eröffnen. Der denkbare Einwand, daß auch im Bereich des Rundfunkrechts den Äußerungen, die in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten getätigt worden sind, wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters - vergleichbar den Behauptungen von Beamten - eine erhöhte Autoritätswirkung zukommen könnte, die unterschiedliche Rechtswege rechtfertigen könnte, vermag nicht durchzugreifen. Die Überzeugungskraft, die einer Tatsachenbehauptung im Bereich der Medien zukommt, hängt vielmehr einerseits maßgeblich von der Art des Kommunikationsträgers ab, in dem sie aufgestellt wird. So sind Tatsachenbehauptungen, die im Fernsehen getätigt werden, infolge des visuellen Eindrucks, der beim Zuschauer hervorgerufen wird, stärker als solche, die in Rundfunk oder Presse publiziert werden, in der Lage, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zu verletzen. Andererseits hängt es sowohl von der Qualität der Sendung als auch von der Persönlichkeit und Sachkunde desjenigen ab, der die Behauptung äußert, inwieweit ihr eine glaubhafte Wirkung beigemessen wird. Die Rechtsform der Anstalt spielt dabei - wenn überhaupt - eine zu vernachlässigende, unbedeutende Rolle. Zudem darf nicht außer acht gelassen werden, daß hinsichtlich der weiteren Ansprüche, die sich als Folge einer ehrkränkenden Äußerung ergeben können, wie beispielsweise in bezug auf den Gegendarstellungsanspruch gem. den Landesrundfunkgesetzen 575 sowie im Hinblick auf den Schadensersatzbzw. Schmerzensgeldanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, der or-

575

S. den Nachweis in Fußn. 523.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

dentliche Rechtsweg ausdrücklich eingreift. 576 Hierbei ist zu bedenken, daß die Ansprüche auf Widerruf und auf Schadensersatz häufig in der Praxis uno actu geltend gemacht werden. 577 Bei öffentlich-rechtlicher Qualifizierung des Widerrufsanspruchs kommt es somit in diesem Fall zu einem Rechtswegsplitting. Eine solche Rechtswegteilung eines einheitlichen Lebenssachverhalts erscheint indes nicht sachgerecht. Dies ergibt sich aus zwei Gründen: Zum einen ist das prozeßrechtliche Argument zu nennen, daß hierdurch zwei Gerichte mit einem Lebenssachverhalt beschäftigt werden. Zum anderen erwächst aus dieser Rechtslage die Gefahr widerstreitender Entscheidungen. Daß es sich hierbei nicht nur um ein rein theoretisches Problem handelt, läßt sich anhand zweier jüngst veröffentlichter Entscheidungen verdeutlichen: So hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 21.4.1989 578 die Zulässigkeit von Werbebeilagen in einem Postgirokontoauszug festgestellt. Der Tatbestand einer allgemeinen Persönlichkeitsrechtsverletzung wurde diesbezüglich verneint. Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 20.12.1988 579 die Verteilung von Werbematerial in den Briefkasten gegen den Willen des Empfängers als rechtswidrige Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingestuft. Diese Beispiele, obwohl aus einem anderen Regelungsbereich entnommen, verdeutlichen die allgemeine Gefahr, die sich aus der Zuständigkeit mehrerer Gerichte für einen vergleichbaren Lebenssachverhalt ergeben kann. Die Rechtswegaufteilung im hier relevanten Problemkontext birgt folglich durch die Möglichkeit divergierender Entscheidungen in den unterschiedlichen Rechtswegen das Risiko von Rechtsunsicherheit in sich. Mithin wäre eine gesetzlich angeordnete Zuständigkeit der Zivilgerichte wünschenswert. Sie kann auch nicht deshalb als entbehrlich angesehen werden, weil die in den rundfunkrechtlichen Gesetzen geregelte Rechtswegzuweisung zu den or576

So die ausdrückliche Rechtswegzuweisung in § 40 Abs. 2 VwGO i.V.m. Art. 34 S. 3 GG; vgl. weiterhin Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 146. S. ferner exemplarisch OLG Stuttgart, AfP 1990, 145 ff. - Schadensersatzanspruch nach §§ 839, 249 ff. BGB i.V.m. Art. 34 GG wegen unzulässiger Herausgabe einer Pressemitteilung durch eine Behörde Fall Birkel; BGH, NJW 1987, 1403 f. - Schadensersatzanspruch gem. §§ 823, 824, 249 BGB wegen eines Hörfunkberichts. 577

Vgl. hierzu BGHZ 66, 182 ff.; s. außerdem BGHZ 65, 325 ff.; BGH, DÖV 1967,

569 ff. 578 BVerwG, NJW 1989, 2409 f.; Vorinstanzen: VG Hannover, NJW 1986, 1630; OVG Lüneburg, NJW 1988, 1867. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit offengelassen, ob die Briefkastenwerbung durch Werbewurfsendungen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bewirkt, so BVerwG, NJW 1989, 2409 (2410). 579

BGH, NJW 1989, 902 (903 f.).

2

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

dentlichen Gerichten hinsichtlich des Gegendarstellungsanspruchs580 auf den Widerrufsanspruch entsprechend ausgedehnt werden könnte.581 Denn auch vor dem Hintergrund der anerkanntermaßen weiten Auslegung des Begriffs „ausdrücklich" in § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO, wonach dieses Tatbestandsmerkmal auch bei einer auslegungsbedürftigen Rechtswegregelung erfüllt ist, die nach ihrer ratio legis eine solche Zuweisung enthält,582 scheidet angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschriften, die sich eben nur auf den Gegendarstellungsanspruch beziehen, eine Eröffnung des Zivilrechtsweges nach Maßgabe dieser Rechtswegeröffnungen aus.583 Auch wenn grundsätzlich eine Normierung spezialgesetzlicher Sonderzuweisungen wegen der notwendigen Rechtsvereinheitlichung und Transparenz des Rechts zugunsten des Betroffenen prinzipiell abzulehnen ist, ist vorliegend im Interesse der Rechtssicherheit eine solche sondergesetzliche Eröffnung des Zivilrechtsweges de lege ferenda zu befürworten.

(e) Teilergebnis zur Sonderkonstellation 1 Ehrkränkende Behauptungen, die in den Sendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufgestellt werden, sind entgegen der zivilrechtlichen Rechtsprechung und Literaturauffassung, als hoheitliche Eingriffsakte vom Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt. De lege ferenda wäre es allerdings wünschenswert, wenn der Gesetzgeber im Hinblick auf das nunmehr etablierte duale Rundfunksystem und angesichts der Tatsache, daß die übrigen sich aus der Ehrverletzung ggf. ergebenden Ansprüche, wie der Gegendarstellungsanspruch sowie der Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldanspruch, den ordentlichen Gerichten zur Entscheidung zugewiesen sind, auch für den Widerrufsanspruch eine spezialgesetzliche Zuweisung an die Zivilgerichte festschreiben würde.

580

Vgl. die Nachweise in Fußn. 523-525.

581

So aber OLG Köln, NJW 1973, 853 (859), in bezug auf die §§ 26 Abs. 1,11 Abs. 4 nwLPG (a.F.). Vgl. die Darstellung unter Β III 3, S. 278 ff. mit Nachweis in Fußn. 508. 582 BVerwG, NJW 1989, 412 (413), unter Bezugnahme auf die Amtl. Begr. zum Entwurf der Bundesregierung für eine VwGO, BT-Drucks. 3/55, S. 30, wonach durch die Normierung einer ausdrücklichen anderweitigen Rechtswegzuweisung in § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO nur die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte „kraft Überlieferung" ausgeschlossen werden sollte. Vgl. weiterhin BVerwGE 47, 255 (259 f.); 15, 34 (35 f.). 583

So auch VG Neustadt, Ufita 65 (1972), 312 (318); Bethge, NJW 1973, 1508 (1509).

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

ccc) Sonderkonstellation 2: Ehrverletzende Presseerklärungen der Staatsanwaltschaft Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang auf eine zweite Fallkonstellation, die der ehrverletzenden Presseerklärungen der Staatsanwaltschaft, hingewiesen.584 Konkret handelt es sich hierbei um die Pressemitteilungen, welche von der Staatsanwaltschaft über den Stand des von ihr geführten Ermittlungsverfahrens oder in bezug auf dessen abschließendes Ergebnis veröffentlicht werden. Allerdings stellt sich hier die Frage des Eingreifens des Widerrufsanspruchs im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs unter einem anderen Aspekt als in der zuvor behandelten Fallsituation. Da die Presseerklärungen von der Staatsanwaltschaft in ihrer Eigenschaft als Justizbehörde in Erfüllung des presserechtlichen Informationsanspruchs nach Maßgabe der landesrechtlichen Pressegesetze, so z.B. § 4 Abs. 1 nwLPG, getätigt werden, ist die Zuordnung zum öffentlichen Rechtskreis nicht zweifelhaft. Folgerichtig ist das Vorliegen eines hoheitlichen Eingriffsverhaltens festzustellen. 585 Vielmehr liegt die Besonderheit dieser Fallkategorie in der Fragestellung, ob die Geltendmachung des Widerrufsanspruchs gem. § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG den ordentlichen Gerichten zugewiesen ist. 586 Da es sich hierbei indes um eine prozeßrechtliche Problematik handelt, kann diese Fragestellung im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht erörtert werden.

IV. Die Rechtswidrigkeit der Rechtsbeeinträchtigung Für die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs ist als viertes Tatbestandsmerkmal die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung erforderlich. 587 584

Vgl. beispielsweise BVerwG, NJW 1989, 412 ff.; VGH Mannheim, NJW 1973, 214.

585

BVerwG, NJW 1989, 412 (413).

586

Während das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Durchsetzung des Widerrufsanspruchs bei Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft die Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit befürwortet (so BVerwG, NJW 1989, 412 [413 f.]), gehen der VGH Mannheim, NJW 1973, 214, das OLG Hamm, NJW 1981, 356, sowie Kopp, VwGO, § 179 Rdnr. 4, insofern vom Eingreifen der Rechtswegzuweisung des § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG aus. 587

Vgl. exemplarisch BVerwG, NJW 1989, 2272 (2277); NJW 1989, 2484; NJW 1989, 118; BVerwGE 69, 366 (367, 369 ff.); VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (103); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 218 f.; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnrn. 3, 6, 9; Ossenbühl, StHR, S. 201; Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 601 f.; Weyreuther, Gutachten, S. Β 67 ff.; Wolff /Bachof\ VerwR I, § 54 I I a 1, S. 477, § 54 II c, S. 478.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

- Im Rahmen der Analyse der tatbestandlichen Strukturen des Folgenbeseitigungsanspruchs stellt sich in bezug auf die Anspruchsvoraussetzung der Rechtswidrigkeit als erstes die Frage nach deren inhaltlicher Ausgestaltung. Denn als Anknüpfungspunkt bzw. Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils kommen sowohl die hoheitliche Verletzungshandlung als solche als auch die durch den Eingriffsakt hervorgerufenen Eingriffsfolgen in Betracht (unter 1). - Erst im Anschluß hieran sollen in einem Überblick die praxisrelevanten Fallgestaltungen skizziert werden, bei denen aufgrund einer Duldungspflicht des Betroffenen die Widerrechtlichkeit entfällt (unter 2).

1. Der Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils Unterschiedliche Auffassungen bestehen hinsichtlich des Gegenstandes des Rechtswidrigkeitsurteils im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs. Während eine Ansicht für die Ermittlung der Unrechtmäßigkeit maßgeblich auf die durch das administrative Handeln eingetretenen Folgen abstellt588 (Widerrechtlichkeit der Eingriffsfolgen), ist nach anderer Meinung darüber hinausgehend für das Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs die Rechtswidrigkeit der staatlichen Verletzungshandlung selbst589 erforderlich 590 (Widerrechtlichkeit der Eingriffshandlung). 588 So ausdrücklich BVerwG, NJW 1989, 2272 (2277 1. Sp. unten); vgl. weiterhin BVerwG, NJW 1989, 118 (119); OVG Münster, BauR 1987, 46 (50 r. Sp. oben); VG Neustadt, NJW 1965, 833 (834 f.); Bachof Rspr. des BVerwG II, Nr. 378, S. 358 f.; Wolff / Bachof VerwR I, § 54 II c, S. 478; Köckerbauer, JuS 1988, 782 (784 f.); H.H. Rupp, JA 1979, 506 (510); Schleeh, AöR 92 (1967), 58 (78 f.); Stern, StaatsR III/1, S. 676 in Fußn. 236; Weyreuther, Gutachten, S. Β 67 ff., 88 f., 92, 155 f.; vgl. auch Ebsen, DVB1. 1987, 389 (392 r. Sp. unten), und Papier, DÖV 1972, 845 (850); ebenso in bezug auf § 1004 BGB: Motive BGB III, S. 392 f.; BGHZ 66, 37 (39); Baur, AcP 160 (1961), 465 (481); Erman/HefermehU BGB, § 1004 Rdnr. 32. Offengelassen von Ossenbühl, StHR, S. 202; unklar OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1022 1. Sp. Mitte). Vgl. weiterhin die Nachweise in Fußn. 606. 589

Gemeint ist mit „Verletzungshandlung" der Eingriffsakt, regelmäßig in Gestalt des Verwaltungsakts oder des tatsächlichen Verwaltungshandelns. Im Rahmen des VollzugsFolgenbeseitigungsanspruchs wird der Vollzugsakt als solcher, sofern ihm nicht ausnahmsweise ein eigenständiger Fehler anhaftet, infolge der Titelfunktion, die auch einem rechtswidrigen Verwaltungsakt zukommt, im Regelfall rechtmäßig sein, vgl. hierzu Bachof Vornahmeklage, S. 127. 590

Böß, Vergleich, S. 72 i.V.m. S. 48 ff.; Obermayer, JuS 1963, 110 (113 f., 115); W. Schmidt, JuS 1969, 166 (168); wohl auch Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 269 mit Fußn. 355; anders hingegen ders., VB1BW 1985, 201 (203 in Fußn. 19 i.V.m. 201 in Fußn. 1); für den Bereich des StHG v. 1981 auch: Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 17 i.V.m. § 1 Rdnrn. 214 ff. Nicht eindeutig Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (42 f.). Vgl. darüber hinaus zu der allgemeinen Diskussion hinsichtlich der Unterscheidung von beeinträchtigtem Zustand und schädigendem Eingriff: Leisner, VVDStRL 20 (1963), 185 (204 ff.); hierzu Ba-

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Für den Regelfall kommt dieser Meinungsdivergenz allerdings keine Bedeutung zu, da üblicherweise das Rechtswidrigkeitsurteil für den Folgenbeseitigungsanspruch sowohl auf die Unrechtmäßigkeit des Eingriffsakts als auch auf die Widerrechtlichkeit der Eingriffsfolgen zurückgeführt werden kann. Dies beruht darauf, daß die von der Rechtsordnung mißbilligte Zustandsveränderung normalerweise den rechtswidrigen Charakter der Verletzungshandlung teilt, was als Gleichlauf der Rechtswidrigkeit von Eingriffsakt und Eingriffsfolge bezeichnet werden kann. Relevant wird der Meinungsstreit hingegen in den Fällen, in denen das Unwerturteil über den Eingriffsakt und die Eingriffsfolge nicht einheitlich gefällt werden kann. Eine Abweichung von dem typischerweise bestehenden Gleichlauf der Rechtswidrigkeit von Eingriffshandlung und Eingriffsfolgen resultiert dabei aus folgenden Umständen: 1. aus der zeitlichen Komponente: -

nachträgliche Rechtswidrigkeit eines ursprünglich rechtmäßigen Eingriffs sowie - Änderung des Rechtswidrigkeitsurteils als Folge einer Neuregelung des rechtlichen Bewertungsmaßstabes; 2. aus der inhaltlichen Komponente: -

formell rechtswidrige, jedoch materiell rechtmäßige Eingriffsakte.

a) Veränderung des Rechtswidrigkeitsurteils in zeitlicher Hinsicht Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang zunächst eine Sachverhaltsgestaltung, bei der die Beurteilung der Rechtswidrigkeit in zeitlicher Hinsicht eine Veränderung erfährt. Zwei Fallkonstellationen lassen sich diesbezüglich unterscheiden: aa) Ursprünglich rechtmäßiger Eingriff fuhrt infolge Wegfalls des legalisierenden Verwaltungsakts durch Eintritt einer der in § 36 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwVfG genannten Umstände zu rechtswidrigen Eingriffsfolgen Die erste in diesem Problemkontext diskutierte Fallgruppe bezieht sich auf die hoheitliche Verletzungshandlung in Gestalt des Verwaltungsakts. Sie stellt indessen nur scheinbar eine Ausnahme von dem oben beschriebenen Regelchof ebenda, S. 258; Scheuner, ebenda, S. 265; Bettermann, ebenda, S. 272 f. S. außerdem zur generellen Abgrenzung von Handlungs- und Erfolgsunrecht: Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 40 ff.

2

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

fall dar. Gekennzeichnet ist sie dadurch, daß ein ursprünglich aufgrund der Legalisierungswirkung eines Verwaltungsakts rechtmäßiger administrativer Eingriff infolge Wegfalls des Verwaltungsakts zu einem unrechtmäßigen Zustand führt. Zur Verdeutlichung sei beispielhaft der schon klassische Fall genannt, daß nach Fristablauf einer ordnungsbehördlichen Einweisungsverfügung sich der Obdachlose auch weiterhin in den Wohnräumen des inanspruchgenommenen Inhabers aufhält. 591 Das Nichteingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs zugunsten des Wohnungseigentümers in dieser Fallsituation wird vereinzelt damit begründet, daß - wie aus § 113 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 VwGO zu folgern sei - Voraussetzung für die Entstehung des Beseitigungsanspruchs nicht nur die Unrechtmäßigkeit der Folgen, sondern überdies auch des eingreifenden Behördenhandelns selbst sei. Da hier jedoch der hoheitliche Übergriff zunächst rechtmäßig erfolgt sei, und die Verwaltungsbehörde das widerrechtliche Verbleiben des Obachlosen in der Wohnung nicht zu veranworten habe, dies vielmehr dem Eingewiesenen selbst zur Last gelegt werden müsse, bliebe für das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs gegenüber dem Hoheitsträger kein Raum. 592 Diese Argumentationsweise vermag jedoch nicht zu überzeugen.593 Wie bereits oben im Rahmen der Darstellung des Eingriffstatbestands dargelegt,594 ist auf der Grundlage einer einheitlichen Betrachtungsweise festzustellen, daß sich das ursprünglich gerechtfertigte behördliche Eingriffsverhalten (Einweisungsverfügung) mit Entfallen der Legalisierungsfunktion des Verwaltungsakts infolge seiner Dauerwirkung (Aufenthalt des Obdachlosen in der Wohnung) als faktisch fortwirkender Eingriff fortsetzt. Dieses Weiterbestehen des Eingriffsverhaltens beruht auf dem Umstand, daß die Exekutivbehörde ihrerseits die Beeinträchtigung der Rechtssphäre des Betroffenen wegen der lediglich befristeten Geltungsdauer des Verwaltungsakts von vornherein als eingeschränkte Duldungspflicht des Betroffenen ausgestaltet hat. Das angeführte Argument, wonach nicht die Behörde, sondern der Eingewiesene alleine das rechtswidrige Verbleiben in den Wohnräumen zu vertreten habe, ist folglich nicht tragfähig. Dies gilt um so mehr, wenn man sich den Parallelfall vor Augen führt, daß die Behörde, nachdem die Voraussetzungen einer Beschlagnahmeverfügung bezüglich eines Führerscheins entfal591 Vgl. die Sachverhalte der Entscheidungen: VGH Mannheim, VB1BW 1987, 423; OVG Koblenz, OVGE 9, 88; OVG Lüneburg, OVGE 4, 235; OVG Münster, OVGE 14, 315; s.a. OVG Hamburg, VerwRspr. 10, Nr. 66, S. 225; OVG Lüneburg, OVGE 8, 484. 592

So Obermayer, JuS 1963, 110 (115).

593

Für die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs in diesem Beispielsfall ebenfalls: OVG Koblenz, OVGE 9, 88 (92 f.); OVG Münster, OVGE 14, 315 f.; VG Neustadt, NJW 1965, 833 ff.; Bettermann, MDR 1957, 130 (131 ff.). 594

Vgl. die Ausführungen unter Β II 2, S. 157 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 77.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

len sind, den Führerschein nicht herausgibt.595 Auch hier ist der ursprüngliche Eingriffsakt rechtmäßig gewesen. Konsequenterweise müßte die oben genannte Ansicht auch in diesem Fall die Unanwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs mit der Begründung befürworten, daß die Einziehungsanordnung ehemals berechtigterweise erlassen worden ist. Indes wird hinsichtlich des Anspruchs des Betroffenen auf Führerscheinherausgabe der Folgenbeseitigungsanspruch als einschlägige Anspruchsgrundlage allgemein akzeptiert. 596 Diese dogmatische Widersprüchlichkeit erklärt sich aus der Tatsache, daß nicht mit hinreichender Deutlichkeit zwischen den zwei Funktionen eines Verwaltungsakts unterschieden wird. Zum einen bildet der belastende Verwaltungsakt gegenüber dem Bürger den eigentlichen Eingriffstatbestand („Eingriffswirkung" des Verwaltungsakts). 591 Zum anderen verkörpert der Verwaltungsakt gleichzeitig die Legitimationsgrundlage für den staatlichen Eingriff, indem er auf der Rechtswidrigkeitsebene eine Duldungspflicht des Adressaten begründet („Legitimationsfunktion" des Verwaltungsakts). 598 Aus dieser Doppelfunktion eines belastenden Verwaltungsakts ergibt sich als Konsequenz, daß bei einem Verwaltungsakt, dem von Anbeginn an nur eine begrenzte Legalisierungswirkung zukommt, z.B. durch eine Befristung oder Bedingung i.S. des § 36 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwVfG, bei Beendigung der formalen Geltungsdauer ausschließlich die Legitimationsfunktion entfällt. 599 Die Eingriffswirkung der Anordnung bleibt hingegen unverändert erhalten. Das Fortwirken des Eingriffsakts muß sich die Behörde als Verursacher bzw. Veranlasser des den Bürger beeinträchtigenden Zustands auch nach Wegfall der rechtlichen Duldungspflicht faktisch zurechnen lassen. Denn ohne das staatliche Einschreiten wäre keine Situation entstanden, die eine Ausdehnung der Eingriffsfolgen über den rechtlichen Duldungszeitpunkt hinaus nach sich ziehen könnte. Das Argument, nach dem in dem Obdachlosenfall statt der Behörde der Obdachlose für den rechtswidrigen Zustand verantwortlich sei, greift demzufolge ins Leere. Es liegt vielmehr ein faktisch fortwir-

595

Vgl. den Sachverhalt der Entscheidung VGH Kassel, DÖV 1963, 389. S. auch OVG Lüneburg, OVGE 9, 340: Befristete Beschlagnahme von Schreibmaschinen, Vervielfältigungsapparaten und Papiervorräten, die nach Fristablauf der Sicherstellungsanordnung nicht aus der amtlichen Verwahrung herausgegeben werden. 596 VGH Kassel, DÖV 1963, 389 f.; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (40); Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 II c, S. 478; Bachof Rspr. des BVerwG II, Nr. 378, S. 358 f.; vgl. auch OVG Lüneburg, OVGE 9, 340 (342 ff.). 597

Vgl. hierzu die Darstellung unter Β II 2, S. 157 ff.

598

S. hierzu die Ausführungen unter Β IV 2, S. 312 ff. mit Nachweisen in Fußn. 637.

599

Vgl. die Darstellung unter Β II 2, S. 157 ff.

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

kender behördlicher Eingriff vor, dem im nachhinein die rechtliche Legitimation fehlt, und welcher aus diesem Grunde rechtswidrig ist. Mithin ist der Folgenbeseitigungsanspruch tatbestandlich auch dann einschlägig, wenn bei Verwaltungsakten erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände gem. § 36 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwVfG nachträglich ein rechtswidriges Eingriffsverhalten gegeben ist. 600 Mit dem Einwand der ursprünglich rechtmäßigen Eingriffshandlung vermag die Behörde ihre aus dem Folgenbeseitigungsanspruch resultierende Einstandspflicht folglich nicht auszuschließen. Da in der hier relevanten Fallsituation demnach sowohl ein faktisch fortwirkendes pflichtwidriges Verhalten der Behörde vorliegt, das zum Vorliegen eines rechtswidrigen Zustands führt, liegt somit nur dem ersten Anschein nach eine Abweichung vom eingangs geschilderten Normalfall vor, bei dem die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs festzustellen ist.

bb) Änderung des Rechtswidrigkeitsurteils als Folge einer Neuregelung des rechtlichen Bewertungsmaßstabes Die zweite Fallvariante ist dadurch charakterisiert, daß sich im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs infolge einer veränderten Rechtslage die Beurteilung der Rechtswidrigkeit wandelt. Diese Fallgruppe läßt sich ihrerseits in zwei unterschiedliche Fallkonstellationen einteilen:

aaa) Nachträgliche Legalisierung eines ursprünglich rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakts Erwähnt sei zunächst die Sachverhaltsgestaltung, bei der eine ursprünglich rechtswidrige Verletzungshandlung durch einen anschließenden legalisierenden Akt zu nunmehr mit der Rechtsordnung in Einklang stehenden Eingriffsfolgen führt. Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit fällt hier insoweit unter600 Im Ergebnis ebenso: VGH Kassel, DÖV 1963, 389 f.; OVG Koblenz, OVGE 9, 88 (92 f.); OVG Münster, OVGE 14, 315 f.; VG Neustadt, NJW 1965, 833 (834 f.); Au, Anspruch, S. 47 ff.; Bachof,i Rspr. des BVerwG II, Nr. 378, S. 358 f.; Wolff /Bachofi VerwR I, § 54 II c, S. 478; Bender, VB1BW 1985, 201 (203 in Fußn. 19 i.V.m. 201 in Fußn. 1); Bettermann, MDR 1957, 130 (131 ff.); ders. y Sitzungsberichte, S. L 66; Götz, AllgVerwR, S. 231; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 498; Rösslein, FBA, S. 24 in Fußn. 40, sowie die Darstellung, S. 26 if.; Siehoff,\ FBA, S. 27 ff., 58, 89; vgl. außerdem Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (40); s. auch die Regelung in § 3 Abs. 1 S. 2 StHG 1981; vgl. ebenso im Regelungsbereich des § 1004 BGB: BGHZ 57, 325 (333); 37, 187 (191); Baur, AcP 160 (1961), 465 (481); Erman/HefermehU BGB, § 1004 Rdnr. 32.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

schiedlich aus, als einer rechtswidrigen Eingriffshandlung im nachhinein rechtmäßige Eingriffsfolgen gegenüberstehen. Die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs hängt bei dieser Fallkonstellation somit davon ab, an welche der beiden Eingriffselemente, Eingriffsakt oder Eingriffsfolge, das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit anknüpft. Die Praxisrelevanz dieser Fragestellung läßt sich beispielsweise an der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6.9.1988 601 verdeutlichen. Hierbei hat sich der Kläger als Grundstückseigentümer mehrerer Gaststättenbetriebe gegen die Entwidmung eines Teils der Verkehrsflächen, die dem Straßenverkehr bisher zur Verfügung gestanden hatten, und die im übrigen vorgenommene Widmungsbeschränkung zu Lasten des Fußgängerverkehrs gewehrt. Zur Begründung seines Klagebegehrens hat er vorgetragen, die durchgeführte straßenrechtliche Umgestaltung führe zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung seiner Gewerbeausübung. Im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung wurde ermittelt, daß das Entwidmungs- und Einziehungsverfahren rechtsfehlerhaft durchgeführt worden war. In der Urteilsbegründung führt das Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich aus, der Verwaltungsbehörde stehe die Möglichkeit offen, während der Dauer des Gerichtsverfahrens, in dem über das Anfechtungsbegehren i.V.m. dem Folgenbeseitigungsantrag entschieden werde, das ursprünglich rechtswidrige Verhalten zu legalisieren, sofern die hierfür erforderliche Rechtsgrundlage existiere. 602 In concreto komme dabei als nachträgliche Legalisierungsmaßnahme die Wiederholung des rechtsmängelhaften Verfahrens nach Maßgabe der geänderten Ermächtigungsgrundlage in Betracht. 603 Allerdings stehe diese Möglichkeit unter der einschränkenden Voraussetzung, daß die Legitimierung bis zum Termin der letzten mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sei oder aber zumindest mit sicherer Erwartung zu diesem Zeitpunkt schon konkret in Aussicht stehen

601 BVerwG, NJW 1989, 118, wobei es allerdings in dogmatischer Hinsicht ungenau ist, daß das Gericht den Gesichtspunkt der nachträglichen Legalisierung nicht im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „Rechtswidrigkeit" prüft, sondern dieses Kriterium erst unter dem Aspekt der „unzulässigen Rechtsausübung" des Folgenbeseitigungsbegehrens anspricht; ebenfalls VGH München, BayVBl. 1990, 627 (628). Vgl. außerdem die Entscheidung des VGH München, DÖV 1978, 766 (767), die jedoch insoweit unzutreffend ist, als für den Fall der nachträglichen Legalisierung die fehlende Spruchreife des Folgenbeseitigungsanspruchs i.S. des § 113 Abs. 1 S. 2, 3 VwGO angenommen wird; kritisch diesbezüglich auch Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 11. Wiederum anders Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 499; wohl auch OVG Hamburg, NJW 1978, 658 (659 f.), die die Möglichkeit einer nachträglichen Legalisierung durch Nachholung der Planfeststellung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Folgenbeseitigung erörtern. S. zum Ausschlußgrund der „Unzumutbarkeit" die Darstellung in Kapitel 4 Β III, S. 531 ff. 602 603

BVerwG, NJW 1989, 118 f.

BVerwG, Nachweis wie vor. Vgl. zur nachträglichen Legalisierung durch Erlaß eines Verwaltungsakts, in concreto einer Baugenehmigung, OVG Münster, BauR 1987, 46 (49).

2

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

müsse. Die bloße Möglichkeit der nachfolgenden Verrechtlichung des ehemals pflichtwidrigen Eingriffsakts reiche hingegen nicht aus.604 In dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6.9.1988 kommen damit zwei Überlegungen zum Ausdruck:

(1) Anknüpfung an die Eingriffsfolgen Erstens wird deutlich, daß das Bundesverwaltungsgericht in dieser Fallkonstellation im Ergebnis an die Rechtmäßigkeit- bzw. Rechtswidrigkeit der eingetretenen Eingriffsfolgen anknüpft. 605 Die Tatsache des seinerzeit fehlerhaften Eingriffsverhaltens (rechtswidrig durchgeführtes Entwidmungs- und Einziehungsverfahren) bleibt zwar für sich betrachtet bestehen. Mit Rücksicht auf die anschließende Nachholung des ordnungsgemäßen Verfahrens ergibt sich indessen, daß die geschaffene Eingriffsfolge (Veränderung der straßenrechtlichen Situation) nunmehr als rechtmäßig zu qualifizieren ist. Der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zuzustimmen. Vor dem Hintergrund der hier vertretenen grundrechtlichen Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt für das Auslösen des Beseitigungsanspruchs die eingetretene Integritätsverletzung, d.h. die beeinträchtigenden Eingriffsfolgen. Sofern die Störung der Rechtssphäre durch Schaffung eines rechtmäßigen Zustands ausgeräumt werden kann, besteht für den Abwehranspruch, auch wenn ein ursprünglich widerrechtliches Verwaltungshandeln vorgelegen hat, kein Bedürfnis mehr. Mithin entspricht das Abstellen auf die Rechtmäßigkeit bzw. Unrechtmäßigkeit der Eingriffsfolgen dem Charakter des Folgenbeseitigungsanspruchs als Restitutionsanspruch. Bestätigt wird diese Sichtweise zudem durch die hier befürwortete inhaltliche Konkretisierung des Folgenbeseitigungsanspruchs durch § 1004 BGB, bei dem die herrschende Meinung gleichermaßen auf die Rechtswidrigkeit der Zustandsveränderung abhebt.606

604 BVerwG, NJW 1989, 118 (119); vgl. auch OVG Hamburg, NJW 1978, 658 (659 f.); VGH München, BayVBl. 1990, 627 (628). 605 606

Vgl. BVerwG, NJW 1989, 118 (119 1. Sp. Mitte und r. Sp. Mitte).

BGHZ 66, 37 (39), unter Hinweis auf Motive BGB III, S. 392 f.; Münzberg, Verhalten, S. 376 ff.; Baur, AcP 160 (1961), 465 (485); Erman/Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnr. 32; Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 2 a ee. A.A. Lutter /Overrath, JZ 1968, 345 ff., für die Haftung des Vermieters gem. § 1004 BGB.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

(2) Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Eingriffsfolgen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung Auch der zweite in dem Urteil genannte Aspekt, daß die Grenze für die nachträgliche Legitimierung dort zu ziehen sei, wo sie im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung entweder bereits realisiert oder doch wenigstens anhand konkreter Anhaltspunkte umgehend zu erwarten sei, vermag zu überzeugen. Zunächst ist ein derartiges einschränkendes Erfordernis für die Zulässigkeit der nachfolgenden Legalisierung im Hinblick auf die Gesetzesbindung der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG geboten, die der Behörde bei Rechtswidrigkeit des Eingriffs grundsätzlich die Verpflichtung zu unverzüglicher Behebung des Rechtsverstoßes auferlegt. Des weiteren würde anderenfalls dem Verletzten ein unzumutbares Prozeß- und Kostenrisiko für den Fall abverlangt, wenn der Hoheitsträger trotz seiner Zusage im Gerichtsverfahren gleichwohl untätig bleibt. Es erschiene nicht sachgerecht, daß der Betroffene hier wiederum die Initiative für eine erneute Klage tragen soll. 607 Ferner würde nach anderer Ansicht die ratio legis des § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO mißachtet, wonach dem Bürger ja gerade die prozeßrechtliche Möglichkeit eröffnet ist, das Anfechtungsbegehren direkt mit dem Folgenbeseitigungsantrag zu verbinden, ohne die Rechtskraft des Anfechtungsurteils abwarten zu müssen.608 Diese vom Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumte vereinfachte prozessuale Vorgehensweise würde sinnentleert, wenn die bloß entfernte Möglichkeit der später erfolgenden Legitimierung zum Ausschluß des Folgenbeseitigungsanspruchs führte. Schließlich besteht auch kein rechtlich schutzwürdiges Bedürfnis der Behörde an einer unbegrenzt zulässigen Geltendmachung des Einwands der nachträglichen Legalisierung. Denn ihr steht der prozessuale Weg offen, mit Hilfe der Vollstreckungsgegenklage, die gem. § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 767 Abs. 1, 2 ZPO auch im Verwaltungsprozeß Anwendung findet, 609 die nachträglich durchgeführte Legalisierung vorzutragen. 610 Als Verursacherin des rechtswidrigen Zustands ist ihr diese Initiativlast zur Klageerhebung zumutbar.

607

So BVerwG, NJW 1989, 118 (119 r. Sp. Mitte).

608

BVerwG, NJW 1989, 118 (119 r. Sp. unten).

609

Zur Geltung der Vollstreckungsabwehrklage im Verwaltungsprozeß allgemein BVerwGE 70, 227 (229); VGH München, BayVBl. 1985, 213 f.; OVG Münster, NJW 1980, 2427 f.; OVG Lüneburg, NJW 1974, 918 f. 610

BVerwG, NJW 1989, 118 (119 1. Sp. Mitte).

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

bbb) Nachträglicher gesetzlicher Ausschluß eines ursprünglich rechtswidrig verweigerten begünstigenden Verwaltungsakts Die umgekehrte Fallgestaltung, bei der eine Leistungsgewährung rechtswidrigerweise versagt wird und anschließend infolge einer veränderten Sachund/oder Rechtslage nicht mehr erfüllt werden darf, wird - wie schon dargestellt611 - nicht vom Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt, da bereits der Eingriffstatbestand nicht vorliegt, und sein Eingreifen contra legem ausgeschlossen ist.

b) Sonderfall: Ausschließlich formelle Rechtswidrigkeit des Eingriffsakts Wenig diskutiert ist ferner die Fragestellung, ob der Folgenbeseitigungsanspruch eingreift, wenn der statusbeeinträchtigende Hoheitsakt lediglich formell fehlerhaft ist, d.h. einen Zuständigkeits-, Form- oder Verfahrensfehler aufweist, hingegen in materieller Hinsicht rechtmäßig ist. 612 In diesem Bereich stellt sich das Problem, ob trotz des Grundsatzes, nach dem der Bezugspunkt des Rechtswidrigkeitsurteils im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs die materiell-rechtlichen Eingriffsfolgen sind, für bestimmte Fallgruppen gleichwohl das alleinige Vorliegen eines formellen Mangels zum Entstehen des Anspruchs führen kann.

aa) Beispielsfall:

Die Entscheidung des VGH Mannheim vom 30.3.1982

Auch diese Problematik soll zunächst anhand eines Beispielsfalls aus der Rechtsprechung veranschaulicht werden. Bezug genommen wird dabei auf das Urteil des VGH Mannheim vom 30.3.1982.613 Danach hatte der Kläger im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs die Zurückzahlung eines Teils der Kosten begehrt, die er im Vollstreckungsverfahren an die Beklagte geleistet hatte. Der geltend gemachte Anspruch auf Beseitigung der Folgen des Vollzugs der Heranziehungsbescheide wurde damit begründet, daß - was zutreffend war - die Beitreibung der Geldleistung formell rechtswidrig unter Verstoß gegen die Verfahrensbestimmungen der §§2, 14, 15 badwürttVwVG,

611

Vgl. hierzu die Darstellung unter Β II 2, S. 184 ff.

612

Angesprochen wird diese Problematik beispielsweise von: Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 270; Köckerbauer, JuS 1988, 782 (785); Ossenbühl, StHR, S. 202 f.; H.H. Rupp, JA 1979, 506 (510); Weyreuther, Gutachten, S. Β 92. 613

VGH Mannheim, ES VGH 32, Nr. 41, S. 88.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

§ 319 AO, § 851 Abs. 1 ZPO, und damit unter Mißachtung subjektiver Verfahrensrechte des Vollstreckungsschuldners, erfolgt war. Trotz der erwähnten formellen Rechtsverstöße lehnte das Gericht den begehrten Folgenbeseitigungsanspruch ab. Da der geschaffene Zustand, d.h. die Zahlung des Geldbetrages im Vollstreckungsverfahren, mit der bestandskräftigen materiell-rechtlichen Regelung im vollzogenen Heranziehungsbescheid in Einklang stehe, könne alleine wegen des formellen Rechtsverstoßes hinsichtlich der Durchführung der Vollstreckung keine Folgenbeseitigung verlangt werden. 614

bb) Die Rechtslage in bezug auf die Anfechtung formell rechtswidriger Verwaltungsakte Die Problematik der Folgenbeseitigung bei bloß formellen Rechtsmängeln knüpft an die generelle Fragestellung an, ob ein formell fehlerhaft erlassener Verwaltungsakt der Anfechtung gem. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unterliegt. Da der Anfechtungs- und der Folgenbeseitigungsanspruch den gleichen Rechtsgrund besitzen, nämlich letztlich die Abwehrfunktion der Grundrechte im Hinblick auf rechtswidrige staatliche Beeinträchtigungen, erscheint die Gleichbehandlung dieser Problemfälle sachgerecht und geboten.615 Das wird durch die Überlegung bestätigt, daß der Folgenbeseitigungsanspruch jedenfalls in bezug auf einen Eingriff durch Verwaltungsakt in zeitlicher Hinsicht an das Anfechtungsbegehren anknüpft, und somit der Anfechtungs- und der Folgenbeseitigungsanspruch zwei aufeinander aufbauende Rechtsinstitute darstellen. Dies vorausgeschickt stellt sich allerdings das Problem, daß die Zulässigkeit der Anfechtung bei nur formellen Mängeln auch im Regelungsrahmen der Anfechtungsklage höchst umstritten ist, was insbesondere in den Kontroversen um die Auslegung des § 46 VwVfG zum Ausdruck kommt.616 Nach 614

VGH Mannheim, ESVGH 32, Nr. 41, S. 88 (90 f.).

6,5

Vgl. H.H. Rupp, JA 1979, 506 (510); a.A. Weyreuther, Gutachten, S. Β 92, nach dem die Frage, ob ein Formfehler bei Verwaltungsakten deren Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit zur Folge hat, für den Folgenbeseitigungsanspruch ohne Bedeutung ist. 616

Vgl. beispielsweise BVerwGE 71, 63 (65-67); 65, 287 (289-291); 61, 45 (49 f.); BVerwG, NVwZ 1988, 525 (526); 1984, 521; OVG Koblenz, DÖV 1979, 606; OVG Lüneburg, NVwZ 1985, 506 (508 f.); OVG Lüneburg, DVB1. 1981, 644 (647); VGH München, NVwZ 1982, 510 (513 f.); OVG Münster, DVB1. 1978, 508, sowie VG Arnsberg, DVB1. 1981, 648 (649), mit zum Teil kritischer Anm. von de Witt, DVB1. 1981, 649 ff. S. weiterhin aus der Rechtslehre exemplarisch: Degenhart, DVB1. 1981, 201 ff.; Goerlich, DÖV 1982, 631 ff.; Grimm, NVwZ 1985, 865 ff.; Hill, Verfahren, S. 100-130; Hufen, Verwaltungsverfahren, S. 410-420; ders., DVB1. 1988, 69 ff.; ders., NJW 1982, 2160 ff.; 20 Pietzko

6

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

der verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschrift ist die Aufhebung des Verwaltungsakts bei Vorliegen enumerativ genannter formeller Rechtsverstöße dann ausgeschlossen, wenn in der Sache selbst keine andere materiell-rechtliche Entscheidung hätte getroffen werden können. Ungeachtet der unterschiedlichen Standpunkte im Detail läßt sich der Sinngehalt dieser Bestimmung jedenfalls in zwei Aussagen klar umschreiben: -

Auf der einen Seite trägt der Ausschluß des Aufhebungsanspruchs des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO in § 46 VwVfG 6 1 7 dem zivilrechtlichen Grundsatz des „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" Rechnung, indem die Geltendmachung einer formalen Rechtsbeeinträchtigung dann verwehrt wird, wenn nach verwaltungsgerichtlicher Kassation des Verwaltungsakts eine Verwaltungsmaßnahme desselben Inhalts - nunmehr unter Beachtung der formalrechtlichen Anforderungen - erlassen werden müßte.618 Insoweit soll nach der ratio legis des § 46 VwVfG einer rechtsmißbräuchlichen Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges vorgebeugt und zudem dem Gedanken der Verfahrensökonomie Geltung verschafft werden. 619

-

Auf der anderen Seite kommt in dieser Rechtsvorschrift zum Ausdruck, daß bestimmte formelle Rechtsverstöße beachtlich sein können, so daß alleine im Hinblick auf jene eine Aufhebung des Verwaltungsakts in Betracht kommt. Hierbei handelt es sich nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung einmal um diejenigen Formmißachtungen, die sich entweder tatsächlich oder zumindest möglicherweise auf den materiellen Regelungsgehalt des Verwaltungsakts ausgewirkt haben.620 Indem einzelne Formverstöße, wie beispielsweise die fehlende sachliche Zuständigkeit der Behör-

Krebs, DVB1. 1984, 109 ff.; Messerschmidt, NVwZ 1985, 877 ff.; H. Meyer, NVwZ 1986, 513 ff.; v. Mutius, NJW 1982, 2150 ff.; Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 ff.; Schenke, DÖV 1986, 305 ff.; Schilling, VerwArch 78 (1987), 45 ff.; Weides, Verwaltungsverfahren, S. 31 f. 617 Vgl. hierzu Hufen, Verwaltungsverfahren, S. 419; Laubinger, VerwArch 72 (1981), 333 (350); Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rdnr. 10; Pietzner/Ronellenfitsch, Öffentliches Recht, § 31 Rdnr. 14. 618 So Schenke, DÖV 1986, 305 (314); s. weiterhin BVerwGE 71, 63 (65); Hufen, Verwaltungsverfahren, S. 412, 417 f.; ders., DVB1. 1988, 69 (75 f.); Kopp, VwVfG, § 46 Rdnr. 7. Kritisch insoweit Weides, Verwaltungsverfahren, S. 32. Vgl. zum Meinungsstand hinsichtlich der Begriffsbestimmung des Tatbestandsmerkmals „wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können", Hill, Verfahren, S. 121-126; Hufen, Verwaltungsverfahren, S. 410-418. 619 Vgl. die Amtl. Begr. zu § 42 EVwVfG 1973, der dem heutigen § 46 VwVfG entspricht, BT-Drucks. 7/910, S. 66. S. weiterhin BVerwGE 65, 287 (290); 61, 45 (49); Kopp, VwVfG, § 46 Rdnrn. 2 f.; Weides, Verwaltungsverfahren, S. 32. 620 Vgl. hierzu Knack, VwVfG, § 46 Rdnrn. 4.1 -4.4; Kopp, VwVfG, § 46 Rdnrn. 20 f.; Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rdnrn. 21 f., jeweils mit umfassenden Nachweisen zum Meinungsstand.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

de, von vornherein von der Ausschlußwirkung des § 46 VwVfG ausgenommen worden sind,621 kommt des weiteren zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber bestimmte Formfehler ihrer Qualität nach als so gravierend angesehen hat, daß sie unabhängig von ihrer konkreten Bedeutung für die materiell-rechtliche Entscheidung als sanktionspflichtig angesehen werden. Dies ist vor allem bei denjenigen formellen Geboten der Fall, die für den Grundrechtsschutz des Einzelnen in besonderem Maße Bedeutung besitzen, und demgemäß eine Rechtsschutzfunktion i.S. des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG erfüllen.

cc) Harmonisierung des Tatbestands des Folgenbeseitigungsanspruchs mit § 46 VwVfG Aufgrund des dargestellten Sachzusammenhangs zwischen der Anfechtung eines rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakts i.S. von § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO und der Folgenbeseitigung läßt sich der Anwendungsbereich des Rechtsinstituts bei lediglich formalen Rechtsmißachtungen mit der Regelung des § 46 VwVfG harmonisieren. Überträgt man die ratio legis des § 46 VwVfG auf das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs, ergeben sich folgende Schlußfolgerungen: Als Grundsatz ist - wie bei § 46 VwVfG - festzuhalten, daß die Heranziehung des Folgenbeseitigungsanspruchs bei lediglich formell fehlerhaften Eingriffsakten ausgeschlossen ist. 622 Das gilt jedenfalls für den Fall, wenn der materiell-rechtlich zulässige Eingriff auf einer gebundenen Verwaltungsentscheidung beruht, und bei Beachtung der formellen Erfordernisse genauso wiederholt werden müßte.623 Hier würde die Einräumung des Folgenbeseitigungsanspruchs, wie auch die Zuerkennung des Aufhebungsanspruchs i.S. von § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, gegen den bereits angeführten Grundsatz des „dolo agit, qui petit, quod statini redditurus est" verstoßen. Demgemäß entspricht die Ausklammerung lediglich formeller Rechtsverstöße aus dem An621

Vgl. OVG Münster, NJW 1979, 1057 (1058); Knack, VwVfG, § 46 Rdnr. 3.3; Stelkens /Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 46 Rdnrn. 23-26. 622 Vgl. hierzu VGH Mannheim, BauR 1987, 414 (415); VGH München, BayVBl. 1988, 241 (242); weiterhin Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 270; Luhmann, Entschädigung, S. 120; Weyreuther, Gutachten, S. Β 92, der sogar den gänzlichen Ausschluß des Folgenbeseitigungsanspruchs bei nur formellen Fehlern befürwortet; a.A. OVG Hamburg, DVB1. 1951, 472 (473); VGH Karlsruhe, VerwRspr. 9, Nr. 112, S. 501 (505 f.); VGH Stuttgart, DVB1. 1951, 470 (471 f.); ebenfalls die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs bei formeller Rechtswidrigkeit grundsätzlich anerkennend: H.H. Rupp, JA 1979, 506 (510). 623 BVerwGE 71, 63 (65). Vgl. zu der Diskussion, ob § 46 VwVfG auch dann anwendbar ist, wenn rechtlich gebundene Verwaltungsentscheidungen auf der Grundlage unbestimmter Rechtsbegriffe erlassen werden, Hill, Verfahren, S. 113 f. m.w.N.

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

wendungsbereich des Anspruchs dem Prinzip, wonach sich die Rechtswidrigkeit im Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs nach den materiell-rechtlichen Eingriffsfolgen beurteilt. 624 Demgegenüber ist seine Geltung als Ausnahme von der vorerwähnten Regel bei einem formellen Fehler dann zu bejahen, wenn die Verwaltungsbehörde bei Beachtung des Formerfordernisses zu einer inhaltlich anderen Rechtsfolgenanordnung gelangen könnte, d.h. wenn auch nach § 46 VwVfG der Anspruch des Bürgers auf Aufhebung des formell rechtswidrigen Verwaltungsakts nicht entfällt. 625 In diesem Fall zwingt der dargestellte Zusammenhang zwischen dem Aufhebungs- und dem Folgenbeseitigungsanspruch dazu, daß nicht nur der formell rechtswidrige Verwaltungsakt durch das Gericht aufgehoben wird, sondern darüber hinaus dem Hoheitsträger die Pflicht auferlegt wird, die eingetretenen Folgen wieder zu beseitigen.626 Schließlich greift der Folgenbeseitigungsanspruch im Falle eines bloßen Formalverstoßes in Übereinstimmung mit der Regelung des § 46 VwVfG auch dann ein, wenn durch die Behörde eine Verfahrensvorschrift verletzt worden ist, die ihrer ratio legis nach gerade einen selbständigen, vom materiellen Recht losgelösten, verfahrensrechtlichen Individualrechtsschutz des Betroffenen gewährleisten will, 627 bzw. formelle Rechtmäßigkeitsgebote mißachtet worden sind, die ihrer Qualität nach eine Sanktionspflicht begründen. Derartige Voraussetzungen sind angesichts der grundrechtlichen Verbürgung des Folgenbeseitigungsanspruchs dann erfüllt, wenn die Verfahrensvorschrift bzw. das formelle Rechtserfordernis als Ausfluß der aus den Grundrechten selbst folgenden Verfahrensgarantien anzusehen sind, oder ihnen im Hinblick auf die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG ein besonde-

624 Vgl. Weyreuther, Ausnahme zugesteht. 625

Gutachten, S. Β 92, der allerdings von diesem Grundsatz keine

S. die Nachweise in Fußn. 620.

626

Ähnlich Luhmann, Entschädigung, S. 120, wonach der Anspruch auf Folgenbeseitigung dann eröffnet sein soll, wenn die Verwaltungsbehörde nach Aufhebung des formfehlerhaften Verwaltungsakts „in der Sache selbst anders entscheidet". Kritisch insoweit Weyreuther, Gutachten, S. Β 92 in Fußn. 377, nach dem diese Lösung in praktischer Hinsicht den Nachteil nach sich ziehe, daß hierdurch die Behörden nur zusätzlich dazu veranlaßt werden könnten, von einer Berichtigung in der Sache selbst möglichst abzusehen. Dem von Weyreuther, Gutachten, S. Β 92, genannten Argument, daß die ausnahmslose Unanwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs bei lediglich formell fehlerhaften Eingriffsakten daraus folge, daß der Bezugspunkt für das Rechtswidrigkeitsurteil im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs die Eingriffsfolgen seien, verkennt in dieser Ausschließlichkeit, daß es gerade S ach Verhaltsgestaltungen geben kann, in denen sich der formelle Rechtsfehler gerade auf die materiellen Eingriffsfolgen selbst auswirken kann. 627 Vgl. BVerwG, NJW 1981, 239 (240); Ossenbühl, StHR, S. 203, sowie Köckerbauer, JuS 1988, 782 (785). S. außerdem Hill, Verfahren, S. 114 f., ferner S. 373 ff., zu § 46 VwVfG.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

rer Stellenwert zukommt. Ob dies der Fall ist, muß im Einzelfall durch Auslegung der verfahrensrechtlichen Bestimmung sowie unter Berücksichtigung des Sinngehalts des formellen Erfordernisses ermittelt werden. 628 Exemplarisch seien zwei Anwendungsfälle aus dem Bereich des Planungsrechts und dem Problemzusammenhang der ehrkränkenden Äußerung genannt, bei denen die alleinige Verletzung eines formellen Rechtsgebots das Auslösen des Folgenbeseitigungsanspruchs zur Folge hat: -

So ist sein Eingreifen für den Fall zu bejahen, wenn die Verwirklichung eines Straßenbauvorhabens einen Eingriff in das Grundeigentum eines Anliegers hervorruft, ohne daß das gesetzlich vorgeschriebene Planfeststellungsverfahren durchgeführt worden ist. 629 Hier führt alleine das Fehlen des Planfeststellungsbeschlusses, welcher die Voraussetzung für die Durchführung des gem. § 19 FStrG ggf. erforderlichen EnteignungsVerfahrens darstellt, infolge der Grundrechtsrelevanz zum Entstehen des Anspruchs. Die Qualität der Verfahrensbestimmung, nämlich ihre Bedeutung für die Grundrechtsverwirklichung, hat zur Konsequenz, daß in diesem Fall bereits die Verletzung des formellen Gebots, das Planfeststellungsverfahren durchzuführen, zur Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs ausreicht. Folgerichtig kommt im Wege der Folgenbeseitigung die Anordnung einer Schutzauflage in Betracht. Unter Umständen kann sogar die Beseitigung des Vorhabens mit Hilfe des Rechtsinstituts durchgesetzt werden. 630

-

Hervorzuheben ist darüber hinaus eine zweite Fallgestaltung, bei der das Vorliegen eines formellen Rechtsmangels zum Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs führen kann, worauf bisher im Schrifttum in diesem Zusammenhang nicht deutlich hingewiesen worden ist. Gemeint ist die Fallkonstellation, daß eine inhaltlich zutreffende amtliche ehrverletzende Äußerung von einem sachlich unzuständigen Amtswalter abgegeben worden ist. In diesem Fall begründet die Verlautbarung der Mitteilung durch einen nicht kompetenten Hoheitsträger eine eigenständige Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Einzelnen.631 Das resultiert aus der Überlegung, daß die rechtliche Befugnis der Verwaltungsbehörden zur Abgabe dienstlicher Erklärungen auf ihren gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich beschränkt ist. Das behördliche Mitteilungsrecht stellt damit entweder eine

628

S. hierzu die Nachweise wie vor.

629

Sachverhalt nach BVerwG, NJW 1981, 239. Vgl. weiterhin BVerwG, NJW 1985, 1481; BVerwG, BayVBl. 1982, 154 (155 f.). 630 631

Vgl. BVerwG, NJW 1981, 239 (241); s. außerdem BVerwG, NJW 1985, 1481.

BVerwG, AfP 1989, 487 (488); BVerwGE 59, 319 (326 f.); s. außerdem BVerfG, NJW 1989, 3269 (3270).

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs Annexkompetenz zur eigentlichen Sachzuständigkeit des Hoheitsträgers dar 6 3 2 oder ist aufgrund besonderer gesetzlicher Aufgabenzuweisung der Behörde eingeräumt. 633 Weist eine behördliche Äußerung einen Inhalt auf, der, obgleich sachlich zutreffend, den gesetzlich eingeräumten Funktionsbereich überschreitet, so begründet diese Kompetenzverletzung, für sich betrachtet, eine eigenständige Grundrechtsbeeinträchtigung des Betroffenen. Der Widerrufsanspruch in Gestalt des Folgenbeseitigungsanspruchs ist dann trotz der inhaltlich richtigen Tatsachenbehauptung zuzulassen. 634 Bestätigung findet dieses Ergebnis mittelbar dadurch, daß der Ausschluß des

632 Vgl. BVerfG, NJW 1989, 3269 (3270); BVerwG, NJW 1989, 2272 (2273 f.); VGH Mannheim, AfP 1985, 240 (241); Heintzen, NJW 1990, 1448 (1449 f.); ders., VerwArch 81 (1990), 532 (551 f.); Koch, JA 1990, 25 (26); Robbers, AfP 1990, 84 (85, 87 f.). S. in diesem Zusammenhang auch BVerwGE 34, 69 (74 ff.): Die Abgabe allgemeinpolitischer Resolutionen durch den allgemeinen Studentenausschuß einer Studentenschaft stellt eine Kompetenzüberschreitung des Verbandes dar und begründet einen Unterlassungsanspruch der Mitglieder des öffentlichen Zwangsverbandes, s. ferner BVerwGE 59, 231 (233); OVG Hamburg, NJW 1972, 71. Vgl. außerdem BVerwGE 64, 298 (301); 64, 115 (117); Bachof, DÖV 1980, 607 f.; Ch. Fröhler, GewArch 1982, 77 f.; L. Fröhler/Oberndorfer, GewArch 1975, 7 (8 f.); Pietzcker, JuS 1985, 27 (28); K. Redeker, NJW 1982, 1266 (1267). S. weiterhin zur Auseinandersetzung hinsichtlich der Zulässigkeit von Erklärungen der Gemeinde in bezug auf die Stationierung von Waffen: BVerfGE 8, 122 (134); OVG Koblenz, NVwZ 1988, 466 (467); OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 464 f.; OVG Lüneburg, DVB1. 1983, 814 f.; VGH Mannheim, DÖV 1988, 476 f.; VGH Mannheim, DVB1. 1984, 729 (731 ff.); OVG Münster, DVB1. 1984, 155 (156 f.); Hofmann, DVB1. 1984, 116 ff.; Huber, NVwZ 1982, 662 ff.; Schmitt-Kammler, DÖV 1983, 869 ff.; Theis, JuS 1984, 422 ff.; Uechtritz, NVwZ 1983, 334 f. 633

Vgl. BVerwG, NJW 1989, 2272 (2273); weiterhin zur Frage der Zuständigkeit staatlicher Organe zur Abgabe von Warnungen und Empfehlungen: Heintzen, NJW 1990, 1448 ff.; ders., VerwArch 81 (1990), 532 (551 ff.); Koch, JA 1990, 25 (26); Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2706 ff.); Ossenbühl, Umweltpflege, S. 33 ff.; Pinger, JuS 1988, 53 (54); Robbers, AfP 1990, 84 (85, 87 f.); Schulte, DVB1. 1988, 512 (518 f.); Sodan, DÖV 1987, 858 (865 f.); Zuck, MDR 1988, 1020 (1021 f.); s. ferner Paschke, AfP 1990, 89 ff. 634 BVerwG, AfP 1989, 487 (488); BVerwGE 59, 319 (326); vgl. auch Frotscher, JuS 1978, 505 (509); Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, S. 86. Allerdings ist mit Rücksicht auf den sachlich zutreffenden Gehalt der Äußerung lediglich ein eingeschränkter Widerruf zulässig, vgl. hierzu die Darstellung unter Β IV 2, S. 338 f. Zu weitgehend demgegenüber BVerwGE 38, 336 (339 ff.), wonach ein Folgenbeseitigungsanspruch gegen eine amtliche Auskunft alleine wegen der Verletzung des Anhörungsrechts des Betroffenen zugestanden worden ist. Nach der hier vertretenen Anknüpfung an § 46 VwVfG muß bei Vorliegen einer inhaltlich zutreffenden Tatsachenbehauptung, bei der dem Betroffenen keine Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden ist, der Folgenbeseitigungsanspruch entfallen. Denn gem. § 46 VwVfG scheidet auch bei Mißachtung des Anhörungsrechts i.S. des § 28 VwVfG der Aufhebungsanspruch aus, sofern keine andere materiell-rechtliche Entscheidung erlassen werden konnte, vgl. Knack, VwVfG, § 46 Rdnr. 3.1; Ule/Laubinger, VerwVerfR, S. 175, 406. Die Gleichbehandlung von Eingriffen durch Verwaltungsakt bzw. Realakt in diesem Bereich erscheint angesichts des umfassenden grundrechtlichen Legitimationsgrundes des Beseitigungsanspruchs sachgerecht. S. weiterhin den Nachweis in Fußn. 751.

. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Aufhebungsanspruchs nach § 46 VwVfG bei Verletzung der sachlichen Zuständigkeit auch nicht eingreift. 635

c) Erstes Teilergebnis zur Rechtswidrigkeit Als Teilergebnis bleibt festzuhalten, daß der Folgenbeseitigungsanspruch in Anlehnung an § 1004 BGB an die Rechtswidrigkeit der behördlicherseits verursachten Eingriffsfolgen anknüpft. Regelmäßig wird die Widerrechtlichkeit der Eingriffsfolgen dabei daraus resultieren, daß der Eingriffsakt selbst mit der Rechtsordnung nicht in Einklang steht. Unerheblich ist es, ob die Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung von Anfang an gegeben ist oder die Widerrechtlichkeit erst im nachhinein durch Eintritt der in § 36 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwVfG normierten Gründe eintritt. Denn in den letztgenannten Fällen setzt sich der faktisch fortwirkende Eingriff nach Wegfall des den Hoheitsakt legalisierenden Verwaltungsakts in rechtswidriger Weise fort. Demgegenüber entfällt der Folgenbeseitigungsanspruch, wenn eine nachträgliche Legitimierung des Eingriffsverhaltens möglich ist, da dann im Ergebnis rechtmäßige Eingriffsfolgen festzustellen sind. Allerdings steht die Zulässigkeit der nachträglichen Legalisierung unter der einschränkenden Voraussetzung, daß sie bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, in der über das Anfechtungsbegehren i.V.m. dem Folgenbeseitigungsantrag entschieden wird, bereits durchgeführt ist oder aber zumindest mit Sicherheit unmittelbar im Anschluß an das Gerichtsverfahren realisiert wird. Ansonsten ist die Behörde auf die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage nach § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 767 Abs. 1, 2 ZPO zu verweisen. Schließlich scheidet die Heranziehung des Folgenbeseitigungsanspruchs in Übereinstimmung mit der Regelung des § 46 VwVfG grundsätzlich bei nur formeller Rechtswidrigkeit des staatlichen Eingriffsakts aus. Hingegen muß sein Eingreifen immer dann bejaht werden, wenn auch im Rahmen der Anfechtungsklage der Aufhebungsanspruch i.S. des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht ausgeschlossen ist. Diese aufeinander bezogene Bestimmung des Anwendungsbereichs beider Rechtsinstitute beruht auf ihrer dogmatischen und systematischen Verwandtschaft. Mithin ist der Folgenbeseitigungsanspruch bei einem nur formellen Rechtsverstoß dann gegeben, wenn nicht auszuschließen ist, daß ohne diesen formalen Rechtsmangel eine andere sachliche Entscheidung durch die Verwaltungsbehörde angeordnet worden

635

Vgl. die Nachweise in Fußn. 621.

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

wäre. Darüber hinaus ist seine Geltung anzunehmen, falls eine Verfahrensvorschrift oder ein formelles Rechtmäßigkeitsgebot verletzt worden ist, das seiner Qualität, d.h. seiner Bedeutung für die Grundrechtsverwirklichung nach, eine eigenständige, von materiellen Gesichtspunkten unabhängige Sanktionspflicht erfordert. Dies ist beispielsweise im Planfeststellungsrecht bei Fehlen des gesetzlich geforderten Planfeststellungsverfahrens oder im Regelungsbereich der ehrkränkenden amtlichen Erklärungen für den Fall der Abgabe einer zwar inhaltlich zutreffenden, indessen von dem sachlich unzuständigen Amtswalter formulierten Tatsachenbehauptung, festzustellen.

2. Ausschluß der Widerrechtlichkeit: Fallgruppenartige Systematisierung praxisrelevanter Duldungspflichten Die Rechtswidrigkeit der durch das hoheitliche Verhalten hervorgerufenen Zustandsveränderung ist dann gegeben, wenn die Einwirkung der Verwaltung auf die individuelle Rechtssphäre des Betroffenen ohne gesetzliche Grundlage bzw. aufgrund einer nicht verfassungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage vorgenommen worden ist. Weiterhin kann die Unrechtmäßigkeit darauf beruhen, daß die Veränderung der tatsächlichen Lage unter Mißachtung materieller, im Ausnahmefall sogar nur formeller Anforderungen durchgeführt worden ist. Demgegenüber entfällt die Widerrechtlichkeit der staatlicherseits verursachten Beeinträchtigung dann, wenn der behördlicherseits verursachten Rechtstangierung eine materiell-rechtliche Duldungspflicht des Inanspruchgenommenen gegenübersteht.636 Eine solche Duldungsverpflichtung kann als Folge bestimmter legitimierender Tatbestände eingreifen. Die in der Rechtspraxis bedeutsamsten Duldungspflichten sollen im folgenden in einem Überblick systematisiert und in dementsprechenden Fallgruppen charakterisiert werden.

a) Materiell-rechtliche Duldungspflicht aufgrund eines Verwaltungsakts Der wohl in der Praxis wichtigste Tatbestand, der eine Duldungsverpflichtung begründet, besteht in der Handlungsform des Verwaltungsakts.637 Maß636 BVerwG, DVB1. 1974, 239 (240); vgl. weiterhin BVerwGE 79, 254 (257 ff.); VGH Kassel, UPR 1988, 117, im Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch; OVG Lüneburg, OVGE 33, 409 (410 f.), betreffend den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch; vgl. Papier, Recht, S. 135 f.; s. weiterhin Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, § 19 Rdnr. 341 i.V.m. Rdnr. 336, in bezug auf den Abwehranspruch, der nach seiner Terminologie bei faktischem Eingriffsverhalten eingreift; ferner Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (293), hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs. 637 BVerwGE 59, 310 (315); OVG Koblenz, NJW 1986, 2779 f.; weiterhin VGH Kassel, UPR 1988, 117 f.; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1990, 59 (60); VGH Mannheim, NJW

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

313

geblich ist dabei alleine das Vorliegen des Verwaltungsakts. Hingegen ist unerheblich, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Denn auch ein unrechtmäßiger Verwaltungsakt ist, wie aus § 43 Abs. 2, 3 VwVfG im Umkehrschluß entnommen werden kann, rechts wirksam und entfaltet damit eine Duldungsverpflichtung. Die Legitimationsfunktion des Verwaltungsakts scheidet somit insbesondere im Falle des nichtigen, des gem. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO durch das Gericht aufgehobenen bzw. des behördlicherseits zurückgenommenen Verwaltungsakts aus.638 Darüber hinaus kommt ein Folgenbeseitigungsanspruch auch dann in Betracht, wenn ein unanfechtbarer Verwaltungsakt im Rahmen des Wiederaufgreifens des Verfahrens gem. § 51 VwVfG aufgehoben oder geändert worden ist. Allerdings ist es im Einzelfall erforderlich, die exakte Reichweite der Legitimationswirkung des Verwaltungsakts zu bestimmen.

aa) Umfassender

Regelungsbereich

So ordnen beispielsweise für den Bereich des Planfeststellungsrechts § 17 Abs. 6 S. 1 FStrG, § 75 Abs. 2 S. 1 VwVfG, § 39 Abs. 1 nwStrWG i.V.m. § 75 Abs. 2 S. 1 nwVwVfG eine umfassende DuldungsVerpflichtung dergestalt an, daß bei Vorliegen eines unanfechtbaren Planfeststellungsbeschlusses die Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der zugelassenen Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen sind. Hier sieht also bereits die gesetzliche Bestimmung eine weitreichende Präklusionswirkung jedweder Einwendung gegenüber dem Projekt für den Fall der Bestandskraft des Verwaltungsakts vor, soweit die Beeinträchtigungen von dem Planfeststellungsbeschluß gedeckt sind.639

1985, 2352 (2353); VGH Mannheim, VB1BW 1983, 25 (27); VGH München, NVwZ 1987, 986 (987); vgl. OVG Lüneburg, OVGE 33, 409 (411); BGHZ 54, 384 (387 f.); Birk,, NVwZ 1985, 689 (697). 638 BVerwGE 59, 310 (315); BVerwG, DÖV 1968, 419 (421); DÖV 1964, 712 (713); Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 8; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 498; Ossenbühl, StHR, S. 203. 639 BVerwG, NJW 1985, 1481 ; BVerwG, BayVBl. 1982, 154 (155); Kopp, VwVfG, § 75 Rdnr. 3; Papier, Recht, S. 140 f.; vgl. Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 20, S. 12 i.V.m. Rdnr. 274, S. 207. Eine Ausnahme gilt gem. § 17 Abs. 6 S. 2 FStrG, § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG für den Fall, daß unvorhersehbare Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf die Rechte Dritter erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Plans auftreten. Insofern wird ein Anspruch des beeinträchtigten Rechtsinhabers auf die Errichtung und Unterhaltung von Schutzvorkehrungen zugestanden.

314

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

bb) Eingeschränkter

Regelungsbereich

Im Unterschied hierzu weist ein anderer Verwaltungsakt, die Baugenehmigung, einen begrenzten Regelungsgehalt auf. Durch die Bauerlaubnis wird die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit den Bestimmungen des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts festgestellt, 640 vgl. beispielsweise § 70 Abs. 1 S. 1 nwBauO. Sofern die Unanfechtbarkeit der Baugenehmigung gegeben ist, und das Baugenehmigungsverfahren ordnungsgemäß, d.h. insbesondere unter Einhaltung der u.U. erforderlichen Anhörung der angrenzenden Nachbarn, durchgeführt worden ist, siehe z.B. § 69 nwBauO, scheidet demnach der Folgenbeseitigungsanspruch wegen behaupteter Verstöße des Bauwerks gegen das materielle Baurecht aus. Etwas anderes muß indessen dann gelten, wenn der im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs geltend gemachte rechtswidrige Zustand nicht mehr von dem Geltungsbereich der Baugenehmigung erfaßt wird, und damit von der Legalisierungswirkung der Bauerlaubnis nicht gedeckt ist. Das kann z.B. dann anzunehmen sein, falls der Antragsteller mit Hilfe des Folgenbeseitigungsanspruchs die Beseitigung eines Bolzplatzes wegen unzumutbarer Lärmbelästigungen begehrt.641 Hier muß angesichts der gerade beschriebenen Funktion der Baugenehmigung davon ausgegangen werden, daß durch diese wenn überhaupt - jedenfalls nur diejenigen Lärmimmissionen für rechtens erklärt werden, die mit dem Widmungszweck der genehmigten baulichen Anlage in Einklang stehen bzw. hierdurch bedingt sind.642 640 BVerwGE 69, 1 ff.; VGH Kassel, UPR 1988, 117 (118); VGH Kassel, NVwZ 1986, 315; Friaufy in: v. Münch, BesVerwR, S. 531, 557. 641

Vgl. als Beispielsfall für eine derartige Beseitigungsklage: OVG Münster, BauR 1987, 46 ff. S. weiterhin die nachfolgenden Entscheidungen, in denen allerdings nicht die vollständige Beseitigung des Bolzplatzes begehrt worden ist, sondern Maßnahmen in bezug auf die Begrenzung der Lärmimmissionen gefordert worden sind: VGH Kassel, UPR 1988, 117 ff.; OVG Lüneburg, BRS 42 (1984), Nr. 188, S. 423 ff.; VGH Mannheim, BauR 1987, 414 ff.; VGH München, BayVBl. 1988, 241 ff.; VGH München, NVwZ 1987, 986 f.; s. auch VGH Mannheim, BauR 1984, 151 f. 642 Auf die Problematik der möglichen Legalisierungswirkung einer Baugenehmigung im Hinblick auf die durch die Inbetriebnahme der genehmigten Anlage hervorgerufenen Immissionen kann hier nicht im einzelnen eingegangen werden. Nach Ansicht des VGH München, NVwZ 1987, 986 (987); offengelassen vom OVG Lüneburg, BRS 42 (1984), Nr. 188, S. 423 (424), sind durch die Bauerlaubnis zumindest diejenigen Lärmbeeinträchtigungen für zulässig erklärt, die beim widmungsgemäßen Gebrauch der Einrichtung entstehen; ebenso VGH Mannheim, NVwZ-RR 1990, 59 (60), für die mit dem widmungsgemäßen Betrieb einer Bushaltestelle notwendig verbundenen Immissionen. Da durch die Bauerlaubnis ein bestimmtes, seinem Charakter nach „immissionsträchtiges Bauvorhaben" genehmigt wird, erscheint wegen des untrennbaren Zusammenhangs von Genehmigungsgegenstand und widmungsgemäßer Benutzung diese Ansicht nachvollziehbar. Allerdings hat das zur Voraussetzung, daß der von den Immissionen betroffene Nachbar die Möglichkeit gehabt hat, im Baugenehmigungsverfahren seine Einwendungen gegen das Bauvorha-

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

31

Die vorstehenden Beispiele verdeutlichen, daß zur Bestimmung der aus dem Verwaltungsakt folgenden Duldungsverpflichtung exakt der Sinngehalt des jeweils in Rede stehenden Verwaltungsakts ermittelt werden muß.

b) Gesetzliche Vorschriften Des weiteren kann eine Duldungspflicht des Betroffenen durch gesetzliche Regelungen festgeschrieben werden. 643 Bedeutung erlangt die Legalisierung des Eingriffsakts durch Rechtsvorschriften dabei vor allem in zwei Regelungsbereichen:

aa) Immissions -, Bau- und Nachbarrecht Von praktischer Relevanz sind zunächst diejenigen Rechtsnormen, die bei immissionsrechtlichen Beeinträchtigungen eine Duldungsverpflichtung des verletzten Rechtsinhabers auslösen.

aaa) §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 BImSchG Primär ist in diesem Zusammenhang an die Normierung in den § § 5 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 BImSchG zu denken. Deren Bedeutung ist im sog. „Feueralarmsirenen-Urteil" vom 29.4.1988 644 durch das Bundesverwaltungsgericht grundlegend bestimmt worden. In dieser Entscheidung hat das Gericht scheinbar widersprüchliche Aussagen hinsichtlich des Bedeutungsgehalts der §§ 4 ff. bzw. 22 ff. BImSchG getroffen. 645 So wird einerseits festgestellt, die genannten Rechtsvorschriften begründeten keinerlei Duldungspflichten im unmittelbaren Nachbarschaftsverhältnis zwischen privatem bzw. hoheitlichem Anlagenbetreiber und deren Nachbarn. 646 Andererseit wird betont, daß die

ben geltend zu machen, s. hierzu OVG Lüneburg, Β RS 42 (1984), Nr. 188, S. 423 (424). Vgl. außerdem VGH Kassel, UPR 1988, 117 (118). Danach kommt der Baugenehmigung mit Rücksicht auf den Umstand, daß sie „unbeschadet der Rechte Dritter" erteilt wird vgl. § 96 Abs. 1 S. 1 hessBauO sowie die entsprechenden Vorschriften der anderen Bundesländer - keinerlei Ausschlußwirkung in bezug auf die Geltendmachung von Abwehransprüchen gegen wesentliche Immissionseinwirkungen zu. 643

BVerwG, DVB1. 1974, 239 (240); vgl BVerwGE 79, 254 (259); OVG Lüneburg, OVGE 33, 409 (411 ff.). 644

BVerwGE 79, 254 ff.

645

Kritisch auch Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (267, 296).

646

BVerwGE 79, 254 (256 f.); bestätigt in BVerwG, NJW 1989, 1291 (1294).

31

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

§§5 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 BImSchG die Grenze festlegten, „ab der Immissionen nicht mehr zu dulden und deshalb rechtswidrig (seien)".647 Diesen auf den ersten Blick in der Tat mißverständlichen Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts liegt jedoch die zutreffende Wertung zugrunde, daß die §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 BImSchG keine direkten eigenständigen Abwehrrechte bzw. Duldungspflichten im Verhältnis des Emittenten und des betroffenen Bürgers begründen.648 Die Rechtsnormen ordnen vielmehr im Umweg über die Rechtsbeziehung Behörde-Anlagenbetreiber diejenigen Anforderungen an, die der Betreiber bezüglich der genehmigungsbedürftigen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) bzw. hinsichtlich der nicht der Genehmigungspflicht unterliegenden Anlagen (§ 22 Abs. 1 BImSchG) zu erfüllen hat. Da beide Rechtsbestimmungen jedoch die Voraussetzungen aufstellen, unter denen die technischen Vorhaben errichtet und betrieben werden dürfen, beinhalten sie den Bewertungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Anlagen.649 Diesen Vorschriften kommt damit im Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs eine doppelte Bedeutung zu: 1. Indem die Rechtsnormen einen drittschützenden Charakter aufweisen, 650 begründen sie im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzung des „Eingriffs in eine geschützte Rechtsposition" eine solche schutzwürdige Rechtsstellung. 651 2. Auf der Rechtswidrigkeitsebene bestimmen sie im Verhältnis Verwaltungsbehörde-Anlagenbetreiber die Schwelle, ab der eine Eingriffsverpflichtung für den Hoheitsträger erwächst.652 Vor diesem Hintergrund liefern sie den rechtlichen Maßstab, ab dem die Beeinträchtigung durch die Immissionen nicht mehr vom Betroffenen hingenommen werden muß.

647 BVerwGE 79, 254 (257 unten); ebenso BVerwG, NJW 1989, 1291 (1291 r. Sp. Mitte, 1294 r. Sp. Mitte), in bezug auf § 22 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG. 648

VGH Mannheim, NVwZ 1986, 62 (63), in bezug auf die Annahme eines selbständigen Abwehrrechts aus § 22 BImSchG; VGH Mannheim, NVwZ 1985, 437 (438), hinsichtlich der Frage eines Abwehrrechts gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG; Sachs, NVwZ 1988, 127 (128 ff.), im Hinblick auf einen Unterlassungsanspruch aus § 22 BImSchG; vgl. auch VGH München, BayVBl. 1988, 241 (243). A.A. Seiler, Rechtslage, S. 95, der im Anschluß an die gleichermaßen nicht eindeutigen Äußerungen des Bundesverwaltungsgerichts im sog. „Glockengeläut-Urteil" v. 7.10.1983, BVerwGE 68, 62 (66 ff.), einen Unterlassungsanspruch aus § 22 BImSchG befürwortet. 649

Papier, NVwZ 1986, 624 (626); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 35, S. 57 f.

650

BVerwGE 79, 254 (257).

651

Vgl. hierzu allgemein die Darstellung unter Β I 1, S. 145 ff.

652

Vgl. zum Grundsatz der materiellen (eigenen) Polizeipflichtigkeit aller Hoheitsträger für ihren hoheitlichen Tätigkeitsbereich OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1023); Friauf, in: v. Münch, BesVerwR, S. 241-243.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

31

bbb) Bauplanungsrechtliche Rechtsvorschriften Weiterhin kann durch die Rechtsnormen, die die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer baulichen Anlage bestimmen, eine Duldungspflicht des gestörten Nachbarn ausgelöst werden. 653 Zu denken ist hier einmal an die materiell-rechtlichen Vorgaben eines qualifizierten Bebauungsplanes gem. § 30 BauGB. Da der qualifizierte Bebauungsplan insbesondere die Art und das Maß der baulichen Nutzung im Plangebiet regelt (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. §§ 2 - 1 4 , 16 Abs. 2 BauNVO), und damit die rechtsverbindlichen Maßstäbe der zulässigen Grundstücksnutzung festsetzt, ist grundsätzlich von der Möglichkeit auszugehen, daß der Bebauungsplan Duldungspflichten begründet.654 Allerdings ist einschränkend zu berücksichtigen, daß der Bebauungsplan in allgemeingültiger Weise die verschiedenen Formen der Grundstücksgestaltung festlegt. Demgemäß beinhaltet er über den Umfang der im Einzelfall zulässigen Immissionsbeeinträchtigung keine konkreten Aussagen,655 zumal eine individuelle Festsetzung von Emissions- oder Immissionswerten im Bebauungsplan gem. § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB ausscheidet.656 Infolge der damit verbundenen naturgemäß abstrakten Qualität dieses Regelungssystems wird darüber hinaus oftmals der drittschützende Charakter der maßgeblichen Festsetzungen fehlen bzw. umstritten sein,657 so daß bereits wegen NichtVorliegens einer geschützten Rechtsposition i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs seine Anwendbarkeit insoweit ausscheiden wird. 653 S. hierzu ausführlich Steinberg, Nachbarrecht, Rdnrn. 10-21, S. 45-51; weiterhin Birk, NVwZ 1985, 689 (692 ff.); Papier, NVwZ 1986, 624 (626 f.). Zu beachten ist allerdings das Konkurrenzverhältnis zwischen immissionsschutzrechtlichen und baurechtlichen Rechtsvorschriften bei der Beeinträchtigung durch Immissionen: Sofern ein Abwehrrecht des Nachbarn nach Maßgabe des Immissionsschutzrechts ausscheidet, so entfällt gleichermaßen ein auf baurechtliche Rechtsnormen, insbesondere das baurechtliche Rücksichtnahmegebot, gestützter Abwehranspruch. Denn insoweit greift kein über das spezielle Immissionsrecht hinausgehender baurechtlicher Nachbarschutz ein, vgl. hierzu BVerwGE 68, 58 (59 ff.); Papier, NVwZ 1986, 624 (626). 654

Die prinzipielle Möglichkeit der Ableitung von Duldungspflichten aus dem Bebauungsplan befürworten: BVerwG, DVB1. 1985, 896 (897); VGH Kassel, UPR 1988, 117 (118); Gaentzsch, UPR 1985, 201 (209 f.); Papier, Recht, S. 146; ders., NVwZ 1986, 624 (626); ders., UPR 1985, 73 (77 ff.); Wieweg, JZ 1987, 1104 (1109 f.). Einschränkend: BGH, DVB1. 1971, 744 (745); Hagen, UPR 1985, 192 (196 ff.). Offenlassend: OVG Lüneburg, BRS 42 (1984), Nr. 188, S. 423 (426). 655

Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 44, S. 63 f.

656

Vgl. zu § 9 Abs. 1 Nr. 24 BBauG (a.F.), BVerwG, NVwZ 1984, 235 (236).

657

Vgl. hierzu BVerwGE 51, 15 (31); Papier, NVwZ 1986, 624 (626); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 16, S. 49. Regelmäßig wird bei Festsetzungen hinsichtlich der Art der Nutzung ein drittschützender Charakter angenommen, hingegen ist diese Frage bei Festsetzungen in bezug auf das Maß der Nutzung sowie die überbaubare Grundstücksfläche oder die Stellung der baulichen Anlagen sehr umstritten, vgl. Steinberg, a.a.O.

31

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

In ähnlicher Weise können bei Fehlen eines qualifizierten Bebauungsplanes bei Bauvorhaben, die „innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile" liegen, durch den dann geltenden normativen Maßstab des § 34 BauGB i.V.m. dem Gebot der Rücksichtnahme Duldungspflichten statuiert werden. 658 Gleichermaßen gibt §35 Abs. 1 - 3 BauGB in Zusammenhang mit dem Rücksichtnahmegebot die rechtlichen Bewertungskriterien für privilegierte Außenbereichsvorhaben und sonstige Außenbereichsplanungen vor. 659

ccc) Baumschutzregelungen in Gestalt von Rechtsverordnungen und Satzungen Ferner sind die Baumschutzregelungen zu erwähnen, die in Gestalt von Rechtsverordnungen und Satzungen auf der Grundlage eines Naturschutz-, Landschafts- oder Landschaftspflegegesetzes für bestimmte Baumarten mit einer festgelegten Stammstärke einen öffentlich-rechtlichen Schutz verbürgen. 660 Begehrt beispielsweise ein Bürger die Beseitigung von Bäumen, die aufgrund hoheitlicher Planung auf einem öffentlichen Straßengrundstück bzw. in einer öffentlich-rechtlich gewidmeten Parkanlage errichtet worden sind, wegen der durch den Baumwurzelwuchs verursachten Funktionsunfähigkeit der auf dem Privatgrundstück verlaufenden Abwasserleitung661 oder wegen Beeinträchtigung des Lichteinfalls, so kommt prinzipiell ein Folgenbeseitigungsanspruch als geeignete Anspruchsgrundlage in Betracht. Auf der Rechtswidrigkeitsebene ist dann jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob die Standortveränderung der Bäume infolge des Eingreifens einer baumschutzrechtlichen Bestimmung ausscheidet.662

658 VGH Mannheim, VB1BW 1985, 60 (61 ff.); VB1BW 1983, 25 (27); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 18, S. 50 f. i.V.m. Rdnr. 20, S. 51. Vgl. zum drittschützenden Charakter des § 34 BauGB (= § 34 BBauG a.F.) i.V.m. dem Gebot der Rücksichtnahme: BVerwG, DÖV 1987, 296 (297); BVerwG, NJW 1986, 393; BVerwGE 68, 58 (60); BVerwGE 67, 334 (337); BVerwG, DVB1. 1981, 928 (929 f.); VGH Mannheim, BauR 1987, 414 (415); VGH Mannheim, VB1BW 1985, 222 f.; VB1BW 1985, 60 (61); VB1BW 1983, 25 (27); OVG Münster, BauR 1987, 46 (47). 659

Steinberg, Nachbarrecht, Rdnrn. 19, 20, S. 51. S. zum drittschützenden Rechtsgehalt des § 35 Abs. 3 BauGB (= § 35 Abs. 3 BBauG a.F.) i.V.m. dem Rücksichtnahmegebot: BVerwGE 67, 334 (337); 52, 122 (128 ff.); OVG Münster, NJW 1985, 2350. 660

Vgl. exemplarisch für NRW: § 18 BNatSchG i.V.m. § 45 nwLG.

661

Vgl. die Sachverhalte der Entscheidungen BGH, NJW 1986, 2640, sowie BGH, NJW 1989, 1032, in bezug auf § 1004 BGB. 662

Zu den zivilrechtlichen Auswirkungen von Baumschutzregelungen Otto, NJW 1989, 1783 ff.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

31

ddd) § 906 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB analog Schließlich ist zu erwägen, ob sich in entsprechender Heranziehung des § 906 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB eine Duldungsverpflichtung des Bürgers gegenüber den hoheitlich verursachten Immissionsbeeinträchtigungen ergeben kann.

(1) Anwendbarkeit

des § 906 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB

Das setzt zunächst die Zulässigkeit der analogen Geltung des § 906 BGB im öffentlichen Rechtsbereich voraus. Gegen die entsprechende Berücksichtigung dieser zivilrechtlichen Vorschrift bei hoheitlich verursachten Immissionen wird eingewandt, daß § 906 BGB auf den Ausgleich der privaten Nutzungsinteressen gleichberechtigter Rechtsträger zugeschnitten sei und deshalb im Verhältnis Bürger-hoheitlicher Anlagenbetreiber auszuscheiden habe.663 Anstelle dessen seien vielmehr, soweit spezialgesetzliche Immissionsregelungen fehlten, diejenigen Rechtsnormen als Bewertungsmaßstab heranzuziehen, die die Errichtung, die Unterhaltung sowie den Betrieb der immissionsträchtigenden Anlagen regelten. 664 Überdies seien ergänzend die Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zu beachten.665 Dieses Bedenken vermag hingegen nicht zu überzeugen. Vorzugswürdig ist vielmehr, mit der überwiegenden Meinung die Geltung des § 906 BGB auch im Bereich der hoheitlichen Immissionen anzuerkennen.666 Folgende Überlegungen sind dafür maßgebend:

663

W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (93 ff.); ders., Rechtsschutz, S. 34 f.; vgl. weiterhin H.H. Rupp, Grundfragen, S. 221 ff., 235 ff., insbes. 238 ff. 664

So W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (94).

665

Nachweis wie vor. Insoweit übereinstimmend, Papier, NJW 1974, 1797 (1800 1. Sp. oben), der allerdings von der grundsätzlichen Geltung des § 906 BGB in bezug auf hoheitlich verursachte Immissionen ausgeht, so Papier, NJW 1974, 1797 (1799). 666 VGH Kassel, UPR 1988, 117; OVG Koblenz, NJW 1986, 2779 (2780 f.); NJW 1986, 953 (954); OVG Lüneburg, OVGE 33, 409 (413 f.); VGH Mannheim, NVwZ 1986, 62 (63); VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353); VGH München, BayVBl. 1990, 564 (565); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1022); VG Münster, NJW 1989, 1820 (1821); VG Stade, NVwZ 1986, 151 (152); vgl. auch BVerwGE 79, 254 (256 ff.); weiterhin Leisner, NJW 1975, 233 (234 ff.); Papier, Recht, S. 139; ders., NJW 1974, 1797 (1799); vgl. auch Ossenbühl, StHR, S. 90. S. außerdem BGH, NJW 1980, 770 f.; NJW 1977, 894 (895); NJW 1973, 326; BGHZ 48, 98 (101), im Hinblick auf die Geltung des § 906 BGB im Rahmen öffentlich-rechtlicher Entschädigungsansprüche.

3 -

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Zunächst ist ein Indiz für die Zulässigkeit der analogen Anwendung der privatrechtlichen Bestimmung im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs aus der hier vertretenen inhaltlichen Konkretisierung des Rechtsinstituts durch die Vorschrift des § 1004 BGB zu entnehmen. Die Rechtsnorm steht in unmittelbarem sachlichen und systematischen Zusammenhang mit § 906 BGB, was die ergänzende Berücksichtigung dieser Bestimmung beim Folgenbeseitigungsanspruch nahelegt. Dessen ungeachtet erscheint zudem die entsprechende Anwendung des § 906 BGB auch bei Bewertung der Interessenlage des betroffenen Bürgers und des die Immissionsbeeinträchtigung hervorrufenden Hoheitsträgers sachgerecht. Das Eingreifen der Duldungspflicht des § 906 BGB ist zum einen dadurch zu rechtfertigen, daß es aus der Sicht des gestörten Betroffenen keinen Unterschied macht, ob die Tangierung seiner Rechtssphäre im Einzelfall durch öffentlich- oder privatrechtlich zu qualifizierende Immissionsbelästigungen verursacht wird. Die Gleichwertigkeit der Interessenlage im öffentlichen und zivilrechtlichen Immissionsrecht,667 verbunden mit der Tatsache, daß es häufig nur von organisatorischen Zufälligkeiten abhängt, ob die hoheitliche Aufgabe, die die Immissionsentstehung zur Folge hat, aufgrund öffentlich- oder privatrechtlicher Organisationsformen durchgeführt wird, gebietet demnach prinzipiell die Gleichartigkeit der Duldungspflichten des Betroffenen. Zum anderen darf die grundsätzlich bestehende Wahlfreiheit der Organisationsform bezüglich der hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung auch nicht zu einer Privilegierung des Hoheitsträgers insoweit führen, daß je nachdem, ob die Immissionsbelastung dem öffentlichen oder privatrechtlichen Bereich zuzuordnen ist, ein unterschiedlicher Bewertungsmaßstab in bezug auf deren Zulässigkeit eingreift. Zu beachten ist, daß die an Stelle der Anwendung des § 906 BGB vorgeschlagene Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Immissionen anhand des Erforderlichkeits- und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes668 nur einen Grobfilter insofern darstellen kann, als hiermit ermittelt wird, ob die konkrete Immissionsbelastung mit Rücksicht auf die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsbetriebes und den beabsichtigten Verwaltungszweck als sachgerecht und geboten erscheint. Demgegenüber ist gem. § 906 Abs. 2 S. 1 BGB eine wesentliche Beeinträchtigung nur dann zu tolerieren, wenn es sich bei der die Immissionen verursachenden Tätigkeit um eine ortsübliche Grundstücksnutzung handelt.

667 Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 D III 2, S. 130 f., sowie die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 309. 668

Vgl. die Nachweise in Fußn. 665.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

31

Indem § 906 BGB somit auf die Gesamtsituation abstellt, aus der heraus die Immissionen entstehen, stellt er eine Beurteilungsgrundlage dar, die über den auf die konkrete Verwaltungseinrichtung bezogenen Maßstab des Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsprinzips hinausgreift. Infolge der unterschiedlichen Prüfungskriterien und Reichweite dieser beiden Bewertungsmaßstäbe ist es zum Schutz des Bürgers mithin geboten, beide nebeneinander anzuwenden. -

Gegen die analoge Berücksichtigung des § 906 BGB spricht auch nicht, daß die Vorschrift im Zivilrecht auf den Ausgleich im „kleinnachbarrechtlichen Raum" bezogen ist. Demgemäß hebt § 906 Abs. 2 S. 1 BGB auf die „Ortsüblichkeit" der Beeinträchtigung ab, was im Einzelfall dazu führen kann, daß die Rechtsnorm der im öffentlichen Recht gegebenen Problemlage nicht vollständig gerecht wird. 669 So ruft beispielsweise die Beantwortung der Frage der Ortsüblichkeit von Immissionsbelästigungen dann Schwierigkeiten hervor, wenn sie durch öffentliche Straßenanlagen hervorgerufen werden, die gerade wegen ihres überörtlichen Charakters nicht einem bestimmten Gebiet zugerechnet werden können. Die im Hinblick auf diese Problematik von der Rechtsprechung gezogene Konsequenz, insoweit auf die Verhältnisse im ganzen Gebiet, durch das die Fernstraße führt, abzustellen,670 hat die Konturlosigkeit und damit einhergehend begrenzte Funktionstauglichkeit des Begriffs der Ortsüblichkeit zur Folge, 671 weshalb das Eingreifen der Duldungspflicht des § 906 BGB hier nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Trotz des nur begrenzten Aussagegehalts des Begriffsmerkmals in diesem Regelungsbereich ist jedoch angesichts der lediglich begrenzten Zahl von Fallgestaltungen mit einer solchen Problematik die Geltung des § 906 BGB im öffentlichen Recht nicht generell bedeutungslos.672

Die hier befürwortete analoge Geltung des in § 906 BGB normierten Regelungsmodells zur Abgrenzung der widerstreitenden Interessen steht allerdings - wie jedwede Analogie - unter der einschränkenden Voraussetzung, daß spezialgesetzliche öffentliche Rechtsnormen keine vorrangig abzuwendende Lösung des Konflikts zwischen dem betroffenen Bürger und dem staatlichen Anlagenbetreiber bereithalten.673 Derartige vorrangig heranzu669

So Papier, Recht, S. 139.

670

BGHZ 54, 384 (390).

67 1

Papier, Recht, S. 139.

67 2

Papier, Nachweis wie vor.

673

VGH Mannheim, NVwZ 1986, 62 (63); VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1022); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 39, S. 60 f. S. weiterhin die Ausführungen in Kapitel 1 D III 1, S. 122 ff., sowie in Kapitel 1, D III 3, S. 133. 21 Pietzko

3

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

ziehende Vorschriften stellen insbesondere die §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 BImSchG dar.

(2) Tatbestandliche

Voraussetzungen des § 906 BGB

Eine Duldungsverpflichtung des Bürgers gegenüber hoheitlichen Immissionen kann sich bei entsprechender Anwendung des § 906 BGB in zweifacher Hinsicht ergeben: -

So ist nach § 906 Abs. 1 BGB der Beseitigungsanspruch dann ausgeschlossen, wenn es sich bei den angegriffenen Immissionsbelastungen um nur unwesentliche Beeinträchtigungen handelt. Diesem Ausschlußtatbestand kommt allerdings im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs nur eine geringe praktische Relevanz auf der Rechtswidrigkeitsebene zu. Denn durch das bereits im Eingriffstatbestand geltende einschränkende Erfordernis, demzufolge es sich bei der Verletzungshandlung nicht nur um einen Bagatelleingriff handeln darf, werden die unwesentlichen Beeinträchtigungen schon aus dem Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs ausgefiltert. 674 Gleichwohl kommt der Vorschrift mit Rücksicht auf die hierzu ergangene umfangreiche Rechtsprechung675 die Bedeutung zu, hinsichtlich der Bestimmung der „Wesentlichkeit" der Beeinträchtigung für den Bereich des Immissionsrechts eine Orientierungshilfe zu geben. - Sind hingegen wesentliche Immissionsbelästigungen festzustellen, so entfällt gem. § 906 Abs. 2 S. 1 BGB der Abwehranspruch dennoch, sofern sie auf einer ortsüblichen Grundstücksnutzung beruhen und nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise durch den Hoheitsträger verhindert werden können. Konsequenterweise greift der Folgenbeseitigungsanspruch bei analoger Anwendung des § 906 BGB nur unter der Voraussetzung ein, daß eine wesentliche Beeinträchtigung der Rechtssphäre des Bürgers gegeben ist, die entweder auf eine nicht ortsübliche Grundstücksnutzung zurückzuführen ist oder aber eine wesentliche ortsübliche Belästigung darstellt, die indessen durch zumutbare Vorkehrungen der zuständigen Behörden vermieden werden könnte. An dieser Stelle ist es nicht möglich, die eigenständige Thematik der Begriffsbestimmung der Tatbestandserfordernisse des § 906 BGB im Detail zu

674

S. die Darstellung unter Β I I 4, S. 238 f., sowie die Nachweise in Fußn. 354.

675

Vgl. die Nachweise bei Palandt/Bassenge,

BGB, § 906 Anm. 3 a, b aa-cc.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

33

erörtern. 676 Deshalb sollen hier nur einige Grundfragen skizziert und die hauptsächlichen Problemschwerpunkte verdeutlicht werden.

(a) Wesentlichkeit und Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung Schwierigkeiten bereitet namentlich die Definition der Tatbestandsmerkmale der wesentlichen und ortsüblichen Beeinträchtigung. Anerkanntermaßen ist zur Festlegung der Wesentlichkeit einer Belästigung i.S. des § 906 BGB nicht das subjektive Empfinden des Gestörten, sondern das eines objektiven Durchschnittsbürgers zugrundezulegen.677 Hierbei sind der Charakter und die Zweckbestimmung des durch die Immissionen betroffenen Grundstücks678 sowie der Gebietsstruktur insgesamt679 miteinzubeziehen (sog. differenziert-objektive Betrachtungsweise). Erleichtert wird die Ermittlung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung dabei durch technische Normen, die bestimmte Immissionsgrenzwerte angeben. Bedeutung besitzen insoweit insbesondere die TA-Luft vom 27.2.1986 680 sowie die TA-Lärm vom 16.7.1968.681 Obgleich sie ausdrücklich nur für die genehmigungsbedürftigen Anlagen i.S. des § 4 BImSchG gelten, vgl. Nr. 1 TA-Luft und Nr. 1 TALärm, ist ihre Anwendung auch im Geltungsbereich des § 906 BGB anerkannt.682 Das Bundesverwaltungsgericht 683 qualifiziert diese Verwaltungsvorschriften im Anschluß an Breuer 684 als „antizipierte Sachverständigengutachten", auf denen regelmäßig die richterlichen Entscheidungen basieren.

676 Vgl. hierzu Papier, Recht, S. 135 ff.; Steinberg, Nachbarrecht, Rdnrn. 39-45, S. 6 0 - 64; Westermann, in: Festschrift für Larenz, S. 1003 (1005 ff.). 677 BGHZ 70, 102 (110); VGH Kassel, UPR 1988, 117 (118); VGH Mannheim, NVwZ 1986, 62 (63); Hagen, UPR 1985, 192 f.; Palandt/Bassenge, BGB, § 906 Anm. 3 b aa; vgl. auch BVerwGE 68, 62 (67), in bezug auf die Begriffsbestimmung der „Erheblichkeit" im Rahmen des § 3 Abs. 1 BImSchG. 678 BGH, DÖV 1990, 698 (699); BGHZ 70, 102 (110 f.); VGH Mannheim, NVwZ 1986, 62 (63); Palandt/Bassenge, BGB, § 906 Anm. 3 b aa. 679

VGH Mannheim, NVwZ 1986, 62 (63); Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (604).

680

Erste allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft - TA Luft -) v. 28.8.1974, GMB1. S. 426, abgedruckt bei Jarass, BImSchG, Anhang 17, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift v. 27.2.1986, GMB1. S. 95. 681 Allgemeine Verwaltungsvorschrift über genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 16 der Gewerbeordnung - GewO (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) v. 16.7.1968, Beil. BAnz. Nr. 137, abgedruckt bei Jarass, BImSchG, Anhang 16. 682

BGHZ 70, 102 (106 ff.); Führen, VR 1986, 5 (8).

683

BVerwGE 55, 250 (256).

684

Breuer, DVB1. 1978, 28 ff.

34

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob die zur Ermittlung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung mit zu berücksichtigende Gebietsstruktur aufgrund der tatsächlich gegebenen Situation bestimmt wird oder ob hierfür ein normativer Maßstab, vor allem der geltende Bebauungsplan, entscheidungserheblich ist. 685 Die gleiche Fragestellung, d.h. die Problematik der Geltung einer faktischen oder einer normativen Bewertungsgrundlage, stellt sich in noch verstärktem Maße bei der Begriffsbestimmung der Ortsüblichkeit der Störung. 686 Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs 687 ist zur Feststellung der Ortsüblichkeit grundsätzlich auf den tatsächlichen Istzustand abzustellen. Zur Begründung führt er die eingeschränkte Bedeutung der Planung an, die bei Bauleitplänen in der Vorbereitung und Leitung der baulichen und sonstigen Grundstücksnutzung gem. § 1 BBauG (= § 1 BauGB n.F.) besteht. Während bei Neubaugebieten regelmäßig eine Übereinstimmung zwischen diesen normativen Vorgaben und den tatsächlichen Verhältnissen gegeben sei, orientierten sich die schon überbauten Gebiete zwar bei zukünftigen Bauvorhaben an den Plänen. Für die Übergangszeit sei indes die Diskrepanz zwischen den Planvorgaben und den faktischen Gegebenheiten festzustellen. Diesbezüglich könnten die öffentlich-rechtlichen Wertmaßstäbe, die die zukünftige Grundstücksnutzung gestaltend regeln würden, die nach § 906 BGB faktisch gegebene zivilrechtliche Eigentumsordnung nicht ohne weiteres verdrängen. 688 Demgegenüber wird von der überwiegenden Ansicht im Schrifttum 689 bei der Begriffsbestimmung des Tatbestandsmerkmals der Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung ein normativer Maßstab zugrundegelegt. Auch das Bundesverwaltungsgericht690 geht davon aus, daß sich der Charakter und die Schutzwürdigkeit der Gebietsstruktur nach der planungsrechtlichen Zulässigkeit, d.h. in beplanten Gebieten nach dem Bebauungsplan i.V.m. der Baunutzungsver685

Einen normativen Maßstab befürwortend: Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (604).

686

Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (604); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnrn. 42-45, S. 61-64. 687 So BGH, NJW 1976, 1204 (1205 r. Sp.); weiterhin BGH, NJW 1983, 751 f.; außerdem Führen, VR 1986, 5 (9); differenzierend: Friauf,, DVB1. 1971, 713 (718 f.). 688 So BGH, DVB1. 1971, 744 (745), mit kritischer Anm. Bartlsperger, DVB1. 1971, 745 f.; ferner BGHZ 41, 264 (269 f.), mit zustimmender Bspr. von Baur y JZ 1974, 657 (660); BGHZ 38, 61 ff., mit Anm. Westermann, JZ 1963, 407 f.; BGH, NJW 1958, 1776 (1777). Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs können nur ausnahmsweise baupolizeiliche und städtebauliche Rechtsvorschriften einen Maßstab für die Bestimmung der tatsächlichen Situation darstellen, BGH, NJW 1959, 1632 f. 689

Bartlsperger, VerwArch 60 (1969), 35 (55 f.); ders., DVB1. 1971, 745 f.; Breuer, DVB1. 1983, 431 (438 f.); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnrn. 43-45, S. 62 - 64; Trzaskalik, DVB1. 1981, 71 (72 f.); s. außerdem Gaentzsch, NVwZ 1986, 601 (604), in bezug auf das Tatbestandsmerkmal der „Wesentlichkeit". 690

BVerwG, NVwZ 1983, 155; vgl. auch BVerwGE 54, 5 (7 ff.).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

Ordnung, bestimmen würden. Eine Ausnahme hiervon sei nur für den Fall anzuerkennen, daß die Festsetzungen des Bebauungsplanes infolge der tatsächlich andersartigen Grundstücksnutzung wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten seien. In einer solchen Situation sei die tatsächlich vorhandene Bebauung zur Ermittlung der Zulässigkeit von Vorhaben gem. § 34 BauGB maßgebend.691 Letztere Ansicht erscheint prinzipiell vorzugswürdig. Hinsichtlich des zur Qualifizierung der Gebietsstruktur anzuwendenden Maßstabes sind allerdings zunächst diejenigen immissionsträchtigen Grundstücksnutzungen zu beachten, die bereits bei Erlaß des Bebauungsplanes ausgeübt werden. Da diese vom Regelungsbereich des Bebauungsplanes nicht erfaßt werden, ist insofern zur Kennzeichnung der Gebietsstruktur die faktische Ortsüblichkeit maßgebend. Das schließt nicht aus, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse mit fortschreitender Planverwirklichung immer mehr an die normativen Vorgaben annähern.692 Etwas anderes muß hingegen für die Grundstücksnutzungen gelten, die erst nach dem Inkrafttreten des Bebauungsplanes zu Immissionsbelastungen führen. Insoweit ist in bezug auf die Schutzwürdigkeit des Gebietes primär auf die normativen Regelungen des Bebauungsplanes abzustellen. Die Notwendigkeit des Anknüpfens an den rechtlichen Sollzustand beruht auf der Bedeutung des Bebauungsplanes. Der Bundesgerichtshof verkennt, daß durch den Bebauungsplan in rechtsverbindlicher Weise über die Nutzung der Grundstücke im Plangebiet nach Maßgabe des Baugesetzbuches entschieden wird, vgl. § 1 Abs. 1 - 3 , 2 Abs. 1 S. 1 BauGB. Dadurch entfaltet der Bebauungsplan eine unmittelbare rechtsgestaltende Bindungswirkung für die Planbetroffenen, indem er die rechtliche Qualität der Grundstücke festlegt. Hierin liegt gerade der funktionelle Unterschied zum Flächennutzungsplan, dem nach § 1 Abs. 2 BauGB eine lediglich vorbereitende Funktion zukommt.693 Infolge dieser verbindlichen Rechtswirkungen legt der Bebauungsplan als inhaltsbestimmendes Gesetz i.S. von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG den zulässigen Gehalt des Eigentums fest. Die Argumentation des Bundesgerichtshofs, wonach die öffentlich-rechtlichen Regelungen des Bebauungssplanes die nach § 906 BGB bestehende Eigentumsordnung nicht ohne weiteres verdrängen könnten, basiert mithin auf einem falschen Verständnis des Bebauungsplanes. Die öffentlich-rechtlichen Wertmaßstäbe des Bebauungsplanes und die privatrechtliche Eigentumsordnung stehen somit nicht beziehungslos nebeneinander, sondern die Festsetzungen des Bebauungsplanes bestimmen das zuläs-

691

BVerwG, Nachweise wie vor.

692

Friauf,;

693

Ebenso Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 43, S. 62 f.

DVB1. 1971, 713 (718 f.); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 45, S. 64.

3

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

sige Maß der Grundstücksnutzung und gestalten damit erst das nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum.694 Mithin ist in bezug auf die Schutzbedürftigkeit des Gebietes nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes vorrangig auf die normative Regelung des Bebauungsplanes abzustellen. Zwar verbietet § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB die Festsetzung von Immissionsgrenzwerten durch den Bebauungsplan. Dies schließt allerdings nicht aus, daß sich der Einzelne unter Berufung auf die Regelung im Bebauungsplan gegen diejenigen Immissionsbelastungen wehren kann, die über das typischerweise mit der planungsrechtlich zugelassenen Nutzung verbundene Maß hinausgehen, so daß insofern eine Duldungspflicht des Betroffenen entfällt. Demgemäß sind nur die bestimmungsgemäßen Immissionsbelastungen als ortsübliche Beeinträchtigung durch den Bebauungsplan gedeckt mit der Folge, daß diesbezüglich eine Toleranzverpflichtung des Gestörten nach § 906 Abs. 2 S. 1 BGB analog eingreifen kann.695

(b) Wirtschaftlich zumutbare Abwehrmaßnahmen durch den Grundstücksbenutzer Auch bei Vorliegen einer wesentlichen, jedoch ortsüblichen Immissionseinwirkung scheidet eine Duldungspflicht des betroffenen Rechtsinhabers in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 1 BGB gleichwohl dann aus, wenn die Beeinträchtigung durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen des Hoheitsträgers verhindert werden kann. Die Zumutbarkeit der Schutzvorkehrungen richtet sich dabei vor allem nach den technischen Möglichkeiten bzw. nach dem zu ihrer Realisierung erforderlichen finanziellen Aufwand, weiterhin nach der Effektivität dieser Maßnahmen zur Verhinderung der Immissionsbelästigungen und schließlich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Grundstücksbenutzers.696 Gerade in bezug auf die letzte Voraussetzung ist dabei mit Rücksicht auf die übergeordnete, dem Wohl des Bürgers verpflichtete Stellung des Hoheitsträgers ein strengerer Maßstab als im Zivilrecht anzuwenden, wo sich gleichberechtigte Personen mit unterschiedlichen Nutzungsinteressen gegenüberstehen. Demzufolge spricht eine Vermutung für die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand.

694

Nachweis wie vor.

695

Steinberg, Nachbarrecht, Rdnrn. 44 f., S. 63 f.

696

Vgl. Palandt/Bassenge y BGB, § 906 Anm. 4 d.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

eee) Annex: Ablehnung einer richterrechtlichen Duldungspflicht bei gemeinwichtigen Anlagen Obgleich nicht auf gesetzlicher Grundlage basierend, soll hier wegen des Sachzusammenhangs ein weiterer Duldungstatbestand genannt werden, der vom Reichsgericht697 in entsprechender Anwendung des § 75 Einl. preuß. ALR sowie des § 26 GewO entwickelt und vom Bundesgerichtshof, 698 unter teilweiser Zustimmung des Schrifttums, 699 übernommen worden ist. Danach soll der Betroffene in den Fällen, in denen nicht bereits eine Duldungsverpflichtung aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses oder einer Genehmigung eingreift, zur Duldung wesentlicher und ortsunüblicher Immissionen verpflichtet sein, die von öffentlichen Einrichtungen ausgehen, die für das Gemeinwohl bedeutsame Anlagen darstellen.700 Die Rechtsfolge dieses Duldungstatbestands besteht dabei in dem Ausschluß der Abwehrrechte des Bürgers in Gestalt des Unterlassungs- und des Beseitigungsanspruchs, soweit sie zu einer völligen Stillegung bzw. zu einer erheblichen Einschränkung der Anlage führen. 701 Zugestanden wird lediglich im Einzelfall ein Anspruch auf Realisierung von Schutzvorkehrungen 702 sowie für den Fall, daß dies technisch nicht möglich oder nicht ausreichend ist, ein Entschädigungsanspruch aus enteignendem bzw. enteignungsgleichem Eingriff zugunsten des in seiner Rechtsposition Beeinträchtigten.703 Praktische Relevanz kann dieser ungeschriebenen Duldungspflicht z.B. bei Lärmimmissionen zukommen, die durch die Benutzung eines Kinderspielplatzes verursacht werden, 704 bei Staubimmissionen, die durch Straßenbauarbeiten entstehen705 oder aber im Falle der Geruchsbelästigungen, die von einer öffentlich-rechtlich betriebenen Kläranlage hervorgerufen werden. 7()6

697

RGZ 170, 40 (42 f.); 159, 129 (135 f.), in bezug auf einen Unterlassungsanspruch.

698

BGHZ 97, 361 (362, 364) - Straße; BGH, NJW 1984, 1876 - Kläranlage; BGH, DVB1. 1984, 472 (473) - Omnibuslinie; BGH, NJW 1980, 770 - Mülldeponie; BGHZ 60, 119 (122 f.) - Hochspannungsleitung; 54, 384 (388) - Straße; BGH, NJW 1976, 1204 (1205) - Kläranlage; BGHZ 48, 98 (104) - Straße; 29, 314 (317) - Autobahn. Offenlassend BGHZ 72, 289 (294) - Straßenbauarbeiten. 699 Baun JZ 1974, 657 (658); Führen, VR 1986, 5 (9 f.); Pikart, in: Pikart/Geizer/ Papier, Umwelteinwirkungen, S. 29, hinsichtlich sportlicher Großanlagen. 700

Vgl. die Nachweise in Fußn. 697-699.

701

BGH, NJW 1984, 1876; BGH, DVB1. 1984, 472 (473); BGHZ 48, 98 (104).

702 BGH, NJW 1984, 1876; vgl. weiterhin Führen, VR 1986, 5 (10 f.); Säcker, in: Müko, BGB, § 906 Rdnr. 113 mit Fußn. 183; Soergel/Baur, BGB, § 906 Rdnr. 66. 703

BGHZ 48, 98 (104 ff.).

704

Vgl. die Nachweise in Fußn. 380.

705

BGHZ 48, 98 ff.

3

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Gegenüber dieser richterrechtlich begründeten Duldungspflicht erheben sich jedoch Einwände.707 Der maßgebliche Kritikpunkt gegen diese Ansicht leitet sich dabei aus der fehlenden gesetzlichen Grundlage für eine derart weitreichende Duldungspflicht ab. Das erscheint vor allem im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Folgenbeseitigungsanspruchs als nicht zu akzeptierendes Regelungsdefizit. 708 Relevanz kommt in diesem Zusammenhang namentlich der Tatsache zu, daß durch die ungeschriebene Duldungspflicht noch über den gesetzlich vorgegebenen Rahmen des § 906 hinaus eine Toleranzverpflichtung des Betroffenen eingreifen soll. Eine derartige umfassende Duldungsverpflichtung ist deshalb bedenklich, weil der Begriff der „gemeinwichtigen Anlage" eine unklare tatbestandliche Voraussetzung darstellt, da die meisten öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, die zu Immissionsbelastungen führen, in irgendeiner Form den Gemeinwohlbelangen der Bevölkerung zugute kommen. Wegen der Weite dieses Tatbestandsmerkmals liegt demnach die Gefahr eines uferlosen Ausschlusses der Abwehrrechte des Betroffenen nahe. Gleichzeitig ist hiermit das Risiko verbunden, daß die öffentlichen Anlagenbetreiber aufgrund des „sanften Ruhekissens" der Gemeinwohlwichtigkeit von weiteren Verbesserungen der Immissionseindämmung abgehalten werden, da der Druck des möglicherweise gegen die Verwaltungseinrichtung selbst klagenden Bürgers fehlt. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß im Immissionsrecht als Folge der Geltung ausdrücklicher gesetzlich festgeschriebener Duldungspflichten die Abwehr- und Beseitigungsrechte des Einzelnen ohnehin eingeschränkt sind. Die zusätzliche Eingrenzung der Abwehrrechte des Betroffenen ohne gesetzliche Normierung steht damit in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 709 der auch der Bundesgerichtshof 710 und die überwiegende Ansicht im Schrifttum 711 folgt, nach der grundsätzlich der direkten Abwehr eines Eingriffsakts vor dem Begehren auf Entschädigung der Vorrang zukommt. Aufgrund dieser Rechtsprechung erscheint es um so mehr 706

BGH, NJW 1984, 1876 ff.; BGH, NJW 1976, 1204 f.

707

Ebenso OVG Lüneburg, OVGE 33, 409 (412 f.) - Klärschlammdeponie; im Ergebnis ebenfalls BVerwG, DVB1. 1974, 239 (240) - Kläranlage; W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (90 ff.); Papier, Recht, S. 137 f.; ders., NJW 1974, 1797 (1799); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 3, S. 41 f. 708 Vgl. BVerwG, DVB1. 1974, 239 (240); W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (90); Papier, Recht, S. 137 f.; ders., NJW 1974, 1797 (1799); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 3, S. 41 f. 709

Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 D I 4, S. 87 ff. mit Nachweisen ebd., Fußn. 152.

710

S. die Ausführungen in Kapitel 1 D I 4, S. 87 ff. mit Nachweisen ebd., Fußn. 153.

711

Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 D I 4, S. 87 ff. mit Nachweisen ebd., Fußn. 152 und 153.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

geboten, diejenigen Hinderungsgründe, die dem primären Rechtsschutzverlangen entgegenstehen, gesetzlich zu regeln. Auch wenn die vorgenannte Fallgruppe insofern zahlenmäßig eher gering in der Praxis vorkommen wird, als regelmäßig bereits spezialgesetzliche Duldungspflichten oder auch Tolerierungsgebote aufgrund von Verwaltungsakten eingreifen werden, ist wegen der dogmatischen Bedeutung ein ungeschriebener Duldungstatbestand in diesem Bereich abzulehnen. Vielmehr liegt es in der Verantwortung der öffentlichen Hand, auch bei solchen Anlagen, die in besonderem Maße den öffentlichen Interessen dienen, die geeigneten Schutzmaßnahmen zur möglichst weitgehenden Vermeidung von Immissionsbelastungen zu treffen. Diese Bindung im praktischen Ergebnis durch die Anerkennung einer ungeschriebenen Duldungspflicht zu erleichtern, hieße das Problem an der falschen Stelle anzugehen und pauschal zuungunsten des Bürgers zu lösen. Demgegenüber erscheint es vorzugswürdig, solange ausdrückliche normative Regelungen für dieses Regelungsgebiet fehlen, im Rahmen des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit, und dabei insbesondere anhand der Gesichtspunkte der Erforderlichkeit und Angemessenheit, im Einzelfall zu überprüfen, ob ein Beseitigungs- oder auch Unterlassungsanspruch in Betracht kommt.712 Das stellt zwar ebenfalls keine ideale Lösung dar, eröffnet aber im Gegensatz zum grundsätzlichen Ausschluß des Abwehrrechts zumindest die Möglichkeit einer dem konkreten Fall eher gerecht werdenden differenzierten Betrachtungsweise. Mithin kann die Geltung der richterrechtlich begründeten Duldungspflicht bei gemeinwichtigen Anlagen nicht überzeugen.

bb) Ehrkränkende

Äußerungen

Des weiteren stellt sich die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang hoheitliche ehrkränkende Äußerungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen legalisiert werden können. Hinsichtlich dieser Fragestellung soll - entsprechend der hier vertretenen analogen Heranziehung des § 1004 BGB zur inhaltlichen Konkretisierung des Folgenbeseitigungsanspruchs - zunächst an die zivilrechtlichen Grundsätze im Rahmen des Ehrschutzes angeknüpft und im Anschluß daran über deren Geltung für den Folgenbeseitigungsanspruch entschieden werden.

712 Vgl. auch W. Martens, in: Festschrift für Schack, S. 85 (94 f.); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 7, S. 43 f.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

aaa) Art. 5 Abs. 1 GG Erörterungsbedürftig ist zunächst das Eingreifen einer Duldungspflicht aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG. Aus zivilrechtlicher Sicht ist die Behauptung bzw. Verbreitung einer unzutreffenden Tatsache nicht durch die Meinungs- und Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt. Begründet wird diese Auffassung damit, daß unwahre Tatsachenerklärungen keinen Beitrag zu einer korrekten Meinungsund Überzeugungsbildung leisten und deshalb verfassungsrechtlich nicht schutzwürdig sind.713 Ob diese Argumentation der verfassungsrechtlichen Schutzunwürdigkeit unzutreffender Tatsachenbehauptungen auf das öffentliche Recht übertragbar ist - wofür vieles spricht - kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn staatliche Stellen können sich zur Rechtfertigung unwahrer ehrverletzender Tatsachenbehauptungen aus einem anderen Grunde nicht auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Da die hoheitliche Äußerung des Amtswalters dessen Anstellungskörperschaft zugerechnet wird, liegt im Ergebnis eine Ehrverletzung durch den Staat vor. Die Grundrechte verbürgen jedoch Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat, wohingegen eine Inanspruchnahme der Grundrechtsverbürgungen zugunsten der öffentlichen Hand grundsätzlich ausgeschlossen ist. 714 Die Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 1 GG auf unzutreffende amtliche Tatsachenerklärungen scheitert damit in jedem Fall an der fehlenden Grundrechtsfähigkeit der Hoheitsträger. 715

bbb) § 193 StGB analog Weiterhin könnte die Rechtswidrigkeit hoheitlicher ehrkränkender Äußerungen durch eine entsprechende Heranziehung des § 193 StGB entfallen. § 193 StGB beinhaltet im Rahmen des Ehrschutzes den allgemeinen Rechts-

713

BVerfG, NJW 1989, 1789; NJW 1983, 1415; NJW 1980, 2072 (2073); NJW 1973, 1221 (1224); BGH, AfP 1986, 333 (334); AfP 1986, 241 (242); BGH, NJW 1984, 1607 (1608); BGH, AfP 1982, 215 (216); BGH, NJW 1978, 1797 (1798); OLG Hamburg, NJW 1987, 1416 (1417). 714 Vgl. zur Frage der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts allgemein v. Münch, in: v. Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rdnr. 10; Hendrichs, in: v. Münch, GG, Art. 19 Rdnrn. 38-39. S. weiterhin die Nachweise in Fußn. 539-546. 715 BVerwGE 59, 319 (326); VGH Mannheim, AfP 1985, 240 (241); OVG Münster, NVwZ 1985, 123 (124); OVG Münster, NJW 1983, 2402 (2403); VG Düsseldorf, NJW 1982, 2333 f.; a.A. OVG Lüneburg, DVB1. 1974, 881 (882); offenlassend VGH München, NVwZ 1986, 327. Vgl. bereits die Nachweise in Fußn. 241.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

33

gedanken, daß ehrverletzende Erklärungen gerechtfertigt sind, sofern der Schädiger zur Wahrung berechtigter Interessen gehandelt und in bezug auf die von ihm getätigte Aussage zuvor die gebotene Sorgfalt (Erkundigung, Überprüfung, Recherche etc.) eingehalten hat. 716 Im Zivilrecht bewirkt § 193 StGB vor allen Dingen eine Privilegierung der Pressearbeit. Um die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse, die das Bundesverfassungsgericht für ein demokratisches Staatswesen als schlechthin konstituierend ansieht,717 sicherzustellen, soll die Presse selbst dann bestimmte Meinungen und Informationen verbreiten dürfen, wenn deren Richtigkeit nicht mit letzter Sicherheit feststeht. § 193 StGB verbürgt damit bei der Wahrung berechtigter Interessen eine Art „erlaubtes Risiko" hinsichtlich des Ehrschutzes.718 Zweifelhaft erscheint, ob diese Privilegierung der Presse gem. § 193 StGB auch für staatliche Äußerungen gilt. Eine parallele Bewertung pressemäßiger und hoheitlicher Aussagen im Hinblick auf die grundsätzliche Möglichkeit der Anwendung des § 193 StGB liegt indes nahe. Denn ebenso wie die Presse handelt auch der Staat im öffentlichen Interesse, d.h. zugunsten des Allgemeinwohls. Das zeigt sich im Bereich des Ehrschutzes beispielsweise bei geschäftsschädigenden Warnungen einer Handwerkskammer vor den angeblich unlauteren Geschäftspraktiken bestimmter Unternehmer 719 oder aber im Rahmen amtlicher Mitteilungen über Gesundheitsgefahren beim Verzehr einzelner Lebensmittel.720 Mithin ist die entsprechende Geltung des § 193 StGB im öffentlichen Recht dem Grundsatz nach anzuerkennen.721

716 Vgl. hierzu BVerfGE 12, 113 (130); BGH, NJW 1985, 1621 (1622); OLG Stuttgart, NJW 1972, 2320 (2321); Löffler, NJW 1965, 942 ff. Zu den Anforderungen an die Sorgfaltspflicht s. BGH, NJW 1972, 1658 (1659); NJW 1965, 685 (686); Wenzel, Recht, Rdnrn. 672-674; vgl. auch BVerfG, NJW 1989, 1789. 717

So BVerfG, JZ 1987, 1118; BVerfGE 20, 162 (174 f.).

718

So Wenzel, Recht, Rdnr. 6.70 i.V.m. Rdnrn. 6.28 ff.

719

Vgl. den Sachverhalt der Entscheidung VGH Mannheim, AfP 1985, 240.

720

Vgl. exemplarisch die Sachverhaltsgestaltungen bei OVG Münster, GewArch 1988, 11; OVG Münster, NJW 1986, 2783; LG Stuttgart, NJW 1989, 2257; s. auch LG Bonn, NJW 1989, 2263. Vgl. zur Problematik behördlicher Warnungen im Bereich der Verbraucher- und Umweltberatung die Abhandlung von Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, Köln u.a., 1986; weiterhin Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 ff.; Pinger, JuS 1988, 53 ff.; Schulte, DVB1. 1988, 512 (515 ff.); Sodan, DÖV 1987, 860 ff.; Zuck,, MDR 1988, 1020 ff. Vgl. weiterhin die Nachweise in Fußn. 12, 632 und 633. 721

Ebenso VGH München, NVwZ 1986, 327 r. Sp. unten.

3

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

(1) Anwendbarkeit des § 193 StGB bei unzutreffenden Tatsachenbehauptungen im Zivilrecht Wesentliche Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 193 StGB als Legitimationsgrund innerhalb des Folgenbeseitigungsanspruchs ist jedoch, daß die Norm nicht nur für Meinungsäußerungen, sondern auch für Tatsachenbehauptungen gilt. In bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist diese Fragestellung deshalb von erheblicher Bedeutung, weil dessen Tatbestand nur Eingriffe durch behördliche Tatsachenerklärungen, nicht jedoch in Form von Meinungsäußerungen umfaßt. 722 Findet daher § 193 StGB analog prinzipiell keine Anwendung auf Tatsachenbehauptungen, so wäre damit die Rechtswidrigkeit der Äußerung für den Folgenbeseitigungsanspruch zwangsläufig indiziert. Eine Duldungspflicht des Bürgers entsprechend § 193 StGB wäre von vornherein ausgeschlossen. Sieht man einmal von vereinzelt vertretenen abweichenden Ansichten723 ab, so bejaht die herrschende Auffassung in Rechtsprechung724 und Literatur 725 die grundsätzliche Geltung des § 193 StGB auch für Tatsachenbehauptungen. Für den Regelungsbereich der Widerrufsklagen gegen ehrverletzende Tatsachenerklärungen wird dabei gleichwohl in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Berücksichtigung des § 193 StGB im Ergebnis abgelehnt. Im einzelnen lassen sich folgende zwei Fallgruppen differenzieren:

(a) Fallgruppe 1 : Festgestellte Unwahrheit der Tatsachenbehauptung Steht die Unwahrheit der aufgestellten Tatsachenbehauptung nachträglich fest oder wird die Unrichtigkeit im Rahmen eines Prozesses bewiesen, so steht dem Betroffenen ein Widerrufsanspruch nach Maßgabe des § 1004 BGB zu. 726 § 193 StGB greift in diesem Fall selbst dann nicht ein, wenn der 722

Vgl. die Nachweise in Fußn. 241.

723

So geht Ricker y Unternehmensschutz, S. 117, 137, von der prinzipiellen Unanwendbarkeit des § 193 StGB im Rahmen von tatsächlichen Behauptungen aus. Eine Ausnahme von dieser Regel erkennt er (a.a.O., S. 137) nur für den Fall an, daß die Presse Tatsachenbehauptungen Dritter weiterverbreitet, sofern an deren Weiterverbreitung ein öffentliches Interesse besteht und sich die Presse von den Äußerungen hinreichend distanziert hat. 724 725

BGH, AfP 1989, 669 (671); BGH, NJW 1985, 1621 (1622); NJW 1984, 1104 (1105).

Löffler/Ricker, Handbuch, 44. Kapitel Rdnr. 20; Wasserburg, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht, S. 508 f.

Schutz, S. 317 f.; ders.,

726 Das steht nach BGH, NJW 1977, 1681 (1682), in BGHZ 69, 181 insoweit nicht abgedruckt, allerdings unter der zusätzlichen Voraussetzung, daß der Widerruf „das geeignete Mittel ist, die Folgen der ehrverletzenden Beschuldigungen zu beseitigen". Dies kann beispielsweise bei Streitigkeiten zwischen Familienangehörigen und Hausgenossen je nach den konkreten Umständen zu verneinen sein, BGH, a.a.O., S. 1682.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

33

Äußernde zum Zeitpunkt seiner Aussage in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt und die gebotenen Sorgfaltsanforderungen eingehalten hat. Der Bundesgerichtshof geht unter diesen Voraussetzungen von einem Wegfall des Rechtfertigungsgrundes gem. § 193 StGB aus.727 Diesen begründet er damit, daß es gegen die Rechtsordnung verstoße und pflichtwidrig sei, wenn es der Täter unterlasse, die Fortwirkung einer von ihm geschaffenen nachteiligen Situation durch geeignete Erklärungen im Rahmen der ihm offenstehenden Möglichkeiten auszuräumen, nachdem sich die Unwahrheit der aufgestellten Behauptung herausgestellt habe.728

(b) Fallgruppe 2: Vorliegen eines „non liquet" in bezug auf die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung Die zweite Fallkonstellation ist dadurch gekennzeichnet, daß die Unrichtigkeit der Tatsachenmitteilung nicht feststellbar ist bzw. in einem Prozeß nicht nachgewiesen werden kann (Vorliegen eines „non liquet"). Für diesen Fall der lediglich möglicherweise unwahren Tatsachenäußerung schließt der Bundesgerichtshof bereits die Möglichkeit eines Widerrufs aus.729 Mit Rücksicht auf die persönlichkeitsrechtlichen Belange des Verletzers dürfe diesem der Widerruf einer jedenfalls möglicherweise zutreffenden Tatsachenbehauptung nicht zugemutet werden. 730 Anders als bei Unterlassungs- und Schadensersatzklagen gegenüber herabsetzenden Tatsachenäußerungen, bei denen sich im Falle der üblen Nachrede die grundsätzlich dem Verletzten obliegende Beweislast für die Unwahrheit der Aussage nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB zu Lasten des Schädigers umkehre, 731 verbleibe es für den Fall des Widerrufsbegehrens bei der grundsätzlichen Beweislast des Geschädigten 727 BGHZ 37, 187 (191); 69, 181 (185); BGH, GRUR 1960, 500 (502); BGH, NJW 1959, 2011 (2012); NJW 1958, 1043; s. auch BGH, NJW 1975, 1882 (1883); NJW 1974, 1762, für die Unterlassungsklage; Baur, AcP 160 (1961), 465 (481); Löffler/Ricker, Handbuch, 44. Kapitel Rdnr. 20; Wasserburg, Schutz, S. 317 ff.; ders., in Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Recht, S. 508 f.; zweifelnd noch RGZ 163, 210 (215 ff.); einschränkend auch BGH, NJW 1985, 1621 (1622 f.), allerdings für den grundsätzlich anderen Regeln folgenden Schadensersatzanspruch gem. § 824 BGB. 728

So ausdrücklich BGH, NJW 1958, 1043 r. Sp. unten.

729

BGHZ 69, 181 (182 ff.); 37, 187 (189 ff.). Lediglich für den Fall, daß die Beweisaufnahme keine ernstlichen Anhaltspunkte für die Wahrheit der Tatsachenbehauptungen ergibt, wird ein „eingeschränkter Widerruf in Erwägung gezogen. Dieser beinhaltet die Erklärung, daß die Behauptung nicht aufrecht erhalten werde, vgl. hierzu BGHZ 69, 181 (182); 65, 325 (337); BGH, NJW 1966, 647 (649); BGHZ 37, 187 (190). 730 731

BGHZ 69, 181 (182 ff.); 37, 187 (189 f.).

BGHZ 69, 181 (183 ff.); OLG Hamburg, AfP 1982, 36 (38); OLG Karlsruhe, AfP 1987, 614 (615 f.); OLG Stuttgart, AfP 1977, 276 (278); Palandt/Thomas, BGB, § 824 Anm. 8.

34

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

für das anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmal der Unwahrheit der Tatsachenbehauptung.732 Das Vorliegen eines „non liquet" wirke sich mithin im Rahmen der Widerrufsklage zum Nachteil des verletzten Rechtsinhabers aus. Folgerichtig entfalle der Widerrufsanspruch bereits mangels Feststellung einer objektiv unwahren Tatsachenbehauptung.733 Für die Anwendung des § 193 StGB auf der Rechtswidrigkeitsebene bestehe demzufolge kein Bedürfnis. 734

(2) Übertragbarkeit

der zivilrechtlichen

Grundsätze auf das öffentliche

Die angeführten privatrechtlichen Grundsätze können für den Folgenbeseitigungsanspruch aufgrund der Besonderheiten hoheitlicher Äußerungen nur in modifizierter Form Geltung beanspruchen.

(a) Geltung des § 193 StGB bei Tatsachenbehauptungen Zuzustimmen ist dem Bundesgerichtshof zunächst auch für das öffentliche Recht darin, daß § 193 StGB von seinem Tatbestand her ebenfalls Tatsachenbehauptungen erfaßt. Das ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 193 StGB, welcher keine Einschränkung auf Werturteile enthält. Zum anderen wird die grammatikalische Interpretation durch die systematische Stellung des § 193 StGB bestätigt. Denn § 193 StGB gilt unbestrittenermaßen für sämtliche Ehrschutzdelikte der §§185 ff. StGB, also auch für diejenigen Bestimmungen, wie §§185 und 187 StGB, deren Tatbestand eine unzutreffende Tatsachenerklärung umfaßt. 735

(b) Fallgruppe 1: Festgestellte Unwahrheit der Tatsachenerklärung Weiterhin ist der zivilrechtlichen Auffassung hinsichtlich des Folgenbeseitigungsanspruchs auch darin zu folgen, daß dem beeinträchtigten Rechtsinhaber ein Widerrufsanspruch gegenüber einer amtlichen Behauptung unter Aus732 BGHZ 37, 189 (190). Vgl. auch BGHZ 69, 181 (185); Palandt/Thomas, BGB, § 824 Anm. 8. S. weiterhin die Darstellung unter Β III 3, S. 271 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 477. 733 Das Erfordernis der Feststellung der Unwahrheit der ehrkränkenden Tatsachenäußerung für den uneingeschränkten Widerrufsanspruch betonend, BGHZ 69, 181 (182 f.); 37, 187 (189 f.). Vgl. auch Palandt/Thomas, BGB, Einf. vor § 823 Anm. 9, § 824 Anm. 8. 734 735

BGHZ 69, 181 (185); 37, 187 (191).

Schönke/Schröder, StGB, § 187 Rdnr. 2. Demgegenüber stellt die Unwahrheit in § 186 StGB kein Tatbestandsmerkmal, sondern nach h.M. lediglich eine objektive Bedingung der Strafbarkeit dar, vgl. Schönke/Schröder, StGB, § 186 Rdnr. 10, § 187 Rdnr. 2.

Recht

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

33

schluß des § 193 StGB dann zusteht, wenn deren Unrichtigkeit feststeht. 736 Dies ergibt sich aufgrund der bereits dargelegten Grundsätze daraus, daß für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit einer hoheitlich verursachten Beeinträchtigung im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs an das Erfolgsunrecht anzuknüpfen ist. 737 Steht der mißbilligte Erfolg (Ehrverletzung durch eine unrichtige Behauptung) nachträglich fest und besteht die Ansehensminderung zum Nachteil des Betroffenen fort, so liegt ein fortwirkender hoheitlicher Eingriffsakt vor. Diese Verletzungshandlung ist jedenfalls vom Zeitpunkt der Feststellung der Unrichtigkeit der Tatsachenerklärung an nicht mehr gem. § 193 StGB gerechtfertigt. Denn ohne eine widerrufende Erklärung würde die Behörde den Bürger wissentlich den schädlichen Auswirkungen ihrer Äußerung aussetzen. Hierbei handelt es sich um ein Verhalten, welches auf keinen Fall der Wahrung berechtigter Interessen dient bzw. nicht von den Sorgfaltspflichten des § 193 StGB gedeckt ist. Rechtlich besteht damit im Regelungsbereich der ehrverletzenden Äußerungen eine vergleichbare Fallkonstellation, wie sie bezüglich des nachträglichen Wegfalls der Legitimationswirkung eines belastenden Verwaltungsakts dargestellt worden ist. 738

(c) Fallgruppe 2: Vorliegen eines „non liquet" bezüglich der Unwahrheit der Tatsachenbehauptung Zweifelhaft ist jedoch, ob sich auch die Rechtsprechungsgrundsätze, die für den Fall der Nichtfeststellbarkeit bzw. Nichtbeweisbarkeit der Unwahrheit der aufgestellten Behauptung entwickelt worden sind, auf das öffentliche Recht übertragen lassen.

(aa) Klärungsbedürftig ist zunächst, ob das vom Bundesgerichtshof aufgestellte Prinzip, nach dem der uneingeschränkte Widerrufsanspruch nur bei festgestellter objektiver Unwahrheit der behaupteten Tatsache zuzulassen is auch in bezug auf amtliche Erklärungen Geltung beansprucht. Müßte dieser Prämisse auch für den Folgenbeseitigungsanspruch gefolgt werden, so würde der Widerrufsanspruch des Bürgers im Falle des „non liquet" bezüglich des Wahrheitsgehalts der amtlichen Erklärung von vornherein ausscheiden. Für § 193 StGB bliebe konsequenterweise kein Anwendungsraum.

736 Im Ergebnis ebenso, allerdings ohne Bezugnahme auf § 193 StGB: Frotscher, 1978, 505 (509); Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, S. 86.

JuS

737

Vgl. die Darstellung unter Β IV 1, S. 296 ff. mit Nachweisen in Fußn. 588, S. 302 ff. mit Nachweis in Fußn. 605, sowie S. 307 ff. mit Nachweis in Fußn. 624. 738 S. hierzu die Ausführungen unter Β IV 1, S. 297 ff., sowie die Darstellung unter Β II 2, S. 157 ff.

3

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Die dargestellte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beruht maßgeblich auf der Überlegung, daß nur durch eine Begrenzung des Widerrufsrechts auf erwiesenermaßen unwahre Tatsachenbehauptungen den persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Schädigers in ausreichendem Maße Rechnung getragen werden könne. Da der Widerruf einer Erklärung das Eingeständnis beinhalte, unzutreffende Tatsachen behauptet zu haben, könne eine derartig weitgehend in das Persönlichkeitsrecht des Erklärenden eingreifende Handlung nur dann verlangt werden, wenn die Unwahrheit der Mitteilung objektiv feststehe. 739 Diese für den zivilrechtlichen Widerrufsanspruch geltende Begründung ist indes auf hoheitliche ehrkränkende Äußerungen nicht übertragbar. 740 Hierfür sind zwei Überlegungen maßgebend: -

Während im Bereich des privatrechtlichen Ehrschutzes bei der Frage der Widerrufbarkeit ehrverletzender Tatsachenbehauptungen die Kollision zwischen zwei gleichberechtigten Grundrechtsträgern in Rede steht, stellt sich die Ehrverletzung durch die öffentliche Hand als ein Grundrechtseingriff gegenüber dem betroffenen Rechtsinhaber dar, dem auf Seiten des Hoheitsträgers keine entsprechende Grundrechtsträgerschaft gegenübersteht. Das demzufolge zwischen Bürger und Staat bestehende Ungleichgewicht führt zu einer erhöhten Schutzbedürftigkeit des geschädigten Rechtsinhabers. Hiermit wäre es unvereinbar, einen Widerrufsanspruch nur bei festgestellter Unwahrheit der Tatsachenbehauptung einzuräumen.741

-

Darüber hinaus widerspricht die vom Bundesgerichtshof befürwortete Beweislast des Verletzten für die Unwahrheit der Äußerung den allgemein anerkannten Beweislastregeln im Verwaltungsrecht. 742 In bezug auf belastende Verwaltungsakte ist allgemeine Ansicht, daß im Falle der fehlenden Feststellbarkeit der vom Gesetz geforderten Eingriffsvoraussetzungen der Verwaltungsakt als rechtswidrig aufgehoben wird. Das Risiko der materiellen Beweislast trägt also bei belastenden Verwaltungsakten die handelnde Behörde. 743 Dasselbe muß jedoch auch für beeinträchtigende Realakte, wie sie die amtlichen Tatsachenbehauptungen darstellen, gelten. Es wäre systemwidrig, über die entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Rechtsprechungsgrundsätze dem Bürger die Beweislast für die Unrechtmäßigkeit staatlichen Handelns aufzuerlegen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Staat für die Wahrheit der von ihm aufgestellten Be739

Vgl. die Nachweise in Fußn. 730.

740

Ebenso VG Düsseldorf, NJW 1982, 2333 f.; Berg, JuS 1984, 521 (525 f.).

741

VG Düsseldorf, NJW 1982, 2333; vgl. Berg, JuS 1984, 521 (525).

742

Vgl. Berg, JuS 1984, 521 (525).

743

Vgl. hierzu Peschau, Beweislast, S. 85 ff., 154.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

33

hauptungen in entsprechender Anwendung des § 186 StGB beweispflichtig ist. 744 (bb) Damit ist als Zwischenergebnis festzuhalten, daß die zivilrechtlichen Rechtsprechungsregeln für den Fall des „non liquet" hinsichtlich der Wahrheit der Erklärung nicht auf das öffentliche Recht übertragbar sind. Mithin kommt grundsätzlich ein Widerrufsanspruch gegen hoheitliche Äußerungen auch dann in Betracht, wenn die Unwahrheit der amtlichen Erklärung nicht feststeht.

(3) Analoge Geltung des § 193 StGB Ausgehend von diesem Ergebnis stellt sich nunmehr - in Abweichung vom Zivilrecht - die Frage, ob sich die Behörde für den Fall, daß die Wahrheit der von ihr formulierten Erklärung nicht ermittelt werden kann, darauf berufen kann, sie habe die Äußerung in Wahrnehmung berechtigter Interessen analog § 193 StGB vorgenommen. Diese Frage ist zu verneinen.745 Drei Gründe sind hierfür entscheidend: -

Ein erster Einwand resultiert aus dem Sinn und Zweck der entsprechenden Heranziehung des § 193 StGB im Rahmen des zivilrechtlichen Ehrschutzes. Wie bereits erwähnt, liegt ein wesentlicher Beweggrund für die Anwendbarkeit des § 193 StGB auf den privatrechtlichen Widerrufsanspruch in der Privilegierung der Pressearbeit zur Erleichterung ihrer öffentlichen Aufgabenerfüllung. 746 Der öffentliche Auftrag der Presse besteht in einem demokratischen Gemeinwesen jedoch zu einem erheblichen Teil in der Ausübung einer Kontrollfunktion gegenüber dem Staat. Da somit das schwerpunktmäßig presserechtlich geprägte Verständnis des § 193 StGB gerade einen Schutzzweck gegen die öffentliche Gewalt beinhaltet, erscheint es nicht sachgerecht, daß die öffentliche Hand bei Abgabe einer möglicherweise unzutreffenden Erklärung des Bürgers, eine der Presse vergleichbare Privilegierung in Anspruch nehmen kann. Für den Bereich des Widerrufsrechts ist insoweit die grundsätzlich entsprechende Geltung des § 193 StGB im öffentlichen Recht einzuschränken. - Weiterhin darf nicht außer acht gelassen werden, daß hoheitlichen Äußerungen im Verhältnis zu Aussagen in Presse, Rundfunk oder Fernsehen ein erhöhter „Autoritätsfaktor" zukommt. Staatliche Stellen genießen in den 744 So ausdrücklich VG Düsseldorf, NJW 1982, 2333 (2334 1. Sp. Mitte); weiterhin Berg, JuS 1984, 521 (526). 745

Anders im Zivilrecht, BGHZ 37, 187 (191 f.).

746

Vgl. die Darstellung unter Β IV 2, S. 330 ff. mit Nachweisen in Fußn. 116-118.

22 Pietzko

3

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Augen der Öffentlichkeit den Bonus gesteigerter Glaubwürdigkeit. Ehrverletzende Äußerungen seitens eines Hoheitsträgers belasten deshalb noch intensiver den sozialen Geltungsanspruch des betroffenen Bürgers, als dies bei sonstigen Stellungnahmen in den Medien ohnehin schon der Fall ist. 747 Auch aufgrund dieser besonderen Auswirkungen hoheitlicher Erklärungen auf die Rechtsstellung des Betroffenen erscheint es als nicht angemessen, den Bürger den nachteiligen Folgen einer bloß u.U. zutreffenden amtlichen Tatsachenbehauptung auszusetzen. Vielmehr muß hier - anders als im Zivilrecht - im Zweifel dem Grundrechtsschutz des beeinträchtigten Bürgers der Vorrang eingeräumt werden. 748 - Schließlich würde bei analoger Geltung des § 193 StGB im Falle der lediglich möglicherweise wahren hoheitlichen Erklärung die nach hier vertretener Ansicht zu Lasten des Hoheitsträgers bestehende Beweislast für die Wahrheit ihrer Behauptungen im Ergebnis über § 193 StGB wieder entkräftet. Denn könnte sich die öffentliche Hand auch bei nicht festgestellter Wahrheit ihrer Äußerungen auf § 193 StGB berufen, so würde letztlich der Bürger das Risiko der nicht möglichen Feststellbarkeit des Wahrheitsgehalts der Erklärung tragen. Aufgrund der beschriebenen Nachteile, die für den Bürger aus hoheitlichen Tatsachenbehauptungen entstehen können, erscheint das im Bereich des öffentlich-rechtlichen Ehrschutzes aber gerade nicht sachgerecht. Damit kommt für den Fall, daß die Wahrheit der amtlichen Verlautbarung nicht ermittelt werden kann, der Widerrufsanspruch des Betroffenen in Gestalt des Folgenbeseitigungsanspruchs in Betracht. Hierbei trägt die Behörde die Beweislast für die Wahrheit der von ihr aufgestellten Behauptung. Eine Berufung auf den Rechtsgedanken des § 193 StGB, der dem Grundsatz nach auch im öffentlichen Recht entsprechende Geltung beansprucht, ist dem Hoheitsträger in einem solchen Fall verwehrt.

(4) Annex: Eingeschränkter Widerrufsanspruch bei inhaltlich zutreffenden, jedoch in rechtswidriger Weise zustandegekommenen hoheitlichen Tatsachenbehauptungen Über den vorstehend beschriebenen Anwendungsbereich des Widerrufsanspruchs in Gestalt des Folgenbeseitigungsanspruchs bei ehrkränkenden Tatsachenerklärungen hinaus, ist ergänzend auf einen weiteren Sonderfall

747 Vgl. hierzu bereits die Darstellung unter Β III 3, S. 271 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 472 und 473. 748

Im Ergebnis ebenso: VG Düsseldorf, NJW 1982, 2333 (2334); Berg, JuS 1984, 521 (525 f.).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

33

hinzuweisen, bei dem trotz inhaltlich zutreffender Tatsachenbehauptung ein Widerrufsanspruch des Betroffenen in Betracht kommen kann. Es handelt sich hierbei um die Fälle, in denen die amtliche Mitteilung von einem sachlich unzuständigen Amtswalter geäußert, d.h. also aufgrund einer Kompetenzüberschreitung vorgenommen worden ist. Praxisrelevanz weist hier namentlich der Fall auf, daß die amtliche Stellungnahme nicht mehr als Annexkompetenz zu dem der Äußerung zugrundeliegenden staatlichen Aufgabengebiet anerkannt werden kann.749 Obgleich in dieser Fallvariante die amtliche Erklärung auf inhaltlich richtigen Tatsachen beruht, stellt dieser Verstoß eine eigenständige, im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs relevante Grundrechtsverletzung dar. Wie bereits ausgeführt, 750 ist hier einer der Ausnahmefälle gegeben, in denen lediglich die formelle Rechtswidrigkeit des Eingriffsakts zum Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs ausreicht. Mit Rücksicht auf die inhaltliche Richtigkeit der Äußerung ist allerdings eine Anpassung der Rechtsfolge erforderlich: Demnach kann über den Folgenbeseitigungsanspruch nicht - wie sonst bei Widerrufsansprüchen üblich - von der Behörde die Erklärung verlangt werden, die von ihr aufgestellte Tatsachenbehauptung sei unwahr. Vielmehr ist der Hoheitsträger im Wege des eingeschränkten Widerrufs zu der Erklärung zu verpflichten, „daß die von ihm getätigte inhaltlich zutreffende Äußerung in rechtswidriger Weise vorgenommen worden ist." 751

ccc) Art. 97 GG/§ 25 DRiG Ferner ist klärungsbedürftig, ob für den speziellen Anwendungsbereich ehrverletzender Äußerungen, die von Richtern in einem gerichtlichen Verfahren gegenüber Verfahrensbeteiligten oder Zeugen vorgenommen werden, eine Duldungspflicht des Betroffenen nach Maßgabe des Art. 97 GG/§ 25 DRiG eingreift. 749 Vgl. hierzu BVerwG, NJW 1989, 2272 (2273); s. auch BVerwG, DVB1. 1985, 857 (860). S. weiterhin zum Erfordernis einer formalgesetzlichen Ermächtigung für behördliche Warnungen und Empfehlungen Meyn, JuS 1990, 630 (633); Ossenbühl, Umweltpflege, S. 33 ff. 750 751

Vgl. die Darstellung unter Β IV 1, S. 307 ff. mit Nachweisen in Fußn. 631 und 634.

Vgl. hierzu BVerwGE 38, 336 (346), wonach die Behörde für den Fall einer ohne Beachtung des Anhörungsrechts erteilten Auskunft verpflichtet worden ist, gegenüber dem Empfänger der Auskunft mitzuteilen, „die erteilte Auskunft sei für rechtswidrig erklärt worden". Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß nach der hier vertretenen Harmonisierung des Folgenbeseitigungsanspruchs mit der Regelung in § 46 VwVfG - vgl. hierzu die Darstellung unter Β IV 1, S. 305 ff., sowie S. 307 ff. - dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Ergebnis nur dann beigepflichtet werden könnte, wenn sich der formelle Verstoß auf den materiell-rechtlichen Inhalt der Mitteilung ausgewirkt hätte. S. hierzu bereits den Nachweis in Fußn. 634.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Wie schon dargelegt,752 sind derartige Tatsachenbehauptungen als Eingriffsakte i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs einzustufen. Fraglich ist jedoch, ob und in welchem Umfang solche Ehrkränkungen durch die gem. Art. 97 GG/§ 25 DRiG gewährleistete richterliche Unabhängigkeit legitimiert sind. Dem Grundsatz nach ist eine diesbezügliche Tolerierungsverpflichtung des verletzten Rechtsinhabers anzuerkennen.753 Drei Erwägungen sind hierfür ausschlaggebend: -

Zunächst ist zu bedenken, daß der Richter in der individuellen Verfahrensführung eingeschränkt würde, wenn er befürchten müßte, wegen Äußerungen im Rahmen des Prozesses auf Widerruf in Anspruch genommen zu werden. Eine dem Verlauf des Rechtsstreits angemessene Verfahrensgestaltung wäre insoweit u.U. nicht mehr sichergestellt. - Bestätigt wird dieser Standpunkt durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum privatrechtlichen Ehrschutz gegenüber Parteivorbringen im Rahmen eines anhängigen Rechtsstreits. Die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung754 versagt unter überwiegender Zustimmung der Literatur 755 prinzipiell die rechtliche Befugnis, ein ehrverletzendes Parteivorbringen während eines schwebenden Gerichtsverfahrens im Wege der Widerrufs- und Unterlassungsklage anzugreifen. Diese Rechtsprechungsregeln sollen auch für die Fallgestaltungen eingreifen, wenn die ehrenrührige Erklärung im Verhältnis zu Dritten erfolgt, welche am schwebenden Verfahren nicht beteiligt sind.756 Der tragende Grund für diese Rechtsmeinung wird vor allem darin gesehen, daß nur so eine nicht sachgerechte Einflußnahme auf ein bestehendes gerichtliches Verfahren ausgeschlossen werden könne und eine objektive Urteilsfindung ermöglicht werde. 757 Es müsse 752

S. die Ausführungen unter Β II 3, S. 223 ff.

753

Grundsätzlich wohl ebenfalls: OVG Münster, NJW 1988, 2636 (2637); diese Frage offenlassend: OVG Münster, U. v. 4.6.1985 - 20 A 659/84 - (unveröffentl.), S. 6; OVG Münster, U. v. 9.2.1983 - 20 A 2078/82 - (unveröffentl.), S. 8 f. 754

BGH, NJW 1989, 2941 (2942); BGH, JZ 1986, 1057 (1058), mit Anm. Walter, JZ 1986, 1058 ff.; BGH, NJW 1977, 1681 (1682); NJW 1971, 284 f.; OLG Düsseldorf, AfP 1987, 626 (627); OLG Hamm, NJW-RR 1990, 1405; OLG Koblenz, NJW 1990, 1243; OLG München, NJW 1971, 618; LG Berlin, NJW 1984, 1760 (1761); LG Frankfurt, NJWRR 1990, 1403 (1404). Die Rechtsprechnung knüpft hierbei an Ausführungen von E. Helle, NJW 1958, 1524 (1525), an. 75 5

Palandt/Thomas, BGB, Einf. vor § 823 Anm. 8 b bb; J. Helle, NJW 1987, 233; differenzierend: Walter, JZ 1986, 614 (617 ff.). 756 So ausdrücklich OLG Düsseldorf, AfP 1987, 626 (627 1. Sp. oben); vgl. weiterhin BGH, NJW 1989, 2941 (2942); OLG München, NJW 1971, 618; LG Frankfurt, NJW-RR 1990, 1403 (1404); J. Helle, NJW 1987, 233. 757 BGH, JZ 1986, 1057 (1058); BGH, NJW 1971, 284; OLG Hamm, NJW-RR 1990, 1405; OLG Koblenz, NJW 1990, 1243 f.; OLG München, NJW 1971, 618; LG Frankfurt, NJW-RR 1990, 1403 (1404).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

31

verhindert werden, daß der Entscheidung im Ausgangsverfahren durch ein Urteil im Ehrschutzverfahren vorgegriffen werde. 758 Eine diesbezügliche Ehrschutzklage sei somit mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig abzuweisen.759 - Die vorstehenden Erwägungen beanspruchen bei ehrverletzenden Äußerungen eines Richters entsprechende Geltung. Auch hier ist der Gedanke entscheidend, daß die Wahrheitsfindung im Prozeß, soweit irgend möglich, einer Einflußnahme durch außerhalb der konkreten Rechtsstreitigkeit liegende Umstände entzogen sein muß. Außerdem darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Betroffene gegenüber ungebührlichen Aussagen des Richters weitestgehend durch die Befangenheitsvorschriften, vgl. §§ 4 2 - 4 7 ZPO, § 54 VwGO i.V.m. §§ 4 2 - 4 7 ZPO, §§ 2 4 - 2 9 StPO, geschützt ist. Der so eröffnete Rechtsschutz rechtfertigt es für den Regelfall, das Eingreifen eines eigenständigen Widerrufsanspruchs, gestützt auf die Folgenbeseitigungsnorm, zu verneinen. Allerdings gilt das Vorgenannte nicht einschränkungslos. Mit Rücksicht auf den hohen verfassungsrechtlichen Stellenwert des Ehrschutzes und des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ist jedenfalls bei vorsätzlichen, jeglicher Sachlichkeit entbehrenden ehrkränkenden Tatsachenbehauptungen ein Widerrufsanspruch zuzubilligen.760 Ein gesetzlich geregelter Anhaltspunkt für eine derartige Begrenzung des richterlichen Handelns eröffnet § 39 DRiG, der dem Richter eine Mäßigungspflicht auferlegt. Die darin liegende Einschränkung der richterlichen Unabhängigkeit muß sich angesichts der Bedeu-

758 BGH, JZ 1986, 1057 (1058); BGH, NJW 1977, 1681 (1682); NJW 1971, 284; OLG Düsseldorf, AfP 1987, 626 (627); OLG Hamm, NJW-RR 1990, 1405; LG Frankfurt, NJWRR 1990, 1403 (1404); s. auch LG Berlin, NJW 1984, 1760 (1761). 759 BGH, JZ 1986, 1057 f.; OLG Hamm, NJW-RR 1990, 1405; Walter, JZ 1986, 614 (617); Weitnauer, JZ 1962, 489 f. Früher hat der Bundesgerichtshof die Widerrufs- bzw. Unterlassungsklage als unbegründet abgewiesen - z.B. BGH, NJW 1962, 243 (244 f.) - , dies befürwortend: J. Helle, NJW 1987, 233. 760

In der zivilrechtlichen Rechtsprechung wird erwogen, den Widerrufs- bzw. Unterlassungsanspruch ausnahmsweise dann zuzulassen, wenn eine Partei in einem Rechtsstreit Äußerungen abgibt, die „offensichtlich ohne jeden inneren Zusammenhang mit der Ausführung oder Verteidigung von Rechten steht, der sie dienen soll" bzw. wenn sie „leichtfertig Behauptungen aufstellt, deren Unhaltbarkeit ohne weiteres auf der Hand liegt, oder wenn (sie) gar bewußt unwahre Behauptungen vorträgt", diese Frage offenlassend BGH, NJW 1971, 284 (285); NJW 1962, 243 (244); für diese Fälle einen Widerrufs- bzw. Unterlassungsanspruch anerkennend LG Berlin, NJW 1984, 1760 (1761). Auch das OLG Koblenz, NJW 1990, 1243 (1244 1. Sp. oben), räumt dem Rechtsinhaber einen Widerrufsbzw. Unterlassungsanspruch ein, „wenn die Tatsache, deren Behauptung dem auf Widerruf in Anspruch genommenen Zeugen angelastet wird, unstreitig unwahr ist und der Zeuge sich lediglich damit verteidigt, die Behauptung nicht aufgestellt zu haben"; hingegen ablehnend J. Helle, NJW 1987, 233 (234); vgl. die weiteren Nachweise zum Meinungsstand bei ders., GRUR 1982, 207 (216 ff.).

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

tung des betroffenen Rechtsguts auch auf derartige ehrverletzende Äußerungen auswirken. Mithin bleibt festzuhalten, daß grundsätzlich gegenüber ehrkränkenden unzutreffenden Erklärungen eines Richters in einem gerichtlichen Verfahren eine Duldungspflicht nach Maßgabe des Art. 97 GG/§ 25 DRiG besteht. Lediglich bei vorsätzlichen bzw. willkürlichen Ehrverletzungen des Richters kommt ein im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs geltend zu machender Widerrufsanspruch in Betracht.

c) Duldungspflicht aufgrund ausdrücklicher oder konkludenter Zustimmung des betroffenen Rechtsträgers Schließlich sei auf die Möglichkeit hingewiesen, daß sich eine Duldungspflicht auch auf der Grundlage einer Zustimmung des betroffenen Rechtsträgers ergeben kann. Das setzt voraus, daß er entweder durch eine einseitige öffentlich-rechtlich zu qualifizierende Willenserklärung oder im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages seine Bereitschaft zur Duldung des hoheitlichen Eingriffs in seine Rechtssphäre ausdrücklich geäußert hat. 761 Die Wirksamkeit einer derartigen Zustimmung erfordert in erster Linie, daß der Betroffene rechtswirksamer Inhaber des geschützten Rechtsguts ist und darüber dispositionsbefugt ist. Überdies muß der Verzicht auf den Rechtsschutz freiwillig und aufgrund zutreffender Sachverhaltsaufklärung und Information über seine Rechte durch die Behörde erfolgt sein. Die Zustimmung kann vor oder auch nach dem Eingriff erteilt werden. 762 Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit einer konkludenten Einwilligung in die Rechtstangierung, wobei an deren Vorliegen indes strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Tatsache allein, daß der Bürger sich gegen die staatliche Verletzungshandlung zunächst nicht gewährt hat, darf zum Schutz des Bürgers nicht bereits als Verzicht auf die Geltendmachung seiner Rechte gedeutet werden. 763 Allerdings muß sich der Inanspruchgenommene seine Untätigkeit in bezug auf den Eingriffsakt ggf. als mitwirkendes Verschulden im Rahmen der Geltendmachung des Folgenbeseitigungsanspruchs entgegenhalten las-

761 Vgl. BVerwG, DVB1. 1974, 239 (240 r. Sp. Mitte): Duldungspflicht durch Rechtsgeschäft. 762

Vgl. allgemein zur Einwilligung in Grundrechtseingriffe v. Münch, in: v. Münch, GG, Vorb. Art. 1 - 1 9 Rdnrn. 62 f. 763 764

Vgl. mittelbar BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860 f.).

BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860 f.). Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 4 Β V, S. 538 ff.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

33

d) Zweites Teilergebnis zur Rechtswidrigkeit Mithin ist als zweites Teilergebnis in bezug auf die Begriffsbestimmung der Rechtswidrigkeit im Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs festzuhalten, daß die Widerrechtlichkeit der Rechtsbeeinträchtigung darauf beruhen kann, -

daß das Handeln der Verwaltungsbehörde ohne bzw. aufgrund einer nicht verfassungskonformen Ermächtigungsgrundlage vorgenommen worden ist - oder unter Verletzung materieller, im Ausnahmefall auch lediglich formeller Rechtsgebote durchgeführt worden ist. Die Unrechtmäßigkeit der administrativen Verletzungshandlung scheidet hingegen aus, wenn eine materiell-rechtliche Duldungsverpflichtung des Betroffenen vorliegt. Diese kann beruhen: -

auf der Grundlage eines rechtswirksamen, ggf. auch rechtswidrigen Verwaltungsakts, wobei im Einzelfall die exakte Reichweite der legalisierenden Wirkung des Verwaltungsakts ermittelt werden muß, - auf einer gesetzlichen Grundlage, die insbesondere im Immissionsrecht und im Bereich der ehrkränkenden Äußerung zu beachten ist - und auf einer ausdrücklichen oder konkludenten Zustimmung des betroffenen Rechtsinhabers. Demgegenüber ist die Zulässigkeit einer darüber hinausgehenden richterrechtlichen Duldungspflicht bei gemeinwichtigen Anlagen zu verneinen.

V. Fortdauer der rechtswidrigen Rechtsbeeinträchtigung zum Nachteil des Anspruchstellers Keine Probleme ruft die Begriffsbestimmung der fünften Anspruchsvoraussetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs hervor, die in der Fortdauer der widerrechtlichen Rechtsverletzung zu Lasten des Betroffenen besteht.765 Auf der Grundlage der grundrechtlichen Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs stellt die Integritätsverletzung des Anspruchstellers in Gestalt der faktischen Veränderung des Status quo ante den maßgeblichen Entste765 BVerwG, NJW 1989, 118 r. Sp. Mitte; BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860 1. Sp. oben); OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207 r. Sp. oben); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 1. Sp. unten); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 219, 265; Bettermann, DÖV 1955, 528 (535); Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 6; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 498; Papier, DÖV 1972, 845 (850 r. Sp. oben); Wallerath, AllgVerwR, S. 364; ders., DÖV 1987, 505 (511 1. Sp. unten); vgl. auch Rösslein, FBA, S. 36, in bezug auf den Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch, sowie W. Martens, Rechtsschutz, S. 26, hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs gegenüber Realakten.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

hungsgrund des Rechtsinstituts dar. Demzufolge ist der Fortbestand der Beeinträchtigung einer verfassungsrechtlich, gesetzlich oder auch durch Verwaltungsakt begründeten Rechtsposition des Anspruchstellers 766 immaterieller oder materieller Art eine für das Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs unerläßliche Voraussetzung. Damit eng verbunden ergibt sich dieses Tatbestandsmerkmal auch als Folge seines Rechtscharakters als primärer Störungsbeseitigungsanspruch, der auf die tatsächliche Herstellung des vor dem verletzenden hoheitlichen Eingriffsakt gegebenen Zustands gerichtet ist. 767 Da somit der Haftungsgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht in der Kompensation des zu Lasten des Betroffenen eingetretenen Nachteils, sondern in der realen Störungsausräumung liegt,768 folgt hieraus das für das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs zwingende Erfordernis einer fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung. Wird nämlich der nachteilige Hoheitsakt gegenstandslos einschließlich der Folge, daß hiermit gleichzeitig die eingetretene Rechtsverletzung beseitigt wird, so entfällt damit der Angriffsgegenstand des Haftungsinstituts. Für den Folgenbeseitigungsanspruch, qualifiziert als tatsächlicher Störungsbeseitigungsanspruch, bleibt dann aus sachlogischen Gründen kein Raum mehr. 769

VI. Kausalität zwischen Eingriff und Rechtsgutsverletzung sowie Zurechnungsproblematik (sog. haftungsbegründende Kausalität) Weitere Voraussetzung für das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs ist schließlich, daß zwischen dem staatlichen Eingriffsakt und der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung ein Kausalzusammenhang besteht und darüber hinaus dem Hoheitsträger die Rechtsverletzung zurechenbar ist (sog. haftungsbegründende Kausalität).770

766

S. die Darstellung unter Β I 1, S. 139 ff.

767

Vgl. die Nachweise in Fußn. 208 sowie die Darstellung in Kapitel 3 Β I 2, S. 393 ff. mit den Nachweisen ebd., Fußn. 22-24. 768

Vgl. die Darstellung unter Β II 2, S. 193 f.

769

Zu der Frage, ob an Stelle des nicht realisierbaren - auf reale Störungsbeseitigung gerichteten - Folgenbeseitigungsanspruchs ein Folgenentschädigungsanspruch bzw. ein Folgenersatzanspruch zu befürworten ist, vgl. die Darstellung in Kapitel 3 D, S. 476 ff., sowie in Kapitel 4 Β V 1, S. 541 ff., und in Kapitel 4 Β V 2, S. 547 ff. 770

Dieses Tatbestandserfordernis des Folgenbeseitigungsanspruchs wird in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig nicht ausdrücklich genannt, expressis verbis darauf hinweisend jedoch: BVerwGE 69, 366 (372); vgl. weiterhin VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (103); VG Münster, NJW 1989, 1820 (1821); Bender, VB1BW 1985, 201 (203); Maaß, BayVBl. 1987, 520 (525); Rüfiier, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 603.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

Dieser im Zivilrecht insbesondere im Rahmen des Schadensersatzrechts für die Haftungsbegründung geltende Grundsatz771 beansprucht - ungeachtet der daran anschließenden Frage, ob auch die im bürgerlichen Recht im einzelnen entwickelten Kriterien zur Bestimmung der haftungsbegründenden Kausalität übernommen werden können - gleichermaßen im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs Geltung. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Die Notwendigkeit des Vorliegens eines Kausalitäts- und Zurechnungszusammenhangs zwischen der hoheitlichen Verletzungshandlung und der erfolgten Rechtsbeeinträchtigung des Bürgers resultiert aus dem dogmatischen Fundament des Folgenbeseitigungsanspruchs. Denn die Freiheitsgrundrechte begründen ausschließlich bei staatlichen Übergriffen einen Beseitigungsanspruch. Begreift man die Einstandspflicht im Wege der Folgenbeseitigung als Haftung für staatliches Unrecht, so ist die Beschränkung der Beseitigungspflicht auf durch den Hoheitsträger kausal verursachte und ihm zurechenbare Rechtsverletzungen des Betroffenen eine zwingende Konsequenz. Hieraus erwächst wie im Zivilrecht das Erfordernis der Herausbildung eindeutiger Merkmale, anhand derer die Frage des „Ob" der Verantwortung der öffentlichen Hand für die Rechtstangierung des Bürgers ermittelt werden kann. Demgemäß liegt es nahe, insoweit auf die im Privatrecht bereits entwickelten Haftungsgrundsätze Bezug zu nehmen und sie auf ihre Übertragbarkeit auf den Folgenbeseitigungsanspruch hin zu überprüfen.

1. Begriffsbestimmung Bei Anwendung der im Zivilrecht anerkannten Begriffsbestimmung 772 ist unter der haftungsbegründenden Kausalität die Frage der Verantwortung des Hoheitsträgers für die eingetretene Integritätsverletzung des Bürgers zu verstehen.773 Ihr Regelungsgegenstand ist somit die Einstandspflicht der öffentlichen Gewalt für die durch den staatlichen Eingriffsakt hervorgerufene Zustandsveränderung. Demgegenüber stellt die hiervon zu unterscheidende Problematik, ob die erst aus der Rechtsgutsbeeinträchtigung ggf. erwachsenden weiteren Folgen ebenfalls vom Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt werden, eine Frage des Anspruchsumfangs des Rechtsinstituts, der sog. haftungsausfüllenden Kausalität, dar. 774 771 Vgl. zur Voraussetzung der haftungsbegründenden Kausalität beispielsweise: Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rdnr. 47; ders., Haftungsrecht, Bd. 1, § 11 III 1, S. 140 f.; Grunsky, in: Müko, BGB, vor § 249 Rdnrn. 3 ff.; Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 27 III a, S. 432 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5 A a aa. 772

Vgl. die Nachweise wie vor.

773

BVerwGE 69, 366 (372); Bender, VB1BW 1985, 201 (203).

774

S. zum Begriff der haftungsausfüllenden Kausalität exemplarisch: Deutsch, Unerlaub-

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

So betrifft beispielsweise die Frage, ob ein Bürger nach Fristablauf einer behördlichen Wohnungsbeschlagnahme die Ausweisung des Obdachlosen begehren kann, die Problematik der haftungsbegründenden Kausalität, weil die Inanspruchnahme des Wohnraums die Primärverletzung der ordnungsbehördlichen Verfügung bildet. Im Unterschied hierzu wird bei der Fragestellung, ob der betroffene Wohnungsinhaber darüber hinaus von den staatlichen Stellen im Wege der Folgenbeseitigung einen finanziellen Ausgleich für die infolge der Einweisung entgangenen Mieteinnahmen verlangen kann, die haftungsausfüllende Kausalität angesprochen. Sie ist im Rahmen der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs zu erörtern. 775

2. Kausalität zwischen staatlicher Eingriffsmaßnahme und Rechtsbeeinträchtigung des Bürgers Für das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs ist demnach das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der staatlichen Verletzungshandlung und der Schutzgutsbeeinträchtigung vonnöten. Erörterungsbedürftig ist folglich, unter welchen Voraussetzungen vom Bestehen eines derartigen haftungsrechtlich relevanten Kausalzusammenhangs ausgegangen werden kann.

a) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7.1984 Aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7. 1984, 776 in der das Gericht das Begehren eines Unternehmens auf Erstattung von Zinsaufwendungen abgelehnt hat, die der Gesellschaft als Folge einer rechtswidrigen Heranziehung zu einem zinslosen Bardepot entstanden waren, ist die haftungsbegründende Kausalität zwischen Eingriffsakt und Eingriffsfolge in zwei Fällen zu bejahen: -

Unproblematisch ist danach die haftungsbegründende Kausalität in bezug auf diejenigen Folgen einer Amtshandlung festzustellen, „auf deren Eintritt sie - unmittelbar - gerichtet war". 777

te Handlungen, Rdnr. 48; ders., Haftungsrecht, Bd. 1, § 11 III 2, S. 141 f.; Grunsky, in: Müko, BGB, vor § 249 Rdnrn. 36 ff.; Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 27 III a, S. 432 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5 A a bb. 775

Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 3 C, S. 433 ff.

776

BVerwGE 69, 366 ff.

777

So BVerwGE 69, 366 (372).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

-

3

Ferner wird der haftungsrechtlich relevante Zusammenhang hinsichtlich der weiteren Folgen eines staatlichen Eingriffsakts befürwortet, wenn diese unmittelbar und adäquat eingetreten sind.778

Offengelassen hat das Gericht hingegen die Frage, ob der haftungsrechtlich maßgebliche Ursachenzusammenhang auch bezüglich lediglich mittelbar eingetretener, adäquater Eingriffsfolgen gegeben ist. 779

b) Kritik an der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts Zuzustimmen ist dem Bundesverwaltungsgericht zunächst in der ersten Feststellung, derzufolge jedenfalls hinsichtlich der Eingriffsfolgen, die zielgerichtet durch die staatliche Eingriffsmaßnahme hervorgerufen worden sind, der haftungsbegründende Zusammenhang vorliegt. 780 Bezweckt der Hoheitsträger durch sein Verhalten eine bestimmte Zustandsveränderung beim Bürger, so bewirkt dieser noch über den geforderten ursächlichen Zusammenhang hinausgehende finale Bezug zwischen der Verletzungshandlung und der Eingriffsfolge das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs. Für solche Fälle wirft mithin die Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität in der Tat keine Probleme auf. Als Beispiele für eine derartige Finalität der Eingriffsfolge seien die behördlich angeordnete Beschlagnahme sowie - um auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zurückzukommen - die rechtswidrigerweise vollzogene Bardepotverpflichtung genannt. Kritikwürdig erscheint die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts gleichwohl unter drei Aspekten: -

Die Bedenken gegenüber dem Merkmal der Zielgerichtetheit der Eingriffsfolge resultieren infolgedessen nicht aus einer etwa bestehenden prinzipiellen Ungeeignetheit zur Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität. Vielmehr beruhen die Einwände in bezug auf das Finalitätskriterium darauf, daß ihm in der Praxis zwangsläufigerweise ein lediglich eingeschränkter Anwendungsbereich zukommen kann, und das Merkmal eine Vielzahl der haftungsrelevanten Fälle nicht erfaßt. Denn die Zielgerichtetheit staatlichen Handelns als haftungsbegründender Umstand kann regelmäßig nur dort von Bedeutung sein, wo die öffentliche Gewalt in Gestalt verbindlicher Rechtsfolgenanordnungen und Befehle gegenüber dem Bürger tätig

778

Nachweis wie vor.

779

Nachweis wie Fußn. 777.

780

Ebenso Bender, VB1BW 1985, 201 (203).

34

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

wird, d.h. vor allem im Rahmen des Handelns durch Verwaltungsakt. Hingegen versagt dieser Gesichtspunkt insbesondere in den Fällen, in denen die Exekutive durch tatsächliches Verwaltungshandeln, vor allem aufgrund schlicht-hoheitlicher Maßnahmen, in die Rechte des Bürgers eingreift. 781 Namentlich für den weiten Anwendungsbereich hoheitlich verursachter Immissionen scheidet die Finalität der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung aus. Infolge des aus der Begriffsbestimmung notwendigerweise folgenden begrenzten Regelungsgehalts kommt dem Kriterium folglich zur Lösung der Ausgangsfrage ein nur eingeschränkter Aussagegehalt zu. -

In dogmatischer Hinsicht erhebt sich ein weiterer Vorbehalt gegen die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts insofern, als das Gericht im Rahmen der Haftungsbegründung unter Heranziehung der Adäquanztheorie zwischen unmittelbar und mittelbar eingetretenen Eingriffsfolgen differenziert. Hierdurch knüpft das Gericht ausdrücklich an zivilrechtliche Kategorien an: Im Privatrecht wird als unmittelbarer Schaden die nachteilige Veränderung bezeichnet, die infolge des Eingriffs am betroffenen Recht oder Rechtsgut selbst verursacht worden ist, während die durch das schädigende Ereignis hervorgerufenen sonstigen Vermögenseinbußen als mittelbare Schäden qualifiziert werden. 782 Zu letzteren zählen in erster Linie der entgangene Gewinn i.S. des § 252 BGB sowie der Erwerbs- und Nutzungsausfall. 783 Wie bereits erwähnt, betrifft die haftungsbegründende Kausalität indes ausschließlich den Ursachenzusammenhang zwischen dem Eingriffsakt und der hierdurch entstandenen Rechtsgutsverletzung. Die Ersatzfähigkeit bzw. Beseitigungspflicht bloß mittelbar hervorgerufener Eingriffsfolgen, die erst als weitere Folgen aus der Rechtsbeeinträchtigung erwachsen, stellt demgegenüber eine Problematik dar, die sich erst im Rahmen des Anspruchsumfangs bei Erörterung der Rechtsfolgen des Haftungsinstituts stellt.784

781

Hierauf ebenfalls hinweisend Bender, VB1BW 1985, 201 (203).

782

Erman/Sirp, BGB, § 249 Rdnr. 10; Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 2 f und 5 C e. Die Terminologie ist allerdings nicht einheitlich: so spricht Deutsch, Haftungsrecht, Bd. 1, S. 425, von dem „Rechtsgut- und Folgeschaden"; Esser/Schmidt, SchuldR, AllgTeil, § 34 I 2, S. 559, von dem „Verletzungs- und Vermögensfolgeschaden", während Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 27 II b 3, S. 429 f., die Begriffe „Objekt- und Vermögensfolgeschaden" verwendet und Medicus, Schaden, S. 27 ff., 42 f., zwischen dem sofort eintretenden, d.h. dem unmittelbaren, und dem erst nach der Verletzung im zeitlichem Verlauf sich entwickelnden, dem mittelbaren Schaden, unterscheidet. 783

Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 27 II b 3, S. 429; Palandt/Heinrichs, vor § 249 Anm. 2 f. 784

BGB, Vorbem.

Vgl. hierzu Bender, VB1BW 1985, 201 (203); Maaß, BayVBl. 1987, 520 (525).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

Mithin kann die vom Bundesverwaltungsgericht offengelassene Frage, ob der Folgenbeseitigungsanspruch auch mittelbar eingetretene adäquate Eingriffsfolgen erfaßt, von vornherein nicht im Rahmen der Haftungsbegründung relevant werden, sondern vielmehr erst im Hinblick auf die haftungsausfüllende Kausalität Bedeutung erlangen. -

Neben den erwähnten dogmatischen Bedenken hinsichtlich der Einordnung der Kausalitätsproblematik sind außerdem bereits an dieser Stelle Zweifel an der Tauglichkeit der Abgrenzungskriterien „unmittelbare-mittelbare" Eingriffsfolgen zu äußern. Während der Begriff der „Unmittelbarkeit" im Rahmen des Finalitätskriteriums - kausal sind danach, wie dargelegt, solche Eingriffsfolgen, auf die der Eingriff unmittelbar gerichtet war 785 - insofern die Bestimmung des haftungsbegründenden Ursachenzusammenhangs in dem beschriebenen Umfang ermöglicht, als hier durch die Einbeziehung des mit der Eingriffsmaßnahme staatlicherseits verfolgten Zwecks die Zuordnung der Rechtsbeeinträchtigung zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers erfolgt, ist dies nicht möglich, wenn ohne Hinzuziehung eines subjektiven Maßstabes alleine auf die Unmittelbarkeit des Eintritts der Folgen abgestellt wird. Wie bereits Nipperdey 786 festgestellt hat, ist der Begriff der „Unmittelbarkeit" überall dort, wo er angewendet wird, beispielsweise im Schadensersatzrecht, im Enteignungsrecht oder auch im Polizeirecht, „nur Ausdruck der dogmatischen und sachlichen Verlegenheit, (noch) nicht ganz präzise angeben zu können, was überhaupt gemeint ist". Ihm kommt, wie Bender 787 es formuliert hat, lediglich der Charakter einer ,3egriffshülse" zu. Die Unbestimmtheit und damit einhergehende Ungeeignetheit dieses Abgrenzungsgesichtspunktes erfordert es, im Regelungsbereich der haftungsausfüllenden Kausalität nach konkreteren Merkmalen zu suchen, mit deren Hilfe eine voraussehbare Bestimmung des Anspruchsumfangs des Folgenbeseitigungsanspruchs sichergestellt wird. 788

c) Eigene Stellungnahme Fraglich ist somit, auf welche Weise die haftungsbegründende Kausalität anhand objektiver Merkmale bestimmt werden kann.

785

Vgl. den Nachweis in Fußn. 777.

786

So Nipperdey, NJW 1967, 1985 (1990 r. Sp. oben).

787

Bender, VB1BW 1985, 201 (203 1. Sp. unten).

788

Vgl. die Darstellung in Kapitel 3 C III 1, S. 434, sowie in Kapitel 3 C IV 2, S. 455 f.

3

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

aa) Feststellung der Kausalität im Zivilrecht aufgrund der Adäquanztheorie Nach heute im bürgerlichen Recht überwiegend vertretener Meinung bestimmt sich die Kausalität aufgrund der Adäquanztheorie.789 Diese setzt, anknüpfend an die Äquivalenztheorie, zunächst voraus, daß der Schädiger eine conditio sine qua non für den eingetretenen Schaden gesetzt hat. 790 Steht die Ursächlichkeit i.S. der Äquivalenzlehre fest, so ist zu untersuchen, ob die vom Schädiger initiierte Bedingung dem verursachten Schaden adäquat ist. 791 Das ist dann anzunehmen, wenn diese Tatsache im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des eingetretenen Erfolges geeignet gewesen ist. 792 Dabei kommt es bei der Beurteilung der Adäquanz nicht auf die Einsicht des Schädigers im Zeitpunkt der Verletzungshandlung an, sondern es sind vielmehr aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose alle einem optimalen Betrachter zur Zeit des Ereignisses erkennbaren Gegebenheiten zu berücksichtigen.793 Mithin ist die Adäquanztheorie nicht als eine reine Kausallehre zu qualifizieren. Sie stellt vielmehr einen Bewertungsmaßstab zur Verfügung, aufgrund dessen bei gänzlich unwahrscheinlichen Schadensverläufen eine Haftung des Schädigers ausgeschlossen wird. 794

bb) Entsprechende Geltung der Adäquanztheorie

im öffentlichen

Recht

Somit erhebt sich die Frage nach der entsprechenden Geltung der im bürgerlichen Recht entwickelten Adäquanztheorie beim Folgenbeseitigungsanspruch, von der das Bundesverwaltungsgericht in der oben genannten Ent789

Vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5 A c; Staudinger/ Medicus, BGB, § 249 Rdnr. 48. A.A. beispielsweise Deutsch, Haftungsrecht, Bd. 1, § 11 III 1, S. 141, weil im Rahmen der Haftungsbegründung die erforderlichen Haftungsbeschränkungen auf einer anderen Ebene, dem Verschuldenserfordernis, erfolgten. 790

BGHZ 2, 138 (140 f.); Grunsky, in: Müko, BGB, vor § 249 Rdnr. 40.

791

Vgl. die Nachweise wie vor.

792 BGH, NJW 1976, 1143 (1144 r. Sp. oben); BGHZ 57, 137 (141); 7, 198 (204); 3, 261 (267), im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, vgl. RGZ 170, 129 (136); 158, 34 (38); 142, 383 (388); weiterhin OLG Köln, NJW 1982, 2260 (2261). 793 BGH, NJW 1976, 1143 (1144 r. Sp. oben); BGHZ 3, 261 (268 f.); Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 27 III b 1, S. 436; Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5 A c cc. 794 Vgl. hierzu BGHZ 30, 154 (157); 18, 286 (288); 3, 261 (267); Brox, AllgSchuldR, § 26 Rdnr. 330; Kötz, Deliktsrecht, C I 3 c Rdnrn. 153-155; Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 27 III b 1, S. 440; Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5 A c dd.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

31

Scheidung ohne nähere Begründung ausgegangen ist. 795 Die vom Bundesverwaltungsgericht befürwortete Anwendbarkeit der Adäquanzlehre im Hinblick auf den Folgenbeseitigungsanspruch erscheint aus drei Erwägungen zutreffend: - Für die entsprechende Heranziehung der Adäquanztheorie spricht als erste Überlegung, daß die grenzenlose Weite der nach der Äquivalenztheorie bestehenden naturwissenschaftlichen Kausalität auch in bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch eine Eingrenzung der Einstandspflicht der öffentlichen Hand aufgrund wertender Kriterien erfordert. Die Ermittlung der haftungsbegründenden Kausalität nach Maßgabe der Adäquanz bildet insoweit ein erstes Korrektiv zu der ansonsten gegebenen uferlosen Verantwortlichkeit des Hoheitsträgers für die Folgen rechtswidriger Eingriffsmaßnahmen. -

Überdies besteht die Notwendigkeit der Schaffung eines einengenden Bewertungsmaßstabes speziell für den Folgenbeseitigungsanspruch, da dieses öffentlich-rechtliche Haftungsinstitut - anders als die zivilrechtlichen Schadensersatzvorschriften - kein Verschulden für das Entstehen der Beseitigungspflicht voraussetzt.796 Aus diesem Umstand erwächst ein verstärktes Bedürfnis nach einem zusätzlichen Korrektiv, mit dem aufgrund der Bewertung der Gesamtumstände des Einzelfalls die Einstandspflicht der öffentlichen Hand in sinnvoller Weise eingegrenzt werden kann.797

-

Ferner ist auch im Geltungsbereich des hier zur inhaltlichen Konkretisierung des Folgenbeseitigungsanspruchs herangezogenen § 1004 BGB die Anwendbarkeit der Adäquanztheorie anerkannt.798

cc) Zwischenergebnis Folglich ist als Zwischenergebnis festzuhalten, daß beim Folgenbeseitigungsanspruch die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem hoheitlichen Eingriffsakt und der eingetretenen Eingriffsfolge grundsätzlich nach Maßgabe der Adäquanztheorie ermittelt wird.

795 BVerwGE 69, 366 (372). Ebenso die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 37; weiterhin zum StHG: Boos/Haarmann, Staatshaftung, Rdnrn. 297-301; Schäfer/ Bonk, StHG, § 1 Rdnr. 226. 796

Vgl. die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 149.

797

Vgl. hierzu Maaß, BayVBl. 1987, 520 (525).

798

Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 2 a dd; Pleyer, AcP 156 (1957), 291 (294 in Fußn. 10). Vgl. weiterhin RGZ 127, 29 (34).

3

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

3. Spezielle Zurechnungsproblematik Auch vor dem Hintergrund der entsprechenden Anwendbarkeit der Adäquanztheorie im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs bleiben jedoch Fälle offen, in denen sich die Problematik des Vorliegens der haftungsbegründenden Kausalität in besonderem Maße stellt.

a) Problemstellung Es handelt sich hierbei um diejenigen Sachverhaltsgestaltungen, in denen trotz Bestehens eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem hoheitlichen Eingriffsakt und der eingetretenen nachteiligen Zustandsveränderung eine Zurechnung dieser Eingriffsfolge zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers aufgrund wertender Betrachtung zweifelhaft erscheint. Die Adäquanztheorie, mit deren Hilfe lediglich eine erste Eingrenzung der Zurechnung der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung vorgenommen wird, vermag für solche Fallgestaltungen nicht den hier geforderten differenzierenden Bewertungsmaßstab zu eröffnen. Praktische Relevanz kommt dieser Zurechnungsproblematik im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs hauptsächlich in vier Fallgruppen zu: -

Fall des hypothetischen Kausalverlaufs/sog. „überholende Kausalität" (unter aa). - Behördlicher Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens (unter bb). - Mitwirkende Verursachung der Zustandsveränderung durch den vom staatlichen Eingriffsakt betroffenen Rechtsinhaber (unter cc). - Mitwirkende Verursachung der Rechtsbeeinträchtigung durch einen Dritten (unter dd): - in Ausübung eines von der Behörde erlassenen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts (unter aaa), - durch tatsächliches Handeln des Dritten im Anschluß an die behördliche Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts (unter bbb) - sowie als Folge der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung (unter ccc). Auf diese vier Fallgruppen soll im folgenden näher eingegangen werden.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

33

b) Die einzelnen Fallgruppen aa) Fall der hypothetischen Kausalität/sog.

„ überholende Kausalität"

Die erste Fallkonstellation ist dadurch gekennzeichnet, daß die konkret eingetretene Zustandsveränderung zwar auf eine hoheitliche Eingriffsmaßnahme zurückzuführen ist, indessen die Rechtsverletzung des Bürgers auch ohne diese staatliche Eingriffsursache nachfolgend durch einen zweiten, nicht im Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers wurzelnden Umstand, eingetreten wäre. Beispielhaft sei der Sachverhalt genannt, daß aufgrund von Straßenbauarbeiten die Grundstücksmauer eines Anliegers beschädigt worden ist, wobei diese infolge eines am darauffolgenden Tag sich ereignenden Verkehrsunfalls ebenfalls zerstört worden wäre. 799 Hier geht die Rechtsfrage dahin, ob unbeschadet des adäquaten ursächlichen Zusammenhangs zwischen der hoheitlichen Verletzungshandlung und der Rechtsbeeinträchtigung des Bürgers bei wertender Betrachtung die Folgenzurechnung durch die hypothetische Eingriffsursache bzw. Reserveursache ausgeschlossen ist. 800 Im Zivilrecht ist in bezug auf die Lösung dieses Falles jedenfalls hinsichtlich des im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität interessierenden unmittelbaren Schadens aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überwiegend anerkannt, daß dieser unabhängig von der Reserveursache zu ersetzen ist. 801 Das folge aus dem Umstand, daß „mit dem Eingriff sogleich der Anspruch auf Schadensersatz entstanden (sei) und das Gesetz den späteren Ereignissen keine schuldtilgende Kraft beigelegt (habe)".802

799 Hinsichtlich weiterer Beispielsfälle vgl. die Darstellung bei Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rdnr. 70; Grunsky, in: Müko, BGB, vor § 249 Rdnr. 78. 800

Der Begriff der „überholenden Kausalität" ist insofern unzutreffend, als ein ursächlicher Zusammenhang ausschließlich zwischen dem Erstereignis und der eingetretenen Eingriffsfolge besteht. Bei genauer Betrachtung handelt es sich vorliegend nicht um eine Frage der Kausalität, sondern um die Problematik der Folgenzurechnung, vgl. hierzu Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 300; Grunsky, in: Müko, BGB, vor § 249 Rdnrn. 78 f.; Palandt/ Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5 C a; Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 30 I, S. 525. 801 BGHZ 29, 207 (215 f.); Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rdnr. 71; Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 30 I, S. 525; Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5 C e aa; Staudinger/Medicus, BGB, § 249 Rdnrn. 104 f. A.A. beispielsweise Grunsky, in: Müko, BGB, vor § 249 Rdnrn. 83 ff., der von der grundsätzlichen Beachtlichkeit der Reserveursache ausgeht. 802 So BGHZ 29, 207 (215). Vgl. weiterhin Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 30 I, S. 525; Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5 C e aa; Staudinger/Medicus, BGB, § 249 Rdnr. 105.

23 Pietzko

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Der im bürgerlichen Recht vertretenen Ansicht ist grundsätzlich auch für den Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs zu folgen. Vor dem Hintergrund der hier vertretenen dogmatischen Ableitung des Rechtsinstituts aus den Freiheitsgrundrechten erwächst aus der durch den Hoheitsträger verursachten Integritätsverletzung der grundrechtlich begründete Beseitigungsanspruch.803 Dieser Anspruch verkörpert eine eigenständige Rechtsmacht des Betroffenen, die durch nachträgliche Ereignisse, die sich auf das geschützte Rechtsgut selbst ausgewirkt hätten, nicht mehr berührt werden kann. Unabhängig von diesem sich aus dem systematischen Verhältnis von Schutzgut und daraus abzuleitendem Beseitigungsanspruch ergebenden Argument wäre es darüber hinaus mit der verfassungsrechtlich verankerten Gesetzesbindung staatlichen Handelns unvereinbar, wenn sich die öffentliche Hand bei erfolgtem hoheitlichen Unrechtsverhalten unter Hinweis auf einen hypothetischen Kausalverlauf ihrer Einstandspflicht entziehen könnte. Damit ist das Vorliegen einer hypothetischen Eingriffsursache für den haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen der hoheitlichen Eingriffsmaßnahme und der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung des Bürgers im Regelfall unbeachtlich. Eine Besonderheit gilt allerdings dann, wenn es sich bei der Reserveursache um einen Umstand handelt, der die Beschaffenheit des durch den Hoheitsträger verletzten Rechtsguts bereits zum Zeitpunkt der staatlichen Einwirkungshandlung beeinflußt hat. War beispielsweise, um den eingangs erwähnten Beispielsfall aufzugreifen, die Stützmauer bereits zum Zeitpunkt der Straßenbauarbeiten infolge Baufälligkeit standunsicher, so daß ihr Einsturz ohnehin nachfolgend erfolgt wäre, so erscheint die umfassende Restitutionsverpflichtung des Hoheitsträgers nicht sachgerecht.804 Vielmehr reduziert sich hier die Einstandspflicht der öffentlichen Hand auf diejenigen Nachteile, die durch den staatlicherseits verursachten früheren Eintritt der Zustandsveränderung eingetreten sind.805 Hierbei handelt es sich indes regelmäßig um ein Problem des Schadensersatzbzw. Entschädigungsrechts.

803 Vgl. zur dogmatischen Ableitung des grundrechtlichen Beseitigungsanspruchs die Darstellung in Kapitel 1 D II 6, S. 111 ff. 804 Ähnlich Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnrn. 301-305. Ebenso die ständige Rechtsprechung im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht, vgl. beispielsweise BGH, NJW 1985, 676 (677); s. weiterhin Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 30 I, S. 526; Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5 C d aa. 805

Vgl. BGH, NJW 1985, 676 (677); Palandt/Heinrichs, Anm. 5 C d aa.

BGB, Vorbem. vor § 249

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

bb) Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens Bei der zweiten Fallgruppe geht es um die Problematik, ob der vom Hoheitsträger geltend gemachte Einwand, die adäquat kausal eingetretene Eingriffsfolge wäre auch bei einem rechtmäßigen staatlichen Verhalten herbeigeführt worden, die öffentliche Hand von ihrer Beseitigungspflicht entbindet. 806 In bezug auf die Beantwortung dieser Fragestellung erscheint eine differenzierte Beantwortung geboten:

aaa) Formell rechtswidriger Eingriffsakt Wendet die Behörde bei Vorliegen eines formell rechtswidrigen Eingriffsakts ein, die Rechtsbeeinträchtigung des Betroffenen wäre auch bei einem in formeller Hinsicht ordnungsgemäßem Verfahrensablauf eingetreten, so ist ein derartiges Vorbringen - in Anknüpfung an die im Rahmen des Rechtswidrigkeitsmerkmals gewonnenen Ergebnisse - dann beachtlich, sofern feststeht, daß die materiell-rechtliche Entscheidung selbst bei Beachtung des formellen Rechtsgebots nur so hätte erlassen werden müssen, d.h. bei fehlendem rechtlichen Entscheidungsspielraum der Behörde.807 Demgegenüber ist die Berufung auf das pflichtgemäße formelle Alternativverhalten dann bedeutungslos, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß ohne den formellen Fehler eine andere sachliche Rechtsfolgenanordnung getroffen worden wäre. Gleiches gilt für den Fall, daß das verletzte formelle Erfordernis seiner Rechtsqualität nach eine Sanktion erfordert. 808 Für diese Sachverhaltsgestaltungen kommt der Mißachtung des formellen Rechtsgebots ein eigenständiges Gewicht zu mit der Folge, daß der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht durchgreift.

806 Im bürgerlichen Recht wird die Beachtlichkeit des rechtmäßigen Alternativverhaltens zum Teil befürwortet und zum Teil abgelehnt, vgl. die Nachweise auf die Rechtsprechung bei Grunsky, in: Müko, BGB, vor § 249 Rdnr. 89. 807 S. die Darstellung unter Β IV 1, S. 307 ff.; vgl. weiterhin in bezug auf das StHG 1981: Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 308; Schäfer/Bonk,, StHG, § 1 Rdnr. 241. 808 Vgl. die Ausführungen unter Β IV 1, S. 307 ff.; s. ferner Deutsch, Haftungsrecht, Bd. 1, § 12 IV 2, S. 175 f. Demgegenüber sah die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 37, vor, daß der Ersatzanspruch immer dann entfallen sollte, wenn auch bei Beachtung der Verfahrensvorschrift der Schaden eingetreten wäre. Diese generelle Befürwortung des Anspruchsausschlusses wird indessen der unterschiedlichen Bedeutung der einzelnen Verfahrensgarantien nicht gerecht. Einen ähnlich weiten Standpunkt für das Zivilrecht vertretend: Grunsky, in: Müko, BGB, vor § 249 Rdnr. 90 b; Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

bbb) Ermessensfehlgebrauch Bezieht sich der Hinweis auf das pflichtgemäße Alternativverhalten hingegen auf die materiell-rechtliche Entscheidung selbst, so kommt diesem Vorbringen nur in einem begrenzten Anwendungsbereich rechtliche Bedeutung zu: So scheidet die Beseitigungsverpflichtung des Hoheitsträgers dann aus, wenn die Rechtsverletzung des Bürgers im Rahmen einer Ermessensentscheidung bei Vorliegen einer Ermessensreduzierung auf Null ebenfalls bei einem rechtmäßigen Verhalten hätte herbeigeführt werden müssen.809 Für diese Fälle ist die Zurechnung der Eingriffsfolge zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers wegen fehlender haftungsrechtlicher Bedeutung des behördlichen Fehl Verhaltens für die erfolgte Zustandsveränderung zu verneinen.810

cc) Mitwirkende Verursachung der Rechtsgutsverletzung durch den betroffenen Rechtsinhaber Bei der dritten Fallgruppe stellt sich die Frage, welche Bedeutung die Mitverursachung der Rechtsverletzung des Bürgers durch sein eigenes Verhalten auf die staatliche Einstandspflicht besitzt. Zur Verdeutlichung sei der dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.8.1971811 zugrundeliegende Sachverhalt erwähnt, bei dem der von Straßenbauarbeiten betroffene Grundstückseigentümer der infolge fehlender Einwilligung rechtswidrigen Inanspruchnahme seines Grundstücks zur Straßenverbreiterung tatenlos zugesehen hat. Hier hat neben dem tatsächlichen Übergriff der öffentlichen Hand in das Eigentumsrecht des Betroffenen, die sich in einem Irrtum über das Vorliegen des Einverständnisses des Eigentümers in bezug auf die Grundstücksabtretung befand, die unterlassene Gegenwehr des Rechtsinhabers gegen diesen Eingriff mit zum Entstehen der widerrechtlichen Zustandsveränderung geführt. Weiterhin sei in Abwandlung des bereits unter aa) genannten Beispielsfalls die Sachverhaltsgestaltung genannt, daß der im Verlauf von Straßenausbesserungsarbeiten erfolgte Einsturz der Grundstücksmauer des Anliegers nur wegen der ohnehin bereits bestehenden Baufälligkeit der Einfriedigungsmauer eingetreten ist. 809

Vgl. hierzu für das StHG 1981: Bender, StHG, 3. Aufl., Rdnrn. 309-313. Zu weitgehend hingegen die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 37, wonach der Ersatzanspruch bereits dann entfallen sollte, wenn der Schaden auch bei Ausübung des fehlerfreien Ermessens eingetreten wäre. 810 S. dazu Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 306; Deutsch, Haftungsrecht, Bd. 1, § 12 IV 1, S. 173 f. 811

BVerwG, DVB1. 1971, 858. Vgl. weiterhin den Sachverhalt der Entscheidung BVerwG, NJW 1989, 2484.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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Für solche Fallgestaltungen stellt sich ebenfalls die Frage, ob trotz des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen der staatlichen Maßnahme und der Rechtsbeeinträchtigung des Bürgers infolge des Mitwirkungsakts des Betroffenen der Hoheitsträger nicht bzw. nicht in vollem Umfang für die hervorgerufene Rechtsverletzung verantwortlich gemacht werden kann. Indes ist vorliegend in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im eingangs genannten Beispielsfall 812 sowie in Anlehnung an anerkannte zivilrechtliche Grundsätze813 davon auszugehen, daß durch den Tatbeitrag des Rechtsinhabers der Zurechnungszusammenhang zwischen dem hoheitlichen Übergriff und der Rechtsbeeinträchtigung nicht entfällt. Die Mitverantwortung des Bürgers für die eingetretene Rechtsverletzung, d.h. in concreto die unterbliebene Störungsabwehr, vermag nichts an dem im Verhältnis zum Grundrechtsträger vorgenommenen Verwaltungsunrecht zu ändern. Bedeutung kommt der mitwirkenden Verursachung des Betroffenen vielmehr erst auf der Ebene eines möglicherweise eingreifenden Ausschlußgrundes zu. Bereits an dieser Stelle sei auf die Frage der analogen Anwendung des § 254 BGB oder aber auf die Berücksichtigung des allgemein anerkannten Rechtsgrundsatzes des venire contra factum proprium hingewiesen, der es dem Rechtsinhaber verwehren würde, von dem Hoheitsträger eine uneingeschränkte Restitution zu verlangen, obwohl ihn selbst eine Mitwirkung am Entstehen der Zustandsveränderung trifft. 814 Für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität bleibt jedoch festzuhalten, daß die Beteiligung des Rechtsinhabers an der erfolgten Rechtsbeeinträchtigung den haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen der staatlichen Verletzungshandlung und der Eingriffsfolge nicht ausschließt.

dd) Mitwirkende

Verursachung der Rechtsbeeinträchtigung durch einen Dritten

Schließlich sind in diesem Zusammenhang diejenigen Fallkonstellationen von Bedeutung, in denen die Zustandsveränderung auf die Mitwirkungshandlung eines Dritten im Anschluß an ein hoheitliches Handeln, in Gestalt des Verwaltungsakts oder in Form tatsächlichen Verwaltungshandelns, zurückzuführen ist. Die hier maßgebliche Rechtsfrage geht dahin, ob durch das Da-

812

BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860 f.).

813

Grunsky, in: Müko, BGB, vor § 249 Rdnrn. 61 ff.; vgl. im Hinblick auf das StHG 1981 Schäfer/Bonk,, StHG, § 1 Rdnr. 238. 814

Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 4 Β V, S. 537 ff.

3

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

zwischentreten der Handlungen Dritter der Haftungszusammenhang zwischen dem hoheitlichen Verhalten und der Rechtsverletzung des Betroffenen unterbrochen wird.

aaa) Die praxisrelevanten Fallgruppen Im wesentlichen lassen sich drei Unterfallgruppen bilden:

(1) Mitwirkungshandlung eines Dritten in Form der Ausübung eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts Eine erste Sachverhaltsgestaltung besteht darin, daß die für den Betroffenen nachteilige Zustandsveränderung durch das tatsächliche Verhalten eines Dritten ausgelöst wird, der von einem begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakt Gebrauch macht. Als Beispielsfall sei auf den in der Praxis häufig vorkommenden Fall des Folgenbeseitigungsbegehrens eines Nachbarn gegen ein materiell rechtswidrig errichtetes Bauwerk hingewiesen.815 Hinsichtlich des gegenüber der Baubehörde geltend gemachten Beseitigungsanspruchs stellt sich die Frage, ob dieser die Errichtung des Bauvorhabens zugerechnet werden kann. Obgleich zweifellos zwischen dem Erlaß der Baugenehmigung und der tatsächlichen Umsetzung durch den Bauherrn ein adäquater Kausalzusammenhang besteht, könnten sich Zweifel an der Verantwortlichkeit der Verwaltung insoweit ergeben, als die Errichtung des Bauwerks aufgrund der hoheitlichen Gestattung letztlich auf einem freien Willensentschluß des Bauherrn beruht. So wird in der Tat in der Rechtsprechung die Frage aufgeworfen, ob die Realisierung des Bauvorhabens der Behörde noch als Vollzugsfolge der Bauerlaubnis zugerechnet werden könne.816

815

Vgl. beispielsweise die Entscheidungen: OVG Berlin, BRS 18, Nr. 12, S. 20 f.; VGH Kassel, VerwRspr. 20, Nr. 204, S. 760 ff.; OVG Lüneburg, BRS 38, Nr. 181, S. 400 f.; OVG Lüneburg, OVGE 18, 341 ff.; VGH Mannheim, ES VGH 28, Nr. 45, S. 234 ff.; VGH Mannheim VerwRspr. 24, Nr. 189, S. 815 ff.; OVG Münster, BRS 25, Nr. 194, S. 322 ff. Zu der Problematik, ob der Folgenbeseitigungsanspruch für das Einschreiten der Behörde gegenüber dem Dritten eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt, s. die Darstellung in Kapitel 4 Β II 2, S. 511 ff. 816

So OVG Münster, NJW 1984, 883 r. Sp. oben.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

(2) Tatsächliches Handeln des Dritten im Anschluß an die behördlicherseits vorgenommene Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts Hiervon zu unterscheiden ist diejenige Fallgestaltung, in der ein Dritter erst im Anschluß an die behördliche Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts eine Handlung vornimmt, die zu einer weiteren Rechtsbeeinträchtigung des betroffenen Rechtsinhabers führt. In diesem Zusammenhang sei der Beispielsfall angeführt, daß der in die Wohnung eingewiesene Obdachlose während seines Aufenthalts in den Wohnräumen des Betroffenen Schäden an den Einrichtungsgegenständen verursacht.817 Fraglich erscheint hier, ob der Wohnungsinhaber nach zeitlichem Ablauf der Einweisungsverfügung über die Ausweisung des Obdachlosen hinausgehend von der Behörde die Beseitigung der vom Eingewiesenen hervorgerufenen Rechtsbeeinträchtigungen verlangen kann.818

(3) Verhaltensweisen Dritter als Folge der Benutzung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung oder Anlage Die dritte praxisrelevante Fallgruppe ist dadurch charakterisiert, daß das Verhalten von Dritten im Anschluß an die Bereitstellung einer öffentlichrechtlichen Einrichtung durch den Hoheitsträger eine Rechtsverletzung des Bürgers hervorruft. Exemplarisch sei insoweit auf die Entscheidungen des OVG Koblenz vom 22.4.1986 819 sowie des VGH Mannheim vom 3.5.1984 820 Bezug genommen, in denen ein Nachbar von der Behörde die Beseitigung einer Telefonzelle im Hinblick auf die betriebsbedingten Lärmimmissionen begehrt hat.

817

Vgl. hierzu Rösslein, FBA, S. 87; Wolff/Bachofi

818

VerwR I, § 54 II f 2, S. 479.

In diesem Beispielsfall stellt sich die zusätzliche Abgrenzungsfrage, ob es sich bei der Beseitigungspflicht der durch den Obdachlosen verursachten weiteren Rechtsbeeinträchtigungen um ein Problem der haftungsbegründenden oder der haftungsausfüllenden Kausalität handelt. Da es sich bei den Beschädigungen der Einrichtungsgegenstände im Verhältnis zu der vorher behördlicherseits hervorgerufenen Wohnraumbeschlagnahme um die Beeinträchtigung selbständiger Rechtsgüter handelt, stellt sich hier die vorrangige Problematik des Entstehens des Folgenbeseitigungsanspruchs in bezug auf derartige Folgen. Mithin erscheint es vorzugswürdig, diese Frage unter dem Aspekt der Haftungsbegründung zu diskutieren. Denn die haftungsausfüllende Kausalität behandelt demgegenüber die Frage des Anspruchsumfangs eines bereits grundsätzlich eingreifenden Anspruchs. 819

OVG Koblenz, NJW 1986, 2779 ff.

820

VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 ff.

3

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Für den Regelungsbereich der durch Dritte aufgrund der Benutzung öffentlich-rechtlicher Einrichtungen verursachten Lärmbelästigungen ist zunächst an die Grundsätze anzuknüpfen, die bereits im Rahmen des Tatbestandserfordernisses des „hoheitlichen Eingriffs" dargelegt worden sind. Insoweit wurde ausgeführt, daß es sich bereits bei der Frage, ob ein hoheitlicher Eingriffsakt vorliegt, angesichts des neutralen Rechtscharakters von Immissionsbeeinträchtigungen um ein Zuordnungsproblem handelt.821 Diesbezüglich wurde als Ergebnis festgestellt, daß dann dem Hoheitsträger zurechenbare Immissionsbelästigungen vorliegen, sofern sie als Folge der widmungsgemäßen Nutzung der Einrichtung entstehen. Insofern wirkt sich der öffentlich-rechtliche Charakter der Einrichtung oder Anlage auf die Sachnutzung als Ausübung des Sachbesitzes aus.822 Ausgehend von diesen Grundsätzen erhebt sich im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität nunmehr die Frage, in welchem Umfang von einer bestimmungsgemäßen Benutzung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung durch Dritte ausgegangen werden kann mit der Folge, daß die Lärmeinwirkungen dem Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers zugerechnet werden können.

bbb) Lösung dieser Zurechnungsproblematik im Zivilrecht Für den Fall, daß Handlungen Dritter im Anschluß an den durch ein Erstereignis ausgelösten Kausalverlauf zu einem Schaden geführt haben, hat sich im bürgerlichen Recht der Grundsatz herausgebildet, demzufolge dem Ersthandelnden der so eingetretene Schaden dann zuzurechnen ist, wenn das Verhalten des Erstverursachers den Entschluß für das Tätigwerden des Dritten „herausgefordert hat", und sich der Dritte überdies hinsichtlich des „Ob" und des „Wie" der Handlungsweise herausgefordert fühlen durfte. 823 Das sei dann zu bejahen, wenn der Erstverursacher bei dem Dritten „eine mindestens im Ansatz billigenswerte Motivation" zu dessen Verhalten hervorgerufen habe,824 so daß das Verhalten des Dritten als unvermeidliche Reaktion auf die Erstursache charakterisiert werden müsse.825 Hingegen wird eine Zurechnung der 821

Vgl. die Darstellung unter Β III 3, S. 245 ff., sowie den Nachweis in Fußn. 376.

822

S. die Ausführungen unter Β III 3, S. 250 ff.

823

Vgl. zu diesen Sachverhaltsgestaltungen der sog. psychisch vermittelten Kausalität BGH, NJW 1987, 2925 (2926); NJW 1978, 1005 (1006); NJW 1978, 421 (422); BGHZ 63, 189 (193); 57, 25 (31); Brox, AllgSchuldR, § 26 Rdnr. 332; Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rdnrn. 63-69; Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 27 III 5, S. 452 ff.; Palandt/ Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5 B g aa. 824

So BGH, NJW 1978, 1005 (1006 1. Sp. unten); NJW 1978, 421 (422 1. Sp. Mitte).

825

BGHZ 43, 178 (181 f.); Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 27 III 6, S. 457.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

31

durch den Dritten hervorgerufenen Schadensfolgen zum Verantwortungsbereich des Ersthandelnden dann abgelehnt, wenn alleine der Dritte in bezug auf den konkreten Schadenseintritt „Herr des schadensstiftenden Geschehens" gewesen ist, 826 was insbesondere bei einem vorsätzlichen Handeln des Dritten anzunehmen sein kann.827

ccc) Übertragung dieses zivilrechtlichen Bewertungsmaßstabes auf das öffentliche Recht Diese für das bürgerliche Recht entwickelten Zurechnungskriterien vermögen für das öffentliche Recht nur in begrenztem Umfang Anwendung zu finden. Denn die Abgrenzung der dem Erstverursacher und dem Dritten zuzurechnenden Schadensfolgen stellt sich im Zivilrecht als Abgrenzungsproblem zwischen den Tatbeiträgen von im Gleichordnungsverhältnis stehenden Personen dar. Von diesem Ansatzpunkt weicht das öffentliche Recht vor allem unter zwei Aspekten ab: - Zum einen steht im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs bei der Bestimmung des haftungsbegründenden Zusammenhangs bei mitwirkender Verursachung durch einen Dritten die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zweier nicht gleichgestellter Störer in Rede. Hinter der Lösung dieser Zurechnungsproblematik steht letztlich das Problem, ob die Eingriffsfolgen von dem Staat, und damit von der Allgemeinheit, oder/und von dem einzelnen Drittbetroffenen zu tragen sind. - Zum anderen besteht ein Unterschied zum Zivilrecht insofern, als das im bürgerlichen Recht herangezogene Kriterium der „Herausforderung des Handelns des Dritten durch den Erstverursacher" für das öffentliche Recht zu unspezifisch erscheint. Dies resultiert aus dem Umstand, daß dem im Einzelfall vom staatlichen Erstverursacher eingesetzten Handlungsinstrument des Verwaltungsakts gerade eine Rechtsfolgenintention wesensimmanent ist. Folgerichtig ist bei Übernahme des Gesichtspunkts der „Herausforderung" eine Zurechnung der vom Dritten in Ausübung eines Verwaltungsakts geschaffenen Eingriffsfolgen zu Lasten des Hoheitsträgers regelmäßig zu bejahen. Angesichts dieser Unterschiede erwächst somit die Notwendigkeit der Herausbildung eigenständiger, auf die Bedürfnisse des öffentlichen Rechts zugeschnittener Zurechnungsgesichtspunkte.

826 827

BGHZ 58, 162 (167); Larenz,, SchuldR, AllgTeil, § 27 III 5, S. 453 f.

Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 27 III 5, S. 453; einschränkend Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. vor § 249 Anm. 5 B g dd.

3

Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Zu folgen ist der zivilrechtlichen Dogmatik dabei allerdings insoweit, als maßgeblicher Ausgangspunkt für die Festlegung der präzisierenden Zurechnungskriterien die Frage sein muß, inwieweit durch das Handeln des staatlichen Erstverursachers der maßgebliche Haftungsgrund für die Einstandspflicht bezüglich der eingetretenen Eingriffsfolgen gelegt worden ist.

ddd) FBA-spezifische Zurechnungskriterien bei Mitverursachung der Rechtsbeeinträchtigung durch einen Dritten Vor dem Hintergrund der vorstehenden Überlegungen erhebt sich mithin die Frage nach den für den Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs geeigneten Zurechnungsgesichtspunkten. Dabei ist vorab zu berücksichtigen, daß solche die haftungsrechtliche Zurechnung konkretisierenden Merkmale der Natur der Sache nach lediglich einen allgemeinen Bewertungsmaßstab zur Verfügung stellen können, der mit Rücksicht auf die Vielzahl der in der Praxis möglichen Sachverhalte lediglich eine Auslegungshilfe darstellen kann.

(1) Fallgruppe 1: Mitwirkungshandlung eines Dritten in Form der Ausübung eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts Wird die Rechtsbeeinträchtigung dadurch hervorgerufen, daß ein Drittbeteiligter von einem begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakt Gebrauch macht, wie es beispielsweise bei Ausführung einer widerrechtlichen Baugenehmigung durch den Bauherrn der Fall ist, 828 so ist die Zurechnung dieser Eingriffsfolge zu Lasten der Behörde durch Rückgriff auf den Inhalt des Verwaltungsakts unter Einbeziehung von Sinn und Zweck der Regelung zu entscheiden. Das Abstellen auf die behördlicherseits zugunsten des Adressaten getroffene Rechtsfolgenanordnung ermöglicht die Feststellung, ob die von dem Begünstigten aufgrund des Verwaltungsakts vorgenommene Handlung noch vom Willen und Verantwortungsbereich der Amtswalter gedeckt ist. Bezogen auf den genannten Beispielsfall hat dies zur Folge, daß sich die Baubehörde die Errichtung des materiell rechtswidrigen Bauwerks durch den Begünstigten als Vollzugsfolge der Baugenehmigung zurechnen lassen muß. 829 Nach heutigem Verständnis kommt der Bauerlaubnis sowohl ein fest828 829

Vgl. die Nachweise in Fußn. 815.

VGH Kassel, VerwRspr. 20, Nr. 204, S. 760 (762); OVG Lüneburg, DVB1. 1966, 275 (276); OVG Lüneburg, OVGE 18, 341 (349); VGH Mannheim, VerwRspr. 24, Nr. 189, S. 815 (817 f.); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 254; ders., StHR, 3. Aufl., Rdnr. 469,

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

33

stellender als auch ein verfügender Regelungsgehalt zu. 830 Während ersterer in der behördlichen Bescheinigung besteht, daß das Bauvorhaben mit den bauplanungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Vorschriften in Einklang steht,831 besteht der konstitutive Teil der Baugenehmigung in der Erlaubnis für den Bauherrn, mit der Verwirklichung seines Bauprojektes beginnen zu können.832 Eröffnet der verfügende Teil der Bauerlaubnis somit eine konkrete Ausübungsberechtigung zugunsten des Bauherrn, die darüber hinaus aufgrund der bauordnungsrechtlichen Rechtsnormen innerhalb einer bestimmten begrenzten Geltungsdauer der Baugenehmigung wahrgenommen werden soll, 833 so muß sich die Baubehörde als für die Erteilung dieser Baufreigabeerlaubnis zuständige Stelle auch die reale Umsetzung des genehmigten Bauprojektes zurechnen lassen.834 Sofern dem entgegengehalten wird, die Ausführung des Bauvorhabens erfolge aufgrund eines eigenen Willensentschlusses des Bauherrn, 835 weshalb es sich vorliegend nicht um die für den Folgenbeseitigungsanspruch unerläßliche hoheitliche Vollziehung eines Verwaltungsakts handle, und überdies die Errichtung des Bauwerks im alleinigen Interesse des Begünstigten liege, so vermögen diese Bedenken nicht zu überzeugen. Hierbei wird übersehen, daß die eigenständige Umsetzung der Baugenehmigung durch den Bauherrn, der mit der Realisierung des Bauprojektes zweifellos eine individuelle Zielsetzung verfolgt, von dem Umstand zu trennen ist, daß die Behörde durch die gesetzlich angeordnete Prüfung der vom Bauherrn eingereichten Bauunterlagen die Verantwortung für die Einhaltung des materiellen Rechts sowie für die angeordnete Baufreigabe trägt. Sinn und Zweck des Baugenehmigungsverfahrens bestehen gerade darin, den grundrechtlich begründeten Anspruch auf Baufreiheit für das konkrete Bauprojekt infolge der durch die Behörde bestätigten Unbedenklichkeit des Bauvorhabens zu realisieren. Damit endet die Verantwortung des Hoheitsträgers nicht mit dem Erlaß der Baugenehmigung, sondern umfaßt wegen des einheitlichen Zusammenhangs auch die tat-

in bezug auf § 3 StHG 1981; Obermayer, JuS 1963, 110 (113); Schenke, DVB1. 1990, 328 (335 f.). Vgl. weiterhin die Nachweise in Fußn. 840, wonach der Begriff der „Vollziehung" i.S. von § 80 Abs. 1 VwGO auch das Gebrauchmachen von einem begünstigenden Verwaltungsakt umfaßt. 830

Friauf; in: v. Münch, Bes VerwR, S. 558; demgegenüber lediglich auf den feststellenden Charakter abstellend: PrOVGE 5, 376 (379); vgl. auch PrOVGE 98, 220 (221). 831

Friauf wie vor; Maurer, AllgVerwR, § 9 Rdnr. 51.

832

BVerwGE 69, 1 (2); VGH Kassel, NVwZ 1986, 315; Friauf wie vor. 833

Vgl. stellvertretend die Regelung in § 72 nwBauO.

834

Ebenso Schenke, DVB1. 1990, 328 (336).

835

wie Fußn. 830; Maurer,

Vgl. die Bedenken bei OVG Münster, NJW 1984, 883 r. Sp. oben; s. außerdem Kopp, JuS 1983, 673 (675 f.); vgl. auch OVG Saarlouis, NVwZ 1983, 685.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

sächliche Bauausführung, zumal sie von der Behörde weiterhin überwacht wird. 836 Eine andere Bewertung würde die Verwaltung aus ihrer gesetzlich zugewiesenen Verantwortung freistellen und diese dem Bauherrn, der seinerseits auf die behördliche Prüfung angewiesen ist und sich auf sie verlassen können muß, auferlegen. Zudem verkennt diese Ansicht, den in bezug auf belastende Verwaltungsakte allgemein anerkannten Grundsatz, nach dem die freiwillige Befolgung der behördlichen Rechtsfolgenanordnung durch den Inanspruchgenommenen den Folgenbeseitigungsanspruch nicht ausschließt.837 Auch wenn der Gegenauffassung zu konzedieren ist, daß im Falle der Bauerlaubnis nur ein freiwilliges Handeln des Begünstigten, nicht jedoch eine staatlich angeordnete zwangsweise Vollziehung des Verwaltungsakts in Betracht kommt, so ist wegen der dargestellten Verantwortung der Behörde für die Baufreigabe und die darin möglicherweise bereits angelegte Verletzung der Rechtssphäre Drittbetroffener, die tatsächliche Ausnutzung der Bauerlaubnis noch als Vollzugsfolge der Baugenehmigung zu qualifizieren. So wie es im Fall des belastenden Verwaltungsakts dem Hoheitsträger nicht zugute kommen kann, daß der Betroffene dem staatlichen Befehl von sich aus nachkommt, so darf sich die öffentliche Hand umgekehrt nicht ihrer normativen Kontrollaufgabe dadurch entziehen, sofern eine begünstigende Verwaltungsmaßnahme, die für einen Dritten nachteilige Auswirkungen bereits in sich trägt, vom Begünstigten aus freiem Entschluß ausgenutzt worden ist. 838 Folgerichtig ist eine Gleichstellung der Vollziehung des Verwaltungsakts durch die Behörde mit dem Gebrauchmachen einer staatlicherseits eröffneten Vergünstigung durch den Genehmigungsempfänger geboten.839 Folglich ist festzuhalten, daß dann, wenn eine tatsächliche Mitwirkung des Dritten in Ausübung einer rechtswidrigen begünstigenden Ermächtigung zu nachteiligen Eingriffsfolgen für einen Bürger führt, die Zurechnung der Rechtsbeeinträchtigung zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers aufgrund der inhaltlichen Ausgestaltung sowie der ratio der behördlichen Regelung vorzunehmen ist. Ausgehend von dieser grundsätzlichen Feststellung bedürfen allerdings zwei weitere Sachverhaltsvarianten des eingangs behandelten Beispielsfalls besonderer Erörterung.

836

Vgl. die Regelung in den §§ 76, 77 nwBauO.

837

Vgl. hierzu die Darstellung unter Β II 3, S. 200 ff. mit Nachw. in Fußn. 227 und 228.

838

Ebenfalls Schenke, DVB1. 1990, 328 (335 f.).

839

So im Ergebnis VGH München, NJW 1983, 835 (837 r. Sp. unten).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

(a) Fall der „faktischen Vollziehung" der Baugenehmigung durch den privaten Genehmigungsempfänger So stellt sich die Frage nach dem Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs unter dem Aspekt der Zurechnungsproblematik gesondert für den Fall, daß ein Nachbar gegen die dem Bauherrn erteilte rechtswidrige Baugenehmigung Widerspruch bzw. Anfechtungsklage eingelegt hat, der Bauherr indessen die Bauausführung fortsetzt, wobei die Behörde es unterläßt, gegen die Weiterführung der Bauarbeiten einzuschreiten. Im Unterschied zum Ausgangsfall, in dem der Genehmigungsempfänger lediglich von der widerrechtlich erteilten Bauerlaubnis Gebrauch macht, hat der Bauherr vorliegend trotz eingelegten Widerspruchs des Nachbarn die Inwerksetzung des Bauwerks weiterverfolgt. Zweifelhaft ist somit, ob durch ein derartiges Verhalten des Begünstigten eine neue, vom behördlichen Ersteingriff (Erlaß der rechtswidrigen Baugenehmigung) unabhängige, zweite Eingriffsursache gesetzt worden ist, die den haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen dem hoheitlichen Ersteingriff und dem eingetretenen materiell illegalen Baurechtszustand unterbrochen hat. Klärungsbedürftig sind demnach im einzelnen folgende Fragestellungen: -

Erstens ist zu untersuchen, ob die Ausnutzung der Baugenehmigung trotz Einlegung des Widerspruchs durch den Nachbarn ein rechtswidriges Eingriff s verhalten des Genehmigungsempfängers darstellt (unter aa). - Sofern diese Frage bejaht werden muß, sind die rechtlichen Auswirkungen dieser Verletzungshandlung des Begünstigten auf den Zurechnungszusammenhang zwischen dem staatlichen Ersteingriff und der erfolgten Rechtsbeeinträchtigung des Nachbarn zu prüfen (unter bb). (aa) Die erste Fragestellung, ob das Handeln des Bauherrn, der ein nicht lediglich Wohnzwecken dienendes Bauwerk errichtet, einen selbständigen rechtswidrigen Eingriffstatbestand erfüllt, ist zu bejahen. Das ergibt sich aus dem Umstand, daß nach zutreffender - allerdings umstrittener - Ansicht der Adressat eines begünstigenden Verwaltungsakts durch den mit der Erhebung des Widerspruchs durch den belasteten Drittbetroffenen eingetretenen Suspensiveffekt nach § 80 Abs. 1 VwGO daran gehindert wird, in rechtmäßiger Weise von der Erlaubnis Gebrauch zu machen.840 840

BVerwGE 49, 244 (250); OVG Bremen, NVwZ 1986, 59; OVG Koblenz, NJW 1977, 595 (596); VGH München, NJW 1983, 835 (837); Ey ermann/Fröhler, VwGO, § 80 Rdnr. 11; Kopp, VwGO, § 80 Rdnr. 16; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 80 Rdnr. 10; Schenke, DVB1. 1986, 9 (14); Tschira/Schmitt Glaeser, VerwProzR, Rdnrn. 354 f.; Weide s, Verwaltungsverfahren, S. 187; vgl. auch BVerfGE 51, 268 (281 ff.); 35, 263 (276 ff.). Allerdings ist auf folgende gesetzliche Neuregelung hinzuweisen: Das Gesetz zur Erleichterung des Wohnungsbaus im Planungs- und Baurecht sowie zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften (Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz - WoBauErlG) v. 17.5.1990, BGBl. I

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Die zum Teil vertretene Gegenansicht, nach der durch die aufschiebende Wirkung i.S. von § 80 Abs. 1 VwGO nur die behördlichen und gerichtlichen Vollziehungshandlungen erfaßt werden, hingegen dritte Personen unbeschadet des eingelegten Widerspruchs weiterhin ordnungsgemäß die erteilte Genehmigung ausnutzen können,841 vermag nicht zu überzeugen. Sie läßt außer acht, daß die Rechtsfigur des Verwaltungsakts mit Drittwirkung ihrem Wesensgehalt nach gerade dadurch gekennzeichnet ist, daß die Begünstigung des Adressaten zugleich den Nachteil des Drittbetroffenen darstellt. Dieser untrennbare Zusammenhang der behördlicherseits getroffenen Regelung auf die Rechtsstellung der Betroffenen gebietet eine „ganzheitliche" Wirkung des Widerspruchs dahingehend, daß auch der Empfänger des Verwaltungsakts von der Begünstigung keinen Gebrauch machen darf. 842 Überdies widerspricht die gegenteilige Ansicht der Regelung in § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Danach entfällt die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 1 VwGO dann, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts wegen des bestehenden öffentlichen Interesses oder infolge des überwiegenden Interesses eines Beteiligten angeordnet hat. Geht somit bereits der Gesetzgeber davon aus, daß auch die Belange eines Beteiligten die sofortige Vollziehung der Verwaltungsmaßnahme erforderlich machen können, so legt dies umgekehrt den Schluß nahe, daß dann auch der Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1 VwGO die Ausnutzung der Begünstigung durch den Adressaten im Verhältnis zum Drittbelasteten umfaßt. 843 Allerdings bedürfen die vorstehenden Feststellungen einer Einschränkung. Mit Rücksicht auf die rechtsstaatlichen Gebote des Grundgesetzes steht das Eingreifen des Suspensiveffektes gegenüber dem Genehmigungsempfänger unter der Voraussetzung, daß die Verwaltung ihn von der Einlegung des Widerspruchs in Kenntnis gesetzt hat, wobei die tatsächliche Informierung des Begünstigten als ausreichend anzuerkennen ist. Entsprechend der Tatsache, daß die Wirksamkeit einer dem Bürger gegenüber getroffenen behördlichen Anordnung ihre Bekanntgabe an den Adressaten voraussetzt (vgl. § 41 VwVfG), muß der Eintritt der aufschiebenden Wirkung zu Lasten des GenehS. 926, ordnet in § 10 Abs. 2 an, daß Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens, das ausschließlich Wohnzwekken dient, keine aufschiebende Wirkung entfalten. Folgerichtig gelten die nachfolgenden Ausführungen nur hinsichtlich solcher Bauprojekte, die nicht nur für den Wohnbedarf errichtet werden. 841

Eine nur relative Wirkung des Suspensiveffektes dahingehend annehmend, daß die aufschiebende Wirkung lediglich im Verhältnis zwischen dem belasteten Dritten und der Behörde vorliegt, OVG Koblenz, AS 1, 400 (402); s. auch OVG Münster, OVGE 22, 247 (250 ff.). 842

OVG Koblenz, NJW 1977, 595 (596 f.).

843

Ebenso Schenke, DVB1. 1986, 9 (10); vgl. auch ders., DVB1. 1990, 328 (335).

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

migungsempfängers von seiner Inkenntnissetzung hinsichtlich der Erhebung des Widerspruchs abhängen.844 Mithin ist festzuhalten, daß der Bauherr, der von der Baugenehmigung trotz Kenntnis vom Widerspruch des betroffenen Nachbarn Gebrauch macht, seinerseits einen rechtswidrigen Eingriffstatbestand erfüllt. (bb) Erörterungsbedürftig ist demnach, ob durch eine solche eigenmächtige Verletzungshandlung des Begünstigten der haftungsrechtlich relevante Zusammenhang zwischen dem hoheitlichen Ersteingriff und dem eingetretenen illegalen Baurechtszustand unterbrochen wird. Diese Frage ist jedoch zu verneinen. Maßgeblich ist hierbei die Erwägung, daß die Mißachtung des gesetzlich angeordneten Suspensiveffektes nach § 80 Abs. 1 VwGO durch den privaten Genehmigungsempfänger, der ein nicht bloß für Wohnzwecke bestimmtes Bauprojekt ins Werk setzt, nichts an dem durch die Behörde mit Erlaß der rechtswidrigen Baugenehmigung verwirklichten Verwaltungsunrecht zu ändern vermag. Der Begünstigte, der durch die Fortsetzung der Bauarbeiten trotz aufschiebender Wirkung der Baugenehmigung eine eigene widerrechtliche Eingriffsursache setzt,845 knüpft hierbei an einen bereits durch den Hoheitsträger gesetzten Verletzungstatbestand an, der unabhängig von dem Handeln des Bauherrn weiter fortwirkt. Durch die Einlegung des Widerspruchs seitens des Nachbarn wird nach zutreffender Ansicht nicht die Wirksamkeit des Verwaltungsakts für die Dauer der aufschiebenden Wirkung aufgehoben. 846 Vielmehr hat die Erhebung des Widerspruchs lediglich die Suspendierung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts zur Folge, wobei unter Vollzug der Verwaltungsmaßnahme, wie dargelegt, sowohl die zwangsweise Durchsetzung der Rechtsfolgenanordnung durch die Behörde als auch die freiwillige Ausnutzung der behördlichen Gestattung zu verstehen ist. 847 Aus dieser in Übereinstimmung mit § 43 VwVfG stehenden

844

Nachweise wie vor.

845

Vgl. aber den Hinweis auf die gesetzliche Neuregelung gem. § 10 Abs. 2 WoBauErlG in Fußn. 840. 846 So jedoch die Vertreter der sog. Wirksamkeitstheorie, vgl. die Nachweise bei Kopp, VwGO, § 80 Rdnr. 15, und Weides, Verwaltungsverfahren, S. 183 in Fußn. 32. 847

OVG Koblenz, NJW 1977, 595 (596 f.). Abweichend hingegen diejenigen Anhänger der Vollziehbarkeitstheorie, nach denen die aufschiebende Wirkung zwar zur Hemmung der Vollziehbarkeit führt, dies jedoch nur insoweit, als Vollziehungshandlungen der Behörden oder der Gerichte, nicht jedoch sonstiger Personen in Rede stehen, vgl. die Darstellung bei Kopp, VwGO, § 80 Rdnr. 15. Wiederum anders Kopp, VwGO, § 80 Rdnr. 16; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 80 Rdnr. 11, nach denen der Suspensiveffekt sich auch auf die Ausführung einer behördlichen Genehmigung durch den Begünstigten erstreckt, indessen diesbezüglich die aufschiebende Wirkung zu einer „suspendierten Verbindlichkeit" führt; ebenso Tschira/Schmitt Glaeser, VerwprozR, Rdnr. 350.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Auffassung 848 ergibt sich konsequenterweise, daß der Genehmigungsempfänger zwar durch seine eigenmächtige Handlungsweise einen Verletzungstatbestand setzt, hierbei jedoch auf den vorher verwirklichten, andauernden staatlichen Eingriffsakt Bezug nimmt. 849 Vor diesem Hintergrund wird folglich durch das Verhalten des Bauherrn nicht der Zurechnungszusammenhang zwischen dem hoheitlichen Ersteingriff und dem geschaffenen materiell illegalen Baurechtszustand aufgehoben. Vielmehr erwächst gerade umgekehrt aus dem fortbestehenden Unrechtsverhalten der Behörde für diese die Verpflichtung, gegen den in Anknüpfung an ihren staatlichen Eingriffstatbestand rechtswidrig handelnden Bauherrn einzuschreiten und die Einhaltung des Suspensiveffektes zu veranlassen.850 Die Forderung nach einem staatlichen Handeln erwächst zum einen im Interesse des ansonsten weiterhin beeinträchtigten Nachbarn. Zum anderen ist ein Einschreiten des Hoheitsträgers letztlich auch mit Rücksicht auf die Belange des Genehmigungsempfängers geboten, da dieser anderenfalls Gefahr läuft, einen materiell rechtswidrigen Zustand zu verfestigen, den er bei einem endgültigen Erfolg des Beseitigungsbegehrens des Drittbelasteten u.U. wieder beheben muß. Infolgedessen ändert das rechtswidrige Verhalten des Begünstigten, der ungeachtet des Suspensiveffektes die Bauarbeiten weiter fortsetzt, nichts an dem Zurechnungszusammenhang zwischen dem hoheitlichen Ersteingriff und dem hervorgerufenen rechtswidrigen Bauzustand.

848

Weides, Verwaltungsverfahren, S. 183 in Fußn. 32, in bezug auf die Vollziehbarkeits-

lehre. 849

Zu kompliziert demzufolge Ossenbühl, StHR, S. 209, wonach die unmittelbare Kausalität zwischen dem behördlichen Ersteingriff und dem materiell illegalen Baurechtszustand wohl durch das rechtswidrige Verhalten des Bauherrn überholt wird, indessen möglicherweise durch das pflichtwidrige Handeln der Verwaltung, die im Hinblick auf den Erlaß der rechtswidrigen Baugenehmigung eine Pflicht zum Einschreiten gegen den Bauherrn hat, „die damit überholte Kausalität ... dadurch wiederhergestellt worden ist". 850 Bei Mißachtung der aufschiebenden Wirkung durch den Begünstigten kommt somit für den belasteten Nachbarn vorläufiger Rechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO analog in Betracht, so ebenfalls OVG Koblenz, NJW 1977, 595 (597); OVG Lüneburg, DVB1. 1966, 275 (276 f.); VGH München, NJW 1983, 835 (836 ff.); Eyermann/Fröhler, VwGO, § 80 Rdnrn. 10, 14; Schenke, DVB1. 1986, 9 (14 ff.); Weides, Verwaltungsverfahren, S. 188. Demgegenüber in diesem Fall für das Eingreifen des § 123 VwGO die wohl überwiegende Auffassung, vgl. OVG Bremen, NVwZ 1986, 59 (60 f.); OVG Münster, OVGE 22, 247 (249 ff.); 20, 43 (45 f.); Kopp, VwGO, § 80 Rdnr. 23; ders., JuS 1983, 673 (676 ff.); Tschira/Schmitt Glaeser, VerwprozR, Rdnr. 356. Vgl. weiterhin zu der Problematik, ob der Folgenbeseitigungsanspruch im Verhältnis zum Genehmigungsempfänger eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für das Einschreiten der Verwaltung darstellt, die Darstellung in Kapitel 4 Β II 2, S. 511 ff.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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(b) Nachträgliche rechtswidrige Genehmigung eines zunächst formell illegal errichteten Bauwerks Eine zweite Abweichung vom eingangs geschilderten Fallbeispiel besteht darin, daß die Baubehörde ein zunächst ohne Baugenehmigung errichtetes Bauwerk im nachhinein beispielsweise durch eine Dispenserteilung genehmigt, wobei dieser Verwaltungsakt auf Anfechtung des Nachbarn hin wegen Rechtswidrigkeit wieder aufgehoben wird. Die Zurechnung des eingetretenen materiell illegalen Bauzustands zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers ist hier deshalb in Frage gestellt, weil die Behörde an der Errichtung des materiell ordnungswidrigen Bauvorhabens mangels Antragstellung durch den Bauherrn nicht beteiligt gewesen ist. Folgerichtig wird teilweise in der Literatur infolge fehlender Kausalität zwischen dem hoheitlichen Handeln und dem illegalen Baurechtszustand das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs verneint. 851 Diese dem ersten Anschein nach naheliegende Argumentation vermag allerdings nicht zu überzeugen. Sie läßt außer Betracht, daß die Baubehörde durch die nachträglich erteilte Dispenserteilung das hoheitliche Placet zu einem rechtswidrigen Bauzustand erteilt hat. Durch die so vorgenommene nachträgliche Legalisierung des Bauwerks macht sich der Hoheitsträger das instandgesetzte Bauprojekt zu eigen und begründet so eine Mitverantwortung für die fortdauernde Rechtsbeeinträchtigung des betroffenen Nachbarn. Hieraus erwächst die Notwendigkeit, diesen Sachverhalt mit dem Fall der von vornherein widerrechtlich erlassenen Bauerlaubnis gleichzustellen. Somit ist auch bei einer nachträglich erteilten unrechtmäßigen Dispenserteilung der materiell-rechtswidrige Bauzustand der Baubehörde zuzurechnen.

(2) Fallgruppe 2: Die im Anschluß an die behördliche Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts von einem Dritten vorgenommene weitere Rechtsbeeinträchtigung Eine weitere Zurechnungsproblematik stellt sich dann, wenn ein Drittbeteiligter im Anschluß an die behördlicherseits durchgeführte Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts aus eigenem Entschluß Handlungen vornimmt, die über die ursprüngliche Eingriffsfolge hinaus weitere Rechtsverletzungen des Rechtsinhabers zur Folge haben.

851 VGH Mannheim, VerwRspr. 24, Nr. 189, S. 815 (816); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 254; ders., StHR, 3. Aufl., Rdnr. 469, in bezug auf § 3 StHG 1981.

24 Pietzko

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Für den genannten Beispielsfall der vom Obdachlosen in der Wohnung des inanspruchgenommenen Wohnungsinhabers verursachten Beschädigungen an den Einrichtungsgegenständen ist die Zurechnung derartiger Eingriffsfolgen zum Verantwortungsbereich der Verwaltung in der Literatur zum Teil verneint worden. 852 Begründet wird diese Ansicht mit dem Hinweis, der Folgenbeseitigungsanspruch umfasse nur die unmittelbaren Eingriffsfolgen. 853 Mit Rücksicht auf die bereits dargelegten Zweifel an der Geeignetheit des Abgrenzungskriteriums der „Unmittelbarkeit" der Eingriffsfolge ergibt sich auch hier die Notwendigkeit der Festlegung präziserer Zurechnungsgesichtspunkte. Stellt man, wie es in der zuvor behandelten Fallgruppe befürwortet worden ist, auf den Inhalt bzw. auf den Sinn und Zweck der verwaltungsrechtlichen Erstursache ab, so ist eine Zurechnung solcher weitergehenden Eingriffsfolgen zu Lasten des Hoheitsträgers abzulehnen. Zweifellos sind die von dem Obdachlosen fahrlässig oder sogar vorsätzlich hervorgerufenen Rechtsverletzungen nicht mehr von der Rechtsfolgenanordnung der Behörde umfaßt. Gleichwohl erscheint zweifelhaft, ob hierbei stehengeblieben werden kann. Die isolierte Berücksichtigung der inhaltlichen Regelung der hoheitlichen Eingriffsmaßnahme läßt für den konkreten Sachverhalt außer acht, daß der betroffene Wohnungsinhaber bereits durch die zwangsweise Inanspruchnahme seiner Wohnräume zum Wohle der Allgemeinheit einen weitgehenden Übergriff in seine grundrechtlich geschützte Rechtssphäre tolerieren muß. Vor dem Hintergrund der eingangs erwähnten Überlegung, daß es bei der hier interessierenden Zurechnungsproblematik insbesondere um die Frage geht, ob der Staat, und damit die Allgemeinheit, oder/und der Drittbeteiligte für die entstandenen Eingriffsfolgen geradezustehen hat, ist zu berücksichtigen, daß eine Verneinung der Verantwortung der öffentlichen Hand den verletzten Rechtsinhaber auf Restitutionsansprüche gegenüber dem Obdachlosen verweisen würde. Dieser wird indes regelmäßig zur Erfüllung des Beseitigungsbegehrens außerstande sein. Für den Fall der im Anschluß an einen belastenden behördlichen Eingriff vorgenommenen Rechtsbeeinträchtigung durch einen Dritten ist deshalb als maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Zurechnung auf die durch den hoheitlichen Eingriffsakt zum Nachteil des Rechtsinhabers wirkende Duldungsverpflichtung abzustellen. Findet zu Lasten eines Grundrechtsträgers im Interesse der Allgemeinheit eine Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung statt, so sind mit Rücksicht auf dieses dem Einzelnen vom Staat abverlangte Opfer der öffentlichen Hand im Umkehrschluß jedenfalls solche an weiteren Rechtsgütern des Betroffenen verursachte Rechtsverletzungen zuzurechnen, 852

Rösslein, FBA, S. 87; Wolff/Bachof,\

853

So Wolff/Bachof\

VerwR I, § 54 II f 2, S. 479.

VerwR I, § 54 II f 2, S. 479; ähnlich Rösslein, FBA, S. 87.

Β. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

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die sich als typische bzw. vorhersehbare Risikoverwirklichung der vom Hoheitsträger geschaffenen Gefährdungslage qualifizieren lassen. Die Zurechnung beruht insoweit auf der Erwägung, daß erst durch die hoheitliche Erstursache die Möglichkeit für die nachfolgend vom Dritten hervorgerufenen Beeinträchtigungen geschaffen worden ist. Die Beschädigung von Einrichtungsgegenständen durch den eingewiesenen Obdachlosen stellt eine solche aus der Einweisungsverfügung sich ergebende Risikoverwirklichung dar, da durch die staatlicherseits veranlaßte Inbesitznahme der Wohnräume in vorhersehbarer Weise eine Gefahrenquelle für die Rechtsgüter des Duldungspflichtigen geschaffen worden ist. 854 Die dem Wohnungsinhaber abverlangte Einwirkung auf sein Wohnungs- und Eigentumsrecht, die eine potentielle Gefährdung weiterer Eigentumspositionen in sich trägt, rechtfertigt es auch dann, wenn der Zwangseingewiesene die Schäden vorsätzlich verwirklicht hat, diese dem Verantwortungsbereich der Behörden zuzurechnen. Folglich bleibt festzuhalten, daß in bezug auf die Rechtsbeeinträchtigungen, die von einem Dritten im Anschluß an eine belastende behördliche Verwaltungsmaßnahme verursacht werden, das maßgebliche Zurechnungsmerkmal in der dem Grundrechtsträger zugunsten der Gemeinwohlbelange auferlegten Duldungsverpflichtung liegt. Soweit sich die weiteren Rechtsverletzungen als typische oder vorhersehbare Risikorealisierung der vom Staat geschaffenen Gefährdungslage darstellen, sind diese der Allgemeinheit zuzurechnen.

(3) Fallgruppe 3: Durch Dritte aufgrund der Benutzung öffentlicher Einrichtungen oder Anlagen hervorgerufene Beeinträchtigungen Klärungsbedürftig sind schließlich diejenigen Kriterien, mit deren Hilfe die Zurechnung derjenigen Rechtsbeeinträchtigungen zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers vorgenommen werden kann, die von Dritten bei der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung hervorgerufen werden. Ausgehend von der bereits dargelegten Regel, nach welcher der öffentlichen Hand diejenigen Immissionsbelastungen zuzurechnen sind, die durch die widmungsgemäße Sachnutzung der Einrichtung oder Anlage entstehen,855 stellt sich damit die Frage nach der Reichweite der bestimmungsgemäßen 854 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum enteignungsgleichen Eingriff stellt die Zwangseinweisung eines Obdachlosen bereits einen Eingriffsakt im Hinblick auf die Schäden dar, die von dem Obdachlosen in der Wohnung verursacht werden, so BGHZ 23, 157 (169), unter Bezugnahme auf BGHZ 6, 271; 7, 296; 11, 248; 13, 371. Vgl. zum Gedanken der Risikoverwirklichung beim enteignungsgleichen Eingriff: Olivet , NVwZ 1986, 431 (433 ff.); Ossenbühl, StHR, S. 156 f. 855

Vgl. die Darstellung unter Β III 3, S. 250 ff.

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Benutzung. Zur besseren Verständlichkeit soll dabei anhand des eingangs geschilderten Beispielsfalls der Beseitigungsklage gegen eine Telefonzelle wegen der durch deren Benutzung verursachten Immissionsbeeinträchtigungen 856 die Herausbildung geeigneter Zurechnungsgesichtspunkte erfolgen. Im wesentlichen lassen sich vier Arten von Lärmbelästigungen differenzieren, die durch die Benutzung der Fernsprechzelle hervorgerufen werden bzw. im Zusammenhang mit deren Betrieb auftreten können: -

Beeinträchtigungen bei bestimmungsgemäßer Sachnutzung Zunächst sind diejenigen Geräuschbeeinträchtigungen zu nennen, die durch den Zustand der öffentlichen Einrichtung selbst entstehen. So können durch eine nicht bestimmungsgemäß funktionierende Türe beim Öffnen der Telefonzelle beispielsweise störende Quietschgeräusche hervorgerufen werden.

-

Belästigungen durch Verhaltensweisen zur bestimmungsgemäßen Sachnutzung Weiterhin können Lärmbelästigungen durch die mit der Sachnutzung zusammenhängenden typischen Begleiterscheinungen verursacht werden, wie beispielsweise als Folge des Zu- bzw. Abgangs der Benutzer und eventueller Begleiter. Hierbei kann es sich einmal um Lärmbeeinträchtigungen durch mit Kraftfahrzeugen anfahrende Benutzer handeln. Des weiteren können hier Geräuschbelästigungen eine Rolle spielen, die durch lautstarke Gespräche von Benutzern und eventuellen Begleitpersonen verursacht werden.

-

Beeinträchtigungen durch (vorhersehbaren) Fehlgebrauch Ferner können Lärmeinwirkungen als Folge des Fehlgebrauchs der öffentlichen Einrichtung auftreten, wie dies z.B. bei Geräuschbelästigungen der Fall ist, die infolge des Nichtschließens der Türe der Fernsprechzelle entstehen.

-

Beeinträchtigungen durch (vorsätzlichen) Mißbrauch der Benutzer Schließlich können in Ausnahmefällen auch solche Immissionseinwirkungen Bedeutung gewinnen, die, wie es beispielsweise in dem der Entscheidung des OVG Koblenz vom 22.4.1986 zugrundeliegenden Sachverhalt der Fall gewesen ist, durch eine mißbräuchliche Benutzung, in concreto durch randalierende Jugendliche, hervorgerufen werden.

856

OVG Koblenz, NJW 1986, 2779 ff.; VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 ff. Vgl. bereits die Nachweise in Fußn. 819 und 820.

Β. Der

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Folgenbeseitigungsanspruchs

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(a) Beeinträchtigungen bei bestimmungsgemäßer Sachnutzung Unproblematisch ist die Zurechnung solcher Immissionsbelästigungen zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers, die sich aus der bestimmungsgemäßen Sachnutzung der öffentlichen Einrichtung selbst ergeben. So sind die Geräusche, die als Folge des Türöffnens der Telefonzelle entstehen, zweifellos der öffentlichen Hand als Betreiberin der Fernsprechzelle zurechenbar. 857

(b) Belästigungen durch Verhaltensweisen zur bestimmungsgemäßen Sachnutzung Fraglich ist, ob das gleiche auch in bezug auf diejenigen Geräuschbelästigungen anzunehmen ist, die nicht aus der widmungsgemäßen Sachnutzung selbst folgen, sondern sich bei dem Zu- bzw. Abgang von Benutzern und eventuellen Begleitpersonen ergeben. Während der VGH Mannheim im Urteil vom 3.5.1984858 ausgeführt hat, daß lautstarke Unterhaltungen seitens der Benutzer und deren Begleiter einschließlich der Lärmbelästigungen durch spielende Kinder bzw. bellende Hunde mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb der Telefonzelle nichts mehr zu tun haben und mit dem Telefonieren vielmehr in einem nur zufälligen Zusammenhang stehen, weshalb eine Zurechnung zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers ausscheide, hat das OVG Koblenz mit dem Urteil vom 22.4.1986 859 einen weiteren Standpunkt vertreten. Danach handelt es sich bei dem Umstand, daß eine Fernsprechzelle einen besonderen Anziehungspunkt bzw. eine Begegnungsstätte für Jugendliche darstellt, noch um eine dem normalen Betrieb der Telefonzelle zurechenbare Tatsache.

857 Ebenso VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353 r. Sp. oben); vgl. auch OVG Münster, DVB1. 1986, 697 (698), in bezug auf die Lärmbelästigungen, die von einer bestimmungsgemäßen Benutzung einer Parkanlage ausgehen, sowie OVG Münster, NVwZ 1984, 530, hinsichtlich der Lärmbeeinträchtigungen durch den Betrieb eines Bolzplatzes. 858 859

VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353 r. Sp. Mitte).

OVG Koblenz, NJW 1986, 2779 (2781 1. Sp. oben). In vergleichbarer Weise sind dem Betrieb einer Schulbushaltestelle die Lärmbeeinträchtigungen anzulasten, die von wartenden Schülern hervorgerufen werden, restriktiv hingegen VGH Kassel, NJW 1986, 2781 (2783). Auch die durch den Lichtschein einer Straßenlampe ausgelöste Insektenplage ist der Straßenbeleuchtung zuzurechnen, ebenso Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 68, S. 39; einschränkend demgegenüber OVG Koblenz, NJW 1986, 953 (954); s. auch VGH Kassel, NJW 1989, 1500 (1501), wonach die durch eine Straßenlaterne hervorgerufene Belästigung durch Insekten eine unwesentliche und ortsübliche Beeinträchtigung darstellt. Vgl. weiterhin BVerwGE 50, 49 (53), wonach dem Betrieb eines Tunnelofens alles das zugerechnet werden muß, „was durch seine Funktion bedingt wird".

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Vorzugswürdig erscheint die extensive Auffassung des OVG Koblenz, da ihr eine den Gesamtzusammenhang der Immissionsverursachung berücksichtigende lebensnahe Betrachtungsweise zugrundeliegt. Demnach sind sowohl der durch das Anfahren mit Kraftfahrzeugen verursachte Lärm der Benutzer 860 als auch die aufgrund der Gespräche von Benutzern und eventuellen Begleitpersonen entstehenden Geräuschbelästigungen dem Hoheitsträger zurechenbar. Denn hierbei handelt es sich um typische Begleiterscheinungen der öffentlich-rechtlichen Sachnutzung, die der Nutzung der öffentlichen Einrichtung regelmäßig vorausgehen bzw. im Anschluß an die Inbetriebnahme üblicherweise erfolgen. Als solche die Benutzung flankierende Verhaltensweisen sind sie den staatlichen Stellen auch bekannt bzw. für diese voraussehbar. Demgemäß handelt es sich diesbezüglich um Gegebenheiten, die bei der gebotenen vorausschauenden Planung von dem Hoheitsträger bei der Standortwahl der Telefonzelle zu beachten sind. Notwendig erscheint allerdings eine Grenzziehung dahingehend, daß derartige Begleithandlungen nur insoweit zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers gerechnet werden, als sie in direkter räumlicher Nähe zur Telefonzelle auftreten. 861

(c) Einwirkungen bei (vorhersehbarem) Fehlgebrauch Im Ergebnis entsprechendes ist für diejenigen Lärmbelästigungen anzunehmen, die - wie im Falle des Nichtschließens der Türe der Telefonzelle durch eine unsachgemäße Benutzung der öffentlich-rechtlichen Einrichtung entstehen. Auch hier liegt es primär im Risikobereich des Betreibers einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage für diejenigen Immissionsbeeinträchtigungen, die als Folge eines voraussehbaren Fehlgebrauchs der Einrichtung hervorgerufen werden, einzustehen. Der maßgebliche Zurechnungsgrund liegt dabei in dem Umstand, daß der Hoheitsträger durch die Bereitstellung der Einrichtung oder Anlage eine Gefahrenquelle hinsichtlich möglicher Beeinträchtigungen durch Dritte schafft. Sofern diese Einwirkungen beim unsachgemäßen Umgang mit der Einrichtung entstehen, der für die öffentliche Hand voraussehbar ist, fallen die Belästigungen als typische Risikoverwirklichung der durch die Einrichtung oder Anlage begründeten potentiellen Störungsquelle in den Verantwortungsbereich der öffentlichen Hand. 860

Insoweit übereinstimmend VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353 r. Sp. oben). Vgl. weiterhin VGH Mannheim, NVwZ 1989, 276 (278). 861 Vgl. hierzu VGH Mannheim, NVwZ 1989, 276 (278 1. Sp. Mitte). Hiernach sind dem Betrieb einer Abfallbeseitigungsanlage nur diejenigen Verkehrslärmimmissionen anzurechnen, die „innerhalb eines räumlich überschaubaren Bereichs" der Anlage auftreten. Dies erfordere nicht nur eine „hinreichende Nähe zum Betriebsgelände", sondern setze auch voraus, „daß sich der Zu- und Abfahrtsverkehr nicht mit dem allgemeinen Straßenverkehr vermischt hat".

Β. Der

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Folgenbeseitigungsanspruchs

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(d) Beeinträchtigungen durch (vorsätzlichen) Mißbrauch der Benutzer Eine Ausnahme ist hingegen für solche Rechtsbeeinträchtigungen zu machen, die infolge eines Mißbrauchs der öffentlichen Einrichtung entstehen. Werden, wie im Beispielsfall erwähnt, die Belästigungen durch randalierende Jugendliche ausgelöst, so ist diese für den Hoheitsträger regelmäßig nicht voraussehbare Ausnahmeerscheinung dem gewöhnlichen Betrieb der Fernsprechzelle grundsätzlich nicht mehr zurechenbar. 862 Die Zurechnung einer mißbräuchlichen Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage durch Dritte zum Verantwortungsbereich der amtlichen Stellen erscheint vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn sich der jeweilige Mißbrauch als Folge einer durch die Einrichtung selbst geschaffenen besonderen Gefährdungslage darstellt.863 Das ist im Regelfall dann zu bejahen, wenn die Einrichtung oder Anlage einen besonderen Anreiz zum Mißbrauch in sich birgt und die demgemäß erforderlichen Schutzvorkehrungen nicht gegeben sind.864 Eine derartige erhöhte Gefahrenträchtigkeit für die Rechtsgüter betroffener Bürger ist bei einer Telefonzelle nicht gegeben.

(e) Zwischenergebnis Somit läßt sich folgender, den Charakter einer Stufenleiter aufweisender, Bewertungsmaßstab nennen, mit dessen Hilfe die Zurechnung der durch Dritte bei der Benutzung öffentlicher Einrichtungen verursachten Eingriffsfolgen zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers erfolgen kann:

862

Ebenso OVG Koblenz, NJW 1986, 2779 (2781 1. Sp. oben); s. außerdem VGH Mannheim, BauR 1987, 414 (416) - Mißbräuchliche Inanspruchnahme eines Fußweges, der über einen Spielplatz verläuft und auch als Verbindungsweg von den Anwohnern des Wohngebietes genutzt wird; OVG Münster, BauR 1987, 46 (49) - Unsachgemäße Benutzung eiens Bolzplatzes; OVG Münster, DVB1. 1986, 697 (698 f.) - Mißbräuchliche Benutzung einer Parkanlage; VG Münster, NJW 1989, 1820 (1821) - Ordnungswidrige Folgewirkungen durch den Betrieb von Altglas- und Altpapiercontainern. 863 VGH München, BayVBl. 1988, 241 (243); OVG Münster, BauR 1987, 46 (49 i.V.m. 48 f.); OVG Münster, DVB1. 1986, 697 (698); VG Münster, NJW 1989, 1820 (1821); s. außerdem OVG Lüneburg, BRS 42 (1984), Nr. 188, S. 423 (428 f.); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnrn. 66 f., S. 38 f. S. außerdem zur Störerqualität nach § 1004 BGB bei „mittelbaren Störungen": BGH, NJW 1982, 440 f.; BGHZ 69, 105 (111 ff.); BGH, NJW 1963, 2020; NJW 1960, 2335; Medicus in Müko, BGB, § 1004 Rdnrn. 39-41; Staudinger/ Gursky, BGB, § 1004 Rdnrn. 84-90. 864 VGH München, BayVBl. 1988, 241 (243 f.); OVG Münster, BauR 1987, 46 (49 i.V.m. 48 f.); VG Münster, NJW 1989, 1820 (1821); vgl. auch OVG Lüneburg, BRS 42 (1984), Nr. 188, S. 423 (428 f.).

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Kap. 2: Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs

Die durch Dritte beim Gebrauch einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage hervorgerufenen bzw. hiermit im Zusammenhang stehenden Beeinträchtigungen sind dem öffentlichen Funktionsträger zurechenbar: -

wenn sie als Folge einer bestimmungsgemäßen Sachnutzung der öffentlich gewidmeten Einrichtung entstehen, - falls sie typische Begleiterscheinungen der widmungsgemäßen Sachnutzung darstellen, sofern sie dem Hoheitsträger bekannt oder zumindest für diesen voraussehbar sind, - oder soweit sie aufgrund eines voraussehbaren Fehlgebrauchs der öffentlichen Einrichtung auftreten. - Demgegenüber sind durch Dritte hervorgerufene Störungen, die durch einen (vorsätzlichen) Mißbrauch der öffentlichen Einrichtung begründet sind, dem Hoheitsträger grundsätzlich nicht zurechenbar. Eine Ausnahme von dieser Regel ist lediglich insoweit anzuerkennen, als die mißbräuchliche Benutzung der Einrichtung oder Anlage in dieser selbst ihre Wurzel hat, und die Behörden die demzufolge notwendigen Vorkehrungen nicht getroffen haben.

4. Teilergebnis zur haftungsbegründenden Kausalität Infolgedessen lassen sich in bezug auf das Erfordernis eines Kausal- und Zurechnungszusammenhangs zwischen dem hoheitlichen Eingriffsakt und der Eingriffsfolge folgende Ergebnisse zusammenfassen: Im Grundsatz bestimmt sich im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs die haftungsbegründende Kausalität nach Maßgabe der Adäquanztheorie. Dabei schließt das Vorliegen einer hypothetischen Eingriffsursache, die nicht im Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers liegt, den haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen der staatlichen Eingriffsmaßnahme und der eingetretenen Zustandsveränderung nicht aus. Nur wenn die Reserverursache bereits im Zeitpunkt der hoheitlichen Verletzungshandlung vorgelegen hat und anschließend ebenfalls zu der Rechtsbeeinträchtigung geführt hätte, ist die Restitutionsverpflichtung des Hoheitsträgers auf die Nachteile beschränkt, die durch den behördlicherseits zu verantwortenden früheren Schadenseintritt entstanden sind. Der behördliche Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist in bezug auf formell-rechtswidrige Eingriffsakte dann beachtlich, wenn feststeht, daß selbst bei Einhaltung der formellen Anforderungen die materiell-rechtliche Entscheidung so hätte erlassen werden müssen. Hinsichtlich der Sachentscheidung selbst greift dieses Vorbringen nur dann durch, wenn die

Β. Der

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Folgenbeseitigungsanspruchs

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Rechtsbeeinträchtigung bei einer Ermessensreduzierung auf Null bei rechtmäßigem Handeln ebenfalls hätte herbeigeführt werden müssen. Bei mitwirkender Verursachung der Rechtsverletzung durch den Rechtsinhaber wird der Haftungszusammenhang zwischen dem staatlichen Eingriffsakt und der Rechtsverletzung nicht aufgehoben. Bei Mitwirkungshandlungen eines Dritten hinsichtlich der hervorgerufenen Rechtsbeeinträchtigungen sind drei Unterfallgruppen zu unterscheiden, für die jeweils eigenständige Zurechnungskriterien Geltung beanspruchen: -

So ist die Zurechnung der Eingriffsfolge zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers nach Maßgabe der inhaltlichen Ausgestaltung bzw. unter Heranziehung von Sinn und Zweck der verwaltungsrechtlichen Eingriffsmaßnahme vorzunehmen, sofern das Handeln des Dritten in Ausübung eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts zu der Rechtsverletzung des Betroffenen geführt hat.

-

Die Duldungsverpflichtung des behördlicherseits Inanspruchgenommenen ist der entscheidende Zurechnungsgesichtspunkt für den Fall, daß ein Dritter im Anschluß an die Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts über die ursprüngliche Eingriffsfolge hinausgehende Rechtsbeeinträchtigungen des Rechtsinhabers hervorgerufen hat. Eine Zurechnung solcher weiteren Eingriffsfolgen zum Verantwortungsbereich der Verwaltung ist dann anzunehmen, sofern sie eine typische Risikoverwirklichung der durch den hoheitlichen Eingriff geschaffenen Gefährdungslage darstellen.

-

Bezüglich derjenigen Rechtsbeeinträchtigungen, die durch Dritte als Folge des Gebrauchs einer öffentlichen Einrichtung bzw. im Zusammenhang mit deren Betrieb entstehen, erfolgt die Zurechnung dieser Eingriffsfolgen zu Lasten der öffentlichen Hand mit Hilfe eines als Stufenleiter zu charakterisierenden Bewertungsmaßstabs: Danach ist der Zurechnungszusammenhang dann zu befürworten, wenn die Beeinträchtigungen bei einer widmungsgemäßen Sachnutzung der öffentlichen Einrichtung oder Anlage auftreten, falls sie typische Begleiterscheinungen dieser bestimmungsgemäßen Benutzung bilden, die für den Hoheitsträger bekannt oder zumindest voraussehbar sind oder soweit sie als Folge eines voraussehbaren Fehlgebrauchs der öffentlichen Einrichtung entstehen. Hingegen ist im Falle der mißbräuchlichen Benutzung der Einrichtung durch dritte Störer eine Zurechnung der Eingriffsfolgen zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme von dieser Regel ist nur dann anzuerkennen, wenn die Einrichtung oder Anlage selbst aufgrund ihrer Beschaffenheit die Gefahr einer mißbräuchlichen Nutzung hervorruft, und die zuständigen staatlichen Stellen die notwendigen Schutzvorkehrungen nicht getroffen haben.

3

Kap. : De

t e n d e s Folgenbeseitigungsanspruchs

C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 2. Kapitels Der Folgenbeseitigungsanspruch wird durch folgende Anspruchsvoraussetzungen bestimmt:

I. Beeinträchtigung einer subjektiven Rechtsposition des öffentlichen Rechts 1. Der Folgenbeseitigungsanspruch setzt die Verletzung einer absolut geschützten Rechtsposition des öffentlichen Rechts voraus. a) Hierbei kommen auf der Ebene des Verfassungsrechts die speziellen Freiheitsgrundrechte, Art. 2 Abs. 1 GG sowie die Institutionsgarantien in Betracht. b) Des weiteren kann ein Eingriff in einfachgesetzlich begründete subjektiv-öffentliche Rechte zum Entstehen des Anspruchs führen. c) Ferner sind die durch Verwaltungsakt entstehenden subjektiven Rechte als geschützte Rechtspositionen i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs anzuerkennen. Hierzu gehören vor allem die statusbegründenden Verwaltungsakte sowie die Ausübungsberechtigungen auf der Grundlage einer Ausnahmebewilligung und einer Kontrollerlaubnis. 2. Nicht erfaßt werden vom Folgenbeseitigungsanspruch demgegenüber die lediglich relativ wirkenden Rechtspositionen. Somit scheiden subjektive Rechte aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages sowie Leistungsansprüche als schutzbewehrte Rechtsstellungen aus.

II. Vorliegen eines Eingriffs 1. Aktive Übergriffe der öffentlichen Gewalt Unbestrittenermaßen wird der Folgenbeseitigungsanspruch durch aktive staatliche Übergriffe in die subjektive Rechtsstellung des Bürgers ausgelöst.

2. Eingriff durch Unterlassen Hinsichtlich des Eingriffs durch eine unterlassene Verwaltungsmaßnahme ist wie folgt zu differenzieren:

C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

379

a) Unterläßt es die Behörde im Anschluß an einen vorangegangenen rechtmäßigen Eingriffsakt nach Fortfall der ursprünglichen Eingriffsvoraussetzungen die ehemalige Lage wiederherzustellen, so liegt ein fortwirkendes aktives Eingriffsverhalten vor, das zum Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs führt. Die Problematik des Eingriffs durch ein Unterlassen stellt sich in diesem Fall folglich nicht. b) Eine unterlassene behördliche Maßnahme ist dann als Eingriff i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs einzuordnen, wenn sie sich als eine dem Betroffenen gegenüber bestehende Schutzpflichtverletzung darstellt und den Entzug bzw. die Verschlechterung einer bereits vom Bürger innegehabten absoluten Rechtsposition zur Folge hat. c) Demgegenüber wird die rechtswidrige Nichterfüllung eines originären Leistungsanspruchs des Bürgers nicht vom Folgenbeseitigungsanspruch erfaßt. Das gilt auch dann, wenn die begehrte Besserstellung zu Unrecht versagt worden ist und im Verlauf des Rechtsmittelverfahrens der primäre Erfüllungsanspruch infolge einer geänderten Sach- und /oder Rechtslage erloschen ist. Auch die Rechtsnachteile, die auf einer verzögerten Forderungsnichterfüllung beruhen, wie z.B. Verzugszinsen, können nicht im Wege des Anspruchs geltend gemacht werden. d) Ferner entfällt das Haftungsinstitut bei der rechtswidrigen Schlechterfüllung eines originären Leistungsbegehrens des Bürgers.

3. Die Qualität des Eingriffsverhaltens a) Das vorrangig relevante Eingriffsverhalten stellen Maßnahmen der Exekutivbehörden dar. Im einzelnen kann der Folgenbeseitigungsanspruch durch folgende Handlungsformen ausgelöst werden: aa) Bedeutung besitzen zunächst behördliche Eingriffe in Gestalt des Verwaltungsakts. Den klassischen Anwendungsfall des Folgenbeseitigungsanspruchs bildet der durch die Verwaltungsbehörde vor Bestandskraft vollzogene, vgl. § 80 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 VwGO und später vom Gericht infolge Rechtswidrigkeit aufgehobene Verwaltungsakt, vgl. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO. Unerheblich ist es dabei für das Entstehen des Anspruchs, ob der rechtswidrige Verwaltungsakt zwangsweise von der Behörde vollzogen worden ist oder ob der Bürger die Rechtsfolgenanordnung freiwillig befolgt hat. Ebenfalls ist er anwendbar, wenn die Behörde den Verwaltungsakt faktisch vollzogen, d.h. ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 VwGO durchgesetzt hat. Auch im Falle des nichtigen Verwaltungsakts entsteht der Folgenbeseitigungsanspruch. Das gleiche gilt, sofern ein wider-

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Kap. : De

t e n d e s Folgenbeseitigungsanspruchs

rechtlich erlassener Verwaltungsakt vollzogen wird, der später wegen Rechtswidrigkeit von der Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde zurückgenommen wird oder wenn der ursprünglich rechtmäßige Verwaltungsakt im nachhinein wegen Fristablaufs bzw. anderweitiger Erledigung unwirksam wird. Ferner findet § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO auch dann Anwendung, wenn das Gericht im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts feststellt, sofern sich zwar der Verwaltungsakt, nicht aber die Vollzugsfolgen erledigt haben. bb) Des weiteren kann der Anspruch auf Folgenbeseitigung bei Eingriffen durch Realakte entstehen. Sowohl bei Verletzungshandlungen in Form von Verwaltungsakten als auch bei tatsächlichem Verwaltungshandeln ist der Ausdruck „Folgenbeseitigungsanspruch" zu verwenden. Lediglich der Begriff „Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch" soll ausschließlich bei Eingriffen durch Verwaltungsakt als Sonderbegriff angewendet werden. cc) Außerdem können innerdienstliche Maßnahmen den Folgenbeseitigungsanspruch auslösen. dd) Bei Handlungen, die in Erfüllung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vorgenommen werden, ist wie folgt zu differenzieren: Findet die Rechtsbeeinträchtigung des Bürgers auf der Grundlage eines koordinationsrechtlichen Vertrages statt, so scheidet der Folgenbeseitigungsanspruch aus. Liegt hingegen ein „subordinationsrechtlicher Selbsteingriff' des Betroffenen in Realisierung der vertraglichen Vereinbarung vor, so ist mit Rücksicht auf die gleiche Interessenlage und Schutzbedürftigkeit des Bürgers seine Geltung zu befürworten. Angriffsziel des Rechtsinstituts sind dabei sowohl die Rechtsbeeinträchtigungen, die aufgrund der Erfüllungshandlungen des Betroffenen eingetreten sind, als auch im Falle der lediglich rechtswidrigen vertraglichen Vereinbarung der Vertrag als solcher. b) Richterliche Akte im Bereich der verbindlichen und abschließenden Entscheidung von Rechtsstreitverfahren werden nicht vom Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt, es sei denn, es liegt der Ausnahmetatbestand der Verwirklichung einer vorsätzlichen Straftat durch den Richterspruch vor. Er ist jedoch dann anwendbar, wenn von dem Judikativakt entweder Personen betroffen werden, die nicht von der Bindungswirkung der Entscheidung umfaßt sind oder wenn sich die Maßnahme, obgleich sie sich an Verfahrensbeteiligte wendet, nicht auf die formelle oder materielle Rechtskraft der Entscheidung auswirkt. Relevanz kommt insoweit insbesondere ehrkränkenden Äußerungen eines Richters im gerichtlichen Verfahren gegenüber Verfahrensbeteiligten und dritten Personen zu.

C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

3

c) Bezüglich des Eingreifens des Folgenbeseitigungsanspruchs bei Legislativeingriffen sind folgende Fallvarianten zu unterscheiden: aa) Wird die Rechtsverletzung durch den Normakt als solchen verursacht, so scheidet bei förmlichen Gesetzen der Folgenbeseitigungsanspruch grundsätzlich aus. Eine Ausnahme von dieser Regel gilt jedoch bei den sog. individuellen Maßnahme- und Einzelfallgesetzen. Demgegenüber sind untergesetzliche Rechtsnormen, d.h. Satzungen und Rechtsverordnungen, als maßgebliche Eingriffsakte i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs anzuerkennen. bb) Ist die Rechtsverletzung im Unterschied hierzu durch den verwaltungsbehördlichen Vollzug einer verfassungs- bzw. rechtswidrigen Ermächtigungsgrundlage entstanden, so kann der Legislativakt als solcher nicht über den Folgenbeseitigungsanspruch angegriffen werden. Nach den Grundsätzen des Primärrechtsschutzes muß der Betroffene vielmehr gegen die verwaltungsbehördliche Vollzugsmaßnahme und deren Folgen vorgehen.

4. Die Finalität einer Maßnahme als ungeeignetes haftungsbegrenzendes Kriterium im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs Der Folgenbeseitigungsanspruch erstreckt sich sowohl auf bewußt und zielgerichtet verursachte Rechtsbeeinträchtigungen des Bürgers als auch auf zufällig eingetretene Rechtsverletzungen. Ausgeschlossen ist er jedoch bei Bagatelleingriffen.

I I I . Hoheitlicher Charakter des Eingriffsverhaltens 1. Allgemeine Begriffsbestimmung Ein hoheitlicher Eingriffsakt i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs ist dann gegeben, wenn die Verletzungshandlung von einem Träger öffentlicher Gewalt zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben nach Maßgabe des öffentlichen Rechts vorgenommen worden ist. Eine Beschränkung des Merkmals der Hoheitlichkeit auf einseitige behördliche Anordnungen ist demnach abzulehnen. Unerheblich ist für das Eingreifen des Anspruchs, ob der Hoheitsträger selbst, d.h. durch seine Bediensteten, den Eingriffsakt verwirklicht hat oder ob die Rechtsverletzung durch Privatpersonen vorgenommen worden ist, sofern der Eingriff eine dem Staat zurechenbare Handlung darstellt.

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Kap. : De

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2. Grenzfälle a) Ob der „subordinationsrechtliche Selbsteingriff 4 des Bürgers auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erfolgt ist, entscheidet sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen Recht zugehört. Das ist vor allem dann zu bejahen, wenn der Vertfagsinhalt in der Ausgestaltung oder Veränderung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen bzw. Berechtigungen besteht. Die sog. gemischten Vertragstypen sind dabei einheitlich als öffentlich-rechtliche Verträge einzustufen. b) Ein judikativer Eingriffsakt ist dann als hoheitliche Verletzungshandlung einzuordnen, wenn sie in Wahrnehmung amtlicher Aufgaben und Pflichten nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Vorschriften vorgenommen wird. c) Infolge ihres neutralen Rechtscharakters stellt sich die Qualifizierung von Realakten als Zuordnungsproblem dar. Einordnungsprobleme tauchen in erster Linie in zwei Regelungsbereichen auf: aa) Bei Immissionsbeeinträchtigungen spricht die öffentlich-rechtliche Organisationsform der emittierenden Einrichtung sowie ihre ausdrücklich oder konkludent vorgenommene öffentlich-rechtliche Widmung für den hoheitlichen Rechtsgehalt der Belästigungen. Soweit die Immissionen durch die widmungsgemäße Nutzung der Einrichtung verursacht werden, schlägt der öffentlich-rechtliche Charakter der Einrichtung auf die Sachnutzung als Ausübung des Sachbesitzes durch. Von diesem Grundsatz ausgehend, sind folgende vier Fallkonstellationen im besonderen zu unterscheiden: aaa) Weist die Einrichtung keine Organisationsstruktur auf, so spricht die Ausweisung der Einrichtung in den öffentlich-rechtlichen Bauleitplänen bzw. die öffentlich-rechtliche Widmung der Gemeinschaftsanlagen für den öffentlich-rechtlichen Charakter der Sachnutzung. bbb) Demgegenüber ist der über die öffentlich-rechtiche Zweckbindung hinausgehende widmungsfremde Gebrauch eine privatrechtliche Nutzung der Einrichtung. ccc) Immissionen, die bei den Bau- und Instandsetzungsarbeiten an den öffentlichen Einrichtungen entstehen, die als flankierende Maßnahmen zur Ermöglichung des reibungslosen Sachgebrauchs notwendig sind, sind als öffentlich-rechtliche Eingriffsakte einzuordnen. ddd) Ferner ist das liturgische Glockenläuten einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Kirche nach öffentlichem Recht zu beurteilen.

C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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Werden im Unterschied hierzu die öffentlichen Aufgaben durch privatrechtliche Unternehmen ausgeführt, so ist deren Betätigung regelmäßig als privatrechtlich zu qualifizieren, es sei denn die Unternehmen verfügen über einen Beliehenenstatus. bb) Der zur Einordnung ehrkränkender Äußerungen eines Beamten von der herrschenden Meinung herangezogene Wertungsgesichtspunkt, ob die Erklärung „in Zusammenhang" bzw. „bei Gelegenheit" der Amtsführung erfolgt ist, vermag nicht zu überzeugen. Unproblematisch ist die Qualifizierung derjenigen Tatsachenbehauptungen, die ohne jeglichen äußeren dienstlichen Bezug im privaten Lebensbereich formuliert werden. Hier ist zweifellos der privatrechtliche Charakter der Erklärung festzustellen. Ist demgegenüber die Äußerung dem äußeren Anschein nach in Verknüpfung mit dem dienstlichen Bereich abgegeben worden, so ist der hoheitliche Rechtsgehalt der Tatsachenbehauptung dann gegeben, wenn die Erklärung im fremden, d.h. im amtlichen Namen, oder zumindest auch im fremden Namen geäußert worden ist. Bei der demzufolge entsprechend § 133 BGB gebotenen Auslegung der Erklärung ist zu überprüfen, wie die Tatsachenbehauptung aus der Sicht eines objektiven Dritten zu verstehen gewesen ist. Als Indizien für den hoheitlichen Rechtscharakter der Äußerung ist dabei namentlich zu berücksichtigen, ob bei schriftlichen Erklärungen der behördliche Briefkopf verwendet oder ein behördliches Aktenzeichen angegeben worden ist. Zudem ist in die Bewertung miteinzubeziehen, ob die Verlautbarung unter Inanspruchnahme des Ansehens des Amtes formuliert bzw. in Erfüllung hoheitlicher Kompetenzen vorgenommen worden ist. Ferner spricht für den amtlichen Rechtsgehalt, wenn die Tatsachenerklärung anderen Behörden zur Kenntnisnahme weitergeleitet worden ist. Abzulehnen ist weiterhin die von der überwiegenden Rechtsmeinung vertretene Akzessorietätstheorie, nach der der privat- oder öffentlich-rechtliche Rechtsgehalt der der amtlichen Erklärung zugrundeliegenden Rechtsbeziehung, das sog. „Grundgeschäft", die Rechtsnatur der Ehrkränkung bestimmt. Vielmehr ist davon auszugehen, daß amtliche Mitteilungen der Behörden wegen der Abgabe durch einen öffentlich-rechtlichen Funktionsträger auch bei einem zivilrechtlichen „Grundgeschäft" einen hoheitlichen Rechtsgehalt aufweisen. cc) Gegenüber Ehrkränkungen, die in Sendungen der privaten Rundfunkund Fernsehanstalten erfolgen, kommt ausschließlich ein privatrechtlicher Widerrufsanspruch in Betracht. Hingegen sind entgegen der zivilrechtlichen Rechtsprechung die ehrkränkenden Äußerungen, die in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten publik gemacht werden, als hoheitliche Eingriffsakte einzustufen. Allerdings wäre de lege ferenda eine spezialgesetzliche Zuweisung des Widerrufsanspruchs zu den Zivilgerichten insofern wün-

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sehenswert, als auf diesem Wege dem dualen Rechtsschutzsystem Rechnung getragen würde. Zudem würde hierdurch berücksichtigt, daß hinsichtlich der übrigen Ansprüche, die als Folge einer ehrkränkenden Äußerung entstehen können, wie der Gegendarstellungsanspruch gem. den Landesrundfunkgesetzen sowie der Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ebenfalls der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. dd) Ferner sind ehrverletzende Presseerklärungen der Staatsanwaltschaft über den Stand des von ihr geführten Ermittlungsverfahrens oder in bezug auf dessen abschließendes Ergebnis dem öffentlichen Rechtskreis zuzuordnen. Denn diese Pressemitteilungen werden von der Staatsanwaltschaft in ihrer Eigenschaft als Justizbehörde in Erfüllung des presserechtlichen Informationsanspruchs nach den landesrechtlichen Pressegesetzen wahrgenommen.

IV. Die Rechtswidrigkeit der Rechtsbeeinträchtigung 1. Der Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils a) Der Folgenbeseitigungsanspruch knüpft an die Rechtswidrigkeit der staatlicherseits verursachten Eingriffsfolgen an. Regelmäßig wird dabei jedoch die Widerrechtlichkeit der Zustandsveränderung auf der Unrechtmäßigkeit der Eingriffshandlung beruhen. b) Folgende besondere Fallkonstellationen sind zu erwähnen: aa) Führt ein ursprünglich berechtigter Eingriff in die Rechtsstellung des Bürgers infolge Wegfalls des legalisierenden Verwaltungsakts durch Eintritt einer der in § 36 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwVfG genannten Gründe zu widerrechtlichen Eingriffsfolgen, so liegt ein faktisch fortwirkendes, im nachhinein rechtswidriges Eingriffsverhalten vor, das den Folgenbeseitigungsanspruch auslöst. bb) Er entfällt demgegenüber, wenn ein zunächst rechtswidriger Eingriff durch einen anschließenden legalisierenden Akt nunmehr zu einem pflichtgemäßen Zustand führt. Sofern die legalisierende Maßnahme bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, in der über das Anfechtungsbegehren und den Folgenbeseitigungsantrag entschieden wird, entweder bereits durchgeführt worden ist oder aber deren Realisierung aufgrund konkreter Anhaltspunkte sicher umgehend zu erwarten ist, greift der Folgenbeseitigungsanspruch nicht ein. cc) Unanwendbar ist er außerdem in der umgekehrten Fallgestaltung, daß nach unberechtigter Antragsablehnung wegen nachfolgender Änderung der Sach- und/oder Rechtslage die Gewährung der begehrten Vergünstigung

C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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nicht mehr zulässig ist. In diesem Fall ist bereits keine relevante Verletzungshandlung i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs gegeben. dd) Ferner scheidet das Rechtsinstitut in Übereinstimmung mit der Regelung des § 46 VwVfG grundsätzlich bei nur formeller Rechtswidrigkeit des Eingriffsakts aus. Die Zuerkennung des Folgenbeseitigungsanspruchs für den Fall, daß der materiell-rechtlich zulässige Eingriff auf einer gebundenen Verwaltungsentscheidung beruht und bei Beachtung der formellen Erfordernisse genauso wiederholt werden müßte, würde gegen den Rechtsgrundsatz des „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" verstoßen. Demgegenüber greift er bei einem lediglich formellen Rechtsverstoß dann ein, wenn die Verwaltungsbehörde bei Beachtung des formellen Rechtsgebots zu einer inhaltlich anderen Rechtsfolgenanordnung gelangen könnte, d.h. wenn auch gem. § 46 VwVfG der Anspruch des Betroffenen auf Aufhebung des formell fehlerhaften Verwaltungsakts nicht entfällt. Das gleiche gilt dann, wenn ein formelles Rechtsgebot verletzt worden ist, das seiner ratio legis nach, d.h. insbesondere infolge seiner Bedeutung für die Grundrechtsausübung, eine eigenständige, von materiellen Gesichtspunkten unabhängige Sanktionspflicht erfordert. Dies ist beispielsweise im Planfeststellungsrecht bei Fehlen des gesetzlich geforderten Planfeststellungsverfahrens oder bei Abgabe einer zwar inhaltlich zutreffenden, indessen von dem unzuständigen Amtswalter formulierten Erklärung zu bejahen.

2. Ausschluß der Widerrechtlichkeit bei Vorliegen einer Duldungspflicht a) Die Rechtswidrigkeit der Eingriffsfolgen ist dann festzustellen, wenn die Einwirkung des Hoheitsträgers auf die Rechtssphäre des Betroffenen ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage bzw. aufgrund einer nicht verfassungsmäßigen Ermächtigungsnorm erfolgt ist. Weiterhin kann die Unrechtmäßigkeit der Zustandsveränderung darauf beruhen, daß sie unter Mißachtung materieller, im Ausnahmefall sogar nur formeller Rechtsgebote durchgeführt worden ist. b) Die eingetretene Rechtsbeeinträchtigung ist hingegen dann legitimiert, wenn eine materiell-rechtliche Duldungsverpflichtung des betroffenen Rechtsinhabers vorliegt. Diese kann sich auf der Grundlage bestimmter legitimierender Tatbestände ergeben: aa) So kann eine Duldungs Verpflichtung auf einem rechts wirksamen, ggf. auch rechtswidrigen Verwaltungsakt beruhen. Hierbei ist es erforderlich, im Einzelfall die exakte Reichweite der legalisierenden Wirkung des Verwaltungsakts zu bestimmen. 25 Pietzko

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bb) Weiterhin kann sich die Tolerierungspflicht aus gesetzlichen Vorschriften ergeben. Praxisrelevanz weisen hier vor allem die §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 BImSchG, bauplanungsrechtliche Vorschriften, die Baumschutzregelungen in Gestalt von Rechtsverordnungen und Satzungen sowie die analoge Anwendung des § 906 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB auf. Hingegen ist eine richterrechtliche Duldungspflicht bei gemeinwichtigen Anlagen abzulehnen. Bei ehrkränkenden Äußerungen scheidet eine Duldungspflicht des Betroffenen nach Art. 5 Abs. 1 GG angesichts der fehlenden Grundrechtsfähigkeit der Hoheitsträger aus. Ebenfalls ist im Ergebnis die Rechtfertigung der amtlichen Erklärung gem. § 193 StGB analog abzulehnen. Dies gilt sowohl bei festgestellter Unwahrheit der Tatsachenbehauptung als auch für den Fall des Vorliegens eines „non liquet" in bezug auf die Wahrheit der Tatsachenbehauptung. Für den Sonderfall der inhaltlich zutreffenden, jedoch in rechtswidriger Weise zustandegekommenen hoheitlichen Tatsachenbehauptung kommt ein eingeschränkter Widerrufsanspruch in Betracht. Danach ist der Hoheitsträger im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs zu der Erklärung zu verpflichten, „daß die von ihm getätigte inhaltlich zutreffende Äußerung in rechtswidriger Weise vorgenommen worden ist". Ferner kann sich für den speziellen Bereich der ehrkränkenden Äußerung eines Richters gegenüber Verfahrensbeteiligten oder dritten Personen eine Duldungspflicht nach Maßgabe des Art. 97 GG bzw. nach § 25 DRiG ergeben. cc) Schließlich kann eine Duldungspflicht aus einer ausdrücklichen oder konkludenten Zustimmung des betroffenen Rechtsinhabers hinsichtlich der Einwirkung auf seine Rechtssphäre folgen.

V. Fortdauer der rechtswidrigen Rechtsbeeinträchtigung zum Nachteil des Anspruchstellers Unerläßliche Voraussetzung für das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs ist weiterhin, daß durch den hoheitlichen Eingriff eine fortdauernde rechtswidrige Zustandsveränderung zu Lasten des Betroffenen eingetreten ist. Die Rechtsverletzung kann immaterieller oder materieller Art sein.

C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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VI. Kausalität zwischen Eingriff und Rechtsgutsverletzung sowie Zurechnung der eingetretenen Rechtsverletzung zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers (sog. haftungsbegründende Kausalität) 1. Unter haftungsbegründender Kausalität ist der Kausalzusammenhang zwischen dem hoheitlichen Eingriff und der eingetretenen Integritätsverletzung zu verstehen. 2. Dem Grundsatz nach beurteilt sich die haftungsbegründende Kausalität nach Maßgabe der Adäquanztheorie. 3. Folgende besondere Fallkonstellationen lassen sich unterscheiden: a) Ist die konkret eingetretene Rechtsverletzung durch eine staatliche Maßnahme hervorgerufen worden, so wird dieser haftungsrechtliche Zusammenhang nicht dadurch ausgeschlossen, daß dieselbe Rechtsbeeinträchtigung auch ohne die staatliche Verletzungshandlung nachfolgend durch einen zweiten, nicht im Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers wurzelnden Umstand eingetreten wäre (Fall des hypothetischen Kausalverlaufs/sog. „überholende Kausalität"). Nur wenn die Reserveursache bereits im Zeitpunkt der hoheitlichen Einwirkungshandlung vorgelegen hat und anschließend ebenfalls zu der Rechtsverletzung des Betroffenen geführt hätte, ist die Restitutionspflicht der öffentlichen Gewalt auf diejenigen Nachteile beschränkt, die durch den behördlicherseits zu verantwortenden früheren Schadenseintritt entstanden sind. b) Der behördliche Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist bei formell-rechtswidrigen Eingriffsakten dann beachtlich, wenn feststeht, daß selbst bei Beachtung der formellen Rechtsgebote die materiell-rechtliche Entscheidung so hätte erlassen werden müssen. Bezüglich der Sachentscheidung selbst greift ein solches Vorbringen nur dann durch, wenn auch bei einem rechtmäßigen Verhalten infolge einer Ermessensreduzierung auf Null die Rechtsbeeinträchtigung ebenfalls hätte herbeigeführt werden müssen. c) Durch die Mitwirkung des betroffenen Rechtsinhabers wird der haftungsrechtliche Zusammenhang zwischen dem behördlichen Fehlverhalten und der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung nicht ausgeschlossen. d) Ist ein Dritter am Entstehen der Rechtsverletzung beteiligt, so sind drei Unterfallgruppen zu differenzieren: aa) Sofern der Dritte in Ausübung eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts die Rechtsverletzung hervorgerufen hat, ist die Zurechnung der Rechtsbeeinträchtigung zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers

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aufgrund der inhaltlichen Ausgestaltung bzw. unter Heranziehung von Sinn und Zweck der verwaltungsrechtlichen Maßnahme vorzunehmen. So ist der Baubehörde die Errichtung des materiell-rechtswidrigen Bauwerks durch den Begünstigten als Vollzugsfolge der Baugenehmigung zuzurechnen. Auch für die Sonderfälle der „faktischen Vollziehung" der Baugenehmigung durch den privaten Genehmigungsempfänger sowie bei nachträglicher rechtswidriger Genehmigung eines zunächst formell illegal errichteten Bauwerks ist der Zurechnungszusammenhang zu bejahen. bb) Verursacht der Dritte nach der behördlichen Vollziehung eines Verwaltungsakts eine über die ursprünglich gegebene Rechtsverletzung hinausgreifende Tangierung weiterer Rechtsgüter des Betroffenen, so ist die durch den Verwaltungsakt begründete Duldungsverpflichtung der maßgebliche Wertungsgesichtspunkt zur Feststellung des Zurechnungszusammenhangs zwischen der zusätzlich hervorgerufenen Rechtsbeeinträchtigung und dem staatlichen Ersteingriff. Sofern sich die weiteren Rechtsverletzungen als eine typische und vorhersehbare Risikoverwirklichung der durch den hoheitlichen Eingriff geschaffenen Gefährdungslage erweisen, sind diese dem Hoheitsträger zuzurechnen. cc) Mit Hilfe eines als Stufenleiter zu qualifizierenden Bewertungsmaßstabes können schließlich die Rechtsbeeinträchtigungen, die durch dritte Personen bei der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung hervorgerufen werden bzw. hiermit im untrennbaren Zusammenhang stehen, dem Verantwortungsbereich des hoheitlichen Anlagenbetreibers zugerechnet werden. aaa) Danach ist der Zurechnungszusammenhang bei solchen Belästigungen zu bejahen, die aufgrund einer bestimmungsgemäßen Sachnutzung der öffentlichen Einrichtung oder Anlage durch Dritte auftreten. bbb) Überdies sind typische Begleiterscheinungen dieser bestimmungsgemäßen Sachnutzung, die für den Hoheitsträger bekannt oder zumindest voraussehbar gewesen sind, dem öffentlichen Anlagenbetreiber zuzurechnen. ccc) Das gleiche gilt für solche Beeinträchtigungen, die als Folge eines voraussehbaren Fehlgebrauchs der öffentlichen Einrichtung entstehen. ddd) Grundsätzlich ausgeschlossen ist demgegenüber die Zurechnung der Rechtstangierungen, die aufgrund einer mißbräuchlichen Benutzung der Einrichtung hervorgerufen werden, es sei denn, daß die Einrichtung oder Anlage aufgrund ihrer individuellen Beschaffenheit die Gefahr einer mißbräuchlichen Nutzung in sich trägt und die zuständigen amtlichen Stellen die erforderlichen Schutz Vorkehrungen unterlassen haben.

Kapitel 3

Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs A. Einleitung Die Diskussion um die Rechtsfolgenseite des Folgenbeseitigungsanspruchs ist durch die gleiche Vielfalt unterschiedlicher Stellungnahmen gekennzeichnet, wie sie bereits in bezug auf die Rechtsgrundlage und den Tatbestand dieses Rechtsinstituts festzustellen gewesen ist. Die zum Teil in der Literatur gebräuchliche Formulierung, daß es sich bei dem Folgenbeseitigungsanspruch nach nunmehr anerkannter Auffassung um einen „gleichsam verkürzten Anspruch auf Naturalrestitution handeltder darauf gerichtet ist, den „ Status quo ante herzustellen", 1 täuscht eine Einigkeit hinsichtlich seines Anspruchsinhalts vor, die nicht gegeben ist. Zur Verdeutlichung seien einige Aussagen in bezug auf die Definierung des Anspruchsziels des Folgenbeseitigungsanspruchs genannt, welche einen ersten Überblick über das Meinungsspektrum vermitteln sollen. So wird einerseits vertreten, daß er als negatorischer Störungsbeseitigungsanspruch lediglich auf die Behebung des rechtswidrigen Zustands für die Zukunft, nicht aber auf die Beseitigung der Folgen des rechtswidrigen Eingriffsakts gerichtet sei.2 Andererseits wird sein Anspruchsziel als Wiederherstellung des ursprünglichen, vor dem hoheitlichen Unrechtsverhalten vorhandenen Zustands qualifiziert. 3 Einer weiteren Auffassung nach bildet die Herstellung der hypothetischen Lage, wie sie ohne die schädigende Handlung bestehen würde, den Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs.4 Ferner wird der Folgenbeseitigungsanspruch als Restitutions- bzw. Ersatzanspruch 5 oder

1 So Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 271. Vgl. auch die Amtl. Begr. zum E-StHG, BTDrucks. 8/2079, S. 44. 2

Rüfiier,

BB 1968, 881 (882); W. Schmidt, JuS 1969, 166 (168).

3

BVerwG, NJW 1989, 2272 (2277); NJW 1989, 118; BVerwG, BayVBl. 1987, 541 1. Sp. Mitte; BVerwGE 69, 366 (371); VGH Mannheim, NJW 1985, 1482; OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); Ossenbühl, StHR, S. 198; Weyreuther, Gutachten, S. Β 19 f., 72, 101; Wolff/ Bachof VerwR I, § 54 II f, S. 478. 4 Menger, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 347 (350 ff.); Haas, System, S. 59 ff. Neuerdings auch M. Redeker, DÖV 1987, 194 (197 f.). Im Ergebnis ebenfalls OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207 f.); württbad. VGH, VerwRspr. 1, Nr. 68, S. 213 (214 f.). 5

So Bender, VB1BW 1990, 223 (224 f.); ders., VB1BW 1985, 201 (202); ders., JZ

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Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

als Schadensersatzanspruch 6 charakterisiert, während er einem anderen Standpunkt zufolge sicherlich keinen Ersatzanspruch darstellt.7 Die dogmatische Unsicherheit im Hinblick auf die Begriffsbestimmung des Anspruchsinhalts des Folgenbeseitigungsanspruchs wird darüber hinaus durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts illustriert. Die in der Entscheidung des obersten Verwaltungsgerichts vom 19.7.19848 vorgenommene Definierung der mit dem Folgenbeseitigungsanspruch zu verfolgenden Wiederherstellung des Status quo ante als Herstellung des hypothetischen Zustands i.S. von § 249 S. 1 BGB verdeutlicht besonders anschaulich die Widersprüchlichkeit der vorgetragenen Lösungsmodelle.9 Denn anerkanntermaßen bedeutet die Naturalrestitution nach Maßgabe des § 249 S. 1 BGB die Realisierung der Lage, wie sie sich ohne das schädigende Ereignis voraussichtlich entwickelt hätte.10 Sie ist damit gerade nicht auf die Wiederherstellung des ehemaligen Zustands beschränkt. Diese Ambivalenz der Standpunkte sowie die festzustellende dogmatische Unklarheit in der Bestimmung der Begriffsinhalte erfordert somit die exakte Festlegung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs. Im einzelnen ist dabei zu untersuchen, welchen Anspruchsinhalt der Folgenbeseitigungsanspruch aufweist, d.h. auf welches Anspruchsziel dieses Haftungsinstitut gerichtet ist (B). Weiterhin ist die Festlegung der Reichweite des Folgenbeseitigungsanspruchs, des Anspruchsumfangs, erörterungsbedürftig (C). Ferner stellt sich die Frage, ob sich dieser Anspruch für den Fall, daß er als tatsächlicher Restitutionsanspruch zu qualifizieren ist, bei Nichtdurchführbarkeit der Wiederherstellung in analoger Anwendung des § 251 Abs. 1 BGB in einen Geldentschädigungsanspruch umwandelt (D). Schließlich soll in einem Exkurs auf die Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs von den anderen staatshaftungsrechtlichen Instituten eingegangen werden, wobei 1986, 838 (844). Den Charakter das Folgenbeseitigungsanspruch als Ersatzanspruch - im Unterschied zum Entschädigungsanspruch - betonend, bereits Weyreuther, Gutachten, S. Β 62 f., 146; diesem zustimmend Bartlsperger, NJW 1968, 1697 (1704 in Fußn. 95). Bachof der in der 1. Aufl. seiner Schrift „Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung" den Folgenbeseitigungsanspruch noch als Entschädigungsanspruch qualifiziert hatte (vgl. ebenda §§ 10, 11), hat diese Klassifizierung in der 2. Aufl. ausdrücklich aufgegeben und charakterisiert den Folgenbeseitigungsanspruch nunmehr als Restitutionsanspruch, so Bachof Vorwort, S. XIV f. 6

Böß, Vergleich, S. 128; Heidenhain, Amtshaftung, S. 145.

7

Luhmann, Entschädigung, S. 102; H.H. Rupp, Grundfragen, S. 261.

8

BVerwGE 69, 366 (371). Dem Bundesverwaltungsgericht folgend VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (103). 9

Vgl. hierzu auch Bender, VB1BW 1985, 201 (202); Drews /Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 626. 10

Vgl. BGH, NJW 1985, 793; Palandt/Heinrichs,

BGB, § 249 Anm. 1 a.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

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hierbei die Grenzziehung zum öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch im Vordergrund steht (E).

B. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs I. Meinungsstand Hinsichtlich des Anspruchsinhalts des Folgenbeseitigungsanspruchs werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten.

1. Der Folgenbeseitigungsanspruch als negatorischer Störungsbeseitigungsanspruch Die engste der in diesem Zusammenhang vertretenen Ansichten begrenzt das Rechtsinstitut auf einen reinen Störungsbeseitigungsanspruch. Danach ist der Folgenbeseitigungsanspruch als „actio negatoria des öffentlichen Rechts" n darauf gerichtet, die staatlicherseits verursachte Störung selbst rückgängig zu machen.12 Maßgeblicher Anspruchsgegenstand des Folgenbeseitigungsanspruchs ist danach die Beseitigung der fortwirkenden Beeinträchtigungsquelle durch einen actus contrarius. 13 Die Behebung der eingetretenen Störungsfolgen kann demgegenüber grundsätzlich nicht gefordert werden, es sei denn, daß nur auf diesem Wege weitere Beeinträchtigungen verhindert werden können.14 Die Konsequenzen dieser restriktiven Ansicht für den betroffenen Bürger lassen sich anhand folgender Beispiele veranschaulichen:

11

Rüfiier,

in: Erichsen/Martens,

AllgVerwR, § 53 V 1, S. 600, § 53 V 2, S. 601.

12

Bettermann, DÖV 1955, 528 (535 r. Sp. oben). Dessen Formulierung, der Folgenbeseitigungsanspruch sei auf die „Wiederherstellung des Zustands (gerichtet), der vor Beginn (des staatlichen) Verhaltens bestand" (S. 535), könnte zwar dem ersten Anschein nach auch den Schluß zulassen, daß danach auch weitergehende Folgen vom Folgenbeseitigungsanspruch umfaßt sind. Indessen wird aus dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen deutlich, daß Bettermann den Folgenbeseitigungsanspruch nur als negatorischen Rechtsbehelf versteht, der lediglich auf die fortdauernde Störungsbeseitigung abzielt; ders., in: Die Grundrechte, 3. Bd., 2. Halbbd., S. 803 f.; Rüfiier, BB 1968, 881 (882); ähnlich ders., in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 1, S. 600 f., § 53 V 2, S. 601 -604; H.H. Rupp, Grundfragen, S. 261. In diesem Sinne außerdem VGH Mannheim, VB1BW 1990, 102. 13 W. Schmidt, JuS 1969, 166 (168), unter Bezugnahme auf Baur, AcP 160 (1961), 465 (489); BGHZ 28, 110, (112 f.); weiterhin H.H. Rupp, Grundfragen, S. 261. 14

Rüfiier,

BB 1968, 881 (882); W. Schmidt, wie vor.

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Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Wird durch Straßenbauarbeiten rechtswidrigerweise Bauschutt auf dem Grundstück eines Anliegers deponiert und hierdurch die Gartenbepflanzung beschädigt, so könnte im Rahmen eines reinen Störungsbeseitigungsanspruchs lediglich die Entfernung des Bauschutts, nicht jedoch die Wiederherstellung der ursprünglichen Gartenbepflanzung gefordert werden. Ebenso kann unter Zugrundelegung dieses negatorischen Rechtsgehalts aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht der Wiederaufbau eines Bauwerks begehrt werden, das aufgrund einer widerrechtlichen behördlichen Anordnung abgerissen worden ist.15 Da hier die störende Beeinträchtigung in der Vergangenheit bereits abgeschlossen ist, kommt nach dieser engen Auffassung ein Folgenbeseitigungsanspruch nicht in Betracht.16 Des weiteren veranschaulichen die im Rahmen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.8.197117 gestellten unterschiedlichen Klageanträge dieses Anspruchsziel. So hatte der Anspruchsteller, dessen Hanggrundstück im Zuge von Straßenbauarbeiten widerrechtlich durch teilweise Anlegung des Bürgersteigs auf seinem Grundstück sowie Abtragung der Böschung in Anspruch genommen worden war, zunächst gefordert, die sich hieraus ergebenden verstärkten Nachteile der Hanglage des Grundstücks (Gefahr des Abrutschens des Hangs) durch die Errichtung einer Stützmauer an der Straße zu beheben. Im anschließenden Streitverfahren hatte der Kläger seinen Antrag dahingehend geändert, die Beklagte zur Wiederherstellung der ursprünglichen Grundstückssituation (Wiederherstellung des alten Böschungswinkels von 45°) zu verpflichten. Während das anfänglich geltend gemachte Klagebegehren vom Störungsbeseitigungsanspruch umfaßt wird, könnte die Restitution der ehemaligen Grundstückssituation nicht im Wege eines solchen Anspruchs verfolgt werden. Zur Begründung des eingeschränkten Anspruchsinhalts wird ausgeführt, daß zur Bestimmung des Anspruchsziels des Folgenbeseitigungsanspruchs richtigerweise auf die beeinträchtigende Handlung, d.h. die „Beeinträchtigungsquelle" abzustellen sei. Deren Beseitigung sei der maßgebliche An-

15

VGH Mannheim, VB1BW 1990, 102 r. Sp. oben, unter fälschlicher Bezugnahme auf Drews /Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 626. Diese Autoren führen - worauf Bender, VB1BW 1990, 223 (224), zutreffenderweise hingewiesen hat - lediglich aus, daß der Folgenbeseitigungsanspruch dann ausscheiden müsse, sofern die Wiederherstellung der ursprünglichen Situation nicht mehr möglich ist, was sie für den speziellen Fall bejahen, daß ein kunsthistorisch wertvolles Haus abgerissen worden ist. Vgl. weiterhin zu dem genannten Beispielsfall Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 603 f. A.A., d.h. dem Begehren auf Wiederaufbau einer rechtswidrig abgerissenen Gartenumzäunung in natura stattgebend: württbad. VGH, VerwRspr. 1, Nr. 105, S. 342 (344). 16

Kritisch hierzu Bender, VB1BW 1990, 223 (224 f.).

17

BVerwG, DVB1. 1971, 858 ff. Vgl. dazu Hoffmann-Becking,

JuS 1972, 509 (514).

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

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griffsgegenstand des Rechtsinstituts.18 Eine über diesen Anspruchsinhalt hinausgehende Ausdehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die Wiederherstellung des vor dem Eingriffsverhalten bestehenden Zustands müsse folgerichtig jedwede Eingriffsfolge beseitigen, wodurch er unzulässigerweise zu einem deliktischen Restitutionsanspruch ausgedehnt werde.19 Für ein derart extensives Verständnis des Folgenbeseitigungsanspruchs i.S. eines Wiederherstellungsanspruchs bedürfe es jedoch im Zweifel einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung, zumal ausreichender Rechtsschutz über das Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs bzw. im Wege des Anspruchs aus rechtswidriger Aufopferung sichergestellt sei. Die Rechtsfolge der Naturalrestitution sei überdies „in einer funktionierenden Geldwirtschaft" ein in der Rechtspraxis zu vernachlässigendes Anspruchsziel.20 Zur besseren Kenntlichmachung dieses begrenzten Anspruchsinhalts wird dabei teilweise vorgeschlagen, den Begriff „Folgenbeseitigungsanspruch" durch den Ausdruck „verwaltungsrechtlicher Beseitigungsanspruch" zu erset-

2. Der Folgenbeseitigungsanspruch als Wiederherstellungsanspruch Einen weitergehenden Standpunkt befürwortet demgegenüber eine zweite Auffassung, nach welcher der Folgenbeseitigungsanspruch als Wiederherstellungsanspruch auf die tatsächliche Restitution des Zustands gerichtet ist, der vor dem rechtswidrigen staatlichen Eingriffsakt bestanden hat.22 Gegenstand 18

W. Schmidt, JuS 1969, 166 (168).

19

Rüfiier, BB 1968, 881 (882); W. Schmidt, JuS 1969, 166 (168); vgl. auch VGH Mannheim, VB1BW 1990, 102. 20 Rüfiier, 548 (562). 21 22

in: Erichsen /Martens,

AllgVerwR, § 53 V 2, S. 604; ders., AöR 106 (1981),

So W. Schmidt, JuS 1969, 166 (168).

Ganz h.M., vgl. BVerwG, NJW 1989, 2272 (2277); NJW 1989, 118; BVerwG, BayVBl. 1987, 541 1. Sp. Mitte; BVerwGE 69, 366 (371); BVerwG, DVB1. 1979, 852 (854 f.); BVerwGE 38, 336 (346); 35, 268 (272 f.); BVerwG, DÖV 1968, 419 (421); BVerwG, DVB1. 1963, 677 (678); VGH Kassel, NJW 1989, 1500; OVG Koblenz, NJW 1986, 953 f.; VGH Mannheim, VB1BW 1990, 102; VB1BW 1988, 102 (103); VGH Mannhein, NVwZ 1987, 711; VGH Mannheim, JZ 1984, 999; VGH Mannheim, NJW 1985, 1482; VGH Mannheim, VB1BW 1983, 271; OVG Münster, DVB1. 1987, 1226 (1228); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); VG Würzburg, NVwZ 1983, 239 (241). Weiterhin Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 8; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 271; ders., VB1BW 1990, 223 (225); ders., VB1BW 1985, 201 (202); ders., DÖV 1968, 156 (157); Engelhardt, NVwZ 1985, 621 f.; Erichsen, VerwR I, S. 223; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 9; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 500; Ossenbühl, StHR, S. 198; Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 34 Rdnr. 59; ders., in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 80; H.H. Rupp, JA 1979, 506 (510); Weyreuther, Gutachten, S. Β 19 f., 72, 101; Wolff/ Bachof, VerwR I, § 54 II f, S. 478.

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Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

des Anspruchs ist danach die Behebung der tatsächlichen Folgen der hoheitlichen Maßnahme.23 Geldersatz als Anspruchsziel kommt dabei nur dann in Betracht, soweit die eingetretenen Folgen gerade in einem Geldverlust bestehen.24 Vielfach wird allerdings nicht beachtet, daß innerhalb dieser Ansicht gleichwohl Unterschiede bzw. Differenzierungen hinsichtlich des konkreten Anspruchsziels des Folgenbeseitigungsanspruchs bestehen. So wird ausgeführt, daß er als Wiederherstellungsanspruch auf die Herstellung des ursprünglichen bzw. - wenn dies tatsächlich bzw. rechtlich nicht möglich oder unzumutbar sei - auf die Verwirklichung eines zumindest gleichwertigen Zustands gerichtet sei.25 Im Unterschied hierzu soll nach einem restriktiveren Verständnis im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs nur die konkrete Wiederherstellung des ehemaligen Zustands durchgesetzt werden können. Sofern sich die ursprüngliche Situation nicht wiederherstellen lasse, scheide der Folgenbeseitigungsanspruch als Anspruchsgrundlage aus, da er nicht als Schadensersatz- bzw. allgemeiner Wiedergutmachungsanspruch zu qualifizieren sei.26 Bei Heranziehung der zuerst genannten Ansicht könnte in den eingangs beschriebenen Fallbeispielen neben der Beseitigung des Bauschutts auch die Herstellung der Gartenbepflanzung bzw. die Wiederherstellung der ehemaligen Grundstückssituation gefordert werden. Bei Befürwortung des engeren Standpunktes würde der Folgenbeseitigungsanspruch indessen dann entfallen, wenn die Wiederherstellung nur durch Schaffung eines gleichwertigen Zustands, beispielsweise durch Vornahme einer neuen Gartenbepflanzung als Surrogat, vorgenommen werden könnte. Übereinstimmung besteht im Rahmen dieser Auffassung allerdings insoweit, als nach Maßgabe des Folgenbeseitigungsanspruchs jedenfalls kein umfangreicher Schadensersatz i.S. des § 249 S. 1 BGB zu gewähren ist.27 So

23 BVerwGE 69, 366 (371); 40, 313 (322); 38, 336 (346); BVerwG, DÖV 1968, 419 (421); VGH Kassel, NJW 1989, 1500; OVG Münster, OVGE 20, 38 (42); Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 9. 24 BVerwGE 69, 366 (371); VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (103); Drews/Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 626. 25 OVG Hamburg, NJW 1978, 658 (659); VGH Mannheim, NJW 1985, 1482; VGH Mannheim, VB1BW 1983, 141 f.; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 500; Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 I I f, S. 478. Im Ergebnis ebenfalls BVerwGE 38, 336 (346). Vgl. außerdem die Regelung in § 3 Abs. 1 S. 1 StHG 1981. 26 VGH Mannheim, VB1BW 1990, 102; Drews /Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 626; Oldiges, JA 1982, 274 (279); vgl. auch BGH, DVB1. 1963, 24 (25). 27 BVerwG, DVB1. 1979, 852 (854 f.); BVerwGE 40, 313 (322); 35, 268 (272 f.); OVG Münster, OVGE 20, 38 (42); vgl. außerdem BGH, DVB1. 1963, 24 (25); Bender, StHR,

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

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wäre im oben genannten Beispielsfall ein Ausgleich für den infolge der Beschädigung der Gartenbepflanzung eingetretenen Ernteausfall im Wege der Folgenbeseitigung nicht durchsetzbar. Der Ersatz für entgangenen Gewinn scheidet nach dieser Rechtsmeinung bereits deshalb aus, weil es sich hierbei um die Herstellung eines hypothetischen Zustands handeln würde. 28 Darüber hinaus wird zugunsten einer derartigen Anspruchsbegrenzung geltend gemacht, daß hierdurch eine sinnvolle Abgrenzung zu den anderen auf Kompensation gerichteten Ansprüchen - wie Amtshaftung, Enteignung und Aufopferung - sichergestellt werde.29

3. Differenzierende Ansicht: Bestimmung des Anspruchsinhalts des Folgenbeseitigungsanspruchs in Abhängigkeit von dem hoheitlichen Eingriffsakt Eine Zwischenstellung zwischen den beiden vorgenannten Auffassungen nimmt eine weitere Ansicht ein, die den Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs in Abhängigkeit von der Rechtsqualität des behördlichen Eingriffsakts - Verwaltungsakt oder Realakt - definiert. Hiernach ist der Folgenbeseitigungsanspruch im Falle des Eingriffs in Gestalt des Verwaltungsakts auf die naturale Wiederherstellung des Status quo ante gerichtet.30 Die inhaltliche Ausgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs für diesen Anwendungsbereich wird mit der besonderen materiellrechtlichen Qualität des Verwaltungsakts, seiner Titelfunktion, begründet. Im Unterschied zu privatrechtlichen Anordnungen, die bei Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot regelmäßig nichtig seien (vgl. § 134 BGB), blieben rechtswidrige Verwaltungsakte grundsätzlich rechtswirksam und könnten unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 VwGO schon vor Ablauf der Rechtsmittelfristen im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden. Dieser der Behörde durch die Rechtsfigur des Verwaltungsakts eröffnete weite Handlungsspielraum gebiete es umgekehrt, bei Feststellung der Widerrechtlichkeit des Verwaltungsakts durch das Verwaltungsgericht die bis dahin mit der Rechtsform des Verwaltungsakts verbundene Besserstellung der Verwaltung zugunsten des betroffenen Bürgers zu beenden. Demzufolge sei nunmehr im nachhinein die bei zivilrechtlichen Anordnungen ohnehin von Anfang gegebene Unwirksamkeit ebenfalls in bezug auf die hoheitliche Rechts2. Aufl., Rdnr. 271; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 80 Rdnr. 54 b; Ossenbühl, StHR, S. 198 f. S. auch die Darstellung bei Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 602 f. 28

Vgl. Rüfner, in: Erichsen/Martens,

29

Ossenbühl, StHR, S. 198. Vgl. außerdem BVerwGE 69, 366 (373).

30

Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (513 f.); v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (831 f.).

AllgVerwR, § 53 V 2, S. 603.

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Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

folgenanordnung zu verwirklichen. Folgerichtig sei der Folgenbeseitigungsanspruch insoweit auf die rückwirkende Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ausgerichtet.31 Bestätigung finde dieser weite Anspruchsinhalt des weiteren durch die prozeßrechtliche „Orientierungshilfe" des § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO. Hiernach könne das Gericht auf Antrag des Betroffenen hin anordnen, daß die Behörde die Vollziehung des Verwaltungsakts rückgängig zu machen habe. Ein weiteres Indiz sei § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO zu entnehmen, da allgemeiner Ansicht nach unter der „Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts" nicht nur die Beendigung der Geltungsdauer des Verwaltungsakts ex nunc, sondern vielmehr die rückwirkende Kassation zu verstehen sei.32 Nach einer anderen Begründung ergibt sich der vorgenannte Anspruchsinhalt bei Eingriffen in Form von Verwaltungsakten nicht aus der besonderen Titelfunktion des Verwaltungsakts, sondern aus dem Umstand, daß der Verwaltungsakt und seine reale Umsetzung als tatsächliche und rechtliche Einheit zu charakterisieren seien. Konsequenterweise könne der Vollzug, d.h. der Realakt zur Umsetzung der Rechtsfolgenanordnung, wegen dieses untrennbaren Zusammenhangs mit dem Verwaltungsakt nicht selbständig bestehen bleiben, was die Wiederherstellung der ursprünglichen Lage gebiete.33 Im Unterschied hierzu sei der Folgenbeseitigungsanspruch bzw. in der Terminologie v. Mangoldts der „allgemeine öffentlich-rechtliche Beseitigungsanspruch" 34 im Falle der Verletzungshandlung in Gestalt tatsächlichen Verwaltungshandelns in Anlehnung an § 1004 BGB auf die „Beseitigung der fortwirkenden Störungsquellenicht aber auf die Behebung der abgeschlossenen Störungsfolgen gerichtet. Der Anspruchsteller könne lediglich die Störungsbeseitigung für die Zukunft verlangen, d.h. er sei im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs so zu stellen, daß er pro future nicht mehr beeinträchtigt werde. Eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands könne er indes allein dann fordern, wenn nur auf diese Weise weitere, zusätzliche Störungen vermieden werden könnten.35 Anders als bei Verwaltungsakten, deren 31 Hoffmann, Abwehranspruch, S. 88 ff.; Hoffman-Becking , JuS 1972, 509 (513 f.). Zustimmend Bender, Sitzungsberichte S. L 13. 32 Hoffmann, Abwehranspruch, S. 88; Hoffmann-Becking, JuS 1972, 509 (513), mit Bezug auf Rösslein, FBA, S. 80, und H.H. Rupp, Grundfragen, S. 254. 33 v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (831 i.V.m. 826 f.), hinweisend auf Bachof, Vornahmeklage, S. 99, 106, sowie Naumann, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 391 (398 f.). 34 v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (831 f.), differenziert bereits in der Terminologie zwischen dem Folgenbeseitigungsanspruch, der als „besondere Ausprägung eines allgemeinen, verfassungsrechtlich gesicherten Beseitigungsanspruchs", bei Eingriffen in Gestalt von Verwaltungsakten eingreift, und dem „allgemeinen öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanspruch", der bei Realakten vorliegt. 35

Hoffmann, Abwehranspruch, S. 95 ff.; Hoffmann-Becking, Mangoldt, DVB1. 1974, 825 (830 f., 832).

JuS 1972, 509 (514); v.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

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wesensimmanente stärkere Verbindlichkeit einen umfassenderen Beseitigungsanspruch zugunsten des betroffenen Rechtsinhabers rechtfertige, seien hoheitliche Tathandlungen in ihren Auswirkungen mit privatrechtlichen Realakten vergleichbar. 36 Die zudem häufig festzustellenden Abgrenzungsschwierigkeiten dahingend, ob im konkreten Fall eine öffentlich-rechtliche oder eine zivilrechtliche faktische Maßnahme vorliege, gebiete eine rechtliche Gleichbehandlung des öffentlich-rechtlichen bzw. des privatrechtlichen Beseitigungsanspruchs in diesem Bereich.37

4. Der Folgenbeseitigungsanspruch als umfassender Wiedergutmachungsanspruch Nach einem weiteren Lösungsansatz wird dem Folgenbeseitigungsanspruch generell ein extensiver Anspruchsinhalt zuerkannt. Hiernach ist er als umfassender Wiedergutmachungsanspruch auf die Herstellung desjenigen Zustands gerichtet, der ohne das staatliche Eingriffsverhalten bestehen würde.38 Konsequenterweise müßte nach dieser Ansicht im eingangs geschilderten Beispielsfall auch ein Ersatz für den Ernteausfall als Folge der Beschädigung der Grundstücksbepflanzung als entgangener Gewinn vom Anspruch auf Folgenbeseitigung umfaßt werden. Zur Begründung wird insbesondere in neuerer Zeit auf seine rechtliche Herleitung aus den Freiheitsgrundrechten hingewiesen, welche eine herausgehobene Stellung des Folgenbeseitigungsanspruchs in der Anspruchsnormenhierarchie begründe. Dieser exponierte Rang des Folgenbeseitigungsanspruchs gebiete einen entsprechend weitgehenden Anspruchsinhalt des Rechtsinstituts.39

5. Der Folgenbeseitigungsanspruch als Anspruch mit Doppelcharakter Schließlich wird der Folgenbeseitigungsanspruch nach anderer Auffassung als ein Anspruch mit Doppelcharakter qualifiziert.

36

Hoffmann , Abwehranspruch, S. 95 ; Erichsen/ Hoffmann-Becking, (148); Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (514). 37

JuS 1971, 144

Hoffmann-Becking , JuS 1972, 509 (514).

38

Menger, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 347 (350 ff., insbes. 352, 358 f.); Haas, System, S. 59 ff.; M. Redeker, DÖV 1987, 194 (197 f.). Im Ergebnis ebenfalls OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (207 f.); württbad. VGH, VerwRspr. 1, Nr. 68, S. 213 (214 f.). 39

M. Redeker, DÖV 1987, 194 (198).

39

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

So hat Bachof bereits in seiner Habilitationsschrift zum Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch40 die Auffassung vertreten, daß aufgrund des Anspruchs die unmittelbaren Folgen des vor Rechtskraft vollzogenen rechtswidrigen Verwaltungsakts regelmäßig im Wege der Naturalrestitution zu beseitigen sind. Sofern die Restitution jedoch aus tatsächlichen Gründen ausscheide, sei die Herstellung eines gleichwertigen Zustands vorzunehmen oder nach Wahl des Gläubigers in entsprechender Anwendung des § 249 S. 2 BGB Geldersatz zu leisten. Einen ähnlichen Standpunkt hat nachfolgend Weyreuther in bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch allgemein vertreten. Seiner Ansicht nach wandelt sich der Folgenbeseitigungsanspruch in einen Folgenersatzanspruch um, wenn die Folgenbeseitigung infolge tatsächlicher bzw. rechtlicher Hindernisse ausscheidet oder wegen Unzumutbarkeit entfällt. 41 Auch Böß billigt dem Rechtsinstitut einen zweigeteilten Anspruchsinhalt zu. Danach ist der Folgenbeseitigungsanspruch grundsätzlich auf die tatsächliche Wiederherstellung der Situation gerichtet, die der grundrechtlich geschützten möglichst gleichartig ist. Insoweit komme als vorrangiges Anspruchsziel eine Folgenbeseitigung durch Naturalrestitution in Betracht. Soweit die tatsächliche Restitution jedoch nur in unvollständiger Weise durchführbar sei, müsse die gebotene Wiederherstellung durch Geldersatz realisiert werden. Dieser trete damit je nach Sachverhaltsgestaltung anstelle oder neben die tatsächliche Wiederherstellung, sofern letztere ganz oder teilweise ausgeschlossen sei. Das könne insbesondere bei tatsächlicher bzw. rechtlicher Unmöglichkeit, aber auch bei Unzumutbarkeit der Naturalrestitution gegeben sein.42 Aus dem Anspruchsziel des Folgenbeseitigungsanspruchs, die Rechtsverletzung ungeschehen zu machen, d.h. den grundrechtlich geschützten Zustand wiederherzustellen, folge sein Rechtscharakter als Schadensersatzanspruch.43 In dessen Regelungsbereich sei allerdings im Unterschied zum Zivilrecht der entgangene Gewinn nicht ersatzfähig, da Gewinnchancen im

40 Bachof\ Vornahmeklage, S. 129-131. In diesem Sinne wohl auch Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 10, wonach neben der Folgenbeseitigung teilweise Geldersatz gewährt werden kann, sofern die Wiederherstellung zum Schadensausgleich nicht genügt oder gänzlich ausscheidet. Unklar bleibt jedoch, aus welcher rechtlichen Grundlage Achterberg den Geldersatzanspruch herleitet. 41

Weyreuther,

Gutachten, S. Β 135 ff., insbes. S. Β 142 ff.

42

Böß, Vergleich, S. 118 f., der allerdings ausdrücklich betont, daß eine Bezugnahme auf § 249 S. 2 BGB insofern unzutreffend sei, als der Anspruchsberechtigte im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs grundsätzlich zunächst auf die tatsächliche Folgenbeseitigung zu verweisen sei, vgl. Böß, a.a.O., S. 119 mit Fußn. 465. 43 Böß, Vergleich, S. 128 f. Bachof\ der den Folgenbeseitigungsanspruch ursprünglich als Entschädigungsanspruch charakterisiert hatte, hat diese Einordnung später zugunsten einer Klassifizierung als Restitutionsanspruch aufgegeben, vgl. die Nachweise in Fußn. 5.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

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öffentlichen Rechtsbereich nicht geschützt seien44 bzw. eine Ersatzpflicht für entgangenen Gewinn aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs zu einer nicht akzeptablen Lähmung der Verwaltung führen würde.45 Einen in dogmatischer Hinsicht völlig unterschiedlichen Lösungsweg vertritt in diesem Zusammenhang Schleeh, der dem Folgenbeseitigungsanspruch ebenfalls einen zweigeteilten Anspruchscharakter zumißt. Hiernach umfaßt das Institut der öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigung zwei völlig unterschiedliche Tatbestände mit jeweils eigenständigen Anspruchsvoraussetzungen: zum einen den negatorischen Beseitigungsanspruch, der auf die tatsächliche Rückgängigmachung der Störung durch einen actus contrarius gerichtet ist, zum anderen den deliktischen Beseitigungsanspruch, welcher als öffentlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch Verschulden voraussetzt und als Rechtsfolge auf die vollständige Naturalrestitution i.S. von § 249 S. 1 BGB abzielt.46 Die Ergänzung des negatorischen Beseitigungsanspruchs durch einen deliktischen Beseitigungsanspruch ergebe sich als Postulat lückenlosen Rechtsschutzes im Verwaltungsrecht und stelle überdies dem Bürger ein differenziertes Haftungssystem zur Verfügung, das eine gerechte Antwort auf die jeweiligen hoheitlichen Rechtsverstöße ermögliche.47

I I . Kritik Die vorgenannten Auffassungen begegnen sowohl hinsichtlich ihrer Begründungen als auch in bezug auf ihre Ergebnisse Bedenken.

44

Böß, Vergleich, S. 127-129.

45

Bachof,; Vornahmeklage, S. 131 -133.

46

Schleeh, AöR 92 (1967), 58 (68, 94). Demgegenüber hat Franke, Folgenentschädigungsanspruch, S. 3 ff., ders., VerwArch 57 (1966), 357 ff., einen vom Folgenbeseitigungsanspruch i.S. des Störungsbeseitigungsanspruchs unabhängigen, eigenständigen Folgenentschädigungsanspruch aus dem Prinzip des sozialen Rechtsstaats entwickelt. Dieser Lösungsansatz der Begründung eines selbständigen Rechtsinstituts des Folgenentschädigungsanspruchs kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter verfolgt werden. Angesprochen werden soll in Teil D des 3. Kapitels allerdings die Frage, ob sich der Folgenbeseitigungsanspruch bei Nichtdurchführbarkeit der Wiederherstellung in einen Geldentschädigungsanspruch umwandelt. S. hierzu die Ausführungen auf S. 476 ff. 47

Schleeh, AöR 92 (1967), 58 (82).

0

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

1. Differenzierung nach der Art des Eingriffs Zunächst vermag es nicht zu überzeugen, den Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs in Abhängigkeit von der Art und Weise des Eingriffsakts auszugestalten. Soweit diese Auffassung damit begründet wird, die Titelfunktion des Verwaltungsakts stelle für den Bürger eine größere Belastung dar, weshalb über den Folgenbeseitigungsanspruch ein umfassenderer Rechtsschutz geboten sei,48 läßt dieses Argument außer acht, daß die Rechtsstellung des Bürgers gegenüber der Titelfunktion des Verwaltungsakts grundsätzlich über § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO und bei sofort vollziehbaren Verwaltungsakten über § 80 Abs. 5 VwGO geschützt wird. Aufgrunddessen ist bei Verwaltungsakten wegen deren Titelwirkung kein Rechtsschutzdefizit festzustellen, welches über einen extensiven Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs ausgeglichen werden müßte. Vielmehr könnte eher die gegenteilige Schlußfolgerung daraus abgeleitet werden, da derartige Rechtsschutzmöglichkeiten bei einem Eingriff durch Realakt, der oftmals ohne eine Vorwarnung durch die Behörde umgesetzt wird, nicht gegeben sind.49 Auch der Hinweis auf das beim Verwaltungsakt typischerweise vorliegende Subordinationsverhältnis vermag keine ausreichende Erklärung für das Eingreifen stärkerer Sanktionsfolgen über den Folgenbeseitigungsanspruch zu geben. Denn, wie bereits an anderer Stelle dargelegt,50 kann auch bei behördlichen Realakten, wie beispielsweise hoheitlichen ehrkränkenden Äußerungen, mit Rücksicht auf die amtlich autorisierte Wirkung solcher Erklärungen die Rechtssphäre des Bürgers in besonders starkem Maße beeinträchtigt werden. Darüber hinaus spricht auch die dem Grundsatz nach bestehende Wahlfreiheit der Behörden bezüglich der Rechtsform ihres Verwaltungshandelns gegen eine Differenzierung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs nach der Art und Weise des Verwaltungshandelns. Denn aufgrund der ihr zustehenden Wahlmöglichkeit kann es sich die Behörde grundsätzlich aussuchen, ob sie Maßnahmen in Form des Verwaltungsakts oder aber durch einen Realakt durchsetzt.51 Würde sich somit der Inhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs nach der Rechtsnatur des staatlichen Eingriffs richten, hätte es die Behörde in der Hand, durch den ihr zustehenden Entscheidungsspielraum in bezug auf die Handlungsform gleichzeitig über die Qualität des

48

Vgl. die Nachweise in Fußn. 31.

49

Hierauf ebenfalls hinweisend Bettermann, Sitzungsberichte, S. L 69.

50

S. die Ausführungen in Kapitel 2 Β III 3, S. 271 ff.

51

Vgl. allgemein zu den verschiedenen Arten des Verwaltungshandelns Wolff/Bachof VerwR I, § 45, S. 362-369.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

Rechtsschutzes aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs zu bestimmen. Ein solches Ergebnis stünde jedoch in Widerspruch zur rechtsstaatlichen Ausgestaltung staatshaftungsrechtlicher Rechtsinstitute. Schließlich knüpft der Folgenbeseitigungsanspruch sowohl von seiner Rechtsgrundlage als auch von seiner tatbestandlichen Struktur her ausschließlich an den Erfolg und nicht an die Art und Weise eines Eingriffs an.52 Für den rechtsschutzsuchenden Bürger spielt es auch regelmäßig keine Rolle, auf welche Weise der Staat die Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts herbeigeführt hat. Dieser Umstand kann bei der Bestimmung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht unberücksichtigt bleiben. Vielmehr müssen bei der gebotenen Harmonisierung von Rechtsgrundlage und Tatbestand einerseits sowie von dogmatischem Fundament und Rechtsfolgen andererseits wechselseitige Ausstrahlungswirkungen anerkannt werden. Das bedeutet, daß im Regelfall eine inhaltliche Konkordanz von Tatbestand und Rechtsfolgen anzustreben ist, sofern nicht im Einzelfall zwingende Gründe entgegenstehen. Dementsprechend ist auch bei der Ausgestaltung des Anspruchsinhalts des Folgenbeseitigungsanspruchs eine im Verhältnis zur tatbestandlichen Struktur systemwidrige Differenzierung nach der Art und Weise des Eingriffs abzulehnen.

2. Doppelcharakter des Folgenbeseitigungsanspruchs (Auffassung Schleeh) Auch der von Schleeh vertretenen Charakterisierung des Folgenbeseitigungsanspruchs als Anspruch mit Doppelcharakter, die u.a. einen deliktsrechtlichen Beseitigungsanspruch nach dem Vorbild der §§ 249 ff. BGB beinhaltet,53 kann nicht zugestimmt werden. Auffällig ist bereits, daß Schleeh seine Ansicht mit der Überlegung legitimiert, ein derartiger Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs wäre zum Zwecke des umfassenden Rechtsschutzes wünschenswert. Hierbei handelt es sich indessen lediglich um ein rechtspolitisches Postulat, keinesfalls jedoch um eine tragfähige Begründung für die Ausgestaltung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs aufgrund der derzeit geltenden Rechtslage.

52 S. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2 Β II 2, S. 157 ff., in Kapitel 2 Β II 3, S. 203 ff., sowie in Kapitel 2 Β IV 1, S. 302 f. 53 S. die Nachweise in Fußn. 46 und 47. Die in diesem Zusammenhang weiterhin erwähnten Ansichten von Bachof\ Weyreuther und Böß werden gesondert in Kapitel 3 D angesprochen. Vgl. die Darstellung auf S. 476 ff.

26 Pietzko

0

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Hinzu kommt, daß das Verständnis des Folgenbeseitigungsanspruchs als teilweise verschuldensabhängigem Eingriffstatbestand nicht nur seinem Charakter widerspricht, der anerkanntermaßen als verschuldensunabhängiges Rechtsinstitut verstanden wird, sondern darüber hinaus auch in unzulässiger Weise die erforderliche Abgrenzung von den staatshaftungsrechtlichen Schadensersatzansprüchen verwischt. Ohne eine gesetzliche Regelung ist eine derartige systemfremde Konzeption des Folgenbeseitigungsanspruchs in Anlehnung an § 249 BGB nicht statthaft, weshalb diese Ansicht in Rechtsprechung und Literatur zu Recht keine Gefolgschaft gefunden hat.

3. Bestehen einer „verdeckten" Rechtsschutzlücke Weiterhin darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß durch diejenigen Auffassungen, welche die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die bloße Beseitigung der Störungsquelle beschränken wollen und eine Wiederherstellung des Status quo ante bzw. die Beseitigung der Störungsfolgen ablehnen,54 im Ergebnis eine Rechtsschutzlücke zu Lasten des betroffenen Bürgers entsteht.55 Bei einem derartigen restriktiven Verständnis des Folgenbeseitigungsanspruchs würde dem Geschädigten generell ein Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands versagt, da - anders als im Zivilrecht - anderweitige staatshaftungsrechtliche Anspruchsgrundlagen die Geltendmachung eines tatsächlichen Wiederherstellungsbegehrens gerade ausschließen.

a) Ausschluß eines Wiederherstellungsanspruchs gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG Über § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist die Durchsetzung eines naturalen Wiederherstellungsanspruchs nicht möglich. Zwar besteht der Anspruchsinhalt des Amtshaftungsanspruchs in dem Ersatz des durch die Amtspflichtverletzung verursachten Schadens. Dabei richten sich sowohl Art und Umfang des Schadensersatzes grundsätzlich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen über die Verpflichtung zum Schadensersatz bei unerlaubten Handlungen gem. §§ 249-255, 842-847 BGB. 56 Allerdings ist im Hinblick auf § 249 S. 1 BGB eine bedeutsame Ausnahme anerkannt. Danach kann die Naturalherstellung im Wege der Amtshaftung dann nicht verlangt werden, wenn die Wiederherstellung nur durch hoheitliches Handeln verwirklicht wer54

Vgl. die Nachweise in Fußn. 11-15.

55

Vgl. hierzu Papier, in: M/D/H/S,

56

BGHZ 12, 278 (282); RGZ 94, 102 (104); 113, 104 (106).

GG, Art. 34 I Rdnr. 59.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

den kann. Demzufolge kann über § 839 B G B i.V.m. Art. 34 G G anerkanntermaßen im öffentlich-rechtlichen Bereich regelmäßig nur Geldersatz beansprucht werden. 57 Diese Begrenzung der Rechtsfolgen des § 839 B G B folgt zum einen daraus, daß die nach Maßgabe des Art. 34 S. 3 G G zur Entscheidung über den Amtshaftungsanspruch berufenen Zivilgerichte anderenfalls die Träger öffentlicher Gewalt zur Ausführung hoheitlicher Maßnahmen verpflichten könnten, was die verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit verletzen würde. 58 Z u m anderen ergibt sich die vorgenannte Einschränkung aus dem Umstand, daß es sich nach herrschender Lehre bei der Amtshaftung um eine Schuldübernahmehaftung des Staates für das vom Beamten begangene Verwaltungsunrecht handelt. Demzufolge kann aufgrund § 839 BGB nur die Leistung vom Staat verlangt werden, die auch von dem Beamten selbst, losgelöst von seiner Organstellung, erbracht werden könnte. 59 Das ist indes im Regelfall lediglich eine finanzielle Schadensersatzleistung. 60

57 Grundlegend BGHZ (GSZ) 34, 99 (104 ff.); weiterhin BGHZ 78, 274; Ossenbühl, StHR, S. 6; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 51 IV, S. 546; H.H. Rupp, Grundfragen, S. 260. Einschränkend hingegen Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 727 f.; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 253; Wolff /Bachof, VerwR I, § 64 II e 2, S. 567. Hiernach soll auch aufgrund § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG Naturalrestitution verlangt werden können, sofern keine Amtstätigkeit erforderlich ist. Vgl. zur Kritik hieran nachstehend in Fußn. 60. Darüber hinaus ist die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs im Vergleich mit der Durchsetzung eines Folgenbeseitigungsbegehrens mit den zusätzlichen Erschwernissen verbunden, daß der betroffene Rechtsinhaber im Rahmen der Amtshaftungsklage die materielle Beweislast für das Vorliegen einer schuldhaften Amtspflichtverletzung trägt und die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB eingreifen kann. 58

BGHZ (GSZ) 34, 99 (105); Rüfner, Nachweis wie vor.

59

BGHZ (GSZ) 34, 99 (105 f.); Papier, Nachweis in Fußn. 57; Rüfner, Nachweis wie Fußn. 57; Wolff /Bachof, Nachweis in Fußn. 57. 60 Nach Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 728, kommt ein auf § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gestützter Anspruch auf Wiederaufbau eines zu Unrecht im Verwaltungszwang abgerissenen, nicht genehmigungspflichtigen Bauwerks allerdings insoweit in Betracht, als der rechtswidrig handelnde Beamte zwecks Schadensbeseitigung eine werkvertragliche Vereinbarung mit einem Bauunternehmer schließen könnte. Diese isolierte Betrachtungsweise vermag insoweit nicht zu überzeugen, als der zivilrechtliche Vertragsabschluß in concreto den actus contrarius zu einer hoheitlichen Verwaltungsmaßnahme (Durchführung des Verwaltungszwangs) darstellt und insofern selbst zur Erfüllung einer hoheitlichen Verpflichtung vorgenommen würde. Demgemäß muß auch in diesem Fall aufgrund der vorstehend dargestellten anerkannten Grundsätze ein auf naturale Wiederherstellung gerichteter Amtshaftungsanspruch ausscheiden. Vgl. hierzu außerdem Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 51 IV, S. 546 in Fußn. 78, der dem u.a. von Bender befürworteten abweichenden Standpunkt eine nur geringe praktische Bedeutung zumißt.

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Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

b) Rechtsschutz im Wege des enteignungsgleichen Eingriffs Die zweite in Betracht zu ziehende staatshaftungsrechtliche Anspruchsgrundlage, der enteignungsgleiche Eingriff, muß im Ergebnis aus dem gleichen Grund ausscheiden wie der Amtshaftungsanspruch. Denn auch dieses Haftungsinstitut ist ebenfalls nur auf die Geltendmachung einer Geldleistung gerichtet.61

c) Schlußfolgerung: Rechtsschutzlücke infolge des Fehlens eines staatshaftungsrechtlichen Wiederherstellungsanspruchs Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß im Falle der Verletzung eines absoluten Rechts durch die öffentliche Hand dem betroffenen Bürger über § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG bzw. über den enteignungsgleichen Eingriff als Schadensersatz bzw. Entschädigung lediglich ein finanzieller Ausgleich, d.h. ein Sekundäranspruch, zugebilligt wird. Ein Anspruch auf tatsächliche Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands besteht hingegen nicht. Werden vor diesem Hintergrund die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs restriktiv auf die Beseitigung der Störungsquelle beschränkt, folgt hieraus der prinzipielle Ausschluß eines Wiederherstellungsanspruchs im Staatshaftungsrecht. Die Negierung eines Primäranspruchs auf tatsächliche Wiederherstellung im öffentlichen Recht stellt eine Schwächung des grundgesetzlich verbürgten Integritätsschutzes dar und beinhaltet zugleich eine empfindliche Rechtsschutzlücke für den betroffenen Rechtsinhaber, welche in Widerspruch zu der erklärten Zielsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs steht.

4. Zwischenergebnis Die vorgenannten Überlegungen haben gezeigt, daß die erwähnten Auffassungen hinsichtlich der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs, wenn auch in unterschiedlicher Weise, Wertungswidersprüche aufweisen. Die Ursachen hierfür liegen in mehreren Umständen begründet: Zum einen erfolgt die Bewertung der Rechtsfolgen nicht selten ohne Berücksichtigung der Rechtsgrundlage und der Zielsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs. Dadurch, daß die Wechselbezüglichkeit von Anspruchs-

61 Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 746 ff.; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 1; Ossenbühl, StHR, S. 150, 160 ff., 207 f.; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 III 2, S. 583-585 i.V.m. § 52 II 3, S. 567-571.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

grundlage und Rechtsfolgen außer acht gelassen wird, besteht die Gefahr, rechtspolitisch wünschenswerte Ergebnisse als Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs zu postulieren, welche indes weder von der dogmatischen Wurzel noch von der Rechtsschutzfunktion des Folgenbeseitigungsanspruchs her gedeckt sind. Zum anderen fehlt eine Aufzählung und systematische Abgrenzung der möglichen Anspruchsinhalte des Folgenbeseitigungsanspruchs zueinander. Stattdessen dominieren einzelfallorientierte Stellungnahmen, die eine zusammenhängende und in sich widerspruchsfreie Bewertung der denkbaren Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs erschweren und somit nicht selten reine Billigkeitserwägungen enthalten.

I I I . Eigener Lösungsvorschlag 1· Vorüberlegungen — Ausgangsthese Die soeben angeführte Kritik bildet gleichzeitig den Ausgangspunkt für die Entwicklung des eigenen Lösungsvorschlags.

a) Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs Wie bereits im ersten Kapitel festgestellt, findet der Folgenbeseitigungsanspruch seine Rechtsgrundlage in den Grundrechten und seine tatbestandliche Konkretisierung - sofern keine besonderen öffentlich-rechtlichen Wertungen entgegenstehen - in der Analogie zu § 1004 BGB. 62 Aufgrund der Wechselwirkung zwischen der Rechtsgrundlage und den Rechtsfolgen einer Norm kann die Ausgestaltung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs nur unter Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung dieser rechtlichen Grundlage vorgenommen werden.63 Die Bestimmung seines Anspruchsinhalts darf deshalb hinsichtlich des dogmatischen Fundaments bzw. bezüglich der tatbestandlichen Struktur des Folgenbeseitigungsanspruchs keinerlei Wertungswidersprüche aufweisen.

62 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 1 D II 6, S. 107 ff., sowie in Kapitel 1 D III, S. 119 ff. 63

Grundsätzlich ebenso Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (46), der jedoch die Orientierung am Bürgerlichen Gesetzbuch ablehnt.

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Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

b) Zielsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs Aus der Ermittlung der Freiheitsgrundrechte als rechtlicher Wurzel des Folgenbeseitigungsanspruchs resultiert zugleich dessen Zielsetzung, insbesondere die Integrität grundgesetzlicher Rechtspositionen zu schützen.64 Insoweit soll er für den Betroffenen gleichermaßen einen umfassenden wie effektiven Rechtsschutz verbürgen. Auch dieser grundgesetzlichen Zielsetzung hat die Konkretisierung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs Rechnung zu tragen.65

c) Mögliche Anspruchsinhalte des Folgenbeseitigungsanspruchs Schließlich bedürfen die möglichen Anspruchsinhalte des Folgenbeseitigungsanspruchs einer systematischen Erfassung und widerspruchsfreien Abgrenzung zueinander. Was die möglichen Anspruchsinhalte des Folgenbeseitigungsanspruchs betrifft, so lassen sich insgesamt vier denkbare Rechtsfolgen differenzieren. Die Unterschiede lassen sich dabei besonders anschaulich an dem bereits erwähnten Beispiel des Gartenbeetes verdeutlichen, welches durch die rechtswidrige Ablagerung von Bauschutt seitens der Behörde zerstört wird. - Anspruchsinhalt 1: Beseitigung der Störungsquelle (Herstellung eines störungsfreien Zustands) In erster Linie stellt sich für den beeinträchtigten Bürger die Frage nach der Beseitigung der noch vorhandenen Störungsquelle. In dem vorgenannten Beispiel wird der Eigentümer des Gartenbeetes den Abtransport des rechtswidrig abgeladenen Bauschutts verlangen. - Anspruchsinhalt 2: Wiederherstellung des tatsächlichen Status quo ante (Beseitigung der tatsächlichen Störungsfolgen) Darüber hinaus kommt die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, d.h. des Status quo ante, in Betracht. Diese Wiederherstellung müßte in dem gewählten Beispiel durch eine Neuanpflanzung des beschädigten Gartenbeetes erfolgen. - Anspruchsinhalt 3: Herstellung des hypothetischen Zustands (Zubilligung des entgangenen Gewinns)

64

Vgl. hierzu Weyreuther, Gutachten, insbes. S. Β 78 ff.; Bender, VB1BW 1990, 223 (224); Erichsen, VerwR I, S. 223; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (46). 65

Vgl. Nachweis in Fußn. 63.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

Weiterhin wird der geschädigte Eigentümer geltend machen, vermögensmäßig so gestellt zu werden, wie er ohne den Eintritt des schädigenden Ereignisses, d.h. das Abladen des Bauschutts, gestanden hätte. Dies würde vorliegend bedeuten, daß der betroffene Bürger einen Ausgleich für die entgangene Ernte erhält. Im Unterschied zum vorherigen Anspruchsbegehren wird hier nicht die Wiederherstellung einer Situation begehrt, die ursprünglich tatsächlich bestanden hat. Vielmehr soll eine hypothetische Lage, wie sie ohne den staatlichen Eingriff bestehen würde, erstmalig hergestellt werden. - Anspruchsinhalt 4: Wahlrecht zwischen (Wieder-)Herstellungsanspruch und Geldentschädigung Ferner wird der Eigentümer u. U. kein Interesse daran besitzen, das Gartenbeet durch die öffentliche Hand wiederherstellen zu lassen. Vielmehr erscheint es durchaus lebensnah, daß er - ähnlich der Regelung in § 249 BGB - anstelle der tatsächlichen Wiederherstellung lediglich die Zahlung eines Geldbetrages begehrt, entweder um die Restauration des Gartenbeetes selbst vornehmen zu können oder aber um den Geldbetrag anderweitig zu verwenden. Damit stellt sich die Frage, ob sich die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs auch auf eine finanzielle Abgeltung der eingetretenen Rechtsgutsbeeinträchtigung erstrecken. Die vorgenannten denkbaren Anspruchsinhalte des Folgenbeseitigungsanspruchs sollen im folgenden in der Reihenfolge ihrer Aufzählung daraufhin untersucht werden, ob sie der Rechtsgrundlage, der tatbestandlichen Struktur sowie der Zielsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs entsprechen und bejahendenfalls - als zulässige Rechtsfolge des Anspruchs anerkannt werden können.

2. Anspruchsinhalt 1: Beseitigung der Störungsquelle (Herstellung des störungsfreien Zustands) Unbestrittenermaßen umfassen die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs zumindest die Beseitigung der fortdauernden Störungsquelle für die Zukunft. 66 Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Sie entspricht nicht nur der Rechtslage in bezug auf § 1004 BGB, 67 sondern berücksichtigt zudem die Rechtsschutzfunktion des Folgenbeseitigungsanspruchs. 66 Vgl. die Nachweise in Fußn. 12 und 13. S. weiterhin Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (46). 67

Nach herrschender Meinung erfaßt der zivilrechtliche Beseitigungsanspruch gem. § 1004 BGB jedenfalls die Beseitigung einer fortwirkenden Störungsquelle, vgl. BGHZ 28, 110 (113); Erman/Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnr. 7; Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 5 a; Soergel/Mühl, BGB, § 1004 Rdnr. 42.

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Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Der Folgenbeseitigungsanspruch schützt - wie ausgeführt - vor allem die Integrität grundrechtlich oder einfachgesetzlich verbürgter Rechtspositionen.68 Konsequenterweise muß seine Rechtsfolge auf die Abwehr der eingetretenen Störung bzw. die Herstellung des störungsfreien Zustands gerichtet sein.69 Der Folgenbeseitigungsanspruch weist damit in jedem Fall einen negatorischen Anspruchscharakter auf. 70 Mit dieser Inhaltsbestimmung wird an die actio negatoria des römischen Rechts angeknüpft. Sie stand bei Justinian neben der rei vindicatio und begründete die Rechtsmacht des Eigentümers auf Abwehr eines in Wahrheit nicht bestehenden Rechts des Beklagten zur Einwirkung auf die Sache.71 Das Ziel der negatorischen Klage bestand zum einen in der Feststellung der Freiheit des Eigentums von der behaupteten Beschränkung. Zum anderen konnte im Wege der actio negatoria die Herstellung des Zustands beansprucht werden, der bestünde, wenn die Störung zur Zeit der litis contestatio beseitigt worden wäre. 72 Ihr Anwendungsbereich wurde unter Justinian insbesondere auf tatsächliche Eigentumsverletzungen erweitert. 73 Schließlich ist das Erfordernis der Behauptung eines Rechts am Eigentum unter der Geltung des gemeinen Rechts sowie vieler Partikulargesetze gänzlich aufgegeben worden.74 Dieselbe Interpretation findet sich deshalb auch in den Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch wieder. 75 In dieses historische Verständnis der actio negatoria ist auch der Folgenbeseitigungsanspruch eingebunden. Somit kann dessen Anspruchsinhalt dahingehend konkretisiert werden, daß er jedenfalls auf die Beseitigung des direkten hoheitlichen Störungserfolges mit Wirkung für die Zukunft gerichtet ist, d.h. darauf abzielt, die fortdauernde Rechtsbeeinträchtigung zu beheben.

68 S. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2 Β I 1, S. 139 ff., sowie in Kapitel 2 Β I 1, S. 145 ff. 69

S. hierzu die Nachweise in Fußn. 12 und 13.

70

Der negatorische Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs stellt den allgemein anerkannten Mindestgehalt des Folgenbeseitigungsanspruchs dar, vgl. Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 601. 71

Käser, Römisches PrivatR II, § 245 IV, S. 297; ders., Römisches PrivatR. Studienbuch, § 27 II, S. 129. 72 So: Käser, Römisches PrivatR I, § 103 II, S. 438; ders., Römisches PrivatR. Studienbuch, § 27 II, S. 129. 73

Käser, Römisches PrivatR II, § 245 IV, S. 297.

74

Windscheid/Kipp,

75

Motive BGB III, S. 422 f.

Lehrbuch, § 198, S. 1010 f. mit Fußn. 7.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

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3. Anspruchsinhalt 2: Wiederherstellung des tatsächlichen Status quo ante (Beseitigung der tatsächlichen Störungsfolgen) Problematischer erscheint hingegen bereits die Beantwortung der Frage, ob die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs gleichzeitig die Wiederherstellung des Status quo ante umfassen.

a) Unergiebigkeit der Analogie zu § 1004 BGB

Versucht man zunächst aus dem privatrechtlichen Beseitigungsanspruch des § 1004 BGB einen ersten Anhaltspunkt für die Festlegung des Anspruchsinhalts des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs zu gewinnen, so besteht die Schwierigkeit, daß auch im Zivilrecht das Anspruchsziel des § 1004 BGB in Rechtsprechung und Literatur nicht unbestritten ist. Einerseits wird hinsichtlich des Anspruchsgegenstands ausgeführt, der Störer müsse gem. § 1004 BGB die beeinträchtigende Tätigkeit als solche rückgängig oder für die Zukunft wirkungslos machen, brauche jedoch nicht die Behinderungen oder Beschädigungen zu beheben, welche sich erst aus dem störenden Eingriff als weitere Folge ergäben.76 Andererseits wird auch die Rechtsmeinung vertreten, daß ebenfalls die bereits eingetretenen Eingriffsfolgen nach § 1004 BGB beseitigungspflichtig seien, sofern sie eine Quelle neuer oder fortwirkender Störungen bildeten.77 So ist beispielsweise in der zivilrechtlichen Rechtsprechung umstritten, ob im Falle eines Dammbruches, infolgedessen Wasser auf ein fremdes Grundstück strömt, außer der Schließung der Dammlücke78 auch die Beseitigung des bereits eingedrungenen Wassers mit dem Hinweis verlangt werden kann, hierdurch werde die künftige Nutzung des Grundstücks behindert79 oder ob sogar darüber hinausgehend die Erneuerung des abgeschwemmten Erdreiches gefordert werden kann.80 Bei einem Haldenbrand, der auf einen Bahndamm übergegriffen hat, 76 BGHZ 28, 110 (113); Baun AcP 160 (1961), 465 (489 f.). Kritisch insoweit Erman/ Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnr. 7, sowie Henckel, AcP 74 (1974), 97 (102 f. in Fußn. 8); vgl. weiterhin Medicus, in: Müko, BGB, § 1004 Rdnr. 61; Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 5 a. 77

RGZ 127, 29 (33 ff.); BGHZ 18, 253 (266); OlG Stuttgart, OLGE 41, 162; vgl. auch Soergel/Mühl, BGB, § 1004 Rdnr. 42, wonach für den Fall, daß Beseitigung und Wiederherstellung zwingend miteinander verbunden (sind), ... daran der Beseitigungsanspruch nicht scheitern (dürfe)"; s. weiterhin Baur, Sachenrecht, § 12 II 1 b, S. 102, IV 1 a, S. 105 f.; Westermann, Sachenrecht, § 36 III 1, S. 249 f. 78

So BayObLG, SeuffArch. 58, Nr. 106; wohl auch BGHZ 29, 314 (317).

79

LG Göttingen, NdsRpfl. 1951, 101.

80

OLG Stuttgart, OLGE 41, 162 f.

0

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

wird angenommen, daß neben der Eindämmung des Feuers zusätzlich die Ausbesserung des beschädigten Bahndammes begehrt werden kann. 81 Weiterhin wird in anderem Zusammenhang ausgeführt, derjenige, der die Versandung eines Grundstücks verursacht habe, schulde aus § 1004 B G B sowohl die Unterbindung der Sandeinschwemmungen als auch die Entfernung des eingedrungenen Sandes. Hingegen könne Ersatz für die Schäden, die durch die Versandung der Liegenschaften entstanden seien, gem. § 823 Abs. 1 B G B beansprucht werden. 82 Diese Fallbeispiele verdeutlichen die Divergenz der Ansichten bezüglich der Frage, ob über § 1004 B G B nur die Vornahme des actus contrarius zur störenden Tätigkeit oder ob bzw. in welchem Umfang die Behebung der Störungsfolgen verlangt werden kann. Mithin bleibt festzuhalten, daß aus der Regelung des privatrechtlichen Beseitigungsanspruchs gem. § 1004 BGB keine eindeutige Stellungnahme für die hier interessierende Fragestellung zu entnehmen ist, ob der Folgenbeseitigungsanspruch nur die Beseitigung der Störung pro future oder auch die Ausräumung der Eingriffsfolgen erfaßt. 83

81

RGZ 127, 29 (35).

82

BGHZ 49, 340 (347 ff.).

83

Nicht zugestimmt werden kann der Konzeption von Broß, VerwArch 76 (1985), 217 (227-230), der die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Folgenbeseitigungsanspruch und § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB dahingehend befürwortet, daß der Folgenbeseitigungsanspruch nur das „Substrat" selbst betrifft, hingegen aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB die Unterbindung bestimmter störender Auswirkungen verlangt werden könne. Folgerichtig sei § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog z.B. dann anwendbar, wenn Oberflächenwasser einer Straße in private Grundstücke fließt. Broß will damit, wie bereits erwähnt (vgl. die Darstellung in Kapitel 2 Β III 1, S. 240 f., sowie den Nachweis ebenda in Fußn. 359) den schlicht hoheitlichen Bereich, der von einer Gleichordnung zwischen öffentlicher Hand und Bürger geprägt ist, aus dem Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs ausklammern. Dieses Lösungsmodell begegnet nach der hier vertretenen dogmatischen Begründung des Folgenbeseitigungsanspruch bereits deshalb Bedenken, weil hiernach der Folgenbeseitigungsanspruchs auch Eingriffsakte der schlichthoheitlichen Verwaltung erfaßt, vgl. die Ausführungen in Kapitel 2 Β III 1, S. 240 f., sowie die Nachweise in Fußn. 359. Überdies stellt nach dem vorliegend befürworteten Standpunkt § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB im Verhältnis zum Folgenbeseitigungsanspruch - im öffentlich-rechtlichen Bereich - keine selbständige Anspruchsgrundlage dar, sondern ist vielmehr als inhaltliche Konkretisierungshilfe des Folgenbeseitigungsanspruchs qualifiziert worden (s. hierzu die Ausführungen in Kapitel 1 D III, S. 119 ff.). Ebenfalls kritisch gegenüber dem Lösungsvorschlag von Broß: Fiedler, NVwZ 1986, 969 (974 in Fußn. 79), sowie Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (48 in Fußn. 287).

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

b) Öffentlich-rechtliche Bewertung Mit Rücksicht auf die Unergiebigkeit der Analogie zu § 1004 BGB kann die Frage nach der Wiederherstellung des Status quo ante über den Folgenbeseitigungsanspruch nur nach öffentlich-rechtlichen Wertungskriterien beurteilt werden. In diesem Zusammenhang gewinnt die bereits getroffene Feststellung entscheidende Bedeutung, daß bei einer Beschränkung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die Beseitigung der Störungsquelle zu Lasten des betroffenen Bürgers eine Rechtsschutzlücke entstünde.84 Der Geschädigte bliebe letztlich auf die Geltendmachung einer Geldleistung beschränkt, da die Zubilligung eines tatsächlichen Wiederherstellungsanspruchs nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG sowie über den enteignungsgleichen Eingriff ausscheidet. Diese Rechtsschutzlücke müßte nach den Grundsätzen der juristischen Methodenlehre dann durch eine extensive Auslegung des Folgenbeseitigungsanspruchs geschlossen werden, wenn die angeführte Rechtsschutzlücke regelwidrigen Charakter besitzt und der Folgenbeseitigungsanspruch von seiner ratio legis her über die erforderliche Regelungsähnlichkeit verfügt, die seine Ausdehnung auf die Wiederherstellung des Status quo ante gestatten würde. aa) Regelwidrigkeit

der Rechtsschutzlücke

Die festgestellte staatshaftungsrechtliche Rechtsschutzlücke, d.h. das Fehlen eines Primäranspruchs auf Wiederherstellung, ist als regelwidrig zu qualifizieren. Das ergibt sich aus dem im Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts85 aufgestellten Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hat der Bürger bei rechtswidrigen Beeinträchtigungen seines Eigentums die vorrangige Verpflichtung, sich zunächst gegen den eingreifenden Akt selbst zur Wehr zu setzen. Ein Wahlrecht des Bürgers, statt der Abwehr des Eingriffs eine Entschädigung zu verlangen, ist ausdrücklich verneint worden. Auch der Bundesgerichtshof 86 ist dieser Auffassung in bezug auf den enteignungsgleichen Eingriff gefolgt und hat - wenn auch in abgeschwächter Form - dem Prinzip des „dulde und liquidiere" die Anerkennung versagt. Diesem vom Bundesverfassungsgericht postulierten Vorrang des Primäranspruchs muß jedoch gleichzeitig die Ausgestaltung der staatshaftungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen entsprechen. Soll der Bürger vorrangig hoheitli84

Vgl. hierzu die Ausführungen unter Β II 3, S. 402 ff.

85

Vgl. den Nachweis in Kapitel 1, Fußn. 152.

86

S. den Nachweis in Kapitel 1, Fußn. 153.

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

che IntegritätsVerletzungen seiner geschützten Rechtssphäre abwehren bzw. konsequenterweise bei bereits erfolgtem Eingriff gegen die hierdurch bewirkte Störung vorgehen, muß ihm auch eine entsprechende Anspruchsnorm zur Verfügung gestellt werden. Anderenfalls liefe das von dem betroffenen Bürger geforderte Abwehrverhalten dadurch leer, daß dieser mangels einer geeigneten Anspruchsgrundlage von vornherein auf ein „dulde und liquidiere", d.h. auf die Geltendmachung von Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüchen, beschränkt wäre. Hinzu kommt, daß speziell dem grundgesetzlichen Integritätsschutz ein hoher Stellenwert zukommt. Dieser Bedeutung absolut geschützter Rechtspositionen wird eine bloß vermögensmäßige Ausgleichszahlung nicht gerecht. Vielmehr erfordert ein umfassender Bestandsschutz, daß dem Bürger im Wege der Naturalherstellung die Möglichkeit zugebilligt wird, dasjenige zurückzuerhalten, was er vorher besaß. Die vorstehend konstatierte Bedeutung der Naturalrestitution kann auch nicht - was teilweise geschieht - mit der Behauptung in Frage gestellt werden, der Wiederherstellungsanspruch stelle im Rahmen der Geldwirtschaft moderner Prägung in der Rechtspraxis ohnehin ein zu vernachlässigendes Regelungsziel dar. 87 Denn dieser Argumentation stehen sowohl rechtliche als auch tatsächliche Einwände entgegen. Zunächst spricht gegen diese Schlußfolgerung, daß hier eine aus dem zivilrechtlichen Schadensersatzrecht stammende Regelung - gemeint ist § 249 S. 2 BGB - ohne weiteres auf den verschuldensunabhängigen Folgenbeseitigungsanspruch des öffentlichen Rechts übertragen wird. Eine derartige Vorgehensweise bedarf wegen der offensichtlichen Unterschiede beider Rechtsinstitute einer rechtlichen Legitimation, welche indes nicht nachgewiesen ist. Darüber hinaus beruht in tatsächlicher Hinsicht die Favorisierung der Geldentschädigung im Zivilrecht maßgeblich darauf, daß der Geschädigte das verletzte Rechtsgut dem Schädiger regelmäßig nicht zur Wiederherstellung anvertrauen möchte. Denn der Schädiger verfügt häufig nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse, welche zur Wiederherstellung erforderlich sind. Zudem besteht auf Seiten des Geschädigten die begründete Besorgnis, der Schädiger werde sich den erforderlichen Instandsetzungsarbeiten nicht mit der gebotenen Sorgfalt widmen. Beide Umstände führen dazu, daß der beeinträchtigte Rechtsinhaber als Schadensersatzleistung üblicherweise eine Geldzahlung vorzieht.88 87 Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 53 V 2, S. 604; ders., AöR 106 (1981), 548 (562). Vgl. bereits die Darstellung unter Β I 1, S. 391 ff. mit Nachweisen in Fußn. 20. 88

Vgl. hierzu Larenz, SchuldR, AllgTeil, § 28 I, S. 467 ff.; Medicus, SchuldR, AllgTeil, § 53 I I 1, S. 260.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

Diese Gründe, welche im Zivilrecht eine Bevorzugung der Geldersatzleistung zur Folge haben, besitzen im öffentlichen Recht keine vergleichbare Bedeutung. Die Träger öffentlicher Gewalt verfügen regelmäßig über die technischen und finanziellen Mittel, um die Wiederherstellung sachgemäß durchzuführen oder aber vornehmen zu lassen. Zudem ist über die Gesetzesbindung der öffentlichen Hand gem. Art. 20 Abs. 3 GG die ordnungsgemäße Instandsetzung der beschädigten Sache sichergestellt. Die Bedeutung der tatsächlichen Wiederherstellung besitzt demnach im öffentlichen Recht einen weitaus höheren Stellenwert, als dies im Zivilrecht aus den geschilderten Gründen der Fall sein mag. Folglich würde das Fehlen eines Wiederherstellungsanspruchs bei einer restriktiven Interpretation der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs (= Beschränkung auf die Beseitigung der Störungsquelle) eine regelwidrige Rechtsschutzlücke im System der staatshaftungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen bewirken.

bb) Regelungsähnlichkeit

des Folgenbeseitigungsanspruchs

Die gerade festgestellte planwidrige Regelungslücke ist im Wege der extensiven Auslegung des Folgenbeseitigungsanspruchs zu schließen. Dessen Rechtsfolgen sind auf die Behebung der eingetretenen Störungsfolgen zu erstrecken mit der Folge, daß der Folgenbeseitigungsanspruch den Anspruch auf Restitution des ursprünglich bestehenden Zustands umfaßt. Die Qualifizierung des Folgenbeseitigungsanspruchs als tragfähige Anspruchsgrundlage für das naturale Wiederherstellungsbegehren folgt in erster Linie aus seiner verfassungsrechtlich legitimierten Zielsetzung. Der Folgenbeseitigungsanspruch bezweckt vor allen Dingen einen umfassenden und effektiven Schutz der Integrität grundrechtlicher bzw. gesetzlicher Rechtspositionen.89 Er füllt damit von seiner ratio legis her inhaltlich exakt die ermittelte Rechtsschutzlücke aus. Ferner handelt es sich bei dem Folgenbeseitigungsanspruch um einen Primäranspruch auf Störungsbeseitigung,90 weshalb er dem im Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts festgestellten Vorrang des Primärrechtsschutzes 91 entspricht. Zudem weist die Rechtsfolge

89 Die Bedeutung des Folgenbeseitigungsanspruchs als auf die Herstellung (grund)rechtlicher Integrität abzielendem Rechtsinstitut bei der Bestimmung des Anspruchsinhalts des Folgenbeseitigungsanspruchs betonend: Erichsen, VerwR I, S. 223; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (46 f.). 90 S. dazu die Ausführungen in Kapitel 1 D I 4, S. 87 ff. mit Nachweisen in Fußn. 155, sowie die Darstellung in Kapitel 2 Β II 2, S. 193 f. mit Nachweisen in Fußn. 208. 91

S. den Nachweis in Kapitel 1, Fußn. 152.

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

auf Beseitigung der Störungsquelle einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Ausräumung der durch sie verursachten Störungsfolgen auf. Mithin besteht auch in tatsächlicher Hinsicht eine hinreichende strukturelle Affinität beider Rechtsfolgen, welche eine Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die Wiederherstellung des früheren Zustands rechtfertigt. Der Folgenbeseitigungsanspruch schließt daher auch den Anspruch auf Beseitigung der eingetretenen Störungsfolgen bzw. auf Wiederherstellung des ursprünglich bestehenden tatsächlichen Zustands ein.

4. Anspruchsinhalt 3: Herstellung des hypothetischen Zustands (insbesondere Zubilligung des entgangenen Gewinns) Von dem Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglich bestehenden tatsächlichen Zustands ist die Herstellung der hypothetischen Situation i.S. des § 249 S. 1 BGB zu unterscheiden. Hier begehrt der Geschädigte die Herstellung derjenigen Lage, die ohne den hoheitlichen Eingriff bestehen würde. In der Regel wird in diesem Zusammenhang der Ersatz entgangenen Gewinns geltend gemacht. In Betracht kommt hier beispielsweise ein finanzieller Ausgleich für höhere Mieteinnahmen, die dem Wohnungseigentümer durch eine rechtswidrige Obdachloseneinweisung entgangen sind. Im Gegensatz zu den vorgenannten Anspruchsinhalten ist eine Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns über den Folgenbeseitigungsanspruch abzulehnen.92 Dabei beruht die Ausgrenzung des lediglich hypothetischen Zustands aus dem Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs auf folgenden drei Überlegungen:

a) Verschiedenheit des Anspruchsbegehrens Zunächst resultiert diese Anspruchsbegrenzung aus einem sachlogischen Argument i.V.m. dem Rechtsschutzziel des Folgenbeseitigungsanspruchs. Der

92 Ebenso die Herstellung der hypothetischen Lage aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Bestandsgarantie ablehnend: Erichsen, VerwR I, S. 223 i.V.m. S. 221; zweifelnd hingegen Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (48). Im Ergebnis die Herstellung des hypothetischen Zustands gem. § 249 S. 1 BGB im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs ausdrücklich verneinend: Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 8; Battis , AllgVerwR, Rdnr. 384; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 271; Ossenbühl, StHR, S. 198; Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 34 I Rdnr. 59. Ebenfalls in bezug auf die durch eine rechtswidrige Obdachloseneinweisung entgangenen höheren Mieteinnahmen: Rösslein, FBA, S. 87; H.H. Rupp, Grundfragen, S. 261.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

Folgenbeseitigungsanspruch ist auf die Bewahrung des Integritätsinteresses gerichtet. Folgerichtig setzt er die Existenz eines realen Zustands voraus, dessen Integrität durch das hoheitliche Verhalten beeinträchtigt werden kann. Diese Voraussetzung erfüllt das Begehren auf Herstellung der hypothetischen Situation nicht. Denn über den entgangenen Gewinn wird die erstmalige Herstellung einer Lage begehrt, die zu keinem Zeitpunkt vorher bestanden hat.93 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß der ohne das hoheitliche Verhalten fiktiv bestehende Zustand bereits in der früheren Situation seinen Entstehungsgrund besaß. Denn auch die Verwurzelung in dem ehemaligen Zustand ändert nichts daran, daß es sich bei dem entgangenen Gewinn lediglich um einen Vermögenswert handelt, der erst im weiteren Verlauf der Entwicklung ohne den staatlichen Eingriffsakt entstanden wäre. Bereits aus diesem Grunde kann von einer Wiederherstellung eines ursprünglich bestehenden Zustands als typischer Rechtsfolge des Folgenbeseitigungsanspruchs vorliegend nicht gesprochen werden.

b) Fehlende Verletzung einer schützenswerten Rechtsposition Weiterhin widerspräche ein auf die Herstellung des hypothetischen Zustands gerichteter Folgenbeseitigungsanspruch seiner Verankerung in den Freiheitsgrundrechten. Hiernach kann die Rechtsfolge des Folgenbeseitigungsanspruchs nur die Wiederherstellung eines Rechtsguts beinhalten, das vor seiner Beeinträchtigung von dem Schutzbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs als geschützte Rechtsposition erfaßt war. Anderenfalls würde der Folgenbeseitigungsanspruch die Wiederherstellung einer Rechtsposition gewähren, die von dessen Schutzbereich gar nicht gedeckt wird. Der entgangene Gewinn bzw. der herzustellende hypothetische Zustand stellen jedoch keine absolut geschützten Rechtspositionen dar, sondern sind lediglich als Chancen auf eine zukünftig eintretende Vermögensmehrung zu qualifizieren. Die Hoffnung auf eine bestimmte Entwicklung bzw. bloße Erwerbschancen sind indes verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht gewährleistet und unterfallen insbesondere nicht dem Schutzbereich des Art. 14 GG. 94 Folglich kann die Rechtsfolge des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht die Herstellung einer Rechtsposition beinhalten, welche tatbestandlich nicht dessen Geltungsbereich unterfällt.

93 94

Vgl. den Nachweis in Fußn. 28.

Vgl. hierzu BGH, NJW 1980, 387; BGHZ 76, 387 (394); 48, 58 (61); 45, 150 (155); Ossenbühl, StHR, S. 107 f.; Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 14 I Rdnr. 150.

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

c) Unzulässige Überschneidung zum Schadensersatzrecht Schließlich wäre ein auf Herstellung des hypothetischen Zustands gerichteter Folgenbeseitigungsanspruch auch dem Einwand der Systemwidrigkeit ausgesetzt. Nach derzeit geltendem Recht kann entgangener Gewinn bzw. die Herstellung der hypothetischen Situation nach Maßgabe der §§ 249 S. 1, 252 BGB dem Geschädigten nur als Schadensersatz nach den Grundsätzen der Amtshaftung zugebilligt werden,95 was seinerseits einen schuldhaft verursachten Eingriffstatbestand voraussetzt. Würde daher der Folgenbeseitigungsanspruch die Herstellung der ohne den hoheitlichen Eingriffsakt bestehenden fiktiven Lage beinhalten, hätte dies nicht nur eine Verwässerung der Abgrenzung zu dem staatshaftungsrechtlichen Schadensersatzanspruch des § 839 BGB zur Folge. Darüber hinaus würde so in systemwidriger Weise der tatbestandlichen Struktur des Folgenbeseitigungsanspruchs widersprochen, welche gerade verschuldensunabhängig ausgestaltet ist. Diese Feststellung entspricht auch der zivilrechtlichen Auffassung zu § 1004 BGB, die aufgrund identischer Überlegungen eine Erstrekkung des § 1004 BGB auf die Herstellung des hypothetischen Zustands ablehnt.96 Demnach gewährt der Folgenbeseitigungsanspruch keinen Anspruch auf die Herstellung der hypothetischen Situation, wie sie ohne das rechtswidrige staatliche Eingriffsverhalten bestehen würde.

5. Anspruchsinhalt 4: Wahlrecht zwischen (Wieder-)Herstellungsanspruch und Geldentschädigung Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, daß der Folgenbeseitigungsanspruch nicht auf Kompensation der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung durch Geldersatz ausgerichtet ist und dementsprechend ein Wahlrecht zwischen tatsächlicher Wiederherstellung und Geldersatz ausscheidet.97

95

Vgl. hierzu die Darstellung unter Β II 3, S. 402 f. mit Nachweisen in Fußn. 56.

96

Baur, AcP 160 (1961), 465 (488); Medicus, in: Müko, BGB, § 1004 Rdnr. 59.

97

Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 271; Ossenbühl, StHR, S. 198; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (47); vgl. auch Bettermann, DÖV 1955, 528 (535); H.H. Rupp, Grundfragen, S. 261. A.A. demgegenüber Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 9, wobei indes nicht deutlich wird, ob Achterberg den Anspruch auf Geldersatz nach Maßgabe des Folgenbeseitigungsanspruchs zuerkennen möchte. Auch § 4 Abs. 1 S. 1 StHG 1981 sah ein Wahlrecht des Geschädigten zwischen Folgenbeseitigung und Geldersatz vor. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob sich der Folgenbeseitigungsanspruch für den Sonderfall der Nichtdurchführbarkeit der tatsächlichen Folgenbeseitigung in entsprechender Anwendung des §251 Abs. 1 BGB ausnahmsweise in einen Geldentschädigungsanspruch umwandelt. Vgl. hierzu die bereits unter Β I 5, S. 397 ff. dargestellten Ansichten. Diese Problemstellung soll in Teil D gesondert angesprochen werden, vgl. S. 476 ff.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

Das Anspruchsziel des Folgenbeseitigungsanspruchs besteht in der naturalen Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, weshalb ein alternativer Anspruch auf ein Wertsurrogat nicht in Betracht kommt. Auch diese Ausgrenzung eines kompensatorischen Wertersatzes ist in der grundrechtlichen Herkunft des Folgenbeseitigungsanspruchs begründet. Wie bereits dargelegt, besteht der wesentliche Zweck der Freiheitsgrundrechte in ihrer Ausschlußfunktion gegenüber staatlichen Eingriffen. 98 Sofern der grundgesetzlich gewährleistete Bestand durch einen staatlichen Eingriffsakt verletzt worden ist, entsteht ein grundrechtlicher Beseitigungsanspruch, der darauf gerichtet ist, die ursprüngliche Rechtsintegrität wiederherzustellen. 99 Damit ermöglicht der Beseitigungsanspruch die Restaurierung des störungsfreien Zustands, nicht aber die Kompensation der eingetretenen Rechtsverletzung durch eine Geldleistung. Außerdem würde durch eine wahlweise Geldleistung der Folgenbeseitigungsanspruch entgegen seiner eigentlichen Ausgestaltung als Primäranspruch 100 zu einem „heimlichen" Sekundäranspruch umfunktioniert, was zugleich einen Verstoß gegen den im Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts festgelegten Vorrang des Primäranspruchs 101 bedeutete. Entgegen der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hätte es dann der betroffene Bürger in der Hand, zu dem ausdrücklich abgelehnten Grundsatz des „dulde und liquidiere" zurückzukehren. Eine Verpflichtung zur Geldleistung im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs kann jedoch ausnahmsweise dann beansprucht werden, wenn die finanzielle Leistung keinen Wertersatz für ein anderweitig beschädigtes Rechtsgut darstellt, sondern vielmehr die eingetretene Rechtsverletzung selbst in einem Geldverlust besteht. Ein praktisches Anwendungsbeispiel für eine derartige Fallkonstellation bildet die bereits zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7.1984.102 Die hier rechtswidrigerweise erfolgte Heranziehung der Klägerin zu einem zinslosen Bardepot konnte im Wege eines auf Rückzahlung des geleisteten Geldbetrages gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs ausgeräumt werden. 103 Folglich bleibt festzuhalten, daß auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs eine Kompensation der Rechtsbeeinträchtigung durch Geld-

98 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 1 Β I 2, S. 66 ff. mit Nachweisen in Fußn. 64, sowie die Darstellung in Kapitel 1 D II 6, S. 107 ff. 99

S. die Darstellung in Kapitel 1 D II 6, S. 111 ff.

100

S. die Ausführungen in Kapitel 1 D I 4, S. 87 ff. mit Nachweisen in Fußn. 155, sowie die Darstellung in Kapitel 2 Β II 2, S. 193 f. mit Nachweisen in Fußn. 208. 101

S. den Nachweis in Kapitel 1, Fußn. 152.

102

BVerwGE 69, 366 ff.

103

Vgl. die Nachweise in Fußn. 24.

27 Pietzko

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

ersatz nicht gefordert werden kann. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs ist hingegen dann auf eine Geldleistung gerichtet, wenn die rechtswidrig verursachte Rechtsverletzung gerade in einer finanziellen Beeinträchtigung besteht.104

IV. Konkretisierung des über den Folgenbeseitigungsanspruch wiederherzustellenden Zustands — Bedeutung der Wiederherstellbarkeit des störungsfreien Zustands Mit der Feststellung, daß die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs zum einen die Beseitigung der Störungsquelle und zum anderen die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, d.h. die Beseitigung der eingetretenen Störungsfolgen, beinhalten, sind allerdings nur die Leitlinien des Anspruchsinhalts festgelegt. Insbesondere was die Wiederherstellung der ursprünglichen Situation betrifft, stellt sich ein Folgeproblem, das in Rechtsprechung und Literatur noch nicht in seiner ganzen Tragweite erfaßt worden ist. Hierbei handelt es sich um die Fragestellung, ob der auf die Wiederherstellung des Status quo ante gerichtete Folgenbeseitigungsanspruch zwingend die Wiederherstellbarkeit des geschädigten Rechtsguts voraussetzt und deshalb in Fällen der vollständigen Zerstörung seine Anwendbarkeit ausscheidet. Möglich ist jedoch auch, daß in derartigen Fällen die Herstellung eines gleichwertigen Zustands gefordert werden kann. Die bisherigen Stellungnahmen in Rechtsprechung und Schrifttum zu dieser Problematik sind durch Rechtsunsicherheit gekennzeichnet. Sie spiegelt sich in einigen Formulierungen wieder, die das konkrete Anspruchsziel des Folgenbeseitigungsanspruchs in widersprüchlicher Weise umschreiben. So steht einerseits zu lesen, der Folgenbeseitigungsanspruch, der auf die Wiederherstellung des Status quo ante gerichtet sei, bezwecke ausschließlich die Herstellung des früher konkret bestehenden Zustands,105 wohingegen andererseits ausgeführt wird, daß im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs auch die Schaffung einer möglichst gleichwertigen Lage gefordert werden könne. 106 Hierbei wird zum Teil darauf hingewiesen, daß dies in erster Linie 104 Zu weiteren möglichen Ausnahmefällen, in denen das Begehren auf Zahlung einer Geldleistung im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs durchgesetzt werden kann, vgl. die Ausführungen zum Anspruchsumfang unter C, S. 433 ff. 105 So VGH Mannheim, VB1BW 1990, 102; Drews /Wacke/Vogel/Martens, abwehr, S. 626; vgl. auch Oldiges, JA 1982, 274 (279).

Gefahren-

106 OVG Hamburg, NJW 1978, 658 (659); VGH Mannheim, NJW 1985, 1482; VGH Mannheim, VB1BW 1983, 141 f.; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 219; ders., VB1BW 1990, 223 (225), wobei er allerdings in nicht eindeutiger Weise zusätzlich zwischen der Wiederherstellung eines mit dem früheren Zustand gleichen bzw. eines gleichwertigen ähn-

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

dann in Betracht komme, sofern die Restitution des ursprünglichen Zustands aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausscheide bzw. für die Behörden unzumutbar sei.107

1. Die Entscheidung des VGH Mannheim vom 17.8.1989 Zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Auswirkungen der jeweiligen Standpunkte sei die Entscheidung des VGH Mannheim vom 17.8.1989108 erwähnt. Der diesem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt kann stellvertretend für eine Reihe von Entscheidungen genannt werden, in denen sich der betroffene Rechtsinhaber gegen tatsächliche staatliche Einwirkungen in die Sachsubstanz seines Eigentums gewehrt hat. 109 In concreto hatte die behördlicherseits veranlaßte Neuanlegung eines Gehweges zu Beeinträchtigungen eines Grundstücksanliegers insoweit geführt, als die auf dem Grundstück vorhandene Sandsteineinfriedung einschließlich der vorhandenen Bepflanzung entfernt worden war. Dem daraufhin vom Eigentümer geltend gemachten Anspruchsbegehren auf Errichtung einer Einfriedung aus Sandsteinen sowie auf Auffüllung des Grundstücks mit Erde und Bepflanzung desselben blieb vor dem VGH Mannheim der Erfolg versagt. Begründet hat das Gericht seine ablehnende Ansicht mit der Überlegung, unter der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands sei ausschließlich die Schaffung der früheren Lage, d.h. der ehemals bereits vorhandenen Situation, zu verstehen. Hingegen würde der Anspruchsteller vorliegend, da die Bestandteile der alten Mauer nicht mehr vorhanden seien, in Wahrheit die Errichtung einer neuen Mauer verlangen. Sein Anspruchsziel sei mithin auf ein „aliud" gerichtet. Dieses Begehren auf Naturalrestitution i.S. der Schaffung eines gleichwertigen Zustands könne indessen nicht im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs durchgesetzt werden. Denn dieses Rechtsinstitut sei gerade nicht als Schadensersatz- bzw. als umfassender Wiedergutmachungsanspruch zu klassifizieren. Infolgedessen sei der Kläger insoweit auf die Geltendmachung von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen zu verweisen.110 liehen Zustands differenziert, die beide seiner Ansicht nach vom Folgenbeseitigungsanspruch erfaßt werden; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 500; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (49 in Fußn. 294); Weyreuther, Gutachten, S. Β 101, 185; Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 II f, S. 478. Offenlassend VG Köln, NJW 1980, 799. Vgl. auch die Regelung in § 3 Abs. 1 S. 1 StHG 1981. 107 Weyreuther, Gutachten, S. Β 101; im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit: VGH Mannheim, VB1BW 1983, 141 f. 108

VGH Mannheim, VB1BW 1990, 102.

109

Vgl. z.B. die Entscheidungen BVerwG, DVB1. 1971, 858 ff.; VGH Kassel, NVwZ 1982, 565; VGH Mannheim, NJW 1985, 1482; VGH Mannheim, VB1BW 1983, 141 f. 110

So VGH Mannheim, VB1BW 1990, 102. Darüber hinaus sei auf folgendes hingewie-

0

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

M i t dieser Urteilsbegründung ist der 5 / Senat des V G H Mannheim von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewichen. So hatte das Gericht noch im Urteil vom 23.2.1984 1 1 1 die Auffassung vertreten, der Folgenbeseitigungsanspruch umfasse u.U. auch die Wiederherstellung eines möglichst gleichwertigen Zustands. Weiterhin hatte es in der Entscheidung vom 2.9.1982 1 1 2 ausgeführt, daß der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Schaffung einer gleichwertigen Lage begrenzt sei, wenn die volle Restitution unverhältnismäßige Aufwendungen erforderlich machen würde und der so geschaffene Zustand mit dem ursprünglichen weitgehend identisch sei.

2. Die Auffassung Benders Der Argumentation des V G H Mannheim ist Bender 1 1 3 in einer Besprechung des Urteils vom 17.8.1989 entgegengetreten. Ausgehend von der grundrechtlichen Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs gelangt er zunächst zu dem Ergebnis, der Folgenbeseitigungsanspruch ermögliche als Restitutionsanspruch grundsätzlich auch die Wiederherstellung eines Bauwerks. 1 1 4 Die vom V G H Mannheim aufgestellte Forderung, daß die Restitution des Status quo ante die Wiederherstellung der „alten Mauer" erfordere,

sen: Die beklagte Stadt hatte überdies gegenüber dem Folgenbeseitigungsbegehren einschränkend vorgebracht, die Bauarbeiten seien seinerzeit im Auftrag des Landes durchgeführt worden. Dieser Einwand der fehlenden Passivlegitimation für das Anspruchsbegehren vermag indes nicht zu überzeugen. Aufgrund der vorliegenden Themenstellung kann dieser Frage nicht im einzelnen nachgegangen werden. Gleichwohl sei festgestellt, daß es sachgerecht erscheint, von dem allgemein anerkannten Grundsatz, daß derjenige Rechtsträger zur Folgenbeseitigung im Verhältnis zum Bürger verpflichtet ist, der die rechtwidrigen Folgen verursacht hat - vgl. exemplarisch Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 219; Ossenbühlf, StHR, S. 201 - auch für die Fälle des Auftragshandelns nicht abzuweichen. Für die Bestimmung des Anspruchsverpflichteten nach Maßgabe des behördlichen Auftretens im Außenverhältnis sprechen die Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Regelmäßig wird der Bürger darauf vertrauen, daß derjenige Rechtsträger, der nach außen erkennbar in rechtswidriger Weise in seinen Rechtslaeis eingegriffen hat, ihm auch als Haftungssubjekt verantwortlich ist. Der behördeninterne Entscheidungsvorgang ist für ihn üblicherweise ohne Bedeutung. Insbesondere besteht für den betroffenen Rechtsinhaber so die Möglichkeit, seinen Anspruchsgegner ohne u.U. langwierige und komplizierte Nachforschungen zu ermitteln. Ein unkalkulierbares Prozeßrisiko wird ihm damit erspart, was im Hinblick auf die grundrechtliche Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs als vorzugswürdige Ansicht erscheint. Das Vorliegen des Auftragsverhältnsisses stellt damit lediglich einen Gesichtspunkt dar, der im Rahmen eines Innenregreßes der Stadt gegenüber dem Land zu beachten ist. 111

VGH Mannheim, NJW 1985, 1482 1. Sp. unten.

112

VGH Mannheim, VB1BW 1983, 141 f.

113

Bender, VB1BW 1990, 223 ff.

114

Bender, VB1BW 1990, 223 (224 f.).

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

1

lehnt Bender als „begriffsjuristisch" und „absurd" ab. 115 Vielmehr sei der Folgenbeseitigungsanspruch nicht nur auf die Wiederherstellung einer mit dem früheren Zustand identischen Lage begrenzt, sondern eröffne auch die Wiederherstellung eines gleichen Zustands} 16 Demzufolge wäre in concreto im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs die Herstellung einer Grundstücksmauer, die der ehemaligen Sandsteinmauer „nach Standort, Dimension, Material und Funktionstauglichkeit" entspricht, in Betracht gekommen.117

3. Eigener Lösungsvorschlag a) Eingrenzung der problematischen Fallkonstellationen Die Problematik, ob im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs lediglich die Restitution des ehemaligen identischen Zustands oder ggf. auch die Herstellung einer gleichwertigen Situation verlangt werden kann, stellt sich regelmäßig in denjenigen Fallkonstellationen, in denen hoheitliche Eingriffsakte zu Substanzeinbußen bei dem von der Maßnahme betroffenen Bürger geführt haben. Anders als bei den Sachverhaltsgestaltungen, in welchen die Wiederherstellung der ursprünglichen Lage allein durch einen actus contrarius verwirklicht werden kann - wie beispielsweise durch Rückgabe der rechtswidrig beschlagnahmten Sache oder Ausweisung des Obdachlosen aus den Wohnräumen des inanspruchgenommenen Wohnungsinhabers stellt sich für die Fälle der Sachbeeinträchtigung die Frage, ob und in welchem Umfang die notwendigen Reparaturmaßnahmen bzw. die Zurverfügungstellung einer Ersatzsache noch als Naturalrestitution im Wege der Folgenbeseitigung gefordert werden kann.

b) Ausgangspunkt: Bedeutung der Wiederherstellbarkeit im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs Für die Konkretisierung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs stellt sich vorab die Frage, ob das auch vom VGH Mannheim im Ergebnis verwandte Begriffspaar des „ identischen " und des „gleichwertigen " Zustands als Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs118 nicht von der eigentlichen rechtlichen Problematik der vorliegenden Sachverhaltskonstellationen ablenkt. Denn streng genommen kann im Falle einer Substanzbeeinträchti115

So ausdrücklich Bender, VB1BW 1990, 223 (225 1. Sp. unten).

116

Bender, Nachweis wie vor.

117

Bender, Nachweis in Fußn. 115.

118

Vgl. den Nachweis in Fußn. 108.

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

gung der identische ursprüngliche Zustand bereits faktisch nicht mehr hergestellt werden. Instandsetzungen und Reparaturen führen immer nur zur Schaffung einer annähernd gleichwertigen Lage. Hieraus leitet sich zunächst die Feststellung ab, daß der Folgenbeseitigungsanspruch schon aus sachlogischen Erwägungen im Falle der Sachbeschädigung nur auf die Schaffung einer gleichwertigen Lage abzielen kann. Denn die identische Herstellung der Situation, wie sie vor dem behördlichen Eingriffsakt bestanden hat, ist nicht möglich. Folglich trifft das Begriffspaar des „ identischen " bzw. „gleichwertigen" Zustands nicht den Kern der vorliegenden Thematik. Insoweit ist der Kritik Benders119 an der begriffsjuristischen Argumentation des VGH Mannheim also zuzustimmen. Die zutreffende Fragestellung erschließt sich vielmehr aus dem Begriffspaar der „Wiederherstellung (Instandsetzung)" sowie der „Ersatzsache Surrogates)". Der Folgenbeseitigungsanspruch dient der Bewahrung der Rechtsintegrität. Dieser Schutz wird, wie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, dadurch realisiert, indem ein möglichst gleichwertiger Zustand des beschädigten Gegenstands, wie er vor dem behördlichen Eingreifen bestanden hat, hergestellt wird. 120 Es findet also eine Instandsetzung bzw. Reparatur statt. Von einer Wiederherstellung kann indes nur die Rede sein, wenn der geschädigte Gegenstand zumindest in seiner Sachsubstanz noch erhalten und demnach die Restaurierung eines annähernd gleichwertigen Zustands möglich ist. Hat das staatliche Tätigwerden hingegen das Rechtsgut des betroffenen Bürgers vollständig zerstört, scheidet sachlogisch eine Wiederherstellung aus. Für den Geschädigten kommt dann nur die Zurverfügungstellung einer Ersatzsache in Betracht. Vor diesem Hintergrund läßt sich die eigentliche Kernfrage dahingehend formulieren, ob der Folgenbeseitigungsanspruch zwingend die Wiederherstellbarkeit eines in der Sachsubstanz beschädigten Gegenstands voraussetzt und daher konsequenterweise bei einer vollständigen Zerstörung der Sache entfällt oder aber ob im Falle der gänzlichen Zerstörung des Gegenstands der betroffene Bürger zumindest die Leistung einer Ersatzsache verlangen kann. Hierbei handelt es sich um eine Wertungsfrage, deren Beantwortung sich ebenfalls an der Rechtsgrundlage, der tatbestandlichen Struktur sowie der Zielsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs orientieren muß. Im Ergebnis ist für den Fall der vollständigen Zerstörung eines Rechtsguts, eine Erstrekkung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs auf eine Ersatzsache abzulehnen.

119

S. den Nachweis in Fußn. 115.

120

Vgl. die Darstellung unter Β III 3, S. 411 ff.

(des

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

Der von dem Folgenbeseitigungsanspruch bezweckte Integritätsschutz wird bei Substanzschäden eines Gegenstands im Wege der Wiederherstellung realisiert. Die Wiederherstellung des gleichwertigen Zustands setzt jedoch zwingend die Existenz des geschädigten Rechtsguts voraus. Ist das betroffene Rechtsgut vollständig zerstört, scheidet eine Restitution der ursprünglichen Integrität aus. Dementsprechend würde auch die Zurverfügungstellung des Surrogates keinen Beitrag zur Beseitigung der Integritätsverletzung leisten. Vielmehr stellt sich der Ersatzgegenstand unter diesem Gesichtspunkt als vermögensmäßige Gleichstellung, also als wertmäßige Kompensation in gegenständlicher Form dar. In Wahrheit beinhaltet deshalb das Begehren eines Surrogates ein „verstecktes" Entschädigungsinteresse, welches - wie ausgeführt 121 - mit dem Charakter des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht zu vereinbaren ist. Die Zubilligung eines Ersatzgegenstands würde folglich in unzulässiger Weise seine Grenzziehung zur schadensersatzrechtlichen Norm des § 839 BGB verwischen. Hierdurch würde dem Folgenbeseitigungsanspruch in systemwidriger Weise, d.h. unter Verstoß gegen den vom Bundesverfassungsgericht postulierten Vorrang des Primärrechtsschutzes, 122 der Charakter eines Sekundäranspruchs auf Entschädigung zugebilligt. Es bleibt also festzuhalten, daß die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die Wiederherstellung eines gleichwertigen Zustands des beschädigten Gegenstands gerichtet sind. Die Restitution hat im Wege der Instandsetzung bzw. Reparatur zu erfolgen. Ist das betroffene Rechtsgut aufgrund des behördlichen Eingriffs vollständig zerstört, scheidet der Folgenbeseitigungsanspruch als Anspruchsgrundlage aus. Die Beschaffung einer Ersatzsache kann über dieses Rechtsinstitut nicht verlangt werden. Vielmehr ist der Geschädigte in diesem Fall auf die Geltendmachung von Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüchen beschränkt.

c) Zum Begriff der Wiederherstellbarkeit bzw. der vollständigen Zerstörung beim Folgenbeseitigungsanspruch Erörterungsbedürftig ist ferner, unter welchen Voraussetzungen von der Wiederherstellbarkeit einer beschädigten Sache bzw. von deren vollständiger Zerstörung auszugehen ist. Diese Abgrenzung ist, wie die vorangegangenen Ausführungen ergeben haben, von wesentlicher Bedeutung, weil hiervon die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsnanspruchs entscheidend abhängt. Hierbei handelt es sich allerdings naturgemäß um eine Wertungsfrage, die für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden muß. Gleichwohl soll der Ver-

121

S. die Ausführungen unter Β III 5, S. 416 ff.

122

Vgl. den Nachweis in Kapitel 1, Fußn. 152.

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

such unternommen werden, allgemeingültige Grundsätze zu entwickeln, auf deren Basis zumindest im Regelfall die Frage der Wiederherstellbarkeit einer beschädigten Sache geklärt werden kann. Die Analyse der in diesem Zusammenhang eingangs beschriebenen einschlägigen Rechtsprechung123 legt dabei eine Differenzierung zwischen zwei Fallgruppen nahe. Hierbei handelt es sich zum einen um Sachverhaltskonstellationen, bei denen der staatliche Eingriffsakt zur Beeinträchtigung einer Sachgesamtheit geführt hat, zum anderen um solche Sachverhaltsgestaltungen, bei denen lediglich ein Einzelgegenstand durch das behördliche Verhalten beschädigt worden ist.

aa) Beschädigung bzw. Zerstörung

von Einzelgegenständen

Die erste Fallkonstellation ist dadurch gekennzeichnet, daß das staatliche Eingriffsverhalten einen Einzelgegenstand beeinträchtigt. Hier ist die Rechtslage relativ einfach zu beantworten. Ist das Rechtsgut lediglich beschädigt, d.h. kann der ursprüngliche Zustand durch Reparatur- bzw. Ausbesserungsarbeiten in gleichwertiger Art und Weise wiederhergestellt werden, greift der Folgenbeseitigungsanspruch durch. Ansonsten, d.h. wenn Instandsetzungsarbeiten aufgrund völliger Zerstörung ausgeschlossen sind, scheidet seine Heranziehung wegen der fehlenden Wiederherstellbarkeit aus. Wird beispielsweise ein Personenkraftwagen durch die Kollision mit einem im amtlichen Einsatz fahrenden Polizeifahrzeug vollständig zerstört, so ist das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs wegen der tatsächlichen Unmöglichkeit der Restitution zu verneinen. Dasselbe würde für einen rechtswidrig beschlagnahmten Gegenstand gelten, der während der amtlichen Verwahrung zerstört wird. Der denkbare Einwand, daß der vollständige Verlust eines Gegenstands im Verhältnis zur bloßen Beschädigung die schwerwiegendere Rechtsbeeinträchtigung verkörpert, weshalb in diesem Fall das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs erst recht geboten ist, stellt im Ergebnis die vorstehend festgestellte Differenzierung nicht in Frage. Ausgehend von der dogmatischen Legitimierung und Aufgabe des Folgenbeseitigungsanspruchs läßt sich, wie dargelegt, 124 lediglich ein auf die Wiederherstellung der ehemals vorhandenen Rechtsintegrität abzielender Folgenbeseitigungsanspruch nachweisen. Daraus leitet sich die zwangsläufige Anspruchsgrenze ab, derzufolge die Leistung eines Surrogates infolge ihres Entschädigungscharakters nicht gefordert wer123 124

Vgl. die Nachweise in Fußn. 106, 108 und 109.

Vgl. die Ausführungen unter Β III 1, S. 405 ff., sowie unter Β III 3, S. 413, bzw. unter Β III 4, S. 414 ff.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

den kann. Obgleich die so gegebene Rechtsschutzeinschränkung aus der Sicht des Bürgers bedenklich ist, muß sie angesichts der fehlenden gesetzlichen Normierung des Folgenbeseitigungsanspruchs akzeptiert werden. Anderenfalls würde die vorliegend versuchte klare Konturierung des Anspruchs, vor allem orientiert an der Rechtsgrundlage dieses Rechtsinstituts, obsolet. De lege ferenda wäre es allerdings bei einer gesetzlichen Regelung des Folgenbeseitigungsanspruchs wünschenswert, auch die Leistung einer Ersatzsache über den Folgenbeseitigungsanspruch zu ermöglichen. Einmal mehr verdeutlicht diese Problematik die Notwendigkeit einer gesetzlichen Festschreibung des Anspruchs auf Folgenbeseitigung.

bb) Die Beeinträchtigung

von Sachgesamtheiten

Komplizierter gestaltet sich die Rechtslage, wenn der hoheitliche Verletzungstatbestand eine Sachgesamtheit betrifft, die ihrerseits aus mehreren Einzelgegenständen zu einer funktionalen Einheit zusammengesetzt ist. Hier stellt sich die Frage, ob die vollständige Zerstörung eines einzelnen Bestandteils der Sachgesamtheit zugleich dazu führt, daß eine Wiederherstellung des zusammengesetzten Rechtsguts insgesamt entfällt. Als Beispiel sei der bereits angeführte Fall der Beschädigung der Einfriedungsmauer genannt.125 Hier kann die zerstörte Grundstücksmauer nicht nur als Einzelgegenstand gewertet werden, sie erfüllt zugleich auch eine Einfriedungsfunktion für das gesamte Grundstück. Zudem stellt sie, da mit dem Grundstück fest verbunden, nach den sachenrechtlichen Grundsätzen des Zivilrechts gem. den §§90 ff. BGB einen wesentlichen Grundstücksbestandteil dar. 126 Zweifelhaft erscheint deshalb, ob für die Beurteilung der Wiederherstellbarkeit auf die vollkommen zerstörte und damit irreparable Grundstücksmauer oder aber auf die Wiederherstellbarkeit der Einfriedung, bezogen auf das Grundstück als Sachgesamtheit, abzustellen ist. Die Frage ist im letztgenannten Sinne zu entscheiden. Denn bei einer Sachgesamtheit erstreckt sich das Integritätsinteresse des betroffenen Bürgers in erster Linie auf die Erhaltung und den Schutz der Gesamtsache als solche. Die Funktionstauglichkeit des einzelnen Gegenstands stellt vor diesem Hintergrund lediglich einen untergeordneten Gesichtspunkt dar, um den im Vordergrund stehenden Zweck der Gesamtsache zu realisieren bzw. zu erhalten. Aus diesem Grunde dient beispielsweise auch eine intakte Bremsscheibe beim Auto als Einzelgegenstand dazu, die Fahrtüchtigkeit des Kraftfahrzeugs insgesamt zu gewährleisten. Mit Rücksicht auf den vom Folgenbeseitigungs125

S. den Nachweis in Fußn. 108.

126

Vgl. hierzu Palandt/Heinrichs,

BGB, § 94 Anm. 2 b.

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

anspruch beabsichtigten umfassenden Integritätsschutz ist diesem Funktionszusammenhang einer Gesamtsache auch bei der Bewertung der Wiederherstellbarkeit Rechnung zu tragen. Dies erscheint vor allen Dingen auch deshalb möglich, weil der Gesetzgeber in den §§ 90 ff., 946 ff. BGB die Verbindung bzw. Verschmelzung mehrerer Einzelgegenstände zu einem einzigen Rechtsgut „Eigentum" ausdrücklich anerkannt hat. 127 Konkret bedeutet dies, daß der auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands abzielende Folgenbeseitigungsanspruch in bezug auf eine Sachgesamtheit trotz der vollständigen Zerstörung eines einzelnen Bestandteils solange verwirklicht werden kann, wie die Integrität der Gesamtsache selbst noch wiederherstellbar ist. Bezogen auf den oben genannten Beispielsfall hat das zur Folge, daß dem vom VGH Mannheim zugrundegelegten, auf den zerstörten Einzelgegenstand ausgerichteten Bewertungsmaßstab, demzufolge der Folgenbeseitigungsanspruch wegen fehlender Restitutionsmöglichkeit der ehemaligen Grundstücksmauer abgelehnt worden ist, nicht gefolgt werden kann.128 Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Einfriedungsmauer um einen wesentlichen Grundstücksbestandteil i.S. der §§ 90 ff. BGB. Hinsichtlich dieser Funktion betreffend die Sachgesamtheit war die Wiederherstellbarkeit der ehemaligen Einfriedung zu bejahen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Einfriedungsmauer noch in ihren wesentlichen Bestandteilen vorhanden ist und lediglich ausgebessert werden muß oder ob wegen der vollständigen Zerstörung des Mauerwerks nur die Herstellung einer neuen gleichwertigen Mauer in Betracht kommt. Entscheidend fällt ins Gewicht, daß die Rechtsintegrität der ursprünglich bestehenden Grundstückssituation insgesamt wiederhergestellt werden kann. Denn beschädigt wurde das Rechtsgut „Grundstück", dessen wesentlicher Bestandteil die Mauer gewesen ist, und nicht etwa, isoliert gesehen, nur die Einfriedung. Auch wenn demnach zur Wiederherstellung der Rechtsintegrität einer Sachgesamtheit im Einzelfall die Neuherstellung eines einzelnen Bestandteils der Gesamtsache verlangt werden kann, erscheint es zumindest ungenau, den

127 Nicht anwendbar sind die §§ 90 ff. BGB allerdings nach h.M. hinsichtlich der öffentlichen Sachen, vgl. hierzu Papier, Recht, S. 1 - 3 . 128 Auch Bender, VB1BW 1990, 223 (225), befürwortet das Eingreifen eines auf die Wiedererrichtung der Grundstücksmauer gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs. Allerdings stellt er hierzu vorrangig auf den Umstand ab, daß in concreto die Herstellung einer mit der früheren Einfriedungsmauer weitgehend gleichen Grundstücksbegrenzung infolge der einfachen Beschaffenheit der Mauer möglich ist. Mithin liegt der Ansicht Benders letztlich die Überlegung zugrunde, daß bei der Beeinträchtigung eines Gegenstands die Wiederherstellung des früheren Zustands dann gefordert werden kann, wenn es sich bei dem betroffenen Rechtsgut um eine „vertretbare Sache" (vgl. § 91 BGB) handelt.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

Folgenbeseitigungsanspruch insoweit als „Ersatzanspruch" zu qualifizieren. 129 Denn diese Klassifizierung hebt nicht in der gebotenen Eindeutigkeit hervor, daß die Neuherstellung nur insoweit beansprucht werden kann, als sie zur Wiederherstellung des vorher bestehenden Besitzstands der Sachgesamtheit erforderlich ist. Mithin wird durch die Charakterisierung des Folgenbeseitigungsanspruchs als „Ersatzanspruch" die Gefahr der Verwechslung dieses Haftungsinstituts mit einem auf Leistung eines Surrogates abzielenden Sekundäranspruch begründet.

cc) Zur Frage des wirtschaftlichen

Totalschadens

Schließlich bleibt zu klären, ob ähnlich der Regelung des § 251 Abs. 2 BGB im Zivilrecht auch im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs die Rechtsfigur des wirtschaftlichen Totalschadens anzuerkennen ist, bei deren Vorliegen die Wiederherstellung verneint und damit der Folgenbeseitigungsanspruch abgelehnt werden muß. § 251 Abs. 2 BGB liegt im Zivilrecht die Erwägung zugrunde, daß der tatsächlichen Wiederherstellung aus Gründen der Zumutbarkeit dann Grenzen zu ziehen sind, wenn ihre Durchführung für den Schädiger - gemessen am Wert der geschädigten Sache - in keinem vernünftigen Verhältnis mehr steht. Bekannt ist in diesem Zusammenhang besonders die Rechtsprechung zu den KFZ-Schäden, wonach eine Instandsetzung dann nicht mehr verlangt werden kann, wenn deren Vornahme um 30 % den Verkehrswert des beschädigten Personenkraftwagens übersteigt.130 Es stellt sich die Frage, ob derartige Überlegungen auch für den Folgenbeseitigungsanspruch einschlägig sind. Eine unmittelbare wie analoge Geltung des § 251 Abs. 2 BGB für den Folgenbeseitigungsanspruch scheitert bereits daran, daß es sich hierbei um eine Norm aus dem Schadensersatzrecht handelt. Eine Heranziehung des §251 Abs. 2 BGB im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs würde daher in systemwidriger Weise die Grenzen zum Schadensersatzrecht verwischen.131

129 So jedoch Bender, VB1BW 1990, 223 (224 f.); ders., VB1BW 1985, 201 (202), der den Folgenbeseitigungsanspruch im Hinblick auf seinen restitutorischen Rechtsgehalt als „Ersatzanspruch" qualifiziert. 130 131

S. hierzu Palandt/Heinrichs,

BGB, § 251 Anm. 3 b.

Die Geltung des § 251 Abs. 2 BGB bei § 1004 BGB ist umstritten. So wird die Anwendbarkeit des § 251 Abs. 2 BGB einerseits mit der Begründung abgelehnt, § 1004 BGB begründe keinen Schadensersatzanspruch — so insbesondere die frühere Rspr., vgl. z.B. RGZ 93, 100 (105 f.); 51, 408 (411 f.); BGH, LM, § 1004 BGB, Nr. 14, Bl. 1 (Bl. 3); OLG Stuttgart, OLGE 41, 162 (163). Andererseits wird die Berücksichtigung des dem § 251 Abs. 2 BGB zugrundeliegenden allgemeinen Rechtsgedankens, wonach das Verlangen nach Herstellung eines an sich gebotenen Zustands dann rechtsmißbräuchlich ist,

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Allerdings handelt es sich bei § 251 Abs. 2 BGB, wie auch im Zivilrecht anerkannt ist, 132 um eine spezielle schadensersatzrechtliche Kodifizierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Das kommt auch in dessen Wortlaut zum Ausdruck, welcher hierauf ausdrücklich Bezug nimmt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt jedoch allgemein im Verwaltungs- und Staatshaftungsrecht. Auch im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs wird seine Heranziehung von Rechtsprechung und Literatur befürwortet. 133 Folglich besteht über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Möglichkeit, die Angemessenheit des Folgenbeseitigungsbegehrens durch eine Gegenüberstellung von Wiederherstellungskosten und Zeitwert des beschädigten Gegenstands zu überprüfen. Übersteigen die Wiederherstellungskosten der faktisch möglichen Instandsetzung das zumutbare Maß, d.h. stehen sie zum Zeitwert vollkommen außer Verhältnis, ist im übertragenen Sinne ein wirtschaftlicher Totalschaden anzunehmen mit der Folge, daß der Folgenbeseitigungsanspruch nicht durchgreift. Wann die Schwelle zum wirtschaftlichen Totalschaden letztlich überschritten ist, läßt sich nur anhand des konkreten Einzelfalls entscheiden. Allerdings erscheint es nicht sachgerecht, die zivilrechtlichen Bemessungsmaßstäbe ohne weiteres auf das öffentliche Recht zu übertragen. Wie die Rechtsprechung bereits in bezug auf andere verwaltungsrechtliche Rechtsinstitute entschieden hat, können dem Staat nicht dieselben Haftungsprivilegien zugebilligt werden, wie sie im Zivilrecht gelten. Aus diesem Grunde kann sich der Hoheitsträger im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs beispielsweise nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, obwohl dies in dem zivilrechtlichen Parallelanspruch des § 818 Abs. 3 BGB durchaus vorgesehen ist. 134 Diese grundsätzliche Wertung besitzt auch für den Folgenbeseitigungsanspruch Geltung, weshalb insoweit die „wirtschaftliche Schmerzgrenze" des Hoheitsträgers für die Annahme eines wirtschaftlichen Totalschadens höher anzusiedeln ist.

wenn es der Inanspruchgenommene nur unter unverhältnismäßigen, vernünftigerweise nicht zumutbaren Aufwendungen erfüllen kann, im Regelungsbereich des § 1004 BGB befürwortet, vgl. Erman/Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnr. 26 m.w.N. 132 Vgl. Erman/Hefermehl, Rdnr. 43.

BGB, § 1004 Rdnr. 26; Soergel/Mühl,

BGB, § 1004

133

So entfällt der Folgenbeseitigungsanspruch anerkanntermaßen, wenn die Folgenbeseitigung für den Hoheitsträger in concreto unzumutbar ist. Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 4 Β III 1, S. 533 ff. S. außerdem ausdrücklich zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung: Schenke, DVB1. 1990, 328 (337), sowie die Ausführungen in Kapitel 4 Β II 2, S. 529 f. 134

Vgl. hierzu im Verhältnis Bund - Gemeinde, BVerwGE 36, 108 (113 f.); s. weiterhin Maurer, AllgVerwR, § 28 Rdnr. 26.

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

9

V. Art und Weise der Folgenbeseitigung sowie Kostentragungspflicht Aufgrund der vorstehenden Überlegungen ergibt sich somit, daß dem Folgenbeseitigungsanspruch in Abhängigkeit von dem im Einzelfall tangierten Rechtsgut135 bzw. dem Ausmaß der eingetretenen Störung ein negatorischer oder ein darüber hinausgehender restitutorischer Anspruchsinhalt zukommen kann. 136 Vor dem Hintergrund dieses Anspruchsziels des Folgenbeseitigungsanspruchs ist es dem Staat allerdings grundsätzlich freigestellt, mit welchen Maßnahmen er die geforderte Wiederherstellung der ehemals vorhandenen Rechtsintegrität vornimmt. Anerkanntermaßen verfügt der störende Hoheitsträger im Hinblick auf mehrere in Betracht kommende Mittel der Störungsabwehr über ein Wahlrecht. 137 Das entspricht dem Zweck des Rechtsinstituts, die Restitution des früheren Besitzstands zu ermöglichen. Auf welche Weise der Staat dieser Verpflichtung nachkommt, ist dabei für den verletzten Rechtsinhaber regelmäßig unerheblich.138 Lediglich für den Fall, daß die Beseitigung der Störung bzw. die Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtsstellung nur durch eine bestimmte Maßnahme sichergestellt werden kann, ist das grundsätzlich bestehende Wahlrecht auf eine bestimmte Vorgehensweise eingeschränkt, die folgerichtig gerichtlich angeordnet werden kann.139 Die Kosten der Folgenbeseitigung fallen dabei dem störenden Hoheitsträger zur Last. 140

135 Diese Wechselbeziehung ausdrücklich betonend: Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (46); s. auch Böß, Vergleich, S. 96 f. 136

Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (46 f.).

137

Vgl. hierzu BVerwGE 79, 254 (263); VGH Kassel, U.v. 15.12.1987 - 2 OE 96/83 - , S. 13 f., insoweit in Städtetag 1988, 702 nicht veröffentlicht; Führen, VR 1986, 5 (11); Laubinger, VewArch 80 (1989), 261 (301); Weyreuther, Gutachten, S. Β 102. Entsprechendes ist in bezug auf den zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB anerkannt: Erman/Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnr. 25; Medicus, in: Müko, BGB, § 1004 Rdnr. 63; Soergel/Mühl, BGB, § 1004 Rdnrn. 44, 125. 138

Weyreuther,

wie vor.

139

Vgl. hierzu in bezug auf den zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch gem. § 1004 BGB: Erman/Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnr. 25; Medicus, in: Müko, BGB, § 1004 Rdnr. 63; Soergel/Mühl, BGB, § 1004 Rdnrn. 44, 125. 140 Vgl. hierzu VGH Kassel, DÖV 1988, 468; s. weiterhin im Hinblick auf § 1004 BGB: Erman/Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnr. 26; Medicus, in: Müko, BGB, § 1004 Rdnr. 74; Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 5 a cc.

30

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

VI. Systematische Darstellung einiger praxisrelevanter Fallgruppen Der in den vorausgegangenen Ausführungen festgestellte Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs soll abschließend anhand einiger praxisrelevanter Fallgruppen veranschaulicht und gleichzeitig zusammengefaßt werden.

1. Vorliegen einer Ehrverletzung durch unzutreffende Tatsachenbehauptung Wird die Ehre bzw. das Persönlichkeitsrecht des Bürgers durch eine unzutreffende hoheitliche Tatsachenbehauptung verletzt, so ist der Folgenbeseitigungsanspruch darauf gerichtet, die statusverletzende Störung durch Vornahme eines actus contrarius zur störenden Tätigkeit, dem Widerruf der Mitteilung, auszuräumen.141 Die Wiederherstellung der vorher bestehenden Rechtsintegrität ist somit für diesen Fall allein durch die Beseitigung der Störungsquelle, d.h. der Erstverletzung in Form der unzutreffenden Behauptung, zu realisieren. Folglich kommt dem Folgenbeseitigungsanspruch in dieser Fallkonstellation ein negatorischer Anspruchscharakter zu. 142 Nicht begehrt werden kann demgegenüber aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs ein Ausgleich für diejenigen finanziellen Nachteile, die z.B. als weitere Folge einer geschäftsschädigenden Kritik beim Anspruchsteller eingetreten sind.143 Derartige Vermögenseinbußen sind als nicht realisierte Gewinnchancen zu qualifizieren, deren Herstellung der Folgenbeseitigungsanspruch mangels einer vorhandenen geschützten Rechtsposition nicht umfaßt.

2. Vorliegen einer Eigentumsbeeinträchtigung in Gestalt des Sachentzuges Auch für den Fall des rechtswidrigen Sachentzuges ist der zuvor bestehende Besitzstand durch die Durchführung eines actus contrarius, der Rückgabe des Gegenstands, wiederherstellbar. So ist beispielsweise im Fall des widerrechtlich eingezogenen Führerscheins der Folgenbeseitigungsanspruch - nach

141

Vgl. beispielsweise die Nachweise in Kapitel 2, Fußn. 241, 449.

142

Im Ergebnis ebenso W. Schmidt, JuS 1969, 166 (168 in Fußn. 25).

143

Vgl. in bezug auf § 1004 BGB: Baur, AcP 160 (1961), 465 (490).

Β. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs

31

Aufhebung der Beschlagnahmeverfügung - auf die Rückgewähr des Dokuments gerichtet.144 Bei derartigen Sach Verhaltskonstellationen des Sachentzuges kommt folglich dem Folgenbeseitigungsanspruch ebenfalls die Bedeutung eines negatorischen Anspruchs zu.

3. Vorliegen einer Eigentumsverletzung durch einen Eingriff in die Sachsubstanz Hat die Tätigkeit der öffentlichen Hand eine Verletzung des Eigentumsrechts in Form einer Substanzverletzung zur Folge, kann der betroffene Bürger sowohl die Beseitigung der Störungsquelle als auch der Störungsfolgen verlangen. Die Beseitigung der Störungsfolgen wird durch die Wiederherstellung eines gleichwertigen Zustands der geschädigten Sache herbeigeführt. Nicht umfaßt ist allerdings der Ersatz des entgangenen Gewinns oder aber eine finanzielle Entschädigung an Stelle der Wiederherstellung. Hinsichtlich der Beseitigung der Störungsfolgen verfügt der Folgenbeseitigungsanspruch über einen restitutorischen Charakter. Wird somit beispielsweise das Grundstück eines Anliegers durch Straßenbau- bzw. Straßenausbesserungsmaßnahmen rechtswidrigerweise in Anspruch genommen, indem die Böschung abgetragen wird 145 oder Betonkantensteine in das Grundstück verankert werden, 146 so umfaßt der Folgenbeseitigungsanspruch sowohl die Beseitigung dieser Beeinträchtigung als auch die Wiederherstellung des damaligen bzw. einer gleichwertigen Grundstückssituation. Der Anspruch auf Beseitigung der Störungsfolgen setzt die Wiederherstellbarkeit des beschädigten Rechtsguts voraus. Hieran fehlt es, wenn die Sache vollkommen zerstört ist und Instandsetzungs- bzw. Reparaturarbeiten faktisch ausgeschlossen sind. Wird allerdings ein zusammengesetzter Gegenstand i.S. der §§90 ff., 946 ff. BGB beschädigt, so schließt die Zerstörung eines einzelnen Bestandteils die Wiederherstellbarkeit nicht zwingend aus. Abzustellen ist in diesen Fällen vielmehr darauf, ob trotz der Zerstörung eines Einzelbestandteils die Gesamtsache als solche noch wiederhergestellt werden kann. Von der fehlenden Wiederherstellbarkeit eines beschädigten Gegenstands ist trotz der faktischen Möglichkeit der Restitution nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch dann auszugehen, wenn die Wiederherstellungskosten zum Zeitwert der beschädigten Sache in keinem angemessenen Ver-

144

Vgl. VGH Kassel, DÖV 1963, 389 f.

145

So die Sachverhalte der Entscheidungen BVerwG, DVB1. 1971, 858, sowie VGH Kassel, NVwZ 1982, 565. 146

So die S ach Verhaltsgestaltung bei VGH Kassel, NVwZ 1982, 565.

3

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

hältnis mehr stehen. Allerdings sind im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs insoweit strengere Anforderungen an die Annahme der Unverhältnismäßigkeit zu stellen als dies in vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen des Zivilrechts für die Bejahung eines wirtschaftlichen Totalschadens der Fall ist.

V I I . Teilergebnis zum Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs Demnach ist in bezug auf den Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs folgendes Teilergebnis festzuhalten: Der Folgenbeseitigungsanspruch ist mit Rücksicht auf seine grundrechtliche Ableitung auf die Herstellung der (grund-)rechtlichen Integrität gerichtet. Unstreitig kommt dem Rechtsinstitut insoweit ein negatorischer Anspruchsinhalt zu, der die Beseitigung der fortdauernden Störungsquelle, der Erstverletzung, für die Zukunft umfaßt. Darüber hinaus kann der Folgenbeseitigungsanspruch jedoch auch einen restitutorischen Rechtsgehalt aufweisen, indem er auf die tatsächliche Wiederherstellung der ursprünglichen, vor dem staatlichen Eingriffsakt bestehenden Situation abzielt. Im einzelnen kann er hierbei auf die Verwirklichung des früheren, identischen Zustands oder einer zumindest gleichwertigen Lage gerichtet sein. Im Falle der Substanzbeeinträchtigung setzt das Durchgreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs die Wiederherstellbarkeit des beschädigten Gegenstands voraus. Hat der hoheitliche Eingriff demnach zu der Zerstörung eines einzelnen Gegenstands geführt, so muß der Folgenbeseitigungsanspruch ausscheiden. Hingegen schließt die Zerstörung eines einzelnen Bestandteils einer Sachgesamtheit nach Maßgabe der §§90 ff., 946 ff. BGB seine Anwendbarkeit dann nicht aus, sofern die Gesamtsache als solche noch wiederhergestellt werden kann. Die Grenze des Wiederherstellungsbegehrens wird hierbei durch die Feststellung eines wirtschaftlichen Totalschadens auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsprinzips markiert. Nicht verlangt werden kann im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs die Herstellung des hypothetischen Zustands, wie er ohne das hoheitliche Unrechtsverhalten bestehen würde, so daß vor allem die Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns ausgeschlossen ist. Ebenfalls kann über den Folgenbeseitigungsanspruch nicht die Kompensation der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung durch Geldersatz beansprucht werden.

. Der A n s p r u c h s a

des Folgenbeseitigungsanspruchs

3

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs I. Einleitung Ausgehend von dem vorstehend festgestellten Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs erhebt sich nunmehr die Frage, in welchem Umfang die rechtswidrigen Folgen des staatlichen Eingriffsakts von seinem Regelungsbereich erfaßt werden. Angesprochen ist damit die Problematik der sog. haftungsausfüllenden Kausalität. Im einzelnen geht es hierbei um die Fragestellung, ob und inwieweit sich der Folgenbeseitigungsanspruch auf die aus der Integritätsverletzung ggf. erwachsenden weiteren Folgen, die Primär-, Sekundär- bzw. Tertiärfolgen usw., erstreckt. Ziel der exakten Festlegung des Anspruchsumfangs ist dabei vor allem die Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs vom enteignungsgleichen Eingriff sowie vom Amtshaftungsanspruch.

I I . Festlegung des Anspruchsumfangs des Folgenbeseitigungsanspruchs nach herrschender Ansicht Herkömmlicherweise wird der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs in Rechtsprechung147 und Schrifttum 148 dahingehend beschrieben, daß im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs der Status quo ante nur insoweit wiederherzustellen ist, wie seine Veränderung durch den hoheitlichen Eingriffsakt „unmittelbar" hervorgerufen worden ist. Vor dem Hintergrund dieser allgemein üblichen Definierung der Anspruchsreichweite des Rechtsinstituts hat das Bundesverwaltungsgericht149 und ihm weitgehend folgend der 10. Senat des VGH Mannheim150 den Versuch einer genaueren Begriffsbestimmung unternommen. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7.1984151 ist die haftungsaus147 BVerwGE 69, 366 (372-374); 54, 314 (316 f.); VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (103); VGH München, BayVBl. 1984, 559; OVG Münster, OVGE 20, 38 (41 ff.). 148

Bachof; Vornahmeklage, S. 130-133; Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 8; AM, Anspruch, S. 62 - 64; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 273-275; ders., DÖV 1968, 156 (162); Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 42, in bezug auf § 113 Abs. 1 S. 2, 3 VwGO; Mayer/ Kopp, AllgVerwR, S. 501; Ossenbühl, StHR, S. 199; Rösslein, FBA, S. 33-35, 81 f., 87 f.; H.H. Rupp, JA 1979, 506 (510); Spanner, DVB1. 1968, 618 (624); Weyreuther, Gutachten, S. Β 19 f., 141 f.; Wolff/Bachof VerwR I, § 54 II f 2, S. 479; im Ergebnis ebenfalls Erichsen, VerwR I, S. 223. 149

BVerwGE 69, 366 (372-374).

150

VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (103).

151

BVerwGE 69, 366 (372 f.).

28 Pietzko

3

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

füllende Kausalität in erster Linie nach Maßgabe des Schutzzwecks der haftungsbegründenden Norm zu bestimmen, welche nach Ansicht des Gerichts in Art. 20 Abs. 3 GG zu finden ist. Deren Inhalt bestehe in der Forderung, die durch die hoheitliche Verletzungshandlung verursachten Folgen, die mit Gesetz und Recht nicht in Einklang stehen, zu beseitigen. Wie schon im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität festgestellt, 152 gelte diese Sanktionspflicht einschränkungslos für diejenigen Folgen, „auf die Amtshandlung unmittelbar gerichtet war". Hingegen würde die Beseitigung sonstiger Einwirkungsfolgen, die nicht zielgerichtet durch den Eingriffsakt hervorgerufen worden seien, jedenfalls dann nicht vom Schutzzweck des Art. 20 Abs. 3 GG erfaßt, wenn die Störungsfolgen erst durch ein Verhalten des Betroffenen oder eines Dritten verursacht bzw. mitverursacht worden seien, das auf dessen eigener Entschließung beruhe. 153 Die Einbeziehung der Einwirkungsfolgen, welche erst infolge des Verhaltens des beeinträchtigten Rechtsinhabers entstanden seien, lasse sich schwerlich aus dem Prinzip des Gesetzesvorrangs ableiten. Darüber hinaus würde so der Gefahr der grenzenlosen Ausdehnung des Haftungsinstituts vorgebeugt, wodurch zugleich eine sachgerechte Abgrenzung zu dem Schadensersatzanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG sichergestellt werde. Ein extensiverer Anspruchsumfang müsse vielmehr einer gesetzlichen Regelung vorbehalten bleiben.154

I I I . Kritik Es erscheint zweifelhaft, ob diese in Rechtsprechung und Literatur vertretene Ansicht den Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs sachgerecht kennzeichnet.

1. Das Kriterium der „Unmittelbarkeit" als untauglicher Abgrenzungsgesichtspunkt Kritikwürdig erscheint zunächst die befürwortete Haftungsbegrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs durch das Kriterium der „Unmittelbarkeit". Bereits bei der Darstellung der haftungsbegründenden Kausalität wurde darauf hingewiesen, daß es sich bei diesem Begriff um eine beliebte Leerformel handelt, mit deren Hilfe eine vermeintliche Begriffserklärung suggeriert wer152

S. die Ausführungen in Kapitel 2 Β VI 2, S. 346 f.

153

BVerwGE 69, 366 (373); ähnlich VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (103).

154

BVerwGE 69, 366 (373).

. Der A n s p r u c h s a

des Folgenbeseitigungsanspruchs

den soll, die jedoch in Wirklichkeit nicht besteht.155 Dies zeigt sich u.a. daran, daß es bisher nicht gelungen ist, eindeutige konkretisierende Merkmale zu entwickeln, die angeben, welche Eingriffsfolgen noch als unmittelbar bzw. schon als mittelbar zu qualifizieren sind. Die daraus resultierende Rechtsunsicherheit in bezug auf die Einbeziehung der Störungsfolgen in den Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs führt zu zufälligen Ergebnissen. Hieraus erwächst eine Gefährdung des auf Absicherung des grundrechtlichen Besitzstands ausgerichteten Zwecks des Folgenbeseitigungsanspruchs. Aus diesen Gründen ist der Gesichtspunkt der „Unmittelbarkeit" als untaugliches Abgrenzungsmerkmal abzulehnen.

2. Festlegung des Schutzzwecks des Art. 20 Abs. 3 GG Bedenklich erscheint darüber hinaus die vom Bundesverwaltungsgericht zur Abstützung seines klageabweisenden Urteils vertretene Auslegung des Schutzzwecks des Art. 20 Abs. 3 GG. Die Behauptung, der Folgenbeseitigungsanspruch erstrecke sich mit Rücksicht auf seine dogmatische Ableitung nicht auf diejenigen rechtswidrigen Einwirkungsfolgen, die erst infolge eines auf eigenem Entschluß beruhenden Verhaltens des Betroffenen oder eines Dritten eingetreten seien, erscheint fragwürdig. Die Bedenken resultieren aus der Erwägung, daß ein derartiger begrenzter Normgehalt dem Prinzip des Gesetzesvorrangs nicht entnommen werden kann. Diese Verfassungsvorschrift ordnet ausdrücklich die Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht an. Unbeschadet der Tatsache, daß nach dem hier vertretenen Standpunkt die Bestimmung ohnehin nicht als rechtliche Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs angesehen werden kann,156 ist nicht zu erkennen, inwieweit selbst bei Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dieser Rechtsnorm sich die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Anspruchsbeschränkung begründen läßt. Denn wenn die durch die Behörde geschaffene rechtswidrige Lage erst die Voraussetzung dafür darstellt, daß der verletzte Rechtsinhaber bzw. ein Dritter in Anknüpfung an die bereits eingetretene Zustandsveränderung weitere Einwirkungsfolgen hervorrufen, so spricht die in Art. 20 Abs. 3 GG einschränkungslos formulierte Gesetzesbindung der Verwaltung eher dafür, auch diese Eingriffsfolgen in den Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs

155 Vgl. die Darstellung in Kapitel 2 Β V I 2, S. 347 ff., sowie die Nachweise auf die ebenfalls kritischen Stellungnahmen zu diesem Begriff in Fußn. 786 und 787. 156

Vgl. die Ausführungen in Kapitel 1 D II 1, S. 88 ff.

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

miteinzubeziehen.157 Insoweit liegt der Verdacht nahe, daß das Bundesverwaltungsgericht die expressis verbis angestrebte Zielsetzung, „eine sonst nicht mehr eindämmbare Ausuferung des Folgenbeseitigungsanspruchs" zu vermeiden, welche die Abgrenzung zur Amtshaftung verwischen würde, 158 dadurch zu verwirklichen sucht, indem es Art. 20 Abs. 3 GG den genannten Normgehalt zunächst zuerkennt, um hieraus das gewünschte Ergebnis der Nichtgeltung des Haftungsinstituts in der beschriebenen Fallsituation scheinbar zwangsläufig ableiten zu können. Damit erweist sich die angeführte Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts als nicht stichhaltig.

IV. Stellungnahme Folglich entsteht die Notwendigkeit der Festlegung sachgerechter Abgrenzungskriterien zur Bestimmung der haftungsausfüllenden Kausalität. Ungeachtet der bereits dargelegten Bedenken ist gegen die in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung grundsätzlich einzuwenden, daß sie es versäumt, durch die systematische Darstellung der hier einschlägigen Fallkonstellationen zur Benennung tragfähiger Abgrenzungsmerkmale zu gelangen. Die stereotype Formulierung, der Folgenbeseitigungsanspruch umfasse lediglich die unmittelbaren Eingriffsfolgen, verhindert auf diese Weise von vornherein ein sachgerechtes Auffinden und Bewerten der unterschiedlichen Fallgestaltungen. Demgemäß soll nachfolgend der Versuch einer systematischen Aufzählung und Würdigung der im vorliegenden Zusammenhang relevanten Sachverhaltsvarianten unternommen werden. Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität handelt es sich dabei in erster Linie um Fallgestaltungen, bei denen finanzielle Nachteile als weitere Auswirkung der behördlicherseits verursachten Integritätsverletzung entstehen. Insbesondere vier Fallgruppen sind zu unterscheiden: -

Fallgruppe 1: Finanzielle Beeinträchtigungen, die im Anschluß an die Erfüllung einer Verwaltungsmaßnahme als zwangsläufige, da gesetzlich angeordnete Folgewirkung eintreten (unter 1);

157 Ebenfalls kritisch hinsichtlich der Auslegung des Art. 20 Abs. 3 GG durch das Bundesverwaltungsgericht: Bender, VB1BW 1985, 201 (204). 158

So ausdrücklich BVerwGE 69, 366 (373).

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

437

- Fallgruppe 2: Folgekosten, die bei freiwilliger Erfüllung eines Verwaltungsakts faktisch zwangsläufig entstehen (unter 2); - Fallgruppe 3: Rechtsanwaltskosten, die als Konsequenz des staatlichen Unrechtsverhaltens für den betroffenen Rechtsinhaber hervorgerufen werden (unter 3); -

Fallgruppe 4 (Sonderfall): Gerichts- und Notarkosten, welche bei Eintragung und Löschung einer Zwangshypothek eintreten (unter 4).

1. Fallgruppe 1: Finanzielle Einbußen als zwangsläufige, da gesetzlich vorgesehene Folgewirkung der Erfüllung einer Verwaltungsmaßnahme Die erste Fallkonstellation ist dadurch gekennzeichnet, daß dem Adressaten einer rechtswidrigen Verwaltungsmaßnahme eine Handlungspflicht auferlegt wird, bei deren Befolgen außer der primären Rechtsgutsverletzung zwangsläufig zusätzliche finanzielle Einbußen des Betroffenen entstehen, welche kraft Gesetzes vorgesehen sind. Hier geht die Rechtsfrage dahin, ob der inanspruchgenommene Bürger im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs auch die Beseitigung der eingetretenen Kostenbelastung verlangen kann.

a) Beispielsfall: Die Entscheidung des V G H Mannheim vom 11.8.1987

Die in der Rechtspraxis - soweit ersichtlich - einzig relevanten Anwendungsbeispiele bilden Sachverhalte, bei denen der Betroffene rechtswidrigerweise zur Beibringung eines Gutachtens aufgefordert wird, und der Inanspruchgenommene über den Folgenbeseitigungsanspruch die Rückzahlung der Gutachterkosten begehrt, die er nach Maßgabe des gesetzlich angeordneten Gebührentatbestands verauslagt hat. Zur Verdeutlichung sei der Sachverhalt angenommen, daß ein Führerscheininhaber zur Überprüfung der Fahrtauglichkeit widerrechtlicherweise gem. § 15b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVZO zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert wird, und der Betroffene dieser Verpflichtung nachkommt. Da hier eine Rückgängigmachung des direkten Störungserfolges, der Begutachtung, aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist,

438

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

kann das Anspruchsbegehren des Bürgers allein auf die Rückerstattung der gegenüber dem Träger der Technischen Prüfstelle - TÜV - entrichteten Untersuchungsgebühr abzielen.159 Der VGH Mannheim hat mit Urteil vom 11.8.1987160 in einem ähnlichen Fall die Bezahlung der Untersuchungsgebühr durch die das Gutachten anordnende Verwaltungsbehörde abgelehnt. Da im zu entscheidenden Sachverhalt die Amtshandlung auf die Durchführung der Begutachtung, nicht jedoch auf eine Geldzahlung gerichtet gewesen sei, könne die Rückzahlung der Kosten nicht nach den Grundsätzen der Naturalrestitution begehrt werden. Unmittelbar eingetretene, adäquate Einwirkungsfolgen seien nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann beseitigungspflichtig, falls der hoheitliche Eingriffsakt auf diese gerichtet gewesen sei. Da dies vorliegend zu verneinen sei, müsse der Folgenbeseitigungsanspruch konsequenterweise entfallen. 161

b) Kritik Der Argumentation des VGH Mannheim kann indes nicht gefolgt werden.

aa) Unzutreffende Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Unzutreffend ist zunächst die unter ausdrücklicher Berufung auf das Bundesverwaltungsgericht getroffene Feststellung, wonach unmittelbare, adäquate Störungsfolgen nur dann zum Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs führen, wenn sie final durch den staatlichen Eingriffsakt hervorgerufen worden sind.162 In der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7.1984163 hatte das Gericht im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität lediglich im We159

Darüber hinaus käme für den Fall, daß der Betroffene die gutachtliche Stellungnahme als inhaltlich unzutreffend angreifen möchte, ein auf den Folgenbeseitigungsanspruch gestütztes Widerrufsbegehren in Betracht. 160

VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 ff., im Ergebnis bestätigt durch BVerwG, VB1BW 1990, 333 f. 161 VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (103). Überdies hat das Gericht den Folgenbeseitigungsanspruch wegen fehlender Rechtswidrigkeit der behördlichen Anordnung auf Beibringung des Gutachtens verneint; hierauf ebenfalls abstellend BVerwG, VB1BW 1990, 333 (334), wobei das Gericht gleichzeitig betont, die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens stelle eine verhältnismäßige Maßnahme dar. 162

So VGH Mannheim, Nachweis wie vor.

163

So BVerwG, Nachweis in Fußn. 153.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

439

ge einer Negativabgrenzung festgestellt, daß nicht final verursachte Folgen zumindest dann, wenn sie durch ein eigenständiges Handeln des Betroffenen oder eines Dritten hervorgerufen worden sind, nicht der staatlichen Beseitigungspflicht unterfallen. Keinesfalls hat das Gericht das generelle Erfordernis aufgestellt, daß unmittelbar adäquate Einwirkungsfolgen nur unter der weiteren Voraussetzung, daß sie auch zielgerichtet eingetreten seien, den Folgenbeseitigungsanspruch auslösen würden. Vielmehr legt die im Zusammenhang der haftungsbegründenden Kausalität vorgenommene Einteilung in finale bzw. unmittelbar adäquat verursachte Störungsfolgen, bei denen jeweils der Zurechnungszusammenhang bejaht wird, 164 eher den Schluß nahe, daß das Bundesverwaltungsgericht auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität bei unmittelbaren adäquaten Einwirkungsfolgen - unabhängig von der Finalität - die Zurechnung der Folgen zum Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers nicht pauschal verneint. Demnach hat sich der VGH Mannheim insofern zu Unrecht auf das Bundesverwaltungsgericht berufen.

bb) Unzulässige Begrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf final verursachte Störungsfolgen Darüber hinaus erheben sich Bedenken gegenüber der vom VGH Mannheim angenommenen Begrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf unmittelbare, final verursachte Eingriffsfolgen. Es ist bereits im Rahmen der Erörterung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs dargelegt worden, daß der Begriff der Finalität dessen Anwendungsbereich in systemwidriger Weise einschränken würde. 165 Für die Bewertung der Rechtsfolgen kann nichts anderes gelten. Denn über die „Hintertür" einer restriktiven Handhabung der Rechtsfolgen darf nicht eine tatbestandlich unzulässige Einschränkung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf finale behördliche Eingriffshandlungen eingeführt werden. Hierdurch würde, wie schon erwähnt, 166 eine empfindliche Rechtsschutzverkürzung zu Lasten des betroffenen Bürgers eintreten, welche mit der Zielsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs, einen umfassenden Schutz insbesondere grundrechtlicher bzw. gesetzlicher Rechtspositionen zu gewährleisten, nicht zu vereinbaren ist. Diese Rechtsschutzfunktion des Folgenbeseitigungsanspruchs muß sowohl bei der Ausgestaltung des Tatbestands als auch 164 BVerwGE 69, 366 (372); vgl. bereits die Darstellung in Kapitel 2 Β V I 2, S. 346 f. mit Nachweisen in Fußn. 777 und 778. 165

Vgl. die Ausführungen in Kapitel 2 Β II 4, S. 238 f.

166

Vgl. den Nachweis wie vor.

440

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

bei der Konkretisierung der Rechtsfolgen Beachtung finden, weshalb seine Beschränkung auf finale Störungsfolgen abzulehnen ist. 167 Der Auffassung des VGH Mannheim ist deshalb die Zustimmung zu versagen.

c) Eigener Lösungsvorschlag: Bestimmung des Anspruchsumfangs kraft Zurechnung Eine sachgerechte Bestimmung des Umfangs der Rechtsfolgen kann vielmehr - ebenso wie die Konkretisierung des Anspruchsinhalts - nur unter Berücksichtigung der Rechtsgrundlage, der tatbestandlichen Struktur sowie der verfassungsrechtlichen Zielsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs erfolgen. 168 Erforderlich ist eine wertende Betrachtungsweise, die unter Einbeziehung der vorgenannten Bewertungskriterien festlegt, ob die eingetretenen Störungsfolgen dem Verantwortungsbereich der öffentlichen Hand oder aber der Risikosphäre des Bürgers zuzuordnen sind. Dabei ist maßgeblich darauf abzustellen, ob zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und der eingetretenen Folgebeeinträchtigung ein haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang besteht, der es gleichzeitig rechtfertigt und notwendig erscheinen läßt, den Folgenbeseitigungsanspruch auch auf derartige Folgeverletzungen zu erstrecken.169 In diesem Fall ist die Möglichkeit einer einheitlichen Geltendmachung des Anspruchsbegehrens vor den Verwaltungsgerichten geboten und widerspricht demzufolge nicht der in § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO geregelten Rechtswegzuweisung.

aa) Vorüberlegung:

Fehlende Anfechtbarkeit

des Gebührenbescheides

Bevor auf die einzelnen möglicherweise in Betracht kommenden Wertungskriterien eingegangen wird, ist vorab zu klären, ob die Annahme eines derartigen haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhangs nicht mit Rück167

Das Kriterium der „Finalität" ist somit nach hier vertretener Ansicht lediglich geeignet, im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität in den unproblematischen Fällen, in denen das behördliche Handeln eine bestimmte Einwirkungsfolge bezweckt hat, den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem staatlichen Unrechtsverhalten und der Rechtsgutsverletzung positiv festzustellen, vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Β V I 2, S. 347 ff. Hingegen ist die Tauglichkeit dieses Merkmals als Haftungsbegrenzungskriterium zu verneinen. 168 169

Ähnlich Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (50).

Einen engen Standpunkt befürwortet demgegenüber Weyreuther, Gutachten, S. Β 141 f., nach dem die grundrechtliche Fundierung des Folgenbeseitigungsanspruchs dessen strikte Begrenzung auf unmittelbare Einwirkungsfolgen zur Konsequenz hat.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

441

sieht auf eine Besonderheit der hier interessierenden Sachverhaltskonstellation ausgeschlossen ist. Knüpft man zur Verdeutlichung der hier relevanten Problematik erneut an den Beispielsfall des VGH Mannheim vom 11.8.1987170 an, so besteht die Besonderheit der vorliegenden Sachverhaltskonstellation darin, daß die Verwaltungsbehörde, welche die Untersuchung rechtswidrigerweise veranlaßt hat und diejenige Behörde, welche die Untersuchung tatsächlich durchgeführt hat, nicht identisch sind. Der Gebührenbescheid, dessen Anordnung in Gesetz bzw. Rechtsverordnung für die Durchführung der Untersuchung zwingend vorgesehen ist, 171 wird von der untersuchenden Behörde erlassen. Der Bürger, der die rechtswidrig angeordnete Untersuchung zunächst einmal duldend vornehmen läßt, begehrt jedoch die Erstattung der Gutachtergebühren von der veranlassenden Verwaltungsbehörde. Damit stellt sich die Frage, ob die veranlassende Behörde für die von der untersuchenden Behörde festgesetzten Gebühren im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs kraft wertungsmäßiger Zurechnung einzustehen hat. Allerdings stellt sich die Frage der Zurechenbarkeit solcher Folgekosten gegenüber der veranlassenden Behörde dann nicht, wenn der Gebührenbescheid, den die untersuchende Behörde erläßt, von dem betroffenen Bürger erfolgreich mit der Behauptung angefochten werden könnte, daß die Anweisung zur Beibringung des Gutachtens zu Unrecht erfolgt ist. Ist diese Möglichkeit zu bejahen, trifft die Erstattungspflicht der angefallenen Gebühren im Verhältnis zum Bürger ausschließlich die untersuchende Behörde, welche die Gebühren erhoben hat. Die Inanspruchnahme der die Untersuchung veranlassenden Behörde über den Folgenbeseitigungsanspruch für derartige gesetzliche Erfüllungsaufwendungen wäre damit unerheblich. Die Frage einer Einstandspflicht der anordnenden Behörde kraft wertungsmäßiger Zurechnung würde sich erst gar nicht stellen.

aaa) Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.11.1969 Eine vergleichbare Sachverhaltskonstellation lag dem vereinzelt gebliebenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.11.1969172 zugrunde. Das 170

Vgl. den Nachweis in Fußn. 160.

171

In concreto folgt die Gebührenpflicht des betroffenen Fahrzeugführers aus §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr - GebOSt - v. 26.6.1970 - BGBl. I S. 865 mit späteren Änderungen. In Nr. 451 des Gebührenverzeichnisses der GebOSt sind die Gutachten der amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstellen aufgeführt und damit dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt unterstellt worden, vgl. BGBl. 1976 I S. 3411 (3413). 172

BVerwGE 34, 248 ff.

442

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Bundesverwaltungsgericht hatte über das Anfechtungsbegehren hinsichtlich einer nach § 3 Abs. 2 StVZO erlassenen Anordnung der Verwaltungsbehörde auf Beibringung eines Eignungsgutachtens zu entscheiden. Im Rahmen des klageabweisenden Urteils hat das Bundesverwaltungsgericht zunächst festgestellt, die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens sei nicht selbständig angreifbar. Denn hierbei handele es sich um eine die Entscheidung der Entziehung der Fahrerlaubnis lediglich vorbereitende Maßnahme, die nicht selbständig vollstreckt werden könne. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Gutachtens sei vielmehr erst im Rahmen der das Verfahren abschließenden Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis überprüfbar. 173 Dieser Umstand führe gleichwohl nicht zu einer unzulässigen Rechtsschutzverkürzung des Bürgers. Denn der Gebührenbescheid der durchführenden Behörde - so das Bundesverwaltungsgericht in einem obiter dictum174 - stelle einen selbständigen Verwaltungsakt dar, der unabhängig von der Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens angefochten werden könne. Der Erfolg der Anfechtungsklage gegen den Gebührenbescheid sei dabei davon abhängig, ob der Betroffene das Gutachten veranlaßt habe, d.h. durch berechtigte Zweifel an seiner Fahrtauglichkeit die Anordnung des Gutachtens initiiert habe.175 Das Bundesverwaltungsgericht hat demnach in der angeführten Entscheidung die selbständige Anfechtbarkeit des Gebührenbescheids im Verhältnis zur untersuchenden Behörde bejaht. Hiernach würde eine Inanspruchnahme der veranlassenden Behörde für die angefallenen Gutachtergebühren über den Folgenbeseitigungsanspruch also von vornherein ausscheiden.

bbb) Einwände und Kritik Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Zwar mag der Gebührenbescheid grundsätzlich selbständig anfechtbar sein. Zur Begründung kann allerdings nur auf Verfahrens- bzw. Berechnungsfehler der untersuchenden Behörde abgestellt werden. 176 Hin173

BVerwGE 34, 248 (249 f.); ebenso BVerwG, VB1BW 1990, 333 (334).

174

Der Gebührenbescheid ergehe nach Maßgabe des Art. V der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr-GebOStV-i.d.F. v. 18.5.1961, BGBl. I S. 611. 175

BVerwGE 34, 248 (251). Wörtlich heißt es: Gemäß der Gebührenordnung „ist nur derjenige zur Zahlung der Gebühr verpflichtet, der die Maßnahme veranlaßt hat ... Haben begründete Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, daß der Betroffene zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet ist, so hat er die Gebühr selbst dann zu zahlen, wenn das Gutachten zu seinen Gunsten ausgeht." Damit beurteilt das Bundesverwaltungsgericht die Frage der Veranlassung der Untersuchung nicht alleine im Hinblick auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Untersuchungsleistung, sondern zieht zusätzlich als Bewertungsmaßstab diejenigen Umstände heran, die zur Anordnung des Gutachtens geführt haben. 176

Hierzu gehören z.B. die Zugrundelegung einer unzutreffenden Gebührenziffer, die Berechnung nicht erbrachter Leistungen etc.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

443

gegen besteht für den betroffenen Bürger keine Möglichkeit, sich gegenüber dem Gebührenbescheid der untersuchenden Behörde darauf zu berufen, die veranlassende Behörde habe die Durchführung der gutachterlichen Untersuchung zu Unrecht angeordnet. Das ergibt sich bereits aus dem gesetzlichen bzw. verordnungsrechtlichen Gebührentatbestand, den die untersuchende Behörde zu beachten hat. Dieser knüpft ausschließlich an die Leistungserbringung als solche an. Ist die Untersuchung ordnungsgemäß erfolgt, besteht kraft Gesetzes bzw. kraft Rechtsverordnung die Verpflichtung des Betroffenen zur Zahlung der festgelegten Gebühren. Ohne Bedeutung ist es in diesem Zusammenhang, ob die Veranlassung der Untersuchung in rechtswidriger Weise erfolgt ist. Der Gebührenbescheid ist damit auch bei einer widerrechtlichen Anordnung durch die veranlassende Behörde grundsätzlich rechtmäßig. Eine Anfechtung des Gebührenbescheids mit einer derartigen Begründung ist damit mangels entsprechender Erfolgsaussichten ausgeschlossen.177 Hinzu kommt, daß die Möglichkeit der Anfechtung des Gebührenbescheids mit der Begründung der rechtswidrigen Aufforderung zur Begutachtung durch die veranlassende Behörde zu widersprüchlichen Ergebnissen führt. So betont das Bundesverwaltungsgericht einerseits, die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens stelle eine unselbständige Aufklärungsmaßnahme dar, die nur inzidenter mit dem Hauptverwaltungsakt angegriffen werden könne.178 Andererseits will es eine Inzidenterprüfung der Untersuchungsanweisung noch vor Erlaß des Hauptverwaltungsakts im Wege der Anfechtbarkeit des Gebührenbescheids zulassen.179 Damit würde letztlich die besonders im Interesse der Verfahrensökonomie erlassene Vorschrift des § 44a S. 1 VwGO, 1 8 0 wonach unselbständige Verfahrenshandlungen nur zusammen mit der abschließenden Sachentscheidung angegriffen werden können, umgangen. Außerdem besteht darüber hinaus die Gefahr divergierender Gerichtsentscheidungen. Denn wird sowohl im Rahmen der Anfechtung des Gebührenbescheids als auch bei einer Klage gegen die abschließende Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis die Frage der möglicherweise rechtswidrigen Veranlassung der gutachterlichen Stellungnahme geprüft, lassen sich unterschiedliche Gerichtsentscheidungen über ein und dieselbe Sachfrage nicht ausschließen.

177

Im Ergebnis ebenso VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 f.

178

BVerwG, Nachweis in Fußn. 173.

179

Vgl. den Nachweis in Fußn. 175.

180

§ 44a VwGO ist durch § 97 Nr. 2 VwVfG mit Gesetz vom 25.5.1976 in die Verwaltungsgerichtsordnung eingefügt worden.

444

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Mithin bleibt festzuhalten, daß der betroffene Bürger den Gebührenbescheid der untersuchenden Behörde nicht erfolgreich mit der Begründung anfechten kann, die veranlassende Behörde habe in rechtswidriger Weise die Durchführung der Untersuchung angeordnet. Aus diesem Grunde ist die bereits angeführte Fragestellung nach wie vor klärungsbedürftig, ob der Betroffene über den Folgenbeseitigungsanspruch kraft wertungsmäßiger Zurechnung die Erstattung der Gebühren gegenüber der veranlassenden Behörde geltend machen kann.181

bb) Bejahung des haftungsrechtlichen

Zurechnungszusammenhangs

Ein derartiger haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang ist für die hier interessierende Sachverhaltskonstellation zu bejahen. Maßgeblich hierfür sind folgende Wertungsgesichtspunkte:

aaa) Wertungsgesichtspunkt 1: Untrennbarer tatsächlicher Zusammenhang Als erster Wertungsgesichtspunkt spricht der in tatsächlicher Hinsicht gegebene untrennbare Zusammenhang zwischen der bei der Erfüllung der hoheitlichen Anordnung sich ergebenden primären Rechtsgutsverletzung und der finanziellen Folgebeeinträchtigung für die Annahme des erforderlichen Zurechnungszusammenhangs. In concreto war die behördliche Anweisung, deren Verwaltungsaktsqualität wegen ihres vorbereitenden Charakters in bezug auf die geplante Entziehung des Führerscheins üblicherweise verneint wird, 182 auf die Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens gerichtet. Die Erfüllung dieser ho181 Die Bestandskraft des Gebührenbescheids der untersuchenden Behörde steht einem derartigen Anspruch grundsätzlich nicht entgegen. Denn vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen ist davon auszugehen, daß die Bindungswirkung dieses Verwaltungsakts in subjektiver Hinsicht auf das Verhältnis des Betroffenen zur untersuchenden Behörde beschränkt ist. Die Bindungswirkung erstreckt sich dabei auf die Feststellung, daß die Gebühren aufgrund der tatsächlichen Inanspruchnahme der Untersuchungsleistung durch den Bürger zu Recht erhoben worden sind. Dagegen wird die hiervon zu unterscheidende Frage, ob die das Gutachten anordnende Verwaltungsbehörde bei Unrechtmäßigkeit der Aufforderung zur Rückerstattung der Kosten infolge der rechtswidrigen Integritätsverletzung verpflichtet ist, gerade nicht von dem Regelungsgehalt dieses Verwaltungsakts erfaßt. Vgl. allgemein zum Problem der formellen und materiellen Bestandskraft: Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 ff.; Kopp, DVB1. 1983, 392 ff.; Weides, Verwaltungsverfahren, S. 156-160. 182 BVerwG, NVwZ 1983, 345 f.; BVerwGE 34, 248 (249 f.); VGH Mannheim, DVB1. 1988, 358 (359); für den Regelfall auch, Kopp, VwVfG, § 35 Rdnr. 37; a.A. VGH München, NJW 1966, 2030 f.; OVG Münster, NJW 1968, 267 f.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

445

heitlichen Aufforderung durch den Betroffenen führte somit in erster Linie zu einem Eingriff in sein durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht sowie in sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. 1 8 3 Darüber hinaus ergibt sich jedoch vorliegend die Besonderheit, daß außer dieser aus dem Tenor des eingreifenden Verwaltungsakts bzw. dem sachlichen Inhalt des faktischen Verwaltungshandelns erwachsenden Rechtsgutsverletzung der Bürger, der dem hoheitlichen Gebot nachkommt, gleichzeitig einen kraft Rechtsverordnung angeordneten Gebührentatbestand erfüllt. 184 Damit entfaltet die behördliche Maßnahme - über ihren primären Anordnungsgehalt hinaus - eine „Fernwirkung" dergestalt, daß bei Erfüllung des staatlichen Befehls durch den Betroffenen zwangsläufig, und damit für die Behörde voraussehbar, eine weitere Beeinträchtigung der Rechtssphäre des Betroffenen durch die Auferlegung einer Geldleistungspflicht ausgelöst wird. Die durch Rechtsverordnung vorgesehene Gebührenpflicht, welche bei Befolgen der hoheitlichen Anordnung auf Beibringung des Gutachtens entsteht, läßt sich insoweit als eine Art „unselbständige Folgewirkung" der behördlichen Anweisung qualifizieren. Wegen dieses Sachzusammenhangs mit der Verwaltungsmaßnahme sind beide auch hinsichtlich der staatlichen Beseitigungspflicht als Einheit zu bewerten. Die Tatsache, daß in dem Moment, in dem der Bürger seiner Beibringungspflicht nachkommt, und damit den Eingriff in seine Rechtssphäre vollzieht, uno actu der Gebührentatbestand, d.h. die finanzielle Folgebeeinträchtigung verwirklicht wird, macht in besonders anschaulicher Weise den faktischen untrennbaren Zusammenhang der Integritätsverletzung als Primäreingriff und der Geldleistungspflicht als Folge- bzw. Sekundäreingriff deutlich. Mithin spricht der zwingende tatsächliche Zusammenhang zwischen der Rechtsgutsverletzung und der Sekundärfolge für die Einbeziehung der finanziellen Folgebelastung in den Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs. Dies muß um so mehr gelten, als vorliegend eine Beseitigung des primären Störungserfolges aus tatsächlichen Gründen von vornherein außer Betracht bleiben muß. Denn mit der Durchführung der Begutachtung durch die Überwachungsstelle kann der darin liegende Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. die körperliche Unversehrtheit nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das fehlende Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs in bezug auf die primäre Rechtsgutsverletzung gebietet es jedoch, zumindest die hiermit in untrennbarem Zusammenhang stehende finanzielle Einbuße über den Folgenbeseitigungsanspruch auszuräumen. 183

Ebenso BVerwG, VB1BW 1990, 333 (334).

184

Vgl. den Nachweis in Fußn. 171.

446

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

bbb) Wertungsgesichtspunkt 2: Die Regelung des § 44a S. 1 VwGO Die vorstehende Überlegung, welche auf die tatsächlichen Gegebenheiten abstellt, wird durch den in § 44a S. 1 VwGO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungsgesichtspunkt bestätigt. Nach dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen - ungeachtet ihrer Verwaltungsaktsqualität185 - nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Die ratio legis dieser Vorschrift besteht darin zu verhindern, daß einzelne Verfahrenshandlungen der Behörde nur deshalb vor den Verwaltungsgerichten angegriffen werden, um den Erlaß der eigentlichen Sachentscheidung zu verzögern. 186 Soweit die unselbständige Verfahrenshandlung zur Zeit des Erlasses des Hauptverwaltungsakts bereits vollzogen worden ist und dementsprechend ihre Abwehr ausscheidet, erfolgt der Rechtsschutz des betroffenen Bürgers über die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorbereitenden Verfahrenshandlung. 187 Im Ergebnis bewirkt § 44a S. 1 VwGO damit eine Rechtsschutzbündelung. Behördliche Vorbereitungshandlungen können nicht isoliert, sondern nur einheitlich mit der Hauptentscheidung gerichtlich angegriffen werden. Diese gesetzgeberische Wertung ist auch bei der Bestimmung des Umfangs der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs zu berücksichtigen. Denn wenn der Rechtsschutz gegenüber unselbständigen staatlichen Vorbereitungsmaßnahmen nur einheitlich über den Hauptverwaltungsakt erfolgen kann, so muß dies konsequenterweise auch für die Beseitigung der eingetrete185 Vgl. hierzu Hill, Jura 1985, 61 (63); Kopp, VwGO, § 44a Rdnr. 3; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 44a Rdnrn. 1 f. 186

Ey ermann/Fröhler, VwGO, § 44a Rdnr. 1; Kopp, VwGO, § 44a Rdnr. 1; Weides, Verwaltungsverfahren, S. 98. Obgleich die Untersuchung zu einem Eingriff des Betroffenen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht führt, resultiert daraus nicht bereits die Nichtanwendbarkeit des § 44a S. 1 VwGO. Nach überwiegender Ansicht unterfallen auch solche Verfahrenshandlungen, die zu einer Grundrechtstangierung führen, dem Ausschluß der selbständigen Angreifbarkeit des § 44a S. 1 VwGO, sofern sie keinen unzumutbaren Eingriff in die Rechtsstellung des Betroffenen verursachen und nicht bereits durch die Verfahrenshandlung die verbindliche Regelung materiell-rechtlicher Rechtspositionen erfolgt. Vgl. hierzu Kopp, VwGO, § 44a Rdnrn. 2, 9 m.w.N.; einschränkend Weides, Verwaltungsverfahren, S. 99. A.A. beispielsweise VGH München, NJW 1966, 2030 (2031), der im Hinblick auf die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts den Verwaltungsaktscharakter der Untersuchungsanordnung bejaht und die selbständige Anfechtbarkeit der Aufforderung aus diesem Grunde befürwortet. Demgegenüber die Frage, ob der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Inanspruchgenommenen zur Bejahung der Verwaltungsaktsqualität der Anweisung zur Beibringung des Gutachtens führt, offenlassend OVG Münster, NJW 1968, 267 f. 187

Vgl. hierzu Kopp, VwGO, § 44a Rdnr. 7; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, S. 138.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

447

nen Folgen gelten. Hier kann die Beseitigung der Beeinträchtigung der vorbereitenden Verfahrenshandlung nicht aus dem Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs ausgeklammert werden, indem man die Anspruchsreichweite auf die Beseitigung der Rechtsgutsverletzung durch den Hauptverwaltungsakt beschränkt. Dies liefe auf eine rechtsstaatswidrige Rechtsschutzverkürzung hinaus. Denn durch die Rechtsschutzbündelung von Vorbereitungsmaßnahme und Hauptverwaltungsakt würde bei einer restriktiven Interpretation der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs der Bürger um einen Rechtsschutz gebracht, der anderenfalls, d.h. im Falle einer selbständigen Anfechtbarkeit der vorbereitenden Verfahrenshandlung, ohne weiteres zu bejahen wäre. Die durch § 44a S. 1 VwGO angeordnete einheitliche Angreifbarkeit von Hauptverwaltungsakt und vorbereitender Verfahrenshandlung bezweckt, wie ausgeführt, lediglich eine zügige Hauptentscheidung. Abgesehen von dieser zeitlichen Verlagerung des Rechtsschutzes soll der Bürger jedoch nicht schlechter stehen, als dies bei einer selbständigen Anfechtbarkeit der Verfahrenshandlung der Fall gewesen wäre. Da bei einer isolierten Anfechtbarkeit der rechtswidrigen Untersuchungsanordnung die Auferlegung der Gebühren zu Lasten des Betroffenen regelmäßig von vornherein verhindert werden könnte, muß dasselbe Ergebnis, d.h. die Vermeidung der Gebührenlast zum Nachteil des Bürgers, bei einer einheitlichen Rechtsverfolgung gegenüber dem Hauptverwaltungsakt Geltung beanspruchen.188 Über § 44a S. 1 VwGO läßt sich somit die allgemeine gesetzgeberische Wertung ableiten, daß der Umfang der Folgenbeseitigung auch die Rückgängigmachung derjenigen Folgebeeinträchtigungen umfaßt, die aufgrund unselbständiger Verfahrenshandlungen eingetreten sind.

ccc) Wertungsgesichtspunkt 3: Vermeidung von Rechtsschutzlücken Ferner wird durch die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs in diesem Problembereich ein ausreichender Rechtsschutz zugunsten des Geschädigten sichergestellt. Denn bei Verneinung des Folgenbeseitigungsan-

188 Sofern allerdings bei einer rechtswidrigen Untersuchungsaufforderung, welcher der Betroffene Folge geleistet hat, nachfolgend die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Behörde unterbleibt, so ist der Rechtsschutz in bezug auf die Sekundärfolgen der Verfahrenshandlung über den Hauptverwaltungsakt ausgeschlossen. In dieser Sachverhaltsgestaltung kann dem Sinn und Zweck des § 44a S. 1 VwGO, eine beschleunigte Verfahrensgestaltung zu gewährleisten, dadurch Rechnung getragen werden, indem der Bürger, der die behördlichen Anordnungen erfüllt hat, in entsprechender Anwendung des in § 75 VwGO geregelten Rechtsgedankens nach Ablauf einer Dreimonatsfrist gegen die behördliche Verfahrenshandlung im Wege der Feststellungs- bzw. der Fortsetzungsfeststellungsklage vorgehen und ein Folgenbeseitigungsbegehren im Hinblick auf die entstandenen Sekundärfolgen geltend machen kann.

448

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

spruchs in dieser Sachverhaltskonstellation würde dem Bürger regelmäßig ein Anspruch auf Kostenersatz verwehrt sein. Im Verhältnis zu der die Untersuchung durchführenden Stelle folgt dies aus der Tatsache, daß der hier in Betracht kommende öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im Regelfall nicht eingreift. Da die Behörde ihre Leistung erbracht hat, ist der damit einhergehende Gebührenbescheid, wie dargelegt, 189 rechtmäßig, so daß es im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch an der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „ohne Rechtsgrund" fehlt. 190 Ebenfalls ausscheiden würde vorliegend im Verhältnis zur anordnenden Behörde ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff, da das Rechtsinstitut nach herrschender Meinung nur bei einem Eingriff in eine eigentumsfähige Rechtsposition eingreift, 191 was aber in concreto zu verneinen ist. Denn durch die Auferlegung der Gebührenpflicht wird lediglich ein Eingriff in die Vermögenssphäre des Betroffenen bewirkt. 192 Für einen Schadensersatzanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG fehlt es häufig an einem nachweisbaren Verschulden der anweisenden Behörde. Ohne die Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs bliebe damit alleine der betroffene Bürger mit den finanziellen Folgen einer rechtswidrigen Anordnung belastet. Ein solches Ergebnis widerspricht jedoch seiner ratio legis, die gerade auf die Gewährung eines umfassenden Rechtsschutzes abzielt. Folglich entspricht die Erstreckung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs auf gesetzlich bzw. durch Rechtsverordnung oder Satzung angeordnete Erfüllungsaufwendungen der rechtsstaatlichen Zielsetzung dieses Rechtsinstituts.

ddd) Wertungsgesichtspunkt 4: Spezielle gesetzliche Wertungen Schließlich kann die Ausdehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die hier relevanten Sekundärfolgen aus dem Normzweck der einschlägigen Eingriffsermächtigung bzw. der verletzten Rechtsposition abgeleitet werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, läßt sich nur anhand des Einzelfalls im Wege der Auslegung bestimmen. Maßgebend ist der Schutzzweck der in Rede stehenden Vorschrift.

189

Vgl. die Darstellung unter C IV 1, S. 442 ff.

190

So zutreffend VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 f.

191

Vgl. hierzu BGHZ 83, 190 (194 f.).

192

Nach herrschender Ansicht wird das Vermögen als solches nicht vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG umfaßt. Vgl. die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 122.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

449

In bezug auf das bereits erwähnte Urteil des VGH Mannheim vom 11.8.1987193 läßt sich insoweit folgendes feststellen: Wird ein Führerscheininhaber zur Beibringung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung herangezogen, so wird er in seiner körperlichen Unversehrtheit und seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen. 194 Allerdings hat er diesen Eingriff zu dulden, soweit die Beeinträchtigung durch gesetzliche Vorschriften legitimiert ist. Nach § 15b Abs. 2 S.l StVZO kann die Verwaltungsbehörde, sofern Anlaß zu der Annahme besteht, der Inhaber einer Fahrerlaubnis sei zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet bzw. lediglich bedingt geeignet, den Betroffenen - zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis - zur Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens auffordern. Auch wenn die Anweisung zur Wahrung der Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich ist, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, daß es Sache des einzelnen Führerscheinbesitzers ist, die Voraussetzungen seiner Fahrtauglichkeit unter Beweis zu stellen. Demgemäß ist in der Rechtsprechung zutreffenderweise anerkannt, daß bei einer rechtmäßigen Anordnung der Beibringung eines Gutachtens diese im Interesse des Betroffenen liegende Beibringungslast konsequenterweise auch die Kostentragungspflicht des Führerscheininhabers zur Folge hat. 195 Dies entspricht überdies dem generellen Sinn und Zweck der Straßenverkehrszulassungsordnung, welcher darin besteht, die öffentliche Hand von denjenigen Kosten freizustellen, die durch die straßenverkehrsrechtlichen Eignungsuntersuchungen entstehen.196 Das wird folgerichtig auch für den Fall angenommen, wenn die Untersuchungsstelle zu einem für den Betroffenen günstigen Ergebnis kommt. 197 Aus dem Vorgenannten ergibt sich allerdings im Umkehrschluß auch die Grenze, ab der eine Zuordnung der Kostenlast zur Risikosphäre des Betroffenen nicht mehr sachgerecht erscheint. Das ist dann anzunehmen, wenn die Anordnung gem. § 15b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVZO rechtswidrig ergangen ist. Die Widerrechtlichkeit der Anweisung kann insbesondere darauf beruhen, daß keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Zweifel an der Fahrtauglichkeit vorgelegen haben, die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens vielmehr als willkürlich zu qualifizieren ist. Hier muß es vor dem dargelegten Gesetzeszweck als konsequent angesehen werden, letztlich der das Gutachten

193

S. den Nachweis in Fußn. 160.

194

Vgl. den Nachweis in Fußn. 183.

195

BVerwGE 71, 93 (98 f.); VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (104); OVG Münster, NJW 1968, 267 (268). 196

VGH Mannheim, Nachweis wie vor.

197

BVerwGE 34, 248 (251); VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102 (104 f.).

29 Pietzko

450

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

anordnenden Behörde auch die Kosten aufzuerlegen. 198 Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Anweisung zur Vorlage eines Gutachtens als solche nicht vollstreckbar ist, der Bürger somit freiwillig und aus eigenem Entschluß der Beibringungspflicht nachkommt. Denn der Betroffene wird regelmäßig unter dem Druck drohender Nachteile, die aus der Weigerung der Durchführung der Untersuchung entstehen können, namentlich aus Furcht vor einem Führerscheinentzug, der Aufforderung Folge leisten. Dieses Ergebnis erscheint zudem auch angemessen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Verwaltungsbehörde durch die in § 15b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVZO eingeräumte Befugnis der Anordnung einer Begutachtung in die Lage versetzt ist, zunächst das Kostenrisiko für ein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einzuholendes Gutachten über die Eignung des Betroffenen zum Führen eines Kraftfahrzeuges zu vermeiden. Denn unterliegt die Behörde in einem gerichtlichen Verfahren, in dem sie zur Begründung des Führerscheinentzuges den Beweis für die fehlende Eignung des Betroffenen zum Führen eines Kraftfahrzeuges zu erbringen hat, so trägt sie nach den allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsätzen als unterlegene Partei auch die Kosten der Beweiserhebung.199 Insoweit stellt die in § 15b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVZO vorgesehene Möglichkeit, bereits im Vorfeld die Beibringung eines Gutachtens zu verlangen, das für den von der Anordnung Betroffenen bei Rechtmäßigkeit der Anweisung mit der Gebührenlast verbunden ist, eine im Interesse der Verwaltungsvereinfachung normierte, kostengünstige Vorgehensweise dar. Eine derartige Besserstellung der Behörde ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Zweifel an der Fahrtauglichkeit des Betroffenen, ex tunc betrachtet, berechtigt gewesen sind und die Bedenken durch die getroffene Anweisung geklärt werden können.200

d) Zwischenergebnis Infolgedessen bleibt festzuhalten, daß die Beseitigung solcher Einwirkungsfolgen, die bei Erfüllung der staatlichen Anordnung als zwangsläufige, 198

Auch das Bundesverwaltungsgericht befürwortet für den Fall, daß keine begründeten Anhaltspunkte für die Bedenken hinsichtlich der Eignung des Betroffenen zum Führen eines Kraftfahrzeuges bestanden haben, die Rückerstattung der Untersuchungsgebühren. Indessen ist, wie bereits erwähnt, nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts dieses Anspruchsbegehren im Wege der Anfechtungsklage gegen den Gebührenbescheid durchzusetzen, vgl. die Darstellung unter C IV 1, S. 441 f. mit Nachweis in Fußn. 175. S. außerdem zu den Anforderungen an eine rechtmäßige Anordnung nach § 15b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVZO, BVerwG, VB1BW 1990, 333 (334), sowie für eine berechtigte Aufforderung gem. § 15b Abs. 2 S. 2, 2. Halbs. StVZO, OVG Bremen, NJW 1979, 75 (76). 199

Vgl. die Regelung in den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.

200

Vgl. hierzu OVG Münster, NJW 1968, 271 (272).

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

451

da auf normativer Grundlage angeordnete Folgewirkung der primären Rechtsgutsverletzung entstehen, grundsätzlich kraft normativer Zurechnung über den Folgenbeseitigungsanspruch geltend gemacht werden kann.

2. Fallgruppe 2: Folgekosten, die bei freiwilliger Erfüllung eines Verwaltungsakts als faktisch zwangsläufige Beeinträchtigung entstehen Eine weitere Fallgruppe läßt sich dahingehend beschreiben, daß der durch die Behörde im Wege des Verwaltungsakts Inanspruchgenommene zu einer Maßnahme verpflichtet wird, bei deren Erfüllung ihm außer der primären Rechtsgutsverletzung weitere finanzielle Belastungen entstehen, ohne daß diese gesetzlich vorgesehen oder behördlich angeordnet worden sind. Vielmehr besteht das Charakteristikum dieser finanziellen Folgebeeinträchtigungen darin, daß sie aus faktischen Gegebenheiten bei Befolgung der hoheitlichen Anweisung durch den Betroffenen als notwendige Folgebelastung der Rechtsgutsverletzung eintreten. Auch in bezug auf derartige Folgekosten ist erörterungsbedürftig, ob sie aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs beseitigungsfähig sind oder ob er für solche Fallgestaltungen auf die Behebung der primären Integritätsverletzung begrenzt ist.

a) Beispielsfall 1: Rechtswidrig angeordneter Abriß eines Gebäudeteils

Als erstes Fallbeispiel sei der Sachverhalt angenommen, daß ein Grundstücksinhaber widerrechtlicherweise zum Abriß eines Gebäudeteils aufgefordert wird. Der Betroffene kommt dieser Verpflichtung nach, indem er einen Bauunternehmer mit der Beseitigung des Bauwerks beauftragt. Stellt sich nunmehr im nachhinein die Rechtswidrigkeit der baubehördlichen Anordnung heraus, so erhebt sich die Frage, welche Rechtsansprüche der Grundstücksinhaber im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs im einzelnen geltend machen kann. Unproblematisch ist nach der hier vertretenen Ansicht, daß der in seinem Eigentumsrecht verletzte Anspruchsteller die Errichtung des abgerissenen Bauwerks als Wiederherstellung der grundrechtlichen Integrität der Gesamtsache, des Wohngrundstücks, verlangen kann.201 Zweifelhaft ist jedoch, ob der Betroffene über dieses Anspruchsziel hinaus auch den Ersatz der Kosten begehren kann, die er zwangsläufigerweise gegenüber dem Bauunternehmer aufgewandt hat, um der behördlichen Anweisung nachzukom-

201

Vgl. hierzu die Ausführungen unter Β IV 3, S. 425 ff.

452

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

men, und welche somit im Sachzusammenhang mit der eingetretenen eigentumsrechtlichen Integritätsverletzung entstanden sind. b) Beispielsfall 2: Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7.1984 — Rechtswidrig vollzogene Bardepotbescheide Das in der Praxis bedeutsamste Anwendungsbeispiel dieser Fallgruppe bildet das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7.1984.202 Hierbei war die Klägerin aufgrund § 6a Abs. 1 S. 1 des Außenwirtschaftsgesetzes 203 i.V.m. § 69a Abs. 1 bis 3 der Außenwirtschaftsverordnung 204 durch Bescheid vom 7.3.1974 für die Monate Juli 1972 bis September 1973 sowie durch Bescheid vom 26.6.1976 für die Monate Oktober 1973 bis Juli 1974 zu einem zinslosen Bardepot von insgesamt 19.774.067,- D M herangezogen worden, das sie in monatlichen Teilbeträgen erfüllt hatte. Diese Depotpflicht für Gebietsansässige nach § 6a Abs. 1 S. 1 AWG stellte eine währungs- und konjunkturpolitische Abwehrmaßnahme gegen Kapitalzuflüsse aus dem Ausland dar, die das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gefährdeten. Die Bardepotpflicht hatte zur Folge, daß die von ihr Betroffenen einen bestimmten Prozentsatz ihrer Verbindlichkeiten aus den bei Gebietsfremden aufgenommenen Darlehen und sonstigen Krediten auf ein Konto bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen und dort während eines bestimmten Zeitraums zinslos in Deutscher Mark zu halten hatten.205 Sie erschwerte folg202

BVerwGE 69, 366 ff.

203

§ 6a Abs. 1 S. 1 AWG v. 28.4.1961, BGBl. I S. 481, i.d.F. d. Änderungsgesetzes v. 23.12.1971, BGBl. I S. 2141. 204

§ 69a Abs. 1 - 3 der Außenwirtschaftsverordnung - AWV - v. 22.8.1961, BGBl. I S. 1381, i.d.F.d. 31. Änderungsverordnung v. 30.1.1974, BGBl. I S. 122. Wichtige Änderungen der AWV erfolgten insbesondere durch die 21. und 22. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung v. 1.3.1972 und v. 29.6.1972, BGBl. I S. 213 sowie BGBl. I S. 995. Durch § 1 Nr. 1 der 21. Änderungsverordnung wurde in Ausübung der in § 6a AWG eingeräumten Ermächtigung ein Kapitel VII a (§§ 69a-69c) in die AWV eingefügt. Nach § 69a Abs. 1 AWV in dieser Fassung unterlagen Gebietsansässige der Depotpflicht. In § 69a Abs. 3 war festgelegt, daß der Depotbetrag für die Dauer des übernächsten auf den jeweiligen Bezugsmonat folgenden Kalendermonats (Depotmonat) auf einem Sonderkonto bei der Deutschen Bundesbank zu halten war. Bezugsmonat war jeweils der Kalendermonat, in dem die depotpflichtigen Verbindlichkeiten bestanden. Sofern ein Gebietsansässiger seiner Depotpflicht nicht rechtzeitig nachkam oder der Depotbetrag während des Depotmonats nicht in voller Höhe gehalten wurde, sah § 69a Abs. 5 AWV vor, daß er den Depotbetrag bzw. den fehlenden Betrag für die Dauer des dem Depotmonat folgenden Kalendermonats zu halten hatte. Die letztere Vorschrift wurde durch die 22. Änderungsverordnung dahingehend geändert, daß bei nicht rechtzeitiger Depothaltung bzw. für den Fall, daß der Depotbetrag nicht in voller Höhe gehalten wurde, die Depotpflicht so lange bestehen blieb, bis der Depotbetrag oder der fehlende Teil des Betrages für die Dauer eines dem Depotmonats entsprechenden Zeitraums gehalten worden ist. 205

Vgl. § 6a Abs. 1 S. 1 AWG, Nachweis in Fußn. 203.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

453

lieh die Darlehens- und Kreditaufnahme im Ausland, weil sich deren Kosten durch die Haltung des Bardepots erhöhten. 206 M i t Urteil vom 29.11.1979 hatte das Bundesverwaltungsgericht allerdings festgestellt, unbeschadet der Tatsache, daß der Heranziehungsbescheid vom 7.3.1974 im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig war, sei die Vollziehung des Bardepotbescheids gleichwohl rechtswidrig gewesen. 207 Denn seit der Aufhebung der Bardepotverpflichtung durch § 1 Nr. 2 der 32. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsveordnung vom 12.9.1974 - 32. Ä n d V / A W G 2 0 8 - habe ein Anspruch auf Depothaltung nicht mehr bestanden. § 3 S. 2 der Änderungsverordnung, der die nachträgliche Erfüllung der vor Aufhebung der Depotpflicht rechtmäßig begründeten Verbindlichkeiten an- geordnet habe, 2 0 9 sei mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage

nichtig

gewesen. 210 Ebenso sei der vom 26.6.1976 datierte Bardepotbescheid wegen des Wegfalls der Bardepotverpflichtung rechtswidrig. 211 Die maßgebliche Rechtsfrage dieser Fallgestaltung geht dahin, ob nach Rückzahlung des Bardepots die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung ihrer Zinsaufwendungen in Höhe von 92.856,30,- D M im Wege der Folgenbeseiti-

206

S. hierzu BVerwGE 59, 148 (165 f.); BGHZ 83, 190 (193).

207

BVerwGE 59, 148 (154 ff.).

208

BGBl. I S. 2324. § 1 Nr. 2 bestimmte: „Kapitel VII a (§§ 69a bis 69c) und die Anlage D 1 zur Außenwirtschaftsverordnung werden aufgehoben". 209 § 3 S. 2 der 32. Änderungsverordnung hatte folgenden Inhalt: „Kapitel VII a (§§ 69a bis 69c) der Außenwirtschaftsverordnung und die Anlage D 1 zur Außenwirtschaftsverordnung sind jedoch in der bisher jeweils geltenden Fassung weiterhin auf den Bestand der Verbindlichkeiten in einem Bezugsmonat während des Zeitraums vom 1.3.1972 bis zum 31.7.1974 anzuwenden". Diese Bestimmung ist dann durch § 1 der Verordnung über die Beseitigung der Depotpflicht vom 23.9.1977, BGBl. I S. 1857, aufgehoben worden. 210

Die Rechtsungültigkeit des § 3 S. 2 der 32. Änderungsverordnung wurde damit begründet, daß diese Regelung von der Ermächtigung des § 6a AWG nicht gedeckt war. Denn die Gründe, die gem. § 6a Abs. 1 S. 1 AWG die Anordnung der Depotpflicht gerechtfertigt haben, lagen zwar unstreitig im Dezember 1971 bzw. im März 1972 bei der Anordnung der Depotpflicht durch die 21. Änderungsverordnung vom 1.3.1972 vor. Sie waren indessen am 11.9.1974, als die Bundesregierung die Aufhebung der Depotpflicht beschlossen hat, nicht mehr gegeben (vgl. die Bekanntmachung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung im Bundesanzeiger Nr. 172 vom 14.9.1974 sowie die Amtl. Begr. der Bundesregierung v. 17.9.1974 zum Erlaß der 32. Änderungsverordnung v. 12.9.1974, BR-Drucks. 619/74 v. 18.9.1974, S. 2 ff.). Die beschränkte Aufrechterhaltung der Depotpflicht mit der Zielsetzung, eine Besserstellung der bisher säumigen Depotpflichtigen zu verhindern (so die Amtl. Begr. der Bundesregierung v. 30.9.1977 zum Erlaß der Verordnung über die Beseitigung der Depotpflicht v. 23.9.1977, BR-Drucks. 470/77 v. 4.10.1977), war somit nicht mehr von den währungs- und konjunkturpolitischen Zwecken des § 6a AWG umfaßt, und damit unwirksam. Vgl. zum vorstehenden BVerwGE 58, 189 (195-199), sowie BVerwGE 59, 148 (163-168). 211

Vgl. hierzu Maaß, BayVBl. 1987, 520 (521).

454

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

gung mit der Begründung durchsetzen kann, ihr seien diese Kosten als Folge der widerrechtlichen Vollziehung der Bardepotbescheide entstanden.

c) Meinungsstand aa) Die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts Begründet hat das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 19.7.1984212 das klageabweisende Urteil mit der Erwägung, die geleistete Zinszahlung sei nach den Grundsätzen der haftungsausfüllenden Kausalität nicht beseitigungspflichtig. Der Haftungsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs, der insbesondere aus dem Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm, d.h. Art. 20 Abs. 3 GG, zu entnehmen sei, gebiete uneingeschränkt die Behebung der Folgen, auf die die Amtshandlung unmittelbar gerichtet gewesen sei. Hingegen erfasse der Normgehalt des Art. 20 Abs. 3 GG die Beseitigung sonstiger - nicht final verursachter - Störungsfolgen jedenfalls dann nicht, wenn sie erst durch ein Verhalten des Betroffenen oder eines Dritten verursacht bzw. mitverursacht worden seien, welches auf dessen eigener Entschließung beruhe. Nur so könne der Gefahr einer uferlosen Ausdehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs entgegengewirkt und eine sachgerechte Abgrenzung zu dem Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG sichergestellt werden. 213

bb) Die Auffassung

in der Rechtslehre

Diese Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist sowohl auf Zustimmung als auch auf Kritik gestoßen. Während Schullan214 den Standpunkt des Bundesverwaltungsgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung billigt, hat Bender 215 in einer Besprechung des bundesverwaltungsgerichtlichen Urteils im Ergebnis zwar ebenfalls einen ablehnenden Standpunkt hinsichtlich der Beseitigungspflicht eingenommen, indessen die Argumentation des Gerichts kritisiert. So führt Bender aus, daß dem Bundesverwaltungsgericht zwar in seiner Ausgangsfeststellung beizupflichten sei, wonach der Haftungsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dem Schutzzweck der haftungsbegründenden Rechtsnorm

212

Vgl. den Nachweis in Fußn. 202.

213

BVerwGE 69, 366 (372 f.).

214

Schullan, BayVBl. 1990, 360 (366).

215

Bender, VB1BW 1985, 201 ff.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

455

zu ermitteln sei. Jedoch müsse Art. 20 Abs. 3 GG hierbei als lex imperfecta ausscheiden. Vielmehr sei diesbezüglich auf das im Einzelfall tangierte Spezialgrundrecht oder die verletzte einfachgesetzliche Schutznorm abzustellen. 216 Die fehlende Beseitigungsfähigkeit der geltend gemachten Zinseinbußen im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs sei, unabhängig von diesen grundsätzlichen Erwägungen, zudem bereits aus dem Rechtscharakter des Rechtsinstituts zu begründen. Denn der Folgenbeseitigungsanspruch stelle gerade keinen Folgenentschädigungsanspruch dar. 217 Demgegenüber bilden nach Ansicht von Fiedler 218, Maaß 219 und M. Redeker 220 die entstandenen Zinsbelastungen eine über den Folgenbeseitigungsanspruch beseitigungsfähige Folgebeeinträchtigung. Dies folge hauptsächlich aus dem Umstand, daß der Behörde diese Sekundärfolge nach als Vollzugsschaden zuzurechnen sei.221 d) Stellungnahme

Bedenken erheben sich bezüglich der Tragfähigkeit der gegen die Erstattungsfähigkeit der Zinsaufwendungen vorgetragenen Argumente.

aa) Das Kriterium der „Unmittelbarkeit " als ungeeignetes Haftungsbegrenzungsmerkmal sowie unzutreffende Würdigung des Schutzzwecks des Art. 20 Abs. 3 GG Bereits im Rahmen der einleitenden Ausführungen zur Festlegung des Anspruchsumfangs des Folgenbeseitigungsanspruchs wurde darauf hingewiesen, daß das vom Bundesverwaltungsgericht zugrundegelegte Kriterium der „Unmittelbarkeit" als untauglicher Abgrenzungsgesichtspunkt abzulehnen ist. 222 Gleichfalls wurde an dieser Stelle schon erwähnt, daß die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene restriktive Auslegung des Schutzzwecks des Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu überzeugen vermag. Vielmehr spricht bei Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dieser Verfassungsbe216

Bender, VB1BW 1985, 201 (202-204).

217

Bender, VB1BW 1985, 201 in Fußn. 3.

218

Fiedler, NVwZ 1986, 969 (975 r. Sp.).

219 Maaß, BayVBl. 1987, 520 (525 r. Sp. oben), mit dem unklaren Hinweis, daß § 6a AWG einem zinslosen Bardepot entgegengestanden hätte. 220

M. Redeker, DÖV 1987, 194 (200).

221

So Fiedler, NVwZ 1986, 969 (975 r. Sp.); M. Redeker, DÖV 1987, 194 (200).

222

Vgl. die Darstellung unter C III 1, S. 434, sowie die Ausführungen in Kapitel 2 Β VI 2, S. 347 ff.

456

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Stimmung die einschränkungslos normierte Gesetzesbindung eher für einen weiten Anspruchsumfang des Rechtsinstituts.223 Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf diese Ausführungen Bezug genommen. bb) Der Gesichtspunkt der „Finalität " als untaugliches Abgrenzungskriterium In Anknüpfung an die bereits im Regelungsbereich der haftungsbegründenden Kausalität vorgetragenen Bedenken gegen das Argument der „Finalität" 22* sei zunächst darauf hingewiesen, daß dieses Abgrenzungskriterium infolge seines begrenzten Begriffsinhalts von vornherein lediglich diejenigen Fallgestaltungen erfassen kann, in denen die öffentliche Hand im Wege einer verbindlichen Anweisung gegenüber dem Bürger einschreitet, d.h. vor allem beim Verwaltungshandeln in Gestalt des Verwaltungsakts. Hingegen vermag es in bezug auf das weite Spektrum des staatlichen Eingriffsverhaltens in Form von Realakten, die zufälligerweise zu einer Rechtsgutsverletzung des Bürgers führen, per definitionem keine Aussage hinsichtlich des Anspruchsumfangs zu treffen. Mithin ist dieses Kriterium wegen seines vorwiegend auf hoheitliche Befehle und beabsichtigte faktische Beeinträchtigungen begrenzten Regelungsgehalts als allgemeingültiges Abgrenzungsmerkmal ungeeignet. Zudem erheben sich selbst für den Fall des Vorliegens einer verbindlichen Rechtsfolgenanordnung oder eines zielgerichteten tatsächlichen Verwaltungshandelns Zweifel an der Tauglichkeit eines solchen Einordnungsgesichtspunkts im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität.225 Die Einwände resultieren dabei aus der Erwägung, daß es infolge des auf die Willensrichtung der Behörde abstellenden Kriteriums bei konsequenter Anwendung lediglich möglich ist, einen haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen dem Eingriffsakt und der primären Rechtsgutsbeeinträchtigung herzustellen. Hierbei ist indessen die Frage der haftungsbegründenden Kausalität, d.h. eine Tatsbestandsproblematik, angesprochen.226 Demgegenüber geht es bei der haftungsausfüllenden Kausalität um die Frage, ob die erst aus der Rechtsgutsverletzung entstehenden Folgen noch vom Folgenbeseitigungsanspruch umfaßt werden. 227 Derartige Folgebeeinträchtigungen sind aber gerade dadurch

223

S. die Ausführungen unter C III 2, S. 435 f.

224

Vgl. die Darstellung in Kapitel 2 Β VI 2, S. 347 ff.

225

Vgl. weiterhin die bereits unter C IV 1, S. 439 f. geäußerte Kritik an dem Kriterium der „Finalität". 226 227

S. hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Β V I 1, S. 345 f.

Vgl. die Begriffsbestimmung in Kapitel 2 Β VI 1, S. 345 mit Nachweisen in Fußn. 774.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

457

gekennzeichnet, daß sie als Sekundärfolgen der primären Rechtsgutsbeeinträchtigung auftreten, weshalb das behördliche Verhalten bereits aus sachlogischen Gesichtspunkten nicht auf diese gerichtet sein kann. Daraus entsteht die Notwendigkeit, derartige Folgewirkungen aufgrund eigenständiger Bewertungskriterien zu beurteilen. Nicht statthaft ist es jedoch, das lediglich dem Bereich der haftungsbegründenden Kausalität zuzuordnende Abgrenzungsmerkmal unreflektiert auf den anders gelagerten Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität zu übertragen. Mittelbar werden die hier geäußerten Zweifel an der Tauglichkeit des Finalitätskriteriums insofern belegt, als Rechtsprechung und Schrifttum der ursprünglich von Bachof verfolgten Konzeption, den Geltungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs auf diejenigen Folgen zu begrenzen, die von der Behörde ursprünglich „gewollt" gewesen sind,228 nicht zugestimmt haben.229 Aufgrunddessen vermag die Heranziehung des Abgrenzungsgesichtspunkts der „Finalität" bei der haftungsausfüllenden Kausalität nicht zu überzeugen.

cc) Gefahr der Überschneidung des Folgenbeseitigungsanspruchs mit dem Amtshaftungsanspruch des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG bzw. unzulässige Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch Das wichtigste Argument, welches gegen die Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die entstandenen Zinsaufwendungen angeführt wird, besteht in der Überlegung, daß anderenfalls die Grenze zum Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG verwischt 230 oder der Folgenbeseitigungsanspruch sich unzulässigerweise in einen Folgenentschädigungsanspruch umwandeln würde. 231 Auch im Hinblick auf die Stichhaltigkeit dieses Vorbringens bestehen Zweifel. Was die befürchteten Abgrenzungsprobleme zum Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG betrifft, so ist aufgrund der im Verhältnis zum Folgenbeseitigungsanspruch anderen Tatbestandsstruktur des Amtshaftungsanspruchs die Gefahr einer Überschneidung der Anwendungsbereiche beider Rechtsinstitute als gering einzustufen. Während der Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB an die Verletzung einer Amtspflicht anknüpft und 228

Bachof Vornahmeklage, S. 132 f.

229

Hierauf hinweisend Fiedler, NVwZ 1986, 969 (975 r. Sp. Mitte).

230

Vgl. den Nachweis in Fußn. 213. S. weiterhin Schullan, BayVBl. 1990, 360 (366).

231

S. den Nachweis in Fußn. 217.

458

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

zudem ein schuldhaftes Handeln des Beamten voraussetzt, ist maßgeblicher Haftungsgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs die Beeinträchtigung einer absolut geschützten Rechtsposition. In bezug auf die Abgrenzung zum enteignungsgleichen Eingriff ist in tatbestandlicher Hinsicht insoweit ein Unterschied zum Folgenbeseitigungsanspruch festzustellen, als der enteignungsgleiche Eingriff nur bei Beeinträchtigung einer eigentumsfähigen Rechtsposition i.S. des Art. 14 GG entsteht.232 Damit ist eine Überschneidung der Geltungsbereiche der beiden Anspruchsnormen von vornherein auf diejenigen Fälle begrenzt, in denen auch im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs ein Eingriff in das Eigentum geltend gemacht wird. Hinsichtlich der Rechtsfolgenseite könnte nun allerdings die Tatsache, daß bei der Ersatzfähigkeit von Folgekosten im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs eine Geldleistungsverpflichtung der öffentlichen Hand in Rede steht, in der Tat zu einer Überschneidung der Rechtsfolgen der drei Anspruchsnormen führen. Da der Amtshaftungsanspruch sowie der enteignungsgleiche Eingriff jeweils ihrem Anspruchsinhalt nach auf eine Geldleistung gerichtet sind,233 entsteht für den Fall, daß aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs anstelle der üblicherweise begehrten tatsächlichen Restitution ausnahmsweise eine Geldleistung des Hoheitsträgers verlangt wird, dem ersten Anschein nach ein Abgrenzungsproblem. Indessen ist bei näherer Betrachtung zunächst darauf hinzuweisen, daß vorliegend zwei Fragenkomplexe nicht miteinander verwechselt werden dürfen: So kann der Hinweis auf die möglicherweise bestehende Schwierigkeit einer Grenzziehung zwischen den genannten Rechtsinstituten nicht dazu führen, allein deshalb den Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs einzuschränken. Vielmehr ist es erforderlich, sich dem Abgrenzungsproblem zu stellen und den Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs aufgrund seiner Rechtsgrundlage und seiner Tatbestandsstruktur eigenständig zu bestimmen. Sofern nach Maßgabe dieser Bewertungsgrundlage das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs im Falle einer finanziellen Folgebeeinträchtigung bejaht werden muß, ist folgerichtig bei Vorliegen weiterer Rechtsinstitute die so gegebene Anspruchsvielfalt im Wege der Anspruchskonkurrenz 232 Vgl. dazu Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 83-93; Ossenbühl, StHR, S. 153 mit Fußn. 1 i.V.m. S. 91-112; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 III 1, S. 577-579. 233

S. hierzu Maurer, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 44, § 26 Rdnrn. 60-68, § 29 Rdnr. 1; Ossenbühl, StHR, S. 6, 150, 160 ff., 207 f.; Rüfner, in: Erichsen /Martens, AllgVerwR, § 51 IV, S. 546, § 52 III 2, S. 583-585 i.V.m. § 52 I I 3, S. 567-571. Vgl. weiterhin die Nachweise in Fußn. 57 und 61, sowie die Darstellung unter E I, S. 478 f., und E II, S. 479 f. Allerdings kann u.U. auch eine Entschädigungsleistung durch Naturalausgleich in Betracht kommen, s. dazu Maurer, AllgVerwR, § 26 Rdnr. 65; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 II 3, S. 567.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

459

aufzulösen. Der Hinweis, demzufolge ein begrenzter Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs mit Rücksicht auf die hierdurch gewährleistete klare Grenzziehung zwischen den verschiedenen staatshaftungsrechtlichen Bestimmungen zu befürworten sei, vermag somit nicht zu überzeugen. Eine andere Frage ist demgegenüber, ob sich der Folgenbeseitigungsanspruch bei Ausdehnung seiner Rechtsfolgen auch auf finanzielle Folgebeeinträchtigungen in systemwidriger Weise von einem Restitutions- in einen Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch umwandeln würde und ihm damit ein Rechtsgehalt zukäme, der mit seiner dogmatischen Herkunft nicht zu vereinbaren ist. Allerdings ist auch dieses Bedenken zurückzuweisen. Sowohl der Schadensersatzanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG als auch der Entschädigungsanspruch nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs gewähren dem betroffenen Bürger für die erlittene Rechtseinbuße einen geldwerten Ausgleich als Surrogat. 234 Beabsichtigt ist eine vermögensmäßige Gleichstellung mit demjenigen Zustand, wie er ohne das rechtswidrige behördliche Verhalten bestehen würde bzw. seinerzeit vorgelegen hat, 235 d.h. eine Kompensation der erlittenen Rechtsgütereinbuße.236 Damit sind diese beiden Rechtsinstitute durch ein auf die Durchsetzung eines isolierten Vermögensschadens gerichtetes Anspruchsziel gekennzeichnet. Um die Zubilligung eines Surrogates als Schadensausgleich bzw. um eine Entschädigung geht es bei der Zurechnungsproblematik im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs hingegen nicht. Vielmehr wird hier eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch die Rückabwicklung von Erfüllungsaufwendungen, die durch eine rechtswidrige Anordnung erforderlich geworden sind, angestrebt. Damit ist Ausgangspunkt der Frage nach der Beseitigungspflicht finanzieller Sekundärbelastungen im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs die zunächst eingetretene Integritätsverletzung eines absolut geschützten Rechtsguts. Hier geht die Rechtsfrage dahin, ob die als Folge der staatlicherseits verursachten Schutzgutsverletzung entstehenden Folgebeeinträchtigungen wegen dieses Sachzusammenhangs noch als Restitutionsbegehren geltend gemacht werden können. Die Tatsache, daß die in Rede stehenden Erfüllungsaufwendungen häufig in einer geldwerten Leistung bestehen, darf somit nicht darüber hinwegtäuschen, daß im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs die durch die hoheitliche Maßnahme entstandenen 234

Vgl. die Nachweise wie vor.

235

S. zu dem unterschiedlichen Umfang von Schadensersatz und Entschädigung, Ossenbühl, StHR, S. 161; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 III 2, S. 583-585 i.V.m. § 52 II 3, S. 567-571 und § 51 IV, S. 546. 236

Vgl. dazu Ossenbühl, StHR, S. 198.

460

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

finanziellen Nachteile gerade nicht in Gestalt eines isolierten Vermögensschadens bzw. als Surrogat für eine erlittene Rechtseinbuße geltend gemacht werden. Vielmehr zielt das Anspruchsbegehren insoweit auf die Beseitigung der im Anschluß an eine primäre Rechtsgutsverletzung hervorgerufenen weiteren Eingriffsfolge im Wege der Restitution der ursprünglichen Situation ab. Mithin kann die Ersatzfähigkeit der Zinsaufwendungen über den Folgenbeseitigungsanspruch nicht mit dem Hinweis auf die Gefahr der Verwässerung der Grenzen zum Schadensersatzanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG noch mit dem Argument, hierdurch würde sich der Folgenbeseitigungsanspruch in systemwidriger Weise in einen Entschädigungsanspruch umwandeln, abgelehnt werden.

e) Eigener Lösungsvorschlag

aa) Problemstellung Die vorstehenden Ausführungen leiten zu der für die Beantwortung der Ausgangsfrage maßgeblichen Fragestellung über. Diese ist dahingehend zu formulieren, ob die Tatsache, daß die eingetretenen Sekundärbeeinträchtigungen als zwingende Erfüllungsvoraussetzungen des staatlichen Handlungsgebots eingetreten sind, dazu führt, daß jene der primären Rechtsverletzung noch zurechenbar sind. Möglich ist jedoch auch, daß die Verursachung der Folgebelastungen aufgrund eines eigenständigen Entschlusses des Betroffenen bzw. eines Dritten zu einer Zäsur führt, durch die der haftungsrechtliche Zusammenhang zwischen der Schutzgutsbeeinträchtigung und den eingetretenen Sekundärfolgen unterbrochen wird. Eine sachgerechte Lösung des angesprochenen Zurechnungsproblems kann, wie bereits ausgeführt, 237 nur aufgrund einer wertenden Betrachtungsweise erfolgen. Folgende drei Wertungsgesichtspunkte führen dabei zur Bejahung der haftungsrechtlichen Verantwortung des Hoheitsträgers für die entstandene Sekundärbeeinträchtigung.

bb) Wertungsgesichtspunkt Zusammenhang von Sekundärfolge

1: Faktisch untrennbarer und primärer Integritätsverletzung

Als erstes Argument spricht - ebenso wie bei der vorangegangenen Fallkonstellation238 - in tatsächlicher Hinsicht der untrennbare Sachzusammen237

Vgl. die Ausführungen unter C IV 1, S. 440 ff.

238

S. die Darstellung unter C IV 1, S. 444 f.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

461

hang zwischen den finanziellen Folgebeeinträchtigungen in Gestalt der Zinsaufwendungen und der primären Schutzgutsverletzung für die Bejahung der haftungsrechtlichen Zurechnung. Ausgangspunkt der Bestimmung des Anspruchsumfangs des Folgenbeseitigungsanspruchs muß - bei Vorliegen eines staatlichen Eingriffsakts durch Verwaltungsakt - zunächst der Tenor des Verwaltungsakts i.S. der darin ausformulierten Handlungspflicht sein.239 Vorliegend bestand eine Verpflichtung der Klägerin zur Bereitstellung eines zinslosen Bardepots in Höhe von insgesamt 19.744.067,- DM. Dieser von der Beklagten angeordneten Handlungspflicht der Adressatin der Maßnahme korrespondiert auf Seiten der Verpflichteten eine entsprechende Erfüllungshandlung. Deren Vornahme durch die Inanspruchgenommene, d.h. die Bereitstellung des Bardepots, führte nach Wegfall der Bardepotverpflichtung und folglich mit Entfallen einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage für den staatlichen Eingriff zumindest zu einer Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG. 2 4 0 Vorliegend ergibt sich allerdings die Besonderheit, daß zur Erfüllung des Tenors des Verwaltungsakts außer der primären Erfüllungshandlung, d.h. der Leistung des Bardepots, zusätzlich weitere Maßnahmen erforderlich gewesen sind, welche erst die Voraussetzung für die Vornahme der Erfüllungshandlung gebildet haben. So konnte die auferlegte Bardepotverpflichtung faktisch nur durch eine Kreditaufnahme vorgenommen werden, welche die entstandenen Zinsbelastungen zur Folge hatte. Gemessen an der Verhaltensweise eines objektiven Durchschnittsbürgers stellte die Kreditaufnahme angesichts der Höhe der auferlegten Bardepotpflicht von nahezu 20 Mio. D M die einzige

239 Vgl. Af. Redeker, DÖV 1987, 194 (200). S. außerdem Rösslein, FBA, S. 33 in Fußn. 103, S. 81 f., der allerdings den Folgenbeseitigungsanspruch auf die Behebung der aus dem Inhalt des Verwaltungsakts sich unmittelbar ergebenden Eingriffsfolgen begrenzen möchte. 240 Der Schutz vor der ungesetzlichen bzw. nicht verfassungsgemäßen Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten und sonstiger Vermögensopfer wird zumindest über Art. 2 Abs. 1 GG sichergestellt, vgl. Papier, in: M/D/H/S, GG, Art. 14 I Rdnr. 152. Darüber hinaus weist Ossenbühl, StHR, S. 153 in Fußn. 1, darauf hin, daß die vom Bundesgerichtshof vertretene Ansicht, wonach die rechtswidrige Auferlegung der Bardepotverpflichtung lediglich zu einer Tangierung des Vermögens führe und damit nicht dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterfalle (BGHZ 83, 190 (194 f.), bedenklich sei. Nach Ansicht von Ossenbühl ist die Auffassung des Bundesgerichtshofs, daß eine Geldleistungsverpflichtung den Eigentumsschutz des Art. 14 GG nur dann berühre, wenn sie den Inanspruchgenommenen übermäßig belaste und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtige, und damit eine Erdrosselungswirkung entfalte (BGHZ 83, 190 (194)), nur für rechtmäßige Geldleistungspflichten zutreffend. Demgegenüber sei im Falle rechtswidrig abverlangter Geldleistungen der Schutzbereich des Art. 14 GG tangiert. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Problematik, welches Schutzgut durch die rechtswidrige Vollziehung der Bardepotbescheide verletzt wird, nicht diskutiert. Es ist vielmehr davon ausgegangen, daß die Rückzahlung der geleisteten Bardepotbeträge über den Folgenbeseitigungsanspruch geltend gemacht werden kann, vgl. BVerwGE 69, 366 (373).

462

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

realistische Möglichkeit dar, um im Rahmen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung dem Handlungsgebot nachzukommen. Damit ist sie als zwingende faktische Folgewirkung der Rechtsgutsverletzung zu qualifizieren. Diese Würdigung wird indirekt auch vom Bundesverwaltungsgericht geteilt, wenn es ausführt, daß die Bardepotbescheide zwar nicht unmittelbar auf die Aufnahme eines Kredites gerichtet gewesen seien, indessen „diese Aufnahme im Falle der Klägerin erforderlich gewesen sein mag, um den Bescheiden nachkommen zu können".241 Vor dem Hintergrund des in praktischer Hinsicht zwingenden Charakters der Kreditaufnahme zur Erfüllung der behördlichen Anweisung erscheint es somit verfehlt, die Beseitigungspflicht des Hoheitsträgers in bezug auf diese Sekundärfolgen mit der Erwägung zu verneinen, die Beklagte habe es der Entscheidung der Klägerin überlassen, auf welche Weise sie die finanziellen Mittel beschaffe, um der Bardepotverpflichtung nachzukommen.242 Da aus Sicht der Beklagten die Aufnahme eines Kredites die einzig realistische Möglichkeit darstellte, um die behördliche Anweisung zu befolgen, sind die hieraus entstehenden Folgebeeinträchtigungen angesichts des von der Behörde erkannten notwendigen Sachzusammenhangs dem Verantwortungsbereich des Hoheitsträgers zuzuordnen.243

cc) Wertungsgesichtspunkt

2: Die Regelung in § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG

Der Umstand, daß die Art und Weise der Erfüllung eines Verwaltungsakts nicht gänzlich aus dem Verantwortungsbereich der anordnenden Behörde ausgeklammert werden können, wird überdies durch die Regelung des § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG indiziell bestätigt. Gem. § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG ist ein Verwaltungsakt, „den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann", nichtig. Auch wenn diese Vorschrift anerkanntermaßen die Fälle des subjektiven Unvermögens, d.h. die Sachverhalte, in denen lediglich der Adressat der Maßnahme der Leistungspflicht aus persönlichen Gründen nicht nachkommen kann, nicht erfaßt, sondern lediglich die objektive Unmöglichkeit regelt, 244 sind derartige aus der Rechtssphäre des Betroffenen stammende Hinderungsgründe im Geltungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht gänzlich bedeutungslos. Vielmehr entspricht es allgemeiner Meinung, daß die Fälle des subjektiven Unvermögens durch die Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG erfaßt werden, weshalb wegen persönlicher Umstände des Inanspruchgenommenen u.U. die Nichtigkeit des Verwaltungsakts ein-

241

So BVerwGE 69, 366 (373 f.).

242

So jedoch BVerwGE 69, 366 (374).

243

Ebenso Fiedler, NVwZ 1986, 969 (975 r. Sp.); M. Redeker, DÖV 1987, 194 (200).

244

Knack, VwVfG, § 44 Rdnr. 5.4; Kopp, VwVfG, § 44 Rdnrn. 35-38.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

463

treten kann.245 So können Verwaltungsakte beispielsweise dann unwirksam sein, wenn hierdurch eine höchstpersönliche Handlungsverpflichtung angeordnet wird, die der Adressat wegen krankheitsbedingter Gründe nicht zu erbringen vermag und die dennoch zu fordern dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage, auf welche der Verwaltungsakt gestützt wird, entgegensteht.246 Weiterhin wird das Eingreifen der Nichtigkeitsfolge des § 44 Abs. 1 VwVfG zum Teil dann befürwortet, wenn eine Anordnung ohne Rechtsgrundlage bzw. aufgrund einer Rechtsnorm vorgenommen wird, die bei sachgemäßer Auslegung nicht in dem Sinne verstanden werden kann, eine Leistung zu fordern, die offensichtlich die finanziellen Möglichkeiten des Inanspruchgenommenen weit übersteigt.247 Die vorgenannten Beispiele verdeutlichen, daß die Verwaltungsbehörden je nach Sachverhaltsgestaltung durchaus über den eigentlichen Tenor ihrer Entscheidungen hinaus auch solche Umstände in Betracht ziehen müssen, die die Erfüllungshandlung und deren Voraussetzungen betreffen und die bei Nichtbeachtung Sanktionsfolgen, wie hier die Nichtigkeit des Verwaltungsakts, nach sich ziehen können. Für den Folgenbeseitigungsanspruch ist demzufolge davon auszugehen, daß dann, wenn der rechtswidrige Eingriffsakt dem Adressaten eine Handlungsverpflichtung auferlegt, die aufgrund eines objektiven Bewertungsmaßstabes und nach allgemeiner Lebenserfahrung nur durch bestimmte Vollzugshandlungen erfüllt werden kann, nicht nur die primäre Rechtsgutsverletzung, sondern auch diese Erfüllungshandlungen wegen des faktisch untrennbaren Zusammenhangs dem rechtswidrigen Eingriffstatbestand der Behörde zuzurechnen sind. Die im Wege der Folgenbeseitigung vorzunehmende Behebung der eingetretenen Integritätsverletzung erfordert somit für diesen Fall sowohl die Beseitigung des primären Störungserfolges als auch die Ausräumung der zur Erfüllung zwingend notwendigen Sekundärbeeinträchtigungen.

dd) Wertungsgesichtspunkt 3: Ersatzfähigkeit der Folgekosten bei zwangsweiser Vollstreckung der behördlichen Anordnung Bestätigung findet das vorstehende Ergebnis, wenn man sich im Wege einer hypothetischen Betrachtungsweise den Parallelfall vor Augen hält, daß bei Nichterfüllung des staatlichen Handlungsgebots durch den Betroffenen der Verwaltungsakt von der Behörde im Wege des Verwaltungszwangs voll245

Knack, VwVfG, § 44 Rdnrn. 5.4, 4.1.4; Kopp, VwVfG, § 44 Rdnrn. 39 f.

246

Knack, VwVfG, § 44 Rdnr. 4.1.4; Kopp, VwVfG, § 44 Rdnr. 39.

247

Kopp, VwVfG, § 44 Rdnr. 40.

464

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

streckt wird. 248 Unterstellt die Baubehörde hätte in dem eingangs geschilderten Sachverhalt249 bei Weigerung des Hauseigentümers, den vermeintlich materiell-rechtswidrigen Hausanbau abzureißen, diese Anordnung durch Beauftragung eines Bauunternehmers im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt und dem Bürger die so entstandenen Kosten in Rechnung gestellt. In diesem Fall könnte der Betroffene, der dieser rechtswidrig auferlegten Geldleistungsverpflichtung nachgekommen wäre, nach allgemeiner Meinung die Rückzahlung des geleisteten Betrages im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs verlangen. Maßgeblich ist insoweit die Überlegung, daß - um mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts zu sprechen - die behördliche Anweisung final auf die Erbringung dieser Zahlung gerichtet gewesen wäre. 250 Der von einer rechtswidrigen Anordnung betroffene Bürger darf jedoch nicht dadurch schlechter stehen, daß er zunächst einen behördlichen Verwaltungsakt im Vertrauen auf seine Rechtmäßigkeit befolgt, anstatt es auf eine Zwangsvollstreckung der öffentlichen Hand ankommen zu lassen.251 Anderenfalls würde der Geschädigte für die freiwillige Befolgung der hoheitlichen Anordnung mit der fehlenden Erstattungsfähigkeit seiner Erfüllungsaufwendungen wirtschaftlich bestraft. Vielmehr muß insoweit bei der Bestimmung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs von einem wertungsmäßigen Gleichlauf der freiwilligen mit der erzwungenen (vollstreckten) Erfüllungsmaßnahme ausgegangen werden. Mithin sind solche auf einem freien Willensentschluß beruhende Erfüllungsaufwendungen in bezug auf eine rechtswidrige behördliche Anweisung vom Folgenbeseitigungsanspruch erfaßt, welche im Falle des zwangsweise vollzogenen Verwaltungsakts ebenfalls erstattungsfähig wären. Dieses Ergebnis stimmt auch damit überein, daß es für die Rechtsstellung des Betroffenen gerade keinen Unterschied macht, ob die in Erfüllung der staatlichen Gebote entstandenen Sekundärfolgen durch einen vollstreckungsrechtlichen Tatbestand oder gleichsam kraft Natur der Sache im Wege der freiwilligen Erfüllung eingetreten sind. Der lediglich formale Unterschied, daß der Bürger durch einen eigenen Willensentschluß die Folgebeeinträchtigung mitverursacht, kann keine unterschiedliche Bewertung rechtfertigen, sofern ihm - für die Behörde erkennbar - insoweit keine Handlungsalternative zur Verfügung steht. Die Rechtsbetroffenheit bleibt aus Sicht des Bürgers 248

Vgl. hierzu auch Af. Redeker, DÖV 1987, 194 (200 r. Sp. Mitte).

249

S. die Ausführungen unter C IV 2, S. 451.

250

BVerwGE 69, 366 (371-374); vgl. weiterhin VGH Mannheim, VB1BW 1988, 102

(103). 251

Im Ergebnis ebenso M. Redeker, DÖV 1987, 194 (200). Vgl. außerdem die Darstellung in Kapitel 2 Β II 3, S. 200 ff.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

465

dieselbe, weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt eine Gleichbehandlung im Wege der Zurechnung geboten ist.

ee) Grenze der Zurechnung Die vorstehend befürwortete Erstattungsfähigkeit freiwillig vorgenommener Erfüllungsaufwendungen einer rechtswidrigen behördlichen Anordnung im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs bedarf indes einer Einschränkung. Selbstverständlich umfaßt sein Schutzzweck keine vollkommen ungeeigneten oder aber übermäßig kostenträchtigen Erfüllungsmaßnahmen. Die Wahlfreiheit des Bürgers im Hinblick auf die ihm zur Verfügung stehenden Erfüllungsmittel - in diesem Sinne ist dem Bundesverwaltungsgericht zuzustimmen - darf nicht zu einer unkalkulierbaren Kostenlast für die öffentliche Hand führen. Ansonsten würden einer mißbräuchlichen Geltendmachung des Folgenbeseitigungsanspruchs Tür und Tor geöffnet. Die somit erforderliche Eingrenzung läßt sich aus den vorher genannten Wertungskriterien ableiten. So können der Behörde die mit der primären Rechtsgutsverletzung eingetretenen, aufgrund eigener Entscheidung des Betroffenen oder eines Dritten entstandenen Sekundärfolgen nur dann zugerechnet werden, wenn -

sie bei Zugrundelegung eines objektiven Beurteilungsmaßstabes und nach allgemeiner Lebenserfahrung als taugliche und angemessene Erfüllungsmaßnahmen zur Befolgung der staatlichen Anweisung zu qualifizieren sind, - die Erfüllungshandlungen nach dem Kenntnisstand der Behörde bei Erlaß der rechtswidrigen Anordnung als notwendig vorhersehbar waren bzw. - im Falle der Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung erstattungspflichtig wären. Eine derartige Begrenzung der Erstattungsfähigkeit freiwilliger Erfüllungsaufwendungen im Wege einer hypothetischen Kontrollüberlegung verhindert es, daß dem Hoheitsträger bei einer widerrechtlichen Anordnung Erfüllungsmaßnahmen zugerechnet werden, die allein in die individuelle Risiko- und Verantwortungssphäre des betroffenen Bürgers fallen. Bezogen auf den Bardepotfall hat dies zur Konsequenz, daß die getätigten Zinsaufwendungen vom Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt werden. Die Kreditaufnahme stellte ein taugliches Erfüllungsmittel dar und war für die Behörde bei Erlaß des Verwaltungsakts als notwendige Erfüllungsmaßnahme vorhersehbar. Das würde beispielsweise dann nicht gelten, wenn der Betroffene sich das Kapital für das Bardepot durch illegale Verhaltensweisen beschafft hätte. Die hierdurch entstandenen Kosten könnten der 30 Pietzko

466

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

anordnenden Verwaltungsbehörde nicht mehr als notwendig und vorhersehbar zugerechnet werden.

f) Zwischenergebnis Damit bleibt als Zwischenergebnis zu dieser Fallgruppe festzuhalten, daß finanzielle Folgebeeinträchtigungen, welche faktisch als notwendige Folgebelastungen der Rechtsverletzung eintreten, grundsätzlich auch dann vom Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt werden, wenn sie aufgrund eines eigenen Willensentschlusses des behördlicherseits Inanspruchgenommenen bzw. eines Dritten verursacht worden sind. Dies gilt allerdings nur unter der einschränkenden Voraussetzung, daß die Sekundärfolgen durch Erfüllungshandlungen eingetreten sind, die nach Maßgabe eines objektiven Bewertungsmaßstabes sowie nach allgemeiner Lebenserfahrung als zur Befolgung der staatlichen Anordnung geeignet und angemessen zu charakterisieren sind. Zudem müssen sie für die Behörde im Zeitpunkt des Erlasses der widerrechtlichen Anweisung als notwendig vorhersehbar gewesen sein. Wertungsmäßig zugerechnet werden können dem Hoheitsträger aufgrund dieser Überlegungen insbesondere solche Aufwendungen, die bei einer Vollziehung des Verwaltungsakts im Wege der Zwangsvollstrekkung ebenfalls angefallen wären und nach erfolgreicher Anfechtung hätten erstattet werden müssen.

3. Fallgruppe 3: Rechtsanwaltskosten des betroffenen Rechtsinhabers, die als Folge des staatlichen Unrechtsverhaltens entstanden sind Eine dritte Fallkonstellation ist dadurch charakterisiert, daß der betroffene Rechtsinhaber zusätzlich zu der Beseitigung der eingetretenen Schutzgutsverletzung den Ersatz der Kosten verlangt, die ihm durch die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistands als Folge des rechtswidrigen hoheitlichen Eingriffsverhaltens entstanden sind. Relevanz kann dabei bezüglich des Folgenbeseitigungsanspruchs in erster Linie denjenigen Erstattungsbegehren zukommen, die nicht bereits von den spezialgesetzlichen Kostenregelungen der § 162 Abs. 2 VwGO sowie § 80 Abs. 2 VwVfG erfaßt werden. Während § 162 Abs. 2 VwGO die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten regelt, die durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstanden sind, wobei die Kosten des vorangegangenen Vorverfahrens miterfaßt werden, ordnet § 80 Abs. 2 VwVfG die Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten an, die durch die Hinzuziehung eines

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

467

Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren eingetreten sind, dem sich kein Hauptsacheverfahren anschließt. In beiden Fällen steht die Geltendmachung der Anwaltskosten unter der Voraussetzung, daß es sich hierbei um finanzielle Aufwendungen handelt, welche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendig gewesen sind. Mit Rücksicht auf diese besonderen Kostenerstattungsvorschriften kommt vor allem der Frage Bedeutung zu, ob im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs die Beseitigung der Rechtsanwaltskosten verlangt werden kann, die im außergerichtlichen Verfahren bei Vorliegen tatsächlicher hoheitlicher Eingriffe hervorgerufen worden sind, da insoweit ein Widerspruchsverfahren nicht stattfindet. 252

a) Beispielsfall Als Beispielsfall sei die Sachverhaltsgestaltung genannt, bei welcher der Betroffene den Ersatz der Anwaltskosten verlangt, die ihm bei Durchsetzung des Begehrens auf Widerruf einer amtlichen ehrkränkenden Tatsachenbehauptung entstanden sind.253 Fraglich ist, ob der in seiner Ehre bzw. in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Verletzte, der berechtigterweise einen anwaltlichen Beistand in Anspruch genommen hat, um die Behörde zur Rücknahme der unzutreffenden Äußerung zu bewegen, die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit von dem störenden Hoheitsträger mit Hilfe des Folgenbeseitigungsanspruchs fordern kann. Hier geht die Rechtsfrage dahin, ob derartige Sekundärfolgen in Gestalt der Anwaltskosten noch von dem Restitutionsanspruch umfaßt werden.

252

Sofern das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs in bezug auf derartige Rechtsverfolgungskosten bejaht werden könnte, käme allerdings auch in den durch § 162 VwGO bzw. § 80 VwVfG erfaßten Fallkonstellationen u.U. zusätzlich ein Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Denn anerkanntermaßen wird durch diese spezialgesetzlichen prozessualen Kostenvorschriften die Geltendmachung des Kostenersatzes aufgrund anderweitiger materiell-rechtlicher Anspruchsgrundlagen nicht ausgeschlossen, vgl. hierzu Kopp, VwVfG, § 80 Rdnr. 6; ders., VwGO, § 162 Rdnr. 2, § 73 Rdnr. 18; vgl. auch BVerwGE 40, 313 (318 ff.). 253

Vgl. den Sachverhalt der Entscheidung AG Hamburg, AfP 1990, 65 ff.

468

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

b) Meinungsstand Nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung254 und Schrifttum 255 ist die Beseitigungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten über den Folgenbeseitigungsanspruch zu verneinen. Die Befürworter einer restriktiven Auslegung des Anspruchsumfangs begründen die Unanwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs in dieser Fallgruppe im wesentlichen mit den Argumenten, die auch in bezug auf die vorstehend dargelegten Fallkonstellationen angeführt worden sind. So stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, daß beim Fehlen besonderer Rechtsvorschriften allein aus Art. 20 Abs. 3 GG ein Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten einer selbstgewählten Rechtsverteidigung nicht herzuleiten sei. 256 Vielmehr sei Gegenstand des Folgenbeseitigungsanspruchs nur die Ausräumung der realen Folgen eines rechtswidrigen Verwaltungsakts oder eines sonstigen Verwaltungshandelns. Hingegen umfasse er nicht generell den Ausgleich von Schäden, welche durch widerrechtliches Verwaltungshandeln entstanden seien.257 Anderenfalls bliebe für die Rechtsinstitute der Amtshaftung, der Enteignung, des enteignungsgleichen Eingriffs und der Aufopferung kein ausreichender selbständiger Anwendungsraum mehr. 258 Dagegen sind einem anderen Standpunkt zufolge im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs auch die finanziellen Aufwendungen, die durch die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistands im Anschluß an eine Integritätsverletzung entstanden sind, durchsetzbar. 259 Die Verpflichtung zur Naturalrestitution sei im öffentlichen Recht im Hinblick auf Art. 20 GG in einem viel weiteren Sinne zu verstehen als im Zivilrecht, das letztlich auf einer Verschuldenshaftung beruhe. 260 Der Charakter des Folgenbeseitigungsanspruchs als „echtes Schutzinstrument zugunsten des zu Unrecht belasteten Bürgers" 254 BVerwGE 40, 313 (321 f.); OVG Hamburg, DVB1. 1958, 832 (833 f.); OVG Münster, OVGE 27, 125 (126 f.), jeweils in bezug auf die Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltskosten für das Vorverfahren, dem sich kein Klageverfahren anschließt. Vgl. indirekt auch OVG Münster, DVB1. 1979, 787 (788); hingegen offenlassend BVerwG, DVB1. 1960, 854 (855); BGH, DÖV 1956, 155 (156). Ebenfalls einen Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten bei Widerrufsbegehren in analoger Anwendung des § 1004 BGB verneinend: AG Hamburg, AfP 1990, 65 (66). 255 Kopp, VwGO, § 73 Rdnr. 18; Ringe, DVB1. 1958, 834 f.; Weyreuther, S. Β 142 mit Fußn. 595; Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 II f 2, S. 479. 256

Gutachten,

BVerwG, DVB1. 1960, 255 (256).

257

BVerwGE 40, 313 (322); OVG Münster, OVGE 27, 125 (127).

258

OVG Münster, Nachweis wie vor.

259

Grave, NJW 1972, 972 (973); Menger, VerwArch 50 (1959), 77 (91 f.); ders., VerwArch 49 (1958), 73 (84). 260

Menger, VerwArch 50 (1959), 77 (92).

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

469

gebiete es danach, die Nachteile rechtswidrigen, jedoch durch eine Geldentschädigung reparablen Verwaltungshandelns, soweit wie möglich auszuräumen. 261 Sofern die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in concreto zur Rechtsverfolgung notwendig gewesen sei, müsse die Verwaltungsbehörde diese adäquat kausale Schadensfolge ihres rechtswidrigen Verhaltens ausgleichen. „Das Postulat der Rechtsstaatlichkeit jeglichen Verwaltungshandelns" erfordere insoweit die Zubilligung eines sekundären Geldentschädigungsanspruchs in Gestalt des Folgenbeseitigungsanspruchs.262

c) Stellungnahme Den vorstehend genannten Lösungswegen ist entgegenzuhalten, daß sich die Begründung ihrer jeweiligen Standpunkte als nicht stichhaltig erweist. Für die Argumentation der ablehnenden Ansicht folgt dies aus der bereits im Zusammenhang der zweiten Fallgruppe geäußerten Kritik, derzufolge weder die vom Bundesverwaltungsgericht befürwortete Auslegung des Art. 20 Abs. 3 GG noch die angeführte Gefahr der Überschneidung des Folgenbeseitigungsanspruchs mit den anderen staatshaftungsrechtlichen Rechtsinstituten als Grund gegen die Einbeziehung der Anwaltskosten in den Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs zu überzeugen vermag. 263 Aber auch diejenige Auffassung, welche die Ersatzfähigkeit der Rechtsverfolgungskosten bejaht, ist hinsichtlich ihrer Begründung zurückzuweisen. Die Kernaussage dieser Ansicht basiert auf der Überlegung, wonach die Erstrekkung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die Rechtsanwaltskosten durch das Gebot der Rechtsstaatlichkeit gefordert wird. Indessen wurde schon im Rahmen der Erörterung der Rechtsgrundlage ausgeführt, daß dem Rechtsstaatsprinzip wegen seines generellen und damit einhergehenden unspezifischen Regelungsgehalts keine eindeutigen Aussagen in bezug auf die Ausgestaltung des Rechtsinstituts entnommen werden können.264 So ist der Versuch der Ableitung von Einzelanforderungen aus dem allgemeinen Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit dem Vorwurf ausgesetzt, den jeweils gewünschten Inhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs als vermeintlich zwingendes Rechtsstaatsgebot zu bezeichnen. Hierbei wird jedoch verkannt, daß ein rechtsstaatskonformer Regelungsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht schon bedeutet, daß genau dieser Anspruchsinhalt auch von dem Rechtsstaatsprinzip zwingend gefordert wird.

261

Grave, NJW 1972, 972 (973).

262

Grave, Nachweis wie vor.

263

Vgl. die Darstellung unter C IV 2, S. 455 f., sowie S. 457 ff.

264

S. die Ausführungen in Kapitel 1 D II 4, S. 100.

470

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Infolgedessen begegnen beide Ansichten in ihrer Argumentation Bedenken. Vielmehr erscheint es sachgerecht, auch für diese dritte Fallgruppe die Frage des Eingreifens des Folgenbeseitigungsanspruchs vor dem Hintergrund seiner grundrechtlichen Verankerung sowie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Anspruchsgrundlage zu beantworten. Die Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs könnte folglich nur dann bejaht werden, wenn der Ausgleich für derartige Folgekosten des rechtswidrigen Staatshandelns noch von dessen Restitutionsgehalt umfaßt wird. Das steht unter der Voraussetzung, daß eine solche finanzielle Folgebeeinträchtigung trotz des eigenständigen Willensentschlusses des Betroffenen auf Inanspruchnahme anwaltlichen Beistands noch dem Eingriffstatbestand der Behörde zugerechnet werden kann. Bezogen auf den eingangs beschriebenen Beispielsfall müßte demzufolge die Einschaltung des Rechtsanwalts zu dem Zweck, den Hoheitsträger zum Widerruf der unzutreffenden Tatsachenbehauptung zu bewegen, noch der eingetretenen Rechtsgutsverletzung, d.h. der Beeinträchtigung der Ehre bzw. des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, zuzurechnen sein. Ein derartiger Zurechnungszusammenhang zwischen der Schutzgutstangierung und den entstandenen Folgekosten ist indes zu verneinen. Folgende Überlegungen sind hierfür maßgebend: In den vorstehend behandelten zwei Fallgruppen bestand der entscheidende Grund für die Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auch auf die finanziellen Folgebeeinträchtigungen in dem Umstand, daß die Sekundärfolgen bei Vornahme einer Erfüllungshandlung des Betroffenen zur Befolgung der behördlichen Anweisung entstanden sind. Dabei begründete der untrennbare Zusammenhang und die daraus resultierende Deckungsgleichheit zwischen der staatlicherseits angestrebten Erfüllungshandlung und den daraus erwachsenden Folgeverletzungen die Ausdehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die Beseitigung der Sekundärfolgen. 265 Demgegenüber handelt es sich bei den vorliegend in Rede stehenden Rechtsanwaltskosten um Aufwendungen, die der verletzte Rechtsinhaber tätigt, um die bereits eingetretene Rechtsbeeinträchtigung zu beheben oder jedenfalls zu mindern. Damit sind die Kosten durch eine Maßnahme verursacht worden, die durch eine vollständig andere Zielrichtung des Handelns charakterisiert ist, als dies in den beiden vorstehend diskutierten Sachverhaltskonstellationen der Fall gewesen ist. Denn sie sind durch ein Verhalten des Betroffenen entstanden, das i.S. einer Gegeninitiative dazu bestimmt ist, die eingetretene Störung zu beseitigen. Damit können die daraus erwachsenden Kosten nicht als Erfüllungshandlungen dem Eingriffstatbestand der Be265

Vgl. die Ausführungen unter C IV 1, S. 444 ff., sowie unter C IV 2, S. 460 ff.

471

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

hörde zugerechnet werden. Stattdessen sind sie als Beseitigungsaufwendungen zu qualifizieren, die demzufolge nicht mehr vom Schutzbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt werden. Bestätigung findet dieses Ergebnis insofern, als auch bei § 1004 BGB nach einhelliger Auffassung die Kosten der Rechtsverfolgung nicht über den zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch geltend gemacht werden können.266 Da es sich bei den Rechtsanwaltskosten jedoch um einen Schadensposten handelt, der regelmäßig auf Seiten des Betroffenen zur sachgerechten Rechtsverfolgung entsteht, ist das Eingreifen eines Amtshaftungsanspruchs auf Ersatz der Aufwendungen möglich.267 Außerdem können die Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag 268 oder aber - bei entsprechender Mahnung mit Fristsetzung - die §§ 284 ff. BGB analog einschlägig sein.

d) Vergleichbare Fallgestaltungen Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß außer den hier untersuchten Rechtsanwaltskosten auch anderweitige Kosten, die durch Maßnahmen zur Schadensbeseitigung bzw. Schadensminderung entstanden sind, aus dem Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs ausscheiden. Ist beispielsweise infolge von Straßenbauarbeiten ein Schaden an einer Grundstücksmauer verursacht worden, woraufhin der Eigentümer der drohenden Einsturzgefahr mit Abstützungsmaßnahmen zu begegnen sucht, so sind die hiermit verbundenen Kosten ebenfalls nicht über den Folgenbeseitigungsanspruch ersatzfähig. Auch hier handelt es sich um Maßnahmen aufgrund eines eigenen Willensentschlusses, die dem vorangegangenen Eingriffsakt des Hoheitsträgers entgegenlaufen. Damit ist wiederum Rechtsschutz vor allem im Wege des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG bzw. nach Maßgabe der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht zu ziehen. Ebenfalls kann über den Folgenbeseitigungsanspruch nicht der Ersatz von Taxikosten begehrt werden, die für die Fahrt zur Verwahrstelle eines rechtswidrig abgeschleppten Fahrzeuges entstanden sind. Ungeachtet der Tatsache, ob hierbei überhaupt für die Rückerlangung des Eigentums erforderliche Aufwendungen vorliegen, scheidet ihre Ersatzfähigkeit im Rahmen der Folgenbeseitigung bereits deshalb aus, weil es sich jedenfalls um Kosten handelt, die

266

AG Hamburg, AfP 1990, 65 (66); vgl auch Erman/Hefermehl, Rdnr. 26. 267 268

BGB, § 1004

Vgl. hierzu BVerwGE 40, 313 (322); OVG Münster, OVGE 27, 125 (129).

Vgl. hierzu AG Hamburg, AfP 1990, 65 (66 f.), wo allerdings ein Anspruch gem. §§ 677 ff. BGB abgelehnt wurde.

472

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

als Beseitigungsaufwendungen nicht mehr dem behördlichen Eingriffstatbestand zugerechnet werden können.269

e) Zwischenergebnis Mithin bleibt als Zwischenergebnis festzuhalten, daß die als Folge des rechtswidrigen staatlichen Eingriffsverhaltens für den Bürger entstandenen Rechtsanwaltskosten sowie anderweitige Aufwendungen, die im Rahmen der Schadensbehebung bzw. Schadensminderung entstehen, nicht aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs erstattungsfähig sind. Hierbei handelt es sich nicht um Erfüllungsaufwendungen zum Vollzug eines behördlichen, rechtswidrigen Eingriffs, sondern um finanzielle Belastungen, die dem Zwecke der Störungsbeseitigung dienen. Die Erstattung solcher Beseitigungsaufwendungen ist indes nicht mehr vom Schutzzweck des Folgenbeseitigungsanspruchs gedeckt.

4. Fallgruppe 4 (Sonderfall): Gerichts- und Notarkosten, welche bei Eintragung und Löschung einer Zwangshypothek anfallen Abschließend sei auf eine vierte Fallgruppe hingewiesen, die dadurch gekennzeichnet ist, daß bei ihr Folgebeeinträchtigungen sowohl in Gestalt von Erfüllungs- aufwendungen als auch in Form von Beseitigungsaufwendungen gegeben sind.

a) Beispielsfall: Die Entscheidung des OVG Münster vom 21.4.1964 Als Anwendungsbeispiel für diese Fallvariante soll der dem Urteil des OVG Münster vom 21.4.1964 270 zugrundeliegende Sachverhalt herangezogen werden. Danach hatte die Behörde im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens wegen angeblich bestehender Steuerforderungen die Eintragung einer Sicherungshypothek an dem Grundstück des Anspruchstellers veranlaßt. Als sich im nachhinein das Nichtbestehen der behaupteten Ansprüche herausstellte, stellte sich die Frage, ob der Inanspruchgenommene von der Behörde im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs außer der Bewilligung zur Löschung

269 Im Ergebnis ebenso VGH München, BayVBl. 1984, 559 r. Sp. oben, allerdings mit der Begründung, daß es sich hierbei um keine unmittelbaren Vollzugsfolgen des Verwaltungsakts handele; dem VGH München zustimmend Köhler, BayVBl. 1984, 630. 270

OVG Münster, OVGE 20, 38 ff.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

473

der Zwangshypothek auch die Zahlung der Gerichtskosten begehren konnte, die bei Eintragung und Löschung der Zwangshypothek entstanden sind. Darüber hinaus war die Ersatzfähigkeit der Notarkosten, die durch die Beurkundung des Löschungsantrages verursacht worden sind, klärungsbedürftig.

b) Lösung dieses Problembereichs in der Rechtsprechung Das OVG Münster hat das Begehren auf Ersatz der Gerichts- und Notarkosten mit der Begründung verneint, der Folgenbeseitigungsanspruch gewähre nur die Beseitigung der unmittelbaren Beeinträchtigung.271 Er stelle die Kehrseite und das Korrelat des vorangegangenen rechtswidrigen Verwaltungshandelns dar. Weitere schädigende Auswirkungen des widerrechtlichen staatlichen Handelns, die sich erst als weitere Folge des hoheitlichen Eingriffs ergäben, seien hingegen nicht beseitigungsfähig. Ansonsten bestehe das Risiko, die Anspruchsgrenzen zum Amtshaftungsanspruch und zum enteignungsgleichen Eingriff zu verwässern. 272

c) Stellungnahme Mit der vorstehend wiedergegebenen Begründung des OVG Münster liegt das Gericht auf der Linie der herrschenden Ansicht, die den Folgenbeseitigungsanspruch lediglich auf die Beseitigung der unmittelbar eingetretenen Einwirkungsfolgen begrenzen möchte.273 Demgegenüber kann aufgrund der vorgenannten Ausführungen der Auffassung des OVG Münster im Ergebnis nur für einen Teilbereich zugestimmt werden. Denn unbeschadet der Tatsache, daß es sich bei den hier geltend gemachten Kosten um Folgewirkungen der rechtswidrigen Eintragung handelt, darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß die jeweiligen Kostenbeträge einen unterschiedlichen Entstehungsgrund besitzen. Beizupflichten ist dem OVG Münster vor diesem Hintergrund zunächst in der Feststellung, nach der der Ersatz der Gerichts- und Notarkosten, welche bei Löschung der Sicherungshypothek entstanden sind, nicht im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs begehrt werden kann. Hierbei handelt es sich um Folgekosten, die als Beseitigungsaufwendungen einzuordnen sind. Als solche sind sie dem vorangegangen Eingriffstatbestand nicht mehr zurechen271 OVG Münster, OVGE 20, 38 (41 f.); ebenso für diese Fallgestaltung Rösslein, FBA, S. 87 f.; Weyreuther, Gutachen, S. Β 142 mit Fußn. 595. 272

OVG Münster, Nachweis wie vor.

273

Vgl. die Darstellung unter C II, S. 433 f. mit Nachweisen in Fußn. 147 und 148.

474

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

bar. Als Maßnahmen zur Behebung der eingetretenen Rechtsverletzung beruhen sie auf einem im Verhältnis zur vorangegangenen Verletzungshandlung eigenständigen Kausalverlauf. Da sie folglich einen selbständigen Schadensposten des Betroffenen bilden, sind sie über den Amtshaftungsanspruch geltend zu machen. Im Unterschied hierzu sind die finanziellen Belastungen, die aufgrund der Eintragung der Zwangshypothek hervorgerufen worden sind, im Wege der Folgenbeseitigung ersatzfähig. Sie sind als Folgebeeinträchtigungen zu qualifizieren, die mit der erfolgten Eigentumsverletzung, der veranlaßten Eintragung der Sicherungshypothek, in einem untrennbaren Sachzusammenhang stehen. Da diese finanziellen Aufwendungen kraft Gesetzes (vgl. die Regelungen in § 1184 BGB, §§ 866, 867 ZPO, §§ 62 Abs. 1, 32, 68 KostO hinsichtlich der Gerichtskosten für die Eintragung und Löschung der Sicherungshypothek) bei Erfüllung des staatlichen Anspruchs entstehen, sind sie dem hoheitlichen Eingriffstatbestand zurechenbar. Hinsichtlich dieser finanziellen Belastungen trifft somit die gleiche Wertung zu, die bei der ersten Fallgruppe in bezug auf die Gutachterkosten dargelegt wurde. 274 Damit verdeutlicht diese Fallgestaltung in anschaulicher Weise, daß im Hinblick auf die Beseitigungsfähigkeit von Sekundäraufwendungen maßgeblich auf den Entstehungsgrund finanzieller Folgebelastungen abzustellen ist. Nur soweit sie der staatlicherseits verursachten primären Rechtsgutsverletzung noch zugerechnet werden können, erscheint es vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Legitimierung des Folgenbeseitigungsanspruchs als sachgerecht, solche Folgekosten ausnahmsweise als von dem auf Wiederherstellung des ehemaligen Besitzstands gerichteten Folgenbeseitigungsanspruch mitumfaßt anzusehen.

V. Teilergebnis zum Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs Somit ist als Teilergebnis zum Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs folgendes festzuhalten: Die Frage, ob finanzielle Sekundärfolgen der primären Rechtsgutsverletzung über den Folgenbeseitigungsanspruch beseitigungsfähig sind, ist auf der Grundlage einer wertenden Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Legitimierung sowie des Schutzzwecks dieses Rechtsinstituts zu entscheiden. Demnach kommt eine Beseitigungsfähigkeit der Folgebeeinträchtigung nur dann in Betracht, wenn zwischen der eingetretenen Integritätsverletzung und 274

S. die Ausführungen unter C IV 1, S. 444 ff.

C. Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs

475

der Sekundärfolge ein untrennbarer Sachzusammenhang besteht, der eine Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auch auf diese Folgebeeinträchtigung erfordert. Ein derartig zwingender Zusammenhang zwischen der Schutzgutsbeeinträchtigung und der Sekundärfolge kann nur in Ausnahmefällen bejaht werden. Dies ist einmal dann der Fall, wenn die Folgeverletzungen bei Erfüllung der behördlichen Anweisung durch den Bürger aufgrund normativer Grundlage zwingend entstehen. Weiterhin erstreckt sich der Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs grundsätzlich auf diejenigen Sekundärfolgen, die durch faktisch notwendige Erfüllungshandlungen des Betroffenen bzw. eines Dritten hervorgerufen werden. Allerdings ist das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs insoweit davon abhängig, daß es sich bei den Erfüllungsmaßnahmen um solche Handlungen handelt, die auf der Grundlage eines objektiven Bewertungsmaßstabes sowie nach allgemeiner Lebenserfahrung zur Erfüllung der staatlichen Anweisung geeignet und angemessen sind. Des weiteren ist für die Bejahung des Zurechnungszusammenhangs erforderlich, daß die vorgenommenen Erfüllungshandlungen im Zeitpunkt des Erlasses der rechtswidrigen Anweisung für die Behörde vorhersehbar gewesen sind. Diese Voraussetzungen werden insbesondere bei solchen finanziellen Folgebeeinträchtigungen zu bejahen sein, die bei zwangsweiser Durchsetzung des Verwaltungsakts ebenfalls entstanden wären und im nachhinein dem Betroffenen hätten erstattet werden müssen. Demgegenüber ist die Beseitigungsfähigkeit von Aufwendungen, die der betroffene Rechtsinhaber vornimmt, um die bereits eingetretene Schutzgutsbeeinträchtigung wieder zu beheben oder zumindest zu mindern, im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs zu verneinen. Im Unterschied zu den vorgenannten Fallgruppen handelt es sich bei diesen Aufwendungen nicht mehr um finanzielle Beeinträchtigungen, welche im Zusammenhang mit dem behördlichen Eingriffstatbestand hervorgerufen worden sind, sondern vielmehr um solche Kosten, die gerade aufgrund einer Gegeninitiative zum staatlichen Unrechtsverhalten entstanden sind. Derartige Beseitigungsaufwendungen werden nicht vom Schutzzweck des Folgenbeseitigungsanspruchs erfaßt.

476

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

D. Umwandlung des auf Naturalrestitution des ursprünglichen Zustands gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Folgenentschädigungsanspruch Vorstehend wurde festgestellt, daß der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs dem Grundsatz nach in der naturalen Wiederherstellung der vor dem hoheitlichen Eingriffsakt gegebenen Situation besteht. Hingegen ist er auf eine Geldleistungsverpflichtung nur dann gerichtet, wenn die eingetretene Rechtsverletzung gerade in Form eines Geldverlustes vorliegt oder aber die finanzielle Beeinträchtigung mit der Integritätsverletzung in einem untrennbaren Sachzusammenhang steht, der eine Erstreckung des Geltungsbereichs des Rechtsinstituts auf diese Folgestörungen gebietet. In Anknüpfung an dieses Ergebnis ergibt sich indes die weitere Frage, ob sich für den Fall, daß die begehrte tatsächliche Restitution im Einzelfall nicht erfüllbar ist, d.h. die Wiederherstellbarkeit fehlt, der Folgenbeseitigungsanspruch in einen Folgenentschädigungsanspruch oder - in der Terminologie Weyreuthers - in einen Folgenersatzanspruch275 umwandelt. Derartige Gründe, die zum Entfallen des Folgenbeseitigungsanspruchs führen, können vor allem darin liegen, daß die Folgenbeseitigung aus tatsächlichen Gründen unmöglich, wegen rechtlicher Hindernisse unzulässig oder dem Hoheitsträger unzumutbar ist. 276 Nicht verwechselt werden darf die gerade angesprochene Problematik der inhaltlichen Umgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Folgenentschädigungsanspruch mit zwei anderen Fallgestaltungen, bei denen ebenfalls die Möglichkeit eines auf Geldzahlung gerichteten Anspruchsinhalts des Folgenbeseitigungsanspruchs thematisiert wird. Das betrifft zum einen die bereits im Rahmen des Anspruchsinhalts erörterte Frage, ob der Folgenbeseitigungsanspruch statt auf Naturalrestitution wahlweise auf Geldersatz i.S. eines Kompensationsanspruchs gerichtet werden kann. Ein diesbezüglicher doppelter Anspruchscharakter des Folgenbeseitigungsanspruchs wurde jedoch verneint. 277 Zum anderen ist die vorliegend relevante Frage der Transformation des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Entschädigungsanspruch für den Fall des Eingreifens bestimmter Ausschlußgründe von der weitergehenden Pro275

Weyreuther,

Gutachen, S. Β 135 ff., zur Terminologie insbes. S. Β 137 f.

276

Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 4 Β I, S. 507 ff., in Kapitel 4 Β II, S. 509 ff., sowie in Kapitel 4 Β III, S. 531 ff. 277

Vgl. die Darstellung unter Β III 5, S. 429 f.

D. Folgenbeseitigungsanspruch und Folgenentschädigungsanspruch

477

blemstellung der prinzipiellen Anerkennung eines selbständigen, gesondert legitimierten Rechtsinstituts des Folgenentschädigungsanspruchs zu unterscheiden. Die Möglichkeit der Zubilligung eines eigenständigen Haftungsinstituts des Folgenentschädigungsanspruchs, wie sie teilweise in dogmatischer Anlehnung an den Folgenbeseitigungsanspruch278 oder in rechtlicher Verwandtschaft zum enteignungsgleichen Eingriff angenommen wird, 279 kann im Rahmen der vorliegenden Thematik nicht untersucht werden. Bei der hier maßgeblichen Problematik geht es somit ausschließlich um die Rechtsfrage, ob der als tatsächlicher Restitutionsanspruch qualifizierte Folgenbeseitigungsanspruch bei Unerfüllbarkeit der Wiederherstellung seinen Anspruchsinhalt verändert, und „als verlängerter, als umgewandelter Folgenbeseitigungsanspruch"280 eine Geldentschädigung ermöglicht. Daß eine derartige Anspruchsumwandlung dem geltenden Recht nicht fremd ist, kommt in der zivilrechtlichen Vorschrift des § 251 Abs. 1 BGB zum Ausdruck. Hiernach ist für den Fall, daß die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, ausdrücklich das Eingreifen eines Geldentschädigungsanspruchs vorgesehen. Aktualität gewinnt die Frage der Anerkennung eines auf Geldzahlung abzielenden Folgenentschädigungsanspruchs bei Nichterfüllbarkeit der Restitutionsverpflichtung durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.4.1989,281 in dem die Zuerkennung eines Ausgleichsanspruchs auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 251 BGB diskutiert worden ist. Da diese Problemstellung im Rahmen der gerade genannten Entscheidung im Zusammenhang mit der analogen Anwendbarkeit des § 254 Abs. 1 BGB im Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs behandelt worden ist und sich darüber hinaus ausschließlich dann stellt, wenn das Vorliegen eines Ausschlußgrundes zum Entfallen dieses Rechtsinstituts führt, soll die mögliche Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs wegen dieses Sachzusammenhangs ebenfalls im Kontext der Ausschlußtatbestände dargestellt werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf diese Fragestellung im Rahmen der Ausschlußgründe des Folgenbeseitigungsanspruchs in Kapitel 4 ausführlich eingegangen.282

278 S. hierzu Franke, Der Folgenentschädigungsanspruch - Folgenbeseitigung durch Entschädigung - , Diss. Münster 1965; ders., VerwArch 57 (1966), S. 357 ff. 279

Vgl. dazu Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 12; Ossenbühl, StHR, S. 207 f.

280

So Weyreuther,

281

BVerwG, NJW 1989, 2484 (2485 f.).

Gutachten, S. Β 142.

282 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4 Β V 1, S. 541 ff., weiterhin in Kapitel 4 Β V 2, S. 547 ff., sowie in Kapitel 4 Β V 3, S. 554 ff.

478

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

E. Exkurs: Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs von anderen staatshaftungsrechtlichen Anspruchsnormen Die Festlegung von Anspruchsinhalt und Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs ermöglicht es zugleich, die Abgrenzung dieses Haftungsinstituts von anderen staatshaftungsrechtlichen Normen vorzunehmen. Im einzelnen stellt sich hierbei die Frage nach dem rechtlichen Verhältnis des Folgenbeseitigungsanspruchs zum Amtshaftungsanspruch (I), zum enteignungsgleichen bzw. aufopferungsgleichen Eingriff (Π), zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (ΠΙ) sowie - als schwerpunktmäßige Darstellung - nach der Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs zum verwaltungsrechtlichen Unterlassungsanspruch (IV).

I. Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG Unproblematisch ist zunächst die tatbestandliche Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs zum Amtshaftungsanspruch. So knüpft der Schadensersatzanspruch an eine drittbezogene Amtspflichtverletzung an, 283 weshalb, anders als beim Folgenbeseitigungsanspruch, im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs auch die rechtswidrig unterbliebene oder verzögerte Erfüllung eines Leistungsanspruchs u.U. die Schadensersatzpflicht des Hoheitsträgers begründen kann.284 Darüber hinaus setzt das Eingreifen des § 839 BGB ein schuldhaftes Verhalten der öffentlichen Hand voraus. Hinsichtlich der Rechtsfolgenseite ergibt sich aus dem Umstand, daß der Amtshaftungsanspruch im Bereich des öffentlichen Handelns, wie bereits erwähnt, auf Geldersatz beschränkt ist, 285 und seinem Rechtscharakter nach als Sekundäranspruch zu qualifizieren ist, folgende Abgrenzung zum Folgenbeseitigungsanspruch: Soweit der Folgenbeseitigungsanspruch auf die tatsächliche Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gerichtet ist, übernimmt er in einem Teilbereich eine Funktion, welche im Zivilrecht der auf tatsächliche Naturalrestitution abzielende Schadensersatzanspruch mitumfaßt. Insofern ist der Anwendungsbereich des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegenüber dem zivilrecht283 Ausführlich zu den einzelnen in Betracht kommenden Amtspflichten: Ossenbühl, StHR, S. 30-34; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnrn. 165-186; Rüfner, in: Erichsen/ Martens, AllgVerwR, § 51 II 3, S. 533-538. 284 S. hierzu BGH, NVwZ 1984, 332 (333); BGH, DVB1. 1971, 464 (465); BGHZ 30, 19 (26); 15, 305 (309); Ossenbühl, StHR, S. 31, 33, 42; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 181; Rüfner, in: Erichsen /Martens, AllgVerwR, § 51 II 3, S. 534 f. 285

Vgl. die Darstellung unter Β II 3, S. 402 f., sowie die Nachweise in Fußn. 57.

E. Exkurs: Abgrenzung zu anderen Anspruchsnormen

479

liehen Deliktsrecht eingeschränkt. Der Folgenbeseitigungsanspruch übt deshalb im öffentlichen Recht eine Art Auffangfunktion aus.286 In dem Umfang, in dem nach hier vertretenem Standpunkt der Folgenbeseitigungsanspruch die Geltendmachung von Sekundärfolgen einschließt, die als Folge der Rechtsgutsverletzung notwendigerweise eingetreten sind,287 besteht dann, wenn den Hoheitsträger zusätzlich ein Verschuldensvorwurf trifft, eine Anspruchskonkurrenz zum Amtshaftungsanspruch. Da es sich bei dem Schadensersatz im Verhältnis zur Folgenbeseitigung um die weitere Rechtsfolge handelt, weil dieser alle diejenigen Rechtsgütereinbußen umfaßt, die adäquat kausal durch die Mißachtung der drittschützenden Amtspflicht eingetreten sind,288 werden derartige mit der Integritätsverletzung in untrennbarem Zusammenhang stehende Sekundärbeeinträchtigungen sowohl von dem engeren an der Herstellung (grund-)rechtlicher Integrität orientierten Folgenbeseitigungsanspruch als auch von dem Schadensersatzanspruch erfaßt. In systematischer Hinsicht besteht überdies zwischen beiden Rechtsinstituten der Unterschied, daß der Amtshaftungsanspruch als auf den Staat übergeleitete, persönliche Beamtenhaftung zu kennzeichnen ist, 289 und damit eine Form der mittelbaren Staatshaftung darstellt. 290 Demgegenüber begründet der unmittelbar gegen den störenden Hoheitsträger geltend zu machende Folgenbeseitigungsanspruch eine orginäre, direkte Verantwortlichkeit des Staates.291

I I . Enteignungsgleicher/aufopferungsgleicher Eingriff Keine Schwierigkeiten ergeben sich ferner im Verhältnis von enteignungsgleichem sowie aufopferungsgleichem Eingriff zum Folgenbeseitigungsanspruch. Zwar kann in tatbestandlicher Hinsicht im Einzelfall eine Überschneidung vorliegen, sofern ein rechtswidriger, hoheitlicher Eingriff in eine eigentumsrechtlich geschützte Rechtsposition292 bzw. in ein nicht vermögensrechtliches

286

S. die Ausführungen unter Β III 3, S. 411 ff.

287

Vgl. die Darstellung unter C IV 1 - 4 , S. 436 ff.

288

Ossenbühl, StHR, S. 41 f.; Rüfner, S. 538 f. i.V.m. § 51 IV, S. 546. 289

in: Erichsen/Martens,

AllgVerwR, § 51 II 4,

Ossenbühl, StHR, S. 5, 67; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 253.

290

Ossenbühl, StHR, S. 5. Anders die Regelung im StHG 1981, in dem die unmittelbare Staatsunrechtshaftung festgeschrieben war, vgl. §§ 2, 3 StHG. 291

Vgl. nur Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 75.

292

Vgl. die Nachweise in Fußn. 232.

480

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Rechtsgut293 festzustellen ist. Jedoch besteht in bezug auf die Rechtsfolge regelmäßig kein Abgrenzungsproblem, als der enteignungsgleiche bzw. aufopferungsgleiche Eingriff vorrangig auf die Zahlung einer Geldentschädigung für die erlittene Rechtsverletzung abzielt,294 wohingegen der Folgenbeseitigungsanspruch primär auf die tatsächliche Ausräumung der rechtswidrig entstanden Folgen staatlichen Verhaltens gerichtet ist. 295 Gleichwohl kann sich der Anwendungsbereich dieser Rechtsinstitute überschneiden, wenn eine unmittelbar mit der Integritätsverletzung zusammenhängende finanzielle Folgebeeinträchtigung besteht, die wegen dieses einheitlichen Rechtsgrundes auch vom Folgenbeseitigungsanspruch erfaßt wird. Für diesen Fall stehen die Haftungsinstitute in Anspruchskonkurrenz. Allerdings wird es sich hierbei in der Praxis um Ausnahmefälle handeln, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Eingriffen in das Vermögen der enteignungsgleiche Eingriff ohnehin nicht eingreift 296 und zudem beide Sekundäransprüche durch das Kriterium der „Unmittelbarkeit" der entstandenen Beeinträchtigung begrenzt sind.297 Somit übernimmt der Folgenbeseitigungsanspruch in diesem Bereich ebenfalls die Aufgabe der Schließung einer ansonsten bestehenden Haftungslücke.

I I I . Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch Während früher die Ansicht vertreten worden ist, bei dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch handele es sich um einen Unterfall des Folgenbeseitigungsanspruchs,298 stellen nach nunmehr überwiegend vertretenem Standpunkt beide Anspruchsnormen zwei selbständige Anspruchsgrundlagen dar. 299 293

S. hierzu Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 113 f., 117; Maurer, AllgVerwR, § 27 Rdnrn. 8, 12 f.; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 IV 1, S. 586 f. 294 Für den enteignungsgleichen Eingriff vgl. die Nachweise in Fußn. 61. Hinsichtlich des aufopferungsgleichen Eingriffs Maurer, AllgVerwR, § 27 Rdnrn. 17 f. i.V.m. § 26 Rdnrn. 60-66; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 IV 2, S. 590. 295

Vgl. die Darstellung unter Β III 3, S. 411 ff.

296

So BGHZ 83, 190 (191 -195).

297

Zur Geltung des „Unmittelbarkeitskriteriums" im Rahmen des enteignungsgleichen Eingriffs: Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 100-102; Detterbeck, JA 1991, 7 (8 f.); Eberle/ Gersdorf, Jura 1990, 317 (328); Ossenbühl, StHR, S. 154-157; Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 III 1, S. 582 f., sowie in bezug auf den aufopferungsgleichen Eingriff: Rüfner, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 52 IV 1, S. 589; einschränkend BGH, NJW 1971, 1881 (1883), wonach das Opfer nicht unmittelbar durch den Eingriff verursacht sein muß. 298 VGH Kassel, DÖV 1956, 185 (186 f.); OVG Münster, OVGE 20, 38 (40); Haueisen, DVB1. 1973, 739 (742 in Fußn. 15); Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, S. 200; weitere Nachweise bei Rösslein, FBA, S. 40 in Fußn. 139.

E. Exkurs: Abgrenzung zu anderen Anspruchsnormen

481

Dieser Trennung beider Rechtsinstitute ist mit Rücksicht auf ihren jeweils verschiedenen Geltungsgrund beizupflichten. Während der Folgenbeseitigungsanspruch aus dem grundrechtlichen Abwehrrecht abzuleiten ist und an die eingetretene Integritätsverletzung anknüpft, 300 beruht der Erstattungsanspruch auf dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach eine ohne Rechtsgrund erfolgte Rechtsgüterverschiebung wieder rückgängig zu machen ist. 301 So wird nach hier befürworteter Ansicht der Folgenbeseitigungsanspruch inhaltlich konkretisiert durch die zivilrechtliche Vorschrift des § 1004 BGB analog, 302 wohingegen der Erstattungsanspruch in entsprechender Anwendung der §§ 812 ff. BGB ausgestaltet ist, sofern dem nicht zwingende öffentlich-rechtliche Grundsätze entgegenstehen.303 In tatbestandlicher Hinsicht besteht zudem ein weiterer Unterschied in der Tatsache, daß der Erstattungsanspruch - anders als der Folgenbeseitigungsanspruch - nicht zwingend ein rechtswidriges Handeln des Hoheitsträgers voraussetzt. Vielmehr stellt der Erstattungsanspruch darauf ab, daß eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung stattgefunden hat. 304 Eine Überschneidung der Anwendungsbereiche beider Rechtsinstitute wird somit insbesondere dann vorliegen, wenn die Vermögensverschiebung auf einem rechtswidrigen, im nachhinein aufgehobenen Verwaltungsakt beruht. Überschneidungen sind im übrigen denkbar, wenn man anerkennt, daß der Erstattungsanspruch nicht nur bei einer aufgrund einer Leistung erfolgten

299 Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 276; Bachof, Vornahmeklage, Vorwort, S. XV; a.A. ders., Vornahmeklage, 1. Aufl., S. 98 ff.; Maurer, AllgVerwR, § 28 Rdnrn. 2, 21; Obermayer, JuS 1963, 110 (114 f.); Ossenbühl, StHR, S. 207; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (63 f.); Weyreuther, Gutachten, S. Β 21 ff., insbes. S. Β 24. Ebenso anerkennt Söhn, Folgenbeseitigung, S. 5 ff., den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Erstattungsanspruch als selbständiges Haftungsinstitut neben dem Folgenbeseitigungsanspruch. Darüber hinaus qualifiziert er jedoch im Bereich des Steuerrechts den Anspruch auf Erstattung zu Unrecht angeforderter Steuern als den zweiten Teil eines „allgemeinen (Folgen)Beseitigungsanspruchs", bei dem es sich um einen Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch handele. Der maßgebliche Grund für diese Zuordnung der Erstattung rechtswidrig bewirkter Steuerforderungen oder anderweitiger Geldleistungen zur Folgenbeseitigung bestehe in der Tatsache, daß vor der Erstattung die Aufhebung des fehlerhaften Leistungsbescheides erforderlich sei. Dies habe mit erstattungsrechtlichen Grundsätzen nichts zu tun, vielmehr sei insofern die Zuordnung zum Folgenbeseitigungsanspruch geboten, vgl. Söhn, a.a.O., S. 7 - 1 0 , 243. 300

Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 D II 6, S. 107 ff.

301

Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 276; Maurer, AllgVerwR, § 28 Rdnr. 21.

302

S. hierzu die Ausführungen in Kapitel 1 D III, S. 119 ff.

303

Vgl. hierzu BVerwG, DVB1. 1985, 850; Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 30 III, S. 353; Maurer, AllgVerwR, § 28 Rdnr. 21. S. bereits die Darstellung in Kapitel 1 D III 1, S. 122 ff. 304 VGH Mannheim, ESVGH 32, Nr. 41, S. 88 (91); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 276; Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 30 III, S. 353; Maurer, AllgVerwR, § 28 Rdnrn. 2, 24; H. Weber, JuS 1986, 29 (31, 34).

31 Pietzko

482

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Rechtsgutsverschiebung in Analogie zu § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB eingreift, sondern auch dann, falls sie in entsprechender Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB in sonstiger Weise, d.h. durch einen Eingriff, eingetreten ist. 305 Sofern hier der Hoheitsträger noch bereichert ist, kommt eine Anspruchskonkurrenz zwischen beiden Anspruchsgrundlagen in Betracht.

IV. Unterlassungsanspruch 1. Einleitung Gewichtige Abgrenzungsprobleme ergeben sich indessen im Verhältnis des Folgenbeseitigungsanspruchs zum verwaltungsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Diese in der Rechtsprechung und Literatur stiefmütterlich behandelte Problematik tritt am augenfälligsten im Bereich des Immissionsrechts zutage. Bereits ein erster Überblick über die einschlägigen Stellungnahmen der Rechtsprechung sowie des Schrifttums bringt die dogmatische Unsicherheit zum Ausdruck, die hinsichtlich der Abgrenzung der beiden Anspruchsnormen besteht. Die Unklarheit belegt auch die terminologische Vielfalt, mit der die Immissionsabwehrklage gekennzeichnet wird. So wird in dem Urteil des OVG Lüneburg vom 30.10.1984306 das gegen die Lärmeinwirkungen eines Kinderspielplatzes gerichtete Anspruchsbegehren, das auf ein Nutzungsverbot bzw. auf Sicherungsmaßnahmen zur Einhaltung der Öffnungszeiten abzielte, als allgemeiner öffentlich-rechtlicher „Abwehr-, Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch" qualifiziert, „der sich inhaltlich an die Regelung des § 1004 BGB anlehnt und als Folgenbeseitigungsanspruch bei Rechtsbeeinträchtigungen durch tatsächliches Verwaltungshandeln besteht". Ähnlich verfährt der VGH Mannheim in seinem Urteil vom 16.11.1984,307 in dem er den auf Beseitigung eines Bolzplatzes gerichteten Anspruch als allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehr-, Beseitigungsund Unterlassungsanspruch" in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB kennzeichnet. Auch das OVG Münster hat mit Urteil vom 10.9.1982308 die auf die Entfernung einzelner Spielgeräte gerichtete Immissionsabwehrklage ebenfalls als allgemeinen öffentlich-rechtlichen »Abwehr-, Unterlassungs- und (Folgen-) Beseitigungsanspruch" eingeordnet. Ferner hat das Bundesverwal305 Dies befürworten ausdrücklich Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 30 III, S. 353; H. Weher, JuS 1986, 29 (30 f., 33 f.); demgegenüber verneinend VG Minden, NVwZ 1985, 679 (680); diese Frage offenlassend Ossenbühl, StHR, S. 211; Wolff/Bachof, VerwR I, § 44 I b 6, S. 340 f. 306

OVG Lüneburg, BRS 42 (1984), Nr. 188, S. 423 (424).

307

VGH Mannheim, VB1BW 1985, 222.

308

OVG Münster, NVwZ 1983, 356 (357).

E. Exkurs: Abgrenzung zu anderen Anspruchsnormen

483

tungsgericht in einem Urteil vom 19.1.1989,309 dem die Klage eines Grundstücksanliegers gegen die von einem Sportplatz ausgehenden Lärmimmissionen zugrundelag und auf ein Nutzungsverbot bzw. eine Nutzungseinschränkung gerichtet war, als „öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch" eingeordnet. Ausdrücklich offengelassen hat das Gericht dabei die Frage, ob Grundlage eines nachbarrechtlichen Abwehranspruchs gegen Immissionen einer hoheitlich betriebenen Anlage der grundrechtliche Abwehranspruch aus Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, die §§ 1004, 906 BGB analog oder ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch ist. 310 In ähnlicher Weise hat mit Urteil vom 2.12.1986311 der VGH Mannheim entschieden. Er qualifiziert die auf ein Nutzungsverbot bzw. Lärm- und Schutzmaßnahmen abzielende Klage, mit welcher die von einem Spielplatz hervorgerufenen Beeinträchtigungen unterbunden werden sollten, als „Störungsabwehranspruch", dessen Rechtsgrundlage entweder § 1004 BGB analog oder aber Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG bilde. Demgegenüber hat das OVG Münster in einem Urteil vom 21.4.1983, 312 dem die Klage eines Nachbarn auf Unterlassung der Nutzung eines Feuerwehrgerätehauses als Standort einer Baukolonne zugrundelag, ausdrücklich zwischen dem auf bloßes Unterlassen rechtswidriger Immissionen gerichteten „schlichten negatorischen Abwehranspruch" und dem „Folgenbeseitigungsanspruch" unterschieden. Ebenso hat der VGH Mannheim mit Urteil vom 3.5. 1984 313 eine eindeutige Kennzeichnung des geltend gemachten Anspruchs vorgenommen, indem er die von einem Nachbarn auf Beseitigung einer Telefonzelle gerichtete Klage als „öffentlich-rechtliche Abwehrklage" eingestuft hat, die sich damit als „Spezialfall des gewohnheitsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs" erweise. Die gleiche Diskrepanz der Ansichten sowie eine dementsprechende Vielfalt des Sprachgebrauchs ist im Schrifttum festzustellen. So vertritt Führen 314 den Standpunkt, der Unterlassungsanspruch stelle eine Sonderform des Folgenbeseitigungsanspruchs dar, da kein Grund dafür ersichtlich sei, neben dem Folgenbeseitigungsanspruch einen eigenständigen Abwehranspruch i.S. eines

309

BVerwG, NJW 1989, 1291.

310

BVerwG, NJW 1989, 1291 r. Sp. Mitte.

311

VGH Mannheim, BauR 1987, 414.

312

OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021).

313

VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 (2353 1. Sp. unten).

314

Führen, VR 1986, 5 (7 f., 11), unter Ablehnung des haftungsbegrenzenden Kriteriums der Zumutbarkeit - so Führen, a.a.O., S. 8 - das - zusammen mit dem Merkmal der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit der Folgenbeseitigung - nach herrschender Meinung den Folgenbeseitigungsanspruch einschränkt. S. hierzu weiterhin den Nachweis in Fußn. 321.

484

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Unterlassungsanspruchs anzuerkennen. Ähnlich argumentiert Lorentz, 315 der ebenfalls davon ausgeht, daß der Folgenbeseitigungsanspruch „als besondere Erscheinungsform auch den allgemeinen »Unterlassungs- oder Störungsbeseitigungsanspruch4 gegen rechtswidrige hoheitliche Realakte" umschließt. Dagegen befürworten Laubinger 316 und Maurer 317 eine klare inhaltliche und begriffliche Trennung beider Anspruchsgrundlagen.

2. Problemstellung Die vorstehend illustrierten Unterschiede in den Auffassungen in bezug auf das rechtliche Verhältnis zwischen Folgenbeseitigungsanspruch und Unterlassungsanspruch wäre allerdings kaum beunruhigend, handelte es sich hierbei allein um eine terminologische Auseinandersetzung, der kein materiell-rechtlicher Bedeutungsgehalt zukommt. Gerade das ist aber nicht der Fall. Begründet liegt dies in dem unterschiedlichen Regelungsgehalt, der beiden Anspruchsnormen beigemessen wird. So setzt der Folgenbeseitigungsanspruch einen bereits geschehenen rechtswidrigen staatlichen Eingriffsakt voraus und gewährt die Beseitigung der andauernden Rechtsbeeinträchtigung durch Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands.318 Im Unterschied hierzu ist der Unterlassungsanspruch dadurch gekennzeichnet, daß er an einen zukünftig drohenden staatlichen Verletzungstatbestand anknüpft und auf die Behebung der störenden Einwirkung für die Zukunft gerichtet ist. 319 Angesichts der so gegebenen weiteren Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs, der die Wiederherstellung des störungsfreien Zustands ermöglicht, und damit dem Hoheitsträger eine schwerwiegendere Verhaltensweise abverlangt, ist anerkannt, daß der Folgenbeseitigungsanspruch im Unterschied zum Unterlassungsanspruch durch weitergehende, die Haftung einschränkende Elemente bestimmt wird. 320 So scheidet der Folgenbeseitigungsanspruch, worauf im einzelnen im vierten Kapitel eingegangen wird, trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen gleichwohl aus, wenn 315

Lorentz,, Verhältnis, S. 122 f.

316

Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (298-301).

317

Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 9.

318

Vgl. die Darstellung unter Β III 3, S. 411 ff.

319

S. hierzu Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (293 ff., 299), unter ausführlicher Analyse der einschlägigen Rechtsprechung. 320

So ausdrücklich OVG Münster, BauR 1987, 46 (50); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 1. Sp. unten).

E. Exkurs: Abgrenzung zu anderen Anspruchsnormen

485

die Folgenbeseitigung tatsächlich nicht möglich, rechtlich nicht zulässig oder dem Hoheitsträger nicht zumutbar ist. 321 Mit Rücksicht auf diese unterschiedliche Ausgestaltung der beiden Rechtsinstitute erscheint es, entgegen der von Führen 322 und Lorentz 323 angenommenen Konzeption, nicht sachgerecht, den Unterlassungsanspruch lediglich als besondere Erscheinungsform des Folgenbeseitigungsanspruchs zu qualifizieren. Eine derartige Einordnung verkennt, daß beide Anspruchsnormen, trotz ihres identischen Legitimationsgrundes im grundrechtlichen Abwehrrecht, durch unterschiedliche Entstehungstatbestände gekennzeichnet sind. So kann der Abwehranspruch in Gestalt des Folgenbeseitigungsanspruchs erst dann Bedeutung erlangen, wenn ein hoheitlicher Eingriff im Wege des Unterlassungsanspruchs nicht mehr abwehrbar ist, d.h. wenn das staatliche Unrechtsverhalten bereits zu einer fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung geführt hat. 324 Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, beide Anspruchsnormen als selbständige Rechtsinstitute zu begreifen. Darüber hinaus erscheint angesichts der differierenden Schutzfunktionen von Folgenbeseitigungsanspruch einerseits und Unterlassungsanspruch andererseits eine klare Grenzziehung zwischen den beiden Anspruchsgrundlagen im Interesse der Rechtssicherheit für den betroffenen Bürger erforderlich.

3. Herkömmlicherweise vertretene Abgrenzung zwischen dem Folgenbeseitigungsanspruch und dem Unterlassungsanspruch Aus den vorgenannten Ausführungen ergibt sich zugleich das maßgebliche Kriterium, mit dessen Hilfe beide Anspruchsnormen üblicherweise in Anlehnung an § 1004 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB abgegrenzt werden. 325 So entspricht es allgemeiner Überzeugung, daß bei einem zukünftigen hoheitlichen Eingriffsakt der Unterlassungsanspruch das maßgebliche Rechtsschutzmittel dar321 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4 Β I, S. 507 ff., in Kapitel 4 Β II, S. 509 ff., sowie in Kapitel 4 Β III, S. 531 ff. A.A. hingegen Führen, VR 1986, 5 (8), der das haftungseinschränkende Kriterium der „Zumutbarkeit" der Folgenbeseitigung ablehnt und demzufolge den Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch als einheitlichen Abwehranspruch qualifiziert. Vgl. bereits die Darstellung unter E IV 1, S. 482 ff., sowie den Nachweis in Fußn. 314. 322

S. den Nachweis in Fußn. 314.

323

Vgl. den Nachweis in Fußn. 315.

324

S. dazu die Darstellung in Kapitel 1 D II 6, S. 111 ff.

325

Vgl. zur Abgrenzung des Beseitigungs- vom Unterlassungsanspruch im Zivilrecht: Medicus, in: Müko, BGB, § 1004 Rdnrn. 59-63, 80-83; Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 5a, 6a-d; Soergel/Mühl, BGB, § 1004 Rdnrn. 37, 40, 69-71.

486

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

stellt,326 während das wesensbestimmende Merkmal des Folgenbeseitigungsanspruchs darin besteht, bei einem bereits erfolgten Verwaltungsunrecht einzugreifen. 327 Unbeschadet der teilweise unterschiedlichen Formulierungen im Detail setzt der Unterlassungsanspruch dabei nach herrschender Ansicht voraus, daß ein erstmaliger oder wiederholter hoheitlicher Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht bevorsteht, der rechtswidrig ist und zu dessen Duldung der verletzte Rechtsinhaber nicht verpflichtet ist. 328 Aufgrund dieser allgemeinen Begriffsbestimmung bereitet es beispielsweise im Regelungsbereich der ehrkränkenden Äußerungen keine Schwierigkeiten, zu einer eindeutigen Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs vom Unterlassungsanspruch zu gelangen. Während für den Fall der bereits erfolgten Verlautbarung einer staatlichen ehrverletzenden Tatsachenbehauptung der Bürger den Widerruf der Erklärung über den Folgenbeseitigungsanspruch durchzusetzen vermag, 329 kann der zukünftigen Wiederholung eines herabsetzenden Werturteils oder einer Tatsachenmitteilung durch staatliche Stellen durch Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs begegnet werden. 330

326 VGH Kassel, DVB1. 1968, 811 (812 f.); VGH Mannheim, VB1BW 1989, 187 (188 1. Sp. Mitte); VGH Mannheim, NVwZ 1989, 279 (280 1. Sp. oben); VGH Mannheim, AfP 1985, 240 r. Sp. Mitte; VGH Mannheim, VB1BW 1983, 25 (26 r. Sp. Mitte); OVG Münster, NVwZ 1985, 123 r. Sp. oben; OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 1. Sp.); vgl. auch Erichsen/ Hoffmann-Becking, JuS 1971, 144 (149); Frotscher, JuS 1978, 505 (509). 327 VGH Kassel, DVB1. 1968, 811 (813 r. Sp. oben); Erichsen/ Hoffmann-Becking, JuS 1971, 144 (149); Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (301); vgl. weiterhin VGH Mannheim, NVwZ 1989, 279 (280); OVG Münster, DVB1. 1967, 51 (53 ff.). 328 Vgl. zur tatbestandlichen Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs: VGH Mannheim, VB1BW 1989, 187 (188 1. Sp. Mitte); VGH Mannheim, NVwZ 1989, 279 (280 1. Sp. oben); VGH Mannheim, VB1BW 1987, 464 r. Sp. oben; VB1BW 1983, 25 (26 r. Sp. Mitte); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 1. Sp.). Zu den Anforderungen an die Geltendmachung eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs vgl. VGH Mannheim, VB1BW 1985, 60. 329 Vgl. exemplarisch BVerwG, NJW 1989, 2272 (2277); BVerwG, AfP 1989, 487; BVerwGE 59, 319 (326 f.); VGH Kassel, DVB1. 1968, 811 (813); OVG Koblenz, NJW 1987, 1660 f. S. weiterhin die Nachweise in Kapitel 2, Fußn. 444-450. Darüber hinaus besteht ein weiterer Abgrenzungsgesichtspunkt zwischen der Geltendmachung eines Widerrufs- und eines Unterlassungsbegehrens in der Tatsache, daß im Wege des Widerrufs lediglich Tatsachenerklärungen, hingegen über den Unterlassungsanspruch sowohl Tatsachenbehauptungen wie auch Meinungsäußerungen angegriffen werden können. Vgl. zur Begründung die Nachweise in Kapitel 2, Fußn. 241. 330 S. beispielsweise VGH Kassel, DVB1. 1968, 811 (812 f.); VGH Mannheim, VB1BW 1989, 187 (188); VGH Mannheim, NVwZ 1989, 279 (280); VGH Mannheim, AfP 1985, 240 f.; VGH München, NVwZ 1986, 327; OVG Münster, NVwZ 1985, 123.

E. Exkurs: Abgrenzung zu anderen Anspruchsnormen

487

4. Spezifische Abgrenzungsprobleme zwischen Folgenbeseitigungsanspruch und Unterlassungsanspruch im Immissionsrecht Besteht für das Sachgebiet der amtlichen ehrkränkenden Äußerungen somit Klarheit hinsichtlich des jeweiligen Anwendungsbereichs von Folgenbeseitigungsanspruch und Unterlassungsanspruch, so kann gleiches für die Immissionsabwehrklage nicht festgestellt werden. Die Abgrenzungsschwierigkeiten im Immissionsrecht beruhen dabei auf dem Umstand, daß hier eine Vielzahl unterschiedlicher Einzelmaßnahmen zur Störungsabwehr in Betracht kommt, die sich sowohl auf die immittierende Anlage selbst als auch auf deren Benutzung erstrecken können. Die Analyse der einschlägigen Rechtsprechung zeigt, daß vor allem folgende Anspruchsziele von den Betroffenen geltend gemacht werden: - Alternative

1 — in bezug auf die Anlage selbst:

-

Klage, mit der die Errichtung der emittierenden Anlage von vornherein verhindert werden soll, 331 - Anspruch auf vollständige Beseitigung der Anlage,332 - Anspruch auf Entfernung einzelner Bestandteile der Anlage, die für die Immissionsbelastung verantwortlich sind.333 - Alternative -

2 — hinsichtlich der Nutzung bzw. des Betriebs der Anlage:

Anspruch auf vollständiges Nutzungsverbot bzw. Betriebsuntersagung (vgl. § 20 Abs. 1 BImSchG), 334

331 Vgl. exemplarisch OVG Berlin, NVwZ 1989, 267 f. - Antrag auf einstweilige Anordnung gegen die Errichtung einer Schule; VGH Kassel, NJW 1990, 1131 f. - Antrag auf einstweilige Anordnung gegen den Neubau eines Wohnheims für Um- und Aussiedler; OVG Münster, NJW 1990, 1132 ff. - Antrag auf einstweilige Anordnung gegen die Aufstellung von Wohncontainern für Aussiedler; OVG Münster, NJW 1985, 2350 f. - Klage gegen die Errichtung einer öffentlichen Anlage durch Umgestaltung eines ehemaligen Bergarbeiterwohnheims in eine Justizvollzugsanstalt. 332

BVerwGE 79, 254 ff. - Klage auf Verlegung einer Feueralarmsirene; BVerwG, DVB1. 1974, 239 f. - Klage auf Beseitigung einer Kläranlage; VGH Kassel, NJW 1989, 1500 f. - Klage auf Versetzung einer Straßenlampe; OVG Koblenz, NJW 1986, 2779 ff. Klage auf Beseitigung oder Verlegung einer Telefonzelle; VGH Mannheim, VB1BW 1985, 222 f. - Klage auf Beseitigung eines Bolzplatzes; VGH Mannheim, NJW 1985, 2352 ff. Klage auf Beseitigung einer Telefonzelle; OVG Münster, BauR 1987, 46 ff.; OVG Münster, NVwZ 1984, 530 f. - Klagen auf Beseitigung eines Bolzplatzes; VG Münster, NJW 1989, 1820 f. - Klage auf Beseitigung von zwei Altglas- und Altpapiercontainern. 333

OVG Münster, NVwZ 1983, 356 - Klage auf Entfernung einzelner Spielgeräte eines Spielplatzes. 334 BVerwGE 79, 254 ff. - Klage auf Stillegung einer Feueralarmsirene; VGH Mannheim, VB1BW 1987, 464 f.; VB1BW 1985, 60 ff. - Klagen auf Unterlassung einer Festver-

488 -

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Anspruch auf eingeschränkte Nutzung der emittierenden Anlage, wobei dieses Anspruchsziel häufig mit dem zusätzlichen Begehren auf Durchführung von Kontroll- und Absicherungsmaßnahmen verbunden ist. 335

Da es dem störenden Hoheitsträger grundsätzlich freigestellt ist, auf welche Weise er die begehrte Immissionsabwehr durchführt, 336 entsteht im Einzelfall demnach die Frage, ob das Begehren des Bürgers auf Unterbindung der Immissionsbeeinträchtigungen über den Folgenbeseitigungsanspruch oder den Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden kann.

a) Beispielsfall: Das Urteil des OVG Münster vom 21.4.1983 Zur Verdeutlichung dieser Abgrenzungsproblematik sei die Entscheidung des OVG Münster vom 21.4.1983 erwähnt. 337 Der maßgebliche Streitgegenstand des Urteils bestand in dem Begehren des Betroffenen, daß das Kellergeschoß des seinem Wohnhaus gegenüberliegenden Feuerwehrgerätehauses nicht mehr als Standort einer Baukolonne genutzt werden sollte. Hierzu hat das OVG Münster festgestellt, dem Kläger stehe „ein Anspruch auf Einstellung und künftige Unterlassung der Nutzung der Kellergarage des Feuerwehrgerätehauses als Standort der Baukolonne" aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs zu. 338 Die Frage, ob im Einzelfall der Bürger seine Immissionsabwehrklage über den Folgenbeseitigungsanspruch oder den Unterlassungsanspruch verfolgen könne, sei zunächst von der Auslegung des Klagebegehrens und damit wesentlich davon abhängig, was der Kläger tatsächlich erreichen wolle und/oder erwirken müsse.339 Ausgehend von dieser Ausgangsüberlegung gelangt das Gericht zu folgender Differenzierung: Sofern die Unterbindung der Immissionsbeeinträchtigung wegen tatsächlicher Untrennbarkeit von Störungsquelle und Störungsfolge nur dann erfolgreich

anstaltung; VGH München, BayVBl. 1988, 241 ff. - Klage auf gänzliche Unterlassung der Nutzung eines Spielplatzes; VGH München, NVwZ-RR 1989, 532 - Klage gegen die Nutzung eines Grundstücks als Festplatz; OVG Münster, DÖV 1983, 1020 ff. - Klage auf Unterlassung der Nutzung eines Feuerwehrgerätehauses als Standort einer Baukolonne. 335

BVerwGE 79, 254 ff. - Klage gegen den Lärm einer Feueralarmsirene durch: Lärmschutzmaßnahmen, Einschränkung des Betriebs sowie Übernahme der Kosten für Lärmschutzfenster; VGH München, BayVBl. 1988, 241 ff. - Klage auf vollständige Unterlassung der Nutzung eines Spielplatzes bzw. hilfsweise auf eingeschränkte Benutzung sowie Durchführung von technischen und gärtnerischen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß der Platz nicht mehr für Ballspiele verwendet werden kann. 336

Vgl. die Darstellung unter Β V, S. 429 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 137.

337

OVG Münster, DÖV 1983, 1020 ff.

338

OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 ff.).

339

OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 1. Sp. oben).

E. Exkurs: Abgrenzung zu anderen Anspruchsnormen

489

durchgeführt werden könne, wenn die Störungsursache selbst behoben werde, so bestehe infolge des damit verbundenen stärkeren Eingriffs in die Verwaltungstätigkeit das Bedürfnis, eine auf die Beseitigung der emittierenden Anlage gerichtete Verurteilung nicht allein von der Rechtswidrigkeit der Störung abhängig zu machen. Vielmehr bedürfe es hier zusätzlich der Feststellung, daß die begehrte Maßnahme dem Hoheitsträger auch tatsächlich möglich, rechtlich zulässig und weiterhin zumutbar sei. 340 In den Fällen, in denen wie es in der Entscheidung des OVG Münster anzunehmen sei - die Störungsfolge, d.h. die beanstandete Lärmbelästigung, nur durch die Beseitigung der Störungsquelle, den Betrieb des Bauhofs, ausgeräumt werden könne, sei infolgedessen der Folgenbeseitigungsanspruch das geeignete Rechtsschutzinstrument.341 Demgegenüber sei ein schlichter Abwehranspruch in Gestalt des Unterlassungsanspruchs das zutreffende Rechtsschutzmittel, wenn die Störungsfolge ohne Auswirkungen auf die Störungsquelle abgestellt werden könne. Dieser Anspruch greife bereits bei Vorliegen der Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung durch. 342 Diese Ansicht des OVG Münster ist zum Teil auf heftige Kritik gestoßen. So vertritt Schwabe343 in einer Urteilsanmerkung die Auffassung, das Anspruchsbegehren sei nicht im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs, sondern über den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Das maßgebliche Abgrenzungskriterium zwischen Folgenbeseitigungsund Unterlassungsanspruch sei darin zu sehen, ob die Durchsetzung des Anspruchsbegehrens im Einzelfall „aktives Tun statt Unterlassen verlang(e)". 344 Vorliegend sei das Anspruchsziel darauf gerichtet gewesen, die Einstellung des Bauhofbetriebs zu erreichen. Damit habe der Kläger nicht die Beseitigung tatsächlicher Einwirkungsfolgen bzw. die Wiederherstellung des Status quo ante begehrt, sondern ein einfaches Unterlassungsbegehren verfolgt, weshalb konsequenterweise der Unterlassungsanspruch einschlägig sei. 345

b) Stellungnahme Der Rechtsmeinung des OVG Münster kann sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung nicht zugestimmt werden.

340

OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 1. Sp.).

341

OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021).

342

OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 r. Sp. oben).

343

Schwabe, DÖV 1984, 387 (388).

344

So Schwabe, DÖV 1984, 387 (388 1. Sp. Mitte).

345

Schwabe, DÖV 1984, 387 (388).

490

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

aa) Der mit der Durchsetzung der Immissionsabwehrklage für den Hoheitsträger verbundene Aufwand als Ausgangsüberlegung zur Beantwortung der Abgrenzungsfrage Bedenken ruft zunächst die Ausgangsfeststellung des OVG Münster hervor, wonach je nach dem Umfang des zur Durchsetzung der Immissionsabwehrklage für die öffentliche Hand entstehenden Verwaltungsaufwands der Folgenbeseitigungsanspruch mit seinen strengeren Anforderungen oder der schlichte Unterlassungsanspruch anwendbar sein soll. 346 Diese allein auf die Belange des störenden Hoheitsträgers abstellende Betrachtungsweise ist nicht haltbar. Vor dem Hintergrund der rechtsstaatlichen Bindung der Staatsgewalt kann es nicht überzeugen, die Frage des Eingreifens zweier in Betracht kommender Rechtsschutzinstrumente dahingehend zu entscheiden, die für den Bürger mit größerem Aufwand durchsetzbare Anspruchsgrundlage dann für gegeben zu halten, wenn die Umsetzung des Anspruchsbegehrens für die öffentliche Hand mit einem beträchtlichem Aufwand verknüpft ist. Statt dieses ergebnisorientierten, die Bedeutung des Klagebegehrens für den Hoheitsträger berücksichtigenden Standpunkts ist die Problematik, welche Anspruchsnorm in concreto zutrifft, vielmehr unter Heranziehung der jeweiligen Anspruchssystematik sowie des Schutzzwecks der möglicherweise eingreifenden Rechtsinstitute zu beantworten.

bb) Das Kriterium der „Störungsquelle " als untaugliches Abgrenzungskriterium Des weiteren ist die Argumentation dem Vorwurf mangelnder Präzisierung des Abgrenzungsgesichtspunkts ausgesetzt. Ausgehend von der Feststellung, daß der Folgenbeseitigungsanspruch dann das geeignete Rechtsschutzinstrument bilde, wenn die Immissionsabwehrklage in concreto nur durch die Beseitigung der Störungsquelle durchzusetzen sei, gelangt das OVG Münster zu dem Ergebnis, der Folgenbeseitigungsanspruch sei vorliegend gegeben, da der Kläger „nicht nur die unmittelbare Beeinträchtigung selbst, den auf sein Grundstück dringenden Lärm, angreif(e), sondern durchgreif(e) auf die Lärmquelle, den Betrieb des Bauhofs, dessen Einstellung er verlang(e)". 347

346

Vgl. den Nachweis in Fußn. 340.

347

So ausdrücklich OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 1. Sp. Mitte).

E. Exkurs: Abgrenzung zu anderen Anspruchsnormen

491

Hinter dieser Differenzierung steht die Überlegung, daß dann, wenn dem Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen nur durch ein vollständiges Nutzungsverbot Rechnung getragen werden kann, das als weitere Folge die Verlegung der Baukolonne an einen anderen Ort erforderlich macht, der Folgenbeseitigungsanspruch infolge seiner strengeren Anforderungen die geeignete Anspruchsgrundlage darstellt. Indessen ist fraglich, ob es sich bei dem Begriffspaar der „Störungsfolgen und Störungsquelle" um ein sachgerechtes Einordnungskriterium handelt.348 Die Zweifel beruhen darauf, daß der Begriff der „Störungsquelle" einen globalen und damit nicht eindeutigen Begriffsinhalt aufweist. So ist es mit Hilfe dieses Abgrenzungsmerkmals nicht möglich, zwischen den möglichen Störungsursachen der Immissionsbeeinträchtigung zu unterscheiden. Jene können zum einen darin bestehen, daß bereits die Errichtung der Anlage selbst zu der Rechtsverletzung führt oder zum anderen erst die Benutzung bzw. Inbetriebnahme der Anlage die Belästigungen verursacht. Die Frage, ob die Rechtsbeeinträchtigung im Einzelfall von der emittierenden Anlage selbst bzw. erst von deren Benutzung bzw. Inbetriebnahme herrührt, ist jedoch für das Auffinden der geeigneten Anspruchsgrundlage von entscheidender Bedeutung. Dies beruht auf folgender Erwägung: Der Unterlassungsanspruch ist infolge der Anknüpfung an einen drohenden staatlichen Eingriffsakt auf ein Unterlassen des Hoheitsträgers gerichtet. Das Anspruchsziel besteht folglich darin, eine hoheitliche Verhaltensweise zu unterbinden. Damit ist diese Anspruchsnorm durch einen verhaltensbezogenen Anspruchsinhalt gekennzeichnet. Demgegenüber zielt der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands und bezweckt damit nur in zweiter Linie die Unterbindung der störenden Auswirkungen des widerrechtlichen Zustands für die Zukunft. 349

cc) Die maßgeblichen Abgrenzungskriterien Aus diesem unterschiedlichen Regelungsgehalt beider Anspruchsnormen ergibt sich das maßgebliche Kriterium, anhand dessen die Anspruchsgrundlagen voneinander abgegrenzt werden können.

348

Zweifelnd ebenfalls Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (300).

349

Insoweit übereinstimmend OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021 1. Sp. unten).

492

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

aaa) Störung durch die Benutzung der Anlage Sofern die Rechtsbeeinträchtigung erst durch die Benutzung bzw. Inbetriebnahme der Einrichtung oder die Durchführung einer Veranstaltung hervorgerufen wird, ist der auf die vollständige oder teilweise Nutzungseinstellung gerichtete Abwehranspruch im Wege des Unterlassungsanspruchs geltend zu machen.350 Das ergibt sich als Konsequenz des auf Unterbindung einer hoheitlichen Tätigkeit abzielenden Anspruchscharakters dieses Rechtsinstituts. So ist beispielsweise das Begehren, eine Spielplatznutzung nur zu bestimmten Tageszeiten zu gestatten351 oder die Benutzung einer Kirchenglocke auf bestimmte Zeiten zu beschränken,352 über den Unterlassungsanspruch durchzusetzen. Gleiches ist für den Fall anzunehmen, daß das Klagebegehren darauf gerichtet ist, die Benutzung eines gemeindlichen Grundstücks als Grillplatz zu verhindern. 353 Die bloße Nutzungsunterlassung bzw. -einschränkung wird dabei regelmäßig dann als ausreichende Störungsabwehrmaßnahme in Betracht kommen, wenn der Hoheitsträger selbst die Verfügungsgewalt über die emittierende Anlage besitzt, so daß sichergestellt ist, daß die Reglementierung des Nutzungsrechts beachtet wird. Ferner ist dann, wenn das Benutzungsverbot bzw. die Nutzungseinschränkung auf Antrag des Bürgers durch weitere flankierende Schutzmaßnahmen verwirklicht werden soll, das Eingreifen des Unterlassungsanspruchs auch insoweit zu bejahen. So kann beispielsweise die Forderung des betroffenen Bürgers, dem Hoheitsträger zu untersagen, auf einer im Bebauungsplan als Spielplatz ausgewiesenen Fläche einen Bolzplatz zu betreiben sowie durch Beschilderung bzw. Einsatz von Aufsichtsorganen sicherzustellen, daß der Spielplatz insgesamt nicht außerhalb der festgesetzten Öffnungszeiten benutzt wird, 354 im Wege des Unterlassungsanspruchs verfolgt werden. Ebenfalls 350 Nicht eindeutig Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 29, S. 16, der einerseits ausführt, daß der Unterlassungsanspruch in Gestalt des Anspruchs auf Nutzungsunterlassung geltend gemacht werden kann. Demgegenüber führt er andererseits (a.a.O., Rdnr. 31, S. 17 f.) aus, daß dann, wenn die Beseitigung der Anlage nicht die Voraussetzung für die Beendigung des rechtswidrigen Zustands bildet, im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs „die Unterlassung der einzelnen beeinträchtigenden Störung verlangt werden" kann. 351

Vgl. hierzu VGH München, BayVBl. 1988, 241 ff. Unverständlich ist jedoch, warum der VGH München das auf ein Nutzungsverbot gerichtete Klagebegehren dahingehend gedeutet hat, die Kläger begehrten die Beseitigung des Spielplatzes, vgl. VGH München, BayVBl. 1988, 241 r. Sp. Mitte. 352 Vgl. den Sachverhalt der Entscheidungen, BVerwGE 68, 62 (66); VGH München, BayVBl. 1980, 563 (564); OLG Frankfurt, DVB1. 1985, 861 f. 353 354

S. den Sachverhalt des Urteils, VGH München, NVwZ-RR 1989, 532.

Vgl. hierzu den Sachverhalt der Entscheidung, OVG Lüneburg, Β RS 42 (1984), Nr. 188, S. 423 ff. Dagegen qualifiziert das OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 16 r. Sp unten, den

E. Exkurs: Abgrenzung zu anderen Anspruchsnormen

493

stellt der Unterlassungsanspruch das statthafte Rechtsschutzinstrument dar, um durchzusetzen, daß eine Feueralarmsirene stillgelegt bzw. zumindest durch technische Maßnahmen gewährleistet wird, daß die Lärmbelästigungen auf ein zumutbares Maß herabgesetzt werden. 355 Auch hier führt die Überlegung, daß solche zusätzlichen Maßnahmen dem Zweck dienen, die Nutzungsbeschränkung durchzusetzen oder die Art und Weise der Benutzung zu regeln, und damit auf die Unterbindung staatlicher Tätigkeit bzw. einer dem Hoheitsträger zuzurechnenden Nutzung gerichtet sind, zur Anwendbarkeit des Unterlassungsanspruchs. Aus diesem Grunde vermag auch die von Schwabe und Maurer vertretene Ansicht, wonach der Folgenbeseitigungsanspruch im Unterschied zum Unterlassungsanspruch dann eingreifen soll, wenn das Begehren auf ein Tätigwerden gerichtet ist, 356 nicht zu überzeugen. Zum einen verkennt diese Ansicht, daß der Anspruchsinhalt des Unterlassungsanspruchs, der in der Unterbindung staatlicher Eingriffe besteht, nicht bedeutet, daß dieses Anspruchsziel auch durch ein Unterlassen durchgesetzt werden müßte. Zum anderen wird diese formalistische Sichtweise nicht dem Umstand gerecht, daß es anerkanntermaßen grundsätzlich im Belieben des Hoheitsträgers steht, auf welche Weise er die verlangte Störungsbeseitigung durchführen möchte.357 Folgerichtig kann auch ein Unterlassungsanspruch durch positives Handeln seitens des Hoheitsträgers verwirklicht werden. 358

bbb) Anlagenbedingte Störung Dagegen ist die Immissionsabwehrklage über den Folgenbeseitigungsanspruch geltend zu machen, wenn die Immissionsbeeinträchtigung durch die Anspruch auf Durchführung von Maßnahmen gegen die Störungen, die durch die Benutzung eines Badestrandes entstehen (Errichtung einer Absperrung an der Grenze der von den Immissionen betroffenen Wohnsiedlung, die den Zugang zum Badegelände von der Siedlung her verhindert) als öffentlich-rechtlichen negatorischen Abwehranspruch, und damit als „weitergehenden Folgenbeseitigungsanspruch". 355 S. den Sachverhalt der Entscheidung, BVerwGE 79, 254 ff., sowie des zweitinstanzlichen Urteils, VGH München, BayVBl. 1986, 690 ff. 356

Schwabe, Nachweis in Fußn. 344; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 9.

357

Ebenso Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (300 f.). Vgl. auch die Darstellung unter Β V, S. 429 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 137. 358

Vgl. Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (300), unter Hinweis auf Erman/Hefermehl,, BGB, § 1004 Rdnr. 20. Allerdings ist das von Laubinger erwähnte Anwendungsbeispiel, daß zur Unterlassung einer künftigen Beeinträchtigung u.U. auch ein positives Tun in Form der Beseitigung einer Anlage in Betracht kommt, nach hier vertretenem Standpunkt unzutreffend, als insoweit der Folgenbeseitigungsanspruch das geeignete Rechtsschutzinstrument darstellt. Vgl. hierzu die Darstellung nachfolgend unter E IV 4, S. 493 ff.

494

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

Anlage selbst hervorgerufen wird mit der Folge, daß nur durch die vollständige Beseitigung der emittierenden Anlage oder zumindest einzelner Bestandteile derselben die Immissionsabwehr erfolgreich realisiert werden kann. 359 Das kann zum einen dann anzunehmen sein, wenn bereits die Errichtung der Anlage gegen subjektiv-öffentliche Rechte des Anspruchstellers verstößt, deren zwingender Charakter die Beseitigung der Anlage gebietet. So hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 2.11.1973 360 dem im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs geltend gemachten Anspruchsbegehren auf Beseitigung einer Kläranlage, die ohne Zustimmung auf einem Grundstück des Klägers errichtet worden war, im Hinblick auf die hierdurch verursachte Verletzung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG stattgegeben. Weiterhin kommt ein auf die Entfernung der Anlage gerichteter Anspruch auch dann in Betracht, wenn nicht behebbare technische Mängel der Anlage bzw. von Teilen derselben zu der Immissionseinwirkung führen. Das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs anstelle des schlichten Unterlassungsanspruchs folgt daraus, daß hier der geltend gemachte Anspruch über ein bloßes Unterlassungsbegehren hinausgeht und auf eine umfassende Wiederherstellung des störungsfreien Zustands durch Beseitigung der die Immissionen verursachenden Anlage gerichtet ist. 361 Damit ist diese Sachverhaltsgestaltung mit derjenigen vergleichbar, bei der durch ein tatsächliches hoheitliches Verhalten, z.B. die rechtswidrigerweise im Zuge von Straßenbauarbeiten vorgenommene Deponierung von Bauschutt auf dem Grundstück eines Anliegers, eine beseitigungspflichtige Eigentumsverletzung herbeigeführt wird. Darüber hinaus greift ein auf die Entfernung der Anlage gerichteter Folgenbeseitigungsanspruch auch dann ein, wenn nur auf diesem Weg die dauerhafte Behebung der Rechtsbeeinträchtigung möglich ist. 362 Das ist hauptsächlich dann von Relevanz, wenn die emittierende Anlage durch den Ho359

Ebenso i.E. das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs im Falle des auf vollständige Beseitigung der Anlage bzw. auf Entfernung von Teilen der Anlage gerichteten Anspruchsbegehrens bejahend: OVG Koblenz, NJW 1986, 953 f. - Beseitigung einer Straßenlampe; OVG Münster, BauR 1987, 46 (50) - Beseitigung eines Bolzplatzes, allerdings jeweils unter Bezugnahme auf die Abgrenzungskriterien der „Störungsquelle" bzw. der „Störungsfolgen". Zur Kritik an diesem Begriffspaar vgl. die Darstellung unter E IV 4, S. 490 ff. S. weiterhin zur Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs hinsichtlich der Beseitigung einer störenden Anlage: VG Münster, NJW 1989, 1820 (1821) - Entfernung von zwei Altglas- und Altpapiercontainern; Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 30, S. 17. 360

BVerwG, DVB1. 1974, 239 f.; vgl. hierzu auch Steinberg, Nachweis wie vor.

361

Diese Begründung liegt auch den Entscheidungen OVG Koblenz, NJW 1986, 953 f., sowie OVG Münster, BauR 1987, 46 (50), zugrunde. 362

Vgl. OVG Münster, BauR 1987, 46 (50); VGH Mannheim, VB1BW 1985, 222 (223); Laubinger, VerwArch 80 (1989), 261 (301); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnrn. 30 f., S. 17 f.

E. Exkurs: Abgrenzung zu anderen Anspruchsnormen

495

heitsträger für den öffentlichen Gebrauch gewidmet bzw. freigegeben worden ist, und die bei Benutzung der Einrichtung entstehenden Immissionen durch ein Nutzungsverbot oder eine Nutzungsbeschränkung einschließlich der Wahrnehmung von Kontrollmaßnahmen nicht effektiv behoben werden können. So kann eine auf die Beseitigung eines Bolzplatzes abzielende Klage beispielsweise dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn der zu ständigen Lärmbelästigungen führende Mißbrauch der Anlage durch randalierende Jugendliche durch anderweitige Überwachungsmaßnahmen, wie das Aufstellen von Verbotsschildern sowie den Einsatz von Aufsichtsbeamten, nicht wirksam verhindert werden kann.363 Ebenso käme ein auf die Entfernung von Altglas- und Altpapiercontainern gerichteter Anspruch mit der Begründung in Betracht, daß wegen des in unmittelbarer Nähe zu einem Krankenhaus gewählten Standorts die durch die Benutzung entstehende Geräuschbeeinträchtigung nur durch die Beseitigung der Container in ausreichendem Maße realisiert werden kann.364 Schließlich ist für den Fall, daß die Immissionsbelästigungen zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Betroffenen geführt haben, das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs zu befürworten. So kann z.B. dann, wenn chemische Immissionen Schäden am Lack von Kraftfahrzeugen verursacht haben, die Behebung derartiger Mängel im Wege der Folgenbeseitigung beansprucht werden. 365

ccc) Grenzen des Folgenbeseitigungsanspruchs Aus dem Vorgenannten ergeben sich allerdings auch zugleich die Grenzen, in denen die Immissionsabwehrklage in Gestalt des Folgenbeseitigungsanspruchs durchgesetzt werden kann. Vor dem Hintergrund des allgemein im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist davon auszugehen, daß der Folgenbeseitigungsanspruch und der Unterlassungsanspruch in einem Stufenverhält-

363

S. dazu OVG Münster, BauR 1987, 46 (50).

364

In diesem Fall wären die durch den Gebrauch der Container durch Dritte entstehenden Geräuschbelästigungen dem Hoheitsträger bereits deshalb zurechenbar, weil dieser für die nicht sachgerechte Standortbestimmung verantwortlich ist. Vgl. zu der Problematik des haftungsbegründenden Zurechnungszusammenhangs bei mitwirkender Verursachung der Rechtsbeeinträchtigung durch Dritte die Darstellung in Kapitel 2 Β V I 3, S. 357 ff. 365 Zu den Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht gem. § 823 Abs. 1 BGB für Lackschäden an Pkw durch industrielle Immissionen vgl. LG Aachen, UPR 1990, 358 f.

496

Kap. 3: Die Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs

nis stehen. Somit kann der auf vollständige Beseitigung der Einrichtung gerichtete Folgenbeseitigungsanspruch erst dann verfolgt werden, wenn ein Nutzungsverbot bzw. eine die Nutzung einschränkende Maßnahme zur Abwehr der Immissionseinwirkung nicht ausreichen.366 Kann bereits durch die Anordnung der Betriebsstillegung die Immissionsbelästigung ausgeräumt werden, so ist die auf Beseitigung der Anlage gerichtete Folgenbeseitigung dem Hoheitsträger nicht zumutbar. 367 Insofern kann über dieses Prinzip den angesprochenen Bedenken des OVG Münster Rechnung getragen werden, indem verhindert wird, daß die Immissionsabwehrklagen zu einem nicht mehr beherrschbaren Verwaltungsaufwand führen. 368 Sofern der Bürger bei Klageerhebung nicht sicher ist, ob lediglich ein Nutzungsverbot oder gar die Entfernung der emittierenden Anlage als Abwehrmaßnahme sachgerecht ist, kann dem durch hilfsweise Geltendmachung des Folgenbeseitigungsanspruchs entsprochen werden. Die zweite in diesem Zusammenhang zu beachtende Anspruchsgrenze ergibt sich aus dem Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs. Demzufolge kann eine Immissionsabwehrklage über den Folgenbeseitigungsanspruch nur auf die Beseitigung der störenden Anlage, nicht jedoch auf ihre Verlegung gerichtet sein. Die Verlegung beinhaltet über die Entfernung der Einrichtung hinausgehend die Aufstellung der Anlage an einem anderen Standort. Ein derartig weitgehendes Anspruchsziel kann jedoch durch den auf Wiederherstellung des Status quo ante begrenzten Folgenbeseitigungsanspruch nicht begehrt werden. 369

dd) Anwendung der vorstehend dargelegten Grundsätze auf den der Entscheidung des OVG Münster vom 21.4.1983 zugrundeliegenden Sachverhalt Auf der Grundlage der vorstehend dargelegten Ausführungen ergibt sich für den eingangs geschilderten Beispielsfall, daß der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch, das Kellergeschoß des Feuerwehrgerätehauses nicht 366

Vgl. hierzu die Nachweise in Fußn. 362. Auch im Rahmen der Immissionsabwehrklage gem. § 1004 BGB gilt der Grundsatz, daß dann, wenn mehrere Abwehrmittel in Frage kommen, das schonenste zu wählen ist, s. dazu Erman/Hefermehl, BGB, § 1004 Rdnr. 25. 367 Vgl. zum Ausschlußgrund der Unzumutbarkeit die Darstellung in Kapitel 4 Β III, S. 531 ff. 368

Vgl. OVG Münster, Nachweis in Fußn. 340. Zur Kritik an dieser Argumentation, soweit hieraus die einschlägige Anspruchsgrundlage abgeleitet wird, vgl. die Ausführungen unter E IV 4, S. 490. 369

Ebenfalls Bedenken in diese Richtung äußernd VGH Kassel, NJW 1989, 1500 r. Sp. Mitte, der diese Frage jedoch offenläßt.

F. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

497

mehr als Standort einer Baukolonne zu benutzen,370 im Wege des Unterlassungsanspruchs zu verfolgen ist. 371 Sein Begehren bestand darin, ein hoheitliches Verhalten für die Zukunft zu unterbinden. Da die öffentliche Hand selbst die Verfügungsbefugnis über das Feuerwehrgerätehaus innehatte, konnte durch ein Nutzungsverbot die angestrebte Immissionsabwehr verwirklicht werden. Die Tatsache, daß mit der Auferlegung eines Nutzungsverbots für den Hoheitsträger die zwangsläufige Konsequenz verbunden ist, nunmehr den Bauhof auf einem anderen Grundstück unterzubringen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Folgewirkung des Nutzungsverbots, hingegen bildet die anderweitige Einrichtung der Baukolonne keine notwendige Maßnahme für die Unterbindung der Geräuschbelästigungen.

F. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 3. Kapitels I. Der Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs 1. Ausgehend von der grundrechtlichen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs ergibt sich als rechtliche Konsequenz, daß dieses Rechtsinstitut auf die Wiederherstellung der (grund-)rechtlichen Integrität gerichtet ist, wobei die Restitution im Regelfall in natura erfolgt. Die Beanspruchung einer Geldleistung kommt allerdings im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs dann in Betracht, wenn die eingetretene Rechtsbeeinträchtigung gerade in einem Geldverlust besteht. 2. In Abhängigkeit von dem im Einzelfall tangierten Rechtsgut und dem Ausmaß der eingetretenen Rechtsverletzung kommt dem Folgenbeseitigungsanspruch somit ein negatorischer, d.h. auf die Beseitigung der fortwirkenden Störungsquelle für die Zukunft gerichteter Anspruchsinhalt zu. Darüber hinaus ist dem Folgenbeseitigungsanspruch jedoch auch ein restitutorischer Rechtsgehalt beizumessen, der die tatsächliche Wiederherstellung der vor dem Eingriffsakt bestehenden Situation umfaßt. 3. Unter der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ist die Restitution der früher konkret bestehenden oder einer zumindest gleichwertigen Lage zu verstehen. Hat der hoheitliche Eingriffsakt zu einer Beeinträchtigung der Sachsubstanz geführt, so steht die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs unter der Voraussetzung, daß der beschädigte Gegenstand

370

S. den Nachweis in Fußn. 337.

371

Im Ergebnis somit zutreffend Schwabe, DÖV 1984, 387 (388).

32 Pietzko

498

Kap. : Die

e t e

des Folgenbeseitigungsanspruchs

wiederhergestellt werden kann. Folgerichtig muß er bei der vollständigen Zerstörung eines Einzelgegenstands entfallen. Demgegenüber schließt die Zerstörung eines einzelnen Bestandteils einer Sachgesamtheit i.S. der §§ 90 ff., 946 ff. BGB den Folgenbeseitigungsanspruch dann nicht aus, wenn die Gesamtsache insgesamt wiederhergestellt werden kann. Begrenzt wird das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs in diesem Fall allerdings durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Vorliegen eines wirtschaftlichen Totalschadens. Führt die Restitution der Gesamtsache, obgleich faktisch möglich, zu einer unverhältnismäßigen Inanspruchnahme des störenden Hoheitsträgers, so scheidet die Heranziehung des Folgenbeseitigungsanspruchs aus. 4. Nicht begehrt werden kann über den Folgenbeseitigungsanspruch die Herstellung des hypothetischen Zustands nach Maßgabe des § 249 S. 1 BGB, d.h. die Realisierung der Situation, wie sie ohne das schädigende staatliche Verhalten bestehen würde. Ausgeschlossen ist damit insbesondere die Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns. 5. Ebenfalls kann aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht die Kompensation der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung durch Geldersatz verlangt werden.

I I . Der Anspruchsumfang des Folgenbeseitigungsanspruchs 1. Die verfassungsrechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs sowie seine Zielsetzung sind zugleich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Anspruchsumfangs dieses Rechtsinstituts. Anstatt durch Bezugnahme auf das wenig aussagekräftige Kriterium der „Unmittelbarkeit" bzw. der „Finalität" der staatlicherseits verursachten Einwirkungsfolgen ist die Frage, ob ausnahmsweise außer der primär eingetretenen Rechtsgutsverletzung auch die Beseitigung weiterhin eingetretener Folgebeeinträchtigungen im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs verlangt werden kann, aufgrund einer wertenden Betrachtungsweise zu beantworten. 2. Vor diesem Hintergrund kommt eine Beseitigungsfähigkeit der Folgeverletzungen aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs nur dann in Betracht, wenn zwischen der primär entstandenen Rechtsgutsbeeinträchtigung und den Sekundärfolgen ein untrennbarer Sachzusammenhang besteht, der eine Ausdehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs auch auf diese Folgebeeinträchtigungen erfordert. 3. Zur Feststellung dieses Zurechnungszusammenhangs sind folgende Wertungskriterien heranzuziehen:

F. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

499

a) Es werden die aus der Integritätsverletzung erwachsenden Folgeverletzungen dann vom Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs mitumfaßt, wenn es sich hierbei um Folgebelastungen handelt, die bei Erfüllung einer rechtswidrigen behördlichen Anordnung aufgrund normativer Grundlage uno actu mit der Erfüllung der staatlichen Anweisung entstehen. b) Weiterhin erstreckt sich der Folgenbeseitigungsanspruch auf diejenigen Sekundärfolgen, die durch faktisch notwendige Erfüllungsmaßnahmen des Betroffenen oder eines Dritten verursacht werden. Das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs steht in diesem Fall allerdings unter der weiteren Voraussetzung, daß es sich bei den hervorgerufenen Erfüllungsaufwendungen um solche Maßnahmen handelt, die auf der Grundlage eines objektiven Bewertungsmaßstabes sowie nach allgemeiner Lebenserfahrung zur Erfüllung der hoheitlichen Anordnung geeignet und angemessen gewesen sind. Weiterhin kann der Zurechnungszusammenhang nur dann bejaht werden, wenn die vorgenommenen Erfüllungshandlungen im Zeitpunkt des Erlasses der rechtswidrigen Anordnung für die Behörde voraussehbar gewesen sind. Dieses Erfordernis wird vor allem in bezug auf solche finanziellen Folgebeeinträchtigungen anzunehmen sein, die bei zwangsweiser Durchsetzung der Verwaltungsmaßnahme ebenfalls eingetreten wären und dem Betroffenen hätten erstattet werden müssen. c) Abzulehnen ist demgegenüber der geforderte Sachzusammenhang zwischen der primär eingetretenen Rechtsgutsverletzung und den Folgebeeinträchtigungen, sofern es sich bei solchen Folgebelastungen um Beseitigungsaufwendungen handelt. Derartige Maßnahmen zum Zwecke der Behebung bzw. Minderung der eingetretenen Rechtsverletzung werden nicht vom Folgenbeseitigungsanspruch erfaßt. Anders als bei den zuvor genannten Beispielen handelt es sich bei diesen Aufwendungen nicht um finanzielle Folgebelastungen, die bei Erfüllung einer staatlichen Anordnung entstehen, sondern um solche Kosten, die als Ergebnis einer Gegeninitiative des Betroffenen zu dem hoheitlichen Eingriffsverhalten hervorgerufen worden sind. Aufgrund dieses dem staatlichen Unrechtsverhalten entgegenwirkenden Entstehungsgrundes solcher Sekundärbeeinträchtigungen scheidet folglich deren Beseitigungsfähigkeit auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs aus.

500

Kap. : Die

e t e

des Folgenbeseitigungsanspruchs

I I I . Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs von anderen staatshaftungsrechtlichen Rechtsinstituten 1. Das Verhältnis zum Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG a) Während der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs an die rechtswidrige Beeinträchtigung einer absolut geschützten Rechtsposition anknüpft, setzt der Amtshaftungsanspruch die Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht voraus, die zudem schuldhaft erfolgt sein muß. b) Die Rechtsfolge des Amtshaftungsanspruchs besteht in der Gewährung von Schadensersatz für alle durch die Amtspflichtverletzung adäquat verursachten Schäden. Dabei kann im hoheitlichen Bereich im Wege des Amtshaftungsanspruchs anerkanntermaßen lediglich eine Geldleistung als Ausgleich für die eingetretene Gütereinbuße verlangt werden. Die hierdurch entstehende Haftungslücke wird durch den Folgenbeseitigungsanspruch geschlossen, der als Restitutionsanspruch die tatsächliche Wiederherstellung des vor dem staatlichen Unrechtsverhaltens gegebenen Zustands ermöglicht. Infolge dieses unterschiedlichen Anspruchsinhalts stehen beide Rechtsinstitute im Verhältnis der Anspruchskonkurrenz. c) Soweit sich der Folgenbeseitigungsanspruch nach dem hier vertretenen Standpunkt auf die Beseitigung finanzieller Folgebeeinträchtigungen erstreckt, besteht für den Fall, daß der Hoheitsträger schuldhaft gehandelt hat, auch insoweit Anspruchskonkurrenz zwischen Folgenbeseitigungs- und Amtshaftungsanspruch.

2. Das Verhältnis zum enteignungsgleichen bzw. aufopferungsgleichen Eingriff a) In tatbestandlicher Hinsicht ist eine Überschneidung der Anwendungsbereiche von Folgenbeseitigungsanspruch einerseits und enteignungsgleichem bzw. aufopferungsgleichem Eingriff andererseits möglich, da die zuletzt genannten Rechtsinstitute an die Beeinträchtigung einer eigentumsrechtlich geschützten bzw. einer nichtVermögenswerten Rechtsposition anknüpfen und es sich hierbei um absolut geschützte Rechtspositionen i.S. des Folgenbeseitigungsanspruchs handelt. b) Hinsichtlich der Rechtsfolge wirft die Grenzziehung zwischen den erwähnten Anspruchsgrundlagen regelmäßig keine Schwierigkeiten auf, da enteignungsgleicher und aufopferungsgleicher Eingriff grundsätzlich auf die Zahlung einer Geldentschädigung gerichtet sind.

F. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

501

Lediglich für den Fall, daß im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs ausnahmsweise die Geltendmachung von finanziellen Sekundärfolgen in Betracht kommt, kann zwischen den Rechtsinstituten ein Abgrenzungsproblem entstehen, das im Hinblick auf den unterschiedlichen Haftungsgrund der jeweiligen Anspruchsgrundlagen im Wege der Anspruchskonkurrenz zu lösen ist.

3. Das Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch a) Bei dem Folgenbeseitigungsanspruch und dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch handelt es sich um zwei selbständige Haftungsinstitute. b) Im Unterschied zum Folgenbeseitigungsanspruch, der auf das Vorliegen eines rechtswidrigen staatlichen Eingriffsakts abstellt, knüpft der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch an die Rechtsgrundlosigkeit der Vermögensverschiebung an. Demzufolge besteht auch zwischen diesen beiden Rechtsinstituten das Verhältnis der Anspruchskonkurrenz. Ein gleichzeitiges Eingreifen beider Anspruchsnormen kommt dabei vor allem dann in Betracht, wenn die Vermögensverschiebung auf einem rechtswidrigen, im nachhinein aufgehobenen Verwaltungsakt beruht. Überschneidungen sind auch dann möglich, wenn man im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auch eine Vermögensverschiebung in sonstiger Weise, und damit namentlich durch einen Eingriff, als tatbestandsrelevante Alternative anerkennt.

4. Das Verhältnis zum verwaltungsrechtlichen Unterlassungsanspruch a) Dem Grundsatz nach sind die tatbestandlichen Anwendungsbereiche von Folgenbeseitigungsanspruch und Unterlassungsanspruch dadurch abzugrenzen, daß der Folgenbeseitigungsanspruch bei einem bereits erfolgten staatlichen Unrechtsverhalten eingreift, wohingegen der Unterlassungsanspruch an eine bevorstehende Verletzungshandlung anknüpft. b) Entsprechend zielt der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Beseitigung der eingetretenen Störung sowie ggf. auf die Wiederherstellung der ursprünglichen Lage ab, während der Unterlassungsanspruch auf die Unterbindung der Beeinträchtigung für die Zukunft gerichtet ist. c) Aufgrund dieser Abgrenzung ist für den Bereich der ehrkränkenden staatlichen Äußerung eine problemlose Abgrenzung möglich: so kann über den Folgenbeseitigungsanspruch der Widerruf einer unwahren Tatsachenbehauptung verlangt werden, während aufgrund des Unterlassungsanspruchs der

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Kap. : Die

e t e

des Folgenbeseitigungsanspruchs

zukünftigen Wiederholung eines herabsetzenden Werturteils oder einer unzutreffenden Tatsachenbehauptung begegnet werden kann. d) Für den Bereich des Immissionsrechts ist es hingegen angesichts der Vielfältigkeit der möglichen Anspruchsziele erforderlich, weitere Abgrenzungskriterien festzulegen: Insoweit ist davon auszugehen, daß der Unterlassungsanspruch infolge seines verhaltensbezogenen Anspruchsinhalts immer dann die geeignete Anspruchsgrundlage ist, sofern der Anspruchsteller die Nutzung der emittierenden Anlage einschränken oder vollständig unterbinden möchte, wobei die Geltendmachung der hierfür u.U. notwendigen Sicherungsvorkehrungen mitumfaßt ist. Hingegen stellt der Folgenbeseitigungsanspruch die zutreffende Anspruchsnorm dar, wenn die Immissionsabwehr nur durch die Beseitigung der emittierenden Einrichtung bzw. von Teilen derselben realisiert werden kann. Dabei besteht zwischen dem Folgenbeseitigungsanspruch und dem Unterlassungsanspruch vor dem Hintergrund des allgemein im öffentlichen Recht geltenden Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Stufenverhältnis dergestalt, daß der Folgenbeseitigungsanspruch - als das für den Hoheitsträger mit einschneidenderen Sanktionsfolgen verbundene Rechtsschutzmittel - erst dann geltend gemacht werden kann, wenn die Immissionsabwehr über den Unterlassungsanspruch nicht in ausreichendem Maße durchgesetzt werden kann.

Kapitel 4

Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs Liegt eine hoheitliche, rechtswidrige Rechtsbeeinträchtigung vor, so kann die Durchsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs gleichwohl an bestimmten Ausschlußgründen scheitern. In Rechtsprechung1 und Literatur 2 werden insoweit folgende Ausschlußtatbestände hinsichtlich des Folgenbeseitigungsanspruchs diskutiert: 1. 2. 3. 4. 5.

tatsächliche Unmöglichkeit der Folgenbeseitigung, rechtliche Unzulässigkeit der Folgenbeseitigung, Unzumutbarkeit der Folgenbeseitigung, Sinnlosigkeit der Folgenbeseitigung, Mitverschulden des betroffenen Bürgers (analog § 254 BGB).

A. Vorbemerkung: Dogmatische Einordnung der Ausschlußtatbestände Keine Einigkeit besteht hinsichtlich der dogmatischen Einordnung der vorgenannten Ausschlußgründe.

I. Anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale oder Einwendungen Die dogmatische Unsicherheit in bezug auf die angeführten Ausschlußgründe zeigt sich schon in der sprachlich unterschiedlichen Ausgestaltung dieser Ausschlußtatbestände.

1 S. beispielsweise BVerwG, NJW 1989, 2484 ff.; BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860 f.); VGH Mannheim, VB1BW 1983, 141 f.; OVG Münster, BauR 1987, 46 (50); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021). 2 Vgl. exemplarisch Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnrn. 12-14, 16; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 223-227, 229; Maurer, AllgVerwR, §29 Rdnrn. 10-13; Ossenbühl, StHR, S. 203 - 206. S. weiterhin die Regelung in § 3 Abs. 2 S. 1 StHG 1981.

504

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

So werden die Ausschlußgründe teilweise als positive Tatbestandsmerkmale formuliert. Beispielsweise heißt es in diesem Zusammenhang, daß die Folgenbeseitigung tatsächlich und rechtlich möglich sowie zumutbar sein müsse.3 Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, daß die angeführten Kriterien keine Ausschlußgründe darstellen, sondern in Wirklichkeit anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale des Folgenbeseitigungsanspruchs verkörpern. Dominierend ist indes eine sprachlich negative Fassung der eingangs geschilderten Voraussetzungen. Danach scheidet der Anspruch auf Folgenbeseitigung aus, wenn die Wiederherstellung tatsächlich oder rechtlich unmöglich bzw. unzumutbar ist.4 Diese sprachliche Formulierung als negative Ausschlußgründe beinhaltet eine Haftungsbegrenzung und ist rechtsdogmatisch als Einwendung zu charakterisieren, bei deren Existenz der Folgenbeseitigungsanspruch erst gar nicht entsteht (rechtshindernde Einwendung) oder nachträglich wieder entfällt (rechtsvernichtende Einwendung). Damit stellt sich die Frage, welche der beiden möglichen dogmatischen Einteilungen der tatbestandlichen Struktur und der Funktion des Folgenbeseitigungsanspruchs eher gerecht wird. Im Ergebnis ist die zuletzt angeführte Qualifizierung als Einwendung vorzugswürdig, wobei folgende Überlegungen ausschlaggebend sind:

1. Tatsächliches Regel-Ausnahme-Verhältnis Ein erster Anhaltspunkt gegen das Vorliegen anspruchsbegründender Tatbestandsmerkmale ergibt sich daraus, daß die Behörde im Regelfall zur Folgenbeseitigung in der Lage sein wird. Die tatsächliche bzw. rechtliche Unmöglichkeit ebenso wie die Unzumutbarkeit der Wiederherstellung erlangen nur unter außergewöhnlichen Umständen Bedeutung, d.h. die Behörde wird sich hierauf lediglich in Ausnahmefällen berufen können. Dieses sachverhaltsmäßige Regel-Ausnahme-Verhältnis darf auch bei der dogmatischen Einordnung der angeführten Kriterien nicht unberücksichtigt bleiben. Denn es besteht aus tatsächlicher Sicht eine Konstellation, welche für die Geltendmachung bzw. das Vorliegen einer Einwendung typisch ist. Normalerweise wird die Möglichkeit bzw. Zumutbarkeit der Folgenbeseitigung als gegeben vorausgesetzt. Im Regelfall bedarf es hierzu deshalb weder 3

So z.B. VGH Mannheim, VB1BW 1983, 141; OVG Münster, BauR 1987, 46 (50); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 497, 498 f.; Obermayer, JuS 1963, 110(114). 4

Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnrn. 12-14; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 223; Ossenbühl, StHR, S. 201, 203 ff.; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 81; Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 II g, S. 479.

Α. Vorbemerkung: Die Dogmatik der Ausschlußtatbestände

505

einer konkreten Darlegung seitens des Betroffenen noch - prozessual gesehen - einer ausführlichen positiven Feststellung durch ein Verwaltungsgericht. Vielmehr obliegt es ausschließlich der öffentlichen Körperschaft, die aus dieser Vermutung resultierende Durchsetzbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs durch die Berufung auf einen der angeführten Ausschlußgründe zu Fall zu bringen. Eine derartige faktische Erforderlichkeit eines „rechtsvernichtenden" Sachvortrages durch die Behörde5 widerspricht einem dogmatischen Verständnis der angeführten Merkmale als anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale. Vielmehr legt sie gerade im Gegenteil die Charakterisierung als Einwendung nahe.

2. Beeinträchtigung des effektiven Rechtsschutzes zu Lasten des Bürgers Darüber hinaus darf nicht außer acht gelassen werden, daß es sich bei der Möglichkeit/Unmöglichkeit bzw. Zumutbarkeit/Unzumutbarkeit der Folgenbeseitigung um Umstände handelt, von denen letztlich alleine die Behörde Kenntnis besitzt. Der Bürger kann hierzu, insbesondere im Verwaltungsprozeß, keine konkreten Angaben machen. Würde es sich deshalb bei den angeführten Kriterien um positive, anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale für den Folgenbeseitigungsanspruch handeln, wäre der klagende Bürger gezwungen, z.B. die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit der Behörde zur Folgenbeseitigung „ins Blaue hinein" zu behaupten. Hieran ändert auch der im Verwaltungsgerichtsprozeß geltende Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) nichts. Auch vor dem Hintergrund der dem Gericht obliegenden Sachverhaltsaufklärung würde sich bei Einordnung dieser Kriterien als Tatbestandsvoraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs im Falle des „non liquet" die materielle Beweislast zuungunsten des die Folgenbeseitigung begehrenden Bürgers auswirken. Denn auch im verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit geht die Unerweislichkeit einer Tatsache grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet.6 Demnach birgt die Ausgestaltung als anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale die Gefahr in sich, daß die Durchsetzbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs zum Nachteil des Bürgers faktisch erschwert wird. Ein derartiges Ergebnis widerspricht jedoch seiner anerkannten Zielsetzung, einen 5

Vgl. zu der Prozeßförderungspflicht der Beteiligten i.S. von § 86 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. VwGO bezüglich der Erforschung des Sachverhalts im Hinblick auf die Umstände, die in ihre Sphäre fallen, Kopp, VwGO, § 86 Rdnr. 11. 6

Eyermann/Fröhler, VwGO, § 86 Rdnr. 5; Kopp, VwGO, § 108 Rdnr. 13; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 108 Rdnr. 12. Vgl. darüber hinaus allgemein zur materiellen Beweislast im Verwaltungsprozeß Kopp, VwGO, § 108 Rdnrn. 11 f.

5 0 6 K a p . 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

umfassenden und effektiven Rechtsschutz gegenüber staatlichen Eingriffen zu gewährleisten. Vielmehr erfordert diese ratio des Folgenbeseitigungsanspruchs, daß dessen tatbestandliche Ausgestaltung den grundgesetzlichen Vorgaben entspricht. Dem somit gebotenen Gleichlauf von grundgesetzlicher Zielvorgabe und tatbestandlicher Systematik wird nur durch eine dogmatische Charakterisierung der Ausschlußgründe als Einwendungen hinreichend Rechnung getragen. Denn nur auf diese Weise wird deutlich zum Ausdruck gebracht, daß deren Geltendmachung und Darlegung ausschließlich in die Wissens- und Risikosphäre der Behörde fällt.

3. Parallele zum Zivilrecht Bestätigt wird die vorstehende, vornehmlich an der grundgesetzlichen Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs orientierte Auffassung durch die Parallelwertung zum Zivilrecht. Auch dort stellen beispielsweise die Unmöglichkeit ebenso wie das Mitverschulden Einwendungen und keine positiv formulierten Anspruchsvoraussetzungen dar.7 Zwingende Gründe von dieser Einordnung im Rahmen des öffentlichen Rechts abzuweichen, sind nicht ersichtlich. Dies gilt um so mehr, als die zivilrechtlichen Vorschriften den allgemeinen Rechtsgedanken zum Ausdruck bringen, daß niemand zu einer ihm unmöglichen oder unzumutbaren Leistung verurteilt werden darf. Dieser Rechtsgrundsatz beansprucht in gleicher Weise im öffentlichen Recht Geltung.8 Es bleibt damit festzuhalten, daß die angeführten Ausschlußgründe dogmatisch als Einwendungen zu qualifizieren sind.

I I . Einordnung als rechtsvernichtende Einwendungen Zu klären bleibt demnach nur noch, ob es sich bei den Ausschlußgriinden um rechtshindernde Einwendungen handelt, bei deren Vorliegen der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs erst gar nicht zur Entstehung gelangt, oder aber rechtsvernichtende Einwendungen gegeben sind, deren Existenz den an sich begründeten Folgenbeseitigungsanspruch nachträglich ausschließen. Diese rein dogmatische Fragestellung, welcher bei der praktischen Durchsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs keine Bedeutung zukommt, ist im

7

Vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, § 29 Rdnrn. 742, 748.

8

Vgl. Kopp, VwVfG, § 44 Rdnr. 35 m.w.N.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

507

letztgenannten Sinne zu beantworten. Auch hier setzt sich im Ergebnis der Zweck des Rechtsinstituts durch, einen umfassenden und effektiven Rechtsschutz zu verbürgen. Mit diesem Ziel stünde es nicht in Einklang, bereits das Entstehen des Folgenbeseitigungsanspruchs vom Fehlen bestimmter rechtshindernder Einwendungen abhängig zu machen. Vielmehr erscheint es vor diesem Hintergrund sachgerechter, für die Begründung des Anspruchs allein auf einen rechtswidrigen, hoheitlichen Eingriff in ein schutzfähiges Rechtsgut abzustellen und dementsprechend sämtlichen der Realisierung entgegenstehenden Umständen rechtsvernichtenden Charakter zuzubilligen.9

B. Die Ausschlußgriinde i m einzelnen I. Tatsächliche Unmöglichkeit der Folgenbeseitigung Als erste Einwendung ist die tatsächliche Unmöglichkeit der Wiederherstellung zu erörtern. 10 Dieser Ausschlußtatbestand ruft keine nennenswerten Auslegungsschwierigkeiten hervor. Hiernach scheidet der Folgenbeseitigungsanspruch aus, wenn die geschehene Zustandsveränderung infolge tatsächlicher Hindernisse nicht bzw. nicht mehr behoben werden kann. Als Beispiele seien die Fälle erwähnt, daß ein rechtswidrigerweise beschlagnahmtes Fahrzeug zerstört 11 oder ein unrechtmäßig entferntes Werbeplakat vernichtet worden ist.12 Die Einwendung entspricht dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, nach dem niemand zu einer objektiv unmöglichen Leistung verpflichtet werden kann.

9

Insoweit resultiert aus der dogmatischen Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs eine Abweichung zu der Regelung der Unmöglichkeit bzw. des Unvermögens im Zivilrecht (vgl. §§ 306, 275 BGB). Hiernach handelt es sich bei der anfänglichen Unmöglichkeit bzw. bei dem anfänglichen Unvermögen um eine rechtshindernde, indessen bei der nachträglichen Unmöglichkeit sowie dem nachträglichen Unvermögen um eine rechtsvernichtende Einwendung. 10

Vgl. dazu OVG Hamburg, NJW 1978, 658 (659); VGH Mannheim, NVwZ 1987, 711 f.; VGH München, DVB1. 1981, 1158 (1159); OVG Münster, BauR 1987, 46 (50); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); VG Köln, NJW 1980, 799; Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 12; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 223; Bettermann, DÖV 1955, 528 (535); Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 41, in bezug auf den Vollzugs-Folgenbeseitigungsanspruch; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 498; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 10; Ossenbühl, StHR, S. 201, 203; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 81; Rüfner, DVB1. 1967, 186 (188); Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 25, S. 14; Wolff /Bachof\ VerwR I, § 54 II g, S. 479. 11

Vgl. zu diesem Beispielsfall Heidenhain, Amtshaftung, S. 127; Ossenbühl, StHR, S. 203. 12 Vgl. Obermayer, JuS 1963, 110 (114); hierauf bezugnehmend Köckerbauer, 782 (786).

JuS 1988,

508

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

Da der Folgenbeseitigungsanspruch dem Grundsatz nach auf die tatsächliche Vornahme einer Amtshandlung und nicht auf eine Geldleistung gerichtet ist, muß er, sofern die Wiederherstellung in tatsächlicher Hinsicht undurchführbar ist, zwangsläufig entfallen. 13 Auf ein Verschulden des Hoheitsträgers hinsichtlich des Entstehens dieses Hinderungsgrundes kommt es demnach nicht an.14 In prozessualer Hinsicht wird dieser Grundsatz in § 113 Abs. 1 S. 3, 1. Halbs. VwGO zum Ausdruck gebracht, wonach die Folgenbeseitigung von der Behörde nur verlangt werden kann, wenn sie zur Beseitigung der Vollzugsfolgen in der Lage ist. Eine vergleichbare gesetzliche Regelung zugunsten des seitens der Verwaltung in Anspruch genommenen Bürgers enthält § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, nach dem ein Verwaltungsakt, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann, nichtig ist. Fraglich ist, ob diese Einwendung auch diejenigen Fallkonstellationen erfaßt, bei denen die Wiederherstellung, obschon technisch durchführbar, lediglich der Behörde in concreto nicht möglich ist, beispielsweise weil ihr die zur Folgenbeseitigung erforderlichen Fachkräfte oder Spezialeinrichtungen fehlen. Die Einbeziehung eines derartigen subjektiven Unvermögens der Behörde in den Anwendungsbereich des Ausschlußgrundes, die auch durch § 3 Abs. 2 S. 1 StHG offengelassen worden ist,15 ist abzulehnen.16 Zum einen legt die grammatikalische Auslegung des Begriffs „tatsächliche Unmöglichkeit" einen objektivierten Beurteilungsmaßstab nahe. Zum anderen ist aufgrund eines solchen engen Verständnisses eine eindeutige Begriffsbestimmung dahingehend möglich, daß die Fallgestaltungen, in denen subjektive Hinderungsgründe in bezug auf die Folgenbeseitigung vorliegen - sei es, daß die Verwaltung zur Restitution nicht in der Lage ist oder die an sich mögliche Folgenbeseitigung nur mit einem unverhältnismäßig großen finanziellen Aufwand bzw. unter großen technischen Schwierigkeiten zu verwirklichen ist - einheitlich der Einwendung der Unzumutbarkeit der Wiederher13

Vgl. hierzu Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 67. Auf die Frage, ob sich der Folgenbeseitigungsanspruch bei Unmöglichkeit der Folgenbeseitigung in analoger Anwendung des § 251 Abs. 1 BGB in einen Geldleistungsanspruch umwandelt, soll mit Rücksicht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.4.1989, NJW 1989, 2484 ff., in der das Gericht diese Frage im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 254 BGB hinsichtlich des Folgenbeseitigungsanspruchs erörtert hat, wegen des Sachzusammenhangs dort eingegangen werden. Vgl. hierzu die Darstellung unter Β V 1, S. 541 ff., sowie unter Β V 2, S. 547 ff. S. weiterhin die Ausführungen in Kapitel 3 D, S. 476 ff. 14

Allerdings kann bei Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens der Amtsträger, das zur tatsächlichen Unmöglichkeit der Wiederherstellung geführt hat, ein Anspruch des Bürgers aus Amtshaftung gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegeben sein. 15

Die Amtl. Begr. der Bundesregierung zum E-StHG enthält insoweit keine Ausführungen, vgl. BT-Drucks. 8/2079, S. 45. 16 Die Anwendung des § 3 Abs. 2 S. 1 StHG 1981 ebenfalls auf die objektive Unmöglichkeit der Wiederherstellung beschränkend: Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 68.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

509

Stellung zugerechnet werden.17 Auf diese Weise ist überdies im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung eine Bewertung der Umstände, die aus Sicht der Verwaltung der Folgenbeseitigung entgegenstehen, auch unter dem Aspekt der Sorgfaltsanforderungen, die an den Hoheitsträger zu stellen sind, eröffnet. Mithin bezieht sich der anspruchsausschließende Umstand der tatsächlichen Unmöglichkeit der Wiederherstellung ausschließlich auf die objektive Unmöglichkeit der Folgenbeseitigung.

I I . Rechtliche Unzulässigkeit der Wiederherstellung Der zweite in der Praxis bedeutsame Ausschlußtatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs besteht in der Berücksichtigung der rechtlichen Zulässigkeit der vom Anspruchsteller begehrten Restitution.18

1. Grundsätzliche Erwägungen Infolge der Gesetzesbindung der öffentlichen Gewalt ist es dem zur Wiederherstellung verpflichteten Hoheitsträger konsequenterweise verwehrt, die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands vorzunehmen, wenn dies zu einem erneuten Übergriff gegen die Rechtsordnung führen würde. Zu dem Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs, der Beseitigung staatlicher Unrechtsfolgen, stünde es in eklatantem Widerspruch, wenn der Folgenbeseitigungsanspruch selbst den Auslöser einer erneuten Rechtsverletzung durch die öffentliche Hand darstellen würde. Eine Verpflichtung zur Folgenbeseitigung contra legem ist ausgeschlossen.19 So kann beispielsweise über den Folgenbeseitigungsanspruch nicht der Wiederaufbau des aufgrund widerrechtlicher Abbruchverfügung abgerissenen Bauwerks verlangt werden, wenn auf der Grundlage einer zwischenzeitlich erfolgten Änderung des Bebauungs-

17 Diese Fallgestaltungen gleichfalls unter das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit subsumierend: Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 12; i.E. ebenso Ossenbühl, StHR, S. 205; vgl. auch die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 45. 18 VGH Mannheim, NVwZ 1987, 711 f.; OVG Münster, BauR 1987, 46 (50); VG Köln, NJW 1980, 799; vgl. VGH München, DVB1. 1981, 1158 (1159), wobei nach der hier vertretenen Lösung der Folgenbeseitigungsanspruch bei dem in dieser Entscheidung geltend gemachten Leistungsbegehren indes bereits wegen Fehlens eines Eingriffsakts ausscheidet, vgl. die Darstellung in Kapitel 2 Β II 2, S. 184 ff.; s. weiterhin Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 223; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 10; Ossenbühl, StHR, S. 201; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 81; Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 25, S. 14; Wolff/ Bachof, VerwR I, § 54 II g, S. 479. 19

So ausdrücklich Weyreuther,

Gutachten, S. Β 97.

5 1 0 K a p . 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

planes das Bauvorhaben nicht mehr errichtet werden dürfte und eine Dispenserteilung aus Rechtsgründen ausscheidet.20 Als ein aktuelles Beispiel, bei dem rechtliche Hinderungsgründe zum Entfallen des Folgenbeseitigungsanspruchs geführt haben, sei die Entscheidung des OVG Berlin vom 10.4.198721 erwähnt. Dem Urteil lag das Rechtsschutzbegehren des Anliegers einer Wohnsiedlung gegen die Störungen zugrunde, die von den Benutzern eines allgemein zugänglichen Badesees verursacht wurden. Hierbei handelte es sich in erster Linie um Lärmimmissionen und Schmutzbelästigungen sowie um die Beeinträchtigung der Verkehrssituation durch Zuparken der Grundstückseinfahrten bzw. durch Beschädigungen von Fahrzeugen, Gehwegen und Grundstückszäunen durch einparkende Fahrzeuge. Der Anspruchsteller begehrte daher die Herstellung einer Absperrung an der Grenze der Wohnsiedlung, um so den Zugang zu dem Badegelände von der Siedlung her zu verhindern. Seine dahingehende Folgenbeseitigungsklage blieb jedoch erfolglos. Das Urteil des OVG Berlin wurde dabei u.a. auf den Aspekt der rechtlichen Unzulässigkeit der angestrebten Maßnahme gestützt. Die Abriegelung des Waldgebietes von der Siedlung her stelle einen Verstoß gegen die Grundsätze des Naturschutzrechtes dar. Gemäß § 35 i.V.m. § 36 Abs. 1, 2 berlNatSchG seien Einschränkungen des Betretungsrechts des betroffenen Gebietes durch den Grundstückseigentümer mit Genehmigung der Naturschutzbehörde nur dann zulässig, wenn die Nutzung des natürlichen Geländes dies erfordere. Demgegenüber seien die Interessen eines benachbarten Grundstückseigentümers nicht als schutzwürdige Belange vom Gesetzgeber anerkannt worden. Mithin sei der Folgenbeseitigungsanspruch wegen rechtlicher Hindernisse ausgeschlossen.22 Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Verankerung des Folgenbeseitigungsanspruchs ist allerdings eine restriktive Auslegung dieser anspruchsvernichtenden Einwendung geboten. Danach ist die Behörde mit Rücksicht auf ihre Mitwirkung an der Entstehung des rechtswidrigen Zustands regelmäßig gehalten, alles ihr rechtlich Mögliche zu unternehmen, um die Folgenbeseitigung durchzuführen. Das hat zur Konsequenz, daß der Hoheitsträger je nach Sachverhalt verpflichtet sein kann, die Realisierung des Folgenbeseitigungsbegehrens, sofern es ihre rechtlichen oder tatsächlichen Befugnisse überschreitet, durch die Inanspruchnahme von Amtshilfe (vgl. die

20 Vgl. Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 II g, S. 479; Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 640. Darüber hinaus ist in diesem Beispielsfall zweifelhaft, ob der Folgenbeseitigungsanspruch als Rechtsfolge den Wiederaufbau des Hauses erfaßt, vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 3 Β I 1, S. 391 ff. mit Nachweisen in Fußn. 15 und 16, sowie in Kapitel 3 Β III 3, S. 411 ff., und in Kapitel 3 Β IV, S. 418 ff. 21

OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 16 f.

22

So OVG Berlin, NVwZ-RR 1988, 16 (17).

511

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

Regelung in Art. 35 Abs. 1 GG i.V.m. § § 4 - 8 VwVfG) zu ermöglichen. Zwar ist anerkannt, daß die Verpflichtung zur Amtshilfe grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen der um Amtshilfe ersuchenden und der um Unterstützung ersuchten Verwaltungsbehörde besteht und sich aus § 4 VwVfG kein Rechtsanspruch des Bürgers auf die Gewährleistung von Hilfsmaßnahmen durch die aufgeforderte Behörde ergibt.23 Dies schließt indes nicht aus, eine Pflicht des Verwaltungsträgers auf Inanspruchnahme von Amtshilfe angesichts des von ihm geschaffenen widerrechtlichen Zustands anzunehmen.

2. Sonderfall: Der Folgenbeseitigungsanspruch in dreipoligen Verwaltungsrechtsverhältnissen Eine besondere rechtliche Problematik stellt sich dann, wenn ein Folgenbeseitigungsbegehren in einem dreipoligen Verwaltungsrechtsverhältnis geltend gemacht wird. Gekennzeichnet ist diese Sonderkonstellation durch die Dreiecksbeziehung zwischen Anspruchsteller, Verwaltungsbehörde und einem Drittbeteiligten. Dabei sind zwei praxisrelevante Fallvarianten zu unterscheiden: -

Fallgruppe kung

1: Belastender

Verwaltungsakt

mit begünstigender

Drittwir-

Einerseits ist hier die Sachverhaltsgestaltung von Bedeutung, bei welcher der Adressat eines rechtswidrigen belastenden Verwaltungakts nach dessen Aufhebung die Beseitigung der Vollzugsfolgen verlangt, wobei der Verwaltungsakt gleichzeitig für einen Dritten eine begünstigende Rechtswirkung entfaltet. Häufigstes Anwendungsbeispiel sind die Obdachlosenfälle, bei denen der Wohnungsinhaber nach Aufhebung bzw. Fristablauf der Einweisungsverfügung von der Behörde die Ausweisung des Obdachlosen begehrt.24 - Fallgruppe kung

2: Begünstigender

Verwaltungsakt

mit belastender

Drittwir-

Andererseits sind in diesem Zusammenhang die Fallkonstellationen zu nennen, in denen der Anspruchsteller als Drittbeteiligter eines auf seine Veranlassung hin aufgehobenen widerrechtlichen Verwaltungsakts die Beseitigung der Folgen der den Adressaten begünstigenden Verwaltungsmaßnahme fordert. Exemplarisch sind namentlich die öffentlich-rechtlichen 23 24

Knack, VwVfG, § 4 Rdnr. 4; Meyer-Teschendorf,

JuS 1981, 187 (188).

VGH Mannheim, VB1BW 1990, 351 f.; VB1BW 1987, 423 f.; OVG Hamburg, VerwRspr. 10, Nr. 66, S. 225 ff.; OVG Koblenz, OVGE 9, 88 ff.; OVG Lüneburg, OVGE 8, 484 ff.; 4, 235 ff.; OVG Münster, OVGE 14, 315 f.

512

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

Nachbarklagen im Bau-, Immissions- oder Gewerberecht zu erwähnen. Besondere Praxisrelevanz besitzen dabei vor allen Dingen diejenigen Sachverhaltsgestaltungen, bei welchen der Nachbar nach Aufhebung der unrechtmäßig erteilten Baugenehmigung nunmehr von der Baubehörde die Beseitigung des Bauwerks verlangt.25 In all diesen Fällen besteht die gemeinsame rechtliche Problematik in der Tatsache, daß das Folgenbeseitigungsbegehren sich nicht in der typischerweise vorliegenden zweipoligen Rechtsbeziehung zwischen Anspruchsteller und Verwaltungsbehörde erschöpft. Vielmehr kann hier das Rechtsschutzverlangen im Verhältnis Anspruchsteller-Hoheitsträger nur durch einen gleichzeitigen Eingriff der Behörde in die Rechtsposition eines Dritten (Obdachloser, Bauherr) verwirklicht werden. Auch wenn man den Umstand in die Betrachtung miteinbezieht, daß in den vorstehend genannten Beispielsfällen der Obdachlose bzw. der Bauherr nach Aufhebung der Einweisungsverfügung bzw. der Baugenehmigung das Recht auf Aufenthalt in den Wohnräumen des Inanspruchgenommenen verloren hat bzw. die materielle Baurechtswidrigkeit des von ihm errichteten Bauwerks feststeht, so haben beide doch gleichwohl eine tatsächliche Rechtsposition inne, deren Entzug durch die Behörde für sie einen Nachteil bedeutet.26 Hieraus erwächst die Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlage des Hoheitsträgers gegenüber dem Drittbeteiligten.27 Aus dieser Besonderheit der dreipoligen Verwaltungsbeziehung resultiert die Streitfrage, ob in dieser Sonderkonstellation der Folgenbeseitigungsanspruch anwendbar ist.

25 OVG Berlin, BRS 18, Nr. 12, S. 20 f.; VGH Kassel, VerwRspr. 20, Nr. 204, S. 760 ff.; OVG Lüneburg, BRS 38, Nr. 181, S. 400 f.; OVG Lüneburg, DVB1. 1975, 915 ff.; OVG Lüneburg, OVGE 18, 341 ff.; VGH Mannheim, ESVGH 28, Nr. 45, S. 234 ff.; VGH Mannheim, VerwRspr. 24, Nr. 189, S. 815 ff.; OVG Münster, BRS 25, Nr. 194, S. 322 ff. 26 27

Vgl. Weyreuther,

Gutachten, S. Β 108; Knemeyer, JuS 1988, 696 (698).

OVG Lüneburg, BRS 38, Nr. 181, S. 400 (401); VGH Mannheim, ESVGH 28, Nr. 45, S. 234 (235); VGH Mannheim, VerwRspr. 24, Nr. 189, S. 815 (818); OVG Münster, NJW 1984, 883; Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 13; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 245, 251; ders., StHR, 3. Aufl., Rdnrn. 464, 642; Götz, VB1BW 1987, 424 (425); T. Horn, DÖV 1989, 976 (979); Knemeyer, JuS 1988, 696 (698); Wallerath, AllgVerwR, S. 366. A.A. Ossenbühl, StHR, S. 204, der allerdings unzutreffenderweise nicht zwischen den Fragen unterscheidet, ob grundsätzlich eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist bzw. ob der Folgenbeseitigungsanspruch als Rechtsgrundlage für den belastenden Dritteingriff ausreichend ist.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

513

a) Meinungsstand In bezug auf die Heranziehung des Folgenbeseitigungsanspruchs bei dreipoligen Rechtsverhältnissen lassen sich in Rechtsprechung und Literatur folgende Ansichten unterscheiden:

aa) Unanwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs — Alleinige Heranziehung ordnungsbehördlicher bzw. polizeirechtlicher Generalklauseln Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß die dargestellte Sachverhaltsgestaltung vom Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs überhaupt nicht erfaßt wird. So hat z.B. der VGH Mannheim in seinem Beschluß vom 20.1.1987 die von einem Wohnungsinhaber angestrebte Klage auf Ausweisung eines zuvor eingewiesenen Obdachlosen nach zeitlichem Ablauf der Beschlagnahmeverfügung auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs abgelehnt. Einschlägig für das Räumungsbegehren - so der V G H Mannheim - sei ausschließlich die polizeiliche Generalklausel.28 Dieses Postulat des Vorrangs der ordnungsbehördlichen/polizeirechtlichen Generalklausel bzw. der Unanwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs, das bereits früher vertreten worden ist,29 wird damit begründet, daß sich die Räumungsanordnung der Polizei als Eingriffsmaßnahme gegenüber dem Eingewiesenen darstelle und demzufolge mit Rücksicht auf Art. 20 Abs. 3 GG einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfe. 30 Diese Eingriffsermächtigung könne allerdings nicht der Folgenbeseitigungsanspruch sein, da das Haftungsinstitut alleine auf das Verhältnis zwischen dem beeinträchtigten Wohnungsinhaber und der Verwaltungsbehörde zugeschnitten sei.31 Deshalb sei der Rückgriff auf die ordnungsbehördliche bzw. polizeirechtliche Generalermächtigung notwendig. Das der ordnungsbehördlichen Generalermächtigung immanente Ermessen sei dabei regelmäßig auf Null reduziert. Diese als Folgenbeseitigungslast bezeichnete Ermessensreduzierung ergebe sich daraus,

28

So VGH Mannheim, VB1BW 1987, 423 (424); bestätigt durch VGH Mannheim, VB1BW 1990, 351. 29 OVG Lüneburg, OVGE 4, 235 (237 ff.); vgl. auch PrOVGE 92, 108 (110 ff.); 92, 113 (114 f.); weiterhin Weyreuther, Gutachten, S. Β 110 ff. i.V.m. S. Β 97; Drews/ Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 340. 30 VGH Mannheim, VB1BW 1987, 423 (424); ebenso VGH Mannheim, VB1BW 1990, 351; Weyreuther, Gutachten, S. Β 108 f.; Drews /Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 340; vgl. außerdem die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 45, zu § 3 StHG 1981. 31

VGH Mannheim, VB1BW 1987, 423 (424); Weyreuther, Drews /Wacke /Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 340. 33 Pietzko

Gutachten, S. Β 106 f.;

514

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

daß das Entstehen des rechtswidrigen Zustands auf das administrative Vorgehen zurückzuführen sei.32 Für den Fall der baurechtlichen Nachbarklage stimmt das OVG Münster in seinem Urteil vom 17.5.198333 mit dem VGH Mannheim hinsichtlich der Unanwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs als Anspruchsgrundlage überein. Danach kann der Anspruch des Nachbarn auf Abriß eines materiell rechtswidrigen Bauwerks nach erfolgreichem Widerspruchsverfahren bzw. Anfechtungsklage gegenüber der Bauerlaubnis nicht über den Folgenbeseitigungsanspruch durchgesetzt werden. Vielmehr müsse hierfür die baurechtliche bzw. ordnungsbehördliche Generalklausel herangezogen werden.34 Denn der Folgenbeseitigungsanspruch, der in dem Rechtsverhältnis zwischen der Bauordnungsbehörde und dem Nachbarn seine Grundlage besitze, könne keine Eingriffsermächtigung gegenüber dem Bauherrn eröffnen. 35 Dies folgert das OVG Münster aus dem Umstand, daß der Anspruch des Nachbarn im Verhältnis zur Baubehörde nicht weitergehen könne, als die Eingriffsbefugnis der Behörde gegenüber dem störenden Eigentümer reiche. Damit stehe das nachbarrechtliche Beseitigungsrecht in Abhängigkeit von der Eingriffsermächtigung gegenüber dem Eigentümer und sei nicht wie ein Folgenbeseitigungsanspruch a priori vorgegeben.36 32

Grundlegend Weyreuther, Gutachten, S.B 114 ff., der dabei gleichzeitig betont, daß die jeweilige Sachlage des Einzelfalls für die Ermessensreduzierung maßgeblich ist; weiterhin VGH Mannheim, VB1BW 1987, 423 (424); Drews /Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 340. 33

OVG Münster, NJW 1984, 883.

34

OVG Bremen, BauR 1973, 306 ff.; OVG Münster, NJW 1984, 883; OVG Münster, BRS 25, Nr. 194, S. 322 (323 ff.); OVG Lüneburg, OVGE 18, 341 (348 f.); VGH Mannheim, ESVGH 28, Nr. 45, S. 234 f.; OVG Saarlouis, NVwZ 1983, 685, wonach das Nichteingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs allerdings bereits auf dem Umstand basiert, daß die Errichtung des Bauwerks aufgrund der Baugenehmigung nicht als Vollzug des Verwaltungsakts i.S. des § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO qualifiziert werden könne, vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Β V I 3, S. 362 ff. mit den Nachweisen in Fußn. 835; s. ferner OVG Lüneburg, BRS 38, Nr. 181, S. 400 (401) - Anspruch auf Beseitigung einer Betonplatte mit Tennisplatzmarkierung; VGH München, BayVBl. 1974, 433 (434) - Anspruch auf Beseitigung eines Gebäudeteils; nicht eindeutig OVG Lüneburg, DVB1. 1975, 915 (917 f.); weiterhin Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 13; Koch, AllgVerwR, S. 253; Schweickhardt, AllgVerwR, Rdnr. 1140; Wallerath, AllgVerwR, S. 366; im Ergebnis ebenso OVG Berlin, BRS 29, Nr. 143, S. 263 (266 f.). Auf der gleichen Linie liegt die Entscheidung OVG Münster, Städte- und Gemeinderat 1989, 391 (392), wonach der im vorläufigen Rechtsschutz geltend gemachte Anspruch des Nachbarn auf Stillegung der Bauarbeiten nicht als Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung (zu verfolgen im Wege der Anfechtungsklage), sondern als Anspruch auf bauordnungsbehördliches Einschreiten (geltend zu machen durch Verpflichtungsklage) zu charakterisieren ist, ebenso OVG Münster, NJW 1984, 1577 (1578); BRS 44, Nr. 144, S. 337 (338); BRS 42, Nr. 192, S. 431 ff. 35 OVG Münster, NJW 1984, 883 r. Sp. oben; VGH Mannheim, ESVGH 28, Nr. 45, S. 234 (235); Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 13. 36

So OVG Münster, NJW 1984, 883 r. Sp. oben.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

515

Schließlich wird gegen das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs in den Drittbeteiligungsfällen eingewandt, „daß sich der Folgenbeseitigungsanspruch von Haus aus gar nicht auf den Erlaß eines Verwaltungsaktes richtet", so daß er deshalb bereits vom Anspruchsinhalt her als geeignete Ermächtigungsgrundlage für das Vorgehen gegenüber einem Dritten ausscheide.37 Vielmehr werde im Rahmen des Rechtsinstituts die Wiederherstellung des ehemaligen Zustands als Erfolg geschuldet, wobei die Art und Weise, wie dieses Ziel verwirklicht werde, außerhalb seines Normgehalts liege.38 Der Erlaß eines Verwaltungsakts als Mittel der Restitution könne nur für den Fall gefordert werden, daß eine andere Art der Folgenbeseitigung nicht praktikabel und erfolgversprechend wäre. 39

bb) Doppelfunktion des Folgenbeseitigungsanspruchs als Anspruchsund Ermächtigungsgrundlage im dreipoligen Verwaltungsrechtsverhältnis Im Gegensatz zur vorgenannten Auffassung postuliert eine andere Ansicht eine umfassende Geltung des Folgenbeseitigungsanspruchs im dreipoligen Verwaltungsrechtsverhältnis. Im Ergebnis wird dem Folgenbeseitigungsanspruch dabei eine Doppelfunktion zugebilligt. Denn er soll nicht nur die zutreffende Anspruchsgrundlage des belasteten Rechtsinhabers im Verhältnis zur Behörde darstellen, sondern gleichzeitig die Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff in die Rechtsposition des Drittbegünstigten bilden.40 Danach entspricht der Befugnis der Behörde zum Vollzug eines unter Umständen rechtswidrigen Verwaltungsakts die Berechtigung zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands auch gegenüber dem zu Unrecht Begünstigten.41

37

So Weyreuther,

Gutachten, S. Β 109 i.V.m. S. Β 102.

38

Weyreuther,

Gutachten, S. Β 102.

39

Weyreuther,

Nachweis wie vor.

40

So im Rahmen der Obdachlosenfälle: badwürtt VGH, DVB1. 1951, 470; OVG Hamburg, VerwRspr. 10, Nr. 66, S. 225 (227); OVG Koblenz, OVGE 9, 88 (89 ff.); OVG Lüneburg, OVGE 8, 484 (485 f.); VGH München, BayVBl. 1965, 246; OVG Münster, OVGE 14, 315 f.; OVG Münster, DVB1. 1954, 781 (782 f.); OVG Münster, OVGE 8, 212 (218); LVG Braunschweig, NJW 1952, 240; LVG Hannover, DÖV 1956, 157; LVG Schleswig, MDR 1955, 569 f.; VG Darmstadt, NJW 1953, 1608; VG Neustadt, NJW 1965, 833 (834 f.); VG Stuttgart, DVB1. 1950, 792 (793 f.); LG Darmstadt, NJW 1952, 389 (390). In bezug auf die baurechtliche Nachbarklage: OVG Berlin, BRS 18, Nr. 12, S. 20 (21); VGH Kassel, VerwRspr. 20, Nr. 204, S. 760 (762). Vgl. weiterhin Bachof Vornahmeklage, S. 134 ff.; ders., MDR 1955, 570; Wolff /Bachof VerwR I, § 54 II h, S. 480; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 80 Rdnr. 56; T. Horn, DÖV 1989, 976 (978, 980 ff.); Laubinger, Verwaltungsakt, S. 137 f.; Loppuch, NJW 1955, 117 f.; Obermayer, JuS 1963, 110 (113, s. auch 114); Ossenbühl, StHR, S. 204; Schenke, DVB1. 1990, 328 (330 ff.); vgl. außerdem StückratK DVB1. 1950, 683 (684). 41

Bachof, Vornahmeklage, S. 135; Wolff /Bachof

VerwR I, § 54 II h, S. 480; Eyer-

516

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

Begründet wird diese Rechtsmeinung wie folgt: Der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG bzw. die Freiheitsgrundrechte, die die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs darstellten, gestatteten es der Verwaltung, die dem Dritten zu Unrecht gewährte Vergünstigung wieder zu entziehen.42 Insofern stehe der Folgenbeseitigungsanspruch für diese Fallkonstellation in dogmatischer Verwandschaft zum allgemein anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Nach herrschender Ansicht erlaube der allgemeine Erstattungsanspruch dem Hoheitsträger bei Fehlen einer spezialgesetzlichen Normierung, eine staatlicherseits dem Bürger rechtsgrundlos gewährte Leistung zurückzufordern. 43 Bei anderer Auffassung sei dem Gesetzgeber - im Unterschied zum einseitig belastenden Verwaltungshandeln - überdies die Möglichkeit eröffnet, durch den Nichterlaß der dann notwendigen einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage den verfassungsrechtlich verankerten Folgenbeseitigungsanspruch zu negieren.44 Bestätigt werde dies zudem durch die prozeßrechtliche Regelung des § 113 Abs. 1 S. 1 und 2 VwGO, welche die Existenz einer derartigen Eingriffsermächtigung voraussetze.45 Außerdem entspreche die Qualifizierung des Folgenbeseitigungsanspruchs als einheitliche Anspruchs- und Ermächtigungsgrundlage der Billigkeit. Denn anderenfalls würde der Dritte in seinem unrechtmäßigen Besitzstand stärker geschützt als der widerrechtlich in seinem rechtmäßigen Besitzstand beeinträchtigte Bürger. 46 Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs in der geschilderten Doppelfunktion sei nur dann anzuerkennen, wenn im Einzelfall dem Interesse des Begünstigten an der Beibehaltung seiner rechtswidrigen Rechtsposition der Vorrang vor dem Beseitigungsanspruch des Belasteten einzuräumen sei, d.h., wenn das Vertrauen des Begünmann/Fröhler, VwGO, § 80 Rdnr. 56; T. Horn, DÖV 1989, 976 (981), beide mit Bezug auf Bachof, a.a.O. Weiterhin Schenke, DVB1. 1990, 328 (330 r. Sp. unten). Allerdings macht diese Ansicht insofern eine Einschränkung, als über den Folgenbeseitigungsanspruch nicht der Eingriff in die Rechte eines unbeteiligten Dritten legitimiert werden könne, vgl. Bachof, Vornahmeklage, S. 135 f.; Obermayer, JuS 1963, 110 (114 r. Sp. Mitte). Weiterhin VGH München, BayVBl. 1965, 246; LVG Braunschweig, NJW 1952, 240; LVG Hannover, DÖV 1956, 157; VG Neustadt, NJW 1965, 833 (835). 42

Laubinger, Verwaltungsakt, S. 138, im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG; hierauf bezugnehmend T. Horn, DÖV 1989, 976 (980 f.). Ebenso mit Rückgriff auf die Freiheitsgrundrechte Schenke, DVB1. 1990, 328 (330 f.). 43

T. Horn, DÖV 1989, 976 (982, 985); Schenke, DVB1. 1990, 328 (332).

44

So Schenke, DVB1. 1990, 328 (331 1. Sp. Mitte).

45

T. Horn, DÖV 1989, 976 (980), unter Hinweis auf § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO; Schenke, DVB1. 1990, 328 (333 f.), im Hinblick auf § 113 Abs. 1 S. 1 und 2 VwGO. 46

Bachof, Vornahmeklage, S. 135; hierauf bezugnehmend Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 II h, S. 480; Ey ermann/Fröhler, VwGO, § 80 Rdnr. 56; Schenke, DVB1. 1990, 328 (331).

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

517

stigten auf seinen Besitzstand schutzwürdig sei. Allerdings sei die praktische Bedeutung dieser Einschränkung insofern gering, als der Vertrauensschutz des Begünstigten in Rücknahmefällen regelmäßig bereits im Rahmen der Entscheidungsfindung über die Rücknahme des Verwaltungsakts selbst und nicht erst beim Folgenbeseitigungsbegehren Berücksichtigung finde. 47

b) Stellungnahme Führt man die angeführten Auffassungen auf ihre eigentlichen Kernaussagen zurück, so beinhalten sie im Ergebnis zwei Fragestellungen. Zunächst ist zu klären, ob in Drittbeteiligungsfällen der Folgenbeseitigungsanspruch oder aber die ordnungs- bzw. polizeirechtliche Generalklausel als einschlägige Anspruchsgrundlage im Verhältnis Behörde-Betroffener anzusehen ist. Findet der Folgenbeseitigungsanspruch auch im dreipoligen Verwaltungsrechtsverhältnis Anwendung, ergibt sich zwangsläufig die weiterführende Problemstellung, ob der Folgenbeseitigungsanspruch zusätzlich die Ermächtigungsgrundlage für ein Einschreiten gegenüber dem Dritten bildet (Doppelfunktion des Folgenbeseitigungsanspruchs als Anspruchs- und Ermächtigungsgrundlage). Beiden Fragestellungen, die - was überwiegend nicht beachtet wird streng voneinander zu trennen sind, soll im folgenden nachgegangen werden.

aa) Der Folgenbeseitigungsanspruch als Anspruchsgrundlage in Drittbeteiligungsfällen Die Frage, ob der Folgenbeseitigungsanspruch oder aber die ordnungsbzw. polizeirechtlichen Spezialermächtigungen48 bzw. Generalklauseln49 in Drittbeteiligungsfällen als einschlägige Anspruchsgrundlage heranzuziehen sind, läßt sich nur durch eine Analyse und Abgrenzung der (grund-)gesetzlichen Wertungen beantworten, die beiden Rechtsinstituten zugrundeliegen.

aaa) Generelle Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs Die ordnungs- bzw. polizeirechtliche Spezialermächtigung oder Generalklausel ist systematisch dem Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr zu-

47

Wolff /Bachof VerwR I, § 54 II h, S. 480; zustimmend Ossenbühl, StHR, S. 204.

48

Vgl. die bauordnungsrechtlichen Eingriffsermächtigungen, z.B. § 58 Abs. 1 nwBauO.

49

S. beispielsweise § 14 nwOBG, § 8 nwPolG.

5 1 8 K a p . 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

zuordnen. Ein Anspruch auf behördliches Einschreiten wird dann relevant, wenn der Bürger zur Abwehr einer von einem Dritten ausgehenden Gefahrenlage zum Schutze seiner individuellen Rechtsgüter ein behördliches Einschreiten begehrt. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Betroffene das Aufstellen eines Halteverbotsschildes auf der seiner Grundstücksausfahrt gegenüberliegenden Straßenseite mit der Begründung fordert, er könne wegen der engen Straßenverhältnisse mit seinem Kraftfahrzeug nicht auf die Straße einbiegen, wenn dort Fahrzeuge parken. Weiterhin ist hier die Fallvariante zu nennen, daß der Rechtsinhaber von der Behörde den Erlaß einer Ordnungsverfügung gegenüber seinem Nachbarn wegen durch Hundegebell verursachter Lärmbelästigungen begehrt. 50 Der Anspruch auf administratives Einschreiten ist demnach dadurch gekennzeichnet, daß der beeinträchtigte Bürger die Durchführung staatlicher Maßnahmen gegenüber Dritten verlangt, weil die Behörde die ihr obliegende allgemeine Pflicht zur Gefahrenabwendung durch ihre Untätigkeit verletzt. Wertungsmäßig macht der Bürger einen Erfüllungsanspruch, genauer gesagt einen Gesetzesvollziehungsanspruch in dem besonderen Fall des Individualrechtsgüterschutzes geltend. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt eines solchen Anspruchs ist folglich die Verletzung allgemeiner staatlicher Obliegenheiten durch behördliche Untätigkeit.51 Diese Wertung trifft auf die hier zu beurteilenden Drittbeteiligungsfälle nicht zu. Denn die Behörde wird insoweit nicht allgemein zur Pflichtenerfüllung angehalten. Vielmehr wird sie in Anspruch genommen, weil sie in zurechenbarer Weise an einer Rechtsgutsverletzung zu Lasten des betroffenen Bürgers mitgewirkt hat. Zur Diskussion steht demnach nicht der Rechtsschutz gegenüber einer allgemeinen behördlichen Untätigkeit. Den maßgeblichen Anknüpfungspunkt bildet ausschließlich die behördlicherseits aktiv herbeigeführte Rechtsgüterbeeinträchtigung und deren Beseitigung. Folglich geht es nicht um die Erfüllung staatlicher Obliegenheiten, sondern - vereinfacht ausgedrückt - um die Wiedergutmachung staatlichen Unrechts und damit letztlich um Staatshaftungsrecht. Verglichen mit diesen Anforderungen stellt der Folgenbeseitigungsanspruch das einschlägige Haftungsinstitut dar. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist nicht nur dem Staatshaftungsrecht zuzuordnen,52 sondern knüpft darüber 50

Vgl. allgemein zum Rechtsanspruch des Bürgers auf ordnungsbehördliches /polizeirechtliches Einschreiten bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Drews /Wache/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 396 ff. 51

Ebenso Knemeyer, JuS 1988, 696 (698). Die Schwierigkeit in diesen Fallgestaltungen besteht häufig darin, festzustellen, ob die jeweiligen hoheitlichen Handlungspflichten zumindest auch im Interesse des Anspruchstellers normiert sind und ob der Betroffene einen Rechtsanspruch, gestützt auf diese Bestimmungen, geltend machen kann, vgl. hierzu Knemeyer, a.a.O., S. 698 f. 52

Vgl. die Nachweise in der Einleitung in Fußn. 2.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

519

hinaus tatbestandlich speziell an rechtswidrige, hoheitliche Eingriffsakte an. Zudem bezweckt er von seiner grundgesetzlichen Zielrichtung her die Wiedergutmachung widerrechtlicher, staatlicherseits verursachter Rechtsgutsverletzungen. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist somit auch in den Drittbeteiligungsfällen die zutreffende, da speziellere Anspruchsgrundlage.53

bbb) Sonderkonstellation: Schwarzbau Findet also der Folgenbeseitigungsanspruch in Drittbeteiligungsfällen grundsätzlich als Anspruchsnorm Anwendung, so ist von diesem Regelfall für die Sonderkonstellation des Schwarzbaus gleichwohl eine Ausnahme zu machen. Hier stellt in der Tat die bauordnungsrechtliche Generalklausel die zutreffende Anspruchsgrundlage dar. 54 Das beruht darauf, daß im Falle eines Schwarzbaus die angeführten maßgeblichen Wertungskriterien des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht erfüllt sind. Da der Bauherr von Anfang an ohne die erforderliche Baugenehmigung mit der Durchführung des Bauvorhabens beginnt, fehlt es an einer behördlichen Mitwirkungshandlung. Folglich ist der Tatbestand des hoheitlichen Eingriffs, an welchen der Folgenbeseitigungsanspruch anknüpft, nicht erfüllt. Die Beseitigung staatlicher Unrechtsfolgen steht nicht zur Debatte. Vielmehr begehrt der betroffene Bürger nichts anderes, als daß die Behörde den ihr obliegenden allgemeinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt und gegen formell und materiell illegale Bauvorhaben einschreitet, die in seinen geschützten Rechtskreis eingreifen. Bestätigt wird diese Feststellung durch die Tatsache, daß im Regelungsbereich des vorläufigen Rechtsschutzes anerkannt ist, daß gegenüber dem Schwarzbauer nur eine einstweilige Anordnung gem. §123 VwGO in Betracht kommt, weil im Hauptsache verfahren eine Verpflichtungsklage auf Einschreiten der Behörde einschlägig ist.55 Indes erfährt auch dieser Ausnahmetatbestand eine Einschränkung, sofern die Behörde das formell rechtswidrig errichtete Gebäude nachträglich, z.B. über eine Dispenserteilung, genehmigt. Wird dieser Verwaltungsakt im nachhinein, sei es im Widerspruchsverfahren oder durch eine Anfechtungsklage, aufgehoben, so ist für das Beseitigungsbegehren des Nachbarn der Folgenbeseitigungsanspruch als zutreffende Anspruchsgrundlage anzuerkennen. Zwar

53 Im Ergebnis ebenso Götz, VB1BW 1987, 424 (425); Knemeyer, JuS 1988, 696 (698 f.); vgl. auch Obermayer, JuS 1963, 110 (113). 54 VGH Mannheim, VerwRspr. 24, Nr. 189, S. 815 (816); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 254; ders., StHR, 3. Aufl., Rdnr. 469, in bezug auf § 3 StHG 1981; vgl. auch Schenke, DVB1. 1986, 9 (16). 55

Schenke, DVB1. 1986, 9 (16).

520

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

hat die Behörde in diesem Fall nicht von Anbeginn die Herbeiführung des rechtswidrigen Zustands gefördert, sie hat jedoch den baurechtswidrigen Zustand unzulässigerweise legalisiert und sich damit in zurechenbarer Weise das rechtswidrige Verhalten des Bauherrn zu eigen gemacht. Demzufolge trifft sie in gleicher Weise eine Mitverantwortung, als wenn sie bereits vor Beginn der Bauarbeiten die beantragte rechtswidrige Baugenehmigung erteilt hätte. Bei wertender Betrachtungsweise besteht zwischen dem Unrechtsverhalten der Behörde kein Unterschied, weshalb eine Gleichstellung beider Fallkonstellationen und damit auch die einheitliche Heranziehung des Folgenbeseitigungsanspruchs geboten ist.56

bb) Keine Doppelfunktion des Folgenbeseitigungsanspruchs als Anspruchs- und Ermächtigungsgrundlage Aufgrund des vorgenannten Ergebnisses stellt sich nunmehr die weitergehende Problematik, ob der Folgenbeseitigungsanspruch, wie teilweise angenommen, in den Drittbeteiligungsfällen zugleich die Ermächtigungsbefugnis für das behördliche Vorgehen gegenüber dem Dritten beinhaltet. Im Ergebnis ist diese Auffassung abzulehnen. Das beruht allerdings nicht bereits auf dem gegen die Charakterisierung des Folgenbeseitigungsanspruchs als Ermächtigungsgrundlage vorgetragenen Argument, wonach im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs regelmäßig nicht der Erlaß eines Verwaltungsakts als Mittel der Folgenbeseitigung verlangt werden könne.57 Auch wenn der Ansicht in ihrer Annahme zuzustimmen ist, daß die Art und Weise, in der die Restitution im Einzelfall durchzuführen ist, grundsätzlich in der Entscheidungsbefugnis der Behörde liegt,58 kann hieraus doch nicht die Schlußfolgerung auf die prinzipielle Unanwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs als Legitimationsnorm in den Drittbeteiligungsfällen gezogen werden. Denn wird mit dem Wahlrecht der Behörde bezüglich der Realisierung des Folgenbeseitigungsbegehrens Ernst gemacht, so steht die Restitution im Wege des Erlasses eines Verwaltungsakts gleichberechtigt neben den übrigen der Verwaltung zur Verfügung stehenden Handlungsinstrumenten. Unter dem Aspekt des Anspruchsinhalts sind somit die Bedenken 56

Diesen Zurechnungszusammenhang verkennt die Auffassung, die in diesem Fall die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs mangels Kausalität zwischen dem nachfolgenden Hoheitsakt und dem baurechtswidrigen Zustand verneint, vgl. die Nachweise in Kapitel 2, Fußn. 851, denn dieser ursprünglich fehlende haftungsrechtliche Zusammenhang wird durch die nachträgliche behördliche Legitimierung in zurechenbarer Weise hergestellt, s. die Darstellung in Kapitel 2 Β V I 3, S. 369 ff. 57

Vgl. die Nachweise in Fußn. 37-39.

58

S. hierzu die Ausführungen in Kapitel 3 Β V, S. 429 ff. mit Nachweisen in Fußn. 137.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

521

im Hinblick auf das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht durchschlagskräftig. 59 Die den Folgenbeseitigungsanspruch als Ermächtigungsgrundlage qualifizierende Rechtsmeinung übersieht jedoch, daß der Anspruchs- bzw. Ermächtigungscharakter einer Norm im öffentlichen Recht zwei vollkommen unterschiedliche Funktionen repräsentieren. Eine Vorschrift mit Anspruchscharakter beinhaltet Forderungsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat, wohingegen eine Ermächtigungsnorm den Staat berechtigt, in geschützte Rechtspositionen des Bürgers einzugreifen. Aufgrund dieser Wesensverschiedenheit von Anspruchsrechten einerseits und Eingriffsbefugnissen andererseits bedarf der postulierte Gleichlauf des Anspruchs- und Ermächtigungscharakters beim Folgenbeseitigungsanspruch einer eingehenden Begründung, die indes nicht mit der gebotenen Überzeugungskraft festzustellen ist. Der Nachweis der Erforderlichkeit einer dem Folgenbeseitigungsanspruch immanenten Ermächtigungsbefugnis dürfte auch schwerlich zu führen sein, da das öffentliche Recht über eine Vielzahl von Ermächtigungsgrundlagen, insbesondere in dem hier interessierenden ordnungsbehördlichen Bereich, verfügt. 60 Deren Geltungs- und Anwendungsbereich ist jedoch universell ausgestaltet. Es wird nicht danach differenziert, ob die Behörde aus eigener Initiative gegenüber einem Dritten einschreitet oder aber ob sie über den Folgenbeseitigungsanspruch zur Durchführung von Maßnahmen verpflichtet wird. Eine Abbedingung der bestehenden Ermächtigungsgrundlagen zugunsten einer Sonderermächtigung für den Folgenbeseitigungsanspruch erscheint deshalb bereits gesetzessystematisch wenig stichhaltig. Darüber hinaus begegnet die Ausweitung des Rechtscharakters des Folgenbeseitigungsanspruchs zu einer Ermächtigungsgrundlage auch verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn der Folgenbeseitigungsanspruch stellt sich nach der derzeitigen Rechtslage als ungeschriebenes Recht auf der Grundlage richterlicher Rechtsfortbildung dar. Dieses gesetzliche Regelungsdefizit ist mit Rücksicht auf die hier vertretene Konkretisierung des Rechtsinstituts über § 1004 BGB tolerabel, soweit ihm eine Verteidigungsfunktion gegenüber rechtswidrigen staatlichen Eingriffsmaßnahmen zukommt. Das kann aber keinesfalls dann gelten, wenn der Folgenbeseitigungsanspruch zusätzlich zu ei-

59 So ebenfalls T. Horn, DÖV 1989, 976 (980 l.Sp.), mit Bezug auf VGH Kassel, VerwRspr. 20, Nr. 204, S. 760 (761 ff.); Bosch/Schmidt, Einführung, § 21 III 2, S. 93, sowie Ule, VerwProzR, S. 156. S. weiterhin Schenke, DVB1. 1990, 328 (332 f.). 60 Dies konzediert auch Schenke, DVB1. 1990, 328 (335 1. Sp. Mitte), der gleichwohl davon ausgeht, bei der zusätzlichen Heranziehung einer eigenständigen Ermächtigungsgrundlage bestünde die Gefahr, daß der Gesetzgeber durch Nichterlaß einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage den Folgenbeseitigungsanspruch negieren könnte, so Schenke, a.a.O., S. 331 1. Sp. Mitte.

5 2 2 K a p . 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

ner Eingriffsermächtigung gegenüber Drittbetroffenen umfunktioniert wird. Denn in bezug auf die Befugnis des Staates, belastende Maßnahmen gegenüber dem Bürger durchzuführen, greift der Vorbehalt des Gesetzes ein, d.h. es ist eine gesetzliche Ermächtigungsnorm erforderlich. 61 Dieses verfassungsrechtliche Gebot einer gesetzlichen Ermächtigungsnorm darf nicht im Wege einer stillschweigenden Ausweitung des gewohnheitsrechtlich anerkannten Folgenbeseitigungsanspruchs unterlaufen werden. An diesem Ergebnis vermag auch der Hinweis auf die prozeßrechtliche Bestimmung des § 113 Abs. 1 S. 1 und 2 VwGO nichts zu ändern. Die Gegenauffassung verkennt, daß diese Rechtsnorm lediglich den materiell-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch im Verhältnis Bürger-Hoheitsträger voraussetzt, ihr hingegen keine zwingenden Indizien für das Bestehen einer Eingriffsbefugnis aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs innerhalb der Rechtsbeziehung zwischen Verwaltung und Drittbegünstigtem entnommen werden kann.62 Gleichermaßen kritikwürdig ist die Heranziehung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs als Argumentationshilfe zur Qualifizierung des Folgenbeseitigungsanspruchs als Eingriffsermächtigung. Eine solche Vorgehensweise scheitert bereits an den systematischen Unterschieden zwischen beiden Rechtsinstituten. Während der Erstattungsanspruch durch eine zweipolige Verwaltungsrechtsbeziehung gekennzeichnet ist, steht der Folgenbeseitigungsanspruch im vorliegenden Zusammenhang in seiner Bedeutung als Rechtsinstitut in dreigliedrigen Verwaltungsbeziehungen in Rede. Mithin kann der Annahme eines Doppelcharakters des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht zugestimmt werden.

cc) Zusammenspiel von Folgenbeseitigungsanspruch und ordnungsbehördlicher/polizeirechtlicher Ermächtigungsgrundlage in Drittbeteiligungsfällen Aus den zuvor geschilderten Ergebnissen erschließt sich zugleich der Zusammenhang des Folgenbeseitigungsanspruchs mit den ordnungs- bzw. polizeirechtlichen Ermächtigungsgrundlagen in den Drittbeteiligungsfällen. Auch in diesen Fallvarianten ist mithin grundsätzlich der Folgenbeseitigungsanspruch, und nicht etwa die ordnungs- bzw. polizeirechtliche Generalklausel, die zutreffende Anspruchsgrundlage für den betroffenen Bürger. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist insoweit die speziellere Anspruchsgrundlage, 61 Vgl. allgemein Jesch, Gesetz, S. 102 ff., 134 ff., 174; Katz, StaatsR, § 10 Rdnrn. 192 ff.; Schnapp, in: v. Münch, GG, Art. 20 Rdnr. 38; Wolff/Bachof VerwR I, § 30 ΙΠ b 2, S. 184 f. 62

Vgl. Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 39.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

523

da er als staatshaftungsrechtliches Institut an die rechtswidrige, hoheitliche Rechtsgutsverletzung anknüpft und von seinem Schutzzweck her auf deren Beseitigung abzielt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der ordnungs- bzw. polizeirechtlichen Ermächtigungsgrundlage sind bei der Prüfung des Folgenbeseitigungsanspruchs - ihrem Einwendungscharakter entsprechend - im Rahmen einer Inzidenterprüfung zu untersuchen, wenn sich die Behörde auf die rechtliche Unmöglichkeit der Folgenbeseitigung beruft oder aus sonstigen Gründen Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Fehlt es im Ergebnis an einer einschlägigen Ermächtigungsgrundlage für das administrative Vorgehen gegenüber dem Begünstigten oder aber sind deren tatbestandliche Voraussetzungen nicht erfüllt, greift der Folgenbeseitigungsanspruch im Ergebnis nicht durch. Dies beruht dann allerdings ausschließlich darauf, daß die rechtsvernichtende Einwendung der rechtlichen Unmöglichkeit die Geltendmachung des in dieser Fallgruppe prinzipiell anwendbaren Folgenbeseitigungsanspruchs in concreto ausschließt.63

dd) Exkurs: Das Problem der Ermessensausübung bzw. der Folgenbeseitigungslast im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage An das soeben gewonnene Ergebnis schließt sich allerdings ein Folgeproblem an. Es besteht in der Tatsache, daß der Folgenbeseitigungsanspruch als Anspruchsnorm auf die Beseitigung der rechtswidrigen Störung gerichtet ist, während im Rahmen der Prüfung der rechtlichen Unzulässigkeit, d.h. der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage für das Einschreiten gegenüber dem Dritten, der Behörde häufig ein Ermessensspielraum eingeräumt ist.64 Dieser Ermessensspielraum der Behörde bereitet insoweit keine Schwierigkeiten, als er sich auf die Art und Weise des Vorgehens gegenüber dem Dritten bezieht. Hierdurch entsteht kein Widerspruch zu der grundsätzlichen Beseitigungspflicht des Folgenbeseitigungsanspruchs. Denn auch in seinem Anwendungsbereich steht es dem Hoheitsträger regelmäßig frei, mit welchen Mitteln er die Behebung des rechtswidrigen Zustands vornehmen will. 65

63

Ähnlich differenzierend VGH Mannheim, VerwRspr. 24, Nr. 189, S. 815 (818); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 245, Rdnr. 251 f. mit Fußn. 338, Rdnr. 227 mit Fußn. 305; ders., StHR, 3. Aufl., Rdnrn. 464, 642, in bezug auf § 3 StHG 1981; Knemeyer, JuS 1988, 696 (698); Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 39; Götz, VB1BW 1987, 424 (425); vgl. auch Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnrn. 71-73. 64

Vgl. die Nachweise in Fußn. 48 und 49.

65

Vgl. die Darstellung in Kapitel 3 Β V, S. 429 ff. sowie die Nachweise in Fußn. 137.

524

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

Die Rechtslage gestaltet sich jedoch dann problematisch, wenn der Ermessensspielraum auf das Einschreiten der Behörde als solches, d.h. auf das „Ob" des staatlichen Tätigwerdens bezogen wird. Hier droht eine wertungsmäßige Kollision zwischen dem Folgenbeseitigungsanspruch einerseits und der Ermessensausübung im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage andererseits. Dieser Widerspruch resultiert aus dem Umstand, daß der Folgenbeseitigungsanspruch - das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen unterstellt - eine unbedingte Restitutionspflicht vorsieht, wohingegen die Ermächtigungsgrundlage bezüglich des Dritteingriffs der Behörde grundsätzlich eine Ermessensentscheidung einräumt, die im schlimmsten Fall von der Behörde zu einer Art „Leistungsverweigerungsrecht" gegenüber dem Folgenbeseitigungsanspruch umfunktioniert werden kann. Folglich stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit des Anspruchscharakters des Folgenbeseitigungsanspruchs mit der Ermessensausübung im Hinblick auf die einschlägige Ermächtigungsgrundlage.

aaa) Heranziehung der sog. „Folgenbeseitigungslast" Vor dem Hintergrund, daß der Folgenbeseitigungsanspruch nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen zu verwirklichen ist, was in Drittbeteiligungsfällen die Heranziehung einer Eingriffsermächtigung erfordert, muß der in dieser Ermächtigungsgrundlage vorgesehene Ermessensspielraum vom Grundsatz her respektiert werden.66 In conreto folgt daraus für den Folgenbeseitigungsanspruch, daß er nur dann durchsetzbar ist, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Allerdings muß in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, daß die Behörde selbst an der Entstehung der rechtswidrigen Verhältnisse eine Mitverantwortung trifft. Die Beteiligung der öffentlichen Gewalt an der widerrechtlichen Belastung des Anspruchstellers stellt einen ermessenseingrenzenden Faktor im Hinblick auf die Einschreitungspflicht der Behörde gegenüber 66 Diese Frage ist umstritten. Eine Ermessensentscheidung der Behörde grundsätzlich befürwortend: OVG Berlin, BRS 29, Nr. 143, S. 263 (266 f.); OVG Bremen, BauR 1973, 306 ff.; OVG Münster, BRS 25, Nr. 193, S. 319 (321 f.); OVG Münster, BRS 25, Nr. 194, S. 322 (323 f.); vgl. Weyreuther, Gutachten, S. Β 116, allerdings ohne auf den Folgenbeseitigungsanspruch abzustellen; s. weiterhin die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/ 2079, S. 45; KB, § 3 Anm. 2.2, S. 92; RE, § 3 Abs. 2, S. 91; Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnrn. 71-73. Hierbei im Zweifel für eine Ermessensreduzierung auf Null: OVG Lüneburg, OVGE 18, 341 (349); Rüfner, BB 1968, 881 (885 in Fußn. 77 mit Bezug auf Fußn. 16); Jacobs, StHR, Rdnr. 282. Demgegenüber für einen Folgenbeseitigungsanspruch ohne Ermessensspielraum für die Behörde: OVG Berlin, BRS 18, Nr. 12, S. 20 (21); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 252 mit Fußn. 338, Rdnr. 227; ders., StHR, 3. Aufl., Rdnrn. 465, 642; Knemeyer, JuS 1988, 696 (698). Diese Frage offenlassend: VGH Kassel, VerwRspr. 20, Nr. 204, S. 760 (762).

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

525

dem Dritten dar, den Weyreuther 67 als „Folgenbeseitigungslast" bezeichnet hat. Hierbei ist es von den weiteren Umständen des Einzelfalls abhängig, ob sich hieraus tatsächlich eine Handlungsverpflichtung für die Behörde ergibt. Das wird jedoch im Regelfall mit Rücksicht auf die ratio des Folgenbeseitigungsanspruchs, einen weitreichenden und effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, anzunehmen sein.68 Dabei macht es für die Ermessensbindung der Behörde keinen Unterschied, ob der Anspruchsteller selbst - wie im Obdachlosenfall - der Adressat der hoheitlichen Eingriffsmaßnahme gewesen ist, ober ob er - wie bei der baurechtlichen Nachbarklage - als mittelbar Belasteter einer dem Bauherrn erteilten Baugenehmigung einen rechtswidrigen Nachteil erleidet. Die unterschiedlichen Arten des administrativen Eingreifens - direkte Inanspruchnahme auf der einen und mittelbare Betroffenheit auf der anderen Seite - beinhalten zwar rechtliche Unterschiede im Hinblick auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs.69 Sofern jedoch festgestellt worden ist, daß durch die mittelbare Verletzungshandlung sein Tatbestand erfüllt worden ist, ist die Eingriffsqualität als solche für die Frage der Ermessensausübung im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage unerheblich. Sie ist dementsprechend auch für die auf die Folgenbeseitigung ausgerichtete Ermessensbindung unwesentlich. Denn entscheidend ist ausschließlich, daß die Behörde in beiden Sachverhaltsgestaltungen die Beeinträchtigung des Anspruchstellers mitverursacht hat.

67 Grundlegend Weyreuther, Gutachten, S. Β 106 ff. Vgl. weiterhin zur Berücksichtigung der Folgenbeseitigungslast bei rechtswidrig verweigerten Leistungsbegehren mit anschließender Änderung der Sach- und/oder Rechtslage die Darstellung in Kapitel 2 Β II 2, S. 191 ff. mit Nachweisen in Fußn. 202 - 204. 68

Uneinigkeit besteht hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen, die sich aus der Berücksichtigung der Folgenbeseitigungslast ergeben: Wie hier im Zweifel die Ermessensreduzierung befürwortend: OVG Lüneburg, OVGE 18, 341 (349); Rüfner, BB 1968, 881 (885 in Fußn. 77 mit Bezug auf Fußn. 16); Jacobs, StHR, Rdnr. 282. Demgegenüber lediglich die Möglichkeit einer Ermessensreduzierung auf Null je nach Einzelfall annehmend: Weyreuther, Gutachten, S. Β 114 ff.; OVG Lüneburg, BRS 38, Nr. 181, S. 400 (401); OVG Münster, BRS 25, Nr. 194, S. 322 (323 ff.); vgl. außerdem die Amtl. Begr. zum EStHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 45; RE, § 3 Abs. 2, S. 91; Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnrn. 71-73. Umstritten war die Beantwortung dieser Frage auch in der Kommission zur Reform des Staatshaftungsrechts: vgl. KB, § 3 Anm. 2.2, S. 92. Diese Frage wird offengelassen vom VGH Mannheim, VerwRspr. 24, Nr. 189, S. 815 (818). 69 So stellt sich in bezug auf das mittelbare Eingriffsverhalten insbesondere die Frage, ob durch die faktische Beeinträchtigung eine schutzwürdige Rechtsposition des Anspruchstellers verletzt ist. Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Β I 1, S. 139 ff., sowie S. 145 ff. Weiterhin ist hinsichtlich der mittelbaren Verletzungshandlung die Prüfung erforderlich, inwieweit eine Zurechnung der Verletzungsfolgen zu Lasten des Hoheitsträgers möglich ist. S. dazu die Ausführungen in Kapitel 2 Β V I 3, S. 358 f., sowie S. 362 ff.

526

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

Diese Ermessenseinschränkung führt demnach, sofern keine besonderen Umstände vorliegen, innerhalb der zu berücksichtigenden Ermächtigungsgrundlage im Regelfall zu einer Ermessensreduzierung auf Null.

bbb) Kritik des OVG Münster an der „Folgenbeseitigungslast" Gegen die Anerkennung einer Folgenbeseitigungslast hat das OVG Münster in der bereits zitierten Entscheidung vom 17.5.1983 erhebliche Bedenken vorgetragen. Nach Meinung des Gerichts stellt die Folgenbeseitigungslast keinen sachgerechten Gesichtspunkt zur Ermessensbegrenzung der ordnungsbehördlichen oder polizeirechtlichen Generalklausel dar. 70 Das erweise sich beim Vergleich der rechtlichen Konsequenzen, die sich bei Anwendung dieses Ermessensfaktors in folgenden zwei Sachverhaltsgestaltungen ergeben würden: Während im Fall des materiell-rechtswidrigen, jedoch mit behördlicher Genehmigung errichteten Bauvorhabens angesichts der Mitwirkung der Behörde beim Zustandekommen der rechtswidrigen Verhältnisse die Folgenbeseitigungslast für die Beseitigung des Bauwerks spreche, könne dieses Kriterium im Fall des ohne Bauerlaubnis handelnden Bauherrn mangels Mitwirkungsakts der Behörde nicht ermessensbindend herangezogen werden. Dies führe zu dem paradoxen Ergebnis der Besserstellung des formell und materiell rechtswidrig handelnden Bauherrn. 71 Das stelle insbesondere deshalb ein ungerechtfertigtes Resultat dar, weil allenfalls eine Bevorzugung des mit behördlicher Genehmigung tätig gewordenen Bauherrn angezeigt sei, da dieser sich zumindest auf den Vertrauenstatbestand der formell-rechtmäßigen Bauerlaubnis berufen könne.72 Überdies müsse berücksichtigt werden, daß es vom Standpunkt des betroffenen Nachbarn aus keinen Unterschied mache, ob ein behördlicher Mitwirkungsakt an der unrechtmäßigen Situation vorliege. In beiden Fällen sei nämlich als Folge der materiellen Baurechtswidrigkeit eine Eigentumswertminderung zu seinen Lasten gegeben.73 Aus den genannten Erwägungen heraus sei an Stelle der Folgenbeseitigungslast der Umfang des behördlichen Ermessensspielraums ausschließlich nach Maßgabe des Zwecks der Ermessensnorm zu bestimmen. Die gem. § 76 Abs. 1 S. 2 nwBauO a.F. pflichtgemäß auszuübende Ermessensbetätigung gebiete es, daß die Behörde ihre Ermessensausübung an der ratio legis bzw. der Aufgabe, welcher die Ermessensentscheidung diene, orientiere. Diese 70

OVG Münster, NJW 1984, 883 f.

71

Vgl. Nachweis wie vor.

72

OVG Münster, NJW 1984, 883 r. Sp. unten.

73

Vgl. Nachweis wie vor.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

527

bestehe darin, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften zu gewährleisten. Eine auf den Gesetzeszweck bezogene Auslegung führe somit grundsätzlich zu einer behördlichen Einschreitenspflicht für den Fall, daß eine Verletzung der nachbarschützenden materiell-rechtlichen Bauvorschriften vorliege. 74 Die Verpflichtung, prinzipiell zugunsten des Nachbarn einzuschreiten, trage zudem dem allgemeinen Sinn und Zweck des Nachbarschutzes Rechnung. Jener erschöpfe sich grundsätzlich nicht in der Aufhebung der rechtswidrigen Baugenehmigung, sondern verfolge letztlich den Zweck der Behebung der dem öffentlichen Nachbarrecht zuwiderlaufenden Rechtsverletzung des Nachbarn. Sofern die Beeinträchtigung von einem Bauwerk oder Bauteil hervorgerufen werde, gebiete diese Aufgabenstellung konsequenterweise die Beseitigung einer solchen Störung.75

ccc) Zurückweisung der Kritik des OVG Münster Diese auf den ersten Blick stichhaltigen Bedenken gegen die Anerkennung der Folgenbeseitigungslast erweisen sich im Ergebnis jedoch als nicht tragfahig. Das beruht auf dem Umstand, daß das OVG Münster einen falschen Ausgangspunkt wählt, indem es unter dem Aspekt der Folgenbeseitigungslast zwei völlig verschiedene Sachverhalte in Beziehung zueinander setzt und aus deren Vergleich zur generellen Nichtanerkennung dieses Ermessensfaktors gelangt. Vor allem dürfen zwei Dinge nicht miteinander verwechselt werden: Die Tatsache, daß dem Schwarzbauer im Verhältnis zum formell korrekt handelnden Bauherrn ein erhöhter Sorgfaltspfüchtverstoß vorgeworfen werden muß, vermag nichts daran zu ändern, daß die Verwaltung nur in dem Fall des formell ordnungsgemäß verfahrenden Bauherrn ein Verwaltungsunrecht im Gestalt der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung verwirklicht hat. Nach der hier vertretenen Lösung ist den Unterschieden in den beiden Fallgestaltungen durch die Bestimmung der Anspruchsgrundlage Rechnung zu tragen. In dem Schwarzbaufall kommt für das Beseitigungsbegehren des Nachbarn, wie dargelegt, regelmäßig der Anspruch auf behördliches Einschreiten aufgrund der baurechtlichen Ermächtigungsbefugnis in Betracht.76 Das hier der Baubehörde eingeräumte Ermessen ist dabei, sofern nicht beson-

74

OVG Münster, NJW 1984, 883 (884).

75

OVG Münster, Nachweis wie vor; vgl. auch OVG Münster, NJW 1984, 1577 (1578 f.). 76

Vgl. die Darstellung unter Β II 2, S. 519 f.

528

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

dere Ausnahmegründe eingreifen, auch unabhängig vom Gesichtspunkt der Folgenbeseitigungslast auf eine Einschreitungspflicht der öffentlichen Gewalt reduziert. Dies ergibt sich bei einer an der ratio legis orientierten Ermessensausübung sowie bei Beachtung der generellen Aufgabe des Nachbarschutzes, einen Verstoß gegen nachbarschützende Rechtsnormen bis hin zur Beseitigung des rechtswidrigen Bauwerks zu ahnden.77 Zudem spricht auch die Überlegung, daß der Schwarzbauer sich bedenkenlos über die Beachtung der baurechtlichen Bestimmungen hinweggesetzt hat, für ein Vorgehen der Behörde ihm gegenüber.78 Sofern die materielle Baurechtswidrigkeit feststeht, kann im Rahmen des geltend gemachten Anspruchsbegehrens durchaus bei der Ermessensprüfung nach Maßgabe der bauordnungsrechtlichen Eingriffsgrundlage berücksichtigt werden, daß der Bauherr gänzlich ohne Beachtung der baurechtlichen Vorschriften den widerrechtlichen Zustand geschaffen hat. Demgegenüber ist für den Fall des mit Baugenehmigung handelnden Bauherrn sowie für die Sachverhaltskonstellation, daß das formell rechtswidrig errichtete Bauvorhaben nachträglich von der Behörde genehmigt wird, der Folgenbeseitigungsanspruch die zutreffende Anspruchsnorm, wobei die Folgenbeseitigungslast als ermessenseingrenzender Faktor im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage zu berücksichtigen ist. Dem vom OVG Münster richtigerweise vorgetragenen Argument, nach dem eine Besserstellung des Schwarzbauers im Hinblick auf dessen gesteigertes rechtswidriges Vorgehen im Vergleich zum formell sich rechtmäßig verhaltenden Bauherrn als ungerecht erscheint,79 ist nicht über die Ablehnung der Folgenbeseitigungslast als Ermessensgesichtspunkt Rechnung zu tragen. Vorzugswürdig erscheint es vielmehr, der Tatsache, daß der die formellen Anforderungen beachtende Bauherr im Vertrauen auf die von der Behörde erteilte Baugenehmigung das Bauwerk errichtet hat, dadurch Beachtung zu erweisen, indem eine Beteiligung der Behörde an den durch die Beseitigung des Bauwerks entstehenden Kosten erfolgt. Als Anspruchsgrundlage hierfür kommt die Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht.80 Eine derartige Kostenbeteiligung kann dem Schwarzbauer wegen seiner bewußten Mißachtung der formellen Rechtsvorschriften nicht zugute kommen. Bei Beachtung dieser Grundsätze ist somit trotz der Unanwendbarkeit der Folgenbeseitigungslast im Schwarzbaufall eine gerechte Beurteilung der unterschiedlichen Sachverhaltsgestaltungen gewährleistet. 77

Insoweit zutreffend OVG Münster, NJW 1984, 883 (884).

78

Vgl. hierzu Schenke, DVB1. 1990, 328 (336).

79

Vgl. die Nachweise in Fußn. 70-72.

80

Vgl. Schenke, DVB1. 1990, 328 (336).

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

529

Mithin ist das Kriterium der Folgenbeseitigungslast als ermessensbindender Faktor im Rahmen der Inzidenterprüfung, ob die Erfordernisse der Ermächtigungsgrundlage in bezug auf den Eingriff in die Rechte des rechtswidrigerweise Drittbegünstigten vorliegen, anzuerkennen. ddd) Weitere Abwägungsgesichtspunkte Ferner ist darauf hinzuweisen, daß in den Drittbeteiligungsfällen das Verhältnismäßigkeitsgebot als weiteres Prüfungskriterium im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit der Restitution von besonderer Bedeutung ist.81 Anhand dieses Bewertungsmaßstabs ist namentlich zu beurteilen, ob bei Abwägung der unterschiedlichen Belange - Beseitigungsanspruch des Verletzten einerseits und Besitzstandsinteresse des rechtswidrig Begünstigten andererseits das Folgenbeseitigungsbegehren zu erfüllen ist.82 Hierbei kann auch dem Umstand, daß das materiell rechtswidrige Bauwerk sogar formell illegal errichtet worden ist, Rechnung getragen werden.83 Die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkts ist dabei vor allem deshalb relevant, weil bei der Anfechtungsklage gegen den belastenden Verwaltungsakt eine Überprüfung der Interessen des Drittbegünstigten nach zum Teil vertretener Ansicht nicht stattfindet, sondern alleine die Rechtswidrigkeit der behördlichen Maßnahme als solche bereits den Aufhebungsanspruch des Verletzten auslöst.84 So kann z.B. für den Fall einer nur geringfügigen Mißachtung der bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften der auf den vollständigen Abriß des Bauwerks gerichtete Folgenbeseitigungsanspruch wegen UnVerhältnismäßigkeit ausscheiden.85 Hingegen darf dem Gesichtspunkt des finanziellen Aufwands, der durch die Beseitigung des Bauwerks für den Bauherrn entsteht, kein maßgebliches Gewicht zuerkannt werden.86 Für den Schwarzbaufall folgt dies aus 81 Vgl. OVG Lüneburg, DVB1. 1975, 915 (917 f.); OVG Münster, BRS 25, Nr. 194, S. 322 (325 ff.); weiterhin Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 227, 259; ders., StHR, 3. Aufl., Rdnr. 642; Schenke, DVB1. 1990, 328 (334 f., 337). S. ferner die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 45; RE, § 3 Abs. 2, S. 91; KB, § 3 Anm. 2.2, S. 92. 82 Vgl. OVG Münster, BRS 25, Nr. 194, S. 322 (325 f.); Schenke, DVB1. 1990, 328 (334 f.). Vgl. auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip: OVG Lüneburg, BRS 38, Nr. 181, S. 400 (401); VGH Mannheim, ESVGH 28, Nr. 45, S. 234 (235); s. weiterhin Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 259; Schaf er / Bonk, StHG, § 3 Rdnrn. 71 - 7 3 ; RE, § 3 Abs. 2, S. 91; KB, § 3 Anm. 2.2, S. 92. 83

Schenke, DVB1. 1990, 328 (337).

84

OVG Lüneburg, DVB1. 1975, 915 (917); DVB1. 1968, 45; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 258; Weyreuther, Gutachten, S. Β 107 m.w.N. in Fußn. 448, S. Β 116 in Fußn. 487. Abweichend demgegenüber früher Bender, NJW 1966, 1989 (1995 f.). 85

Ebenso Schenke, DVB1. 1990, 328 (337); vgl. außerdem OVG Lüneburg, DVB1. 1975, 915 (917 f.). 86 Vgl. OVG Münster, NJW 1984, 883 (884); s. ferner OVG Münster, NJW 1984, 1577 (1579). Anders OVG Lüneburg, DVB1. 1975, 915 (917 f.).

34 Pietzko

530

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

der vorwerfbaren Verhaltensweise des Bauherrn, dem folglich auch das wirtschaftliche Risiko der Beseitigung des Bauvorhabens aufzubürden ist. Hinsichtlich des formell rechtmäßig handelnden Bauherrn ist der Umstand, daß er im Vertrauen auf die erteilte Baugenehmigung das Bauprojekt errichtet hat, wie vorstehend ausgeführt, ggf. durch eine Kostenbeteiligung der Behörde, die im Wege der Amtshaftungsklage geltend zu machen ist, Rechnung zu tragen.

3. Teilergebnis zur rechtlichen Unzulässigkeit der Folgenbeseitigung Mit Rücksicht auf das Gesetzmäßigkeitsgebot der Verwaltung gem. Art. 20 Abs. 3 GG entfällt der Folgenbeseitigungsanspruch, wenn die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nicht in rechtlich zulässiger Weise durchgeführt werden kann. Ein Folgenbeseitigungsanspruch contra legem ist ausgeschlossen. Bei den sog. Drittbeteiligungsfällen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß der Folgenbeseitigungsanspruch nur durch einen gleichzeitigen Eingriff in die Rechtsstellung eines Drittbegünstigten durchgesetzt werden kann, stellt er im Regelfall die geeignete Anspruchsgrundlage im Verhältnis des Verletzten zum Hoheitsträger dar. Dabei steht die Durchführung des Folgenbeseitigungsbegehrens allerdings unter dem Vorbehalt, daß eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage den behördlichen Eingriff gegenüber dem Drittbegünstigten legitimiert. In Betracht kommen hierbei in erster Linie die spezialgesetzlichen baurechtlichen Ermächtigungsbefugnisse sowie die ordnungs- und polizeirechtlichen Generalklauseln. Deren Voraussetzungen sind im Rahmen einer Inzidenterprüfung zu untersuchen, wobei der regelmäßig den Behörden eingeräumte Ermessensspielraum dem Grundsatz nach zu beachten ist. Daraus ergibt sich, daß der Folgenbeseitigungsanspruch des Verletzten nur dann erfolgreich ist, wenn das Ermessen der Verwaltung in bezug auf das Vorgehen gegenüber dem Dritten auf Null reduziert ist. Als ermessenseinschränkender Faktor ist dabei der Gesichtspunkt der Folgenbeseitigungslast zu berücksichtigen, welcher der Tatsache Rechnung trägt, daß die öffentliche Gewalt ihrerseits an der Entstehung der unrechtmäßigen Verhältnisse eine (Mit-) Verantwortung trifft, und der regelmäßig eine Ermessensreduzierung auf Null bewirkt. Weiterhin ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der es insbesondere ermöglicht, eine Abwägung der widerstreitenden Interessen Beseitigungsanspruch auf der einen Seite und Besitzstandsinteresse auf der anderen Seite - vorzunehmen.

Β. Die Ausschlußgrnde im einzelnen

531

In der Sonderkonstellation des Schwarzbaus ergibt sich hingegen eine abweichende Rechtslage: Grundsätzlich scheidet hier der Folgenbeseitigungsanspruch als Anspruchsgrundlage zur Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs des Nachbarn mangels rechtswidrigen Eingriffsverhaltens der Baubehörde aus. Stattdessen ist in dieser Sachverhaltsvariante vielmehr der Anspruch auf behördliches Einschreiten heranzuziehen, wie er sich aufgrund der baurechtlichen Eingriffsbefugnisse ergibt. Der hier vorgesehene Ermessensspielraum ist dabei regelmäßig, bei einer am Gesetzeszweck orientierten Ermessensausübung sowie unter Beachtung der allgemeinen Zielsetzung des Nachbarschutzes, auf eine Einschreitenspflicht reduziert. Von diesem Regelfall ist jedoch dann eine Ausnahme zu machen, wenn das formell und materiell rechtswidrige Bauwerk im nachhinein durch eine Baugenehmigung der Baubehörde legalisiert wird. Wird die Bauerlaubnis nachfolgend auf Anfechtung des Nachbarn hin aufgehoben, so ist für das daran anschließende Abrißbegehren des Nachbarn nunmehr der Folgenbeseitigungsanspruch die zutreffende Anspruchsgrundlage. Denn hier bildet die unberechtigterweise erfolgte nachträgliche Genehmigung des Bauwerks durch die Baubehörde den Anknüpfungstatbestand für das Eingreifen des Folgenbeseitigungsanspruchs.

I I I . Die Unzumutbarkeit der Wiederherstellung Auch wenn die Folgenbeseitigung tatsächlich und rechtlich möglich ist, scheidet der Folgenbeseitigungsanspruch gleichwohl aus, wenn dem Hoheitsträger die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands unzumutbar ist.87 Je

87

VGH Mannheim, VB1BW 1983, 141 f.; OVG Münster, BauR 1987, 46 (50); OVG Münster, DÖV 1983, 1020 (1021); s. weiterhin OVG Münster, DVB1. 1987, 1226 (1228), wobei allerdings nach der hier vertretenen Ansicht der Folgenbeseitigungsanspruch bei Leistungsbegehren bereits wegen NichtVorliegens eines Eingriffsakts entfällt, vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 2 Β II 2, S. 196 ff. Vgl. außerdem Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 14; Böß, Vergleich, S. 102 f.; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 497, 499; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 10; Ossenbühl, StHR, S. 205; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 81; Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 25, S. 14; Weyreuther, Gutachten, S. Β 151; Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 II g, S. 479. Vgl. auch W. Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 155 ff. Ebenso in bezug auf § 3 Abs. 2 S. 1 StHG 1981: Die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 45; Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 643; Schäfer/ Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 74. Zurückhaltend bzw. ablehnend gegenüber diesem Ausschlußgrund wegen der Gefahr der Entwertung des Folgenbeseitigungsanspruchs: Fiedler, NVwZ 1986, 969 (976); Führen, VR 1986, 5 (8); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (51 f.), der stattdessen die Grundsätze von Treu und Glauben unter dem Aspekt der Verwirkung heranziehen möchte, ohne indes zu erläutern, inwieweit sich hierdurch ein anderer Bewertungsmaßstab ergibt.

532

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

nach Sachverhaltsgestaltung kann der Anspruchsteller dann u.U. lediglich die Wiederherstellung eines gleichwertigen Zustands verlangen.88 Unzumutbarkeit liegt vor, wenn subjektive Hinderungsgründe der staatlichen Stellen der Behebung der Unrechtsfolgen entgegenstehen. Insoweit kommen insbesondere drei Sachverhaltskonstellationen in Betracht: -

Die Wiederherstellung des Status quo ante ist dem Hoheitsträger subjektiv nicht möglich, weil die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands nur unter unverhältnismäßig großen technischen Schwierigkeiten durchgeführt werden kann. - Die Behebung der Eingriffsfolgen erfordert einen in Relation zur eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung unverhältnismäßig großen finanziellen Aufwand.89 - Die Unzumutbarkeit der Folgenbeseitigung kann ferner daraus resultieren, daß ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.90 Das gemeinsame Charakteristikum dieser subjektiven Ausschlußgriinde besteht darin, daß ihr Vorliegen nur aufgrund einer eingehenden Bewertung der Umstände des konkreten Einzelfalls ermittelt werden kann.91 Trotz der daraus resultierenden Schwierigkeit der Herausbildung allgemeingültiger Bewertungskriterien sind folgende allgemeine Erwägungen als Konkretisierungsmaßstab heranzuziehen, die in der Tatbestandsstruktur des Folgenbeseitigungsanspruchs ihre Rechtfertigung besitzen.

88

Vgl. hierzu die Darstellung in Kapitel 3 Β IV, S. 418 ff.

89

VGH Mannheim, VB1BW 1983, 141 f.; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 499; Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 10; Ossenbühl, StHR, S. 205; Wolff / Bachof, VerwR I, § 54 II g, S. 479. Vgl. in bezug auf § 3 StHG 1981: KB, § 3 Anm. 2.3; Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 643; Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 74. 90 OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 206 (208); Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 223; Wolff / Bachof ; VerwR I, § 54 II g, S. 479. Ebenso hinsichtlich § 3 StHG 1981: KB, § 3 Anm. 2.3; Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 643. Entgegen Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 499; wohl auch OVG Hamburg, NJW 1978, 658 (659 f.), ist hingegen für den Fall der möglichen nachträglichen Legalisierung des Eingriffsakts nicht die Unzumutbarkeit der Folgenbeseitigung, sondern bereits die fehlende Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung anzunehmen, vgl. hierzu die Darstellung Kapitel 2 Β IV 1, S. 300 ff. mit Nachweisen in Fußn. 601. 91

Hierauf ebenfalls hinweisend: Achterberg, AllgVerwR, § 25 Rdnr. 14; Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 643; Schäfer / Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 74.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

533

1. Haftungsausschluß wegen technischer oder finanzieller Gründe a) Der Einwand fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit als Ausnahmetatbestand Vor dem Hintergrund der grundsätzlich vorauszusetzenden finanziellen Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand sind an die Annahme der technischen oder wirtschaftlichen Unzumutbarkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen.92 Da technische Schwierigkeiten häufig durch einen gesteigerten Einsatz finanzieller Mittel überwunden werden können, stehen beide Fallkategorien in einem engen sachlichen Zusammenhang. Angesichts des grundgesetzlich legitimierten Integritätsanspruchs des verletzten Rechtsinhabers ist dem Beseitigungsinteresse des Geschädigten regelmäßig der Vorrang einzuräumen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, daß der Einwand der technischen oder finanziellen Belastung zu einem Umgehungstatbestand der Beseitigungspflicht führt. Einer derartigen Mißbrauchsmöglichkeit muß um so mehr vorgebeugt werden, wenn man die rechtlichen Konsequenzen in Betracht zieht, die sich beim Entfallen des Folgenbeseitigungsanspruchs ergeben. Denn selbst wenn bei Unzumutbarkeit der tatsächlichen Folgenbeseitigung die Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Folgenentschädigungsanspruch befürwortet wird, 93 so würde der dann eingreifende Entschädigungsanspruch lediglich eine Kompensation der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung bewirken, nicht jedoch die grundgesetzlich geschützte Rechtsintegrität wiederherstellen. Noch ungünstiger wäre die Rechtslage bei Verneinung eines Folgenentschädigungsanspruchs. Im Falle der dem Hoheitsträger nicht zumutbaren Restitution würde dann dem Betroffenen im Rahmen eines Verwaltungsgerichtsprozesses die Kostenbelastung als unterlegene Partei gem. § 154 Abs. 1 VwGO auferlegt. Das Ausscheiden des Folgenbeseitigungsanspruchs als Folge einer zu extensiven Auslegung der genannten Ausschlußgriinde würde damit zu einer Rechtsschutzverkürzung des Betroffenen führen. Dieser Rechtsnachteil könnte auch nicht in ausreichendem Maße dadurch kompensiert werden, indem an Stelle des ausgeschlossenen Folgenbeseitigungsanspruchs ein Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht gezogen wird. Denn auch wenn in casu die Voraussetzungen des Haftungsinstituts erfüllt wären, so gewährt dieser Anspruch als Rechtsfolge nicht die Wiederherstellung i.S. einer vollständigen Behebung der Fol-

92 Vgl. Fiedler, NVwZ 1986, 969 (976). Gleichermaßen eine restriktive Auslegung dieses Ausschlußgrundes im Rahmen des § 3 StHG 1981 befürwortend: Die Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 45; RE, § 3 Abs. 2, S. 92; Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 74. 93

Vgl. hierzu die Darstellung unter Β V 1, S. 541 ff., und unter Β V 2, S. 547 ff., sowie in Kapitel 3 D, S. 476 ff.

534

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

gen des Eingriffsakts, sondern lediglich eine regelmäßig hinter dem Integritätsinteresse zurückbleibende Geldentschädigung für das staatliche Unrecht. 94 Darüber hinaus wäre der dann erforderliche Wechsel des Rechtsweges mit zeitlichen Verzögerungen und weiterem Aufwand für den Anspruchsteller verbunden. Diese Bedenken gelten noch in verstärktem Maße in bezug auf den weiterhin denkbaren Verweis auf den Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Auch wenn hier zugunsten des Verletzten eine vollständige Schadensersatzleistung der öffentlichen Hand eingreift, 95 so wird dieser Vorteil jedoch in der Praxis dadurch entwertet, daß der Betroffene zur erfolgreichen Durchsetzung seines Anspruchsbegehrens den Verschuldensnachweis erbringen muß.

b) Der Einwand der Unzumutbarkeit alsflexibler Bewertungsmaßstab Als weiterer allgemeiner Grundsatz ist davon auszugehen, daß der an das Vorliegen dieses Ausschlußtatbestandes zu stellende Maßstab um so strenger ist, je schutzwürdiger das verletzte Rechtsgut ist. So kann beispielsweise bei einschneidender Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit als Folge von Immissionsbelastungen öffentlich-rechtlich betriebener Anlagen der finanzielle Aspekt im Regelfall keine anspruchsbegrenzende Funktion entfalten. Darüber hinaus spielt in diesem Zusammenhang ein weiterer Gesichtspunkt eine Rolle: Die Tatsache, daß durch den Ausschlußtatbestand der Unzumutbarkeit ein subjektiver Maßstab Berücksichtigung findet, ermöglicht es, die Mitverantwortung des Hoheitsträgers am Entstehen des unrechtmäßigen Zustands mit in die Betrachtung einzubeziehen.96 Vor allem dann, wenn die Verwaltung in besonders krasser Weise gegen die gebotenen Sorgfaltspflichten verstoßen hat, hat sie sich der Berufung auf den Ausschlußgrund der Unzumutbarkeit selbst entäußert.97 Dies entspricht dem allgemeingültigen Rechtsgrundsatz des Verbots des venire contra factum proprium.

94

Vgl. die Nachweise in Kapitel 3, Fußn. 61.

95

S. die Nachweise in Kapitel 3, Fußn. 57 und 288.

96

Vgl. in bezug auf § 3 StHG 1981: Amtl. Begr. zum E-StHG, BT-Drucks. 8/2079, S. 45; RE, § 3 Abs. 2, S. 92; Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 643. 97

Vgl. Schäfer/Bonk,

StHG, § 3 Rdnr. 74.

Β. Die Ausschlußgrnde im einzelnen

535

c) Berücksichtigung des allgemeinen Rechtsgedankens der Rechtsmißbräuchlichkeit Demgegenüber kann der Einwand der Unzumutbarkeit z.B. dann durchgreifen, wenn das Anspruchsbegehren des Betroffenen bei Einbeziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalls als rechtsmißbräuchlich zu qualifizieren ist. Das kann dann zu bejahen sein, wenn zwischen dem Ausmaß der Rechtsbeeinträchtigung und dem zur Folgenbeseitigung notwendigen Kostenaufwand ein großes Mißverhältnis gegeben ist.98 Besteht beispielsweise die widerrechtliche Verletzung in der Inanspruchnahme nur geringer Teile eines Privatgrundstücks zur Straßenverbreiterung, wobei diese Rechtstangierung nur unter erheblichem Kostenaufwand, bedingt durch eine notwendige neue Linienführung, behoben werden kann, so erscheint eine Geltendmachung der Unzumutbarkeit durch den Hoheitsträger angesichts der hierbei gleichzeitig betroffenen Gemeinwohlbelange als gerechtfertigt. 99 Das gleiche ist für den von Weyreuther angeführten Fall anzunehmen, daß im Wege der Folgenbeseitigungsklage der Wiederaufbau zu Unrecht beseitigter Baracken begehrt wird, obgleich aufgrund einer Änderung der Sachlage an einer derartigen Neuerrichtung kein schutzwürdiges Interesse mehr besteht.100

2. Haftungsausschluß wegen entgegenstehender öffentlicher Interessen Im Gegensatz zu der vorgenannten Fallgruppe ist hinsichtlich des Einwands der Unzumutbarkeit infolge entgegenstehender öffentlicher Interessen ein großzügiger Bewertungsmaßstab zugrundezulegen. Denn auf der Grundlage des Kriteriums der entgegenstehenden öffentlichen Interessen werden die Bedürfnisse der Allgemeinheit sowie das Gemeinwohl als Korrektiv der Beseitigungspflicht herangezogen. Zwar ist auch hier durch eine sorgfältige Prüfung des Sachverhalts zu gewährleisten, daß die Vornahme der Wiederherstellung nicht leichtfertig unter dem Vorwand angeblich widerstreitender Allgemeininteressen zum Nachteil und auf Kosten des Bürgers abgelehnt wird. Das schließt indes nicht die Möglichkeit aus, im Einzelfall die Unzumutbarkeit der begehrten Folgenbeseitigung wegen der betroffenen Gemeinwohlinteressen anzuerkennen. Relevanz kommt diesem Ausschlußgrund beispielsweise in den Sachverhaltsgestaltungen zu, bei denen im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs 98

Vgl. Nachweis wie vor.

99

Ossenbühl, StHR, S. 205, mit Bezug auf BVerwG, NJW 1972, 269 = DÖV 1971, 857 = DVB1. 1971, 858. 100

Weyreuther, S. 205.

Gutachten, S. Β 151 in Fußn. 619; hierauf verweisend Ossenbühl, StHR,

536

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

die Beseitigung einer immissionsträchtigen Anlage begehrt wird, wobei die Einrichtung eine dem Gemeinwohl in besonderem Maße dienende Funktion wahrnimmt. Wie bereits dargestellt, kann die Tatsache der Tangierung von Allgemeinwohlbelangen nicht zur Verneinung der Rechtswidrigkeit der Immissionsbelastungen führen. 101 Jedoch kann die Bedeutung der Anlage für die Allgemeinheit, wie dies z.B. bei Schulen oder auch Kinderspielplätzen der Fall ist, zur Folge haben, daß die vollständige Beseitigung der Anlage jedenfalls solange nicht gefordert werden kann, wie minderschwere Abhilfemaßnahmen eine zwar nicht umfassende, jedoch zumindest teilweise Reduzierung der Immissionsbeeinträchtigungen ermöglichen. Zur Illustrierung sei die Entscheidung des OVG Münster vom 8.7.1986 102 erwähnt. Dem Urteil lag das Rechtsschutzbegehren des Anspruchstellers auf Entfernung eines Bolzplatzes wegen der durch dessen Benutzung hervorgerufenen Lärmimmissionen zugrunde. Das Gericht hat hierbei der gemeinwohlbezogenen Aufgabenstellung der Anlage dadurch Rechnung getragen, daß es die vollständige Beseitigung der Einrichtung aus Zumutbarkeitserwägungen abgelehnt hat. 103 Anstelledessen hat das OVG Münster den Interessen der gestörten Nachbarn entsprochen, indem es die verantwortliche Gemeinde dazu verpflichtet hat, durch Nebenbestimmungen sicherzustellen, daß nur Kinder und Jugendliche bestimmter Altersgruppen den Spielplatz benutzen und daß eine klare Regelung der Öffnungszeiten erfolgt. Weiterhin hat das Gericht eine Sicherung bestimmter besonders immissionsträchtiger Spielgeräte veranlaßt. Erst wenn auch bei Durchsetzung dieser Maßnahmen sowie ggf. erfolgender zeitweiliger Schließung des Spielplatzes und Überwachung sämtlicher Schritte durch Polizei und Ordnungsamt eine Minderung der Störungen nicht möglich sei, sei als letzte denkbare Handlungsweise die Beseitigung des Bolzplatzes in Betracht zu ziehen.104 Diese Entscheidung verdeutlicht, daß die vom Anspruchsteller konkret begehrte Folgenbeseitigung durch Entfernung des Kinderspielplatzes wegen der betroffenen gemeinwichtigen Belange nicht zumutbar gewesen ist, solange bei Durchführung weniger gravierender Regelungen eine, wenn auch nicht vollständige, so doch zumindest teilweise Behebung der Lärmbeeinträchtigungen möglich erschien. Verallgemeinert läßt sich somit feststellen, daß dann, wenn Gemeinwohlbelange durch die angestrebte Folgenbeseitigung berührt werden, zu überprüfen ist, wie ein bestmöglicher Ausgleich der widerstreitenden Interessen erreicht werden kann. Dies hat u.U. zur Folge, daß der Betrof101

Vgl. die Ausführungen in Kapitel 2 Β IV 2, S. 327 ff.

102

OVG Münster, BauR, 1987, 46 ff.

103

OVG Münster, BauR 1987, 46 (50).

104

OVG Münster, BauR 1987, 46 (48 ff., insbes. 50).

Β. Die Ausschlußgrnde im einzelnen

537

fene mit Rücksicht auf die Allgemeinheit eine Restbelastung in Kauf nehmen muß.

I V . Sinnlosigkeit der Wiederherstellung Als weiterer Ausschlußgrund gegenüber dem Folgenbeseitigungsanspruch wird ferner teilweise die Sinnlosigkeit der Wiederherstellung angeführt. 105 Das bislang zur Verdeutlichung - soweit ersichtlich - einzig herangezogene Fallbeispiel bezieht sich auf den Schulbereich. Danach kann ein zu Unrecht nicht versetzter Schüler infolge der Sinnlosigkeit der Wiederherstellung nicht im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs die Aufnahme in die nächsthöhere Klasse begehren, wenn das neue Schuljahr bereits mehrere Monate andauert.106 Allerdings kann aus dieser Sachverhaltskonstellation nach dem hier vertretenen Standpunkt bereits deshalb keine Einwendung gegenüber dem Folgenbeseitigungsanspruch abgeleitet werden, weil dieser Beispielsfall ohnehin nicht in seinen Anwendungsbereich einzubeziehen ist. 107 Dies beruht auf dem Umstand, daß in der vorliegenden Fallgestaltung ein Leistungsbegehren im Anschluß an eine unberechtigterweise verweigerte Vergünstigung geltend gemacht wird, das nicht vom Eingriffstatbestand erfaßt wird. 108 Dessenungeachtet erheben sich zudem grundsätzliche Bedenken gegen die Anerkennung einer solchen Einwendung. Allerdings ist einzuräumen, daß es Fallkonstellationen geben kann, in denen die begehrte Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands aus der Sicht eines objektiven Dritten als sinnlos 105

Böß, Vergleich, S. 102; H. Horn, FBA, S. 120 f.; Köckerbauer, JuS 1988, 782 (786); Obermayer, JuS 1963, 110 (114); Rüfner, DVB1. 1967, 186 (188 f.); Ossenbühl, StHR, S. 205. Dessen Behauptung, es handele sich bei dem Ausschlußtatbestand der Sinnlosigkeit der Wiederherstellung um eine unbestrittene Haftungsbegrenzung, kann nicht zugestimmt werden. Denn einerseits wird in den meisten Darstellungen zum Folgenbeseitigungsanspruch dieser Ausschlußgrund gar nicht erwähnt, vgl. exemplarisch Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnrn. 223-229; Maurer, AllgVerwR, §29 Rdnrn. 10-12; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 497, 498 f.; Wolff/Bachof\ VerwR I, § 54 I I g, S. 479, und andererseits werden ausdrücklich ablehnende Standpunkte gegen die Annahme dieser Haftungsbeschränkung geäußert, so z.B. Fiedler, NVwZ 1986, 969 (976). 106

Scheuner, DÖV 1955, 545 (549); hierauf ausdrücklich oder stillschweigend bezugnehmend: Böß, Vergleich, S. 102; Köckerbauer, JuS 1988, 782 (786); Obermayer, JuS 1963, 110 (114); Rüfner, DVB1. 1967, 186 (188). 107

I.E. ebenso Ossenbühl, StHR, S. 205; Köckerbauer, JuS 1988, 782 (786 in Fußn. 91), die dies mit dem Umstand begründen, daß es in diesem Beispielsfall nicht um die Wiederherstellung des Status quo ante, sondern um die Herstellung eines Zustands gehe, der so bisher noch nicht bestanden habe. 108

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2 Β II 2, S. 169 ff.

5 3 8 K a p . 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

erscheint. Gleichwohl ist es aus dogmatischen Gründen abzulehnen, aus dem potentiellen Gegebensein einzelner Ausnahmefälle die Notwendigkeit einer eigenständigen Haftungsbeschränkung abzuleiten. Zum einen ist zu bedenken, daß angesichts der verfassungsrechtlichen Wurzel des Folgenbeseitigungsanspruchs dem Integritätsinteresse des Geschädigten und damit seinem Wunsch auf Wiederherstellung der ursprünglichen Situation eine herausragende Bedeutung beigemessen werden muß. Diese Rechtsstellung darf nicht auf der Grundlage einer vorschnellen Abqualifizierung seines Anspruchsbegehrens als sinnloses Unterfangen ihrer Schutzfunktion beraubt werden. Zum anderen ist für diejenigen Fallgestaltungen, in denen sich unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabs die angestrebte Folgenbeseitigung tatsächlich als sinnlos darstellt, kein Bedürfnis für das Eingreifen einer weiteren Haftungsbegrenzung ersichtlich. Denn bei derartigen Grenzfällen wird häufig bereits das Tatbestandsmerkmal der fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung fraglich sein. Darüber hinaus kann über den Ausschlußgrund der Unzumutbarkeit sichergestellt werden, daß der Träger der öffentlichen Gewalt nicht einem willkürlichen Wiederherstellungsbegehren ausgesetzt wird. In Fällen, in denen die verlangte Behebung der Unrechtsfolgen zur Durchsetzung des Integritätsinteresses als sinnlos zu charakterisieren ist, wird sich das Folgenbeseitigungsbegehren in Relation zum damit verbundenen Aufwand, selbst wenn er nur geringfügig ist, als rechtsmißbräuchlich und damit unzumutbar darstellen. Mithin ist eine weitere Eingrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs über den Ausschlußtatbestand der Sinnlosigkeit der Wiederherstellung weder dogmatisch überzeugend noch mangels rechtlichen Bedürfnisses geboten.109

V. Zur Frage der analogen Anwendbarkeit des § 254 BGB als Haftungsausschlußgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs Erörterungsbedürftig bleibt schließlich die analoge Anwendbarkeit des zivilrechtlichen Haftungsausschlußgrundes des § 254 BGB im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs. Diese Vorschrift beschränkt die Ersatzpflicht des Schädigers für den Fall, daß bei der Entstehung oder der Entwicklung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat. Die grundsätzliche Verpflichtung zur Ersatzleistung sowie deren Umfang sind danach davon abhängig, von wem der Schaden in überwiegendem Maße verursacht worden ist. Damit beruht § 254 109

Ebenfalls kritisch Fiedler, NVwZ 1986, 969 (976).

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

539

BGB auf dem Rechtsgedanken, daß derjenige, der die Sorgfalt außer acht läßt, die nach Lage der Gegebenheiten geboten erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den vollständigen Verlust oder zumindest die Kürzung seines Schadensersatzanspruchs hinnehmen muß. 110 Mithin erhebt sich die Frage, ob auch im Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs eine Berücksichtigung der Mitverantwortung des Verletzten am Entstehen bzw. am Ausmaß der rechtswidrigen Zustandsveränderung über die Zivilrechtsnorm des § 254 BGB geboten erscheint.

1. Der Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur In zwei wegweisenden Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht zu der Problematik der entsprechenden Heranziehung des § 254 BGB beim Folgenbeseitigungsanspruch Stellung bezogen.

a) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.8.1971 Dem ersten Urteil vom 25.8.1971 lag das Rechtsschutzbegehren des Eigentümers eines Einfamilienhauses zugrunde.111 Da Teile seines Hanggrundstücks rechtswidrigerweise zur Straßenverbreiterung in Anspruch genommen worden waren, begehrte er im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs die Restitution der ursprünglichen Grundstückssituation durch Wiederherstellung des vormaligen Böschungswinkels von 45°. Gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Folgenbeseitigung wurde vom Gericht indes eingewandt, er habe es versäumt, sich rechtzeitig gegen die bevorstehende Inanspruchnahme seines Grundeigentums zur Wehr zu setzen. Da die beklagte Gemeinde im Vorfeld der geplanten Straßenbauarbeiten sämtliche Grundstücksanlieger bei in Aussicht gestelltem Verzicht auf die Erhebung von Erschließungsbeiträgen um die unentgeltliche Überlassung der benötigten Grundstücksteile gebeten habe, habe der Kläger bei dem sich abzeichnenden Vorgehen der Beklagten ihm gegenüber einen Irrtum seitens der Beklagten bezüglich seines Einverständnisses in Rechnung stellen müssen. Folgerichtig habe er nicht auf eine weitere Anfrage der Beklagten warten dürfen, sondern hätte unverzüglich von sich aus seine fehlende Zustimmung offenlegen müssen. Hierbei habe es nicht eines förmlichen Rechtsbehelfs bedurft. Vielmehr wäre die tatsächliche Benachrichtigung der Beklagten ausreichend gewesen. Durch dieses Verhalten des Klägers sei die rechtswidrige Inanspruchnahme des Grundstücks mit110 Vgl. BGHZ 9, 316 (319 f.); 3, 46 (49); RGZ 112, 284 (286 f.); 110, 42 (44); weiterhin Palandt/Heinrichs, BGB, § 254 Anm. la. 111

BVerwG, DVB1. 1971, 858 ff.; vgl. auch BVerwG, NJW 1985, 1481 f.

5 4 0 K a p . 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

verursacht worden, so daß der Folgenbeseitigungsanspruch in analoger Anwendung des § 254 BGB ausscheiden würde. 112 Die Vorschrift des § 254 BGB sei dabei als Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens und Gebots der Gerechtigkeit anwendbar, daß ein Schaden, für den mehrere Personen verantwortlich sind, grundsätzlich auch von ihnen gemeinsam getragen und auf sie verteilt werden müsse. Maßgebend sei hierfür nicht das Vorliegen eines Verschuldens, sondern wesentlich sei vielmehr die Tatsache der Verantwortung als solche. Hierbei sei allerdings das Bestehen eines Sorgfaltswidrigkeitsvorwurfs auf Seiten des Anspruchstellers für Art und Umfang des Ausgleichs von erheblicher Bedeutung.113 Dabei folge der vollständige Ausschluß des Folgenbeseitigungsanspruchs bei Zugrundelegung des § 254 BGB analog aus der Tatsache, daß der Folgenbeseitigungsanspruch in concreto auf eine unteilbare Leistung gerichtet sei. Die Berücksichtigung der beiderseitigen Verantwortung könne nämlich sinnvoll nicht dadurch realisiert werden, daß der Beklagte statt des begehrten lediglich einen verminderten Böschungswinkel wiederherzustellen brauche.114 Mithin hat das Bundesverwaltungsgericht den Grundsatz aufgestellt, demzufolge für den Fall, daß eine reale Verteilung des Schadens ausscheide und gleichzeitig eine ins Gewicht fallende Mitverantwortung des Anspruchstellers vorliege, der Folgenbeseitigungsanspruch insgesamt entfalle. Nur so könne eine gerechte Risikoverteilung zwischen den staatlichen Interessen und denjenigen des Betroffenen verwirklicht werden. Denn während für den Verletzten auch bei Ausscheiden des Folgenbeseitigungsanspruchs die Möglichkeit bestehe, sonstige Ausgleichs- bzw. Ersatzansprüche geltend zu machen, greife zugunsten der öffentlichen Hand, soweit zu ihren Lasten eine uneingeschränkte Haftung befürwortet würde, keine weitere Rechtsgrundlage zur Geltendmachung der Mitverantwortung des Geschädigten ein. 115 Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die von den unterinstanzlichen Gerichten zum Teil ohne nähere Auseinandersetzung übernommen worden ist, 116 hat in der Literatur sowohl Zustimmung117 als auch Ablehnung118 erfahren. 112

BVerwG, DVB1. 1971, 858 (860 f.).

113

Nachweis wie vor.

114

BVerwG, DVB1. 1971, 858 (861).

1,5

Nachweis wie vor.

116 VGH Mannheim, NJW 1985, 1482. Ausdrücklich dem Bundesverwaltungsgericht zustimmend VGH Kassel, U.v. 15.12.1987 - 2 OE 96/83 - , S. 17 ff., insoweit in Städtetag 1988, 702, nicht veröffentlicht; zweifelnd hingegen VGH München, BayVBl. 1990, 627

(628).

117 Bachof; DÖV 1971, 859 (861); W. Martens, Rechtsschutz, S. 38; Steinberg, Nachbarrecht, Rdnr. 25, S. 14. Ebenso die entsprechende Anwendung des § 254 BGB befürwor-

Β. Die Ausschlußgrnde im einzelnen

541

b) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.4.1989 Mit einem zeitlichen Abstand von bald zwanzig Jahren hat sich das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 14.4.1989 erneut mit der Anwendbarkeit des § 254 BGB im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs befaßt. 119 Dieser Entscheidung lag der Rechtsstreit zwischen einer Grundstückseigentümerin und einer Gemeinde hinsichtlich der Behebung der Folgen einer unsachgemäßen Herstellung einer Gemeindestraße zugrunde. Die Klägerin machte dabei geltend, durch den mangelhaft ausgeführten Straßenausbau sei der Raum zwischen der befestigten Fahrbahn und der Einfriedungsmauer ihres Grundstücks unsachgemäß mit Erdreich aufgefüllt worden. Bedingt durch die Tatsache, daß die Mauer für eine derartige Maßnahme sowohl bezüglich ihrer Standfestigkeit als auch Isolierung ungeeignet gewesen sei, was das seitens der Gemeinde beauftragte Straßenbauunternehmen habe erkennen müssen, seien Feuchtigkeitsschäden an der gemauerten Einfriedigung hervorgerufen worden. 120 Das erstinstanzliche Verwaltungsgericht hatte dem Klagebegehren zunächst stattgegeben, indem es die Verpflichtung der Gemeinde zur Anbringung einer Betonstützmauer vor der Grundstücksgrenze zur Straße hin aussprach. Demgegenüber hat der VGH Kassel auf Berufung der Beklagten hin die Klage einschließlich des im Berufungsverfahren zusätzlich gestellten Hilfsantrags der Klägerin, die Beklagte zumindest zur Beseitigung der Feuchtigkeits- und Druckeinwirkungen zu verurteilen, die vom Straßenkörper auf die vorhandene Einfriedungsmauer ausgehen, abgewiesen. Nach Auffassung des VGH Kassel scheitert das Folgenbeseitigungsbegehren an der überwiegenden Mitverantwortung der Grundstückseigentümerin

tend: Baumeister, FBA, S. 115 ff., 121; Bender, StHR, 2. Aufl., Rdnr. 229; Böß, Vergleich, S. 121 ff.; Ossenbühl, StHR, S. 205 f.; M. Redeker, DÖV 1987, 194 (200); Weyreuther, Gutachten, S. Β 98 ff. i.V.m. S. Β 62; Wolff/Bachof, VerwR I, § 54 II e, S. 478; weiterhin Drews /Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 626 f.; Wallerath, DÖV 1987, 505 (513 in Fußn. 92); differenzierend Maaß, BayVBl. 1987, 520 (526 f.), wonach der Rechtsgedanke des § 254 BGB hinsichtlich der mittelbaren, nicht jedoch bezüglich der unmittelbaren Unrechtsfolgen anwendbar ist. 118

Erichsen, VerwArch 63 (1972), 217 (222 ff.); ders., VerwR I, S. 227 f.; HoffmannBecking, JuS 1972, 509 (514); H.H. Rupp, DVB1. 1972, 232 (233); ders., JA 1979, 506 (510 f.); s. auch Götz, AllgVerwR, S. 231 f. Ebenfalls kritisch hinsichtlich der analogen Berücksichtigung des § 254 BGB: Fiedler, NVwZ 1986, 969 (973 in Fußn. 60, 975); Papier, in: Müko, BGB § 839 Rdnr. 81 in Fußn. 201; Schenke, JuS 1990, 370 (373-376); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (53 f., 63); zurückhaltend auch Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 13. 119 BVerwG, NJW 1989, 2484 ff., mit Anm. Busse, ZAP 1989, 541 f., sowie Bspr. Schenke, JuS 1990, 370 ff. 120

BVerwG, NJW 1989, 2484.

542

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

gem. § 254 BGB analog. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe nämlich ihrerseits vor dem Straßenausbau eine Abgrabung des Grundstücks in einer Tiefe von mindestens 75 cm vorgenommen und durch die neu errichtete Grenzmauer eingefaßt, um so eine Umgestaltung des Grundstücks durchzuführen. Diese Maßnahme sei nach § 909 BGB als rechtswidriger Eingriff in das Straßengrundstück zu qualifizieren, zumal bei Errichtung der Grenzmauer bereits sicher zu erwarten gewesen sei, daß das Straßengrundstück bis an die Grenze des klägerischen Grundstücks wieder auf ein höheres Niveau angeschüttet werden würde. Infolgedessen trage die Klägerin, die sich die Maßnahmen als Rechtsnachfolgerin im Grundeigentum zurechnen lassen müsse, die überwiegende Mitverantwortung an den eingetretenen Schäden. Infolge Unteilbarkeit des Schadens führe dies zum völligen Entfallen des Folgenbeseitigungsanspruchs.121 Das Bundesverwaltungsgericht hat hinsichtlich des Hilfsantrags das Urteil des V G H Kassel aufgehoben und zurückverwiesen. Dabei stellt es in Übereinstimmung mit dem seinerzeit ergangenen Urteil vom 25.8.1971 die prinzipielle Geltung des § 254 BGB im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs fest. Auch wenn der Anspruch auf Folgenbeseitigung verschuldensunabhängig sei, schließe dies die analoge Heranziehung des Rechtsgedankens des § 254 BGB nicht aus. Als einschränkende Voraussetzung wird jedoch in Abweichung von der früheren Entscheidung das Erfordernis aufgestellt, daß der durch die Rechtsprechung bestätigte Grundgedanke des § 254 BGB gewahrt bleiben müsse, wonach eine verschuldensunabhängige Haftung des Geschädigten nur bei einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung als Haftungsgrund ins Gewicht falle. Bei Fehlen einer derartigen normativen Anordnung könne § 254 BGB deshalb nur zur Anwendung gelangen, soweit dem Geschädigten ein schuldbezogener Vorwurf gemacht werden könnte.122 Bedeutsame Unterschiede ergeben sich demgegenüber in bezug auf die rechtlichen Konsequenzen des Mitverschuldens bei fehlender Teilbarkeit des

121 VGH Kassel, U. v. 15.12.1987 - 2 OE 96/83 - , S. 17 ff., insoweit in Städtetag 1988, 702, nicht veröffentlicht. Vgl. auch die Darstellung bei BVerwG, NJW 1989, 2484 (2484, 2485 f.). 122 So BVerwG, NJW 1989, 2484 (2485 1. Sp. Mitte). Der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts, daß nach bisheriger Rechtsprechung § 254 BGB im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs nur dann Berücksichtigung gefunden habe, wenn bei fehlender gesetzlicher Regelung dem Geschädigten ein schuldbezogener Vorwurf an der Zustandsveränderung gemacht werden könne, geht insoweit fehl, als die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.8.1971 bezüglich der Anwendbarkeit des § 254 BGB gerade nicht auf ein Verschulden abgestellt hat. Vielmehr sollte das Vorliegen eines Sorgfaltswidrigkeitsvorwurfs erst für Art und Ausmaß des Ausgleichs von Bedeutung sein, vgl. Nachweis in Fußn. 113.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

543

Schadens. Während seinerzeit für diesen Fall der vollständige Ausschluß des Folgenbeseitigungsanspruchs angenommen worden ist, will das Bundesverwaltungsgericht nunmehr die nach § 254 BGB gebotene Zuweisung der wechselseitigen Verantwortung durch eine Ausgleichszahlung in entsprechender Anwendung des § 251 Abs. 1 BGB ermöglichen.123 Durch die Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs, die im Bereich des rechtmäßigen öffentlichrechtlichen Handelns in § 17 Abs. 4 S. 2 FStrG sowie § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG eine vergleichbare gesetzliche Normierung erfahren habe, werde dem Umstand Rechnung getragen, daß die öffentliche Hand im Verhältnis zum Bürger in strengerer Verantwortung stehe. Denn ihr Verhalten stelle sich regelmäßig als ein Eingriff in grundrechtlich gewährleistete Rechtspositionen dar. Auch § 3 Abs. 3 StHG habe eine entsprechende Regelung der Kostenbeteiligung enthalten.124 Offengelassen hat das Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob über die Annahme dieses spezifischen Ersatzanspruchs hinaus ein eigenständiger Ausgleichsanspruch in Gestalt des in der Literatur diskutierten sog. Folgenentschädigungsanspruchs anzuerkennen sei.125

2. Kritik Die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts, wie sie in den beiden grundlegenden Entscheidungen dargelegt worden ist, vermag nicht zu überzeugen. Die Bedenken ergeben sich dabei sowohl hinsichtlich der befürworteten Anwendbarkeit des § 254 BGB im Regelungsrahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs (a) als auch im Hinblick auf die vorgetragenen Lösungskonzepte bezüglich der Berücksichtigung des Mitverschuldens bei Unteilbarkeit des Schadens (b).

a) Anwendbarkeit des § 254 BGB im Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs Kritikwürdig ist zunächst die vom Bundesverwaltungsgericht und Teilen des Schrifttums vertretene analoge Geltung des § 254 BGB im Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs.

123

BVerwG, NJW 1989, 2484 (2485). Zustimmend Busse, ZAP 1989, 541 (542). Ähnlich bereits Grave, DVB1. 1972, 231 (232), sowie inhaltlich übereinstimmend, ders., MDR 1972, 336 f. 124

BVerwG, Nachweis wie vor.

125

BVerwG, NJW 1989, 2484 (2485 r. Sp. Mitte).

544

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

Einwände ruft die Heranziehung des Haftungsausschlußgrundes des § 254 BGB in bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch in dogmatischer Hinsicht hervor. Während dieser zivilrechtliche Ausschlußgrund eine schadensersatzrechtliche Bestimmung darstellt und für den ggf. eintretenden Haftungsauschluß bzw. die Haftungsminderung auf ein Verschulden des Geschädigten abstellt, handelt es sich bei dem Folgenbeseitigungsanspruch um einen tatsächlichen Restitutionsanspruch, der gerade nicht an ein Verschulden der Beteiligten anknüpft. 126 Mithin weisen beide Rechtsinstitute zwei wesentliche strukturelle Unterschiede auf, die eine entsprechende Anwendung des § 254 BGB im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs als systemwidrig erscheinen lassen. Bestätigung findet dieser Einwand insofern, als auch im Geltungsbereich des § 1004 BGB, der nach dem hier vertretenen Standpunkt als inhaltlicher Konkretisierungsmaßstab des Folgenbeseitigungsanspruchs heranzuziehen ist, in zunehmendem Maße in der Literatur die Berücksichtigung des § 254 BGB abgelehnt wird. 127 Noch gewichtiger sind indes diejenigen Bedenken, die sich daraus ergeben, daß § 254 BGB seiner Tatbestandsstruktur nach auf eine potentielle Schadensteilung hin angelegt ist. 128 Dieses wesensbestimmende Merkmal des § 254 BGB ist beim Folgenbeseitigungsanspruch nicht gegeben. Vielmehr ist er, verstanden als tatsächlicher Wiederherstellungsanspruch, gerade im Gegenteil regelmäßig auf eine unteilbare Leistung ausgerichtet, da nur so dem grundrechtlichen Integritätsanspruch, der die rechtliche Wurzel des Folgenbeseitigungsanspruchs bildet, Geltung verschafft werden kann. Dieser systematische Unterschied führt dazu, daß die Regelungsähnlichkeit, die für jede Analogie anerkanntermaßen unerläßliche Voraussetzung ist, 129 nicht erfüllt ist. Demzufolge stellt auch der Verweis auf die allgemein anerkannte Anwendbarkeit des § 254 BGB im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs 130 bzw. in 126

Hierauf ebenfalls hinweisend: H.H. Rupp,, DVB1. 1972, 232 (233); ders., JA 1979, 506 (510 f.); Schoch, VerwArch. 79 (1988), 1 (53 f.). 127 Hierauf ebenfalls hinweisend: Schenke, JuS 1990, 370 (373); vgl. auch VGH München, BayVBl. 1990, 627 (628). Die Anwendbarkeit des § 254 BGB im Rahmen des § 1004 BGB beispielsweise ablehnend: Medicus, in: Müko, BGB, § 1004 Rdnr. 68; Staudinger-Gursky, BGB, § 1004 Rdnr. 109; vgl. auch Bettermann, Sitzungsberichte, S. L 138. A.A. demgegenüber Palandt/Bassenge, BGB, § 1004 Anm. 7 c cc; Soergel/Mühl, BGB, § 1004 Rdnr. 106. 128 Ebenso Erichsen, VerwArch 63 (1972), 217 (223 f.); H.H. Rupp, DVB1. 1972, 232 (233); ders., JA 1979, 506 (510 f.); Schenke, JuS 1990, 370 (373 f.); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (54); vgl. auch Medicus, in: Müko, BGB, § 1004 Rdnr. 68, im Hinblick auf die Anwendung des § 254 BGB im Rahmen des § 1004 BGB. 129 130

Vgl. die Nachweise in Kapitel 1, Fußn. 294.

Vgl. zur Anwendung des § 254 BGB hinsichtlich der Amtshaftung Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnrn. 49 f.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

545

bezug auf den enteignungsgleichen Eingriff 131 kein Argument für die Geltung des § 254 BGB hinsichtlich des Folgenbeseitigungsanspruchs dar. Denn diese beiden öffentlich-rechtlichen Rechtsinstitute sind im Unterschied zum Folgenbeseitigungsanspruch regelmäßig auf Geldersatz und damit auf eine teilbare Leistung gerichtet.132 Die Schwierigkeiten, die sich für das Bundesverwaltungsgericht auf dem Hintergrund der befürworteten Anwendbarkeit des § 254 BGB bei fehlender Teilbarkeit des Schadens ergeben, sind denn auch das Ergebnis der Nichtbeachtung dieser tatbestandlichen und systematischen Unterschiede zwischen dem Folgenbeseitigungsanspruch als verschuldsunabhängigem Restitutionsanspruch einerseits und dem § 254 BGB als verschuldensbezogener Schadensersatznorm andererseits. 133 Infolgedessen ist als Zwischenergebnis festzuhalten, daß die analoge Heranziehung des § 254 BGB als Haftungsausschlußgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs aus dogmatischen Erwägungen nicht zu überzeugen vermag.

b) Die Lösungskonzepte hinsichtlich der Berücksichtigung des Mitverschuldens des Verletzten bei Unteilbarkeit des Schadens Weitere Kritikpunkte ergeben sich in bezug auf die vom Bundesverwaltungsgericht befürworteten rechtlichen Konsequenzen, die sich bei einer Mitverantwortung des Anspruchstellers bei fehlender Teilbarkeit des Schadens ergeben sollen.

131

Zur analogen Geltung des § 254 BGB im Rahmen des enteignungsgleichen Eingriffs Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rdnrn. 434-443; Ossenbühl, StHR, S. 162. 132

Dies übersieht Weyreuther,

133

Gutachten, S. Β 98.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß Schenke, JuS 1990, 370 (374 f.), die Unanwendbarkeit des § 254 BGB im Regelungsbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs zusätzlich aus der Regelung in § 113 Abs. 1 S. 1 und 2 VwGO ableitet. Danach enthalten diese Regelungen keinerlei Anhaltspunkte dahingehend, daß sowohl die Aufhebung des Verwaltungsakts als auch die Beseitigung der Vollzugsfolgen eines Verwaltungsakts durch ein Mitverschulden des Betroffenen beeinflußt werden. Eine solche Argumentation ist allerdings dem Einwand ausgesetzt, daß infolge des prozeßrechtlichen Charakters dieser Normierungen den Vorschriften für die Ausgangsfrage kein eindeutiger Aussagegehalt zukommt. 35 Pietzko

546

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

Völliger

aa) Erster Lösungsweg: Ausschluß des Folgenbeseitigungsanspruchs

Nicht gefolgt werden kann der vom Bundesverwaltungsgericht und Teilen des Schrifttums vertretenen Ansicht, wonach bei einer ins Gewicht fallenden Beteiligung des Verletzten am Entstehen oder am Ausmaß der rechtswidrigen Zustandsveränderung die Unteilbarkeit des Schadens zum vollständigen Entfallen des Folgenbeseitigungsanspruchs führen soll. 134 Diese inzwischen selbst vom Bundesverwaltungsgericht revidierte Auffassung 135 steht in eklatantem Widerspruch zu seiner verfassungsrechtlichen Legitimierung. Vor dem Hintergrund, daß die Folgenbeseitigungspflicht typischerweise in einer unteilbaren Leistung besteht, hat diese Ansicht bei einem maßgeblichen Mitverschulden des Verletzten an der Rechtsbeeinträchtigung für den Regelfall den Anspruchsuntergang zur Folge, was die Schutzfunktion des Haftungsinstituts obsolet macht.136 Gleichzeitig wird durch dieses kompromißlose Alles-oder-Nichts-Prinzip, das überdies dem auf Ausgleich der jeweiligen Verantwortungsbeiträge hin konzipierten Rechtsgedanken des § 254 BGB diametral entgegenläuft, 137 eine Risikoverteilung zu Lasten des beeinträchtigten Rechtsinhabers getroffen. Demgegenüber wäre, sofern man überhaupt eine generelle Risikozuweisung für notwendig erachtet, mit Rücksicht auf die Bindung der Verwaltung an das Gesetzmäßigkeitsprinzip und die im Verhältnis zum Bürger größere Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand eine vorrangige Risikoverteilung zum Nachteil des Hoheitsträgers sachgerecht.138 Hieran vermag auch der Hinweis auf die dem Betroffenen weiterhin zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten in Gestalt des Amtshaftungsanspruchs sowie des Rechtsinstituts des enteignungsgleichen Eingriffs 139 nichts zu ändern. Zum einen erscheint es prinzipiell verfehlt, die Anspruchsgrenzen eines Haftungsinstituts durch die Bezugnahme auf anderweitige, außerhalb dieses stehende Anspruchsnormen festzulegen. Zum anderen wird durch den simplen Verweis auf die weiteren Haftungstatbestände außer acht gelassen, daß die Geltendmachung jener Ansprüche - sofern ihre tatbestandlichen Voraussetzungen überhaupt gegeben sind, was vor allem hinsichtlich des Verschul134

S. die Nachweise in Fußn. 114-117.

135

Vgl. den Nachweis in Fußn. 123.

136

Vgl. hierzu Erichsen, VerwArch 63 (1972), 217 (224); H.H. Rupp, JA 1979, 506 (510 f.); Schenke, JuS 1990, 370 (374); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (54); s. auch Busse, ZAP 1989, 541 (542). 137

Vgl. Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 81.

138

S. hierzu Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (54).

139

Vgl. den Nachweis in Fußn. 115.

Β. Die Ausschlußgrnde im einzelnen

547

denserfordernisses der Amtshaftung häufig zweifelhaft sein wird - für den Betroffenen mit einem erneuten Prozeßrisiko und einer Rechtswegänderung verbunden ist. Ferner steht der Verweis auf die Sekundäransprüche, welche auf Geldersatz gerichtet sind, im Widerspruch zu dem im Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts 140 postulierten Vorrang des Primärrechtsschutzes.141 Darüber hinaus ist zu bedenken, daß der gänzliche Ausschluß des Folgenbeseitigungsanspruchs bei fehlender Teilbarkeit der Folgenbeseitigungspflicht unter zwei weiteren Aspekten zu ungerechtfertigten Ergebnissen führt. Unbillig ist zunächst, daß die zufällig vorliegende Unteilbarkeit des Schadens zum prinzipiellen Vorteil für die öffentliche Gewalt erwachsen soll. 142 Zudem hat diese Differenzierung in Abhängigkeit von der möglichen Aufteilung des Schadens im Verhältnis der privaten Anspruchsteller untereinander eine einseitige Besserstellung derjenigen zur Folge, deren Folgenbeseitigungsbegehren in concreto eine teilbare Leistungsverpflichtung beinhaltet. Demnach führt das gänzliche Entfallen des Folgenbeseitigungsanspruchs bei fehlender Teilbarkeit der Folgenbeseitigung zu grob unbilligen Ergebnissen, und ist infolgedessen abzulehnen.

Schaffung

bb) Zweites Lösungsmodell: eines Ausgleichsanspruchs gem. § 251 BGB analog

Konnte der vollständige Ausschluß des Folgenbeseitigungsanspruchs für den Fall der Unteilbarkeit des Schadens nicht überzeugen, so ist nunmehr die vom Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 14.4.1989 entwikkelte Lösung, nach welcher die gem. § 254 BGB gebotene Zuweisung der wechselseitigen Verantwortung durch eine Ausgleichszahlung in entsprechender Anwendung des § 251 Abs. 1 BGB sichergestellt werden soll, 143 auf ihre Tragfähigkeit hin zu untersuchen.

aaa) Unzutreffende Bezugnahme auf die Regelung in § 3 Abs. 3 StHG 1981 Kritikwürdig ist zunächst die zur Begründung der Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Geldanspruch vorgenommene Bezugnahme 140

Vgl. den Nachweis in Kapitel 1, Fußn. 152.

141

So ebenfalls Schenke, JuS 1990, 370 (376).

142

Insoweit übereinstimmend BVerwG, NJW 1989, 2484 (2485).

143

Vgl. den Nachweis in Fußn. 123.

548

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

auf die Regelung in § 3 Abs. 3 StHG 1981. Der Hinweis, der Gesetzgeber habe in § 3 Abs. 3 StHG 1981 eine dem § 251 Abs. 1 BGB vergleichbare Regelung angeordnet,144 trifft nicht zu. Während § 251 Abs. 1 BGB für den Fall, daß die naturale Wiederherstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht ausreichend ist, einen Geldentschädigungsanspruch normiert, regelte § 3 Abs. 3 StHG 1981 die Art und Weise der Durchsetzung des Anspruchs auf tatsächliche Folgenbeseitigung im Falle der Mitverantwortung des Geschädigten an der Zustandsveränderung. Nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 StHG 1981 konnte der betroffene Rechtsinhaber, der den rechtswidrigen Zustand mitverursacht hatte, die tatsächliche Restitution nur dann verlangen, wenn er sich an den Kosten der Folgenbeseitigung entsprechend dem Maß seiner Mitverantwortung beteiligte. Lediglich für den Fall, daß seine Mitverantwortung überwiegen sollte, war der Anspruchsausschluß angeordnet. Demnach sah § 3 Abs. 3 StHG 1981 gerade nicht die Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Geldentschädigungsanspruch vor, sondern machte bei Mitverantwortung des Betroffenen an der widerrechtlichen Zustandsveränderung den Restitutionsanspruch von der Bereitschaft des Verletzten zur Kostenbeteiligung abhängig. Folglich liegt § 3 Abs. 3 StHG 1981 einerseits und § 251 Abs. 1 BGB andererseits ein völlig unterschiedlicher Regelungsinhalt zugrunde, der eine inhaltliche Bezugnahme im Verhältnis dieser beiden Vorschriften ausschließt.145

bbb) Generelle Fragestellung: Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Folgenentschädigungsanspruch bei Unerfüllbarkeit der naturalen Folgenbeseitigung Die vom Bundesverwaltungsgericht in bezug auf § 254 BGB aufgeworfene Fragestellung der Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Ausgleichsanspruch analog § 251 Abs. 1 BGB ist, wie bereits angedeutet wurde, 146 in den größeren Problemzusammenhang einzuordnen, ob sich der Folgenbeseitigungsanspruch generell für den Fall, daß die begehrte tatsächliche Folgenbeseitigung nicht durchführbar ist, in einen Geldentschädigungsanspruch umwandelt. Anders als der Problemfall der fehlenden Teilbarkeit 144 So BVerwG, NJW 1989, 2484 (2485 r. Sp. Mitte). Die Veröffentlichung der Entscheidung in der NJW weist einen Schreibfehler auf, als hier - im Gegensatz zu den Veröffentlichungen des Urteils in DVB1. 1989, 876 (878) bzw. DÖV 1989, 774 (775) - von § 3 Abs. 2 StHG 1981 die Rede ist. 145

Eine dem § 251 Abs. 1 BGB vergleichbare Regelung sah jedoch § 4 Abs. 2 StHG 1981 vor. 146

Vgl. die Darstellung in Kapitel 3 D, S. 476 ff.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

549

des Schadens im Rahmen des § 254 BGB wird nämlich die Unmöglichkeit der Wiederherstellung bereits dem Wortlaut nach vom Regelungsbereich des § 251 Abs. 1 BGB erfaßt. Folglich müßte bei Anerkennung eines Geldleistungsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 251 Abs. 1 BGB bei Unteilbarkeit des Schadens konsequenterweise erst recht für diejenigen Sachverhaltskonstellationen, die vom Geltungsbereich des § 251 Abs. 1 BGB explizit geregelt werden, die Transformation des Restitutionsanspruchs in einen Geldersatzanspruch analog § 251 Abs. 1 BGB befürwortet werden. Mithin wäre auch dann, wenn die Folgenbeseitigung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist, ein Geldentschädigungsanspruch analog § 251 Abs. 1 BGB in Betracht zu ziehen.147

(1) Zubilligung eines Geldentschädigungsanspruchs aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs Die sich damit generell stellende Frage, ob sich der Folgenbeseitigungsanspruch bei Nichterfüllbarkeit in einen Geldentschädigungsanspruch umwandelt, ist bereits früher in der Literatur aufgeworfen und zum Teil bejaht worden. So hat schon Bachof 148 in seiner Habilitationsschrift zum VollzugsFolgenbeseitigungsanspruch die Ansicht vertreten, der Gläubiger könne für den Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit der Restitution die Herstellung eines gleichwertigen Zustands fordern oder wahlweise einen Geldersatzanspruch, gestützt auf § 249 S. 2 BGB analog, geltend machen. Ebenso hat Weyreuther 149 die Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Folgenersatzanspruch bei tatsächlicher bzw. rechtlicher Unmöglichkeit sowie bei Unzumutbarkeit der Folgenbeseitigung für den Hoheitsträger angenommen. So wie nach seiner dogmatischen Konzeption sich der grundrechtliche Unterlassungsanspruch bei bereits erfolgtem hoheitlichem Eingriffsakt in ei147 Busse, ZAP 1989, 541 (542); Schenke, JuS 1990, 370 (376); ebenso ausdrücklich für den Fall tatsächlicher Hinderungsgründe BVerwG, NJW 1989, 2484 (2485 r. Sp. oben). 148 Bachof, Vornahmeklage, S. 129-131. Vgl. hierzu bereits die Darstellung in Kapitel 3 Β I 5, S. 397 ff. 149

Weyreuther, Gutachten, S. Β 135 ff., insbes. S. Β 142 ff.; s. dazu die Ausführungen in Kapitel 3 Β I 5, S. 397 ff. Ebenso Baumeister, FBA, S. 111-114; Wolff/ Bachof VerwR I, § 54 III b, S. 481; vgl. auch Haueisen, DVB1. 1973, 739 (743), der allerdings auch hinsichtlich des auf eine Geldentschädigung gerichteten Anspruchsinhalts für die Bezeichnung „Folgenbeseitigungsanspruch" statt „Folgenersatzanspruch" oder „Folgenentschädigungsanspruch" eintritt, so Haueisen, a.a.O., S. 743 in Fußn. 27. Vgl. weiterhin Heinze, BayVBl. 1981, 649 (651). Nach Ansicht von Bryde, in: v. Münch, GG, Art. 14 Rdnr. 105 a.E., läßt sich richterrechtlich an eine Fortentwicklung des Folgenbeseitigungsanspruchs zum Folgenentschädigungsanspruch denken. Ähnlich Fiedler, NVwZ 1986, 969 (977 1. Sp. unten), der nicht einsieht, „warum ... nicht bereits nach geltendem (Richter-) Recht stärker als zuvor ein Teilausgleich in Geld möglich sein soll."

550

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

nen verfassungsrechtlichen Beseitigungsanspruch transformiert und hierdurch den Folgenbeseitigungsanspruch begründet,150 würde sich im Falle der Unerfüllbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs dieser in einen Geldentschädigungsanspruch umwandeln.151 Grundlage eines solchen Anspruchswandels sei dabei die dem „Unterlassungsanspruch innewohnende Tendenz zur Werterhaltung".152 Auch Böß 153 hat die Auffassung vertreten, daß ein Geldersatzanspruch anstelle oder sogar neben die Naturalrestitution trete, sofern die Folgenbeseitigung ganz oder teilweise wegen tatsächlicher oder rechtlicher Gegebenheiten bzw. infolge Unzumutbarkeit für den Hoheitsträger ausgeschlossen sei. In diesen Fällen übernehme „der Geldersatz die Funktion der naturalen Herstellung des grundrechtsgeschützten Zustands".154 Dabei müsse der Umfang des Geldersatzes dem finanziellen Interesse des Betroffenen an der naturalen Herstellung entsprechen, welches aufgrund objektiver Wertmaßstäbe zu ermitteln sei. 155

(2) Kritik

und Stellungnahme

Dieser vom Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit Teilen der Literatur geäußerten Ansicht zur Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Folgenentschädigungsanspruch analog § 251 BGB kann jedoch nicht zugestimmt werden. 156

(a) Fehlender Nachweis der Anwendbarkeit des § 251 BGB im öffentlichen Recht Schuldig bleibt das Bundesverwaltungsgericht zunächst den Nachweis der Geltung des § 251 BGB im öffentlichen Recht. Aus dem Umstand, daß auch im öffentlichen Rechtsbereich in § 17 Abs. 4 S. 2 FStrG sowie § 74 Abs. 2 150

S. zu diesem Lösungskonzept die Darstellung in Kapitel 1 Β I 2, S. 66 ff. mit Nachweisen in Fußn. 74. 151

Weyreuther,

152

So Weyreuther,

Gutachten, S. Β 143 ff. Gutachten, S. Β 143.

153

Böß, Vergleich, S. 105 ff., insbes. S. 118. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 3 Β I 5, S. 397 ff. 154

So Böß, Vergleich, S. 118.

155

Böß, Vergleich, S. 118 f.

156 Ebenfalls die Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Folgenentschädigungsanspruch ablehnend: Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 12; Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 499; Papier, in: Müko, BGB, § 839 Rdnr. 81; in diesem Sinne Engelhardt, NVwZ 1985, 621 f.; vgl. außerdem Battis, AllgVerwR, Rdnr. 386; zurückhaltend ferner VGH München, BayVBl. 1990, 627 (628); Kutschera, Bestandsschutz, S. 103 f.

551

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

S. 3 VwVfG die Umwandlung eines Leistungsanspruchs des Bürgers in einen Entschädigungsanspruch bei Unmöglichkeit der primären Anspruchserfüllung angeordnet worden ist, kann nicht zwangsläufig auf eine vergleichbare Transformation des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Entschädigungsanspruch geschlossen werden. So handelt es sich bei den genannten Rechtsvorschriften um spezialgesetzliche Regelungen einer Enteignungs- bzw. Billigkeitsentschädigung,157 die bereits deshalb nicht als allgemeingültige Rechtsprinzipien übertragbar sind. Darüber hinaus knüpfen diese Regelungen im Unterschied zum Folgenbeseitigungsanspruch an ein rechtmäßiges staatliches Verhalten an. Sie erfassen damit auch unter diesem Aspekt einen vom Folgenbeseitigungsanspruch völlig unterschiedlichen Sachverhalt.158

(b) Verstoß gegen die Gebote der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Das vom Bundesverwaltungsgericht weiterhin vorgetragene Argument, bei dem Folgenbeseitigungsanspruch handele es sich ohnehin um ein ungeschriebenes Rechtsinstitut, das demzufolge einer gleichsam beliebigen extensiven Auslegung seitens der Gerichte zugänglich sei, 159 erscheint in höchstem Maße fragwürdig. Vielmehr gebieten gerade umgekehrt die Gebote der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit von Normen die exakte Festlegung der Anspruchsgrenzen des gesetzlich nicht geregelten Folgenbeseitigungsanspruchs, so daß eine Umwandlung dieses Anspruchs in einen Sekundäranspruch, auch wenn es sich hierbei um eine für den Bürger günstige und damit im Hinblick auf eine umfassende Rechtsschutzgewährleistung wünschenswerte Erweiterung seiner Rechtsfolge handelt, einer ausdrücklichen normativen Grundlage bedarf. 160 Ansonsten könnte mit dem Hinweis auf denrichterrechtlichen Charakter jede gewünschte Ausformung des Folgenbeseitigungsanspruchs legitimiert werden, was die völlige Konturlosigkeit dieses Haftungsinstituts zur Folge haben würde.

157 Vgl. zu § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG, Stelkens/Bonk/Leonhardt, 33-37. 158

Schenke, JuS 1990, 370 (377).

159

So BVerwG, NJW 1989, 2484 (2485 r. Sp. oben).

160

So auch Schenke, JuS 1990, 370 (371, 377).

VwVfG, § 74 Rdnrn.

552

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

(c) Unzulässige Modifizierung des Folgenbeseitigungsanspruchs zu einem Kompensationsanspruch Indem das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, daß der »Ausgleichsanspruch Teil des Anspruchs auf Folgenbeseitigung ist", 161 wird zudem nicht nur eine unzulässige Ergänzung des Folgenbeseitigungsanspruchs i.S. einer quantitativen Ausdehnung seiner Rechtsfolge vorgenommen, sondern darüber hinaus auch der anerkannte Rechtscharakter des Folgenbeseitigungsanspruchs modifiziert und damit eine qualitative Veränderung dieses Rechtsinstituts befürwortet. Nach überwiegender Rechtsansicht ist der Folgenbeseitigungsanspruch nämlich dadurch gekennzeichnet, daß er die tatsächliche Wiederherstellung des vor dem schädigenden Eingriff bestehenden Zustands ermöglicht. 162 Demgegenüber kann nach auch vom Bundesverwaltungsgericht an anderer Stelle geteilter Auffassung eine Geldleistung nur für den Fall im Wege der Folgenbeseitigung gefordert werden, daß die eingetretene Rechtsbeeinträchtigung gerade in einem Geldverlust besteht163 bzw. nach hier vertretenem Standpunkt auch dann, sofern die finanzielle Beeinträchtigung mit der geschehenen Integritätsverletzung in einem untrennbaren Sachzusammenhang steht.164 Nur für diese Ausnahmefälle erscheint es vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Verankerung des Rechtsinstituts gerechtfertigt, auch die Zahlung einer Geldleistung über den Folgenbeseitigungsanspruch zu ermöglichen. Denn dem in den Freiheitsverbürgungen gewährleisteten Integritätsschutz läßt sich nur ein mit diesem Schutzzweck korrespondierender Anspruchsinhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs auf naturale Wiederherstellung des beeinträchtigten Besitzstands entnehmen. Eine darüber hinausgehende weitere Verpflichtung der öffentlichen Hand zur Kompensation der Rechtsverletzung durch eine Geldleistung bei Nichtrealisierung des primären Anspruchs auf reale Störungsbeseitigung kann aus den Grundrechten dagegen nicht abgeleitet werden. 165 Vielmehr sieht das Grundgesetz nur in Art. 14 Abs. 3 GG sowie Art. 34 GG die spezialgesetzliche Normierung einer Entschädigungs- bzw. Schadensersatzleistung der öffentlichen Hand vor. 166 Durch die umfassende Umgestaltung des Folgenbeseitigungsanspruchs von

161

So ausdrücklich BVerwG, NJW 1989, 2484 (2486 1. Sp. Mitte).

162

Vgl. die Darstellung in Kapitel 3 Β I 2, S. 393 ff., sowie die Nachweise in Fußn. 22. S. weiterhin die Ausführungen in Kapitel 3 Β III 3, S. 411 ff. 163 So expressis verbis in der Grundsatzentscheidung, BVerwGE 69, 366 (371). Vgl. weiterhin die Nachweise in Kapitel 3, Fußn. 23 und 24. 164 S. die Ausführungen in Kapitel 3 C IV 1, S. 444 ff., in Kapitel 3 C IV 2, S. 460 f., sowie in Kapitel 3 C IV 3, S. 469 ff., und in Kapitel 3 C IV 4, S. 473 ff. 165 Vgl. Kutschern, Bestandsschutz, S. 103 f. A.A. Weyreuther, insbes. S. Β 143 ff. 166

Kutschera, Bestandsschutz, S. 103.

Gutachten, S. Β 135 ff.,

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

553

einem Restitutions- zu einem Geldleistungsanspruch für den Fall der Unteilbarkeit des Schadens und damit auch bei Vorliegen sonstiger Ausschlußgriinde wird somit sein Rechtsgehalt systemwidrig von einem primären Leistungszu einem sekundären Entschädigungsanspruch verändert. Einer derartigen Umstrukturierung ist indes ohne gesetzliche Grundlage die Anerkennung zu versagen. Mithin ist nicht nur die von Weyreuther befürwortete Konzeption einer Umwandlung des grundrechtlichen Unterlassungsanspruchs in einen Beseitigungsanspruch, wie bereits ausgeführt, 167 abzulehnen. Auch die von Weyreuther aus diesem Lösungsansatz abgeleitete weitere Konsequenz der Transformation des Beseitigungsanspruchs in einen Geldersatzanspruch ist mit dem auf Wahrung des grundrechtlichen Besitzstands ausgerichteten Normgehalt des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht vereinbar. (d) Keine Umwandlung des Beseitigungsanspruchs aufgrund § 1004 BGB in einen Geldentschädigungsanspruch Bestätigung findet dieser die Geltung des § 251 BGB im Normbereich des Folgenbeseitigungsanspruchs ablehnende Standpunkt überdies durch die hinsichtlich des § 1004 BGB überwiegend anerkannte Auffassung, nach der eine Umwandlung des zivilrechtlichen Beseitigungsanspruchs in einen Geldanspruch analog § 251 BGB nicht stattfindet. 168 Auch bei § 1004 BGB ist somit vorherrschende Ansicht, daß die Transformation des Beseitigungsanspruchs in einen auf Geld gerichteten Kompensationsanspruch mit der ratio legis des § 1004 BGB nicht in Einklang steht. (e) Unzureichende Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs von den anderen staatshaftungsrechtlichen Anspruchsnormen Ferner würde durch die Annahme eines derart umfangreichen Geldersatzanspruchs ohne gesetzliche Grundlage die Grenzziehung zu den anderen öffentlich-rechtlichen Ersatzansprüchen, vor allem zum enteignungsgleichen Eingriff, verwischt. 169 Dies wird dadurch erhärtet, daß die vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich offengelassene Frage, ob ein selbständiger Folgenentschädigungsanspruch neben dem Folgenbeseitigungsanspruch anzuerkennen sei 170 - sofern überhaupt angesprochen - in der Literatur über-

167

Vgl. die Darstellung in Kapitel 1 D II 6, S. 111 ff.

168

Staudinger/Gursky,

169

Schenke, JuS 1990, 370 (371, 376).

170

So BVerwG, Nachweis in Fußn. 125.

BGB, § 1004 Rdnr. 108 m.w.N.

554

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

wiegend im Rahmen des Rechtsinstituts des enteignungsgleichen Eingriffs diskutiert wird. 171 Mithin ist die vom Bundesverwaltungsgericht und Teilen des Schrifttums befürwortete Umwandlung des Folgenbeseitigungsanspruchs in einen Geldentschädigungsanspruch analog § 251 Abs. 1 BGB bzw. in entsprechender Anwendung des § 249 S. 2 BGB sowohl im Falle der Unteilbarkeit des Schadens als auch bei Vorliegen anderweitiger Ausschlußgründe, wie tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Folgenbeseitigung, abzulehnen.

3. Eigener Lösungsvorschlag Vermochten die dargestellten Ansichten zur Berücksichtigung der Mitwirkung des verletzten Rechtsinhabers an der Rechtsbeeinträchtigung nicht zu überzeugen, so stellt sich nunmehr die Frage nach einer sachgerechten Lösung dieses Problemkreises.

a) Das Grundproblem: Berücksichtigung der Mitwirkung des verletzten Rechtsträgers an der rechtswidrigen Zustandsveränderung Zuzustimmen ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Ausgangsfeststellung, wonach der Mitwirkung des beeinträchtigten Rechtsinhabers an der rechtswidrigen Zustandsveränderung eine haftungsbegrenzende Rolle zukommen muß. 172 Die Beachtung der Beteiligung des Verletzten am schadensbegründenen Ereignis bzw. am Umfang der Rechtsbeeinträchtigung kann wegen der aufgezeigten dogmatischen Unterschiede zwischen der Rechtsvorschrift des § 254 BGB und dem Folgenbeseitigungsanspruch allerdings nicht durch eine Bezugnahme auf § 254 BGB erfolgen. Die entsprechende Heranziehung dieser Rechtsnorm erscheint überdies entbehrlich, als bereits aus dem auch im öffentlichen Recht anerkannten allgemeinen Verbot des venire contra factum proprium ein derartiger Ausschlußgrund erwächst.173 Aufgrund dieses Rechtsgrundsatzes ist es dem Einzelnen gleichsam im Wege einer Grundrechtsschranke verwehrt, ein Anspruchsbegehren geltend zu machen, wenn er sich hierdurch zu seinem eigenen vorhe171

Vgl. hierzu Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 12; Ossenbühl, StHR, S. 207 f. S. weiterhin die Darstellung in Kapitel 3 D, S. 476 ff. 172 173

Vgl. die Nachweise in Fußn. 112 sowie 122.

Ebenfalls für eine Anwendung dieses Rechtsgrundsatzes im vorliegenden Zusammenhang: H.H. Rupp, DVB1. 1972, 232 (233); vgl. auch Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (54); s. ferner OVG Hamburg, NJW 1978, 658 (660). Vgl. außerdem BVerwG, NJW 1989, 118.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

555

rigen Verhalten in Widerspruch setzen würde. Damit ist dieses Rechtsprinzip Ausprägung des allgemeingültigen Verbots der rechtsmißbräuchlichen Geltendmachung von Rechten, das in § 242 BGB eine positivrechtliche Ausgestaltung erfahren hat 174 und anerkanntermaßen auch in bezug auf den der Anfechtungsklage zugrundeliegenden Aufhebungsanspruch Anwendung findet. 175 Vergegenwärtigt man sich, daß die Haftung der öffentlichen Gewalt letztlich durch die Allgemeinheit getragen wird, so erscheint es nur konsequent, daß der Staat bzw. das Gemeinwesen nicht alleine zu einer Folgenbeseitigung verpflichtet werden darf, die in der Risikosphäre des Einzelnen mitbegründet ist. Infolgedessen ist im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht davon auszugehen, daß eine Mitverantwortung des verletzten Rechtsträgers an der widerrechtlichen Zustandsveränderung berücksichtigt werden muß. Als geeigneter dogmatischer Anknüpfungspunkt ist diesbezüglich auf das allgemeine Rechtsverbot des venire contra factum proprium abzustellen. Dieser Rechtsgrundsatz ist als allgemeine Grundrechtsschranke geeignet, den verfassungsrechtlich begründeten Folgenbeseitigungsanspruch einzugrenzen.

b) Die Zurechnungskriterien Im Anschluß an diese Ausgangserwägung erhebt sich die Frage, aufgrund welcher Zurechnungskriterien die Mitverantwortung des Anspruchstellers am Entstehen bzw. am Umfang der Rechtsbeeinträchtigung zu ermitteln ist. Naturgemäß läßt sich das Maß der Beteiligung des verletzten Rechtsinhabers dabei nur im Wege einer einzelfallbezogenen Betrachtung bestimmen. Verallgemeinernd läßt sich jedoch feststellen, daß die Mitwirkung des Betroffenen nach Maßgabe seiner zurechenbaren Mitverantwortung am haftungsbegründenden bzw. haftungsausfüllenden Geschehen festzulegen ist. Zu prüfen ist demnach, inwieweit die rechtswidrige Zustandsveränderung adäquat kausal durch den Rechtsinhaber (mit-)verursacht worden ist. Sofern eine Mitverantwortung seitens des Rechtsträgers zu konstatieren ist, sind die beiderseitigen Kausalitätsbeiträge zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Diese Gewichtung der einzelnen Beteiligungshandlungen kann nur auf der Grundlage einer wertenden Betrachtung vorgenommen werden, wobei als maßgeblicher Gesichtspunkt darauf abzustellen ist, mit welchem Grad von

174 175

Vgl. Palandt /Heinrichs,

BGB, § 242 Anm. 4 Β e.

Vgl. die Regelung in § 46 VwVfG, hierzu Schenke, DÖV 1986, 305 (314), sowie Kopp, VwVfG, § 46 Rdnr. 7.

556

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

Wahrscheinlichkeit die jeweiligen Kausalitätsbeiträge für Entstehen und Umfang der Rechtsbeeinträchtigung geeignet gewesen sind.176 Auf ein Verschulden i.S. einer vorwerfbaren Verletzung einer allgemeinverbindlichen Rechtspflicht kann es für die Frage der Mitverantwortung des Anspruchstellers hingegen nicht ankommen, da der Folgenbeseitigungsanspruch gerade nicht an die Kategorie des Verschuldens anknüpft. Eine Einbeziehung von Verschuldensmerkmalen muß demnach nach der derzeit geltenden Rechtslage als system widrig angesehen werden. 177 Aufgrund des umfassenden Inhalts des Verbots des venire contra factum proprium kommen als haftungsreduzierende Mitwirkungsakte Verhaltensweisen sowohl vor, während als auch im Anschluß an die rechtswidrige Zustandsveränderung in Betracht. Der Betroffene ist insoweit gehalten, die Rechtsbeeinträchtigung nach Möglichkeit zu verhindern, insbesondere den Hoheitsträger auf potentielle, ihm bekannte Gefahren hinzuweisen und, sofern die Rechtsverletzung bereits eingetreten ist, das Ausmaß der Beeinträchtigung möglichst gering zu halten. Vor dem Hintergrund der Naßauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 178 ist hierbei als anspruchsausschließendes Verhalten des Betroffenen, vor allem die Nichteinlegung eines zumutbaren Rechtsmittels zu erwähnen. Relevanz kann darüber hinaus einer Haftung des Anspruchstellers für gesetzliche Vertreter oder Hilfspersonen zukommen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die entsprechende Heranziehung der §§ 278 bzw. 831 BGB. 1 7 9 Da jedoch beide Vorschriften an Verschuldenskriterien anknüpfen und es sich bei § 831 BGB zudem um eine schadensersatzrechtliche Bestimmung handelt, ist deren Anwendbarkeit aus den erwähnten systematischen Erwägungen abzulehnen. Gleichwohl erscheint es sachgerecht, den hinter diesen Rechtsnormen stehenden allgemeinen Rechtsgedanken, daß sich der Betroffene in bestimmten Fallgestaltungen das Handeln dritter Personen zurechnen lassen muß, auch im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs zu berücksichtigen. Anderenfalls 176

Vgl. hierzu Schäfer/Bonk,,

StHG, § 3 Rdnrn. 79 f. i.V.m. § 2 Rdnrn. 139 ff.

177

Ebenso H.H. Rupp, DVB1. 1972, 232 (233); i.E. ebenfalls BVerwG, DVB1. 1871, 858 (860 f.); VGH Mannheim, NJW 1985, 1482. 178 179

Vgl. den Nachweis in Kapitel 1, Fußn. 152.

Die entsprechende Anwendbarkeit dieser Vorschriften im Rahmen des StHG 1981 befürwortend, wobei allerdings § 254 Abs. 2 BGB in § 2 Abs. 4 S. 2 StHG 1981 ausdrücklich in Bezug genommen worden ist, was anerkanntermaßen auch für § 3 StHG 1981 Geltung beanspruchen sollte (so Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 617, Jacobs, StHR, Rdnr. 286; Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 81). Vgl. weiterhin Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 617, Rdnrn. 609 ff.; Jacobs, StHR, Rdnrn. 286, 264 f.; Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnrn. 81 f. i.V.m. § 2 Rdnrn. 143 ff.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

557

könnte sich der Rechtsinhaber durch den bloßen Hinweis, nicht er, sondern ein Dritter habe den Kausalitätsbeitrag für die Zustandsveränderung geleistet, problemlos seiner Verantwortung entziehen. Dementsprechend ist auf der Grundlage einer Bewertung der Gesamtumstände zu ermitteln, ob das Handeln des Dritten dem Betroffenen in concreto angelastet werden muß. Eine Zurechnung kommt dabei in erster Linie dann in Betracht, wenn es sich bei dem Drittbeteiligten um eine aufsichtspflichtige Person oder um eine dem Rechtsinhaber weisungsunterworfene Person handelt.

c) Das Problem der Unteilbarkeit der Folgenbeseitigungspflicht Ausgehend von der Erkenntnis, daß die Mitverantwortung des beeinträchtigten Rechtsinhabers an der rechtswidrigen Zustandsveränderung haftungsmindernd zu berücksichtigen ist, stellt sich die Frage, wie dieser Ausschlußgrund mit der Unmöglichkeit der realen Schadensteilung in Einklang gebracht werden kann. Die Erörterung dieses Problemkreises stellt in den beiden angeführten Entscheidungen das Kernstück der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts dar. Dabei geht das Gericht bei beiden unterschiedlichen Lösungskonzepten - dem zunächst befürworteten gänzlichen Ausschluß des Folgenbeseitigungsanspruchs180 bzw. dem nunmehr eingeräumten Ausgleichsanspruch gem. § 251 BGB analog181 - gleichermaßen von der Ausgangsfeststellung der fehlenden Teilbarkeit des Schadens aus.182 Es fragt sich jedoch, ob die Unmöglichkeit der realen Schadensteilung als solche der zutreffende Anknüpfungspunkt zur Beantwortung der Ausgangsfrage ist. Die Zweifel basieren dabei auf der Tatsache, daß in den meisten Fällen, in denen vom Bürger ein Folgenbeseitigungsbegehren geltend gemacht wird, hinter dem Anspruch auf Wiederherstellung letztlich in wirtschaftlicher Hinsicht die Frage der Kostenlast für die begehrte Restitution steht.183 Vergegenwärtigt man sich diesen Umstand, so erscheint es nur folgerichtig, zur Lösung der angesprochenen Problematik nicht auf die Unteilbarkeit des Scha180

Vgl. den Nachweis in Fußn. 112.

181

S. den Nachweis in Fußn. 123.

182

Vgl. die Nachweise in Fußn. 114 sowie 123.

183

Eine Ausnahme bildet die Geltendmachung eines auf den Folgenbeseitigungsanspruch gestützten Widerrufsanspruchs, bei dem es sich um ein unvertretbares Leistungsbegehren handelt. Der Gedanke der Mitverantwortung des verletzten Rechtsinhabers hat indes in dieser Fallgruppe ohnehin keine Relevanz. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für das Entstehen des Widerrufsanspruchs ist hier vielmehr die festgestellte Unwahrheit bzw. das Vorliegen eines „non liquet" bezüglich der Wahrheit der ehrkränkenden Tatsachenbehauptung, vgl. die Darstellung in Kapitel 2 Β IV 2, S. 334, 335 ff.

558

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

dens, sondern vielmehr auf das sich dahinter verbergende Kostenrisiko abzustellen. Dies hat zur Konsequenz, daß die Anrechnung der Mitverantwortung des Betroffenen über eine quotale Kostenteilung, entsprechend dem Grad der Mitverursachung des widerrechtlichen Zustands, zu realisieren ist. 184 Diese Auffassung hat den Vorzug, über einen Mittelweg, nämlich die Bewahrung des Anspruchs auf Wiederherstellung bei Kostenbeteiligung durch den mitverantwortlichen Geschädigten, die extremen Konzepte des Bundesverwaltungsgerichts - gänzlicher Haftungsausschluß bzw. Gewährung eines Ausgleichsanspruchs über die anerkannten Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs hinaus - zu vermeiden. Des weiteren hält sich die Annahme einer quotalen Kostenbeteiligung des Geschädigten im Unterschied zur Anerkennung eines Geldleistungsanspruchs in den anerkannten strukturellen Grenzen des Folgenbeseitigungsanspruchs. Weiterhin wird so dem auf tatsächliche Wiederherstellung hinzielenden Anspruchsbegehren des beeinträchtigten Rechtsinhabers in größtmöglicher Weise entsprochen. Zudem trägt sie dem derzeit geltenden Rechtsschutzsystem Rechnung, nach dem die Ansprüche des Bürgers auf isolierten kompensatorischen Geldersatz gerade nicht vor den Verwaltungsgerichten, sondern vor den Zivilgerichten geltend zu machen sind. Eine Abweichung von dieser anerkannten Rechtswegzuständigkeit bedürfte indes einer gesetzlichen Regelung. Ferner bietet diese Ansicht den Vorteil praktikabler und damit praxisnaher Ergebnisse. Zusammenfassend läßt sich mithin feststellen, daß die Mitverursachung des rechtswidrigen Zustands durch den verletzten Rechtsinhaber bei der regelmäßig gegebenen Unteilbarkeit des Schadens durch eine quotale Kostenbeteiligung entsprechend dem Grad seiner Beteiligung zu berücksichtigen ist.

d) Durchsetzung der Kostenbeteiligung des verletzten Rechtsinhabers Ist nach dem hier vertretenen Standpunkt der Mitverantwortung des Anspruchstellers an der Zustandsveränderung durch eine Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der Kosten der Wiederherstellung Rechnung zu tragen, so ist zu 184 So ebenfalls Mayer/Kopp, AllgVerwR, S. 502, allerdings im Rahmen der befürworteten entsprechenden Heranziehung des § 254 BGB; vgl. Maurer, AllgVerwR, § 29 Rdnr. 13: Sofern der Betroffene eine Kostenbeteiligung von sich aus anbietet, würde sich die Behörde rechtsmißbräuchlich verhalten, wenn sie trotz dieses Angebots die Folgenbeseitigung ablehnen würde; de lege ferenda auch H.H. Rupp, JA 1979, 506 (511); in rechtspolitischer Hinsicht diesen Lösungsweg befürwortend Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (54). Eine vergleichbare Regelung sah auch § 3 Abs. 3, 1. Halbs. StHG 1981 vor, wobei allerdings gem. § 3 Abs. 3, 2. Halbs. StHG 1981 der Folgenbeseitigungsanspruch bei einer überwiegenden Mitverursachung des Geschädigten entfallen sollte. § 4 Abs. 2 StHG 1981 eröffnete für diesen Fall einen Anspruch auf Geldersatz nach Maßgabe des § 2 StHG 1981. Kritisch hinsichtlich dieser Differenzierung Bender, StHR, 3. Aufl., Rdnr. 618.

Β. Die Ausschlußgriinde im einzelnen

559

erörtern, wie diese finanzielle Beteiligung gegenüber dem verletzten Rechtsinhaber durchzusetzen ist. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die Annahme eines Zurückbehaltungsrechts zugunsten der öffentlichen Hand in entsprechender Anwendung des § 273 Abs. 1 BGB. Der Grundgedanke dieser Vorschrift ist auch im öffentlichen Recht prinzipiell anwendbar.185 Allerdings könnte der Umstand, daß staatlicherseits ein rechtswidriges Eingriffsverhalten zu der Verletzung einer geschützten Rechtsposition des Anspruchstellers geführt hat, der analogen Berücksichtigung des § 273 BGB entgegenstehen. Da sich die Annahme eines Leistungsverweigerungsrechts jedoch als konsequente Umsetzung des Verbots des venire contra factum proprium qualifizieren läßt, ist gleichwohl vom Eingreifen des Zurückbehaltungsrechts zugunsten des Hoheitsträgers auszugehen.186 Anderenfalls würde dem Staat das alleinige wirtschaftliche Risiko der Wiederherstellung auferlegt, obgleich infolge der Mitverursachung des Betroffenen diesem die uneingeschränkte Geltendmachung des Folgenbeseitigungsbegehrens als mißbräuchliche Rechtsausübung verwehrt ist. Damit bestünde bei Nichtgeltung des § 273 Abs. 1 BGB die Gefahr, daß die Verpflichtung des beeinträchtigten Rechtsinhabers zur Kostenbeteiligung leerlaufen würde. Das Zurückhaltungsrecht i.S. des § 273 Abs. 1 BGB hat gem. § 274 Abs. 1 BGB zu Folge, daß die Verurteilung der öffentlichen Hand zur Folgenbeseitigung nur Zug um Zug gegen Zahlung der anteiligen Kosten durch den Betroffenen vorgenommen wird. 187 Darüber hinaus kann die Bezifferung des Kostenanteils vom Anspruchsteller nach Maßgabe des § 173 VwGO i.V.m. § 287 ZPO in das Ermessen des Gerichts gestellt werden. 188

e) Beweislast In Anwendung der allgemeinen Beweislastregeln trägt der Hoheitsträger die materielle Beweislast für das Vorliegen einer Mitverantwortung des verletzten Rechtsinhabers an der Zustandsveränderung. Die Umstände sind dabei

185

Vgl. Stoben DVB1. 1973, 351 ff.; Palandt/Heinrichs,

186

BGB, § 273 Anm. 1 b.

Im Ergebnis ebenso im Rahmen des § 3 StHG 1981 Schäfer/Bonk, 87; a.A. Jacobs, StHR, Rdnr. 288.

StHG, § 3 Rdnr.

187 Ebenfalls in bezug auf § 3 StHG 1981 Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rdnr. 87; demgegenüber inkonsequent Jacobs, StHR, Rdnr. 289, der, obgleich ein Leistungsverweigerungsrecht des Hoheitsträgers ablehnend - vgl. Nachweis wie vor - , ebenfalls zur Annahme einer Zug um Zug Verurteilung gelangt, sofern „die Kostenbeteiligung betragsmäßig bestimmt werden kann". 188

Vgl. Schäfer/Bonk,

StHG, § 3 Rdnr. 87.

5 6 0 K a p . 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

nach § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO durch das Gericht von Amts wegen zu ermitteln. 189

C. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des 4. Kapitels I. Trotz Vorliegens einer fortdauernden Rechtsverletzung des Bürgers entfällt der Folgenbeseitigungsanspruch bei Vorliegen bestimmter Ausschlußgründe. Hierbei handelt es sich in dogmatischer Hinsicht um rechtsvernichtende Einwendungen. Danach scheidet der Folgenbeseitigungsanspruch aus, wenn die Folgenbeseitigung tatsächlich unmöglich, rechtlich unzulässig oder dem Hoheitsträger nicht zumutbar ist. 1. Unproblematisch ist die Begriffsbestimmung der ersten Einwendung: Die tatsächliche Unmöglichkeit der Wiederherstellung ist dann gegeben, wenn sie objektiv unmöglich ist. 2. Im Unterschied hierzu findet durch den Ausschlußgrund der rechtlichen Unzulässigkeit ein normativer Beurteilungsmaßstab Berücksichtigung. Mit Rücksicht auf das Gesetzmäßigkeitsgebot entfällt der Folgenbeseitigungsanspruch, wenn die Folgenbeseitigung zu einem erneuten Verstoß gegen die Rechtsordnung führen würde. Ein Folgenbeseitigungsanspruch contra legem ist damit ausgeschlossen. Schwierigkeiten besonderer Art ruft in diesem Zusammenhang der Folgenbeseitigungsanspruch in dreipoligen Verwaltungsverhältnissen hervor. Diese kommen zum einen in Gestalt der Fallgruppe des belastenden Verwaltungsakts mit begünstigender Drittwirkung (Beispielsfälle finden sich im Obdachlosenrecht) oder zum anderen in der Sachverhaltskonstellation des begünstigenden Verwaltungsakts mit belastender Drittwirkung (Anwendungsbeispiele bilden die Nachbarklagen) vor. a) Die sich hier stellende Frage nach der geeigneten Anspruchsgrundlage für das begehrte Einschreiten gegenüber dem rechtswidrig Begünstigten ist dahingehend zu beantworten, daß auch hier grundsätzlich der Folgenbeseitigungsanspruch die zutreffende Anspruchsnorm darstellt. Ob das Folgenbeseitigungsbegehren jedoch im Ergebnis Erfolg hat, hängt davon ab, ob die Restitution rechtlich zulässig ist. Dies ist dann festzustellen, wenn im Verhältnis zwischen Behörde und Begünstigtem eine eigenständige, vom Folgenbeseitigungsanspruch losgelöste Ermächtigungsgrundlage für den belastenden Dritt189 VGH Kassel, U. v. 15.12.1987 - 2 OE 96/83 - , S. 20, insoweit in Städtetag 1988, 702, nicht veröffentlicht; Jacobs, StHR, Rdnr. 287 i.V.m. Rdnr. 266; Schäfer/Bonk, t StHG, § 3 Rdnr. 79 i.V.m. § 2 Rdnr. 157.

. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

561

eingriff vorliegt. In Betracht kommen hierbei insbesondere die ordnungsbehördliche und polizeirechtliche Generalklausel sowie die bauordnungsrechtlichen Spezialermächtigungen. Deren tatbestandliche Voraussetzungen sind im Rahmen einer Inzidenterprüfung zu untersuchen, wobei als ermessenseingrenzender Faktor der Gesichtspunkt der Folgenbeseitigungslast zu berücksichtigen ist. Dieses Kriterium trägt der Tatsache Rechnung, daß die Behörden selbst eine Mitverantwortung an der rechtswidrigen Zustandsveränderung trifft, und bewirkt im Regelfall eine Ermessensreduzierung auf Null. Darüber hinaus spielt hier das Verhältnismäßigkeitsprinzip eine Rolle, das es ermöglicht, die widerstreitenden Interessen - Beseitigungsanspruch auf der einen Seite und Besitzstandsinteresse auf der anderen Seite - zu einem gerechten Ausgleich zu führen. b) Die Anwendbarkeit des Folgenbeseitigungsanspruchs als Anspruchsnorm in den Drittbeteiligungsfällen erfährt allerdings in der Sonderkonstellation des Schwarzbaus eine Ausnahme: Mangels Mitwirkungsakts der Behörde muß hier der Folgenbeseitigungsanspruch als geeignete Anspruchsgrundlage entfallen. Vielmehr ist hier regelmäßig die baurechtliche Eingriffsermächtigung einschlägig. Allerdings ist auch insoweit eine Einschränkung notwendig. Sofern die Baubehörde das formell und materiell rechtswidrige Bauwerk im nachhinein, z.B. durch eine Dispenserteilung, genehmigt hat, und die Bauerlaubnis auf Betreiben des verletzten Nachbarn wieder aufgehoben wird, ist wegen dieses widerrechtlichen Mitwirkungsakts der Folgenbeseitigungsanspruch die zutreffende Anspruchsnorm. 3. Schließlich scheidet der Folgenbeseitigungsanspruch dann aus, wenn die Folgenbeseitigung der öffentlichen Hand nicht zumutbar ist. Diese Haftungsbeschränkung ist dann gegeben, wenn subjektive Hinderungsgründe den staatlichen Stellen die Restitution unmöglich machen. Insbesondere drei Fallkonstellationen kommen dabei in Betracht: a) Die Folgenbeseitigung ist unzumutbar infolge des zur Wiederherstellung notwendigen unverhältnismäßig großen technischen Aufwands. b) Die mit der Restitution verbundenen finanziellen Belastungen begründen die Unzumutbarkeit. c) Die Unzumutbarkeit resultiert daraus, daß ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. 4. Dem zum Teil weiterhin befürworteten Ausschlußgrund der Sinnlosigkeit der Wiederherstellung kommt nach der hier vertretenen Lösung demgegenüber kein eigenständiger Bedeutungsgehalt zu. II. Darüber hinaus ist die Mitverantwortung des Anspruchstellers an der rechtswidrigen Zustandsveränderung haftungsreduzierend zu berücksichtigen. 36 Pietzko

562

Kap. 4: Die Einwendungssystematik des Folgenbeseitigungsanspruchs

1. Entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist die Anrechnung der Beteiligung des Bürgers am Entstehen bzw. am Umfang der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung über die analoge Anwendung des § 254 BGB abzulehnen. Vorzugswürdig erscheint es vielmehr, insoweit auf das auch im öffentlichen Rechtsbereich geltende Verbot des venire contra factum proprium abzustellen. Aufgrund dieses Rechtsgrunasatzes ist es dem Einzelnen i.S. einer Grundrechtsschranke verwehrt, ein Anspruchsbegehren durchzusetzen, wenn er sich hierdurch zu seinem eigenen vorherigen Verhalten in Widerspruch setzen würde. 2. Steht die Mitverantwortung des verletzten Rechtsinhabers fest, so kann der Betroffene den Folgenbeseitigungsanspruch nur dann erfolgreich gegenüber dem Hoheitsträger geltend machen, wenn er sich entsprechend dem Grad seiner Mitverursachung an den Kosten der Restitution beteiligt. Durch diesen flexiblen Bewertungsmaßstab kann dem Umstand Rechnung getragen werden, daß das Folgenbeseitigungsbegehren im Regelfall auf eine unteilbare Leistung gerichtet ist. 3. Der Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 251 Abs. 1 BGB, wie sie das Bundesverwaltungsgericht befürwortet hat, ist hingegen die Zustimmung zu versagen. 4. Um die Durchsetzung der Kostenbeteiligung des verletzten Rechtsinhabers effektiv auszugestalten, ist zugunsten der öffentlichen Hand analog § 273 Abs. 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht anzuerkennen. Die Annahme des Leistungsverweigerungsrechts des § 273 Abs. 1 BGB hat gem. § 274 Abs. 1 BGB zur Folge, daß die Verurteilung des Hoheitsträgers zur Folgenbeseitigung nur Zug um Zug gegen Zahlung der anteiligen Kosten durch den Anspruchsteller vorgenommen wird. 5. Auf der Grundlage der allgemeinen Beweislastregeln trägt die öffentliche Hand die materielle Beweislast für das Vorliegen der Einwendungen, wobei die Sachverhaltsaufklärung gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO von Amts wegen vorzunehmen ist.

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