Der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten und ihre Durchsetzung im Völkerrecht [1 ed.] 9783428488650, 9783428088652

Thema der Arbeit sind der kollektive Schutz und der positive Schutz von Minderheiten im Völkerrecht. Unter kollektivem S

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Der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten und ihre Durchsetzung im Völkerrecht [1 ed.]
 9783428488650, 9783428088652

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JOHANNES NIEWERTH

Der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten und ihre Durchsetzung im Völkerrecht

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von lost Delbrück Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht 119

Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Daniel Bardonnet I'Universite de Paris 11 Rudolf Bernhardt Heidelberg Lucius Caflisch Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales, Geneve

Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis Albrecht Randelzhofer Freie Universität Berlin

Antonius Eitel New York; Bonn

Krzysztof Skubiszewski Polish Academy of Sciences, Warsaw; The Hague

Luigi Ferrari Bravo Universita di Roma; The Hague

Christian Tomuschat Humboldt-Universität zu Berlin

Louis Henkin Columbia University, New York

Sir Arthur Watts London

Tommy T. B. Koh Singapore John Norton Moore University of Virginia, Charlottesville

Rüdiger Wolfrum Max: -Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg

Der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten und ihre Durchsetzung im Völkerrecht

Von

J ohannes Niewerth

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Niewerth, Johannes: Der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten und ihre Durchsetzung im Völkerrecht I von Johannes Niewerth. Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel ; Bd. 119) Zug!.: Kiel, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08865-4 NE: Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht (Kiel): Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts ...

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gerrnany ISSN 0720-7263 ISBN 3-428-08865-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9

Meinen Eltern

Vorwort Mit der vorliegenden Arbeit, die im Wintersemester 1995/96 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen wurde, wird der Versuch unternommen, einen Beitrag zu der Diskussion des kollektiven und des positiven Minderheitenschutzes im Völkerrecht zu leisten. Mein Interesse an der Problematik des Minderheitenschutzes entstand, als ich im Wintersemester 1990/91 als Student der Christian-Albrechts-Universität am Concours Rene Cassin 1991 teilnahm, dessen fiktiver Fall sich mit Minderheitenrechten befaßte. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. lost Delbrück, der die Arbeit nicht nur betreut hat, sondern mir jederzeit mit Rat und als Gesprächspartner zur Seite stand. Die häufigen fruchtbaren Diskussionen im Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht bleiben mir ebenso in Erinnerung wie ein Doktorandenseminar in Nordschleswig im Mai 1993. Danken möchte ich weiter Herrn Professor Dr. Edzard Schmidt-lortzig, der während meiner Studienzeit in verfassungsrechtlichen Seminaren mein Interesse für den Minderheitenschutz noch verstärkt und schließlich auch das Zweitgutachten übernommen hat. Herrn Professor Dr. Rüdiger W olfrum sei für zahlreiche Anregungen in der ersten Phase der Arbeit gedankt. Dank gebührt auch Herrn Professor Richard B. Lillich, Herrn Professor David A. Martin und Herrn Professor Richard A. Merrill, alle von der University of Virginia School of Law, die mir während meines einjährigen Studienaufenthaltes in den Vereinigten Staaten jederzeit mit Rat und Tat zur Verfügung standen. Besonders danken möchte ich weiterhin Frau Dr. Heike Gading, Frau Susann Kärnmer, Herrn Detlev Binder sowie meinem Vater, Herrn Dr. Heinrich Niewerth. Ohne ihre kritische Begleitung der Entstehung des Textes wäre die Arbeit insgesamt nicht möglich gewesen. Schließlich sei Frau Rotraut Wolf gedankt, die die Arbeit in mühevoller Kleinarbeit in die für die Drucklegung erforderliche Form brachte. Der Konrad-Adenauer-Stiftung sage ich Dank für die Zuerkennung eines Promotionsstipendiums. Das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten ermöglichte die Drucklegung durch einen großzügigen Druckkostenzuschuß; auch hierfür sei Dank gesagt.

Vorwort

8

Die Bearbeitung der vorliegenden Untersuchung wurde am 5. August 1995 abgeschlossen. Grundlegende Veränderungen am Manuskript wurden danach nicht mehr vorgenommen, jedoch habe ich die bis zur Drucklegung erschienene einschlägige Literatur, soweit sie mir zugänglich war, noch eingearbeitet. Berlin, im Dezember 1995

Johannes Niewerth

Inhaltsverzeichnis Einführung

21

Kapitel I: Begriffsbestimmungen A. Begriff der Minderheit ..........................................

30

I. Kriterien des Begriffs der Minderheit ...........................

32

1. Numerische Inferiorität ............. . .....................

32

2. Schwächere Position .....................................

34

3. Ethnische, religiöse, sprachliche Eigenschaften

.. . .............

35

.........................................

35

b) Sprache ............................................

36

..........................................

36

a) Religiosität c) Ethnizität

4. Solidaritätsgefühl

.......................................

38

5. Zwischenergebnis .......................................

39

6. Elemente der Stabilität und Dauerhaftigkeit

..................

40

................................... . ..

41

a) Art. 27 IPBürg

(1) Gruppen von Einwanderern als Minderheiten

...........

41

.............

44

b) Andere Vorschriften ................. . ................

46

.............................

49

B. Abgrenzung zum Begriff des "autochthonen Volkes" ............... . .

52

(2) Gruppen von Ausländern als Minderheiten II. Zugehörigkeit zu einer Minderheit

Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten A. Konzeption kollektiver Rechte

55

10

Inhaltsverzeichnis I. Kollektive Rechte mit Individualbezug

..........................

58 58

1. Rechtscharakter ........................ .

61

ll. Rein kollektive Rechte ...................................... .

62

Ill. Staatenverpjlichtungen gegenüber Gruppen ..................... .

63

IV. Kollektive und Individualrechte ............................... .

65

B. Bereiche kollektiven Schutzes ................................... .

68

I. Recht auf Nichtdiskriminierung ............................... .

68

ll. Kollektiver Bestandsschutz .................................. .

70

1. Art. 27 IPBürg ......................................... .

71

2. Beispiele aus dem nationalen Recht

a) Wortlautauslegung

.................................. .

71

b) Systematische Auslegung ............................. .

73

c) Auslegung nach Sinn und Zweck ....................... .

74

d) Vorbereitungsarbeiten ................................ .

76

e) Auslegungsarbeiten .................................. .

77

2. Andere Vorschriften .................................... .

78

a) Vorschriften multilateraler Art ......................... .

78

b) Vorschriften bilateraler Art ............................ .

79

c) Zwischenergebnis ................................... .

80

3. Ergebnis für den kollektiven Bestandsschutz ................. .

80

111. Recht von Minderheiten auf Selbstbestimmung ................... .

80

I. Art. I IPBürg

......................................... .

80

a) Minderheiten als Völker?

80

b) Innere Selbstbestimmung

84

(1) Exkurs: Problematik äußerer Selbstbestimmung

........ .

85

............... .

86

...... .

86

......................... .

90

(c) Gehalt von Art. 1 IPBürg ....................... .

91

(2) Problematik innerer Selbstbestimmung

(a) Territoriale Autonomie bzw. Selbstverwaltung (b) Politische Mitwirkung

Inhaltsverzeichnis (d) Recht auf Demokratie ...........................

92

2. Andere Vorschriften .....................................

93

a) Vorschriften multilateraler Art ..........................

93

b) Vorschriften bilateraler Art

94

3. Charakter des Rechts von Minderheiten auf Selbstbestimmung ....

94

IV. Rechte von Minderheiten auf Achtung. Schutz und Förderung ihrer Identität .....................................................

95

1. Art. 27 IPBürg

96

a) Achtung der Identität

96

b) Schutz und Förderung der Identität

97

(1) Allgemeines zum positiven Schutz

97

(2) Schutz der Identität

98

2. Andere Vorschriften .....................................

100

a) Vorschriften multilateraler Art ..........................

100

b) Vorschriften bilateraler Art .............................

10 1

3. Charakter der Rechte auf Achtung. Schutz und Förderung der Identität

101

V. Zusammenfassende Bewertung

c.

11

Grenzen kollektiver Rechte ......................................

104 109

Kapitel 111: Positiver Schutz von Minderheiten A. Konzeption positiver Rechte .....................................

113

I. Rechte aufnegatorische Staatshandlungen: Unterlassungen .........

115

ll. Rechte aufpositive Staatshandlungen: Schutzmaßnahmen ...........

115

lll. Rechte aufpositive Staatshandlungen: Förderungsmaßnahmen

116

IV. Positive Staatenverpjlichtungen

117

B. Bereiche positiven Schutzes

I. Recht auf Nichtdiskriminierung

117 118

Inhal ts verzeichnis

12 1. Art. 26 IPBürg

118

a) Auslegung

120 ...................................

b) Schutzmaßnahmen

121

c) Förderungsmaßnahmen

122

d) Zwischenergebnis

126

2. Andere Vorschriften

.....................................

126

a) Vorschriften multilateraler Art ..... . ... . ................

126

b) Vorschriften bilateraler Art

128 129

Il. Kollektive Rechte 1. Bestandsschutz

.........................................

129

2. Selbstbestimmungsrecht

129

3. Recht auf Achtung, Schutz und Förderung der Identität

130

11/. Individualrechte

...........................................

130

1. Allgemeine Bemerkungen

130

2. Recht auf allgemeine Identitätswahrung

131

a) Art. 27 IPBürg

131

(1) Beschränkt positiver Gehalt von Art. 27

131

(2) Gemeinsame Pflege kulturellen Lebens

135

(3) Inhalt kulturellen Lebens

...........................

b) Andere Vorschriften (1) Vorschriften multilateraler Art

135 136

........... . .. . ........

136

(2) Vorschriften bilateraler Art

141

(3) Zwischenergebnis

143

3. Sprachenrechte

.........................................

a) Art. 27 IPBürg

143 143

(1) Privater schriftlicher und öffentlicher (mündlicher und schriftlicher) Gebrauch der Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143

(2) Öffentliche bzw. private Schulen .....................

144

(3) Umgang mit Gerichten und Verwaltungsbehörden

146

b) Andere Vorschriften ..................................

147

(1) Vorschriften multilateraler Art .... . ..................

147

13

Inhal tsverzeichnis (a) Regelungen unverbindlicher Art

147

(b) Noch unverbindliche Regelungen

149

(c) Vorschläge de legeferenda

155

(2) Vorschriften bilateraler Art

158

(3) Zwischenergebnis

159

4. Religiöse Rechte ........................................

159

a) Art. 27 IPBürg

159

b) Andere Vorschriften

159

(1) Vorschriften multilateraler Art

.......................

159

(2) Vorschriften bilateraler Art

162

(3) Zwischenergebnis

162 163

IV. Zusammenfassende Bewertung

Kapitel IV: Rechtspolitische Erwägungen Erforderlichkeit kollektiven und Erforderlichkeit positiven Minderheitenschutzes A. Erforderlichkeit kollektiven Schutzes

167

..........................

171

11. Kollektive Rechte, die mit Individualrechten verbunden sind .........

171

.....................................

173

I. Kollektive Rechte mit Individualbezug

111. Selbstbestimmungsrecht 1. Äußere Einheit

174

2. Innere Einheit

176

IV. Kollektive Staatenverpjlichtungen B. Erforderlichkeit positiven Minderheitenschutzes I. Diskriminierung im Staat

.......... . ... . .....................

ll. Assimilierung im Staat

177 178 179 180

111. Fehlender Identitätsschutz bzw. fehlende Förderung von Minderheiten im Staat ....................................................

185

IV. Förderung von Minderheiten

189

14

Inhaltsverzeichnis

Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und Durchsetzung des positiven Minderheitenschutzes 193

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

193

I. Universelle Ebene 1. IPBürg (Menschenrechtsausschuß)

193

a) Innerstaatliches Verfahren

193

b) Staatenberichtsverfahren

194

c) Staatenbeschwerdeverfahren

197

d) Individualbeschwerdeverfahren

.........................

2. Andere Verfahren auf universeller Ebene

11. Europarat

199 202 203

1. Europäische Charta für Regional- oder Minderheitensprachen

204

2. Europäische Rahmenkonvention

205

3. Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK

206

a) Innerstaatliches Verfahren

206

b) Staatenberichtsverfahren

207

c) Staatenbeschwerdeverfahren

208

d) Individualbeschwerdeverfahren

210

e) Zusammenfassende Bewertung

211

4. Vorschlag einer Europäischen Konvention

211

a) Innerstaatliches Verfahren

212

b) Staatenberichtsverfahren

212

c) Staatenbeschwerdeverfahren

213

d) Individualbeschwerdeverfahren

214

e) Zusammenfassende Bewertung

215

/lI. OSZE

216

1. Menschliche Dimension der OSZE

216

a) KSZE-Folgetreffen in Wien

216

b) Kopenhagener Dokument

218

c) Moskauer Treffen über die Menschliche Dimension der KSZE.

219

Inhaltsverzeichnis d) Helsinki-Dokument

15 221

2. Vorschlag BreitenmoserlRichter ............................

223

...........................................

225

IV. Bilaterale Ebene

B. Kriter,ien rur ein Durchsetzungsmodell

............................

I. Nationale Veifahrensrechte

ll. Internationale Gerichtsbarkeit Ill. Beobachtungs- und Kontrollmechanismen

226 227 227 229

Ergebnis und Entwicklung eigener Kriterien für einen effektiven kollektiven und einen effektiven positiven Minderheitenschutz

231

Literaturverzeichnis

237

Abkürzungsverzeichnis a. A.

=anderer Ansicht

Abs.

= Absatz

AHB

= Ausschuß Hoher Beamter

AJIL

= American Journal of International Law

allg.

= allgemein

AMRK

= Amerikanische Menschenrechtskonvention

Anm.

APuZ Art. Aufl.

= Anmerkung = Aus Politik und Zeitgeschichte

=Artikel =Auflage

AVR

= Archiv des Völkerrechts

BayVbl.

= Bayerische Verwaltungsblätter

Bd.

= Band

Bde.

= Bände

BDGV

= Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht

BDIMR

= Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte

BR

= Bundesrat

BRDtid.

= Bundesrepublik Deutschland

BrernNatSchG

= Bremisches Naturschutzgesetz

BT

= Bundestag

BVerfGE BVwG bzgl. bzw.

c.u.

=Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts =Bundesverwaltungsgericht = bezüglich = beziehungsweise

=Cour Internationale de Justice

Abkürzungsverzeichnis

17

C.P.l.J.

= Cour Permanente Internationale de Justice

CAHMIN

= Ad hoc Committee for the Protection of National Minorities

CanadianJLJ

= Canadian Journal of Law and Jurisprudence

CCPR

= International Covenant on Civil and Political Rights

Comm.

= Communication

Conf.

= Conference

CornellILJ

= Cornell International Law Journal

Dekl.

=Committee on Conventions and Recommendations =Declaration =Deklaration

ders.

= derselbe

dies.

= dieselben

Doc.

= Document

Drs.

= Drucksache

dt.

= deutsch

CRE Decl.

DVBI.

=Deutsches Verwaltungsblatt

ebda.

= ebenda

ECHR ed.

= European Court of Human Rights = edition

ed.

= edition

EMRK

= Europäische Menschenrechtskonvention

Entw. Zus. Prot.

= Entwurf eines Zusatzprotokolls

EPIL

= EncYclopedia of Public International Law

EuGRZ

= Europäische Grundrechte Zeitschrift

f.

= folgende (Seite)

FAZ

= Frankfurter Allgemeine Zeitung

ff.

= folgende (Seiten)

FinnishYIL

= Finnish Yearbook of International Law

Fn.

= Fußnote

FP

= Fakultativprotokoll

2 Niewenh

18

Abkürzungsverzeichnis

FS

= Festschrift

FUEN

= Federalist Union of European Nationalities

G.A.

= General Assembly

G.V.

= Generalversammlung

Geb.

= Geburtstag

gern.

= gemäß

GG

= Grundgesetz

HessNatSchG

= German Yearbook of International Law = Harvard International Law Journal = Hessisches Naturschutzgesetz

HRLJ

= Human Rights Law Journal

HRQ

= Human Rights Quarterly

GYIL HarvlLJ

Hrsg.

=Herausgeber

hrsg.

= herausgegeben

lCJ

= International Court of Justice

ILM

= International Legal Materials

i.V.m.

=in Verbindung mit

ibid.

= ibidem

ICLQ

= International and Comparative Law Quarterly

IGH

= Internationaler Gerichtshof

ILO

= International Labor Organization

InfAuslR

= Informationsbrief Ausländerrecht

IPBürg

= Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

IpwirtR

= Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

IsraelYHR

=Israel Yearbook of Human Rights

ltalianYIL

= Italian Yearbook of International Law

Kopenhagen-Dok.

= Kopenhagener Dokument

KSZE

= Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

Lieferg.

= Lieferung

Abkürzungsverzeichnis m.w.N.

= mit weiteren Nachweisen

Mtg.

= Meeting

N.Y.UJIL

= New York University Journal of International Law

Netherlands YIL

= Netherlands Yearbook of International Law

No.

= Number

NordicJHR

= Nordic Journal of Human Rights

NordicJIL

= Nordic Journal of International Law

Notre Dame L. R.

= Notre Dame Law Review

Nr.

= Nummer = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ

19

OP

=Optional Protocol

OSZE

= Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Euro-

PCIJ

= Permanent Court of International Justice

para.

= Paragraph

RdC

= Recueil des Cours de l'Academie de Droit International

Res.

= Resolution

RGBl.

= Reichsgesetzblatt

pa

RGZ

=Entscheidungen des Reichsgerichts für Zivilsachen

RUDH

= Revue Universelle des Droits de l'Homme

Rz.

= Randziffer

S.c.

= Security Council

S.o.

= Supreme Court

s. o.

= siehe oben

S.R. SSR

= Sicherheitsrat = Sozialistische Sowjetrepublik

SSW

= Südschleswigscher Wählerbund

StIGH

= Ständiger Internationaler Gerichtshof

Suppl.

= Supplement

Teilbd.

= Teilband

TexasILJ

= Texas International Law Journal

2*

20

Abkürzungsverzeichnis

u. a.

= und andere/unter anderem/unter anderen

UN

= United Nations

UNC

= United Nations Charter

UNO

= United Nations Organization

UNTS

= United Nations Treaty Series

US

=United States

USA

= Uni ted States of America

UNESCO

= United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

v.

= von u. versus

VN

= Vereinte Nationen

vg!.

= vergleiche

Vo!.

= Volume

Vorseh!. Europ. Konv.

= Vorschlag einer Europäischen Konvention

VwGO

= Verwaltungs gerichtsordnung

WVK

= Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge

YaleJIL

= Yale Journal ofinternational Law

z.

= zum

z. B.

= zum Beispiel

ZaöRV

= Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völ-

ZAR

= Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik

kerrecht

Einführung

Der Schutz ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten ist eines der am meisten debattierten Themen des modernen Völkerrechts und der internationalen Beziehungen. Zwei Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit haben zu dieser Situation beigetragen. Zum einen ist in Osteuropa nach dem Auseinanderfallen ehemals sozialistischer Staaten eine Vielzahl neuer Staaten entstanden, die sich auf das Recht auf Selbstbestimmung beriefen. Das Entstehen neuer Staaten löste das Problem ethnischer Vielfalt in der Region jedoch nicht, da auch in den meisten dieser neu entstandenen Staaten mehrere Völker oder ethnische Gruppen und oft auch Religionen nebeneinander existieren. Große Teile der Bevölkerungen dieser Staaten können deshalb als Minderheiten bezeichnet werden. Sie müssen oft Diskriminierung befürchten, an einen Minderheitenschutz im eigentlichen Sinne ist bisher gar nicht zu denken. Zum anderen ist die weltweite Wanderungsbewegung von Süd nach Nord und von Ost nach West eines der wichtigsten Probleme der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Millionen Menschen verlassen ihre Heimatstaaten, um in den reicheren Industrienationen des Nordens oder Westens eine bessere Zukunft zu finden. Durch diese Wanderungsbewegungen werden sogenannte "neue Minderheiten" geschaffen.! Die internationale Öffentlichkeit ist auf der Suche nach einem Weg, Minderheiten effektiv zu schützen. Zwei Möglichkeiten sind zum rechtlichen Schutz von Minderheiten denkbar: Schutz durch das nationale Recht individueller Staaten oder Schutz durch das Völkerrecht. 2 Der Vorteil eines völkerrechtlichen Schutzes ist zumindest grundsätzlich, daß er einen einheitlichen Schutz gewährleistet und

! Obwohl der Begriff "neue Minderheiten" verwendet wird, muß dies nicht heißen, daß "neue Minderheiten" auch notwendigerweise Teil des Begriffs "Minderheiten" im rechtlichen Sinne sind, siehe dazu Text bei Anm. 71 - 114. 2 Vgl. Johannes Gruber, The Protection of Minorities in the Age of Human Rights, in: D. S. Constatopoulos (ed.), The Evolution of International Law since the Foundation of the UN with Special Emphasis on Human Rights, Institute of International Public Law and International Relations of Thessaloniki, Thessaloniki 1990, 845 - 854, 848.

22

Einführung

die Staaten zu einer Befolgung völkerrechtlich bindender Normen zwingt. 3 In seiner Advisory Opinion on Minority Schools in Albania hat der StIGH4 die Notwendigkeit des internationalen Schutzes von Minderheiten schon 1935 definiert. The idea underlying the treaties for the protection of rninorities is to secure for certain elements incorporated in aState, the population of which differs from them in race, language or religion, the possibility of living peaceably alongside that population and co-operating arnicably with it, while at the same time preserving the characteristics which distinguish them from the majority, and satisfying the ensuing special needs. 5 Der StlGH fuhr fort, Ziel des Minderheitenschutzes sei es "to ensure for the minority elements suitable means for the preservation of their racial peculiarities, their traditions and their national characteristics." Die vom StlGH formulierte Zielvorstellung hat heute noch Gültigkeit, muß aber um einige Aspekte ergänzt werden. Jeder Versuch einer völkerrechtlichen Kodifizierung des Minderheitenschutzes sollte auf vier Zielvorstellungen beruhen. Zunächst können durch Minderheitenschutz ethnische Konflikte verhindert, beendet und abgebaut werden. Minderheitenschutz hat insofern die Funktion der Konfliktprävention. Weiter dient Minderheitenschutz der Sicherung der Menschenwürde des einzelnen Minderheitenangehörigen. Teil der Menschenwürde sind dabei die Beziehungen des Menschen zu seiner Umwelt, zu seinen Mitmenschen, zu der Gruppe, zu der er gehört. Überdies ist die Existenz einer Minderheit auch ein Wert an sich. Die Existenz einer Minderheitenkultur im Staat ist Ausdruck kulturellen Reichtums und allein deshalb schützenswert. Schließlich können sich Minderheit und Mehrheit im Sinne einer "dynamisch-kulturellen" Gesellschaft gegenseitig beeinflussen und sich dadurch fortentwickeln. 6 Thema dieser Arbeit sind der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten und ihre Durchsetzung im Völkerrecht. Dem kollektiven und dem positiven Schutz von Minderheiten hat sich die internationale Aufmerksamkeit erst in den letzten Jahren zugewandt. Das traditionelle Völkerrecht nach dem Zweiten Weltkrieg, etwa Art. 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische

3 Vgl. Lassa Francis Lawrence Oppenheim/Hersch Lauterpacht, International Law, A Treatise, Vol. 1, 8th ed., LondonlNew Yorkfforonto 1954, 10 - 15; in der Praxis ist ein Nachteil des Völkerrechts jedoch, daß es ihm oft an wirksamen Durchsetzungsmechanismen fehlt, vgl. fan Brownlie, Principles of Public International Law, 4th ed., Oxford 1990, 1,2. 4 Ständiger Internationaler Gerichtshof. 5 peH, Minority Schools in Albania, Advisory Opinion, Series AlB No. 64 (1935), 17. 6 Auf alle vier Zielvorstellungen wird im Rahmen rechtspolitischer Erwägungen im 4. Kapitel noch detaillierter eingegangen werden, siehe Kapitel IV.

Einführung

23

Rechte7 , betont eher den individuellen und negatorischen Schutz von Minderheiten. Individueller Schutz erfaßt den Anspruch des einzelnen Angehörigen einer Minderheit auf bestimmte Schutzmaßnahmen, während negatorischer Schutz die Garantie bedeutet, daß Minderheitenrechte von staatlicher Seite nicht vorenthalten werden. In einer Reihe von Völkerrechtsinstrumenten der neueren Zeit ist jedoch ein entgegengesetzter Trend zu erkennen. Auf universeller (also im Rahmen der Vereinten Nationen B), regionaler (Organisation über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa9 und Europarat) und bilateraler Ebene bewegt sich das völkerrechtliche Minderheitenrecht in Richtung auf die Anerkennung der Notwendigkeit eines kollektiven und eines positiven Schutzes von Minderheiten, um den klassischen, negatorischen Schutz des Individuums zu ergänzen. Beispiele dieser Entwicklung sind auf universeller Ebene etwa die Deklaration 47/137 der Generalversammlung lO der VN vom 18. Dezember 1992 und auf regionaler Ebene das Dokument des Kopenhagener Treffens der Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE vom 29. Juni 1990 11 sowie hinsichtlich des Europarats die Europäische Charta für Regional- oder Minderheitensprachen vom 22. Juni 1992 12 und die 7 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966, internationale Quelle: 999 UNTS 171, im folgenden: IPBürg. 8 United Nations, im folgenden: VN. 9 Im folgenden: OSZE; bis 1994 Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). 10 Im folgenden: G.V.; Zitierung der Deklaration mit G.V. Dekl. 47/137 bzw. G.V.Deklaration 47/137. 11 Im folgenden: Kopenhagener Dokument (Zitierung Kopenhagen-Dok.); internationale Quelle: ILM 29 (1990), 1305 - 1321; vgl. auch HRLJ 11 (1990), 232; das Kopenhagener Treffen war das zweite Treffen der Konferenz zur menschlichen Dimension, die im Abschlußdokument der Wiener Konferenz 1989 erstmals formuliert worden war. Das Ende des Ost-West-Konfliktes hatte zu einer Konzentrierung der Bemühungen auf Themen wie demokratischer Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und insbesondere Menschenrechte geführt; vgl. allgemein Hannes Tretter, Das Kopenhagener Abschlußdokument über die menschliche Dimension der KSZE, EuGRZ 17 (1990), 235 - 239. Spätere Konferenzen und Treffen in Paris (vgl. Charta von Paris für ein neues Europa vom 21. November 1990, EuGRZ 17 (1990), 517) und Genf (vgl. Bericht des KSZE-Expertentreffens in Genf über nationale Minderheiten vom 19. Juli 1991; Kommentar von Stephen J. Roth, Comments on the CSCE meeting of experts on national minorities and its concluding Document, HRLJ 12 (1991), 330 - 332, 332) waren nicht so erfolgreich. Siehe auch Thomas Buergenthal, The Copenhagen CSCE Meeting: A New Public Order for Europe, HRLJ 11 (1990),217 - 232. Im Helsinki-Dokument vom 10. Juli 1992 entschlossen sich die teilnehmenden Staaten jedoch, die Stelle eines Hohen Kommissars für nationale Minderheiten zu schaffen, vgl. HRLJ 13 (1992),289. 12 Internationale Quelle: HRLJ 14 (1993), 148; im folgenden: Europäische Charta; bis zum 19. Juni 1995 von 13 Mitgliedsstaaten des Europarats unterzeichnet (Deutschland befindet sich nicht darunter), jedoch lediglich von dreien ratifiziert (Finnland, Norwegen

24

Einführung

Europäische Rahmenkonvention zum Schutz der nationalen Minderheiten des Europarats vom 10. November 1994. 13 Den letztgenannten Instrumenten des Europarats waren der Entwurf einer Europäischen Konvention zum Schutz von Minderheiten durch die European Commission for Democracy through Law vom 8. Februar 1991 14 und der Entwurf eines Zusatzprotokolls zur Europäischen Konven-

und Ungarn). Fünf Ratifikationen sind gern. Art. 19 Abs. 1 der Charta zu ihrem Inkrafttreten erforderlich. 13 Im folgenden: Rahmenkonvention; Quelle: EuGRZ 22 (1995), 268; sie darf im Gegensatz zur Charta auch von Nichtmitgliedsstaaten des Europarats unterzeichnet und ratifiziert werden; bis zum 19. Juni 1995 von 27 Staaten unterzeichnet, jedoch von keinem ratifiziert, vg!. Heinrich Klebes, Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, Einführung, EuGRZ 22 (1995), 262 - 268, 267; um in Kraft zu treten, muß sie gern. Art. 28 Abs. 1 von 12 Mitgliedsstaaten ratifiziert worden sein; von der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1995 unterzeichnet; in einer Erklärung bezeichnete die Bundesregierung Dänen und Sorben als nationale Minderheiten, Friesen sowie Sinti und Roma hingegen als Volksgruppen; im Rahmen der Europäischen Union hat der Minderheitenschutz bisher jedoch noch keine Berücksichtigung gefunden, obwohl es Vorschläge zu seiner Aufnahme gegeben hat, vgl. den Vorschlag des Grafen Stauffenberg für das Committee on Legal Affairs and Citizens' Rights innerhalb der Europäischen Union, Doc. PE 121.212, vgl. Manfred Nowak, The Evolution of Minority Rights in International Law, Comments, in: Catherine BrölmanniRene LefeberiMarjoleine Zieck (eds.), Peoples and Minorities in International Law. DordrechtIBostonILondon 1993, 103 - 118, 108 f.; Hannes Tretter, Der Schutz ethnischer Minderheiten durch kollektive und individuelle Rechte, in: Felix ErmacoraIHannes TretterlAlexander Pelzl (Hrsg.l, Volksgruppen im Spannungsfeld von Recht und Souveränität in Mittel- und Osteuropa, Wien 1993, 164 - 179, 172; der Vorsitzende der Gruppe "Minority Languages and CuItures" im Europäischen Parlament schlug einen in den Vertrag über die EU aufzunehmenden Paragraphen vor, wonach Mitgliedsstaaten "recognize the existence on their territory of minority ethnie and/or linguistic groups" und "take the necessary measures for the preservation and free development of their linguistic and cultural identity"; vgl. Bruno de Witte, The European Communities and its Minorities, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 13), 167 - 185, 179. 14 Im folgenden: Vorschlag einer Europäischen Konvention (Vorschlag einer Konvention, Vors eh!. Europ. Konv.). Die European Commission for Democracy through Law ist ein beratendes Gremium des Europarats zu Fragen des Verfassungsrechts. Es kann auf Bitten des Ministerkommitees, der Parlamentarischen Versammlung, des Generalsekretärs und der Mitgliedsstaaten des Europarats Stellungnahmen abgeben. Andere Staaten und internationale Organisationen können um Stellungnahmen mit Zustimmung des Ministerkomitees bitten. Ein anderer, interessanter Entwurf betreffend die nationalen Minderheiten und ihre Angehörigen wurde von BreitenmoseriRichter vorgelegt, die einen durchsetzbaren Schutz ethnischer Minderheiten innerhalb der KSZE durch "Organleihe" von Organen des Europarats vorschlagen; vgl. Stephan BreitenmoserlDagmar Richter, Die Verwirklichung der KSZE-Grundsätze zum Schutze nationaler Minderheiten durch Organleihe bei der EMRK, EuGRZ 18 (1991),141 - 158; dies .. Proposal for an additional protocol to the European Convention of Human Rights concerning the proteetion of minorities in the participating

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tion für den Schutz von Menschenrechten und Grundfreiheiten 15 betreffend die nationalen Minderheiten und ihre Angehörigen durch die Parlamentarische Versarnrnlung des Europarats vom 1. Februar 1993 16 vorausgegangen. Auf bilateraler Ebene wurden in jüngerer Zeit Minderheitenschutzbestimmungen in Nachbarschafts- und Freundschaftsverträge integriert, so etwa in den Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 9. November 199017 , den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991 18 , den Vertrag über freundschaftliche Zusarnrnenstates of the CSCE, HRLJ 12 (1991), 262 - 265; bezüglich substantieller Bestimmungen zum kollektiven Minderheitenschutz kopieren BreitenmoserlRichter jedoch die Vorschläge der European Commission. 15 Im folgenden: EMRK, vom 4. November 1950; internationale Quelle: 312 UNTS 221. 16 Im folgenden: Entwurf eines Zusatzprotokolls (Entw. Zus. Prot.), siehe HRLJ 14 (1993),143; er sieht im Gegensatz zum VorschI. Europ. Konv. nur die Unterzeichnung und Ratifizierung durch Europaratsstaaten vor; dieser Entwurf wurde von mehr als 3/4 der Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung als Empfehlung 1201 angenommen. Lange Jahre der Diskussion und der Uneinigkeit in der Versammlung konnten damit beendet werden. Die Staats- und Regierungschefs des Europarats beschlossen am 8./9. Okober 1993 in Wien, das Ministerkommitee mit der Ausarbeitung einer Rahmenkonvention zum Schutz von Minderheiten zu beauftragen (vgl. EuGRZ 20 (1993), 184). Am 4. November 1993 gründete das Ministerkomitee das ad hoc Committee for the Protection of National Minorities (CAHMIN) und beauftragte es mit den Vorbereitungsarbeiten. In ihrer Empfehlung 1231 (1994) "bedauerte" die Versammlung zwar "zutiefst", daß der Gipfel der Empfehlung der Versammlung in bezug auf ein Zusatzprotokoll nicht gefolgt war. Während seines Treffens von 10. - 14. Oktober 1994 beschloß CAHMIN jedoch, den Entwurf einer Rahmenkonvention dem Ministerkomitee zuzuleiten, vgl. Explanatory Report, paras. 6 - 9. Andere Entwürfe wurden von der Federalist Union of European Nationalities (im folgenden: FUEN) formuliert. Sie schlagen entweder ein Zusatzprotokoll oder eine unabhängige Konvention vor. Ein Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK ist in Felix Ermacora/Christoph Pan, Fundamental Rights of Ethnic Groups in Europe, Wien 1993, zu finden. Des weiteren hat auch die österreichische Regierung den Entwurf eines Zusatzprotokolls vorgelegt, der aber nicht veröffentlicht ist, vgl. Heinrich Klebes, Der Entwurf eines Minderheitenprotokolls zur EMRK, EuGRZ 20 (1993), 148 - 151; siehe auch ders., Parliamentary Assembly to the Council of Europe, Draft Protocol on Minority Rights to the ECHR, HRLJ 14 (1993),140 - 144. 17 Vgl. Europa-Archiv 1991, D 85 (Art. 15); im folgenden: deutsch-sowjetischer Freundschaftsvertrag; dieser Vertrag gilt hinsichtlich der Russischen Förderation fort, da insofern Staatsidentität angenommen wird, vgl. dazu Volker Epping, in: Knut Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl., München 1990,318; mit weiteren aus der Sowjetunion hervorgegangenen Staaten wie etwa Kasachstan oder der Ukraine hat die Bundesrepublik laut Auskunft des Auswärtigen Amtes Vereinbarungen über die Fortgeltung von Verträgen geschlossen. 18 V gl. Europa-Archiv 1991, D 315 (Art. 20); im folgenden: deutsch-polnischer Nachbarschafts vertrag.

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arbeit und Partnerschaft in Europa zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn vom 6. Februar 1992 19, den Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik vom 27. Februar 199220 und den Vertrag über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien vom 21. April 1992. 21 Da diese Verträge bereits jetzt bindende Wirkung haben, kommt ihnen eine besondere Bedeutung zu. Bis auf die neuen bilateralen Verträge erzeugt jedoch keines der weiter genannten Instrumente bisher völkerrechtlich bindende Wirkung. Dies liegt bei der Deklaration 47/137 und dem Kopenhagener Dokument daran, daß diesen Instrumenten keine bindende Wirkung zukommt. Sowohl bei den durch G.V.-Deklarationen als auch den im Rahmen der KSZE eingegangenen Verpflichtungen handelt es sich nach allgemeiner Ansicht nicht um rechtliche, sondern vielmehr um politische Verpflichtungen. 22 Die Europäische Charta und die Europäische Rahmenkonvention sind hingegen noch nicht ratifiziert. Hervorzuheben ist als erste Konvention zum Schutz von Minderheiten überhaupt jedoch insbesondere die Rahmenkonvention des Europarats. Bei dem Entwurf einer Konvention und dem Vorschlag eines Zusatzprotokolls handelte es sich ohnehin lediglich um Vorschläge de lege ferenda. Obwohl also die neuen Instrumente zum Schutz von Minderheiten bisher nicht verbindlich sind, kommt ihnen doch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Zum einen lenken sie die Aufmerksam-

19 Vgl. Europa-Archiv 1992, D 377 (Art. 19); im folgenden: deutsch-ungarischer Freundschaftsvertrag. 20 Vgl. Europa-Archiv 1992, D 385 (Art. 20); im folgenden: deutsch-tschechoslowakischer Nachbarschaftsvertrag; dieser Vertrag gilt gemäß der Bekanntmachung über die Fortgeltung der deutsch-tschechoslowakischen Verträge im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der tschechischen Republik vom 24. März 1993 sowie gemäß der Bekanntmachung über die Fortgeltung der deutsch-tschechoslowakischen Verträge im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der slowakischen Republik gleichen Datums für beide Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei weiter, vgl. Notenwechsel vom 18. Dezember 1992 bzw. 1. Januar 1993. 21 Vgl. Europa-Archiv 1992, D 395 (Art. 15/16); im folgenden: deutsch-rumänischer Freundschaftsvertrag. 22 Und damit völkerrechtliches Soft Law; vgl. BreitenmoserlRichter (Anm. 14), EuGRZ 1991, 149; Theodor Schweisfurth, Zur Frage der Rechtsnatur, Verbindlichkeit und völkerrechtlichen Relevanz der KSZE-Schlußakte, ZaöRV 36 (1976), 681 - 726; KrysztoJ Skubiszewski, Der Rechtscharakter der KSZE-Schlußakte, in: Rudolf Bemhardt/lngo v. Münch/ Walter Rudolf (Hrsg.), Drittes deutsch-polnisches Juristen-Kolloquium, Bd. I, KSZESchlußakte, Baden-Baden 1977, 13 - 30.

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keit der Weltöffentlichkeit auf die Notwendigkeit kollektiven und positiven Minderheitenschutzes. Zum anderen spiegelt sich bereits in ihnen eine gesteigerte Aufmerksamkeit wider. 23 Unter kollektivem Schutz ist dabei die Anerkennung von Minderheitenschutz als Gruppenrecht, also eines Rechts der Minderheit als solcher und nicht lediglich ihrer Angehörigen, zu verstehen. Positiver Schutz meint hingegen zum einen den staatlichen Schutz vor Eingriffen Privater, zum anderen aber auch die aktive Förderung von Minderheiten im Sinne von Affirmative Action und Identitätsförderung. Dabei können sich der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten nicht nur aus den genannten Völkerrechtsinstrumenten der neueren Zeit ergeben. Eine modeme Auslegung bereits bestehender Normen wie etwa der Artikel 1 und 27 IPBürg könnte den kollektiven und den positiven Schutz von Minderheiten selbst nach dem alten Völkerrecht erforderlich machen. Ziel dieser Arbeit ist es, Kriterien zu entwickeln, wie ein effektiver kollektiver und ein effektiver positiver Minderheitenschutz in der Zukunft aussehen kann. Dabei sollen auch Ergebnisse für eine bessere Durchsetzung völkerrechtlicher Minderheitenschutzbestimmungen gewonnen werden. Zur Lösung dieser Aufgabe sollen die drei Bereiche kollektiver Schutz (Kapitel 11), positiver Schutz (Kapitel III) und Durchsetzung (Kapitel V) in eigenständigen Kapiteln behandelt werden. Die Bereiche stehen jedoch nicht losgelöst nebeneinander, sondern sind miteinander verwoben und voneinander abhängig. Innerhalb der jeweiligen Kapitel soll insbesondere beim kollektiven und beim positiven Schutz jeweils zunächst eine Konzeption kollektiver und eine Konzeption positiver Rechte entwickelt werden, da die Befürwortung bzw. Ablehnung eines bestimmten kollektiven oder positiven Rechts von seiner Einordnung in eine Kategorie von Rechten abhängen kann. Sowohl für die Entwicklung einer Konzeption kollektiver als auch die Entwicklung einer Konzeption positiver Rechte ist zwischen Minderheitenschutz im weiten und im engeren Sinne zu unterscheiden. Minderheitenschutz im weiten Sinne umfaßt alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um Angehörige von Minderheiten zu schützen. Er umfaßt damit auch Maßnahmen, die der Herbeiführung des Prinzips der Gleichberechtigung dienen. Minderheitenschutz im engeren Sinne geht jedoch über das Prinzip der Gleichberechtigung hinaus und hat zum Ziel, die Verschiedenheit der Minderheiten zu erhalten. 24 Vgl. BreitenmoserlRichter (Anm. 14), EuGRZ 1991, 149. Vgl. zu dieser Unterscheidung etwa Alfred de Zayas, The International Judicial Protection ofPeoples and Minorities, in: BrölmanniLefeberlZieck (ed.), (Anm. 13),253 - 287, 263; ebenso Gudmundur AlfredssoniAlfred de Zayas, Minority Rights: Protection by the United Nations, HRU 14 (1993),1 - 8,1; Eckart Klein, Konzeption und Durchsetzung des Minderheitenschutzes, in: Dieter BlumenwitziHans v. Mangoldt (Hrsg.), Neubestätigung 23

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Anschließend ist das derzeitige Minderheitenvölkerrecht mittels Auslegung auf seinen Gehalt zu untersuchen. Für die Verankerung völkerrechtlichen Minderheitenschutzes bestehen dabei zweierlei Möglichkeiten. Zum einen ist es möglich, sich auf bindende völkerrechtliche Verträge zu einigen. Zum anderen kann auch ein nicht bindendes Instrument, also völkerrechtliches Soft Law, verabschiedet werden, wenn die jeweils beteiligten Staaten sich auf einen bindenden Vertrag weder festlegen können noch festlegen wollen. Der Wert eines bindenden völkerrechtlichen Vertrages besteht darin, daß die sich aus dem Vertrag für den einzelnen Staat ergebenden Verpflichtungen durchgesetzt werden können. Sind Staatenverpflichtungen oder mittelbare Rechte (keine internationale Beschwerdemöglichkeit) vorgesehen, so können andere Vertragsstaaten auf die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen drängen. Ist ein unmittelbares Recht mit internationaler Beschwerdemöglichkeit garantiert, so kann das betroffene Individuum sogar selbst gegen den es verletzenden Staat vorgehen. Auch nicht bindendes Völkerrecht hat jedoch einen nicht zu unterschätzenden Wert. Durch Formulierung von nicht bindenden Völkerrechtsinstrumenten wie etwa der Deklaration 47/137 der VN-Generalversammlung oder des Kopenhagener Dokuments der KSZE ist ein Bewußtsein für Minderheitenfragen in der Weltöffentlichkeit erzeugt worden, das Staaten davon abhalten kann, eine minderheitenfeindliche Politik zu betreiben. 25 Als Beispiel sei etwa auf die Erfolge der KSZE bezüglich der Minderheitenpolitik der baltischen Staaten hingewiesen. Auf eine Darstellung minderheitenrechtlichen Gewohnheitsrechts soll demgegenüber weitgehend verzichtet werden. Wegen seiner Vielschichtigkeit wäre es praktisch unmöglich, für jede einzelne Norm des völkerrechtlichen Minderheitenrechts eine ausreichende Staatenpraxis sowie opinio iuris nachzuweisen. Zur gewohnheitsrechtlichen Geltung des Minderheitenschutzes im weiteren Sinne finden sich einige Ausführungen in Kapitel III. 26

und Weiterentwicklung von Menschenrechten und Volksgruppenrechten in Mitteleuropa, Bonn 1991, 51 - 60, 53; Karl loset Partsch, Gedanken zum Schutz ethnischer und sprachlicher Minderheiten, in: Wilfried FiedlerlGeorg Ress (Hrsg.), Verfassungsrecht und Völkerrecht, Gedächtnisschrift für Wilhelm Karl Geck, KölnlBerlinIBonnIMünchen 1989, 581 - 592; Otto Kimminich, Der Schutz ethnischer Minderheiten in Westeuropa, in: Georg Brunnerllso CamartinIHeribert HarbichiOtto Kimminich (Hrsg.), Minderheitenschutz in Europa, Heidelberg 1985, 13 - 55, 26. 25 V gl. etwa Klein, in: Blumenwitzlv. Mangoldt (Hrsg.), (Anm. 24), 59; allgemein Wolfgang Heusel, "Weiches Völkerrecht", Baden-Baden 1991,309 ff.; BreitenmoserlRichter (Anm. 14), EuGRZ 1991, 149. 26 V gl. Kapitel III.

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Nach der Darstellung des Minderheitenrechts de lege lata ist in einem rechtspolitischen Teil auf die Erforderlichkeit von kollektivem und von positivem Minderheitenschutz im Völkerrecht einzugehen (Kapitel IV). Dabei ist auf empirische Untersuchungen aus den einzelnen Staaten zurückzugreifen, um so zu einer Aussage darüber zu gelangen, welche Maßnahmen zum Schutz von Minderheiten im einzelnen erforderlich sind. Es wird für jedes einzelne Minderheitenrecht untersucht werden müssen, ob es tatsächlich für einen besseren Schutz von Minderheiten notwendig ist. Ganz am Anfang wird jedoch eine Definition des Begriffs der Minderheit vorzunehmen sein (Kapitel I). Es wird dabei auch darauf einzugehen sein, ob zur Einordnung einer Bevölkerungsgruppe als Minderheit auch eine gewisse Dauerhaftigkeit ihrer Anwesenheit auf dem Staatsgebiet oder sogar die originäre Abstammung von diesem Gebiet zu verlangen ist. Ein ähnliches Problem stellt sich bezüglich von Ausländern, selbst wenn diese sich als Gruppe über einen längeren Zeitraum in einem fremden Staat aufgehalten haben.

KAPITELl Begriffsbestimmungen

Bevor im Detail auf den kollektiven und den positiven Schutz von Minderheiten und ihre Durchsetzung im Völkerrecht eingegangen wird, ist es erforderlich, einige Begriffsbestimmungen vorzunehmen. In gebotener Kürze ist zunächst der Begriff der Minderheit zu definieren, anschließend ist eine Abgrenzung vorn Begriff des "autochthonen Volkes" vorzunehmen.

A. Begriff der Minderheit Der Begriff ,,Minderheit" wird außer in den Vorschlägen de lege ferenda in keinem der in der Einführung genannten Instrumente des völkerrechtlichen Minderheitenschutzes näher umschrieben. Dies liegt daran, daß in den verschiedenen Staaten sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber existieren, was unter einer ,,Minderheit" zu verstehen ist.! Gerade deshalb besteht jedoch die Notwendigkeit für eine unabhängige Definition des Begriffs. Trotz intensiver Bemühungen in der Vergangenheie hat sich eine allgemein akzeptierte Definition bisher aber nicht durchsetzen können. 3 Die am weitesten verbreitete Formulierung einer Definition geht auf den ehemaligen Sonderberichterstatter der UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities, Francesco Capotorti, zurück: A (minority is a) group numerically inferior to the rest of the population of aState, in a nondominant position, whose members - being nationals of the State - possess ethnic, reIigious or Iinguistic characteristics differing from those of the rest of the popula! Vgl. Patrick Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, Oxford 1991, 164; für eine Auswahl von Staatenansichten siehe Francesco Capotorti, Study on the Rights of Persons belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. FJCNA/Sub.21384/Rev.l, paras. 30 - 42. 2 Vgl. B. G. Ramcharan, Peoples' Rights and Minorities' Rights, NordicJIL 56 (1987), 9 ff.; Natan Lerner, Group Rights and Discrimination in International Law, Dordrechtl BostonILondon 1991,8; Thornberry (Anm. 1), 164. 3 Vgl. Lerner (Anm. 2), 8; Thornberry (Anm. I), 164.

A. Begriff der Minderheit

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tion and show, if only implicitly, a sense of solidarity, directed towards preserving their culture, traditions, religion or language. 4 Diese Definition stützt sich auf die Rechtsprechung des StIGH, Entwürfe der Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and Protection of Minorities, Vorschläge einer großen Zahl von Regierungen und eine Diskussion des Vorschlags Capotortis in der VN-Menschenrechtskommission. s Früheren Definitionsversuchen läßt sich entnehmen, daß die grundlegenden Elemente der Definition Capotortis auch schon vor Jahrzehnten verwendet wurden. Der StIGH hatte eine Definition des Begriffs "Gemeinschaft", ähnlich der des Begriffs der ,,Minderheit", in seiner Advisory Opinion in connection with the emigration of the Greco-Bulgarian communities entwickelt. Sie lautete: By tradition, which plays so important a part in Eastern countries, the community is a group ofpersons living in a given country or locality, having arace, religion, language and traditions of their own and uni ted by this identity of race, religion, language and traditions in a sentiment of solidarity, with a view to preserving their traditions, maintaining their fonn of worship, ensuring the instruction and upbringing of their children in accordance with the spirit and traditions oftheir race and rendering mutual assistance to each other. 6 Die Sub-Commission schlug 1954 vor, daß "the term minority shall include only those non-dominant groups in a population which possess and wish to preserve ethnic, religious or linguistic traditions or characteristics markedly different from those of the rest of the population. ,,7 Die Definition Capotortis soll wegen ihrer weiten Verbreitung in dieser Arbeit als Grundlage verwendet werden. 8 4 Vgl. Capotorti (Anm. 1), para. 568; zu einem weiteren Definitionsversuch innerhalb der Sub-Cornmission durch Jules Deschenes, Prevention of Discrimination and Proteetion ofMinorities, Proposal concerning a Definition ofthe tenn "Minority", UN Doc. ElCN.4/ Sub.2/1985/31, para. 181; vgl. auch Francesco Capotorti, Minorities, in: Rudolf Bemhardt u. a. (eds.), Encyc10pedia of Public International Law, Vol. 8, ArnsterdamlNew York/ Oxford 1985,385 - 395, 385 - 386; Felix Ermacora, Der Minderheitenschutz im Rahmen der Vereinten Nationen, Wien 1988,39 - 48; Jay A. Sigler, Minority Rights, A Comparative Analysis, WestportlLondon 1983,3 - 14. S Vgl. Felix Ermacora, The protection ofmin~rities before the Uni ted Nations, RdC 182 (1983 IV), 247 - 370, 292; Louis B. Sohn, The Rights ofMinorities, in: Louis Henkin (ed.), The International Bill of Rights, Boston 1981, 270 - 289, 279. 6 PCIJ, In connection with the emigration of the Greco-Bulgarian communities, Advisory Opinion, Serie B No. 17 (1932), 19. 7 Vgl. UN Doc. ElCN.4/Sub.2/l57, 72. 8 Zu der Akzeptanz dieser Definition etwa Johannes Gruber, The Proteetion of Minorities in the Age of Human Rights, in: D. S. Constatopoulos (ed.), The Evolution of International Law since the Foundation of the UN with Special Emphasis on Human Rights, Institute of International Public Law and International Relations of Thessaloniki, Thessaloniki

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Kapitel I: Begriffsbestimmungen

I. Kriterien des Begriffs der Minderheit Der Definition Capotortis gemäß müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein, um eine Bevölkerungsgruppe als Minderheit bezeichnen zu können: numerische Inferiorität, schwächere Position, ethnische, religiöse und sprachliche Eigenschaften sowie ein gewisses Solidaritätsgefühl innerhalb der Gruppe. Auf den ersten Blick sind die ersten drei dieser vier Voraussetzungen objektiven, während die vierte subjektiven Charakters ist. 9 Die Voraussetzungen sollen im folgenden kurz untersucht werden.

1. Numerische Inferiorität Die Voraussetzung numerischer Inferiorität muß im Vergleich zur gesamten Bevölkerung eines Staates oder einer Region gesehen werden. 1O Selbst wenn eine Gruppe in einer bestimmten Region eines Staates die Mehrheit bildet, kann sie weiterhin eine Minderheit sein, solange sie im Gesamtstaat numerisch in der Unterzahl ist. Die deutsche Minderheit in Südtirol etwa ist eine Minderheit. 11 Die Frage, ob Teile einer Mehrheit, die, wie etwa die englisch-kanadische Bevölkerung in Quebec, nur in bestimmten Gebieten eine Minderheit bilden, eine

1990, 845 - 854, 846; ebenso Natan Lerner, The Evolution of Minority Rights in International Law, in: Catherine Brölmann/Rene LejeberlMarjoleine Zieck (eds.), Peoples and Minorities in International Law, DordrechtlBostonlLondon 1993,77 - 101,79; vgl. aber auch die Definition des Raporteurs Eide, die er seinem Final Report zugrundelegt: "For the purposes of this study, a minority is any group of persons resident within a sovereign State which constitutes less than half of the population of the national society and whose members share common characteristics of an ethnic, religious or linguistic nature that distinguish them from the rest ofthe population.", Asbjoern Eide, Protection of Minorities, Possible Ways of facilitating the peaceful and constructive solution of problems involving minorities, UN Doc. FlCN.4/Sub.2/l993/34, 7; kritisch hinsichtlich der Definition Capotortis Dirk Gerdes, Minderheitenschutz - eine internationale Rechtsnorm auf der Suche nach ihrem Gegenstand, Vereinte Nationen 28 (1980), 126 - 131, 127. Im nationalen deutschen Recht wird hingegen zwischen nationalen Minderheiten und Volksgruppen unterschieden. Nationale Minderheiten sind danach zwar ebenso wie Volkgruppen ethnische Minderheiten, gehören aber im Gegensatz zu diesen zu einem Volk, dessen anderer Teil in einem eigenen Nationalstaat organisiert ist, vgl. Dietrich Murswiek, Schutz der Minderheiten in Deutschland, in: losej IsenseeiPaul Kirchhof! (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VIII, Heidelberg 1995,663 - 691. 9 Siehe Manfred Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, Kehl/Straßburgl Arlington 1989, Art. 27 para. 14; Thornberry (Anm. 1),167 - 168; Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 5), 278 - 279. 10 Vgl. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 5), 279. II Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 15.

A. Begriff der Minderheit

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Minderheit im rechtlichen Sinne darstellen, ist höchst umstritten. 12 Tomuschat argumentiert, daß die Zielvorstellungen des Minderheitenschutzes wie etwa die Bewahrung der Minderheitenidentität in Fällen von "regionalen Minderheiten" keine Rolle spielen, da Mehrheiten ohnehin nicht von der Gefahr der Auflösung bedroht sind. 13 Der Menschenrechtsausschuß hat sich dieser Meinung in der Entscheidung McIntyre et ai. v. Canada angeschlossen. 14 Auf der anderen Seite kann Assimilierungsdruck auch gegenüber "regionalen Minderheiten" bestehen. Das ist besonders dort der Fall, wo die regionale Regierung über eine starke Staatsgewalt verfügt. Eine solche Situation ist etwa in Quebec gegeben, wo die Macht der nationalen Regierung zum Eingreifen stark eingeschränkt ist. Regionale Minderheiten könnten durch Minderheitenschutz im engeren Sinne gegen diesen Assimilierungsdruck geschützt werden. Selbst wenn jedoch ein Assimilierungsdruck regional nicht besteht, ist die Aufnahme regionaler Minderheiten in den Minderheitenbegriff zumindest nicht schädlich. In den Fällen, in denen die regionale Mehrheit die Identität der Minderheit achtet, ist ein Schutz der Minderheit durch die natürlichen Bestrebungen des jeweiligen Staates auf Wahrung der nationalen Einheit ohnehin gegeben, so daß zusätzliche Schutzmaß12 Eine Analyse der Vereinbarkeit der kanadischen Kultur-, Sprach- und Gleichheitsrechte mit dem Pakt findet sich bei lose Woehrling, La constitution canadienne et la protection des minorites ethniques, Cahiers de Droit 27 (1986), 171 ff.; die schwarze Mehrheit in Südafrika ist nicht Minderheit, siehe Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 14; Christian Tomuschat, Protection of Minorities under Art. 27 of the CCPR, in: Rudolf Bernhardt u. a. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte, FS für Hermann Mosler z. 75. Geb., Heidelberg 1983,949 ff., 957; Lerner, in: Brälmannl LefeberlZieck (eds.), (Anm. 8),95; aber anders Ennacora (Anm. 5), RdC 182,292. 13 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 12),958; Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 25; Tomuschat weist auf die Tatsache hin, daß während der Vorbereitungsarbeiten zu Art. 27 das Problem der "regionalen Minderheiten" niemals diskutiert wurde; siehe auch Nathan Brett, Language Laws and Collective Rights, CanadianJLJ 4 (1991), 347 ff., 350, der die Quebec-Sprachengesetzgebung, die den Gebrauch von Englisch auf Schildern verbietet, damit rechtfertigt, daß es ein kollektives Recht der französischen Minderheit auf Selbstbewahrung gebe. 14 VN-Menschenrechtsausschuß, Mc/ntyre et al. v. Canada (1993), Comm. No. 359/ 1989, HRLJ 14 (1993),171: "As to article 27, the Committee observes that this provision refers to minorities in States; this refers, as do all references to the "State" or to "States" in the provisions of the Covenant, to ratifying States. Further, art. 50 of the Covenant provides that its provisions extend to all parts of Federal States without any limitations or excep!ions. Accordingly, the minorities referred to in article 27 are minorities within such aState, and not minorities within any province. A group may constitute a majority in a province but still be a minority in aState and thus be entitled to the benefits of article 27. English speaking citizens of Canada cannot be considered a linguistic minority. The authors therefore have no claim under art. 27 of the Covenant.", dazu Albrecht Weber, Minderheitenschutz und Nichtdiskriminierung in Kanada in rechtsvergleichender Perspektive, EuGRZ 21 (1994),537 - 548, 548.

3 Niewerth

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Kapitel I: Begriffsbestimmungen

nahmen, die die regionale Mehrheit möglicherweise schwächen könnten, nicht erforderlich sein werden. Aus den vorstehenden Gründen sollten "regionale Minderheiten" in die Definition des Begriffs der ,,Minderheit" aufgenommen werden. 15 Überdies geht der Begriff "Minderheit" über die klassische Situation einer unterdrückten Minderheit hinaus, die einer dominierenden Mehrheitskultur in einem Nationalstaat gegenübersteht. Er findet vielmehr auch dann Anwendung, wenn mehrere Gruppen in einem Staat formal nebeneinander existieren, ohne daß eine von ihnen eine Mehrheit bildet. 16 Eine weitere Problematik liegt in der Anzahl der Menschen, die mindestens erforderlich ist, um eine Minderheit zu bilden. Eine genaue Grenze existiert nicht. 17 Die schwedische Regierung führte in einer Antwort auf die Definition Capotortis aus, daß eine Minderheitengruppe aus mindestens einhundert Personen bestehen solle. 18 Eine Entscheidung sollte richtigerweise abhängig von den Gegebenheiten des Einzelfalles erfolgen, so daß eine abstrakte Antwort nicht gegeben werden kann. Zwei Personen sind jedoch wohl nicht genug.

2. S c h w ä c her e Pos i t ion Das Merkmal der schwächeren Position bezieht sich nicht nur auf die politische Macht, sondern auch auf die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Stellung einer Gruppe. 19 Die weiße Bevölkerung Südafrikas konnte sich deshalb bisher nicht darauf berufen, eine Minderheit im völkerrechtlichen Sinne zu sein. 20 Nach den Änderungen der Gesellschaftstruktur Südafrikas ist dies aber möglich. 21 Der letzte Sonderberichterstatter der UN Sub-Commission, Asbjoern Eide, verzichtet in sei15 Vgl. etwa Art. 1 Entw. Zus. Prot.: ..... the expression "national minority" refers to a group of persons in astate who ... (d) are sufficiently representative, although smaHerin number than the rest of the population of the state or of a region of that state"; Art. 13: "The exercise of the rights and freedoms listed in this protocol fuHy apply to the persons belonging to the rnajority in the whole ofthe state but which constitute a minority in one or several ofits regions."; siehe aber Art. 2 Abs. 1 Vorschl. Europ. Konv.: "For the purposes of this Convention, the term minority" shall mean a group which is smaller in number than the rest of the population of the population of aState ... "; ebenso Yoram Dinstein, The Degree of Self-Rule of Minorities in Unitarian and Federal States, in: Brölmann/Lejeber/ Zieck (eds.), (Anm. 8), 221 - 235, 230/231. 16 Siehe Thornberry (Anm. 1), 169; Dinstein, in: Brölmann/Lejeber/Zieck (eds.), (Anm. 15),225/226. 17 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 15; Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 5), 280. 18 Vgl. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 5), 280, mit weiteren Nachweisen. 19 Vgl. Ennacora (Anm. 5), RdC 182, 292; Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 14. 20 Vgl. Thornberry (Anm. 1), 169 mit weiteren Nachweisen in Anm. 69; Philip Vuciri Ramaga, Relativity of the Minority Concept, HRQ 14 (1992), 104 - 119, 104. 21 Vgl. Lerner, in: Brölmann/Lejeber/Zieck (eds.), (Anm. 8), 95.

A. Begriff der Minderheit

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ner Definition völlig auf das Erfordernis der schwächeren Position. Er tut dies, um klar zu machen, daß sich eine optimal geschützte Minderheit zwar nicht in einer, wie er formuliert, "minority situation" befindet, aber dennoch eine Minderheit bleibt. 22 Selbst eine optimal geschützte Minderheit wird sich nämlich aufgrund ihrer geringen Größe im Staat in der Regel in einer schwächeren Position befinden. Der Nachteil der Definition Eide' s liegt jedoch darin, daß sie eine Abgrenzung zu Situationen wie etwa in Südafrika nicht möglich macht. An dem Erfordernis der schwächeren Position ist daher festzuhalten.

3. E t h n i s c he, re I i g i öse, s p r ach I ich e Ei gen s c h a f te n a) Religiosität

Eine religiöse Minderheit besteht, wenn sich eine Gruppe zu einer Religion bekennt und diese ausübt. 23 Das Recht auf Religionsfreiheit hat zwei Elemente. Sowohl die Freiheit, eine Religion zu haben oder anzunehmen, als auch die Freiheit, eine Religion in Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht einzeln oder in der Gruppe zu bekunden, sind völkerrechtlich geschützt. Dies zeigt sich etwa in Art. 18 IPBürg, der beide Elemente beinhaltet. 24 Indem er die Freiheit, eine Religion zu haben, neben der Freiheit, eine Religion zu bekunden, zusätzlich schützt, erfaßt Art. 18 neben der öffentlichen auch die private Sphäre der Freiheit. 2S Damit stellt Art. 18 klar, daß das Recht auf Freiheit der Religion auch ein subjektives Element hat. 26 Es zeigt sich somit, daß die auf den ersten Blick getroffene Feststellung, daß die Minderheiteneigenschaften rein objektiv seien, jedenfalls hinsichtlich der religiösen Eigenschaft nicht ganz richtig ist.

22 Vgl. (Anm. 8), 8: "The working definition implies that a ,minority' can exist without a ,minority situation'. A group numerically smaller than half the population can be perfeclly comfortable in a society and experience no problem at all, in such cases it would be meaningless to refer to a ,minority situation'. In particular, it would be disastrous to assume that groups can only be satisfied when they constitute the majority in aState and that they therefore have to engage either in population transfers or in secessionist activities." 23 Vgl. Thornberry (Anm. 1), 161; Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 22. 24 Siehe Thornberry (Anm. 1), 161. 25 Die Privatheit wird als Sphäre persönlicher Existenz und Autonomie verstanden, die die Sphäre der Freiheit anderer nicht berührt, vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 17 para. 3; vgl. die parallelen Begriffe des forum internum und extemum im deutschen Verfassungsrecht, Roman Herzog, in: Theodor MaundHeinz Dürig/Roman Herzog/Rupert Schotz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 1. Bd., München 1994, Art. 4, Rz. 66, 81 - 83. 26 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 18 paras. 9,10.

3"

36

Kapitel I: Begriffsbestimmungen b) Sprache

Die Voraussetzungen einer sprachlichen Minderheit sind erfüllt, wenn Mitglieder einer Gruppe eine bestimmte Sprache untereinander und in der Öffentlichkeit benutzen, die sich von der Staatssprache bzw. der Sprache der Mehrheitsbevölkerung unterscheidet. Obwohl diese Sprache nicht unbedingt eine geschriebene Sprache sein muß, ist ein Dialekt nicht ausreichend. 27 Nach Kloss ist ein Idiom, also eine Mundart, als Sprache zu bezeichnen, "wenn es von den nächstverwandten Idiomen in seiner Substanz so verschieden ist, daß es weder als Dialekt dieses Idioms gelten noch mit diesem und anderen zusammen als ein einziges, eine Sprache bildendes Mundartenbündel (dialect cluster) aufgefaßt werden kann."28 Die Eigenschaft der Sprache hat im Unterschied zur religiösen Eigenschaft ausschließlich objektiven Charakter.

c) Ethnizität

Die dritte zu untersuchende Eigenschaft ist das ethnische Kriterium. Ethnizität enthält nicht nur genetische, sondern auch historische und kulturelle Elemente. 29 Eine Abgrenzung muß vorgenommen werden zu dem "rassischen" Kriterium, das bis 1950 von der Sub-Comission benutzt wurde und nur genetische Elemente enthält. 30 Selbst wenn kein genetischer Unterschied zwischen verschiedenen Grup27 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 22; Art. 1 der Europäischen Charta: ..... the term ,regional or minority languages' ... does not include ... dialects of the officiallanguage of the State ..." 28 Heinz Kloss, Grundfragen der Ethnopolitik im 20. Jahrhundert, Die Sprachengemeinschaften zwischen Recht und Gewalt, WienlStuttgartlBad Godesberg 1969, 74; Dänisch, Sorbisch und Friesisch sind danach Sprachen, während z. B. Schwäbisch lediglich als ein Dialekt einzuordnen ist; vgl. Jan Lemke, Falsche Erwartungen und berechtigte Hoffnungen: Die Europäische Sprachencharta und das Niederdeutsche in Recht und Politik, ..De Kennung", Zeitschrift für plattdeutsche Gemeindearbeit 16 (1993), 33 - 44, 43/44, der auch das Niederdeutsche als Sprache im Sinne der Europäischen Charta verstanden wissen will; vgl. dazu ,,Die Welt" Nr. 166 vom 19. Juli 1995, 12, wonach das Niederdeutsche als Sprache in die Charta aufgenommen werden soll. 29 Vgl. Thomberry (Anm. 1), 159 - 160; Gruber, in: Constantopoulos (ed.), (Anm. 8), 848; UN Doc. FJCN.4/Sub.2/80, 7; UN Doc. FJCN.4/Sub.2IL.583, 19. 30 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 23; Thomberry (Anm. 1), 159; Philip Vuciri Ramaga, The Bases of Minority Identity, HRQ 14 (1992), 409 - 428, 409, 416 - 418; vgl. des weiteren VN G.V. Res. 217 (III) C (Fate of Minorities) vom 10. Dezember 1948: ..... refers to the Economic and Social Council ... and requests the Council to ask the Commission on Human Rights and the Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities to make a thorough study of the problem of minorities, in order that the United Nations may be able to take effective measures for the protection of racial, national, religious or linguistic minorities. "; für eine Definition von Rasse vgl. Jost

A. Begriff der Minderheit

37

pen vorliegt, kann eine Minderheit immer noch bestehen. Ein Beispiel hierfür ist die Koexistenz von Serben, Kroaten und Slowenen, alle mit ähnlichem genetischen (südslawischem) Ursprung, im ehemaligen Jugoslawien. 3l Auf der anderen Seite darf nicht vergessen werden, daß, wann immer die Voraussetzungen des rassischen Kriteriums erfüllt sind, die Voraussetzungen der ethnischen Eigenschaft ebenfalls vorliegen. 32 Ethnische Minderheiten können, müssen aber nicht, zur gleichen Zeit auch religiöse und sprachliche Minderheiten sein. 33 Wie im Fall der sprachlichen Minderheit ist das ethnische Kriterium objektiv. Nur anhand objektiver Kriterien kann Ethnizität letztlich festgestellt werden. Dieser Grundsatz muß jedoch zwei Einschränkungen unterworfen werden. 34 Zum einen wird bei der Frage der individuellen Zugehörigkeit zu einer Minderheit noch zu behandeln sein, daß dort das subjektive Element eine entscheidende Rolle spielt. 35 Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß die an objektiven Elementen orientierte Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen einer ethnischen Minderheit subjektive Wahrnehmungen voraussetzt. Zunächst muß nach subjektiven Vorstellungen definiert werden, weIche Kriterien zu erfüllen sind. 36 Sodann ist nach subjektiver Vorstellung zu prüfen, ob die Kriterien tatsächlich erfüllt sind. Hierzu werden die Regierungen und die potentiellen Minderheiten jeweils unterschiedliche subjektive Wahrnehmungen haben. 37

Delbrück, Die Rassenfrage als Problem des Völkerrechts und nationaler Rechtsordnungen, Frankfurt 1971, 13 - 15. 3l Kroaten und Slowenen im ehemaligen Jugoslawien waren wegen ihrer unterschiedlichen Geschichte und Kultur während der letzten Jahrhunderte ethnische Minderheiten. Außerdem konnten sie als religiöse Minderheiten betrachtet werden. Die Serben konnten hingegen aufgrund ihrer vorherrschenden Stellung nicht als Minderheit bezeichnet werden; vgl. Christodoulos K. Yiallourides, Minderheitenschutz und Volksgruppenrecht im 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse auf Zypern, Bochum 1981. 32 Vgl. Capotorti (Anm. 1),35; Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 23. 33 Vgl. Capotorti (Anm. 1),34 - 35; Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 23; vgl. aber Ermacora (Anm. 5), RdC 182,245. 34 Dies gilt auch für sprachliche Minderheiten. 35 Vgl. Text bei Anm. 96 - 101. 36 Delbrück definiert deshalb die Rasse als "eine Gruppe von Menschen, die im tatsächlichen Leben als Rasse angesehen wird.", vgl. Anm. 30, 15. 37 Vgl. etwa die Diskussion um die staatliche Anerkennung bestimmter Indianerstämme in den USA, dazu David H. GetcheslCharles F. WilkinsoniRobert A. Williams (eds.), Federal Indian Law, 3rd ed., St. Paul 1993,390 - 394.

38

Kapitel I: Begriffsbestimmungen

4. Sol i dar i t ä t s g ef ü h I Das vierte und letzte Erfordernis bei der Einordnung einer Gruppe als Minderheit im Sinne der Definition Capotortis ist das Solidaritätsgefühl. Dieses Kriterium ist ausschließlich subjektiv. 38 Capotorti nahm es in seine Minderheitendefinition auf, da allgemein die Befürchtung bestand, daß eine Gruppe, die sich nach objektiven Gesichtspunkten klar von der Mehrheit unterscheidet, ihre Identität als Minderheit langfristig verlieren könne, wenn der gemeinsame Wille, die gemeinsame Kultur und Tradition zu bewahren, verloren ginge. 39 Die dieser Befürchtung zugrundeliegende Annahme, daß subjektive Elemente verloren gehen könnten, während objektive Elemente erhalten blieben, ist unzutreffend. Das Fehlen eines gemeinsamen Willens zur Erhaltung der Minderheitenidentität wird fast zwangsläufig auch zu einem Verlust objektiver Elemente wie etwa der Sprache führen. Umgekehrt wird jedoch auch das Fehlen objektiver Elemente zu einem Verlust subjektiver Elemente führen. Es stellt sich somit die Frage, ob die Voraussetzung des Solidaritätsgefühls für den Minderheitenbegriff wirklich erforderlich ist. Zwar ist das Solidaritätsgefühl für das Fortbestehen einer Minderheit sicherlich von Bedeutung, es könnte aber bereits Teil der oben geprüften objektiven Kriterien sein. Hinsichtlich religiöser Minderheiten läßt sich feststellen, daß diese, wie bereits erwähnt, ihre Religion haben (bekennen) und bekunden. Obwohl bereits das Bekenntnis zu einer Religion ein Kriterium subjektiven Charakters ist40 , wohnt auch dem Bekunden einer Religion ein subjektives Element inne. Das Bekunden einer Religion ist nicht nur objektives Glaubensbekenntnis, sondern erfordert zur gleichen Zeit ein Gefühl von Solidarität mit anderen Menschen des gleichen Glaubensbekenntnisses. Das Solidaritätsgefühl als eine zusätzliche und eigenständige Voraussetzung erscheint daneben überflüssig. Eine ähnliche Beobachtung kann hinsichtlich sprachlicher Minderheiten gemacht werden. Wenn jemand generell in einer Sprache kommuniziert, dann möchte er augenscheinlich auch in dieser Sprache kommunizieren. Das subjektive Element eines Solidaritätsgefühls ist deshalb im objektiven Kriterium sprachlicher Verschiedenheit enthalten. 41

38 Vgl. Satish Chandra, The Term "Minority" and its Concept in International Law, in: ders. (ed.), Minorities in National and International Laws, New Delhi 1985, 11 - 17, 15. 39 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 14; zum Willen zur Identitätswahrung Gruber, in: Constantopoulos (ed.), (Anm. 8), 848: "They have the will to preserve their own, distinct features and possess frequently a special affinity to another state or to the majority of the population in it or seek a certain degree of autonomy." 40 Vgl. Text bei Anm. 25/26. 41 Vgl. Capotorti (Anm. I), para. 567.

A. Begriff der Minderheit

39

Für das rein ethnische Kriterium ist das eigenständige Erfordernis eines Solidaritätsgefühls jedoch wesentliche Voraussetzung. 42 Objektive Voraussetzungen wie eine gemeinsame Geschichte oder genetische Elemente können auch noch in einer Gruppe bestehen, die ihr Solidaritätsgefühl bereits verloren hat. Eine Politik der Assimilierung wird früher oder später tatsächlich zu einer Assimilierung von Gruppen oder Minderheiten führen. Dieser Prozess wird zunächst einen Verlust des Solidaritätsgefühls innerhalb der Gruppe bzw. Minderheit herbeiführen, während genetische Elemente länger erhalten bleiben. 43

5. Z w i s c h e n erg e b n i s Um gemäß der Definition Capotortis als Minderheit angesehen zu werden, muß eine Gruppe von Individuen also sowohl objektive als auch subjektive Erfordernisse erfüllen. Bei der Untersuchung der Frage, welche Voraussetzungen für das Vorhandensein einer ,,Minderheit" erfüllt sind, sollte der Völkerrechtler einen flexiblen Ansatz wählen, der den Gegebenheiten des Falles Rechnung trägt. Ausgehend von objektiven Elementen, sollten zusätzlich auch subjektive Elemente berücksichtigt werden. Bei Staaten, deren Politik durch Assimilierung geprägt ist, sollten dabei die objektiven Elemente des Minderheitenbegriffs wichtiger sein, da in diesen Fällen das Solidaritätsgefühl möglicherweise bereits schwächer und damit auch schwer nachweisbar ist. Das subjektive Element sollte hingegen in den 42 Ermacora, Pemthaler und Veiter verlangen ein subjektives Element (Solidaritätsgefühl) hingegen nur für den Begriff der "Volksgruppe", den sie von dem Begriff der Minderheit unterscheiden. Sie sprechen insofern von einer ,,zielsetzungsgemeinschaft" , vgl. Theodor Veiter, Nationalitätenkonflikt und Volksgruppenrecht, 1. Bd., Entwicklungen, Rechtsprobleme, Schlußfolgerungen, Wien!Stuttgart 1977, 163; Felix Ermacora, Nationalitätenkonflikt und Volksgruppenrecht, 2. Bd., UNO- Europarat, Ansätze, Hindernisse für Konfliktverständnis und Konfliktlösung in den Vereinten Nationen und im Europarat, Wien! Stuttgart 1977, 102; Peter Pemthaler, Volksgruppe und Minderheit als Rechtsbegriffe, in: Fritz WittmannlSte!an Graf Bethlen (Hrsg.), Volksgruppenrecht, Ein Beitrag zur Friedenssicherung, München/Wien 1980,9 - 14; vgl. auch Art. 2 Abs. 2 des FUEN-Entwurfs: "For the purposes of this Convention, the term "ethnic group" shall mean an ethnic comrnunity compactly or dispersedly settled on the territory of aState (territory of the ethnic group), which is srnaller in number than the rest of the population of aState, whose members, who are nationals of that State, have ethnical, linguistic or cultural features different from those of the rest of the population, and are guided by the will to safeguard these features.", vgl. Felix EnnacoraiChristoph Pan, Fundamental Rights of Ethnic Groups in Europe, Wien 1993,71. 4) "In societies with a prevailing negative attitude of the majority towards the rninority (for example), the members of the minority are fearful that only a declaration of one's national, ethnic, cultural and other characteristics might be seen as a so-called civil disloyalty on their part as citizens of the country ... ", Kommentar der jugoslawischen Regierung, vgl. Capotorti (Anm. 1),37.

40

Kapitel I: Begriffsbestimmungen

Staaten stärker hervorgehoben werden, in denen ein moderner Minderheitenschutz praktiziert wird. An bestimmte objektive Elemente könnten dann weniger strenge Maßstäbe angelegt werden. 44 Es sollte jedoch nicht vergessen werden, daß eine Gruppe sowohl objektive als auch subjektive Voraussetzungen erfüllen muß, um den Anforderungen der Minderheitendefinition Capotortis zu genügen.

6. Eie m e n ted e r S tab i I i t ä tun d D aue r h a f t i g k e i t Weder im Wortlaut der einschlägigen Völkerrechtsinstrumente noch in der Definition Capotortis findet sich eine übereinstimmende Antwort auf die Frage, ob eine gewisse historische Dauer der Existenz einer Gruppe in einem Staat oder sogar die Abstammung einer Gruppe aus dem Staatsgebiet selbst zu verlangen ist, um zu dem Ergebnis zu gelangen, daß es sich bei der Gruppe um eine Minderheit handelt. Gleiches gilt für die Frage, ob Minderheitenrechte Menschenrechte oder Bürgerrechte sind, ob also auch Ausländer Minderheitenschutz in Anspruch nehmen können. Der Definition Capotortis läßt sich lediglich entnehmen, daß Ausländer nicht erfaßt werden sollen. 45 Eine Auslegung der relevanten Bestimmungen muß somit Klarheit erbringen, ob auch "neue Minderheiten", also Bevölkerungsgruppen, die entweder durch Einwanderung oder durch Grenzveränderung46 entstehen 47 , dem Minderheitenbegriff unterfallen. Jedenfalls unterfallen durch Grenzveränderungen entstehende Minderheiten, sofern ihre Angehörigen Staatsangehörige sind, dem Minderheitenbegriff, da sie das Kriterium der Dauerhaftigkeit erfüllen. Die Untersuchung ist also auf Gruppen von Einwanderern und Gruppen von Ausländern zu beschränken, die sich entweder aufgrund von Einwanderung oder Grenzveränderungen auf dem Territorium eines Staates aufhalten.

44 V gl. Lerner (Anm. 2), \0; Art. 5 Abs. I Landesverfassung Schieswig-Hoistein: "Das Bekenntnis zu einer nationalen Minderheit ist frei; ... " 45 V gl. Text bei Anm. 4. 46 Auflösung oder Abspaltung von Staaten. 47 V gl. Claire Palley, The Impact of Population Transfers on Minorities Questions an outline of the issues, UN-technical Meeting of Experts on minorities at Geneva, 2 - 4 February 1993, UN Doc. HRiGeneva/1993rrM/BP. 21, I.

A. Begriff der Minderheit

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a) Art. 27 IPBürg Eine Untersuchung soll hier exemplarisch an Art. 27 IPBürg vorgenommen werden. Gemäß Art. 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention 48 ist eine vertragliche Vorschrift nach ihrem Wortlaut, dem vertraglichen Zusammenhang und ihrem Sinn und Zweck auszulegen. Gemäß Art. 32 WVK können zusätzlich auch die Vorbereitungsarbeiten zum betreffenden Vertrag zur Auslegung herangezogen werden, wenn die Auslegung nach Art. 31 den Gehalt einer Vorschrift zweideutig oder unklar gelassen hat.

(I) Gruppen von Einwanderern als Minderheiten Ein Hinweis auf ein Element der Dauerhaftigkeit findet sich im Original wortlaut von Art. 27, wonach Minderheitenschutz in den Staaten erforderlich ist, "in which ... minorities exist".49 Dieses Element der Stabilität ging in der deutschen Übersetzung verloren. so Der Wortlaut von Art. 27 allein erbringt somit noch kein eindeutiges Ergebnis. Wolfrum hat den Sinn und Zweck von Art. 27 IPBürg folgendermaßen beschrieben: "This makes the enjoyment, be it individually or in community with others, of one's own culture, of the profession and practice of one's own religion or of the use of one's own language a constituent part of everyone's identity. Hence, Article 27 has to be understood as providing a minimum of protection against enforced integration or assimilation. ,,51 Aufgrund dessen gelangt Wolfrum zu dem Ergebnis, daß Art. 27 auch Gruppen von Einwanderern einschließlich Gastarbeitern unabhängig der Dauer ihres Aufenthaltes erfaßt. Wolfrum ist darin zuzustimmen, daß auch Angehörige von Einwanderer- bzw. Gastarbeitergruppen ein Recht auf Erhalt ihrer Identität haben. Ausdrücklich hält dieses Recht die International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of their Families von 1990 fest. 52 Jedoch ist dieses Recht auf seine Achtung und seinen Schutz seitens des Staates beschränkt. Dies 48 Im folgenden: WVK, vom 23. Mai 1969, internationale Quelle: UN Doc. AlConf. 39/27. 49 " ... OU il existe des minorites ..." so V gl. Rüdiger Wolfrum, The Emergence of "New Minorities" as a Result of Migration, in: BrälmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 8), 153 - 166, 162; Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 18. SI Wolfrum, in: BrälmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 50), 153 - 166, 163/164. 52 Internationale Quelle: Annex to UN Doc. AlRes./451158; vgl. dazu Wolfrum, in: BrälmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 50), 165.

42

Kapitel I: Begriffsbestimmungen

liegt an der Eigenverantwortung von Einwanderergruppen für den Erhalt ihrer Identität. 53 Ein Recht auf Förderungsmaßnahmen seitens des betroffenen Staates besteht nicht. Minderheitenrechte können einen Staat hingegen möglicherweise auch zu Förderungsmaßnahmen verpflichten. Auch hier obliegt die Verantwortung für den Erhalt ihrer Identität den Minderheiten selber. Hinzu kann aber eine ergänzende Sekundärpflicht des Staates treten. Wenn jedoch Minderheitenrechte so ausgelegt werden können, daß sie möglicherweise auch Förderungsmaßnahmen erforderlich machen, so würde ein weiter Minderheitenbegriff unter Einschluß aller Gruppen von Einwanderern und Gastarbeitern dazu führen, daß Förderungsmaßnahmen gerade wegen des Einschlusses nicht gewährt würden. 54 Differenzierte man hingegen zwischen Minderheiten und Gruppen von Einwanderern, die sich erst seit kurzer Zeit in einem Staat aufhalten, so wäre es möglich, Minderheiten einen noch intensiveren als den bereits Gruppen von Einwanderern gewährten Schutz zugute kommen zu lassen. Gruppen von Einwanderern, die sich dauerhaft auf dem Gebiet eines Staates aufgehalten haben, könnten dabei als Minderheiten eingeordnet werden. Entscheidend ist, daß der Minderheitenbegriff nicht durch einen generellen Einschluß aller Gruppen von Einwanderern überfrachtet werden sollte. Ergebnis einer Auslegung des Art. 27 nach seinem Sinn und Zweck ist damit, daß Gruppen eine gewisse Zeit auf einem Staatsgebiet gelebt haben müssen, bevor sie als Minderheit bezeichnet werden können. Jedoch können auch Gruppen von Einwanderern einschließlich von Gastarbeitern den Schutz von Art. 27 erhalten, wenn sie das Erfordernis einer gewissen Dauerhaftigkeit des Aufenthaltes erfüllen. 55 Dabei ist es auch möglich, daß Einwanderer in Schüben oder einzeln in einen Staat kommen. Eine Einwanderung en bloc ist nicht erforderlich. Solange die Gruppe als ganze das Element der Dauerhaftigkeit erfüllt, spielt es keine Rolle, wann ihre Angehörigen im einzelnen eingewandert sind. 56 Möglich ist auch, daß

Vgl. Wolfrum, in: Brölmann/LeJeberfZieck (eds.), (Anm. 50), 166. Vgl. Gerdes (Anm. 8), Vereinte Nationen 28, 127. 55 Mit diesem Ergebnis auch Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 20; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 12),956; Capotorti (Anm. 1), 96; Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 5), 279; Malcolm N. Shaw, The Definition of Minorities in International Law, in: Yoram Dinsteinl Mala Tabory (eds.), The Protection of Minorities and Human Rights, DordrechtIBostonl London 1992, I - 31, 27; Francesco Capotorti, The Protection of Minorities under Multilateral Agreements on Human Rights, ItalianYIL 2 (1976), 3 - 32, 16; a. A. Patrick Thornberry, Is there a Phoenix in the Ashes? International Law and Minority Rights, TexasIU 15 (1980),421 - 458, 448; Manjred Nowak, The Evolution of Minority Rights in International Law, Comments, in: BrölmannlLeJeberfZieck (eds.), (Anm. 8), 116. 56 Vgl. Francesco Capotorti, The Protection of Minorities under Multilateral Agreements on Human Rights, ItalianYIL 2 (1976), 3 - 32,16. 53

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A. Begriff der Minderheit

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eine Minderheit teilweise durch Abstammung auf dem Staatsgebiet und teilweise durch Einwanderung entsteht. 57 Dieses Auslegungsergebnis wird durch eine Auslegung gemäß den Vorbereitungsarbeiten unterstützt. Das Wort "exist" geht auf einen chilenischen Änderungsantrag in der VN-Menschenrechtskommission zurück, wonach Minderheiten nur "in those states in which stable and weIl defined ... minorities have long been established" zu schützen waren. 58 Uruguay hatte einen zweiten Absatz vorgeschlagen, wonach "such rights may not be interpreted as entitling any group settled in the territory of aState, under the specific terms of its immigration laws to request special privileges or to form within that State separate communities which might impair its national unity or security"59, fand hierfür jedoch keine Mehrheit. Diese Anträge zeigen die Befürchtung vieler, insbesondere aber lateinamerikanischer Staaten, auch Gruppen von Einwanderern könnten dem Begriff der Minderheit unterfallen. Dieses enge Verständnis des Minderheitenbegriffs war nicht nur in der VN-Menschenrechtskommission60, sondern auch im Dritten Komitee der Generalversammlung vorherrschend. Letzterer lag ein Arbeitsbericht der Menschenrechtskommission zugrunde, wonach "the article should cover only separate or distinct groups, well-defined and long-established on the territory of a State."61 Die heutige Fassung von Art. 27 enthält einen im Vergleich nur schwachen Hinweis auf das Element der Dauerhaftigkeit. Der chilenische Entwurf wurde jedoch lediglich revidiert, um die Vorschrift zu straffen. 62 Zwar ergibt sich somit aus den Vorbereitungsarbeiten, daß Gruppen von Einwanderern nicht allgemein erfaßt werden sollten. 63 Andererseits kann jedoch auch nicht geschlußfolgert werden, daß Einwanderer für immer von dem Schutz des Art. 27 ausgenommen werden sollten. Anders läßt es sich nicht erklären, daß der bereits erwähnte Zusatzantrag Uruguays abgelehnt wurde. 64 Es ging eher um die Verhinderung einer mißbräuchlichen, die nationale Einheit gefährdenden AnV gl. die mexikanische Bevölkerung in Texas. UN Doc. FlCNA/L.261. 59 UN Doc. FlCNA/L.260. 60 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 18. 61 UN Doc. N2929, 63 para. 184; vgl. dazu auch Tomusehat, in: FS Mosler (Anm. 12), 955; Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 5), 279. 62 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 18; Tomusehat, in: FS Mosler (Anm. 12),956; zu den Vorbereitungsarbeiten ausführlich Mare J. Bossuyt, Guide to the "Travaux Preparatoires" of the International Covenant on Ci vii and Political Rights, DordrechtIBostoni Lancaster 1987, 494. 63 So etwa Alfred de Zayas, The International Protection ofPeoples and Minorities, in: Brölmann/Lejeber/Zieek (eds.), (Anm. 8), 262/263. 64 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 19. 57

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Kapitel I: Begriffsbestimmungen

wendung von Art. 27 als um einen absoluten und immerwährenden Ausschluß von Einwanderern. 65 Dies zeigte sich während der Beratungen im 3. Ausschuß der Generalversammlung66 und auch in der VN-Menschenrechtskommission. 67 Auslegungsergebnis ist somit, daß Gruppen eine gewisse Zeit auf einem Staatsgebiet gelebt haben müssen, bevor sie als Minderheit bezeichnet werden können. 68 Wie lange die Dauer der Existenz einer Gruppe auf dem Gebiet eines Staates jeweils sein muß, hängt von den Bedingungen des Einzelfalls ab. Dies ist jedoch eine rechtspolitische Frage, die hier nicht weiter ausgeführt werden soll. (2) Gruppen von Ausländern als Minderheiten Auch die Beantwortung der Frage, ob Ausländer Minderheiten im Sinne von Art. 27 IPBürg sein können, soll anhand einer Auslegung von Art. 27 erfolgen. Capotorti hat in seiner Begriffsbestimmung Ausländer aus dem Begriff der Minderheit ausgenommen. 69 Die Definition Capotortis ist jedoch nur ein Anhalt, der anhand einer Auslegung überprüft werden muß. Hinsichtlich des Wortlauts von Art. 27 ist zunächst festzustellen, daß Rechtsträger "persons belonging to ... minorities" und nicht "nationals" sein sollen. Dies ist ein erster Hinweis darauf, daß Ausländer nicht generell vom Begriff der Minderheit ausgeschlossen sind. 70 Auch eine systematische Auslegung stützt dieses 65 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 12),961; vgl. etwa UN Doc. N5000, para. 122: "the article (27) should not be used to encourage the emergence of new minorities

"

66 Brasilien, UN Doc.NC.3/SR.1103, 214 paras. 12/13; Chile, ibid., 214 para. 18/19; Venezuela, ibid., 225 para. 22; Australien, ibid., 214 para. 25; Spanien, ibid., 215 para. 35; Indien, ibid., 215 para. 36; Ecuador, ibid., 215 para. 44; Pakistan, ibid., SR.I104, 220 para. 16; Chile, ibid., 221 para. 24; Nicaragua, ibid., 222 para. 36. 67 Chile, UN Doc. FlCN.4/SR.368, 16 para. 14; Uruguay, ibid., SR.369, 7, SR.370, 4; Australien, ibid., SR. 369, 11; contra: Frankreich, ibid., SR.368, 16: "It was always possib1e that sooner or later certain groups of immigrants might claim minority status."; Philippinen, ibid., SR.370, 9. 68 A. A. Menschenrechtsausschuß, in: Allgemeine Bemerkungen zu Art. 27 vom April 1994,5.2., zitiert in: InfAuslR 1995,221/222. 69 Vgl. Capotorti (Anm. 1),96 para. 568; vgl. auch Shaw, in: Dinstein/fabory (eds.), (Anm. 55), 26, der auf die unterschiedliche Behandlung von Staatsangehörigen und Ausländern, die vom völkerrechtlichen Fremdenrecht profitieren, verweist; vgl. Richard B. Lillich, The Human Rights of Aliens in Contemporary International Law, Manchester 1984; ebenso Erich H. Pircher, Der vertragliche Schutz ethnischer, sprachlicher und religiöser Minderheiten im Völkerrecht, Bern 1979, 25. 70 Vgl. Woljrum, in: BrölmannlLejeber/Zieck (eds.), (Anm. 50),161; Shaw, in: Dinsteinl Tabory (eds.), (Anm. 55), 26; Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 16; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 12),960; Fritz Münch, Der Minderheitenartikel im Menschenrechtstext der Verein-

A. Begriff der Minderheit

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Ergebnis. Aus Art. 2 Abs. I IPBürg folgt die Pflicht der Vertragsstaaten, allen Personen auf ihrem Territorium die Rechte des Paktes zu gewährleisten. 71 Ausnahmen zu dieser Regel bedürfen daher einer Spezialnorm wie etwa Art. 13 (nur für Ausländer) oder Art. 25 (nur für Staatsbürger).72 Entscheidend ist eine Auslegung des Art. 27 nach seinem Sinn und Zweck. Sinn und Zweck von Art. 27 ist es, wie bereits erörtert73 , Gruppen, die sich dauerhaft auf dem Territorium eines Staates aufhalten, Minderheitenschutz zugute kommen zu lassen. Auch Gruppen, die auschließlich oder überwiegend aus Ausländern bestehen, müssen, sofern sie das Kriterium der Dauerhaftigkeit erfüllen, als Minderheiten eingeordnet werden können. Andernfalls könnte ein Staat mißbräuchlich nach eigenem Gutdünken Angehörigen bestimmter Gruppen keine Staatsbürgerschaft verleihen, um sie so vom Minderheitenbegriff auszunehmen. 74 Das Auslegungsergebnis gegen einen generellen Ausschluß von Ausländern wird durch die Vorbereitungsarbeiten gestützt. Während der Vorbereitungsarbeiten im 3. Ausschuß der G.V. schlug der indische Vertreter ausdrücklich vor, "persons" durch "citizens" zu ersetzen. 75 Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht aufgegriffen. 76 Aus den Vorbereitungsarbeiten läßt sich zudem die generelle Intention des IPBürg erkennen, den traditionellen Unterschied zwischen Staatsbürger- und Menschenrechten aufzuheben. 77 Als Ergebnis läßt sich deshalb festhalten, daß ten Nationen, in: Theodor Veiter (Hrsg.), System eines internationalen Volksgruppenrechts, 3. Bd. 2. Teil, Wien 1972, 64 - 72, 72. 71 Vgl. Egon Schwelb, Some Aspects of the International Covenants on Human Rights of December 1966, in: Asbjoern Eide/August Schou, International Protection of Human Rights, Uppsala 1968, 103 - 129, 122. 72 Vgl. Wolfrum, in: BrälmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 50),161. 73 Vgl. Text bei Anm. 51 - 55. 74 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 12), 961; so auch Nowak, in: Brälmannl LefeberlZieck (eds.), (Anm. 55), 116; vgl. etwa die Situation von Minderheiten in neu entstehenden Staaten wie etwa Estland (russische Minderheit, vgl. dazu Cannen Schmidt, Der Minderheitenschutz in den baltischen Staaten, Bonn 1993, 18 - 19) und Staaten, die neues Territorium hinzugewinnen. 75 UN Doc. AlC.3/SR.11 03, para. 38. 76 Vgl. lediglich die Stellungnahme des irakischen Delegierten, UN Doc. AlC.3/ SR.lI04, para. 7. 77 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 12),960; so schon der StIGH im Gutachten ,,Acquisition de la nationalite polonaise", wonach der Begriff Minderheit "semble viser les habitants qui different de cette population par la race, la langue ou la religion, c' est ~ dire, entre autres, les habitants d'origine non-polonaise de ces territoires, qu'ils soient ou non ressortissants polonais.", c.P.I.]., Acquisition de la nationalite polonaise, Serie B No. 7 (1923), 14 - 15; in diese Richtung auch Schwelb, in: Eide/Schou (eds.), (Anm. 71), 122; Tore Modeen, The International Protection of National Minorities in Europe, Abo 1969, 108; Lerner, in: BrälmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 8), 79; lules Deschenes (Anm. 4), 31.

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Kapitel I: Begriffsbestimmungen

Gruppen von Ausländern Minderheiten sein können, wenn sie das Kriterium der Dauerhaftigkeit des Aufenthaltes erfüllen. Der Menschenrechtsausschuß hat sich diesem Ergebnis in seiner Allgemeinen Bemerkung zur Rechtsstellung von Ausländern angeschlossen. 78

b) Andere Vorschriften In den anderen völkerrechtlichen Minderheitenschutzinstrumenten wie etwa dem Kopenhagener Dokument oder der G.V.-Deklaration 47/137 findet sich keine einheitliche Beantwortung der Frage, ob Gruppen von Einwanderern oder Ausländern vom Begriff der Minderheit erfaßt sein sollen. Der Grund hierfür ist ähnlich wie bei Art. 27 IPBürg darin zu sehen, daß Meinungsunterschiede zwischen klassischen Einwandererstaaten wie etwa den USA und Australien und Staaten mit geschichtlich gewachsener Minderheitenbevölkerung wie etwa vielen europäischen Staaten bestehen. Unter dem Begriff Minderheitenschutz wird in den Vereinigten Staaten auf der einen Seite und vielen europäischen Staaten auf der anderen Seite Unterschiedliches verstanden. Während nach amerikanischer Ansicht der Begriff "Minderheit" auch Gruppen von Einwanderern erfaßt, die das Kriterium der Dauerhaftigkeit nicht erfüllen79 , wird diese Sichtweise von vielen europäischen Staaten abgelehnt. In den europäischen Instrumenten finden sich daher Vorschriften wie etwa Art. 1 des Entwurfs eines Zusatzprotokolls, wonach "for the purposes of this Convention the expression "national minority" refers to a group of persons in astate who a) reside on the territory of that state and are citizens thereof, b) maintain long standing firm and lasting ties with that state ... ".80 78 Allgemeine Bemerkung 15127, para. 7: ,,In those cases where aliens constitute a rninority within the meaning of article 27, they shall not be denied the right, in community with other members of their group, to enjoy their own culture, to profess and practise their own religion and to use their own language. "; ebenso Allgemeine Bemerkungen zu Art. 27 vom April 1994, 5.1., zitiert in: InfAuslR 1995, 221. 79 Wenn auch nur legale Einwanderer. 80 Vg!. auch Art. I der Europäischen Charta: "For the purposes of this Charter: a) the term "regional or rninority languages" means languages that are (i) traditionally used within a given territory of aState by nationals of that State who form a group ... ; it does not include ... languages of mi grants ... "; ebenso Art. 2 Abs. 1 Vorseh!. Europ. Konv.: "For the purposes of this Convention, the term ,rninority' shall mean a group ... whose members, who are nationals of that State ". vg!. auch Art. 2 Abs. 2 des FUEN-Entwurfs: "The term ,ethnic group' shall apply neither to mi grant workers and their families lawfully residing in the States Parties, nor to 0

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A. Begriff der Minderheit

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Dem entsprechen die Minderheitenschutzbestimmungen der neuen bilateralen Verträge zwischen Deutschland einerseits und Polen und der früheren Tschechoslowakei andererseits, die durchgängig zwischen Angehörigen der Minderheit und Personen einer bestimmten Abstammung unterscheidenY Auch die Bundesregierung hat anläßlich der Unterzeichnung der Europäischen Rahmenkonvention im Mai 1995 eine Erklärung abgegeben, wonach sie in Deutschland lediglich Dänen und Sorben als nationale Minderheiten, Friesen sowie Sinti und Roma als Volksgruppen ansieht. Die Meinungsunterschiede werden selbst in der rechtspolitischen Diskussion innerhalb einzelner Staaten sichtbar. So hat in der Diskussion um die Aufnahme eines GG-Artikels zum Schutz von Minderheiten in Deutschland die Unterscheidung zwischen "neuen" und angestammten Minderheiten eine große Rolle gespielt. Der Vorschlag der Gemeinsamen Verfassungskommission für einen einzufügenden Art. 20b GG lautete: "Der Staat achtet die Identität der ethnischen, kulturellen und sprachlichen Minderheiten. ,,82 Der Minderheitenbegriff hätte dabei nach Ansicht der Gemeinsamen Verfassungskommission weit ausgelegt werden sollen und damit etwa auch die türkische Bevölkerungsgruppe erfaßt. Abgelehnt wurde hingegen innerhalb der Gemeinsamen Verfassungskommission ein von der SPD-Fraktion vorgeschlagener S. 2, da dieser Vorschlag nicht die erforderliche 213-Mehrheit erhielt: ,,Er schützt und fördert Volksgruppen und nationale Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit. ,,83 Eine ausführliche rechtspolitische Disother immigrants, groups or refugees or persons seeking asylum whose rights have been established or shall be established independently of the rights of ethnic groups. Without prejudice to the right to the homeland and its consequences, this Convention shall not concern the problem of re-establishing the rights and interests of forcibly expelled populations, which require a separate regulation."; vgl. ErmacoraiPan (Anm. 42), 71. 8\ Art. 20 Abs. 2 deutsch-tschechoslowakischer Nachbarschaftsvertrag: "Die Angehörigen der deutschen Minderheit ... "; Art. 21 Abs. 1: "Personen tschechischer oder slowakischer Abstammung ..."; Art. 20 Abs. 1 deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag: "Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Polen ... sowie Personen deutscher Staatszugehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die polnischer Abstammung sind ... "; selbst die sogenannten "Ruhrpolen", die bereits seit annähernd 100 Jahren in Deutschland sind, werden damit nicht als Minderheit eingeordnet; anders aber Art. 15 deutsch-sowjetische Freundschaftsvertrag: " ... Sowjetischen Bürgern deutscher Nationalität sowie aus der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken stammenden und ständig in der Bundesrepublik Deutschland wohnenden Bürgern, ... ", wo der Begriff der Minderheit noch ganz vermieden wurde. 82 BT-Drs. 1216633: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. Januar 1994, vgl. Alexander H. Stopp, Minderheitenschutz im reformierten Grundgesetz, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 3 - 33, 3; ebenso auch schon Vorschlag der Kommission Verfassungsreformdes Bundesrates vom 14. Mai 1992, BR-Drs. 360/92; vgl. Dietrich FrankelRainer Hofnumn, Nationale Minderheiten - ein Thema für das Grundgesetz?, EuGRZ 19 (1992), 401 - 408, 407. 83 Vgl. Pressemiueilung der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 1. Juli 1993; zur Vorgeschichte der Teilung des SPD-Antrags vgl. Stenographischer Bericht der Gemein-

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Kapitel I: Begriffsbestimmungen

kussion der Frage, ob Einwanderer und sogar Ausländer vom Minderheitenbegriff erfaßt werden sollen, kann hier nicht erfolgen. 84 Zu beachten ist jedoch, daß der den Minderheiten gewährte Schutz oft restriktiver formuliert wird, wenn ein weiter Minderheitenbegriff vertreten wird. Umgekehrt ist bei der Wahl eines restriktiven Minderheitenbegriffes ein fortschrittlicher Katalog von Minderheitenschutzmaßnahmen eher möglich. Als Beispiel hierfür sei nur darauf verwiesen, daß in den USA unter dem Begriff Minderheitenschutz weiterhin zumeist nur die Durchsetzung des Prinzips der Gleichberechtigung verstanden wird 85 , während für viele europäische Staaten Nichtdiskriminierung lediglich der Ausgangspunkt eines modemen Minderheitenschutzes ist. Eine Überfrachtung der Minderheitenproblematik mit der Ausländerproblematik ist deshalb mit Vorsicht zu behandeln. Wäre der Vorschlag der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundesrat und Bundestag mit 2/3-Mehrheit verabschiedet worden, so hätte dies zu einer Gleichstellung von "neuen" und angestammten Minderheiten auf niedrigem Niveau geführt, da der Staat die Identität der Gruppen lediglich hätte achten müssen. 86 Der zuvor gescheiterte S. 2 hätte hingegen der besonderen Situation angestammter Minderheiten durch Schutz und Förderung ihrer Identität Rechnung getragen. 87 Um die augenscheinlich entstehende Konfusion gänzlich zu vermeiden, samen Verfassungskonunission, 24. Sitzung vom 17. Juni 1993,38 (Dr. Schmude), 25. Sitzung vom l. Juli 1993, 31 (Dr. Schmude); vgl. zu diesem Streitstand im Völkerrecht Nowak, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 55), 116/l17: " ... one school of thought airns at strengthening the protection of ,old minorities' by means of group rights and welldefined State obligations to affirmative action, and at the same time pefers to deal with ,new minorities' only in the context of the non-discrimination principle. The second school ofthought maintains that in modem multi-ethnic societies both old and new minorities are equally subject to racial, ethnic and religious discrimination and, therefore, are equally in need of special protection by the State." 84 Vgl. dazu Palley (Anm. 47), 4 (zustimmend); Vojn Dimitrijevic, New Minorities and the Loss of Statutes acquired in former "Socialist" States, ibid., BP.2 (zustimmend); Oldrich Andrysek, Report on the Definition of Minorities, ibid., BP.9 (zustimmend); Deschenes (Anm. 4), 7 - 9 (contra). 85 Vgl. Gerald Gunther, Constitutional Law, 12th ed., WestburylNew York, 1991,601 877. 86 In der entscheidenden Schlußabstimmung des Bundestages am 30. Juni 1994 fand der Vorschlag die erforderliche 213-Mehrheit jedoch nicht; vgl. Hans Alexy, Minderheitenschutz und Grundgesetz - Zur Rechtsstellung von Zuwanderern, InfAuslR 1994,301 307,303. 87 Vgl. allgemein zum Abgrenzungproblem FrankelHoftnann (Anm. 82), EuGRZ 1992, 407; vgl. für eine gelungene differenzierte Regelung Art. 5 Abs. 2 Landesverfassung Schleswig-Holstein: "Die kulturelle Eigenständigkeit und die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volkgruppen stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die nationale dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe

A. Begriff der Minderheit

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wäre es in Zukunft denkbar, den Minderheitenbegriff ausschließlich für angestammte Minderheiten zu verwenden. 88

11. Zugehörigkeit zu einer Minderheit

Die Frage, wann jemand die Voraussetzungen erfüllt, Angehöriger einer Minderheit zu sein, erfordert eine differenzierte Antwort. Bezüglich religiöser Minderheiten ist das subjektive Erfordernis eines Zugehörigkeits gefühls entscheidend. 89 Sowohl bezüglich sprachlicher als auch bezüglich ethnischer Minderheiten können jedoch auch objektive Zugehörigkeitselemente verlangt werden. 90 In Fällen von sprachlichen Minderheiten kann die Zugehörigkeit mit den sprachlichen Fähigkeiten der betreffenden Person nachgewiesen werden. 91 In Fällen ethnischer Minderheiten können objektive Faktoren wie Name, Abstammung, Verwandtschaft, Beherrschung der Minderheitensprache, Wohnort und kulturelle Bräuche berücksichtigt werden. 92 Sehr wichtig sind dabei die Regeln über die Zugehörigkeit, die die Minderheit selbst aufgestellt hat. 93 Der Menschenrechtsausschuß hat sowohl in Lovelace v. Canada als auch in Kitok v. Sweden entschieden, daß die Zugehörigkeit zu einer Minderheit nach nationalem Recht für die Anwendung internationalen Minderheitenschutzes nicht entscheidend ist. Staaten können Entscheidungen über die Zugehörigkeit treffen und haben bei der Schaffung und Anwendung von Minderheitenrecht einen gewissen Ermessensspielraum. Der Menschenrechtsausschuß ist jedoch verpflichtet, die Einhaltung von Art. 27 IPBürg zu überwachen. 94 In Lovelace v. Canada etwa hat sich der Menschenrechtsausschuß ausdrücklich über nationales kanadisches

haben Anspruch auf Schutz und Förderung."; S. 2 ist dabei allerdings nicht als kollektives Recht, sondern als Staatszielbestimmung aufzufassen; vgl. Albert v. Mutius, Anspruch auf Schutz und Förderung, Nordfriesland 1990, 39 - 43. 88 A. A. Alexy (Anm. 86), InfAuslR 1994,304; vgl. auch Rüdiger Wolfrum., Minderheitenschutz in Europa, in: Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages (Hrsg.), Minderheiten in Europa, Kiel 1991, 121 - 141, 123. 89 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 32; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 12),964. 90 Siehe Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 32; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 12),964. 91 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 32. 92 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 32. 93 V gl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 12),965; siehe auch Santa Clara Pueblo v. Martinez, 426 V.S. 49,98 S.ct. 1670,56 L.Ed. 2d 106. 94 Vgl. Lovelace v. Canada (1984), Comm. No. 24/1977, VN Doc. N36/40 (1981),166; Kitok v. Sweden, Comm. No. 197/1985, HRLJ 11 (1990), 148; Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 33; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 12),965. 4 Niewenh

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Kapitel I: Begriffsbestimmungen

Recht hinweggesetzt und statt dessen eigene Kriterien der Zugehörigkeit entwickelt. 95 Obwohl die Zugehörigkeit zu sprachlichen und ethnischen Minderheiten objektive Elemente voraussetzt, sollte nicht vergessen werden, daß auch ein subjektives Element erforderlich ist. 96 Solange eine Person nicht wünscht, als Angehöriger einer Minderheit von Maßnahmen des Minderheitenschutzes erfaßt zu werden, sollte sie die Freiheit haben, so zu entscheiden. 97 Wenn eine Person assimiliert werden möchte, sollte dieser Wunsch respektiert werden. 98 Das Verhältnis subjektiver und objektiver Elemente sollte dabei so sein, daß zunächst eine Untersuchung auf objektive Elemente erfolgt.99 Lassen sich diese nur mit Schwierigkeiten feststellen, so sollte nach den Grundsätzen eines modemen Minderheitenschutzes dennoch der Wille zur Zugehörigkeit ausschlaggebend

95 Lovelace v. Canada (Anm. 94), 173, "Persons who are born and brought up on a reserve, who have kept ties with their community and wish to maintain these ties must nonnally be considered as belonging to that minority within the meaning of the Covenant. Since Sandra Lovelace is ethnically a Maliseet Indian and has only been absent from her horne reserve for a few years during the existence of her marriage, she is, in the opinion of the Comrnittee, entitled to be regarded as "belonging" to this rninority ... " 96 Vgl. Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 32; Tomusehat, in: FS Mosler (Anm. 12),968. 97 Vgl. Douglas Sanders, Collective Rights, HRQ 13 (1991), 368 - 386, 379/380; Theodor Veiter, Nationalitätenkonflikt und Volksgruppenrecht, 2. Aufl., München 1984, 2161217; Stellungnahme des amerikanischen Abgesandten in UN Doc. ElCN.4119921 SR.17/para.9; Capotorti (Anm. 1), para. 573: "It is possible that, within a rninority group which is resolved to maintain its identity, some individuals will prefer to be assirnilated into the majority population. If that is their free choice, obstacles should not be placed in their way in the name of a rnisconceived group solidarity. Any such obstacie would constitute a violation of the individual's freedom of choice; in other words, it is not acceptable that an individual should be forced to conform to the choice made by the greater part of the rninority group ... " 98 Art. 2 Abs. 1 Vorsch!. Europ. Konv.: "To belong to anational minority shall be a matter of individual choice and no disadvantage may arise from the exercise of such choice." Art. 2 Entw. Zus. Prot.: "I. Membership of anational minority shall be a matter of free personal choice. 2. No disadvantage shall result from the choice or the renunciation of such membership." 99 Vgl. Pircher (Anm. 69), 28.

A. Begriff der Minderheit

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sein. 100 So ist etwa für die Zugehörigkeit zur dänischen Minderheit in Südschleswig der Wunsch zur Zugehörigkeit entscheidend. 101 Zu prüfen ist, ob bei eingewanderten Minderheiten, die das Kriterium der Dauerhaftigkeit erfüllen, jeder einzelne Einwanderer sich ebenfalls dauerhaft auf dem betreffenden Staatsgebiet aufgehalten haben muß. Es wird kaum möglich sein, zwischen Angehörigen einer Gruppe, die zu verschiedenen Zeiten eingewandert sind, hinsichtlich des zu gewährenden Minderheitenschutzes zu unterscheiden. Dies ist eine Konsequenz, die bei der Aufnahme neuer Minderheiten in den Minderheitenbegriff nicht vermieden werden kann. Außerdem würde eine Unterscheidung zu Gleichberechtigungsproblemen führen. 102 Eine ähnliche Problematik besteht auch bei angestammt auf einem Territorium lebenden Minderheiten, wenn Einwanderer mit den gleichen religiösen, sprachlichen oder ethnischen Eigenschaften zuwandern. Auch in diesen Fällen werden Einwanderer als Angehörige der jeweiligen Minderheit eingeordnet werden müssen. 103 Hinsichtlich des Umfangs der individuellen Minderheitenrechte ist für Ausländer, die das Kriterium der Dauerhaftigkeit persönlich nicht erfüllen, jedoch anders zu verfahren als bei Einwanderern, die bereits Staatsbürger sind, aber das Krite-

100 Vgl. Pircher (Anm. 69), 28; Dieter Blumenwitz, Minderheiten- und Volksgruppenrecht, Aktuelle Entwicklung, Bonn 1992,64; Art. 2 Abs. 2 VorschI. Europ. Konv.: "To belong to anational minority shall be a matter of individual choice and no disadvantage may arise from the exercise of such choice." Art. 32 Kopenhagen-Dok.: "To belong to anational rninority is a matter of a person's individual choice and no disadvantage may arise from the exercise of such choice." Wer also kein Angehöriger einer Minderheit mehr sein will, sollte so entscheiden können; vgl. aber Art. 3 Abs. 1 der Rahmenkonvention: ,,Every person belonging to anational minority shall have the right freely to choose to be treated or not to be treated as such and no disadvantage shall result from this choice or from the exercise of the rights which are connected to that choice." Hiernach besteht lediglich ein Recht des Minderheitenangehörigen, nicht als solcher behandelt zu werden, vgl. Explanatory Memorandum, para. 35; Heinrich Klebes, Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, Einführung, EuGRZ 22 (1995), 262 - 268, 265, verweist diesbezüglich auf die ähnliche Begründung des IGH im Nottebohm-Fall (Ie] Reports 1955,4). 101 Vgl. wiederum Art. 5 Abs. 1 Landesverfassung Schleswig-Holstein. 102 So Shaw, in: Dinstein/Tabory (eds.), (Anm. 55), 26, für den Fall, daß einwandernde Ausländer die Voraussetzungen einer im Staat lebenden Minderheit an sich erfüllen; a. A. Eide (Anm. 8), 9: "It (the definition) intends not only settled groups but also recent immigrants, although those who have arrived after the independence of the State may have somewhat lesser rights than those who were already settled there before the State emerged or re-emerged as an independent State." 103 So etwa ein nach Südtirol einwandernder Deutscher oder Österreicher; zur Problematik von Ausländern Text bei Anm. 104/105.

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Kapitel I: Begriffsbestimmungen

rium der Dauerhaftigkeit noch nicht erfüllen. I04 Wenn ein Staat eine Person zum Staatsbürger macht, entsteht das Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Staatsangehörigem, das auch den Genuß von Minderheitenrechten erforderlich macht. lOS Dies ist der Grund dafür, Einwanderern, die bereits Staatsbürger sind, nicht aber Noch-Ausländern, Minderheitenschutz in vollem Umfang zukommen zu lassen. Ist ein Einwanderer hingegen noch nicht Staatsangehöriger, so würde es zu weit gehen, ihm, selbst wenn er legal eingewandert ist, in jedem Fall Minderheitenrechte zuzugestehen. Es wird vielmehr auch für ihn eine gewisse Dauer seines Aufenthaltes zu verlangen sein, wobei diese Zeitspanne geringer als bei der Minderheit als ganzer sein sollte. Nach Ablauf dieser Zeitspanne kann dem Ausländer voller Minderheitenschutz zuteil werden. 106 Für Ausländer, die sich noch nicht lange genug auf dem Territorium eines Staates aufgehalten haben, sollte jedoch zumindest negatorischer Schutz sowie positive Schutzmaßnahmen als Minderheitenrechte gewährt werden. 107

B. Abgrenzung zum Begriff des "autochthonen Volkes" Sehr wichtig ist es, einen Unterschied zwischen den Begriffen ,,Minderheit" und "autochthones Volk" zu machen. Autochthone Völker können Minderheiten sein, wenn sie die oben genannten Voraussetzungen erfüllen. 108 Es wird teilweise die Ansicht vertreten, daß historische, kulturelle, faktische, biologische und rechtliche Unterschiede zwischen Minderheiten und autochthonen Völkern bestünden. 109 Gemäß dieser Ansicht existieren autochthone Völker aufgrund ihrer Natur, während Minderheiten aufgrund politischer und rechtlicher Gegebenheiten entstanden sind.

104 Zur Behandlung von Gruppen von Einwanderern bzw. Ausländern vgl. Text bei Anm. 49 - 78. lOS Vgl. Pircher (Anm. 69), 26. 106 Vgl. Eide (Anm. 8), 9/10. 107 Dies entspricht dem im Text bei Anm. 52 - 54 gewonnenen Ergebnis; Eide (Anm. 8), 9, schlägt vor: ,,As a general rule, non-citizen-members of rninoritiy groups should have at least passive (Anm. des Verfassers: negatorische) rights, such as the right to use their own language in private and public in communication with other members of the same linguistic group, whether they are citizens or not ... What is doubtful, however, is whether noncitizen members of an ethnic or religious group are entitled to positive measures, for example, state-supported education in their own language." 108 Vgl. Text bei Anm. 4. 109 Siehe etwa Ermacora (Anm. 5), RdC 182,279/280.

B. Abgrenzung zum Begriff des "autochthonen Volkes"

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Außerdem wird argumentiert, daß autochthone Völker "backwards oriented" seien. 110 Zwar haben autochthone Völker bestimmte Eigenschaften, die gewöhnliche Minderheiten nicht haben. Sie benötigen deshalb besonderen Schutz. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß autochthone Völker Minderheiten sind, wenn sie die Voraussetzungen einer Minderheit erfüllen. lll So wurden die Maliseet-Indianer Kanadas oder die Samis Schwedens, autochthone Völker gern. Art. 1 IPBürg, vom Menschenrechtsausschuß nichtsdestoweniger als Minderheiten gern. Art. 27 IPBürg angesehen. ll2

110 Vgl. Rodolfo Stavenhagen, Human Rights and Peoples' Rights The Question of Minorities, NordicJHR 1987,25 ff., 25; Mikmaq Tribal Society v. Canada, Comm. No. 78/1980, UN Doc. AJ39/40 (1984), 200, para. 7.3. 111 Vgl. Menschenrechtsausschuß, Allgemeine Bemerkungen zu Art. 27 vom Apri11994, 3.2., zitiert in: InfAuslR 1995, 221; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 12),962; Nowak (Anm. 9), Art. 27 paras. 27, 28; Gudmundur Alfredsson, Greenland and the Law of Political Decolonization, GYIL 25 (1982), 290 - 308, 296; bzgl. einer Analyse eingeborener Rechte als kollektiver Rechte siehe Darlene M. Johnston, Native Rights as Collective Rights: A Question of Group Self-preservation, CanadianJLJ 2 (1989), 19 ff.; ebenfalls Raidza Torres, Rights of Indigenous Populations, YaleJIL 16 (1991), 127 - 175, 158; ebenso Eide (Anm. 8), 9. 112 Lovelace v. Canada (Anm. 94) und Kitok v. Sweden (Anm. 94); Nowak (Anm. 9), Art. 27 para. 29; für eine detaillierte Beschreibung kollektiver Rechte autochthoner Völker siehe Benita Broms, The Rights of Indigenous Peoples: Recognition of Collective Rights, FinnishYIL 3 (1992),298 - 330; siehe auch Mary Ellen Turpel, Indigenous Peoples' Rights ofPolitical Participation and Self-Determination: Recent International Legal Developments and the continuing Struggle for Recognition, CornellILJ 25 (1992), 579 - 602.

KAPITELn

Kollektiver Schutz von Minderheiten Unter individuellem Minderheitenschutz ist das Recht einzelner Angehöriger einer Minderheit auf bestimmte Schutzmaßnahmen zu verstehen. Unter kollektivem Schutz versteht das Völkerrecht hingegen die Anerkennung des Minderheitenschutzes als kollektives Recht, ein Recht der Minderheit als ganzer und nicht ihrer einzelnen Angehörigen. Kollektive Rechte oder Gruppenrechte haben sich im Völkerrecht allgemein bisher noch nicht durchsetzen können. Mit Ausnahme des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung gewährt das Völkerrecht individuelle Menschenrechte und nicht kollektive Gruppenrechte. Dies ist zumeist darauf zurückgeführt worden, daß Grundlage der Menschenrechte die Würde des Menschen ist. l Sowohl die Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als auch die Präambel des IPBürg halten diesen Grundsatz fest. 2 Erst in jüngerer Zeit gewinnt die Erkenntnis an Boden, daß es nicht ausreichend ist, die Stellung des Individuums in der Gesellschaft zu schützen. Probleme von Gruppen von Individuen zeigen, daß der Schutz des einzelnen nicht ausreichen kann, um den Ansprüchen der Gemeinschaft zu genügen. Auch die Menschenwürde selbst macht es möglicherweise erforderlich, dem Individuum ein zukunftsorientiertes Leben in seiner Gruppe zu ermöglichen. In einige völkerrechtliche Instrumente ist das Konzept der Gruppe deshalb bereits aufgenommen worden. 3 In I VgJ. Klaus Dicke, Würde und Recht des Menschen, in: Heiner BielefeldtlWinfried Brugger/Klaus Dicke (Hrsg.), FS für Johannes Schwartländer zum 70. Geb., Würzburg 1992,161 - 182;A{fred VerdrossIBruno Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., Berlin 1984, § 1237; A{fred Verdross, Die Würde des Menschen und ihr völkerrechtlicher Schutz,

St. Pölten 1975, 8. 2 ,,Da die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet" und "daß sich diese Rechte aus der den Menschen innewohnenden Würde herleiten" Geweils deutsche Fassung). 3 VgJ. z. B. Art. 2 Abs. 1 und 2 VN-Konvention zur Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung, im folgenden: Rassendiskriminierungskonvention vom 7. März 1966, internationale Quelle: 660 UNTS 195; Art. 2 VN G.V. Erklärung zu den autochthonen Völkern; ILO-Konvention 169 (ebenfalls zu den autochthonen Völkern).

A. Konzeption kollektiver Rechte

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universellen Vorschriften zum Minderheitenschutz fehlt das Konzept nach wie vor. Regional beginnt es aber, sich durchzusetzen.

A. Konzeption kollektiver Rechte Bevor die Frage des kollektiven Schutzes von Minderheiten im Völkerrecht ausführlich untersucht wird, soll zunächst das Konzept kollektiver Rechte näher bestimmt werden. Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz ist für Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte das Recht zum Schutz des einzelnen gegen Unterdrückung gewesen. Das Konzept von Gruppenrechten oder kollektiven Rechten zeichnet sich erst in den letzten Jahren mit aller Deutlichkeit ab. Da diese Rechte nicht als Rechte von Individuen, sondern als Rechte von Gruppen oder Völkern formuliert sind und sich zudem in eigenen Abschnitten von Völkerrechtsinstrumenten wie etwa dem IPBürg befinden, wird teilweise die Behauptung aufgestellt, daß diese Rechte überhaupt keine Rechtsqualität haben. 4 Jedenfalls wird aber allgemein klar zwischen Individual- und kollektiven Rechten unterschieden. Semantisch und auch methodologisch ist eine solche Unterscheidung begründetS, rechtlich hat sie aber keine große Bedeutung. Menschenrechte sind weniger einheitlich und weniger streng auf den Schutz von Individuen ausgerichtet, als oft behauptet wird. Eine klare Trennungslinie zwischen Individual- und Kollektivrechten besteht nicht. 6 Das Spektrum anerkannter Individualrechte deckt nicht nur die reinen Individualrechte, die wie das Recht auf Leben ausschließlich der Einzelperson zustehen, sondern auch Rechte, die wie das Recht auf friedliche Versarnrnlung nur gemeinsam mit anderen Menschen ausgeübt werden können, und sogar Rechte, die wie das Eigentumsrecht von juristischen Personen ausgeübt werden können, ab. 7

4 Vgl. Karl Jose! Partseh, Recent Developments in the Field of Peoples' Rights, HRLJ 7 (1986), 177 - 182, 177; Jean-Bernard Marie, Relations between Peoples' Rights and Human Rights: Semantic and Methodological Distinctions, HRI.J 7 (1986), 195 - 204, 198. 5 Eine nähere Erörterung des Problems, ob zum Beispiel das Recht eines Volkes auf Selbstbestimmung wesentliche Bedingung ist, auf der die Achtung der Menschenrechte beruht, soll hier nicht erfolgen. 6 Vgl. Manfred Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, KehVStraßburglArlington 1989, Art. 1 para. 15. 7 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 1 para. 15; Marie (Anm. 4), HRLJ 7,200.

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

Es soll hier versucht werden, ein Modell der Unterscheidung von drei Gruppen von Kollektivrechten bzw. Kollektivverpflichtungen zu entwickeln. 8 Vorher ist es jedoch erforderlich, eine Kategorie von Individualrechten zu erwähnen, die zwar auf Gruppenmerkmalen beruhen, jedoch nicht mit den folgenden drei Gruppen kollektiver Rechte verwechselt werden dürfen. Die Diskriminierung eines Individuums in der Gesellschaft erfolgt fast immer aufgrund seiner Angehörigkeit zu einer Gruppe mit bestimmten Merkmalen und nicht aufgrund VOn besonderen Merkmalen ausschließlich des Individuums, die es entweder schon immer besessen oder sich angeeignet hat. 9 Beispiele solcher Merkmale sind Rasse, Geschlecht, Alter, politische oder religiöse Überzeugung, Nationalität, Status, sexuelle Orientierung, gesellschaftliche Klasse, Sprache oder körperliche bzw. geistige Behinderung. Wenn das Individuum aufgrund eines dieser Merkmale diskriminiert wird, so hat es ein individuelles Recht, gegen diese Diskriminierung zu kämpfen. 1O In diesen Fällen berufen sich die einzelnen Gruppenmitglieder auf das Recht jeden Individuums, wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit nicht anders als andere behandelt zu werden. Ein Beispiel dieser Gruppe von Rechten ist das Recht auf Nichtdiskriminierung gern. Art. 26 IPBürg. Es ist jedoch nicht nur das Recht auf Nichtdiskriminierung sondern auch das traditionelle Individualrecht auf Minderheitenschutz!!, welches dieser Kategorie zugeordnet werden muß. In diesen Fällen beanspruchen Minderheitenangehörige Rechte, die sich erst aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der Gruppenbezug wird jedoch als Recht des Individuums geltend gemacht.!2 8 Lerner hat in verschiedenen Aufsätzen einen "Dekalog von Gruppenrechten" entwikkelt: " ... rights 1) to life and physical security; 2) to effective equality, including the prohibition of discrimination and incitement to group violence and hatred; 3) to identity and to be different, without being forced to assimilate; 4) to affirmative action or special measures; 5) to determination of the scope and membership of the group, with due regard to individual rights and liberties; 6) to establish and maintain institutions; 7) to communicate, federate and cooperate nationally and internationally; 8) to representation in government; 9) to impose duties on the members of the group; and 10) when appropriate, to recognize some form oflegal personality, at the national and international levels, including loeus standi before judicial or quasi-judicial bodies.", vgl. etwa Natan Lerner, The Evolution of Minority Rights in International Law, in: Catherine Brölmann/Rene Lefeber/Marjoleine Zieek (eds.), Peoples and Minorities in International Law, Dordrechtl BostonILondon 1993,77 - 101, 100 - 101. Dem Dekalog von Rechten soll hier aber nicht gefolgt werden. 9 Vgl. Douglas Sanders, Collective Rights, HRQ 13 (1991), 368 - 386, 368; Natan Lerner, Group Rights and Discrimination in International Law, DordrechtlBostonlLondon 1991,27. 10 Siehe Sanders (Anm. 9), HRQ 13, 369. !! Vgl. Art. 27 IPBürg. !2 Vgl. Eibe Riedei, Gruppenrechte und kollektive Aspekte individueller Menschenrechte, in: WaLter Kälin/Eibe RiedellWoljram Karl (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Menschen-

A. Konzeption kollektiver Rechte

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Individualrechte, die auf Gruppenmerkmalen beruhen, werden zum Teil nur gewährt, wenn ihre Ausübung "gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe" erfolgt. 13 In diesen Fällen hat das Gruppenerfordernis den negativen Effekt, daß einzelne Gruppenangehörige ihre Rechte alleine nicht ausüben können. 14 Bei der folgenden Unterscheidung von drei Kategorien von kollektiven Rechten bzw. Verpflichtungen wird sich zeigen, daß ihnen gemeinsam ist, daß die Gruppe als solche Träger eines Rechts sein kann. Da die Gruppe keine natürliche Persönlichkeit hat, kann sie nicht selbst handeln, sondern muß durch einen individuellen Gruppenangehörigen oder eine Gruppenorganisation vertreten werden. 15 Der Vertreter hat dabei das Recht und die Zuständigkeit, Rechte für die Gruppe als ganze geltend zu machen. 16 Die Zuständigkeit des Gruppenangehörigen bzw. der Gruppenorganisation, eine Gruppe zu vertreten, kann oft problematisch sein. 17 In Mikmaq Tribai Society v. Canada vor dem Menschenrechtsausschuß konnte der Grand Captain des MikmaqStammes nicht nachweisen, daß er zur Vertretung des Stammes ermächtigt war. 18 Trotz dieser Gemeinsamkeiten haben alle Kategorien von kollektiven Rechten bestimmte Merkmale, die sie voneinander unterscheiden.

rechtsschutzes, BDGV 33, Heidelberg 1993,49 - 82, 50. 13 Vgl. Art. 27 IPBürg. 14 Vgl. Lovelace v. Canada (1984), Comm. No. 24/1977, UN Doc. N36/40 (1981), 166; Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 33, 37; Yoram Dinstein, Collective Human Rights of Peoples and Minorities, ICLQ 25 (1976), 102 - 120, 103; Benita Broms, The Rights of Indigenous Peoples: Recognition of Collective Rights, FinnishYIL 3 (1992),298 - 330, 305. 15 Vgl. Christian Hillgruber, Minderheitenschutz im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention - Stand und Entwicklung, in: Dieter BlumenwitziGilbert Gomig (Hrsg.), Minderheiten- und Volksgruppenrechte in Theorie und Praxis, Bonn 1993,39 - 47, 44; Eckart Klein, Konzeption und Durchsetzung des Minderheitenschutzes, in: Dieter BlumenwitzIHans v. Mangoldt (Hrsg.), Neubestätigung und Weiterentwicklung von Menschenrechten und Volksgruppenrechten in Mitteleuropa, Bonn 1991, 51 - 60, 52; so zum Beispiel die Lubicon Lake Band durch Chief Bemard Ominayak. 16 Vgl. Sanders (Anm. 9), HRQ 13,369; die Gruppe muß nicht organisiert sein, um Rechtspersönlichkeit zu erlangen, vgl. aber für diese Ansicht Jan Narveson, Collective Rights?, CanadianJLJ 4 (1991), 329 ff., 332 - 333. 17 Vgl. Manfred Nowak, The Evolution of Minority Rights in International Law, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 8), 103 - 118, 105. 18 Vgl. Mikmaq Tribai Society vs. Canada, Comm. No. 78/1980, UN Doc. N39/40 (1984),200; Nowak, in: BrölmannlLefeberlZieck (eds.), (Anm. 17), 106; Nowak (Anm. 6), Art. 1 para. 24.

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten I. Kollektive Rechte mit Individualbezug

Zunächst kann ein kollektives Recht einfach die Summe der Rechte der Angehörigen einer Gruppe sein. Beispiele dieser Gruppe von Rechten sind kollektive Ansprüche auf Nichtdiskriminierung. 19 So findet sich sowohl in Art. 1 und 2 des Entwurfs einer Erklärung der VN G.V. zu den autochthonen Völkern 20 als auch in Art. 19 der Afrikanischen Charta für Menschenrechte und Rechte der Völker21 die Bestimmung, daß alle Völker ein Recht auf Gleichberechtigung haben. 22 Da die individuellen Angehörigen einer Gruppe Rechte auf Nichtdiskriminierung gegenüber Angehörigen anderer Gruppen haben, kann die Gruppe als ganze ein eigenes Recht haben, Nichtdiskriminierung gegenüber anderen Gruppen zu verlangen. 23

1. Rechtscharakter Die Bedeutung kollektiver Rechte mit Individualbezug ist vornehmlich prozedural. Sie bestehen, um Ansprüche von Gruppen von Individuen einfacher zu gestalten, indem den Gruppen sowohl auf nationaler Ebene (durch bestimmte Verfahrensrechte) als auch auf internationaler Ebene (durch Beschwerdemechanismen wie etwa vor dem Menschenrechtsausschuß) bestimmte prozedurale Rechte gegeben werden. Die Funktion dieser Rechte ist es nicht, Gruppen materielle Rechte zu gewähren, sondern lediglich, eine bessere Verwirklichung materieller Individualrechte zu garantieren. 24 Vgl. Lerner (Anm. 9), 35; ebenso Sanders (Anm. 9), HRQ 13,369. UN Doc. F/CN.4/Sub.2/1993/29, Annex I. Art. 1: "Indigenous peoples have the right to the full and effective enjoyment of all human rights and fundamental freedoms recognized in the Charter of the United Nations, the Universal Dedaration of Human Rights and international human rights law." Art. 2: "Indigenous individuals and peoples are free and equal to all other individuals and peoples in dignity and rights, and have the right to be free from any kind of adverse discrimination, in particular that based on their indigenous origin or identity." 21 Vom 27. Juni 1981, internationale Quelle: ILM 21 (1981),59; im folgenden: BanjulCharta. 22 "All peoples shall be equal. .. 23 Vgl. hierzu Stephan BreitenmoseriDagmar Richter, Die Verwirklichung der KSZEGrundsätze zum Schutze nationaler Minderheiten durch Organleihe bei der EMRK, EuGRZ 18 (1991),141 - 158, 154; auch die Summe individueller Minderheitenrechte kann dieser Kategorie zugeordnet werden, vgl. etwa Art. 9 Entw. Zus. Prot.; Peter Pernthaler spricht insofern von der analogen Anwendung individueller Rechte auf Gemeinschaften, ders., Der Schutz der ethnischen Gemeinschaften durch individuelle Rechte, Wien 1964, SOff. 24 Vgl. Michael McDonald, Should communities have rights?, CanadianJLJ 4 (1991), 217 ff., 218, der von einem "dass action"-Konzept kollektiver Rechte spricht; vgl. dazu 19

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A. Konzeption kollektiver Rechte

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Materielle kollektive Rechte auf Nichtdiskriminierung können deshalb nicht gewährt werden, weil der Ursprung des Rechts auf Nichtdiskriminierung beim Individuum zu suchen ist. Das Recht auf Nichtdiskriminierung ist nicht im originären Interesse der Gruppe als solcher, da es nicht um den Bestand oder die Identität der Gruppe geht. Nichtdiskriminierung zielt vielmehr ab auf eine Behandlung von Menschen als Individuen und nicht als Gruppenangehörigen. Erst die verbundenen Interessen aller Gruppenangehörigen führen zu kollektiven Beschwerden gegen Diskriminierung. 25 Obwohl kollektive Rechte mit Individualbezug also lediglich prozeduraler Natur sind, verleihen sie der Gruppe völkerrechtliche Rechtssubjektivität. Völkerrechtssubjekte sind Träger völkerrechtlicher Rechte und/oder Pflichten, deren Verhalten unmittelbar durch das Völkerrecht geregelt wird. 26 Individuen sind dann partielle Völkerrechtssubjekte, wenn völkerrechtliche Normen bestehen, die sich unmittelbar an sie wenden, ihnen also Rechte gewähren und damit über einen bloßen Rechtsreflex hinausgehen. 27 Die gewährten Rechte können unmittelbarer und mittelbarer Natur sein. Ein unmittelbares Recht gewährt das Völkerrecht zum einen, wenn Individuen die Befugnis eingeräumt wird, vor internationalen Instanzen Beschwerde zu führen, wenn Menschenrechtsverletzungen behauptet werden. 28 Zum anderen liegt eine unmittelbare völkerrechtliche Berechtigung auch vor, wenn sie dem Individuum ohne Umsetzung in nationales Recht allein durch staatliche RatifIkation zur Verfügung steht. Das gewährte Recht ist dann in dem Sinne unmittelbar anwendbar (self-executing), daß der Einzelne es vor innerstaatlichen Instanzen geltend machen kann. 29 Ein lediglich mittelbares Recht gewährt das Völkerrecht demgegenüber, wenn dem Individuum weder eine eigene Durchsetzungsmacht zugestanden noch auf eine Umsetzung in nationales Recht verzichtet wird. Das mittelbare Recht steht dem Individuum damit erst nach seiner Umsetzung in nationales Recht zur GelText bei Anm. 35. 25 Dies ist der Grund, weshalb die meisten völkerrechtlichen Menschenrechtsinstrumente nur ein Individualrecht auf Nichtdiskriminierung gewähren, vgl. Art. 14 EMRK, Art. 26 IPBürg, Art. 24 AMRK, Art. 5 Rassendiskriminierungskonvention; allgemein zu dieser Konvention Natan Lerner, Tbe UN Convention on the Eliminination of all Forms of Racial Discrimination, 2nd ed., Alphen aan den Rijn 1980; siehe aber auch Art. 19 der BanjulCharta. 26 Vgl. Verdross/Simma (Anm. 1), § 375. 21 Vgl. Verdross/Simma (Anm. 1), § 423. 28 Vgl. Volker Epping, in: Knut Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl., München 1990,76; etwa Art. 25 EMRK, Art. 1 des 1. Fakultativprotokolls zum IPBürg, vom 16. Dezember 1966, in Kraft getreten am 23. März 1976, internationale Quelle: ILM 6 (1976), 383. 29 Vgl. zum Konzept der "self-executing treaties" Verdross/Simma (Anm. 1), §§ 423/ 424.

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

tendmachung vor staatlichen Instanzen zur Verfügung. 30 Zwar ist die Wirkung eines solchermaßen eingeschränkten Rechts für den Einzelnen nicht von großer Bedeutung, dennoch kann in diesem Fall von seiner, wenn auch unvollkommenen, Völkerrechtssubjektivität ausgegangen werden. 31 Für die partielle Völkerrechtssubjektivität von Gruppen gelten dieselben Grundsätze. Wird Gruppen wie etwa in Art. 55/56 der Banjul-Charta32 die Beschwerdemöglichkeit vor einer internationalen Instanz eingeräumt, und sei es nur, um die Verletzung individueller Rechte effektiver geltend zu machen, dann kann eine partielle Völkerrechtssubjektivität der Gruppe angenommen werden. Gleiches gilt für den Fall der Gewährung eines Rechts an die Gruppe, ohne daß eine Umsetzung in nationales Recht erforderlich ist, aber auch, wenn der Gruppe lediglich ein mittelbares Recht zugestanden wird. Wie bereits ausgeführt, muß die Gruppe als Träger des Rechts von einem Angehörigen der Gruppe oder einer Gruppenorganisation vertreten werden, wenn sie ein Recht ausüben will. Gleichzeitig mit einem kollektiven Recht dieser Art wird immer ein entsprechendes Individualrecht vorliegen. Nicht zu jedem Individualrecht wird es aber gleichzeitig auch ein entsprechendes Kollektivrecht geben. 33 Die Voraussetzungen für das Vorliegen von kollektiven Rechten mit Individualbezug sind erstens, daß ein entsprechendes Individualrecht gegeben sein muß, zweitens, daß die Gruppe so groß sein muß, daß es praktisch unmöglich ist, daß alle Gruppenmitglieder ihre Individualrechte geltend machen, und drittens, daß das kollektive Recht ausdrücklich zuerkannt wird. Diese dritte Voraussetzung ist erforderlich, um die Ebene, auf der die Gruppe ein eigenes Recht hat, von der Ebene zu unterscheiden, auf der Funktion der Gruppe lediglich ist, Individuen zu vertreten, ohne ein eigenes Recht zu haben. Wie bereits erörtert, erfordert der Schritt von den Individualrechten zu einer Anerkennung kollektiver Rechte das Eindringen in eine in ihrer Konzeption andere Kategorie von Rechten. Es ist deshalb erforderlich, daß dieser Schritt ausdrücklich erfolgt. Ob kollektive Rechte mit Individualbezug bestehen, hängt davon ab, welche Bestimmungen die zu untersuchenden Völkerrechtsnormen beinhalten. Solange Art. 26 IPBürg ausdrücklich vorsieht, daß nur Individuen ein Recht auf Nichtdiskriminierung haben, ist es unmöglich, aus Art. 26 IPBürg ein originäres Gruppenrecht zu entwickeln. Ein völkerrechtliches Instrument kann jedoch die NichtdisVgl. Epping, in: lpsen (Anm. 28), 77. A. A. Epping, in: lpsen (Anm. 28),76177; Verdross/Simma (Anm. 1), §§ 423/424. 32 Art. 56: ..Communications relating to human and peoples' rights ... shall be consid30 31

ered ..." 33

Vgl. Sanders (Anm. 9), HRQ 13,369.

A. Konzeption kollektiver Rechte

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kriminierung auch anders formulieren. So enthalten Art. 1 und 2 des Entwurfs einer VN-Erklärung zu den autochthonen Völkern sowie Art. 19 der Banjul-Charta Gruppenrechte. 34

2. Beispiele aus dem nationalen Recht Gute Beispiele für den Unterschied zwischen einer Gewährung von lediglich prozeduraler Befugnis zur Vertretung der Gruppe auf der einen und einem kollektiven Recht mit Individualbezug auf der anderen Seite lassen sich im nationalen Recht der Vereinigten Staaten und Deutschlands finden. In den sogenannten "class actions" gemäß Rule 23 (b) (2) and (3) des U.S. Civil Procedure Act erhalten Individuen die prozedurale Befugnis, bestimmte Rechte auch im Namen anderer Gruppenangehöriger geltend zu machen. 35 Die Frage kollektiver Rechte als solcher wird jedoch vom Recht der "class actions" nicht erfaßt. Die sogenannten "Verbandsklagen" im Recht einiger deutscher Länder sind hingegen weiter entwickelt. So gewähren bestimmte Ländergesetze zum Beispiel Umweltschutzorganisationen bestimmte kollektive prozedurale Rechte. 36 Wenn ein Gesetz diese Rechte jedoch nicht ausdrücklich begründet, bestehen sie überhaupt nicht. 37 34 Vgl. Anm. 21. 35 Besonders häufig werden "dass actions" in Fällen von equal protection verwendet. 36Vgl. § 44 BremNatSchG; § 36 HessNatSchG; BVerwG, NVwZ 7 (1988), 364; Ferdinand O. Kopp, Kommentar zur VwGO, 9. Aufl., München 1992, § 42 Rz. 104; Ottmar Schmidt-Assmann, in: Theodor Maunz/Heinz DüriglRoman HerzoglRupert Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 2. Bd., München 1994, Art. 19 Rz. 264: "Soweit Verbänden des privaten Rechts eigene Rechte entstehen, ist ihnen auch durch Art. 19 IV der Rechtsweg eröffnet."; Sigurd Hendrichs, in: Ingo v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl., 1. Bd., München 1985, Art. 19 Rz. 44. 37 Vgl. Kopp (Anm. 36), Art. 42 Rz. 104; Schmidt-Assmann, in: MaunzlDüriglHerzogl Schotz (Hrsg.), 2. Bd. (Anm. 36), Art. 19 Rz. 269: "Auf der Basis des einfachen Rechts ... werden solche Verbandsklagen von der herrschenden Ansicht und der herrschenden Rechtsprechung als unzulässig angesehen, wenn dem Verband die Klagebefugnis nicht ausdrücklich zuerkannt ist. Art. 19 IV gibt positiv für die Zulassung oder für eine gesetzliche Einführung der Verbandsklage nichts her, weder für "egoistische" Verbandsklagen (Rechte der Mitglieder) noch für "altruistische" (öffentliche Interessen)."; mit dem gleichen Ergebnis auch Krebs, in: v. Münch (Hrsg.), (Anm. 36),4. Aufl., 1. Bd., München 1992, Art. 19 Rz. 58, der aus der individuellen Formulierung des Art. 19 IV GG schließt, daß die Gründungsmütter und -väter des Grundgesetzes sich für Individualrechte entschieden haben; BVerwG, NVwZ 10 (1991), 165: ,,Art. 19 IV GG garantiert als Prozessgrundrecht einen Mindeststandard, der nicht unterschritten werden darf. Der einfache Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, hierüber hinaus zu gehen und Rechtsschutz gegen Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung auch dann zu gewähren, wenn nicht zugleich auch die Verletzung eigener materieller Rechte geltend gemacht werden kann."

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

Der Unterschied zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Recht besteht darin, daß die genannten deutschen Ländergesetze Gruppen ausdrücklich prozedurale kollektive Rechte zuerkennen, während der U.S. Civil Procedure Act es bei einer prozeduralen Befugnis beläßt. Völkerrechtliche Instrumente sollten genauso ausdrücklich formulieren, wenn sie Gruppen ein Recht auf Nichtdiskriminierung gewähren wollen. In der Praxis ist jedoch der Unterschied zwischen dem USamerikanischen und dem deutschen System kaum existent, da das Konzept prozeduraler Befugnisse in beiden Systemen verwendet wird.

11. Rein koUektive Rechte

Schutz vor Eingriffen von außen durch Diskriminierung ist nicht das ausschließliche Anliegen von Gruppen. Es wird ihnen vielmehr auch darum gehen, ihre eigenen Merkmale zu schützen und dadurch ihr Fortbestehen in der Zukunft zu sichern. Wie bereits erwähnt, kann ein solcher Schutz zunächst durch Individualrechte mit Gruppenbezug wie etwa Art. 27 IPBürg gewährt werden. Überdies ist es aber möglich, der Gruppe als solcher Rechte zu verleihen. Rein kollektive Rechte sind im Bereich des Minderheitenschutzes von besonderem Interesse und besonderer Bedeutung. In dieser Kategorie von Rechten haben Individuen keine entsprechenden Individualrechte. 38 Das Gruppenrecht ist mehr als nur die Addition der Einzelrechte der Gruppenangehörigen. Auf den einzelnen Eingriff in Individualrechte kommt es hier nicht an. Vielmehr ist die Einschränkung von Rechten der Gruppe als ganzer entscheidend. 39 Die Gruppe wird zum partiellen Völkerrechtssubjekt, da ihr völkerrechtliche Rechte gewährt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Berechtigung der Gruppe unmittelbar oder mittelbar erfolgt, ob der Gruppe die gewährten Rechte also auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Voraussetzung für diese Kategorie von Rechten ist, daß entsprechende Individualrechte nicht bestehen können.40 Das Individuum kann lediglich ein individuelles Teilhaberecht als Produkt der Ausübung des kollektiven Rechts durch die Vgl. Sanders (Anm. 9), HRQ 13,369. Vgl. Dinstein (Anm. 14), ICLQ 25, 103. 40 Vgl. Francesco Capotorti, Are Minorities Entitled to Collective International Rights?, in: Yoram DinsteinlMala Tabory (eds.), The Proteetion of Minorities and Human Rights, DordrechtIBostonILondon 1992,505 - 511, 507; Leslie Green, Two Views of Collective Rights, CanadianJU 4 (1991), 315 ff., 319; das einzige Individualrecht in diesem Bereich ist das Recht auf Zugehörigkeit bzw. Nichtzugehörigkeit, siehe Kapitel I, Text bei Anm. 1231124; das rein kollektive Recht ist jedoch unabhängig von der Entscheidung des Einzelnen über seine Zugehörigkeit. 38 39

A. Konzeption kollektiver Rechte

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Gruppe haben. Beispiele für diese Gruppe VOn Rechten sind die kollektiven Rechte auf Bestandsschutz und auf Selbstbestimmung. Rein kollektive Rechte sind vor allem materiell von Bedeutung. Sie sind nicht lediglich prozedurales Mittel, da Individualrechte nicht bestehen. Ein prozedurales Problem kann sich jedoch daraus ergeben, daß die meisten völkerrechtlichen Menschenrechtsinstrumente, wenn überhaupt, nur Einzelbeschwerden vorsehen und die völkerrechtlichen Verfahrensvorschriften für Einzelbeschwerden nur aufIndividualrechte anwendbar sind. 41 Der Menschenrechtsausschuß hatte in seiner Lubicon Lake Band-Entscheidung "no objection to a group of individuals who claim to be similarly affected to collectively submit a communication about challenged breaches of their rights".42 Er beschäftigte sich deshalb mit der kollektiven Bestandsschutzgarantie. Der Ausschuß lehnte es jedoch ab, sich mit dem kollektiven Recht auf Selbstbestimmung zu befassen. Aus dieser Entscheidung läßt sich schließen, daß der Ausschuß zwischen rein kollektiven Rechten und kollektiven Rechten bzw. Verpflichtungen, die einen gewissen Bezug zu Individualrechten haben43 , unterscheidet. Die Lubicon Lake Band-Entscheidung macht deutlich, daß der Menschenrechtsausschuß in Mikmaq Tribai Society v. Canada nicht stillschweigend die Möglichkeit der Geltendmachung einer Verletzung rein kollektiver Rechte vor dem Ausschuß akzeptierte, als er sich nur mit der Frage der Vertretungsbefugnis des Grand Captain für seinen Starnrn befaßte. 44

Iß. Staatenverpffichtungen gegenüber Gruppen

Eine dritte Kategorie von ,,Rechten" wird gebildet durch Staatenverpflichtungen bezüglich der zwei oben erörterten Kategorien VOn Rechten. 4s Der Unterschied zwischen bloßen Staatenverpflichtungen und den zuvor behandelten Kategorien besteht darin, daß das Individuum bzw. die Gruppe aus Staatenverpflichtungen 41 Vgl. Art. 1, 5 des 1. Fakultativprotokolls zum IPBürg, die nur auf Individualbeschwerden anwendbar sind. 42 Lubicon Lake Band, Comm. No. 167/1984, UN Doc. A/45/40/vol.II (1990), 27; Nowak, in: BrölmannlLejeberfZieck (eds.), (Anrn. 17), 105/106; Felix Ermacora, The protection of minorities before the United Nations, RdC 182 (1983 IV), 247 - 370, 324. 43 Bei letzteren kann es sich sowohl um die bereits untersuchten kollektiven Rechte mit Individualbezug, Text bei Anm. 19 - 37, als auch die später erörterten rein kollektiven Rechte bzw. Verpflichtungen, die mit Individualrechten verbunden sind, Text bei Anm. 50 - 62, handeln. 44 Aber vgl. Nowak (Anrn. 6), Art. I para. 25. 4S V gl. Lerner (Anm. 9), 17, der Staatenverpflichtungen als eine "patemalistic notion of law" bezeichnet.

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Kapitel II: Kollektiver Schutz von Minderheiten

kein Recht hat, Handlungen oder das Unterlassen von Handlungen vom jeweiligen Staat zu fordern. Das Individuum ist nicht selbständiger Rechtsträger, sondern lediglich Träger eines Rechtsreflexes. 46 Staatenverpflichtungen enthalten keine Gegenseitigkeit zwischen Individuen bzw. Gruppen und Staaten. Die rechtliche Verpflichtung des gebundenen Staates besteht gegenüber anderen Staaten (in Fällen von Vertragsrecht und erga omnes Verpflichtungen) oder sogar ganz allgemein (im Gewohnheitsrecht). In Fällen von Rechten hingegen ist ein Staat sowohl anderen Staaten als auch den eigenen Staatsangehörigen bzw. Gruppen gegenüber verpflichtet. Ob der Staatsangehörige bzw. die Gruppe unmittelbar oder nur mittelbar berechtigt wird, hängt von der gleichzeitig gewährten internationalen Beschwerdemöglichkeit ab. Können Ansprüche nur vor staatlichen Gerichten geltend gemacht werden, so liegen mittelbare völkerrechtliche Berechtigungen vor. 47 In Fällen von Staatenverpflichtungen können jedoch nur Staaten Einwände erheben. Die Gruppe erhält somit durch eine Staatenverpflichtung weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Berechtigung und wird damit auch nicht zum Völkerrechtssubjekt. Staatenverpflichtungen sind bezüglich von Minderheiten etwa in vielen Vorschriften der in den letzten Jahren verabschiedeten völkerrechtlichen Instrumente zu finden. 48 Staatenverpflichtungen werden generell dann verwendet, wenn die internationale Gemeinschaft zu einer Anerkennung von Individual- oder Gruppenrechten zur Durchsetzung der Staatenverpflichtungen noch nicht bereit ist. Staatenverpflichtungen sind oft eher als Programmsätze denn als präzise Normen mit direkter Anwendbarkeit formuliert. Zwar sind auch sie bindend, aber eher im Sinne einer allgemeinen Verpflichtung auf ein zu erreichendes Ziel hin, nicht jedoch mit konkreter Anwendbarkeit auf bestimmte Fälle. Es sollte jedoch auch erwähnt werden, daß die Unterschiede zwischen Individual- oder Gruppenrechten und Staatenverpflichtungen nur in der Theorie so eindeutig sind. In der völkerrechtlichen Praxis kann ein Recht ebenso schwierig durchzusetzen sein wie eine Staatenverpflichtung, insbesondere dann, wenn das Individuum bzw. die Gruppe nur mittelbar berechtigt ist. 49 Zudem ist, selbst wenn in 46 Vgl. dazu lost Delbrück, Die Rassenfrage als Problem des Völkerrechts und nationaler Rechtsordnungen, Frankfurt 1971,99; Andreas Khol, Der Menschenrechtskatalog der Völkergemeinschaft, Wien 1968, 28; Georg lellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., Tübingen 1919,67 ff. 47 Vgl. für diese Unterscheidung Epping, in: lpsen (Anm. 28),77. 48 Vgl. etwa Art. 1 VN G.V. Dekl. 47/137: ,,1. States shall protect the existence and the national or ethnic, cultural, religious and linguistic identity of rninorities within their respective territories and shall encourage conditions for the protection of that identity. 2. States shall adopt appropriate legislative and other means to achieve those ends." 49 Vgl. Text bei Anm. 30/31.

A. Konzeption kollektiver Rechte

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Fällen von unmittelbaren Rechten der Menschenrechtsausschuß gern. Art. 5 Abs. 4 des 1. Fakultativprotokolls die Verletzung eines Rechts erklärt, der betroffene Staat letztlich frei in seiner Entscheidung, ob er der Entscheidung des Menschenrechtsausschusses folgen will. Auf der anderen Seite wird ein Staat im allgemeinen auch einer Staatenverpflichtung Folge leisten, da er andernfalls Beschwerden anderer Staaten befürchten muß oder aber ohnehin von der Richtigkeit der Verpflichtung überzeugt ist.

IV. KoUektive und Individualrechte

Das Verhältnis von kollektiven zu Individualrechten hängt von der jeweiligen Kategorie von Rechten ab. Eine verhältnismäßig große Unabhängigkeit von Individual- und Gruppenrechten besteht im Verhältnis von rein kollektiven Rechten und traditionellen Individualrechten. 50 Diese Rechte können sich nicht überschneiden. Individual- und Gruppenrechte sind jedoch verknüpft im Bereich von kollektiven Rechten mit Individualbezug, da diese Rechte ohne die Anerkennung von Individualrechten nicht bestehen können. 51 Die vorliegende Untersuchung wäre allerdings unvollständig, wenn nicht erwähnt würde, daß auch rein kollektive Rechte bzw. Staatenverpflichtungen mit Individualrechten verbunden sein können. In diesen Fällen bestehen Individualund Gruppenrechte zur gleichen Zeit, sind aber nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Während in der Kategorie der kollektiven Rechte mit Individualbezug das Ziel der Nichtdiskriminierung sowohl das der Individuen als auch der Gruppe ist, haben Gruppenrechte bzw. -verpflichtungen, wenn sie mit Individualrechten verbunden sind, ein anderes Ziel, nämlich das der Absicherung des jeweiligen Individualrechtes. 52 Kollektives und individuelles Ziel sind dabei voneinander abhängig. Sie können ohne einander nicht bestehen. 53 Vgl. Sanders (Anm. 9), HRQ 13,383. Vgl. Text bei Anm. 33; siehe auch Sanders (Anm. 9), HRQ 13,383. 52 Insofern besteht eine Ähnlichkeit zur Kategorie der Kollektivrechte mit Individualbezug. 53 Vgl. Sanders (Anm. 9), HRQ 13, 382; Dinstein (Anm. 14), ICLQ 25, 103; Michael Asch, Horne and Native Land, New York 1984, 1, argumentiert, daß das freiheitliche Prinzip der Toleranz individueller Verschiedenheit auch Minderheiten und kulturelle Gemeinschaften schützt, da die individuelle Verschiedenheit oft in kollektiver Verschiedenheit begründet ist; siehe aber Christian Tomuschat, Protection of Minorities under Art. 27 of the CCPR, in: Rudolf Bernhardt u. a. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte, FS für Hermann Mosler z. 75. Geb., Heidelberg 1983, 949 ff., 974, der argumentiert, daß kollektive Rechte unter dem Nachteil leiden, daß sie die Gruppe über das Individuum stellen. Verantwortliche Bürger, so argumentiert er, brauchen keinen Treuhänder, der sich um ihre Rechte kümmert. Gemäß seiner Ansicht sind Men50

51

5 Niewerth

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

Ein Beispiel für diese Konstellation, also die Verbindung von kollektiven und Individualrechten, ist der klassische Schutz von Minderheiten. Individuelle Angehörige von Minderheiten haben das Recht auf eine gewisse Identität als Minderheitenangehörige. Dieses Recht kann aber nur bestehen, wenn gleichzeitig auch ein Recht der Gruppe auf Bestandsschutz gewährt wird. Errnacora formuliert "the state must not deny the rights of individuals to enjoy the values of their communities and therefore to protect the existence of the communities. ,,54 Diesem Zitat zufolge würde zwar möglicherweise auch eine kollektive Staatenverpflichtung auf Bestandsschutz, also eine Bestandsschutzgarantie, ausreichen, um die Individualrechte der Minderheitenangehörigen zu sichern. Die Bestandsschutzgarantie kann jedoch nur effektiv sein, wenn sie vor einer internationalen Instanz geltend gemacht werden kann. Dies kann entweder erfolgen, indem der Minderheit ein kollektives Recht auf Bestandsschutz zugestanden wird, oder indem die objektive Bestandsschutzgarantie der Minderheit so eng mit den Individualrechten ihrer Angehörigen verknüpft wird, daß die Zulässigkeit einer Beschwerde ausschließlich von den geltend gemachten Individualrechten abhängt. Den zweiten Weg hat der Menschenrechtsausschuß in der Lubicon Lake Band-Entscheidung eingeschlagen.55 Die Entscheidung zeigt nicht nur, daß der Ausschuß eine kollektive Bestandsschutzgarantie für erforderlich hält, um einen effektiven Schutz von Individualrechten zu gewährleisten, sondern daß er zu dieser materiellen Frage erst kommen kann, wenn er im Rahmen der Zulässigkeit die gleichzeitig verletzten Individualrechte ausreichen läßt. Diese enge Verbindung von Individualrechten mit objektiver Garantie rückt die Entscheidung zumindest in die Nähe der Bejahung eines kollektiven Rechts. Gerügt wurde in dem Fall die Verletzung der Rechte der Lubicon Lake Band. Die Beschwerde wurde von Chief Bernard Ominayak im Namen der Band beim Menschenrechtsausschuß eingereicht. 56 Der Menschenrechtsausschuß entschied, daß ,,Historical inequities, to which the State party refers, and certain more recent developments threaten the way of life and culture of the Lubicon Lake Band, and constitute a violation of Art. 27 as long as they continue. ,,57 Der Ausschuß nahm schenrechte eine Frage persönlicher Entscheidung, in der Vertretung durch eine Gruppe nichts verloren hat. 54 Vgl. Ermacora (Anm. 42), RdC 182,323. 55 Siehe Lubicon Lake Band (Anm. 42). 56 Vgl. Lubicon Lake Band (Anm. 42),1. 57 Vgl. Lubicon Lake Band (Anm. 42), 27; siehe auch Nowak, in: BrälmanniLefeberl Zieck (eds.), (Anm. 17), 105, der berichtet, daß der Ausschuß ein Angebot der kanadischen Regierung, 95 Quadratmeilen Land für ein Reservat abzutrennen und 45 Millionen kanadische Dollar zu zahlen, um die historischen Ungleichheiten gern Art. 2 des Paktes angemessen zu entschädigen, in Erwägung zog.

A. Konzeption kollektiver Rechte

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also eine Verletzung der kollektiven Bestandsschutzgarantie des gesamten Stammes und nicht nur der Rechte seiner Angehörigen an, obwohl Art. 27 traditionell als lediglich Individualrechte schützende Vorschrift angesehen wurde. Zwar ist richtig, daß das 1. Fakultativprotokolliediglich ein Verfahren vorsieht, nach dem Individuen eigene Rechtsverletzungen behaupten können. 58 Dies ist der Grund, weshalb sich der Ausschuß weigerte, die Zu lässigkeit der Klage auf eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts59, eines nach seiner Ansicht rein kollektiven Rechts60 , zu stützen. Auch in der materiellen Prüfung ging der Ausschuß deshalb auf das Selbstbestimmungsrecht nicht ein. Eine Verletzung der Bestandsschutzgarantie des gesamten Stammes gern. Art. 27 IPBürg nahm er aber an, obwohl das 1. Fakultativprotokolliediglich ein Einzelverfahren für Individualrechte vorsieht. Der Ausschuß konnte dieses prozessuale Hindernis nur überwinden, weil er die besondere Konstellation rein kollektiver Rechte, die mit Individualrechten verbunden sind, verwendete. 61 Wegen der gleichzeitig gegebenen Verletzung der Rechte der Angehörigen der Lubicon Lake Band konnte das prozessuale Erfordernis der Verletzung von Individualrechten als erfüllt angesehen werden. In der materiellen Prüfung des Falles stellte der Ausschuß dann jedoch voll und ganz auf die Verletzung der mit den Individualrechten verbundenen rein kollektiven Bestandsschutzgarantie ab. Die Lubicon Lake Band-Entscheidung ist somit ein Beispiel dafür, daß kollektive Rechte bzw. Verpflichtungen mit Individualrechten verbunden sein können. Im Falle der Lubicon Lake Band rückt die kollektive Verpflichtung durch die enge Verknüpfung mit Individualrechten in die Nähe eines kollektiven Rechts. Zu einem späteren Zeitpunkt wird noch untersucht werden müssen, ob Art. 27 IPBürg tatsächlich rein kollektive Rechte wie das Recht auf Bestandsschutz bzw.

S8 Vgl. Wortlaut des Art. I: ,,A State Party to the Covenant that becomes a party to the present Protocol recognizes the competence of the Committee to recei ve and consider communications from individuals subject to its jurisdiction who claim to be victims of a violation by that State Party of any of the rights set forth in the Covenant. No communications shall be received by the Committee if it concerns aState Party to the Covenant which is not a party to the present Protocol."; vgl. Nowak, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 17), 105/106. S9 Lubicon Lake Band (Anm. 42), 27; vgl. Nowak, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 17),105/106. 60 Vgl. Text bei Anm. 42/43. 61 Vgl. bzgl. einer anderen Auslegung der Lubicon Lake Band-Entscheidung Alfred de Zayas, The International Judicial Protection of Peoples and Minorities, in: Brölmannl LefeberlZieck (eds.), (Anm. 8), 253 - 287,18, der die Entscheidung so sieht, daß sie Minderheitenangehörigen lediglich ein Recht gibt, die Verletzung ihrer individuellen Rechte kollektiv geltend zu machen.

5*

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

mit Individualrechten verbundene kollektive Garantien erfaßt62 , wie der Menschenrechtsausschuß im Falle der Lubicon Lake Band entschied. Vorläufig kann aber festgestellt werden, daß rein kollektive Rechte bzw. Verpflichtungen mit Individualrechten verbunden sein können.

B. Bereiche kollektiven Schutzes Nach der Entwicklung einer Konzeption kollektiver Rechte sollen im folgenden die verschiedenen Bereiche des Minderheitenschutzes auf kollektive Elemente untersucht werden. Die Analyse wird sich dabei von den grundlegenden zu den spezielleren und weiter entwickelten Rechten bewegen. Das grundlegendste Recht im Bereich des kollektiven Minderheitenschutzes ist das Recht auf Nichtdiskriminierung, welches wesentliche Voraussetzung für jede Art des Minderheitenschutzes ist. Das nächste zu untersuchende Recht ist der Bestandsschutz von Minderheiten. Die Untersuchung schließt mit einer Analyse des Selbstbestimmungsrechts und des Rechts der Minderheiten auf Achtung, Schutz und Förderung ihrer Identität.

I. Recht auf Nichtsdiskriminierung Nichtdiskriminierung ist die Basis jeden Minderheitenschutzes. 63 Der StIGH formulierte bereits 1935: In order to attain this object (of effective minority protection), two things were regarded as particularly necessary, and have forrned the subject of provisions in these treaties. The first is to ensure that nationals belonging to racial, religious or linguistic minorities shall be placed in every respect on a footing of perfect equality with the other nationals of the State. The second is to ensure for the minority elements suitable means for the preservation of their racial peculiarities, their traditions and their national characteristics. These two requirements are indeed dosely interlocked, for there would be no true equality between a majority and a minority if the latter were deprived of its own in-

Vgl. Text bei Anm. 77 - 112. Vgl. Louis B. Sohn, The Rights of Minorities, in: Louis Henkin (ed.), The International Bill of Rights, Boston 1981, 270 - 289, 282; zur Stellung des Rechts auf Nichtdiskriminierung als grundlegendes Menschenrecht auch Delbrück (Anm. 46), 40 ff.; vgl. noch Kapitel IV, Text bei Anm. 49 - 58; siehe aber auch Text der Präambel der Rassendiskriminierungskonvention: ..Considering that the Charter of the Uni ted Nations is based on the principles of the dignity and equality inherent in all human beings .... Considering that the Universal Dedaration of Human Rights prodaims that all human beings are born free and equal in dignity and rights ... ". 62 63

B. Bereiche kollektiven Schutzes

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stitutions and were consequently compelled to renounce that which constitutes the very essence of its being a minority."64

Aus dieser Stellungnahme des StlGH ergibt sich, daß ohne den Grundsatz der Nichtdiskriminierung alle weiteren Schritte des Minderheitenschutzes bedeutungslos wären. Die klassischen Menschenrechtsinstrumente beinhalten Normen wie etwa Art. 26 IPBürg, Art. 24 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention65 und Art. 14 EMRK, die das Individuum vor Diskriminierung schützen. 66

Der einzige größere Unterschied zwischen diesen Normen besteht darin, daß Art. 14 EMRK lediglich akzessorisch ist, das heißt, daß er nur geltend gemacht werden kann, wenn gleichzeitig eine Verletzung eines anderen Rechts der EMRK vorliegt.67 Art. 26 IPBürg und Art. 24 AMRK sind hingegen unabhängige Rechtsvorschriften. 68 Alle genannten Nichtdiskriminierungsnormen schützen jedoch nur das Individuum. Auch die neuen Minderheitenschutzinstrumente enthalten zum größten Teil nur Individualrechte auf Nichtdiskriminierung. Art. 2 Abs. 1 und 2 Rassendiskriminierungskonvention gehen über diesen individuellen Ansatz einen Schritt hinaus. 69 Sie schützen nicht nur das Individuum, sondern formulieren überdies eine Staatenverpflichtung gegenüber Individuen und

64 PCIJ, Minority Schools in Albania, Advisory Opinion, Series AlB No. 64 (1935), 19. 65 Vom 22. November 1969, internationale Quelle: ILM 9, 673 (1970); im folgenden AMRK. 66 Art. 26 IPBürg: "All persons are equal before the law and are entitled without any discrimination to the equal protection ofthe laws." 67 Art. 14 EMRK: "The enjoyments ofthe rights and freedoms set forth in this convention shall be shared without discrimination on any ground such as sex, race, colour, language, religion, political or other opinion, national or social origin, association with a national minority, property, birth or other status." 68 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 26 para. 12; B. G. Ramcharan, Equality and Nondiscrimination, in: Henkin (ed.), (Anm. 63), 246 - 269, 253; Art. 2 Abs. 1 IPBürg ist hingegen akzessorisch. 69 Art. 2 Abs. 1 lit. a: ,,Bach State party must undertake to engage in no act or practice of racial discrimination against persons, groups of persons or institutions and to ensure that all public authorities and public institutions, national and legal, shall act in conformity with this obligation." Art. 2 Abs. 2: "States Parties shall, when the circumstances so warrant, take, in the social, economic, cultural and other fields, special and concrete measures to ensure the adequate development and protection of certain racial groups or individuals belonging to them, for the purpose of guaranteeing them the full and equal enjoyment of human rights and fundamental freedoms. These measures shall in no case entail as a consequence the maintenance ofunequal or separate rights for different racial groups after the objectives for which they were taken have been achieved."

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

Gruppen. 70 Art. 4 Abs. 2 Vorschl. Europ. Konv?1 und Art. 12 Abs. 2 Entw. Zus. Prot. 72 nehmen diesen Gruppenansatz auf und erlauben Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Nichtdiskriminierung von Minderheiten zu fördern. Autoren wie etwa Lerner schlagen sogar ein kollektives Recht auf Nichtdiskriminierung vor. 73 Wie oben bereits ausgeführt, enthält auch Art. 2 des VN-Entwurfs einer Erklärung zu den autochthonen Völkern ein kollektives Recht auf Nichtdiskriminierung. 74 In eines der universell bindenden Völkerrechtsinstrumente ist ein solches Recht aber noch nicht aufgenommen worden. 75 Sollte es in Zukunft aufgenommen werden, so würde ein kollektives Recht mit Individualbezug die prozedurale Stellung von Gruppen, die Nichtdiskriminierung einfordern, stärken. Wie oben bereits erörtert, hat ein kollektives Recht auf Nichtdiskriminierung vornehmlich prozedurale Wirkung. Gruppen könnten also auf nationaler Ebene Nichtdiskriminierungsansprüche ihrer Angehörigen geltend machen. Sollte das jeweilige Völkerrechtsinstrument auch einen kollektiven Beschwerdemechanismus vorsehen, so würde gleiches auch auf internationaler Ebene gelten.

11. Kollektiver Bestandsschutz

Herzstück des völkerrechtlichen Schutzes von Minderheiten ist bis in die jüngste Zeit der Schutz von individuellen Minderheitenangehörigen gewesen. Das kollektive Recht von Minderheiten auf Bestandsschutz gewährt der Minderheit als ganzes nicht nur negatorischen Schutz gegen staatliche Eingriffe, sondern auch positiven staatlichen Schutz gegen Eingriffe privater Dritter, wenn durch sie der Bestand der Minderheit gefährdet wird. 76 Es sind im folgenden verschiedene min70 Vgl. Lerner (Anm. 9), 51. 71 Art. 4 Abs. 2: "Tbe adoption of special measures in favour of minorities or of individuals belonging to minorities and aimed at promoting equality between them and the rest of the population ... , shall not be considered as an act of discrimination." 72 Art. 12 Abs. 2: "Measures taken for the sole purpose of protecting ethnic groups ... and ensuring that they are granted equal rights and treatment with respect of the rest of the population in the administrative, political, economic, social and cultural fields and in other spheres shall not be considered as discrimination." 73 Vgl. Lerner (Anm. 9), 35. 74 Vgl. Anm. 20. 7S Vgl. aber Art. 19 der Banjul-Charta. 76 Das Recht auf Bestandsschutz ist damit nicht nur ein negatorisches, sondern auch ein positives Recht. Minderheitenrechte können eingeteilt werden in negatorischen (keine staatlichen Eingriffe) und positiven (Schutz gegen private Eingriffe und unabhängige staatliche Förderungsmaßnabmen) Schutz. Eine genauere Untersuchung erfolgt in Kapitel 3; vgl. für eine generelle Begründung der Notwendigkeit von positiven Rechten Henry

B. Bereiche kollektiven Schutzes

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derheitenschützende Völkerrechtsnonnen auf ihren Gehalt bezüglich des Bestandsschutzes zu untersuchen.

1. Art. 27 I P B ü r g Art. 27 IPBürg sieht vor, daß "In those States in which ethnic, religious or linguistic minorities exist, persons belonging to such minorities shall not be denied the right, to enjoy their own culture, to profess and practice their own religion, or to use their own language. ,m Bis in die jüngste Zeit ist diese Vorschrift so verstanden worden, daß individuelle Angehörige von Minderheiten und nicht die Gruppe als solChe geschützt werden solle. 78 Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine moderne Auslegung Art. 27 auch so verstehen kann, daß er ein kollektives Recht, zumindest aber eine kollektive Staatenverpflichtung beinhaltet.

a) Wortlautauslegung Gern. Art. 27 IPBürg darf ,,Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden", geschützt zu werden. Auf den ersten Blick könnte man aus diesem Wortlaut schließen, daß Art. 27 nur das Individuum schützen wolle. 79 Es sollte aber nicht vergessen werden, daß Art. 27 auch ein kollektives Element ent-

Shue, Basic Rights: Subsistence, Affluence, and V.S. Foreign Policy, Princeton 1980, der argumentiert, daß ein "right to subsistence" aus der Menschenwürde folgt. 77 Weder die AMRK noch die EMRK enthalten eine Bestimmung zum Schutz von Minderheiten, vgl. Bruno de Witte, Surviving in Babel? Language Rights and European Integration, IsraelYHR 21 (1991), 103 - 126, 105; Paul Widmer, Europäische Bemühungen zur Lösung von Minderheitenfragen, Europa-Archiv 48 (1993), 265 - 276, 266. 78 Vgl. etwa loseph Pestieau, Minority Rights: Caught between Individual Rights and Peoples' Rights, CanadianJU 4 (1991), 361 ff., 364 - 365; Robert G. Wirsing, Dimensions of Minority Protection, in: ders. (ed.), Protection of Ethnic Minorities, Comparative Perspectives, New York/Oxford/Toronto/SydneylParis/Frankfurt 1981, 3 - 17, 9; Karl lose! Partsch, Gedanken zum Schutz ethnischer und sprachlicher Minderheiten, in: Wilfried Fiedler/Georg Ress (Hrsg.), Verfassungsrecht und Völkerrecht, Gedächtnisschrift für Wilhelm Karl Geck, KölnlBerlinIBonnlMünchen 1989, 581 - 592, 582; Francesco Capotorti, Minorities, in: Rudolf Bemhardt u. a. (eds.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. 8, AmsterdarnlNew York/Oxford 1985,385 - 395, 389; Isse Omanga Bokkatola, L'Organisation des Nations Vnies et la Protection des Minorites, Bruxelles 1992, 197. 79 So etwa Patrick Thomberry, International Law and the Right of Minorities, Oxford 1991,173.

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

hält, da das Recht nur "gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe" geschützt wird. 80 Es stellt sich die Frage, wie dieses kollektive Element zu verstehen ist. Unproblematisch ist zunächst, daß das Recht auf Minderheitenschutz nur besteht, wenn Individuen das Recht gemeinsam mit anderen ausüben wollen. 8i Das kollektive Element dient folglich dazu, den Gehalt des Rechts auf Minderheitenschutz auf seine kollektive Ausübung zu begrenzen, da individuelle Ausübung als nicht möglich erachtet wird. 82 Es gilt jedoch zu bedenken, daß die individuellen Rechte, eine Minderheitenreligion auszuüben oder sich einer Minderheitensprache zu bedienen, auch alleine ausgeübt werden können. So erfordern etwa das tägliche Gebet oder auch das Schreiben in einer Sprache nicht notwendigerweise die Anwesenheit anderer Angehöriger einer Gruppe. Einige neue Völkerrechtsinstrumente wie etwa Art. 3 G.Y. Dekl. 47/137 83 , Art. 32.6. Kopenhagen-Do~ , Art. 3 Abs. 2 der Europäischen Rahmenkonvention 8 Art. 20 Abs. 1 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages 86 und Art. 19 Abs. 2 des deutsch-ungarischen Freundschaftsvertrages87 ga-

s,

Vgl. Thomberry (Anm. 79), 173. Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 37; Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 63), 275: "As the right of assembly, or the right of association, is a right which an individual exercises in concert with others, similarly the effective enjoyment of cultural, religious and linguistic rights requires acting in common with others. "; Tretter spricht insofern von einem Tatbestandselement, das mit der grundrechtsdogmatischen Figur der "institutionellen Garantie" verglichen werden könne, vgl. Hannes Tretter, Der Schutz ethnischer Minderheiten durch kollektive und individuelle Rechte, in: Felix ErmacoraIHannes TretterlAlexander Pelzl (Hrsg.), Volksgruppen im Spannungsfeld von Recht und Souveränität in Mittel- und Osteuropa, Wien 1993, 164 - 179, 175 - 177. 82 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 37; Thomberry (Anm. 79), 173; Dinstein (Anm. 14), ICLQ 25, 120; James Crawford, The Rights of Peoples: Peoples or Govemments, in: ders. (ed.), The Rights of Peoples, Oxford 1988, 55 - 68, 60. 83 Art. 3 Abs. 1 G.V. Dekl. 47/137: "Persons belonging to minorities may exercise their rights including those as set forth in this Declaration individually as weIl as in community with other members of their group, without any discrimination." 84 Art. 32.6. des Kopenhagen-Dok.: " ... Persons belonging to national minorities can exercise and enjoy their rights individually as weIl as in community with other members of their group." Art. 3 Abs. 2 Entw. Zus. Prot. verwendet genau die gleiche Formulierung. 85 ,,Persons belonging to national minorities may exercise the rights and enjoy the freedoms flowing from the principles enshrined in the present framework Convention individually as weIl as in community with others." 86 "Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Polen, das heißt Personen polnischer Staatsangehörigkeit, die deutscher Abstammung sind oder die sich zur deutschen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen, sowie Personen deutscher Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die polnischer Abstammung sind oder die sich zur polnischen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen, haben das Recht, einzeln oder in 80 8i

B. Bereiche kollektiven Schutzes

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rantieren deshalb sowohl die individuelle als auch die kollektive Ausübung von Minderheitenrechten. Individuelle Ausübung ist dabei in einem engen Sinne zu verstehen. Wie bereits oben erörtert, sind für die Existenz einer Minderheit mehr als nur eine Person erforderlich. 88 Ob das kollektive Element auch so aufgefaßt werden kann, daß es ein kollektives Recht beinhaltet, läßt sich aus dem Wortlaut alleine nicht schließen. 89

b) Systematische Auslegung90 Art. 1 IPBürg und Art. 1 des 1. Fakultativprotokolls könnten so verstanden werden, daß sie die Bedeutung von Art. 27 IPBürg auf ein Individualrecht begrenzen. Art. 1 IPBürg als einziges eindeutig kollektives Recht im Pakt hat seinen Platz in Abschnitt I, während die individuellen Menschenrechte in Abschnitt III zu finden sind. Dies könnte ein Hinweis auf ein individuelles Verständnis von Art. 27 IPBürg sein, der sich auch im Abschnitt III befindet. Auf der anderen Seite hat auch Art. 27 als letzte Vorschrift des Abschnitts III eine relativ unabhängige Stellung. Obwohl Art. 1 des 1. Fakultativprotokolls das Recht, Beschwerden vor den Menschenrechtsausschuß zu bringen91 , nur Einzelpersonen zugesteht, ist dieses ausschließliche Zugeständnis jedoch lediglich theoretischer Natur. Wie bereits erörtert, geht der Menschenrechtsausschuß seit der Lubicon Lake Band-Entscheidung davon aus, daß auch kollektive Garantien, die mit Individualrechten verknüpft sind, die Zuständigkeitshürde passieren können. 92 Schlußfolgernd kann daher festgestellt werden, daß auch die systematische Auslegung nicht zu einem befriedigenden Auslegungsergebnis führt. Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ihre ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln, frei von jeglichen Versuchen, gegen ihren Willen assimiliert zu werden .... " 87 "Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Ungarn haben demzufolge insbesondere das Recht, einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ... "; ebenso Art. 20 Abs. 2 des deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrages sowie Art. 15 Abs. 2 des deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrages. 88 V gl. Kapitel I, Text bei Anm. 43/44. 89 Vgl. Ermacora (Anm. 42), RdC 182,322. 90 Der Begriff systematische Auslegung wird hier für eine Auslegung einer Vorschrift in ihrem Zusammenhang (Struktur des gesamten Vertrages) verwandt; siehe Art. 31 WVK; zur Bedeutung der Struktur rechtlicher Dokumente im nationalen Recht vgl. eharles L. Black, Structure and Relationship in Constitutional Law, Boston 1969. 91 Vgl. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 63), 274. 92 Vgl. Text bei Anm. 55 - 61.

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

c) Auslegung nach Sinn und Zweck

Sinn und Zweck von Art. 27 IPBürg ist es, Angehörige von Minderheiten effektiv zu schützen. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn nicht auch der Bestand der Minderheit als solcher garantiert wird. 93 Wäre ihr Bestand nicht geschützt, so könnten die den Angehörigen der Minderheiten zugesprochenen Rechte "be easily devoid of any substance. Endeavours to do away with an existing minority94 would infringe the rights of everyone pertaining to that minority."95 Selbst wenn manche Autoren argumentieren, daß unter Art. 27 IPBürg auch der Bestand von Minderheiten garantiert bzw. geschützt werden muß (im Sinne einer Staatenverpflichtung), so schrecken die meisten doch davor zurück, ein Recht der Minderheiten auf Bestandsschutz anzuerkennen. Als Hauptgrund führen sie an, daß Gruppen gemäß des Fakultativprotokolls keine Beschwerden vor den Menschenrechtsausschuß bringen können. 96 Zwei Einwände können gegen dieses Argument jedoch vorgebracht werden. Zum einen ist ein Staat nicht gezwungen, das Fakultativprotokoll zu ratifizieren, wenn er den Pakt ratifiziert. So ist zum Beispiel Deutschland immer noch nicht durch das Fakultativprotokoll gebunden. Ob ein Staat das Fakultativprotokoll ratifiziert oder nicht, sollte an der Rechtsqualität von Art. 27 IPBilig nichts ändern. Durch Ratifizierung des 1. Fakultativprotokolls würde aus einem mittelbaren Recht lediglich ein unmittelbares, da international einklagbares, Recht. 97 Zum anderen ist, selbst wenn ein Staat das 1. Fakultativprotokoll ratifiziert hat, dies ein überwindliches Hindernis. In der Lubicon Lake Band-Entscheidung hat der Menschenrechtsausschuß zur gleichen Zeit materiell einen kollektiven Bestandsschutz aus Art. 27 gefolgert und der Gruppe prozessual eine Beschwerdemöglichkeit zuerkannt. 98 Letzteres war dem Ausschuß aufgrund einer Verknüpfung der kollektiven Bestandsschutzgarantie mit den gleichzeitig verletzten Individualrechten der Angehörigen der Band möglich. Der Ausschuß hat somit die kollektive Bestandsschutzgarantie zumindest in die Nähe eines kollektiven Rechtes

93 Unter "garantiert" ist hier sowohl Schutz vor staatlichen als auch privaten Eingriffen zu verstehen. 94 Also sowohl private als auch staatliche Eingriffe. 9S Vgl. Tomusehat, in: FS Mosler (Anm. 53), 966, "By logical implication it can be inferred, therefore, that the existence is also protected as such."; Ermacora (Anm. 42), RdC 182,323. 96 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 53), 966; vgl. auch Ermacora (Anm. 42), RdC 182,324; Thomberry (Anm. 79),173. 97 Vgl. zu diesen Begriffen Text bei Anm. 26 - 31. 98 Vgl. Lubicon Lake Band (Anm. 42), 27.

B. Bereiche kollektiven Schutzes

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gerückt. 99 Diese Entscheidung sollte sehr ernst genommen werden, da auch die nachfolgende Praxis bei der Anwendung eines Vertrages bei der Vertragsauslegung zu berücksichtigen ist. 100 Zwar ist auch argumentiert worden, die Lubicon Lake Band-Entscheidung sei lediglich als Anerkennung der Kategorie der kollektiven Rechte mit Individualbezug zu verstehen. Danach wäre die Beschwerde der Band nur die Summe der Beschwerden über Einzelrechtsverletzungen ihrer Angehörigen gewesen. 101 Es ist jedoch einzuwenden, daß es in der Lubicon Lake Band-Entscheidung nicht um die Verwirklichung von minderheitlichen Individualrechten, sondern um den Bestand der Band an sich ging. Der Ausschuß formulierte, daß die Entwicklungen "threaten the way oflife and culture ofthe Lubicon Lake Band."102 Die Bedrohung des Lebens und der Kultur der Band hatten einen Grad erreicht, in dem auch ihr Bestand als solcher gefährdet war. Die kanadische Regierung hatte der Band durch den Indian Act von 1970 und den Vertrag 8 vom 21. Juni 1899 im Norden Albertas einen relativen Autonomiestatus eingeräumt. 103 Sie hatte jedoch später der Provinzregierung von Alberta erlaubt, das Gebiet der Band zu enteignen und zur ÖI- und Gasförderung freizugeben. Durch diese Aktivitäten wurde der traditionelle Lebensraum und damit auch die wirtschaftliche Basis der Band zerstört. 104 Eine Gefahr für den Bestand der Band war folglich gegeben. Selbst wenn der Menschenrechtsausschuß aber den Bestand der Band als nicht gefährdet angesehen hätte, so wäre die weniger weitreichende Forderung der Band der Anspruch auf Achtung und Schutz ihrer Identität gewesen, gegen den die aufgetretene Bedrohung des Lebens und der Kultur der Band jedenfalls verstieß. Es zeigt sich somit, daß es der Lubicon Lake Band in den Verfahren um eine Bestätigung ihrer kollektiven Rechte ging. Der Menschenrechtsausschuß erkannte diesen Anspruch teilweise an, indem er darauf hinwies, daß die Bedrohung des Bestandes der Band an sich eine Verletzung von Art. 27 beinhalte. Er ging allerdings nicht so weit, aus Art. 27 ein kollektives Recht von Minderheiten auf Bestandsschutz zu folgern. 99 Im Ergebnis so auch Manfred Nowak, UN Covenant on Civil and Political Rights, CCPR Commentary, Kehl/StrasbourglArlington 1993, Art. 27 para. 37. 100 Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK. 101 Vgl. de Zayas, in: BrölmannlLeJeberfZieck (eds.), (Anm. 61), 265, der sich auf eine Passage des Entscheidungstextes stützen kann, in dem es heißt, daß "there is, however, no objection to a group of individuals, who claim to be similarly affected, collectively to submit a communication about alleged breaches of their rights.", Lubicon Lake Band (Anm. 42), 27. 102 Lubicon Lake Band (Anm. 42), 27. 103 Lubicon Lake Band (Anm. 42), 2. 104 Lubicon Lake Band (Anm. 42), 2.

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

Das Ziel von Art. 27 IPBürg ist der effektive Schutz von Angehörigen von Minderheiten. Die Angehörigen einer Minderheit können aber nur effektiv geschützt werden, wenn zur gleichen Zeit die Minderheit als Gesamtheit eine Möglichkeit hat, gegen eine Verletzung der Bestandsschutzgarantie vorzugehen. 105 Aus dem Sinn und Zweck des Art. 27 ergibt sich somit, daß Art. 27 eine enge Verknüpfung von Individualrechten und kollektiver Bestandsschutzgarantie erforderlich macht. Die Verknüpfung rückt dabei in die Nähe eines kollektive Rechtes auf Bestandsschutz. Ein rein kollektives Recht ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Art. 27 jedoch nicht.

d) Vorbereitungsarbeiten Dieses Ergebnis wird durch einen Blick auf die Vorbereitungsarbeiten noch verstärkt. Ein sowjetischer Entwurf ebenso wie das Originalkonzept der Sub-Comrnission sahen vor, die Minderheiten als ganzes und nicht nur ihre Angehörigen zu schützen. Diese Entwürfe wurden zugunsten der gemischt kollektiv-individuellen Formulierung von heute aufgegeben. 106 Eine oft geäußerte Besorgnis, die mit zu der 105 Vgl. Peter Pemthaler, Gruppenschutz im Volksgruppenrecht und seine Verbindung zum individuellen Minderheitenschutz, in: Theodor Veiter (Hrsg.), System eines internationalen Volksgruppenrechts, 2. Bd., Wien 1972,93: .. Nur wenn die Volksgruppe in ihrer spezifischen Existenz geschützt ist, kann sinnvollerweise über Rechte der Volksangehörigen gesprochen werden. Bildet die Existenz der Volksgruppe als solche die conditio pro quam des Status ..Volksgruppenangehöriger", dann folgt daraus auf der Ebene des Rechtsschutzes logischerweise die Priorität des kollektiven vor dem individuellen Volksgruppenschutz."; ähnlich Rainer Amold, Probleme der Individual- und Kollektivrechte im Völkerrecht, in: Manfred AbeleiniOtto Kimminich (Hrsg.), Studien zum Staats- und Völkerrecht, FS für Hennann Raschhofer, Amberg 1977, 27 - 42, 40; selbst Ennacora (Anm. 42), RdC 182, 324, anerkennt diese Möglichkeit; Kay Hailbronner, The Legal Status of Population Groups in a Multinational State under Public International Law, in: Dinstein/Tabory (eds.), (Anm. 40), 117 - 144, 133: ..... protection of the rights of the individual member of a population group as defined in Art. 27 requires recognition of collective rights of ethnic groups, since cultural traditions and institutions can be maintained only on a collective basis. Therefore the rule is that States must not deny the right of the individuals to enjoy the values of their communities and, in so doing, protect the very existence of the communities thernselves."; in seinem Resultat mit diesem Ergebnis auch Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 37; Kay Hailbronner, Der Schutz der Minderheiten im Völkerrecht, Zum Problem besonderer politischer Repräsentationsrechte von Minderheiten, in: Walter HalierlAlfred KölziGeorg MüllerlDaniel Thürer (Hrsg.), FS für Dietrich Schindler zum 65. Geb., BasellFrankfurt am Main 1989,75 - 96, 95; abweichender Meinung sind die Vertreter der klassischen Ansicht, wonach Art. 27 nur Individuen schützt, vgl. Anm. 78. 106 Siehe Report ofthe Sub-Commission, UN Doc. E/CN.4/358, paras. 39 - 48; Ermacora (Anm. 42), RdC 182,322; Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 31; Francesco Capotorti,

B. Bereiche kollektiven Schutzes

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gemischten Fonnulierung beitrug, war, daß ein effektiver und kollektiver Schutz von Minderheiten die nationale Einheit vieler Staaten gefährden könne. 107 Weiter wurde nicht nur befürchtet, daß Minderheiten die Befugnis verliehen werde, ihre Rechte vor den zuständigen internationalen Einrichtungen wie etwa dem Menschenrechtsausschuß geltend zu machen, sondern auch, daß ihnen damit zugleich auch völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit zugesprochen würde. lOS Der britische Delegierte schlug schließlich die gemischte Vorschrift von heute vor, um das Konzept der Gruppe zu erhalten und einen Kompromiß zwischen dem kollektiven und dem individuellen Ansatz zu finden. 109 Ergebnis der Verhandlungen war, daß Art. 27 eindeutig kollektivrechtsfreundlicher fonnuliert wurde als die Minderheitenverträge von 1919-1939, die in der Theorie Minderheiten keine Rechte zugestanden hatten. 110 In der Realität jedoch erkannte der Völkerbund eine kollektive Petitionsmöglichkeit von Minderheiten an. l11 Schon zu Zeiten des Völkerbundes konnte folglich die nachfolgende Vertragspraxis den Gehalt von Verträgen ändern. Es läßt sich daher der Schluß ziehen, daß auch die Vorbereitungsarbeiten letztlich die Möglichkeit der Geltendmachung einer kollektiven Bestandsschutzgarantie andeuten, welche dann später in der Vertragspraxis entwickelt wurde.

e) Auslegungsergebnis

Auslegungsergebnis von Art. 27 IPBürg ist, daß er Minderheiten noch kein kollektives Recht auf Bestandsschutz gewährt. Durch die enge Verknüpfung von

Study on the Rights of Persons Belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. FlCN.41Sub.2/384/Rev.l, 35; Thomberry (Anm. 79), 173, 174. 107 Vgl. Capotorti (Anm. 106),35; Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 31; Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 63), 274. \08 Vgl. Capotorti (Anm. 106),35; Thomberry (Anm. 79),173,174; Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 63), 274. 109 Vgl. Ermacora (Anm. 42), RdC 182,322; Thomberry (Anm. 79),173; vgl. zu den Vorbereitungsarbeiten auch Marc J. Bossuyt, Guide to the "Travaux Preparatoires" of the International Covenant on Civil and Political Rights, DordrechtIBostonILancaster 1987, 494. 1\0 Vgl. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 63), 274; Thomberry (Anm. 79), 174. 111 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 31; Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 63), 274; vgl. auch Erich H. Pircher, Der vertragliche Schutz ethnischer, sprachlicher und religiöser Minderheiten im Völkerrecht, Bern 1979, 25; D. de Azcarate, League ofNations and National Minorities, Washington 1945, 102.

78

Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

Individualrechten mit objektiver Garantie rückt der Bestandsschutz aber zumindest in die Nähe eines kollektiven Rechts. 112

2. Andere Vorschriften An die Auslegung des Art. 27 IPBürg schließt sich eine Untersuchung der neuen Instrumente des völkerrechtlichen Minderheitenschutzes an.

a) Vorschriften multilateraler Art

Sowohl Art. 1 G.V. Dekl. 47/137 113 als auch Art. 33 Kopenhagener Dok!14 , beides Regelungswerke unverbindlicher Art, erwähnen den Bestandsschutz der Minderheiten als ganze, formulieren die Schutzbestimmung jedoch als eine Staatenverpflichtung und nicht als ein kollektives Recht der Minderheiten. Die Europäische Rahmenkonvention enthält als noch unverbindliches Regelungswerk hingegen nicht einmal eine ausdrückliche kollektive Staatenverpflichtung zum Bestandsschutz von Minderheiten. Sie folgt damit nicht Art. 3 Vorschl. Europ. Konv., der ein kollektives Recht von Minderheiten auf Bestandsschutz beinhaltet. lls Art. 13 Vorschl. Europ. Konv. unterstützt dieses Recht auf Bestandsschutz mit einer Verpflichtung der Staaten, sich einer auf Assimilierung gerichte-

112 Vgl. auch Nowak, in: BrölmannlLefeberlZieck (eds.), (Anm. 17), 106, der einen Beweis für diese weite Auslegung in der Annahme eines Entwurfs einer Minderheitendeklaration durch den Menschenrechtsausschuß sah, der später zur Deklaration 47/137 wurde. Nowak stellt richtig fest, daß der unter Art. 27 gewährte Schutz nicht so schwach ist wie oft angenommen, ders., 104; für ein entgegengesetztes Ergebnis vgl. Silvia Beatriz Blumkin, Protection of Minorities: For Individuals or Groups?, in: Satish Chandra (ed.), International Protection of Minorities, New Delhi 1986, 1 - 46, 15; sowie die bereits genannten Autoren, vgl. Anm. 78. 113 Art. 1: ,,1. States shall protect the existence ... of minorities within their respective territories, ... 2. States shall adopt appropriate legislative and other measures to achieve those ends." 114 Art. 33: "The participating States will protectthe ... identity of national rninorities on their terri tory . . ." 1lS Art. 3 Abs. 1: "Minorities shall have the right to be protected against any activity capable of threatening their existence."

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ten Politik zu enthalten. 116 Insgesamt geht dies aber nicht viel weiter 1l7 als das, was die Auslegung von Art. 27 IPBürg ergeben hat. I 18

b) Vorschriften bilateraler Art Bei den neuen bilateralen Verträgen, die Minderheitenschutzbestimmungen enthalten, fällt zunächst auf, daß der deutsch-sowjetische Freundschaftsvertrag und der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag weder kollektive Rechte noch Staatenverpflichtungen hinsichtlich des minderheitenrechtlichen Bestandsschutzes enthalten. Der deutsch-ungarische Freundschaftsvertrag enthält jedoch die Bestimmung der rechtlichen Verbindlichkeit der Regelungen des Kopenhagener Dokuments 119, so daß insofern eine Staatenverpflichtung zu kollektivem Bestandsschutz besteht. Diese Verpflichtung ist zusätzlich auch ausdrücklich festgehalten. 12o Gleiches gilt für den deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrag l21 und den deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrag. 122

116 "States shall refrain from pursuing or encouraging policies aimed at the assimilation of minorities or aimed at intentionally modifying the proportions of the population in the regions inhabited by minorities."; dies geht jedoch nicht soweit, als daß positive staatliche Maßnahmen zum Schutz gegen private Eingriffe verlangt würden; vgl. zusätzlich den identischen Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 des FUEN-Entwurfs, Felix ErmacoraiChristoph Pan, Fundamental Rights of Ethnic Groups in Europe, Wien 1993,72. 117 Auch die FUEN formuliert kollektive Rechte in ihrem Draft of a Convention on the Fundamental Rights of Ethnic Groups in Europe. Art. 3 Abs. 1: "Ethnic groups shall have the right to be protected against any activity capable of threatening their existence."; vgl. ErmacoraiPan (Anm. 116),72. 118 Die Bestandsschutzgarantie gemäß Art. 27 IPBürg ist nur sinnvoll, wenn sie auch eine Garantie für Minderheiten beinhaltet, nicht von staatlichen Stellen assimilert zu werden. 119 Art. 19 Abs. 1: "Die Vertragsstaaten vereinbaren die rechtliche Verbindlichkeit des im Dokument des Kopenhagener Treffens über die menschliche Dimension der KSZE vom 29. Juni 1990 sowie in weiteren KSZE-Dokumenten niedergelegten Standards zum Schutze von nationalen Minderheiten." 120 Art. 19 Abs. 4 S. 1: "Die Republik Ungarn schützt und stärkt durch konkrete Förderungsmaßnahmen die Identität der deutschen Minderheit in der Republik Ungarn." 121 Art. 20 Abs. 1: "Die Vertragsparteien erfüllen mindestens die in den KSZE-Dokumenten, insbesondere dem Dokument des Kopenhagener Treffens über die menschliche Dimension der KSZE vom 29. Juni 1990, verankerten politischen Verpflichtungen als rechtlich verbindliche Verpflichtungen." 122 Art. 15 Abs. 1: ,,Die Vertragsparteien vereinbaren, die im Dokument des Kopenhagener Treffens über die menschliche Dimension der KSZE vom 29. Juni 1990 sowie in weiteren KSZE-Dokumenten niedergelegten Standards zum Schutze von Minderheiten als Recht anzuwenden."

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

c) Zwischenergebnis Eine Untersuchung der neuen Instrumente des völkerrechtlichen Minderheitenschutzes kommt somit zu Ergebnissen, die nicht sehr viel weiter reichen als das Auslegungsergebnis bei Art. 27 IPBürg.

3. Ergebnis für den kollektiven Bestandsschutz Zum Teil wird der kollektive Bestandsschutz von Minderheiten in völkerrechtlichen Instrumenten anerkannt. Einige Instrumente formulieren diesen Schutz als Staatenverpflichtungen, andere als kollektive Rechte von Minderheiten. Nur Art. 27 IPBürg etabliert jedoch eine bindende kollektive Bestandsschutzgarantie für Minderheiten, die international geltend gemacht werden kann. Das kollektive Recht bzw. die kollektive Verpflichtung auf Bestandsschutz ist mit Individualrechten verbunden. 111. Recht von Minderheiten auf Selbstbestimmung

Das nächste zu untersuchende kollektive Recht von Minderheiten ist das Recht auf (innere) Selbstbestimmung.

1. Art. 1 IPBürg

Der IPBürg soll als eines der wenigen universell bindenden völkerrechtlichen Instrumente im menschenrechtlichen Bereich erneut Ausgangspunkt der Untersuchung sein. Art. 1 Abs. 1 IPBürg sieht vor, daß "All peoples have the right of selfdetermination. " Zwei Probleme sind zu diskutieren, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob Art. 1 eine für den Minderheitenschutz anwendbare Vorschrift sein kann. Das erste Problem betrifft die Frage, ob Art. 1 IPBürg neben Völkern auch Minderheiten als Regelungsobjekt erfaßt. Das zweite Problem richtet sich auf die Frage, ob Art. 1 als auch die innere Selbstbestimmung erfassend ausgelegt werden kann.

a) Minderheiten als Völker? Erforderlich ist es zunächst, eine Unterscheidung zwischen den Begriffen ,,Minderheit" und "Volk" vorzunehmen. Parallel zu den Bemühungen um eine Defini-

B. Bereiche kollektiven Schutzes

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tion für den Begriff ,,Minderheit~' hat es auch Anstrengungen gegeben, eine präzise Definition für den Begriff "Volk" zu finden. 123 Diese Arbeit wird eine Definition zugrunde legen, die von einem weiteren Sonderberichterstatter der Sub-Commission, Aureliu Cristescu, entwickelt wurde. 124 Gemäß der Definition Cristescus kann ein Volk als eine soziale Einheit bezeichnet werden, die eine klare Identität hat, typische, gemeinsame Merkmale sowie eine Beziehung zu einem bestimmten Gebiet hat und die nicht Minderheit im Sinne von Art. 27 IPBürg ist. 125 Aus dieser Definition geht eindeutig hervor, daß Cristescu es nicht für möglich hielt, daß eine Gruppe die Voraussetzungen der "Minderheit" und des "Volkes" zur selben Zeit erfüllen könne. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Voraussetzungen dieser beiden Begriffe sind jedoch schwer auszumachen. 126 Dies gilt insbesondere, da über die Definition Cristescus hinaus auch für den Völkerbegriff ein subjektives Element des Zusammengehörigkeitsgefühls zu verlangen ist. 127 123 Vgl. Verdross/Simma (Anm. 1),317 - 318; weder Art. 1 IPBürg noch VN G.V. Res. 1514 (XV) vorn 14. Dezember 1960, Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples, beinhalten eine Definition. 124 V gl. Nowak (Anm. 6), Art. 1 para. 29, Art. 27 para. 11; Aureliu Cristescu, The Historical and Current Development of the Right to Self-Deterrnination on the Basis of the Charter of the United Nations and other Instruments adopted by United Nations Organs, with particular Reference to the Promotion and Protection of Human Rights and fundamental Freedoms, UN Doc. FJCN.4/Sub.21404Nol.1, para. 279: ,,(a) The term ,people' denotes a social entity possessing a clear identity and its own characteristics; (b) It implies a relationship with a territory, even if the people in question has been wrongfully expelled from it and artificially replaced by another population; (c) A people should not be confused with ethnic, religious or linguistic minorities, whose existence and rights are recognized in Art. 27 IPBürg."; es wird sofort klar, daß diese Definition sehr mehrdeutig ist und eine Reihe von Fragen offen läßt; ähnlich Hector Gros Espiell, Implementation of United Nations Resolutions Relating to the Right ofPeoples under Colonial and Alien Domination to Self-Determination, UN Doc. FlCN.4/Sub.2/404Nol.1, para. 56. 125 Vgl. aber Riedel (Anm. 12), BDGV 33,58/59, der den UNESCO-Kriterienkatalog zu den "Rechten der Völker", Schlußbericht und Empfehlungen eines Expertentreffens in Paris, 27. - 30.11.1989, SHS-89/Conf.60217, zitiert. Aus dem Katalog ergibt sich für den Volksbegriff zusätzlich ein subjektives Element: ,,( 1) Es muß sich um eine Gruppe von Einzelnen handeln, mit einer gemeinsamen geschichtlichen Überlieferung, rassischer oder ethnischer Identität, kultureller Gleichartigkeit, sprachlicher Einheit, religiöser oder ideologischer Verwandtschaft, Gebietsbezogenheit, mit einern gemeinsamen Wirtschaftsleben; (2) die Gruppe muß ferner eine gewisse Zahl aufweisen, die nicht sehr groß zu sein braucht (Pitcairn zählt nur 64 Einwohner); (3) die Gruppe muß als solche den Willen besitzen, als Volk identifiziert zu werden; (4) die Gruppe sollte auch über Einrichtungen und Mittel verfügen, um ihre Gemeinsamkeiten und ihre Gruppenidentität pflegen zu können." 126 Vgl. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 63),276. 127 Vgl. für den nach Ansicht seiner Vertreter deckungsgleichen Begriff der Volksgruppe Art. 2 Abs. I des FUEN-Entwurfs, ErmacoraiPan (Anm. 116), 71; Riedel (Anm. 12),

6 Niewenh

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

Es hat deshalb Versuche gegeben, die Unterschiede zwischen beiden Begriffen klarer abzugrenzen. Für die Fälle, in denen mehrere Gruppen in einem Staat nebeneinander leben, wurden zwei Bedingungen vorgeschlagen, die jede Gruppe erfüllen müsse, um sich als Volk qualifizieren zu können. Zum einen müsse eine Gruppe Teil eines Staates sein, der aus mehreren verschiedenen Gruppen gleicher Größe bestehe (nicht eines Staates, in dem es eine Mehrheits- und eine Minderheitsgruppe gebe). Zum zweiten müsse die nationale oder ethnische Gruppe verfassungsrechtlich anerkannt sein. 128 Diese zwei Bedingungen sind jedoch zu restriktiv. Eine bedeutende Minderheit kann, selbst wenn sie zahlenmäßig nicht mit der Mehrheitsbevölkerung vergleichbar ist, immer noch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturen aufweisen, die es möglich machen, sie als Volk zu bezeichnen. Die Bedingung, daß ein Volk (oder eine Minderheit) verfassungsrechtlich anerkannt sein muß, ist gefährlich, weil sie den Staaten Anreiz bieten könnte, eine Anerkennung der politischen Identität verschiedener Gruppen, die auf ihren Territorien leben, zurückzuhalten. 129 Weiter ist festzustellen, daß eine Unterscheidung von Minderheiten und Gruppen vergleichbarer Größe nicht überzeugend ist, da sich Größen von Gruppen ändern. Eine Minderheit kann zu vergleichbarer Größe anwachsen und umgekehrt. Diese Entwicklungen sollten die Benutzung des Begriffs Volk nicht beeinflus-

BDGV 33, 70171; Theodor Veiter, Nationalitätenkonflikt und Volksgruppenrecht, 2. Aufl., München 1984, 163; für das Staatsvolk zum einen Delbrück, der insbesondere für das Staats volk in am ius soli-Prinzip orientierten Einwanderungsstaaten, den sogenannten "offenen Republiken", ein Mindestmaß an Zusammengehörigkeitsgefühl bzw. Loyalität dem Staat gegenüber verlangt und z. B. hinsichtlich der USA auf den Konsens der US-Bürger bezüglich bestimmter Grundwerte wie etwa der "equal citizenship" hinweist, vgl. lost Delbrück, Global Migration - Immigration - Multiethnicity: Challenges to the Concept ofthe Nation-State, Indiana Journal ofGlobai Legal Studies 2 (1994), 46 - 64, 52/53; ders., Das Staatsvolk und die "Offene Republik", Staatstheoretische, völker- und staatsrechtliche Aspekte, in: Ulrich BeyerliniMichael BothelRainer HoJmanniEmst-Ulrich Petersmann (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, Völkerrecht, Staatsrecht, Europarecht, FS für Rudolf Bemhardt, Berlin 1995, 777 - 796, 7871788; vgl. für den Begriff der "offenen Republik" auch Dieter Obemdörfer, Die offene Republik - Zur Zukunft Deutschlands und Europas, FreiburglBasellWien 1991; zum anderen Rudolf Smend, dessen Integrationslehre die geistige Integration der Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellt, Staatsrechtliche Abhandlungen, Berlin 1955, 136 ff., 138. 128 Vgl. Antonio Cassese, The Self-Determination of Peoples, in: Henkin (ed.), (Anrn. 63), 92 - 113, 95. 129 Vgl. Alexandre Charles Kiss, The Peoples' Rights to Self-Determination, HRLJ 7 (1986), 165 - 175; 173; Nowak (Anm. 6), Art. I para. 29; Capotorti (Anm. 106), para. 570; Thomberry (Anm. 79),157; Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 63), 282.

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sen.!30 Ein weiteres Argument gegen das Erfordernis vergleichbarer Größe ist, daß autochthone Völker in jedem Fall nicht von vergleichbarer Größe sind und dennoch als Völker eingeordnet werden. Ergebnis ist, daß als Arbeitsgrundlage an den Definitionen Capotortis und Cristescus festgehalten werden sollte. Jede Gruppe ist darauf hin zu untersuchen, ob die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Da es sich bei den Begriffen ,,Minderheit" und "Volk" jedoch nicht um klar voneinander abgrenzbare Definitionen handelt!3!, kann es im Einzelfall möglich sein, daß eine Gruppe die Voraussetzungen beider Definitionen, also der Minderheit und des Volkes, erfüllt. 132 Ein gutes Beipiel für die Erfüllung sowohl der Voraussetzungen der Minderheit als auch des Volkes ist das Volk der Kurden, das sowohl im Irak als auch in der Türkei, in Syrien und im Iran eine Minderheit bildet. Möglich ist auch, daß ein Teil eines Volkes in einem Staat die Mehrheitsbevölkerung bildet, während ein anderer Teil in einem anderen Staat in der Minderheit ist. Ein Beispiel hierfür ist das Volk der Russen, das in Rußland selbst in der Mehrheit, in den baltischen Staaten aber in der Minderheit ist. 133 Wie bereits erörtert, sind die Definitionen der Begriffe Minderheit und Volk voneinander zu unterscheiden. Da es aber möglich ist, gleichzeitig die Voraussetzungen beider Definitionen zu erfüllen, ist der Schluß zu ziehen, daß Minderheiten

!30 Vgl. Dinstein (Anm. 14), ICLQ 25, 109 - 110; Nowak (Anm. 6), Art. 1 para. 30; Capotorti (Anm. 106), para. 510; Juha Saho, Self-Detennination: An Overview of History and present State with Emphasis on the CSCE Process, FinnishYIL 2 (1991), 268 - 354. 13! Bei der Annahme der zusätzlichen Qualifikation als Volksgruppe wie bei Veiter (Anm. 127), 163, und Ennacora (Anm. 42),102, wird der Unterschied zwischen Minderheiten- und Volksbegriff vollends verwischt, vgl. Riedel (Anm. 12), BDGV 33, 62. 132 In die gleiche Richtung fan Brownlie, The Rights of Peoples in Modem International Law, Bulletin of the Australian Society of Legal Philosophy 1985, 117 ff., 117: "The issue of self-detennination, the treatment of rninorities and the status of indigenous populations are the same and the segregation of topics is an impediment of fruitful work. "; Ramcharan weist auf eine Fonnulierung in der Erklärung der Rechte der Völker Rußlands vom November 1917 hin; Ermacora (Anm. 42), RdC 182, 327, 328: "The argument that a people should not be confused with rninorities and that since Art. 27 IPBürg contains provisions in favour of rninorities, Art. I should not be applied to rninorities is not acceptable. Both provisions do not exc1ude each other from the ratione personae point of view. A rninority can well be considered a people if a given minority fulfills the requirements of a people."; ebenso Yoram Dinstein, Collective Human Rights of Peoples vis-a-vis Minorities, in: Satish Chandra (ed.), Minorities in National and International Laws, New Delhi 1985, 71 93; vgl. aber Partsch (Anm. 4), HRU 7, 182. 133 Vgl. zu diesen Beispielen etwa Yoram Dinstein, The Degree of Self-Rule of Minorities in Unitarian and Federal States, in: Brölmann/Lejeber/Zieck (eds.), (Anm. 8), 221 235,225. 6*

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das Recht auf Selbstbestimmung gern. Art. 1 IPBürg dann zusteht, wenn sie die Voraussetzungen eines Volkes erfüllen. Gegen dieses Ergebnis wendet Cassese ein, daß eine Minderheit, selbst wenn sie die Voraussetzungen eines Volkes erfüllt, dennoch nicht ein Recht auf Selbstbestimmung beanspruchen kann. Er unterstützt seine These damit, daß "the preparatory record is quite clear on this point. The draftsmen, and the participating states generally, intended to rule out the rights of self-determination for minorities out of fear that this could disrupt and dismember sovereign states. ,,134 Cassese ist entgegenzuhalten, daß die Vorbereitungs arbeiten nur dann zur Auslegung zusätzlich herangezogen werden, wenn die Auslegung nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck kein ausreichendes Ergebnis erbringt. Für das Vorliegen der Voraussetzungen der in Art. 1 und 27 enthaltenen Begriffe "Volk" und "Minderheit" müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. 13S Wenn diese Anforderungen erfüllt sind, ist nicht ersichtlich, warum sich nicht auch eine Minderheit als Volk qualifizieren kann. 136

b) Innere Selbstbestimmung Weiter ist jedoch für die Anwendbarkeit von Art. 1 IPBÜfg auf Minderheiten auch erforderlich, daß er ein Recht auf innere Selbstbestimmung garantiert. Das völkerrechtliche Selbstbestimmungsrecht kann in ein äußeres und ein inneres Selbstbestimmungsrecht unterteilt werden. 137 Ersteres erfaßt den Anspruch auf volle Unabhängigkeit, letzteres den Anspruch auf eine bestimmte Rechtsstellung innerhalb eines Staates. 138

134 Vgl. Cassese in: Henkin (ed.), (Anm. 128),97; gegen dieses Argument spricht, daß das Selbstbestimmungsrecht nach überwiegender Ansicht kein Recht auf Sezession entält, vgl. für eine ausführliche Erörterung Text bei Anm. 141 - 144; hier aber bereits Theodor Veiter, Volksgruppenrecht und Selbstbestimmungsrecht als Menschenrecht, in: Gottfried ZieglerlBoris MeissnerlDieter Blumenwitz (Hrsg.), Deutschland als Ganzes, FS für Herbert Czaja, Köln 1985,81 - 100,85 ff. 135 Vgl. für die Voraussetzungen von Minderheiten Kapitel I, Text bei Anm. 30, für die Voraussetzungen von Völkern Text bei Anm. 124 - 127. 136 In diesem Sinne auch Asbjoern Eide, Proteetion of Minorities, Possible Ways of facilitating the peaceful and constructive solution of problems involving minorities, UN Doc. FlCN.4/Sub.2/1993/34, 9. 137 Zu dieser Unterscheidung Aldo Virgilio Lombardi, Bürgerkrieg und Völkerrecht, Berlin 1976, 181 ff.; Verdross/Simma (Anm. 1), § 513. 138 Vgl. Verdross/Simma (Anm. 1), § 513.

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(1) Exkurs: Problematik äußerer Selbstbestimmung Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, sich näher mit der Frage der äußeren Selbstbestimmung zu befassen. Einige klärende Bemerkungen erscheinen jedoch erforderlich. Zwar ist völkerrechtlich generell das Recht der Völker auf Unabhängigkeit anerkannt. Zu bedenken ist jedoch, daß sich bezüglich des Unabhängigkeitsrechts ein sogenanntes offensives und ein defensives Selbstbestimmungsrecht gegenüber stehen. 139 Im Fall des offensiven Selbstbestimmungsrechts geht es um die Veränderung, im Fall des defensiven Selbstbestimmungsrechts um die Erhaltung eines Territorialstatus. Beide Prinzipien können sich in bestimmten Situationen diametral entgegenstehen, in denen sich beide Seiten auf das Selbstbestimmungsrecht berufen. 140 Zur Lösung dieses Konflikts dient das völkerrechtliche Prinzip, daß ein Recht von Völkern auf äußere Selbstbestimmung dann nicht besteht, wenn dadurch die territoriale Integrität eines bestehenden Staates gefährdet würde. 141 So sieht etwa die Friendly Relations Declaration der VN-Generalversammlung vor, daß die territoriale Integrität von bestehenden Staaten nicht gefährdet werden darf. 142 Das Prinzip der territorialen Integrität bestehender Staaten ist nicht nur in der Friendly Relations Declaration, sondern auch in Art. 2 Abs. 4 der VN-Charta zu finden.

139 Vgl. Eckart Klein, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die deutsche Frage, Berlin 1990,44; Dietrich Murswiek, Offensives und defensives Selbstbestimmungsrecht, Zum Subjekt des Selbstbestimmungsrechts der Völker, Der Staat 23 (1984), 523 - 548, 532 f. 140 Vgl. Christoph Gusy, Selbstbestimmung im Wandel, Von der Selbstbestimmung durch den Staat zur Selbstbestimmung im Staat, AVR 30 (1992),385 - 410, 399/400. 141 Vgl. Verdross/Simma (Anm. 1),318; Hans Reinhard, Rechtsgleichheit und Selbstbestimmung der Völker in wirtschaftlicher Hinsicht, Berlin 1980, 9; Kiss (Anm. 129), HRLJ 7,173; Ermacora (Anm. 42), RdC 182,329,330; Cristescu (Anm. 124), para. 79; Thomberry (Anm. 79),9 - 11; Alexis Heraclides, The Self-Determination of Minorities in International Politics, London 1991,21; Jean Charpentier, Autodetermination et decolonisation, in: ders. (ed.), Le Droit des peuples adisposer d'eux memes, Methodes d'analyse du droit international, Melanges offerts a Charles Chaumont, Paris 1984, 117 - 133, 127; für eine Untersuchung von Problemen des äußeren Selbstbestimmungsrechts aus der jüngeren Zeit siehe Peter Coulmas, Das Problem des Selbstbestimmungsrechts, Europa-Archiv 48 (1993),85 - 92. 142 VN G.V. Deklaration 2625 (XXV) vom 24. Oktober 1970: "Nothing in the foregoing paragraph, shall be construed as authorizing or encouraging any action which would dismember or impair, totally or in part, the territorial integrity or political unity of sovereign and independent States conducting themselves in compliance with the principle of equal rights and self-determination of peoples as described above and thus possessed of a government representing the whole people belonging to the territory without distinction as to race, creed or colour."

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

Fälle von Kolonien und Treuhandgebieten sind die einzigen Ausnahmen zu der Regel, daß ein Recht auf Sezession im Völkerrecht nicht existent iSt. 143 Überdies ist ein Recht auf Sezession auch nicht aus den Ereignissen der jüngsten Zeit in Osteuropa entstanden. Vielmehr ist die Ansicht der Staatenmehrheit, daß es kein Recht auf Sezession gibt, erneut bestärkt worden. Während des Sezessionsprozesses der baltischen Staaten von der Sowjetunion und auch der Auflösung des ehemaligen Jugoslawiens war die internationale Staatengemeinschaft zunächst nicht bereit, die neuen unabhängigen Staaten anzuerkennen. Die Anerkennung der baltischen Staaten erfolgte schließlich vor allem aufgrund der völkerrechtswidrigen Annexion dieser Staaten durch die Sowjetunion während des 2. Weltkriegs. Die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens erfolgte erst, als klar wurde, daß diese Staaten ohnehin alle Elemente der Staatsqualität aufweisen konnten. 144 Die Anerkennung war also Reaktion auf faktische bzw. historische Gegebenheiten und nicht Bestätigung eines Rechts. (2) Problematik innerer Selbstbestimmung Es stellt sich die Frage, ob Art. 1 IPBürg Minderheiten, die auch Volksqualität haben, ein Recht auf innere Selbstbestimmung verleiht. Unter innerer Selbstbestimmung ist dabei je nach Situation entweder territoriale Autonomie oder lokale Selbstverwaltung zu verstehen. Innere Selbstbestimmung kann jedoch auch lediglich politische Mitwirkung meinen.

(a) Territoriale Autonomie bzw. Selbstverwaltung

Zunächst ist kurz darauf einzugehen, was unter den Begriffen territoriale Autonomie bzw. lokale Selbstverwaltung zu verstehen ist. Generell läßt sich sagen, daß territoriale Autonomie bzw. Selbstverwaltung Handlungsfreiheit in allen inneren Angelegenheiten bedeutet, während alle äußeren Angelegenheiten in der Zustän-

143 Vgl. Riedel (Anm. 12), BDGV 33, 57; Verdross/Simma (Anm. I), 320; Reinhard (Anm. 141), 9, Anm. 9; statt vieler gegen ein Recht auf Sezession Thomas M. Franck, Postmodern Tribalism and the Right to Secession, in: BrälmannlLeJeberfZieck (eds.), (Anm. 8),3 - 27. 144 Vgl. Hermann Weber, Der Jugoslawienkonflikt und die Grenzen des Selbstbestimmungsrechts der Völker, Humanitäres Völkerrecht 1993,4 - 13, 10. Lediglich die Anerkennung Bosnien-Herzegowinas könnte für ein Recht auf Sezession sprechen, da zweifelhaft ist, daß Bosnien-Herzegowina bisher Staatsqualität erlangt hat, vgl. Weber, ebda., 8 ff.

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digkeit des Staates verbleiben. 14j Territoriale Autonomie bzw. Selbstverwaltung geben dichten Minderheitenbevölkerungen die Möglichkeit, eine Politik durchzusetzen, die ihren Bedürfnissen entspricht. 146 Voraussetzung für die Zuerkennung territorialer Autonomie ist prinzipiell, daß die Minderheit in einer bestimmten Region die Mehrheit bildet. 147 Es stellt sich dementsprechend die Frage, wie die Aufteilung der Regionen in einem Staat zu bestimmen ist. Staaten sollten soweit wie möglich die Minderheitenbevölkerung bei der Aufteilung des nationalen Territoriums in Regionen und andere Untergliederungen mit berücksichtigen. 148 Für die Zuerkennung von Selbstverwaltung ist das Mehrheitserfordernis jedoch nicht unbedingt erforderlich. Eine Unterscheidung zwischen territorialer Autonomie und Selbstverwaltung wird dabei hauptsächlich durch den Grad aktueller und formaler Unabhängigkeit der untergeordneten Einheit im politischen Entscheidungsfindungsprozess bestimmt. Lillich und Hannum haben als wesentliche Voraussetzungen für die territoriale Autonomie grundlegende legislative, exekutive und judikative Befugnisse der unteren Einheit entwickelt. 149 Diese Befugnisse müssen über das Maß der sonst üblichen Befugnisse für regionale bzw. lokale Körperschaften bzw. Verwaltungseinheiten hinausgehen. 1jO 145 Eine Unterscheidung zwischen Autonomie und lokaler Selbstverwaltung ist schwer zu treffen, da eine große Vielzahl von Begriffen verwendet wird, ohne daß dadurch eine klare Aussage über Grad oder Typ der Autonomie gemacht würde, vgl. Richard Lillichl Hurst Hannum, The Concept of Autonomy in International Law, AJIL 74 (1980),856889,860; Otto Kimminich, Die Staatensouveränität wird durchlässig, Vereinte Nationen 41 (1993),5 - 10,9, verwendet den Begriff "föderale Lösung" im Zusammenhang mit Autonomie. 146 Siehe für eine Analyse des Rechts auf Selbstbestimmung von autochthonen Völkern Lars Adam Relof, Human Rights and Self-government for indigenous peoples, NordicJIL 61 (1992), 18 ff.; Gudmundur Alfredsson, Zwischen Unterdrückung, Selbstverwaltung und Unabhängigkeit, Über das Selbstbestimmungsrecht der autochthonen Völker, Vereinte Nationen 41 (1993), 17 - 21; ders., Greenland and the Law of Political Decolonization, GYlL 25 (1982), 290 - 308, 290 ff. 147 Vgl. Dinstein, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 133),223/224. 148 Vgl. Art. 14 Abs. 2 Vorseh!. Europ. Konv.: "As far as possible, States shall take minorities into account when dividing the national territory into political and administrative sub-divisions, as weil as into constituencies."; siehe auch Rainer Hofmann, Minderheitenschutz in Europa, Überblick über die völker- und staatsrechtliche Lage, ZaöRV 52 (1992), 1 - 69,19; wenn Regionen bereits bestehen, ohne daß Minderheiten berücksichtigt worden sind, so sollte die Aufteilung der Regionen, soweit möglich, im Sinne der Minderheiten geändert werden. 149 Vgl. LillichIHannum (Anm. 145), AJIL 74,887. 150 Vg!. Dieter Blumenwitz, Minderheiten- und Volksgruppenrecht, Aktuelle Entwicklung, Bonn 1992,72; Stefan Oeter, Minderheitenschutz im institutionellen Staatsaufbau, in: Jochen Abr. FroweiniRainer HofmanniStefan Oeter (Hrsg.), Das Minderheitenrecht euro-

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Werden der untergeordneten Einheit jedoch nur die sonst üblichen Gesetzgebungs- und Ausführungskompetenzen in Bereichen wie etwa Kultur, Bildung und Wissenschaft, Wirtschaft, lokale Verwaltung sowie Verwaltungsverfahren und -organisation, Raumordnung und Städtebau verliehen, so ist von allgemeiner Selbstverwaltung zu sprechen. 151 In ihr bestimmt die Minderheit nur deshalb das politische Geschehen, weil sie bei vorangegangenen Vertretungs wahlen die Mehrheit errungen hat. 152 Beispiele für Minderheiten, denen ein territorialer Autonomiestatus gewährt wurde, sind das Baskenland gemäß dem baskischen Autonomiestatut von 1979 153 , die Färöer-Inseln und Grönland l5 4, die Aaland-Inseln I55 , das Autonomiestatut für Korsika 156 sowie Südtirol. 157 Das Baskenland etwa ist mit weitgehenden Kompepäischer Staaten, 2. Teil, Berlin 1994, 492 - 541, 510 ff.; Asbjoem Eide, In Search of Constructive Alternatives to Secession, in: Christian Tomuschat (ed.), Modern Law of SelfDetermination, DordrechtIBostonlLancaster 1993,139 - 165, 170 ff. 151 V gl. zu diesen Kompetenzen, Stefan Oeter, Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Spanien, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), (Anm. 150), 1. Teil, Berlin 1993, 369 406, 402; Oeter, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), 2. Teil (Anm. 150), 507 - 509; Schmidt-lortzig hat die örtliche Selbstverwaltung mit menschlichem Solidaritätsbedürfnis sowie Integration, Teilhabe und Selbstgestaltung legitimiert, vgl. Edzard Schmidt-lortzig, Verfassungsmäßige und soziologische Legitimation gemeindlicher Selbstverwaltung heute, Hannover 1980, 16 - 21; ders., Subsidiaritätsprinzip und Grundgesetz, in: ders.lAlexander Schlink (Hrsg.), Subsidiaritätsprinzip und Kommunalordnung, KölnlStuttgartlBerlinlHannover/KieUMainzlMünchen 1982, 1 - 24. Insofern wird eine Parallele zum spezifischeren Minderheitenschutz sichtbar. 152 Eine andere, zweite Form der Selbstverwaltung sind sogenannte Minderheitenselbstverwaltungen, die unabhängig vom allgemeinen Verwaltungsaufbau ausschließlich mit den Interessen einer Minderheit beschäftigt sind. Sie werden bei der politischen Mitwirkung näher dargestellt, siehe das Beispiel Ungarn Text bei Anm. 171/172. 153 Autonomy Statute of the Basque Country, Organic Law 3/1979 vom 18. Dezember 1979, Text bei Hurst Hannum (ed.), Texts on Autonomy and Minority Rights, Dordrechtl BostonlLondon 1993, 156 ff.; Hofmann (Anm. 148), ZaöRV 52, 57 - 59; Alfons Benedikter, Die Autonomie als Mittel des Minderheitenschutzes am Beispiel Südtirol, in: Ermacora/TretterlPelzl (Hrsg.), (Anm. 81),303 - 312. 154 Vgl. Hofmann (Anm. 148), ZaöRV 52, 30/31. 155 Act on Autonomy of Aaland vom 16. August 1991/1144, Text bei Hannum (ed.), (Anm. 153), 117 ff. 156 Loi n° 91-428 vom 13. Mai 1991, am 9. Mai 1991 vom französischen Conseil Constitutionnel teilweise für verfassungswidrig erklärt, Decision n° 91-290 DC, vgl. Hofmann (Anm. 148), ZaöRV 52, 41; insbesondere verwies der Conseil Constitutionnel darauf, daß das Statut rein administrativen Charakter habe, gesetzgeberische Befugnisse würden nicht übertragen, vgl. lörg Polakiewicz, Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Frankreich, in: Frowein/Hofmann/Oeter (Hrsg.), 2. Teil (Anm. 150), 126 - 159, 158. 157 Autonomy Statute for the South Tyrol, 1 Raccolta Ufficiale delle Leggi 3136 (1972), No. 670, Text bei Hannum (Hrsg.), (Anm. 153),462 ff.; vgl. Hofmann (Anm. 148), ZaöRV

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tenzen in den sonst dem Zentralstaat zustehenden Bereichen Justizwesen, öffentliche Sicherheit und Erziehungswesen ausgestattet. 158 So verfügt es über die Gerichtshoheit in Zivil-, Straf- und Verwaltungssachen. Zudem ist das Baskenland auch mit eigener Polizeihoheit und sogar eigener Steuer- und Finanzhoheit ausgestattet. 159 Den Aaland-Inseln sind von Finnland ebenfalls weitgehende Kompetenzen in den Bereichen Erziehungswesen, kulturelle Angelegenheiten, Gesundheitswesen und Polizeiwesen zugestanden worden. 160 Darüber hinaus besitzen sie weiter eine eigene Staatsbürgerschaft und haben Befugnisse zur Regelung der HandeIsschiffahrt, im Bereich Post- und Radiowesen und in weiten Bereichen des Sozialwesens. 161 Ein Beispiel für allgemeine Selbstverwaltung besteht etwa in Belgien im Sprachgebiet der deutschen Minderheit. 162 Ein Rat der deutschsprachigen Gemeinschaft ist dort für die Belange der Gemeinschaft zuständig. 163 Die Bevölkerung der Gemeinschaft ist mehrheitlich deutsch-, teilweise aber auch französischsprachig. Der Rat tagt nichtsdestoweniger in deutscher Sprache. 164 Eine ähnliche Situation besteht in Polen, wo im Rahmen der allgemeinen lokalen Selbstverwaltung nach den Kommunalwahlen von 1992 in 30 Gemeinden um Oppeln und Ratibor deutschsprachige Bürgermeister gewählt wurden. 165 In Ungarn geht der Minderheitenschutz im Rahmen der lokalen Selbstverwaltung so weit, daß, wenn mehr als 50 % der gewählten Mitglieder der Vertretung Minderheitenkandidaten sind, die Gemeinde Befugnisse erhält, die über die Kompetenzen anderer Gemeinden hinausgehen. 166

52,43 - 46. 158 Vgl. Oeter, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), 1. Teil (Anm. 151),402. 159 Vgl. Oeter, in: FroweiniHofmanniOeter (Hrsg.), 1. Teil (Anm. 151),403. 160 Vgl. Rainer Hofmann, Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Finnland, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), 1. Teil (Anm. 151), 108 - 125, 122/123. 161 Vgl. Hofmann, in: FroweinIHofmann/Oeter (Hrsg.), 1. Teil (Anm. 160), 123/124. 162 Vgl. Hofmann (Anm. 148), ZaöRV 52, 28/29. 163 Vgl. Robert Mathiak, Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Belgien, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), 1. Teil (Anm. 151),1 - 61, 60/61. 164 Ebenso tagen auch manche Kleinstgemeinden in Schieswig-Hoistein in friesischer Sprache. Dies ist dort möglich, weil alle Gemeinderatsmitglieder der Minderheit angehören. Selbst dort, wo sich die Gemeinderats- bzw. Gemeinschaftsratsmitglieder der Minderheit lediglich in der Mehrheit befinden, sollten Sitzungen aber in der Minderheitensprache abgehalten werden können. 165 Vgl. Mahulena Hoskova, Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Polen, in: FroweiniHofmanniOeter (Hrsg.), 1. Teil (Anm. 151),258 - 307, 305/306. 166 "Minderheitenselbstverwaltung der Siedlung", vgl. Georg Nolte, Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Ungarn, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), 1. Teil (Anm. 151),501 - 536, 529.

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(b) Politische Mitwirkung In Gebieten jedoch, in denen die Minderheitenbevölkerung nicht in der Mehrheit ist, würden territoriale Autonomie oder Selbstverwaltung zu einer Fremdbestimmung der Mehrheitsbevölkerung führen und zudem auch nicht den Bedürfnissen der Minderheitenbevölkerung entsprechen. In diesen Fällen wird sich die Minderheit um politische Mitwirkung bemühen, um so sicherzustellen, daß ihre Interessen berücksichtigt werden. 167 Unter politischer Mitwirkung ist nicht die Mitwirkung jedes einzelnen Angehörigen einer Minderheit, also etwa Zugang zu öffentlichen Ämtern, zu verstehen, der durch ein effektives System von Nichtdiskriminierung bereits ausreichend geschützt sein sollte. Vielmehr ist Mitwirkung der Gruppe als ganzes gemeint, insbesondere bei Entscheidungen, die ihre Region betreffen, oder bei anderen sie betreffenden Fragen. 168 Dieses Ziel kann erreicht werden, indem Minderheitenorganisationen eine Rolle im Entscheidungsprozess von Gesetzgebung und Verwaltung eingeräumt wird. Beispiel für politische Mitwirkung an der Gesetzgebung ist die Befreiung des Südschleswigschen Wählerbundes (SSW) von der 5 %-Klausel bei Landtagswahlen in Schleswig-Holstein. 169 Beispiel für politische Mitwirkung an der Verwaltung ist eine Regelung in Südtirol, die besagt, daß 2/3 der öffentlichen Ämter mit deutschen Südtirolern besetzt werden müssen. 170 Eine besonders weitgehende Regelung besteht in Ungarn, wo, wenn 30 % Minderheitenkandidaten in eine Gemeindevertretung gewählt werden, diese Kandidaten innerhalb der Vertretung eine Minderheitenselbstverwaltungsgruppe bil167 Das Recht auf politische Mitwirkung findet sich etwa in Schleswig-Holstein für die dänische Minderheit, vgl. Hofmann (Anm. 148), ZaöRV 52, 33; Art. 5 Landesverfassung Schleswig-Holstein: ,,(1) Das Bekenntnis zu einer nationalen Minderheit ist frei; es entbindet nicht von den allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten. (2) Die kulturelle Eigenständigkeit und die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände .... " 168 Vgl. Art. 14 Abs. 1 Vorschl. Europ. Konv.: "States shall favour the effective participation of rninorities in public affairs in particular in decisions affecting the regions where they live or in matters affecting them." 169 § 3 Abs. 1 Wahlgesetz für den Landtag von Schleswig-Holstein: "An dem Verhältnisausgleich nimmt jede Partei teil, für die eine Landesliste aufgestellt und zugelassen worden ist, sofern für sie in mindestens einem Wahlkreis eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter gewählt worden ist oder sofern sie insgesamt fünf v. H. der im Land abgegebenen gültigen Stimmen erzielt hat. Diese Einschränkungen gelten nicht für Parteien der dänischen Minderheit." 170 Vgl. Dolomiten vom 14. April 1995, Ein Bericht zur aktuellen Lage, Österreichs Außenrninister Mock zu Proporz, Europaregion und Zweisprachigkeit, 9.

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den, die bestimmte die Minderheit betreffende Vorhaben der Vertretung verhindern kann. l7l Eine Minderheitenselbstverwaltung auf gesamtstaatlicher Ebene wird in Ungarn durch Wahlen innerhalb der betreffenden Minderheit gebildet. Ihr steht an hoheitsrechtlichen Befugnissen unter anderem zu, über einen eigenen Rundfunk- und Fernsehkanal zu entscheiden, den Grundlehrstoff für den sie betreffenden Unterricht festzulegen sowie über Auszeichnungen und Landesfeste der Minderheit zu entscheiden. 172 Auch vor dem Menschenrechtsausschuß war die politische Mitwirkung vor kurzem im Fall Mikmaq Tribai Society v. Canada Verhandlungsgegenstand. 173 Die Mikmaq TribaI Society war nicht zu einer Verfassungskonferenz über die Rechte der kanadischen indianischen Gemeinschaften eingeladen worden und machte eine Verletzung von Art. 25 IPBürg geltend. Der Ausschuß bejahte eine Verletzung von Art. 25 jedoch nicht. 174 Auf Art. 1 IPBürg ging er hingegen nicht ein. 175

(e) Gehalt von Art. l IPBürg Nachdem auf verschiedene Formen innerer Selbstbestimmung eingegangen wurde, ist nun der diesbezügliche Gehalt von Art. 1 IPBürg zu untersuchen. Der zweite Satz von Art. 1 Abs. 1 IPBürg sieht vor, daß "By virtue of that right they (the people) freely determine their political status and freely pursue their economic, social and cultural development." Es folgt daraus, daß das Recht auf Selbstbe171 Vgl. Nolte, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), 1. Teil (Anm. 166),529/530; einige Autoren verwenden für solche und ähnliche Regelungen den Ausdruck Personal autonomie, vgl. Blumenwitz (Anm. 150),72; ebenso Gudmundur Alfredsson, Minority Rights: NonDiscrirnination, Special Rights and Special Measures, in: ErmacoraITretterlPelzl (Hrsg.), (Anm. 81),149 - 158, 154/155; Oeter, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), 2. Teil (Anm. 150), 500 ff. 172 Vgl. Nolte, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), 1. Teil (Anm. 166),527. 173 Comm. No. 205/1986, UN Doc. N47/40, 213 ff., 217. 174 "Notwithstanding the right of every citizen to take part in the conduct of public affairs without discrimination and without unreasonable restrictions, the Committee conc1udes that, in the specific circumstances of the present case, the failure of the State party to invite representatives of the Mikmaq Tribai Society to the constitutional conferences on aboriginal matters, which constituted conduct of public affairs, did not infringe that right of the authors or other members of the Mikmaq tribal society. Moreover, in the view of the Committee, the participation and representation at these conferences have not been subjected to unreasonable restrictions." 175 Kritisch zur Entscheidung u. a. Bernhard Graefrath, Mikmaq-Entscheidung des Menschenrechtsausschusses und Deutsche Verfassungsdiskussion, Neue Justiz 1992, 151/ 152; Gudmundur AlfredssoniAlfred de Zayas, Minority Rights: Protection by the United Nations, HRU 14 (1993),1 - 8, 6; de Zayas, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 61), 266.

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stimmung nicht nur eine äußere, sondern auch eine innere Komponente beinhaltet. 176 Obwohl die Formulierung nicht ganz eindeutig ist, kann das Recht "be understood and appreciated ifthe importance ofthe adverb ,freely' is fully grasped and if, in addition, the article is read in conjunction with the other provisions of the Covenant. ,,177 Die Vorbereitungsarbeiten unterstützen dieses Auslegungsergebnis. So brachte etwa die griechische Delegierte - Griechenland war einer der Staaten, die den Artikel unterstützten - vor, daß das Recht der Völker auf Selbstbestimmung "a corollary of the democratic principle of government with the consent of the governed" sei. l78 Sie führte weiter aus, daß "the right could be applied internally only by a people living in complete freedom, not by an outside authority, and plebiscites and free elections were the best guarantees of democratic application. ,,179 Ob innere Selbstbestimmung für Minderheiten territoriale Autonomie, lokale Selbstverwaltung oder lediglich politische Mitwirkung meint, kann abstrakt nicht festgelegt werden. Diese Einordnung hängt vielmehr von der jeweiligen Situation ab. 180 Den Staaten ist dabei ein weiter Ermessensspielraum zuzugestehen.

(d) Recht auf Demokratie Einige Autoren gehen über das hier gewonnene Ergebnis noch hinaus. Sie sind der Ansicht, daß Art. 1 Abs. 1 auch ein Recht auf Demokratie 181 , zumindest aber ein Recht auf Widerstand gegen totalitäre Regimes, in denen es zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen kommt, garantiere. 182 Es würde im Rahmen dieser Arbeit zu weit führen, sich mit solchen Fragen näher zu befassen. Jedenfalls 176 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 1 para. 34; Marie (Anm. 4), HRU 7, 203; Ennacora (Anm. 42), RdC 182,332 - 334; VerdrosslSimma (Anm. 1),320; Lombardi (Anm. 137), 181; Cassese, in: Henkin (ed.), (Anm. 128),97; Manfred Nowak, Minderheitenschutz und Selbstbestimmungsrecht in der Praxis des UNO-Ausschusses für Menschenrechte, in: ErmacoraITretterlPelzl (Hrsg.), (Anm. 81), 204 - 217, 215. 177 Vgl. Cassese, in: Henkin (ed.), (Anm. 128),97. 178 UN Doc. AlC.3/SR.647, para. 1. 179 UN Doc. AlC.3/SR.647, para. 9. 180 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 1 para. 34; Kiss (Anm. 129), HRU 7, 173; Ermacora (Anm. 42), RdC 182, 332 - 334, bzgl. des Autonomiestatus Südtirols; Lombardi (Anm. 137),181; Cassese, in: Henkin (ed.), (Anm. 128),97. 181 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 1 para. 34; Cassese, in: Henkin (ed.), (Anm. 128),97; Kiss (Anm. 129), HRLJ 7, 171; Jean Salmon, Demokratie als Rechtsanspruch?, Zu den inneren Aspekten des Rechts auf Selbstbestimmung, Vereinte Nationen 41 (1993), 10 - 17, 13 ff., 14; zur Erforderlichkeit eines Rechts auf Demokratie de lege ferenda Thomas M. Franck, The Emerging Right to Democratic Govemance, AJIL 86 (1992),46 - 91. 182 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 1 para. 34; Marie (Anm. 4), HRU 7, 203.

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läßt sich aber ein Recht der Minderheiten, die die Voraussetzungen eines Volkes erfüllen, auf innere Selbstbestimmung, sei es Autonomie, lokale Selbstverwaltung oder politische Mitwirkung, feststellen.

2. Andere Vorschriften Aus Art. 1 IPBürg ergibt sich folglich ein Recht von Minderheiten, die die Voraussetzungen eines Volkes erfüllen, auf innere Selbstbestimmung. Die neuen V ölkerrechtsinstrumente sollen deshalb darauf hin untersucht werden, ob sie spezifischere oder weiterreichende Bestimmungen zum Schutz des Rechts von Minderheiten auf Selbstbestimmung enthalten.

a) Vorschriften multilateraler Art Art. 35 Kopenhagener Dok. enthält eine Staatenverpflichtung zur kollektiven Förderung von lokaler oder autonomer Verwaltung für Minderheiten. 183 Auch die Europäische Rahmenkonvention, die im Gegensatz zum Kopenhagener Dokument nicht unverbindlicher Art, sondern noch unverbindlich ist, enthält in Art. 15 eine Staatenverpflichtung zur Förderung politischer Mitwirkung. Diese Verpflichtung ist einschränkend allerdings individualrechtlich formuliert. l84 Damit bleibt die Rahmenkonvention hinter Art. 14 des Vorschlags einer Europäischen Konvention, eines Vorschlags de lege ferenda, zurück. 185 Diese Norm enthält die Staatenverpflichtung, eine effektive Mitwirkung von Minderheiten in öffentlichen Angelegenheiten zu garantieren und die Minderheiten bei der Aufteilung des Staatsgebiets zu berücksichtigen. 186 Diese Vorschriften garantieren entweder Autonomie, lokale Selbstverwaltung oder politische Mitwirkung für alle Minderheiten. 187 Sie sind je-

183 Art. 35: "The participating States ... create ... appropriate local or autonomous administrations, according to the specific histori~ and territorial circumstances of such minorities and in accordance with the policies of the State concerned." 184 "The Parties shall create conditions necessary for the effective participation of persons belonging to national minorities in cultural, social and economic life and in public affairs, in particular those affecting them." 185 Im Explanatory Report, para. 80, findet sich aber immerhin eine Aufzählung verschiedener Mitwirkungsformen sowie ein Hinweis auf die Möglichkeit der Selbstverwaltung. 186 Vgl. Anm. 168 für Abs. 1, Anm. 148 für Abs. 2. 187 Besondere kollektive Rechte auf Land und Resourcen sind in Art. 3 Abs. 5, 6, 7 des Entwurfs der FUEN formuliert, vgl. ErmacoraiPan (Anm. 116),73/74.

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doch nicht als kollektive Rechte sondern lediglich als Staatenverpflichtungen formuliert. 188

b) Vorschriften bilateraler Art Die Verträge zwischen Deutschland einerseits, Ungarn, der ehemaligen Tschechoslowakei und Rumänien andererseits, enthalten, wie bereits erörtert, die rechtliche Verbindlichkeit der Bestimmungen des Kopenhagener Dokuments. Zusätzlich findet sich im deutsch-ungarischen Freundschaftsvertrag das, allerdings als Individualrecht formulierte, Recht auf politische Mitwirkung. 189 Eine ähnliche Bestimmung enthält auch der deutsch-rumänische Freundschaftsvertrag. 190 Ergebnis der vorausgegangenen Untersuchung ist, daß sich das Selbstbestimmungsrecht, verstanden als inneres Selbstbestimmungsrecht aller Minderheiten, allgemein noch nicht durchsetzen konnte.

3. Charakter des Rechts von Minderheiten auf Selbstbestimmung Das letzte Problem, das bezüglich des Rechts auf Selbstbestimmung zu behandeln ist, betrifft den Charakter dieses Rechts. Einige Autoren argumentieren, daß das Recht auf Selbstbestimmung kein rein kollektives Recht sei, sondern ein kollektives Recht, das wie etwa das Recht auf Bestandsschutz mit Individualrechten verbunden sei. Sie stützen diese Behauptung auf eine Auslegung des Rechts auf innere Selbstbestimmung als Recht auf Demokratie. Sie argumentieren, daß Völker nur dann "freely determine their political status", wenn zumindest jedem

188 Art. 11 Entw. Zus. Prot. formuliert sogar als Individualrecht: "In the regions where they are in a majority the persons belonging to anational minority shall have the right to have their disposed appropriate local or autonomous authorities or to have a special status, rnatching the specific historical and territorial situation and in accordance with the domestic legislation of the states."; Heinrich Klebes, Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, Einführung, EuGRZ 22 (1995), 262 - 268, 266, äußert sich kritisch, daß eine entsprechende Vorschrift in der Rahmenkonvention fehlt. 189 Art. 19 Abs. 4 S. 3: "Die Angehörigen der deutschen Minderheit und ihrer Organisationen haben das Recht, an Entscheidungen, die die Erhaltung und Entwicklung ihrer Identität betreffen, sowie an der Umsetzung dieser Entscheidungen voll mitzuwirken." 190 Art. 15 Abs. 2 S. 3: "Die Angehörigen der deutschen Minderheit haben das Recht, wirksam an öffentlichen Angelegenheiten teilzunehmen, einschließlich der Mitwirkung an Angelegenheiten betreffend den Schutz und die Förderung ihrer Identität."

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einzelnen Angehörigen des Volkes bestimmte grundlegende Menschenrechte gewährt werden. 191 Ihre Argumentation läuft also parallel mit der Begründung zum kollektiven Recht auf Bestandsschutz. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, daß das Recht auf Demokratie ein kollektives Recht ist, das mit Individualrechten verbunden ist. Jedoch würde es den Rahmen dieser Arbeit sprengen, sich mit dem Recht auf Demokratie zu befassen. Hier soll es genügen, festzustellen, daß das Recht auf innere Selbstbestimmung jedenfalls ein Recht von Völkern und/oder Minderheiten auf irgendeine Form von Selbstregierung beinhaltet. Fraglich ist, ob Individualrechte von Minderheiten Autonomie, lokale Selbstverwaltung oder politische Mitwirkung der Minderheit als solcher erforderlich machen. Die Gewährung von Autonomie, lokaler Selbstverwaltung und politischer Mitwirkung kann letztlich dem Zweck dienen, einen effektiveren Schutz minderheitenrechtlicher Individualrechte zu erreichen. Möglicherweise kann unter bestimmten Umständen - insbesondere bei prozentual kleinen Minderheitenpopulationen - ein individueller Minderheitenschutz auch ohne die Gewährung von kollektiver Autonomie, Selbstverwaltung bzw. politischer Mitwirkung auskommen. Ein optimalerer Schutz wird jedenfalls durch die Gewährung des inneren Selbstbestimmungsrechts erreicht. Somit machen minderheitenrechtliche Individualrechte Autonomie, lokale Selbstverwaltung oder politische Mitwirkung der Minderheit als solcher erforderlich. Folglich ist auch das Recht von Minderheiten auf innere Selbstbestimmung ein rein kollektives Recht, das mit Individualrechten verbunden iSt. 192 IV. Rechte von Minderheiten auf Achtung, Schutz und Förderung ihrer Identität

Abschließend zu untersuchen sind die kollektiven Rechte von Minderheiten auf Achtung, Schutz und Förderung ihrer Identität. Diese Rechte beinhalten Ansprü191 Vgl. Cassese, in: Henkin (ed.), (Anm. 128),97: "Whenever these rights are recognized for individuals, the people as a whole enjoys the right of internal self-deterrnination; whenever those rights are trampled upon, the right ofthe people to self-determination is infringed."; Marie (Anm. 4), HRLJ 7, 198; Nowak (Anm. 6), Art. 1 para. 34; Gros Espiell (Anm. 124), para. 55: "Only when self-deterrnination has been achieved can a people undertake the measures necessary to ensure human dignity, the full enjoyment of all rights, and the political, economic, social and cultural progress of all human beings, without any form of discrimination. Consequently, human rights and fundamental freedoms can only exist tmly and fully when self-deterrnination also exists." 192 Diese Arbeit folgt somit nicht dem Ergebnis des Menschenrechtsausschusses in der Lubicon Lake Band-Entscheidung bzgl. des Selbstbestimmungsrechts, vgl. Text bei Anm. 42/43.

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che von Minderheiten sowohl auf staatliches Unterlassen als auch auf staatliches Handeln. Das Recht von Minderheiten auf Achtung ihrer Identität ist ein Recht mit negatorischem Charakter, da es sich nur gegen staatliche Eingriffe wendet. Die Rechte von Minderheiten auf Schutz und Förderung ihrer Identität erfordern jedoch positive staatliche Maßnahmen. Sie enthalten kein Gebot, staatlicherseits nicht in Minderheitenrechte einzugreifen. Vielmehr müssen die Staaten positive Maßnahmen ergreifen, um die Minderheitenidentität zu schützen und zu entwickeln. Der Schutz der Minderheitenidentität beinhaltet den Schutz von Minderheiten gegen private Eingriffe, während die Förderung der Minderheitenidentität Maßnahmen zum besseren Schutz bestimmter Minderheitenmerkmale in der Zukunft umfaßt. Die verschiedenen Völkerrechtsinstrumente verwenden unterschiedliche Begriffe, um das Recht der Minderheiten auf Förderung ihrer Identität zu beschreiben. Neben dem Begriff der ,,Förderung"193 wird etwa auch der Begriff der "Entwicklung"l94 einer Identität gebraucht. Aus Gründen der Vereinfachung wird im folgenden in dieser Arbeit allein der Begriff "Förderung der Identität" verwendet. Wegen der positiven Dimension der kollektiven Rechte auf Schutz und Förderung der Minderheitenidentität wird es erforderlich sein, bereits in diesem Abschnitt eine Prüfung des positiven Gehalts der relevanten Vorschriften vorzunehmen. 195 Die eigentliche Untersuchung positiver Minderheitenrechte erfolgt aber erst in Kapitel III.

1. Art. 27 I P B ü r g Ausgangspunkt der Untersuchung ist erneut Art. 27 IPBürg.

a) Achtung der Identität Einige Völkerrechtsinstrumente beinhalten nicht nur Rechte auf Schutz und Förderung der Minderheitenidentität, sondern sehen ausdrücklich auch ein Recht auf bzw. eine Staatenverpflichtung zur Achtung der Minderheitenidentität vor. 196

193 Verwendet etwa in Art. I G.V. Dekl. 47/137; Art. 33 Kopenhagen-Dok. 194 Vgl. etwa Art. 3 Abs. 2 Vorschl. Europ. Konv. 195 Vgl. Text bei Anm. 198 - 216. 196Vgl. Art. 3 Abs. 2 Vorschl. Europ. Konv.: "Minorities shall have the right to the respect, safeguard and development of their identity."

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Auf eine nähere Untersuchung einer solchen Verpflichtung kann jedoch bezüglich Art. 27 verzichtet werden. Zwar muß die Verpflichtung zur Achtung der Identität nicht notwendigerweise Teil der Bestandsschutzgarantie (ein staatlicher Eingriff muß nicht den Grad eines Bedrohung des Bestands der Minderheit erreichen) sein. Es kann jedoch eine ähnliche Auslegung wie beim Bestandsschutz verwendet werden. Wie bereits erörtert, ist ein effektiver Schutz der Angehörigen einer Minderheit nur möglich, wenn gleichzeitig auch eine kollektive Bestandsschutzgarantie für die Minderheit an sich besteht. 197 Wenn eine solche Auslegung auf den Bestandsschutz anwendbar ist, dann muß sie auch auf die weniger umfassende Staatenverpflichtung zur Achtung der Minderheitenidentität Anwendung finden.

b) Schutz und Förderung der Identität Fraglich ist, ob Art. 27 kollektive Staatenverpflichtungen zum Schutz und zur Förderung der Minderheitenidentität enthält. Um solche Verpflichtungen bejahen zu können, ist es nicht nur erforderlich, die Vorschrift als positiv schützende sondern auch als kollektiv schützende Norm auszulegen.

(1) Allgemeines zum positiven Schutz

Es stellt sich zunächst die Frage, ob Art. 27 den positiven Schutz von Minderheiten garantiert. Der Wortlaut des Art. 27 verwendet eine negatorische Formulierung. 198 Eine systematische Auslegung von Art. 27 ergibt, daß er der einzige Artikel im Pakt ist, der eine negatorische Formulierung verwendet. 199 Die Auslegung von Art. 27 nach seinem Wortlaut und nach seiner Systematik läßt somit den Schluß zu, daß Art. 27 nicht als eine positiven Schutz gewährende Norm verstanden werden kann. Dieses Ergebnis wird durch eine Untersuchung der Vorbereitungsarbeiten des Paktes bestätigt. Die Sowjetunion schlug in der Vorbereitungsphase eine positive Staatenverpflichtung vor. 2OO Dieser Vorschlag wurde im Menschenrechtsausschuß mit acht zu vier Stimmen abgelehnt. 201 Die Diskussionen im Ausschuß und in der Vgl. Text bei Anm. 112. "Shall not be denied the right"; vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 38. 199 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 38. 200 "The States shall ensure ... "; UN Doc. ElCNA/L.222; der jugoslawische Entwurf enthielt ebenfalls bestimmte positive Verpflichtungen, UN Doc. ElCNA/L.225. 201 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 27 paras. 6, 38; Tomuschat, in: PS Mosler (Anm. 53), 197 198

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Generalversammlung zeigten, daß die Delegationen vieler anderer Staaten der Welt befürchteten, eine positive Formulierung könne ein Minderheitenbewußtsein in ihren Staaten fördern. 202 Auch wurde zum Ausdruck gebracht, daß positive Staatenverpflichtungen für die Staaten eine zu große Belastung sein könnten. 203 Der Delegierte Großbritanniens etwa stellte fest, daß es neben der Nichtdiskriminierung die einzige weitere, von Seiten der Staaten erforderliche Pflicht sei, die Bedeutung der Tolerierung von Minderheiten zu betonen. In der negatorischen Formulierung seien die in dem von der Unterkommission vorgelegten Text enthaltenen Verpflichtungen leicht zu erfüllen und stellten keine Belastung dar. 204 Als 1961 die abschließende Diskussion im Dritten Komitee der Generalversammlung stattfand, verzichtete die Sowjetunion auf einen erneuten Versuch, eine positive Staatenverpflichtung in den Text aufzunehmen. 2os Ergebnis der Auslegung von Art. 27 ist, daß dieser Minderheiten keine Förderung ihrer Identität gewährt. 206 Somit ist die Prüfung der Frage, ob Art. 27 möglicherweise eine entsprechende kollektive Staatenverpflichtung enthält, überflüssig. (2) Schutz der Identität Bezüglich der Verpflichtung zum Schutz der Minderheitenidentität sollte ein Ergebnis jedoch nicht vorschnell gewonnen werden. Obwohl Art. 27 generell keine positiven Verpflichtungen für Staaten begründet (mit Ausnahme der Bestandsschutzgarantiei07 , könnte es möglich sein, das Prinzip des negatorischen Schutzes nicht nur gegen Staaten sondern auch gegen äußere Einwirkung im allgemeinen, und damit auch gegen Eingriffe privater Dritter, anzuwenden. Diese Möglichkeit ist anhand einer .weiteren Auslegung von Art. 27 IPBürg zu untersuchen. 202 Vgl. etwa UN Doc. A12929, 182; UN Doc. A15000, para. 122; Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 38. 203 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 53),968. 204 UN Doc. FJCN.4/SR. 369, 6; ähnliche Stellungnahmen von Chile, UN Doc. FJCNA/ SR.369, 15, und Frankreich, UN Doc. FJCNA/SR.370, 7, 8. 20S Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 53), 369, mit weiteren Nachweisen auf die Vorbereitungsarbeiten. 206 Vgl. auch Partsch (Anm. 4), HRLJ 7, 181; Menschenrechtsausschuß in Lovelace v. Canada (Anm. 14); der Ausschuß entschied, daß Indianer gemäß Art. 27 kein Recht auf ihr eigenes Reservat hätten; Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 46; siehe jedoch für ein etwas anderes Ergebnis die Lubicon Lake Band-Entscheidung (Anm. 42); für eine weiterreichende Auslegung von Art. 27 vgl. Patrick Thomberry, Is there a Phoenix in the Ashes? International Law and Minority Rights, TexasILJ 15 (1980),421 - 458, 449/450. 207 Vgl. Text bei Anm. 76; es wird im Dritten Kapitel noch genauer auf die positive Dimension der Bestandsschutzgarantie einzugehen sein.

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Der Wortlaut des Art. 27 schließt die Möglichkeit einer Staatenverpflichtung zum Schutz der Minderheitenidentität nicht aus. Die Voraussetzung, daß eine Identität "shall not be denied" muß nicht unbedingt nur auf Staaten anwendbar sein. 20s Eine systematische Auslegung unterstützt eine solche Verpflichtung. Vorschriften wie etwa Art. 6 Abs. I IPBürg, der eindeutig positiven Schutz des Staates gegen private Eingriffe verlangt, sind zwar in ihrem Wortlaut klarer. Auf der anderen Seite bestimmt Art. 2 Abs. 1 IPBürg, daß "Each party ... undertakes to respect and to ensure to all individuals ... the rights recognized in the present Covenant."209 Somit kann eine positive Verpflichtung irgendeiner Art auch auf Art. 27 ausgedehnt werden. Zudem ist es Sinn und Zweck des Art. 27, auch private Eingriffe zu verhindern. Autochthone Völker etwa haben in der ganzen Welt großen Schaden durch Land suchende Siedler erlitten. 2lO Heute stellen industrielle Aktivitäten, die in Wasserund Rohstoffrechte eingreifen, eine große Gefahr für die autochthonen Völker dar. 2l1 Insbesondere wenn diese Gefahren so groß werden, daß sie den Grad einer Bedrohung des Bestands erreichen 212 , würde ein Schutz nur gegen Staatseingriffe dem Ziel des Art. 27 IPBürg zuwiderlaufen. 213 Die Vorbereitungsarbeiten enthalten nichts, was diesem Auslegungsergebnis widersprechen würde. 214 Somit kann festgestellt werden, daß Art. 27 eine positive Staatenverpflichtung zum Schutz der Minderheitenidentität enthält. 215 Eine entsprechende kollektive Verpflichtung besteht ähnlich wie bei der Bestandsschutzgarantie 216 , da individuelle Minderheitenrechte andernfalls nicht gesichert werden könnten.

208 Vgl. Nowak (Anrn. 6), Art. 27 para. 44. 209 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 44; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 53), 974.

Vgl. Tomusehat, in: FS Mosler (Anm. 53),974; Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 45. V gl. wiederum Lubicon Lake Band (Anm. 42), 1 ff. 212 Es wird hier klar, daß die Bestandsschutzgarantie und die Verpflichtung zum Schutz der Minderheitenidentität miteinander verknüpft sind. 213 Vgl. Nowak (Anrn. 6), Art. 27 para. 45. 214 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 45; es ist jedoch wichtig, festzustellen, daß positive Maßnahmen ohne Vorliegen privater Eingriffe (Förderung der Identität) nicht erforderlich sind, obwohl ihre Abwesenheit langfristig zu einer Assimilierung von Minderheiten führen mag. 215 Ebenso Menschenrechtsausschuß in Allgemeine Bemerkungen zu Art. 27 vom April 1994, 6.l., 6.2., zitiert in: InfAuslR 1995, 222. 216 Vgl. Text bei Anm. 112. 210

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Kapitel II: Kollektiver Schutz von Minderheiten

2. Andere Vorschriften Art. 27 IPBürg enthält folglich die kollektive Staatenverpflichtung zu Achtung, Schutz und Förderung der Minderheitenidentität nur teilweise. Die Verpflichtung zur Achtung der Identität und die Verpflichtung zum Schutz der Identität gegen private Eingriffe sind garantiert, eine Verpflichtung zur Förderung der Identität beinhaltet Art. 27 IPBürg jedoch nicht. Der Inhalt der neuen Völkerrechtsinstrumente soll deshalb im Hinblick auf dieses Ergebnis untersucht werden.

a) Vorschriften multilateraler Art Art. 1 G.V. Dekl. 47/137 enthält eine Staatenverpflichtung zum Schutz der Identität von Minderheiten. 217 Art. 33 des Kopenhagener Dokuments formuliert ebenfalls eine Staatenverpflichtung zum Schutz der Minderheitenidentität sowie zur Schaffung von Bedingungen zu ihrer Förderung. 218 Bei der Verpflichtung zur Schaffung von Bedingungen zur Förderung der Minderheitenidentität handelt es sich um eine erste Stufe der Förderung, die den Schutz von Minderheiten übersteigt, aber noch nicht das Ausmaß einer umfassenden Förderung erreicht. Bei beiden Instrumenten handelt es sich um Regelungswerke unverbindlicher Art. Die Europäische Rahmenkonvention als Regelungswerk noch unverbindlicher Art enthält hingegen weder kollektive Rechte noch eine kollektive Staatenverpflichtung. Der ihr vorangegangene Art. 3 Abs. 2 des Vorschlags einer Europäischen Konvention geht de lege ferenda darüber hinaus und gewährt Minderheiten ein kollektives Recht auf Achtung, Schutz und Förderung ihrer Identität. 219 Im Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK findet sich ein solches Recht hingegen nicht.

217 Art. 1 Abs. 1: "States shall protect ... the national or ethnic cultural, religious and linguistic identity of minorities ... and shall encourage conditions for the promotion of that identity." 218 "The participating States will protect the ethnic, cultural, linguistic and religious identity of national minorities on their territory and create conditions for the promotion of that identity."; vgl. insofern den Unterschied zur G.V. Dekl. 47/137, die die Verpflichtung zur Schaffung von Bedingungen zur Entwicklung der Identität in Art. 4 Abs. 2 mit individuellem Charakter regelt. 219 "Minorities shall have the right to the respect, safeguard and development of their ethnic, religious, or linguistic identity."; ähnlich Art. 3 Abs. 1 und 2 des FUEN-Vorschlags, vgl. EnnacoraiPan (Anm. 116), 72; hierin ist ein Recht auf umfassende Förderung enthalten.

B. Bereiche kollektiven Schutzes

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b) Vorschriften bilateraler Art Die neuen bilateralen Verträge zwischen Deutschland einerseits und Ungarn, der früheren Tschechoslowakei und Rumänien andererseits enthalten wiederum die rechtliche Verbindlichkeit der Bestimmungen des Kopenhagener Dokuments. Eine Staaten verpflichtung zu Schutz und Schaffung von Bedingungen zur Förderung der Identität von Minderheiten findet sich zusätzlich ausdrücklich in Art. 21 Abs. 1 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages. 22o Eine ähnliche Bestimmung ist auch im deutsch-ungarischen Freundschaftsvertrag enthalten 221 , wobei dort zusätzlich eine Verpflichtung zur Ermöglichung und Erleichterung von Förderungsmaßnahmen durch den anderen Staat vorgesehen ist. 222 Es zeigt sich folglich wiederum, daß eine moderne Auslegung von Art. 27 IPBürg weiter reichen kann als einige der neuen Rechtsinstrumente. Dies ist besonders deshalb bedeutsam, weil es sich bei Art. 27 um eine universell bindende Vorschrift handelt. Einige neue Völkerrechtsinstrumente sehen jedoch auch die Förderung der Identität von Minderheiten vor, die in Art. 27 nicht enthalten ist.

3. Charakter der Rechte auf Achtung, Schutz und Förderung der Identität Abschließend ist der Charakter der Rechte von Minderheiten auf Achtung, Schutz und Förderung ihrer Identität zu erörtern. Die kollektiven Rechte auf Achtung, Schutz und Förderung der Identität sind kollektive Rechte (bzw. Verpflichtungen), die mit Individualrechten verbunden sind. Ähnlich der Argumentation hinsichtlich des Rechts auf Bestandsschutz sind diese Rechte Grundlage individueller Rechte auf Minderheitenschutz. Zwar soll zu diesem Zeitpunkt die rechtspolitische Frage, ob gewisse, insbesondere positive, Individualrechte er220 "Die Vertragsparteien werden die ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität der in Artikel 20 Absatz 1 genannten Gruppen auf ihrem Hoheitsgebiet schützen und Bedingungen für die Förderung dieser Identität schaffen .... " 221 Art. 19 Abs. 4: ,,Die Republik Ungarn schützt und stärkt durch konkrete Förderungsmaßnahmen die Identität der deutschen Minderheit in der Republik Ungarn. Sie ermöglicht und erleichtert Förderungsmaßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der deutschen Minderheit in der Republik Ungarn ...." 222 Diese Bestimmung findet sich auch in Art. 20 Abs. 5 des deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrages: "Die Tschechische und Slowakische Föderative Republik ermöglicht und erleichtert im Rahmen ihrer geltenden Gesetze der Bundesrepublik Deutschland Förderungsmaßnahmen zugunsten der deutschen Minderheit oder ihrer Organisationen." sowie in Art. 16 Abs. 1 S. 2 des deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrages: "Rumänien ermöglicht und erleichtert Förderungsmaßnahmen aus der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der deutschen Minderheit in Rumänien."

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KapitellI: Kollektiver Schutz von Minderheiten

forderlich sind, noch außer Acht gelassen werden. Sobald aber ein bestimmtes Individualrecht gewährt wird, muß auch über die Gewährung eines korrespondierenden kollektiven Rechts nachgedacht werden. Solange die Rechte der Minderheit auf Achtung, Schutz und Förderung ihrer Identität nicht bestehen, können auch gewisse Individualrechte nicht garantiert werden. 223 Beachtung verdient die Tatsache, daß viele Argumente, die gegen kollektive Rechte wie etwa das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung der Identität vorgebracht werden, sich nicht gegen ihren kollektiven Charakter sondern gegen das korrespondierende Individualrecht richten, das im Einzelfall sehr weit gehen kann. Dies soll anhand einiger Beispiele aus dem Bereich der Individualrechte sprachlicher Minderheiten veranschaulicht werden. 224 Art. 27 IPBürg sieht vor, daß Angehörige einer sprachlichen Minderheit das Recht auf Gebrauch ihrer eigenen Sprache haben sollen. Dieses Recht wird in den neuen Minderheiteninstrumenten noch weiter ausgeführt. Das Recht, die Minderheitensprache sowohl in der Öffentlichkeit als auch privae 25 zu verwenden, findet sich in allen neuen Minderheiteninstrumenten. Solange das Recht der Minderheiten auf Achtung ihrer Identität, welches das Recht auf Schutz der Sprache vor staatlichem Eingriff erfaßt, und das Recht auf Schutz der Identität, welches das Recht auf Schutz der Sprache vor privaten Eingriffen erfaßt, nicht geschützt werden, können die Individualrechte der Minderheitenangehörigen auf Gebrauch ihrer Sprache ebenfalls nicht effektiv geschützt werden. Zwar kann der private Eingriff in Minderheitenrechte verschiedene Intensitätsgrade erreichen. Private Individuen, die Gewalt verwenden, um von einer Minderheit organisierte Sprachenausbildung zu verhindern, greifen stärker in Minderheitenrechte ein als der Arbeitgeber, der seinen Minderheitenangestellten nicht erlaubt, die Minderheitensprache am Arbeitsplatz zu sprechen. Der Arbeitgeber mag im Einzelfall Gründe vortragen, die seinen Eingriff in Minderheitenrechte aufgrund der Gefahr der Bildung von Untergruppen in der Arbeitnehmerschaft als gerechtfertigt erscheinen lassen, während der gewalttätige Störer von Sprachaus223 Siehe zur Verknüpfung von Individualrechten mit den Rechten auf Schutz und Förderung der Identität Art. 21 Abs. I und 2 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages. 224 Für Individualrechte der Angehörigen von kulturellen und religiösen Minderheiten siehe Kapitel III, dort auch eine ausführlichere Diskussion individueller Sprachenrechte. 225 Art. 7 Abs. I Entw. Zus. Prot.: "Every person belonging to anational rninority shall have the right freely to use his/her mother tongue in private and in public, both orally and in writing." Art. 7 Vorseh!. Europ. Konv.: ,,Any person belonging to a linguistic minority shall have the right to use his language freely, in public as weil as in private."

B. Bereiche kollektiven Schutzes

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übung eine solche Rechtfertigung nicht haben wird. Dies ist jedoch eine Frage der Schranken individueller Minderheitenrechte. Das kollektive Recht von Minderheiten auf Schutz ihrer Identität wird nur soweit reichen, wie individuelle Minderheitenrechte gesichert sind. Das Recht der Minderheiten auf Förderung ihrer Identität würde positive Maßnahmen für die Minderheitensprache unabhängig von privaten oder staatlichen Eingriffen erforderlich machen. Das Recht auf Förderung der Identität könnte so etwa ein Recht auf Einrichtung der Unterrichtung in und von Minderheitensprachen an Staatsschulen umfassen. Das entsprechende Individualrecht ist das Recht, in der betreffenden Sprache in Staatsschulen unterrichtet zu werden. 226 Andere individuelle Förderungsrechte besagen beispielsweise, die Minderheitensprache im Umgang mit Behörden und vor Gerichten 227 sowie auf öffentlichen Schildern und Inschriften zu verwenden. 228

226 Art. 8 Abs. 1 Entw. Zus. Prot.: ,,Every person belonging to anational minority shall have the right to leam hislher mother tongue at an appropriate number of schools and of State educational and training establishments, located in accordance with the geographical distribution of the minority." Art. 9 Vorseh!. Europ. Konv.: " ... in State schools obligatory schooling shall include, for pupils belonging to the minority, study of their mother tongue. As far as possible, all or part of the schooling shall be given in the mother tongue of pupils belonging to the minority." Art. 21 Abs. 2 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages: "Die Vertragsparteien werden insbesondere ... sich bemühen, den Angehörigen der in Artikel 20 Absatz 1 genannten Gruppen, ungeachtet der Notwendigkeit, die offizielle Sprache des betreffenden Staates zu erlernen, in Einklang mit den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften entsprechende Möglichkeiten für den Unterricht ihrer Muttersprache oder in ihrer Muttersprache in öffentlichen Bildungseinrichtungen sowie, wo immer dies möglich und notwendig ist, für deren Gebrauch bei Behörden zu gewährleisten ..." Das entspricht auch dem Charakter des Rechts auf Bildung allgemein, das positive und negatorische Elemente verbindet, vgl. lost Delbrück, The Right to education as an International Human Right, GYIL 35 (1992), 92 - 104. 227 Art. 7 Abs. 3 Entw. Zus. Prot.: "In the regions in which substantial numbers of a national minority are settled, the persons belonging to anational minority shall have the right to use their mother tongue in their contacts with the administrative authorities and in proceedings before the courts and legal authorities." Art. 8 Vorseh!. Europ. Konv.: "Whenever a minority reaches a substantial percentage of the total population, its members shall have the right, as far as possible, to speak and write in their own language to political, administrative and judicial authorities of this region or, where appropriate, of the State. These authorities shall have a corresponding obligation." 228 Art. 7 Abs. 4 Entw. Zus. Prot.: ,,In the regions in which substantial numbers of a national minority are settled, the persons belonging to that minority shall have the right to display in their language local names, signs, inscriptions and other similar information visible to the public."

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KapitellI: Kollektiver Schutz von Minderheiten

Ob solche weitreichenden Individualrechte, die positive staatliche Maßnahmen erfordern, notwendig sind, wird zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden. 229 Wenn Individuen diese Rechte aber zuerkannt werden sollen, dann wird auch das entsprechende kollektive Recht auf Förderung der Minderheitenidentität erforderlich sein.

V. Zusammenfassende Bewertung

Die Rechte auf Minderheitenschutz sind im allgemeinen nach wie vor als klassische Individualrechte und nicht als kollektive Rechte konzipiert. Ohne die Frage der Erforderlichkeit von kollektiven Rechten bereits in dieser Phase der Untersuchung behandeln zu wollen 230 , ist festzustellen, daß eine Anerkennung kollektiver Rechte im Bereich des Minderheitenschutzes Minderheiten Völkerrechtspersönlichkeit gewährt, unabhängig davon, ob diese Rechte unmittelbarer oder mittelbarer Natur sind. 231 Das klassische Völkerrechtsinstrument im Bereich des Minderheitenschutzes ist Art. 27 IPBürg. Art. 27 ist traditionell als eine Vorschrift aufgefaßt worden, die Angehörigen von Minderheiten Individualrechte garantiert. Eine Auslegung von Art. 27 ergibt jedoch ein anderes Bild. Es ist möglich, Art. 27 als eine die kollektiven Staatenverpflichtungen zur Achtung und zum Schutz der Minderheitenidentität sowie den kollektiven Bestandsschutz beinhaltende Norm zu verstehen. Zusätzlich kann Art. 1 IPBürg als Norm ausgelegt werden, die ein Recht auf irgendeine Form innerer Selbstbestimmung all jenen Minderheiten garantiert, die zugleich die Voraussetzungen eines Volkes erfüllen. Im Lichte dieser Auslegung der Artikel 1 und 27 IPBürg ist die Reichweite der jüngeren G.V.-Deklaration 47/137 relativ begrenzt. Mit der Ausnahme einer Staatenverpflichtung, den Bestand und die Identität von Minderheiten zu schützen und die Bedingungen für diese Identität zu verbessern, hält die Deklaration die klassische Konzeption der Minderheitenrechte als Individualrechte aufrecht. Minderheitenschutz ist danach nicht als Gruppenrecht konzipiert. 232 Dies ergibt sich auch aus einer Untersuchung der Vorbereitungsarbeiten zu der Deklaration. Die zwei Grundlagen der Deklaration waren eine Empfehlung im BeSiehe dazu Kapitel IV. Diese Frage wird unten behandelt werden, Kapitel IV. 231 Vgl. Text bei Anm. 26 - 31. 232 Isse Omanga Bokkatola, The Draft Declaration of the United Nations on the Rights of Persons belonging to National, Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, International Commission of lurists Review 40 (1991), 33 ff., 35 - 36, beurteilt die Deklaration fälschlicherweise als Gruppenrechte gewährend; vgl. auch ders. (Anm. 78), 198. 229

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B. Bereiche kollektiven Schutzes

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richt des Sonderberichterstatters Capotorti von 1977 233 und der Entwurf einer Deklaration, der von Jugoslawien 1978 vorgelegt wurde. 234 Der jugoslawische Entwurf konstruierte Minderheitenrechte als Gruppenrechte. Um die Konzeption des Minderheitenschutzes als Gruppen- und/oder Individualrecht gab es langwierige Debatten, bevor die endgültige Fassung der Deklaration endlich angenommen wurde. 235 Ein Studium dieser Debatten läßt sehr klar erkennen, daß die Delegationen in ihrer Mehrheit an der ursprünglich von Capotorti vorgeschlagenen strikt menschenrechtlichen Konzeption festzuhalten wünschten, während die Konzeption als Gruppenrecht des jugoslawischen Entwurfs abgelehnt wurde. 236 Der amerikanische Delegierte begrüßte diese Entwicklung mit dem Argument, daß die vagen und unpräzisen Konzepte der Gruppenrechte keine angemessene Antwort auf Minderheitenprobleme seien. 237 Nach seiner Ansicht sei das Konzept der Gruppenrechte ein Rezept für zwischenethnische Feindseligkeit und für Ablehnung der Minderheiten durch die Mehrheiten. Die universelle Anwendbarkeit der Individualrechte sei nicht nur für Mitglieder der Mehrheit, sondern auch der Minderheit der richtige Weg zum Fortschritt. Dies folge daraus, daß in einer pluralistischen Demokratie jeder Bürger sich zu einem Zeitpunkt bezüglich irgendeines Themas in der Minderheit befinden werde. 238 Die Wichtigkeit der individuellen Menschenrechte für den Minderheitenschutz zu bekräftigen, setze in keinem Fall ethnische oder geschlechtliche 239 Zugehörigkeit herab. Die Freiheit der Wahl der Gruppe, zu der das Individuum zu gehören wünsche, sei fundamentaler Bestandteil individueller Freiheit. 240

233 Vgl. Capotorti (Anm. 106), para. 617; Russel Lawrence Barsh, The United Nations and Protection ofMinorities, NordicJIL 58 (1989),188 - 197. 234 UN Doc. F/CN.4/L.1367/Rev.1 vom 2. März 1978; vgl. auch Felix Ermacora, Späte Einsichten, Der Entwurf der UN-Erklärung zum Minderheitenschutz, Vereinte Nationen 40 (1992),149 ff.; Barsh (Anm. 233), NordicJIL 58,191; Ouo Kimminich, Rechtsprobleme der polyethnischen Staatsorganisation, MainzlMünchen 1985,70 - 75. 235 UN Doc. F/CN.4/L.l579, para. 13; Klaus Dicke, Die VN-Deklaration zum Minderheitenschutz, Europa-Archiv 48 (1993), 107 - 116, 109; vgl. zur Deklaration allg. auch Natan Lerner, The 1992 UN Declaration on Minorities, IsraelYHR 23 (1994), 11 - 128. 236 Vgl. Dicke (Anm. 235), Europa-Archiv 48, 112; für eine Diskussion dieser Überlegungen siehe Kapitel IV. 237 UN Doc. F/CN.4/1992/SR.17, paras. 7 - 9. 238 UN Doc. F/CN.4/1992/SR.17, para. 7. 239 In den Vereinigten Staaten werden die Grundsätze des Minderheitenschutzes auch auf Frauen angewandt. 240 UN Doc. F/CN .4/19921SR.17, para. 9; dieses Recht auf freie Wahl würde jedoch durch eine Anerkennung von Gruppenrechten nicht beeinträchtigt werden, vgl. Kapitel I, Text bei Anm. 123 - 126.

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

Ein anderer Punkt, der zur Schwäche der Deklaration 47/137 beigetragen hat, besteht darin, daß sie nicht bindend ist241 und lediglich zur möglichen Bildung von Gewohnheitsrecht beitragen kann. Es sollte jedoch nicht übersehen werden, daß für die Staatenverpflichtungen in Art. 1 der Deklaration ein außerordentlich scharfer Wortlaut gewählt wurde. 242 Von einigen Delegationen wurde dagegen vorgebracht, daß dies für ein nichtbindendes Instrument nicht adäquat sei. Die scharfe Version wurde aber dennoch angenommen. 243 Bemühungen im Rahmen der OSZE und des Europarats haben zu weiterreichenden Ergebnissen geführt. Das Kopenhagener Dokument der KSZE als Regelungswerk unverbindlicher Art sieht Staaten verpflichtungen zu einer kollektiven Förderung lokaler oder autonomer Verwaltung sowie einen kollektiven Bestandsschutz vor. 244 Dieser Kompromiß wurde nach langen Debatten zwischen der sogenannten "Pentagonale", einer Gruppe von Staaten um die ehemalige Tschechoslowakei, Italien, Jugoslawien, Österreich und Ungarn, die erstmals Formulierungen kollektiver Rechte vorgeschlagen hatten245 , und traditionell bezüglich des MinVg1. Dicke (Anm. 235), Europa-Archiv 48, 113. Vg1. etwa Art. 1: "States shall protect the existence of minorities ... u; vg1. Emzacora (Anm. 42), RdC 182,151; Dicke (Anm. 235), Europa-Archiv 48,112. 243 UN Doc. F/CN.411992148, paras. 46 - 48. 244 Vgl. Dietrich FrankelRainer Hofmann, Nationale Minderheiten - ein Thema für das Grundgesetz?, EuGRZ 19 (1992),401 - 408, 404; ebenso Hurst Hannum, Contemporary developments in the international protection of the rights of minorities, Notre Dame L.R. 66 (1991),1431 ff., 1439 - 1441; zum Kopenhagener Dokument allgemein: Arie Bloed, A new CSCE Human Rights ,Catalogue': The Copenhagen Meeting of the Conference on the Human Dimension ofthe CSCE, in: Arie BloediPieter van Dijk (eds.), The Human Dimension ofthe Helsinki Process, The Vienna Follow-up Meeting and its Aftermath, Dordrechtl BostonILondon 1991, 54 - 71; kritisch Felix Emzacora, Rights of Minorities and SelfDetennination in the Framework of the CSCE, in: ebda., 197 - 206; Zoran Lutovac, KSZE und nationale Minderheiten, Internationale Politik 42 (1991), 23 - 26; Ernst Jörg v. Studnitz, Minderheitenschutz im KSZE-Prozeß, in: Blumenwitz/v. Mangoldt (Hrsg.), (Anm. 15), 31 - 37. 245 "I. Nationale Minderheiten haben das Recht, als solche von den Staaten, in denen sie leben anerkannt zu werden und als Gemeinschaft zu leben.... 4. Nationale Minderheiten haben das Recht, ihre ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und zu entwickeln. 5. Nationale Minderheiten und ihre Angehörigen haben das Recht, ihre Kultur in allen ihren Aspekten zu erhalten und zu entwickeln, sich zu ihrer Religion zu bekennen und diese auszuüben, insbesondere Gottesdienste abzuhalten und Zugang zu religiösen Gegenständen zu haben, diese zu besitzen und zu benutzen sowie den Religionsunterricht in ihrer Muttersprache abzuhalten. 6. Angehörige nationaler Minderheiten haben das Recht, sich ihrer Muttersprache sowohl privat als auch im öffentlichen Leben zu bedienen. 7. Nationale Minderheiten haben das Recht, ihre eigenen Bildungs-, Religions- und Kultureinrichtungen zu unterhalten. Zu diesem Zweck haben sie auch das Recht, freiwillige fi241

242

B. Bereiche kollektiven Schutzes

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derheitenschutzes eher konservativen Staaten wie Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Rumänien und der Türkei, aber auch den Vereinigten Staaten, gefunden. 246 Obwohl das Kopenhagener Dokument kollektive Staatenverpflichtungen enthält, sollte nicht vergessen werden, daß KSZE-Dokumente keine rechtsbindende Wirkung haben. 247 Einen Tiefpunkt in den Bemühungen des Europarates um den Schutz kollektiver Minderheitenrechte stellt die Europäische Rahmenkonvention dar. Sie ist nicht nur das neueste hier behandelte Minderheitenschutzinstrument, sondern wird nach ihrer Ratifizierung auch das einzige verbindliche, sich spezifisch mit dem allgemeinen Schutz von Minderheiten befassende Instrument überhaupt sein. Ihr kommt daher besondere Bedeutung zu. Kollektiven Rechten bzw. Staatenverpflichtungen hat die Rahmenkonvention jedoch bis auf die, individualrechtlich formulierte, politische Mitwirkung von Minderheiten, eine klare und durchgängige Absage erteilt. Minderheitenrechte werden damit als Menschenrechte konzipiert. Eindeutig weiter als die Rahmenkonvention gehen die ihr vorangegangen Vorschläge de lege jereTl{ia. Der Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK betreffend die nationalen Minderheiten und ihre Angehörigkeiten hält ähnlich wie die Deklaration 47/137 den klassischen individuell-menschenrechtlichen Ansatz aufrecht. 248 Auf der anderen Seite verleiht der Entwurf Organisationen, die nationale Minderheiten vertreten, das Recht, Verletzungen individueller Rechte geltend zu ma-

nanzielle sowie andere Beiträge einschließlich öffentlicher Unterstützung zu beantragen. 9. Nationale Minderheiten haben das Recht, Organisationen sowohl in dem Staat, in dem sie leben, als auch internationale Organisationen zum Schutz der Rechte von Minderheiten zu gründen. 10. Nationale Minderheiten und ihre Angehörigen haben das Recht, untereinander ungehinderte Kontakte innerhalb ihres Landes sowie über die Grenzen mit Bürgern anderer Staaten, mit denen sie eine gemeinsame nationale Herkunft oder ein gemeinsames kulturelles Erbe teilen, zu pflegen .... " Zitiert nach: Klein, in: Blumenwitdv. Mangoldt (Hrsg.), (Anm. 15),51 - 60, 52/53; vgl. Otto Kimminich, Minderheiten- und Volksgruppenrecht im Spiegel der Völkerrechtsentwicklung nach dem zweiten Weltkrieg, BayVbl. 1993,321 - 326, 325. 246 V gl. Hannes Tretter, Das Kopenhagener Abschlußdokument über die menschliche Dimension der KSZE, EuGRZ 17 (1990), 235 - 239, 237; Hofmann (Anm. 148), ZaöRV 52,14; die Haltung der Vereinigten Staaten beruht hauptsächlich auf ihrem Verständnis des Begriffs "Minderheit", vgl. Kapitel I, Text bei Anm. 105. 247 Vgl. Heinrich Klebes, Der Entwurf eines Minderheitenprotokolls zur EMRK, EuGRZ 20 (1993),148 - 151, 148. 248 Vgl. Klebes (Anm. 247), EuGRZ 1993, 150, der feststellt, daß sich dies in Einklang mit der Rechtsprechung sowohl der Europäischen Kommission als auch des Gerichtshofs für Menschenrechte befindet, vgl. insbesondere Anm. 19 mit weiteren Nachweisen.

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

chen. 249 Dieses prozedurale Recht ist den Beispielen aus dem nationalen Recht, den "dass actions" und "Verbandsklagen", sehr ähnlich. 250 Der Vorschlag einer Europäischen Konvention zum Schutz von Minderheiten erkennt nicht nur Individualrechte von Angehörigen von Minderheiten an, sondern sieht auch Rechte von Minderheiten an sich vor. 251 Kollektive Rechte werden jedoch nicht generell gewährt. Wie bereits gesehen, enthält Art. 3 die kollektiven Rechte von Minderheiten auf Bestandsschutz und auf Achtung, Schutz und Förderung ihrer Identität. 252 Es darf jedoch nicht vergessen werden, daß weder der Entwurf noch der Vorschlag bindend sind. 253 Die neuen bilateralen Verträge haben schließlich einen unterschiedlichen Regelungsgehalt. Der deutsch-sowjetische sowie der deutsch-polnische Vertrag enthalten weder kollektive Rechte noch Staatenverpflichtungen. Die drei anderen behandelten bilateralen Verträge lehnen sich eng an das Kopenhagener Dokument an, wobei der deutsch-ungarische Freundschaftsvertrag und der deutsch-rumänische Freundschaftsvertrag über den deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrag insofern hinausgehen, als sie das Element der politischen Mitwirkung noch zusätzlich betonen. Alles in allem ergibt sich aus der Untersuchung der jüngeren Instrumente eine gewisse Entwicklung hin auf eine Anerkennung des kollektiven Schutzes von Minderheiten. Es ist jedoch zu bedenken, daß die meisten dieser Instrumente noch keine bindende Wirkung entfalten.

249 Art. 9: ,,If a violation of the rights protected by this protocol is alleged, every person belonging to anational minority or any representative organization shall have an effective remedy before astate authority." 250 Vgl. Text bei Anm. 35 - 37. 251 Vgl. Giorgio Malinvemi, The Draft Convention for the Protection of Minorities, The Proposal ofthe European Commission for Democracy through Law, HRLJ 12 (1991), 265 273, 268, der erklärt, daß die Autoren Anhänger der Idee sind, daß Minderheiten nicht lediglich die Summe ihrer einzelnen Angehörigen sind, sondern daß sie darüber hinaus ein Geflecht von Beziehungen vertreten, daß zwischen ihnen besteht; siehe für eine allgemeine Unterstützung des Vorschlags G. Gilbert, The Legal Protection Accorded to Minority Groups in Europe, NetheriandsYIL 23 (1992), 67 - 104; Franz Matscher, Der Entwurf einer ,,Europäischen Konvention zum Schutze der Minderheiten" der Europarats-Kommission "Democracy through Law", in: Ermacorall'retterlPelzl (Hrsg.), (Anm. 81),255 - 279. 252 Vgl. Text bei Anm. 115/219; FrankeIHofmann (Anm. 244), EuGRZ 1992,404. 253 Bezüglich der Nichtbindungswirkung von Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vgl. Klebes (Anin. 247), EuGRZ 1993, 148.

C. Grenzen kollektiver Rechte

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C. Grenzen kollektiver Rechte Zur genauen Einordnung der kollektiven Rechte von Minderheiten ist es schließlich auch erforderlich, die Grenzen kollektiver Rechte zu untersuchen. Als wichtigste Einschränkung kollektiven Minderheitenschutzes sind hierbei die individuellen Menschenrechte zu berücksichtigen. Die der Frage der Grenzen kollektiver Minderheitenrechte zugrundeliegende Problematik liegt darin, herauszuarbeiten, was die sittliche Grundlage und was das eigentliche Objekt des Minderheitenschutzes ist. Die Lösung dieses Problems kann möglicherweise Aufschluß darüber geben, in welchem Verhältnis individueller und kollektiver Minderheitenschutz zueinander stehen. Eingangs wurde bereits festgestellt, daß der moderne Minderheitenschutz auf vier unterschiedlichen Zielvorstellungen basiert. 254 Dabei können diese Zielvorstellungen auf ein kollektives bzw. individuelles Verständnis von Minderheitenrechten gerichtet sein. Die Zielvorstellung des Schutzes der Menschenwürde des einzelnen ist als Grundlage aller individueller Menschenrechte 2SS vor allem auf den individuellen Schutz von Minderheitenangehörigen gerichtet. Die Menschenwürde erfaßt danach nicht nur die persönliche Sphäre des Individuums, sondern auch die Beziehungen des einzelnen zu seinen Mitmenschen, insbesondere zu der Gruppe, zu der er gehört. ,,Als soziales Wesen ist der Mensch auf Gemeinschaft angelegt und angewiesen und erhält erst durch sie und in ihr die Chance der Entfaltung. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Menschen ist Ausdruck der Verwirklichung der Persönlichkeit. ..256 Die Zielvorstellungen der Konfliktprävention, der Gruppenidentität und der dynamisch-kulturellen Gesellschaft berücksichtigen hingegen die Gruppe ebenso wie das Individuum. Diese Arbeit spricht sich dafür aus, als Grundlage und Objekt des Minderheitenschutzes vornehmlich die Menschenwürde des einzelnen Minderheitenangehörigen aufzufassen. Die Menschenwürde ist wesentliche Grundlage aller Menschenrechte und somit unter den vier Zielvorstellungen des Minderheitenschutzes Ausgangspunkt und entscheidendes Kriterium. m Nur ergänzend sollen auch die anderen Zielvorstellungen eine Rolle spielen. Unter der Prämisse, daß wesentliche Grundlage des Minderheitenschutzes die Menschenwürde des einzelnen ist, geht der Schutz minderheitenrechtlicher Indivi254 V gl. zu den Zielvorstellungen Dicke (Anm. 235), Europa-Archiv 48, 114; auch Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 63), 270/271. m Vgl. Dicke, in: BielefeldtIBruggerlDicke (Hrsg.), (Anm. 1), 161 ff. 256 Vgl. Klein, in: Blumenwitv'v. Mangoldt (Hrsg.), (Anm. 15), 51; ähnlich Erich H. Pircher, Der vertragliche Schutz ethnischer, sprachlicher und religiöser Minderheiten im Völkerrecht, Bem 1979,43. 257 Ebenso Klein, in: Blumenwitv'v. Mangoldt (Hrsg.), (Anm. 15), 54.

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Kapitel 11: Kollektiver Schutz von Minderheiten

dualrechte dem Schutz der Kollektivrechte vor. Die Kollektivrechte begrenzen Individualrechte nicht, sondern ergänzen sie. 258 Die Grenzen kollektiver Rechte bestehen deshalb in den Rechten individueller Minderheiten- und Mehrheitsangehöriger. Sobald ein Angehöriger einer Minderheit assimiliert werden möchte, also nicht mehr wünscht, Minderheitenschutz zu erlangen, oder sogar keinen Wert mehr darauf legt, weiterhin als Angehöriger einer Minderheit betrachtet zu werden, muß er über ein solches Recht verfügen können. 259 Umgekehrt muß ein Angehöriger einer Minderheit auch ein Recht gegenüber der Minderheit gegen willkürlichen Ausschluß haben. 260 Zudem müssen auch die individuellen Rechte von Mehrheitsangehörigen und von AngehÖ{igen anderer Minderheiten berücksichtigt werden. 261 Unter den weiteren Grenzen kollektiven Minderheitenschutzes sind vor allem internationale Verpflichtungen, Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen wie etwa souveräne Gleichheit, territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit der Staaten262 und Schutz der Mehrheit in Regionen, wo die Minderheit in der Mehrheit ise63 , zu nennen. 264 Diese Grenzen finden sich in vielen Minderheitenschutzinstrumenten und sind auch auf den positiven Schutz von Minderheiten anwend258 259

Ebenso Klein, in: Blumenwitllv. Mangoldt (Hrsg.), (Anm. 15),54.

Art. 32 Kopenhagen-Dok.: "To belong to anational minority is a matter of a person's

individual choice and no disadvantage may arise from the exercise of such choice." V gl. aber wiederum den etwas anders formulierten Art. 3 Rahmenkonvention: ,,Every person belonging to anational minority shall have the right freely to choose to be treated or not to be treated as such and no disadvantage shall result from this choice or from the exercise of the rights which are connected to that choice." 260 Dies entschied der Menschenrechtsausschuß im Fall Lovelace v. Canada (Anm. 14). 261 Art. 20 Rahmenkonvention: ,.In the exercise of the rights and freedoms flowing from the principles enshrined in the present framework Convention, any person belonging to a national minority shall respect the nationallegislation and the rights of others, in particular those of persons belonging to the majority or to other national minorities. " Art. 8 Abs. 2 G.V. Dekl. 47/137: "The exercise of the rights as set forth in this Declarati on shall not prejudice the enjoyment by all persons of universally recognized human rights and fundamental freedoms." Art. 15 Abs. 2 Vorseh!. Europ. Konv.: ,Jn the exercise ofthe rights set forth in this Convention, any person who belongs to a minority shall respect the national legislation, the rights of others, in particular those of the members of the majority and of other minorities. " Eids..Anm. 136), 25: "Group rights may not diminish individual rights."; auch Art. 27 IPBürg enthält die Rechte aller Personen als stillschweigende Schranke; vg!. Nowak (Anm. 6), Art. 27 para. 48. 262 Vgl. etwa Art. 8 G.V. Dekl. 47/137; Art. 37 Kopenhagen-Dok.; Art. 19,21 Rahmenkonvention; Art. 12 - 14 Entw. Zus. Prot.; Art. 12, 15 Vorseh!. Europ. Konv. 263 Art. 16 Vorseh!. Europ. Konv. 264 Es sollte jedoch nicht vergessen werden, daß eine prima facie Verletzung des Nichtdiskriminierungsgrundsatzes nicht gegeben ist, wenn positive Maßnahmen zum Schutz von Minderheiten ergriffen werden, vg!. etwa Art. 6 G.V. Dek!. 47/137; Art. 4 Abs. 2 Vorseh!. Europ. Konv.; Art. 12 Abs. 2 Entw. Zus. Prot.

C. Grenzen kollektiver Rechte

111

bar. 265 Stark eingeschränkt werden sowohl kollektiver als auch positiver Minderheitenschutz schließlich immer wieder durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er kann in den völkerrechtlichen Minderheitenschutzinstrumenten in den verschiedensten Formen vorgefunden werden. 266

265 Sie müssen deshalb dort nicht zusätzlich erörtert werden; zu den Schranken im allgemeinen Manfred Nowak, Limitations imposees aux droits des l'homme dans une societe democratique, RUDH 1992,402 - 409. 266 Art. 4 G.Y. Dekl. 47/137: "where appropriate", "wherever possible"; Art. 34 Kopenhagen-Dok.: "whereever possible and necessary"; Art. 4 Abs. 2, 6 Abs. 2, 10 Abs. 2 Rahmenkonvention: "where necessary", "appropriate", "where such a request corresponds to a real need"; Art. 8,9 Vorseh!. Europ. Konv.: "as far as possible", "where appropriate"; Art. 7 Entw. Zus. Prot.: ,,regions in which substantial numbers of anational minority are settled".

KAPITELill Positiver Schutz von Minderheiten

Die neben den kollektiven Rechten bemerkenswerteste Entwicklung im Bereich des Minderheitenschutzes ist der Trend vom klassischen negatorischen Schutz der Minderheiten zu einem mehr positiven Minderheitenschutz. Unter negatorischem Minderheitenschutz ist zu verstehen, daß Angehörigen von Minderheiten oder den Minderheiten selbst von staatlicher Seite nicht das Recht vorenthalten werden darf, ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen. I Negatorischer Schutz ist zwar ein wichtiges Mittel des völkerrechtlichen Minderheitenschutzes, geht aber nicht weit genug. Wenn einer Minderheit bzw. ihren Angehörigen lediglich ihr negatorischer Schutz garantiert wird, können private Dritte weiterhin in Minderheitenrechte eingreifen. 2 Minderheiten sind deshalb auf aktive Unterstützung seitens der Staaten angewiesen, wenn sie als eigenständige Gruppen mit eigener Identität fortbestehen wollen. 3 Der positive Schutz von Minderheiten trägt dieser Notwendigkeit Rechnung, indem er sowohl staatlichen Schutz vor Eingriffen privater Dritter als auch Förderung der Identität von Minderheiten beinhaltet. Die Minderheitenrechte auf Bestandsschutz und auf Achtung, Schutz und Förderung der Minderheitenidentität, die als kollektive Rechte bereits untersucht worden sind\ umfassen Beispiele sowohl des negatorischen als auch des positiven Minderheitenschutzes. Sie erfordern sowohl den negatorischen Schutz gegen staatliche Eingriffe als auch positiven staatlichen Schutz gegen Eingriffe Privater.

Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 192 - 194. Manfred Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, KehUStraßburglArlington 1989, Art. 27 para. 43. 3 Vgl. Rodolfo Stavenhagen, Human Rights and Peoples' Rights - The Question of Minorities, NordicJHR 1987,25 ff., 25; Francesco Capotorti, Study on the Rights ofPersons belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. FlCN.4/Sub.21384/ Rev.l, paras. 98 - 99; Nowak (Anm. 2), Art. 27 para. 43. 4 Vgl. Kapitel 11; zu ihrem positiven Gehalt vgl. noch Text bei Anm. 98 - 104. I

2 Vgl.

A. Konzeption positiver Rechte

113

Der Unterschied zwischen Bestandsschutz und Identitätsschutz besteht darin, daß Bestandsschutz die für den Fortbestand einer Minderheit grundlegende Norm ist, während Identitätsschutz auch bei weniger schwerwiegenden Eingriffen Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung stellt. 5 Zudem erfaßt der Bestandsschutz innerhalb der positiven Rechte nur den Schutz gegen Eingriffe Privater. Das Recht von Minderheiten auf Förderung ihrer Identität geht jedoch weiter. Es erfordert unabhängig von Eingriffen Privater positive staatliche Maßnahmen zur Förderung der Minderheitenidentität. Ohne die Diskussion der rechtspolitischen Frage vorwegzunehmen, ob der positive Schutz von Minderheiten erforderlich ist, läßt sich feststellen, daß negatorischer Minderheitenschutz möglicherweise nicht ausreichend ist, um den Fortbestand von Minderheiten zu garantieren. Eine Beschränkung auf negatorische Schutzmaßnahmen kann unter Umständen zur Auflösung von Minderheiten führen. Selbst positive staatliche Maßnahmen gegen Eingriffe Privater sind möglicherweise nicht genug, um die schrittweise Auflösung der Minderheit in die größere Mehrheitsgesellschaft zu verhindern. Ein Staat, der sich auf den Schutz seiner Minderheiten gegen staatliche und private Eingriffe beschränkt, schafft keine Voraussetzungen für das Fortbestehen der Minderheiten in der Zukunft. Die Minderheiten selbst bleiben nicht nur primär alleine verantwortlich, ihre eigene Assimilierung zu verhindern. Der Staat leistet bei dieser Aufgabe auch keine entscheidende Hilfestellung.

A. Konzeption positiver Rechte Wie schon zuvor bei den kollektiven Rechten wird erneut eine Konzeption positiver Rechte entwickelt werden. Das Konzept positiver Rechte stößt in der Völkerrechtslehre der westlichen Welt traditionell nicht auf große Zustimmung. Bürgerliche und politische Rechte werden als Abwehrrechte gegen den Staat, und damit als negatorische Rechte, eingeordnet. Soziale, kulturelle und wirtschaftliche Rechte hingegen werden als positive Rechte verstanden, aber gerade deshalb oft auch abgelehnt. Erst in jüngerer Zeit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß bürgerliche und politische Rechte zwar primär negatorischen Charakters sind, gleichzeitig aber auch ein starkes positives Element beinhalten können. 6 Umgekehrt wird mehr

5 Dies ist der Grund, weshalb das Recht auf Bestandsschutz in völkerrechtlichen Instrumenten immer vor dem Recht auf Identitätsschutz behandelt wird, vg!. etwa Art. 1 VN G. V. Dekl. 47/137 und Art. 3 Vorseh!. Europ. Konv. 6 Nowak (Anm. 2), Art. 2 para. 19.

8 Niewerth

114

Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

und mehr erkannt, daß soziale, kulturelle und wirtschaftliche Rechte auch negatorische Elemente umfassen. 7 So beinhaltet Art. 2 Abs. 1 IPBürg etwa die Verpflichtung der Vertragsparteien, alle Rechte des Paktes zu achten und zu gewährleisten. 8 Die Worte "zu achten" wurden von der VN-Menschenrechtskommission ohne Gegenstimme eingefügt. 9 Die Verpflichtung zur Achtung deutet auf den primär negatorischen Charakter bürgerlicher und politischer Rechte hin. 1O Gleichzeitig bestimmt Art. 2 Abs. 1 aber auch die "positive" Gewährleistung von Rechten. Der ursprüngliche amerikanische Entwurf sah sogar lediglich eine "Gewährleistung" von Rechten vor. 11 Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte l2 enthält demgegenüber lediglich eine Verpflichtung zur schrittweisen Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte. 13 Die Menschenrechte beruhen auf der Würde jedes einzelnen Menschen. 14 Die Menschenwürde erfordert es zum einen, daß der Staat nicht in den Rechtsbestand des einzelnen eingreift (negatorisches Recht). Zum anderen macht sie möglicherweise auch den Schutz des einzelnen vor privaten Eingriffen sowie selbst weitergehende Förderungsmaßnahmen erforderlich (positive Rechte). Zum Teil werden in diesem Zusammenhang unterschiedliche Begriffe verwendet. Shue etwa spricht von den Rechten auf "security" und "subsistence". IS Brugger unterscheidet zwischen ,,Menschenrechten als Grenze der Politik", denen er negatorische Rechte 7 Vgl. Jost Delbrück, The Right to education as an International Human Right, GYIL 35 (1992),92 - 104,93 ff. 8 ,,Bach State Party to the present Covenant undertakes to respect and to ensure to all indi viduals within its territory and subject to its jurisdiction the rights recognized in the present Covenant, without distinction of any kind, such as race, colour, sex, language, religion, political or other opinion, national or social origin, property, birth or other status." 9 Vgl. Entwurf des Redaktionsausschusses von 1948 in UN Doc. FJ800, 12. 10 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 2 para. 18. 11 Vgl. Art. 2 des britischen und amerikanischen Konventionsentwurfs von 1947, UN Doc. E/CN.4121, Annex B; UN Doc. E/CN.4/37. 12 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966, internationale Quelle: ILM 6 (1967), 360; im folgenden: IPwirtR. 13 ,,Bach State Party to the present Covenant undertakes to take steps, individually and through international assistance and co-operation, especially economic and technical, to the maximum of its available resources, with a view to achieving progressi vely the full realizati on of the rights recognized in the present Covenant by all appropriate means, including particularly the adoption of legislative measures." 14 Vgl. hierzu Klaus Dicke, Würde und Recht des Menschen, in: Heiner BielefeldtlWinfried Brugger/Klaus Dicke (Hrsg.), FS für Johannes Schwartländer zum 70. Geb., Würzburg 1992, 161 - 182. 15 Vgl. Henry Shue, Basic Rights: Subsistence, Affluence, and U.S. Foreign Policy, Princeton 1980, 13 ff.

A. Konzeption positiver Rechte

115

ausdrücklich zuordnet, und "Menschenrechten als Fundament der Politik". 16 Alle Autoren stirnrnen jedoch darin überein, daß die Notwendigkeit positiver Rechte inzwischen gemeinhin anerkannt ist.

I. Rechte auf negatorische Staatshandlungen: Unterlassungen

V or der Behandlung zweier Kategorien von positiven Rechten ist es zu ihrer Abgrenzung zunächst erforderlich, die Gruppe der negatorischen Rechte zu behandeln. Das traditionelle (negatorische) Abwehrrecht gegen staatliches Handeln beinhaltet, daß die Staaten Eingriffe in die Ausübung bestirnrnter Menschenrechte nicht vornehmen dürfen (Unterlassungspflicht).17 Alexy unterscheidet dabei Rechte auf die Nichthinderung von Handlungen, Rechte auf die Nichtbeeinträchtigung von Eigenschaften und Situationen und Rechte auf die Nichtbeseitigung von rechtlichen Positionen. 18 Gemeinsam ist allen Gruppen der negatorische Grundsatz, staatliche Eingriffe nicht zuzulassen. Ein Beispiel für ein Recht auf negatorische Staatshandlungen aus dem Bereich des Minderheitenschutzes ist das kollektive Recht von Minderheiten auf Achtung ihrer Identität. 19

11. Rechte auf positive Staatshandlungen: Schutzmaßnahmen

Es kann für den Schutz der Menschenwürde letztlich keinen Unterschied machen, ob ein Eingriff in elementare Menschenrechte seitens des Staates oder seitens privater Dritter erfolgt. Das Individuum hat deshalb Anspruch darauf, daß der Staat seine Rechtsposition gegen Eingriffe Privater schützt. 20 Positive Staatshandlungen als Schutzmaßnahmen sind in vielen völkerrechtlichen Menschenrechtsinstrumenten vorgesehen. 21 Im IPBürg etwa ergibt sich die Aufnahme von Schutzmaßnahmen aus der Formulierung, daß die Ausübung eines Rechts "gesetzlich zu

16 Vgl. Winfried Brugger, Menschenrechtsethos und Verantwortungspolitik, Freiburgl München 1980, 216 - 237. 17 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 2 para. 18 18 Vgl. Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, Baden-Baden 1985, 174 - 178. 19 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 192 - 194. 20 Vgl. Thomas Buergenthal, To Respect and to Ensure: State Obligations and Permissible Derogations, in: Louis Henkin (ed.), The International Bill of Rights, Boston 1981, 72 - 91, 77. 21 Zu ihrem Gebrauch in der EMRK Anne M. Williams, The European Convention on Human Rights: A New Use?, TexasIU 12 (1977), 279 - 292, 286 - 287; in Art. 1 wird dort "shall secure" verwandt, Williams zitiert Webster für eine Definition, wonach "to secure" "to put beyond hazard of losing or of not receiving: GUARANTEE" bedeutet. g.

116

Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

schützen" sei. 22 Nowak spricht in diesem Zusammenhang von "Horizontal wirkung", worunter die Entfaltung von Rechtswirkung zwischen Individuen im Gegensatz zur Vertikalebene zwischen Individuen und Staat zu verstehen ist. 23 Delbrück hingegen verwendet den auch im nationalen Verfassungsrecht gebräuchlichen Begriff der ,,Drittwirkung".24 Ein Beispiel für ein positives Recht auf staatliche Schutzmaßnahmen ist das kollektive Recht von Minderheiten auf Schutz ihrer Identität. 25

Irr. Rechte auf positive Staatshandlungen: Förderungsmaßnahmen Schließlich kann es auch ein Recht des einzelnen auf staatliche Förderungsmaßnahmen geben. In diesen Fällen besteht unabhängig von Eingriffen Privater eine Verpflichtung des Staates, zu handeln. 26 Es bestehen zwei Ebenen für solche staatlichen Förderungsmaßnahmen. Zum einen muß der Staat mit Instituts- und Verfahrensgarantien die Voraussetzungen dafür schaffen, daß das Individuum in den Genuß der vorgesehenen Rechte kommt. 27 Insbesondere ist ein wirksamer Rechtsschutz erforderlich. 28 Zum anderen kann der Staat aber auch dazu verpflichtet wer22

Etwa beim Recht auf Leben aus Art. 6 Abs. 1, beim Recht auf Privatheit gemäß Art.

17 Abs. 2, siehe bezüglich der Rechte auf Nichtdiskriminierung und Minderheitenschutz Abschnitt B.; allgemein Art. 2 Abs. 2: "Where not already provided for by existing legisla-

tive or other measures, each State Party to the present Covenant undertakes to take the necessary steps, in accordance with its constitutional processes and with the provisions of the present Covenant, to adopt such legislative or other measures as may be necessary to give effect to the rights recognized in the present Covenant."; Buergenthal, in: Henkin (ed.), (Anm. 20), 77; Bemhard Graefrath, Menschenrechte und internationale Kooperation, 10 Jahre Praxis des Internationalen Menschenrechtskomitees, Berlin 1988. 23 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 2 para. 20. 24 Vgl. Jost Delbrück, Die Rassenfrage als Problem des Völkerrechts und nationaler Rechtsordnungen, Frankfurt 1971, 113. 25 Vgl. Kapitel II, Text bei Anm. 192 - 194. 26 Alexy (Anm. 18), 179 - 180, unterscheidet in diesem Zusammenhang Rechte auf faktische (Leistungsrechte im engeren Sinne) und auf normative Handlungen (Leistungsrechte im weiteren Sinne) des Staates. 27 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 2 para. 19. 28 Art. 2 Abs. 3 IPBürg: "Each State Party to the present Covenant undertakes: a) To ensure that any person whose rights or freedoms as herein recognized are violated shall have an effective remedy, notwithstanding that the violation has been committed by persons acting in an official capacity; b) To ensure that any person claiming such a remedy shall have his right thereto determined by competent judicial, administrative or legislative authorities, or by any other competent authority provided for by the legal system of the State, and to develop the possibilities of judicial remedy; c) To ensure that the competent authorities shall enforce such remedies when granted."

B. Bereiche positiven Schutzes

117

den, einen gewissen Mindestbestand von Garantien zu schaffen, wenn dieser Stand bisher noch nicht erreicht war. 29 Der Umfang dieses Mindestbestandes richtet sich danach, was in dem jeweiligen völkerrechtlichen Menschenrechtsinstrument für die Erhaltung einer sinnvollen Existenz (subsistence) als erforderlich angesehen wird. 30 Beispiele für Rechte auf der ersten Ebene finden sich zwar nicht direkt im Bereich des Minderheitenschutzes, jedoch in Verfahrensgarantien auf nationaler sowie in Durchsetzungsmechanismen auf internationaler Ebene. Ein Beispiel für die zweite Ebene ist das kollektive Recht von Minderheiten auf Förderung ihrer Identität.

IV. Positive Staatenverpflichtungen

Neben den oben erörterten zwei Kategorien von positiven Rechten ist es Staaten aber auch möglich, positive Staatenverpflichtungen zu übernehmen. Wie bei den kollektiven Staatenverpflichtungen31 ist Ziel auch hier, den jeweiligen Staat mit positivem Gehalt zu verpflichten, ohne daß den Bürgern dieses Staates daraus ein Recht erwachsen würde, eine Verletzung dieser Verpflichtung geltend zu machen. Weder wird also das Individuum unmittelbar oder mittelbar berechtigt, noch kommt ihm eine partielle Völkerrechtssubjektivität zu. 32 Der Vorteil von positiven Staatenverpflichtungen liegt darin, daß Staaten sich eher zur Einhaltung von Verpflichtungen als zur Gewährleistung von Rechten bereiterklären werden?3

B. Bereiche positiven Schutzes Im folgenden sind die Bereiche positiven Schutzes im einzelnen zu untersuchen. Die Untersuchung wird zunächst bei dem Recht auf Nichtdiskriminierung einsetzen. Wie bereits erörterf', ist die Nichtdiskriminierung wesentliche Voraussetzung eines jeden Minderheitenschutzes. Anschließend sind kurz die bereits diskutierten 29 Vgl. Buergenthal, in: Henkin (ed.), (Anm. 20), 77; Alexy (Anm. 18), 179 - 180. 30 Zu einem Mindestbestand, den fundamentalen menschlichen Interessen, Winfried Brugger, Stufen der Begründung von Menschenrechten, Der Staat 31 (1992), 19 - 38; lames Nickel, Making Sense of Human Rights, Berkeley 1987, 51 f. (minimal gutes Leben); lohn Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt 1975, 83 (Grundgüter); zu einer Diskussion von Basisbedürfnissen vgl. Eibe Riedei, Theorie des Menschenrechtsstandards, Berlin 1986, 182 - 209. 31 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 45 - 49. 32 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 45 - 49. 33 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 45 - 49. 34 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 63/64.

118

Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

kollektiven Rechte zu untersuchen. Abschließend wird detailliert auf den positiven Gehalt verschiedener Individualrechte des Minderheitenschutzes im engeren Sinne einzugehen sein.

I. Recht auf Nichtdiskriminierung

Das Recht auf Nichtdiskriminierung, wie es etwa in Art. 26 IPBürg niedergelegt ist, stellt eine wesentliche Voraussetzung des internationalen Minderheitenschutzes dar. Im Rahmen einer Untersuchung positiver Rechte fällt zunächst auf, daß das Recht auf Nichtdiskriminierung nicht vorrangig ein Recht mit positivem Gehalt ist. Das Recht des einzelnen, vom Staat nicht diskriminiert zu werden, hat eindeutig negatorischen Charakter. Das Recht auf Nichtdiskriminierung kann aber auch Horizontalwirkung entfalten, d.h. den Staat zu Schutzmaßnahmen gegenüber Dritten verpflichten 35 , oder aber bezwecken, daß bestehende Ungleichheiten durch eine umgekehrte Diskriminierung (Bevorteilung) von Minderheiten ausgeglichen werden (AffIrmative Action). Bei letzteren beiden Varianten ist das Recht auf Nichtdiskriminierung als (eindeutig) positives Recht anzusehen. Im folgenden ist zu untersuchen, welcher positive Gehalt den für den Minderheitenschutz relevanten völkerrechtlichen Menschenrechtsinstrumenten zu entnehmen ist.

1. Art. 26 IPBürg Als auf universeller Ebene bindende Vorschrift des Vertragsrechts soll Art. 26 IPBürg Ausgangspunkt der Untersuchung sein. 36 Wichtig ist zunächst, daß gern. dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 26 S. 1 IPBürg zwischen Gleichheit vor dem Gesetz und gleichem Schutz durch das Gesetz zu unterscheiden ist. 37 Gleichheit vor dem Gesetz meint dabei den formalen Anspruch, daß bestehende Gesetze auf alle Rechtsunterworfenen in gleicher Weise angewendet werden müssen 38 , gleicher Schutz durch das Gesetz hingegen die Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Gewährleistung materieller Gleichheit im Wege der Gesetzgebung. 39

Vgl. Delbrück (Anm. 24), 113. Zur gewohnheitsrechtlichen Geltung des Rechts auf Nichtdiskriminierung vgl. Kapitel IV, Text bei Anm. 55. 37 "All persons are equal before the law and are entitled without any discrimination to the equal protection of the law." 38 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 28 para. 14. 39 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 28 para. 18. 35

36

B. Bereiche positiven Schutzes

119

Tomuschat hat gegen diese Unterscheidung eingewandt, daß es sich beim gleichen Schutz durch das Gesetz lediglich um einen spezifischen Aspekt der Gleichheit vor dem Gesetz handele. 40 Dem ist auf theoretischer Ebene sicherlich zuzustimmen. Bei dem Grundsatz der Gleichberechtigung handelt es sich um ein einheitliches Prinzip mit den zwei Teilaspekten der Gleichheit vor dem und der Gleichheit durch das Gesetz. 41 Auf operativer Ebene lassen sich Gleichheit vor dem und Gleichheit durch das Gesetz jedoch unterscheiden. Eine Auslegung von Art. 26 S. 1 IPBürg ergibt, daß beide Bestimmungen auf operativer Ebene gleichberechtigt und in gewisser Weise selbständig nebeneinander stehen. Art. 26 S. 2 IPBürg42 ist nur dann eine sinnvolle Vorschrift, wenn sich seine Bestimmungen an den Gesetzgeber wenden. 43 Da Art. 26 S. 2 mit S. 1 durch die Worte "in dieser Hinsicht" verbunden ist, muß sich auch mindestens eine der Bestimmungen des S. 1 an den Gesetzgeber wenden. 44 Da die Gleichheit vor dem Gesetz sich aber an die Vollziehung, also Richter und Verwaltungsbeamte4 5, richtet, muß der zweite Teil des S. 1, der gleiche Schutz durch das Gesetz, als Anweisung an die Gesetzgebung aufzufassen sein. Folglich handelt es sich bei Gleichheit vor dem Gesetz und gleichem Schutz durch das Gesetz gemäß Art. 26 IPB ürg auf operativer Ebene um zwei voneinander getrennte Teilkonzepte des einheitlichen Prinzips der Gleichheit. Neben diesem klaren Ergebnis einer Auslegung nach dem Wortlaut muß eine Auslegung gemäß der Entstehungsgeschichte zurücktreten, zumal diese kein eindeutiges Ergebnis erbringt. 46 40 Vgl. Christian Tomuschat, Equality and Non-Discrimination under the International Covenant on Civil and Political Rights, in: Ingo v. Münch (Hrsg.), Staatsrecht - Völkerrecht - Europarecht, FS für Hans-lürgen Schlochauer zum 75. Geb., BerlinlNew York 1981,691 - 716, 705; dem folgend auch Karl lose! Partsch, Discrimination against Individuals and Groups, in: Rudolf Bernhardt u. a. (eds.), Encyclopedia if Public International Law, Vol. 8, AmsterdamlOxfordlNew York 1985, 134 - 138, 136. 41 Vgl. Delbrück (Anm. 24),45 ff. 42 ,Jn this respect, the law shall prohibit any discrimination and guarantee to all persons equal and effective protection against discrimination on any ground such as race, colour, sex, language, religion, political or other opinion, national or social origin, property, birth or other status." 43 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 26 para. 17; Graefrath (Anm. 22), 181. 44 Die Worte ,,in this respect" wurden auf einen britisch-griechischen Antrag hin eingeführt. Zwar war Intention des Antrags ursprünglich gewesen, den Inhalt des S. 2 auf das Gebot der Gleichheit vor dem Gesetz zu beziehen. Aufgrund der zuvor erfolgten Ergänzung des S. 1 durch den gleichen Schutz durch das Gesetz erhielten die Worte aber eine andere Zielrichtung. 4S Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 26 para. 14. 46 Das Recht auf gleichen Schutz durch das Gesetz wurde aufgrund eines indischen Antrags im 3. Ausschuß der G.V. in den ersten Satz von Art. 26 eingefügt, UN Doc. AlC.31 L.945; es ist umstritten, ob den Delegationen der Staaten dabei die Folge dieser Einfügung klar war; vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 26 para. 16, der auf den vergeblichen Versuch des

120

Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

Als Zwischenergebnis kann festgestellt werden, daß Art. 26 S. 1 und S. 2 IPBürg eine selbständige Verpflichtung des Gesetzgebers beinhalten, gleichen Schutz durch das Gesetz zu gewähren. Es ist im folgenden zu untersuchen, welchen Gehalt das Gebot des gleichen Schutzes durch das Gesetz hat. Zunächst enthält es ein Diskriminierungsverbot, was sich eindeutig im 1. Teil des S. 2 von Art. 26 IPBÜTg zeigt. Bei dem Diskriminierungsverbot handelt es sich um den negatorischen Aspekt des gleichen Schutzes durch das Gesetz. 47 Ob Art. 26 IPBürg daneben auch einen positiven Gehalt hat, ist anhand einer Auslegung zu ermitteln.

a) Auslegung

Gemäß dem eindeutigen Wortlaut des Art. 26 S. 2 IPBürg "hat das Gesetz ... gegen jede Diskriminierung ... gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten". Da S. 2 zuvor bereits ein Diskriminierungsverbot ausgesprochen hat, ergibt sich im Umkehrschluß, daß neben dem negatorischen Diskriminierungsverbot zugleich auch positiver Diskriminierungsschutz gewährt werden sol1. 48 Unterstützung findet die Wortlautauslegung durch eine systematische Auslegung der relevanten Vorschriften. Art. 2 Abs. 2 IPBürg beinhaltet, wie bereits erörtert49 , ohnehin ein Gebot sowohl der Achtung als auch der Gewährung aller Rechte des Paktes. Es würde deshalb keinen Sinn geben, wenn Art. 26 S. 2IPBürg dazu im Sinne eines Minus zu interpretieren wäre. Auslegungsergebnis ist somit, daß Art. 26 IPBürg eine positive staatliche Pflicht zum Schutz vor Diskriminierung enthält. 50 Zu untersuchen ist im weiteren, ob die positive staatliche Schutzpflicht Schutzmaßnahmen bzw. Förderungsmaßnahmen erforderlich macht.

brasilianischen Delegierten hinweist, die bei den Teile des S. I durch das Wort "consequently" zu verbinden, UN Doc. AlC.3/SR. 1102, § 38; Tomuschat, in: FS Schlochauer (Anm. 40), 705, weist hingegen darauf hin, daß sich kaum ein Staat zum Vorschlag der indischen Delegation äußerte, obwohl fast alle westlichen Staaten gegen einen gleichen Schutz durch das Gesetz waren. 47 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 26 para. 19. 48 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 26 para. 27. 49 Vgl. Text bei Anm. 22. 50 So auch der Menschenrechtsausschuß, Allgemeine Bemerkung zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, AB 4113, para. 2, Anhang, 878: "Firstly, article 3, as articles 2 (l) and 26 in so far as those articles primarily deal with the prevention of discrimination on a number of grounds, among which sex is one, requires not only measures of protection but also affirmative action designed to ensure the positive enjoyment of rights."

B. Bereiche positiven Schutzes

121

b) Schutzmaßnahmen

Es stellt sich zunächst die Frage, ob staatliche Schutzmaßnahmen zur Abwehr von Eingriffen Privater erforderlich sind. Gemäß dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 IPBürg hat der Staat Schutz gegen jede Diskriminierung zu gewährleisten. 51 Auch das dem Diskriminierungsschutz vorangehende negatorische Diskriminierungsverbot beinhaltet diese Formulierung. Aus dem Wortlaut von Art. 26 S. 2 ergibt sich somit ein erstes Indiz für das Erfordernis staatlicher Schutzmaßnahmen gegen private Diskriminierung. Eine systematische Auslegung unterstützt dieses Ergebnis. Der IPBürg enthält einige Spezialnormen, die eine Diskriminierung durch Private verhindern sollen, etwa Art. 20 Abs. 2, Art. 3 oder Art. 23 Abs. 4 und Art. 24 Abs. 1. Da diese Spezialnormen die Vielzahl der Fälle, in denen es zu privater Diskriminierung kommt, nicht abdecken können, entsteht eine Lücke, die nicht gewollt gewesen sein kann und nur zu schließen ist, wenn Art. 26 IPBürg insofern als Auffangnorm verstanden wird. 52 Schließlich ergibt auch die Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift nichts anderes. "Wenn die Diskriminierung durch staatliche Organe verboten, aber eine gleichartige Diskriminierung durch Private geduldet wird, dann wird die Wirksamkeit der Menschenrechtskonventionen wesentlich beeinträchtigt. Das Diskriminierungsverbot in öffentlichen Schulen nützt gar nichts, wenn es durch die Einrichtung von Privatschulen umgangen wird ...53 Auslegungsergebnis ist somit, daß staatliche Schutzmaßnahmen zur Abwehr von Eingriffen Privater grundsätzlich erforderlich sind. 54 Weiter ist jedoch zu untersuchen, in welchen Fällen diese staatliche Schutzpflicht greift. Eindeutig ist zunächst, daß Diskriminierungen in privaten Bereichen eine Angelegenheit persönlicher Entscheidungen sein können, die vom Recht auf

51 Darauf wies Tarnopolsky 1979 im Menschenrechtsausschuß hin, UN Doc. CCPRlC/ SR. 170, para. 82 (1979): "prohibited discrimination on any grounds and not just on the grounds of rights recognized in the Covenant. Hence article 26 cou1d not be interpreted as referring only to public acts ... If the State owned a11 housing and was the sole employer, then its provisions applied to the State. In a different system, however, with private housing and numerous private employers, it was the latter who must be prevented from practising discrimination. "; kritisch aber Tomuschat, UN Doc. CCPRlC/SR.170, para. 39 (1979). 52 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 26 para. 31; in diese Richtung auch B. G. Ramcharan, Equality and Nondiscrimination, in: Henkin (ed.), (Anm. 20), 246 - 269, 263. 53 Vgl. Graefrath (Anm. 22), 284. 54 Mit diesem Ergebnis auch Nowak (Anm. 2), Art. 26 para. 30; Ramcharan, in: Henkin (ed.), (Anm. 52), 261 ff.; Graefrath (Anm. 22), 184; a. A. Tomusehat, in: FS Schlochauer (Anm. 40), 710 ff. u. 716; Partseh, in: EPIL 8 (Anm. 40),136.

122

Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

Privatheit gegen staatliche Eingriffe geschützt sind. 55 Dies trifft etwa auf private Veranstaltungen zu, soweit sie im häuslichen Bereich oder in der engeren Privatsphäre abgehalten werden. Es gibt jedoch auch einen Bereich von privaten Veranstaltungen und Tätigkeiten, die durch ihren Öffentlichkeitsbezug aus der engeren Privatsphäre herausfallen. In diesen Bereich gehören etwa private Arbeitsverhältnisse, Schulen, Verkehrsmittel, Hotels, Restaurants, Theater, Parks, Strände etc .. 56 In diesem "quasi-öffentlichen"57 Bereich verpflichtet Art. 26 die Vertrags staaten, diskriminierende Praktiken zu unterbinden. 58 Die Praxis des Menschenrechtsausschusses im Berichtsprüfungsverfahren zeigt, daß der Ausschuß Art. 26 eine Horizontalwirkung zuerkennt, also staatliche Schutzmaßnahmen für erforderlich hält. Bei der Behandlung von Staatenberichten haben Mitglieder des Ausschusses wiederholt um Informationen bezüglich von Maßnahmen gegen Diskriminierung durch Private gebeten. 59 Im Rahmen des Individualbeschwerdeverfahrens ist es jedoch noch nicht zu einer Auseinandersetzung des Ausschusses mit dem Problem privater Diskriminierung gekommen. Im Fall entlassener Seeleute gegen die Niederlande ging es zwar um die Diskriminierung ausländischer Seeleute durch eine private Reederei, die Beschwerde scheiterte aber bereits an der Nichterschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges. 60

c) Förderungsmaßnahmen

Nach den Schutzmaßnahmen ist zu untersuchen, ob auch staatliche Förderungsmaßnahmen (AffIrmative Action) erforderlich sind. 61 Es gilt zunächst zu bedenken, 55 Ausführungen der Delegierten Griechenlands, Dänemarks, Kanadas, Jugoslawiens und Pakistans im 3. Ausschuß der Generalversammlung, UN Doc. AlC.3/SR1098, § 33; SR.I099, §§ 18,19,26; SRllOO, § 10; SRI102, § 4; ebenso Tomuschat, in: FS Schlochauer (Anm. 40), 711; Ramcharan, in: Henkin (ed.), (Anm. 52), 261. 56 Vgl. Delbrück (Anm. 24), 113/114; Nowak (Anm. 2), Art. 26 para. 31; Ramcharan, in: Henkin (ed.), (Anm. 52), 262. 57 Nowak (Anm. 2), Art. 26 para. 31. 58 Auffassung etwa der Delegierten der Sowjetunion, der Philippinen, der USA, Polens und Equadors im 3. Ausschuß der Generalversammlung, UN Doc. AlC.3/SR1098, §§ 6, 26; SRI099, § 22; SRll06, §§ 18,52; Nowak (Anm. 2), Art. 26 para. 31; Ramcharan, in: Henkin (ed.), (Anm. 52), 262/263. 59 Vgl. Ramcharan, in: Henkin (ed.), (Anm. 52), 266 - 269. 60 Comm. No. 209/1986; siehe dazu Nowak (Anm. 2), Art. 27 para. 32. 61 Durch Affirmative Action-Maßnahmen soll frühere gesellschaftliche de facto-Diskriminierung kompensiert werden, vgl. U.S. S.Ct. im Fall Bakke, Urteil vom 28. Juni 1978, 438 U.S. 265,98 S.Ct. 2733,57 L.Ed. 2d 750 (1978), deutsche Übersetzung in EuGRZ 1978,542; des weiteren Albrecht Weber, Minderheitenschutz und Nichtdiskriminierung in Kanada in rechts vergleichender Perspektive, EuGRZ 21 (1994),537 - 548, 546.

B. Bereiche positiven Schutzes

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daß Förderungsmaßnahmen nur einer bestimmten, traditionell benachteiligten Bevölkerungsgruppe, etwa einer Minderheit, zugute kommen, während andere Bevölkerungsgruppen an solchen Maßnahmen nicht teilhaben. Es handelt sich folglich bei Afflnnative Action-Maßnahmen um eine Art umgekehrter Diskriminierung62 , die dem Diskriminierungsverbot entgegenstehen könnte. Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, daß Förderungsmaßnahmen zum einen die Funktion haben können, bestehende Ungleichheiten abzubauen. 63 Auch können Förderungsmaßnahmen in Fonn von Quotenregelungen eine angemessene Repräsentanz von Minderheitenangehörigen in öffentlichen Ämtern sicherstellen. 64 Förderungsmaßnahmen könnten deshalb nicht nur nicht gegen das Gebot der Nichtdiskriminierung verstoßen, sondern sogar unabdingbare Voraussetzung für die Erreichung faktischer Gleichheit sein. Bei einer Auslegung von Art. 26 IPBürg ist dabei auf die Vorbereitungsarbeiten zum IPBürg zurückzugreifen, da weder dem Wortlaut des Art. 26 noch dem anderer Artikel (etwa der Artikel 2 oder 3) ein Hinweis auf Maßnahmen "umgekehrter Diskriminierung" zu entnehmen ist. 6s Während der Vorbereitungsarbeiten zu beiden Pakten wurde verschiedentlich hervorgehoben, daß Förderungsmaßnahmen gegenüber benachteiligten Gruppen nicht dem Diskriminierungsverbot des Art. 26 IPBürg unterfallen. Während der Beratung von Art. 26 im 3. Ausschuß stellte der Delegierte der Philippinen fest, daß "the word ,discrimination' ... was used ... in a negative sense only, to mean a distinction of an unfavourable kind. ,,66 Die Delegierten Chiles, der Niederlande und Uruguays wiesen darauf hin, daß das Gebot der Gleichheit nicht eine absolute Gleichbehandlung erforderlich mache. 67 Der Delegierte Indiens schließlich schlug während der Beratung des IPwirtR sogar die Aufnahme eines klarstellenden Paragraphen vor. 68 In manchen Situationen sei es wegen bestehender Ungleichheiten erforderlich, bestimmten Gruppen der Bevölkerung eines Staates für einen begrenzten Zeitraum mehr Rechte und Privile62 So etwa Weber (Anm. 61), EuGRZ 1994,547; Christian Hil/gruber, Minderheitenschutz im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention - Stand und Entwicklung, in: Dieter BlumenwitdGilbert Gomig (Hrsg.), Minderheiten- und Volksgruppenrechte in Theorie und Praxis, Bonn 1993,39 - 47, 46. 63 Vgl. Hil/gruber, in: BlumenwitdGornig (Hrsg.), (Anm. 62),46. 64 V gl. die bereits erwähnte Regelung in Südtirol, wo 2/3 der öffentlichen Ämter mit deutschen Südtirolem besetzt werden müssen, Kapitel 11, Text bei Anm. 170, die Nähe zur politischen Mitwirkung ist hier unverkennbar. 65 Vgl. Anm. 37/42. 66 UN Doc. AlC.3/SR.1102, para. 53 (1961). 67 UN Doc. AlC.3/SR.1098 (1961). 68 "Special measures for the advancement of any socially and educationally backward sections of society shall not be construed as distinctions under this article."; UN Doc. AlC.3/SR.1182, para. 17 (1962).

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

gien zu gewähren als dem Rest der Bevölkerung, um so dem Prinzip der Gleichheit wieder zur Geltung zu verhelfen und Bedingungen zu schaffen, unter denen Förderungsmaßnahmen nicht mehr erforderlich seien. 69 Sollte der Ausschuß nicht einen eigenen Paragraphen mit dem Problem befassen wollen, so solle er zumindest eine Erklärung in seinen Bericht einfügen, wodurch die Auslegung klargestellt werde. 70 Der indische Vorschlag wurde von vielen Staaten zustimmend aufgenommen. 71 Die Meinung ging jedoch dahin, daß "the difficulty experienced by the Indian representative would best be met by the inclusion of an interpretative statement in the Committee's records, rather than insertion of an additional paragraph in the draft Covenant."n Die somit vom 3. Ausschuß mehrheitlich vertretene Position war schon 30 Jahre zuvor im Fall der Minority Schools in Albania vom StIGH formuliert worden: It is perhaps not easy to define the distinction between the notion of equality in fact and equality in law; nevertheless, it may be said that the former notion excludes the idea of a merely formal equality; that is indeed what the Court laid down in the Advisory Opinion of September 10th, 1923, conceming the case of the German settlers in Poland (Opinion No. 6), in which it was said that "there must be equality in fact as weH as ostensible legal equality in the sense of the absence of discrimination in the words of the law." Equality in law precludes discrimination of any kind; whereas equality in fact may involve the necessity of different treatment in order to attain a result which establishes an equilibrium between different situations. 73 69 " ••• raised certain problems in the case of the particularly backward groups still to be found in many under-developed countries. In his country, the constitution and the laws provided for special measures for the social and cultural betterment of such groups; measures ofthat kind were essential for the achievement of true social equality in highly heterogeneous societies. He feit certain that the authors of the draft Covenant had not intended to prohibit such measures, which were in fact protective measures ... He therefore thought it essential to make it clear that such protective measures would not be construed as discriminatory within the meaning of the paragraph ... "; UN Doc. AlC.3/SRI182, para. 17 (1962); vgl. zum Problem der Affirmative Action auch J. Harvie Wilkinson, From Brown to Bakke, The Supreme Court and School Integration, New York/Oxford 1979; Marshall Cohenl Thomas Nagel/I'homas Scanlon (eds.), Equality and Preferential Treatment, Princeton 1977. 70 UN Doc. AlC.3/SR1182, para. 17 (1962); SR1257, para. 18 (1963). 71 Etwa Großbritannien, Ceylon, Ukrainische SSR, USA, vgl. Ramcharan, in: Henkin (ed.), (Anm. 52), 262; Australien, Vereinigte Arabische Republik, UN Doc. AlC.3/ SR1258, para. 45, 48 (1963); auch SR1259, paras. 33 - 34 (1963). 72 UN Doc. AlC.3/SRI283, paras. 12,29 (1962). 73 PCIJ, Minority Schools in Albania, Advisory Opinion, Series AlB No. 64 (1935),19; zur equality in fact auch Volker Röben, AReport on Effective Protection of Minorities, GYIL 31 (1988),621 - 638, 631; Satish Chandra, Equality and Preferential Discrimination with Minorities, in: ders. (ed.), International Protection of Minorities, New Delhi 1986,47-

B. Bereiche positiven Schutzes

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Ergebnis einer Auslegung nach den Vorbereitungsarbeiten ist deshalb, daß Förderungsmaßnahmen nicht gegen Art. 26 verstoßen, sondern vielmehr zur Erreichung faktischer Gleichheit sogar erforderlich sind. 74 Sie sind jedoch befristet nur solange erlaubt, bis eine faktische Gleichheit erreicht ist. Eine "Perpetuierung der Rassentrennung" darf in keinem Fall bewirkt werden. 75

Im Fall Stalla Costa sah der Menschenrechtsausschuß ein Gesetz Uruguays, wodurch ehemalige Beamte, die während der Militärdiktatur aus ideologischen, politischen oder gewerkschaftlichen Gründen entlassen worden waren, hinsichtlich des Zugangs zu öffentlichen Ämtern gegenüber anderen Bewerbern privilegiert wurden, nicht als Diskriminierung im Sinne von Art. 26 an. 76 Auch wenn der Ausschuß in diesem Fall lediglich eine Verletzung des Gleichheitsgebotes verneinte, so zeigt die Entscheidung doch, daß er Maßnahmen des aktiven Diskriminierungsschutzes als legitimes Mittel zur Herstellung einer de facto-Gleichheit durch das Gesetz ansieht. 77 Die Frage, inwieweit solche Maßnahmen durch Art. 26 geboten sind, war bisher noch nicht Gegenstand einer Individualbeschwerde. In der Arbeit des Ausschusses ist die Erforderlichkeit von Affirmative Action jedoch wiederholt von seinen Mitgliedern bestätigt worden. 78 Auch im Berichtsprüfungsverfahren wird regelmäßig gefragt, welche positiven Maßnahmen die Staaten zur Zurückdrängung real existierender Diskriminierung ergriffen haben. 79

77,50 ff.; im ganzen Warwick McKean, Equality and Discrimination under International Law, Oxford 1983. 74 Mit diesem Ergebnis auch Graefrath (Anm. 22), 182; für Förderungsmaßnahmen gegenüber Frauen lost Delbrück, Die Konvention der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau von 1979 im Kontext der Bemühungen um einen völkerrechtlichen Schutz der Menschenrechte, in: FS Schlochauer (Anm. 40), 247 - 270, 267 ff. 75 Vgl. Delbrück (Anm. 24), 113, der auf Art. 2 Abs. 2 S. 2 der Rassendiskriminierungskonvention verweist: "These measures shall in no case entail as a consequence the maintenance ofunequal or separate rights for different racial groups after the objectives for which they were taken have been achieved." 76 Comm. No. 198/1985, para. 10. 77 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 26 para. 29. 78 "Artic1es 3 and 26 of the Covenant required more than restraint by the State party. They required the adoption of positive measures to prevent discrimination ... He did not think that affirmative action in favor of a disadvantaged group constituted reverse discrimination; in fact it was sometimes essential.", Tamopolsky, UN Doc. CCPRlC/SR.189, para. 10 (1980); "Art. 3 c1early called for affirmative action, inc1uding social, economic and administrative measures.", Lallah, SR.189, para. 14 (1980); zustimmend Danelius, SR.189, para. 16 (1980). 79 Vgl. Ramcharan, in: Henkin (ed.), (Anm. 52),266 ff.

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

d) Zwischenergebnis Zwischenergebnis ist somit, daß Art. 26 IPBürg eine Verpflichtung der Vertragsstaaten zu positivem Diskriminierungsschutz entnommen werden kann. Dabei umfaßt dieser Diskriminierungsschutz sowohl Schutz- als auch Förderungsmaßnahmen.

2. Andere Vorschriften Im folgenden sind auch andere internationale Vorschriften auf ihren positiven Gehalt hinsichtlich der Nichtdiskriminierung zu untersuchen.

a) Vorschriften multilateraler Art Unter den Regelungen verbindlicher Art beschränkt sich Art. 24 AMRK im Gegensatz zu Art. 26 IPBürg auf die Verankerung des negatorischen Diskriminierungsverbotes. Das ergibt sich aus seinem eindeutigen Wortlaut. Zwar tauchen auch in den zwei Sätzen des Art. 24 AMRK die Konzepte sowohl der Gleichheit vor dem Gesetz als auch der Gleichheit durch das Gesetz auf. so Durch die Verknüpfung der beiden Sätze mittels des Wortes "consequently" erscheint die Gleichheit durch das Gesetz im Gegensatz zu Art. 26 aber nur als Unterfall der Gleichheit vor dem Gesetz. SI Art. 14 EMRK enthält hingegen wie Art. 26 IPBürg nicht nur ein Diskriminierungsverbot, sondern auch das Gebot des Diskriminierungsschutzes. Dies ergibt sich aus der Formulierung des Rechts als Gewährleistung. s2 Ob davon auch Förderungsmaßnahmeri erfaßt sein sollen, läßt sich aus dem Wortlaut jedoch nicht ersehen. Weiter geht deshalb der nicht als Individualrecht formulierte S3 Art. 2 der Rassendiskriminierungskonvention. Ausgehend von der Formulierung des Prinzips

80 ,,All persons are equal before the law. Consequently, they are entitled, without discrimination, to equal protection of the law." 81 Auf Art. 24 AMRK trifft die Argumentation Tomuschats und Partsehs also ohne Einschränkung zu. 82 "The enjoyment of the rights and freedoms set forth in this Convention shall be secured without discrirnination on any ground such as sex, race, colour, language, religion, political or other opinion, national or social origin, association with anational rninority, property, birth or other status." 83 Vgl. Kapitel 11, Anm. 69.

B. Bereiche positiven Schutzes

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des Diskriminierungsschutzes 84 , sieht Art. 2 ausdrücklich sowohl Schutz- 8' als auch Förderungsmaßnahmen 86 vor. Sowohl das Kopenhagener Dokument der KSZE als auch die G.V.-Deklaration 47/137 bleiben hinter diesen Regelungen zurück, obwohl es sich bei ihnen um Regelungswerke unverbindlicher Art handelt. Das Kopenhagener Dokument enthält neben der Gewährleistung der Gleichheit vor dem Gesetz nur eine eingeschränkte Garantie der Gleichheit durch das Gesetz. Diese soll nur "wo dies erforderlich ist" gewährt werden. 87 Auch eine eindeutige Formulierung der Möglichkeit von Mfirrnative Action-Maßnahmen fehlt. 88 Die G.V.-Deklaration 47/137 enthält in Art. g Abs. 3 zwar die Erlaubnis von Förderungsmaßnahmen89 , die Verankerung eines Diskriminierungsschutzes neben dem klassischen Diskriminierungsverbot muß aber aus der Formulierung "jede Diskriminierung" erahnt werden. 90 Die Europäische Rahmenkonvention geht als Regelungswerk noch unverbindlicher Art hingegen weiter. Zunächst formuliert sie das Prinzip der Gleichberechtigung lediglich als Staatenverpflichtung, sie enthält aber neben der Gleichheit vor dem Gesetz und der Gleichheit durch das Gesetz auch den Grundsatz des Diskri-

84 Abs. 1: "States Parties ... undertake to pursue by all appropriate means and without delay a policy of eliminating racial discrimination in all its forms ... " 85 Abs. 1 lit. d: ,,Bach State Party shall prohibit and bring to an end, by all appropriate means, including legislation as required by circurnstances, racial discrimination by any persons, group or organization;". 86 Abs. 2: "States Parties shall, when the circumstances so warrant, take, in the social, economic, cultural and other fields, special and concrete measures to ensure the adequate development and protection of certain racial groups or individuals belonging to them, for the purpose of guaranteeing them the full and equal enjoyment of human rights and fundamental freedoms." 87 Art. 31: ,,Persons belonging to national minorities have the right to exercise fully and effectively their human rights and fundamental freedoms without any discrimination and in full equality before the law. The participating States will adopt, where necessary, special measures for the purpose of ensuring to persons belonging to national minorities full equality with the other citizens in the exercise and enjoyment of human rights and fundamental freedoms." Angesichts der Tatsache, daß Diskriminierungsschutz auch nur gerechtfertigt ist, wo "dies erforderlich ist", ist diese Einschränkung eigentlich überflüssig. Die Formulierung ,jegliche Diskriminierung" im 1. Absatz bleibt ebenfalls etwas unklar. 88 Art. 33 enthält vielmehr sogar die Erinnerung, daß die Prinzipien der Gleichheit und Nichtdiskriminierung in bezug auf die anderen Bürger gewahrt werden müssen. 89 "Measures taken by States in order to ensure the effective enjoyment of the rights as set forth in this Declaration shall not prima facie be considered contrary to the principle of equality contained in the Universal Declaration of Human Rights." 90 Etwa Art. 2 Abs. 1: ,,Persons belonging to ... minorities have the right to ... without interference or any form of discrimination."

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

minierungsschutzes. 91 Letzteres ergibt sich aus dem Verbot jeder Diskriminierung. Art. 4 Abs. 2, 3 erlauben zusätzlich auch Affirmative Action-Maßnahmen. 92 Die den Bestimmungen der Rahmenkonvention de lege ferenda vorausgegangenen Art. 4 und 12 Abs. 2 Entw. Zus. Prot. sowie Art. 4 Vorschl. Europ. Konv. gehen noch weiter, da sie als Rechte formuliert sind. Beide sehen sowohl Schutz- als auch Förderungsmaßnahmen vor. Art. 4 Entw. Zus. Prot. enthält zunächst sowohl den Grundsatz des Diskriminierungsverbotes als auch den des Diskriminierungsschutzes. 93 Art. 12 Abs. 2 erlaubt zusätzlich ausdrücklich AffInnative Action-Maßnahmen. 94 Art. 4 Vorschl. Europ. Konv. ist etwas allgemeiner formuliert. Auch ihm kann aber ein ebenso umfassender Diskriminierungsschutz entnommen werden. 95

b) Vorschriften bilateraler Art Die Bestimmungen der neuen bilateralen Verträge zwischen Deutschland einerseits und Ungarn, der Tschechoslowakei und Rumänien andererseits enthalten auch hinsichtlich positiver Minderheitenrechte die rechtliche Verbindlichkeit der Vorschriften des Kopenhagener Dokuments. Zusätzlich finden sich im deutschpolnischen Nachbarschaftsvertrag mit dem Wortlaut des Kopenhagener Doku-

91 Art. 4 Abs. I: "The Parties undertake to guarantee to persons belonging to national minorities the right of equality before the law and of equal protection of the law. In this respect, any discrimination based on belonging to anational minority shall be prohibited." 92 Art. 4 Abs. 2: "The Parties undertake to adopt, where necessary, adequate measures in order to promote, in all areas of economic, social, political and culturallife, full and effective equality between persons belonging to anational minority and those belonging to the majority. In this respect, they shall take due account of the specific conditions of the persons belonging to national minorities." Art. 4 Abs. 3: "The measures adopted in accordance with paragraph 2 shall not be considered to be an act of discrimination." 93 ,,All persons belonging to anational minority shall be equal be fore the law. Any discrimination based on membership of anational minority shall be prohibited." 94 "Measures taken for the sole purpose of protecting ethnic groups, fostering their appropriate development and ensuring that they are granted equal rights and treatment with respect to the rest of the population in the administrative, political, economic, social and cultural fields and in other spheres shall not be considered as discrimination." 9S Abs. I: "Any person belonging to a minority shall have the right to enjoy the same rights as any other citizen, without distinction and on an equal footing." Abs. 2: "The adoption of special measures in favour of minorities or of individuals belonging to minorities and aimed at promoting equality between them and the rest of the population or at taking due account of their specific conditions shall not be considered as an act of discrimination."

B. Bereiche positiven Schutzes

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ments weitgehend deckungsgleiche Vorschriften. 96 Ähnliche Bestimmungen finden sich auch in Art. 19 Abs. 2 S. 3 des deutsch-ungarischen Freundschaftsvertrages. 97

11. Kollektive Rechte

Nach der Untersuchung der grundlegenden Garantie der Nichtdiskriminierung auf ihren positiven Gehalt ist nun kurz auf den positiven Gehalt der bereits erörterten kollektiven Rechte des Minderheitenschutzes im engeren Sinne einzugehen. Wie bereits erörtert, werden dabei die kollektiven Rechte auf Bestandsschutz, auf Selbstbestimmung sowie auf Achtung, Schutz und Förderung der Identität zu untersuchen sein.

1. Bestandsschutz Im Rahmen der Erörterung des kollektiven Rechts auf Bestandsschutz ist bereits festgestellt worden, daß dieses Recht auch eine positive Komponente enthält. 98 Auch durch Eingriffe Privater kann der Bestand einer Minderheit so stark gefährdet werden, daß der Staat positive Schutzmaßnahmen ergreifen muß, um ein Aussterben der Minderheit zu verhindern. 99 Staatliche Förderungsmaßnahmen macht das Konzept des Bestandsschutzes jedoch nicht erforderlich. 100

2. Selbstbestimmungsrecht Auch das Recht von Minderheiten auf innere Selbstbestimmung kann als positives Recht eingeordnet werden. Im Gegensatz zum soeben behandelten Bestandsschutz erfordert das Prinzip der inneren Selbstbestimmung nicht Schutzmaßnahmen, sondern staatliche Gesetzgebungs- und Unterstützungsmaßnahmen, also Förderungsmaßnahmen. Dies trifft sowohl auf die Autonomie als auch auf die poli96 Art. 20 Abs. 1: " ... Sie haben das Recht, ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne jegliche Diskriminierung und in voller Gleichheit vor dem Gesetz voll und wirksam auszuüben." 91 "Sie haben das Recht, ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne jegliche Diskriminierung und in voller Gleichheit vor dem Gesetz voll und wirksam auszuüben."; ebenso Art. 20 Abs. 2 S. 2 des deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrages und Art. 15 Abs. 2 S. 2 des deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrages. 98 V gl. Kapitel 11, Text bei Anm. 76. 99 V gl. Kapitel 11, Text bei Anm. 76. 100 V gl. Kapitel 11, Text bei Anm. 76.

9 Niewerth

Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

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tische Mitwirkung zu. Unabhängig von staatlichen oder privaten Eingriffen ergreift der Staat hier positive Maßnahmen zur Stärkung der Minderheitenidentität gegen Assimilierung. Die Ausgestaltung einer territorialen Autonomie macht es erforderlich, daß Gesetzgebungsmaßnahmen getroffen werden, die der autonomen Einheit über das sonst übliche Maß hinaus Befugnisse einräumen. 101 Die Ausgestaltung der politischen Mitwirkung erfordert wiederum, daß der Staat der Minderheit eine Rolle im Entscheidungsprozeß von Gesetzgebung und Verwaltung einräumt, die er anderen Institutionen im Staat nicht gewährt. 102 Lediglich im Bereich der lokalen Selbstverwaltung sind positive Maßnahmen nicht unbedingt erforderlich.

3. Recht auf Achtung, Schutz und Förderung der Identität Das Recht von Minderheiten auf Achtung, Schutz und Förderung ihrer Identität schließlich hat sowohl negatorischen als auch positiven Charakter. Wie bereits bei der Untersuchung kollektiver Rechte ausgeführt, wendet sich das Recht auf Achtung der Identität lediglich gegen staatliche Eingriffe. 103 Das Recht der Minderheit auf Schutz ihrer Identität erfordert hingegen staatliche Schutzmaßnahmen gegen Eingriffe Privater, während das Recht auf Förderung der Identität unabhängig von Eingriffen staatliche Förderungsmaßnahmen verlangt. 104

III. Individualrechte

Nach dem Recht auf Nichtdiskriminierung und den kollektiven Rechten sind nun in einem letzten Schritt die Individualrechte des Minderheitenschutzes im engeren Sinne auf ihren positiven Gehalt hin zu untersuchen. Auf die positive Dimension kollektiver Rechte wird in diesem Abschnitt nicht erneut eingegangen. Kurze Hinweise sind zur KlarsteIlung aber teilweise erforderlich.

1. Allgemeine Bemerkungen Wichtig ist es zunächst, festzustellen, daß, wie bereits erörtert, Art. 27 IPBürg nur als Vorschrift mit begrenzt positivem Gehalt verstanden werden kann. 105 Im Vgl. Vgl. \03 Vgl. \04 Vgl. \05 Vgl. \01

\02

Kapitel 11, Text bei Anm. 150. Kapitel 11, Text bei Anm. 168. Kapitel 11, Text bei Anm. 192 - 194. Kapitel 11, Text bei Anm. 192 - 194. Kapitel 11, Text bei Anm. 206.

B. Bereiche positiven Schutzes

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Rahmen der kollektiven Rechte erfaßt Art. 27 z. B. lediglich eine Staatenverpflichtung zum Schutz der Identität von Minderheiten. 106 Hinsichtlich individueller Minderheitenrechte enthält Art. 27 deshalb möglicherweise ebenfalls nur ein Recht von Minderheitenangehörigen auf Schutz vor Eingriffen Privater. 107 Ein besonderes Augenmerk wird somit bei der Untersuchung von Individualrechten neben Art. 27 IPBürg auf andere Vorschriften gelegt werden. Insbesondere sollen sie auf ihren Gehalt hinsichtlich positiver Förderungsmaßnahmen untersucht werden.

2. Recht auf allgemeine Identitätswahrung Das erste zu untersuchende individuelle Minderheitenrecht ist das Recht auf allgemeine Identitätswahrung. Auf dieses Recht werden sich Angehörige sowohl ethnischer, sprachlicher als auch religiöser Minderheiten berufen.

a) Art. 27 IPBürg Art. 27 IPBürg bestimmt, daß ..persons belonging to ... minorities shall not be denied the right ... to enjoy their own culture." Im Rahmen der Untersuchung kollektiver Minderheitenrechte ist das Ergebnis erzielt worden, daß Art. 27 lediglich positive Schutzmaßnahmen, nicht aber positive Förderungsmaßnahmen erfaßt. 108 Die Grundsätze dieser Auslegung können auf die Individualrechte übertragen werden, so daß einiges dafür spricht, daß Art. 27 Förderungsmaßnahmen auch hier nicht beinhaltet. Zwei Einwände werden jedoch in der Literatur gegen diese Schlußfolgerung erhoben. War im Rahmen der Prüfung kollektiver Rechte eine Auseinandersetzung mit diesen Einwänden nicht erforderlich, soll nunmehr zu diesen Kritikpunkten Stellung bezogen werden.

(1) Beschränkt positiver Gehalt von Art. 27

Einige Autoren folgern einen positiven Gehalt von Art. 27 IPBürg zunächst daraus, daß die Norm Elemente eines positiven Diskriminierungsschutzes beinhalte. 109 Sie stützen sich dabei auf ein Zitat des StIGH im Fall der Minority Schools in Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 210 - 213. Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 215. 108 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 206/215. 109 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 28 para. 39; Christian Tomusehat, Protection of Minorities under Art. 27 of the CCPR, in: Rudolf Bemhardt u. a. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte, FS für Hermann Moster z. 75. 106 107

9'

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

Albania, wonach für die Herstellung faktischer Gleichheit zwischen Minderheit und Mehrheit nicht nur Maßnahmen der Nichtdiskriminierung, sondern auch des Minderheitenschutzes erforderlich sind: "There would be no true equality between a majority and a minority if the latter were deprived of its own institutions, and were consequently compelled to renounce that which constitutes the very essence ofits being as a minority."11O Aus der Besserbehandlung der Minderheit gegenüber der Mehrheit folgern die Autoren dann die Einordnung des Art. 27 als Vorschrift mit positivem Gehalt. 111 Dieser Argumentation ist zweierlei entgegenzuhalten. Zum einen kann nicht gesagt werden, daß eine die Besserbehandlung gewährende Vorschrift automatisch einen positiven Gehalt haben muß. Auch durch Gewährung eines negatorischen Rechts kann eine Besserbehandlung erfolgen, solange einem Teil der Bevölkerung das Recht nicht gewährt wird. Zum anderen ist es zu kurz gedacht, die Grundlage des Minderheitenschutzes in der Erreichung einer faktischen Gleichbehandlung mit der Mehrheitsbevölkerung zu suchen. Zwar ist richtig, daß es der Mehrheit in einem Staat in der Regel möglich sein wird, ihre Identität zu bewahren. Durch den Schutz der Minderheitenidentität erfolgt damit ein Schritt hin auf eine faktische Gleichbehandlung. Diese faktische Gleichbehandlung verstößt nicht gegen das Prinzip der Nichtdiskriminierung, da auch im Völkerrecht der Grundsatz gilt, daß Ungleiches ungleich behandelt werden muß. 112 Entscheidende Zielvorstellung des modemen Minderheitenschutzes ist jedoch die Menschenwürde des einzelnen Minderheitenangehörigen. 1l3 Individueller Minderheitenschutz erfolgt, weil die Menschenwürde es erforderlich macht, dem einzelnen die Pflege seines kulturellen Lebens zu ermöglichen. Der Schutz von Minderheitenangehörigen ist deshalb eine Notwendigkeit unabhängig von dem Status

Geb., Heidelberg 1983,949 ff., 967, 968; Louis B. Sohn, The Rights of Minorities, in: Henkin (ed.), (Anm. 20), 283. 110 PCIJ (Anm. 73), 17. III Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 27 para. 39. 112 ICJ, South West Africa Case, 2nd phase, Judgment, Dissenting opinion of Judge Tanataka, ICJ Reports 1966,305: "that what is equal is to be treated equally and what is different is to be treated differently, namely proportionate to the factual difference."; dazu Gruber, in: Constatopoulos (ed.) (Anm. 2), 850/851; Eckart Klein, Konzeption und Durchsetzung des Minderheitenschutzes, in: Dieter BlumenwitVllans v. Mangoldt (Hrsg.), Neubestätigung und Weiterentwicklung von Menschenrechten und Volksgruppenrechten in Mitteleuropa, Bonn 1991, 51 - 60, 53; a. A. lohn Packer, On the Definition of Minorities, in: lohn PackerlKristian Myntti (eds.), The Protection of Ethnic and Linguistic Minorities in Europe, Abo 1993,23 - 65, 55. 113 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 254 - 257.

B. Bereiche positiven Schutzes

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der Angehörigen anderer Bevölkerungsgruppen im Staat. 114 Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist damit nicht Zielvorstellung des modemen Minderheitenschutzes. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung, so stellt Tomuschat fest, kann Minderheitenangehörigen aber dann weiterhelfen, wenn der Staat den Angehörigen der Mehrheit Förderungsmaßnahmen zukommen läßt. Nur in diesem Fall können Minderheitenangehörige eine gleiche Behandlung verlangen. 11S Zudem messen manche Autoren Art. 27 IPBürg auch unabhängig von der Problematik des Diskriminierungsschutzes einen positiven Gehalt bei, der sogar Förderungsmaßnahmen möglich macht. Das Argument dieser Autoren geht dahin, daß das Recht von Angehörigen VOn Minderheiten zur Bewahrung ihrer eigenen Kultur bedeutungslos würde, wenn die betroffenen Regierungen ihnen nicht Unterstützung gewährten: ... Such an interpretation is too restrictive and does not meet the requirements of the situation. As regards culture, for instance, it was pointed out that adequate cultural development required the provision of considerable human and financial resources, and that consequently the right of persons belonging to a minority to preserve their own culture would become entirely meaningless if the Government concerned did not provide assistance ... In order to give effect to the rights set forth in article 27 of the Covenant, active and sustained measures are required from States. A purely passive attitude on their part would render those rights ineffecti ve. 116 114 A. A. Gudmundur AlfredssoniAlfred de Zayas, Minority Rights: Protection by the United Nations, HRU 14 (1993), I - 8, 2: "Special rights and measures lead to the creation of conditions which, to the degree possible, are equivalent to those enjoyed by the majority."; Gudmundur Alfredsson, Minority Rights: Non-Discrimination, Special Rights and Special Measures, in: Felix ErmacoraIHannes TretteriAlexander Pehl (Hrsg.), Volksgruppen im Spannungsfeld von Recht und Souveränität in Mittel- und Osteuropa, Wien 1993, 149 - 157, 149; Jules Deschenes in seiner Minderheitendefinition, Prevention of Discrimination and Protection of Minorities, Proposal concerning aDefinition of the term "Minority", UN Doc. FlCNA/Sub.211985/31, para. 181: "A group of citizens of aState, constituting a numerical minority and in a non-dominant position in that State, endowed with ethnic, religious or linguistic characteristics which differ from those of the majority of the population, having a sense of solidarity with one another, motivated, if only implicitly, by a collective will to survive and whose aim is to achieve equality in fact and in law."; kritisch dazu Packer, in: Packer/Myntti (eds.), (Anm. 112),55. l1S Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 109),970: "Only in an indirect way can an obligation to take positive steps arise. If aState provides financial support to members of majority groups in respect of activities coming within the scope of Art. 27, it is then required by virtue of the principle of non-discrimination to extend analogous treatment to persons belonging to an ethnic, linguistic or religious rninority since non-discrimination applies to each and every right enshrined in the CCPR."; ebenso Patrick Thomberry, International Law and the Rights of Minorities, Oxford 1991, 450. 116 V gl. Capotorti (Anm. 3), 98/99; vgl. auch Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 109), der zudem auf eine Stellungnahme der World Conference to Combat Racism and Racial Discrimination von 1978 verweist: "States adopt specific measures in the economic, social, edu-

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

Diesen Autoren ist jedoch entgegenzuhalten, daß zwischen Rechtspolitik (de lege ferenda) und dem Recht an sich (de lege lata) unterschieden werden muß. Rechtspolitisch mag es durchaus richtig sein, die Formulierung eines Minderheitenschutzartikels zu fordern, der auch Förderungsmaßnahmen umfaßt. 117 De lege lata hat eine Auslegung von Art. 27 IPBürg aber ergeben, daß Art. 27 nur einen begrenzt positiven Gehalt hat, der Individualrechte auf Förderungsmaßnahmen nicht einschließt. 118 Neben Argumenten, die im Rahmen kollektiver Rechte bereits genannt wurden, ist ein weiteres Argument für dieses Auslegungsergebnis aus den Vorbereitungsarbeiten zum IPBürg zu entnehmen. Aus ihnen ergibt sich, daß zahlreiche, spezifische Minderheitenrechte, die Förderungsmaßnahmen von den Staaten verlangt hätten, trotz einer Reihe von entsprechenden Vorschlägen gerade nicht in das Abkommen aufgenommen wurden. 119 Es kann aus rechtspolitischen Erwägungen deshalb nicht die Schlußfolgerung hergeleitet werden, daß Individualrechte auf Förderungsmaßnahmen tatsächlich von Art. 27 IPBürg erlaßt sind. 120 Ergebnis ist somit, daß aus der Formulierung, daß den Angehörigen von Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden darf, ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, lediglich auf einen positiven Gehalt hinsichtlich staatlicher Schutzmaßnahmen gegen Eingriffe privater Dritter zu schließen ist. Es ist deshalb im folgenden zu untersuchen, was konkret unter der Pflege kulturellen Lebens zu verstehen ist. Dabei ist zunächst auf den Begriff der Pflege kulturellen Lebens, sodann darauf einzugehen, was unter kulturellem Leben zu verstehen ist.

cational and cultural fields and in the matter of ci vii and political rights, in order that aIl persons may enjoy legal and factual equality and that discrimination between majorities rnay be eliminated. Such specific measures should include appropriate assistance to persons belonging to minority groups, to enable them to develop their own culture and to facilitate their fuH development, in particular in the fields of education, culture and employment.", UN Doc. A/331262, 20 - 21 (1978). 111 Vgl. zu einer umfassenden Diskussion dieser Frage Kapitel IV. 118 Vgl. Tomusehat, in: FS Mosler (Anm. 109),969; Yoram Dinstein, CoHective Human Rights of Peoples and Minorities, ICLQ 25 (1976), 102 - 120, 118. 119 Vgl. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 109),283/284. 120 Vgl. Tomusehat, in: FS Mosler (Anm. 109), 969, der daran erinnert, daß der Pakt für eine weltweite Anerkennung konzipiert ist. "Stretching the scope of Art. 27 to encompass positive obligations could lead in the last analysis to an outright breakdown of its guiding value and hence to a totalloss of credibility."

B. Bereiche positiven Schutzes

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(2) Gemeinsame Pflege kulturellen Lebens Zunächst ist zu untersuchen, wie der Begriff der gemeinsamen Pflege kulturellen Lebens aufgefaßt werden kann. Es ist auffällig, daß etwa in Art. 25 IPwirtR ein Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben formuliert wird. l2l Der Unterschied zwischen Teilnahme und Pflege kultuellen Lebens erklärt sich aus der Tatsache, daß Sinn und Zweck des Art. 27 IPBürg letztlich das Überleben von Minderheiten ist. 122 Er besteht darin, daß ein Recht auf Teilnahme lediglich die Beteiligung selbst, nicht aber den Zustand, an dem die Beteiligung erfolgen soll, schützt. Der Zustand selbst ist bei dem Recht auf Teilnahme nicht geschützt, weil er, wie etwa das kulturelle Leben der Mehrheitsbevölkerung im Staat, ohnehin nicht bedroht sein wird. Die Bedeutung des Begriffs der Pflege kulturellen Lebens entsteht hingegen erst aus der Verknüpfung von Teilnahme und Zustand. Die Pflege kulturellen Lebens umfaßt begrifflich nicht nur die Teilnahme, sondern auch den Zustand, das Objekt der Pflege, hier also das kulturelle Leben der Minderheitenbevölkerung. Der Schutz, die Aufrechterhaltung kulturellen Minderheitenlebens, wird dabei aber durch die Minderheit selbst erreicht. Der Staat gewährleistet nur, daß (negatorisch) keine staatlichen Eingriffe erfolgen und (positiv) daß ebenfalls private Dritte keine Eingriffshandlung vornehmen.

(3) Inhalt kulturellen Lebens Weiter ist zu prüfen, was unter kulturellem Leben zu verstehen ist. Der Begriff ist zunächst in einem umfassenden Sinn aufzufassen. 123 Während der Vorbereitungsarbeiten zum IPBürg wurde verschiedentlich die Einfügung spezifischer, minderheitenschützender Individualrechte verlangt. 124 Solche Vorschläge beinhalteten etwa ein Recht auf kulturelle Bildungseinrichtungen. Zwar wurden diese Vorschläge wiederholt abgelehnt. Die Ablehnung der Vorschläge ist aber nicht so zu verstehen, daß diese spezifischen Rechte nicht in dem allgemeinen Recht auf Pflege des kulturellen Lebens enthalten sein sollten. 125 Das kulturelle Leben umfaßt vielmehr neben den für die Minderheit charakteristischen Gebräuchen, Sitten, Traditionen, Ritualen, Wohnformen, Eßgewohnheiten, etc., auch die Herstellung von Kunstgegenständen, die Einrichtung kultureller Vgl. Vgl. 123 Vgl. 124 Vgl. 125 Vgl. 121

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Nowak (Anrn. 2), Art. 27 para. 40. Tomusehat, in: FS Mosler (Anm. 109),971. Nowak (Anm. 2), Art. 27 para. 40. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 109),283/284. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 109),284.

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

Organisationen, die Veröffentlichung von Literatur sowie das Recht aufWeitergabe dieser Kultur im Wege der Erziehung an folgende Generationen. 126 Eine solche Erziehung kann durch die Unterhaltung von Museen, Bibliotheken und Schulen erfolgen. 127 Wenn sich Minderheiten vorwiegend in einem bestimmten Gebiet - insbesondere in einem zu ihrem Schutz geschaffenen Reservat - aufhalten, so darf ihren Angehörigen weder der Zugang zu noch der Wohnsitz in diesem Gebiet vorenthalten werden. 128 Erfaßt ist schließlich auch die mit der Bodennutzung verbundene Lebensweise, insbesondere im Falle autochthoner Völker. "Dieses Recht kann traditionelle Aktivitäten einschließen wie Fischen und Jagen, sowie das Recht, in einem vom Gesetz geschützten Reservat zu leben."129

b) Andere Vorschriften (1) Vorschriften multilateraler Art

Die G.V.-Deklaration 47/137 nimmt die Spezifizierungsversuche aus der Zeit der Vorbereitung des IPBürg auf und enthält verschiedene, die Pflege des kulturellen Lebens konkretisierende Vorschriften. 130 So wird Minderheitenangehörigen beispielsweise das Recht auf Einrichtung und Unterhaltung eigener Organisationen I31 sowie das Recht auf Kontaktfreiheit mit anderen Angehörigen derselben Minderheit im In- und Ausland gewährt. 132 Enthalten ist weiter eine Staaten ver126 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 27 para. 40. 127 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 109),972: "Likewise, minorities may not be prevented from setting up their own institutions without which culturallife would lack any solid foundation. In that respect, museums and libraries are albeit secondary, though indispensable components of a comprehensive strategy for the right to enjoy one' s own culture "

128 Love/ace v. Canada (1984), Comm. No. 2411977, UN Doc. AJ36/40 (1981), 166, para. 15. 129 Menschenrechtsausschuß, Allgemeine Bemerkungen zu Art. 27 vom April 1994,7., zitiert nach: InfAuslR 1995,222. 130 Auch diese ist zunächst jedoch enthalten. Art. 2 Abs. 1: "Persons belonging to ... minorities have the right to enjoy their own culture ... " 131 Art. 2 Abs. 4: ,,Persons belonging to minorities have the right to establish and maintain their own associations." 132 Art. 2 Abs. 2: "Persons belonging to minorities have the right to establish and maintain, without any discrimination, free and peaceful contacts with other members of their group, with persons belonging to other minorities, as weil as contacts across frontiers with citizens of other States to whom they are related by national or ethnic, religious or linguistic lies."

B. Bereiche positiven Schutzes

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pflichtung zu Maßnahmen bezüglich einer Förderung des Wissens um Geschichte, Tradition und Kultur der Minderheit. 133 Diese Maßnahmen haben positiven Charakter. Die Förderung des Wissens um Geschichte, Tradition und Kultur ist sogar eindeutig als Förderungsmaßnahme einzuordnen. Die G.V.-Deklaration 47/137 geht damit über den Gehalt von Art. 27 IPBürg hinaus. Bei der Förderungsmaßnahme handelt es sich jedoch lediglich um eine Staatenverpflichtung. Neben diesen Bestimmungen enthält die Deklaration 47/137 auch das bereits in Art. 27 enthaltene Recht von Minderheitenangehörigen, ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen 134 sowie die Staatenverpflichtung zur Schaffung günstiger Bedingungen, um Minderheitenangehörigen die Ausübung und Entwicklung ihrer Kultur zu ermöglichen. I35 Letztere Bestimmung beinhaltet keine Verpflichtung bzw. kein Recht auf umfassende Förderung der Identität. Es sollen vielmehr lediglich Bedingungen geschaffen werden, damit die Minderheitenangehörigen ihre Identität selbst weiterentwickeln. Dies ist jedoch positiver formuliert als das in anderen neuen Völkerrechtsinstrumenten teilweise enthaltene Recht auf (selbständige) Äußerung, Wahrung und Weiterentwicklung der eigenen Identität, welches bis auf Schutzmaßnahmen ausschließlich negatorischen Charakters ist. 136 Die Verpflichtung zur Schaffung günstiger Bedingungen beinhaltet hingegen schon eine erste Stufe der Förderung. I3 ? Eine Bestimmung bezüglich der Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit findet sich in der Deklaration 47/137 nicht. Auch das Kopenhagener Dokument enthält keine diesbezügliche Bestimmung. Es sieht lediglich das Recht der Minderheitenangehörigen zur (selbständigen)

133 Art. 4 Abs. 4: "States should, where appropriate, take measures in the field of education, in order to encourage knowledge of the history, traditions, language and culture of the minorities existing within their territory." Diese Staatenverpflichtung ist weder eindeutig als kollektive noch eindeutig als individuelle Vorschrift einzuordnen. Sie wird der Vollständigkeit halber deshalb im Rahmen der Erörterung individueller Rechte behandelt. 134 Art. 2 Abs. 1: "Persons belonging to ... minorities ... have the right to enjoy their own culture ... " m Art. 4 Abs. 2: "States shall take measures to create favourable conditions to enable persons belonging to minorities to express their characteristics and to develop their culture

"

Vgl. aber die ähnliche Bestimmung in Art. 33 Kopenhagen-Dok. Dies gilt ebenso wie für das kollektive Recht auf Schaffung von Bedingungen zur Förderung der Minderheitenidentität. Ein Recht auf umfassende Förderung ist das etwa in Art. 3 Abs. 2 Vorschl. Europ. Konv. vorgesehene kollektive Recht von Minderheiten auf Förderung ihrer Identität. Ein solches Recht ist als Individualrecht aber in keinem der behandelten Völkerrechtsinstrumente formuliert. 136 137

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

Wahrung, Äußerung und Entwicklung ihrer Identität 138 sowie ihr Recht auf Organisations- 139 und Kontaktfreiheit vor. 140 Die Staatenverpflichtung zur Schaffung von Bedingungen zur Entwicklung der Identität von Minderheitenangehörigen fehlt hingegen, da sie koIIektivrechtIich formuliert iSt. 141 Weiter findet sich ein Hinweis auf die Berücksichtigung von Geschichte und Kultur der Minderheiten in Bildungseinrichtungen. 142 Zwar beinhalten beide Instrumente damit positive Rechte, auch finden sich Hinweise auf Förderungsmaßnahmen l43 , jedoch darf wiederum nicht vergessen werden, daß es sich sowohl bei der G.V.-Deklaration 47/137 als auch bei dem Kopenhagener Dokument lediglich um Regelungen unverbindlicher Art handelt. Die Europäische Rahmenkonvention als Regelungswerk noch unverbindlicher Art bleibt hinter den zuletzt genannten Instrumenten insofern zurück, als nicht positive Rechte, sondern lediglich positive Staatenverpflichtungen festgelegt werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß es sich um möglicherweise bald verbindliche Vorschriften handelt. Ausgehend von der Verpflichtung zur Schaffung günstiger Bedingungen für die Wahrung, Ausübung und Entwicklung der Identität von Minderheitenangehörigen l44 findet sich eine Staatenverpflichtung zu Schutzmaßnah138 Art. 32.: " ... Persons belonging to national minorities have the right to freely express, preserve and develop their ethnic, cultural, linguistic or religious identity and to maintain and develop their culture in all its aspects, free of any attempts at assimilation against their will .... " 139 Art. 32.2.: ,,(In particular, they have the right) to establish and maintain their own educational, cultural and religious institutions, organizations or associations, which can seek voluntary financial and other contributions as weil as public assistance, in conformity with nationallegislation." Art. 32.6.: ,,(In particular, they have the right) to establish and maintain organizations or associations within their country and to participate in international non-governmental organizations .... " 140 Art. 32.4.: ,,(In particular, they have the right) to establish and maintain unimpeded contacts among themselves within their country as weil as contacts across frontiers with citizens of other States with whom they share a common ethnic or national origin, cultural heritage or religious beliefs." 141 Art. 33: "The participating States will protect the ethnic, cultural, linguistic and religious identity of national minorities on their territory and create conditions for the promotion ofthat identity .... " Die Verpflichtung zu letzterem entspricht dabei etwa Art. 4 Abs. 2 der G.V. Dekl. 47/137. 142 Art. 34 Abs. 2: "In the context of the teaching of history and culture in educational establishments, they will also take account of the history and culture of national minorities."; vgl. den Hinweis Anm. 133. 143 Im Kopenhagen-Dok. nicht nur in Art. 34, sondern auch in Art. 32.2., wo die Möglichkeit öffentlicher Unterstützung erwähnt wird. 144 Art. 5 Abs. 1: "The Parties undertake to promote the conditions necessary for persons belonging to national minorities to maintain and develop their culture, and to preserve the

B. Bereiche positiven Schutzes

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men gegen Gewalttaten. 145 Zeigt sich damit schon ein positiver Gehalt der Rahmenkonvention, so sind zur Förderung des Wissens um Geschichte und Kultur auch spezifische Förderungsmaßnahmen erforderlich. 146 Auch ist eine Verpflichtung zur Sicherung bzw. Gewährleistung des Rechts der Minderheitenangehörigen auf Organisations- und Kontaktfreiheit vorgesehen. 147 Dabei taucht erstmals die nur in der Rahmenkonvention gebräuchliche Formulierung der Verpflichtung zur Sicherung bzw. Gewährleistung von Rechten auf. 148 Schließlich werden auch Meinungs-, Versammlungs-, Presse- und Informationsfreiheit der Minderheitenangehörigen ausdrücklich abgesichert. 149 essential elements oftheir identity, namely their religion, language, traditions and cultural heritage." 145 Art. 6 Abs. 2: "The Parties undertake to take appropriate measures to protect persons who may be subject to threats or acts of discrimination, hostility or violence as a result of their ethnic, cultural, linguistic or religious identity. "; vgl. Explanatory Report, para. 47: "This article is an expression ofthe concems stated in Appendix III to the Vienna Declaration (Declaration and Plan of Action on combating racism, xenophobia, anti-Semitism and intolerance). " 146 Art. 12: ,,(1) The Parties shall, where appropriate, take measures in the fields of education and research to foster knowledge of the culture, history, language and religion of their national minorities and of the majority. (2) In this context the Parties shall inter aUa provide adequate opportunities for teacher training and access to textbooks, and facilitate contacts among students and teachers of different communities."; vgl. den Hinweis Anm. 133. 147 Art. 17: ,,(1) The Parties undertake not to interfere with the right of persons belonging to national minorities to establish and maintain free and peaceful contacts accross frontiers with persons lawfully staying in other States, in particular those with whom they share an ethnic, cultural, linguistic or religious identity, or a common cultural heritage. (2) The Parties undertake not to interfere with the right of persons belonging to national minorities to participate in the activities of non-governmental organisations, both at the national and international levels." Art. 7: "The Parties shall ensure respect for the right of every person belonging to a national minority to freedom of peaceful assembly, freedom of association, freedom of expression, and freedom of thought, conscience and religion." 148 Eine Rahmenkonvention ist ihrem Charakter nach zwar ein rechtsverbindliches Instrument, sie beschränkt sich aber darauf, Grundsätze festzulegen, und überläßt den Vertragsparteien die Wahl der Mittel, diese Grundsätze in die Praxis umzusetzen, vgl. Heinrich Klebes, Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, Einführung, EuGRZ 22 (1995), 262 - 268, 264; Explanatory Report, para. 11: "In view of the range of different situations and problems to be resolved, a choice was made for a framework Convention which contains mostly programme-type provisions setting out objectives wh ich the Parties undertake to pursue. These provisions, which will not be directly applicable, leave the States concerned a measure of discretion in the implementation of the objectives which they have undertaken to achieve, thus enabling them to take particular circumstances into account." 149 Vgl. wiederum Art. 7 sowie Art. 9: ,,(1) The Parties undertake to recognise that the right to freedom of expression of every person belonging to anational minority includes

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

Weiter als die Rahmenkonvention geht de lege jerenda der ihr vorangegangene Vorschlag einer Europäischen Konvention. Er beinhaltet positive Rechte auf Schutzmaßnahmen und formuliert diese als Rechte und nicht lediglich als Staatenverpflichtungen. Als allgemeiner Grundsatz ist zunächst das Recht von Minderheitenangehörigen, ihre Identität (selbständig) zu äußern, zu wahren und weiterzuentwickeln, enthalten. 150 Davon ausgehend sieht der Vorschlag sowohl das Recht auf minderheitenrechtliche Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit lSI als auch das Recht auf Organisations- und Kontaktfreiheit vor. 152 Förderungsmaßnahmen enthält der Vorschlag jedoch nur in dem kollektiven Recht von Minderheiten auf Förderung ihrer Identität, das bereits behandelt worden ist. 153 In dem Vorschlag findet sich auch keine spezifische Vorschrift hinsichtlich der Förderung des Wissens um Geschichte, Tradition und Kultur. Etwas weniger weit geht der Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK. Der Entwurf umschließt zwar das Recht der Minderheitenangehörigen zur (selbständigen) Wahrung, Äußerung und Entwicklung ihrer Identitäe S4 sowie die Organisafreedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas in the minority language, without interference by public authorities and regardless of frontiers. The Parties shall ensure, within the framework of their legal systems, that persons belonging to a national minority are not discriminated against in their access to the media. (2) Paragraph 1 shall not prevent Parties from requiring the licensing, without discrimination and based on objective criteria, of sound radio and television broadcasting, or cinema enterprises. (3) The Parties shall not hinder the creation and the use of printed media by persons belonging to national minorities. In the legal framework of sound radio and television broadcasting, they shall ensure, as far as possible, and taking into account the provisions of paragraph I, that persons belonging to national minorities are granted the possibility of creating and using their own media. (4) In the framework of their legal systems, the Parties shall adopt adequate measures in order to facilitate access to the media for persons belonging to national minorities and in order to promote tolerance and permit cultural pluralism." 150 Art. 6 Abs. I: ,,Persons belonging to a minority shall have the right to freely preserve, express and develop their cultural identity in all its aspects, free of any attempt at assimilation against their will." 151 Art. 6 Abs. 2: "In particular, they shall have the right to express themselves, to receive and to issue information and ideas through means of communication of their own." 152 Art. 5: "With a view to promoting and reinforcing their common features, persons belonging to a minority shall have the right to associate and to maintain contacts, in particular with other members of their group, including across national borders. This right shall include notably the right to leave freely one's country and to go back to it." 153 Vgl. Kapitel 11, Anm. 219. 154 Art. 3 Abs. 1: "Every person belonging to anational minority shall have the right to express, preserve and develop in complete freedom hislher religious, ethnic, linguistic or cultural identity, without being subjected to any attempt at assimilation against his/her will."

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tions- ISS und Kontaktfreiheit über Staatengrenzen hinweg. ls6 Auch in ihm fehlt jedoch ein Hinweis auf die Berücksichtigung von Geschichte und Kultur der Minderheiten in Bildungseinrichtungen.

(2) Vorschriften bilateraler Art Als Beispiel für einen bilateralen Vertrag sei zunächst auf die Regelungen des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages eingegangen. Auch dieser Vertrag beinhaltet zunächst das Recht der Minderheitenangehörigen zur (selbständigen) Wahrung, Äußerung und Entwicklung der Minderheitenidentität. ls7 Des weiteren findet sich in dem Vertrag das Recht zu Organisations- und Kontaktfreiheie s8 sowie ein Hinweis auf die Berücksichtigung von Geschichte und Kultur der Minderheiten in Bildungseinrichtungen. IS9 Eine Staatenverpflichtung zur Schaffung von Bedingungen zur Entwicklung der Identität der Minderheitenangehörigen fehlt jeDies geht weniger weit als ein Recht auf umfassende Förderung der Minderheitenidentität und auch als ein Recht auf Schaffung günstiger Bedingungen zur (selbständigen) Entwicklung der Identität. IS5 Art. 6: "All persons belonging to anational minority shall have the right to set up their own organisations, including political parties. "; dies geht weiter als Art. 7 Rahmenkonvention. Klebes (Anm. 148), EuGRZ 1995,265, weist darauf hin, daß Art. 6 über das derzeitige Recht einiger Mitgliedsstaaten des Europarats hinausgeht. 156 Art. 10: ,,Every person belonging to anational minority, while duly respecting the territorial integrity of the state, shall have the right to have free and unimpeded contacts with the citizens of another country with whom this minority shares ethnic, religious or linguistic features or a cultural identity." 157 Art. 20 Abs. 1: "Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Polen ... sowie Personen deutscher Staatszugehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die polnischer Abstammung sind ... haben das Recht, ... , ihre ethnische, kulturelle ... Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln ... " 158 Art. 20 Abs. 3: ,,Die Vertragsparteien erklären, daß die in Absatz 1 genannten Personen insbesondere das Recht haben, ... - ihre eigenen Bildungs-, Kultur- und Religionseinrichtungen, -organisationen oder -vereinigungen zu gründen und zu unterhalten, die um freiwillige Beiträge finanzieller oder anderer Art sowie öffentliche Unterstützung·... ersuchen können ... - untereinander ungehinderte Kontakte innerhalb des Landes sowie Kontakte über Grenzen hinweg mit Bürgern anderer Staaten herzustellen und zu pflegen, mit denen sie eine gemeinsame ethnische oder nationale Herkunft, ein gemeinsames kulturelles Erbe oder religiöses Bekenntnis teilen .... - Organisationen oder Vereinigungen in ihrem Land einzurichten und zu unterhalten und in internationalen nichtstaatlichen Organisationen mitzuarbeiten ... " 159 Art. 21 Abs. 2: "Die Vertrags parteien werden insbesondere .. . - in Zusammenhang mit dem Unterricht von Geschichte und Kultur in Bildungseinrichtungen die Geschichte und Kultur der in Artikel 20 Absatz 1 genannten Gruppen berücksichtigen."; vgl. den Hinweis Anm. 133.

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Kapitel II1: Positiver Schutz von Minderheiten

doch, da eine entsprechende Bestimmung kollektivrechtlich formuliert ist. l60 Der Vertrag lehnt sich damit praktisch wortgleich an den Wortlaut des Kopenhagener Dokuments an. Die bilateralen Verträge zwischen Deutschland einerseits und Ungarn, der Tschechoslowakei und Rumänien andererseits enthalten wiederum die Bestimmungen der rechtlichen Verbindlichkeit der Vorschriften des Kopenhagener Dokuments. Zusätzlich sehen sie aber auch ausdrücklich vor, daß ein Recht der Minderheitenangehörigen auf (selbständige) Wahrung, Äußerung und Weiterentwicklung ihrer Identität gewährleistet wird. 161 Erwähnenswert ist darüber hinaus insbesondere die Staatenverpflichtung zu Förderungsmaßnahmen zugunsten der Minderheitenangehörigen im deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrag,162 die auch die Pflicht zur Ermöglichung und Erleichterung von Förderungsmaßnahmen aus dem jeweils anderen Staat enthält. 163 Weniger weit geht nur der deutsch-sowjetische Freundschaftsvertrag, der lediglich die Verpflichtung beinhaltet, Minderheitenangehörigen die Entfaltung ihrer Identität zu ermöglichen sowie dem jeweils anderen Staat Förderungsmaßnahmen zu ermöglichen und zu erleichtern. 164 160 Art. 21 Abs. 1: "Die Vertragsparteien werden die ... Identität der in Artikel 20 Absatz 1 genannten Gruppen auf ihrem Hoheitsgebiet schützen und Bedingungen für die Förderung dieser Identität schaffen." 161 Art. 19 Abs. 2 des deutsch-ungarischen Freundschaftsvertrages: "Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Ungarn haben demzufolge insbesondere das Recht, ... ihre ethnische, kulturelle, ... Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln, frei von jeglichen Versuchen, gegen ihren Willen assimiliert zu werden.... "; vgl. auch die ähnlichen Art. 20 Abs. 2 des deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrages und Art. 15 Abs. 2 des deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrages. 162 Art. 16 Abs. 1: ,,Rumänien schützt und unterstützt die Identität der Angehörigen der deutschen Minderheit in Rumänien durch konkrete Förderungsmaßnahmen, insbesondere durch die Schaffung günstiger Bedingungen für das Wirken deutschsprachiger Schulen und Kultureinrichtungen in Gebieten, in denen Angehörige dieser Gruppe leben. Rumänien ermöglicht und erleichtert Förderungsmaßnahmen aus der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der deutschen Minderheit in Rumänien." 163 Ebenso auch Art. 20 Abs. 5 des deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrages: ,Die Tschechische und Slowakische Föderative Republik ermöglicht und erleichtert im Rahmen ihrer geltenden Gesetze der Bundesrepublik Deutschland Förderungsmaßnahmen zugunsten der deutschen Minderheit oder ihrer Organisation."; zu solchen Förderungsmaßnahmen "von außen her" Heinz Kloss, Grundfragen der Ethnopolitik im 20. Jahrhundert, Die Sprachengemeinschaften zwischen Recht und Gewalt, WienlStuttgart/Bad Godesberg 1969, 147 - 148. 164 Art. 15: " ... Sowjetischen Bürgern deutscher Nationalität sowie aus der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken stammenden und ständig in der Bundesrepublik Deutschland wohnenden Bürgern, die ihre Sprache, Kultur oder Tradition bewahren wollen, wird es ermöglicht, ihre nationale, sprachliche und kulturelle Identität zu entfalten. Dementspre-

B. Bereiche positiven Schutzes

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(3) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß die meisten neuen Völkerrechtsinstrumente über den Gehalt von Art. 27 IPBürg hinsichtlich positiver Rechte von Minderheitenangehörigen zur allgemeinen Identitätswahrung hinausgehen.

3. Sprachenrechte Ein besonders wichtiger Teilbereich minderheitenschützender Individualrechte sind die Sprachenrechte. Sie sollen deshalb ausführlich auf ihren positiven Gehalt hin untersucht werden.

a) Art. 27 IPBürg Gern. Art. 27 IPBürg haben Angehörige sprachlicher Minderheiten das Recht, "sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen". Fraglich ist, wie weit dabei der Gebrauch der eigenen Sprache reicht. Unumstritten ist zunächst, daß Art. 27 den privaten mündlichen Gebrauch der Sprache erfaßt. 165 Drei Teilbereiche der Sprachenrechte sind jedoch genauer zu untersuchen, der private schriftliche und der öffentliche (mündliche und schriftliche) Gebrauch der Sprache, der Unterricht der Sprache an öffentlichen bzw. privaten Schulen sowie der Sprachgebrauch im Umgang mit Verwaltungs behörden und Gerichten.

(1) Privater schriftlicher und öffentlicher (mündlicher und schriftlicher) Gebrauch der Sprache

Zunächst ist zu prüfen, ob der schriftliche und öffentliche Gebrauch der Minderheitensprache von Art. 27 erfaßt ist. Der schriftliche Gebrauch einer Sprache ist wesentliche Voraussetzung für den Erhalt der Sprache und muß deshalb geschützt werden. Zwar ist richtig, daß im täglichen Umgang miteinander der mündliche Gebrauch einer Sprache im Vordergrund steht. Es ist jedoch zu bedenken, daß erst der schriftliche Gebrauch einer Sprache geeignet ist, ihren Erhalt für die Zukunft

chend ennöglichen und erleichtern sie im Rahmen der geltenden Gesetze der anderen Seite Förderungsmaßnahmen zugunsten dieser Personen und Einrichtungen."; dies gilt auch für Sprachenrechte, nicht jedoch für religiöse Rechte. 165 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 27 para. 41; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 109),971.

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

zu sichern. l66 Erst Schrifterzeugnisse wie Literatur, Zeitungen und das sonstige schriftliche Festhalten kulturellen Brauchtums verleihen den eine Minderheitensprache Sprechenden den Zusammenhalt, der erforderlich ist, um die Sprache für die Zukunft zu bewahren. Wegen der Bedeutung von Büchern und Zeitungen für den Erhalt der Minderheitensprache ist auch ihr öffentlicher Gebrauch von Art. 27 IPBürg erfaßt. 167 Ohne öffentliche Auseinandersetzung über die Minderheiten betreffenden Angelegenheiten mittels der Sprache kann der für den Erhalt der Sprache erforderliche Zusammenhalt nicht entstehen.

(2) Öffentliche bzw. private Schulen Zu untersuchen ist weiter, ob Art. 27 IPBürg es ermöglicht, daß Minderheiten eigene private Schulen errichten können. Solche Schulen würden nicht nur einen Unterricht der Minderheitensprache, sondern sogar einen Unterricht in der Minderheitensprache möglich machen. 168 Eindeutig ist zunächst, daß Art. 27 weder die Einrichtung öffentlich unterhaltener Minderheitenschulen 169 noch die finanzielle Unterstützung privater Minderheitenschulen erforderlich macht. 170 Dies ergibt sich aus dem begrenzt positiven Charakter des Art. 27 IPbürg, wonach Förderungsmaßnahmen nicht erfaßt sind. Private Institutionen, in denen die Sprache außerhalb der

166 Vgl. Tomusehat, in: FS Mosler (Anm. 109),972: "To prohibit any written expression of a minority language would amount to a hardly concealed attempt to do away with that language. At the present stage of evolution of modem societies, a language of purely oral expression would be definitely doomed to extinction. Qnly writings are capable of stimulating sustained interest in a language, promoting its intrinsic creative forces and adapting it to the ever changing cultural milieu." 167 Vgl. Nowak (Anm. 2), Art. 27 para. 41; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 109), 972: "Whenever a minority group wishes to publish its own newspapers or other periodicals, it is free to do so, subject to the general conditions laid down in the relevant press laws." 168 Auf diesen Unterschied ist im folgenden Wert zu legen. In eigenen privaten Schulen der Minderheiten können die verschiedensten Fächer in der Minderheitensprache unterrichtet werden. 169 Auch in ihnen könnte eine Unterrichtung in der Minderheitensprache (also auch anderer Fächer) erfolgen. Wenn die Unterhaltung einer selbständigen, öffentlichen Minderheitenschule aufgrund fehlender Anmeldungen nicht opportun ist, mag auch die Einrichtung von Minderheitenklassen an Mehrheitsschulen (also wiederum Unterricht in der Minderheitensprache, zumindest in einigen Fächern) ausreichen. 170 Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 109),973, weist auf die einzige Ausnahme zu dieser Regel hin, die dann eintritt, wenn andere (Mehrheits-)Gruppen auch finanzielle Mittel erhalten. Dann ist wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung auch eine finanzielle Unterstützung der Minderheit geboten.

B. Bereiche positiven Schutzes

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Schule erlernt wird, sind hingegen in jedem Fall erfaßt. Sie sind bereits durch die Organisationsfreiheit im Rahmen kultureller Minderheitenrechte geschützt. 171 Fraglich ist jedoch, ob Art. 27 IPBfug die Erlaubnis von Privatschulen für Minderheitenangehörige mit eventuellem Unterricht in der Minderheitensprache fordert oder ob eine Unterrichtung der Minderheitensprache im allgemeinen Schulsystem ausreichend ist. Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage ist die Suche nach dem Sinn und Zweck von Art. 27. Erreicht werden sollen "effective opportunities ... be given to children belonging to a minority to acquaint themselves fully with the language and culture of their ancestors ... 172 Damit eine Minderheitensprache in der Zukunft einen Zusammenhalt der Minderheit garantieren kann, ist es erforderlich, daß sie auch von außerhalb des Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreises Unterstützung findet. 173 Zur Erreichung dieses Ziels könnte es erforderlich sein, die Unterhaltung von Privatschulen für Minderheitenangehörige zu ermöglichen. Für Privatschulen spricht zudem, daß solche Einrichtungen besonders gut dafür geeignet sind, das Minderheitenbewußtsein zu erhalten 174 , und daß der Gefahr einer Vernachlässigung der offiziellen Landessprache durch gesetzliche Auflagen begegnet werden kann. Andererseits ist jedoch zu bedenken, daß Folge eines abgetrennten Schulsystems eine Entfremdung junger Minderheitenangehöriger von der Mehrheitskultur sein kann. 17S Zudem müssen Privatschulen auch nicht allgemein in jedem Staat erlaubt sein. Es sollte deshalb versucht werden, eine generalisierende Lösung zu vermeiden und statt dessen eine einzelfallbezogene Lösung zu finden. 176 Ist es Staaten danach nicht möglich, die Errichtung von Privatschulen für Minderheitenangehörige zu gestatten, so muß zumindest die Unterrichtung der Minderheitensprache im Rahmen des allgemeinen Schulsystems sichergestellt werden. 177 Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang darauf, daß Art. 5 Abs. Ilit. c der UNESCO-Konvention

171 Die Forderung nach öffentlich unterhaltenen Institutionen bzw. nach der Finanzierung privater Institutionen scheitert jedoch wiederum an der Tatsache, daß Art. 27 IPBürg Förderungsmaßnahmen nicht erfaßt. 172 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 109),972. 173 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 109),973: "To impede any organized and systematic language education would be tantamount to pursuing eradication policies and would thus constitute a denial in the sense envisaged by Art. 27." 174 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 109),972. 175 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 109),972. 176 Vgl. Tomusehat, in: FS Mosler (Anm. 109), 973; a. A. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 109),284. m Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 109),973.

10 Niewer1h

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Kapitel I1I: Positiver Schutz von Minderheiten

gegen Diskriminierung in der Erziehung von 1960 Minderheitenangehörigen das Recht auf die Errichtung und Unterhaltung von Privatschulen gewährt. 178

(3) Umgang mit Gerichten und Verwaltungsbehörden Zu prüfen ist abschließend, ob es Minderheitenangehörigen gern. Art. 27 IPBürg auch möglich sein muß, ihre Sprache im Umgang mit Gerichten und Verwaltungsbehörden zu verwenden. Ausgangspunkt der Untersuchung ist dabei wiederum der Grundsatz, daß der Gehalt von Art. 27 lediglich beschränkt positiv ist und deshalb Förderungsmaßnahmen nicht erfaßt. Der Gebrauch der Minderheitensprache vor Gerichten und Verwaltungsbehörden würde jedoch Förderungsmaßnahrnen erforderlich machen, da unabhängig von Eingriffen Privater vom Staat entweder Dolmetscher oder mehrsprachige Richter bzw. Verwaltungsbeamte zur Verfügung gestellt werden müßten. 179 Generell enthält Art. 27 somit nicht das Recht, die Minderheitensprache auch im Umgang mit Gerichten und Verwaltungsbehörden gebrauchen zu können. 180 Eine Ausnahme gilt jedoch im Strafverfahren. Gemäß Art. 14 Abs. 3 lit. f IPBürg ist dem Angeklagten ein unentgeltlicher Dolmetscher zu bestellen, wenn er die Verhandlungssprache des Gerichts nicht verstehen kann. 181 Eine ähnliche Regelung gilt für Rechtsstreitigkeiten im Privatrecht. Sie ergibt sich aus dem Grundsatz des "fair hearing" in Art. 14 Abs. 1 S. 2 IPBürg. Es kann sich zweifelsohne 178 "It is essential to recognize the right of members of national minorities to carry on their own educational activities, including the maintenance of schools and, depending on the educational policy of each State, the use or the teaching of their own language, provided however: (i) That this right is not exercised in a manner which prevents the members of these minorities from understanding the culture and language of the community as a whole and from participating in its activities, or which prejudices national sovereignty; (ii) That the standard of education is not lower than the general standard laid down or approved by the competent authorities; and (iii) That attendance at such schools is optional.", zitiert aus: Asbjoem Eide, Protection of Minorities, Possible Ways of Facilitating the peaceful and constructive solution of problems involving minorities, UN Doc. ElCN.4/ Sub.2/1993/34, 23. 179 Insoweit läßt sich ein Zusammenhang zum Zugang von Minderheitenangehörigen zu öffentlichen Ämtern herstellen, der Teil des Prinzips der Gleichberechtigung ist, sich aber auch in der politischen Mitwirkung niederschlägt, vgl. Kapitel H, Text bei Anm. 170. 180 Vgl. Tomusehat, in: FS Mosler (Anm. 109),973; Nowak (Anm. 2), Art. 27 para. 41; a. A. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 109), 284. 181 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 2), 973, der darauf hinweist, daß diese Vorschrift auch auf Staatsangehörige anzuwenden ist; Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 109), 284; Nowak (Anm. 2), Art. 27 para. 41.

B. Bereiche positiven Schutzes

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nicht um ein faires Verfahren handeln, wenn das Verfahren in einer Sprache durchgeführt wird, die einer der Parteien nicht verständlich ist, ohne daß sie Zugang zu einer Übersetzung hat. 182

b) Andere Vorschriften (1) Vorschriften multilateraler Art

(a) Regelungen unverbindlicher Art Unter den neuen Völkerrechtsinstrumenten sind wiederum zunächst die G.V.Deklaration 47/137 und das Kopenhagener Dokument als Regelungswerke unverbindlicher Art zu behandeln. Ihre Vorschriften gehen über den sprachenrechtlichen Gehalt von Art. 27 IPBürg kaum hinaus. In der G.V.-Deklaration ist zunächst das Recht von Minderheitenangehörigen auf freie Benutzung ihrer Sprache sowohl privat als auch in der Öffentlichkeit enthalten. 183 Diese Bestimmung erfaßt auch Schutz vor Eingriffen Privater. Darüber hinaus findet sich die Verpflichtung, daß Maßnahmen ergriffen werden sollen, um Angehörigen von Minderheiten adäquate Möglichkeiten zu verschaffen, ihre Muttersprache zu erlernen oder in ihr unterrichtet zu werden. l84 Zwar handelt es sich hierbei lediglich um eine Staatenverpflichtung, die zudem sehr allgemein formuliert ist. 185 Art. 4 Abs. 3 kann jedoch durchaus als sogar Förderungsmaßnahmen gewährende Vorschrift verstanden werden. 186 Nicht immer wird eine Minderheit in der Lage sein, eine Unterrichtung in privaten Schulen oder sonstigen Institutionen selbständig durchzuführen. Zumindest eine finanzielle Unterstützung privater Schulen bzw. Institutionen, wenn nicht sogar die Bereitstellung eines Unterrichtsangebotes 182 Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 109),974: "Just to mention an example: Actions to title for land initiated against Indian tribes in an American Country could not be concluded validly if the significance of such court proceedings would not be grasped by the defendants due to linguistic difficulties." 183 Art. 2 Abs. 1: "Persons belonging to . .. minorities have the right to ... use their own language, in private and in public, ... " 184 Art. 4 Abs. 3: "States should take appropriate measures so that, whenever possible, persons belonging to minorities have adequate opportunities to iearn their mother tongue or to have instruction in their mother tongue." 185 Vgl. etwa die Formulierungen "appropriate measures", "whenever possible", "adequate opportunities, to iearn their mother tongue ... or to have instruction in their mother tongue". 186 So auch Thilo Marauhn, Der Status von Minderheiten im Erziehungswesen und im Medienrecht, in: Jochen Abr. Frowein/Rainer Hofmann/Stefan Oeter (Hrsg.), Das Minderheitenrecht europäischer Staaten, 2. Teil, Berlin 1994, 420 - 450, 436.

10*

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

in öffentlichen Schulen bzw. Institutionen, kann somit erforderlich sein. Sowohl die Frage, ob die Unterrichtung dabei in öffentlichen oder privaten Institutionen erfolgen soll, als auch die Frage, ob eine Unterrichtung der oder sogar in der Minderheitensprache erfolgen soll, werden allerdings offengelassen. 187 Zusätzlich findet sich in Art. 4 Abs. 2 die Staatenverpflichtung, günstige Bedingungen zu schaffen, damit Minderheitenangehörige ihre sprachliche Identität ausdrücken und weiterentwickeln können. 188 Das Kopenhagener Dokument enthält ausführliche Bestimmungen zu Sprachenrechten von Minderheitenangehörigen, die zum Teil über den Gehalt der G.V.-Deklaration 47/137 hinausgehen. Vorgesehen ist das Recht von Minderheitenangehörigen auf (selbständige) Äußerung, Wahrung und Weiterentwicklung ihrer Identität. 189 Auch findet sich das Recht von Minderheitenangehörigen, sich ihrer Sprache sowohl privat als auch in der Öffentlichkeit frei zu bedienen. 19O Sodann findet sich ein Recht auf freie Verbreitung und freien Zugang zu Informationen in der Minderheitensprache. 191 Die Bestimmung bezüglich der Unterrichtung der Minderheitensprache geht hingegen nicht über den Gehalt der G.V.-Deklaration hinaus. Die Teilnehmerstaaten sind danach verpflichtet, Angehörigen von Minderheiten Möglichkeiten für den Unterricht ihrer Sprache oder in ihrer Muttersprache zu gewährleisten. In Nach dieser wenig weit reichenden Vorschrift reicht jedenfalls eine Unterrichtung derMinderheitensprache in öffentlichen oder privaten Schulen bzw. Institutionen aus. Wenn bereits private Schulen oder Institutionen bestehen, hat der jeweilige

Vgl. Marauhn, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), Teil 2 (Anm. 186),436. "States shall take measures to create favourable conditions to enable persons belonging to minorities to express their characteristics and to develop their ... language ... " Hierbei handelt es sich, wie bereits erörtert, um eine erst Stufe der Förderung, die weniger weit geht als ein umfassendes Recht von Minderheitenangehörigen auf Förderung ihrer Identität, jedoch weiter als ein bloßes Recht von Minderheitenangehörigen auf Äußerung, Wahrung und Entwicklung ihrer Identität. 189 Art. 32: " ... Persons belonging to national minorities have the right to freely express, preserve and develop their ethnic, cultural, linguistic or religious identity and to maintain and develop their culture in all its aspects, free of any attempts at assimilation against their will .... " 190 Art. 32.1.: ,,(In particular, they have the right) to use freely their mother tongue in private as weH as in public." 191 Art. 32.5.: ,,(In particular, they have the right) to disseminate, have access to and exchange information in their mother tongue." 192 Art. 34: "The participating States will endeavour to ensure that persons belonging to national minorities, notwithstanding the need to leam the officiallanguage or languages of the State concemed, have adequate opportunities for instruction of their mother tongue or in their mother tongue ... " 187 188

B. Bereiche positiven Schutzes

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Staat diese möglicherweise nicht einmal zu finanzieren. 193 Bezüglich des Umgangs mit Gerichten und Verwaltungsbehörden findet sich eingeschränkt der Hinweis auf die Möglichkeit des Gebrauchs der Muttersprache bei Behörden. 194

(b) Noch unverbindliche Regelungen Ganz besonders sind die Bestimmungen der Europäischen Charta für Regionalund Minderheitensprachen sowie der Europäischen Rahmenkonvention als noch unverbindliche Regelungswerke zu beachten. 195 Die Charta befaßt sich ausschließlich mit Sprachenrechten und steht den Staaten des Europarates seit dem 5. November 1992 zur Unterzeichnung offen. 196 Sie geht von der Feststellung aus, daß Minderheitensprachen eine Form kulturellen Reichtums sind. 197 Die Charta behandelt zunächst die Problematik der Unterrichtung der Minderheitensprache. In allen Bereichen der Schulausbildung (also Vorschule, Primar- und Sekundarstufe sowie technische und Berufsausbildung) soll danach, abhängig von der Situation der Minderheitensprache, entweder Unterrichtung in der Minderheitensprache in öffentlichen Minderheitenschulen, ein wesentlicher Teil des Unterrichts in der Minderheitensprache 198 oder Unterricht der Minderheitensprachel99 angeboten wer-

193 Vgl. aber insoweit die positive Beurteilung der fast identischen Staatenverpflichtung in der G.V. Oekl. 47/137. 194 Art. 34: "The participating States will endeavour to ensure that persons belonging to national minorities ... have adequate opportunities ... , whereever possible and necessary, for its (their mother tongue) use before public authorities, in conformity with applicable nationallegislation. " 195 Eine Einschränkung des Gehalts der Charta ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2, wonach lediglich 35 der Paragraphen und Unter-Paragraphen des 3. Teils (Art. 8 - 14) von den Mitgliedsstaaten einzuhalten sind: ,,In respect of each language specified at the time of ratification, acceptance or approval, in accordance with Article 3, each Party undertakes to apply a minimum of thirty-five paragraphs or sub-paragraphs chosen from among the provisions ofPart III ofthe Charter, including at least three chosen from each ofthe Articles 8 and 12 and one from each of the Articles 9, 10, 11 and 13." 196 Allgemein zu den Sprachenrechten in der Charta vgl. Jan Lemke, Falsche Erwartungen und berechtigte Hoffnungen: Oie Europäische Sprachencharta und das Niederdeutsche in Recht und Politik, "Oe Kennung", Zeitschrift für plattdeutsche Gemeindearbeit 16 (1993),33 - 44. 197 Art. 7 Abs. 1 lit. a: "the recognition of the regional or minority languages as an expression of cultural wealth." 198 Also etwa Minderheitenklassen im allgemeinen Schulsystem. 199 Also lediglich als eigenständiges Fach.

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

den. 2°O Diese Bestimmungen werden eingeschränkt durch den Grundsatz, daß die offizielle Sprache des Staates dadurch nicht vernachlässigt werden darf. Private Minderheitenschulen sind nach der Charta nicht ausreichend. Dies ergibt sich aus dem nur bei der Vorschulausbildung zu findenden Hinweis, daß der Staat eine sonstige (private) Ausbildung fördern solle, wenn staatlichen Stellen die Zuständigkeit für die Vorschulausbildung fehlt. Dieser Hinweis findet sich sonst nicht. 201 Das Angebot des Unterrichts in außerschulischen Institutionen als Ersatz für die Schulausbildung ist ebenfalls nicht ausreichend, muß aber für die Erwachsenenausbildung vorgesehen werden. 202 Um faßt sind ebenfalls der Unterricht in der Minderheitensprache in Universitäten und höheren Bildungsanstalten203 sowie der Unterricht der mit der Minderheitensprache zusammenhängenden Geschichte und Kultur. 204 Einen eigenen Artikel widmet die Charta dem Umgang von Angehörigen einer sprachlichen Minderheit mit Gerichten. Sowohl in strafrechtlichen als auch in privat- und verwaltungsrechtlichen Verfahren soll es Minderheitenangehörigen in Distrikten, in denen die Anzahl der Minderheitenangehörigen solche Maßnahmen rechtfertigt205 , möglich sein, entweder das gesamte Verfahren in der Minderheitensprache zu führen oder die Minderheitensprache selbst zu verwenden und alle Aus200 Art. 8 Abs. I: " ... the Parties undertake ... according to the situation of each of these languages, and without prejudice to the teaching of the officiallanguage(s) of the State, to: (lit. a - d) (i) make available ... (Pre-school, primary, secondary, technical and vocational) education in the relevant regional or minority languages; or (ii) make available a substantial part of ... education in the relevant regional or minority languages; or (iii) provide, within ... education, for the teaching of the relevant regional or minority languages as an integral part of the curriculum; or (iv) apply one of the measures provided under (i) to (iii) above at least to those pupils whose families so request and whose number is considered sufficient; ... " 201 Art. 8 Abs. llit. a (iv): " ... if the public authorities have no direct competence in the field of pre-school education, favour andJor encourage the application of the measures referred to under (i) to (iii) above; ... " 202 Art. 8 Abs. I lit. f: ,,(i) arrange for the provision of adult and continuing education courses which are taught mainly or wholly in the regional or minority languages; or (ii) offer such languages as subjects of adult and continuing education; or (iii) if the public authorities have no direct competence in the field of adult education, favour andJor encourage the offering of such languages as subjects of adult and continuing education; ... " 203 Art. 8 Abs. I lit. e: ,,(i) make available university and other higher education in regional or minority languages; or (ii) provide facilities for the study of these languages as university and higher education subjects; ... " 204 Art. 8 Abs. I lit. g: " ... make arrangements to ensure the teaching of the history and the culture which is reflected by the regional or minority language; ... " 205 Dazu kritisch Karin Oellers-Frahm, Der Status der Minderheitensprachen vor Behörden und Gerichten, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), 2. Teil (Anm. 186),383 - 409, 400.

B. Bereiche positiven Schutzes

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sagen und Schriftsätze anderer Prozeßteilnehmer übersetzt zu bekommen. Der eventuell notwendige Einsatz von Dolmetschern und Übersetzungen soll dabei nicht auf Kosten der jeweiligen Minderheitenangehörigen erfolgen. 206 Hinsichtlich des Umgangs mit Verwaltungsbehörden ist vorgesehen, daß, unter den gleichen Voraussetzungen wie bei den Gerichten, die Verwaltungs behörden die Minderheitensprache entweder allgemein, zumindestens aber den Minderheitenangehörigen gegenüber verwenden und daß Minderheitenangehörige beim Umgang mit den Behörden ihre Sprache zu jeder Zeit, schriftlich und mündlich, verwenden können. 207 Weit über den in den anderen Instrumenten enthaltenen positiven Gehalt hinaus reichen die Bestimmungen der Charta zu Medien, kulturellen Tätigkeiten und Einrichtungen sowie dem wirtschaftlichen und sozialen Leben. Im Bereich Medien ist festgelegt, daß die Teilnehmerstaaten in Minderheitenregionen die Errichtung zumindest einer Radiostation und eines Fernsehkanals in der Minderheitensprache sicherstellen, oder, wenn ihnen die Zuständigkeit dazu fehlt, die Errichtung einer (privaten) Radiostation und eines (privaten) Fernsehkanals fördern sollen. 20s Ver206 Art. 9 Abs. I: "The Parties undertake, in respect of those judicial districts in which the number of residents using the regional or minority languages justifies the measures specified below, according to the situation of each of these languages and on condition that the use of the facilities afforded by the present paragraph is not considered by the judge to hamper the proper administration of justice: (a - c) in (criminal, civil, administrative) proceedings: (i) to provide that the courts, at the request of one of the parties, shall conduct the proceedings in the regional or minority language; andlor (ii) to allow, whenever a litigant has to appear in person before court, that he or she may use his or her regional or minority language without thereby incurring additional expense; andlor (iii) to allow documents and evidence to be produced in the regional or minority languages, if necessary by the use of interpreters and translations involving no extra expense for the persons concemed; ... " 207 Art. 10 Abs. I: "... the parties undertake, ... to: a) (i) ensure that the administrative authorities use the regional or minority languages; or (ii) ensure that such officers as are in contact with the public use the regional or minority languages in their relations with persons applying to them in these languages; or (iii) ensure that users of regional or minority languages may submit oral or written applications and receive a reply in these languages; or (iv) ensure that users of regional or minority languages may submit oral or written applications in these languages; or (v) ensure that users of regional or minority languages may submit a document in these languages; ... " 208 Art. 11 Abs. I: ,,(The Parties undertake) a) to the extent that radio and television carry out a public service mission: (i) to ensure the creation of at least one radio station and one television channel in the regional or minority languages, or (ii) to encourage andlor facilitate the creation of at least one radio station and one television channel in the regional or minority languages, or (iii) to make adequate provision so that broadcasters offer programmes in regional or minority languages; b) (i) to encourage andlor facilitate the creation of at least one radio station in the regional or minority languages, or (ii) to encourage andlor facilitate the broadcasting of radio programmes in the regional or minority languages on a regular basis; c) (i) to encourage andlor facilitate the creation of at least one

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Kapitel IIl: Positiver Schutz von Minderheiten

pflichtet sind die Staaten auch zur Förderung der Herstellung und Verteilung von Hör- und audiovisuellen Werken in der Minderheitensprache 209 und der Gründung und Unterhaltung zumindest einer Zeitung in der Minderheitensprache. 210

Im Hinblick auf kulturelle Einrichtungen und Tätigkeiten, insbesondere Bibliotheken, Videotheken, Kulturzentren, Museen, Archive, Akademien, Theater und Kinos sowie literarische Werke und Filmproduktionen, volkstümliche Formen des kulturellen Ausdrucks, Festspiele und die Kulturindustrien, sind die Staaten zu einer umfassenden Förderung von Einrichtungen und Tätigkeiten sprachlicher Minderheiten verpflichtet. 211 Diese Förderung kann entweder den Minderheitenwerken selbst, aber auch dem Zugang zu diesen Werken dienen. Für den Bereich des wirtschaftlichen und sozialen Lebens schließlich ist bestimmt, daß die Minderheitensprachen in allen Bereichen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, etwa Arbeitsverträgen und anderen Urkunden, weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden dürfen. 212 In den Minderheitenregionen selbst sollen sogar Maß-

television channel in the regional or minority languages, or (ii) to encourage andlor facilitate the broadcasting of television programmes in the regional or minority languages on a regular basis; ... " 209 Art. ll Abs. I lit. d: "to encourage andlor facilitate the production and distribution of audio and audio-visual works in regional or minority languages; ... " 210 Art. 11 Abs. 1 lit. e: ,,(i) to encourage andlor facilitate the creation andlor maintenance of at least one news paper in the regional or minority languages, or (ii) to encourage andlor facilitate the publication of newspaper articles in the regional or minority languages on a regular basis; ... " 2ll Art. 12 Abs. I: "With regard to cultural facilities and activities - especially libraries, video libraries, cultural centres, museums, archives, academies, theatres and cinemas, as well as literary work and film production, vemacular forms of cultural expression, festivals and the culture industries, including inter alia the use of new technologies - the Parties undertake, within the territory in which such languages are used and to the extent that the public authorities are competent, have power or playa role in this field, to: a) encourage types of expression and initiative specific to regional or minority languages and foster the different means of access to works produced in these languages; ... " 212 Art. 13 Abs. I: "With regard to economic and social activities, the Parties undertake, within the whole country, to: a) eliminate from their legislation any provision prohibiting or limiting without justifiabie reasons the use of regional or minority languages in documents relating to economic or sociallife, particularly contracts of employment, and in technical documents such as instructions for the use of products or installations; b) prohibit the insertion in intemal regulations of companies and private documents of any clauses excluding or restricting the use of regional or minority languages, at least between users of the same language; c) oppose practices designed to discourage the use of regional or minority languages in connection with economic or social activities; d) facilitate andlor encourage the use of regional or minority languages by means other than those specified in the above sub-paragraphs. "

B. Bereiche positiven Schutzes

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nahmen zur Förderung der Minderheitensprache im wirtschaftlichen und sozialen Leben ergriffen werden. 213 Die Europäische Rahmenkonvention ist, da sie ebenso wie die Charta nur Staatenverpflichtungen enthält, einerseits enger als die zuvor genannten Instrumente. Andererseits enthält sie einen umfangreichen Katalog von Sprachenrechten, der in seiner Ausgestaltung zumindest die G.V.-Deklaration 47/137 und das Kopenhagener Dokument übersteigt. Dabei beinhaltet die Rahmenkonvention auch Staatenverpflichtungen zu Schutz- und Förderungsmaßnahmen. Ausgangspunkt ist wiederum die Verpflichtung zur Schaffung günstiger Bedingungen, damit Minderheitenangehörige ihre sprachliche Identität wahren, ausüben und weiterentwickeln können 214 , sowie die Verpflichtung zum Schutz vor Gewalt. 215 Art. 10 Abs. 1 enthält sodann die Verpflichtung zur Anerkennung des Rechts 216 auf freien Gebrauch der Minderheitensprache, privat und in der Öffentlichkeit, sowohl mündlich als auch schriftlich. 217 Zum Schulunterricht ist lediglich vorgesehen, daß öffentlicher Schulunterricht

der oder in der Minderheitensprache erfolgen soll, wenn Minderheitenangehörige in einem Gebiet traditionell oder in erheblicher Zahl leben und eine ausreichende

213 Art. 13 Abs. 2: "With regard to economic and social activities, the Parties undertake, in so far as the public authorities are competent, within the territory in which the regional or minority languages are used, and as far as this is reasonably possible, to: a) include in their financial and banking regulations provisions which allow, by means of procedures compatible with commercial practice, the use of regional or minority languages in drawing up payment orders (Cheques, drafts, etc.) or other financial documents, or, where appropriate, ensure the implementation of such provisions; b) in the economic and social sectors directly under their control (public sector), organise activities to promote the use of regional or minority languages; c) ensure that social care facilities such as hospitals, retirement hornes and hostels offer the possibility of receiving and treating in their own language persons using a regional or minority language who are in need of care on grounds of ill-health, old age or for other reasons; d) ensure by approppriate means that safety instructions are also accessible in regional or minority languages; e) arrange for information provided by the competent public authorities concerning the rights of consumers to be made available in regional or minority languages." 214 Art. 5 Abs. I: "The Parties undertake to promote the conditions necessary for persons belonging to national minorities to maintain and develop their culture, and to preserve the essential elements of their identity, namely their religion, language, traditions and cultural heritage." 215 Art. 6 Abs. 2: "The Parties undertake to take appropriate measures to protect persons who may be subject to threats or acts of discrimination, hostility or violence as a result of their ethnic, cultural, linguistic or religious identity." 216 Diese Formulierung ist typisch für die Rahmenkonvention, vgl. Anm. 148. 217 "The Parties undertake to recognise that every person belonging to anational minority has the right to use freely and without interference his or her minority language, in private and in public, orally and in writing."

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

Nachfrage hinzukommt. Noch weiter eingeschränkt ist diese Bestimmung durch den Zusatz "so weit wie möglich".2I8 Sofern die Voraussetzungen für öffentlichen Sprachen unterricht nicht vorliegen, aber auch in anderen Fällen, verpflichten sich die Staaten, das Recht von Minderheitenangehörigen anzuerkennen, private Erziehungsanstalten zu gründen. Zu Finanzierungsmaßnahmen hinsichtlich dieser Institutionen sind die Staaten aber nicht gehalten. 219 Unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen auch öffentlicher Schulunterricht erfolgen soll, verpflichten sich schließlich die Staaten, den Gebrauch der Minderheitensprache im Umgang mit Verwaltungsbehörden zu gewährleisten. 22o Der Gebrauch der Minderheitensprache im Umgang mit Gerichten ist allerdings nur für Strafverfahren garantiert. 221 Weiter bestehen Staatenverpflichtungen hin218 Art. 14: ,,(1) The Parties undertake to recognize that every person belonging to a national minority has the right to leam his or her minority language. (2) In areas inhabited by persons belonging to national minorities traditionally or in substantial numbers, if there is sufficient demand, the Parties shall endeavour to ensure, as far as possible and within the framework of their education systems, that persons belonging to those minorities have adequate opportunities for being taught the minority language or for receiving instruction in this language. (3) Paragraph 2 of this article shall be implemented without prejudice to the leaming of the officiallanguage or the teaching in this language." Zu den Einschränkungen und unbestimmten Rechtsbegriffen kritisch Klebes (Anm. 148), EuGRZ 1995,266, der außerdem darauf verweist, daß Art. 8 Entw. Zus. Prot. wesentlich weiter geht. Auch der Explanatory Report, paras. 65/66, 75 - 77, präzisiert die unbestimmten Rechtsbegriffe nicht wesentlich. 219 Art. 13: ,,(1) Within the framework of their education systems, the Parties shall recognise that persons belonging to anational minority have the right to set up and to manage their own private educational and training establishments. (2) The exercise of this right shall not entail any financial obligation for the Parties." 220 Art. 10 Abs. 2: ,,In areas inhabited by persons belonging to national minorities traditionally or in substantial numbers, ifthose persons so request and where such arequest corresponds to areal need, the Parties shall endeavour to ensure, as far as possible, the conditions which would make it possible to use the minority language in relations between those persons and the administrative authorities." Vgl. Explanatory Report, para. 64: "This provision does not cover all relations between indi viduals belonging to national minorities and public authorities. It only extends to administrative authorities. Nevertheless, the lauer must be broadly interpreted to include, for example, ombudsmen ...." 221 Art. 10 Abs. 3: "The Parties undertake to guarantee the right of every person belonging to anational minority to be informed promptly, in a language which she or he understands, of the reasons for his or her arrest, and of the nature and cause of any accusation against hirn or her, and to defend hirnself or herself in this language, if necessary with the free assistance of an interpreter." Diese Bestimmung fehlt im Entw. Zus. Prot., da dieser nur für Mitgliedsstaaten des Europarats vorgesehen war und sonst eine Überschneidung mit Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 31it. a EMRK aufgetreten wäre, vgl. Klebes (Anm. 148), EuGRZ 1995, 266.

B. Bereiche positiven Schutzes

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sichtlich des Gebrauchs von Namen in der Minderheitensprache 222 und des Gebrauchs der Minderheitensprache für öffentlich sichtbare Informationen. 223

(c) Vorschläge de lege ferenda Weiter als der Gehalt der Rahmenkonvention gehen wiederum die Vorschriften des ihr vorausgegangenen Vorschlags einer Europäischen Konvention. Sie haben einen eindeutig positiven Gehalt und umfassen dabei auch Förderungsmaßnahmen. Art. 7 schreibt allgemein vor, daß Angehörige von Minderheiten ein Recht haben, sich ihrer Sprache sowohl privat als auch in der Öffentlichkeit frei zu bedienen. 224 Darüber hinaus sieht Art. 8 das Recht von Minderheitenangehörigen auf Umgang mit Gerichten und Verwaltungsbehörden in der Minderheitensprache vor, sofern die betreffende Minderheit einen erheblichen Anteil der Bevölkerung bildet. 225 Es bleibt dabei etwas unklar, was unter "substantial" zu verstehen ist. 226 Der Anteil der Minderheitenbevölkerung darf jedenfalls nicht gering sein, muß aber nicht die Mehrheit erreichen. Diese Einschränkung läßt sich mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erklären. 227 Der Staat wäre finanziell und organisatorisch überfordert, müßte er auch bei weit verstreuten Minderheiten Mehrsprachigkeit von Gerichten und Verwaltungs behörden garantieren. 228

222 Art. 11 Abs. I: "The Parties undertake to recognise that every person belonging to a national rninority has the right to use his or her sumame (patronym) and first names in the rninority language and the right to official recognition of them, according to modalities provided for in their legal system."; vgl. dazu Klebes (Anm. 148), EuGRZ 1995,266. 223 Art. 11 Abs. 3: "In areas traditionally inhabited by substantial numbers of persons belonging to anational rninority, the Parties shall endeavour, in the framework of their legal system, including, where appropriate, agreements with other States, and taking into account their specific conditions, to display traditionallocal names, street names and other topographical indications intended for the public also in the rninority language when there is a sufficient demand for such indications." 224 "Any person belonging to a linguistic rninority shall have the right to use his language freely, in public as weil as in private." 225 "Whenever a rninority reaches a substantial percentage of the population of a region or of the total population, its members shall have the right, as far as possible, to speak and write in their own language to the political, administrative and judicial authorities of this region or, where appropriate, of the State. These authorities shall have a corresponding obligation." 226 So auch Oellers-Frahm, in: Frowein/Hojmann/Oeter (Hrsg.), 2. Teil (Anm. 205), 400. 227 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 266. 228 Vgl. Oellers-Frahm, in: Frowein/Hojmann/Oeter (Hrsg.), 2. Teil (Anm. 205),401/ 402.

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Kapitel I1I: Positiver Schutz von Minderheiten

Auch der den Schulunterricht der oder in der Minderheitensprache als Staatenverpflichtung vorsehende Art. 9 bedient sich zur Abgrenzung des Begriffs des "erheblichen Anteils". Ist die Minderheitenbevölkerung erheblich, so sollen die Minderheitenschüler nicht nur Unterricht ihrer Muttersprache, sondern auch, wenn möglich, ganz oder teilweise Unterricht in ihrer Muttersprache erhalten. 229 Sowohl öffentliche Minderheitenschulen als auch öffentliche Schulen mit Minderheitenklassen würden diesen Anforderungen genügen, öffentliche Schulen mit Unterricht der Minderheitensprache jedoch nur der zuerst genannten Variante. Ist der Staat nicht in der Lage, einen solchen Unterricht anzubieten 23o , so muß er gern. Art. 9 Schülern, die dies wünschen, den Besuch von Privatschulen gestatten. In diesen Fällen muß der Staat jedoch das Recht haben, vorzuschreiben, daß in den Privatschulen auch die offizielle Sprache des Staates unterrichtet wird. 231 Noch umfangreicher sind die Bestimmungen des Entwurfs eines Zusatzprotokolls zur EMRK. 232 Ausgehend vom Grundsatz, daß Minderheitenangehörige das Recht haben, ihre sprachliche Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln 233 , ist zunächst das Recht auf den freien Gebrauch der Muttersprache, privat und in der Öffentlichkeit, sowohl mündlich als auch schriftlich, festgehalten. 234 Ausdrücklich erwähnt wird dabei ähnlich wie schon im Kopenhagener Dokument der Gebrauch der Minderheitensprache in Veröffentlichungen und im audiovisuellen Bereich. Zu finden ist ebenfalls das Recht auf Gebrauch der Minderheitensprache im Umgang mit Gerichten und Verwaltungsbehörden, al-

229 "Whenever the conditions of Article 8 are fulfilled, in State schools, obligatory schooling shall include, for pupils belonging to the minority, study of their mother tongue. As far as possible, all or part of the schooling shall be gi ven in the mother tongue of pupils belonging to the minority. However, should the State not be in a position to provide such schooling, it must permit children who so wish to attend private schools." 230 Also etwa, wenn der Anteil der Minderheitenbevölkerung nicht erheblich ist. 231 Art. 9: ,,In such a case, the State shall have the right to prescribe that the officiallanguage or languages also be taught in such schools." 232 Erstmals sind damit seine Bestimmungen weitergehend als die des Vorschlags einer Konvention. 233 Art. 3 Abs. 1: "Every person belonging to a ... minority shall have the right to express, peserve and develop in complete freedom his/her religious, ethnic,linguistic or cultural identity, without being subjected to any attempt at assimilation against his/her will." Dieses Recht geht, wie bereits erörtert, weniger weit als ein Recht auf Förderung der Minderheitenidentität. In ihm ist keine Förderungsmaßnahme zu sehen. 234 Art. 7 Abs. 1: ,,Every person belonging to a ... minority shall have the right freely to use his/her mother tongue in private and in public, both orally and in writing. This right shall also apply to the use of his/her language in publications and in the audiovisual sector."

B. Bereiche positiven Schutzes

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lerdings wiederum nur für den Fall, daß die Minderheitenbevölkerung einen erheblichen Anteil der Gesamtbevölkerung in der Region bildet. 235 Für diesen Fall ist auch ein Recht von Minderheitenangehörigen auf die Verwendung der Minderheitensprache für Ortsbezeichnungen, Schilder, Inschriften und andere öffentlich sichtbare Informationen vorgesehen. 236 Hinzugesetzt wird allerdings, daß dieses Recht nicht das Recht der Behörden beeinträchtigt, die genannten Informationen auch in der amtlichen Staatssprache sichtbar zu machen. 237 Des weiteren enthält Art. 7 Abs. 2 das Recht des einzelnen Minderheitenangehörigen auf Anerkennung des eigenen Namens und der eigenen Vornamen. 238 Schließlich ist auch Art. 8, der Unterricht in der Minderheitensprache vorsieht, sehr weit gefaßt. Danach hat jeder Angehörige einer Minderheit das Recht, seine Muttersprache zu erlernen und Unterricht in seiner Muttersprache zu erhalten, und zwar in staatlichen Schulen und weiteren staatlichen Institutionen. 239 Die geographische Verteilung soll sich dabei nach der Dichte der Minderheitenpopulation richten. 240 Neben öffentlicher Unterrichtung der und in der Minderheitensprache besteht auch ein Recht der Minderheitenangehörigen, private Schulen und Institutionen einzurichten und zu unterhalten. 241

235 Art. 7 Abs. 3: ,,In the regions in which substantial numbers of anational minority are settled, the persons belonging to that minority shall have the right to use their mother tongue in their contacts with the administrative authorities and in proceedings before the courts and legal authorities." 236 Art. 7 Abs.: "In the regions in which substantial numbers of a ... minority are settled, the persons belonging to that minority shall have the right to display in their language local names, signs, inscriptions and other similar information visible to the public. This does not deprive the authorities of their right to display the abovementioned information in the officiallanguage or languages of the state." 237 Diese Praxis ist in vielen Minderheitenregionen Europas, etwa im Gebiet der Sorben oder in Südtirol, nicht aber in Schleswig, üblich. In Quebec beansprucht die dortige französische Minderheit allerdings das Recht auf lediglich französische Inschriften. 238 ,,Every person belonging to a ... minority shall have the right to use his/her surname and first names in his/her mother tongue and to official recognition of his/her surname and first names." 239 Art. 8 Abs. I: ,,Every person belonging to a ... minority shall have the right to leam his/her mother tongue and to receive an education in his/her mother tongue at an appropriate number of schools and of state educational and training establishments, located in accordance with the geographical distribution of the minority."; a. A. Rüdiger Wonns, Explanatory Memorandum, HRLJ 14 (1993), 146 - 148, 147; auf die kumulative Verpflichtung weist Marauhn hin, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), 2. Teil (Anm. 186),437. 240 Dies trägt erneut dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. 241 Art. 8 Abs. 2: "The persons belonging to anational minority shall have the right to set up and manage their own schools and educational and training establishments within the framework of the legal system of the state. "; der Entwurf sieht keine Verpflichtung des

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

(2) Vorschriften bilateraler Art Unter den bilateralen Verträgen soll als Beispiel hauptsächlich auf den deutschpolnischen Nachbarschaftsvertrag eingegangen werden. Er hält sich wie bei den Identitätsrechten eng an das Vorbild des Kopenhagener Dokuments. Er beinhaltet zunächst das Recht von Minderheitenangehörigen auf (selbständige) Äußerung, Wahrung und Weiterentwicklung ihrer sprachlichen Identität. 242 Weiter finden sich das Recht von Minderheitenangehörigen, sich ihrer Sprache zu bedienen und Informationen darin auszutauschen 243 , sowie eine Verpflichtung, Angehörigen von Minderheiten Möglichkeiten für den Unterricht ihrer oder in ihrer Muttersprache in öffentlichen Bildungseinrichtungen sowie für deren Gebrauch bei Behörden zu gewährleisten. 244 Hinsichtlich der bilateralen Verträge zwischen Deutschland einerseits und Ungarn, der früheren Tschechoslowakei und Rumänien andererseits wird wegen der Bestimmungen zur rechtlichen Verbindlichkeit der Vorschriften des Kopenhagener Dokuments auf die Ausführungen im Rahmen der Identitätsrechte verwiesen. 245 Erwähnt sei nur das im deutsch-ungarischen Freundschaftsvertrag enthaltene Recht, sich privat und in der Öffentlichkeit der Muttersprache frei zu bedienen, in ihr Informationen zu verbreiten und auszutauschen und dazu Zugang zu haben. 246

Staates vor, die Privatschulen zu unterstützen, vgl. Marauhn, in: FroweinIHofmanniOeter (Hrsg.), 2. Teil (Anm. 186),437. 242 Art. 20 Abs. I: "Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Polen ... sowie Personen deutscher Staatszugehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die polnischer Abstammung sind ... haben das Recht, ... , ihre ... sprachliche ... Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln ... " 243 Art. 20 Abs. 3: " ... - sich privat und in der Öffentlichkeit ihrer Muttersprache frei zu bedienen, in ihr Informationen zu verbreiten und auszutauschen und dazu Zugang zu haben ... " 244 Art. 21 Abs. 2: "Die Vertrags parteien werden insbesondere ... - sich bemühen, den Angehörigen der in Artikel 20 Abs. 1 genannten Gruppen, ... Möglichkeiten für den Unterricht ihrer Muttersprache oder in ihrer Muttersprache in öffentlichen Bildungseinrichtungen sowie, wo immer dies möglich und notwendig ist, für deren Gebrauch bei Behörden zu gewährleisten. " 245 Vgl. Text bei Anm. 160 - 164. 246 Art. 19 Abs. 2 S. 2: "Sie haben das Recht, sich privat und in der Öffentlichkeit ihrer Muttersprache frei zu bedienen, in ihr Informationen zu verbreiten und auszutauschen und dazu Zugang zu haben."

B. Bereiche positiven Schutzes

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(3) Zwischenergebnis Auch bei den Sprachenrechten läßt sich als Zwischenergebnis somit festhalten, daß die Bestimmungen der neuen Völkerrechtsinstrumente teilweise erheblich über den Gehalt des Art. 27 IPBürg hinausgehen.

4. Religiöse Rechte Als letzte Gruppe individueller Minderheitenrechte sind abschließend die religiösen Rechte auf ihren Gehalt hin zu untersuchen.

a) Art. 27lPBürg Art. 27 IPBürg bestimmt, daß "persons bel on ging to ... minorities shall not be denied the right to profess and practise their own religion ... ". Sowohl das Bekennen als auch das Ausüben einer Minderheitenreligion sind damit unter Schutz gestellt. Gemäß der oben gewonnenen Auslegung 247 , wonach Art. 27 IPBürg zwar Schutzmaßnahrnen, nicht aber Förderungsmaßnahmen erfaßt, ist das religiöse Recht von Minderheitenangehörigen dahingehend zu verstehen, daß das Bekennen und Ausüben der Minderheitenreligion durch den Staat zu achten und gegen Eingriffe Privater zu schützen ist.

b) Andere Vorschriften Es ist weiter zu prüfen, ob die neuen Völkerrechtsinstrumente über das Auslegungsergebnis bei Art. 27 IPBürg hinausgehen.

(1) Vorschriften multilateraler Art Als Regelungswerke unverbindlicher Art sind zu Beginn die G.V.-Deklaration 47/137 sowie das Kopenhagener Dokument zu behandeln. Die G.V.-Deklaration 47/137 wiederholt zunächst lediglich den Grundsatz des Rechts von Minderheitenangehörigen, ihre Religion auszuüben und zu bekennen. 248 Die Deklaration enthält Vgl. Text bei Anm. 120. Art. 2 Abs. 1: "Persons belonging to ... minorities have the right to ... profess and practise their own religion ... " 247 248

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Kapitel I1I: Positiver Schutz von Minderheiten

jedoch außerdem die bereits mehrfach erwähnte Staatenverpflichtung, Bedingungen zu schaffen, die es Minderheitenangehörigen ermöglichen sollen, ihre Religion auszuüben und weiterzuentwickeln. 249 Diese Verpflichtung beinhaltet eine erste Stufe der Förderung, bleibt jedoch hinter einer umfassenden Verpflichtung zu Förderungsmaßnahmen zurück. Ein Recht von Minderheitenangehörigen, ihre religiöse Identität zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln, findet sich auch in Art. 32 Kopenhagener Dokument. 25o Darüber hinaus beinhaltet das Dokument das Recht von Minderheitenangehörigen, ihre Religion zu bekennen und auszuüben, einschließlich des Erwerbs und Besitzes sowie der Verwendung religiösen Materials, und das Recht, den Religionsunterricht in ihrer Muttersprache abzuhalten. 25I Zudem findet sich das Recht von Minderheitenangehörigen, ihre eigenen Religionseinrichtungen, -organisationen oder -vereinigungen zu gründen und zu unterhalten, die um freiwillige Beiträge finanzieller oder anderer Art sowie öffentliche Unterstützung ersuchen können. 252 Eine staatliche Verpflichtung zu staatlichen Förderungsmaßnahmen ist darin zwar nicht zu sehen, jedenfalls wird aber die staatliche Pflicht zu Achtung und Schutz religiöser Minderheiten detailliert behandelt. Die Europäische Rahmenkonvention als noch unverbindliches Regelungswerk beinhaltet zunächst wiederum die Staatenverpflichtung zur Schaffung günstiger Bedingungen zur Wahrung, Ausübung und Entwicklung der religiösen Minderheitenidentitäe 53 sowie zum Schutz vor Gewalt. 254 Darüber hinaus enthält Art. 8 die 249 Art. 4 Abs. 2.: "States shall take measures to create favourable conditions to enable persons belonging to rninorities to express their characteristics and to develop their ... religion ... " 250 " ••• Persons belonging to national minorities have the right freely to express, preserve and develop their ... religious identity ... " In Art. 33 findet sich zudem die kollektive Staatenverpflichtung zum Schutz der Minderheitenidentität sowie zur Schaffung von Bedingungen zu ihrer Förderung: "The participating States will protect the ... religious identity of national minorities on their territory and create conditions for the promotion of that identity .... " 251 Art. 32.3.: ,,(In particular, they have the right) to profess and practise their religion, including the acquisition, possession and use of religious materials, and to conduct religious educational activities in their mother tongue." 252 Art. 32.2.: ,,(In particular, they have the right) to establish and maintain their own ... religious institutions, organizations or associations, which can seek voluntary financial and other contributions as weil as public assistance, in conformity with nationallegislation." 253 Art. 5 Abs. 1: "The Parties undertake to promote the conditions necessary for persons belonging to national minorities to maintain and develop their culture, and to preserve the essential elements of their identity, namely their religion, language, traditions and cultural heritage." 254 Art. 6 Abs. 2: "The Parties undertake to take appropriate measures to protect persons who may be subject to threats or acts of discrimination, hostility or violence as a result of their ethnic, cultural, linguistic or religious identity."

B. Bereiche positiven Schutzes

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Verpflichtung, das Recht jedes Minderheitenangehörigen, seine Religion zu bekennen und religiöse Einrichtungen zu gründen, anzuerkennen. 255 Nach der Rahmenkonvention besteht also eine weitgehende Pflicht zu Schutz-, jedoch lediglich eine begrenzte Pflicht zu Förderungsmaßnahmen hinsichtlich religiöser Minderheiten. Der der Rahmenkonvention de lege ferenda vorausgehende Vorschlag einer Europäischen Konvention geht wiederum weiter. Er enthält an individuellen Rechten zwar lediglich das Recht von Minderheitenangehörigen, ihre Religion oder ihren Glauben bekennen und ausüben zu können, und zwar allein oder in Gemeinschaft mit anderen, privat oder in der Öffentlichkeit. 256 Wegen des gleichzeitig gewährten kollektiven Rechts auf Förderung der religiösen Minderheitenidentität257 sind aber im Vergleich zu den vorgenannten Instrumenten umfassende Förderungsmaßnahmen erforderlich. Der Entwurf eines Zusatzprotokolls beinhaltet demgegenüber lediglich das Recht von Minderheitenangehörigen, ihre religiöse Identität zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln. 2S8 Der Entwurf enthält also kein Recht auf Förderungsmaßnahmen, seine Formulierung geht aber etwas weiter als eine Staatenverpflichtung, wie sie etwa in Art. 4 Abs. 2 G.V.-Deklaration 47/137 enthalten ist. 2S9 Dort müssen allerdings günstige Bedingungen geschaffen werden, ist also eine erste Stufe der Förderung erforderlich, während hier Schutzmaßnahmen ausreichen.

255 "The Parties undertake to recognise that every person belonging to anational minority has the right to manifest his or her religion or belief and to establish religious institutions, organisations and associations." 256 ,,Any person belonging to a religious minority shall have the right to manifest his religion or belief, either alone or in community with others and in public or private, in worship, teaching, practice or observance." 257 Art. 3 Abs. 2: (Minorities) shall have the right to the respect, safeguard and development of their ... religious ... identity. 258 Art. 3 Abs. I: "Every person belonging to anational minority shall have the right to express, preserve and develop in complete freedom hislher religious ... identity, without being subjected to any attempt at assimilation against hislher will." 259 Das Fehlen eines die Freiheit der Religion enthaltenen Artikels ist damit zu erklären, daß Art. 9 EMRK dieses Recht ohnehin enthält. Im Gegensatz dazu ist die Freiheit der Religion in Art. 8 Rahmenkonvention enthalten, da diese (ebenso wie der Vorsch!. Europ. Konv.) auch Nicht-Europaratsstaaten offensteht, vg!. Klebes (Anm. 148), EuGRZ 1995,

265.

11 Niewerth

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten (2) Vorschriften bilateraler Art

Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag soll als Beispiel eines der neuen bilateralen Verträge dienen. Er lehnt sich auch bezüglich der Religionsrechte eng an das Kopenhagener Dokument an. Enthalten ist in dem Vertrag zunächst das Recht zur (selbständigen) Bewahrung, Äußerung und Weiterentwicklung der religiösen Identität. 2/iO Eine Staatenverpflichtung zur Schaffung der Bedingungen zur Entwicklung der Identität beinhaltet der Vertrag hingegen nicht, da die entsprechende Verpflichtung kollektivrechtlich formuliert ist. 261 Darüber hinaus findet sich in dem Vertrag jedoch das Recht von Minderheitenangehörigen, ihre eigenen Religionseinrichtungen zu gründen und zu unterhalten 262 , sowie das Recht, sich zu ihrer Religion zu bekennen und diese ·auszuüben.263 Hinsichtlich der neuen bilateralen Verträge zwischen Deutschland einerseits und Ungarn, der früheren Tschechoslowakei und Rumänien andererseits wird auf die Ausführungen im Rahmen der Identitätsrechte verwiesen.

(3) Zwischenergebnis Zwischenergebnis ist somit, daß die neuen Völkerrechtsinstrumente hinsichtlich religiöser Minderheitenrechte teilweise nicht viel weiter gehen als das Auslegungsergebnis bei Art. 27 IPBürg.

260 Art. 20 Abs. 1: "Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Polen ... sowie Personen deutscher Staatszugehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die polnischer Abstammung sind ... haben das Recht, ... , ihre ... religiöse Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln ..." 261 Art. 21 Abs. 1: "Die Vertragsparteien werden die ... Identität der in Artikel 20 Absatz 1 genannten Gruppen auf ihrem Hoheitsgebiet schützen und Bedingungen für die Förderung dieser Identität schaffen." Dies beinhaltet, wie bereits erörtert, eine erste Stufe der Förderung. 262 Art. 20 Abs. 3: "Die Vertragsparteien erklären, daß die in Absatz 1 genannten Personen insbesondere das Recht haben, ... - ihre eigenen ... Religions- ... einrichtungen, -organisationen oder -vereinigungen zu gründen und zu unterhalten, die um freiwillige Beiträge finanzieller oder anderer Art sowie öffentliche Unterstützung ... ersuchen können ..." 263 Art. 20 Abs. 3: " ... sich zu ihrer Religion zu bekennen und diese auszuüben, einschließlich des Erwerbs und Besitzes sowie der Verwendung religiösen Materials, und den Religionsunterricht in ihrer Muttersprache abzuhalten."

B. Bereiche positiven Schutzes

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IV. Zusammenfassende Bewertung

Die individuellen Minderheitenrechte der allgemeinen Identitätswahrung, der Sprachenrechte und der religiösen Rechte haben traditionell einen beschränkten Umfang. So sind Minderheitenschutzbestimmungen eher negatorisch als positiv gehalten, bleiben allgemein und regeln keine spezifischen Rechte oder Staatenverpflichtungen. In den letzten Jahren ist jedoch ein Trend des völkerrechtlichen Minderheitenschutzes hin zu positiven, spezifischeren Bestimmungen zu erkennen. Die zusammenfassende Bewertung der Individualrechte soll unterteilt nach universellem und regionalem Völkerrecht erfolgen. Art. 27 IPBürg als Bestimmung des traditionellen universellen Minderheitenvölkerrechts hat auch hinsichtlich individueller Minderheitenrechte einen lediglich beschränkt positiven Gehalt. Staaten müssen danach Schutzmaßnahrnen gegen Eingriffe Privater ergreifen. Förderungsmaßnahmen sind hingegen nicht erforderlich. Zudem findet sich in Art. 27 nur ein allgemeines Recht von Minderheitenangehörigen, das eigene kulturelle Leben zu pflegen, die eigene Religion zu bekennen und auszuüben und sich der eigenen Sprache zu bedienen. Spezifizierungsversuche scheiterten während der Vorbereitungsarbeiten. 264 Die G.V.-Deklaration 47/137 entstand, wie bereits erörtert, auf der Grundlage der Diskussion innerhalb der VN-Menschenrechtskommission über die Studie des Sonderberichterstatters Capotorti von 1977 sowie eines von Jugoslawien vorgelegten Deklarationsentwurfes von 1978. Während der Entwurf Jugoslawiens präzise staatliche Maßnahmen nicht benannte 26s, hielt es die Studie Capotortis für erforderlich, in einer Deklaration der VN-Generalversammlung den individuellen Minderheitenschutz zu spezifizieren. 266 Die Deklaration 47/137 nimmt diesen Grundansatz der Studie auf, indem sie sowohl die Pflege des kulturellen Lebens als auch sprachliche und religiöse Rechte konkretisierende Bestimmungen enthält. Diese lassen insgesamt erkennen, daß neben Schutzmaßnahmen auch Förderungsmaßnahmen erforderlich sein sollen. Die Vorschriften zu letzteren sind zwar durchgehend als Staatenverpflichtungen formuliert, sie gehen jedoch in ihrem positiven Gehalt über Art. 27 IPBürg hinaus. Hinsichtlich des regionalen Völkerrechts gebührt Aufmerksamkeit zunächst dem Kopenhagener Dokument267 , da es das früheste der in Europa entworfenen Vgl. Text bei Anm. 119. Vgl. Klaus Dicke, Die VN-Deklaration zum Minderheitenschutz, Europa-Archiv 48 (1993), 107 - 116, 109. 266 Vgl. Capotorti (Anm. 3), 102. 267 Der Gehalt des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages entspricht dem des Kopenhagener Dokuments. 264 265

"*

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

Minderheiteninstrurnente der jüngeren Zeit ist. Während es der sogenannten Pentagonale268 bei den kollektiven Rechten nicht gelang, die Mehrheit der Teilnehmerstaaten auf ihre Seite zu bringen 269 , hatten sie bei der Formulierung von Rechten mit positivem Gehalt mehr Erfolg. Schutzmaßnahmen sind sowohl für die allgemeine Identitätswahrung als auch für sprachliche und religiöse Rechte detailliert geregelt. Insgesamt entspricht der positive Gehalt des Kopenhagener Dokuments in etwa dem Gehalt der G.V.-Deklaration. So findet sich bei den Identitätsrechten ebenso wie dort die Verpflichtung zur Förderung des Wissens um Geschichte und Kultur der Minderheiten. Die Staatenverpflichtung zur Schaffung von Bedingungen für die Entwicklung der Identität wurde jedoch als kollektives Recht formuliert. Bei den Sprachenrechten fällt insbesondere bei der Verpflichtung zu Unterricht der oder in der Minderheitensprache die Ähnlichkeit mit der G.V.-Deklaration auf. 270 Da zudem beide Instrumente Verpflichtungen und keine Rechte formulieren, ist der Einfluß des Kopenhagener Dokuments auf die G.V.-Deklaration unverkennbar. 271 Insgesamt darf nicht vergessen werden, daß es sich bei beiden Instrumenten um Regelungswerke unverbindlicher Art handelt. Ihr Einfluß auf die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit für Belange des Minderheitenschutzes ist jedoch nicht zu unterschätzen. Sowohl bei der Europäischen Rahmenkonvention als auch bei der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen wird es sich jedoch bald um verbindliche Regelungen handeln. Ihnen kommt aus diesem Grund ein ganz besonderer Stellenwert zu. Die Rahmenkonvention enthält einen umfangreichen Katalog von positiven Minderheitenschutzbestimmungen. Diese Bestimmungen sind lediglich als Staatenverpflichtungen formuliert, wobei allerdings zum Teil die nur in der Rahmenkonvention gebräuchliche Form der Verpflichtung zur Anerkennung eines Rechts gewählt wird. Sowohl Identitäts- als auch Sprachenrechte enthalten jedoch die Verpflichtung zu eindeutig positiven Maßnahmen, also Schutz- und Förderungsmaßnahmen. Bei den religiösen Rechten ergibt sich die begrenzte Verpflichtung zu Förderungsmaßnahmen jedoch lediglich aus der allgemeinen Verpflichtung zur Schaffung von günstigen Bedingungen zur Wahrung, Ausübung und Entwicklung der Minderheitenidentität. Insgesamt liegt die Schwäche der Rahmen-

Vgl. KapitellI, Text bei Anm. 245. Vgl. Hannes Tretter, Das Kopenhagenr Abschlußdokument über die menschliche Dimension der KSZE, EuGRZ 17 (1990), 235 - 239, 237. 270 Die G.V. Dekl. 47/137 enthält allerdings keinen Hinweis auf den Gebrauch der Minderheitensprache bei Behörden und Gerichten. 271 Auf diesen Einfluß weist auch Dicke (Anm. 265), Europa-Archiv 48, 109, hin. 268 269

B. Bereiche positiven Schutzes

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konvention in den zum Teil recht dehnbaren bzw. restriktiven Formulierungen der zu schützenden Rechte. 272 Die Europäische Charta schließlich enthält detaillierte Bestimmungen zu Sprachenrechten, die in ihrem Umfang den Gehalt der anderen, allgemeineren Instrumente übertreffen. Dabei beinhaltet die Charta auch Förderungsmaßnahmen, formuliert aber lediglich Staatenverpflichtungen und keine Rechte. 273 Weiter als die letztgenannten Völkerrechts instrumente mit Ausnahme der Europäischen Charta gehen de lege ferenda der Vorschlag einer Europäischen Konvention und der Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK, bei denen es sich jedoch lediglich um unverbindliche Vorschläge handelt. Im Vergleich zur Europäischen Rahmenkonvention ist der Gehalt des Entwurfs eines Zusatzprotokolls sehr viel umfassender. Bei den Sprachenrechten beinhaltet der Entwurf eine Vielzahl von individuellen Minderheitenrechten, die auch Förderungsmaßnahmen erforderlich machen. Er enthält neben dem Recht, die eigene sprachliche Identität zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln, einen detaillierten Katalog sprachlicher Minderheitenrechte. Überdies sind diese Regelungen auch als Rechte und nicht lediglich als Staaten verpflichtungen formuliert. Im Bereich der Identitätsrechte von Minderheitenangehörigen übersteigt der Entwurf den Gehalt der Rahrnenkonvention jedoch nicht. Ein über Schutzmaßnahmen hinausgehender positiver Gehalt ist dem Entwurf hier nicht zu entnehmen. Dies liegt vor allem daran, daß er keine Verpflichtung zur Schaffung von günstigen Bedingungen zur Entwicklung der Identität von Minderheitenangehörigen enthält. Bei den religiösen Rechten von Minderheitenangehörigen findet sich ebenfalls keine staatliche Verpflichtung zu Förderungsmaßnahmen. Zudem sind die religiösen Rechte im Entwurf eines Zusatzprotokolls sehr viel weniger ausführlich als etwa in dem Kopenhagener Dokument geregelt. Der Vorschlag einer Europäischen Konvention hingegen enthält Regelungen, die Förderungsmaßnahmen vorsehen, sowohl für Identitäts- als auch für sprachliche und religiöse Rechte. Der Vorschlag sieht bei den Sprachenrechten detaillierte Regelungen von Förderungsmaßnahrnen vor. Unter Berücksichtigung des kollekti272 Vgl. Empfehlung 1255 (1995) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, zitiert in: EuGRZ 22 (1995), 284, para. 7: "Der Wortlaut des Übereinkommens ist wenig aussagekräftig. Es legt eine Reihe von nicht genau definierten Zielen und Grundsätzen fest, zu deren Einhaltung sich die Vertrags staaten verpflichten, die aber kein für den Einzelnen einklagbares Recht darstellen. Seine Durchführungsverfahren sind unzulänglich, und es besteht in der Tat die Gefahr, daß es völlig den Regierungen überlassen wird, seine Einhaltung zu überprüfen." 273 Zur Charta allgemein Philip Blair, Der Entwurf einer "Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen" des Europarates, in: Ennacora/TretteriPelzl (Hrsg.), (Anm. 114),291 - 297.

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Kapitel III: Positiver Schutz von Minderheiten

ven Rechts von Minderheiten auf Förderung ihrer ethnischen und religiösen Identität sieht der Vorschlag aber auch für allgemeine Identitäts- und Religionsrechte Förderungsmaßnahmen vor. Zudem sind die Regelungen als Rechte und nicht lediglich als Staatenverpflichtungen formuliert. Die neuen bilateralen Verträge schließlich lehnen sich bis auf den deutsch-sowjetischen Freundschaftsvertrag, der in seinem Regelungsgehalt hinter den anderen weit zurückbleibt, eng an das Kopenhagener Dokument an. Der deutsch-rumänische Freundschaftsvertrag geht allerdings über das Kopenhagener Dokument hinsichtlich einer relativ weitgehenden Staatenverpflichtung zu Förderungsmaßnahmen für Minderheitenangehörige hinaus.

KAPITEL IV Rechtspolitische Erwägungen - Erforderlichkeit kollektiven und Erforderlichkeit positiven Minderheitenschutzes Nach der Bestimmung des kollektiven und des positiven Gehalts völkerrechtlicher Minderheitenschutzinstrumente ist im Rahmen rechtspolitischer Erwägungen in gebotener Kürze auf die Erforderlichkeit des kollektiven und des positiven Minderheitenschutzes einzugehen.

A. Erforderlichkeit kollektiven Schutzes Wie gezeigt wurde, enthalten einige Völkerrechtsinstrumente insbesondere der neueren Zeit Elemente kollektiven Minderheitenschutzes. Als letzter Schritt in der Untersuchung kollektiver Rechte ist deshalb die Frage zu stellen, ob aus völkerrechtspolitischen Sicht der kollektive Schutz von Minderheiten wünschenswert und erforderlich ist. Zudem ist zu erörtern, welche Elemente kollektiven Schutzes benötigt werden. Dieser Frage liegt wiederum die Problematik der Grundlage des Minderheitenschutzes zugrunde. Wie bereits erörtert, wird hier die Auffassung vertreten, die individuelle Menschenwürde als entscheidende Grundlage des Minderheitenschutzes anzusehen. 1 Im Rahmen der Diskussion der Grenzen kollektiver Rechte ist festgestellt worden, daß die Menschenwürde vor allem auf den Schutz von Individualrechten gerichtet ist. 2 Sehr wichtig ist es jedoch, festzuhalten, daß die Menschenwürde des einzelnen auch den kollektiven Schutz des Bestands und der Identität von Gruppen oder Minderheiten erfordert. 3 Nicht nur die allgemeingültigen Menschenrechte basieren auf dem Prinzip der Menschenwürde. Auch ein Mindestbestand an bestimmten Individualrechten des Minderheitenschutzes, das eigene kulturelle Leben zu pflegen, die eigene Religion bekennen und auszuüben sowie sich Ygl. Kapitel 11, Text bei Anm. 254 - 258. Ygl. Kapitel 11, Text bei Anm. 255. 3 Ygl. Klaus Dicke, Die YN-Deklaration zum Minderheitenschutz, Europa-Archiv 48 1

2

(1993),107 -116,115.

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Kapitel IV: Rechtspolitische Erwägungen

der eigenen Sprache zu bedienen, beruht auf der Menschenwürde. Diese Individualrechte können aber nur garantiert werden, wenn auch ein kollektiver Schutz des Bestands und der Identität von Minderheiten gewährleistet ist. Es wird zu untersuchen sein, ob es unter bestimmten Bedingungen zusätzlich auch angemessen ist, ein kollektives Recht auf innere Selbstbestimmung zu gewährleisten. Viele Einwände sind gegen kollektive Rechte vorgebracht worden. Wie bereits erwähnt, zeigen die Vorbereitungsarbeiten zum IPBürg, daß die Mehrheit der Delegationen das Ergebnis der Formulierung eines ausschließlich kollektiven Art. 27 fürchtete, weil dies Minderheiten völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit verschafft hätte. 4 Eine solche Rechtspersönlichkeit wurde abgelehnt, weil sie nur ein Schritt auf dem Weg zu einer Situation sein könne, in der der kollektive Schutz von Minderheiten die Einheit und Integrität der Staaten gefährden würde. 5 Mit diesen Erwägungen wurden sowohl ein ausschließlich kollektiver Art. 27 als auch ein Recht auf Selbstbestimmung für Minderheiten abgelehnt. 6 Während der Vorbereitungsarbeiten für die G.v.-Deklaration 47/137 wurde zudem das Argument vorgetragen, daß Gruppenrechte ein Rezept für interethnische Feindseligkeit seien.? Als Lösung für Minderheitenprobleme wurde lediglich die universelle Anwendbarkeit individueller Menschenrechte vorgeschlagen. 8 Die genannten Befürchtungen bestehen auch in der heutigen Zeit fort. Staaten, in denen Minderheiten leben, sind nicht nur wegen der Möglichkeit sezessionistischer Bewegungen durch Minderheiten, sondern auch wegen der Gefahr des Eingreifens anderer Staaten, denen die Minderheit durch Rasse, nationale Abstammung, Sprache oder Religion verbunden ist, besorgt. 9 Zudem wird befürchtet, daß die Gefahr eines Bruchs in einem Staat zunehmen würde, wenn die Minderheitengruppe als ganze und nicht lediglich Individuen Beschwerden gegen die Mehrheit vorbringen könnte. IO 4 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 108; des weiteren Louis B. Sohn, The Rights of Minorities, in: Louis Henkin (ed.), The International Bill of Rights, 270 - 289, 274. 5 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 107; vgl. etwa für eine pessimistische Sicht des Konflikts zwischen Serben, Moslems und Kroaten in Bosnien-Herzegowina Manfred Nowak, The Evolution of Minority Rights in International Law, Comments, in: Catherine Brölmann/Rene LefeberiMarjoleine Zieck (eds.), DordrechtJBoston/London 1993, 103 - 118, 118. 6 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 134. ? Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 237/238. 8 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 238. 9 Vgl. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 4), 270. 10 Vgl. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 4), 274; auch Douglas Sanders, Collective Rights, HRQ 13 (1991),368 - 386, 375, demzufolge Politiker ethnische Konflikte als einen der Hauptgründe für politische Konflikte sehen und die Identifizierung der Staatsbürger mit der Nation vorziehen, da dies der öffentlichen Ordnung und auch der wirtschaftlichen Entwick-

A. Erforderlichkeit kollektiven Schutzes

169

Wie bereits ausgeführt, bestehen jedoch unterschiedliche Gruppen von kollektiven Rechten. Es ist denkbar, daß wegen der Unterschiede zwischen den Kategorien die Ergebnisse bezüglich der Erforderlichkeit der einzelnen Rechte ebenfalls unterschiedlich sind. Es sollte jedoch während der Untersuchung der verschiedenen Gruppen stets im Auge behalten werden, daß die Assimilierung von Minderheiten akzeptiert wird, wenn man sich lediglich für die universelle Anwendbarkeit allgemeiner individueller Menschenrechte entscheidet. 11 Daß die Gewährung von kollektiven Rechten interethnische Feindseligkeit schafft, ist lediglich eine Behauptung, die der Überprüfung bedarf. Auf die Problematik interethnischer Konflikte wird im Rahmen der Diskussion der Erforderlichkeit positiven Minderheitenschutzes noch genauer eingegangen werden. 12 Erwähnt sei an dieser Stelle nur, daß interethnische Feindseligkeit eines der dringendsten Probleme unserer Zeit ist. Feindseligkeit besteht aber nicht allein wegen des Minderheitenschutzes. Vielmehr zeigt die Erfahrung mit hoch entwickelten Systemen des Minderheitenschutzes, daß es wahrscheinlicher ist, daß eine Atmosphäre gegenseitigen Verstehens in Situationen geschaffen wird, in denen vorher interethnische Konflikte vorherrschend waren. 13

lung diene. ,,(a) Dislike of difference is a common human trait. Hs origins may emanate from patterns of group solidarity aimed at the physical survival of kinship and groups. If so, the aversion to difference is a conditioned response that may not be appropriate to modem sociallife, but one that remains a characteristic of human interaction.... (c) Systems recognizing minorities are economically inefficient in terms of market economies. State policies giving collectivities autonomy inevitably involve constraint on the free movement oflabor, goods and capital. Individuals socialized in a particular minority culture will be less willing to move from areas of minority concentration. (d) Systems recognizing minorities are politically inefficient. They divide the political community, making consensus more difficult and processes of decisionmaking more complex. Policy innovations in countries with large minority cultures must be considered not simply in their own terms, but also in terms of their possible impact on communal relations." II Vgl. Dicke (Anm. 3), Europa-Archiv 48,112; siehe für eine Diskussion der Wünschbarkeit der Assimilierung Text bei Anm. 59 - 89. 12 Vgl. Text bei Anm. 59 - 89. 13 Vgl. etwa die Fälle Südtirols, der dänischen Minderheit in Südschleswig, der deutschen Minderheit in Nordschleswig, der deutschen Minderheit in Polen und Minderheiten in Finnland; siehe bzgl. Südtirols Fe/ix Ermacora, Südtirol und das Vaterland Österreich, WienIMünchen 1984; ders., Südtirol, Die verhinderte Selbstbestimmung, WienIMünchen 1991; bzgl. Finnlands Kristian Myntti, The Protection of Persons belonging to Minorities in Finland, Helsinki 1991; vgl. auch Rainer Hofmann, Minderheitenschutz in Europa, Überblick über die völker- und staatsrechtliche Lage, ZaöRV 52 (1992), 1 - 69, 34 - 39; allgemein Hannes Tretter, Der Schutz ethischer Minderheiten durch kollektive und individuelle Rechte, in: Felix ErmacoraIHannes TretterlAlexander Pelzl (Hrsg.), Volksgruppen

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Kapitel IV: Rechtspolitische Erwägungen

Die Erfahrung mit Minderheitenschutz in Europa bestätigt, daß um so weniger interethnische Feindseligkeit vorzufinden sein wird, je besser das jeweils schützende System ist. 14 Minderheiten können sogar bei der Entstehung nachbarlicher und friedlicher Beziehungen zwischen Staaten mitwirken, indem sie zum Verständnis anderer Staaten beitragen. 15 Ansprüche von Minderheiten gegen die Mehrheit können somit anstatt einer desintegrierenden eine integrierende Funktion haben. 16 Im folgenden wird versucht werden, darzulegen, warum gewisse kollektive Minderheitenrechte Minderheiten zugestanden werden sollten.

im Spannungsfeld von Recht und Souveränität in Mittel- und Osteuropa, Wien 1993, 164179, 164/165. 14 Vgl. Ungarn und Finnland als Beispiele für modeme Systeme des Minderheitenschutzes, die zu gegenseitigem Verstehen geführt haben, vgl. Hofmann (Anm. 13), ZaöRV 52, 34 - 39,61 - 63; Frankreich auf der anderen Seite hat schon immer verneint, daß Minderheiten auf seinem Tenitorium leben, vgl. Rober! Grau, Les langues et cultures minoritaires en France, Paris 1985; auch Conseil Constitutionnel, Kapitel 11, Anm. 156. Die Situation ist deshalb insbesondere auf Korsika relativ explosiv. Vgl. auch den Vorbehalt Frankreichs zum IPBürg, wonach es in Frankreich keine Minderheiten gebe, vgl. Bruno de Witte, The European Communities and its Minorities, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 5), 174; dazu Menschenrechtsausschuß, Comm. No. 220/1987, T. K. v. France, RUDH 1991, 167; Comm. No. 222/1987, M. K. v. France, UN Doc. Al45/40, Vol. 11, 125 u. 133; vgl. Alfred de Zayas, The International Judicial Protection of Peoples and Minorities, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 5), 267/268; erster und zweiter periodischer Staatenbericht Frankreichs an den Menschenrechtsausschuß gern. Art. 40 CCPR: "Since the basic principles of public law prohibit distinctions between citizens on grounds of origin, race or religion, France is a country in which there are no minorities and, as stated in the declaration made by France, article 27 is not applicable as far as the Republic is concerned.", UN Doc. CCPRlC/221Add. 2; CCPRlC/46/Add. 2; bzgl. einer Diskussion der Gefahr für nationale Einheit und territoriale Integrität vgl. Text bei Anm. 32 - 45. IS Vgl. Hofmann (Anm. 13), ZaöRV 52, 64/65, der als Beispiele die Beziehungen zwischen Deutschland und Belgien sowie Deutschland und Dänemark erwähnt; Art. 21 Abs. 1 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages: " ... (Die Vertragsparteien) erkennen die besondere Bedeutung einer verstärkten konstruktiven Zusammenarbeit in diesem Bereich an. Diese soll das friedliche Zusammenleben und die gute Nachbarschaft des deutschen und des polnischen Volkes verstärken und zur Verständigung und Versöhnung zwischen ihnen beitragen." 16 Vgl. Sanders (Anm. 10), HRQ 13,375, der argumentiert, daß "Cultural minorities are a fact of life. Political stability requires that minority rights be acknowledged and accommodated. Programs of assimilation can easily be seen as repressive by minority groups, leading to resistance and disorder. Many states have accepted regimes of minority rights and those decisions have been pragmatic, designed to achieve political stability."

A. Erforderlichkeit kollektiven Schutzes

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I. Kollektive Rechte mit Individualbezug

Wie bereits gesehen, ist die Bedeutung kollektiver Rechte mit Individualbezug vornehmlich prozeduraler Art. Gruppenrechte auf Nichtdiskriminierung und individuellen Minderheitenschutz werden Minderheiten oder Organisationen, die Minderheiten vertreten, gewährt, um ihnen ein Mittel zu verschaffen, große Anzahlen von Einzelklagen zu verbinden und damit die Gesamtheit der Klagen effektiver zu gestalten. Es stellt sich die Frage, ob es notwendig ist, weitergehende Rechte nur deshalb zu gewähren, weil Minderheiten prozedural eine bessere Stellung erlangen. Die Beispiele aus nationalen Rechtsordnungen wie etwa der "class actions" und der "Verbandsklagen" haben gezeigt, daß Organisationen oder anderen Vertretern Befugnisse verliehen werden kön:1en, Minderheiten zu vertreten. 17 In ähnlicher Weise gewährt auch Art. 9 Entw. Zus. Prot. Organisationen, die Minderheiten vertreten, die Befugnis, die Verletzung individueller Minderheitenrechte geltend zu machen. 18 Die prozedurale Befugnis von Minderheiten, gegen Verletzungen individueller Rechte vorzugehen, bewirkt, daß individuelle Minderheitenrechte effektiver werden. Sie sollte deshalb in völkerrechtlichen Instrumenten vorgesehen werden. Ob dies jedoch als prozedurale Befugnis oder als prozedurales Recht formuliert wird, ist letztlich ohne praktische Bedeutung. Eine allgemeine Formulierung der prozeduralen Befugnis als kollektives Recht von Minderheiten sollte indes vermieden werden. Die Gewährung eines generellen kollektiven Rechts auf Nichtdiskriminierung schafft Hoffnungen und Erwartungen hinsichtlich materieller Rechte. Diese Hoffnungen und Erwartungen können später nicht erfüllt werden, da beispielsweise der Charakter des Rechts auf Nichtdiskriminierung eindeutig individuell ist. 19 Es sollte deshalb klar gestellt werden, daß nur ein prozeduraler Schritt ergriffen wird. 20

11. Kollektive Rechte, die mit IndividuaIrechten verbunden sind

Die Rechte von Minderheiten auf Bestandsschutz und auf Achtung, Schutz und Förderung ihrer Identität sind Rechte, die mit Individualrechten verbunden sind. Wenn diese Rechte nicht bestehen, können die entsprechenden individuellen Minderheitenrechte nicht effektiv geschützt werden. Wann immer also MinderheitenVgl. Vgl. 19 Vgl. 20 Vgl. 17

18

Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel

II, Text bei II, Text bei II, Text bei II, Text bei

Anm. Anm. Anm. Anm.

35 - 37. 249. 25. 33/34.

172

Kapitel IV: Rechtspolitische Erwägungen

angehörigen ein bestimmtes Individualrecht zugestanden werden soll, dann muß das entsprechende kollektive Recht der Minderheit als ganzer ebenfalls gewährt werden. Das kollektive Recht auf Bestandsschutz ist die Grundlage allen Minderheitenschutzes im engeren Sinne. Wie bereits gezeigt, ist jeder individuelle Minderheitenschutz vergebens, wenn nicht wenigstens der kollektive Bestand der Minderheit als ganzer geschützt ist. 21 Dies urnfaßt Rechte von Angehörigen von Minderheiten, ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen und ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben. Diese Rechte sind in Art. 27 IPBÜfg enthalten und in den neuen Völkerrechtsinstrumenten weiter ausgebildet. 22 Es folgt daraus, daß ein kollektives Recht auf Bestandsschutz gewährt werden sollte. 23 Eine ähnliche Argumentation läßt sich auch auf die kollektiven Rechte von Minderheiten auf Achtung und Schutz ihrer Identität anwenden. Die Individualrechte, eine Minderheitensprache frei in der Öffentlichkeit und im privaten Gebrauch zu verwenden, ein bestimmtes kulturelles Leben zu pflegen und eine Religion zu bekennen und auszuüben, können nicht garantiert werden, wenn ein Staat

21 V g!. Christian Tomuschat, Protection of Minorities under Art. 27 of the CCPR, in: Rudolf Bemhardt u. a. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte, FS für Hermann Mosler z. 75. Geb., Heidelberg 1983, 949 ff., 966; Felix Ermacora, The proteetion ofminorities before the United Nations, RdC 182 (1983 IV), 247 - 370, 323; Peter Pemthaler, Gruppenschutz im Volksgruppenrecht und seine Verbindung zum individuellen Minderheitenschutz, in: Theodor Veiter (Hrsg.), System eines internationalen Volksgruppenrechts, 3. Bd., 2. Teil, Wien 1972, 93; RainerArnold, Probleme der Individual- und Kollektivrechte im Völkerrecht, in: Manfred AbeleiniOtto Kimminich (Hrsg.), Studien zum Staats- und Völkerrecht, FS für Hermann RaschhoJer, Amberg 1977,27 - 42, 40. 22 Art. 6 Abs. 1 Vorseh!. Europ. Konv.: "Persons belonging to a minority shall have the right to freely preserve, express and develop their cultural identity in all its aspects, free of any attempt at assimilation against their will." Bezüglich der Förderung von Wissen um Geschichte, Tradition und Kultur der Minderheiten vg!. Art. 4 Abs. 4 G.V. Dek!. 47/137; Art. 34 Abs. 2 Kopenhagen-Dok.: "In the context of the teaching of history and culture in educational establishments, they will also take account of the history and culture of national minorities. " Bzg!. der Religion siehe Art. 10 Vorseh!. Europ. Konv.: "Any person belonging to a religious minority shall have the right to manifest his religion or belief, ... in public or private, in worship, teaching, practice or observance." 23 Siehe für dieses Ergebnis auch Nowak, in: BrälmannlLeJeberfZieck (eds.), (Anm. 5), 103; ebenfalls Theodor Veiter, Nationalitätenkonflikt und Volkgruppenrecht, 2. Aufl., München 1984, 220/221; der Menschenrechtsausschuß hat demgegenüber die Konstruktion der engen Verknüpfung von Individualrechten mit einer kollektiven Bestandsschutzgarantie gewählt, vg!. Lubicon Lake Band, Comm. No. 167/1984, UN Doc. N45/40/vo!.11 (1990). Die klarere Lösung ist aber die Zuerkennung eines Rechts auf Bestandsschutz.

A. Erforderlichkeit kollektiven Schutzes

173

in die Minderheitenidentität eingreift (Achtung der Identität) oder private Eingriffe nicht verhindert (Schutz der Identität).24 Das Recht auf Förderung der Identität ist hingegen umfassender, da es positive staatliche Maßnahmen selbst dann verlangt, wenn private Eingriffe nicht vorliegen. Wie bereits erörtert, wäre ein entsprechendes Individualrecht etwa das Recht der Angehörigen einer Minderheit, in Staatsschulen Unterricht ihrer oder in ihrer Muttersprache zu erhalten. Es stellt sich deshalb die Frage, ob Individuen derartig weitreichende Rechte zustehen sollten. 25 Wenn diese individuellen Rechte aber gewährt werden, dann sollte auch ein kollektives Recht auf Förderung der Identität gewährt werden. 26

In. Selbstbestimmungsrecht Ein rein kollektives Recht, das mit Individualrechten verbunden ist, ist auch das Recht auf innere Selbstbestimmung. 27 Ob Selbstbestimmung ein Recht 8 oder lediglich ein Prinzip29 des Völkerrechts ist, war eine der meist debattierten Fragen Vgl. Veiter (Anm. 23), 220, 221 - 223. Für ein solches Recht auf Unterricht der oder in der Minderheitensprache könnte vorgebracht werde, daß die Fähigkeit, die Minderheitensprache zu sprechen, für die Identität der Minderheit von großer Wichtigkeit ist. Sprache ist möglicherweise sogar der wichtigste Faktor für die Minderheitenidentität; vgl. ähnlich fames Fallows, Immigration: How It's Affecting Us, The Atlantic Monthly, November 1983, 88 - 89, Zitat aus Immigration, Process and Policy, Thomas Alexander Aleinikojf/David A. Martin (eds.), 2nd ed., St. Paul 1991; weiter läßt sich argumentieren, daß der Bestand einer Minderheit gefährdet ist, wenn Identität, seien es Tradition, Kultur, oder Sprache, nicht mehr von Generation zu Generation weitergereicht wird. Wenn ein Staat lediglich versucht, Angehörige von Minderheiten gegen private Eingriffe zu schützen, dann besteht die Gefahr, daß die Minderheitensprache und damit auch die Minderheit selbst dem Aussterben entgegenläuft; vgl. etwa Dicke (Anm. 3), Europa-Archiv 48, 115; zur Frage der Wünschbarkeit der Assimilierung vgl. Text bei Anm. 59 - 89. 26 Vgl. für das gleiche Ergebnis Nowak, in: BrölmannlLefeber/Zieck (eds.), (Anm. 5), 103; Veiter (Anm. 23), 224 - 226. 27 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 192. 28 Vgl. Alfred VerdrosslBruno Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., Berlin 1984, paras. 510 - 514; Alexandre eharles Kiss, The Peoples'Rights to Self-Deterrnination, HRLJ 7 (1986), 165 - 175, 171; fean Salmon, Demokratie als Rechtsanspruch?, Zu den inneren Aspekten des Rechts auf Selbstbestimmung, Vereinte Nationen 41 (1993), 10 - 17, 10. 29 Vgl. Heinz Guradze, Die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen vom 16. Dezember 1966, GYIL 15 (1971),242 - 273, 246/247; Arthur Henry Robertson, Human Rights in tbe World, 2nd ed., Manchester 1982; zum Prinzip der Selbstbestimmung im einzelnen fost Delbrück, Selbstbestimmung und Völkerrecht, GYIL 13 (1967), 180 - 209; ebenso Harold S. fohnson, Self-Deterrnination within the Community of Nations, Leiden 1967,51. 24

2S

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Kapitel IV: Rechtspolitische Erwägungen

im Völkerrecht der 60'er und 70'er Jahre. Zwar mußten selbst die Verfechter der Selbstbestimmung als Prinzip zugeben, daß die klare Formulierung in Art. 1 IPBürg ausdrücklich ein Recht anerkennt. 30 Dieses Ergebnis impliziert jedoch nicht, daß im Rahmen politischer Erwägungen nicht auch der Schluß zulässig ist, die Selbstbestimmung als Prinzip vorzuziehen. Zudem ist bereits gezeigt worden, daß bezüglich Art. 1 IPBürg die Frage sehr umstritten ist, ob auch Minderheiten das Recht auf Selbstbestimmung zusteht. 31 Am Beginn einer Diskussion über die Erforderlichkeit des Selbstbestimmungsrechts sollte bedacht werden, daß das Recht deshalb kontrovers ist, weil es nicht nur kollektiven, sondern zugleich auch positiven Minderheitenschutz beinhaltet. Dies gilt zumindest dann, wenn der Minderheit nicht nur die lokale Selbstverwaltung ermöglicht wird, sondern der Staat tätig ist, indem er gesetzliche Grundlagen für autonome Strukturen schafft und diese Strukturen auch unterstützt. Auch für die Gestaltungsform der politischen Mitwirkung müssen der Minderheit vom Staat gesetzlich zusätzliche Kompetenzen zugebilligt werden. Der stärkste Einwand gegen das Recht auf Selbstbestimmung, unabhängig davon ob der Träger des Rechts eine Minderheit oder ein Volk ist, besteht darin, daß es die nationale Einheit eines Staates gefährden könne. 32 Dieser Einwand beinhaltet zwei Argumente, die unabhängig voneinander diskutiert werden sollen. Zum einen wird die Gefahr einer Bedrohung der äußeren Einheit eines Staates befürchtet. Zum anderen wird die Gefahr eines Verlustes innerer Einheit angesprochen.

1. Äußere Einheit

Das erste Argument konzentriert sich mehr auf den kollektiven Charakter des Rechts auf Selbstbestimmung. Die Befürchtung besteht, daß die Gewährung völ-

30 Vgl. Guradze (Anm. 29), GYIL 15,2461247; ManJred Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, KehUStraßburgiAriington 1989, Art. 1 para. 4; ein libanesisch-pakistanischer Vorschlag dieser Art wurde vom Dritten Komitee der Generalversammlung abgelehnt, UN Doc. AJC.3/L. 498/Corr.2. 31 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 123 - 136; hier wird die Ansicht vertreten, daß nur Minderheiten, die Volksqualität haben, in den Genuß des Selbstbestimmungsrechts gel angen können. 32 Vgl. Guradze (Anm. 29), GYIL 15,34, der fragt: "Does the right of self-determination belong to the Scots and the Welsh, the Bretons, the Corsicans and the Alsatians, the Basques and the Catalans?"; vgl. weiter Nowak, in: BrölmannlLeJeberfZieck (eds.), (Anm. 5), 118, mit dem Beispiel Bosnien-Herzegowinas.

A. Erforderlichkeit kollektiven Schutzes

175

kerrechtlicher Rechtspersönlichkeit für die Minderheiten nur ein Schritt auf dem Weg zur Unabhängigkeit oder Souveränität der Minderheitengebiete sein könne. 33 Diesem Argument ist jedoch entgegenzuhalten, daß das Selbstbestimmungsrecht bestimmte Schranken hat. Eine dieser Schranken besteht darin, daß die territoriale Integrität von bestehenden Staaten nicht gefährdet werden darf.34 Das Recht auf äußere Selbstbestimmung ist im Sinne eines Rechts auf Sezession35 nur in Fällen von Kolonien und Treuhandgebieten anwendbar. Die restliche Bedeutung des Rechts auf Selbstbestimmung beschränkt sich auf seine interne Wirkung. Innere Selbstbestimmung ist ein flexibles Konzept, das jeweils nach den Gegebenheiten der Situation Autonomie, Selbstbestimmung oder politische Mitwirkung bedeuten kann. 36 Flexibilität greift aber nicht nur auf Seiten der Minderheit, sondern auch des Staates ein, der bestimmte Minderheitenrechte schützen soll. Ähnlich wie bei Schranken von Individualrechten kann sich ein Staat auf die Unverhältnismäßigkeit bestimmter geforderter Maßnahmen berufen, indem er auf die Tatsache aufmerksam macht, daß eine Abwägung der Interessen gegen die Einführung eines bestimmten Schutz- bzw. Förderungsmittels spricht. 37 Aus diesen Gründen sind beispielsweise Autonomie und Selbstverwaltung nur in den Regionen möglich, in denen sich Minderheiten in der Mehrheit befinden. 38 Überdies kann der Wortlaut völkerrechtlicher Instrumente so formuliert werden, daß äußere Selbstbestimmung ausdrücklich ausgeschlossen ist, wenn das Recht auf innere Selbstbestimmung immer noch als zu leicht von sezessionistischen Bewegungen mißbrauchbar angesehen wird. 39 33 Diese Besorgnis ist in Nordamerika bereits Realität, da dort die autochthonen Völker lauter und lauter eine Souveränität fordern, die faktisch der Unabhängigkeit gleichkommt. 34 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 141/262. 3S Also das offensive Recht auf Selbstbestimmung, vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 139. 36 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 145 - 175; für Flexibilität siehe Richard LillichIHurst Hannum. The Concept of Autonomy in International Law, AJIL 74 (1980), 856 - 889, 889. 37 V gl. zum Erfordernis der Verhältnismäßigkeit Text bei Anm. 266. 38 Vgl. etwa Art. 11 Entw. Zus. Prot.: "In the regions where they are in a majority, the persons belonging to anational minority have the right ... " Art. 35 Abs. 2 Kopenhagen-Dok.: "The participating States note the efforts undertaken to protect and create conditions for the promotion of the ethnie, cultural, linguistic and religious identity of certain national minorities by establishing, as one of the possible means to achieve these aims, appropriate 10cal or autonomous administrations corresponding to the specific historical and territorial circumstances of such minorities and in accordance with the policies of the State concerned." 39 Vgl. etwa Art. 11 Entw. Zus. Prot.: "In the regions where they are in a majority the persons belonging to anational minority shall have the right to have at their disposal appropriate local or autonomous authorities or to have a special status, matching the specific historical and territorial situation and in accordance with the domestic legislation of the state."

176

Kapitel IV: Rechtspolitische Erwägungen 2. Innere Einheit

Das zweite Argument der Gegner des Selbstbestimmungsrechts geht dahin, daß durch dieses Recht die innere Einheit eines Staates gefährdet würde. Dieses Argument konzentriert sich mehr auf den positiven Charakter des Rechts auf Selbstbestimmung. Es besagt, daß ein Staat, selbst wenn er Minderheiten nur ein inneres Selbstbestimmungsrecht gewährt, damit immer noch gegen seine eigenen Interessen verstößt. Dieses Argument könnte durch die Behauptung unterstützt werden, daß unterschiedliche Kulturen innerhalb eines Staates den inneren Frieden und die Stabilität eines Staates gefährden. 40 Gemäß dieser Ansicht ist Assimilierung ein erforderliches Mittel von Minderheitenpolitik. Nichtdiskriminierung wird damit zur einzigen Möglichkeit, Angehörige von Minderheiten zu schützen. Eine ausführliche Erörterung der Erforderlichkeit des positiven Minderheitenschutzes schließt sich an die Untersuchung der Erforderlichkeit des kollektiven Minderheitenschutzes an. 41 Zwei Einwände sind jedoch bereits hier gegen die genannte Ansicht zu erheben. Zum einen ist bereits darauf hingewiesen worden, daß die Erfahrung mit hochentwickelten Minderheitenschutzsystemen in Europa zeigt, daß solche Systeme in der Regel zu einer Atmosphäre gegenseitigen Verstehens und nicht zu zwischenethnischer Feindschaft führen. 42 Es gibt vielmehr sogar Hinweise darauf, daß Assimilierungsversuche zu Widerstand und Störung der öffentlichen Sicherheit führen. 43 Zum anderen kann die Existenz von Minderheiten für Angehörige sowohl der Minderheit als auch der Mehrheit bereichernd sein. Die gleichzeitige Existenz von Minderheit und Mehrheit ist Ausdruck kulturellen Reichtums 44 und bedeutet zugleich auch gegenseitige Bereicherung im Sinne einer "dynamisch-kulturellen" Gesellschaft. So verstanden bewirkt die multikulturelle Gesellschaft "a conscious 40 Vgl. Dicke (Anm. 3), Europa-Archiv 48, 114 für weitere Nachweise; vgl. auch Axel Schulte, Multikulturelle Gesellschaft: Chance, Ideologie oder Bedrohung?, APuZ 1990, 323 ff., 324. 41 Vgl. Abschnitt B. 42 Vgl. Text bei Anm. 13. 43 Vgl. Text bei Anm. 14. 44 Präambel der Europäischen Charta: ". . . Considering that the protection of the historical regional or minority languages of Europe, some of which are in danger of eventual extinction, contributes to the maintenance and development of Europe's cultural wealth and traditions ... Stressing the value of interculturalism and interlingualism ... "; Art. 7 Abs. 1 lit. a: " ... recognition of the regional or minority languages as an expression of cultural wealth ... "; dies bedeutet nicht, daß diese Arbeit für eine Aufgabe des Konzepts des Nationalstaats eintritt; siehe für diese Intention Dieter Obemdäifer, Der Nationalstaat - ein Hindernis für das dauerhafte Zusammenleben mit ethnischen Minderheiten, ZAR 1989,3 ff.

A. Erforderlichkeit kollektiven Schutzes

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living together of different peoples in a spirit of mutual respect, understanding and enrichment. ,,45 Die Angst, daß die Bewahrung von Minderheiten eine Gefahr für inneren Frieden und Stabilität ist, wird deshalb hier nicht geteilt. Das Recht auf Selbstbestimmung ist folglich, obwohl es bindender ist als nur ein Prinzip, ein äußerst flexibles Instrument des Völkerrechts. In Anbetracht der Tatsache, daß das Recht der Völker auf Selbstbestimmung weitgehende Anerkennung gefunden hat, erscheint es möglich, Minderheiten das Recht auf innere Selbstbestimmung zuzugestehen.

IV. Kollektive Staatenverpflichtungen

Die letzte zu erörternde Problematik im Rahmen der Erforderlichkeit kollektiven Schutzes ist die Frage, ob kollektive Staatenverpflichtungen in völkerrechtliche Instrumente des Minderheitenschutzes aufgenommen werden sollen. Es wird hier die Auffassung vertreten, daß solche Verpflichtungen immer dann aufgenommen werden sollten, wenn die Staatengemeinschaft noch nicht bereit ist, Minderheiten kollektive Rechte zu gewähren. Wie bereits erwähnt, sind Staatenverpflichtungen immer dann verwendet worden, wenn Staaten nicht willens waren, Individuen oder Gruppen von Individuen Rechte zuzusprechen. Staatenverpflichtungen haben im Völkerrecht eine bedeutende Funktion, da sie es den Staaten erleichtern, völkerrechtlichen Instrumenten des Menschenrechts- und auch Minderheitenschutzes beizutreten. Sie können somit als eine Station auf dem Weg zu noch umfassenderem Minderheitenschutz verstanden werden. Es sollte auf der anderen Seite jedoch nicht vergessen werden, daß Minderheitenrechte ebenfalls ein flexibles Mittel des Völkerrechts sind. Zum einen liegt die Auswahl der konkreten Maßnahmen zur Durchsetzung des Minderheitenschutzes im Ermessen der Staaten. Internationale Kontrollinstanzen müssen diesen Entscheidungen gegenüber einen vergleichsweise schwachen Prüfungsstandard anwenden. 46 Zum anderen unterliegen kollektive Minderheitenrechte den bereits aufgezeigten Grenzen, wodurch sie endgültig zu einem flexiblen Instrumentarium werden. 45 Vgl. Nowak, in: BrälmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 5), 118; Sanders (Anm. 10), HRQ 13, 375; für kulturellen Pluralismus Oldrich Andrysek, Report on the Definition of Minorities, UN-technical Meeting of Experts on Minorities at Geneva, 2 - 4 February 1993, UN Doc. HRiGeneva/1993ffMIBP.21, 40 - 42; Leon E. Trakman, Group Rights: A Canadian Perspective, N.Y.UJIL 24 (1992), 1579 ff., 1650; Asbjoem Eide, Protection of Minorities, Possible Ways of Facilitating the Peaceful and Constructive Solution of Problems involving Minorities, UN Doc. ElCN.4/Sub.2/1993/34, 38 ff., nennt kulturellen Pluralismus einen "pluralism in togetherness". 46 Vgl. Kapitel I, Text bei Anm. 120/121.

12 Nicwenh

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Kapitel IV: Rechtspolitische Erwägungen

Da es also möglich ist, kollektive Rechte auf Minderheitenschutz einzuschränken, sollten Staaten, soweit wie möglich, einer Formulierung von kollektiven Rechten und nicht lediglich von Staatenverpflichtungen zustimmen. Sie würden damit der Tatsache Rechnung tragen, daß kollektive Rechte effektiver sind, da sie der Minderheit ein direktes Mittel zur Verfügung stellen, eine Verletzung der Pflichten des Staates entweder national oder sogar international zu rügen. 47 Kollektive Minderheitenrechte sollten deshalb im erörterten Umfang auf universaler, regionaler und bilateraler Ebene in Minderheitenschutzinstrumente einfließen.

B. Erforderlichkeit positiven Minderheitenschutzes Die Diskussion der Erforderlichkeit positiven Minderheitenschutzes führt zum Kern der völkerrechtlichen Minderheitenproblematik. Die eingangs aufgezeigten vier Zielvorstellungen des Minderheitenschutzes, die Konfliktprävention, die Wahrung der Menschenwürde, die Wahrung der Identität der Gruppe sowie die gegenseitige Bereicherung der Kulturen im Sinne einer "dynamisch-kulturellen" Gesellschaft48 sind insbesondere auch Grundlagen des positiven Minderheitenschutzes. Sie werden deshalb nun darauf untersucht werden müssen, ob sie tatsächlich Zielvorstellungen darstellen, die völkerrechtlich zu erhalten und zu unterstützen sind. Nur aus der Bejahung einer oder mehrerer dieser Zielvorstellungen wäre zu folgern, daß positiver Minderheitenschutz tatsächlich erforderlich ist. Es bietet sich an, eine Diskussion an der Gegenüberstellung fünf verschiedener Fallgruppen des Umgangs mit Minderheiten zu orientieren. Es wird sich zeigen, daß die Ergebnisse dieser Fallgruppen für das Zusarnrnenleben von Minderheit und Mehrheit in. einem Staat Antworten auf die Frage der Erforderlichkeit positiven Minderheitenschutzes beinhalten. Folgende fünf Fallgruppen sind vorstellbar: Staat diskriminiert Minderheiten, schützt sie nicht vor Diskriminierung oder unternimmt keine Maßnahmen, um bestehende Ungleichheiten abzubauen, Staat gewährt Minderheiten Gleichberechtigung, assimiliert aber (achtet ihre Identität nicht), Staat assimiliert Minderheiten nicht, schützt ihre Identität aber nicht gegen Eingriffe Privater, Staat assimiliert Minderheiten nicht und schützt sie gegen Eingriffe Privater, fördert sie aber nicht, Staat fördert die Identität der Minderheiten. 47 Für kollektive Rechte auch Natan Lerner, From Protection of Minorities to Group Rights, IsraelYHR 18 (1988), 101 - 120. 48 Vgl. Kapitel I. Text bei Anm. 6.

B. Erforderlichkeit positiven Minderheitenschutzes

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I. Diskriminierung im Staat Diskriminiert ein Staat die auf seinem Territorium lebenden Minderheiten, schützt er sie nicht vor Diskriminierung oder unternimmt er keine Maßnahmen, um bestehende Ungleichheiten abzubauen, so verstößt er gegen eines der fundamentalsten Menschenrechte. Das Prinzip der Gleichheit ist neben der Freiheit das wichtigste menschenrechtliche Prinzip. Die Idee der Menschenrechte ist von ihm durchdrungen und getragen. 49 Die Gleichheit vor dem Gesetz hat seit der französischen Revolution Eingang in nationale Grundrechtskataloge gefunden. Auch die Gleichheit durch das Gesetz ist seit dem 14. Amendment der Verfassung der USA mehr und mehr in die nationalen Verfassungen vieler Staaten eingeflossen. 5o Dabei findet sich die Regelung der Gleichheit durch das Gesetz teilweise nicht ausdrücklich in den Grundrechtskatalogen, ergibt sich aber eindeutig aus der Verfassungspraxis. So ist die Gleichheit durch das Gesetz etwa in Deutschland seit den bahnbrechenden Arbeiten von Leibholz in der Weimarer Zeit fester Bestandteil der Verfassungspraxis. 51 Gleichheit durch das Gesetz ist dabei das Beispiel eines friedlichen Wandels in den demokratischen Verfassungsstaaten par excellence. 52 Die Präambel der Universal Declaration of Human Rights beginnt mit dem Bekenntnis zur Menschenwürde und zum Gleichheitsgrundsatz. 53 Des weiteren findet sich das Prinzip der Gleichheit an herausragender Position in allen Menschen-

49 Vgl. Nowak (Anm. 30), Art. 26 para. 1; B. G. Ramcharan, Equality and Nondiscrimination, in: Henkin (Hrsg.), (Anm. 4), 246 ff.; Hersch Lauterpacht, An International Bill of the Rights of Man, Cambridge 1945, 115: " ... is in a substantial sense the most fundamental of the rights of man. It occupies the first place in most written constitutions. It is the starting point of all other liberties. "; diese Erkenntnis hatte bereits Cicero erlangt, vgl. M. Tullius Cicero, M. Tullii Ciceronis Opera quae supersunt Omnia ac deperditorium Fragmenta, Vol. I, Nachdruck, Turici 1826,47. 50 Vgl. Nowak (Anm. 30), Art. 26 para. I, 2; vgl. Entscheidung des V.S. S.Ct. in Brown v. Board 0/ Education; dazu Winfried Brugger, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, Tübingen 1987,75 ff., 99 ff., 144, 162 ff.; Albrecht Weber, Minderheitenschutz und Nichtdiskriminierung in Kanada in rechtsvergleichender Perspektive, EuGRZ 21 (1994), 537 - 548, 539. 51 Vgl. Gerhard Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 2. Aufl., MünchenlBerlin 1959,34 f., 202 ff., 216 f.; für die Verfassungspraxis in der Weimarer Zeit (Art. 109 Abs. 1 der Reichsverfassung) etwa RGZ 111, 320 ff., 329; RGZ 126, 161 ff.; in der Bundesrepublik (Art. 3 Abs. 1 GG) vgl. bereits BVerfGE I, 14,52. 52 Vgl. zum Begriff des peaceful change lost Delbrück, Peaceful Change, in: Rüdiger Wolfrum (ed.), Law, Policies and Practice, Vol. 2, München 1995,970 - 981. 53 "Whereas recognition of the inherent dignity and of the equal and inalienable rights of all members of the human family is the foundation of freedom, justice and peace in the world, ... "

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Kapitel IV: Rechtspolitische Erwägungen

rechtsverträgen nach dem 2. Weltkrieg. 54 Es ist Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts55 und kann sogar als erga omnes Pflicht bezeichnet werden,56 also eine Pflicht, die einem Staat nicht nur einem einzelnen anderen Staat, sondern der Staatengemeinschaft als ganzer gegenüber obliegt. 57 Die erga omnes Pflichten bestehen gegenüber der Staatengemeinschaft, weil sie derart bedeutsame Rechte umfassen, daß alle Staaten ein rechtliches Interesse an ihrem Schutz haben. 58 Es läßt sich deshalb mit Recht behaupten, daß ein Staat, der kontinuierlich gegen das Prinzip der Nichtdiskriminierung verstößt, als Unrechtsstaat zu bezeichnen ist.

11. Assimilierung im Staat

Gewährt ein Staat den auf seinem Territorium lebenden Minderheiten zwar Gleichberechtigung, verfolgt er aber eine Politik der Assimilierung, achtet ihre Identität also nicht, so wird die Minderheit bereits mittelfristig von der Auflösung in die Mehrheitsgesellschaft bedroht sein. 59 Wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die darauf gerichtet sind, ethnische, religiöse und sprachliche Eigenschaften von Minderheiten aufzulösen, so kann dies zwei Konsequenzen haben. Zum einen wird die Auflösung objektiver Minderheitenmerkrnale auf der subjektiven Seite die Folge haben, daß auch das Solidaritätsgefühl abnimmt, wodurch die Minderheit zwar

54 Eine annähernd vollständige Aufzählung und Zusammenfassung dieser Verträge findet sich bei Jost Delbrück, Die Rassenfrage als Problem des Völkerrechts und nationaler Rechtsordnungen, Frankfurt 1971, 51 ff. 55 Vgl. Ramcharan, in: Henkin (Hrsg.), (Anm. 49), 249; Patrick Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, Oxford 1991,314 ff.; ICl, Case concerning the Barcelona Traction, Light and Power Co. Ltd., ICl Reports 1970, 33/34; Advisory Opinion on Namibia, ICl Reports 1971, 1301131; South West Africa Case, 2nd phase, Dissenting Opinion ludge Tanataka, ICl Reports 1966,305,284 - 316; des weiteren fan Brownlie, Principles ofPublic International Law, 3rd ed., Oxford 1979,596. 56 ICl, Case concerning the Barcelona Traction, Light and Power Co. Ltd. (Anm. 55), 33/34: "the principles and rules concerning the basic rights of the human person including protection from slavery and racial discrimination."; Advisory Opinion on Namibia (Anm. 55), 1301131: "to establish ... and to enforce distinctions, exclusions, restrictions and limitations exclusively based on grounds of race, colour, descent or national or ethnic origin ... constitutes a denial offundamental human rights ... (and) is a flagrant violation of the purposes and principles of the Charter." 57 V gl. Wolf Heintschell v. Heinegg, in: Knut fpsen, Völkerrecht, 3. Aufl., München 1990,169. 58 Vgl. Heintschell v. Heinegg, in: fpsen (Anm. 57),169. 59 Vgl. Dicke (Anm. 3), Europa-Archiv 48,112.

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langsam aber kontinuierlich der Assimilierung entgegengeht. 60 Im Ergebnis wird das Solidaritätsgefühl einer Gruppe sogar eher erloschen sein als bestimmte objektive Merkmale wie etwa eine gemeinsame Geschichte oder genetische Elemente. 61 Zum anderen werden sich viele Minderheiten gegen die Auflösung ihrer objektiven Eigenschaften sowie ihres Solidaritätsgefühls zur Wehr setzen. In diesen Fällen kommt es zu interethnischen Konflikten. 62 Dabei ist zwischen verschiedenen Formen ethnischer Konflikte zu differenzieren. Ein Unterschied besteht zunächst zwischen hierarchischen und unhierarchischen ethnischen Konflikten. 63 Bei dem Konflikt zwischen einer Minderheit und einer Mehrheit in einem Staat handelt es sich immer um einen hierarchischen Konflikt, da sich die Minderheit laut der Definition Capotortis in einer schwächeren Position befindet. 64 Der Grund für Konflikte zwischen Minderheit und Mehrheit ist in existierenden Interessengegensätzen zu suchen.65 Minderheiten wollen mehr erreichen, als ihnen bisher zugebilligt worden ist. Mehrheiten wollen Minderheiten entweder nicht mehr zugestehen oder sogar Rechte beschneiden, die Minderheiten bereits gewährt worden sind. Soziale und wirtschaftliche Unterschiede beispielsweise sind für das

60 Zur Verbindung subjektiver und objektiver Elemente bereits Kapitel I, Text bei Anm. 65 - 69. 61 Vgl. dazu Kapitel I, Text bei Anm. 65 - 69. 62 Vgl. Dicke (Anm. 3), Europa-Archiv 48,110, der auf die Präambel der G.V. Dekl. 471 137 verweist, wo es heißt: "... Considering that the promotion and protection of the rights of persons be10nging to national or ethnic, religious and lingustic minorities contribute to the political and social stability of States in which they live, ... "; ebenso Gudmundur AlfredssoniAlfred de Zayas, Minority Rights: Protection by the United Nations, HRLJ 14 (1993), I - 8, 1; Präambel Entw. Zus. Prot.: " ... 3. Considering that only the recognition of the rights of persons belonging to anational minority within astate and the international protection of those rights are capable of putting a lasting end to ethnic confrontations, and thus of helping to guarantee justice, democracy, stability and peace; ... "; Karl Mitterdorfer, Volksgruppen- und Minderheitenprobleme als Ursachen internationaler Konflikte, in: Fritz WittmanniStefan Graf Bethlen (Hrsg.), Volksgruppenrecht, Ein Beitrag zur Friedenssicherung, München/Wien 1980, 127 - 141; Fritz Wittmann, Die politische Bedeutung eines international gesicherten Minderheiten- und Volksgruppenrechts, in: ebda., 159 - 164, 159; Präambel Vorschl. Europ. Konv.: " ... Considering that an adequate solution to the problem of minorities in Europe is an essential factor for democracy, justice, stability and peace; ... "; eine ähnliche Formulierung verwendet auch das Kopenhagen-Dok. in Art. 30. 63 V gl. Rodolfo Stavenhagen, The Ethnic Question, Conflict, Development and Human Rights, Tokio 1990,77. 64 V gl. Kapitel I, Text bei Anm. 30. 65 Vgl. Stavenhagen (Anm. 63), 77; Dan Landis/Jerry Boucher, Themes and Models of Conflict, International Perspectives, Newbury Park/Beverly Hills/LondonlNew Delhi 1987, 21, mit detaillierter Wiedergabe psychologischer und soziologischer Theorien.

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Entstehen ethnischer Konflikte von großer Bedeutung. 66 Dabei ist im einzelnen umstritten, ob ethnische Konflikte auf materielle oder ideelle Interessenkollisionen zurückzuführen sind. 67 Ethnische Konflikte lassen sich aber vor allem durch zwei zuvor schon mehrfach genannte Interessen von Minderheiten erklären: das Streben nach Gleichheit und der Schutz der Minderheitenidentität. 68 Die Konflikte, zu denen es aufgrund des fehlenden Schutzes der Identität einer Minderheit (also des fehlenden Minderheitenschutzes im engeren Sinne) kommt (und die in diesem Abschnitt behandelt werden), sind von den Konflikten zu unterscheiden, die bereits aufgrund der fehlenden Durchsetzung des Prinzips der Nichtdiskriminierung entstehen. Diese Konflikte sind innerhalb der Fallgruppe Diskriminierung im Staat behandelt worden. 69 Haben bestimmte Gruppen in einem Staat gesellschaftlich eine schwache Stellung und erstreben sie wie etwa die AfroAmerikaner in den USA eine Gleichbehandlung, so kann es zu hierarchischen Konflikten mit der Mehrheitsbevölkerung kommen. 7o Unhierarchische Konflikte können zwischen schwachen Gruppen dann entstehen, wenn es um die Bestimmung der Frage geht, welche Gruppe im Staat die schwächste Stellung einnimmt, so etwa im Fall der Auseinandersetzungen zwischen Afro-Americans, Hispanics und Asian Americans in den USA. 71 Ist jedoch zumindest das Prinzip der Gleichheit gewährleistet, so entstehen in der Regel weniger Konflikte. 72 Diskriminierung und fehlender Minderheitenschutz im engeren Sinne gehen allerdings oft miteinander einher. Die Erfahrung mit Minderheitenschutzsystemen in Europa hat gezeigt, daß Staaten, die die Existenz von Minderheiten auf ihrem Territorium abstreiten bzw. Assimilierung betreiben, so zum Beispiel Frankreich, regelmäßig mit interethnischen Feindseligkeiten zu kämpfen haben. 73 In Staaten, die keine Assimilierung praktizieren, haben minderheitenschützende Maßnahmen hingegen zu einem besseren Verhältnis zwischen Minderheit und Mehrheit geführt. 74 Zusätzlich zu den Vgl. Veiter (Anm. 23),31 - 33. Vgl. Delbrück, in: Wolfrum (ed.), (Anm. 52), 192. 68 Vgl. Stavenhagen (Anm. 63), 77. 69 Vgl. Text bei Anm. 49 - 58. 70 Vgl. Stavenhagen (Anm. 63), 80. 71 Vgl. Stavenhagen (Anm. 63), 80. n Vgl. etwa Veiter (Anm. 23), 33, mit dem Beispiel von Nord- und Südschleswig; Landis/Boucher (Anm. 65), 21: "imbalance of allocation of powers and resources"; Theodor Veiter, Die Rechtsstellung der Sprach- und Volksgruppen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Europa Ethnica 1969, 65 ff.; Troels Fink, Geschichte des Schleswigschen Grenzlandes, Kopenhagen 1958; Ernst Siegfried Hansen, Disteln am Wege, Bielefeld 1957; Eberhard laeckel, Die Schleswig-Frage seit 1945, Frankfurt/M. 1959. 73 Vgl. Anm. 14. 74 Vgl. Text bei Anm. 14. 66 67

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bereits im Rahmen der Erforderlichkeit kollektiver Rechte genannten Beispielen sei darauf hingewiesen, daß der verbesserte Minderheitenschutz in vielen Staaten Osteuropas wie etwa Rumänien 75 und Slowenien76 in den letzten Jahren zu einer Abnahme der interethnischen Konflikte und zu mehr Kooperation geführt hat. Umgekehrt zeigen Beispiele aus dieser Region, daß eine Verschärfung der staatlichen Politik gegenüber Minderheiten verstärkt zu Unruhen führt. 77 Konfliktprävention ist damit eine entscheidende Zielvorstellung des Minderheitenschutzes. 78 Ethnische Konflikte können durch Minderheitenschutz verhindert, aufgehoben oder abgeschwächt werden. 79 Über die bloße Konfliktvermeidung bzw. -abschwächung hinaus trägt Minderheitenschutz umgekehrt auch zu einem besseren Verhältnis von Minderheit und Mehrheit und damit zur Integration der Minderheiten in das Staatsgefüge bei. 80 Der Berichterstatter der UN-Subcommis75 Vgl. Wolfgang Wittstock, Die Regierung will nicht Farbe bekennen, Zur gegenwärtigen Lage der nationalen Minderheiten in Rumänien, in: FAZ Nr. 96 vom 25. April 1995,

13.

76 Vgl. Reinhard Olt, Sechs Obrigkeiten in einem Jahrhundert, Slowenien gibt seiner ungarischen Minderheit weitgehende Rechte, FAZ Nr. 118 vom 22. Mai 1995, 14. 77 Vgl. Berthold Kohler, Der slowakische Albtraum, Dem Grundvertrag mit Ungarn zum Trotz regiert das Mißtrauen, FAZ Nr. 108 vom 10. Mai 1995, 14, der das Beispiel der Ungarn in der Slowakei herausgreift; Heinrich Klebes, Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, Einführung, EuGRZ 22 (1995), 262 - 268, 266/ 267, geht näher auf den slowakisch-ungarischen Nachbarschaftsvertrag vom 19. März 1995 ein, in dem die Parteien den Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK als rechtlich bindend akzeptierten, weist andererseits aber auf das Scheitern des rumänisch-ungarischen Nachbarschaftsvertrages aus ebendiesem Grunde hin. 78 Vgl. Dicke (Anm. 3), Europa-Archiv 48, 108; Sanders (Anm. 10), HRQ 13, 375; David Hamburg, Ethnische Konflikte, Ursachen, Eskalation und präventive Vermittlung, Europa-Archiv 48 (1993), 117 - 122; zur Lösung von ethnischen Konflikten allgemein: Stephen Ryan, Ethnic Conflict and International Relations, BrookfieldIVermont 1990, 50 83; zu Menschenrechten als Grundlage des Friedens allgemein lost Delbrück, Menschenrechte - Grundlage des Friedens, in: Hans ThimmeIWilhelm Wöste (Hrsg.), Im Dienst für Entwicklung und Frieden, In memoriam Bischof Heinrich Tenhumberg, MünchenIMainz 1982, 89 - 102. 79 Vgl. Boutros Boutros-Ghali, An Agenda for Peace: Preventive Diplomacy, Peacemaking and Peace-Keeping, zum Thema der Verhinderung ethnischer Konflikte: "One requirement for solutions to these problems lies in the commitment to human rights with a special sensitivity to those of minorities, whether ethnic, religious, social or linguistic. The League ofNations provided a rnachinery for the international protection of minorities. The General Assembly will soon have before it a declaration on the rights of minorities. That instrument, together with the increasingly effective machinery ofthe United Nations dealing with human rights, should enhance the situation of minorities as well as the stability of States.", UN Doc. A/47/277 - S/24111, para. 18; die Aufhebung ethnischer Konflikte wird in der Regel allerdings nicht möglich sein, vgl. Eide (Anm. 45), 11. 80 Vgl. Sanders (Anm. 23), HRQ 13,375; über ein besseres Verhältnis von Minderheit und Mehrheit trägt ein effektiver Minderheitenschutz auch dazu bei, daß die Loyalität der

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sion, Eide, hat in der Auswertung der Staatenberichte zu seiner Arbeit zum Minderheitenschutz festgestellt, daß verbesserter Minderheitenschutz in vielen Fällen zu einer größeren Zusammenarbeitsbereitschaft seitens der Minderheit geführt hat. 8l Neben allen positiven empirischen Erfahrungen mit Minderheitenschutz sollte jedoch nicht vergessen werden, daß positive Minderheitenschutzmaßnahmen im Einzelfall kurzfristig auch gegenteilige Effekte haben können. In Zeiten knapper wirtschaftlicher und finanzieller Ressourcen können Förderungsmaßnahmen zugunsten der Minderheit kurzfristig Neid bei der Mehrheit schüren. 82 Langfristig werden die Schutz- und Förderungsmaßnahmen aber in den meisten Fällen zu einer Integration der Minderheit in die Gesellschaft führen. Von großer Bedeutung ist es, zudem darauf hinzuweisen, daß Konfliktprävention nicht nur zur Vermeidung von inneren Konflikten, sondern auch von äußeren Konflikten, also zwischen den Staaten, beiträgt. 83 Minderheitenschutz kann insbesondere bei der Entstehung nachbarlicher und friedlicher Beziehungen zwischen Staaten und Nachbarstaaten förderlich sein, die einer Minderheit außerhalb ihres Minderheitenangehörigen zu ihrem Staat gesteigert wird, vgl. Eckart Klein, Konzeption und Durchsetzung des Mind;:rheitenschutzes, in: Dieter BlumenwitliHans v. Mangoldt (Hrsg.), Neubestätigung und Weiterentwicklung von Menschenrechten und Volksgruppenrechten in Mitteleuropa, Bonn 1991,51 - 60, 55; Eibe Riedei, Gruppenrechte und kollektive Aspekte individueller Menschenrechte, in: Walter Kälin/Eibe RiedellWolfram Karl (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes, BDGV 33, Heide1berg 1993,4982, 60, unterscheidet zwischen Integration und Akkulturation. Akkulturation ist danach wechselseitige Annäherung der verschiedenen Sprach- und Kulturgruppen, durch die sich vor allem die Mehrheit auf kulturellen Austausch einläßt, aktive Toleranz übt und den Minderheiten politische und soziale Chancen im Sinne einer multikulturellen Gesellschaft einräumt. Durch Integration werden hingegen nach Riedel Minderheiten als solche akzeptiert und aktiv in die Gesellschaft miteinbezogen. Ihnen werden gleiche Rechte wie der Mehrheit eingeräumt, bei voller Beibehaltung ihrer stets erkennbaren Identität. 8! Vgl. Eide (Anm. 45), 4: "The material collected for this study indicates that there is a growing willingness by States in most continents to accomodate legitimate minority concerns. In response, members of many minority groups have become less militant and have engaged in constructive dialogue with the government and the other ethnic groups."; dem Final Report waren vorausgegangen: Working Paper by Claire Palley, UN Doc. ElCNA/ Sub.2/1989/43; Progress Report by Eide, UN Doc. ElCN.4/Sub.2/1990/46; Preliminary Report by Eide, UN Doc. ElCNA/Sub.2/1991143; Second Progress Report by Eide, UN Doc. E/CNA/Sub.2/1992/37; vgl. auch Klein, in: Blumenwitliv. Mangoldt (Hrsg.), (Anm. 80),55; zur Loyalität von Minderheiten dem Staat gegenüber Tennent Harrington Baglay, The International Protection of Minorities, in: Satish Chandra (ed.), Minorities in National and International Laws, New Delhi 1985, 172 - 217, 205 - 208. 82 Vgl. etwa die in ähnlicher Situation in Deutschland entstandene Aggression gegen Asylanten wegen deren (angeblich) privilegierter Wohnungsversorgung etc. 83 Vgl. hierzu wiederum Dicke (Anm. 3), Europa-Archiv 48,110, sowie die Präambeln der G.V. Deklaration sowie des Vorschlags einer Europäischen Konvention (Anm. 62).

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Staatsgebietes besonders verpflichtet sind. 84 Minderheitenschutz leistet damit einen Beitrag zum bereits angesprochenen friedlichen Wandel innerhalb der Staatengemeinschaft. 8S Eine Beispiel von Konfliktprävention ist demgegenüber nicht, wenn durch Sezession bzw. Teilung, Umsiedlung oder sogar Völkermord "reinrassige" Staatsgebiete erreicht werden. 86 Die Umsiedlung und der Völkermord verstoßen gegen geltendes Völkerrecht. 87 Auch ein Recht auf Sezession ist im Völkerrecht bislang nicht anerkannt. 88 Die Verfolgung des Ziels ,,reinrassiger" Staatsgebiete ist deshalb abzulehnen. 89 Vielmehr muß sich Konfliktprävention um einen Interessenausgleich verschiedener Gruppen innerhalb eines bestehenden Staates bemühen.

III. Fehlender Identitätsschutz bzw. fehlende Förderung von Minderheiten im Staat

Assimiliert ein Staat die auf seinem Territorium lebenden Minderheiten zwar nicht, schützt er ihre Identität aber nicht oder fördert er ihre Identität nicht, so kommt es zwar nicht mehr im gleichen Maße zu ethnischen Konflikten. Jedenfalls kommt es jedoch zu graduellen Auflösungserscheinungen innerhalb der betroffenen Minderheit. Ethnische Konflikte treten, wenn auch nur in verringertem Ausmaß, aber immer noch auf. Zu der Gefahr von ethnischen Konflikten ist bereits im Rahmen der Erörterung der Fallgruppe der Assimilierung im Staat ausreichend Stellung bezogen worden. 90 Zu der Problematik der Gefahr gradueller Auflösungserscheinungen soll die Diskussion zwei stufig verlaufen. Zunächst ist darauf einzugehen, ob es tatsächlich zu Auflösungserscheinungen kommt. Anschließend ist zu erörtern, ob diese Entwicklung überhaupt schädlich ist und ob ihr Einhalt geboten werden muß. Schützt ein Staat die Identität der auf seinem Territorium lebenden Minderheiten nicht vor privaten Eingriffen, so kommt es zwangsläufig zu AssimilierungsverVgl. Text bei Anm. 15. Vgl. Delbrück, in: Wolfrum (ed.), (Anm. 52), 191 - 201. 86 V gl. Otto Kimminich, Minderheiten und Selbstbestimmung, in: Ermacora/l'retterl Pelzl (Hrsg.), (Anm. 13), 188 - 203, 202. 87 Hinsichtlich Umsiedlungen und den damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen vgl. de Zayas, in: BrälmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 5), 258/259; hinsichtlich Völkermorden vgl. Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide vom 9. Dezember 1948,78 UNTS 277, sowie Eide (Anm. 45), 11. 88 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 139 - 144. 89 So etwa Eide (Anm. 45), 11. 90 Vgl. Text bei Anm. 59 - 85. 84

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suchen durch die Angehörigen der Mehrheit. Ohne Schutz des Staates kann eine Minderheit ihre Identität nicht bewahren, da sie sich oft einem feindlichen Umfeld ausgesetzt sieht. 91 Graduelle Auflösungserscheinungen sind die natürliche Konsequenz. 92 Auch wenn ein Staat die Identität der auf seinem Territorium lebenden Minderheiten zwar schützt, aber nicht fördert, kommt es zu Auflösungserscheinungen. 93 Die Gründe für solche Entwicklungen sind vielfaltig. 94 Eine wichtige Rolle spielt zunächst das Bildungssystem: Oft ist es für Angehörige von Minderheiten nur unter erschwerten Bedingungen möglich, eine Minderheitenschule zu besuchen. 95 An ein Studium an einer Minderheitenuniversität oder andere weiterführende Ausbildung auf dem Territorium der Minderheit ist in vielen Fällen gar nicht zu denken. Berufsperspektiven bieten sich dementsprechend oft auch nur außerhalb des Gebiets, in dem die Minderheit lebt. Von großer Bedeutung ist weiter der Einfluß der Medien, der in der Regel zum größeren Teil auch der Kultur der Mehrheitsbevölkerung im Staat entsprechen wird. 96 Zudem können gemischte Familiengründungen zwischen Minderheits- und Mehrheitsangehörigen über Generationen zu Auflösungserscheinungen innerhalb der Minderheit führen. Schließlich kann auch von Bedeutung sein, daß es Minderheitenangehörigen aufgrund existierender Gleichberechtigung im Staat immer weniger wichtig ist, ihre Identität aufrechtzuerhalten. Immer unwichtiger wird die Aufrechterhaltung ihrer Identität den Minderheitenangehörigen insbesondere dann, Vgl. Stavenhagen (Anm. 63), 72. Vgl. Robert G. Wirsing, Dimensions of Minority Protection, in: ders. (ed.), Protection of Ethnic Minorities, Comparative Perspectives, New York/Oxfordfforonto/Sydney/Paris/ Frankfurt 1981,3 - 17,9; so auch Johannes Gruber, in: D. S. Constatopoulos (ed.), The Evolution of International Law since the Foundation of the U.N. with Special Emphasis on Human Rights, Institute of International Public Law and International Relations of Thessaloniki, Thessaloniki 1990,845 - 854, 850, mit besonderer Berücksichtigung der Politik der VN nach dem Zweiten Weltkrieg. 93 Renate Oxenknecht, Der Schutz ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten in Art. 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1988, nennt diese Entwicklung unbewußte Assimilierung, 103. 94 Zur Assimilierung allgemein vgl. Iso Camartin, Sprachliche Minderheiten, Strategien zu ihrer Erhaltung, in: Georg BrunnerlIso CamartinIHeribert HarbichiOtto Kimminich (Hrsg.), Minderheitenschutz in Europa, Heidelberg 1985, 101 - 117. 95 Vgl. Oxenknecht (Anm. 93), 103: "Damit eine Minderheitensprache in der Zukunft einen Zusammenhalt der Minderheit garantieren kann, ist es erforderlich, daß sie auch von außerhalb des Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreises Unterstützung findet."; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 21), 973: "To impede any organized and systemmatic language education would be tantamount to pursuing eradication policies and would thus constitute a denial in the sense envisaged by Art. 27." 96 Vgl. Stavenhagen (Anm. 63), 72; Oxenknecht (Anm. 93),103/104. 91

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wenn es ohnehin keine großen Unterschiede zwischen Minderheits- und Mehrheitskultur gibt. Das abnehmende Interesse an der Aufrechterhaltung der Minderheitenidentität kann besonders stark sein, wenn die Minderheit in einem Nachbarstaat, der aufgrund seiner Größe einen dominierenden Einfluß hat, die Mehrheit bildet. Die Minderheitensprache wird in diesen Fällen selbst von den Mehrheitsangehörigen (wenn auch nur als Fremdsprache) beherrscht. 97 Der Unterschied zwischen der Mutter- und der Fremdsprache wird dadurch für manche Minderheitenangehörigen bedeutungslos. Auflösungserscheinungen werden in der einen Situation schneller, in der anderen Situation langsamer auftreten. Je größer eine Minderheitenbevölkerung prozentual ist oder je größer das von ihr mehrheitlich bewohnte Gebiet ist, um so länger wird sich eine Minderheit halten können. In manchen Situationen spielen die oben genannten Faktoren eine größere, in manchen eine kleinere Rolle. So läßt sich erklären, warum die deutsche Minderheit in Nordschleswig prozentual immer geringer wird98 , während die dänische Minderheit in bestimmten Gebieten Südschleswigs99 sich nach wie vor relativ gut behaupten kann~oo Langfristig besteht die Gefahr von Auflösungserscheinungen jedoch selbst in den günstigsten Situationen. Nun könnte das Ergebnis naheliegen, daß ein Staat die auf seinem Territorium lebenden Minderheiten nicht fördern muß. Einerseits ist sicherlich richtig, daß Vgl. hierfür als Beispiel die zurückgehende deutsche Minderheit in Nordschleswig. 1953 gab es bei Wahlen zum Storting noch 10.000 Stimmen für die deutsche Minderheit, vgl. Knud Baerge Andersen, Deutschland und Dänemark 25 Jahre nach den BonnKopenhagener Erklärungen - Bilanz und Ausblick, in: Hermann-Ehlers-Akademie (Hrsg.), 1955 - 1980,25 Jahre Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen, Kiel 1980, 20 - 27, 25. Heute hat der Bund deutscher Nordschleswiger nur noch 4.000 Mitglieder, vgl. Gerhard Schmidt, Die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig, in: Landeszentale für politische Bildung Schleswig-Holstein (Hrsg.), Schleswig-Holstein, Eine politische Landeskunde, Kiel 1992, 313 - 320, 316. 99 Der Stimmenanteil des SSW bei Landtagswahlen liegt seit Jahrzehnten konstant um 20.000 - 25.000 Stimmen, vgl. Ralf Lehfeldt, Die dänische Minderheit in Südschleswig, in: Landeszentale für politische Bildung Schleswig-Holstein (Hrsg.), (Anm. 98), 305 - 312, 308. Seit der Bonner Erklärung vom 29. März 1955 war die dänische Minderheit von der 5 %-Sperrklausel befreit, die Grundrechte wurden als für die Angehörigen der Minderheit verbindlich erklärt, die Minderheitenschulen erhielten Examensrecht, die dort erworbene Hochschulzugangsberechtigung galt von nun an für beide Staaten, die Zuschüsse für dänische Privatschulen wurden auf 80 % der Kosten eines deutschen Schülers angehoben, vgl. Kai-Uwe v. Hassel, Der Weg zu den Bonn-Kopenhagener Erklärungen - Ein Beitrag zur Entspannung zwischen Deutschland und Dänemark, in: Hermann-Ehlers-Akademie (Hrsg.), (Anm. 98.),4 - 9, 7. 100 In Rumänien ist die deutsche Minderheit seit 1977/1978 um die Hälfte zurückgegangen, während die ungarische sich kaum verringerte, vgl. Wittstock (Anm. 75), FAZ Nr. 96 vom 25. April 1995, 13. 97

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Minderheiten für den Erhalt ihrer Identität primär selbst verantwortlich sind. Andererseits sprechen gegen das Ergebnis einer fehlenden staatlichen Verpflichtung zur Förderung von Minderheiten zwei bereits eingangs genannte Zielvorstellungen des Minderheitenschutzes und des Erhalts von Minderheiten. Zum einen ist das Recht des einzelnen Minderheitenangehörigen auf Wahrung der Minderheitenidentität Ausfluß des Prinzips der Menschenwürde. 101 Die Menschenwürde schützt danach nicht nur den Persönlichkeitskern, sondern auch die Kontakte des Individuums zu seiner Umwelt, insbesondere auch der Gruppe, zu der er gehört. 102 Zum anderen spricht für den Erhalt von Minderheiten der durch die gleichzeitige Existenz von Minderheit und Mehrheit hervorgerufene kulturelle Reichtum. 103 Ein Aspekt kulturellen Reichtums ist es, die kulturelle Identität einer Minderheit in ihrer Eigenheit und Besonderheit zu erhalten. 104 Beide Argumente sprechen für den bestmöglichen Erhalt von Minderheiten und machen es deshalb erforderlich, die Identität von Minderheiten nicht nur zu schützen, sondern sogar zu fördern. 105 101 Vg!. Gudmundur Alfredsson, Minority Rights: Non-Discrimination, Special Rights and Special Measures, in: ErmacorafTretteriPelzl (Hrsg.), (Anm. 13), 149 - 158, 149; Klein, in: Blumenwitllv. Mangoldt (Anm. 80), 51; Dicke (Anm. 3), Europa-Archiv 48,110, 115, der auf die Präambel der G.V. Deklaration verweist: " ... Reaffirming faith in fundamental human rights, in the dignity and worth of the human person, ... "; ebenso Vorseh!. Europ. Konv.: " ... Considering that the dignity and equal worth of every human being constitute fundamental elements of these principles ... "; zur Begründung der Menschenrechte in der Menschenwürde Klaus Dicke, Würde und Recht des Menschen, in: Heiner BielefeldtIWinfried Brugger/Klaus Dicke (Hrsg.), FS für Johannes Schwartländer zum 70. Geb., Würzburg 1992, 161 - 182, 161 ff. 102 Vgl. Erich H. Pircher, Der vertragliche Schutz ethnischer, psrachlicher und religiöser Minderheiten im Völkerrecht, Bern 1979, 25, 26; Gruber, in: Constantopoulos (ed.), (Anm. 92), 850. 103 Vg!. etwa Präambel der Europäischen Charta: "... Considering that the proteetion of the historical regional or minority languages of Europe, some of which are in danger of eventual extinction, contributes to the maintenance and development ofEurope's cultural wealth and traditions; ... "; weiter Art. 27 der Canadian Charter of Rights and Freedoms: "This Charter shall be interpreted in a manner consistent with the preservation and enhancement of the multicultural heritage of Canadians."; dazu Weber (Anm. 50), EuGRZ 1994,548. 104 Vg!. Sohn, in: Henkin (Hrsg.), (Anm. 4), 270/271; Yoram Dinstein, The Degree of Self-Rule ofMinorities in Unitarian and Federal States, in: BrälmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 5), 221 - 235, 228/229, der auf die bereits oben zitierte Entscheidung des StIGH im Minority Schools in Albania-Case verweist. 105 In diesem Sinne auch Lerner in seinem Dekalog von Rechten: etwa right to existence, right to identity, right to affirmative action, right to establish and maintain institutions, right to communicate, federate and cooperate nationally and internationally, Natan Lerner, Group Rights and Discrimination in International Law, DordrechtIBostonILondon 1991, 34 - 36; ders., The Evolution of Minority Rights in International Law, in: Brälmannl LefeberlZieck (eds.), (Anm. 5),77 - 101, 100/101.

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IV. Förderung von Minderheiten Fördert ein Staat die Identität der auf seinem Territorium lebenden Minderheiten, so kann die endgültige Auflösung der Minderheiten aufgrund des Einflusses vieler Faktoren zwar möglicherweise immer noch nicht verhindert werden. Es sind jedoch die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Minderheiten so lange wie möglich fortbestehen. Durch die Identitätsförderung wird es nur in begrenztem Umfang zu Interessengegensätzen und damit zu ethnischen Konflikten kommen. Zielvorstellungen des Minderheitenschutzes wie die Bewahrung der Menschenwürde der Minderheitenangehörigen und der kulturellen Identität der Gruppe werden bestmöglich erreicht. Der durch das Nebeneinander von Minderheit und Mehrheit im Staat erhaltene Reichtum hat neben der kulturellen Identität der Gruppe überdies noch einen weiteren Aspekt. Minderheit und Mehrheit können sich gegenseitig im Sinne einer "dynamisch-kulturellen" Gesellschaft beeinflussen. Dabei bestehen Minderheit und Mehrheit nicht lediglich nebeneinander, ohne gegenseitig aufeinander Einfluß zu haben. Vielmehr bereichern sich beide gegenseitig und entwickeln sich in einem dynamischen Prozeß fort. 106 Dadurch wird nicht nur der demokratische Wert des Pluralismus, sondern auch der der Toleranz gestärkt. 107 Auch in den Präambeln einiger völkerrechtlicher Minderheitenschutzinstrumente findet sich der Hinweis auf Pluralismus und gegenseitige Bereicherung. 108 Interessant ist dabei, daß sich das Prinzip des kulturellen Reichtums in all jenen Instrumenten findet, deren Gehalt hinsichtlich kollektiver und positiver Minderheiten-

106 Vgl. Sohn, in: Henkin (ed.), (Anm. 4), 270/271; Sanders (Anm. 10), HRQ 13, 375; Nowak, in: BrälmannlLefeberlZieck (eds.), (Anm. 5), 118; Trakman (Anm. 45), N.Y.U.JIL 24, 1650; Eide (Anm. 45), 38 ff., spricht von einem "pluralism in togetherness"; Lord Henry Grimond, The Value of Minorities, in: Ben Whitaker (ed.), Minorities: A Question of Human Rights?, Oxford/New Yorkfforonto/SydneylParisfFrankfurt 1984, 55 - 62. 107 Vgl. Andrysek (Anm. 45), 40 - 42; Eide (Anm. 45), 26; Nowak, in: BrälmannlLefeberlZieck (eds.), (Anm. 5), 118: ,,A multi-cultural society certainly does not imply levelling and assimilation hut rather a conscious living together of different peoples in a spirit of mutual respect, understanding and enrichment. "; Manfred Nowak, Minderheitenschutz und Selbstbestimmungsrecht in der Praxis des UNO-Ausschusses für Menschenrechte, in: Ennacora/TretterlPelzl (Hrsg.), (Anm. 13),204 - 217, 217; Asbjoem Eide, In Search of Constructive Alternatives to Secession, in: Christian Tomusehat (ed.), Modem Law of SelfDetermination, DordrechtIBostonILancaster 1993, 139 - 165. 108 Entw. Zus. Prot.: " ... 1. Considering that the diversity of peoples and cultures with which it is imbued is one of the main sources of the richness and vitality of European civilisation, ... "; Vorschl. Europ. Konv.: "... Considering that minorities contribute to the pluriformity and cultural diversity within European States; ... "; Europäische Charta: " ... Stressing the value of interculturalism and multilingualism ... ".

190

Kapitel IV: Rechtspolitische Erwägungen

rechte seltr weit geht. 109 Das Ziel der Erhaltung der Menschenwürde wird auch in ihnen genannt, das Ziel der Konfliktprävention in einigen von ihnen. 110 Völkerrechtliche Instrumente mit einem eher konservativen Gehalt von Minderheitenrechten enthalten als Zielvorstellungen hingegen nur Menschenwürde und Konfliktprävention. lll Die neue Europäische Rahmenkonvention zum Schutz von Minderheiten umfaßt in ihrer Präambel sogar alle vier Zielvorstellungen. 112 Selbst die Förderung der Identität von Minderheiten wird in einigen Fällen die Assimilierung von Minderheiten nicht verhindern können. ll3 Aufgrund der im Rahmen der Diskussion der Fallgruppe des fehlenden Identitätsschutzes bereits erörterten Gründe für Auflösungserscheinungen kann selbst die bestmögliche Förderung einer Minderheit deren endgültige Auflösung nicht unbedingt verhindern. Der die betroffene Minderheit fördernde Staat hat im Moment der endgültigen Auflösung der Minderheit seine Schuldigkeit getan. Er ist nicht verpflichtet und auch nicht berechtigt, die Minderheit künstlich am Leben zu erhalten. Der Grund hierfür besteht darin, daß die primäre Verantwortung für den Erhalt einer Minderheit bei der Minderheit selbst liegt. Die Grenze des positiven wie des kollektiven Minderheitenschutzes für den Minderheiten fördernden Staat besteht in dem Recht des Minderheitenangehörigen auf Assimilierung. 114 Da das Recht des einzelnen Minderheitenangehörigen auf freie Entscheidung über seine Minderheitenzugehörigkeit von besonderer Bedeutung ist, kann ein Staat Minderheitenangehörige nicht dazu zwingen, Maßnahmen des Minderheitenschutzes in Anspruch zu nehmen. Vielmehr muß er assimilierungswillige Minderheitenangehörige im Falle auftretender "minority group pressures" sogar vor Disziplinierungsversuchen sei109 So etwa der Vorschlag einer Europäischen Konvention, der Entwurf eines Zusatzprotokolls und die Europäische Charta. 110 So etwa der Vorschlag einer Europäischen Konvention und der Entwurf eines Zusatzprotokolls. 111 So etwa G.V.-Deklaration 47/137 und das Kopenhagen-Dok. 112 Menschenwürde: " ... Considering that one ofthe methods by which that aim is to be pursued is the maintenance and further realisation of human rights and fundamental freedoms; ... "; Konfliktprävention: " ... Considering that the upheavals of European history have shown that the protection of national minorities is essential to stability, democratic security and peace in this continent; ... "; kultureller Reichtum und gegenseitige Bereicherung: " ... Considering that the creation of a climate of tolerance and dialogue is necessary to enable cultural diversity to be a source and a factor, not of division, but of enrichment for each society; ... ". 113 Vgl. etwa das im Text bei Anm. 98 genannte Beispiel der deutschen Minderheit in Nordschleswig. 114 Vgl. Kapitel 11, Text bei Anm. 258/259, etwa Art. 3 Abs. I Rahmenkonvention: ,.Every person belonging to anational rninority shall have the right freely to choose to be treated or not to be treated as such and no disadvantage shall result from this choice or from the exercise ofthe rights which are connected to that choice."

B. Erforderlichkeit positiven Minderheitenschutzes

191

tens der Minderheit als ganzer schützen. Positiver Minderheitenschutz ist damit als ein Angebot des Staates zu Schutz und Förderung zu begreifen, das von den Minderheitenangehörigen nach freier Entscheidung angenommen oder abgelehnt werden kann. 115 Positive Minderheitenrechte, also Rechte auf Schutz- und Förderungsmaßnahmen, sollten in den genannten Grenzen auf universaler, regionaler und bilateraler Ebene in Minderheitenschutzinstrumente einfließen.

115

So auch Klein, in: Blumenwitdv.Mangoldt (Hrsg.), (Anm. 80), 54.

KAPITEL V Durchsetzung des kollektiven und Durchsetzung des positiven Minderheitenschutzes Neben dem materiellen Gehalt der Minderheitenrechte sind zweites entscheidendes Kriterium eines jeden Minderheitenschutzsystems die Regelungen zur Durchsetzbarkeit der gewährten Minderheitenrechte. Ein effektiver Durchsetzungsmechanismus ist Grundvoraussetzung für einen wirkungsvollen Minderheitenschutz auf völkerrechtlicher Ebene. l Vielen Staaten fehlt die Einsicht, daß es nicht ausreicht, Minderheitenrechte theoretisch vorzusehen, sondern daß es vielmehr erforderlich ist, nationale Verfahrensrechte zu ihrer Durchsetzung zu schaffen. 2 Andere Staaten haben dies zwar erkannt, bei der Umsetzung treten aber dennoch Schwierigkeiten auf. Deshalb müssen auch auf internationaler Ebene Mechanismen entwickelt werden, um die Staaten zur Einhaltung der von ihnen eingegangenen Minderheitenschutzverpflichtungen anzuhalten. 3 Im folgenden soll nun eine kritische Bestandsaufnahme von existierenden Durchsetzungsmechanismen im Bereich des Minderheitenschutzes vorgenommen werden. Danach werden abschließend in gebotener Kürze Kriterien für ein Durchsetzungsmodell eines effektiven, völkerrechtlichen Minderheitenschutzes entwikkelt.

1 Vgl. Manjred Nowak, The Evolution of Minority Rights in International Law, Comments, in: Catherine BrälmannIRene Lejeber/Marjoleine Zieck (eds.), Peoples and Minorities in International Law, DordrechtlBostoniLondon 1993, 103 - 118, 112. 2 Vgl. Klaus Dicke, Die VN-Deklaration zum Minderheitenschutz, Europa-Archiv 48 (1993), 107 - 116, 115. 3 Vgl. Wolfram Karl, Besonderheiten der internationalen Kontrollverfahren zum Schutz der Menschenrechte, in: Walter KälinlEibe RiedellWolfram Kar! (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes, BDGV 33, Heidelberg 1993, 83 - 122,83/84; Gudmundur AlfredssonlAlfred de Zayas, Minority Rights: Proteetion by the United Nations, HRLJ 14 (1993), 1 - 8, 4.

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

193

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen Die kritische Bestandsaufnahme von internationalen Durchsetzungsmechanismen soll sich auf die Minderheitenschutzinstrumente konzentrieren, die über die Nichtdiskriminierung hinaus auch Minderheitenschutz im engeren Sinne enthalten. 4 Bei den regionalen Instrumenten wird sich die Untersuchung deshalb auf Europa beschränken. Zunächst werden jedoch minderheitenschutzrechtliche Durchsetzungsmechanismen auf universaler Ebene behandelt werden. In einem zweiten Schritt ist auf die Durchsetzungsmechanismen von Europarat und OSZE einzugehen. Schließlich werden auch bilaterale Mechanismen untersucht werden.

I. Universelle Ebene

Auf universeller Ebene ist wiederum zunächst mit einer Analyse der relevanten Vorschriften des IPBürg zu beginnen. Eine Untersuchung der G.V.-Deklaration 47/137 schließt sich an.

1. IPBürg (Menschenrechtsausschuß) a) Innerstaatliches Veifahren

In Art. 2 Abs. 3lit. a garantiert der IPBürg bei der möglichen Verletzung der im Pakt garantierten Rechte, und damit auch des Art. 27, ein innerstaatliches Überprüfungsverfahren. 5 Das innerstaatliche Verfahren geht internationalen Durchsetzungsmechanismen vor, weil dies dem Grundsatz Rechnung trägt, daß Menschenrechte als eine Beziehung zwischen Staat und Individuen in erster Linie im Rahmen der staatlichen Rechtsordnung zu sichern sind. 6

4 Aus diesem Grund wird z. B. nicht auf den Durchsetzungsmechanismus aus der Rassendiskriminierungskonvention eingegangen, vgl. dazu B. G. Ramcharan, Fact-Finding into the Problems of Minorities, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 1),239 - 251, 243. 5 ,,Bach State party to the present Covenant undertakes: To ensure that any person whose rights or freedoms as herein recognized are violated shall have an effective remedy, notwithstanding that the violation has been committed by persons acting in official capacity;

.

6 Ygl. Karl, in: BDGY 33 (Anm. 3), 85; Manfred Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, Kehl/Straßburgl Arlington 1989, Art. 2 para. 56; Eckart Klein, Konzeption und Durchsetzung des Minderheitenschutzes, in: Dieter BlumenwitliHans v. Mangoldt (Hrsg.), Neubestätigung und Wei-

13 Niewerth

194 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes

Aus Art. 2 Abs. 3 lit. b IPBürg ergibt sich dabei, daß der gerichtliche Rechtsschutz innerhalb des Kanons innerstaatlicher Verfahrensgarantien den Vorrang vor administrativer oder legislativer Überprüfung genießt.? Von besonderer Wichtigkeit ist, daß der innerstaatliche Rechtsschutz effektiv sein muß. Daraus folgt, daß entgegen dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 3lit. a IPBürg die vertretbare Behauptung, in einem materiellen Recht verletzt zu sein, zur Geltendmachung des Rechts auf Rechtsschutz ausreicht. 8 Dabei wird nicht nur repressiver, sondern in gewissem Umfang auch präventiver Rechtsschutz erfaßt. 9 Art. 2 Abs. 3 lit. c IPBürg verpflichtet die Vertragsstaaten schließlich, nicht nur Rechtsschutz de iure zu gewähren, sondern diesen auch in der Praxis durchzusetzen. 10

b) Staatenberichtsverfahren Als ein erstes Instrument eines internationalen Durchsetzungsmechanismus regelt Art. 40 IPBürg die regelmäßig von den Vertrags staaten dem Menschenrechtsausschuß vorzulegenden Staatenberichte. Das Staatenberichtsverfahren des IPBürg ist deshalb besonders interessant, weil andere Durchsetzungsmechanismen, etwa der des Europarats, Staatenberichte gar nicht vorsehen. 11 In der Praxis des Menschenrechtsausschusses hat das Berichtsprüfungsverfahren bisher die größte Rolle gespielt, da es das einzige obligatorische Verfahren zur internationalen Durchsetzung des Paktes darstellt. 12 Staaten sind nach Art. 40 Abs. 1 lit. a innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Paktes für den betreffenden Staat zur Abgabe eines Erstberichts verpflichtet. Genügt der Erstbericht nicht den Anforderungen des Menschenrechtsausschusses,

terentwicklung von Menschenrechten und Volksgruppenrechten in Mitteleuropa, Bonn 1991,51 - 60, 56/57. 7 ..... To ensure that any person cJaiming such a remedy shall have his right thereto deterrnined by competent judicial, administrative or legislative authorities, or by any other competent authority provided for by the legal system of the State, and to develop the possibilities of judicial remedy; ... u; vgl. dazu Nowak (Anm. 6), Art. 2 para. 58 ff. 8 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 2 para. 63. 9 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 2 para. 64 ff. 10 ..... To ensure that the competent authorities shall enforce such remedies when granted. u 11 Andererseits ist das darauf zurückzuführen, daß Staaten- und Individualbeschwerden im Rahmen des IPBürg fakultativ sind, während im Rahmen der EMRK zumindest Staatenbeschwerden grundsätzlich erhoben werden können. 12 V gl. Nowak (Anm. 6), Art. 40 para. I; Nowak, in: BrölmannlLeJeberfZieck (Hrsg.), (Anm. 1), 112.

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

195

ist er z. B. offensichtlich mangelhaft l3 , so kann der Menschenrechtsausschuß einen Zusatzbericht anfordern. 14 Gern. Art. 40 Abs. 1 lit. b sind die Staaten nach ihrem Erstbericht alle 5 Jahre zu einem weiteren periodischen Bericht verpflichtet. 15 Während viele Staaten ihrer Berichtspflicht nachgekommen sind, haben andere Vertragsstaaten Berichte noch überhaupt nicht oder nur mit großen Verzögerungen eingereicht. 16 Gern. Art. 40 Abs. 1 sind die Vertragsstaaten verpflichtet, über die Maßnahmen, die sie zur Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte getroffen haben, und über die dabei erzielten Fortschritte zu berichten. Das Wort "Maßnahmen" ist dabei in einem umfassenden Sinne zu verstehen und beinhaltet neben Gerichtsund Verwaltungsentscheidungen sowie Gesetzgebungsakten auch sonstige Maßnahmen, die ein Staat zur Durchsetzung der Konventionsrechte trifft. 17 Der Menschenrechtsausschuß hat die Regierungen deshalb verschiedentlich aufgefordert, die tatsächliche Menschenrechtssituation und nicht lediglich die Rechtslage in den Mittelpunkt ihrer Berichte zu stellen. 18 Die eingereichten Berichte der Staaten werden vom Menschenrechtsausschuß geprüft. 19 Der Ausschuß übernimmt dabei nicht die Funktion eines Gerichts, wodurch seine Kontrollfunktion eingeschränkt wird. Vielmehr führt er mit den betroffenen Staaten einen konstruktiven Dialog, um sie so bei der Umsetzung der Verpflichtungen des Paktes zu unterstützen. 20 Die Ausschußmitglieder können für 13 Vgl. Arthur Henry Robertson, The Implementation System: International Measures, in: Louis Henkin (ed.), The International Bill of Rights, Boston 1981, 332 - 369, 341; Dominic McGoldrick, The Human Rights Committee, Oxford 1991, 62; Nowak (Anm. 6), Art. 40 para. 7. 14 Vgl. Robertson, in: Henkin (ed.), (Anm. 13),344; McGoldrick (Anm. 13),54 ff.; lose L. Gomez dei Prado, United Nations Conventions on Human Rights, The Practice of the Human Rights Committee and the Committee on the Elimination of Racial Discrimination in Dealing with Reporting Obligations of States Parties, HRQ 7 (1985),492 - 513, 508. 15 Art. 40 Abs. 1: "The States Parties to the present Covenant undertake to submit reports on the measures they have adopted which give effect to the rights recognized herein and on the progress made in the enjoyment of those rights: (a) Within one year of the entry into force of the present Covenant for the States Parties concerned; (b) Thereafter whenever the Committee so requests." 16 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 40 para. 10. 11 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 40 para. 14. 18 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 40 para. 14. 19 Art. 40 Abs. 4 S. 1: "The Committee shall study the reports submitted by the States Parties to the present Covenant." 20 Vgl. Man/red Nowak, Die Durchsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, EuGRZ 7 (1980), 532 - 544, 536; McGoldrick (Anm. 13),66; Nowak (Anm. 6), Art. 40 para. 3.

13*

196 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes

diese Prüfung neben dem Bericht des betroffenen Staates selbst auch Informationen aus den Medien sowie Berichte nichtstaatlicher und internationaler (ILO, UNESCO) Organisationen verwenden. 21 Ein eigener Beobachtungsmechanismus fehlt dem Ausschuß jedoch. Zwar wird eine gewisse Beobachtungsfunktion vom UN-Human Rights Center in Genf sowie von Sonderberichterstattern22 und Arbeitsgruppen23 wahrgenommen. 24 Jedoch ist bisher noch keine Stelle innerhalb der Vereinten Nationen ausschließlich und fortdauernd mit der Beobachtung allgemeiner Minderheitenfragen und damit mit systematischem Fact-finding befaßt gewesen. 2S Das Berichtsprüfungsverfahren schließt mit einem eigenen Bericht des Ausschusses zu jedem einzelnen Vertragsstaat sowie allgemeinen Bemerkungen ab. 26 Gern. Art. 40 Abs. 5 IPBürg können die Vertragsstaaten dem Ausschuß zu dessen Bemerkungen Stellungnahmen übermitteln. 27 Der Menschenrechtsausschuß hat jedoch bis heute keinen einzigen Bericht gern. Art. 40 IPBürg angefertigt und folglich noch kein Berichtsverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen. 28 Dementsprechend hat es bisher auch noch keine Stellungnahme gern. Art. 40 Abs. 5 im Bereich des Minderheitenschutzes gegeben. 29 Allgemeine Bemerkungen zu Art. 27 IPBürg sind inzwischen aber ergangen. 3D 21

Vgl. Nowak (Anm. 20), EuGRZ 1980,536; McGoldrick (Anm. 13),75 ff.; Nowak

(Anm. 6), Art. 40 para. 39; Robertson, in: Henkin (ed.), (Anm. 13), 349, weist darauf hin,

daß Informationen jedoch nicht dem Ausschuß als solchem zur Verfügung gestellt werden können. 22 Etwa Sonderberichtserstatter Eide der Sub-Commission. 23 Etwa UN W orking Group on Indigenous Populations. 24 Vgl. dazu Ramcharan, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 4),241. 2S Vgl. Alfredssonlde Zayas (Anm. 3), HRLI 14,4; Ramcharan, in: BrölmanniLefeberl Zieck (eds.), (Anm. 4), 251. 26 Art. 40 Abs. 4 S. 2 u. 3: ,Jt shall transmit its reports, and such general comments as it may consider appropriate, to the States Parties. The Comrnittee may also transrnit to the Econornic and Social Council these comments along with the copies of the reports it has received from States Parties to the present Covenant."; ob eigene Berichte und allgemeine Bemerkungen bezüglich einzelner Staaten oder allgemein bezüglich der Gesamtheit der Vertragsstaaten zu verfassen sind, ist im einzelnen umstritten, vgl. McGoldrick (Anm. 13), 89 ff.; Torkel Opsahl, The General Comments of the Human Rights Comrnittee, in: Jürgen Jekewitv'Heinz KleinlJörg Detlef Kühne/Hans PetersmannlRüdiger Wolfrum (Hrsg.), Des Menschen Recht zwischen Freiheit und Verantwortung, FS für Karl Josef Partsch zum 75. Geb., Berlin 1989,273 - 286, 274 ff.; Nowak (Anm. 6), Art. 40 para. 40 ff. 27 "The States Parties to the present Covenant may subrnit to the Comrnittee observations on any comments that may be made in accordance with paragraph 40fthis article." 28 Berichte gern. Art. 45 IPBürg hat der Ausschuß allerdings angefertigt. 29 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 40 para. 61. 30 VgI. Allgemeine Bemerkungen zu Art. 27 vom April 1994, zitiert in: InfAuslR 1995, 221/222; noch 1993 hatte der Menschenrechtsausschuß nach längeren Diskussionen be-

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

197

c) Staatenbeschwerdeve1j'ahren

Der Ausschuß ist gern. Art. 41 IPBürg befugt, Staatenbeschwerden von dritten Vertragsstaaten über einen Vertragsstaat entgegenzunehmen und zu prüfen, wenn beide Staaten die Zuständigkeit des Ausschusses hierfür anerkannt haben. 31 Nur wenige Staaten haben allerdings die Zuständigkeit des Ausschusses für Staatenbeschwerden bisher anerkannt. 32 In der Praxis ist das Instrument der Staatenbeschwerde im IPBürg im Gegensatz zur EMRK bisher bedeutungslos geblieben. 33 Sinn und Zweck des Staatenbeschwerdeverfahrens ist, im Falle einer besonderen Intensität von Menschenrechtsverletzungen, also einer Gefährdung der "public order" aller Vertrags staaten, tätig zu werden und generell die Einhaltung eines Mindeststandards von Menschenrechten einzufordern. 34 Dementsprechend wird die Staatenbeschwerde auch nur in besonderen Situationen eingesetzt werden. Im Staatenbeschwerdeverfahren hat der dritte Vertrags staat den betroffenen Vertragsstaat zunächst auf eine mögliche Verletzung einer Bestimmung des Paktes hinzuweisen. 35 Wird die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten zur beiderseitigen Zufriedenheit geregelt, so hat jede der beiden Seiten das Recht, die Sache dem Ausschuß zu unterbreiten. 36 Der Ausschuß darf sich mit ihr jedoch nur befassen, wenn vorher die innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft worden sind. 37 schlossen, daß die geplanten Bemerkungen noch nicht entscheidungsreif seien, vgl. UN Doc. CCPRlC/SR.590, 607, 618, 633; UN Doc. Al41140, 94 para. 412; Manfred Nowak, UN-Ausschuß für Menschenrechte - Rechtsprechungsbericht, EuGRZ 13 (1986), 605 ff., 607; Alfred de Zayas, The International ludicial Protection of Peoples an Minorities, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 1),253 - 287, 262. 31 Abs. 1: ,.A State Party to the present Covenant may at any time declare under this article that it recognizes the competence of the Comrnittee to receive and consider communications to the effect that aState Party claims that another State Party is not fulfilling its obligations under the present Covenant. Communications under this article may be received and considered only if submitted by aState Party which has made a declaration recognizing in regard to itself the competence of the Comrnittee.... ". 32 Bis zum 1. Januar 1993 37 von 114 Vertrags staaten, darunter Dänemark, Deutschland, Italien, Finnland, Kanada, nicht hingegen die USA. 33 Vgl. Nowak, in: BrölmannlLefeberlZieck (eds.), (Anm. 1), 112; de Zayas, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 30), 270. 34 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 41 para. 16, 17. 35 Abs. llit. a: ,,If aState Party to the present Covenant considers that another State Party is not giving effect to the provisions of the present Covenant, it may, by written communication, bring the matter to the attention of that State Party ...." 36 Abs. 1 lit. b: "If the matter is not adjusted to the satisfaction of both States Parties concemed within six months after the receipt by the Receiving State of the initial communication, either State shall have the right to refer the matter to the Comrnittee, by notice given to the Comrnittee and to the other State." 37 Abs. 1 lit. c: "The Comrnittee shall deal with a matter referred to it only after it has ascertained that all available domestic remedies have been invoked and exhausted in the

198 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes Anschließend hat der Ausschuß innerhalb von 12 Monaten einen Bericht vorzulegen, der den beteiligten Staaten übennittelt wird, wobei es sein Bestreben sein wird, eine gütliche Regelung herbeizuführen. 38 Die für den im Bericht darzustellenden Sachverhalt erforderlichen Tatsachen kann der Ausschuß erlangen, indem er die beteiligten Vertragsstaaten auffordert, schriftlich und/oder mündlich alle erheblichen Angaben beizubringen.39 Der Ausschuß selbst kann hingegen Untersuchungen, sei es an Ort und Stelle, sei es durch Zeugenvernehmung, nicht vornehmen. 40 Der Rückgriff auf Informationen aus den Medien sowie Berichte nichtstaatlicher Organisationen ist den Ausschußmitgliedern im Gegensatz zu Art. 40 IPBürg ebenfalls nicht gestattet. Andererseits besteht jedoch die Möglichkeit, daß sich der dritte Vertragsstaat Informationen aus den Medien oder von nichtstaatlichen Organisationen zu eigen macht. Über eine Darstellung des Sachverhalts geht der Bericht weder im Fall einer gütlichen Regelung noch im entgegengesetzten Fall hinaus. 41 Eine eigene materiellrechtliche Stellungnahme kann der Ausschuß damit nicht abgeben. 42 Sinn und Zweck des Staatenbeschwerdeverfahrens des IPBürg liegt folglich eher bei der friedlichen Streitbeilegung, also der politischen, als bei der rechtlichen Lösung menschenrechtlicher Fragen. Die Vernachlässigung des rechtlichen Aspekts stellt eine bedeutende Schwäche gegenüber dem Staatenbeschwerdeverfahren der EMRK dar.

matter, in conformity with the generally recognized principles of intemationallaw. This shall not be the rule where the application of the remedies is unreasonably prolonged." 38 Abs. I lit. e: "Subject to the provisions of sub-paragraph (c), the Committee shall make available its good offices to the States Parties concemed with a view to a friendly solution of the matter on the basis of respect for human rights and fundamental freedoms as recognized in the present Covenant." 39 Abs. llit. f: ,Jn any matter referred to it, the Committee may call upon the States Parties concemed, referred to in sub-paragraph (b), to supply any relevant information." lit. g: "The States Parties concemed, referred to in sub-paragraph (b), shall have the right to be represented when the matter is being considered in the Committee and to make submissions orally andlor in writing." 40 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 41 para. 33; Joan F. Hartman, Derogation from Human Rights Treaties in Public Emergencies - A Critique of Implementation by the European Commis si on and Court of Human Rights and the Human Rights Committee of the Uni ted Nations, HarvardILJ 22 (1981), I - 52, 41 ff. 41 Abs. 1 lit. h: "The Committee shall, within twelve months after the date of receipt of notice under sub-paragraph b) submit areport: (i) If a solution within the terms of sub-paragraph e) is reached, the Committee shall confine its report to a brief statement of the facts and of the solution reached; (ii) If a solution within the terms of sub-paragraph e) is not reached, the Committee shall confine its report to a brief statement of the facts; the written submissions and record of the oral submissions made by the States Parties concemed shall be attached to the report. In every matter, the report shall be communicated to the States Parties concemed." 42 Vgl. Robertson, in: Henkin (eds.), (Anm. 13), 144; Nowak (Anm. 6), Art. 41 para. 40.

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

199

Wird eine gütliche Regelung nicht erzielt, so kann der Menschenrechtsausschuß mit vorheriger Zustimmung der beteiligten Vertragsstaaten eine Ad-hoc- Vergleichskommission einsetzen, die wiederum versuchen wird, eine gütliche Regelung herbeizuführen. 43 Auch der abschließende Bericht der Ad-hoc-Kommission enthält jedoch neben der Sachverhaltsdarstellung lediglich ihre Ansichten über Möglichkeiten einer gütlichen Regelung. In der Praxis sind weder Art. 41 noch Art. 42 IPBürg bisher jemals angewendet worden. 44

d) Individualbeschwerdeverfahren Gern. Art. 1 des 1. Fakultativprotokolls zum IPBürg ist der Menschenrechtsausschuß über Staatenberichte und -beschwerden hinaus auch zur Entgegennahme und Prüfung von Individualbeschwerden zuständig, wenn der betroffene Staat Vertragsstaat des Paktes und des Protokolls ist. Individualbeschwerden sind Mitteilungen von Individuen, also natürlichen Personen, die der Jurisdiktion eines Vertragsstaates des Protokolls unterstehen, die behaupten, Opfer einer Verletzung der im Pakt anerkannten Rechte durch diesen Vertragsstaat zu sein. 45 Beschwerden von juristischen Personen, Personenvereinigungen sowie internationalen nichtstaatlichen Organisationen sind hingegen ausgeschlossen. 46 Da das Fakultativprotokoll bisher nur von einer begrenzten Anzahl von Staaten ratifiziert wurde47 , hat es Indi43 Art. 42 Abs. 1 lit. a: "If a matter reffered to the Committee in accordance with article 41 is not resolved to the satisfaction of the States Parties concerned, the Committee may, with the prior consent of the States Parties concerned, appoint an ad hoc Conciliation Commission (Hereinafter referred to as the Commission). The good offices of the Commission shall be made available to the States Parties concerned with a view to an amicable solution of the matter on the basis of respect for the present Covenant; ... " 44 Vgl. Robertson, in: Henkin (ed.), (Anm. 13),355; Torkel Opsahl, The Human Rights Committee, in: Philip Alston (ed.), The United Nations and Human Rights, Oxford 1992, 369 - 443, 420. 45 Art. 1: ,,A State Party to the Covenant that becomes a party to the present Protocol recognizes the competence of the Committee to receive and consider communications from individuals subject to the jurisdiction who claim to be victims of a violation by that State Party of any of the rights set forth in the Covenant. No communication shall be received by the Committee if it concerns aState Party to the Covenant which is not a party to the present Protocol."; vgl. allgemein Alfred de Zayas/J. Mällerfforkel Opsahl, Application ofthe International Covenant on Ci vii and Political Rights under the Optional Protocol by the Human Rights Committee, GYIL 28 (1985), 9 - 64. 46 Vgl. Anm. 45. 47 Bis zun 24. Mai 1993 waren 67 von 116 Vertrag staaten auch an das 1. Fakultativprotokoll gebunden; Vertragsstaaten auch des Protokolls sind unter anderen Dänemark, Finnland, Italien, Kanada, Frankreich, nicht hingegen Deutschland und die USA; vgl. für das Erfordernis der Ratifikation Art. 8 Abs. 2.

200 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes

vidualbeschwerdeverfahren auch nur hinsichtlich dieser Staaten gegeben. Insgesamt kann das Verfahren jedoch als durchaus erfolgreich angesehen werden. 48 Der Ausschuß prüft jede eingereichte Mitteilung zunächst auf ihre Zulässigkeit. Unzulässig ist sie, wenn sie anonym ist oder wenn der Ausschuß sie für eine mißbräuchliche Beschwerde oder für unvereinbar mit den Bestimmungen des Paktes hält. 49 Als mißbräuchlich werden Beschwerden z. B. angesehen, wenn eine bereits abgewiesene Beschwerde erneut eingebracht wird oder wenn die Beschwerde mit exzessiver Verspätung eingebracht wird. 50 Vereinbar mit den Bestimmungen des Paktes müssen Beschwerden ratione temporis 51 , ratione personae 52 , ratione loci53 oder ratione materiae54 sein. 55 Voraussetzung für eine Prüfung ist weiter, daß die Sache nicht bereits vor einer anderen internationalen Instanz geprüft wird und die Person alle zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Rechtsmittel erschöpft hat. 56 Diese Merkmale der Unzulässigkeit werden entweder genauso oder in abgewandelter Form auch in anderen Durchsetzungsmechanismen wie etwa dem der EMRK geregelt. 48

49

Vgl. Nowak, in: Brölmann/LejeberfZieck (eds.), (Anm. 1), 112. Art. 3: "The Comrnittee shall consider inadmissible any communication under the pre-

sent Protocol which is anonyrnous, or which it considers to be an abuse of the rights of submission of such communications or to be incompatible with the provisions of the Covenant." 50 Vgl. McGoldrick (Anm. 13), 197; Comm. No. 72/1980; Nowak (Anm. 6), Art. 3 FP para. 13,14; dieser, ebda., 14, weist daraufhin, daß hinsichtlich der exzessiven Verspätung auf die Rechtssprechung des EGMR zurückgegriffen werden kann. Die EMRK habe offensichtlich dem 1. Fakultativprotokoll als Vorlage gedient. 51 Verletzungen vor Inkrafttreten des Vertrages. 52 Erfordernisse der aktiven und passiven Beschwerdelegitimation. 53 Verletzungen von Personen, die sich auf dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates befinden und seiner Herrschaftsgewalt unterstehen. 54 Verletzungen von in diesem Pakt anerkannten Rechten. 55 Vgl. dazu McGoldrick (Anm. 13), 160 ff.; de Zayas, in: Brölmann/LejeberfZieck (eds.), (Anm. 30), 261. 56 Art. 5 Abs. 2: "The Comrnittee shall not consider any communication from an individual unless it has ascertained that: a) The same matter is not being examined under another procedure of international investigation or settlement. b) The individual has exhausted all available domestic remedies. This shall not be the rule where the application of the remedies is unreasonably prolonged." Vgl. hierzu die Empfehlung des Ministerkomi tees des Europarates, wonach auch abgeschlossene Verfahren hätten umfaßt werden sollen. Die genannten europäischen Staaten haben ihre Ratifikationen mit einem entsprechenden Vorbehalt verbunden; vgl. Committee of Ministers Res. (70) 17 od 15 May 1970; Nowak (Anm. 6), Art. 5 FP para. 15; zur Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges allgemein )ost Delbrück, The Exhaustion of Local Remedies Rule and the International Protection of Human Rights - a Plea for a Contextual Approach, in: FS Partsch (Anm. 26), 213 - 231.

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

201

Nachdem der Ausschuß dem Vertragsstaat, dem eine Verletzung einer Bestimmung des Paktes vorgeworfen wird, die Mitteilung zur Kenntnis gebracht hat~7, prüft er sie unter Berücksichtigung der ihm von der Person und dem betroffenen Vertragsstaat unterbreiteten schriftlichen Angaben. ~8 Wiederum ist der Ausschuß beim Fact-finding auf die Angaben der beteiligten Parteien, also diesmal der Person und des betroffenen Staates, beschränkt. 59 Abschließend teilt der Ausschuß seine Auffassungen dem betroffenen Vertragsstaat und der Person mit60 , wobei er im Gegensatz zum Staatenbeschwerdeverfahren auch eine materiellrechtliche Stellungnahme abzugeben hat. 61 Diese veröffentlichten Auffassungen sind im Gegensatz zu den Gerichtsverfahren der EMRK und AMRK völkerrechtlich nicht verbindlich. 62 In der völkerrechtlichen Praxis spielt dieser Unterschied jedoch keine allzu große Rolle, weil einerseits auch Gerichtsentscheidungen wegen der beschränkten Sanktionsmittel des Völkerrechts zum Teil nicht durchsetzbar sind, andererseits die Auffassungen des Menschenrechtsausschusses in der Weltöffentlichkeit einen solchen Druck auf den betroffenen Vertrags staat bewirken, daß dieser sich oft an sie halten wird. 63

57 Art. 4: ,,(1) Subject to the provisions of article 3, the Committee shall bring any communications submitted to it under the present Protocol to the attention of the State Party to the present Protocol alleged to be violating any provisions of the Covenant. (2) Within six months, the receiving State shall submit to the Committee written explanations or statements clarifying the matter and the remedy, if any, that may have been taken by the State." 58 Art. 5 Abs. I: "The Committee shall consider communications received under the present Protocol in the light of all written information made available to it by the individual and by the State Party concemed. "; zur Schriftlichkeit der Angaben vgl. Alfredssonlde Zayas (Anm. 3), HRU 14, 5. 59 Vgl. Robertson, in: Henldn (ed.), (Anm. 13), 362; Ramcharan, in: BrölmanniLefeberl Zieck (eds.), (Anm. 4), 6; Nowak (Anm. 6), Art. 5 FP para. 1. 60 Art. 5 Abs. 4: "The Committee shall forward its views to the State Party concemed and to the individual." 61 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 5 FP para. 29. 62 Vgl. Markus G. Schmidt, ludi vidual Human Rights Complaints Procedures based on United Nations Treaties and the Need for Reform, ICLQ 41 (1992),645 - 659, 649; Robertson, in: Henkin (ed.), (Anm. 13),362; McGoldrick (Anm. 13), 151. 63 Vgl. Nowak (Anm. 6), Art. 5 FP para. 34; McGoldrick (Anm. 13), 151; Schmidt (Anm. 62), ICLQ 41 (1992),650.

202 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes 2. Andere Verfahren auf universeller Ebene Der G.V.-Deklaration 47/137 fehlt jegliche Bestimmung für einen effektiven Durchsetzungsmechanismus64 , so daß sich aus ihr hinsichtlich der Durchsetzung des völkerrechtlichen Minderheitenschutzes nichts neues ergibt. Auffällig ist jedoch, daß für die in der Deklaration enthaltenen Staatenverpflichtungen eine für unverbindliche Deklarationen ungewöhnlich strikte Formulierung gewählt wurde. 6s Zudem wird in der Präambel der Deklaration die Notwendigkeit einer effektiveren Durchsetzung des Minderheitenschutzes anerkannt. 66 Diese Aspekte könnten einen Hinweis auf Bestrebungen für einen effektiveren Durchsetzungsmechanismus auf universeller Ebene in der Zukunft sein. Derzeit besteht neben dem Durchsetzungsmechanismus des IPBürg auf universeller Ebene lediglich die Möglichkeit, gern. Sicherheitsrats-Resolution 1503 (VIII) im Falle eines Gesamtzusarnmenhangs schwerer und systematischer Menschenrechtsverletzungen Petitionen bei der VN-Menschenrechtskomrnission bzw. der Sub-Commission on the Prevention of Racial Discrimination and the Protection ofMinorities einzureichen.67 Dieses Verfahren wird jedoch für den modernen Minderheitenschutz keine entscheidende Rolle spielen68 , so daß auf es nicht weiter eingegangen werden soll. Darüber hinaus verfügt auch die UNESCO über ein eigenes, nicht bindendes Individualbeschwerdeverfahren. Gemäß Decision 104 Ex/3.3 von 1978 ist das Committee on Conventions and Recommendations (CRE) zuständig für die Entgegennahme von Individualbeschwerden hinsichtlich der bereits erwähnten UNESCO-Konvention gegen Diskriminierung in der Erziehung, aber auch bezüglich aller weiteren Menschenrechtsverletzungen im Kompetenzbereich der UNESCO. 69 Hervorzuheben ist am UNESCO-Verfahren vor allem, daß im Gegen64 Vgl. Felix Ermacora, Späte Einsichten, Der Entwurf der UN-Erklärung zum Minderheitenschutz, Vereinte Nationen 40 (1992), 149 ff., 151; Dicke (Anm. 2), Europa-Archiv 48,113. 6S "Shall", vgl. Dicke (Anm. 2), Europa-Archiv 48, 112. 66 ,,Recognizing the need to ensure even more effective implementation of international instruments with regard to the rights of persons belonging to national or ethnic, religious and linguistic minorities, ..." 67 Vgl. zu diesem Verfahren Richard B. Lillich, International Human Rights, Problems ofLaw, Policy and Practice, 2nd ed., Bostontroronto/London 1991,374 ff.; Robertson, in: Henkin (ed.), (Anm. 13), 358. 68 Vgl. zu einigen Minderheitenfällen, die in der Vergangenheit im 1503-Verfahren geltend gemacht wurden, Felix Ermacora, Der Minderheitenschutz im Rahmen der Vereinten Nationen, Wien 1988,79; ebenso de Zayas, in: BrälmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 30), 271. 69 Zu diesem Verfahren ausführlich Jost Delbrück, Non-Judicial Procedures of Enforcement of Internationally Protected Human' Rights with Special Emphasis on the Human

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

203

satz zum Individualbeschwerdeverfahren des IPBürg Beschwerden auch "from any person, group of persons or non-governmental organization having reliable knowledge of the violation" stammen kann. 70 Damit werden auch Beschwerden durch Dritte und Personenvereinigungen sowie durch nichtstaatliche Organisationen zugelassen. Andererseits ist festzuhalten, daß die CRB-Sitzungen nicht öffentlich sind. 71 Stellt das CRB eine Menschenrechtsverletzung fest, wird es wegen des politischen Charakters des Mechanismus versuchen, eine gütliche Einigung der beteiligten Parteien herbeizuführen. 72 Gelingt dies nicht, so behandeln Executive Board und General Conference der UNESCO die Sache, wobei nur schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in öffentlicher Sitzung erörtert werden. 73

11. Europarat

Auf der Ebene des Europarats ist vor allem auf die Durchsetzungsmechanismen sowohl der Charta für Regional- oder Minderheitensprachen als auch der Europäischen Rahrnenkonvention einzugehen. Wegen der aufgezeigten Schwächen insbesondere der Rahmenkonvention und der relativen Begrenztheit der vorgesehenen Mechanismen beider Instrumente sollen jedoch zusätzlich de lege ferenda auch die Durchsetzungsmechanismen des Entwurfs eines Zusatzprotokolls zur EMRK und des Vorschlags einer Europäischen Konvention untersucht werden. Zwar haben beide nach der Unterzeichnung der Rahmenkonvention keine Aussicht mehr, tatsächlich in eine Konvention bzw. ein Zusatzprotokoll umgesetzt zu werden. 74 Jedoch haben die Staats- und Regierungschefs des Europarats bei ihrem Rights Practice of UNESCO, in: Jost DelbrückiDietrich RauschninglWalter Rudolfffheodor Schweisfurth (Hrsg.), Neuntes deutsch-polnisches Juristen-Kollquium, Der internationale und nationale Schutz der Menschenrechte, Baden-Baden 1992,31 - 45,38 ff. 70 Vgl. Delbrück, in: DelbrückiRauschninglRudolflSchweisfurth (Hrsg.), (Anm. 69), 39. 71 Vgl. Delbrück, in: DelbrückIRauschninglRudolflSchweisfurth (Hrsg.), (Anm. 69),40. 72 Vgl. Delbrück, in: DelbrückiRauschninglRudolflSchweisfurth (Hrsg.), (Anm. 69),40. 73 Delbrück, in: DelbrückiRauschninglRudolflSchweisfurth (Hrsg.), (Anm. 69), 41: ,,Prom this paragraph it becomnes clear that in the instance of a ,question' the CRE procedure is ultimately to be concluded by the sanction of public exposure, i. e. putting the country or government concerned under the sanction of the pressures of world public opinion." 74 Der Entwurf eines Zusatzprotokolls überlebt allerdings, wie Heinrich Klebes, Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, Einführung, EuGRZ 22 (1995), 262 - 268, 268, formuliert, in einer "rechtlichen Grauzone." Zum einen ist er, wie bereits erörtert, Bestandteil des slowakisch-ungarischen Nachbarschaftsvertrages geworden. Zum anderen ist die Direktive 484 (1993) nie außer Kraft gesetzt worden, weiche den Rechtsausschuß aufforderte, "bei der Prüfung von Aufnahmeanträgen in den Europarat sorgfältig darauf zu achten, daß die in diesem Protokoll enthaltenen Rechte von den

204 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes

Wiener Treffen am 8./9. Oktober 1993 beschlossen, das Ministerkomitee mit dem Entwurf nicht nur einer Rahmenkonvention, sondern auch eines Zusatzprotokolls über kulturelle Rechte unter Einschluß von Minderheitenrechten zu beauftragen. 73 In dieses Zusatzprotokoll bzw. eine eigenständige Konvention über kulturelle Rechte könnten Rechte einfließen, die im Vorschlag einer Konvention bzw. im Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK bereits formuliert wurden. 76 Die Diskussion über die Wirksamkeit der Durchsetzungsmechanismen einer eigenständigen Konvention bzw. eines Zusatzprotokolls dient somit auch der Untersuchung der Frage, ob ein angestrebtes Instrument über kulturelle Rechte sinnvoller als Konvention oder als Zusatzprotokoll zu regeln ist.

1. Europäische Charta für Regional- oder Minderheitensprachen Die Europäische Charta für Regional- oder Minderheitensprachen sieht lediglich ein Staatenberichtsverfahren vor. Danach sind von den Vertragsstaaten regelmäßig beim Generalsekretär des Europarats Berichte einzureichen. 77 Die Berichte antragstellenden Staaten respektiert werden."; vgl. EuGRZ 20 (1993), 149. Schließlich beschloß die Parlamentarische Versammlung auf Erklärungen in Rumänien, die Empfehlung 1201 sei durch die Annahme der Rahmenkonvention hinfällig, folgenden Absatz 7 in die Direktive 508 vom 26. April 1995 aufzunehmen: "Countries which are members or candidates for full membership at their accession should honour Recommendation 1201 (1993). This should also be part ofthe monitoring process.", vgl. Klebes (Anm. 74), EuGRZ 1995, 268. 13 Explanatory Report Rahmenkonvention, para. 5: " ... to begin work on drafting a protocol complementing the European Convention on Human Rights in the cultural field by provisions guaranteeing individual rights, in particular for persons belonging to national rninorities. " 16 In ihrer Empfehlung 1255 (1995) vom 31. Januar 1995 hat die Parlamentarische Versammlung eine Liste von 12 Rechten aus ihrer Empfehlung 1201 (1993) aufgestellt, die in ein Zusatz protokoll über kulturelle Rechte aufgenommen werden könnten. Die Arbeit an einem Zusatzprotokoll hat bereits begonnen. Ein Entwurf soll bis zum 31. Dezember 1995 vorgelegt werden. Es istjeodch damit zu rechnen, daß die Vorbereitungsarbeiten angesichts der Gerichtsbarkeit der EMRK und der zu formulierenden präzisen Rechte sehr viel schwieriger sein werden als bei der Rahmenkonvention, vgl. Klebes (Anm. 74), EuGRZ 1995,268. 77 Art. 15: ,,(1)The Parties shall present periodically to the Secretary General of the Council of Europe, in a form to be prescribed by the Comrnittee of Ministers, areport on their policy pursued in accordance with Part 11 of this Charter and on the measures taken in application of those provisions of Part III which they have accepted. The first report shall be presented within the year following the entry into force of the charter with respect to the Party concemed, the other reports at three-yearly intervals after the first report. (2) The Parties shall make their report public."

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

205

werden von einer Expertenkommission geprüft, wobei diese auf Infonnationen von nichtstaatlichen Organisationen zurückgreifen dare 8 Auf der Basis der Prüfung erstellt die Kommission einen, auch materiellrechtlichen, Bericht, den sie an das Ministerkornitee weiterleitet. 79 Die Expertenkommission besteht dabei aus einem Mitglied pro Vertragsstaat, das vom Ministerkomitee bestimmt wird. 80

2. Europäische Rahmenkonvention Ähnlich wie die Charta sieht auch die Europäische Rahmenkonvention lediglich ein Staatenberichtsverfahren vor. 81 Zuständig zur Prüfung der Staatenberichte ist dabei das Ministerkornitee des Europarats. 82 Innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der Konvention für eine Vertragspartei hat diese einen Bericht über die von ihr zur Umsetzung der Konvention ergriffenen Maßnahmen vorzulegen. Zusätzlich

78 Art. 16: ,,( 1) The reports presented to the Secretary General of the Council of Europe under Article 15 shall be examined by a committee of experts constituted in accordance with Article 17. (2) Bodies or associations legally established in a Party may draw the attention of the committee of experts to matters relating to the undertakings entered into by that party under Part III ofthis Charter. After consulting the Party concemed, the committee of experts may take account of this information in the preparation of the report specified in paragraph 3 below. These bodies or associations can furthermore submit statements conceming the policy pursued by a Party in accordance with Part 11." 79 Art. 16: ,,(3) On the basis of the reports specified in paragraph 1 and the information mentioned in paragraph 2, the committee of experts shall prepare areport for the Committee of Ministers. This report shall be accompanied by the comments which the Parties have been requested to make and may be made public by the Committee of Ministers. (4) The report specified in paragraph 3 shall contain in particular the proposals of the committee of experts to the Committee of Ministers for the preparation of such recommendations of the latter body to one or more of the Parties as may be required. (5) The Secretary General of the Council of Europe shall make a two-yearly detailed report of the Parliamentary Assembly on the application of the Charter." 80 Art. 17 para. 1: "The committee of experts shall be composed of one member per Party, appointed by the Committee of Ministers from a list of individuals of the highest integrity and recognised competence in the matters dealt with in the Charter who shall be nominated by the Party concemed." 81 Klebes (Anm. 74), EuGRZ 1995,264, weist daraufhin, daß eine Rahmenkonvention normalerweise keinen besonderen Mechanismus zur Überwachung seiner Durchführung enthält. 82 Art. 24: ,,(1) The Committee of Ministers of the Council of Europe shall monitor the implementation of this framework Convention by the Contracting Parties. (2) The Parties which are not members of the Council of Europe shall participate in the implementation mechanism, according to modalities to be determined."

206 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes kann das Ministerkomitee jederzeit Zusatzberichte anfordem. 83 Bei der Prüfung der Berichte besteht die Möglichkeit, daß es sich von einem beratenden Ausschuß, dessen Mitglieder Minderheitenrechtsexperten sein sollen, unterstützen läßt. 84

3. Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK Der Durchsetzungsmechanismus des Entwurfs eines Zusatzprotokolls geht über den Gehalt der Mechanismen der Charta für Regional- oder Minderheitensprachen und der Europäischen Rahmenkonvention weit hinaus. Art. 17 Entw. Zus. Prot. bestimmt, daß die Vertrags staaten die Artikel 1 bis 11 des Protokolls, also die materiellen Rechte und Allgemeinen Prinzipien, als Zusatzartikel zur EMRK betrachten. 8S Vertragsstaaten können nur Mitgliedsstaaten des Europarats werden, die die EMRK unterzeichnet haben. 86 Damit gilt die in der EMRK geregelte Gerichtsbarkeit auch für den Entwurf des Zusatzprotokolls.

a) Innerstaatliches Verfahren Ein innerstaatliches Verfahren bei Verletzung eines der Minderheitenrechte des Entwurfs eines Zusatzprotokolls würde sich aus Art. 13 EMRK ergeben, wonach der Verletzte das Recht hat, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen In83 Art. 25: ,,(1) Within aperiod of one year following the entry into force of this framework Convention in respect of a Contracting Party, the latter shall transmit to the Secretary General of the Council of Europe full information on the legislative and other measures taken to give effect to the principles set out in this framework Convention. (2) Thereafter, each Party shall transmit to the Secretary General on a pcriodical basis and whenever the Committee of Ministers so requests any further information of relevance to the implementation of this framework Convention. (3) The Secretary General shall forward to the Committee of Ministers the information transmitted under the terms ofthis Article." 84 Art. 26: ,,(1) In evaluating the adequacy of the measures taken by the Parties to give effect to the principles set out in this framework Convention the Committee of Ministers shall be assisted by an advisory committee, the members of which shall have recognised expertise in the field of the protection of national minorities. (2) The composition of this advisory committee and its procedure shall be determined by the Committee of Ministers within aperiod of one year following the entry into force of this framework Convention." 85 "The States Parties shall regard the provisions of Articles 1 to 11 of this protocol as additional articles of the convention and all the provisions of the convention shall apply accordingly." 86 Art. 18: "This protocol shall be open for signature by the member states of the Couneil of Europe which are signatories to the convention .... "

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

207

stanz einzulegen. 87 Ähnlich wie bei Art. 2 IPBürg reicht auch hier wieder die vertretbare Behauptung einer Rechtsverletzung aus. 88 Zusätzlich sieht Art. 6 EMRK ein gerichtliches Verfahren in den Fällen vor, in denen es um zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder um die Stichhaltigkeit einer erhobenen strafrechtlichen Anklage geht. 89

b) Staatenberichtsverjahren Gern. Art. 57 EMRK90 kann der Generalsekretär des Europarats die Mitglieder zur Abgabe von Erklärungen auffordern, in welcher Weise ihr internes Recht die Anwendung der Konvention gewährleistet. 91 Durch den Entwurf eines Zusatzprotokolls würde damit ein, wenn auch nur rudimentäres, Staatenberichtsverfahren für Minderheitenrechte geschaffen. Das Staaten berichts verfahren hat bisher jedoch innerhalb des EMRK-Durchsetzungsmechanismus kimm Bedeutung erlangt. 92 Zudem erfolgen Staatenberichte nur auf Anfrage. Da außerdem ein ständiger Beobachtungsmechanismus fehlt, ist eine kontinuierliche Überprüfung und Kontrolle nicht gewährleistet. 93 87 ,,Everyone whose rights and freedoms as set forth in this Convention are violated shall have an effective remedy before anational authority notwithstanding that the violation has been committed by persons acting in an official capacity ."; vgl. zusätzlich aber auch Art. 9 Entw. Zus. Prot.: ,,1f a violation of the rights protected by this protcol is alleged, every person belonging to anational minority or any representative organisation shall have an effective remedy before astate authority."; eine solche Bestimmung fehlt in der Rahmenkonvention, vgl. Klebes (Anm. 74), EuGRZ 1995,267. 88 Vgl. Jochen Abr. FroweinIWolfgang Peukert, EMRK, Kommentar, KehUStraßburg/ Arlington 1985, Art. 13 para. 2. 89 Vgl. nur Doerte Pardo Lopez, Die Tätigkeit des Europarates in den Jahren 1989 und 1990, GYIL 34 (1991), 486 - 556; Daniela Krantz, Bericht über die Tätigkeit des Europarates im Jahre 1992, GYIL 36 (1993), 461 - 494. 90 Durch das am 11. Mai 1994 durch 27 der damals 28 Konventionsstaaten unterzeichnete Protokoll Nr. 11 ist eine umfangreiche Reform des Durchsetzungsmechanismus der EMRK erfolgt; Text vgl. HRLJ 15 (1994), 102 ff.; Kommentierung von Andrew Drzemczewski/Jens Meyer-Ludewig, Grundzüge des peuen EMRK-Kontrollmechanismus nach dem am 11. Mai 1994 unterzeichneten Reform-Protokoll (Nr. 11), EuGRZ 1994, 317 - 338; das Protokoll Nr. 11 tritt jedoch erst ein Jahr nach Ratifikation durch alle Konventionsparteien in Kraft, so daß dieser Arbeit noch der alte Durchsetzungsmechanismus zugrunde gelegt werden muß. 91 "On receipt of arequest from the Secretary General of the Council of Europe any High Contracting Party shall furnish an explanation of the manner in which its internallaw ensures the effective implementation of any of the provisions of the Convention." 92 Vgl. FroweiniPeukert (Anm. 88), Art. 57 para. 2. 93 Kritisch Klein, in: Blumenwitllv. Mangoldt (Hrsg.), (Anm. 6), 59; a. A. BreitenmoserlRichter, Stephan Breitenmoser/Dagmar Richter, Die Verwirklichung der KSZE-Grund-

208 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes

c) Staatenbeschwerdeverj'ahren Ein Staatenbeschwerdeverfahren wird jedoch durch Art. 24 EMRK geregelt. Danach kann jeder Vertragsstaat die Europäische Kommission für Menschenrechte mit jeder angeblichen Verletzung der Bestimmungen der EMRK durch einen anderen Vertrags staat befassen. 94 Ähnlich wie beim Staatenbeschwerdeverfahren des IPBürg geht es auch hier um die Geltendmachung der Verletzung der "public order" des gesamten Vertragsbereiches95 , also um die Einhaltung eines Mindestbestandes an Rechten. Dementsprechend wird das Mittel der Staatenbeschwerde nur in Fällen besonders intensiver Menschenrechtsverletzungen angewandt werden. 96 Zulässigkeitsvoraussetzung der Staatenbeschwerde ist gern. Art. 26, daß der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft ist und daß die Kommission innerhalb von sechs Monaten nach dem Ergehen der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung mit der Sache befaßt wird97 , wobei die Voraussetzung der Frist von sechs Monaten über die Erfordernisse des IPBürg für Individualbeschwerden hinausgeht. Anschließend hat die Kommission zum Zweck der Tatsachenfeststellung eine Untersuchung der Angelegenheit vorzunehmen, wobei sie stets auf eine gütliche Regelung hinwirken wird. 98 Im Gegensatz zum IPBürg hat die Kommission auch die Kompetenz, Zeugen zu vernehmen und Ortsbesichtigungen durchzuführen. 99 sätze zum Schutze nationaler Minderheiten durch Organleihe bei der EMRK, EuGRZ 18 (1991),141 - 158, 152, die ein Staatenberichtsverfahren nur dann befürworten, wenn eine internationale Gerichtsbarkeit noch nicht geschaffen ist oder wenn eine menschenrechtliche Norm noch nicht verbindlich ist. 94 ,,Any high Contracting Party rnay refer to the Comrnission through the Secretary-General of the Council of Europe, any alleged breach of the provisions of the Convention by another High Contracting Party." 95 Vgl. FroweiniPeukert (Anm. 88), Art. 24 para. 2. 96 Vgl. als Beispiele für Minderheitenfragen Urteil Ireland v. United Kingdom vom 18. Januar 1978, Judgments, Vol. 25; Austria v. Italy, E 788/60. 97 "The Commission may only deal with the matter after all domestic remedies have been exhausted, according to the generally recognized rules of intemationallaw, and within aperiod of six months from the date on which the final decision was taken.", vgl. Art. 27 Abs. 3: "The Comrnission shall reject any petition referred to it which it considers inadmissible under Article 26.", dazu FroweiniPeukert (Anm. 88), Art. 24 para. 10. 98 Art. 28: "In the event of the Commission accepting a petition reffered to it: a) it shall, with a view to ascertaining the facts undertake together with the representatives of the parties an exarnination of the petition and, if need be, an investigation, for the effective conduct of which the States concemed shall furnish all necessary facilities, after an exchange of views with the Comrnission: b) it shall place itself at the disposal of the parties concemed with a view to securing a friendly settlement of the matter on the basis of respect for Human Rights as defined in this Convention." 99 Vgl. FroweiniPeukert (Anm. 88), Art. 28 para. 3.

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

209

Auch auf Informationen aus den Medien sowie Berichte nichts staatlicher Organisationen kann die Kommission zurückgreifen. 100 Wird eine gütliche Lösung nicht herbeigeführt lOl , so hat die Kommission einen Bericht anzufertigen, in dem sie auch zu der materiellrechtlichen Frage Stellung nimmt, ob der betroffene Vertragsstaat Konventionsrechte verletzt hat. 102 Auch darin geht das Staatenbesch werde verfahren der EMRK über das Verfahren des IPBürg hinaus. Es betont somit neben dem Aspekt der politischen auch den Aspekt der rechtlichen Lösung menschenrechtlicher Fragen und wird dadurch auch zu einem Parallelverfahren zur Individualbeschwerde. Den Bericht legt die Kommission dem Ministerausschuß vor, der, wenn die Frage nicht innerhalb von drei Monaten dem Gerichtshof vorgelegt wird, eine Entscheidung darüber trifft, ob die EMRK verletzt ist oder nicht. 103 Andernfalls entscheidet der Gerichtshof. 104

100 Zu Informationen anderer internationaler Organisationen, etwa der OSZE, Text bei Anm.170. 101 V gl. dazu Art. 30 EMRK. 102 Art. 31: ,,( 1) if a solution is not reached, the Commission shall draw up aReport on the facts and state its opinion as to whether the facts found disclose a breach by the State concerned of its obligations under the Convention. The opinions of all the members of the Commission on this point may be stated in the Report. (2) The Report shall be transmitted to the Committee of Ministers. It shall also be transmitted to the States concerned, who shall not be at liberty to publish it. (3) In transmitting the Report to the Committee of Ministers the Commission may make such proposals as it thinks fit." 103 Art. 32: ,,(1) Ifthe question is not referred to the Court in accordance with Article 48 of this Convention within aperiod of three months from the date of the transmission of the Report to the Committee of Ministers, the Committee of Ministers shall decide by a majority of two-thirds of the members entitled to sit on the Committee whether there has been a violation of the Convention. (2) In the affirmative case the Committee of Ministers shall prescribe aperiod during which the Contracting Party concerned must take the measures required by the decision of the Committee of Ministers. (3) If the High Contracting Party concemed has not taken satisfactory measures within the prescribed period, the Committee of Ministers shall decide by the majority provided for in Paragraph 1 above what effect shall be given to its original decision and shall publish the Report ...... 104 Art. 48: "The following may bring a case before the Court, provided that the High Contracting Party concerned, if there is only one, or the High Contracting Parties concerned, if there is more than one, are subject to the compulsory jurisdiction of the Court or, failing that, with the consent of the High Contracting Party concerned, if there is only one, or of the High Contracting Parties concemed if there is more than one: a) The Commission; b) a High Contracting Party whose national is alleged to be a victim; c) a High Contracting Party which referred the case to the Commission; d) a High Contracting Party against which the complaint has been lodged."

14 Niewerth

210 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes

d) Individualbeschwerdeverfahren Das Individualbeschwerdeverfahren der EMRK gleicht dem Staatenbeschwerdeverfahren in weiten Teilen. Gern. Art. 25 EMRK kann die Kommission durch ein Gesuch jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personenvereinigung angegangen werden, die sich durch eine Verletzung der in der EMRK anerkannten Rechte durch einen der Vertragsstaaten beschwert fühlt. Insoweit geht Art. 25 EMRK über den Gehalt von Art. 1 des 1. Fakultativprotokolls zum IPBürg hinaus. !Os Dies setzt allerdings voraus, daß der Vertragsstaat eine solche Zuständigkeit durch Erklärung anerkannt hat. 106 Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 26 EMRK gelten auch für die Individualbeschwerde. Unzulässig sind weiter anonyme Beschwerden, Gesuche, die mit den Bestimmungen der Konvention unvereinbar sind und die einen Mißbrauch des Petitionsrechts darstellen. 107 Insoweit entprechen die Zulässigkeitsvoraussetzungen dem Katalog der Voraussetzungen des IPBürg. Die Bestimmung, daß Gesuche, die mit einer schon vorher von der Kommission geprüften Beschwerde übereinstimmen oder einer anderen internationalen Untersuchungs- oder Ausgleichsinstanz unterbreitet worden sind lO8 , unzulässig sind, geht über den IPBürg insofern hinaus, als dort lediglich momentan anhängige Verfahren ausgeschlossen sind. Zusätzliche Unzulässigkeitsvoraussetzung ist bei der EMRK die offensichtliche Unbegründetheit. Hinsichtlich des weiteren Verfahrens gilt das zu den Staatenbeschwerden Ausgeführte.

105 Vgl. Nowak, in: BrälmannlLeJeberfZieck (eds.), (Anm. 1), 112; ebenso auch der Vorschlag einer Konvention, Text bei Anm. 120. 106 ,,(1) The Cornmission rnay receive petitions addressed to the Secretary-General ofthe Council of Europe from any person, non-governmental organization or group of individuals clairning to be the victim of a violation by one of the High Contracting Parties of the rights set forth in this Convention, provided that the High Contracting Party against which the complaint has been lodged has declared that it recognizes the competence of the Commission to receive such petitions .... " 107 Art. 27: ,,(1) The Cornrnission shall not deal with any petition submitted under Article 25 which (a) is anonymous, or ... (2) The Commission shall consider inadrnissible any petition submitted to it under Article 25 which it considers incompatible with the provisions of the present Convention, manifestly illfounded, or an abuse of the right of petition." 108 " ••• (b) is substantially the same as a matter which has already been exarnined by the Cornmission or has already been submitted to another procedure of international investigation or settlement and if it contains no relevant new information .... "

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

211

e) Zusammenfassende Bewertung

Die von den Konventionsorganen in Individual- und Staatenbeschwerdeverfahren getroffenen Entscheidungen sind für die Vertragsstaaten verbindlich. Es besteht sogar die Möglichkeit der Zubilligung einer Entschädigung. 109 Insgesamt handelt es sich damit bei dem Staaten- und Individualbeschwerdeverfahren der EMRK um den modernsten existierenden Durchsetzungsmechanismus für Menschenrechte. Bedient man sich dieses Mechanismus für die Minderheitenrechte, wie im Entwurf eines Zusatzprotokolls vorgesehen, so hat dies den Vorteil, daß bei Verletzungen von Minderheitenrechten auf die bewährten Kontrollorgane (Kommission, Gerichtshof, Ministerkomitee) der EMRK zurückgegriffen werden kann. 110 Sollte in der Zukunft ein Zusatzprotokoll über kulturelle Rechte, das auch Minderheitenrechte beinhaltet, verabschiedet werden, so hätte dies zudem den Vorteil, daß im Interesse der Rechtsklarheit Überschneidungen vermieden würden, da die EMRK bereits eine Reihe von Rechten schützt, die in einer eigenständigen Konvention erneut auftauchen würden.ll!

4. Vorschlag einer Europäischen Konvention Der Unterschied zwischen dem Entwurf eines Zusatzprotokolls und dem Vorschlag einer Europäischen Konvention hinsichtlich ihrer jeweiligen Durchsetzbarkeit besteht darin, daß sich der Vorschlag im Gegensatz zum Entwurf nicht eng an die EMRK anlehnt, sondern einen eigenständigen Durchsetzungsmechanismus vorsieht.

109 Art. 50: ,Jf the Court finds that adecision or a measure taken by a legal authority or any other authority of a High Contracting Party, is completely or partially in conflict with the obligations arising from the present Convention, and if the internallaw of the said Party allows only partial reparation to be made for the consequences of this decision or measure, the decision of the Court shall, if necessary, afford just satisfaction to the injured party." llO V gl. Heinrich Klebes, Der Entwurf eines Minderheitenprotokolls zur EMRK, EuGRZ 20 (1993),148 - 151, 149; Giorgio Malinvemi, The Draft Convention for the Protection of Minorities, The Proposal ofthe European Commission for Democracy through Law, HRLJ 12 (1991), 265 - 273, 268. III Vgl. Klebes (Anm. 110), EuGRZ 1993,149; Malinvemi (Anm. 110), HRLJ 12,268.

14'

212 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes

a) Innerstaatliches VeTjahren Ein innerstaatliches Verfahren regelt Art. 11 112 , der gemäß seinem Wortlaut mit den Parallelvorschriften des IPBürg und der EMRK weitgehend übereinstimmt. Auch Art. 11 Vorseh!. Europ. Konv. ist deshalb so auszulegen, daß ein innerstaatliches Verfahren nur dann effektiv ist, wenn bereits die vertretbare Behauptung einer Verletzung von Minderheitenrechten für die Zulässigkeit des Verfahrens ausreicht.

b) StaatenberichtsveTjahren Angesichts der Tatsache, daß ähnlich wie beim IPBürg sowohl Individual- als auch Staatenbeschwerde fakultativ sind, sieht der Vorschlag einer Konvention wie der IPBürg ein obligatorisches Staatenberichtssystem vor. Danach müssen die Vertragsstaaten dem gern. Art. 18113 gegründeten Europäischen Ausschuß zum Schutz von Minderheiten innerhalb eines Jahres nachdem der Vertrag für sie in Kraft getreten ist einen Bericht über die Maßnahmen vorlegen, die sie zur Umsetzung der Konvention getroffen haben. Anschließend haben sie alle drei Jahre oder auf Anforderung des Ausschusses weitere Berichte vorzulegen. 114 Ähnlich wie beim IPBürg ist der Begriff "Maßnahmen" dabei in einem umfassenden Sinne zu verstehen. Auf die Berichte kann der Ausschuß jede notwendige, also auch materiellrechtliche, Empfehlung abgeben. 1lS Bei der dafür erforderlichen Prüfung der Staatenberichte kann der Ausschuß hinsichtlich des Fact-finding wiederum auch aufInformationen aus den Medien sowie Berichte nichtstaatlicher Organisationen zurückgreifen. Ein eigener Beobachtungsmechanismus wird dem Ausschuß jedoch nicht zur Seite gestellt. 112 ,,Any person belonging to a minority whose rights set forth in the present Convention are violated shall have an effective remedy before anational authority." 113 "To ensure the observance of the undertakings by the Parties in the present Convention, there shall be set up a European Committee for the Protection of Minorities (hereinafter referred to as the ,Committee')." 114 Art. 24: ,,(1) The Parties shall submit to the Committee, through the Secretary General of the Council of Europe, reports on the measures they have adopted to give effect to their undertakings under this Convention, within one year of the entry into force of the Convention for the Party concemed. The Parties shall submit supplementary reports at three yearly intervals concerning any new measures adopted, as weil as any other report requested by the Committee. (2) Those reports shall be examined by the Committee who will forward them to the committee of Ministers of the Council of Europe with its observation." I1S Art. 24 Abs. 3: "By a majority of two-thirds of the members entitled to sit on the Committee, the Committee may make any necessary recommendations to a Party."

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

213

c) StaatenbeschwerdeveTj"ahren

Der Ausschuß hat auch die Kompetenz, Beschwerden von dritten Vertragsstaaten über einen Vertragsstaat entgegenzunehmen, wenn der Vertragsstaat eine dieser Befugnis zustimmende Erklärung abgegeben hat. 116 Im Gegensatz zum IPBürg ist lediglich eine zustimmende Erklärung des Vertragsstaates erforderlich, der die Konventionsrechte verletzt haben soll. Anders als bei IPBürg und EMRK sind weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen nur für das Individualbeschwerdeverfahren geregelt. Nimmt der Ausschuß eine Beschwerde an, so prüft er sie gemeinsam mit den beteiligten Parteien und führt, wenn erforderlich, auch Untersuchungen durch. ll7 Ähnlich wie bei der EMRK ist es dem Ausschuß somit möglich, Zeugenvemehmungen und Ortsbesichtigungen, also Untersuchungen vor Ort, durchzuführen. Ziel des Ausschusses ist es dabei, eine freundschaftliche Beilegung der Angelegenheit zwischen den Parteien zu erreichen. Gelingt dies, so veröffentlicht der Ausschuß einen Bericht, der eine Schilderung des Sachverhalts sowie der gefundenen Lösung enthält. 118 Kommt eine freundschaftliche Beilegung hingegen nicht zustande, so enthält der Bericht eine materiellrechtliche Stellungnahme zur Frage, ob die Konvention tatsächlich verletzt wurde. 119 Das Staatenbeschwerdeverfahren des Vorschlags einer Europäischen Konvention enthält damit ebenso wie das des Zu-

ll6 Art. 25: ..(1) Provided that a Party has, by declaration addressed to the Secretary general of the Council of Europe, recognised the competence of the Committee to receive a State's request, the Comrnittee rnay receive petitions from any Party which considers that another Party does not respect the provisions of this Convention. (2) The declarations provided for in paragraph 1 may be made for a specific period. In this case, they shall be renewed automatically for the same period, unless withdrawn by previous notice of one year before the expiration of the period of validity. (3) The Committee shall only exercise the powers provided for in this Article when at least five Parties are bound by declarations made in accordance with paragraph 1." 117 Art. 28: ..In the event of the Committee accepting a petition referred to it: a) it shall, with a view to ascertaining the facts, undertake together with the representatives of the parties an examination of the petition and, if need be, an investigation."; vgl. Ramcharan, in: Brölmann/Lejeber/Zieck (eds.), (Anm. 4), 245. 118 Art. 28 lit. b: .. It endeavours to reach a friendly settlement of the matter on the basis of mutual respect of this Convention. If it succeeds it shall draw up areport which shall contain a statement of the facts and of the solution reached and be sent to the State or States concemed." 119 Art. 29: .. (1) Ifno friendly settlement has been reached, the Committee shall draw up areport as to whether the facts found disclose a breach by the State concemed of its obligations under this Convention and make such proposals as it thinks necessary. (2) The report shall be transmitted to the Committee of Ministers, to the State or States concemed and to the Secretary General of the Council of Europe ...."

214 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes satzprotokolls sowohl den Aspekt der politischen als auch den der rechtlichen Lösung menschenrechtlicher Fragen.

d) Individualbeschwerdeverfahren Der Vorschlag einer Konvention sieht schließlich auch ein Individualbeschwerdeverfahren vor, das dem der EMRK im wesentlichen gleicht. Jede Person, Gruppe von Individuen oder internationale nichtstaatliche Organisation kann sich danach an den Ausschuß mit der Behauptung wenden, in einem Konventionsrecht verletzt zu sein, wenn der verletzende Vertrags staat die Kompetenz des Ausschusses hierfür anerkannt hat. 120 Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Individualbeschwerdeverfahren entsprechen exakt den Zulässigkeitsvoraussetzungen der EMRK. 121 Der Ablauf des Verfahrens entspricht im übrigen dem Verfahren bei der Staatenbeschwerde.

120 Art. 26: ,,(1) Provided that a Party has, by declaration addressed to the Secretary General of the Council of Europe, recognised the competence of the Committee to receive individual petitions, it rnay receive such petitions from any person, group of individuals or any international non-governmental organisation representative of minorities, claiming to be the victim of a violation by this Party of the rights set forth in this Convention. (2) The declarations provided for in paragraph I may be made for a specific period, unless withdrawn by previous notice of one year before the expiration of the period of validity .... (4) The Committee shall only exercise the powers provided for in this Article when at least five Parties are bound by declarations made in accordance with paragraph 1." 121 Art. 27: ,,(1) The Committee may only deal with the matter referred to it under Article 26 after all domestic remedies have been exhausted, according to the generally recognised rules of internationallaw. (2) The Committee shall declare inadmissible petitions submitted under Article 26 which: a) are anonymous; b) are substantially the same as a matter which has already been examined by the Committeee; c) Have already been submitted to another international body and do not contain any relevant new information; d) are incompatible with the provisions of this Convention, manifestly ill-founded or an abuse of the right of petition; e) are submitted to the Committee more than six months from the final internal decision."

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

215

e) Zusammenfassende Bewertung

Der Vorschlag einer Europäischen Konvention zum Schutz von Minderheiten bietet Vorteile, hat jedoch auch auch einige erhebliche Nachteile. Vorteilhaft ist zunächst, daß ein detailliertes Staaten berichts verfahren vorgesehen ist, während das Staatenberichtsverfahren des EMRK-Durchsetzungsmechanismus wenig ausgestaltet ist und auch kaum verwendet wird. Existieren in einem internationalen Instrument lediglich Staaten- und Individualbeschwerde, so erfolgt eine direkte internationale Kontrolle lediglich hinsichtlich der Staaten, über die Beschwerden erhoben werden. Zwar erfolgt eine indirekte Kontrolle der anderen Staaten dadurch, daß auch gegen sie jederzeit eine Beschwerde erhoben werden kann. Müßten die Vertragsstaaten aber regelmäßig Berichte vorlegen, die von einer unabhängigen Instanz im Sinne eines fortgesetzten Dialogs mit den betroffenen Staaten geprüft würden 122, so wären alle Staaten dazu verpflichtet, die eigene Minderheitenpolitik kontinuierlich einer Prüfung zu unterziehen. 123 Vorteilhaft ist weiter, daß der Vorschlag einer Konvention umfangreiche Zulässigkeitsbeschränkungen zwar für die Individual-, nicht aber für die Staatenbeschwerde vorsieht. Wie bereits erörtert, dient die Staatenbeschwerde der Einhaltung eines "public order-Standards", eines Mindestbestandes von Minderheitenrechten, der nicht verletzt werden darf. Staatenbeschwerden werden demgemäß nur in Ausnahmesituationen erhoben werden. Es erscheint daher nicht angebracht, sie den Einschränkungen der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Individualbeschwerde zu unterwerfen. Andererseits unterwirft auch die EMRK die Staatenbeschwerde nur den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges und der 6-Monats-Frist, was angesichts der sonst drohenden Mißbrauchsgefahr sinnvoll erscheint. In der gegenwärtigen Diskussion um ein auszuarbeitendes Instrument über kulturelle Rechte wäre ein erster Nachteil einer eigenständigen Konvention jedoch, daß, wie im Rahmen der Prüfung des Entwurfs eines Zusatzprotokolls bereits untersucht, für ein Zusatzprotokoll der Rückgriff auf bewährte Kontrollorgane sowie Gesichtspunkte der Rechtssicherheit sprechen. Zudem werden in Kürze fast alle Staaten Europas Vertragsparteien der EMRK sein l2\ so daß durch eine eigenstän-

122

Zu dieser Sicht des Staatenberichtssystems des IPBürg Opsahl, in: FS Partsch (Anm.

26),276.

Vgl. Opsahl, in: Alston (ed.), (Anm. 44), 397. Albanien, Andorra, Kroatien, Moldawien, die Ukraine, Weißrußland und Rußland sind die einzigen europäischen Nicht-Europarats-Staaten. Bis auf Andorra haben alle diese Staaten Anträge auf Aufnahme gestellt. In Andorra hat es eine entsprechende Volksabstimmung gegeben, vgl. Klebes (Anm. 110), EuGRZ 1993, 149. 123

124

216 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes dige Konvention möglicherweise weniger Staaten zur Einhaltung von Minderheitenrechten verpflichtet würden als durch ein Zusatzprotokoll. 125 Schließlich spricht für ein Zusatzprotokoll über kulturelle Rechte, daß gern. Art. 29 des Vorschlags einer Konvention die Berichte und Vorschläge des Ausschusses für die Vertragsstaaten nicht bindend sind. Zwar sahen die Väter des Vorschlags in der Hoffnung einer größeren Akzeptanz seitens der europäischen Staaten darin einen Vorteil. Das Risiko größeren Widerstandes gegen ein bindendes Zusatzprotokoll kann jedoch in Kauf genommen werden, da die große Dringlichkeit und Aktualität der Minderheitenproblematik in den nächsten Jahren selbst zögerliche europäische Staaten von der Notwendigkeit effektiver und durchsetzbarer Minderheitenrechte überzeugen wird. 126 III.OSZE

1. Menschliche Dimension der OSZE Die Bemühungen der KSZE bzw. OSZE zur Durchsetzbarkeit des Minderheitenschutzes vollzogen sich in den letzten Jahren im Rahmen der Weiterentwicklung der sogenannten Menschlichen Dimension der OSZE. Dabei lag der Schwerpunkt auf einer Mischung aus Staatenberichten und Staatenbeschwerden, also zwischenstaatlichen Maßnahmen, während ein Individualbeschwerdeverfahren nicht vorgesehen wurde.

a) KSZE-Folgetrejfen in Wien Mit einem KSZE-eigenen Durchsetzungsmechanismus für Menschenrechte beschäftigte sich erstmals das Abschließende Dokument des KSZE-Folgetreffens in Wien vom 15. Januar 1989. 127 Im Kapitel zur menschlichen Dimension der

Vgl. Klebes (Anm. 110), EuGRZ 1993, 149. Vgl. Klebes (Anm. 110), EuGRZ 1993,149. 127 Dazu Hannes Tretter, Human Rights in the Conciuding Document of the Vienna Follow-up Meeting of the CSCE of January 15, 1989, HRLJ 10 (1989), 257 - 269; Chris van EsterildHester Minnema, The Conference that came in from the Cold, in: Arie BloedJ Pieter van Dijk (eds.), The Human Dimension of the Helsinki Process, The Vienna Followup Meeting and its Aftermath, DordrechtIBostonILondon 1991, 1 - 29; Edda Weiss, Volksgruppenschutz im Rahmen der KSZE, in: Felix Ermacora/Hannes TretterlAlexander Pelzl (Hrsg.), Volksgruppen im Spannungs feld von Recht und Souveränität in Mittel- und Osteuropa, Wien 1993,280 - 290. 125

126

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

217

KSZE sind Staatenverpflichtungen vorgesehen l28 , Infonnationen auszutauschen, Infonnationsersuchen und Vorstellungen anderer Teilnehmerstaaten zu beantworten und auf Ersuchen anderer Teilnehmerstaaten bilaterale Treffen abzuhalten. Auch dritten Staaten können die Sachverhalte zur Kenntnis gebracht werden. 129 Durch das Wiener Treffen wurde somit ein Staatenbeschwerde-/Staatenberichtsmechanismus eigener Art geschaffen, der zunächst auf den Aspekt der politischen Lösung menschenrechtlicher Fragen beschränkt war. Zwar erreichte dieser informelle Mechanismus des Informationsaustausches und der Kooperation zunächst noch nicht die Intensität anderer Staatenberichts- oder Staatenbeschwerdeverfahren, er wurde aber auf weiteren KSZE-Treffen ausgebaut. Zumindest erlangte er aber deshalb große Bedeutung, weil er bereits bis Oktober 1990 über 100 Mal angewendet worden war. 130

128 Dabei handelt es sich wegen des nichtbindenden Charakters der KSZE-Dokumente um politische, nicht rechtliche Verpflichtungen, vgl. Arie BloediPeter van Dijk, Supervisory Mechanisms for the Human Dimension of the CSCE, in: Bloedlvan Dijk (eds.), (Anm. 127),74 - 108,78. 129 ,,(Die Teilnehmerstaaten) haben auf der Grundlage der Prinzipien und Bestimmungen der Schlußakte und anderer einschlägiger KSZE-Dokumente beschlossen, ( I) Informationen auszutauschen sowie Informationsersuchen und Vorstellungen, die von anderen Teilnehmerstaaten zu Fragen der menschlichen Dimension der KSZE an sie herangetragen werden, zu beantworten. Solche Mitteilungen können auf diplomatischem Wege übermittelt oder an jede für diese Zwecke bestimmte Stelle gerichtet werden; (2) bilaterale Treffen mit anderen Teilnehmerstaaten, die darum ersuchen, abzuhalten, um Fragen betreffend die menschliche Dimension der KSZE, einschließlich Situationen und konkreter Fälle, mit dem Ziel ihrer Lösung zu prüfen. Zeit und Ort solcher Treffen werden in gegenseitigem Einvernehmen auf diplomatischem Wege vereinbart; (3) daß jeder Teilnehmerstaat, der es als notwendig erachtet, Situationen und Fälle, die unter die menschliche Dimension der KSZE fallen, einschließlich jener, die bei dem in Absatz 2 beschriebenen bilateralen Treffen angesprochen wurden, anderen Teilnehmerstaaten auf diplomatischen Wege zur Kenntnis bringen kann; (4) daß jeder Teilnehmerstaat, der es als notwendig erachtet, bei den Treffen der Konferenz über die menschliche Dimension wie auch bei den KSZE-Haupfolgetreffen über den Informationsaustausch und die auf seine Informationsersuchen und Vorstellungen erfolgten Antworten (Absatz 1) und über die Ergebnisse der bilateralen Treffen (Absatz 2) Informationen zur Verfügung stellen kann, einschließlich von Informationen über Situationen und konkrete Fälle."; vgl. dazu allgemein auch Thomas Buergenthal, CSCE Human Dimension: The Birth of a System, in: European University Institute (ed.), Collected Courses of the Academy of European Law, Vol. I 11, 163 - 209, 198 - 199. 130 Vgl. Bloedlvan Dijk, in: Bloedlvan Dijk (eds.), (Anm. 128),79; zur Praxis auch Fons CoomansILiesbeth Lijnzaad, Initiating the CSCE Supervisory Proecedure: The Cases of the Netherlands and Czechoslovakia, in: Bloedlvan Dijk (eds.), (Anm. 127), 109 - 127.

218 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes b) Kopenhagener Dokument

Im Kopenhagener Dokument von 1990 wurde der Mechanismus dahingehend präzisiert, daß Informationsersuchen und schriftlich eingebrachte Vorstellungen so rasch wie möglich, spätestens binnen vier Wochen in schriftlicher Form zu beantworten waren. 131 Bilaterale Treffen sollten in der Regel innerhalb von drei Wochen ab dem Tag des Ersuchens durchgeführt werden. 132 Art. 40.5. des Kopenhagener Dokuments sieht zudem im Falle der Verletzung von Minderheitenrechten das Recht des einzelnen auf ein innerstaatliches Verfahren vor. 133 Art. 40.7. enthält zwar die Bestimmung, daß die KSZE-Staaten erwägen, andere internationale Durchsetzungsmechanismen, die Staaten- und Individualbeschwerden gegen Diskriminierung regeln, also etwa IPBürg bzw. EMRK, anzuerkennen. 134 Eine Aussage zu einem weiteren Ausbau des OSZE-eigenen Durchsetzungsmechanismus wurde jedoch nicht getroffen. 135 131 Vgl. allgemein Thomas Buergenthal, The Copenhagen CSCE Meeting: A New Public Order for Europe, HRLJ 11 (1990), 217 - 232, 229 f. 132 Art. 42.: "Die Teilnehmerstaaten erkennen die Notwendigkeit an, die Wirksamkeit der in den Absätzen I bis 4 des Kapitels über die menschliche Dimension der KSZE im Abschließenden Dokument von Wien beschriebenen Verfahren weiter zu erhöhen und beschließen zu diesem Zweck, 42.1. - Informationsersuchen und schriftlich eingebrachte Vorstellungen, die von anderen Teilnehmerstaaten gemäß Absatz I an sie herangetragen werden, so rasch wie möglich, jedoch spätestens binnen vier Wochen, in schriftlicher Form zu beantworten; 42.2. - daß die bilateralen Treffen gemäß Absatz 2 so schnell wie möglich, in der Regel innerhalb von drei Wochen ab dem Tag des Ersuchens, durchgeführt werden; 42.3. - bei einem bilateralen Treffen gemäß Absatz 2 auf die Behandlung von Situationen und Fällen zu verzichten, die mit dem Thema des Treffens nicht in Zusammenhang stehen, es sei denn, beide Staaten stimmen zu."; vgl. Bloedlvan Dijk, in: Bloedlvan Dijk (eds.), (Anm. 128),83,93. 133 ,,(Die Teilnehmerstaaten werden) das Recht des einzelnen auf wirksame Rechtsmittel anerkennen und sich in Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften bemühen, das Recht betroffener Personen und Gruppen anzuerkennen, Beschwerden wegen diskriminierender Handlungen einschließlich Handlungen aus Rassen- und Fremdenhaß einzulegen und zu unterstützen; ... " 134 ,,(Die Teilnehmerstaaten werden) ferner erwägen, jene internationalen Mechanismen anzuerkennen, die es Staaten und Einzelpersonen ermöglichen, internationale Gremien mit Mitteilungen über Diskriminierung zu befassen."; vgl. zu einigen Vorschlägen Hannes Tretter, Das Kopenhagener Abschlußdokument über die menschliche Dimension der KSZE, EuGRZ 17 (1990), 235 - 239, 237. 135 V gl. aber Art. 43: "Die Teilnehmerstaaten prüften praktische Vorschläge für neue Maßnahmen, die auf eine bessere Durchführung der Verpflichtungen betreffend die menschliche Dimension der KSZE abzielen. In diesem Zusammenhang erörterten sie Vorschläge im Hinblick auf die Entsendung von Beobachtern zur Untersuchung von Situationen und konkreten Fällen, die Bestellung von Berichterstattern, die ermitteln und geeignete Lösungen vorschlagen sollen, die Einsetzung eines Komitees über die Menschliche Dimen-

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

219

c) Moskauer Treffen über die Menschliche Dimension der KSZE

Im Dokument des Moskauer Treffens über die Menschliche Dimension der KSZE vom 3. Oktober 1991 136 wurde das Verfahren des Infonnationsaustausches hinsichtlich von Informationsgesuchen und Vorstellungen auf eine Frist von 10 Tagen, hinsichtlich bilateraler Treffen auf eine Frist von einer Woche beschleunigt.137 Weiter wurde bestimmt, daß jeder Teilnehmerstaat um den Beistand einer aus höchstens drei Experten bestehenden OSZE-Mission ersuchen kann, die sich mit Fragen der Umsetzung der Menschlichen Dimension auf seinem Staatsgebiet befassen und zu ihrer bestmöglichen Verwirklichung beitragen soll, wozu sie die erforderlichen Infonnationen selbst einholen kann. 138 Der Staat wird dabei die drei Experten aus einer bei der OSZE befindlichen Liste auswählen, die pro Teilnehmerstaat drei Experten enthäH, wobei er jedoch keine eigenen Staatsangehörigen oder Eigenvorschläge herausgreifen darf. 139 sion der KSZE, die stärkere Einbeziehung von Personen, Organisationen und Institutionen in den Mechanismus der menschlichen Dimension sowie weitere bilaterale und multilaterale Bemühungen zur Förderung der Lösung einschlägiger Fragen. Sie beschließen, diese und andere Vorschläge, die den Mechanismus der menschlichen Dimension stärken sollen, in späteren einschlägigen KSZE-Foren eingehend weiter zu erörtern und zu erwägen, im Zuge der weiteren Entwicklung des KSZE-Prozesses geeignete neue Maßnahmen anzunehmen. Sie stimmen darin überein,. daß diese Maßnahmen dazu beitragen sollen, weitere spürbare Fortschritte zu erzielen und Konfliktverhütung und Vertrauen im Bereich der menschlichen Dimension der KSZE zu fördern." 136 Vgl. Dokumente des KSZE-Treffens in Moskau am 3. Oktober 1991, HRLJ 12 (1991),471 ff.; vgl. dazu Hann J. Hazewinkel, Paris, Copenhagen, and Moscow, in: Bloedl van Dijk (ed.), (Anm. 127), 128 - 142. 137 (2): "Die Teilnehmerstaaten ändern Ziffer 42.1. und 42.2. des Dokuments des Kopenhagener Treffens dahingehend ab, daß sie auf Informationsersuchen und Vorstellungen, die von anderen Teilnehmerstaaten - wie unter Punkt 1 des Mechanismus der Menschlichen Dimension festgelegt - in schriftlicher Form an sie herangetragen wurden, eine schriftliche Antwort in kürzestmöglicher Zeit, jedoch spätestens nach 10 Tagen, erteilen werden. Bilaterale Treffen - wie in Punkt 2 des Mechanismus der Menschlichen Dimension festgelegt - werden so rasch wie möglich, üblicherweise aber innerhalb einer Woche nach dem Ersuchen abgehalten." 138 (5): ,,zweck der Expertenmission ist es, die Lösung einer bestimmten Frage oder eines Problems der menschlichen Dimension der KSZE zu erleichtern. Eine solche Mission kann die für die Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen einholen und, wenn angebracht, ihre guten Dienste und Vermittlerdienste dazu nutzen, Dialog und Zusammenarbeit zwischen interessierten Parteien zu fördern. . .. "; vgl. Ramcharan, in: BrälmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 4), 248. 139 (4): ,,Jeder Teilnehmerstaat kann um den Beistand einer aus höchstens drei Experten bestehenden KSZE-Mission ersuchen, die sich mit Fragen der Menschlichen Dimension der KSZE auf seinem Staatsgebiet befassen oder zu deren Lösung beitragen soll. In einem solchen Fall wird der Staat die betreffende Person oder die betreffenden Personen aus der Liste auswählen. Der Expertenkomrnission darf keine Person angehören, die Staatsangehö-

220 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes

Die Expertenmission wird ihre, auch materiellrechtlichen, Feststellungen dem einladenden Staat innerhalb von drei Wochen vorlegen, der wiederum innerhalb von drei Wochen einen eigenen Bericht an die OSZE weiterzuleiten hat. Der Ausschuß Hoher Beamter kann dann über die Feststellungen sowie den Bericht beraten und mögliche weitere Schritte in Betracht ziehen. 140 Neben den Aspekt der politischen Lösung trat somit durch das Moskauer Treffen auch der Aspekt der rechtlichen Lösung menschenrechtlicher Fragen. Auch andere Teilnehrnerstaaten und sogar die OSZE selbst haben die Möglichkeit, die Einsetzung einer Expertenmission mit den genannten Befugnissen zu erwirken. Teilnehrnerstaaten, die zuvor Informationsgesuche oder Vorstellungen an einen anderen Teilnehrnerstaat gerichtet oder mit ihm bilaterale Treffen abgehalten haben, können bei ihm anfragen, ob er mit der Einladung einer Expertenmission einverstanden ist. 141 Ist er nicht einverstanden oder erbringt die Expertenmission keine Lösung der betreffenden Frage, so können insgesamt sechs Teilnehmerstaaten die Einberufung einer bis zu dreiköpfigen Berichterstattermission auch gegen

rige dieses Teilnehmerstaats ist oder in diesem ihren Wohnsitz hat, noch dürfen ihr jene Personen angehören, die dieser Staat für die Liste ernannt hat; sie darf pro Staat nicht mehr als eine Person umfassen, die Staatsangehörige des jeweiligen Staates ist bzw. in diesem ihren Wohnsitz hat. Der einladende Staat wird die KSZE-Institution unverzüglich von der Bildung einer Expertenkommission benachrichtigen; die KSZE-Institution wird dies daraufhin unverzüglich allen Teilnehmerstaaten notifizieren. Falls erforderlich, werden auch die KSZE-Institutionen dieser Mission eine angemessene Unterstützung zuteil werden lassen." 140 (7): "Die Expertenmission wird ihre Feststellungen dem einladenden Staat so rasch wie möglich vorlegen, vorzugsweise innerhalb von drei Wochen nach Einberufung der Mission. Der einladende Staat wird spätestens drei Wochen nach Vorlage der Feststellungen der Mission diese zusammen mit einer Darstellung der von ihm daraufhin unternommenen bzw. beabsichtigten Handlungen durch die KSZE-Institution an die anderen Teilnehmerstaaten weiterleiten. Der Ausschuß Hoher Beamter kann über diese Feststellungen und mögliche Kommentare des einladenden Staates beraten und auch mögliche weitere Schritte in Betracht ziehen. Die Feststellungen und Kommentare werden solange vertraulich behandelt, bis sie den Hohen Beamten vorgelegt werden. Solange die Feststellungen und jeglicher Kommentar nicht verteilt sind, darf keine andere Expertenkommission zu derselben Frage ernannt werden." 141 (8): "Außerdem können ein Teilnehmerstaat oder mehrere, die die Punkte 1 oder 2 des Mechanismus der Menschlichen Dimension zur Anwendung gebracht haben, ersuchen, daß die KSZE-Institution bei einem anderen Teilnehmerstaat anfragt, ob er mit der Einladung einer Expertenmission zur Behandlung einer spezifischen, klar umrissenen Frage der Menschlichen Dimension der KSZE auf seinem Staatsgebiet einverstanden ist. Falls der andere Teilnehmerstaat einverstanden ist, eine Expertenmission einzuladen, findet das in Ziffer 4 bis 7 beschriebene Verfahren Anwendung."

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

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den Willen des betroffenen Teilnehmerstaates einleiten, die nach den gleichen Verfahrensgrundsätzen wie die Expertenmission tätig wird. 142 Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die Verwirklichung der Bestimmungen der menschlichen Dimension in einem Teilnehmerstaat haben darüber hinaus 10 Teilnehmerstaaten die Möglichkeit, die Einberufung der Berichterstattennission auch ohne die oben genannten Voraussetzungen einzuleiten. 143 Schließlich kann der Ausschuß Hoher Beamter auf Ersuchen eines jeglichen Teilnehmerstaates jederzeit eine Experten- bzw. Berichterstattermission einsetzen. l44

d) Helsinki-Dokument Im Helsinki-Dokument der KSZE vom Juli 1992 wurde zusätzlich zum dargestellten Durchsetzungsmechanismus der Menschlichen Dimension ein minderheitenspezifischer Mechanismus geschaffen, indem das Amt eines Hohen Kommissars für nationale Minderheiten eingerichtet wurde. Aufgabe des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten ist es, zum frühestmöglichen Zeitpunkt für ,,Frühwarnung" und gegebenenfalls für "Frührnaßnahmen" hinsichtlich von Spannungen zu sorgen, die Bezug auf Angelegenheiten nationaler Minderheiten haben. 145 Dabei befaßt er sich jedoch nicht mit Verletzungen von Minderheitenrech142 (9): "Falls ein Teilnehmerstaat a) gemäß Ziffer 8 eine Anfrage an einen anderen Teilnehmerstaat gerichtet und dieser Staat nicht innerhalb von zehn Tagen nach Eingang der Anfrage die Mission einberufen hat, oder b) befindet, daß ein Expertenkommission keine Lösung der betreffenden Frage erbracht hat, kann er - mit Unterstützung von mindestens fünf weiteren Teilnehmerstaaten - die Einberufung einer Mission von bis zu drei KSZE-Berichterstattern einleiten. Ein solcher Beschluß wird der KSZE-Institution mitgeteilt, die den betroffenen Staat sowie alle anderen Teilnehmerstaaten unverzüglich davon in Kenntnis setzt." 143 (12): ,,Falls ein Teilnehmerstaat der Meinung ist, daß in einem anderen Teilnehmerstaat eine besonders schwerwiegende Gefahr für die Verwirklichung der Bestimmungen der Menschlichen Dimension der KSZE aufgetreten ist, kann er - mit Unterstützung von mindestens neun weiteren Teilnehmerstaaten - das . . . festgelegte Verfahren in Gang setzen .... "; vgl. dazu Nowak, in: Brölmann/LejeberfZieck (eds.), (Anm. 1), 113. 144 (13): "Auf Ersuchen eines jeglichen Teilnehmerstaates kann der Ausschuß Hoher Beamter beschließen, eine Mission von Experten bzw. KSZE-Berichterstattern einzusetzen. " 145 I) (23): "Der Rat ernennt einen Hohen Kommissar für nationale Minderheiten. Der Hohe Kommissar sorgt zum frühestmöglichen Zeitpunkt für ,Frühwamung' und gegebenenfalls für ,Frühmaßnahmen' hinsichtlich von Spannungen, die Bezug auf Angelegenheiten nationaler Minderheiten haben und das Potential in sich bergen, sich im KSZE-Gebiet zu einem den Frieden, die Stabilität oder die Beziehungen zwischen Teilnehmerstaaten beeinträchtigenden Konflikt zu entwickeln. Der Hohe Kommissar stützt sich auf die Einrichtungen des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) in Warschau."; vgl. dazu Nowak, in: Brölmann/LejeberfZieck (eds.), (Anm. I), 114.

222 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes ten von Einzelpersonen. 146 Wie bei Staatenberichten oder Staatenbeschwerden ist also auch Aufgabe des Hohen Kommissars, die Überwachung der Einhaltung eines Mindestbestandes von Minderheitenrechten zu gewährleisten. Der Hohe Kommissar gibt zur Erfüllung seiner Frühwamfunktion eine, auch materiellrechtliche, Einschätzung des jeweiligen Sachverhalts ab, wobei er auf von ihm gesarnrnelte Informationen sowie Untersuchungen vor Ort zurückgreift. Neben Informationen von allen direkt betroffenen Parteien kann er dabei auch Informationen aus den Medien und Berichte nichtstaatlicher Organisationen verwenden. 147 Der Hohe Kommissar kann sich bei der Ermittlung eines Sachverhalts auch von Experten aus der oben bereits genannten Liste unterstützen lassen. Untersuchungen vor Ort kann er nur durchführen, wenn ihm der betroffene Teilnehmerstaat die Einreise in das Land gestattet. Liegt nach seiner Einschätzung das Risiko eines möglichen Konflikts vor, so kann der Hohe Kommissar eine "Frühwarnungs"-Erklärung abgeben, die an den Ausschuß Hoher Beamter weitergeleitet wird. Auf seine Empfehlung kann der Ausschuß Hoher Beamter ihn ermächtigen, weitere Kontakte und eingehendere Konsultationen mit dem Ziel einer friedlichen Lösung aufzunehmen. 148 Nach Abschluß der Tätigkeit des Hohen Kommissars bezüglich eines Sachverhalts erstattet er dem amtierenden Vorsitzenden Bericht, der den Bericht zusarnrnen mit möglichen Stellungnahmen der betroffenen Teilnehmerstaaten an den Ausschuß Hoher Beamter weiterleitet. 149 146 II) (5c): "Der Hohe Kommissar befaßt sich auch nicht mit Verletzungen von KSZEVerpflichtungen bezüglich einer Einzelperson, die einer nationalen Minderheiten angehört." 147 11): ,,(11) Der Hohe Kommissar: (11 a) sammelt und nimmt allgemeine Informationen hinsichtlich Fragen nationaler Minderheiten entgegen, ... ; (11 b) nimmt zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Einschätzung der Rolle der direkt betroffenen Parteien, der Art der Spannungen und der damit verbundenen jüngsten Entwicklungen vor und - wo möglich - der eventuellen Folgen für Frieden und Stabilität im KSZE-Gebiet; (1lc) ist zu diesem Zweck in der Lage, ... jeden Teilnehmerstaat zu besuchen und ... persönlich mit direkt betroffenen Parteien in Kontakt zu treten, um Informationen aus erster Hand über die Lage nationaler Minderheiten zu erhalten ...." 148 11): ,,(13) Wenn auf der Grundlage des Austauschs von Mitteilungen und Kontakten mit den jeweiligen Parteien der Hohe Kommissar zu der Schlußfolgerung gelangt, daß prima facie das Risiko eines möglichen Konflikts ... vorliegt, kann er eine ,Frühwarnungs'-Erklärung abgeben, die vom amtierenden Vorsitzenden unverzüglich an den AHB weitergeleitet wird .... (16) Der Hohe Kommissar kann empfehlen, daß man ihn ermächtigt, weitere Kontakte und eingehendere Konsultationen mit den betroffenen Parteien mit dem Ziel möglicher Lösungen gemäß einem vom AHB zu beschließenden Mandat aufzunehmen. Der AHB kann dementsprechend entscheiden." 149 11): ,,(19) Nach Abschluß des Einsatzes des Hohen Kommissars in bezug auf eine konkrete Frage erstattet der Hohe Kommissar dem amtierenden Vorsitzenden Bericht über

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

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2. Vorschlag Breitenmoser/Richter Der große Vorteil des insbesondere durch das Dokument des Moskauer Treffens und das Helsinki-Dokument geschaffenen OSZE-Durchsetzungsmechanismus gegenüber anderen Durchsetzungsmechanismen liegt in der detaillierten Regelung eines Staatenberichts- und Staatenbeschwerdesystems, das die Betonung auf seinen informellen und auf die Herbeiführung einer friedlichen Streitbeilegung gerichteten Charakter legt. Mit dem Hohen Kommissar für nationale Minderheiten ist eine Institution geschaffen worden, die das Fact-finding ISO , also die Beobachtung von Minderheitenrechtsfragen, in einer Stelle konzentriert. 1SI Über die Funktion eines Staatenberichts- und Staaten beschwerde verfahrens hinaus ist damit erstmals ein vollständiger Beobachtungs- und Kontrollmechanismus für Minderheitenfragen geschaffen worden. Der Nachteil des OSZE-Mechanismus liegt darin, daß er Individualbeschwerden nicht vorsieht. Überhaupt beschäftigt er sich nicht auch mit einzelnen Rechtsverletzungen, sondern ausschließlich mit der Gesamtrechtssituation, also der "public order". Problematisch ist zudem, daß keine abschließende Feststellung erfolgt, ob Minderheitenrechte verletzt sind. Vielmehr ist der Mechanismus im Sinne eines offenen, auf Konsultation und Kooperation basierenden, in die Zukunft gerichteten Prozesses gestaltet. Überdies handelt es sich bei seinen Bestimmungen nicht um für die Teilnehmerstaaten verbindliche Regelungen. Dies ergibt sich zum einen aus dem unverbindlichen Charakter des OSZE-Dokuments, zum anderen aber ebenso wie beim Vorschlag einer Europäischen Konvention aus den in den Dokumenten gewählten Formulierungen. Bei dieser Schwäche des OSZE-Mechanismus setzen BreitenmoserlRichter an, indem sie vorschlagen, den OSZE-Durchsetzungsmechanismus für Minderheitenrechte hinsichtlich Individual- aber auch Staatenbeschwerden durch eine "Organleihe" der EMRK-Organe zu ergänzen. IS2 Ihr Vorschlag sieht ein Zusatzprotokoll zur EMRK vor, das sowohl Mitgliedsstaaten des Europarats als auch Teilnehmerstaaten der OSZE zur Unterzeichnung offensteht. ls3 Materiellrechtlich soll für die die Beobachtungen, die Ergebnisse und die Schlußfolgerungen. Innerhalb eines Zeitraums von einem Monat konsultiert der amtierende Vorsitzende vertraulich den betroffenen Teilnehmerstaatldie betroffenen Teilnehmerstaaten zu den Beobachtungen, Ergebnissen und Schlußfolgerungen und kann auch darüber hinaus Konsultationen führen. Danach wird der Bericht zusammen mit möglichen Stellungnahmen an den AHB weitergeleitet." ISO Zur Bedeutung von Fact-finding allgemein Ramcharan, in: BrölmannlLefeber/Zieck (eds.), (Anm. 4), 239 ff. m So auch Nowak, in: Brölmann/Lefeber/Zieck (eds.), (Anm. I), 114. 152 Vgl. BreitenmoserlRichter (Anm. 93), EuGRZ 1991, 141 ff. IS3 Präambel: "Die unterzeichneten Mitgliedsstaaten des Europarats und der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa haben zur gemeinsamen Sicherstellung der

224 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes OSZE-Staaten Art. 27 IPBürg 15 \ für die Staaten des Europarats der Gehalt des Kopenhagener Dokuments 155 gekoppelt mit den kollektiven Rechten des Vorschlags einer Europäischen Konvention 156 gelten. Eine Gerichtsbarkeit wird für die OSZE-Staaten dadurch geschaffen, daß die Gerichtsbarkeit der Organe des Europarats auch für sie gültig wird. 157 Als BeRechte der Minderheiten in Europa das folgende Zusatzprotokoll zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, im folgenden die Konvention, vereinbart." 154 Art. 4: ..In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen." 155 Art. 5: .. Die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit ist Angelegenheit der persönlichen Entscheidung eines Menschen und darf als solche für ihn keinen Nachteil mit sich bringen." Art. 6: ,,Angehörige nationaler Minderheiten haben das Recht, ihre ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln, frei von jeglichen Versuchen, gegen ihren Willen assimiliert zu werden. Insbesondere haben sie das Recht, a) sich ihrer Muttersprache sowohl privat als auch in der Öffentlichkeit frei zu bedienen; b) ihre eigenen Bildungs-, Kultur- und Religionseinrichtungen, -organisationen oder -vereinigungen zu gründen und zu unterhalten, die um freiwillige Beiträge finanzieller oder anderer Art sowie öffentliche Unterstützung in Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften ersuchen können; c) sich zu ihrer Religion zu bekennen und diese auszuüben, einschließlich des Erwerbs und Besitzes sowie der Verwendung religiösen Materials, und den Religionsunterricht in ihrer Muttersprache abzuhalten; d) untereinander ungehinderte Kontakte über die Grenzen hinweg mit Bürgerinnen und Bürgern anderer Staaten herzustellen und zu pflegen, mit denen sie eine gemeinsame ethnische oder nationale Herkunft, ein gemeinsames kulturelles Erbe oder ein religiöses Bekenntnis teilen; e) Organisationen oder Vereinigungen in ihrem Land einzurichten und zu unterhalten und in internationalen nichtstaatlichen Organisationen mitzuarbeiten. Angehörige nationaler Minderheiten können ihre Rechte einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ausüben und genießen. Aus der Ausübung oder Nichtausübung dieser Rechte darf kein Nachteil für Angehörige einer nationalen Minderheit erwachsen." 156 Art. 7: .. (1) Minderheiten haben das Recht auf Achtung, Schutz und Entwicklung ihrer ethnischen, religiösen, kulturellen oder sprachlichen Identität. (2) Minderheiten haben das Recht auf effektive Teilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten, insbesondere an solchen Entscheidungen, die die Regionen betreffen, wo sie leben, oder betreffend Sachgebiete, die sie berühren." Art. 7 Abs. 2 ist dabei nicht wie Art. 14 Abs. 2 Vorsch!. Europ. Konv. als Staatenverpflichtung, sondern als Recht formuliert. 157 Art. 8: ..(I) Art. 19 bis 56, 59 der Konvention gelten sinngemäß auch für solche Vertragsstaaten dieses Zusatzprotokolls, die nicht gleichzeitig Vertragsstaaten der Konvention sind. Art. 24 der Konvention gilt entsprechend mit der Maßgabe, daß der Vertragsstaat dieses Zusatzprotokolls, der die Kommission mit einer angeblichen Verletzung der Bestim-

A. Beispiele von Durchsetzungsmechanismen

225

richtssystem wird für alle Vertragsstaaten des Zusatzprotokolls auf das Berichtssystem des Art. 57 EMRK zurückgegriffen. ls8 Durch die Umsetzung des Vorschlags von BreitenmoserlRichter würde also auch für Nur-OSZE-Staaten ein verbindlicher Durchsetzungemechanismus geschaffen, dessen Gerichtsbarkeit auch Einzelrechtsverletzungen ahnden würde.

IV. Bilaterale Ebene Für einen Durchsetzungsmechanismus auf bilateraler Ebene soll beispielhaft in gebotener Kürze auf den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991 eingegangen werden. In ihm wird nicht eigentlich die Durchsetzung, sondern die Umsetzung der in dem Vertrag enthaltenen Bestimmungen geregelt. Hinsichtlich der Minderheitenbestimmungen des Vertrages gelten gern. Art. 21 Abs. 3 die allgemeinen Umsetzungsvorschriften des Vertrages. IS9 Danach sind regelmäßig Konsultationen abzuhalten, um eine Weiterentwicklung und Vertiefung der bilateralen Beziehungen sicherzustellen. l60 Regelmäßige Konsultationen sowie zusätzlich mungen dieses Zusatzprotokolls befaßt, die betreffenden Bestimmungen dieses Zusatzprotokolls selbst angenommen hat. ... (4) Im Falle der Beteiligung eines Staates, der nicht Vertragsstaat der Konvention ist, an Verfahren nach dem III. und IV. Abschnitt der Konvention konstitutieren sich die Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jeweils als Kommission und Gerichtshof der KSZE. Sie handeln als Organe der KSZE; die KSZE trägt die Kosten entsprechend Art. 58 der Konvention." 158 Art. 9: ,,Nach Empfang einer entsprechenden Aufforderung durch den Generalsekretär des Europarats hat jeder Hohe Vertragsschließende Teil die erforderlichen Erklärungen abzugeben, in welcher Weise sein internes Recht die wirksame Anwendung des Teils IV des Kopenhagener Dokuments gewährleistet." 159 Art. 21 Abs. 3: "Die Vertragsparteien werden im Hinblick auf die in diesem Artikel und in den Artikeln 20 und 22 angesprochenen Fragen die Bestimmungen von Artikel 3 anwenden." 160 Art. 3: ,,(I) Die Vertragsparteien werden regelmäßige Konsultationen abhalten, um eine Weiterentwicklung und Vertiefung der bilateralen Beziehungen sicherzustellen und ihre Haltung zu internationalen Fragen abzustimmen. (2) Konsultationen auf der Ebene der Regierungschefs finden so oft wie erforderlich, mindestens einmal jährlich, statt. (3) Die Außenminister tragen für die Durchführung dieses Vertrages in seiner Gesamtheit Sorge. Sie werden mindestens einmal jährlich zu Konsultationen zusammentreffen. Leitende Beamte der beiden Außenministerien, denen politische, wirtschaftliche und kulturelle Angelegenheiten obliegen, treffen regelmäßig, mindestens einmal jährlich, zu Konsultationen zusammen. (4) Die Minister anderer Ressorts, darunter die Verteidigungsminister, werden regelmäßig miteinander in Kontakt treten. Das gleich gilt für die leitenden Beamten dieser Ressorts. (5) Die bereits bestehenden gemeinsamen Kommissionen werden ihre Arbeit nach Möglichkeit intensivieren. Neue gemischte Kommissionen werden bei Bedarf nach gegenseiti15 Niewerth

226 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes Streitbeilegung im KSZE- und VN-Rahmen werden auch im deutsch-ungarischen Freundschaftsvertrag festgehalten. 161

B. Kriterien für ein Durchsetzungsmodell Bei der kritischen Betrachtung der verschiedenen Durchsetzungsmechanismen internationaler Minderheitenrechte hat sich gezeigt. daß jeder Mechanismus. sei es auf universeller oder regionaler Ebene. drei Komplexe von Durchsetzungsbestimmungen für Minderheitenrechte regeln sollte. Diese drei Komplexe sind nationale Verfahrensrechte. eine verbindliche internationale Gerichtsbarkeit sowie ein Beobachtungs- und Kontrollsystem. Nur durch die Verbindung dieser drei Komplexe kann eine effektive Durchsetzung internationalen Minderheitenschutzes gewährleistet werden.

ger Absprache gebildet." 161 Art. 5: •.Falls eine Situation entsteht. die nach Meinung einer Vertragspartei eine Bedrohung für den Frieden oder eine Verletzung des Friedens darstellt oder gefährliche internationale Verwicklungen hervorrufen kann. so werden beide Vertragsparteien unverzüglich miteinander Verbindung aufnehmen und bemüht sein. ihre Positionen abzustimmen und Einverständnis über Maßnahmen zu erzielen. die geeignet sind. die Lage zu verbessern oder zu bewältigen. Dabei werden sie insbesondere die zur Krisenverhütung und Krisenlösung in Europa im Rahmen der KSZE geschaffenen Instrumente und Verfahren berücksichtigen und darüber hinaus im Rahmen der Vereinten Nationen zusammenarbeiten." Art. 8: ..(l) Die Vertragsparteien werden im Rahmen der partnerschaftlichen Beziehungen einen regelmäßigen Dialog über alle Fragen von gegenseitigem Interesse führen und regelmäßige Konsuitationen abhalten. um eine Weiterentwicklung und Vertiefung der bilateralen Beziehungen sicherzustellen und ihre Haltung zu internationalen Fragen abzustimmen. (2) Konsultationen auf der Ebene der Regierungschefs finden so oft wie erforderlich. mindestens einmal jährlich. statt. (3) Die Außenminister tragen für die Durchführung dieses Vertrags in seiner Gesamtheit Sorge. Sie werden mindestens einmal jährlich zu Konsultationen zusammentreffen. Leitende Beamte der beiden Außenministerien, denen politische. wirtschaftliche. völkerrechtliche. konsularische und kulturelle Angelegenheiten obliegen. treffen regelmäßig. mindestens einmal jährlich. zu Konsultationen zusammen. (4) Die Minister anderer Ressorts werden regelmäßig miteinander in Kontakt treten. Das gleiche gilt für die leitenden Beamten dieser Ressorts. Die Verteidigungsminister werden die bestehenden Kontakte fortführen und vertiefen. (5) Die bereits bestehenden gemeinsamen Kommissionen werden ihre Tätigkeit nach Möglichkeit intensivieren." Ähnliche Bestimmungen finden sich auch im deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrag (Art. 4 Abs. 2, 7. 11) und im deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrag (Art. 5.6).

B. Kriterien für ein Durchsetzungsmodell

227

I. Nationale Verfahrensrechte

Priorität bei der Lösung minderheitenrechtlicher Probleme haben zunächst innerstaatliche Verfahren, da dies dem Grundsatz entspricht, daß Menschenrechte in erster Linie im Rahmen der staatlichen Rechtsordnung zu sichern sind. Nationale Verfahrensrechte werden auf universeller Ebene durch Art. 2 IPBürg gewährleistet, so daß hier kein weiterer Handlungsbedarf besteht. Aufregionaler Ebene muß außerhalb Europas ein internationaler Minderheitenschutz im engeren Sinne ohnehin erst noch geschaffen werden. In Europa werden nationale Verfahrensrechte für Minderheiten völkerrechtlich ebenfalls noch nicht garantiert. Ein innerstaatliches Verfahren würde de lege ferenda aber sowohl durch ein Zusatzprotokoll zur EMRK als auch durch eine eigenständige Konvention gesichert werden können.

11. Internationale Gerichtsbarkeit

Eine verbindliche internationale Gerichtsbarkeit wird auf universeller Ebene bisher noch nicht gewährleistet. Andererseits ist bereits gezeigt worden, daß das unverbindliche Inividualbeschwerdeverfahren des IPBürg auf Staaten eine ebenso starke Wirkung haben kann wie ein verbindliches Verfahren. Hinzu kommt, daß auf universaler Ebene ein unverbindliches Verfahren bei vielen Staaten eher auf Akzeptanz stoßen wird als ein verbindliches Gerichtsverfahren. Insbesondere Staaten der Dritten Welt bleiben in der Verwirklichung der Menschenrechte oft hinter den Standards westlicher Industrienationen zurück, so daß sie sich auf einen Mechanismus verbindlicher Gerichtsbarkeit noch weniger einlassen werden als auf das Individualbeschwerdeverfahren des IPBürg, durch das ebenfalls noch nicht allzu viele Staaten gebunden sind. Das Individualbeschwerdeverfahren des IPBürg ist deshalb mittelfristig als ausreichend anzusehen. 162 In einer internationalen Konvention zum Schutz von Minderheiten könnte eine entsprechende Kompetenz des Menschenrechtsausschusses anerkannt werden. Langfristig ist aber eine Ergänzung des Individualbeschwerdeverfahrens zu einem bindenden Verfahren vorstellbar. Dies könnte entweder durch eine entsprechende Ergänzung des 1. Fakultativprotokolls 163 oder durch die Schaffung eines Internationalen Menschengerichtshofs, verbunden jeweils mit einer verweisenden Vorschrift in einer internationalen Konvention zum Schutz von Minderheiten, erreicht werden. 164

162

A. A. Schmidt (Anm. 62), ICLQ 41,650.

Etwa Art. 5 Abs. 5 (Amendment): "States Parties to the present Protocol undertake to comply with the Committee's final views.", vgl. Schmidt (Anm. 62), ICLQ 41, 650. 164 Vgl. dazu Schmidt (Anm. 62), ICLQ 41, 658. 163

15'

228 Kapitel V: Durchsetzung des kollektiven und positiven Minderheitenschutzes Wünschenswert wäre zudem, wenn auch das Staatenbeschwerdeverfahren, das bisher in Art. 41, 42 IPBürg geregelt ist, parallel zum Individualbeschwerdeverfahren gestaltet würde. Es sollte dabei neben dem Aspekt der politischen um den Aspekt der rechtlichen Lösung menschenrechtlicher Fragen erweitert werden. Dabei müßten die Zulässigkeitsvoraussetzungen ähnlich wie beim Vorschlag einer Europäischen Konvention gering gehalten werden, da mit der Staatenbeschwerde Einzelrechtsverletzungen in der Regel nicht geltend gemacht werden. Staatenbeschwerden an den Menschenrechtsausschuß vorsehende Bestimmungen könnten in einer internationalen Konvention zum Schutz von Minderheiten enthalten sein. Auf regionaler Ebene können die Ausführungen auf Europa beschränkt werden, da in anderen Regionen ein internationaler Minderheitenschutz im engeren Sinne noch nicht vorgesehen ist. In Europa ist de lege ferenda einem Zusatzprotokoll zur EMRK über kulturelle Rechte aus den genannten Gründen der Vorzug vor einer eigenständigen Konvention zu geben. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn möglichst bald ein Zusatzprotokoll zur EMRK über kulturelle Rechte, das auch Minderheitenrechte einschließt, erarbeitet werden könnte. 165 Eine eigenständige Gerichtsbarkeit der OSZE bzw. eine Organleihe von Europaratsorganen ist hingegen nicht erforderlich, da ohnehin inzwischen fast alle Staaten Europas Mitgliedsstaaten des Europarats sind. l66 Das "gestufte System"167 BreitenmoserlRichters, durch das OSZE-Staaten auf eine (spätere) EMRK-Mitgliedschaft vorbereitet werden sollen, ist deshalb nicht umzusetzen. Zudem würde damit der politische (nichtrechtliche ) Charakter der OSZE verfälscht. Gerade der politische Charakter ist eine der Stärken der OSZE, da durch ihn in einigen Staaten eine hohe Akzeptanz gegenüber der OSZE im Vergleich zum Europarat bewirkt wird. Auf bilateraler Ebene ist schließlich neben der Regelung von Konsultationen an den Ausbau einer Schiedsgerichtsbarkeit zu denken, so wie dies etwa im deutschungarischen Freundschaftsvertrag durch Bezug auf die OSZE- und VN-Mechanismen vorgesehen ist.

165 Vgl. Empfehlung 1255 (1995), para. 8: "Ferner ist es von Bedeutung, das Rahmenübereinkommen durch ein Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention zu ergänzen, welches vor unabhängigen Rechtsorganen einklagbare, klar definierte Rechte enthält. Diese Organe können, in letzter Instanz, die Europäische Komission und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sein. Aus diesem Grunde hält es die Versammlung für äußerst wichtig, die Arbeit in bezug auf ein ,Protokoll, das die Konvention im kulturellen Bereich durch Bestimmungen ergänzt, die insbesondere für Angehörige nationaler Minderheiten individuelle Rechte garantieren' zu beschleunigen.", zitiert in: EuGRZ 22 (1995), 284; Klebes (Anm. 74), EuGRZ 1995,268. 166 Dies halten auch BreitenmoserlRichter (Anm. 93), EuGRZ 1991, 144, fest. 167 Vgl. BreitenmoserlRichter (Anm. 93), EuGRZ 1991, 141.

B. Kriterien für ein Durchsetzungsmodell

229

Irr. Beobachtungs- und KontroUmechanismus Ein Beobachtungs- und Kontrollmechanismus existiert auf universaler Ebene mit dem Staatenberichtsverfahren des IPBürg gern. Art 40 IPBürg nur teilweise. Vorstellbar wäre hier, daß ein VN-Hochkommissar für Minderheitenfragen geschaffen würde. 168 Die Kompetenzen des Hochkommissars sollten dabei ähnlich denen des OSZE-Hochkommissars ausgestaltet sein. Entsprechende Bestimmungen können wiederum in einer internationalen Konvention zum Schutz von Minderheiten enthalten sein. Damit würde neben dem Staatenberichtsverfahren ein Beobachtungsmechanismus geschaffen, der den VN-Durchsetzungsmechanismus zu einem vollständigen Beobachtungs- und Kontrollmechanismus ausweiten würde. Auf regionaler Ebene verfügt die OSZE über einen detaillierten Beobachtungsund Kontrollmechanismus, so daß innerhalb Europas kein Handlungsbedarf besteht. Erstrebenswert wäre allerdings, wenn die Kompetenzen des Hohen Kommissars dahingehend ausgeweitet würden, daß er auch ohne Genehmigung des jeweils betroffenen Staates zum Fact-finding einreisen könnte. 169 Zwar sieht die EMRK lediglich ein rudimentäres Staatenberichtsverfahren vor, da jedoch alle Mitgliedsstaaten des Europarats auch Mitgliedsstaaen der OSZE sind und damit der Beobachtung durch den Hohen Minderheitenkommissar sowie der Kontrolle des gemischten Staatenberichts-/Staatenbeschwerdeverfahrens des Moskauer Treffens unterliegen, ist ein Ausbau des Staatenberichtsverfahrens der EMRK für Minderheitenfragen nicht erforderlich. Wichtig ist lediglich, daß eine Zusammenarbeit zwischen den Europarats- und OSZE-Organen gewährleistet ist. Insbesondere wird es für die Europäische Menschenrechtskommission und für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte von Bedeutung sein, auf Informationen der OSZE-Organe zurückgreifen zu können. Dies sollte jedoch im Rahmen der Untersuchung von Angelegenheiten gern. Art. 28 EMRK problemlos möglich sein. Umgekehrt sollte es de lege ferenda auch möglich sein, daß der OSZE-Hochkommissar Minderheitenrechtsverletzungen an die Europarats-Organe weiterleitet. 170 Auf bilateraler Ebene wäre schließlich die Berufung von Expertenmissionen sinnvoll, wobei diese das Recht der jederzeitigen Einreise zum Fact-finding haben sollten.

168 A. A. Ramcharan, in: BrölmannlLefeberlZieck (eds.), (Anm. 4), 251, der eine Working Group on the human rights of minorities vorschlägt. 169 V gl. insbesondere Europäische Folterkonvention. 170 Vgl. de Zayas, in: BrölmanniLefeberlZieck (eds.), (Anm. 30), 282.

Ergebnis und Entwicklung eigener Kriterien für einen effektiven kollektiven und einen effektiven positiven Minderheitenschutz Ziel dieser Arbeit war es, Kriterien für einen effektiven kollektiven und positiven Schutz von Minderheiten im Völkerrecht zu entwickeln. Zur Erreichung dieses Ziels wurde für die Bestimmung des Begriffs der Minderheit zunächst von der Definition Capotortis ausgegangen, wonach eine Minderheit eine Gruppe ist, die numerisch kleiner als der Rest der Bevölkerung eines Staates ist, sich in einer schwächeren Position befindet und bestimmte ethnische, religiöse oder sprachliche Eigenschaften besitzt, die sie vom Rest der Bevölkerung unterscheiden. Als ethnische bzw. sprachliche Minderheiten können danach in Deutschland Dänen, Friesen, Sinti und Roma sowie Sorben bezeichnet werden. Aber auch autochthone Völker, etwa die Ureinwohner Amerikas oder Australiens, sind als Minderheiten einzuordnen. Bei der Entwicklung einer Konzeption kollektiver und positiver Rechte wurden kollektive Rechte mit Individualbezug, rein kollektive Rechte, die zum Teil mit Individualrechten verbunden sind, und kollektive Staatenverpflichtungen unterschieden. Kollektive Rechte mit Individualbezug entstehen letztlich nur durch die Addition von Individualrechten einzelner Gruppenmitglieder. Obwohl sie also von Einzelrechten abhängen, handelt es sich bei ihnen nicht lediglich um eine Regelung der Prozeßstandschaft, sondern um eigene Rechte der Gruppe. Beispiele sind etwa kollektive Ansprüche auf Nichtdiskriminierung, wie sie sich in manchen internationalen Konventionen finden. Parallelen zu dieser Kategorie finden sich etwa im nationalen deutschen Recht bei "Verbandsklagen" oder im amerikanischen Recht bei "class actions". Andererseits existieren im Völkerrecht jedoch auch rein kollektive Rechte. In diesen Fällen verfügen die einzelnen Gruppenangehörigen nicht über eigene Rechte. Für das Individuum kann sich lediglich ein Teilhaberecht am kollektiven Recht ergeben. In bestimmten Fällen können kollektive Rechte jedoch auch mit Individualrechten verknüpft sein. Beispiele für diese Kategorie von Rechten sind die kollektive Rechte auf Bestandsschutz, Achtung, Schutz und Förderung der Identität sowie das Selbstbestimmungsrecht.

232

Ergebnis

Schließlich gibt es auch Staatenverpflichtungen zum Schutz von Gruppen, die nicht als Rechte fonnuliert sind. In dieser Kategorie bestehen rechtliche Verpflichtungen anderen Staaten, nicht aber den eigenen Staatsangehörigen gegenüber. Staatenverpflichtungen werden in der Regel verwendet, wenn die Staatengemeinschaft noch nicht zur Anerkennung von Rechten bereit ist. Innerhalb der Rechte unterscheidet man zwischen unmittelbaren und mittelbaren Rechten. Unmittelbare Rechte ennöglichen es dem Individuum bzw. der Gruppe, sich vor einer internationalen Instanz direkt auf sie zu berufen. Mittelbare völkerrechtliche Rechte können hingegen nur national geltend gemacht werden, da es an einem internationalen Durchsetzungsmechanismus fehlt. Bei der Kategorisierung positiver Rechte sind von diesen zunächst negatorische Rechte abzugrenzen, also die klassischen Abwehrrechte gegen den Staat. Sodann gibt es einerseits Rechte auf positive Staatshandlungen im Sinne von Schutzmaßnahmen gegen Eingriffe privater Dritter, andererseits Rechte auf positive Staatshandlungen im Sinne von Förderungsmaßnahmen unabhängig von Eingriffen Privater. Beispiele solcher Förderungsmaßnahmen sind etwa Affirmative ActionMaßnahmen sowie Maßnahmen zur Förderung der Identität von Minderheiten. Von positiven Rechten können schließlich wiederum positive Staatenverpflichtungen unterschieden werden. Die Untersuchung der in völkerrechtlichen Instrumenten enthaltenen kollektiven und positiven Rechte von Minderheiten wurde hauptsächlich vom IPBürg bestimmt, welcher als einziger relevanter, universell bindender menschenrechtlicher Vertrag anzusehen ist. Die G.V.-Deklaration 47/137 ist hingegen eine unverbindliche Erklärung, der keine Rechtswirkung zukommt. Zudem geht ihr Gehalt sowohl hinsichtlich kollektiver als auch positiver Rechte kaum über den Gehalt des Paktes hinaus. Mittels einer Auslegung waren die für Minderheiten einschlägigen Artikel 1,26 und 27 des Paktes auf ihren Gehalt zu untersuchen. Hinsichtlich kollektiver Rechte ergab eine Auslegung von Art. 27 zunächst, daß dieser einen kollektiven Bestandsschutz gewährleistet. In diese Richtung geht zumindest die Entscheidung des Menschenrechtsausschusses im Fall Lubicon Lake Band vs. Canada von 1990. Zudem beinhaltet Art. 27 die kollektive Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Minderheitenidentität. Ein Recht auf Förderung der Minderheitenidentität ist Art. 27 jedoch nicht zu entnehmen. Eine Auslegung von Art. 1 Abs. 1 nach seinem Sinn und Zweck führte zu dem Ergebnis, daß auch Minderheiten zumindest in bestimmten Fällen ein Selbstbestimmungsrecht zuzugestehen ist. Selbstbestimmung ist dabei im Sinne einer inneren Selbstbestimmung aufzufassen. Rechte auf Autonomie oder lokale Selbstverwaltung für Minderheiten erscheinen danach denkbar. Hinsichtlich positiver Rechte zeigte die Auslegung von Art. 26 des Paktes, daß nach dieser Nichtdiskriminierungsvorschrift sowohl Schutzmaßnahmen als auch

Ergebnis

233

Förderungsmaßnahmen im Sinne von Affirmative Action erforderlich sind. Bei den Minderheitenrechten im engeren Sinne führte eine Untersuchung zu dem Ergebnis, daß Art. 27 zwar Schutzmaßnahmen, nicht aber Förderungsmaßnahmen erforderlich macht. Geschützt werden etwa (gegen staatliche und private Eingriffe) die gemeinsame Pflege des kulturellen Lebens, der mündliche und schriftliche, private und öffentliche Gebrauch der Sprache, der Unterricht der Minderheitensprache, die Verwendung dieser Sprache im Umgang mit Gerichten und Verwaltungsbehörden sowie das Bekennen und Ausüben der Minderheitenreligion. Art. 27 bleibt von seinem Wortlaut her jedoch sehr allgemein, so daß alle spezifischen Rechte nur mittels einer Auslegung gewonnen werden können. Auf regionaler Ebene existierte bis vor kurzer Zeit überhaupt kein bindendes Regelungswerk von Minderheitenrechten. In der EMRK und auch in der AMRK finden sich zwar Vorschriften zur Nichtdiskriminierung, nicht aber zum Minderheitenschutz im engeren Sinne. Erst in jüngerer Zeit sind im Rahmen des Europarats Versuche unternommen worden, kollektive und positive Rechte des Minderheitenschutzes zu kodifizieren. Der Europäischen Charta für Regional- oder Minderheitensprachen von 1992 sowie der Rahmenkonvention für den Schutz von Minderheiten von 1994 kommt große Bedeutung zu, da es sich bei ihnen um bald verbindliche Regelungswerke handelt. Die Rahmenkonvention geht allerdings bedauerlicherweise kaum über den Gehalt des IPBürg hinaus. Die Europäische Charta ist demgegenüber zwar weitreichend, allerdings naturgemäß auf die Sprachenrechte beschränkt. Zum Teil weit über den Gehalt des IPBürg hinaus gehen de lege ferenda der Vorschlag einer Konvention durch die European Commission for Democracy through Law von 1991 und der Entwurf eines Zusatzprotokolls durch die Parlamentarische Versammlung von 1993. So enthält der Vorschlag einer Konvention etwa die kollektiven Rechte auf Bestandsschutz sowie Achtung, Schutz und Förderung der Minderheitenidentität. Zudem finden sich Staatenverpflichtungen zur Garantie von verschiedenen Möglichkeiten innerer Selbstbestimmung. Der Entwurf eines Zusatzprotokolls enthält eine sehr detaillierte Kodifizierung individueller, positiver Minderheitenrechte, die weitestgehend auch Förderungsmaßnahmen umfassen. So finden sich bei den Sprachenrechten etwa das Recht auf Verwendung der Minderheitensprache für Ortsbezeichnungen, Schilder, Inschriften und andere öffentlich sichtbare Informationen, das Recht auf Unterricht in der Minderheitensprache in staatlichen Schulen und weiteren Institutionen sowie das Recht auf Gebrauch der Minderheitensprache im Umgang mit Gerichten und Verwaltungsbehörden. Schließlich ist noch das Kopenhagener Dokument der KSZE von 1992 zu erwähnen, das wie die G.V.-Deklaration der VN kein bindendes Völkerrecht bein-

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Ergebnis

haltet. Auch dies enthält zum Teil jedoch weitreichende Rechte sowohl des kollektiven als auch des positiven Minderheitenschutzes. Im rechtspolitischen Teil ist das Ergebnis vertreten worden, daß der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten Mittel sind, um das Überleben von Minderheiten in der Zukunft zu garantieren. Die Erfahrung mit hoch entwickelten Regimes des Minderheitenschutzes zeigt, daß durch einen weitgehenden kollektiven und positiven Minderheitenschutz eine Atmosphäre gegenseitigen Verstehens in Situationen geschaffen wird, in denen zuvor interethnische Feindseligkeit vorherrschend war. Um so weniger interethnische Feindseligkeit wird vorzufinden sein, je besser das jeweils schützende System ist. Kollektive und positive Rechte von Minderheiten können somit nicht eine desintegrierende, sondern eine integrierende Funktion haben. Bei der Frage der Erforderlichkeit einzelner Minderheitenrechte zeigt sich, daß Antworten jeweils für die Kategorien von Rechten gegeben werden können, die im Rahmen der Konzeption kollektiver und positiver Rechte entwickelt worden sind. Kollektive Rechte mit Individualbezug und kollektive Rechte, die mit Individualrechten verbunden sind, sind danach erforderlich, weil sie es Angehörigen von Minderheiten erleichtern, ihre Ansprüche auf einen effektiven Minderheitenschutz durchzusetzen. Das Selbstbestimmungsrecht kann hingegen nur mit Einschränkungen gewährt werden. So ist etwa die territoriale Integrität bestehender Staaten zu wahren. Es kann dementsprechend nur ein inneres Selbstbestimmungsrecht im Sinne von territorialer Autonomie, Selbstverwaltung oder politischer Mitwirkung in Betracht kommen. Bei den positiven Rechten sind grundsätzlich nicht nur Minderheiten schützende, sondern auch Minderheiten fördernde Maßnahmen erforderlich. Nur durch Förderungsmaßnahmen ist es möglich, Minderheiten auf Dauer oder jedenfalls solange wie möglich zu erhalten. Die Minderheitenangehörigen dürfen dabei nicht gezwungen werden, sich weiterhin als Teil einer Minderheit zu betrachten. Vielmehr müssen sie frei entscheiden können, ob sie Maßnahmen des Minderheitenschutzes überhaupt in Anspruch nehmen wollen. Geht unter diesen Umständen eine Minderheit wie etwa die deutsche Minderheit in Nordschleswig möglicherweise Schritt für Schritt ihrer Auflösung entgegen, so hat der die Minderheit fördernde Staat seine Schuldigkeit dann getan, wenn keine Angehörigen der Minderheit mehr geblieben sind. Bis zu diesem Zeitpunkt ist er aber zur Förderung im Sinne eines freien Angebotes an die Angehörigen der Minderheit verpflichtet. Die primäre Verantwortung zu ihrer Erhaltung hat jedoch die Minderheit selber. Im einzelnen ist es erforderlich, daß die kulturelle, religiöse und sprachliche Identität von Minderheiten gefördert wird. So muß die Minderheitensprache in staatlichen Schulen nicht nur unterrichtet werden, sondern es muß auch Unterricht in der Minderheitensprache erfolgen. Weiter ist es erforderlich, daß Minderheiten-

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angehörige ihre Sprache im Umgang mit Behörden und Gerichten und auch für öffentliche Informationen verwenden können. Wünschenswert ist es auch, daß Minderheiten, wo möglich, die Unterhaltung von Zeitungen, Radiostationen und sogar Fernsehkanälen ermöglicht wird. Sowohl kollektive als auch positive Grundsätze sollten eher als Recht denn als Staatenverpflichtung formuliert werden, da Gruppen dann locus standi vor internationalen Institutionen hätten. Kollektive und positive Rechte allein werden jedoch einen besseren Schutz von Minderheiten in der Zukunft nicht bewirken können. Ebenso wichtig ist die Errichtung eines detaillierten und effektiven Verfahrens zur Verhinderung und Lösung von Minderheitenkonflikten.' Effektive Durchsetzungsmechanismen müssen deshalb in alle zukünftigen völkerrechtlichen Instrumente zum Minderheitenschutz aufgenommen werden. Auf universeller Ebene ist die Erarbeitung einer bindenden internationalen Konvention zum Schutz ethnischer, sprachlicher und religiöser Minderheiten erforderlich. Auf regionaler Ebene könnte Minderheitenschutz hingegen in die bestehenden Regionalstrukturen eingebettet werden. So wäre in Europa zusätzlich zur Europäischen Rahmenkonvention und zur Charta für Regional- oder Minderheitensprachen ein Zusatzprotokoll zur EMRK über kulturelle Rechte unter Einschluß von Minderheitenrechten sinnvoll. Auch auf bilateraler Ebene sollten Minderheitenrechte im erörterten Umfang Eingang in Freundschafts- und Nachbarschaftsverträge finden. Der Vorteil bilateraler gegenüber multilateralen Verträgen zum Schutz von Minderheiten liegt darin, daß sie auf Besonderheiten genauer eingehen können. Umgekehrt haben multilaterale Verträge den Vorteil, daß sie der Minderheitenproblematik über die Zweierbeziehung hinaus eine größere Aufmerksamkeit vermitteln. 2 Innerhalb multilateraler Verträge spricht für universelle Verträge wiederum die "Verallgemeinerung des Betroffenseins"\ für regionale Verträge hingegen die Möglichkeit eines modemen Minderheitenschutzes. Wegen der Vielschichtigkeit der Problematik erscheint daher eine gleichzeitige vertragliche Regelung auf verschiedenen Ebenen, also eine "Vernetzung'''' von Minderheitenschutzbestimmungen sinnvoll.

, V gl. Manfred Nowak, The Evolution of Minority Rights in International Law, Comments, in: Catherine BrölmannIRene LefeberlMarjoleine Zieck (eds.), Peoples and Minorities in International Law, DordrechtIBostonILondon 1993, 103 - 118, 111. 2 V gl. Eckart Klein, Konzeption und Durchsetzung des Minderheitenschutzes, in: Dieter BlumenwitzIHans v. Mangoldt (Hrsg.), Neubestätigung und Weiterentwicklung von Menschenrechten Wld Volksgruppenrechten in Mitteleuropa, Bonn 1991,51 - 60, 58. 3 Vgl. Klein, in: Blumenwitzlv. Mangoldt (Hrsg.), (Anm. 2),58. 4 V gl. Klein, in: Blumenwitzlv. Mangoldt (Hrsg.), (Anm. 2), 58.

Ergebnis

236

Grundsätzlich ist es auf universeller und regionaler Ebene erforderlich, daß im Rahmen eines in diesem Sinne erarbeiteten völkerrechtlichen Minderheitenschutzvertrages sowohl Individuen als auch Mitgliedsstaaten Beschwerden an ein internationales Gerichtsorgan richten können, das sich mit Beschwerden befaßt und für die betroffenen Staaten verbindliche Entscheidungen trifft. Darüber hinaus muß es jedoch auf universeller und regionaler Ebene auch einen Beobachtungs- und Kontrollmechanismus geben, durch den Verletzungen von Minderheitenrechten oft überhaupt erst bekannt werden. Zu denken wäre dabei an ein Staatenberichtsverfahren sowie ein Hohes Kommissariat für Minderheitenfragen mit weitgehenden Beobachtungsbefugnissen. Auf universeller Ebene sieht der IPBürg bisher Staatenbeschwerden sowie ein Staatenberichtssystem vor. Ein Hohes Kommissariat gibt es hingegen auf universeller Ebene noch nicht. Die Möglichkeit von Individualbeschwerden ist im 1. Fakultativprotokoll vorgesehen, das bisher nur von wenigen Staaten ratifiziert worden ist. In Europa stünde dem Europarat mit Europäischer Kommission und Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte bereits eine umfangreiche internationale Gerichtsbarkeit zur Verfügung. Ein vollständiger Beobachtungs- und Kontrollmechanismus müßte für den Europarat zwar theoretisch noch geschaffen werden. Die OSZE verfügt jedoch seit einigen Jahren durch das Hohe Kommissariat für Minderheitenfragen über ein Beobachtungssystem mit umfangreichen Untersuchungskompetenzen innerhalb der OSZE-Staaten. Zudem verfügt sie gemäß der Vorschriften des Moskauer Treffens über ein ausreichendes Kontrollsystem. Der Berichterstatter der Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection ofMinorities, Asbjoem Eide, hat in seinem Bericht zum Minderheitenschutz von der zunehmenden weltweiten Bereitschaft der Staaten, auf Minderheitenbelange einzugehen, berichtet. 5 Diese Bereitschaft sollte genutzt werden, um sowohl auf universeller, regionaler als auch auf bilateraler Ebene bindende Minderheitenschutzinstrumente zu verabschieden und zu ratifizieren. Diese Instrumente sollten den kollektiven und den positiven Schutz von Minderheiten im Völkerrecht und ihre Durchsetzung beinhalten.

5

Vgl. Kapitel IV, Text bei Anm. 81.

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Zur Rechtsstellung von Zuwande-

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