Der Koran. Arabisch - Deutsch: Band 2 Sure 2,75 - 2,212
 9783641247492

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Umschrift und Lautwerte arabischer Buchstaben
Abkürzungen
Die Suren des Korans
Hinweise für den Leser
Wissenschaftlicher Kommentar
Sure 2: Die Kuh (al-Baqara)
Kommentar
Exkurs: Abfall vom Glauben im Koran und im Rechtssystem
Exkurs: Besuch der Moscheen
Exkurs: Anliegen des Korans und Pluralität der Religionen
Exkurs: Die Liebe Gottes im Islam
Exkurs: Speisevorschriften und Problem des erlaubten Schlachtens
Bericht über die Abschiedswallfahrt
Bibliographie
KORANSTELLEN

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DER KORAN Arabisch-Deutsch

DER KORAN Arabisch-Deutsch Übersetzung und wissenschaftlicher Kommentar von Adel Theodor Khoury

Band 2 Gütersloher Verlagshaus

DER KORAN Arabisch-Deutsch Übersetzung und wissenschaftlicher Kommentar von Adel Theodor Khoury

Band 2

Sure 2,75 – 2,212

1991 Gütersloher Verlagshaus

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 1991 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Umschlaggestaltung: Dieter Rehder, B-Kelmis Gesamtherstellung: ICS Communikations-Service GmbH, Bergisch Gladbach ISBN 978-3-641-24749-2 www.gtvh.de

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Umschrift und Lautwerte arabischer Buchstaben.

10

Abkürzungen . Der Koran . Die Bibel .. Arabische Kommentare. Koranübersetzungen . . Allgemeine Literatur . . Jüdische und christliche Literatur . Altes Testament 13 - Rabbinische Texte 14 - Neues Testament 14

11 11 11 11 11 12 13

Allgemeine Abkürzungen. Zeitschriften, Lexika Die Suren des Korans . Hinweise für den Leser

Wissenschaftlicher Kommentar Sure

2:

Die Kuh (al-Baqara)

Kommentar 2,75-82. 2,83-86. 2,87-93. 2,94-101 2,102-103. 2,104-110.

Exkurs: Abfall vom Glauben im Koran und im Rechtssystem .

22 22 36 46

6o 72 82

2,111-117 . . . . . . . . . . .

94 100

Exkurs: Besuch der Moscheen

108

2,118-123. 2,124-134· 2,135-141. 2,142-145 .

114 120 138 148

6

Inhalt

2,146-152. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Anliegen des Korans und Pluralität der Religionen . 2,153-157· 2,158 . . . 2,159-162. 2,163-167. Exkurs: Die Liebe Gottes im Islam . 2,168-173. . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Speisevorschriften und Problem des erlaubten Schiachtens . 2,174-177. 2,178-179· 2,180-182. 2,183-187. 2,188-189. 2,190-195. 2,196 . . . Bericht über die Abschiedswallfahrt 2,197-203. 2,204-212.

162 167 174 186 194 200 207 212 222 228 240 248 254 272 278 286 290 300 314

Bibliographie .

329

Register Koranstellen . Bibelstellen. Personen . . .

333 373 381

Vorwort

Dieser auf mehrere Bände angelegte Korankommentar ist für Religionswissenschaftler und Theologen sowie für alle bestimmt, die den Islam nicht in erster Linie als ein gesellschaftliches Gebilde und ein politisches System betrachten und die an den Koran nicht vor allem als ein philologisch zu erschließendes Material herangehen. Der Autor richtet sein Augenmerk, über das Philologische, das Gesellschaftliche und das Politische hinaus, auf das Religiöse im heiligen Buch des Islam. Das Religiöse, zumal im Islam, umfaßt zwar nicht nur die Aussagen des Glaubens, die Formen der Frömmigkeit und die Normen des sittlichen Handelns, sondern auch die Regeln des gesellschaftlichen Lebens und die Grundlagen der politischen Staatsführung. Es begründet aber all dies und sanktioniert es durch die Berufung auf die Autorität einer unmittelbaren Offenbarung Gottes. Gerade diese Dimension des Islam als Ergebung in den Willen Gottes und Stehen unter dem Wort des Herrn der Welten erlaubt es, nach der Möglichkeit zu fragen, Verbindungslinien zwischen dem Inhalt des Korans und ähnlichen Aussagen anderer Offenbarungen aufzuzeigen. Gedacht ist hier vornehmlich an die Offenbarungen Gottes im Alten und Neuen Testament. Dies um so mehr, als der Koran selbst sich nicht als ein einmaliges Ereignis in der Geschichte der Menschheit versteht, sondern sich in eine Kontinuität mit der Tora und dem Evangelium und zugleich in ein Spannungsverhältnis zu ihnen stellt. Daher wird in diesem Kommentar nicht ausschließlich das Material rezipiert, das die muslimischen Kommentatoren mit Eifer und Scharfsinn gesammelt haben, sondern es werden, wo es möglich ist und sich anzeigt, die Parallelen aus den heiligen Schriften der Juden und der Christen sowie aus der jüdischen und der christlichen Literatur zitiert oder wenigstens angegeben. Aber der Koran ist das heilige Buch der Muslime. So ist der Autor vorrangig bemüht, das Verständnis der muslimischen Gelehrten von der Hauptquelle ihrer eigenen Religion zu berücksichtigen. Zunächst werden also die großen islamischen Kommentare herangezogen, und zwar die der klassischen Zeit sowie ausgewählte moderne Werke. Da jedoch bei vielen Stellen die islamische Tradition keine einheitliche Deutung der betreffenden Verse enthält, wird auf die wichtigsten vertretenen Meinungen hingewiesen. Es gibt auch bei der Erklärung mancher Verse bzw. Kleinabschnitte Meinungsverschiedenheiten zwischen der Auslegung, die von Muslimen vertreten wird, und der Deutung, die Islamwissenschaftler ausarbeiten. Hier werden auch die Forschungsergebnisse bzw. Thesen und Hypothesen der westlichen Islamwissenschaft wiedergegeben, insofern sie zu einem besseren Verständnis der Stelle beitragen.

8

Vorwort

Viele Abschnitte des Korans beinhalten theologische Aussagen über Gott, die Schöpfung, den Menschen in seinem Leben und seinem jenseitigen Los, über die Normen des religiösen Vollzugs und über die Rechtsbestimmungen, die die verschiedenen Bereiche in Familie und Gesellschaft regeln. Was die Gelehrten des Islam aus diesen Stellen an theologischen Lehren und konkreten Gesetzen ausgearbeitet haben, wird durch Hinweise erwähnt oder näher dargestellt. Es gibt auch Verse des Korans, die die geistlichen Bemühungen der Asketen und Mystiker angeregt, ja gefördert haben und diese Gottsucher zu besonders prägnanten und lehrreichen Äußerungen veranlaßt haben. Solche Äußerungen werden in diesem Kommentar wiedergegeben, wie auch die Stellen erwähnt werden, die die religiöse Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen im Lauf der Jahrhunderte bis in unsere Tage hinein genährt haben. Bei der Behandlung dieser Koranstellen werden die wichtigsten Positionen der beiden Protagonisten angegeben bzw. in der gebotenen Kürze dargelegt. Dies und alles andere geschieht mit Maß. Denn der vorliegende Kommentar will nicht eine Kompilation aller geäußerten Meinungen und vertretenen Deutungen sein, sondern vor allem ein Gefährte und Wegweiser für Theologen, Religionswissenschaftler und Islamwissenschaftler sowie für die gebildeten Leser, der ihnen allen zu einem genaueren und besseren Verstehen des Korantextes helfen will. Damit soll eine Doppelbewegung der Öffnung in Gang gesetzt und gefördert werden: Öffnung der Christen, der Juden und der anderen Gläubigen auf den Islam und Öffnung der Muslime auf das Christentum und die biblische Tradition allgemein. Die deutsche Übersetzung, die hier wiederaufgenommen wird, ist die des Autors, die er unter der Mitwirkung von Muhammad Salim Abdullah angefertigt hat und die bereits im Jahr 1987 im Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn erschienen ist, versehen mit einem Geleitwort des Generalsekretärs des Islamischen Weltkongresses, Dr. Inamullah Khan, der das Unternehmen ausdrücklich gutheißt. Es werden hier nur die Druckfehler, die sich eingeschlichen haben, korrigiert. Nur an sehr wenigen Stellen wird die Übersetzung selbst verbessert, und dies, damit die Treue zum arabischen Original noch größer wird. Gerade weil jede Übersetzung nur eine mögliche Deutung übernimmt, wird hier das arabische Original des Korantextes der Übersetzung gegenübergestellt. Somit haben Muslime, die des Arabischen mächtig sind, sowie Islamwissenschaftler und andere Leser die Möglichkeit, die Qualität und die Richtigkeit der Übersetzung zu überprüfen. Außerdem wird im Kommentar zu jedem Vers angegeben, ob der Text grammatikalisch und sprachlich, sowie aufgrund der islamischen Auslegungstradition selbst, andere Deutungs- und Übersetzungsmöglichkeiten zuläßt und welches diese Möglichkeiten konkret sind. Der unbeschwerteren Benutzung des Werkes dienen die Hinweise für den Leser (siehe unten). Der erste Band dieses Korankommentars hat von seiten zahlreicher, namhafter

Vorwort

9

Fachkollegen eine freundliche und überaus positive Aufnahme gefunden. Ich danke all denen, die mir schriftlich oder mündlich ihre zustimmende Beurteilung des Werkes und ihre Ermunterung mitgeteilt und einige nützliche Vorschläge zur praktischen Gestaltung des Textes unterbreitet haben.

Adel Theodor Khoury

Umschrift und Lautwerte arabischer Buchstaben

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y ä, i, ü

= Explosionslaut - vor jedem anlautenden Vokal gesprochen = stimmloses englisches th (thing) = stimmhaftes dsch =Doppel dj = scharfes, ganz hinten in der Kehle gesprochenes h = eh (wie in: ach) = stimmhaftes englisches th (the) = französisches z = sch = dumpfes stimmloses s = dumpfes stimmloses d = dumpfes stimmloses t = dumpfes englisches th (the) = gepreßter, in der Kehle gebildeter, stimmhafter Reibelaut = Gaumen-r = englisches w = englisches y; deutsches j = lange Vokale

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J. Sie gründen ihre Meinung darauf, daß Mul;lammad die Tötung der Frauen im heiligen Krieg verboten habe, daß die Apostasie der Frau nicht dieselbe freie Entscheidung sei und 20. Abii Zahra, 5. 186-187, spricht sich dafür aus, daß eine Behörde errichtet wird, die mit der rechtlichen Feststellung des Tatbestands der Apostasie und mit der Einleitung der entsprechenden Verfahren beauftragt werden soll. 21. Vgl. Waqfi, 5. 270. 22. Mul;tammad hat immer wieder Nachsicht mit denen geübt, die unter Zwang ihren Glauben geleugnet haben. Siehe dazu entsprechende Überlieferungen bei Waqfi, 5. 272-274. 23. Vgl. Abii Yiisuf: Kitäb al-kharädj, KairoH 1352, S. 179-180; Shaybiin!: Kitäb al-siyar alkab!r, Hyderabad H 1335, IV, S. 162 (zusammen mit dem Kommentar von Sarakhs!: Sharl;t .. . ).

Exkurs: Abfall vom Glauben im Koran und im Rechtssystem

97

dieselbe Wirkung im Leben der Gemeinde habe wie die des Mannes und man daher auf die Frau nicht dieselbe Strafe anwenden könne wie auf den Mann. Im übrigen habe Mui)ammad selbst es getadelt, daß eine Frau wegen Apostasie getötet wurde. Die, deren Tod er bejaht habe, war nicht nur eine Abtrünnige gewesen, sondern auch eine Hexe und eine Dichterin, und sie hatte dreißig Söhne gehabt, die sie gegen den Propheten aufhetzte. Aus diesen Gründen hatte er befohlen, sie zu töten 2 4. Eine andere umstrittene Frage ist die Notwendigkeit, den Abtrünnigen vor der Hinrichtung zur Reue und Umkehr aufzurufen. Die Mehrheit der Rechtsgelehrten plädiert dafür, daß der Abtrünnige zur Rückkehr aufgerufen werden soll. Man muß ihn warnen und ihm eine Frist von drei Tagen gewähren, damit er sich doch noch für die Rückkehr zum Glauben entscheiden und sich zur Solidarität mit der Gemeinschaft bekennen kann. Tut er das nicht, muß er hingerichtet werden. Denn das war die Praxis, die von Mui)ammad empfohlen wurde. Auch werden die Feinde vor der Durchführung des heiligen Kampfes zur Annahme des Islam aufgerufen (vgl. Koran 17,15 und die obenerwähnte Stelle 4,88-89) 2 5. Die Apostasie zieht weitere Folgen nach sich. Sie macht eine bestehende Ehe nichtig, daher muß der Abtrünnige von seinem Ehepartner getrennt werden. Sollte er sein Verbrechen bereuen und wieder zum Glauben zurückkehren, so muß er, bevor er zu seinem Partner zurückkehrt, einen neuen Ehevertrag mit allen seinen normalen Bedingungen abschließen. Eine im Rahmen seiner neuen nichtislamischen Gemeinschaft eventuell eingegangene Ehe wird als nichtig betrachtet. Was die Erbschaft des Abtrünnigen anbelangt, so bestehen darüber hauptsächlich zwei Meinungen. Die einen entscheiden, daß das Eigentum des Abtrünnigen, der als religionslos gilt, dem allgemeinen Besitz der Gemeinschaft zugeschlagen werden soll, denn Gläubige können einen rechtlich als glaubenslos erklärten Menschen nicht beerben. Die I:Ianafiten unterscheiden zwischen dem, was jemand vor seiner Apostasie besaß (das wird von seinen muslimischenAngehörigen geerbt), und dem, was er sich nach der Apostasie erworben hat (das wird dem Besitz der Allgemeinheit zugeschlagen). Zum Eigentumsrecht und zu den sonstigen rechtlichen Handlungen des Abtrünnigen gibt es verschiedene Meinungen. Die Mehrheit betrachtet das Recht des Abtrünnigen auf sein Eigentum als weiterhin bestehend. Seine Handlungen (wie 24. Interessant ist folgendes Argument der l:lanafiten: In Glaubensfragen wird die Strafe im Prinzip im Jenseits verhängt. Wer die Entscheidung schon hier herbeiführen will, handelt gegen den Zweck Gottes, die Menschen in ihrem Glauben und in ihrer Frömmigkeit auf die Probe zu stellen. Eine Ausnahme bildet die Bekämpfung der Gemeinschaft, was im Falle der Frauen nicht gegeben ist. Andererseits ist die Strafe ein Mittel, die Interessen der Gemeinschaft zu schützen. Dies wird aber nur erreicht, wenn man nur die tötet, die fähig sind, gegen die Gläubigen zu kämpfen, d. h. die Männer. Vgl. Djaziri, S. 425-426. 25. Vgl. u. a. Mälik, Al-Muwana', Kairo 1939, II, S. 17. Siehe die verschiedenen Positionen mit ihren Argumenten und Gegenargumenten bei Abü Zahra, S.174-176; Djaziri, 423-425.

Sure z: Die Kuh (al-Baqara)

Kauf und Verkauf, Vertrag usw.) sind zunächst einmal storniert. Wenn der Abtrünnige sich wieder zum Islam bekennt, dann werden sie wieder gültig; wenn er auf seiner Apostasie besteht, dann werden sie nichtig. Abü Yüsuf und Mul;tammad Shaybäni meinen jedoch, daß rechtsrelevante Handlungen des Abtrünnigen gültig und wirksam sind2 6. Die Hinrichtung des Renegaten erfolgte in früheren Zeiten durch das Schwert. Das Verbrennen der Abtrünnigen war verboten, denn die Feuerstrafe steht in der Zuständigkeit Gottes allein, der die Sünder ins Höllenfeuer stürzt. Es wird jedoch berichtet, daß während des Krieges gegen die abgefallenen Stämme nach dem Tode Mul;tammads der Feldherr Khälid ibn al Walid doch Abtrünnige durch Verbrennen hinrichten ließ 2 7. Die Hinrichtung wird auf Befehl der legitimen Autorität, des Khalifen bzw. des Imäms, vollstreckt. Wenn es sich um einen abtrünnigen Sklaven handelt, erlauben einige Rechtsgelehrte, unter anderen Shäfi'i, daß sein Herr ihn tötet28 . Diese gesetzlichen Bestimmungen haben dennoch nicht verhindern können, daß einige Muslime doch zum Polytheismus zurückkehrten. Auch Mul;tammad selbst hat diese Rückkehr denjenigen Mekkanern erlaubt, die sich seiner Gemeinde angeschlossen hatten, und zwar im Friedensabkommen von I;Iudaybiya im Jahr 630. Nach dem Ridda-Krieg gegen die abgefallenen Stämme Arabiens wurde die Zahl der Abtrünnigen immer geringer und der Abfall vom islamischen Glauben in der arabischen Halbinsel immer seltener. Vielleicht ist es von einigem Interesse zu bemerken, daß die Gesetzgebung in bezug auf die Hinrichtung der Renegaten gerade aus dieser Zeit stammt.

26. Vgl. Djaziri, IV, S. 223-237; V, S. 427-428, 433-434; Abu Zahra, S. 177-179, 180-181, 181-182, 'Auda, S. 728-730. 27. Vgl. Baladhuri: Futiil;l al-buldän, Leiden 1866, S. 105-106; in der eng!. Übersetzung Hittis, The origins of the Islamic state, New York 1916, S. 159-161; M. Khadduri, War and peace in the law of Islam, Baitimare 1955, S. 77· 28. Vgl. Shafi'i: Kitäb al-umm, Kairo H 1321-1325, VI, S.145 - 165; Ibn Qudama : AlMughni, KairoH 1367, VIII, S. 123 - 150; M . Khadduri, S. 151.

2,111-117

Sie sagen: »Es werden das Paradies nur die betreten, die Juden oder Christen sind.« Das sind ihre Wünsche. Sprich: Bringt her euren Beweis, so ihr die Wahrheit sagt. :l12 Nein, wer sich völlig Gott hingibt und dabei rechtschaffen ist, der hat seinen Lohn bei seinem Herrn. Diese haben nichts zu befürchten, und sie werden nicht traurig sein. 113 Die Juden sagen: »Die Christen haben keine Grundlage.« Und die Christen sagen: »Die Juden haben keine Grundlage.« Dabei lesen sie (alle) das Buch. Auch diejenigen, die unwissend sind, äußern sich in der gleichen Weise. Gott wird am Tage der Auferstehung zwischen ihnen über das urteilen, worüber sie uneins waren. 114 Und wer ist ungerechter als der, der verhindert, daß in den Anbetungsstätten Gottes seines Namens gedacht wird, und bestrebt ist, sie zu zerstören? Gerade diese dürfen sie nicht anders als voller Furcht betreten. Bestimmt ist für sie im Diesseits Schande und im Jenseits eine gewaltige Pein. 11.:1

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:115 Gottes ist der Osten und der Westen. Wohin ihr euch auch wenden möget, dort ist das Antlitz Gottes. Gott umfaßt und weiß alles. 116 Und sie sagen: »Gott hat sich ein Kind genommen.« Preis sei Ihm! Ihm gehört doch, was in den Himmeln und auf der Erde ist. Alle sind Ihm demütig ergeben. 117 Er ist der Schöpfer der Himmel und der Erde. Wenn Er eine Sache beschlossen hat, sagt Er zu ihr nur: Sei!, und sie ist.

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Varianten:

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Varianten: 2,111:

2,114: 2,115:

2,111-117

2,111-117

hüdan au na~iirä: yahüdiyyan au na~räniyyan: (wer) Jude oder Christ (ist) (bei Ibn Mas'üd, Ubayy). khä'ifin: khuyyafan (bei Ibn Mas'üd, Ubayy). wa lillähi 1-mashriqu wa 1-maghribu: wa lilliihi 1-mashäriqu wa 1-maghäribu: Gottes sind die östlichen und die westlichen Gegenden (bei alA'mash).

Kommentar 2,111(105): Sie sagen: d. h. jeweils die Juden und die Christen zugunsten ihrer eigenen Gemeinschaft, nicht aber beide zugunsten beider Gemeinschaften; siehe den Streit zwischen Juden und Christen unten 2,113.

Es werden das Paradies nur die betreten, die Juden oder Christen sind: Paradies (djanna): ~ 2,)5· - Juden (hüdan): Die gleiche Form findet sich in 2,1)5.140; vgl. auch das Verb häda: Jude sein ~ 2,62. - Christen (na~ärä): ~ 2,62.

Das sind ihre Wünsche (amäniyyuhum):

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2,78.

Sprich: Bringt her euren Beweis, so ihr die Wahrheit sagt: 27,64. Bringt her euren Beweis: 21,24; 27,64; 28,75; Beweis (burhän): 4,174; 12,24; 23,117; Dualform: 28,32. Das Wort wird im Koran nur als Substantiv gebraucht. Es kommt aus dem Äthiopischen und bedeutet das, was einen Tatbestand erhellt, ans Licht bringt1 . so ihr die Wahrheit sagt:~ 2,2).

2,112(106): Nein, wer sich völlig Gott hingibt und dabei rechtschaffen ist: 4,125; 31,22. - wer sich völlig Gott hingibt: wörtlich: wer sein Gesicht Gott hingibt; auch in 3,20; Das Verb aslama lahü (sich Ihm hingeben) 2 findet sich außerdem in 2,131; ),20.8); 6,71; 22,34; 27A4i 39,54; 40,66; -ohne Präposition: 2,131; 3,20; 5A4i 6,14; 16,81; 37,10); 48,16; 49,14.17; 72,14. - Adjektiv: Ihm ergeben : 2,128.1)) .136; 3,84; 29A6; - muslim: gottergeben bzw. Muslim: 2,132; ),52.64.67.80.102; 5,111; 6,163; 7,126; 10,72.84-90i 11,14; 12,101; 15,2i 16,89.102; 21,108; 22,78; 27,31.38-42.81.91; 28,5)i 30,53i 33,35i 39,12i 41,33i 43,69; 46,15; 51,36; 72,14; - weiblich: 33,J5i 66,5. rechtschaffen: ~ 2,58.

der hat seinen Lohn bei seinem Herrn. Diese haben nichts zu befürchten, und sie werden nicht traurig sein:~ 2,62; 2,)8.

1. Vgl. Th . Nöldeke: Neue Beiträge zur semitischen Sprachwissenschaft, Straßburg 1910, 5. sB-59; A. ]effery, Foreign vocabulary, 5. 77-78; Speyer, 5 . 203 . 2 . Vgl. H . Ringgren : Islam, 'aslama and muslim, Uppsala 1949 : >>Das Gesicht Gott hingeben«,

5. 22-24.

106

Sure

2:

Die Kuh (al-Baqara)

2,113(107): Die Juden sagen: »Die Christen: Die Juden (al-yahiid): Das Wort wird auch in folgenden Versen gebraucht: 2,120; 5,18.51.64.82; 9,30; - 3,67; siehe auch oben~ 2,62. - Die Christen:~ 2,62.

haben keine Grundlage« (laysat ... 'alä shay'): Der gleiche Ausdruck findet sich in 5,68. Er bedeutet: Sie besitzen nichts, was wahr und wertvoll ist. Und die Christen sagen: »Die Juden haben keine Grundlage.« Dabei lesen sie (alle) das Buch:~ 2t44: Es ist die Tora für die Juden und das Evangelium für die Christen. Wer das Buch Gottes liest, dessen späterer Teil den je früheren bestätigt (das ist ein zentrales Thema des Korans), kann doch der jeweils anderen Gemeinschaft die religiöse Grundlage nicht absprechen. Auch diejenigen, die unwissend sind: Das sind wohl die Polytheisten unter den Arabern, die den Islam ablehnten, und nicht, wie es eine Meinung vertritt, die unwissenden unter den Juden und Christen. Der Ausdruck die unwissend sind: 2,118; 30,59; 39,9; 45,18; - 9,6; -sie wissen nicht: ~ 2,13. äußern sich in der gleichen Weise: Wörtlich: reden die gleiche Rede: 2,118; - 9,JO.

Gott wird am Tage der Auferstehung zwischen ihnen über das urteilen, worüber sie uneins waren: Wie das Urteil fallen wird, darüber sind sich die muslimischen Autoren nicht einig. Einige, wie l:fasan al-Ba~ri, sehen in diesem Satz eine Verurteilung aller dieser Gruppen als Lügner zur Verdammnis. Andere meinen, Gott werde diejenigen, die Unrecht leiden, gegen ihre Unterdrücker, die sie der Lüge bezichtigen, unterstützen. Wieder andere meinen, Gott werde ihnen zeigen, wer ins Paradies eingeht und wer in die Hölle gezerrt wird. Die zutreffende Deutung ist aber wohl: Gott wird deutlich machen, wie die Wahrheit sich vom Irrtum unterscheidet, er wird die belohnen, die die Wahrheit hielten, und die peinigen, die dem Falschen anhingen3. Der gleiche Satz findet sich auch in 16,124; 22,69; vgl. 10,93; 16,92; 45,17; - 32,25; ohne die Worte : am Tag der Auferstehung: 2,213; 3,55; 39,3·46; vgl. 42,10; - (ähnlich) 5t48; 6,164; 16,39. Gott wird zwischen ihnen am Tag der Auferstehung urteilen: 22,69; vgl. ähnlich 22,17; 60,3. Gott wird zwischen ihnen urteilen: 3,23; 22,56; 24t48.51; 40t48; 6o,1o; vgl. ähnlich 27,78.

3· Vgl. Räzi I, S. 472; Manär I, S. 428.

Kommentar: 2,113-114

2,114(108): Die muslimischen Autoren sind sich nicht einig darüber, wer in diesem Vers gemeint ist und welches sein historischer Hintergrund ist4. Man kann getrost die Meinung von Ibn 'Abbäs, l:fasan, Qatäda und anderen übergehen, die den Vers auf die Christen beziehen, die sich mit ihrem König bzw. sogar mit dem babylonischen König Bakhtanassar den Tempel zu Jerusalem zerstört und ihn damit der Anbetung Gottes entzogen hätten. Bereits Abü Bakr al-Räzi wies diese Meinung als falsch zurück, denn der babylonische König habe doch lange Zeit vor Christus gelebt, außerdem zeigten die Christen gegenüber Jerusalem so viel Verehrung, daß man kaum davon ausgehen dürfe, daß gerade sie die Zerstörung der Stadt und des Tempels zu verantworten hätten. Andere Autoren beziehen den Vers auf Mekka und die Ka'ba: Die Polytheisten in Mekka hatten Mubammad daran gehindert, in ihrer Stadt und in der Ka'ba Gott anzubeten, entweder vor der Auswanderung nach Medina oder während des Treffens von l:fudaybiya. Andere Autoren wollen darin eine Prophezeiung sehen, die sie dann auch auf die Ereignisse während der Kreuzzüge bzw. des Aufstandes der Qarmaten5 beziehen. Räzi denkt eher an die Juden, die nach der Änderung der Gebetsrichtung von Jerusalem nach Mekka die Muslime bei ihrem Gebet zu stören und deren Gebetsstätten zu entweihen gesucht hätten 6 . Denn, so das Argument von Räzi, es geht in den vorausgegangenen und in den folgenden Versen um die Untaten von Juden und Christen gegenüber den Muslimen und ihrer Gemeinschaft. Und wer ist ungerechter als der, der verhindert, daß in den Anbetungsstätten Gottes: Wer ist ungerechter: auch in 2,140; 6,21.93.144.157; 7,37; 10,17; 11,18; 18,15.57; 29,68; 32,22; 39,J2; 61,7. - verhindert (mana'a): 7,12; 9,54; 17,59.94; 18,55; 20,92; 38,75; - 13,63; 107,7. - Anbetungsstätten Gottes (masädjid Alläh): 9,17.18; 22,40; 72,18; masädjid: 2,187; Einzahl : masdjid (Moschee) : 7,29.31; 9,107.108; 17,1.7; 18,21; siehe~ 2,144.

seines Namens gedacht wird: 5-4; 6,118.119.121.138; 22,28.34·36.40; 24,36; 87,15; 73,8; 76,25; Gedenken Gottes (dhikr) 2,151.198.200.203.239; 3,41.135.191; 4,103.142; 7,205; 8,2; 17-46; 18,24.63; 20,34; 22,35; 26,227; 33,21.41; 39-45; 62,10.

4· Zum gesamten Komplex siehe Räzi I, S. 472-473; Manär I, S. 430-434; R. Blachi!re: Le Coran II, S. 759-760. 5· Zu den Qarmaten siehe W. Madelung : l:(arma~i, in Eis' V, Leiden 1978, 66o-66s ; siehe dort auch die Literaturhinweise. 6. Räzi I, S. 472, verläßt seine kluge Zurückhaltung, wenn er meint, daß die Juden vielleicht auch bemüht waren, die Ka'ba in Mekka zerstören zu lassen.

108

Sure z: Die Kuh (al-Baqara)

und bestrebt ist (sa'ä): im negativen Sinn: 2,205; 5,)).64; 22,51; 28,2o; J4,5·J8; 36,20; 79,22; positiv: 17,19; 57,12; 62,9; 66,8; neutral: 20,15; 53,39; 79,35; 8o,8. sie zu zerstören? (fi kharäbihä): einzige weitere Stelle: 59,2. Gerade diese dürfen sie nicht anders als voller Furcht betreten: voller Furcht: vor den Muslimen, daß sie sie angreifen; oder der Vers ist eine Ankündigung, daß die Muslime die Oberhand über ihre Gegner erhalten und somit den Ungläubigen den Zugang zu den heiligen Stätten verwehren werden; oder die Furcht ist mit der Erniedrigung und der Demütigung zu verbinden, die die unterworfenen Gemeinschaften erfahren werden. Bestimmt ist für sie im Diesseits Schande und im Jenseits eine gewaltige Pein: 5,33·41; - 22,9; 39,26; - 41,16. Bestimmt ist für sie im Diesseits Schande: _,. 2,85; im jenseits eine gewaltige Pein: _,. 2,7.

Exkurs Besuch der Moscheen Da der Koran in diesem Vers diejenigen zurechtweist und verurteilt, die verhindern, daß des Namens Gottes in den Moscheen gedacht wird, betonen die Autoren aufgrund verschiedener Berichte der Überlieferung (I:Iadith) die Vorzüge der Moscheen als Gebetsstätten und die Bedeutung der Bemühung der Gläubigen, die Moscheen zu besuchen7. Ein weiterer Punkt bezieht sich auf die Möglichkeit für Nichtmuslime, eine Moschee zu betreten und zu besuchen. Hier werden verschiedene Meinungen vertreten. Für die Mälikiten ist es Nichtmuslimen, also auch den Juden und den Christen, verboten, die Moscheen zu besuchen, es sei denn im Notfall, z. B. wenn der Richter in der Moschee eine Sache behandelt, an der ein Nichtmuslim beteiligt ist. Für die Shäfi'iten dürfen Nichtmuslime alle Moscheen mit Ausnahme der Moschee in Mekka (andere fügen noch Medina hinzu) betreten. Abü ijanifa macht hier überhaupt keine Ausnahme: Der Nichtmuslim darf jede Moschee besuchen, auch die Ka'ba zu Mekka. Im Laufe der Zeit wurden doch die Gebiete von Mekka und Medina zu Sperrbezirken für alle Nichtmuslime erklärt. In der }:tanbalitischen Schule scheinen sich zwei Lehrmeinungen auf Ibn ijanbal zu berufen. Die eine verbietet den Nichtmuslimen das Betreten der Moscheen. Die andere gestattet es, wenn eine Erlaubnis der islamischen Behörden vorliegt. Diese Erlaubnis kann gegeben werden, um den Nichtmuslim mit dem Islam vertraut zu 7· Siehe einige l;ladith in: A. Th. Khoury: So sprach der Prophet, Nr. zsz-zss, S. 158- 159.

Exkurs: Besuch der Moscheen/Kommentar: 2,115

109

machen und ihn eventuell für den islamischen Glauben zu gewinnen (so die Meinung von Ibn Taymiyya) 8 .

2,115(109): Ober den Anlaß dieses Verses und seine entsprechende Deutung gibt es verschiedene Meinungen9. Eine Meinung verbindet ihn mit dem vorherigen Vers: Diejenigen, die die Menschen darin hindern, in den Moscheen zu beten, und versuchen, diese Gebetsstätten zu zerstören, mögen vor Gott und seiner Strafe fliehen, wohin sie wollen. Ihm gehört der Osten und der Westen, d. h. die ganze Welt. Oberall erreicht sie seine Gewalt, und seine Allmacht holt sie ein. Nach Qatäda ging es um folgenden Anlaß (in der medinischen Zeit): Der Prophet sagte: Euer Bruder, der Negus (Kaiser von Äthiopien), ist verstorben. Verrichtet für ihn das Gebet. Sie sagten: Wir sollen für einen nichtmuslimischen Mann das Gebet verrichten? Da kam das Wort Gottes herab: »Unter den Leuten des Buches gibt es welche, die an Gott glauben und an das, was zu euch herabgesandt wurde, und an das, was zu ihnen herabgesandt wurde, und so zeigen sie sich demütig gegen Gott ... Jene haben ihren Lohn bei ihrem Herrn. Gott ist schnell im Abrechnen« (3,199). Sie sagten: Er betete in einer anderen als (unserer) Gebetsrichtung. Da sandte Gott herab: »Gottes ist der Osten ... « (2,115). Der Vers bedeutet: Alle Himmelsrichtungen, zu denen die Anhänger der Glaubensgemeinschaften sich wenden, ob Osten oder Westen und das, was dazwischen ist, alle gehören mir. Wer sich dorthin wendet, im Trachten nach meinem Wohlgefallen und zum Ausdruck seines Gehorsams, findet mich dort, d. h., er findet meine Belohnung. l:fasan ai-Ba~ri, Mudjähid und al-Qal).l).äk bringen den Vers in Zusammenhang mit einem mekkanischen Vers: »Euer Herr spricht: Ruft zu Mir, so erhöre Ich euch« (4o,6o). Da sagten sie: Wo sollen wir ihn anrufen? Da kam dieser Vers herab. Damit ist gesagt, daß der Text zur mekkanischen Periode gehört. Eine andere Meinung bezieht den Vers auf die Situation, die im vorherigen Vers beschrieben wurde: Auch wenn die Moscheen zerstört werden, so soll euch dies nicht daran hindern, euer Gebet zu verrichten: Das könnt ihr überall auf der Welt tun. Ähnlich ist die Meinung, die den Vers auf die Lage des Reisenden bezieht, der freiwillige Gebete verrichten will. Er dürfe sie verrichten, gleichgültig, in welcher Richtung sich gerade sein Reittier befindet (Sa'id ihn Djubayr nach Ibn 'Umar). Abü Muslim sowie Qatäda und ibn Zayd sehen in diesem Vers die Aufhebung der bisherigen Gebetsrichtung der Muslime nach Jerusalem und die Zulassung jeder 8. Nach al-Mäward!: al-AI;tkäm al-sultäniyya, hg. von Enger, Bonn 1853, S. 272, 286-290. Vgl. A. Th. Khoury : Toleranz im Islam, 2. Auf!., Altenberge 1986, S.150-152. 9· Vgl. Räzi I, S. 479-480; Manär I, S. 434.435; R. Blachere: Le Coran li, S. 760.

110

Sure

2:

Die Kuh (al-Baqara)

Richtung zur Erfüllung des Gebetes, und dies als Reaktion auf die Behauptungen der Juden, daß nur Jerusalem die gültige Gebetsrichtung sei, und der Christen, die sich für den Osten als Gebetsrichtung stark machten. Später wurde allerdings die Ka'ba als verbindliche Gebetsrichtung für Muslime festgelegt (2,142 -150). Andere sehen in diesem Vers bereits die Änderung der Gebetsrichtung von Jerusalem zur Ka'ba in Mekka hin (Ibn 'Abbäs). Eine weitere Meinung bezieht den Vers auf eine besondere Situation nach der Richtungsänderung: Aus welcher Richtung man auch die Ka'ba sieht, vom Osten oder vom Westen usw., man soll sich zu ihr wenden. Schließlich gibt 'Abd Alläh ibn 'Ämir ibn Rabi'a eine Begebenheit wieder, die als Hintergrund für diesen Vers dienen soll: Wir waren mit dem Gesandten Gottes auf einem Feldzug in einer schwarz dunklen Nacht. Wir konnten die Gebetsrichtung nicht feststellen. Da nahm jeder von uns zur Gebetsstätte Steine, die vor ihm lagen, und wir verrichteten das Gebet. Als es Morgen wurde, erkannten wir, daß es nicht die richtige Gebetsrichtung war. Wir teilten es dem Gesandten Gottes mit. Da sandte Gott diesen Vers herab. Damit würde der Vers in die Zeit nach der Änderung der Gebetsrichtung von Jerusalem nach Mekka fallen, da die Muslime erst nach dieser Maßnahme begannen, Feldzüge zu führen. Wenn der Vers nicht zur mekkanischen Periode zu rechnen ist, dann scheint mir die plausibelste Deutung die zu sein, die darin ein Zwischenstadium sieht: Die Gebetsrichtung nach Jerusalem wird hier aufgehoben, die nach Mekka noch nicht festgelegt.

Gottes ist der Osten und der Westen: 2,142; vgl. Herr des Ostens und des Westens: 26,28; 73,9; - Dual: 55,17; Mehrzahl: 37,5; 70t40. Wohin ihr euch auch wendet möget: euch wenden : der genauere Ausdruck »das Gesicht wenden«: 2,144.149·150.177. dort ist das Antlitz Gottes: 2,272; 30,;8.39; 76,9; - 28,88. Antlitz ihres Herrn: 13 ,22; 55 ,2 7 ; 92,20; - 6,52; 18,28. Gott umfaßt und weiß alles: 2,247.261.268; 3,73 ; 5,54; 24,;2. Gott umfaßt alles und ist weise : 4,130. Gott weiß alles, er weiß Bescheid: ~ 2,29. Zum Problem des Anthropomorphismus im Zusammenhang mit dem Ausdruck »Antlitz Gottes« ~ 2,26.

Kommentar: 2,116-117

111

2,116-117: Wie der Vers 2,:1:15 wirken diese Verse wie ein unvermittelter Einschub. Dabei sind sich die muslimischen Autoren unschlüssig, wer eigentlich direkt gemeint sei. Sie beziehen ihn sowohl auf die Juden als auch auf die Christen und die Polytheisten. Alle drei Gruppen seien ja in den vorherigen Versen erwähnt worden. Auch finden sich im Koran Aussagen, die dies bekräftigen können. »Die Juden sagen: 'Uzayr ist Gottes Sohn, und die Christen sagen: Christus ist Gottes Sohn« (9-30). Außerdem weist der Koran an weiteren Stellen die polytheistischen Vorstellungen der Mekkaner, die Gott Kinder zuschreiben, und die Lehre der Christen, die Jesus Christus als Sohn Gottes bezeichnen, entschieden zurück. Wenn man aber bedenkt, daß die Stellen, die als direkte bzw. fast direkte Parallelen zu diesem Vers gelten können, gegen die Polytheisten gerichtet sind (1o,68; 18-4; - 19,88; 21,26), dann kann man auch diesen Vers als Zurückweisung der Polytheisten betrachten. Auf der anderen Seite erinnert der Vers 2,:1:17 an 19-35, wo der Koran in ähnlichen Worten gegen die christliche Lehre von der Gottessohnschaft Jesu Christi reagiert. Die Stellungnahme des Korans zu diesem Thema sollen nun im folgenden kurz dargestellt werden: Der Koran verurteilt den Polytheismus. An einigen Stellen gibt er an, in welcher näheren Gestalt ihm dieser Polytheismus in Mekka begegnete. Teile der Geschöpfe und der Diener Gottes würden Gott beigesellt (43,15). Diese können Gegenstände oder Personen aus dem Bereich der Erde sein (2:1,2:1), sie können Djinn sein, die mit Gott eine Verwandtschaft verbindet (37,158) oder die man zu Teilhabern Gottes gemacht hat (6,1oo). Sie können aber auch Engel sein (37,150; 17-40). Eine Form des Polytheismus, die die Entrüstung des Korans hervorruft, ist die Behauptung, Gott habe sich ein Kind genommen (19,88-91; vgl. auch 2,:1:16-:1:17). Die Polytheisten behaupten, daß Gott Kinder, Söhne und Töchter hat (6,1oo), daß er gezeugt hat (37,152). Sie schreiben Gott Töchter zu, während sie sich selbst nur Söhne wünschen (37,149; 16,57.62; 53,21), sie bezeichnen weibliche Engel als Töchter Gottes (17-40; 37,150; 53,27) und sprechen von einer Verwandtschaft zwischen Gott und den Engeln bzw. Djinn (37,158; 52,39)10 • Der Koran weist diese Vorstellungen mit Entschiedenheit zurück. Gott, der Schöpfer der ganzen Welt, ist auf niemanden angewiesen, er braucht sich nicht ein Kind zu nehmen, er besitzt ohnehin die gesamte Schöpfung (1o,68; 2,:1:16), und »alle sind Ihm demütig ergeben« (2,:1:16; siehe auch 39-4; 43,81-82). Gott hat kein Kind gezeugt, er hat keine Gefährtin (72,3; 6,101). So besteht keine Verwandtschaft zwischen Gott und irgendeinem Geschöpf. Wenn er etwas will, so bringt er es ins Dasein nicht durch Zeugung (vgl. 112,3), sondern durch die Allmacht 10. Paret, Der Koran: Kommentar und Konkordanz, S. 27, schreibt: »Übrigens scheint schon in den zeitgenössischen Vorstellungen über Wesen und Natur der Engel christliches und heidnisches Gedankengut ineinandergeflossen zu sein. Siehe Paul Arno Eichler, Die Dschinn, Teufel und Engel im Koran, Leipzig 1928, S. 98 - 100.«

112

Sure

2:

Die Kuh (al-Baqara)

seines schöpferischen Wortes; er braucht nur zu sagen: Sei!, und es ist (19,}5; 2,117). Die Vorstellung, daß neben Gott andere Götter bestehen, ist auch deswegen unhaltbar, weil sie zu Widersprüchen führt. Die Nebengötter würden nach der Macht und der Herrschaft Gottes trachten (17,42), oder das Kind Gottes müßte als Teilhaber an seiner Herrschaft auftreten (25,2; 17,111). Das aber würde zu einer Konkurrenz zwischen den Göttern führen (23,91). Ganz allgemein und in bezug auf alle Wesen in ihrem Verhältnis zu Gott gilt folgender Grundsatz: »Lob sei Gott, der sich kein Kind genommen hat, und der keinen Teilhaber an der Königsherrschaft hat und keinen Freund als Helfer aus der Erniedrigung! Und preise mit Nachdruck seine Größe« (17,111).

2,116(110) : Und sie sagen: »Gott hat sich ein Kind genommen«: auch in 10,68; 18,{; vgl. 19,35; der Erbarmer hat sich ein Kind genommen: 19,88-93; 21,26. Vgl. auch in bezugauf Christus 4,171-172.

Preis sei Ihm!: D. h.: Er ist darüber erhaben, ein Kind zu haben; er braucht kein Kind, er ist auf niemanden angewiesen. Im gleichen Zusammenhang findet sich der Ausdruck auch in 4,171; 6,100; 10,68; 16,57; 19,35; 21,26; 39A· Sonst~ 2,32. Ihm gehört doch, was in den Himmeln und auf der Erde ist: 2,255.284; 3,109.129; 4,126.131.132.170.171; 6,12; 10,55·68; 14,2; 16,52; 20,6; 21,19; 22,64; 24,64; 31,26; 34,1; 42,{.53; 53,31; Ihm gehört, wer im Himmel und auf der Erde ist: 10,66; 30,26. Zur Herrschaft Gottes über Himmel und Erde: ~ 2,107. Alle sind Ihm demütig ergeben: gleicher Ausdruck in 30,26. - demütig ergeben (qänitün): 2,238; 3,17; 4,34; 33,35; 66,5.12; Einzahl: 16,120; 39,9; -Verb JJ,J1.

2,117(111): Er ist der Schöpfer der Himmel und der Erde: auch in 6,101: An beiden Stellen ist das arabische Wort für Schöpfer badi'. Ein Synonym ist fätir: in Zusammenhang mit Himmel und Erde : 6,14; 12,101 ; 14,10; 35,1; J9,{6; 42,11. Daß Gott Himmel und Erde und alle Wesen erschaffen hat, ist ein häufiges Thema des Korans.

Wenn Er eine Sache beschlossen hat, sagt Er zu ihr nur: Sei!, und sie ist: JA7; 19,35; 40,68. Er sagt: Sei!, und es ist: 3,59; 6,7J; 16Ao; 36,82. Gott ist Schöpfer der Himmel und der Erde: Das ist eine Grundaussage der Bibel. Der Satz ist auch Bestandteil des christlichen Credo. Daß Gott durch sein schöpferisches Wort die Dinge ins Dasein ruft, bezeugt die Bibel: Gen 1,3-25.

2,118-123 118 Diejenigen, die unwissend sind, sagen: »Wenn doch Gott zu uns spräche oder ein Zeichen zu uns käme!« Auch diejenigen, die vor ihnen lebten, äußerten sich in der gleichen Weise. Ihre Herzen sind einander ähnlich. Wir haben die Zeichen deutlich gemacht für Leute, die Gewißheit hegen. 119 Wir sandten dich mit der Wahrheit als Freudenboten und Warner. Und du hast dich nicht für die Gefährten der Hölle zu verantworten. 120 Weder die Juden noch die Christen werden mit dir zufrieden sein, bis du ihrer Glaubensrichtung folgst. Sprich: Nur die Rechtleitung Gottes ist die (wahre) Rechtleitung. Und wenn du ihren Neigungen folgst nach dem, was dir an Wissen zugekommen ist, so wirst du vor Gott weder Freund noch Helfer haben. 121 Diejenigen, denen Wir das Buch zukommen ließen und die es lesen, wie es richtig gelesen werden soll, glauben daran. Diejenigen, die nicht daran glauben, das sind die Verlierer. 122 0 ihr Kinder Israels, gedenket meiner Gnade, mit der Ich euch begnadet habe, und daß Ich euch vor den Weltenbewohnern bevorzugt habe. 123 Und hütet euch vor einem Tag, an dem keine Seele für eine andere etwas begleichen kann, kein Lösegeld von ihr angenommen wird und keine Fürspraehe ihr nützt, und an dem sie keine Unterstützung erfahren.

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Sprich: Gottes ist der Osten und der Westen: An sich ist keine Richtung dazu bestimmt, eine Gebetsrichtung zu werden; Gottes Wille setzt sie in freier Verfügung ein. So sind die oben ausgeführten Einwände entkräftet. der Osten und der Westen:~ 2,115. Die Theologen stritten unter sich über die Frage, ob eine solche Änderung der Gebetsrichtung begründet ist. Die Mu'taziliten fragen nach möglichen Begründungen der Bestimmungen Gottes, während die Ash'ariten, die Vertreter der islamischen Orthodoxie, betonen, daß man Bestimmungen Gottes nicht begründen muß, denn Gott verfolge in seinen Vorschriften keinen bestimmten Grund, sondern er handle in souveräner Freiheit, Allmacht und Herrschaft. Sollten Begründungen möglich sein, dann könnten sie nicht über eine Wahrscheinlichkeit hinausgehen. Eine solche Begründung könnte man im nächsten Vers 2,143 finden: Durch die Änderung der Gebetsrichtung stellt Gott die Muslime auf die Probe4. Er führt, wen Er will, zu einem geraden Weg: 2,213 ; 10,25; vgl. 6,39. Er führt: 1,6; 2,26; auch~ 2,2. Er führt, wen Er will: 2,272; 6,88; 14A; 16,93; 28,56; 35,8; 74,J1; - 24,J5; 39,23; vgl. 22,16. Er führt ... zu einem Weg : 34,6. wen Er will:~ 2,90. geraden Weg:~ 1,6.

~

2. Vgl. Tabari li, S.132-137; Räzl li, S. 3; Manär li, S. 17. 3· So faßt Räzl seine Deutung zusammen: II, S. 2 . 4- Vgl. Räzl II, S. 4- 5, 6. Hier fügt Räzl interessante Anmerkungen über die Bedeutung der Gebetsrichtung für die Frömmigkeit an : II, S. 5-6.

Kommentar: 2,142-143

1 55

2,143(137): Und so haben Wir euch zu einer in der Mitte stehenden Gemeinschaft gemacht (ummatan wasatan): d. h. die das Gleichgewicht zwischen den Extremen hält, in der goldenen Mitte steht und einer ausgewogenen Ordnungsvorstellung zu folgen hat. Die islamischen Kommentatoren denken hier an die gemäßigte Haltung der Muslime zwischen zwei Gruppen: Die einen sind die Polytheisten, die nur irdischen Gütern nachjagen, und die Juden, die hinter den Anforderungen ihrer Religion bleiben und sich schwerwiegender Verbrechen schuldig machen (wie das Töten der Propheten, das Manipulieren der Schriften usw.); die anderen sind die Christen, die in ihrem Glauben (an die Gottheit Jesu Christi z. B.) übertreiben und durch die zu hohen Ideale religiösen Lebens (Askese usw.) den Menschen überfordern5. Ein ähnlicher Gedanke wie hier wird in Vers 5,66 ausgedrückt: Der Koran lobt, daß es unter den Juden und den Christen »eine Gemeinde mit maßvollem Wandel gibt« (umma muqta~ida); vgl. das Wort: 31,32; 35,J2. Über die Muslime stellt der Koran fest in J,no: »Ihr seid die beste Gemeinschaft, die je unter den Menschen hervorgebracht worden ist ... « umma: ~ 2,128. - wasatan: in der Steigerungsform ausat: 5,89; 68,28; weiblich: 2,238; Verb: 100,5.

auf daß ihr Zeugen seid über die Menschen und daß der Gesandte Zeuge sei über euch: Zeugen~ 2,23. - Zeugen über die Menschen: 22,78; - 16,89; vgl. 3,140; 4t41 . Die meisten muslimischen Kommentatoren vertreten die Meinung, daß das hier angesprochene Zeugnis am Tag des Gerichts erfolgen wird. Sie berufen sich auf zahlreiche I:Iadith, die vom Zeugnis der Muslime zugunsten der verschiedenen Propheten, sie hätten ihre Botschaft an ihre Landsleute ausgerichtet, sowie vom Zeugnis Mubammads und seiner Fürsprache zugunsten der gläubigen Muslime berichten6 . Oder die Muslime hätten die Aufgabe, am Tag des Gerichts gegen die Menschen Zeugnis über ihre bösen Werke abzulegen. Die andere Meinung, vertreten u. a. durch Räzi und Manär, schließt das Zeugnis im Jenseits nicht aus, unterstreicht aber das Zeugnis der Muslime im Diesseits, und zwar durch ihre Lebensordnung und ihre vorzügliche Religion?. Der Koran spricht von den Zeugen am Tag des Gerichts: 40,51; 50,21.

5· Vgl. Räzi II, S. 7; Manär li, S. 4· Manär nennt mit den Christen, deren Spiritualität eine Überforderung darstelle, auch die Säbier (~ 2,62: vgl. Kommentar, Bd. I, S. 284-285) und die Yoga-Anhänger im Hinduismus und meint, daß der Islam sowohl den Geist als auch den Körper im Menschen berücksichtigt: vgl. S. 4-5. 6. Siehe die herangezogenen I:Jadith bei Tabari li, S. 146- 155. 7· Vgl. Räzi II, S. 9 - 10; Manär II, S. 5·

Sure

2:

Die Kuh (al-Baqara)

Und Wir haben die Gebetsrichtung, die du eingehalten hast, nur eingesetzt: Grammatikalisch ist eine andere Übersetzung möglich, der Räzi, al-Djalalän und Manär den Vorzug geben: Und Wir haben die Gebetsrichtung nur deswegen als die eingesetzt, die du eingehalten hast ... 8 • Welche ist die Gebetsrichtung, die hier gerneint ist? Eine Minderheit spricht sich für die Ka'ba aus, die in Mekka als Qibla gedient haben soll. Der Satz würde dann bedeuten: Und Wir haben dir nun die Gebetsrichtung (wieder) eingesetzt, die du früher (in Mekka) eingehalten hast ... Die Mehrheit bezieht den Satz auf Jerusalern und versteht ihn wie folgt: Und Wir haben die Gebetsrichtung als die eingesetzt, die du bisher eingehalten hast (Jerusalern) ... Oder nach unserer Übersetzung im Text: Und Wir haben die Gebetsrichtung, die du eingehalten hast (Jerusalern), nur eingesetzt ... Damit wird vermieden, daß die Änderung der Gebetsrichtung zweimal erfolgt und das Ärgernis der Betroffenen noch größer wird. Denn die Prüfung besteht, wie Mu}:larnrnad 'Abduh sich ausdrückt, nicht in der Gebetsrichtung selbst, sondern darin, daß Mu}:larnrnad von einer Gebetsrichtung zu einer anderen übergehen rnußte9. um zu erfahren: Wörtlich: damit Wir erfahren. Die Theologen merken hier an, daß das Wissen Gottes von Ewigkeit her alles urnfaßt. Die aus der Bewährungsprobe zu gewinnende Erkenntnis bezieht sich also entweder auf das Geschehen in der Geschichte, so daß Gott dies in seiner Vergeltung nun berücksichtigt. Oder - und dafür gibt es in der Literatur stilistische Beispiele - Gott ist zwar Subjekt des Satzes, gerneint sind jedoch die Muslime. Die Prüfung Gottes soll ihnen ermöglichen, zu erkennen, wer die Treue zum Gesandten hält und wer nicht. So teilt Gott der rnuslirnischen Gerneinschaft sein Wissen über den Zustand ihrer Mitglieder mit. nur, um zu erfahren: 18,12; 34,21; 47,)1; damit Gott erfahre, in Erfahrung bringe: 3,140.142; 5,94; 9,16; 57,25; 72,28; vgl. 15,24. Über das allumfassende Wissen Gottes spricht der Koran an zahlreichen Stellen: ~ 2,29. wer dem Gesandten folgt: Zur Aufforderung, dem Gesandten zu folgen, siehe },20.}1.5}; 7,157; 8,64; 9,117; 11,27; 12,108; 26,111.215.

(und um ihn zu unterscheiden) von dem, der auf seinen Fersen kehrtmacht: Der Ausdruck findet sich auch in 3,144.149·

8. Riizi II, S. 10; Maniir II, S. 7· 9· Vgl. Maniir Il, S. 8; der gesamte Fragenkomplex: S. 7-8; Riizi Il, S. 10.

Kommentar: 2,143

1 57

Wahrlich, das ist schwer: Wörtlich: sie ist schwer . .. Worauf bezieht sich der Satz, und worin hat die Bewährungsprobe bestanden? Nach einigen Autoren bestand diese in der Festlegung der Gebetsrichtung: in Medina fiel es den Arabern schwer, nach Jerusalem statt nach Mekka zu beten; und nach der Änderung der Gebetsrichtung fiel es den Juden schwer, daß nun ihre Gebetsrichtung verlassen wurde. Die Mehrheit der Kommentatoren denkt eher an die Änderung der Gebetsrichtung selbst, die ja einen Fall von Abrogation (naskh) darstellt. Über die Wirkung dieser Änderung bei den verschiedenen Gruppen äußert sich al-Suddi wie folgt: »Als der Prophet sich in die Richtung der heiligen Moschee wandte, sagten die Heuchler: Was ist mit ihnen, sie folgten einer Gebetsrichtung, und nun verlassen sie sie! Die Muslime sagten: Wir wissen (nun) nicht mehr, was das Los unserer Brüder ist, die starben, als sie noch in der Richtung Jerusalems beteten. Andere sagten: Er hat Sehnsucht nach der Stadt seines Vaters und seiner Geburt. Die Polytheisten sagten: Er ist unschlüssig in seiner Religion. «10 Je nach der vertretenen Meinung wird der Satz sie ist schwer auf die Gebetsrichtung selbst oder auf die vollzogene Änderung dieser Gebetsrichtung bezogen. schwer (kab!ra): ~ 2A5· außer für die, die Gott rechtleitet: dazu rechtleitet, d. h. zur Erkenntnis des Willens Gottes und der von ihm hier getroffenen Entscheidung. Räzi und Manär merken hier mit Recht an, daß es sich nicht um die allgemeine Rechtleitung handelt11 • So scheint die grammatikalisch sonst mögliche Übersetzung von Paret: »die Gott rechtgeleitet hat«, weniger angebracht. Zum Gebrauch des Begriffs rechtleiten im Koran ~ 1,6. Nimmer wird Gott es zulassen, daß euer Glaube umsonst gewesen ist: Wörtlich: Nimmer wird Gott euren Glauben verlorengehen lassen. Was mit dem Wort Glaube gemeint ist, wird von den Kommentatoren verschieden gedeutet. Die einen beziehen es auf die Belohnung des Glaubens im allgemeinen. Andere beziehen den Satz auf die Situation, von der der ganze Kontext handelt: die Auswirkungen der Änderung der Gebetsrichtung. Und hier gibt es mehrere Interpretationen: - Es geht um das Los der Muslime, die in der Zeit gestorben sind, als die Gemeinde noch in Richtung Jerusalem betete. Ihr Gebet, das der Ausdruck ihres aufrechten Glaubens war, wird von Gott nicht für wertlos gehalten. - Ibn Zayd glossiert: Da Gott bekanntgemacht hat, daß das Gute in der Änderung der Gebetsrichtung von Jerusalem zur Ka'ba besteht, wenn er euch da auf die Gebetsrichtung nach Jerusalem festgelegt hätte, käme dies einer Entscheidung seinerseits gleich, euren Glauben »Verlorengehen zu lassen«. Eine falsche Gebetsrichtung macht nämlich das Pflichtgebet ungültig. 10. 11.

Bei Räzi II, S. 10. Vgl. Räzi Il, S. 12; Manär II, S. 10.

Sure

2:

Die Kuh (al-Baqara)

- I:Iasan al-Ba~ri denkt eher an den Lohn des Glaubens derer, die die schwierige Situation in Treue angenommen haben. - Eine weitere Deutung sagt: Gott hat euch zu der Obernahme der auferlegten Pflicht beigestanden, damit ja euer Glaube nicht verlorengeht12 . Bezogen auf den Lohn, findet sich der Ausdruck in folgenden Versen: 3,171; 7,170; 9,120; 11,115; 12,56.90; 18,Jo; - Werke: 3,195·

Gott hat Mitleid mit den Menschen und ist barmherzig: Auch 22,65; - 9,117.128; 16A7i 57,9. - hat Mitleid und ist barmherzig: 16,7; 24,20; 59,10; -Bibel: Jak 5,11. -hat Mitleid mit den Dienern: 2,207; J,JO; -Bibel: Dtn J2,J6; Ps 69,21; 106A5; 135,14. Gott hat Mitleid: Bibel: Gen 19,16; Ex 22,26; }es 63,9; Joel 2,17; Jona 4,11. barmherzig:~ 1,1.

2,144(139) : Wir sehen, wie du dein Gesicht zum Himmel hin und her richtest: in der Hoffnung auf eine Änderung der Gebetsrichtung und in Erwartung der entsprechenden Entscheidung Gottes. Die muslimischen Kommentatoren deuten den Vers nicht wie Paret als Ausdruck der Unschlüssigkeit Mubammads, wohin am Himmel er sich beim Gebet mit dem Gesicht wenden soll. Sondern Mubammad habe eine Zeitlang sein Gesicht zum Himmel gerichtet und hin und her gewendet, weil er einen Hinweis von Gott erwartete, welche neue Gebetsrichtung nun gelten soll. Der Hintergrund dieser Haltung sei folgender: - Nach Ibn 'Abbäs Mubammad sagte zu Gabriel: Ich hätte gern, daß Gott mich von der Gebetsrichtung der Juden abbringt, denn sie ist mir zuwider, und mich zu einer anderen richtet. Gabriel sagte: Ich bin nur ein Diener wie du. So bitte deinen Herrn darum. So pflegte der Gesandte Gottes seinen Blick zum Himmellange zu richten, in der Hoffnung, daß Gabriel ihm das mitbringt, was er erbeten hatte. Da sandte Gott diesen Vers herab. - Nach I:Iasan al-Ba~ri Gabriel hatte ihm mitgeteilt, daß Gott die Gebetsrichtung ändern werde. Er machte ihm aber nicht deutlich, zu welchem Ort er sie wenden werde. Dem Gesandten Gottes war aber nichts lieber als die Ka'ba. So richtete er sein Gesicht zum Himmel hin und her in Erwartung der Offenbarung1 3. hin und her richten : Substantiv wie im Text (taqallub): 3,196; 16A6; 26,219; 40Ai vgl. 47,19; - Verb: 6,110; 18,18.42; 24A4i JJ,66.

12. Vgl. Räzi II, 5. 13. 13. Vgl. Räzi II, 5. 14-15.

Kommentar: 2,144

159

So werden Wir dir eine Gebetsrichtung festlegen: Das Verb falanuwalliyannaka bedeutet wörtlich: Wir werden dich vor eine Gebetsrichtung stellen; Wir werden sie dir geben und dir ermöglichen, sie einzuhalten. mit der du zufrieden sein wirst: weil die Ka'ba Mu):lammad lieber war als alles andere, wegen ihrer vom Koran hergestellten Beziehung zu Abraham; weil sie nun ermöglicht, die Treuen von den Heuchlern zu unterscheiden; weil damit endlich die religiösen und politischen Interessen der Muslime stärker berücksichtigt werden. zufrieden sein: als transitives Verb raqiya, bezogen auf den Menschen: 2,282; 4,108; 6,113; 9,24.59; 22,59; -bezogen auf Gott: 5,3; 20,109; 27,19; 39,7; 46,15; 53,26; - intransitiv: raqiya 'an: ~ 2,120. Wende also dein Gesicht in Richtung der heiligen Moschee: in Richtung: Das arabische Wort shatr bedeutet entweder Teil oder Richtung. Die Mehrheit der muslimischen Kommentatoren geht davon aus, daß die Vorschrift nicht einen bestimmten Teil der Moschee, sondern ihre Richtung meint. Sonst wäre es den Muslimen, die fern von der Ka'ba leben, kaum möglich, die Vorschrift zu erfüllen. Die heilige Moschee ist die Ka'ba in Mekka: 2,149.150.191.196.217; 5,2; 8,34; 9,7.19.28; 17,1; 22,25; 48,25.27. Moschee: ~ 2,114. Auch wenn der Satz zunächst Mu):lammad meint, so ist er dennoch an alle Muslime gerichtet, wie es der folgende Halbsatz deutlich macht, und zwar wo immer sie sich befinden: Und wo immer ihr seid, wendet euer Gesicht in ihre

Richtung. Diejenigen, denen das Buch zugekommen ist: Das Buch ist nach Suddi die Tora und die hier Angesprochenen sind die Juden. Andere meinen, es gehe allgemein um die Juden und die Christen, präziser: um die Gelehrten unter ihnen. Buch:~ 2A4; der gesamte Ausdruck:~ 2,87. wissen bestimmt, daß es die Wahrheit von ihrem Herrn ist: Es geht hier um den ganzen Vorgang. Einige Autoren wollen den Satz auf Mu):lammad beziehen: daß er wahr ... ist. Der gesamte Ausdruck: 2,26. Sie wissen, daß es die Wahrheit ist: bezogen auf die Gläubigen : 22,54; 42,18; vgl. 7A4; 13,19; 18,21; 28,13 ; -bezogen auf die Leute der Schrift (Juden und Christen): 6,114; - 34,6; 5,83.84; vgl. auch 2A2.146; 3,71; 41,53· von ihrem/eurem Herrn:~ 2,5; 2,49.

Gott läßt nicht unbeachtet, was sie tun: ~ 2,74. Die Variante: was ihr tut bezieht den Vers auf die Muslime.

160

Sure

2:

Die Kuh (al-Baqara)

2,145(140): Du magst zu denen, denen das Buch zugekommen ist, mit

jedem Zeichen kommen, sie werden deiner Gebetsrichtung nicht folgen: denen das Buch zugekommen ist:~ 2,144. Zeichen:~ 2,39. Der ganze Satz: 6,25; 7,132.146; vgl. 30,58; 36t46; 54,2; - 6,4.124.

Keiner von ihnen wird der Gebetsrichtung der anderen folgen: Hier ist auch eine andere Übersetzung möglich: Keiner folgt (ja) der Gebetsrichtung der anderen14.

Und wenn du ihren Neigungen folgst nach dem, was an Wissen zu dir gekommen ist: Angesprochen wird direkt Mu.bammad, gemeint sind aber neben ihm auch die Muslime. Der ganze Satz:

~

2,120.

gehörst du gewiß zu denen, die Unrecht tun: 5,107; 10,106; 11,;1; 12,79; 23,107; - 21,59. die Unrecht tun: ~ 2,35.

14. Vgl. Räzi II, S. 25; Manär II, S. 17.

146 Diejenigen, denen Wir das Buch zukommen ließen, kennen es, wie sie ihre Söhne kennen. Aber ein Teil von ihnen verschweigt wissentlich die Wahrheit. 147 Es ist die Wahrheit von deinem Herrn. So sei nicht einer der Zweifler. 148 Jeder hat eine Richtung, zu der er sich wendet. So eilt zu den guten Dingen um die Wette. Wo immer ihr euch befindet, Gott wird euch alle zusammenbringen. Gott hat Macht zu allen Dingen. 149 Von wo du auch herausgehst, wende dein Gesicht in Richtung der heiligen Moschee. Es ist wirklich die Wahrheit von deinem Herrn. Gott läßt nicht unbeachtet, was ihr tut. 150 Und von wo du auch herausgehst, wende dein Gesicht in Richtung der heiligen Moschee. Und wo immer ihr auch seid, wendet euer Gesicht in ihre Richtung, damit die Menschen keinen Beweisgrund gegen euch haben, außer denen von ihnen, die Unrecht tun - fürchtet sie nicht, sondern fürchtet Mich -, und damit Ich meine Gnade an euch vollende und auf daß ihr die Rechtleitung findet, 151 so wie Wir auch unter euch einen Gesandten aus eurer Mitte entsandt haben, der euch unsere Zeichen verliest, euch läutert und euch das Buch und die Weisheit lehrt und euch das lehrt, was ihr nicht wußtet. 152 Darum gedenket Meiner, dann gedenke Ich euer, und danket Mir und seid nicht undankbar gegen Mich.

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1!1

Varianten: 2,146-152 2,147= al-l,laqqu: al-l,laqqa (wie in 2,146) (nach 'Ali). 2,148: wa likullin widjhatun huwa muwallihä: wa likullin dja'alnä qiblatan yarVerboten ist das, worüber ein anderes Wesen als Gott angerufen worden ist