Der kalte Krieg gegen die DDR: Von seinen Anfängen bis 1961 [Reprint 2022 ed.] 9783112642481

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Der kalte Krieg gegen die DDR: Von seinen Anfängen bis 1961 [Reprint 2022 ed.]
 9783112642481

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HANS TELLER D E R KALTE KRIEG GEGEN D I E DDR

Hans Teller

Der kalte Krieg gegen die DDR Von seinen Anfängen bis 1961

Mit 22 Abbildungen und einer Chronik

Akademie-Verlag • Berlin 1979

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1979 Lizenznummer: 202 • 100/65/78 Einbandgestaltung: Rolf Kunze Herstellung: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 Gräfenhainichen • 5255 Bestellnummer: 753 548 3 (2151/24) • LSV 0275 Printed in GDR DDR 11,80 M

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Einleitung

IX 1

Kapitel I Die „Deutschlandpolitik" der BRD und der kalte Krieg gegen die Deutsche Demokratische Republik bis zum Sommer 1961. Die Gründung der BRD Das Programm der „Deutschlandpolitik" der BRD: Die Regierungserklärungen vom 20. September und 21. Oktober 1949 . . Das staatsrechtliche Fundament der Bonner Anti-DDR-Politik . . Die Politik der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" und die politisch-diplomatische Blockade gegen die DDR Die Bundesregierung und das Projekt der „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" (EVG). Die Verschärfung des kalten Krieges gegen die DDR und die Ereignisse im Juni 1953 Der Beitritt der BRD zum Nordatlantikpakt. Die Verschärfung der Politik des kalten Krieges gegen die DDR durch die Hallstein-Doktrin Die gefährliche Zuspitzung der Politik des kalten Krieges gegen die DDR bis zum Sommer 1961. Die Maßnahmen der Staaten des Warschauer Vertrages vom 13. August 1961 und der Zusammenbruch der „Wiedervereinigungspolitik" im Zeichen einer „Politik der Stärke"

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Kapitel II Der Apparat des kalten Krieges gegen die Deutsche Demokratische Republik Ein Bundesministerium für den kalten Krieg Ein Planungsstab für die kapitalistische Restauration: Der „Forschungsbeirat für die Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" beim „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" . .

51 51

60 V

Das „Sofortprogramm" von 1953

63

Das „Sofortprogramm" von 1956

70

Das „Sofortprogramm" von 1961

71

Das „Sofortprogramm" von 1965

74

Der „Königsteiner Kreis"

79

Das „Kuratorium Unteilbares Deutschland"

82

Das „Informationsbüro West*

90

Das „Sowjetzonen-Archiv" („SBZ-Archiv")

91

Der Krieg im Untergrund. Zur Tätigkeit der Spionage-, Sabotagetmd Terrororganisationen im kalten Krieg gegen die DDR . . . Die „Ostbüros" der SPD, CDU und FDP als parteipolitische Institutionen im kalten Krieg Das „Ostbüro" lands

der

Sozialdemokratischen

Partei

94 108

Deutsch108

Das „Ostbüro" der Christlich-Demokratischen Union. Die „ExilCDU"

112

Das „Ostbüro" der Freien Demokratischen Partei

114

Der Bundesnachrichtendienst

119

Der „Untersuchungssausschufj freiheitlicher Juristen, e. V."

.

Die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V." Das Feindbild von der DDR in der psychologischen der BRD

124 131

Kriegführung 140

Die Bundesregierung gibt den Ton an: Das „Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung" und sein Bild über die DDR

146

Die „Bundeszentrale für Heimatdienst"

152

Das Feindbild in den Massenmedien . . . . ' Die DDR im Visier des Ätherkrieges: „RIAS" Berlin - der Funkpirat für Diversion und Untergrundkrieg Der organisierte Revanchismus im kalten Krieg gegen die DDR

154

170

Der Wirtschaftskrieg gegen die DDR. Ausgangslage und Aufgabenstellung des Wirtschaftskrieges

182

Der Wirtschaftskrieg in Aktion: Störmafjnahmen und Embargopolitik

186

Subversive Aktionen als Bestandteil des Wirtschaftskrieges

.

196

Die militärische Variante des kalten Krieges: Die Rolle der Bundeswehr als potentielles Aggressionsinstrument gegen die DDR .

201

VI

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Schlußbemerkung Chronik Besondere Institutionen und Organisationen des kalten Krieges gegen die Deutsche Demokratische Republik auf dem Territorium der BRD und Westberlins

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249

Quellennachweis der Abbildungen

250

Bibliographie

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Personenregister

263

Vorwort

Das vorliegende Buch löst eine Fragestellung aus: Welche Bedeutung kommt angesichts eines erfolgreich in Gang gekommenen Prozesses der internationalen Entspannung heute einer Darstellung des kalten Krieges gegen die Deutsche Demokratische Republik zu? Diese Frage ist zweifellos verständlich. Die gewachsene Stärke des sozialistischen Weltsystems, die Kraft der internationalen Arbeiterbewegung und der nationalen Befreiungsbewegung haben den Frieden in unserer Zeit sicherer gemacht. Konsequente, beharrliche und langwierige Bemühungen konstruktiver Außenpolitik der sozialistischen Staaten ermöglichten die Beseitigung solcher vom Imperialismus entfesselten Kriegsherde wie des Krieges in Südostasien. In Europa wurde die Situation durch bedeutende internationale Abmachungen entschärft. In den Verträgen von Moskau und Warschau vom August bzw. November 1970 erfolgte erstmals eine völkerrechtlich verbindliche Bestätigung des Status quo in Europa. Der am 9. November 1972 zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossene Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen beendete eine mehr als zwanzigjährige Periode der Nichtbeziehungen und des kalten Krieges. Auch das Abkommen zwischen der CSSR und der BRD war ein wichtiger Baustein zur europäischen Entspannung. Von außerordentlicher Bedeutung waren die im Juli 1974 zwischen der UdSSR und den USA abgeschlossenen Abkommen über eine Beschränkung der strategischen Rüstungen, die weiterführende vertragliche Möglichkeiten erlaubten. Alle diese Verträge, deren wechselseitige Bedingtheit und deren innerer Zusammenhang kaum in Abrede gestellt werden können, markieren wichtige Etappen auf dem Weg zur Durchsetzung der Politik der friedlichen Koexistenz in den Beziehungen von Staaten mit entgegengesetzten gesellschaftlichen Sy-

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stemen. Als ein vorläufiger Höhepunkt dieser positiven Entwicklung hat die Konferenz über internationale Sicherheit und Zusammenarbeit der europäischen Staaten und Völker in Helsinki 1975 augenfällig die Wende vom kalten Krieg zur friedlichen Koexistenz dokumentiert. Darüber darf jedoch die Tatsache nicht in Vergessenheit geraten, daß der kalte Krieg über einen langen Zeitraum hinweg die internationalen Beziehungen in erheblichem Mafje belastet hat. Der kalte Krieg war Ausdruck der antisowjetischen, antikommunistischen, extrem reaktionären Strategie und Politik der aggressiven Kräfte des Weltimperialismus. Während seines Verlaufs gingen strategische Pläne des USA-Imperialismus zu Bruch, die zu politischen und militärischen Doktrinen erhoben worden waren. Zusammen mit den Doktrinen vollzog sich der Verschleiß des taktischen und methodischen Arsenals. So vermochte der Wirtschaftskrieg den sozialistischen Staaten zwar beträchtliche ökonomische Schäden zuzufügen, verfehlte jedoch sein Hauptziel: die politische Erpressung und schließliche Unterwerfung unter imperialistische Herrschaftsansprüche. Den Versuchen, das internationale Kräfteverhältnis durch frontale Angriffe mit politischem und militärischem Druck und durch eine Eskalation des kalten Krieges bis zur militärischen Intervention in der Form von „lokalen" oder „Stell Vertreter "Kriegen zugunsten des Imperialismus zu verändern, wurde in allen Fällen eine kategorische Abfuhr erteilt. Die aggressive Politik der Nichtanerkennung, wie sie gegenüber solchen Staaten wie der DDR praktiziert wurde, erwies sich als Weg in die eigene Isolierung. Auch im psychologischen und im Untergrundkrieg der subversiven Agenturen und konterrevolutionären Banden mußten die aggressiven imperialistischen Kräfte Einbrüche und Schlappen verbuchen. Der kalte Krieg wuchs sich für seine Urheber zu einer Kette von Niederlagen aus; in seiner Folge nahm die Labilität des imperialistischen Systems als Ausdruck seiner allgemeinen Krise zu, während sich auf der anderen Seite ein Erstarken des Sozialismus, der nationalen Befreiungsbewegung und der Arbeiterbewegung in den kapitalistischen Ländern vollzogen. Ebenso wie der kalte Krieg selbst, zeigt sich jedoch auch die Wende zur internationalen Entspannung und friedlichen Koexistenz als ein vielschichtiger, komplizierter und widersprüchlicher Prozeß, als Wechsel von Fortschritt und Rückschlägen. So bestehen auch gegenwärtig Relikte des kalten Krieges fort, und es sind Kräfte am Werk,

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die eine Rückkehr zum kalten Krieg anstreben. Solche Relikte finden sich auf verschiedenen Ebenen. Sie existieren in den strategischen Plänen und deren Modifizierungen fort, im Wettrüsten und im Ausbau der Militärpakte, im Weiterbestehen großer Zentren der ideologischen und politischen Diversion, in anderen Formen des Wirtschaftskrieges, in Störungen der internationalen Beziehungen und in Versuchen imperialistischer Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten. Im Komplex dieser Fragen, die nicht nur historisch, sondern auch aktuell-politisch von Bedeutung sind, nimmt das Verhältnis zwischen der DDR und der BRD - der beiden an der Trennungslinie zwischen Sozialismus und Imperialismus in Europa gelegenen deutschen Staaten - einen wichtigen Platz ein. Durch den Abschluß des Grundlagenvertrages, in dem die BRD die DDR als souveränen deutschen Staat einschließlich seiner Grenzen anerkannte und die Politik der Alleinvertretungsanmaßung offiziell beendete, konnten die Beziehungen zwischen den beiden Staaten in wesentlichen Bereichen normalisiert und Bedingungen für ein geregeltes Nebeneinanderleben geschaffen werden. Wie die Entwicklung seit dem Grundlagenvertrag jedoch beweist, hat die Bundesregierung das vom ersten Bundeskanzler der BRD am 21. Oktober 1949 proklamierte „Alleinvertretungsrecht" keinesfalls aufgegeben, sondern sucht dessen Inhalt durch eine Orientierung von „gesamtdeutschen" Ansprüchen auf „innerdeutsche Beziehungen" zweier deutscher Staaten im Rahmen einer angeblich existenten „einheitlichen deutschen Nation" zu erhalten. Eine Korrektur des Alleinvertretungsanspruchs, der die Basis der gesamten AntiDDR-Politik in der Zeit des kalten Krieges bildete, ist auf staatsrechtlicher Ebene nicht erfolgt: Im Grundgesetz der BRD und allen anderen von diesem Gesetz ausgehenden nachfolgenden Gesetzen und Verordnungen ist nach wie vor das „Alleinvertretungsrecht" ebenso enthalten wie der Anspruch auf ein Deutschland in den Grenzen von 1937. Auch die offizielle Staatsbezeichnung der Bundesrepublik erhebt bis heute den Anspruch auf ein Gebiet, das in der politischen Realität spätestens seit 1949 nicht mehr vorhanden ist. Die Bundesregierung erkennt die Staatsbürgerschaft der DDR-Bürger nicht an, sie versucht, sich ein „Sorgerecht" für „alle Deutschen" anzumaßen. In engem Zusammenhang damit steht das Bestreben, die Beziehungen zur DDR auf die Praxis innerstaatlichen Rechts in der Weise zu reduzieren, daß die Deutsche

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Demokratische Republik faktisch als Bundesland der BRD behandelt wird. Immer wieder wird bei solchen Gelegenheiten wie dem Jahrestag des sogenannten Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in öffentlichen Feierstunden von führenden Politikern die Behauptung aufgestellt, die „deutsche Frage (sei) nach wie vor nicht gelöst", weil es der Bevölkerung der DDR an der „Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts" ermangele. Solche Erklärungen können nur als Versuche zur Aufrechterhaltung der aggressiven Alleinvertretungsanmaßung betrachtet werden. Obwohl die „Wiedervereinigungspolitik" der BRD, die in Wirklichkeit niemals etwas anderes war als eine auf die Einverleibung der DDR gerichtete Politik, spätestens seit dem 13. August 1961 endgültig gescheitert ist und die Bundesrepublik mit dem Abschluß des Grundlagenvertrages scheinbar die Konsequenzen aus dieser Entwicklung gezogen hat, besteht in der BRD der ganze Apparat dieser Politik weiter. Allein die Konservierung dieses Instrumentariums - heute vor allem im „Gesamtdeutschen Institut" in Bonn zusammengefaßt - zeugt im Zusammenhang mit den in letzter Zeit zu beobachtenden Versuchen zur Aushöhlung des vierseitigen Abkommens über Westberlin und der Einmischung in innere Angelegenheiten der DDR davon, daß der Imperialismus der BRD die Liquidierung des sozialistischen deutschen Staates und die Einverleibung seines Territoriums in die imperialistische Bundesrepublik als eines der strategischen Hauptziele der „Deutschlandpolitik" keinesfalls aufgegeben hat. Die politisch-geographische Lage der DDR, hart an der Trennungslinie zwischen Imperialismus und Sozialismus in Mitteleuropa, und die Vorfeld-Position der DDR unter den sozialistischen Staaten Europas rückten dieses Gebiet schon in der Zeit des Bestehens der Besatzungszonen in das Visier der aggressiven, konterrevolutionären Politik des Imperialismus. Die im Ergebnis der Spaltung Deutschlands entstandene BRD erhob mit der Alleinvertretungsanmaßung eine revanchistische Politik mit konterrevolutionärem Inhalt zur Staatsdoktrin. Die Politik des kalten Krieges gegen die DDR wurde mit verschiedenen taktischen Methoden und Mitteln geführt; dazu bildete sich ein eigenes komplexes Instrumentarium heraus, in welchem das „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" die Funktion einer leitenden und koordinierenden Stelle ausübte. Die BRD praktizierte gegenüber der DDR die Nichtanerkennungs-Politik und den XII

diplomatischen Boykott, die psychologische Kriegführung, die ein Zerrbild des Sozialismus in den Vordergrund der Manipulation stellte, den Wirtschaftskrieg, den Krieg im Untergrund mit Hilfe von subversiven Agenturen und Banden mit dem Ziel des konterrevolutionären Umsturzes, die ideologische und politische Diversion und die Vorbereitung der militärischen Intervention. Mit dem „Forschungsbeirat für die Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" schuf sich die Bundesregierung ein staatsmonopolistisches Planungszentrum, in dem die Vernichtung des Sozialismus in der DDR und die kapitalistische Restauration stabsmäfjig und im Detail vorbereitet wurden. Im gewissen Sinn war die DDR von den aggressiven imperialistischen Kreisen - die Ereignisse von 1952/53 und von 1960/61 zeugen augenfällig von solchen Plänen - als eine Art Modellfall und als Experimentierfeld für die antisozialistische Strategie des kalten Krieges in Europa ausersehen. Dank der Hilfe und Unterstützung durch die UdSSR und die anderen sozialistischen Bruderländer, der festen Integration in die Gemeinschaft der sozialistischen Staaten sowie nicht zuletzt ihrer eigenen Stabilität als deutscher Arbeiter-und-Bauern-Staat ist die DDR gestärkt aus dieser Konfrontation hervorgegangen. Es kann nicht das Anliegen des vorgelegten Buches sein, die Geschichte des kalten Krieges gegen die DDR in allen Einzelheiten zu untersuchen und darzulegen. Der Umfang der Arbeit nötigte zur Konzentration auf den Zeitraum von 1949 bis 1961. Wo sich die Möglichkeit bot, wurde die Zeit von 1945 bis 1949 in die Darstellung einbezogen. Als ein wichtiges Anliegen wurde die Untersuchung des von der BRD geschaffenen Apparates der sogenannten Wiedervereinigungspolitik angesehen, jenes Instrumentariums des kalten Krieges, das auch in der gegenwärtigen Anti-DDR-Politik der Bundesrepublik eine besondere Rolle - sowohl bei der politischen Entscheidungsfindung als auch bei Aktivitäten gegen die DDR - übernommen hat. Die Untersuchung dieses Instrumentariums läßt die strategischen und politischen Ziele der „Deutschlandpolitik" deutlich werden, sie erbringt zugleich den geschichtsnotorischen Nachweis für die vom Imperialismus der BRD im kalten Krieg gegen die Deutsche Demokratische Republik begangenen Verbrechen. Einer marxistisch-leninistischen Darstellung des kalten Krieges gegen die DDR sowie seiner Ursachen und Folgen kommt besondere Bedeutung zu. Die Erforschung seiner Geschichte, deren aktueller XIII

Bezug stets gegeben ist, versteht sich nicht nur als Beitrag zur Untersuchung der Gesamtgeschichte des kalten Krieges gegen den Sozialismus, sondern auch zur Geschichte der DDR. Für die Arbeit wurden vor allem Monographien, Dokumentationen, Zeitschriftenaufsätze und Presseberichte aus der marxistisch-leninistischen Literatur ausgewertet. Von der bürgerlichen Literatur bildete die Auswertung zahlreicher offizieller und offiziöser Quellen der BRD, wie des Regierungsbulletins, des „SBZ-Archivs", der Massenmedien und ähnlicher Quellen, beispielsweise der Memoirenliteratur, einen Schwerpunkt. Dabei zeigte sich der Umstand, daß in der bürgerlichen Literatur bei der Behandlung von Fragen des kalten Krieges gegen die DDR fast ausnahmslos durch willkürliche Auswahl und Interpretation des Tatsachenmaterials einer bewußten Verfälschung des Geschichtsbildes in die Hände gearbeitet wird. Dagegen konnte sich der Verfasser nur in wenigen Fällen auf solche Darstellungen bürgerlicher Autoren stützen, in denen von der marxistisch-leninistischen Historiographie gewonnene Erkenntnisse über den kalten Krieg gegen die DDR bestätigt werden. Mit dem vorliegenden Buch soll ein erster zusammenfassender Beitrag zur Erforschung der Geschichte des kalten Krieges gegen die DDR bis 1961 geleistet werden. Dabei betrachtet es der Verfasser als ein besonderes Anliegen, vor allem jenen Generationen, welche diese Zeit nicht bewußt miterlebt haben, eine politische Orientierungshilfe zu geben. Als Untersuchung zur Geschichte des kalten Krieges gegen die DDR folgt die Arbeit einem aktuell-politischen Anliegen: einerseits jene Kräfte in der BRD anzuprangern, die sich dem in Gang gekommenen Prozeft der Normalisierung und Entspannung in den Beziehungen der beiden deutschen Staaten zueinander in den Weg zu stellen suchen, und andererseits anhand einer historischen Darstellung den Wert des bisher für Entspannung und Verständigung Erreichten als Erfolg realistischer Politik bewufjt zu machen.

Berlin 1978 Hans Teller

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Einleitung

Als im Jahre 1945 die Waffen schwiegen, markierte dieser Zeitpunkt eine historische Wende in der Klassenauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus. Der Sieg des Sowjetvolkes über den faschistischen deutschen Imperialismus bewirkte einen Aufschwung aller revolutionären Bewegungen und eröffnete einen neuen Abschnitt des revolutionären Weltprozesses. Durch den Abfall von 11 Staaten mit mehr als 700 Millionen Menschen vom Kapitalismus trat der Sozialismus über die Grenzen eines einzelnen Landes hinaus und entwickelte sich zu einem weltweiten System. Damit veränderte sich das internationale Kräfteverhältnis grundlegend zugunsten der Kräfte des Friedens und der Demokratie. Die geschichtliche Wende beschleunigte den Zerfall des imperialistischen Kolonialsystems und führte zu einem nicht dagewesenen Aufschwung der nationalen Befreiungsbewegungen in Asien, Afrika und Lateinamerika. Die kommunistischen und Arbeiterparteien erstarkten, und der gesellschaftliche Einfluß des Marxismus-Leninismus wuchs. Im Zeichen einer spürbaren Stärkung des revolutionären Weltprozesses nahm die Verflechtung aller Zweige des antiimperialistischen Kampfes zu, und es entwickelte sich eine weltweite Bewegung für die Erhaltung des Friedens, die Millionen Menschen vereinte. Durch den Sieg der Anti-Hitler-Koalition über die faschistischmilitaristischen Achsenmächte schieden die Mitgliedsstaaten des zerschlagenen Militärblocks für einen längeren Zeitraum als selbständige Faktoren aus der internationalen Politik aus. Andere imperialistische Hauptländer, wie Großbritannien und Frankreich, hatten während des Krieges ihre einstigen vorherrschenden Positionen verloren. Das seit dem Oktober 1917 nachweisbare strategische Hauptziel des Weltimperialismus - die Vernichtung der staatlichen Existenz 1

des Sozialismus in Gestalt der UdSSR - war nicht erreicht worden. Die Hoffnungen, im Ergebnis des zweiten Weltkrieges den Einfluß der Sowjetunion zurückzudrängen oder gänzlich ausschalten zu können und damit dem revolutionären Weltprozeß einen vernichtenden Schlag zu versetzen, hatten sich nicht erfüllt. An Stelle eines einzelnen sozialistischen Staates, der in imperialistischer Einkreisung gehalten wurde, sah man sich jetzt dem Sozialismus als Weltsystem gegenüber. Die Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung in einer Reihe von Ländern durch die Entmachtung der Ausbeuterklassen und ihrer politischen Handlanger, der Verlust von Rohstoffressourcen, Produktionsmitteln und Kapitalanlagesphären vertieften die allgemeine Krise des Kapitalismus. Der Kampf zwischen den beiden entgegengesetzten Linien in der Weltpolitik nahm im Ergebnis der einschneidenden Veränderungen in der internationalen Arena immer stärker die Züge einer Klassenauseinandersetzung im Weltmaßstab an. Mit diesen gravierenden Veränderungen stießen die Weltherrschaftsansprüche des USA-Imperialismus zusammen. Die USA waren als einziges der großen imperialistischen Länder gestärkt aus dem Krieg hervorgegangen. Für die Hegemonieansprüche der USAMonopole, die im Begriff waren, ihren Führungsanspruch in der kapitalistischen Welt durchzusetzen, wurde das sozialistische Weltsystem zum Haupthindernis, seine Vernichtung zum Hauptziel der Nachkriegsstrategie. 1 Die aggressiven antikommunistischen Kräfte, die in der AntiHitler-Koalition nur eine zeitlich bedingte Episode sahen und für die Wiederaufnahme einer feindseligen antisowjetischen Politik eintraten, hatten in den USA schon vor dem Tode Franklin Delano Roosevelts beträchtlichen Einfluß. Separatverhandlungen mit Teilen der faschistischen deutschen Führungsspitze, die militärisch sinnlose Zerstörung von Produktions-, Wohn- und Kulturzentren in Mitteldeutschland 1944/45 und der demonstrative Abwurf zweier In neuer Zeit werden diese Tatsachen vor allem von den Vertretern der amerikanischen „New Left History" bestätigt, so z. B. von Fleming und Horowitz, die Churchill und Truman für die Entfesselung des kalten Krieges verantwortlich machen und den kalten Krieg als eine gescheiterte Politik ansehen. Vgl.: Fleming, Denna Frank: The Issues of Survival. New York 1972, S. 1 sowie Horowitz, David: Kalter Krieg. Hintergründe der US-Außenpolitik von Jalta bis Vietnam. Bd. 1, (West-) Berlin 1969, S. 17.

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Atombomben auf Japan zeugten von ihrem Wirken.2 Mit dem Amtsantritt des neuen USA-Präsidenten Harry S. Truman wurde der Kampf gegen das sozialistische Weltlager und die progressiven Bewegungen in der nichtsozialistischen Welt zum zentralen Element der amerikanischen Außenpolitik.3 1946 setzte Winston Churchill mit den bekannten Reden in den USA und Europa deutliche Akzente in der Richtung eines antisowjetischen Blocks in Westeuropa. Am 17. Januar 1947 machte sich John Foster Dulles, der spätere Außenminister der USA unter dem Präsidenten Dwight D. Eisenhower, ebenfalls zum Fürsprecher eines antisowjetischen Blocks. Die am 12. März verkündete TrumanDoktrin signalisierte endgültig den Übergang der Westmächte zu einer Politik, die auf den Bruch der völkerrechtlich verbindlichen Abmachungen der Anti-Hitler-Koalition gerichtet war und eine weltweite Einmischung der USA in die Angelegenheiten anderer Staaten und die Unterstützung für reaktionäre, antikommunistische Regimes initiierte. Auch der am 5. Juni offiziell angekündigte Marshall-Plan kennzeichnete die antisowjetische Wende: Den Wiederaufbau Europas proklamierend, schloß er durch politisch unannehmbare Bedingungen die sozialistischen Staaten und vor allem die UdSSR als das vom Krieg am schwersten betroffene Land aus dem Kreis der hilfsbedürftigen Länder aus und bestätigte damit die von den USA praktisch längst eingeleitete antikommunistische Embargopolitik .4 Was die Grundzüge der Strategie dieses antikommunistischen Feldzuges anbetraf, der nun von den Westmächten ins Werk gesetzt und bald als „kalter Krieg" bezeichnet wurde, so waren diese schon 1944/45 von George F. Kennan, dem späteren Chef des Planungsstabes im US-State Departement, formuliert worden. 2

Vgl. dazu: Wygodski, S. L.: Der gegenwärtige Kapitalismus. Versuch einer theoretischen Analyse. Berlin 1972, S. 315. 3 Siehe: Väyrynen, Raimo: Militarization, Conflict Behavior and Interaction. Three Ways of Analyzing the Cold War. Tampere, Peace Research Institute, Research Reports, No. 3/1973, S. 154 f. 4 Am Beginn der amerikanischen Embargopolitik nach dem zweiten Weltkrieg stand der Abbruch der ,lend-lease"-Lieferungen, mit denen die USA ihrem sowjetischen Partner in der Anti-Hitler-Koalition Unterstützung im Kampf gegen den Faschismus erwiesen hatten. Vgl. dazu: Väyrynen, ebenda sowie Link, Werner: Das Konzept der friedlichen Kooperation und der Beginn des Kalten Krieges. Düsseldorf (1971). 2

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Kennan hatte seine Auffassungen in mehreren Memoranden und Denkschriften dargelegt. 5 In Kennans Bild von der Sowjetunion konkurrierten scharfe antisowjetische Ausfälle mit völliger Verständnislosigkeit und gleichzeitiger Furcht gegenüber den Potenzen der sozialistischen Gesellschaftsordnung. In der Denkschrift „Die Vereinigten Staaten und Rußland" vom Winter 1946, vor allem aber in der von ihm verfaßten und mit „Mr. X" unterzeichneten Arbeit, die am 8. Juli 1947 in den USA veröffentlicht wurde, stellte der Autor einen förmlichen Katalog für außenpolitische Maßnahmen der USA gegenüber der Sowjetunion auf, der wesentliche Elemente der Strategie und des methodischen Arsenals des kalten Krieges gegen den Sozialismus enthielt. Nach einem sich in den Schriften Kennans ständig wiederholenden Gedanken sollten die USA unablässig einen wachsenden Druck auf die UdSSR ausüben, um sie dem Willen des USA-Imperialismus gefügig zu machen. Der Autor gab klar zu verstehen, daß das Ziel der Politik der USA vor allem darin bestehen müsse, die Volksmacht in den neuen sozialistischen Staaten Europas zu stürzen und diese Länder in den Machtbereich des Imperialismus zurückzuführen. Kennan forderte dazu auf, die Politik des Bündnisses mit der Sowjetunion zu beenden und gegen die kommunistischen Parteien Westeuropas einen unerbittlichen Kampf zu führen. 6 Das antisowjetische strategische Konzept erhielt von ihm im Juli 1947 auch die Bezeichnung, die es in aller Welt be-

Siehe: Kennan, George Frost: Memoiren eines Diplomaten 1925-1950. Stuttgart 1968. Siehe hier vor allem die im Anhang des Buches abgedruckten Auszüge aus den Memoranden auf S. 523 f. 6 Ebenda. Seit Ende der sechziger Jahre bemühte sich Kennan um eine schrittweise Distanzierung von der gescheiterten „containment-policy", suchte diese Politik zu verharmlosen und von ihr abzurücken. So erklärte er, daß diese Politik nur eine „Ermutigung" für andere Völker mit einem ausschließlich defensiven Charakter gewesen sei. Entscheidende Stimuli für diese Politik seien das „Wohlwollen des Kongresses" und die „amerikanische Meinung" gewesen. Die Truman-Doktrin habe lediglich einer „nationalen Selbstverherrlichung" Vorschub geleistet. (Ebenda, S. 364.) 1973 konstatierte Kennan, der ständig von der „sowjetischen Expansion" als Ursache des kalten Krieges geredet hatte, eine „relative Schuld beider Seiten am Ursprung und an der Verschärfung des kalten Krieges" und suchte damit die einst von ihm selbst initiierte Politik des kalten Krieges im nachhinein zu rechtfertigen. (Kennan, George Frost: Memoiren 1950-1963. Frankfurt a. M. 1973, S. 150.) 5

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kannt machte: „Containment" - „Eindämmung" - ein Begriff, der durch seinen defensiven Anstrich den in Wahrheit äußerst aggressiven Charakter dieser Politik tarnen sollte. Die Pläne sahen diplomatische, wirtschaftliche und militärische Maßnahmen vor, mit denen die UdSSR und ihr internationaler politischer Einfluß zurückgedrängt, wenn möglich sogar ausgeschaltet werden sollten. Dabei dachte man keineswegs daran, etwa abzuwarten, „bis es zur Aufweichung oder zum inneren Zusammenbruch des Sowjetsystems kommen würde" 7 . Wie der offene Aggressionskrieg gegen die Koreanische Volksdemokratische Republik im Juli 1950 demonstrierte, schloß die Strategie des „Containment" auch solche Maßnahmen des kalten Krieges ein. Am 4. A p r i l 1949 war schließlich im Ergebnis von mehr als einjährigen Geheimverhandlungen das Instrument geschaffen worden, mit dem die auch als „Politik der Stärke" bezeichnete Konzeption realisiert werden sollte - der Nordatlantikpakt. Mit der NATO entstand ein imperialistischer Militärpakt, der den Kern des sich auch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene formierenden antisowjetischen Bündnissystems in Europa bildete. Durch die Gründung der NATO, der später weitere regionale Pakte folgten, sollte den revolutionären Hauptkräften in der Welt von imperialistischer Seite auf der supranationalen Ebene begegnet werden. 8 Am 20. September 1949 folgte ein weiteres politisches Ereignis, das mit der antisowjetischen Blockbildung in Westeuropa in unmittelbarem Zusammenhang stand: die Gründung der „Bundesrepublik Deutschland". In den Europa-Plänen der USA nahm diese Staatsgründung einen besonderen Platz ein. Das Territorium der BRD wurde als ein Gebiet von außerordentlicher strategischer Bedeutung betrachtet, seine künftige Mitgliedschaft im westeuropäischen Paktsystem als unerläßlich angesehen. Die Bundesrepublik sollte nach diesen Plänen dem Nordatlantikpakt den entscheidenden militärstrategischen Rückhalt in Westeuropa geben, sie sollte den Prozeß der „Eindäm7

Schwarz, Hans-Peter: Die Ost-West-Spannungen als Orientierungsrahmen westdeutscher Außenpolitik. In: Handbuch der deutschen Außenpolitik. München/Zürich 1975, S. 466. 8 Vgl.: NATO. Strategie und Streitkräfte. Die Rolle der Militärorganisation des Nordatlantikpaktes in der aggressiven Politik des Imperialismus 1949-1975. Militärhistorischer Abriß. Berlin 1976, S. 14. 2»

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mung" des Sozialismus in Europa erfolgreich in Gang bringen helfen. 1950 sprach John Foster Dulles offen von solchen Erwartungen. Seiner Auffassung nach sollte die BRD durch die Einverleibung der Deutschen Demokratischen Republik eine „vorgeschobene strategische Position in Mitteleuropa" einnehmen, von der aus sie den Sozialismus in Polen, in der Tschechoslowakei, in Ungarn und in anderen Staaten unterwühlen würde.9 Damit formulierte Dulles die strategische und politische Aufgabe, die von den aggressiven imperialistischen Kräften der Bundesrepublik zugewiesen wurde: die Einverleibung der DDR als notwendige Voraussetzung für die Liquidierung des Lagers der sozialistischen Staaten in Europa. Mit der Verkündung der Truman-Doktrin hatte der USA-Imperialismus die Globalstrategie aufgenommen, deren erklärtes Ziel in der ersten Phase des kalten Krieges darin bestand, die Konsolidierung des sozialistischen Weltsystems zu verhindern. Der Verlust des Atomwaffenmonopols und die Niederlage in der Korea-Aggression zeugten jedoch spätestens 1953/54 davon, da§ die Strategie des „Containment" die ihr gestellte Hauptaufgabe nicht erfüllt hatte. Diese Entwicklung rief in den USA Kräfte auf den Plan, die für eine Eskalation der Politik des antikommunistischen Kreuzzuges eintraten. Zu ihrem Sprecher machte sich John Foster Dulles, der in seinem Buch „Krieg oder Frieden" schon 1950 die spätere Politik der „liberation" - „Befreiung" in den Umrissen skizziert hatte. Dulles lehnte das „Containment" als untauglich für die Auseinandersetzung mit der sozialistischen Welt ab und forderte „eine allumfassende Strategie . . . , die allen Tatsachen Rechnung trägt, den unmilitärischen nicht minder als den militärischen", und definierte den Inhalt der Politik des kalten Krieges mit den Worten.- „ . . . wir müssen eine Fähigkeit entwickeln, mit ,nicht Krieg noch Frieden' zu operieren."10 Das Gespenst eines den Westen bedrohenden Bolschewismus beschwörend, verlangte er „ein(en) Kampf von globalem Ausmaß"11 gegen das sozialistische Weltsystem. Im gleichen Jahre veröffentlichte sein Landsmann James Burnham in der Zeitung „Die Welt" eine Serie von Aufsätzen unter der Schlagzeile „Die Strategie des Kalten Krieges", in der er die Vorstellungen von John Foster Dulles präzisierte. Burnham deklarierte die Vgl.: Dulles, John Foster: Krieg oder Frieden. Wien/Stuttgart 1950, S. 163. 10 Ebenda, S. 185 f. 11 Ebenda, S. 231.

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Sowjetunion offen als „Feind"12 und formulierte „vier Lebensbedingungen" für den Imperialismus: 1. „Osteuropa" zu „befreien", 2. Europa zu „einigen", 3. die kommunistische und Arbeiterbewegung in Westeuropa zu zerschlagen und 4. eine intensive Kapitalausfuhr nach Europa in Gang zu setzen.13 Als Ziele der USA-Politik bezeichnete Burnham „die Zerstörung des Eisernen Vorhangs14, die Vereinigung Europas, die Vernichtung des Kommunismus und die Erschließung der ganzen Welt für eine neue Epoche des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Fortschritts"10. Das Ziel des Gesamtplanes sei, so betonte er, „die Niederlage der kommunistischen Macht", die auch mit „Untergrundmethoden" herbeigeführt werden müsse.16 Seiner Auffassung nach sollten diese Ziele durch eine Kombination von militärischem .wirtschaftlichem und politischem Druck, durch Subversion und antikommunistische Propaganda, durch den Mißbrauch von „Flüchtlingen" und Emigranten sowie durch die Zersetzung fortschrittlicher Parteien und gewerkschaftlicher Organisationen verwirklicht werden. 17 In Burnhams Plänen fand die äußerste Verschärfung des aggressiven Hauptelements der amerikanischen Globalstrategie unverhüllt Ausdruck.18 Zugleich zeugte aber die veränderte strategische Konzeption davon, 12

Burnham, James: Die Strategie des Kalten Krieges. In: Die Welt, (West-) Berlin/Hamburg, 9. 5. bis 23. 6.1950. 13 Ebenda, 12.5.1950. 14 Am 5. März 1946 griff Winston Churchill in Fulton (Missouri) im Beisein Präsident Trumans den der faschistischen Propaganda entlehnten Terminus vom „Eisernen Vorhang" auf, welcher die „Sowjetsphäre" von Westeuropa trenne. (Zit. bei: Adenauer, Konrad: Erinnerungen 1945 bis 1953, Stuttgart 1965, S. 91 f.) 15 Burnham: Die Strategie des Kalten Krieges. In: Die Welt, (West-) Berlin, 13. 5. 1950. 16 Ebenda, 27. 5. 1950. 17 Ebenda, 6. 6. und 7. 6. 1950. 18 Heute bemühen sich zahlreiche Vertreter der bürgerlichen Historiographie darum, die gefährliche „liberation"-Politik abzuwerten. So behauptet Kennan, daß John Poster Dulles' Konzept von der „Befreiung" und der „massiven Vergeltung" nur Gerede gewesen sei. (Kennan: Memoiren eines Diplomaten 1925-1950, Stuttgart 1968, S. 61.) Louis J. Halle motivierte die Konzeption der „massive retalation" und des „Balancierens am Rande des Krieges" mit dem Charakter von John Foster Dulles. (Halle, Louis, J. : Der kalte Krieg. Ursachen, Verlauf, Abschluß. Frankfurt a. M. 1969, S. 177.)

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daß sich ungeachtet der zunehmenden Aggressivität der imperialistischen Nachkriegspolitik im Ergebnis des neuen Kräfteverhältnisses eine weitere Vertiefung der allgemeinen Krise des Imperialismus auch auf strategischem und politischem Gebiet vollzog. Von relativ stabilisierten Positionen aus und gestützt auf das sich formierende Netz militärischer und wirtschaftlicher Bündnisse, ging der USA-Imperialismus 1953/54 zur Praxis der „Befreiungs"-Strategie über, mit der das sozialistische Weltsystem „zurückgerollt" („roll back") und schließlich vernichtet werden sollte. Der militärstrategische Hintergrund für dieses Konzept war die Drohung mit einem Kernwaffenschlag („massive retalation"), kombiniert mit dem konterrevolutionären Krieg im Untergrund. Diese strategische Zielstellung bestimmte die USA-Politik in Europa im wesentlichen bis Ende der fünfziger Jahre. Bereits in den fünfziger Jahren existierte ein methodisches Arsenal des kalten Krieges gegen den Sozialismus, das zunehmend als Komplex in Erscheinung trat. Spezielle Organisationen für das antisozialistische Wirtschaftsembargo hatten den Handel mit dem sozialistischen Teil der Welt abgeriegelt, neu entstandene Staaten wie die Deutsche Demokratische Republik, die Demokratische Republik Vietnam und die Koreanische Volksdemokratische Republik wurden mit einer diplomatischen Blockade belegt, und besondere Zentralen für die ideologische und politische Diversion, wie „Die Stimme Amerikas", „Radio FreeEurope", „Radio Liberty" und „RIAS" Berlin, betrieben einen antikommunistischen Kreuzzug im Äther. Eine große Zahl subversiver Agenturen und konterrevolutionärer Banden - in Europa war die „Frontstadt" Westberlin für sie eine ideale Operationsbasis - übte das schmutzige Handwerk des Untergrundkrieges mit Spionage, Sabotage und anderer imperialistischer Wühltätigkeit aus und ergänzte die militärischen Kriegsvorbereitungen des Westblocks. Die Präsidentschaftswahlen im Jahre 1952 in den USA wurden unter dem bezeichnenden Slogan „liberation - not Containment" geführt. Unter der Flagge eines Programms „zur Befreiung versklavter Völker" eskalierte der USA-Imperialismus den kalten Krieg, eine Entwicklung, die zum ersten Frontalangriff gegen die Positionen des Sozialismus in Europa führte. Der in der Bundesrepublik Deutschland wiedererstandene deutsche Imperialismus, der auf die von den USA verfolgte „Politik der Stärke" setzte und revanchistischen Sonderzielen folgte, bereitete in der Deutschen Demokratischen Republik einen konterrevolutio-

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nären Umsturz vor, der im Juni 1953 in Szene gesetzt wurde, sein Hauptziel, den Sturz der Arbeiter-und-Bauern-Macht in der DDR und den Anschluß des sozialistischen deutschen Staates an die imperialistische BRD, aber nicht erreichen konnte. Diese Einverleibungspolitik - im Bonner Sprachgebrauch mit der Bezeichnung „Wiedervereinigungspolitik" umschrieben, wurde seit 1952 in besonderen Arbeitsgremien des „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen" vorbereitet. 1955 wurde die BRD Mitglied des Nordatlantikpaktes. Ein Jahr danach erfolgte ein zweiter Frontalangriff gegen die sozialistischen Staaten in Europa. Mit massivem militärischem Druck und subversiven Aktionen sollten die Volksrepublik Polen und die Ungarische Volksrepublik aus der Gemeinschaft der sozialistischen Staaten herausgebrochen und der Prozeß des „Zurückrollens" des Sozialismus in Europa in Gang gebracht werden. Zur gleichen Zeit erfolgte in Ägypten eine imperialistische Intervention. Für diese die Gefahr eines neuen Weltkrieges auf das äußerste verschärfende Politik der Pressionen und des offenen Konflikts prägte USA-Außenminister John Foster Dulles selbst das Wort vom „Balancieren am Rande des Abgrunds". Seit Ende der fünfziger Jahre und verstärkt seit 1960 nahm der Imperialismus der BRD Kurs auf einen abermaligen frontalen Angriff, in dessen Folge die DDR im Ergebnis einer militärisch-subversiven Aktion der Bundesrepublik einverleibt werden sollte. Die Maßnahmen der Staaten des Warschauer Vertrages vom 13. August 1961 erzwangen aber nicht nur den Abbruch dieser Aktion, bevor diese über das vorbereitende Stadium hinausgekommen war, sie besiegelten auch den Zusammenbruch der „Wiedervereinigungspolitik" der BRD und damit das Ende der „Politik der Stärke" gegenüber den sozialistischen Staaten in Europa. Der 1968 - nunmehr mit veränderten Methoden und Mitteln - unternommene Versuch, die CSSR aus dem sozialistischen Lager herauszubrechen, wurde durch eine kollektive Aktion der Staaten der sozialistischen Gemeinschaft vereitelt. Die Politik des „roll-back", die Jahre später auch in Südostasien vollständig scheiterte, hatte ihre historische Perspektivlosigkeit demonstriert. Der vom USA-Imperialismus und seinen Verbündeten verfolgten Politik des kalten Krieges lag nicht, wie von imperialistischen Apologeten bis heute ständig wiederholt, ein objektives, nicht veränderbares Geschehen zugrunde, das in der Konfrontation der beiden Weltlager seinen Ausdruck fand; diese Politik war der Ausfluß 9

der Globalstrategie, welcher das Konzept der militärischen Einkreisung und der Entfesselung eines Weltkrieges gegen den Sozialismus zugrunde lag. Das 1945 entstandene Kräfteverhältnis hatte jedoch dem Imperialismus die objektive Ausgangslage für seine antisozialistische Politik diktiert - die Formen und Möglichkeiten für die Auseinandersetzung mit den sozialistischen und den anderen progressiven Kräften von vornherein begrenzend. Die zeitliche Nähe des historischen Sieges der Anti-Hitler-Koalition über die faschistischen Aggressoren, die wachsende politische, ökonomische und militärische Stärke der Sowjetunion und die Wirkungslosigkeit der Politik der atomaren Erpressung beschnitten die Möglichkeiten der Entfesselung eines Weltkrieges gegen den Sozialismus beträchtlich. Es war gerade dieses Dilemma für den Imperialismus, aus dem seine Politik des „nicht Krieg noch Frieden" entsprang. Einerseits strategischer und politischer Ausfluß der kriegslüsternen Kreise des internationalen Monopolkapitals mit allen Zügen antikommunistischer Aggressionspolitik, wie der scharfen Ablehnung der Poltik der friedlichen Koexistenz von Staaten mit entgegengesetzten gesellschaftlichen Systemen, einer fieberhaft betriebenen militärischen Einkreisung des sozialistischen Weltlagers und der militärischen Vorbereitung des großen Krieges - fand auf der anderen Seite die den aggressiven imperialistischen Kräften aufgezwungene historische Defensivposition in ihrer objektiv bedingten Unfähigkeit Ausdruck, einen „globalen" Krieg gegen den Sozialismus zu beginnen. Die Ende der fünfziger Jahre auftauchenden ersten interkontinentalen Raketen der Sowjetunion komplizierten die Situation für die imperialistischen Strategen weiter, die nunmehr mit vernichtenden militärischen Gegenschlägen des Sozialismus rechnen mußten. Angesichts dieser Tatsachen waren die strategischen Konzeptionen des „Eindämmens" und „Zurückrollens*, die im Grunde militärstrategischen Zielen folgten, zur Perspektivlosigkeit verurteilt. Obwohl die Politik des kalten Krieges eine Realität war und ihr Einfluß sich mehr als 20 Jahre auf das Weltgeschehen auswirkte, war doch am Ende dieses Prozesses die Tatsache unübersehbar, daß der Sozialismus und die Kräfte des gesellschaftlichen Fortschritts auch während dieser Zeit die im Weltmaßstab offensiven Potenzen dargestellt und damit Verlauf und Ausgang des kalten Krieges maßgeblich bestimmt hatten. Die Anerkennung der Not-

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wendigkeit auf imperialistischer Seite, die Beziehungen der friedlichen Koexistenz zu respektieren, setzte sich schrittweise als eine Folge der ständigen Veränderung des Kräfteverhältnisses zugunsten des Sozialismus und des Verschleißes der Doktrinen des kalten Krieges durch - am Ende eines Prozesses, in dem die zahlreichen imperialistischen Aktionen ihre Ergebnislosigkeit gezeigt hatten. Zu Beginn der siebziger Jahre trat das Scheitern der Politik des kalten Krieges durch den Rückzug der imperialistischen Hauptmacht aus Südostasien offen zutage. Der Imperialismus wurde zum Übergang von der Politik der militärischen Konfrontation und des Konflikts zu einer Politik der internationalen Entspannung und der friedlichen Koexistenz gezwungen. Dabei steht die Tatsache außer Zweifel, daß auch in der gegenwärtigen imperialistischen Politik wesentliche Elemente der Globalstrategie aus der Zeit des kalten Krieges fortbestehen und ständig Kräfte präsent sind, die einer Wiederbelebung dieser Politik das Wort reden. Der Imperialismus der BRD, dem in den fünfziger Jahren die Funktion einer Speerspitze gegen die sozialistischen Staaten in Europa und vor allem gegen die DDR zugewiesen wurde und der im kalten Krieg eine besonders unheilvolle und friedensgefährdende Rolle spielte, wird unter dem genannten Aspekt in seiner weiteren Entwicklung besonders aufmerksam zu beobachten sein.

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KAPITEL I

Die „Deutschlandpolitik" der B R D und der kalte Krieg gegen die Deutsche Demokratische Republik bis zum Sommer 1961. Die Gründung der BRD

Der Zusammenbruch des faschistischen Deutschlands und der Untergang des Reiches hatten der deutschen Großbourgeoisie die bisher schwerste Niederlage in ihrer Geschichte bereitet. Das frühere Ostdeutschland wurde ihrem Einfluß entzogen, und in der sowjetischen Besatzungszone ging eine antifaschistisch-demokratische Umwälzung vor sich, die zur Entmachtung der Monopolbourgeoisie und des Großgrundbesitzes führte. Auch in den westlichen Besatzungszonen traten breite Schichten der Bevölkerung für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen ein. Die Machtgrundlagen des staatsmonopolistischen Systems in Deutschland wurden in ihren Grundfesten erschüttert. In dieser Situation verbanden sich die Träger der alten gesellschaftlichen Verhältnisse mit den Kreisen der Westmächte, die für die Politik der antisowjetischen Blockbildung eintraten. Die prinzipielle, vom Druck des neuen Kräfteverhältnisses maßgeblich beeinflußte Übereinstimmung der einstigen Gegner fand in der restaurativen Nachkriegspolitik ihren Niederschlag, zu deren Absicherung die Westmächte einen Besatzungsdirigismus handhabten. Mit seiner Hilfe wurden die antifaschistisch-demokratischen Bestrebungen in den Westzonen abgeblockt. Für die Restauration des spätkapitalistischen Gesellschaftssystems bestand in Westdeutschland eine gemeinsame Interessenlage, deren stärkste Klammer Antisowjetismus und Antikommunismus bildeten. Im Rahmen dieser gemeinsamen Interessen traten die restaurativen Kräfte von Anfang an als aktiv handelnde Faktoren in Erscheinung. 1 1 Vgl.: Teller, Hans/Thomas, Siegfried: Rezension zu dem Titel „Die Zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland - eine Bilanz". Hrsg. von Richard Löwenthal und Hans-Peter Schwarz. Stuttgart-Degerloch 1974, bes. S. 12 f. In: Deutsche Außenpolitik, H. 12/1975, S. 1899 f.

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Die von diesen Kreisen entwickelten konzeptionellen Vorstellungen für die Nachkriegspolitik in Deutschland basierten sämtlich auf einer engen Anlehnung an die imperialistischen Westmächte und die Unterstützung der antisowjetischen Politik. Obwohl im Einzelfall in der Ausgangslage bzw. in Aspekten oder im Detail unterschiedlich, lag ihnen allen die Restauration eines kapitalistischen Deutschlands in den Vorkriegsgrenzen zugrunde. Diese Vorstellungen gaben die konzeptionelle Ausgangslage für die spätere „Deutschlandpolitik" der B R D ab. J a k o b Kaisers Pläne für eine Restauration in den Grenzen aller Besatzungszonen mit dem Schwerpunkt in Berlin scheiterten an der Stabilität der antifaschistischdemokratischen Ordnung in der sowjetischen Besatzungszone. 2 Führende CDU/CSU-Länderpolitiker in den Westzonen orientierten auf eine gesamtdeutsche Restauration innerhalb eines europäischen Staatenbundes und die Eingliederung der sowjetischen Besatzungszone in den zu schaffenden neuen bürgerlichen deutschen Staat über ein föderatives System,' in welchem die westdeutschen Länder die Funktion einer „restaurativen Ordnungszelle" zu übernehmen und in dieser Eigenschaft die antifaschistisch-demokratische Umgestaltung in der sowjetischen Besatzungszone rückgängig zu machen hatten. 3 Die rechten Führer der Sozialdemokratie in den Westzonen, die sich um Kurt Schumacher gruppierten, folgten ähnlichen konzeptionellen Zielen. Sie knüpften an die antikommunistische Politik des Emigrationsvorstandes der SPD vor 1 9 4 5 an, die auf die angebliche Überlegenheit der „westlichen Demokratien" gesetzt hatte. 4 W a s sie mit den bürgerlichen Parteien einte, waren ein Antikommunismus und Antisowjetismus, die in der SED und der sowjetischen Besatzungsmacht ihre Todfeinde erblickten, sowie die feindselige Haltung gegenüber den in Europa neuentstandenen volksdemokratischen Staaten. Seit 1 9 4 7 spielte in den sozialdemokratischen Nachkriegsplänen die These von der Anziehungskraft der westlichen Zonen gegenüber der sowjetischen Zone eine beVgl.: Conze, Werner/Kosthorst, Erich/Nebgen, Elfriede: Jakob Kaiser. Politiker zwischen Ost und West 1945-1949. Stuttgart/(West-) Berlin/Köln/ Mainz 1969, S. 68 f. 2

Vgl.: Badstübner, Rolf/Thomas, Siegfried: Die Spaltung Deutschlands 1945-1949. Berlin 1966, bes. S. 114 f. 4 Vgl.: Jauernig, Edmund: Sozialdemokratie und Revanchismus. Zur Geschichte und Politik Wenzel Jakschs und der Seliger-Gemeinde. Berlin 1968, S. 97. 3

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sondere Rolle. Nach den Vorstellungen von Kurt Schumacher, Ernst Reuter und anderen SPD-Führern hatten die Westzonen eine Art „Gravitationszentrum" zu bilden und auf die sowjetische Besatzungszone die Anziehungskraft eines Magneten auszuüben. Wie bürgerliche Historiker in neuerer Zeit selbst eingestehen, war diese „Magnettheorie" der sozialdemokratischen Führer nichts anderes als „eine Form der Politik der Stärke"5. Ein weiteres einendes Moment bürgerlicher und sozialdemokratischer Pläne war die feindselige Haltung gegenüber der von den Mächten der Anti-HitlerKoalition beschlossenen Oder-Neiße-Grenze.6 Bekanntlich waren es die Pläne des früheren Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer, die den höchsten Grad von Übereinstimmung mit denjenigen der Westmächte und der bedeutendsten restaurativen Kreise in den Westzonen aufwiesen. Von der Sorge bewegt, es „würde eine östliche politische Orientierung des nicht russisch besetzten Teiles Deutschlands"7 geben, schrieb Adenauer die sowjetische Besatzungszone zu einem frühen Zeitpunkt als „verloren" ab und ging davon aus, daß die Westzonen gegen die dortige Entwicklung abzuschirmen seien. Die Alternative einer Auseinandersetzung mit einer demokratischen Volksbewegung im Rahmen aller Besatzungszonen war für ihn unannehmbar. Abschirmung der Westzonen gegen den Osten, kapitalistische Restauration und staatliche Zusammenfassung sowie die Westintegration des neuen bürgerlichen deutschen Staates - diese Überlegungen bildeten den Kern seiner Konzeption, welche die Voraussetzungen dafür schaffen sollte, in einer späteren Phase die sowjetische Besatzungszone dem Weststaat einzuverleiben. Diese Konzeption war nicht nur bürgerlich-konservativ, sie war auch vordergründig antikommunistisch und antisowjetisch fundiert. In Adenauers Plänen war die Übereinstimmung mit der westlichen Strategie des kalten Krieges gegen den Sozialismus in der entscheidenden Frage der Integration des wiedererrichteten deutschen Imperialismus in das antisowjetische Bündnissystem am größten. Für die Westmächte waren sie aus diesen Gründen besonders attraktiv. 5

Besson, Waldemar: Die Außenpolitik der Bundesrepublik. Erfahrungen und Maßstäbe. München 1970, S. 67. 6 Sozialdemokrat, (West-)Berlin, 6. 12. 1947; zit. in: Die Vertriebenen in Westdeutschland. Ihre Eingliederung und ihr Einfluß auf Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Geistesleben. Bd. 3, Kiel 1959, S. 406. 7 Adenauer, Konrad: Erinnerungen 1945-1953. Stuttgart 1965, S. 40.

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In den Ansichten Adenauers zeigte sich bereits längere Zeit vor der Gründung der BRD der annexionistische Inhalt der späteren „Deutschlandpolitik". Dieser Inhalt trat gegenüber der sowjetischen Besatzungszone von Anfang an klar zutage und beschwor f ü r die antifaschistisch-demokratische Entwicklung in diesem Gebiet gefährliche Konsequenzen herauf. Die 1949 staatsrechtlich fixierte Doktrin des „Alleinvertretungsrechts" hatte hier ihr Wurzel. Die Annahme dieser restaurativen Variante bedeutete, daß das Gebiet östlich der Elbe u n d W e r r a zum Hauptangriffsziel des wiedererstehenden deutschen Imperialismus werden mußte und daß dieses Territorium mit 18 Millionen Menschen zu einem Hauptversuchsfeld der Praxis der antisowjetischen Strategie des kalten Krieges werden würde. Währenddessen wurden von den Westmächten verschiedene Versuche unternommen, die sowjetische Besatzungszone den Westzonen anzugliedern. Diese Versuche begannen schon 1946 und wurden nach der Gründung der Bizone verstärkt fortgesetzt. So plädierten die USA f ü r den wirtschaftlichen Anschluß der sowjetischen Besatzungszone an die britische und amerikanische Zone und die Bildung zentraler deutscher Verwaltungsstellen. 8 In ihrem Kern liefen die amerikanischen Vorschläge darauf hinaus, die Frage der Einheit Deutschlands an Beamte zu delegieren, die in den Westzonen nahezu ausschließlich Angehörige der reaktionären deutschen Verwaltungsbürokratie waren. Auf diesem Wege hoffte m a n den demokratischen Wirtschaftsaufbau in der sowjetischen Besatzungszone lahmlegen und dieses Gebiet in den Restaurationsprozeß einbeziehen zu können, um der sowjetischen Besatzungsmacht schließlich ihre Besatzungszone zu entreißen und die UdSSR gänzlich aus den deutschen Angelegenheiten hinauszudrängen. Im Juni 1948 - die Spaltung Deutschlands war f ü r die Westmächte längst eine beschlossene Sache - erläuterte der Vertreter der britischen Besatzungsmacht, General Brian Robertson, die „Londoner Empfehlungen" vor dem Zonenbeirat der britischen Zone und erklärte, daß eine Organisation geschaffen werden solle, um „dem deutschen Volk eine eigene Regierung (zu) geben", und daß die Westmächte übereingekommen seien, „diese Organisation oder irgendeine andere Organisation auf das ganze Deutschland auszudehnen". 9 Auch auf 8

Vgl.: Badstübner, Rolf/Thomas, Siegfried: Restauration und Spaltung. Entstehung und Entwicklung der BRD 1945-1955. Köln 1975, S. 206 f. 9 Adenauer, Konrad: Erinnerungen 1945-1953, S. 144.

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der Konferenz des Rates der Außenminister im Mai/Juni 1949 traten die Westmächte mit Vorschlägen auf, deren Realisierung es ermöglichen sollte, die sowjetische Zone in die westliche Staatsgründung einzubeziehen. Die restaurativen Kräfte in den Westzonen machten sich in ihren Aktivitäten die antisowjetische Besatzungspolitik zunutze. Auf der Ministerpräsidenten-Konferenz in Bremen im Oktober 1946 wurde der Versuch unternommen, die sowjetische Besatzungszone mit Hilfe eines gesamtdeutschen Länderrates mit exekutiven Vollmachten unter die Kontrolle der westdeutschen „Ordnungszelle" 10 zu bringen. Auf dieser Konferenz wurde deutlich, daß für die restaurativen Kräfte die Spaltung Deutschlands den Charakter einer bevorzugten Alternative angenommen hatte, eine Tatsache, die im Juni 1947 bei der zweiten Ministerpräsidenten-Konferenz in München auf drastische Weise erhärtet wurde, als man den ostdeutschen Ministerpräsidenten faktisch das Recht nahm, sich zu politischen Grundfragen zu äußern, und damit ihre Abreise erzwang. 11 Gleichzeitig wurde deutlich, daß die Versuche, die sowjetische Besatzungszone zu majorisieren und sie unter eine Kontrolle westdeutscher Länderinstanzen zu bringen, angesichts der klaren Position der UdSSR und der Stabilität der antifaschistisch-demokratischen Entwicklung in der sowjetischen Zone keine Aussicht auf Realisierung hatten. Die Vorbereitung der Bildung eines separaten Weststaates durch die Zusammenfassung der drei Westzonen trat in ihre entscheidende Phase ein. Von dieser Tätigkeit zeugte der im Ergebnis der „Londoner Empfehlungen" und der Frankfurter Direktiven vom Juli 1948 geschaffene Parlamentarische Rat. Dieses Gremium betrachtete sich als „verfassunggebende Versammlung" für die Bevölkerung aller Besatzungszonen, obwohl es dazu kein Mandat besaß. Die von Vertretern der KPD mehrfach vorgetragenen Vorschläge, mit dem Deutschen Volksrat in Berlin in Verhandlungen einzutreten, wurden abgelehnt. Bemerkenswert war in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß in den Beratungen der zu schaffende Weststaat von den bürgerlichen Parteien als ein „Kernstück" betrachtet wurde, das wie ein Magnet diejenigen Teile Deutschlands an sich zieht, denen der Beitritt heute noch verwehrt ist" 12 . Konrad Adenauer, der Prä10 11 12

Badstübner/Thomas: Die Spaltung Deutschlands 1945-1949, S. 405. Adenauer: Erinnerungen 1945-1953, S. 126 f. Parlamentarischer Rat. Stenogr. Bericht, Bd. 1, Nr. 3, Dritte Sitzg., S. 35.

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sident des Parlamentarischen Rates, erklärte, dafj versucht werden müsse, „daß eine Bundesregierung entsteht, die als Sprecher nicht nur für die Westzonen, sondern für ganz Deutschland auftreten kann"13. Und am 22. Juni 1949 wurde er noch deutlicher: „Wir in der Bundesrepublik Deutschland können das Regime der Ostzone niemals als zu Recht bestehend anerkennen."14 Damit war der Alleinvertretungsanspruch der künftigen Bundesrepublik vorweggenommen, den Adenauer am 21. Oktober des gleichen Jahres als Bundeskanzler verkündete. Am 8. Mai 1949 verabschiedete der Parlamentarische Rat das von ihm ausgearbeitete Grundgesetz. In der Präambel dieses Gesetzes sowie in den Artikeln 23 und 146 wurde der Alleinvertretungsanspruch verfassungsrechtlich verankert und damit zur verbindlichen Richtlinie für Politik und Wirtschaft, Gesetzgebung und Rechtsprechung, Erziehungs- und Bildungswesen, Massenmedien und Kultur sowie für alle anderen Bereiche des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens erhoben. In den „Übergangs- und Schlußbestimmungen" wurden der Anspruch auf ein Deutschland in den Grenzen von 1937 erhoben und die Staatsangehörigkeit im Sinne dieser revanchistischen Forderung festgelegt. 15 Später bemerkte der Bonner Staatsrechtler Ulrich Scheuner zu den „Voraussetzungen und Verfahren der Wiedervereinigung Deutschlands", daß im Grundgesetz die Möglichkeit der „Ausdehnung des Grundgesetzes und der Staatsorganisation des westlichen Teiles auf die hinzutretende Sowjetzone nach Artikel 23, Satz 2 GG" gegeben sei.16 Im Grundgesetz wurde im voraus das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung der am 7. Oktober 1949 gegründeten Deutschen Demokratischen Republik negiert. Ein Gleiches traf für die polnische, tschechoslowakische und sowjetische Bevölkerung zu, die seit 1945 in den zum ehemaligen Deutschen Reich gehörenden Gebieten lebte. Die Proklamierung eines Anspruchs auf diese Territorien und die darin lebenden Menschen war eindeutig revanchistisch und annexionistisch orientiert. Wie die Bestimmungen des Grundgesetzes zeigten, waren in dieses 13

Der Tag, (West-)Berlin, 24. 11. 1948. Der Abend, (West-) Berlin, 22. 6. 1949. 15 Vgl.: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949. In: Dokumentation zur Deutschland-Frage. Annexband: Verträge. Bonn/Wien/Zürich 1961, S. 32 f. sowie S. 62 und S. 69. 16 Europa-Archiv, Bonn, 20. 8. 1955, S. 8076. 14

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Gesetz die „deutschlandpolitischen" konzeptionellen Vorstellungen der deutschen Großbourgeoisie, speziell die Konrad Adenauers, eingegangen: Westorientierung des neuen bürgerlichen Staates, seine Abschirmung gegenüber der sowjetischen Besatzungszone, seine Funktion als „Kernstaat", dem die verlorenen einstigen Reichsteile anzugliedern waren, und das daraus resultierende „Alleinvertretungsrecht". Die seit Herbst 1949 regierungsoffiziell praktizierten Grundsätze der Bonner „Deutschlandpolitik" waren damit schon vor der Staatsgründung fertig ausgebildet. Was die Deutschlandkonzeption der sozialdemokratischen Führer betraf, so befand sich diese in prinzipieller Übereinstimmung mit den entsprechenden bürgerlichen Plänen. Seit 1947 spielten hier die Pläne von einer „ökonomischein) Magnetisierung des Westens" sowie der Einbeziehung ganz Deutschlands in den Marshall-Plan und den Atlantikpakt eine Rolle. 17 Die SPD-Führer setzten jedoch die Prioritäten anders: Nach ihren Vorstellungen sollte die Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands - d. h. der Anschluß der sowjetischen Besatzungszone und der Gebiete östlich der Oder-Neiße-Grenze - vor der Westintegration erfolgen. Auch diese Konzeption war eine Anschluß-Konzeption, durch deren Realisierung die Ergebnisse der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung in der sowjetischen Zone rückgängig gemacht werden sollten. In diesem Sinne hatten sozialdemokratische Führer wie Carlo Schmid dafür gesorgt, daß der Alleinvertretungsanspruch im Grundgesetz fixiert wurde. 1 8 Als die BRD gegründet wurde, verfügte auch die SPD über eine in den Grundzügen fertig ausgebildete geschlossene „Deutschlandkonzeption". Am 20. September 1949 wurde in Bonn die Regierung der Bundesrepublik gebildet, der Konrad Adenauer als Bundeskanzler vorstand. Mit der offiziellen Staatsbezeichnung „Bundesrepublik Deutschland" erhob der bürgerliche deutsche Weststaat seit diesem Tage in Permanenz den Anspruch auf Territorien des ehemaligen Reiches, die weder zu seinem Hoheitsgebiet gehörten noch seiner Verfügungsgewalt unterstanden, und gab sich auch als Interessen Vertreter der ! 7 Dokumentation. Acht Jahre sozialdemokratischer Kampf um Einheit, Frieden und Freiheit. Ein dokumentarischer Nachweis der gesamtdeutschen Haltung der Sozialdemokratie und ihrer Initiativen. Hrsg. vom Vorstand der SPD. Bonn, o. J„ S. 75 sowie SPD-Pressedienst vom 27.5. 1949. 18 Vgl.: Teller/Thomas: Die Stellung der sozialdemokratischen Führung zur Gründung und Entwicklung der DDR. In: BzG, S.-Heft 1974, S. 156f.

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Bevölkerung dieser Gebiete aus. Die im Grundgesetz und der Staatsbezeichnung fixierten programmatischen Ziele schrieben die künftige Ostpolitik und die „Deutschlandpolitik" von Beginn an als antisowjetische und antikommunistische, revanchistisch orientierte Politik fest. Der Charakter der Bonner Staatsgründung war für die Deutsche Demokratische Republik von besonderer Bedeutung, da die D D R als östlicher Nachbar der Bundesrepublik unmittelbar mit den „deutschlandpolitischen" Zielen der BRD konfrontiert wurde. Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik war angesichts dieser Tatsachen eine zwingende Notwendigkeit, da das Fortbestehen dieses Gebietes mit dem Status einer Besatzungszone der Anschlufjkonzeption der BRD Ansatzpunkte geboten und die Gefahr heraufbeschworen hätte, daß die sowjetische Zone in den Sog des bürgerlichen Weststaates geraten konnte. Für die Initiatoren der Gründung des Bonner Staates und seiner programmatischen Ziele bedeutete die Bildung eines sozialistischen deutschen Staates eine Niederlage. Die Gründung der D D R hatte die verschiedenen Aktivitäten, dieses Gebiet den drei Westzonen anzugliedern oder es in die WeststaatGründung einzubeziehen und die antifaschistisch-demokratische Ordnung zu beseitigen, ad absurdum geführt. Die durch das Kräfteverhältnis bestimmte defensive Ausgangsposition der westlichen Akteure wurde sichtbar. Die politische Offensive lag östlich von Elbe und Werra in den Händen der antifaschistisch-demokratischen Kräfte. Hier wurden die Machtgrundlagen des deutschen Imperialismus Stück für Stück zertrümmert, ihre Restauration nicht zugelassen. Von hier gingen die starken Impulse der sowjetischen Politik in der Deutschlandfrage aus, die ihrem Hauptinhalt nach darauf gerichtet waren, „das Leben Deutschlands auf demokratischen und friedlichen Grundlagen umzugestalten, die Wiedergeburt des deutschen militärischen Potentials, das den Frieden in Europa und in der ganzen Welt gefährden konnte, zu verhindern" 19 . Dieser Tatbestand, in dem sich der geschichtliche Fortschritt widerspiegelte, führte zum Scheitern aller Pläne, eine imperialistische Restauration in allen Zonen durchzusetzen. Die Spaltung Deutschlands und die Weststaat-Gründung stellten das Fazit der gescheiterten imperialistischen Politik gegenüber der sowjetischen Besatzungszone und der UdSSR dar. Geschichte der sowjetischen Außenpolitik. Teil 2. 1945 bis 1970. Berlin 1971, S. 91. 19

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Zugleich hatte die restaurative Politik bis 1949 bereits ihren konterrevolutionären Inhalt gegenüber der sowjetischen Besatzungszone vor allem auf dem Gebiet der politischen Diversion, des Wirtschaftskrieges und der Subversion demonstriert, die nach der Gründung der BRD eine Ergänzung durch neue Elemente erfuhren. Als die beiden deutschen Staaten gegründet wurden, war der kalte Krieg gegen den Sozialismus in vollem Gange. Seine Frühphase im ehemaligen Deutschland prägte wesentliche Züge des künftigen Verhältnisses der beiden deutschen Staaten. Die Gründung der BRD war ein Ergebnis der Politik der antisowjetischen Blockbildung in Westeuropa. Damit war die Bundesrepublik Deutschland ein Produkt des kalten Krieges. Vollendete die Gründung der NATO die Spaltung Europas in zwei gegenüberstehende militärische Lager, so führte die Bildung der Bundesrepublik zur Spaltung Deutschlands. Die Konsequenz dieses Ereignisses war, daß Deutschland 1949 als realer politischer und wirtschaftlicher sowie kultureller Begriff von der Karte Europas verschwand. Wilhelm G. Grewe stellte später den engen Zusammenhang, der zwischen der Gründung des Nordatlantikpaktes und der Bildung der BRD im Zeichen der „containment"-Politik bestand, besonders heraus, als er schrieb: „Im April 1949 wurde in Washington der Vertrag über das nordatlantische Verteidigungsbündnis unterzeichnet. Die . . . Zusammenarbeit mit den Deutschen ließ den Gedanken aufkommen, den freien Teil Deutschlands politisch und militärisch zu einem Bestandteil der Abwehrfront gegen den Kommunismus zu machen. Die Konstituierung der Bundesrepublik im Herbst 1949 war nur auf dieser Grundlage möglich." 20

Das Programm der „Deutschlandpolitik" der BRD: Die Regierungserklärungen vom 20. September und 21. Oktober 1949 Am 20. September 1949 gab Bundeskanzler Adenauer die erste offizielle Erklärung der Regierung der BRD ab. Die programmatischen Punkte dieser Erklärung zeigten den großbürgerlichen Charakter des Regierungsprogramms sowohl auf innen- wie auf außenGrewe, Wilhelm G.: Spiel der Kräfte in der Weltpolitik. Theorie und Praxis der internationalen Beziehungen. Düsseldorf/Wien 1970, S. 301.

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Zugleich hatte die restaurative Politik bis 1949 bereits ihren konterrevolutionären Inhalt gegenüber der sowjetischen Besatzungszone vor allem auf dem Gebiet der politischen Diversion, des Wirtschaftskrieges und der Subversion demonstriert, die nach der Gründung der BRD eine Ergänzung durch neue Elemente erfuhren. Als die beiden deutschen Staaten gegründet wurden, war der kalte Krieg gegen den Sozialismus in vollem Gange. Seine Frühphase im ehemaligen Deutschland prägte wesentliche Züge des künftigen Verhältnisses der beiden deutschen Staaten. Die Gründung der BRD war ein Ergebnis der Politik der antisowjetischen Blockbildung in Westeuropa. Damit war die Bundesrepublik Deutschland ein Produkt des kalten Krieges. Vollendete die Gründung der NATO die Spaltung Europas in zwei gegenüberstehende militärische Lager, so führte die Bildung der Bundesrepublik zur Spaltung Deutschlands. Die Konsequenz dieses Ereignisses war, daß Deutschland 1949 als realer politischer und wirtschaftlicher sowie kultureller Begriff von der Karte Europas verschwand. Wilhelm G. Grewe stellte später den engen Zusammenhang, der zwischen der Gründung des Nordatlantikpaktes und der Bildung der BRD im Zeichen der „containment"-Politik bestand, besonders heraus, als er schrieb: „Im April 1949 wurde in Washington der Vertrag über das nordatlantische Verteidigungsbündnis unterzeichnet. Die . . . Zusammenarbeit mit den Deutschen ließ den Gedanken aufkommen, den freien Teil Deutschlands politisch und militärisch zu einem Bestandteil der Abwehrfront gegen den Kommunismus zu machen. Die Konstituierung der Bundesrepublik im Herbst 1949 war nur auf dieser Grundlage möglich." 20

Das Programm der „Deutschlandpolitik" der BRD: Die Regierungserklärungen vom 20. September und 21. Oktober 1949 Am 20. September 1949 gab Bundeskanzler Adenauer die erste offizielle Erklärung der Regierung der BRD ab. Die programmatischen Punkte dieser Erklärung zeigten den großbürgerlichen Charakter des Regierungsprogramms sowohl auf innen- wie auf außenGrewe, Wilhelm G.: Spiel der Kräfte in der Weltpolitik. Theorie und Praxis der internationalen Beziehungen. Düsseldorf/Wien 1970, S. 301.

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politischem Gebiet. Breiten Raum nahm in der Erklärung der schon 1945 von Adenauer geäußerte Gedanke der Westintegration des Territoriums der BRD ein. Zu allen westlichen Nachbarstaaten sollten gute Beziehungen hergestellt, die Bundesrepublik in eine westeuropäische Union eingegliedert werden. Ein besonderes Anliegen bildeten die Beziehungen zu den USA. Dagegen wartete Adenauer gegenüber den sozialistischen Staaten mit massiven Forderungen auf. Er lehnte die Oder-Neiße-Grenze als „rechtmäßige Ostgrenze" ab und forderte, „daß die deutschen Landesteile im Osten, die unter russischem Einfluß stehen, wieder die Möglichkeit erhalten, nach deutscher Art und in Freiheit zu leben"21. Für die erklärte Absicht, mit den östlichen Nachbarn, „insbesondere mit Sowjet-Rußland und mit Polen, in Frieden zu leben"22, forderte der Bundeskanzler faktisch eine Kapitulation der UdSSR in der deutschen Frage. Die Sowjetunion sollte ihre Besatzungszone räumen und einer Revision der Oder-Neiße-Grenze zustimmen. Integration in den kapitalistischen Westblock, Feindschaft gegenüber dem Sozialismus im Osten, das war der Kern des außenpolitischen Programms der BRD. In der ersten Regierungserklärung der BRD war deutlich geworden, daß die Eingliederung der sowjetischen Besatzungszone in die Bundesrepublik als eine selbstverständliche Forderung betrachtet wurde und die Bundesregierung nicht gewillt war, die in dieser Zone etablierte antifaschistisch-demokratische Entwicklung oder gar eine dieser Entwicklung entsprechende Wahrnahme des Selbstbestimmungsrechtes der dortigen Bevölkerung zu akzeptieren. Es entsprach dem Kampf zwischen den beiden Linien in der Weltpolitik nach 1945, daß die Auseinandersetzung zwischen der Politik des kalten Krieges und den Bemühungen für eine Politik der friedlichen Koexistenz auf dem Feld der internationalen Beziehungen ausgetragen wurde. Die Vergiftung dieser Beziehungen durch wirtschaftlichen und politischen Druck, Embargomaßnahmen und außenpolitische Diskriminierung sowie das Sabotieren von Verhandlungslösungen, gehörten ebenso zum Komplex der Strategie und Politik des kalten Krieges wie die Bildung aggressiver Militärpakte, die Subversion und die Versuche, diese Politik mit Waffengewalt durch21

Archiv der Gegenwart, 20. 9. 1949, S. 2072. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Bonn, 1. Wahlperiode 1949, Bd. 1, S. 29.

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zusetzen. In diesem Arsenal handhabte der Imperialismus seit 1917 die Politik der Nichtanerkennung von Staaten als antikommunistische Waffe. Was die drei Westmächte anbetraf, die zusammen mit der UdSSR im Potsdamer Abkommen konkrete Verpflichtungen zur Herstellung eines einheitlichen, friedliebenden und demokratischen Deutschlands übernommen hatten, so gründete sich ihre Haltung gegenüber der DDR von Anfang an eindeutig auf eine feindselige Politik. Im Grunde suchten die Westmächte seit dem 7. Oktober 1949 jene Politik fortzusetzen, die sie schon gegenüber der sowjetischen Besatzungszone betrieben hatten. In den Erklärungen der Westmächte vom 10. und 12. Oktober 1949 wurde die Gründung der DDR negativ beurteilt. 23 Der USA-Außenminister bezeichnete die DDR als „illegal" und nannte sie eine „seit langem erwartete sowjetische Schöpfung". Er erklärte, daß die USA die Staatlichkeit der DDR nicht zur Kenntnis zu nehmen gedächten und nur zur Regierung der Bundesrepublik Deutschland Beziehungen unterhalten würden. 24 Mit diesen Verlautbarungen waren die außenpolitische Linie der Westmächte gegenüber der DDR für einen langen Zeitraum festgelegt und die Politik der Nichtanerkennung des zweiten deutschen Staates für die Mitgliedstaaten der NATO und darüber hinaus für die gesamte bürgerliche Welt als eine verbindliche Auflage deutlich gemacht worden. Für die revanchistischen Kräfte in der Bundesrepublik stellte die Haltung der Westmächte eine nachdrückliche Ermunterung dar, ihre Ansprüche zu formulieren. Am 21. Oktober 1949 gab Bundeskanzler Adenauer eine Erklärung vor dem Bundestag ab, in der er zu der erfolgten Gründung der Deutschen Demokratischen Republik Stellung nahm. Seine Ausführungen entsprachen völlig dem in der ersten Regierungserklärung formulierten außenpolitischen Konzept. Die Tatsache leugnend, daß die DDR aus einer von breiten Schichten der Bevölkerung getragenen demokratischen Volksbewegung hervorgegangen war, behauptete der Regierungschef der BRD, daß die DDR „auf Befehl Sowjetrußlands und unter Mitwirkung einer kleinen Minderheit ihm ergebener Deutscher" gegründet worden Ebenda, S. 308 f.; ferner Archiv der Gegenwart, 1 1 . 1 0 . 1 9 4 9 , S. 2097 und 12.10.1949, S. 2099. 24 The Department of State Bulletin, Washington, 24. 10. 1949, P. 634.

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sei. Daraus leitete er eine Verantwortlichkeit der Regierung der BRD für die Bevölkerung der DDR ab und wartete mit der Folgerung auf, daß die Bundesrepublik Deutschland „allein befugt" sei, „für das deutsche Volk zu sprechen . . ," 25 Mit dieser Alleinvertretungsanmaßung fanden die politischen und staatlichen Prinzipien des Grundgesetzes, in denen das „Alleinvertretungsrecht" der BRD verankert war, in die politische Praxis Eingang. Die staatliche Repräsentanz der Bevölkerung der DDR wurde als eine „illegitime Institution" hingestellt, die „in gesamtdeutschen Fragen kein Mitspracherecht" habe. 26 Die Gründung der DDR wurde als ein ungesetzlicher Akt bezeichnet, alle Verlautbarungen und Handlungen ihrer Regierung für nicht verbindlich erklärt. Der Bundeskanzler stellte die BRD als „die alleinige legitimierte staatliche Organisation des deutschen Volkes" hin und formulierte die „deutschlandpolitische" Hauptaufgabe der Bundesrepublik dahingehend, „ganz Deutschland auf dem Boden des Rechts und der Freiheit zu einen und es in eine europäische Ordnung hineinzuführen". 27 Die Erklärungen der sozialdemokratischen Fraktion im Bundestag bewegten sich prinzipiell auf der gleichen Ebene. Das konnte nicht verwundern: War doch die Erklärung des Bundeskanzlers vom 21. Oktober, wie Kurt Schumacher zwei Tage später bemerkte, auf eine Initiative der SPD-Fraktion zustande gekommen. Ein Unterschied zur regierungsoffiziellen Verlautbarung bestand allenfalls darin, daß von den Vertretern der SPD im Bundestag die antikommunistischen und annexionistischen Leitsätze der Anti-DDR-Politik noch schärfer und gehässiger postuliert wurden. Die sozialdemokratischen Stellungnahmen zur Gründung der Deutschen Demokratischen Republik waren von blindem Haß durchdrungen. Mit primitiven Anwürfen und einem Mangel an jeglichem Verständnis für die neue Lage wurde das Ereignis kommentiert. Die SPD-Organe diffamierten den zweiten deutschen Staat als „Pieckistan" und „SowjetStaat Ostzone". Der Abgeordnete Herbert Wehner bezeichnete in der Sitzung vom 21. Oktober 1949 die DDR als „Fremdherrschaft" und betonte seine „unversöhnliche Gegnerschaft . . . zu den kommunisti-

Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 1949, S. 308 f. 2 6 Archiv der Gegenwart, 20. 9. 1949, S. 2094. 2 7 Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 1949, S. 307 f.

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Bonn, 1.

Wahlperiode

Bonn, 1. Wahlperiode

sehen Trägern des Diktatursystems in der Ostzone und zu ihren kommunistischen Mitschuldigen in der Westzone". 2 8 Die Gründung der D D R wurde als Werk der sowjetischen Besatzungsmacht und einer kleinen Minderheit von deutschen Kommunisten hingestellt, die im Sprachgebrauch der SPD-Führer als „politische Erfüllungsgehilfen Moskaus" galten. Kurt Schumacher sah in der D D R laut „Neuer Vorwärts" vom 8 . 1 0 . 1 9 4 9 nur „eine Äußerungsform der russischen Außenpolitik". Die Schlußfolgerung aus solchen Äußerungen lief darauf hinaus, die D D R sei überhaupt kein Staat, sondern nur ein Territorium unter sowjetischer Verwaltung. Überraschen konnten diese Stellungnahmen freilich nicht - war doch die Zersetzungs- und Störpelitik gegen die sowjetische Besatzungszone in Gestalt permanenter propagandistischer Verleumdung und organisierter Untergrundtätigkeit ein wichtiger Bestandteil der sozialdemokratischen „Deutschlandkonzeption". Die Erklärungen der Bundesregierung vom 20. September und 21. Oktober 1949 stellten weit mehr dar als die offizielle Rechtfertigung der Politik, die zur Abspaltung der westlichen Besatzungszonen Deutschlands und zur Gründung der BRD geführt hatte. In ihnen lag das Gesamtprogramm der Ost- und „Deutschlandpolitik" der BRD vor. Dieses Programm umfaßte den Anschluß der D D R an die BRD, die Restauration Deutschlands in den Grenzen von 1937 und seine Eingliederung in den imperialistischen Westblock. Der Anspruch, für ein Deutschland in den Grenzen vor dem zweiten Weltkrieg zu sprechen und zu handeln, wurde zur Doktrin der „Deutschlandpolitik" erhoben. Das angemaßte „Alleinvertretungsrecht' bildete den aggressiven, expansionistischen Kern dieser Politik - es diente von nun an als eine Hauptwaffe in der von der Bundesrepublik ausgehenden Politik der Nichtanerkennung und der diplomatischen Blockade der Deutschen Demokratischen Republik: Die Politik gegen die sowjetische Besatzungszone wurde zur AntiDDR-Politik. Sowohl die Bundesregierung als auch die SPD-Führung hatten an jenem 21. Oktober 1949 vor allem eins deutlich gemacht: Für sie würde es kein Konzept für Verhandlungen mit der D D R geben, sondern ausschließlich das Konzept der Unterwerfung der D D R unter den Willen der Bundesregierung, der Auflösung des anderen Staates, seiner Einverleibung in die Bundesrepublik Deutschland. 28

Ebenda, Bd. 1, S. 103.

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Das staatsrechtliche Fundament

der Bonner

Anti-DDR-Politik

Um eine Politik gegen die DDR zu begründen und zu praktizieren, bedurfte es staatsrechtlicher Grundlagen. Notwendige juristische Konstruktionen zur Rechtfertigung des Alleinvertretungsanspruches waren bereits vor der Gründung der Bundesrepublik von bürgerlichen Staatsrechtlern ausgearbeitet worden. Später präzisiert, dienen sie bis heute - wenn auch unter veränderten Bedingungen der Außenpolitik der BRD. Als „theoretische" Plattform der „Deutschlandpolitik" sind sie für das Verständnis der Zeit des kalten Krieges gegen die DDR von besonderem Interesse. Die Ausgangsbasis für diese „Staatstheorien" waren die bereits dargelegten konzeptionellen Vorstellungen der restaurativen Kräfte in Deutschland nach 1945 gewesen. Die Nachkriegskonzeptionen mündeten im wesentlichen in die folgenden Schemata ein: die „Theorie" von der Kontinuität des Deutschen Reiches nach 1945, die „Theorie" von der Identität des Reiches mit der Bundesrepublik Deutschland und die „Irredenta-Theorie", nach welcher sich die sowjetische Besatzungszone und spätere Deutsche Demokratische Republik durch den Aufbau des Sozialismus - im Bonner Sprachgebrauch als „Sowjetisierung" bezeichnet - abgespalten habe, ergo zurückgeholt werden müsse.29 Die „Kontinuitätstheorie" entstand als die zeitlich früheste dieser Konstruktionen schon zu Beginn der Restauration in den westlichen Besatzungszonen. Sie lag sowohl den konzeptionellen Auffasssungen Konrad Adenauers als auch denen Jakob Kaisers und Kurt Schumachers zugrunde. Am Ausgangspunkt reaktionärer Konzepte entstanden, spielte sie bis in die jüngste Zeit hinein die Rolle einer „Haupttheorie". Nach der „Kontinuitätstheorie" verstand sich die Bundesrepublik Deutschland als alleiniger und legitimer Nachfolger des Deutschen Reiches, der die „einheitliche Nation" repräsentiere. Diese Reprä29

In der bürgerlichen Historiographie finden sich umfangreiche Auslassungen zu den „deutschlandpolitischen Theorien" („Staatskernmodell, Dachtheorie, Äquivalenztheorie, Sezessionstheorie, Neustaat- oder Irredenta-Theorie, Schrumpftheorie" usw.). Ein Beispiel dafür ist das Buch von E. Rottmann, das auf seine Weise das Dilemma und die Perspektivlosigkeit der „Theorien" der „Deutschlandpolitik" der BRD offenbart. (S. Rottmann, Eberhard: Der unfertige Staat. Analyse, Bilanz und Perspektive der Deutschlandpolitik. Hamburg 1970, S. 145 f.)

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sentaiiz ist im Grundgesetz ausdrücklich festgelegt. 30 Auch die offizielle Staatsbezeichnung gibt ihr Ausdruck. Basierend auf der Fiktion von einem Fortbestand des bürgerlichen Deutschlands, geht die »Kontinuitätstheorie" von der ebenso fiktiven Weiterexistenz des Reiches in den Vorkriegsgrenzen aus. Diese „Theorie" bildete eine Hauptgrundlage für den Alleinvertretungsanspruch der BRD, den sie staatsrechtlich untermauern sollte. Auch die später initiierte Hallstein-Doktrin hatte hier ihre Wurzeln. 31 Gemäß der .Kontinuitätstheorie" umfaßte die Bundesrepublik auch das Territorium der DDR und ihre Bevölkerung sowie die ehemaligen Ostgebiete des untergegangenen Reiches. Aus der Behauptung von der „Kontinuität" des Deutschen Reiches leitete man die Behauptung von der „Identität" des Weststaates mit dem Reich ab und konstruierte solcherart den Rechtsnachfolgeanspruch der Bundesrepublik, den man in der praktischen Politik geltend machte. Die fortgesetzte Bestätigimg dieses Anspruches durch die westlichen Bündnispartner wurde in der Zeit des kalten Krieges zu einem Hauptanliegen der Außenpolitik der Bundesrepublik. So wurde im EVG- und Deutschlandvertrag von 1952 die BRD von den Westmächten als einziger Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches anerkannt und damit der Alleinvertretungsanspruch ausdrücklich bestätigt. Die gleiche Haltung fand in der Schlußakte der Londoner Konferenz (28. 9. bis 3.10.1954) im Abschnitt V Niederschlag, wo es heißt, daß die Westmächte „die Regierung der Bundesrepublik Deutschland als die einzige deutsche Regierung betrachten, die . . . berechtigt ist, für Deutschland als Vertreter des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten zu sprechen"32. 1955 und 1957 wurde diese Zusicherung von den Westmächten wiederholt. Nach der „Identitätstheorie" war die Bundesrepublik Deutschland der einzige legitimierte deutsche Staat (Legitimitätsthese), während der Deutschen Demokratischen Republik jede staat30

H. Diwald gibt dazu folgende Erläuterung: „Das Grundgesetz ist als Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches angelegt, es setzt die nationalen Traditionen und die Kontinuität 'Deutsche Nation' fort." (Diwald, Hellmut: Die Anerkennung. Berichte zur Klage der Nation. München/ Eßlingen 1970, S. 90.) 31 Rottmann: Der unfertige S t a a t . . . S. 150. 32 Wiedervereinigung und Sicherheit Deutschlands. Eine dokumentarische Diskussionsgrundlage. Bd. I 1944-1963. 6. erw. Aufl., Bonn/Wien/ Zürich 1967, S. 22.

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liehe Legitimität in Abrede gestellt wurde. Der expansionistische und aggressive Charakter dieser „Staatstheorien" war hier noch stärker ausgeprägt: Das nach großbürgerlich-nationalistischem Verständnis staatlich nicht legitimierte und folglich nach dieser Auffassung überhaupt nicht existente Hoheitsgebiet der DDR konnte jederzeit durch eine - im Grundgesetz bereits angelegte - Aktion des .Rechtsnachfolgers" der Bundesrepublik einverleibt werden. Später nannte der BRD-Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger die „Identitätstheorie" eine „Bürgerkriegstheorie" und ihren politischen Ausfluß einen „Kalten Bürgerkrieg" gegen die DDR. 33 Es war die These vom „Kernstaat" Bundesrepublik, die in den Konstruktionen von der „Kontinuität" und der „Identität" angelegt war. Die aus diesen „Theorien" in der Zeit des kalten Krieges abgeleitete „Irredenta-Theorie" stellte nur die Konsequenz der Konstruktionen von der „Kontinuität" und „Identität" der BRD dar. Nach dem Schema von der „Irredenta" wurden die Einwohner der DDR als „deutsch-sprachige völkische Gruppe" betrachtet, die in den „Neustaat" Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen war. Treffend bemerkte dazu der schon genannte Enzensberger: „Auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik hat sich, ihr zufolge, mit Unterstützung einer fremden Macht eine Regierung von Aufständischen etabliert, mit der sich die Bundesrepublik im 'Kalten Bürgerkrieg' befindet. Die Wiedervereinigung, d. h. die Inbesitznahme der von den Aufständischen widerrechtlich beherrschten Gebiete, setzt folglich eine Kapitulation des Gegners voraus. Wiedervereinigung im Sinne der Bundesregierung heißt Sieg im Kalten Krieg; ihr Korrelat ist notwendig die Politik der Stärke." 34 In der „Irredenta-Theorie", der mit der „Schrumpftheorie", bzw. der „Sezessionstheorie" ähnliche Rechtskonstruktionen zur Seite gestellt wurden 35 , fand die auf der Allein33

Enzensberger, Hans Magnus: Kursbuch 4/66. Katechismus zur deutschen Frage. In: Werner, Heinrich: Feststellungen am Ende einer Deutschlandpolitik, Düsseldorf o. J. (1966), S. 47. 34 Ebenda. 35 Nach der „Schrumpf"- bzw. „Sezessionstheorie" hat sich die DDR vom einheitlichen deutschen Staatskörper abgespalten, d. h. muß der Bundesrepublik nach diesem Verständnis ergo wieder angegliedert werden. Zur Anschluß-Konzeption auf der Basis der „Identitäts"- bzw. „Kernstaatstheorie" siehe auch: Siewert, Regina/Bilstein, Helmut: Gesamtdeutsche Kontakte. Erfahrungen mit Parteien - und Regierungsdialog. Opladen 1969, S. 18 f.

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Vertretungsanmaßung fußende revanchistische Politik der Bundesrepublik Deutschland im kalten Krieg gegen die DDR ihren gefährlichsten Ausdruck. Das in der Bundesrepublik existierende Feindbild von der DDR als „Satellit Moskaus", von der „Zone", der es als Werkzeug fremder Macht an jeglicher staatlicher Repräsentanz und Befugnis mangele, der „sogenannten DDR", in welcher das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung nicht verwirklicht sei und die in der Realität gar nicht existiere, war der politisch-propagandistische Ausfluß der „deutschlandpolitischen Theorien". Von diesen Grundsätzen und der darauf fußenden staatlichen Gesetzgebung und der offiziellen Politik ausgehend, wurden in der Zeit des kalten Krieges die Verständigungsangebote der DDR mit Schweigen oder beleidigender Zurückweisung übergangen. Mehr noch: Sie gaben dem kalten Krieg gegen den zweiten deutschen Staat, dem Wirtschaftskrieg, der Subversion und Diversion und der Interventionsvorbereitung das juristische Fundament. Jeder Sabotageakt, jede Brandstiftung, jede Anstiftung zum Aufruhr in der DDR konnte sich auf die Alleinvertretungsanmaßung im Grundgesetz und auf die am 21. Oktober 1949 verkündete Anti-DDR-Politik stützen.

Die Politik der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" und die politisch-diplomatische Blockade gegen die DDR Nach der Gründung der Bundesrepublik konzentrierte sich die Regierung Adenauer auf die Politik der Westintegration, mit deren Hilfe das Regierungsprogramm verwirklicht werden sollte. Die SPD-Führung, welche die Auffassung vertrat, daß die „Wiedervereinigung" - der geplante Anschluß der DDR an die Bundesrepublik den Vorrang vor der Westintegration der BRD habe, rückte Anfang 1950 die Losung von der Abhaltung „freier Wahlen" in den Vordergrund ihrer politischen Aktivität. Solche Wahlen sollten zunächst in ganz Berlin, später auf dem Territorium der beiden deutschen Staaten durchgeführt werden. Entscheidend dabei war, daß die Wahlen am Anfang der Prozedur der Wiedervereinigung stehen und allen Festlegungen des völkerrechtlichen Status des wiedervereinigten Deutschlands durch einen Friedensvertrag vorausgehen sollten. Das ganze mit viel Rhetorik vorgetragene Manöver verfolgte den Zweck, die DDR auf bürgerlich-parlamentarischem Wege

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Vertretungsanmaßung fußende revanchistische Politik der Bundesrepublik Deutschland im kalten Krieg gegen die DDR ihren gefährlichsten Ausdruck. Das in der Bundesrepublik existierende Feindbild von der DDR als „Satellit Moskaus", von der „Zone", der es als Werkzeug fremder Macht an jeglicher staatlicher Repräsentanz und Befugnis mangele, der „sogenannten DDR", in welcher das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung nicht verwirklicht sei und die in der Realität gar nicht existiere, war der politisch-propagandistische Ausfluß der „deutschlandpolitischen Theorien". Von diesen Grundsätzen und der darauf fußenden staatlichen Gesetzgebung und der offiziellen Politik ausgehend, wurden in der Zeit des kalten Krieges die Verständigungsangebote der DDR mit Schweigen oder beleidigender Zurückweisung übergangen. Mehr noch: Sie gaben dem kalten Krieg gegen den zweiten deutschen Staat, dem Wirtschaftskrieg, der Subversion und Diversion und der Interventionsvorbereitung das juristische Fundament. Jeder Sabotageakt, jede Brandstiftung, jede Anstiftung zum Aufruhr in der DDR konnte sich auf die Alleinvertretungsanmaßung im Grundgesetz und auf die am 21. Oktober 1949 verkündete Anti-DDR-Politik stützen.

Die Politik der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" und die politisch-diplomatische Blockade gegen die DDR Nach der Gründung der Bundesrepublik konzentrierte sich die Regierung Adenauer auf die Politik der Westintegration, mit deren Hilfe das Regierungsprogramm verwirklicht werden sollte. Die SPD-Führung, welche die Auffassung vertrat, daß die „Wiedervereinigung" - der geplante Anschluß der DDR an die Bundesrepublik den Vorrang vor der Westintegration der BRD habe, rückte Anfang 1950 die Losung von der Abhaltung „freier Wahlen" in den Vordergrund ihrer politischen Aktivität. Solche Wahlen sollten zunächst in ganz Berlin, später auf dem Territorium der beiden deutschen Staaten durchgeführt werden. Entscheidend dabei war, daß die Wahlen am Anfang der Prozedur der Wiedervereinigung stehen und allen Festlegungen des völkerrechtlichen Status des wiedervereinigten Deutschlands durch einen Friedensvertrag vorausgehen sollten. Das ganze mit viel Rhetorik vorgetragene Manöver verfolgte den Zweck, die DDR auf bürgerlich-parlamentarischem Wege

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durch eine Majorisierting ihrer Bevölkerung abzuschaffen und solcherart den Anschluß an die BRD zu vollziehen. Die vom Berliner Landesverband der SPD Ende Januar 1950 vorgelegten 12 Grundgesetze für solche Wahlen, in denen die Beseitigung der Arbeiter-undBauern-Macht in der Hauptstadt der DDR als Vorbedingung für die Wahlen gefordert wurde, ließen daran keinen Zweifel. 36 Die Regierung Adenauer propagierte seit dem Frühjahr 1950 eine Politik der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit", die weitgehend auf Anregungen der SPD basierte und die in Wirklichkeit eine Politik des kalten Krieges gegen die DDR war. Es bedurfte daher keines langen Drängens und Mahnens, daß die Bundesregierung die sozialdemokratischen Vorschläge von den „freien Wahlen" am 22. März 1950 als offizielles Programm für die „Wiedervereinigung" verkündete. Für die kommenden Jahre war damit eine gemeinsame Plattform der „Wiedervereinigungspolitik" von den regierenden Parteien und der SPD in der Bundesrepublik geschaffen worden. Die Vorschläge der sozialdemokratischen Opposition waren der Bundesregierung höchst willkommen, boten sie ihr doch die Möglichkeit, damit die in der Bundesrepublik betriebene Remilitarisierung mit nationalistischer Propaganda und „Wiedervereinigungs"rhetorik abzuschirmen. In der BRD wirkte schon damals ein antikommunistisches und antisowjetisches Feindbild, das die Ausschaltung der Kommunisten und anderer fortschrittlicher gesellschaftlicher Kräfte zur Folge hatte. Zahlreiche fortschrittliche Organisationen, die in beiden deutschen Staaten wirkten, wurden auf Grund von Anregungen des „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen" bzw. durch Erlaß von Länderregierungen verboten. Der im Juni durch den Einfall südkoreanischer Truppen in die Koreanische Volksdemokratische Republik provozierte Korea-Krieg wurde in der BRD zur Forcierung der Remilitarisierung und zur Verschärfung der antikommunistischen Stimmung ausgenutzt. Für die Durchführung wirklich freier und demokratischer Wahlen waren daher in der BRD keine objektiven Gegebenheiten mehr vorhanden. Tatsächlich ging es auch, wie später eingestanden wurde, darum, „der DDR und der hinter ihr stehenden Sowjetunion die nationalpolitische Initiative zu entreißen", weshalb die von der BRD gemachten Vorschläge „auch subjektiv keinen anderen Sinn" 36

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Der Tagesspiegel, (West-)Berlin, 4. 2. 1950.

gehabt hätten „als eben einen propagandistischen". 37 Die DDR sollte mit der ganzen Kampagne von den „freien Wahlen" in die Defensive gedrängt und in der internationalen Öffentlichkeit diskreditiert werden. Diese Absicht wurde im folgenden Jahr besonders deutlich, als man sich in Bonn darum bemühte, die damals sehr stark unter dem Einfluß der USA stehende UNO in das falsche Spiel einzuschalten und der DDR von einer auf undemokratische Weise zustande gekommenen Kommission Auflagen erteilen zu lassen, die als Einmischung in innere Angelegenheiten angesehen werden mußten. Das konkrete und sachliche Eingehen der DDR auf die Bonner Wahlvorschläge zwang jedoch die Bundesregierung zu Reaktionen auf die Vorschläge der DDR. Der Inhalt dieser Stellungnahmen bestand darin, daß man sich in Bonn mit jeweils höhergeschraubten Forderungen aus der Affäre zog. Für die Bundesregierung und die Führung der SPD bestand der grundlegende Konsensus in der „Wiedervereinigungspolitik" darin, in jedem Fall dem offiziellen Kontakt und erst recht dem direkten Dialog mit der DDR strikt aus dem Wege zu gehen. Während man in der offiziellen Propaganda mit lautstarker Rhetorik die angebliche Sorge um den Bestand der deutschen Nation und das Bemühen um die „Wiedervereinigung" in den Vordergrund der „deutschlandpolitischen" Aktivitäten stellte, betrieb man gegenüber der DDR, mit deren Vertretern man sich zuerst hätte an einen Tisch setzen müssen, eine Politik der Nichtanerkennung und des Boykotts, die auf die Isolierung des anderen deutschen Staates gerichtet war. Welche Absichten sich hinter der Politik der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" tatsächlich verbargen, zeigten später die dramatischen Ereignisse in den Junitagen von 1953, als die konterrevolutionären Rädelsführer und Provokateure mit eben dieser politischen Losung ihre auf den Sturz der Arbeiter-und-BauernMacht in der DDR gerichteten Aktionen führten. Die von der DDR unterbreiteten Vorschläge, in gemeinsame Verhandlungen mit dem Ziel der Herbeiführung einer demokratischen Wiedervereinigung Deutschlands einzutreten, fielen sämtlich der Ablehnung zum Opfer. Das betraf den Brief des Ministerpräsidenten Otto Gretewohl 37

Conze/Kosthorst/Nebgen: Jakob Kaiser. Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 1949-1957. Stuttgart/Köln/(West-) Berlin/Mainz 1972, S. 210.

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vom 30. November 1950, in welchem dem Bundeskanzler der BRD erstmals Verhandlungen zwischen beiden deutschen Regierungen über Fragen einer Wiedervereinigung Deutschlands vorgeschlagen wurden3S, und die zahlreichen Vorschläge der Volkskammer der DDR an den Bundestag der BRD, einen Gesamtdeutschen Konstituierenden Rat einzuberufen. Am 9. März 1951 lehnte Bundeskanzler Adenauer im Namen der Bundesregierung sämtliche Verhandlungsvorschläge der DDR-Seite über die Vorbereitung freier, demokratischer Wahlen, in welchen man den westlichen Vorstellungen teilweise sehr weit entgegengekommen war, pauschal ab. Diese Ablehnung wiederholte er nach einer neuerlichen Initiative der Volkskammer der DDR vom 10. Oktober und wies bei dieser Gelegenheit jeden Gedanken an eine gemeinsame Beratung von Vertretern der BRD und der DDR nachdrücklich zurück. Die Bundesregierung dachte nicht daran, sich durch Gespräche mit der DDR vom Weg der Remilitarisierung abbringen zu lassen. In den Vordergrund ihrer Bemühungen rückte die Schaffung einer „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft", mit deren Hilfe die „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" zum Erfolg geführt werden sollte. Seit 1950 demonstrierte die Bundesregierung überdies in massiver Form, dafj sie nicht daran dachte, es in ihrer Anti-DDR-Politik bei Deklamationen bewenden zu lassen. Von Bonn aus suchte man die Regelung der Beziehungen der DDR zur Volksrepublik Polen und zur Tschechoslowakischen Republik in der Frage der Grenzabkommen durch grobe Einmischungsversuche zu trüben. In diesen Grenzabkommen sah man in Bonn - wie die Zukunft zeigen sollte, durchaus nicht zu Unrecht - ein neues Hindernis, das der Realisierung der „deutschlandpolitischen" Ziele im Wege stand. Im Verein mit den drei Westmächten und lautstark sekundiert von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, wandte sich die Bundesregierung gegen die im Potsdamer Abkommen festgelegte Oder-Neifje-Grenze, die seit 1945 eine Realität war. Um auf die Verhandlungen zwischen der DDR und der VR Polen Druck auszuüben, lief} die Bundesregierung am 8. Juni 1950 verlautbaren, dafy sie „bei Veröffentlichung des Vertrages über die Oder-Neifje-Linie zwischen der polnischen Re-

Schubert, Klaus von: Wiederbewaffnung und Westintegration. Die innere Auseinandersetzung um die militärische und außenpolitische Orientierung der Bundesrepublik 1950-1952. Stuttgart 1970, Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Nr. 20, S. 157.

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gierung und den Ostzonenmachthabern schärfsten Protest einlegen werde" 39 . In einer demonstrativen Erklärung aller Fraktionen des Bundestages (mit Ausnahme der KPD-Fraktion) wurde am 13. Juni 1950 die Oder-Neiße-Grenze abgelehnt. 40 Der Bundesminister f ü r gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser, betonte bei dieser Gelegenheit, daß „die Unterschriften, die die östlichen Machthaber unter das Dokument der Abtretung allen deutschen Landes östlich von Oder und Neiße setzten", in jedem Fall „null und nichtig" seien. 41 Die New Yorker Konferenz der Außenminister der drei Westmächte machte sich im September 1950 erstmals zum offiziellen Fürsprecher der bundesdeutschen Alleinvertretungsanmaßung. In der Erklärung der Konferenz vom 18. September wurden die Mitgliedstaaten des Nordatlantikpaktes aufgefordert, sich dem Verhalten der Westmächte anzuschließen und keine diplomatischen Beziehungen zur DDR herzustellen. 42 Über die Deutsche Demokratische Republik wurde eine diplomatische Blockade verhängt, die rigoros auf alle Bereiche der internationalen Beziehungen ausgedehnt wurde. Der Imperialismus war nicht gewillt, die Konsolidierung eines sozialistischen deutschen Staates zuzulassen. Die außenpolitische und außenwirtschaftliche Entwicklung der DDR sollte gestört und im Bereich der Beziehungen zu den bürgerlichen Staaten und den jungen Nationalstaaten vollständig blockiert werden. Ein bürgerlicher Kritiker umriß später den Inhalt dieser Nichtanerkennungspolitik wie folgt: „Die Nichtanerkennung eines Staates bildet . . . ein juristisches Mittel in politischen Auseinandersetzungen. Der Zweck ist allemal der gleiche: Der nicht anerkannte Staat soll von den Rechten eines Völkerrechtssubjektes, etwa der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen, ausgeschlossen und damit politisch isoliert und diskreditiert werden; zugleich wird meist beabsichtigt, seine Konsolidierung im Inneren zu erschweren/ 4 3 Die diplomatische Blockade wurde zur Waffe im kalten Krieg gegen die DDR, welche die vorgeschobene Bastion des Sozialismus in Europa treffen sollte. Die herrschenden gesellschaftlichen Kräfte in 39

Die Neue Zeitung, München, 8. 6. 1950. '.o Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 1. Wahlperiode 1949, Bd. 4, S. 2457. 41 Die Neue Zeitung, (West-) Berlin, 11. 7. 1950. 42 Europa-Archiv, Bonn 1950, Nr. 19, S. 3406. 43 Bender, Peter: Zehn Gründe für die Anerkennung der DDR. Frankfurt a. M. 1968, S. 18.

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der Bundesrepublik folgten dabei ihrem revanchistischen Ziel, durch eine möglichst weitgehende internationale Isolierung der Deutschen Demokratischen Republik zu gegebener Zeit die Einverleibung des anderen deutschen Staates in die BRD leichter herbeiführen zu können.

Die Bundesregierung und das Projekt der „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" (EVG). Die Verschärfung des kalten Krieges gegen die DDR und die Ereignisse im Juni 1953 Anfang der fünfziger Jahre wurde deutlich, da§ auf der Seite der aggressiven imperialistischen Kräfte verstärkte Anstrengungen im Gange waren, den antisowjetischen Block in Westeuropa durch die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland als Speerspitze gegen den Sozialismus auszubauen. Die UdSSR und die anderen sozialistischen Staaten, die mit der Zuspitzung der imperialistischen Politik des kalten Krieges konfrontiert wurden, setzte sich dagegen für einen Abbau der internationalen Spannungen ein, welcher der Politik der friedlichen Koexistenz von Staaten unterschiedlicher gesellschaftlicher Ordnung einen Weg öffnen sollte. Dabei betrachtete die Sowjetunion die friedliche und demokratische Lösung der Deutschlandfrage nach wie vor als eine besonders wichtige Aufgabe im Interesse der Sicherung des Friedens in Europa. Von der Notwendigkeit ausgehend, daß alles getan werden müsse, um eine Restauration des Imperialismus und Militarismus in der BRD zu verhindern, unterbreitete sie im März 1952 in einer Note zur Deutschlandfrage eine Reihe außerordentlich bedeutsamer Vorschläge, die in ihrem Hauptinhalt darauf hinausliefen, ein neutrales Deutschland zu schaffen, das keiner militärischen Koalition angehören durfte, die sich gegen eine der Siegermächte der Anti-Hitler-Koalition richtete/'4 In dieser Note wurde deutlich, daß die Sowjetunion an einer Lösung der deutschen Frage auf der Grundlage der Abkommen der Anti-HitlerKoalition festhielt. Das Dokument berücksichtigte die gegebene Lage, Vgl.: Dokumente zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion, Bd. I. Berlin 1957, S. 289ff., zit. in: Geschichte der sowjetischen Außenpolitik, Teil 2. 1945 bis 1970. Berlin 1971, S. 239 f.

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der Bundesrepublik folgten dabei ihrem revanchistischen Ziel, durch eine möglichst weitgehende internationale Isolierung der Deutschen Demokratischen Republik zu gegebener Zeit die Einverleibung des anderen deutschen Staates in die BRD leichter herbeiführen zu können.

Die Bundesregierung und das Projekt der „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" (EVG). Die Verschärfung des kalten Krieges gegen die DDR und die Ereignisse im Juni 1953 Anfang der fünfziger Jahre wurde deutlich, da§ auf der Seite der aggressiven imperialistischen Kräfte verstärkte Anstrengungen im Gange waren, den antisowjetischen Block in Westeuropa durch die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland als Speerspitze gegen den Sozialismus auszubauen. Die UdSSR und die anderen sozialistischen Staaten, die mit der Zuspitzung der imperialistischen Politik des kalten Krieges konfrontiert wurden, setzte sich dagegen für einen Abbau der internationalen Spannungen ein, welcher der Politik der friedlichen Koexistenz von Staaten unterschiedlicher gesellschaftlicher Ordnung einen Weg öffnen sollte. Dabei betrachtete die Sowjetunion die friedliche und demokratische Lösung der Deutschlandfrage nach wie vor als eine besonders wichtige Aufgabe im Interesse der Sicherung des Friedens in Europa. Von der Notwendigkeit ausgehend, daß alles getan werden müsse, um eine Restauration des Imperialismus und Militarismus in der BRD zu verhindern, unterbreitete sie im März 1952 in einer Note zur Deutschlandfrage eine Reihe außerordentlich bedeutsamer Vorschläge, die in ihrem Hauptinhalt darauf hinausliefen, ein neutrales Deutschland zu schaffen, das keiner militärischen Koalition angehören durfte, die sich gegen eine der Siegermächte der Anti-Hitler-Koalition richtete/'4 In dieser Note wurde deutlich, daß die Sowjetunion an einer Lösung der deutschen Frage auf der Grundlage der Abkommen der Anti-HitlerKoalition festhielt. Das Dokument berücksichtigte die gegebene Lage, Vgl.: Dokumente zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion, Bd. I. Berlin 1957, S. 289ff., zit. in: Geschichte der sowjetischen Außenpolitik, Teil 2. 1945 bis 1970. Berlin 1971, S. 239 f.

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ging von einer realistischen Auffassung der Tatsachen aus und bot durch die von außerordentlicher Kompromißbereitschaft zeugenden Vorschläge eine brauchbare Verhandlungsgrundlage. Die sowjetische Initiative, die durch Verhandlungsangebote der D D R wirkungsvoll ergänzt wurde, stellte eine Alternative zur Intégrations- und „Deutschlandpolitik" der Bundesregierung dar und brachte die Initiatoren der „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" (EVG) in eine schwierige Situation. In den westlichen Hauptstädten waren die Auseinandersetzungen um die Bildung der EVG in vollem Gange. Das sowjetische Angebot wurde von der Bundesregierung und den Regierungen der Westmächte als Schwäche 4 e r UdSSR ausgelegt und als gegen die EVGPolitik gerichtetes Störmanöver abgetan. Weder in Bonn noch in den anderen westlichen Hauptstädten war man bereit, die sowjetische Note als Verhandlungsgrundlage anzusehen und ernsthaft zu prüfen. Am 26. Mai 1952 unterzeichnete der Bundeskanzler in Bonn den sogenannten General vertrag und am Tag darauf in Brüssel den Vertrag über die „Europäische Verteidigungsgemeinschaft". Einen wichtigen Bestandteil der Vertragswerke bildeten die Bestimmungen, in denen die Interessen der Regierung der BRD und der Westmächte auf dem Gebiet der „Deutschlandpolitik" abgestimmt wurden. Im Artikel VII des Generalvertrages wurden die gemeinsamen Ziele der BRD und der Westmächte dahingehend fixiert, ein „wiedervereinigtes Deutschland" zu schaffen, „das eine freiheitlich-demokratische Verfassung, ähnlich wie die Bundesrepublik, besitzt und das in die europäische Gemeinschaft integriert ist". 4 5 In Absatz 3 des Artikels VII wurde festgelegt, daß die Verträge auf „ein wiedervereinigtes Deutschland" 46 ausgedehnt werden sollen. In den Vertragswerken sicherten die Westmächte der Bundesrepublik ihre Unterstützung zur Verwirklichung der „deutschlandpolitischen" Ziele zu, wenn sie in den Vertragsverhandlungen andererseits auch deutlich gemacht hatten, daß sie nicht bereit waren, sich für die über die Oder-Neiße-Grenze hinausreichenden Sonderinteressen des Imperialismus der BRD einspannen zu lassen. 47 Adenauer, Konrad : Erinnerungen 1945-1953. S. 542 f. Ebenda. Diese sogenannte Bindungsklausel mußte noch vor der Ratifizierung der Verträge gestrichen werden. 47 So stellte während einer Beratung über die Verträge der britische Vertreter Robertson dem Bundeskanzler aufgebracht die Frage, ob er

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Seit Ende des Jahres 1952 geriet das Projekt der „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" allen Anstrengungen der USA und der BRD zum Trotz zusehends in eine Krise. Der Widerstand der Volksmassen gegen den antisowjetischen Militärpakt, die durch sozialistische Staaten aufgezeigten realistischen Alternativen und interimperialistische Widerstände standen seiner Verwirklichung entgegen. Mit dem Amtsantritt der Regierung Eisenhower gingen die USA zur Politik der „liberation" über, um, wie der neue Außenminister John Foster Dulles erklärte, die „versklavten Völker" hinter dem „Eisernen Vorhang" zu „befreien". Die Aufnahme einer solchen friedensbedrohenden Politik, die auf der Androhung einer „massiven Vergeltung", einem verschäften Wirtschaftskrieg, der Subversion sowie der ideologischen und politischen Diversion basierte, wurde von der Regierung der B R D als willkommene Möglichkeit betrachtet, die „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" in die Tat umzusetzen. In Bonn hoffte man, mittels einer durch den Westblock demonstrierten „Politik der Stärke" die UdSSR zur „Herausgabe" der D D R und womöglich von Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Grenze zu zwingen. Ein bürgerlicher Historiker umschrieb das später wie folgt: „Die Sowjetunion sollte zu einem bestimmten Handeln veranlagt werden, nämlich zur Freigabe der ostdeutschen Gebiete auf dem Verhandlungswege." 48 Der damalige Vizepräsident des Bundestages der BRD hatte schon im Februar 1952 die Zielstellung der „Wiedervereinigungspolitik" offen ausgesprochen, als er erklärte : „Es geht einfach um das Problem, wie die Deutschen drüben möglichst schnell aus der Herrschaft des Kommunismus befreit werden können . . ." 49 Zu den an dieser Haltung scheiternden Verständigungsinitiativen der D D R gehörte auch die Reise einer Volkskammer-Delegation am 19. September 1952 nach Bonn. Die Delegation, in deren Mission viele Menschen in beiden deutschen Staaten Hoffnungen gesetzt hatten, mußte wenig später die Heimreise antreten, da die von ihr wohl verlange, daß man ihm den polnischen Korridor zurückgeben solle. (Bahring, Arnulf: Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie. Bonns Beitrag zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. München/ Wien 1969, S. 136 f.) 48 Schubert, Klaus von: Wiederbewaffnung und Westintegration . . . S. 176. 49 Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Bonn, Nr. 16, 7.2.1952, S. 151.



überbrachten Verhandlungsvorschläge kein Gehör fanden. In Bonn dachte man nicht daran, mit der DDR zu verhandeln. Dort waren seit einiger Zeit die Anfänge eines Apparates der Anti-DDR-Politik geschaffen worden, an dessen Spitze das „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" stand. Der 1952 gegründete, diesem Ministerium angeschlossene „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" arbeitete in enger Kooperation mit ähnlich orientierten Arbeitskreisen und verschiedenen Organisationen des Untergrundkrieges detaillierte Pläne für die kapitalistische Restauration in der DDR aus. Die ideologische Diversion, der Wirtschaftskrieg und die Subversion gegen die DDR erfuhren eine merkliche Verschärfung. Im Frühjahr 1953 entstand in der Deutschen Demokratischen Republik eine komplizierte Situation, deren Hauptursache der kalte Krieg mit seinen Begleiterscheinungen war. Im Zusammenhang mit durch den Wirtschaftskrieg zugespitzten Problemen sowie strukturellen Disproportionen zwischen der Schwerindustrie und der Konsumgüterproduktion und mit diesen Erscheinungen im Zusammenhang stehenden administrativen Maßnahmen war die Lage in der DDR durch eine teilweise Instabilität gekennzeichnet. Am 9. und 11. Juni leiteten das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und der Ministerrat der DDR umfangreiche Korrekturen ein, die einen Ausweg aus der schwierigen Situation wiesen und auf die Festigung des Vertrauens der Bevölkerung der DDR zur Partei der Arbeiterklasse und der Regierung orientierten. Die Reaktion auf diese Maßnahmen durch die Bundesregierung in Bonn gipfelte in der Fehleinschätzung des Bundeskanzlers vom 14. Juni, die Korrekturen in der DDR seien „in Wahrheit die Bankrotterklärung des kommunistischen Regimes in Deutschland". In diesen Wunschvorstellungen befangen, erhob der Regierungschef der BRD die Forderung, die Grenzen zwischen der DDR und der Bundesrepublik zu beseitigen. 50 Das SPD-Vorstandsmitglied Herbert Wehner stellte am gleichen Tage einen ganzen Katalog ähnlicher Forderungen auf, durch deren Erfüllung sich die DDR praktisch selbst auflösen sollte. Dazu gehörten die Änderung der Verwaltungsstruktur der DDR, eine „Generalamnestie", die Öffnung der Grenzen, die Auflösung der Sicherungskräfte, das Recht auf Einmischung in innere Angelegenheiten der DDR, die BeBull., BReg., Nr. 110, 14. 6.1953, S. 934. 4*

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seitigung der Regierung, des ZK der SED und die Liquidierung der Führungen der Blockparteien und der Massenorganisationen. 5 1 In diesen Forderungen der Regierung der BRD und der sozialdemokratischen Opposition im Bundestag fand das Programm der „Wiedervereinigungspolitik" seinen bis dahin vollständigsten und konkretesten Ausdruck. Am 17. Juni kam es in der Hauptstadt der D D R sowie in anderen Orten der Republik zu konterrevolutionären Ausschreitungen, an deren Spitze sich Agenten der imperialistischen Geheimdienste und ehemalige Faschisten stellten. Die Losungen für die konterrevolutionären Aktionen, wie der Aufruf zum „Generalstreik", kamen aus den Redaktionsstuben des Senders „RIAS" Berlin und den Agentenzentralen. Eine auffällig große Zahl von amerikanischen und bundesdeutschen Beamten und Politikern war nach Westberlin gereist, um die Vorgänge in der D D R aus nächster Nähe verfolgen zu können. Später wurde bekannt, da§ man für den Fall des Gelingens des Umsturzversuches auch eine Ministerliste für eine in der DDR zu bildende bürgerliche Übergangsregierung bereitgehalten hatte. Während der Vorgänge in der DDR, die in Berlin auf Grund der offenen Grenze zu Westberlin zeitweilig einen besonders gefährlichen Charakter annahmen, gab die Bundesregierung durch den Mund des Kanzlers eine offizielle Erklärung zu den Ereignissen ab. Weit davon entfernt, sich von den Ausschreitungen der Provokateure, die zum Teil faschistische Züge annahmen, zu distanzieren, verherrlichte die Erklärung die Gewalttäter, unter denen sich Brandstifter, Plünderer und Mörder befanden, und stellte den Umsturzversuch als Ausdruck des Willens der Bevölkerung der D D R und Berlins zur „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" hin. D e r konterrevolutionäre Umsturzversuch blieb jedoch isoliert und wurde innerhalb weniger Stunden vollständig zerschlagen. In Bonn vermochte man lediglich die durch den Bundeskanzler in der erwähnten Erklärung vom 17. Juni geschaffene Legende von einem „Volksaufstand in der sowjetischen Besatzungszone" aus der politischen Konkursmasse des Umsturzabenteuers zu retten, die seit dieser Zeit im Arsenal der Anti-DDR-Politik eine besondere Rolle Dokumentation. Acht Jahre sozialdemokratischer Kampf um Einheit, Frieden und Freiheit. Ein dokumentarischer Nachweis der gesamtdeutschen Haltung der Sozialdemokratie und ihrer Initiativen. Hrsg. vom Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Bonn, o. J„ S. 237 f. 51

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spielte. Die „Wiedervereinigungspolitik" der BRD hatte eine Niederlage hinnehmen müssen. Die Vorgänge hatten eindeutig demonstriert, daß die Sowjetunion nicht gewillt war, vor der vom Imperialismus zugespitzten „Politik der Stärke" zurückzuweichen. In der DDR hatte die Arbeiter-und-Bauern-Macht eine harte Bewährungsprobe bestanden.

Der Beitritt der BRD zum Nordatlantikpakt. Die Verschärfung der Politik des kalten Krieges gegen die DDR durch die Hallstein-Doktrin Im November und Dezember 1953 ergriff die Regierung der DDR abermals die Initiative, mit der Bundesregierung in Bonn über wichtige, mit einer demokratischen Wiedervereinigung Deutschlands im Zusammenhang stehende Fragen zu beraten. Auch diese Bemühungen fanden kein positives Echo. Zu Beginn des Jahres 1954 machte die UdSSR auf der Berliner Außenministerkonferenz der vier Mächte eine Reihe bedeutsamer Vorschläge, die der Minderung der internationalen Spannungen dienen sollten. Die Vorschläge, welche die deutsche Frage betrafen, orientierten erneut auf eine friedliche Wiedervereinigung unter demokratischen Voraussetzungen im Interesse der Herbeiführung einer kollektiven Sicherheit in Europa. Die Westmächte beharrten im Eden-Plan jedoch darauf, eine „Wiedervereinigung" entsprechend den Forderungen der „Wiedervereinigungspolitik" der BRD durchzuführen und das auf solche Art wiederhergestellte Deutschland der NATO anzuschließen. Im April regte die Volkskammer der DDR im Zusammenhang mit den sowjetischen Vorschlägen Beratungen über Maßnahmen zur Sicherung des Friedens in Europa an und wandte sich in diesem Sinne an den Bundestag der BRD. Doch auch diese Bemühungen verhallten in der Bundeshauptstadt ohne Echo. Am 30. August lehnte die Nationalversammlung der Republik Frankreich unter dem Druck der demokratischen Öffentlichkeit des Landes den General vertrag und den Vertrag über die EVG ab: Das Projekt einer „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" war gescheitert. Die Regierung der BRD konzentrierte ihre Anstrengungen jetzt darauf, nunmehr auf direktem Wege Mitglied des Nordatlantikpaktes zu werden. In dem im Rahmen der Pariser Verträge zwischen derBun-

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spielte. Die „Wiedervereinigungspolitik" der BRD hatte eine Niederlage hinnehmen müssen. Die Vorgänge hatten eindeutig demonstriert, daß die Sowjetunion nicht gewillt war, vor der vom Imperialismus zugespitzten „Politik der Stärke" zurückzuweichen. In der DDR hatte die Arbeiter-und-Bauern-Macht eine harte Bewährungsprobe bestanden.

Der Beitritt der BRD zum Nordatlantikpakt. Die Verschärfung der Politik des kalten Krieges gegen die DDR durch die Hallstein-Doktrin Im November und Dezember 1953 ergriff die Regierung der DDR abermals die Initiative, mit der Bundesregierung in Bonn über wichtige, mit einer demokratischen Wiedervereinigung Deutschlands im Zusammenhang stehende Fragen zu beraten. Auch diese Bemühungen fanden kein positives Echo. Zu Beginn des Jahres 1954 machte die UdSSR auf der Berliner Außenministerkonferenz der vier Mächte eine Reihe bedeutsamer Vorschläge, die der Minderung der internationalen Spannungen dienen sollten. Die Vorschläge, welche die deutsche Frage betrafen, orientierten erneut auf eine friedliche Wiedervereinigung unter demokratischen Voraussetzungen im Interesse der Herbeiführung einer kollektiven Sicherheit in Europa. Die Westmächte beharrten im Eden-Plan jedoch darauf, eine „Wiedervereinigung" entsprechend den Forderungen der „Wiedervereinigungspolitik" der BRD durchzuführen und das auf solche Art wiederhergestellte Deutschland der NATO anzuschließen. Im April regte die Volkskammer der DDR im Zusammenhang mit den sowjetischen Vorschlägen Beratungen über Maßnahmen zur Sicherung des Friedens in Europa an und wandte sich in diesem Sinne an den Bundestag der BRD. Doch auch diese Bemühungen verhallten in der Bundeshauptstadt ohne Echo. Am 30. August lehnte die Nationalversammlung der Republik Frankreich unter dem Druck der demokratischen Öffentlichkeit des Landes den General vertrag und den Vertrag über die EVG ab: Das Projekt einer „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" war gescheitert. Die Regierung der BRD konzentrierte ihre Anstrengungen jetzt darauf, nunmehr auf direktem Wege Mitglied des Nordatlantikpaktes zu werden. In dem im Rahmen der Pariser Verträge zwischen derBun-

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desrepublik und den Westmächten abgeschlossenen „Deutschlandvertrag" vom 23. Oktober 1954 sicherten die drei Mächte der BRD abermals ihr aktives Mitwirken an der „Wiedervereinigungspolitik" zu. Die Bundesrepublik Deutschland wurde Mitglied des Nordatlantikpaktes und somit in das antisowjetische Paktsystem des Imperialismus integriert. Dieser Vorgang bedeutete für alle Kräfte in der BRD, welche eine aggressive und unter Umständen sogar gewaltsame „Lösung" der deutschen Frage befürworteten, eine Ermunterung; die internationalen Spannungen und die Gefahr militärischer Konflikte im europäischen Raum nahm spürbar zu. Der strategische Kern der von den USA seit 1953 verfolgten Politik der „liberation" und der von der BRD-Regierung betriebenen „Politik der Stärke" gründete sich auf die Erwartung von der Schwäche des Sozialismus, der vor militärischem Druck und wirtschaftlichen und politischen Pressionen sowie vor subversiver Wühltätigkeit zurückweichen werde. In den sozialistischen Staaten sah man „Satelliten" der UdSSR, in der DDR nur eine vorübergehende Episode. Die aggressiven imperialistischen Kräfte erwarteten, daß eine beharrliche Politik des Drucks und der Pressionen den Zerfall des sozialistischen Weltlagers und das Ende der DDR zur Folge haben werde. Später meinte der „Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen", Erich Mende, dazu: „Wir glaubten alle, daß der Druck dieser Klammer der NATO, verlängert um den Bagdad-Pakt, dazu führen könnte, daß die Sowjets Mitteldeutschland und Ostdeutschland freigeben, daß wir also die deutsche Wiedervereinigung . . . auf dem Wege der Bündnispolitik und ihrer Reflexwirkungen auf die deutsche Frage erreichen könnten."52 Für diese Kreise galt das Konzept, Verhandlungen über eine Anerkennung des Status quo von vornherein zu meiden. Damit sollten auch die in den sozialistischen Staaten noch existierenden konterrevolutionären Kräfte zusammengehalten werden. Die Strategie des „roll-back" und der „Politik der Stärke" zog nicht einmal eine de-facto-Anerkennung der DDR in Betracht.53 Der Abschluß des Warschauer Vertrages war die notwendige Gegenmaßnahme der sozialistischen Staaten in Europa. Er leitete die sozia52

Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, Bd. 39, S. 306. 53 Siehe: Richardson, James: Deutschland und die NATO. Strategie und Politik im Spannungsfeld zwischen Ost und West. Köln/Opladen 1967, S. 285 f.

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listische Integration auf militärischem Gebiet ein. Durch den Abschluß des Staatsvertrages mit der UdSSR (17.-20. September 1955) gewann die DDR die volle Souveränität über ihr Territorium; ihre Staatlichkeit wurde auf eine qualitativ neue Stufe gehoben. Die Deutsche Demokratische Republik wurde zu einem festen Bestandteil des sozialistischen Weltsystems. Die Frage der Anerkennung des Status quo und der Existenz zweier selbständiger deutscher Staaten gewann die Bedeutung einer Grundsatzfrage der europäischen Sicherheit. Das Jahr 1955 brachte eine tiefgreifende Veränderung der Situation im Verhältnis der beiden deutschen Staaten mit sich. Die Regierung der DDR und die Volkskammer hatten angesichts der sich entwickelnden neuen Lage große Anstrengungen unternommen, für Verständigungsvorschläge zum Thema eines gesamtdeutschen Rates (z. B. am 18. Februar) bei der Regierung der BRD und im Bundestag Gehör zu finden. Doch die Initiativen wurden entweder nicht beantwortet, oder es wurde gar ihre Annahme verweigert. Auf der Konferenz der Regierungschefs der vier Mächte, die vom 18. bis 23. Juli in Genf getagt hatte, beharrten die Westmächte auf ihrem Standpunkt, ein »wiedervereinigtes" und wiederaufgerüstetes Deutschland in die NATO aufzunehmen, und am 28. September bestätigten die Außenminister der drei Westmächte der Bundesregierung in Bonn abermals das »Alleinvertretungsrecht", als sie erklärten, sie würden »weder das ostdeutsche Regime noch die Existenz eines Staates in der Sowjetzone" anerkennen.54 Auf den Abschluß des Staatsvertrages zwischen der UdSSR und der DDR reagierte man in Bonn mit der erklärten Absicht, die diplomatische Blockade gegen die DDR zu verschärfen. Diese Absicht, die Adenauer bereits während der auf sowjetische Initiative zustande gekommenen Regierungsverhandlungen mit dem Ziel der Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der UdSSR und der BRD in Moskau angedeutet hatte, machte dieser in einer Erklärung am 22. September deutlich. Der Bundeskanzler erhärtete den bekannten Standpunkt von der Alleinvertretung und ergänzte ihn nun durch die Androhung von Sanktionen gegen alle diejenigen Staaten, die diplomatische Beziehungen zur BRD unterhielten, für den Fall Die auswärtige Politik der Bundesrepublik Deutschland. Hrsg. vom Auswärtigen Amt unter Mitwirkung eines wissenschaftlichen Beirats. Köln 1972, S. 242.

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einer Anerkennung der DDR.55 Am gleichen Tag fällte das Bundesverfassungsgericht der BRD eine Entscheidung, in der demonstrativ festgestellt wurde, daß sich die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland auf das Gebiet des früheren Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 erstrecke, eine Erklärung, die am 6. Oktober in ähnlichem Zusammenhang wiederholt wurde. Mit seiner Verlautbarung vom 22. September hatte der Bundeskanzler die Anfang Dezember auf einer Botschafterkonferenz in Bonn für verbindlich erklärte Doktrin angekündigt, die von Wilhelm G. Grewe formuliert worden war, aber bald als Hallstein-Doktrin bekannt wurde. Nach dieser Doktrin bedrohte die Regierung der BRD jeden Staat, der die DDR anerkennen wollte, mit einer Skala .abgestufter Maßnahmen"56. Der damalige Bundesaußenminister von Brentano begründete die Doktrin damit, daß eine Anerkennung der DDR „die völkerrechtliche Anerkennung der Teilung Deutschlands in zwei Staaten" bedeute. Die Wiedervereinigung sei dann „nicht mehr die Beseitigung einer vorübergehenden Störung im Organismus unseres gesamtdeutschen Staates", sondern bedeute nun „die unendlich viel schwierigere Aufgabe, zwei verschiedene deutsche Staaten zu vereinigen"57. Wilhelm G. Grewe erklärte später, daß es sich bei der Hallstein-Doktrin keinesfalls um ein „juristisches Prinzip" handle, sondern vielmehr um „eine politische Maxime".58 Als die erwähnten „abgestuften Maßnahmen" betrachtete man die Androhung des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen oder bzw. und der Wirtschaftshilfe, den diplomatischen Druck (Demarche, Protest, Rückberufung des Botschafters), das Einfrieren der diplomatischen Beziehungen, den Abbruch der diplomatischen Beziehungen, die Verweigerung der diplomatischen Beziehungen, die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen, die Einstellung der sogenannten Entwicklungshilfe, das Handelsembargo und schließlich politische Sanktionen.59 Als Anerkennung der DDR galten die Aufnahme

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Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode 1953, Bd. 26, S. 5643. 56 Bull., BReg., Nr. 233, 13. 2.1955, S. 1893. 57 Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode 1953, Bd. 31, S. 8425. 68 Grewe, Wilhelm Gustav: Deutsche Außenpolitik der Nachkriegszeit. Stuttgart 1960, S. 142. 59 Ebenda, S. 154.

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diplomatischer Beziehungen auf Botschafter-, Gesandten- oder Geschäftsträgerebene, die Herstellung konsularischer Beziehungen unter Beantragung oder Erteilung des Exequaturs sowie der Abschluß eines bilateralen, ratifikationsbedürftigen Abkommens auf Regierungsebene (wenn kein Vorbehalt gegenüber einer Anerkennung der DDR geäußert worden war). Die Hallstein-Doktrin ging davon aus, daß die DDR kein Staat sei und ihrer Regierung die staatliche Repräsentanz ebenso mangele wie die Staatsgewalt. In diesem Schema war die DDR kein Völkerrechtssubjekt, sondern nach wie vor die „Zone", die von fremden Truppen besetzt und fremder Staatsgewalt unterworfen war. Die Hallstein-Doktrin war das außenpolitische Instrument der Alleinvertretungsanmaßung, ihre staatsrechtliche Basis, die „Kontinuitäts"- und „Identitätstheorie". Sie sollte die DDR in der diplomatischen Blockade halten, sie in der Weltöffentlichkeit diskriminieren und ihre Einverleibung in die BRD außenpolitisch absichern. Die Doktrin, mit der Druck auf die Regelung der auswärtigen Angelegenheiten durch andere Staaten ausgeübt wurde, mischte sich in souveräne Angelegenheiten anderer Staaten ein, behinderte ihre Interessen und enthielt gegenüber jungen Nationalstaaten Elemente des Neokolonialismus. Sie widersprach der UNO-Charta und deren Artikel 2, Absatz 4 und entbehrte jeder völkerrechtlichen Grundlage. Mit der Doktrin sollte eine Entwicklung aufgehalten werden, die dadurch gekennzeichnet war, daß die DDR 1955 außerhalb der sozialistischen Welt bereits Handelsvertretungen in 14 Staaten unterhielt und über wirtschaftliche und andere Beziehungen auf dieser Ebene verfügte. Auch in eine Reihe internationaler Organisationen hatte die DDR Aufnahme gefunden. Schließlich waren zwischen der UdSSR und der BRD diplomatische Beziehungen hergestellt worden - eine Tatsache, welche die Doktrin von vornherein in Frage stellen mußte, ungeachtet der Bemühungen des Auswärtigen Amtes der BRD, diese Beziehungen als Ausnahmefall hinzustellen. Mit der Hallstein-Doktrin sollte die revanchistisch orientierte „Deutschlandpolitik" der BRD gefestigt werden, doch trug die Doktrin in den späteren Jahren maßgeblich dazu bei, daß sich diese Politik immer tiefer in ihrer eigenen Widersprüchlichkeit verstrickte. Rückblikkend bemerkte später der Politologe Richard Löwenthal, daß für Adenauer und die Bundesregierung Ende 1955 „anstelle der Wiedervereinigungshoffnungen der defensive Alltagskampf um die Ver-

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hinderung der internationalen Anerkennung der 'DDR' in den Vordergrund getreten" 60 sei. Zur Außenpolitik der CDU/CSU in der Bundesrepublik hatte die SPD eine andere „deutschlandpolitische" Konzeption nur insoweit anzubieten, als sie auf eine andere Abfolge der Etappen der „Wiedervereinigungspolitik" orientierte. Für die sozialdemokratische Führung hatte die Einverleibung der DDR in die BRD stets die Priorität vor der Westintegration gehabt. Seit Mitte 1955 befürwortete man in diesen Kreisen eine Art Tauschgeschäft, in welchem der Sowjetunion der Austritt der Bundesrepublik aus der NATO als Preis für die Einverleibung der DDR in die BRD in Aussicht gestellt wurde. 61 Gleichzeitig wurden bestimmte Entspannungsmafjnahmen befürwortet. Diese in einer wenig realistischen Konzeption enthaltenen ersten Anzeichen eines gewissen Umdenkens in der Führung der SPD blieben ohne praktische Auswirkung. Der 4 Jahre später von der Partei vorgelegte „Deutschlandplan" enthielt zwar eine Reihe realistischer Ansatzpunkte, wurde aber, als in der DDR diese Vorschläge aufgegriffen wurden, schnell zu den Akten gelegt. In den Erklärungen und Dokumenten der SPD-Führung wurde das „Alleinvertretungsrecht" der BRD nicht in Zweifel gezogen, der Hallstein-Doktrin prinzipiell zugestimmt. 62 Unmißverständlich erklärten die sozialdemokratischen Führer ihre völlige Übereinstimmung mit den Zielen der regierungsoffiziellen „Wiedervereinigungspolitik", wenn sie betonten: „Der Weg führt über die Beseitigung des SED-Regimes und seiner 'Errungenschaften' zur Wiedervereinigung." 63 In den Jahren 1956 und 1957 unternahmen die Regierung der DDR und die Volkskammer eine Vielzahl weiterer Initiativen, um zu einer Verständigung mit der Bundesregierung und dem Bundestag zu gelangen. Nach der Aufnahme der BRD in die NATO suchte die DDR - von dem neuen Verhältnis der beiden Staaten zueinLöwenthal, Richard: Vom Kalten Krieg zur Ostpolitik. In: Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland - eine Bilanz. Hrsg. von Richard Löwenthal und Hans-Peter Schwarz. Stuttgart-Degerloch 1974, S. 30 f.

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Siehe hierzu: Lange, H./Thomas, S./Zimmermann, F . : Der Weg der westdeutschen Sozialdemokratie zur Bejahung der NATO (1954-1960). In: BzG, H. 7/1971, S. 46 ff. 0 3 Vgl.: Die Neue Gesellschaft 2/1956, S. 95 und Vorwärts, 15. 2.1957. 6 3 Vorwärts, 23. 3. 1956. 61

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ander ausgehend - nach Möglichkeiten zur Normalisierung der Beziehungen und zum Abbau der Spannungen. Am 29. Mai 1956 erging ein 8-Punkte-Vorschlag des Ministerpräsidenten der DDR für eine Normalisierung der Beziehungen an die BRD. Neben ihrem Vorschlag vom 12. Mai des gleichen Jahres, in beiden deutschen Staaten auf eine Wehrpflicht zu verzichten, unterbreitete die DDR mehrmals konkrete Vorschläge für ein Abkommen zur Verhinderung der Ausrüstung militärischer Einheiten in den beiden deutschen Staaten mit atomaren Waffen, so am 3. April 1957 und am 11. Dezember des gleichen Jahres, wo ein gemeinsamer Appell für den Abzug der Atomwaffen angeregt wurde. Am 29. Juli 1957 unterzeichneten die Botschafter der drei Westmächte und der BRD in Westberlin eine gemeinsame Erklärung, in der sie Verhandlungen zwischen den beiden deutschen Staaten ablehnten und sich für gesamtdeutsche Wahlen unter den Bedingungen der Militarisierung und der Integration der Bundesrepublik in die NATO, die Einbeziehung eines „wiedervereinigten" Deutschlands in die NATO und den einseitigen Truppenabzug der UdSSR aus der DDR aussprachen. So eindeutig diese Erklärungen ausfielen, konnten sie jedoch den Riß, der die außenpolitischen Konzeptionen der Westmächte und Bonns von nun an in wachsendem Maße trennte, nicht länger verdecken. Der „Sputnik-Schock" vom 4. Oktober ließ schließlich die schwelende Krise sichtbar werden, in der sich die „Politik der Stärke" befand. Die vom Außenminister der Volksrepublik Polen, Adam Rapacki, zwei Tage vorher vor der UNO unterbreiteten Vorschläge für eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa fanden ein weltweites Echo. Sie wurden in den westlichen Hauptstädten und auch in der BRD diskutiert. Im Zusammenhang mit dem Vorschlag der DDR vom 26. Juni 1957 zur Bildung einer Konföderation der beiden deutschen Staaten auf der Grundlage eines völkerrechtlich gültigen Vertrages, zu einem Regierungsabkommen über das Verbot atomarer Waffen und zum Ausscheiden beider Staaten aus den militärischen Bündnissen gewannen die Initiativen der sozialistischen Staaten für eine internationale Entspannung bedeutendes Gewicht. Doch auf alle diese Initiativen guten Willens reagierten die herrschenden politischen Kräfte in der BRD negativ. Die regierenden Parteien in Bonn hatten schon in der außenpolitischen Debatte des Bundestages am 31. Januar 1957 ihr Festhalten an der aggressiven „Politik der Stärke" deutlich gemacht. Während in den anderen westlichen Hauptstädten unter dem Eindruck der sichtbar werdenden gravie45

renden Veränderungen im internationalen Kräfteverhältnis Überlegungen angestellt wurden, sich von der „Politik der Stärke" und dem „roll-back" in Europa zu lösen, beharrte man in der Bundeshauptstadt auf einer Politik des Revanchismus und der Provokationen gegenüber der DDR und den anderen sozialistischen Staaten und auf der Herbeiführung der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" mit Hilfe einer atomar ausgerüsteten Bundeswehr und deren Integration in die NATO. Am 19. Oktober 1957 praktizierte die Bundesregierung erstmals die Hallstein-Doktrin, als sie die Beziehungen zur Föderativen Volksrepublik Jugoslawien abbrach, die am 10. Oktober diplomatische Beziehungen zur DDR hergestellt hatte. Mit ihren Vorschlägen vom 22. Januar, 13. Februar und 16. April 1958 ergriff die DDR erneut die Initiative für eine internationale Entspannung und die Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten. Die DDR erläuterte ausführlich ihr Angebot für eine Konföderation und präzisierte ihren Vorschlag, eine atomwaffenfreie Zone in Europa zu schaffen, durch die Forderung, über diese lebenswichtige Frage in der BRD und der DDR einen Volksentscheid durchzuführen. An den Bonner Bundestag erging der dringliche Appell, von einer Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen Abstand zu nehmen. In Bonn stießen diese Initiativen sämtlich auf Ablehnung oder Schweigen. Die SPD, in der in dieser Zeit im Zusammenhang mit den Bemühungen der sozialistischen Staaten, eine Entspannung durch ein Auseinanderrücken der militärischen Koalitionen in Europa zu erreichen, Ansatzpunkte für eine realistische Politik entwickelt wurden, hatte auch jetzt keine Alternative zu den Grundsätzen und Zielen der „Wiedervereinigungspolitik" der Bundesregierung anzubieten: Zwischen verbalen Bekenntnissen führender Sozialdemokraten zu den Disengagement-Plänen und der Befürwortung der Politik der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" klaffte ein unlösbarer Widerspruch.

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Die gefährliche Zuspitzung der Politik des kalten Krieges gegen die DDR bis zum Sommer 1961. Die Maßnahmen der Staaten des Warschauer Vertrages vom 13. August 1961 und der Zusammenbruch der „Wiedervereinigungspolitik" im Zeichen einer „Politik der Stärke" Im Interesse einer Entschärfung der Spannungen durch eine friedliche Regelung der Westberlin-Frage unterbreitete die UdSSR am 27. November 1958 in Noten an die Regierungen der Westmächte und der beiden deutschen Staaten eine Reihe bedeutsamer Vorschläge, die darauf gerichtet waren, im Ergebnis eines internationalen Garantieabkommens die Tätigkeit Westberlins als Stör- und Provokationszentrum gegen die sozialistischen Staaten zu beenden. Auch die DDR unternahm vielfältige Bemühungen, die Beziehungen zur BRD und zu Westberlin zu entspannen, und unterstützte die am 10. Januar 1959 von der UdSSR ergriffene Initiative für den Abschlug eines Friedensvertrages mit beiden deutschen Staaten. Auf der Genfer Augenministerkonferenz der vier Mächte im Sommer 1959 suchte die Regierungsdelegation der DDR beharrlich und mit groger Geduld nach Wegen einer Verständigung mit der Delegation der BRD. Dabei spielten die äußerst aktuellen Fragen eines Rüstungsstops, des Gewaltverzichts und des Abschlusses eines Nichtangriffspaktes zwischen der BRD und der DDR eine wichtige Rolle. Die Bundesregierung akzeptierte jedoch keinen der DDR-Vorschläge, und ihre Delegation in Genf lehnte jeden Kontakt zur DDRDelegation ab. Am 5. November 1959 wurde im Bundestag erneut die Ablehnung jeglicher Gespräche mit der DDR klargestellt. Inzwischen begann sich die Situation in Mitteleuropa in bedrohlicher Weise zu verschärfen. Die Bemühungen der Sowjetunion und der DDR für eine Regelung des Westberlin-Problems und den Abschlug eines Friedensvertrages wurden auf westlicher Seite zum Anlag genommen, die Spannungen durch demonstrative Erklärungen westlicher Politiker, eine Verstärkung der Rüstungen und ganze Serien grogangelegter militärischer Manöver des Nordatlantikpaktes und der Bundeswehr weiter zuzuspitzen. In der Bundesrepublik hatte der aggressive Gehalt der AntiDDR-Politik schon seit dem Beitritt der BRD zur NATO merklich zugenommen. Ein auf harten Konfrontationskurs und die Auslösung 47

offener Konflikte eingeschworener Antikommunismus nahm immer stärker Einfluß auf das gesamte gesellschaftliche Leben in der BRD. Die Bestrebungen zur Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen, die Ausarbeitung von Notstandsgesetzen für den Kriegsfall, die Erlangung führender Kommandostellen in der NATO durch Militärs der Bundeswehr und die Gründung von Zentralen für den psychologischen Krieg, wie „Rettet die Freiheit, e. V."64, kennzeichneten die Situation. An den Staatsgrenzen zur DDR und zur CSSR vollzog sich bis zum Sommer 1961 eine Standortverteilung von Einheiten der Bundeswehr, welche die Absicht einer militärischen Operation gegen die DDR erkennbar machte. Mit Stoßrichtung auf die Land- und Seegrenze der DDR fanden zahlreiche Manöver der Bundeswehr und der NATO statt. Die Aufstellung und Ausrüstung neuer Bundeswehreinheiten wurden beschleunigt, Fernlenkwaffen und andere taktisch-operative Angriffswaffen bei den Truppen wurden eingeführt. Auch das Zunehmen provokativer Handlungen machte deutlich, daß der Imperialismus der BRD zusehends mit der Möglichkeit spielte, die Einverleibung der DDR in die Bundesrepublik nunmehr in einer ihm günstig erscheinenden Situation durch eine blitzkriegähnliche Operation auf gewaltsamem Wege zu vollziehen. Da eine Realisierung dieser Absicht auf jeden Fall dazu geführt hätte, die Truppen der NATO und des Warschauer Vertrages in einen militärischen Konflikt zu verwickeln, wuchs die Gefahr für den Weltfrieden bedrohlich an. In der BRD hatte man Kurs darauf genommen, im Ergebnis subversiver und militärischer Maßnahmen die durch den verschärften Wirtschaftskrieg, die Abwerbung und verschiedene Provokationen angespannte Lage zum Ausbruch eines inneren Konflikts, zu einer „Explosion" zu treiben. In das solcherart entstandene Chaos wollte man von außen eingreifen und die bürgerkriegsähnlichen Zustände für eine Art „Polizeiaktion" der Bundeswehr, die als „innerdeutsche Angelegenheit" aufgemacht werden sollte, ausnutzen. Zum besonderen Fürsprecher und Initiator einer derartigen Politik machte sich Franz Josef Strauß, der als Bundes64

Die Gründung des Vereins „Rettet die Freiheit, e. V." erfolgte am 20. 2. 1960 in einer Atmosphäre antikommunistischer Hysterie. Zu den Gründern des Vereins, der ein Instrument psychologischer Kriegführung war, gehörten Rainer Barzel, Franz Josef Strauß und der Kriegsverbrecher Globke. Wegen seiner Attacken, die nicht nur Kommunisten, sondern auch Opponenten der Adenauer-Politik in der BRD galten, mußte der Verein schon am 3. 4. 1961 wieder aufgelöst werden.

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Verteidigungsminister der BRD am 18. Juni 1961 vor Mitgliedern der CDU/CSU und Offizieren der Bundeswehr die Liquidierung der DDR und der sozialistischen Gesellschaftsordnung in Osteuropa forderte. Seine Äußerung, daß man im Westen auf „eine Art Bürgerkrieg" vorbereitet sein müsse, ließ Rückschlüsse auf die Art und Weise des geplanten Vorgehens gegen die DDR zu, bei welcher Westberlin, wie schon 1953, offensichtlich abermals eine Schlüsselrolle als Zündmechanismus und Ausfallstor zugedacht war. In seinem Bestreben, das Ziel der „Wiedervereinigungspolitik" doch noch kurzfristig zu erreichen, negierte der BRD-Imperialismus alle Verständigungsbemühungen der DDR, deren immer wieder erbrachte Beweise guten Willens als Zeichen der Schwäche ausgelegt wurden. Eindringliche Warnungen der Regierung der DDR vor der heraufziehenden explosiven Situation, wie sie in den Briefen von Walter Ulbricht und Otto Grotewohl an den Bundeskanzler der BRD vom 23. Januar und 24. März 1960 enthalten waren, verhallten ungehört. Dasselbe Schicksal erlitten die Verhandlungsvorschläge, die von der Volkskammer der DDR am 6. Juli gemacht wurden. Am 30. Juni bekannten sich die Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Bundestag zur NATO als „Grundlage und Rahmen für alle Bemühungen der deutschen Außen- und Wiedervereinigungspolitik" und nahmen eigene konzeptionelle Auffassungen zu bestimmten außenpolitischen Fragen zurück.65 Die Führung der SPD ging damit zu einem Zeitpunkt auf die außenpolitischen Positionen der Bundesregierung über, als deren „Politik der Stärke" bereits am Ende der Sackgasse angelangt war. In völliger Verkennung der Lage forderte der Vorstand der beiden Unionsparteien der BRD am 11. Juli 1961 dazu auf, die DDR zu beseitigen, ihr Territorium der Bundesrepublik anzuschließen und das auf solche Art „wiedervereinigte" Deutschland in die NATO zu integrieren. Der Imperialismus der BRD machte erneut deutlich, daß für ihn eine Konzeption der Verständigung und des Nebeneinanders nicht existierte, sondern die alte Anschluß-Konzeption in der Folge einer sich ständig zuspitzenden Konfrontation mit politischem, wirtschaftlichem und militärischem Druck durchgesetzt werden sollte. Mit den Maßnahmen der Staaten des Warschauer Vertrages vom 13. August 1961 wurde gegenüber Westberlin eine 65

Vgl.: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Bd. 46, Bonn 1960, S. 7056.

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massive Grenzsperre errichtet. Das Stör- und Provokationszentrum einer aggressiven Anti-DDR-Politik büßte seine Hauptfunktion ein. Das Konzept, die DDR im Zuge einer gewaltsamen Aktion der Bundesrepublik angliedern zu können, wurde zunichte. Der Einzug der Bundeswehr durch das Brandenburger Tor fand nicht statt. Zugleich war der 13. August 1961 das Ende der „Politik der Stärke". Die „Wiedervereinigungspolitik" Bonns hatte sich als eine irreale Politik erwiesen. Die „deutschlandpolitische" Konzeption, mit der man 1949 in Bonn angetreten war, den Sozialismus in der DDR auszulöschen und ein imperialistisches Deutschland in den Vorkriegsgrenzen wiederherzustellen, hatte eine eklatante Niederlage einstecken müssen. Die Ereignisse machten ferner deutlich, dafj die Westmächte nach der Aktion der sozialistischen Staaten nicht daran dachten, die gescheiterte „Wiedervereinigungspolitik" der Regierung Adenauer durch die Übernahme des Risikos einer militärischen Konfrontation mit den Staaten des Warschauer Vertrages zu retten. Widerwillig und mit erheblicher Verspätung wurden in Bonn die Auswirkungen des 13. August 1961, die in der Folgezeit zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten führen sollten, begriffen. Der 13. August hatte augenscheinlich demonstriert, daß die DDR nicht als eine Episode, als eine instabile Erscheinung abgetan werden konnte, sondern als Realität der deutschen Nachkriegsgeschichte zur Kenntnis genommen werden mußte.

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K A P I T E L II

Der Apparat des kalten Krieges gegen die Deutsche Demokratische Republik

Ein Bundesministerium für den kalten Krieg Staatliche Organe für die Koordinierung und Zentralisation der Maßnahmen, die einer Einverleibung des Territoriums der DDR in die Bundesrepublik dienen sollten, entstanden bereits in der Gründungsphase der BRD. Die Frage ihrer Bildung wurde akut, als die restaurativen Kräfte einsehen mußten, daß die Versuche, die antifaschistisch-demokratische Ordnung in der sowjetischen Besatzungszone zu beseitigen, gescheitert waren. Der erste Bundeskanzler, Konrad Adenauer, sprach sich damals für ein „Ostministerium" aus, dessen Aufgabe es sein sollte, die Belange der nicht zur Bundesrepublik gehörenden früheren Bestandteile des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 wahrzunehmen. Dagegen forderte der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher, mit Hilfe eines entsprechenden Referates beim Innenministerium zu bekunden, „daß das Verhältnis zur Ostzone ein innerdeutsches Problem darstelle" 1 . In der Vorstellung der ersten Bundesregierung tauchte die Bezeichnung „Ministerium für deutsche Wiedervereinigung" auf, aber schließlich einigte man sich in Bonn auf den, wie sich bald herausstellen sollte, ebenso irreführenden Namen „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen". Zum Initiator der Gründung des Ministeriums, dessen Geschäftsbereich Aufgaben umfaßte, die außerhalb der Kompetenz der Regierung der Bundesrepublik lagen, machte sich der in der Sowjetischen Besatzungszone mit seiner restaurativen Politik gestrandete Jakob Kaiser. Nach seiner Auffassung sollte die Bundesrepublik als „Kernstaat . . . in die Sowjetzone hineinwirken und deren Bewohner auf eine sicher kommende Aufnahme in den für sie mit geschaffenen Kernstaat hinweisen" 2 . Archiv der Gegenwart, 22. 9.1949, S. 2074. Conze/Kosthorst/Nebgen: Jakob Kaiser. Politiker zwischen Ost und West. 1945-1949. S. 243 u. 254. 1

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Mit der Gründung dieses Ministeriums und der durch seinen Minister formulierten Hauptaufgabe, die Kaiser am 5. Juli 1949 in einer Sendung des NWDR in die Worte kleidete: „In nicht allzu langer Zeit wird auch die Ostzone wieder im gesamtdeutschen Staat sein. Für diesen Tag wird dieses Amt vorzusorgen haben"3, hatte der Bundeskanzler seinem Minister jedoch nicht nur ein für die Politik der ersten Bundesregierung effektives Tätigkeitsfeld eingeräumt. Wie Ernst Lemmer, ein langjähriger enger Mitarbeiter Kaisers, bemerkte, sollte die Gründung des Ministeriums auch dazu dienen, „dem Verdacht einer separatistischen Staatsgründung unter dem Protektorat der westlichen Siegermächte"4 zu begegnen. Doch blieb es schließlich gleich, welche weiteren Anliegen die erste Bundesregierung mit Hilfe dieses Ministeriums durchsetzen wollte - die ihm zugewiesene Hauptaufgabe war die Ausarbeitung und Durchsetzung einer konterrevolutionären, annexionistischen Politik gegenüber der am 7. Oktober 1949 gegründeten Deutschen Demokratischen Republik. Die Bundesregierung schuf sich mit diesem Ministerium, an dessen Spitze sie bewußt den ehemaligen Vorsitzenden der CDU in der sowjetischen Besatzungszone stellte, ein Koordinierungs- und Steuerzentrum für ihre Politik gegen die DDR. Tatsächlich entstand, wie die Praxis nur allzubald bestätigte, mit diesem Bundesministerium alles andere als, wie später behauptet wurde, eine Institution für „eine moderne Nationalerziehung"5. Die von Jakob Kaiser eingerichtete Struktur des Ministeriums und seiner einzelnen Geschäftsbereiche entsprach der erwähnten Aufgabenstellung. Es bestanden 3 Hauptabteilungen: „SBZ und Ostgebiete", „Westberlin" und „Forderungen des Deutschtums in den Grenzgebieten". Den Hauptabteilungen waren entsprechende Referate beigegeben, z. B. das Referat 1/4 „Kultur und volkspolitische Fragen", das Referat II/2 „Landsmannschaftliche, kulturelle und geschichtliche Fragen" usw. Einer Zentralabteilung waren 15 Referate und Unterabteilungen unterstellt. Diese Gliederung bestand im we3

Ebenda. Vgl.: Adam, Alfred: Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, o. O., o. J. (Ämter und Organisationen der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 31), S. 19. 5 Conze/Kosthorst/Nebgen: Jakob Kaiser. Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. 1949-1957. S. 85. 4

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sentlichen bis 1969/70, wo das Ministerium den veränderten taktischen Forderungen der „Deutschlandpolitik" der BRD entsprechend als „Ministerium für innerdeutsche Beziehungen" umstrukturiert wurde. Die Neugliederung wies nunmehr ein Ministerbüro mit 3 Abteilungen und einer Unterabteilung aus. Während einige allzu revanchistisch aufgemachte Referate, beispielsweise das Referat III/2, verschwanden, wurden die „Öffentlichkeitsarbeit" (Unterabteilung II b mit 7 Abteilungen) und die „Gesamtdeutsche Arbeit in Berlin" (Abteilung III) ausgebaut. Die frühere Abteilung III („Angelegenheiten der Grenzgebiete der BRD") wurde zur Unterabteilung „Verwaltung Zonenrand- und Grenzgebiete" mit den entsprechenden Referaten. 6 Die Vorbereitung des Anschlusses der DDR an die Bundesrepublik auf politischer und wirtschaftlicher Ebene zu gewährleisten, reichte jedoch der eigentliche Apparat des Ministeriums nicht aus. Man gliederte ihm daher eine Vielzahl von Institutionen, Ausschüssen und anderen Gremien an und entwickelte kooperative Beziehungen zu den verschiedensten Organisationen. Solcherart entstand ein spezifischer Unterbau von teils nachgeordneten Einrichtungen, denen besondere Arbeitsaufgaben übertragen werden konnten, und Kooperationspartnern, die Zuarbeiten leisteten bzw. selbständig vielfach als Vereine privatrechtlichen Charakters getarnt - operierten.7 Dieser Unterbau wurde, gesteuert vom Apparat des Ministeriums, als komplexes Instrumentarium des kalten Krieges gegen die DDR zum Einsatz gebracht. Das bedeutendste der nachgeordneten, d. h. direkt vom Ministerium angeleiteten und ihm rechenschaftspflichtigen Gremien war der „Forschungsbeirat für die Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands", von dem die Empfehlungen zur Zerschlagung der Arbeiter-und-Bauern-Macht in der DDR und die wirtschaftliche Angliederung des sozialistischen deutschen Staates an die imperialistische Bundesrepublik ausgearbeitet und laufend ergänzt wurden. Auch das 1954 gegründete „Kuratorium Unteilbares Deutschland", das nach dem gescheiterten konterrevolutionären Umsturzversuch vom Juni 1953 als Gralshüter der Legende vom Volksaufstand in der sowjetischen Besatzungszone in Erscheinung trat und mit antikommunistischen und nationalistischen Aktionen eine 6

Vgl. Adam: Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. S. 64 f. 7 Auf diesen Unterbau weist auch Nolte hin. Vgl.: Nolte, Ernst: Deutschland und der Kalte Krieg. München/Zürich 1974, S. 403.

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internationale Entspannung zu verhindern suchte, war eine Schöpfung des Ministeriums. Dem .Forschungsbeirat" leisteten Vereinigungen revanchistischen Charakters wie der „Königsteiner Kreis' oder die „Interessengemeinschaft der in der Ostzone enteigneten Betriebe" (IOB) Zuarbeit, ferner gehörten ihm ständige Vertreter von Spionage-, Sabotage- und Terrororganisationen an, beispielsweise des „Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen, e. V." und der berüchtigten „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V.". Zu den Organisationen, mit denen das Ministerium enge Beziehungen pflegte, gehörten auch solche wie die konterrevolutionäre, antisowjetische Vereinigung „Volksbund für Frieden und Freiheit", die „Vereinigung der Opfer des Stalinismus" (VOS) und der „Arbeitskreis 17. Juni", ferner der „Verein zur Förderung der Wiedervereinigung Deutschlands, e. V." mit seinen Unterorganisationen „Archiv für gesamtdeutsche Fragen", „Film-, Bild- und Tonbandstelle", den „Büros Bonner Berichte" und „Büro für gesamtdeutsche Hilfe". Besonders enge Kontakte unterhielt das „gesamtdeutsche" Ministerium zu dem Sender „RIAS" Berlin, dem finanzielle Zuschüsse aus geheimen Konten des Bundeshaushaltes zuflössen und der später vom „Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen" mitfinanziert wurde. Das Ministerium verfügte auch über ein hauseigenes Informationszentrum, das „Informationsbüro West" (IWE), welches das Regierungsbulletin und die Massenmedien in der BRD mit Nachrichten versorgte, Verleumdungen über die DDR verbreitete und im Spionagedschungel Westberlins eine Rolle spielte. Auch die vom Ministerium gelenkte „Zentralstelle für gesamtdeutsche Hochschulfragen" - später zusammen mit dem IWE in „Archiv Berlin" umbenannt - machte im kalten Krieg gegen die DDR von sich reden. Die Tatsache, daß mit der am 1. Juli 1969 erfolgten Gründung des „Gesamtdeutschen Instituts" in Bonn zahlreiche dieser Institutionen und Organisationen, so die Zentralstelle für gesamtdeutsche Hochschulfragen", der „Verein zur Förderung der Wiedervereinigung Deutschlands, e. V." und der „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V.", zusammengefaßt wurden, die, wie es hieß, „seit vielen Jahren im gesamtdeutschen Bereich gearbeitet hatten" 8 , deutet auf die über eine lange Zeit reichende enge Verzahnung und Geschlossenheit des ministeriellen Unterbaus hin. Das Ministerium gab auch ein eigenes Publikationsorgan über die 3

Adam: Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. S. 85.

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DDR heraus, das „SBZ-Archiv", dessen verleumderische und verunglimpfende Berichterstattung gleichfalls als offizielle Informationsquelle diente. So entstand ein Apparat, der nach der Meinung der »Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung" vom 26. Februar 1955 „eine eigenartige Mischung zwischen Informationsamt, Werbebüro, Beratungsagentur, Abwerbungszentrale, Hilfswerk und Volkstum- und Grenzlandbetreuungsstelle" darstellte. Das „gesamtdeutsche" oder „KaiserMinisterium", wie es bald genannt wurde, entfaltete eine großangelegte antisozialistische Wühltätigkeit gegen die Deutsche Demokratische Republik. Dabei erwies sich rasch, daß der Anspruch, gesamtdeutsche Interessen vertreten zu wollen, nur ein propagandistisches Aushängeschild war. Während seiner gesamten Existenz wurde kein Fall bekannt, daß sich dieses Ministerium, sei es auch nur in Fragen von untergeordneter Bedeutung, um eine Verständigung mit offiziellen Stellen der DDR bemüht hätte. Das Ministerium machte vielmehr den Alleinvertretungsanspruch der Bundesregierung zur obersten Richtlinie seiner Tätigkeit und zur Grundlage seiner gesamten Politik, seine offiziellen Sprachrohre traten mit einer scharfen antikommunistischen Propaganda hervor. Es bestand eine enge Kooperation mit dem „Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte" und dem Bundesinnenministerium, man. unterstützte aktiv die Forderungen der Revanchistenverbände und attackierte demokratische Organisationen und Gegner der Adenauer-Politik. Eine besonders aktive Rolle spielte das Ministerium zu Beginn der fünfziger Jahre beim Verbot solcher Organisationen in der BRD wie der Nationalen Front des Demokratischen Deutschland, der Freien Deutschen Jugend, des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands, des Kulturbundes und der gesamtdeutschen Arbeiterkreise und bei der Verfolgung der KPD.9 In seiner Tätigkeit gegen die DDR konzentrierte sich das Ministerium besonders auf Westberlin, das in den fünfziger Jahren der antikommunistischen Wühltätigkeit geradezu ideale Möglichkeiten bot, und die an der Staatsgrenze der DDR gelegenen Teile der Bundesrepublik. Dabei standen folgende Aufgaben im Vordergrund: 1. Die Aufrechterhaltung der internationalen Isolierung der DDR unter den kapitalistischen und jungen Nationalstaaten und das Blockieren jeder wirklichen gesamtdeutschen Verständigung. 9

Vgl. ebenda, S. 42 f.

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Hier wurden Sprecher des Ministeriums wie Jakob Kaiser und Franz Thedieck zu besonderen Eiferern des Alleinvertretungsanspruchs der Bundesrepublik, die ihr Augenmerk darauf richteten, dafj dieser in keiner Weise angetastet oder eingeschränkt wurde. Jede Initiative der D D R für gesamtdeutsche Beratungen rief mit Regelmäßigkeit die „gesamtdeutschen" Sprecher auf den Plan, die das Angebot der D D R sofort verunglimpfender Kritik und Verächtlichmachung unterzogen und eindringlich vor jedem Kontakt mit der DDR-Seite warnten. 10 2. Die Störung und Schädigung des sozialistischen Aufbaus in der D D R im Interesse der Vorbereitung eines konterrevolutionären Umsturzes. Dieser Hauptaufgabe, die in den fünfziger Jahren uneingeschränkt verfochten wurde, galt die Tätigkeit des ministeriellen Apparates und seiner nachgegliederten Einrichtungen. Eng verbunden damit war die vom „Forschungsbeirat" wahrgenommene Aufgabe einer Planung der wirtschaftlichen Einverleibung der D D R in die Bundesrepublik. Das Ministerium trat als antikommunistische Propagandazentrale in Erscheinung, schleuste selbst große Mengen von Hetzflugblättern in die D D R und wurde sogar mit eigenen Agenten aktiv. Der am 18. September 1950 auf einer Pressekonferenz vom Amt für Information der D D R enthüllte Sabotageplan gegen den 1. Fünfjahrplan kam unter direkter Regie des „gesamtdeutschen" Ministeriums zustande. Mit geheimdienstlichen Organisationen abgeSo bezeichnete Franz Thedieck, Jakob Kaisers Staatssekretär, den Wahlgesetzentwurf der Volkskammer der DDR für gesamtdeutsche Wahlen am 11. Januar 1952 im „Hessischen Rundfunk" als einen „Versuch, Deutschland zu bolschewisieren". (Bull., BReg., Nr. 6, 15. 1. 1952, S, 56.) Zur gleichen Zeit warf Jakob Kaiser dem Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl, vor, mit seiner Rede zu diesem Wahlgesetzentwurf lediglich eine „Störaktion" gegen den Schuman-Plan unternehmen zu wollen, und nannte Regierung und Volkskammer der DDR „Werkzeuge der Sowjets". (Ebenda, 15. 1. 1952, S. 55.) Im selben Ton sprach Thedieck einen Monat später von den Verständigungsvorschlägen der DDR als einer „Kette von kommunistischen Propagandamanövern, die verwirren, täuschen und stören sollen." (Ebenda, Nr. 22, 21. 2.1952, S. 215.) Änderten sich in der folgenden Zeit auch die Anlässe, so blieben die Stellungnahmen der Sprecher des „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen" ihrem Charakter nach stets die gleichen. 10

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stimmt, sah der Plan Störmaßnahmen gegen die Wirtschaft der D D R wie Sabotageakte in volkseigenen Betrieben und eine gezielte Abwerbung von Fachkadern vor. Anfang Juli 1952 verurteilte das Landgericht Rudolstadt 6 Agenten, die dem Kaiser-Ministerium Produktionsunterlagen der Maxhütte Unterwellenborn ausgeliefert hatten. Das „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" störte auch den Handel zwischen den beiden deutschen Staaten. Vor allem aber erwarb man sich eine traurige Berühmtheit mit den unablässigen Anstrengungen, kulturelle Kontakte mit der D D R zu unterbinden und den sozialistischen deutschen Staat auch auf diesem Gebiet zu isolieren. Kulturelle Leistungen und Ereignisse der D D R wurden mit feindlichem Schweigen übergangen oder als „Sowjetisierung" verunglimpft. Besonders betraf das die Bemühungen der D D R zur Pflege des nationalen Kulturerbes und dessen Rezession. „Man braucht in allen amtlichen Kulturverlautbarungen aus der Zone einfach statt des Wortes 'humanistisch', 'sowjetisch' zu lesen, um zu wissen, was gemeint ist", erklärte Kaisers Staatssekretär Franz Thedieck, der hier als besonderer Eiferer auftrat. 1 1 Einer solchen Haltung entsprechend, wurden Angebote der D D R für den Kulturaustausch zwischen den beiden deutschen Staaten als Bedrohung der „freiheitlichen Grundordnung der Bundesrepublik" angegriffen oder als kommunistische Propagandamanöver abgetan. Künstler und Kulturgruppen aus der D D R waren, wenn sie überhaupt auftreten konnten, in zahlreichen Fällen schikanösen Magnahmen von Behörden der B R D ausgesetzt. Ein beliebtes Mittel war die Verhinderung der Einreise bzw. das Verbot des Auftretens in der BRD. Nicht anders erging es Persönlichkeiten, die anläßlich ihres Aufenthaltes in der D D R die dortigen geistigen und kulturellen Leistungen anerkannten oder gar würdigten. So sah sich Thomas Mann, als er zum Schiller-Jahr in Weimar sprechen wollte, von Seiten des „Rheinischen Merkur" am 21. Januar 1955 gehässigen Angriffen ausgesetzt, und das „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" übte auf die Produktion des Films „Die Buddenbrooks" einen solchen Druck aus, dag die BRD-Filmgesellschaft N D F (München) am 30. Januar 1955 die gemeinsamen Dreharbeiten mit der D E F A aufgeben mußte. Von Seiten des Ministeriums wurden auch Ver11 Thedieck, Franz: Politik mit Geige, Feder und Fußball. In: Bull., BReg., 9.11.1954, S. 1905.

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sucjie unternommen, den bekannten Regisseur Wolfgang Staudte zu nötigen, keine Filme bei der DEFA mehr zu drehen und eine Erklärung solchen Inhalts öffentlich abzugeben. 1 2 Im Jahre 1957 wurde in der Bundesrepublik eine förmliche Kampagne gegen die Aufführung von Theaterstücken des Dichters Bertolt Brecht ausgelöst. Im „Bundesministerium f ü r gesamtdeutsche Fragen" liefen alle jene Fäden zusammen, mit deren Hilfe die konterrevolutionäre Politik der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" des Imperialismus der BRD gesteuert wurde und die zur Liquidierung des gesellschaftlichen Systems in der DDR und zu ihrer Einverleibung in die BRD führen sollte. Diese Tatsache wird selbst von einem solchen konservativen Vertreter der bürgerlichen Historiographie in der BRD, der extrem antikommunistische Auffassungen erkennen läfjt, wie dem bereits zitierten Ernst Nolte bestätigt, wenn dieser erklärt, dafj man mit dem Ministerium Kaisers „ein eigenes Ministerium f ü r den Kalten Krieg" geschaffen habe. 1 3 Tatsächlich entwickelte sich das „gesamtdeutsche" Ministerium mit seinem Unterbau aus den verschiedensten Organisationen vor edlem seit Anfang der fünfziger Jahre deutlich zu einem Koordinationszentrum f ü r die aggressive Anti-DDR-Politik, die sich das Ziel des Sturzes der Arbeiter-und-Bauern-Macht gestellt hatte. So bezeichnete Jakob Kaiser zu Beginn der zweiten Legislaturperiode selbst „als greifbare Erfolge der Wiedervereinigungspolitik . . . die Tatsache des Juni-Aufstandes in der DDR (gemeint ist der konterrevolutionäre Umsturzversuch vom 17. Juni 1953 in der DDR, H. T.) und das Votum der eben vorübergegangenen Bundestagswahl", und an anderer Stelle gelangten die Biographen des ersten Bundesministers f ü r gesamtdeutsche Fragen zu dem recht widerwilligen Eingeständnis: „Am 17. Juni 1953 war es schließlich in der DDR zur höchstmöglichen Steigerung, ja zur Explosion gekommen - sicherlich nicht durch das Bundesministerium f ü r gesamtdeutsche Fragen ausgelöst oder in solcher Form gewollt, aber seine jahrelange Aufklärungsarbeit hatte mindestens indirekt zur Schaffung der Bedingungen ihrer Möglichkeit beigetragen." 14 12 Siehe hierzu: Kähler, Ruth: Varianten ohne Perspektive. Zwei Jahrzehnte Bonner Kulturpolitik gegen die DDR. Berlin 1972, S. 50f. 13 Nolte: Deutschland und der Kalte Krieg. S. 403. 14 Conze/Kosthorst/Nebgen: Jakob Kaiser. Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. S. 200 f.

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Auch die jüngste Entwicklung des „Bundesministeriums f ü r innerdeutsche Beziehungen" läßt keinen Zweifel daran, daß die antisozialistische Politik gegen die DDR - die nunmehr freilich den gravierenden Veränderungen in den Beziehungen der beiden deutschen Staaten zueinander Rechnung tragen muß - grundsätzlich fortgeführt wird. Der im Ganzen nur geringfügig veränderten Struktur des Ministeriums entsprach die Beibehaltung des vorstehend charakteristischen Unterbaus, der nun seit der Gründung des „Gesamtdeutschen Instituts" sogar noch eine offensichtliche Weiterentwicklung hinsichtlich seiner Konzentration und Komplexität erfahren hat. Allein sein Fortbestehen, das im offenen Widerspruch zu den Bestimmungen des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD steht, signalisiert, wie anläßlich der „Neugründung" des Ministeriums befriedigt konstatiert wurde, die „Kontinuität der Deutschlandpolitik" 15 , um die sich der Bundesminister Egon Franke in demonstrativer Weise bemüht. So appellierte Franke am 19. Juni 1972 in New York an eine angeblich bestehende „nationale Gemeinsamkeit" der beiden deutschen Staaten und erklärte, daß das „Recht aller Deutschen auf Selbstbestimmung" der „Hauptorientierungspunkt" f ü r jede Regierung der Bundesrepublik bleibe. „Auf diesen Anspruch", betonte Franke, „kann und wird nicht verzichtet werden . . ." lß Am 16. Juni 1975 sprach der Minister vom 17. Juni 1953 als einem „Ausbruch freiheitlicher Gesinnung", der „mit Gewalt" unterdrückt worden sei, und machte sich damit abermals zum Sprecher der böswilligen Legende vom „Volksaufstand". 17 In dieser Argumentation spielt der bürgerliche Nationalismus eine besondere Rolle, durch dessen Wirkung die DDR allmählich in den Sog des BRD-Imperialismus geraten soll. Dieser Aufgabenstellung entsprechend, zählen noch immer die Bespitzelung von Besuchern „aus der DDR, Ostberlin und den Vertreibungsgebieten", die „Förderung der Gebiete an der Demarkationslinie und von Grenzgebieten", die „Informationsreisen nach Berlin und an die Demarkationslinie" sowie die „deutschlandpolitische Öffentlichkeitsarbeit" zu den Schwerpunkten der Tätigkeit dieser f ü r den kalten Krieg gegen die DDR ins Leben gerufenen Institution.

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Adam: Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. S. 72 f. u. S. 56. 16 Bull. BReg., Nr. 91, 20. 6. 1972, S. 1234. 17 Ebenda, Nr. 77, 19. 6. 1975, S. 713.

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Ein Planungsstab für die kapitalistische Restauration: Der „Forschungsbeirat für die Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" beim „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" Bereits im Sommer 1949 hatte J a k o b Kaiser in einer Rede vor der Presse in Düsseldorf erklärt, da§ „frühzeitig mit Planungen zur Eingliederung der russischen Besatzungszone in den deutschen Kernstaat" begonnen werden müsse. Schwerpunkt für diese Pläne sei »eine Umordnung der Wirtschaftsstruktur". Zu Beginn des Jahres 1952 wurden diese Gedanken konkretisiert, und das Regierungsbulletin der BRD erklärte: „Es müssen klare Vorstellungen darüber entwickelt werden, wie die beiden Teile Deutschlands nach jahrelanger Trennung, die durch die Sowjetisierung Mittel- und Ostdeutschlands noch verschärft wird, auf politischem, kulturellem und sozialem Gebiet wieder so zusammengefügt werden können, da§ die Wiedervereinigung als ein sinnvoller und gerechter Vorgang empfunden wird." Es ging wie verlautbart wurde, um eine „vorausschauende Planung" 18 . Unter dem Eindruck der fortschreitenden Durchsetzung der neuen gesellschaftlichen Verhältnisse in der D D R und der weiteren Stabilisierung der Arbeiter-und-Bauern-Macht begann man im Frühjahr 1952 im „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" mit der Bildung eines speziellen Organs. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, exakte Pläne für die kapitalistische Restauration in der DDR auszuarbeiten. Am 24. März 1952 konstituierte sich der „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands". Ihm gehörten Mitglieder der im Bundestag vertretenen Parteien (mit Ausnahme der KPD), der Interessenverbände des Monopolkapitals, der DGB-Führung, der reaktionären Bauernverbände, der Revanchistenorganisationen sowie eines „Forscherkreises" an. 1 9 Zahlreiche andere Organisationen eindeutig revanchistischen und antisozialistischen Charakters leisteten dem „Forschungsbeirat" Zuarbeiten und übernahmen spezielle Aufträge. Dazu gehörten die „InteressenConze/Kosthorst/Nebgen: Jakob Kaiser. Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. S. 60 sowie Bull. BReg., Nr. 5, 12. 1. 1952, S. 51. 19 Zur Zusammensetzung des „Forschungsbeirates" siehe Vofjke, Heinz: Aus Geheimprotokollen des Bonner „Forschungsbeirates für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands". In: ZfG, H. 5/1970, S. 643f. 18

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gemeinschaft der in der Ostzone enteigneten Betriebe", die „Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer", die „Vereinigung der aus der Sowjetzone verdrängten Lehrer und Erzieher e. V.", der „Verband mittel- und ostdeutscher Zeitungsverleger (Herausgeber d e r deutschen Tageszeitungen) sowie der Inhaber graphischer und verwandter Betriebe aus Mittel- und Ostdeutschland e. V.", der Verband „Grüne Farbe - Hilfsgemeinschaft zur Wahrung der Interessen und Zusammenführung der Waldbesitzer, Forstmänner und Berufsjäger aus der Sowjetzone und den deutschen Ostgebieten, e. V.", der „Königsteiner Kreis" und andere Vereinigungen. Der „Forschungsbeirat" war dem „Bundesministerium f ü r gesamtdeutsche Fragen", dessen Schöpfung er darstellte, angegliedert, d. h„ er bildete faktisch ein nachgeordnetes Organ dieses Ministeriums. Zu seinem Mitarbeiterkreis zählte er in den einzelnen Arbeitsgruppen und -kreisen ständige Vertreter aus allen Bundesministerien, die auch in den Hauptausschüssen mitwirkten. In den Ministerien wiederum waren Arbeitsstäbe gebildet worden, welche das erarbeitete Material zur Auswertung aufbereiteten. Der Beirat gliederte sich in 4 Ausschüsse, denen die erwähnten Arbeitskreise zuarbeiteten. Das waren ein „Agrarausschufj", ein „Ausschuß für gewerbliche Wirtschaft", ein „Finanzausschuß" und ein „Bildungsausschuß". 20 Das 20

Vgl. dazu die Ausführungen von Dr. Ernst als Vorsitzendem des „Forschungsbeirates" vor der Bundespressekonferenz in Bonn, aus denen hervorging, dafj die Bundesregierung „Organisation, Arbeitsweise und Zielsetzung des vom Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen berufenen Forschungsbeirates für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands und die Tätigkeit des interministeriellen Ausschusses für Fragen der Wiedervereinigung gebilligt" habe. (Bull., BReg., Nr. 201, 17.12.1952, S. 1753 f.) Zum „Forschungsbeirat" siehe auch: Prokop, Siegfried: Umtriebe des westdeutschen „Forschungsbeirates" gegen die DDR. In: Deutsche Außenpolitik, H. 2/1965, S. 219f.; ders.: Der „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" - ein staatsmonopolistischer Planungsstab (1952-1965). In: Informationen über die imperialistische Ostforschung, H. 4/1965, S. 1-64; ders.: Die Annexionspolitik der westdeutschen Bundesregierung gegen die DDR, dargestellt an der Geschichte des „Forschungsbeirates für die Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands". In: Wiss. Zeitschr. der Humboldt-Universität zu Berlin, Ges.- u. sprachwiss. R„ H. 1/1965, S. 89-102. In den Arbeiten von Prokop und der erwähnten Arbeit von Vofjke werden Ergebnisse spezieller Untersuchungen zur Tätigkeit des „Forschungsbeirates" unterbreitet.

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Ministerium gewährleistete eine straffe Führung und Kontrolle des Beirates, zu der auch die Geheimhaltung der Planungen gehörte. Auf der konstituierenden Sitzung am 24. März 1952 stellte Bundesminister Kaiser die Tätigkeit des Beirates völlig in den Rahmen der „Vorbereitung auf den Tag .X", d. h. den Tag des Anschlusses der DDR an die Bundesrepublik. Unter dieser Losung wurden seit jener Zeit alle Maßnahmen in der BRD verstanden, die sich das Ziel der Vernichtung der DDR und der Einverleibung ihres Territoriums stellten. 21 Mit dem „Forschungsbeirat" entstand ein besonderes Planungszentrum, dem die Aufgabe übertragen worden war, „Material für weitere Maßnahmen des „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen und der gesamten Bundesregierung" bereitzustellen, also ein effektiv wirksames Organ zu bilden, das zur Entscheidungsfindung und Strategiebildung der Bundesregierung im Rahmen der Politik zur Einverleibung der DDR mit konkreten Plänen beitragen sollte. So entwickelte sich der Beirat zu dem eigentlichen Planungsgremium, in welchem die Einverleibung des sozialistischen deutschen Staates in die imperialistische Bundesrepublik stabsmäßig im Detail vorbereitet wurde. Deshalb kennzeichnete gerade seine Tätigkeit wie keine andere auf Seiten der Bundesrepublik die aggressiven, konterrevolutionären Pläne der Großbourgeoisie in der BRD, die sich hinter der irreführenden Bezeichnung einer „Wiedervereinigungspolitik" verbargen. Nach den Normen des Völkerrechts bedeutete die gesamte Aufgabenstellung des „Forschungsbeirates" als nachgeordnete Einrichtung eines Bundesministeriums der BRD die offene Vorbereitung der Annexion fremden Staatsgebietes. Diese Tatsache wird schon bei einer Analyse des Ersten Tätigkeitsberichtes dieses Gremiums für die Jahre 1952/53 offensichtlich. Zu dieser Zeit lag das Annexionsprogramm in den Grundzügen bereits fertig vor, die späteren Planungen erwiesen sich als Ergänzungen und Aktualisierungen, die freilich in nicht geringem Maße durch die Entwicklung der sozialistischen Produktionsverhältnisse in der DDR beeinflußt wurden. 21

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Siehe: Vofjke: Aus Geheimprotokollen . . . In: ZfG, H. 5/1970, S. 645 f.

Das .Sofortprogramm" von 1953 Im Ersten Tätigkeitsbericht entwickelte man 2 grundsätzliche Aufgaben: 1. „Eine Klärung der Lage in den einzelnen Wirtschaftszweigen, ihrer Entwicklung, ihrer Kapazitäten sowie ihrer gegenwärtigen Organisation und der für sie geltenden Prinzipien der Wirtschaftsordnung. 2. Die Erstellung eines Sofortprogramms, d. h. die Vorbereitung aller derjenigen Maßnahmen, die im Falle einer Wiedervereinigung alsbald, also etwa innerhalb des ersten Jahres, notwendig sein würden." 22 Punkt 1 der Aufgabenstellung erklärte also eine ganz ordinäre Spionage, vor allem die Wirtschafts- und Industriespionage in aller Offenheit zur Informations- und Arbeitsgrundlage des „Forschungsbeirates". Die Realisierung von Punkt 2 sollte die kapitalistische Restauration in der D D R am „Tag X " in möglichst kurzer Frist sichern. Von Beginn an verfolgte man in Bonn das Ziel der Einverleibung der D D R in zwei Richtungen: Während man einerseits zu einer möglichst umfassenden Planung zu gelangen suchte und bemüht war, die „Forschungen" ständig voranzubringen und auf aktuellem Stand zu halten, orientierte man mit dem „Sofortprogramm" auf die praxisreife Detailplanung. Es verdient in diesem Zusammenhang hervorgehoben zu werden, daß zur Zeit der Auslösung des konterrevolutionären Umsturzversuches am 17. Juni 1953 in der D D R das erste „Sofortprogramm" bereits zur Verfügung stand. Wie der Erste Tätigkeitsbericht erkennen läßt, leistete der „Agrarausschufj" für das Annexionsprogramm eine besonders intensive Zuarbeit, die auf ihre Weise den extrem konterrevolutionären Charakter des Gesamtprogramms deutlich macht. Im einzelnen waren folgende Maßnahmen vorgesehen: 1. Liquidierung der sozialistischen staatlichen und genossenschaftlichen Struktur in der Landwirtschaft der DDR. Dieser Forderung entsprechend, sollten folgende Institutionen dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einverleibt werden: Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands beim Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen. Tätigkeitsbericht 1952/53. Bonn 1954, S. 11. 22

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-

das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft; das Ministerium für Handel und Versorgung; das Ministerium für Lebensmittelindustrie; das Staatssekretariat für Erfassung und Aufkauf; die Deutsche Bauernbank; die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) sowie alle Handelszentralen; - die Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften; - die landwirtschaftlichen Fachschulen.23 Einbegriffen in diese Maßnahmen sollten die Beseitigung „des staatlichen Erfassungs- und Handelsapparates auf dem Ernährungssektor und (der) Neuaufbau des privaten und genossenschaftlichen Landhandels" sein. Die Anbau- und Viehhaltepläne sollten entfallen, die Preisgestaltung für landwirtschaftliche Produkte war derjenigen der Bundesrepublik anzugleichen.24 2. Restauration des Kapitalismus in der Landwirtschaft. Hier wurden Maßnahmen festgelegt, die es ermöglichen sollten, nach dem „Tag X" den durch die demokratische Bodenreform enteigneten Junkern und Agrarkapitalisten Entschädigung für die Sequestrierungen zu gewähren.25 Im einzelnen wurde beschlossen: - Auflösung aller Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, und zwar „so schnell wie möglich"; - sofortige Reprivatisierung aller großbäuerlichen Betriebe, deren einstige Eigentümer wegen nachgewiesener Wirtschaftsverbrechen enteignet worden waren, und eine großzügige finanzielle Stützung solcher Betriebe nach deren Rückgabe an die ehemaligen Besitzer; - Ablösung der Leitungen der Volkseigenen Güter (wobei die VEG „zunächst beibehalten" werden sollten); - Ablösung der Leitungen der MTS und Überführung der MTS in privatkapitalistische Organisationsformen; Aufhebung der politischen Tätigkeit der MTS auf dem Lande 26 ; - Bildung einer berufsständischen Organisation nach dem Muster der Bauernverbände in der BRD, in denen Großagrarier und Kapitalisten den Ton angeben.27 23 24 25 26 27

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Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda. Ebenda,

S. 20. S. 19. S. 22. S. 20.

Die Verfasser dieser Pläne waren sich aber offenbar darüber im klaren, daß sie hier die Beseitigung der Ergebnisse der demokratischen Bodenreform als einer gesellschaftlichen Bewegung konzipierten. Darauf weist das bezeichnende Eingeständnis im Bericht des „Forschungsbeirates" hin, daß „die durch die Bodenreform geschaffene derzeitige Agrarstruktur in der SBZ", wie es hieß, „das schwierigste und weittragendste Problem auf agrarischem Gebiet" darstelle. 28 Die Verfasser des Berichtes sahen sich daher zu der Festlegung genötigt, daß die Bodenreform „nicht unter dem Gesichtspunkt einer Restauration der alten Eigentumsverhältnisse revidiert werden" 2 9 sollte, das heißt, daß die Wiederherstellung der junkerlich-kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, wie sie 1945 auf dem Territorium der späteren D D R bestanden, schon zu dieser Zeit als nicht mehr möglich betrachtet wurden. Umfassende Pläne existierten auch für die Rekapitalisierung der Industrie der D D R . Um die Frage Wer - Wen? im Klasseninteresse der Monopolbourgeoisie der BRD lösen zu können, sollten der Arbeiterklasse in der D D R die Produktionsmittel entrissen und die volkseigenen Betriebe schrittweise in die Verfügungsgewalt von Konzernbetrieben überführt werden. Im einzelnen wurde festgelegt: 1. „Änderung der Stellung des Staates in der Wirtschaft", worunter in erster Linie „das System der Planungsaufgaben", d. h. die staatliche Leitung und Planung, verstanden wurde. Die Arbeitskräftelenkung in den Bereich'der Schwerindustrie sollte eingestellt werden, dafür wollte man für die „von der Umstellung besonders stark betroffenen Gebiete volkswirtschaftlich wertvolle Notstandsarbeiten" (!) durchführen lassen. 30 2. „Änderung der Verhältnisse in den Betrieben". Hier war vorgesehen : - „Der sofortige Ersatz der bisherigen Betriebsleitungen" durch frühere kapitalistische Betriebsleiter oder deren Beauftragte. 3 1 Wie aus geheimen Protokollen des „Forschungsbeirates" aus dieser Zeit hervorgeht 32 , verstand man unter der oben angeführten 28 29 30 31 32

Ebenda, S. 21. Ebenda, S. 21 f. Ebenda, S. 23 f. Ebenda, S. 24 f. Siehe: Vofjke: Aus Geheimprotokollen . . . In: ZfG, H. 5/1970, S. 645f.

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„Umstellung" die Restauration jener Wirtschaftsstruktur in der Industrie, wie sie 1945 auf dem Territorium der sowjetischen Besatzungszone bestanden hatte. Aus einer Realisierung solcher Maßnahmen jedoch mußten sich schwere Erschütterungen der gesamten Wirtschaft der DDR ergeben. Trotzdem wurden größere Betriebsstillegungen und Massenentlassungen im Staatsapparat und bei den Sicherungskräften vorgesehen. Auf verschiedenen Sitzungen beschäftigte sich der Beirat immer wieder mit der Frage einer „Massenarbeitslosigkeit" in der DDR als Folge einer Realisierung seiner Pläne. So sprach K. C. Thalheim mehrfach davon, daß „nach der Wiedervereinigung mit Arbeitslosigkeit in der sowjetischen Besatzungszone gerechnet werden muß". Bis zu 150 000 Personen sollten allein aus den Sicherheitsorganen entlassen werden; für das Bauwesen und die neuen Betriebe der Schwerindustrie, wie das Eisenhüttenkombinat Ost, nahm er 400 000 Entlassungen an. Für die volkseigenen Großbetriebe, die in der DDR neu geschaffen worden waren, wurde eine „Dauerarbeitslosigkeit" einkalkuliert. 33 Ebenso wie die demokratische Bodenreform hatte sich auch der Volksentscheid über die Enteignung der Betriebe der Nazi- und Kriegsverbrecher in der sowjetischen Besatzungszone auf eine antifaschistisch-demokratische Bewegung gestützt, die sich in Einklang mit den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens befand. Gegründet auf den berechtigten Stolz auf eigene, unter schwersten Bedingungen vollbrachte selbstlose Leistungen der Arbeiterklasse, entwickelte sich in den volkseigenen Betrieben in Ansätzen ein sozialistisches Bewußtsein. Eine drohende politische und ökonomische Entmachtung der Arbeiterklasse und eine Restauration auf dem Lande mußte breite Schichten der Werktätigen gegen die konterrevolutionären Machenschaften aktivieren. Die „Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer" (ASU), die am 16. Mai 1952 das Thema „Wirtschaftliche Vorbereitung für den Tag X" diskutierte, um die Wirtschaft der DDR „aus den Fesseln der Kollektivierung und Entrechtung zu befreien", forderte daher „einen Gebietsschutz der Sowjetzone" als Voraussetzung, „wenn ein System der sozialen Marktwirtschaft und der unternehmerischen Initiativen erfolgreich anlaufen soll". 34 Unter „Gebietsschutz" verstand man offensichtlich

Vgl. die Referate von Thalheim auf den Sitzungen vom 24. 3., 16. 4. und 17. 4. 1952. Ebenda, S. 652 f. 3 4 Bull., BReg., Nr. 58, 23. 5. 1952, S. 641. 33

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die Isolierung des Territoriums der DDR. Von den anderen sozialistischen Staaten abgeschnitten, sollte in der D D R mit den fortschrittlichen Kräften, vor allem mit der SED als der Partei der Arbeiterklasse, Abrechnung gehalten werden. Nach Aussagen früherer Mitarbeiter des „Forschungsbeirates" vor dem Obersten Gericht der D D R verfügte der Beirat dazu über eine sogenannte Ostkartei. Diese Kartei erfaßte fortschrittliche Bürger der DDR, die nach dem „Tag X " zur „Rechenschaft" gezogen werden sollten. 35 Solche „Ostkarteien" wurden auch bei den „Ostbüros" der SPD, der CDU und der FDP sowie beim „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen" und der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" geführt. Seit 1961 widmet sich eine Bundesdienststelle, die „Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter" der Tätigkeit, Ermittlungsverfahren gegen DDR-Bürger vorzubereiten, denen BRDVizekanzler Franz Blücher 1952 androhte, daß nach der „Wiedervereinigung" strafrechtlich mit ihnen verfahren würde. 3 6 Zur Vorbereitung der Einverleibung der volkseigenen Industrie der D D R in Monopolunternehmen der Bundesrepublik wurden auf Weisung der ASU dem Bundeswirtschaftsministerium sogenannte Produktionsbeauftragte beigegeben, die eng mit dem „Forschungsbeirat" und seinen speziellen Arbeitskreisen zusammenwirkten. 37 Diese „Produktionsbeauftragten" hatten zu prüfen: die industrielle Kapazität in der D D R und der BRD hinsichtlich künftiger Absatzmöglichkeiten, die Voraussetzungen für die Restauration der alten kapitalistischen Wirtschaftsstruktur in der DDR, die Frage der Ermittlung und Verwendbarkeit der aus der D D R stammenden Kapitalisten für ihren Einsatz in der Industrie, die Rohstoffversorgung und die Einsetzung von „Patenschaftsbetrieben" in Gestalt von Konzernunternehmen aus der Bundesrepublik. Die solcherart zustande gekommenen Pläne, die auf Spionagematerialien fußten und zahlreiche Ansatzpunkte für Sabotageunternehmen gegen die Wirtschaft der D D R boten, waren mit der „Interessengemeinschaft der in der Ostzone enteigneten Betriebe" (IOB) abgestimmt worden. 3 8 Die ASU arbeitete ein detailliertes Programm zur Überführung der volkseigenen Industrie der D D R in kapitalistisches Eigentum aus, in wel-

35 36 37 38

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Siehe: Neue Justiz, Berlin, Nr. 16, 20. 8. 1954, S. 464. Ebenda, Nr. 28, 8. 3. 1952, S. 278 f. Bull., BReg., Nr. 58, 23. 5. 1952, S. 641. Ebenda. Teller

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chem besondere Festlegungen für den Einsatz kapitalistischer Unternehmen getroffen und die in Frage kommenden Betriebe in der D D R in verschieden zu behandelnde Kategorien eingeteilt wurden. Man ging dabei grundsätzlich davon aus, da§ „das persönliche Eigentum und die Voraussetzungen für den Eigentumserwerb in jeder Weise sicherzustellen" seien. Diese Pläne waren ihrem Inhalt nach derart reaktionär, dafj selbst der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher, der gewifj nicht irgendwelcher Sympathien für die D D R verdächtigt werden konnte und dessen Kollege im Parteivorstand, Herbert Wehner, als Vorsitzender des „Bundestagsausschusses für gesamtdeutsche Fragen" Anteil an der Tätigkeit des „Forschungsbeirates" hatte, kritische Worte fand. So erklärte Schumacher im Juni 1952 in einer Rede im „RIAS", dafj bestimmte Kreise des Monopolkapitals in der BRD „immer offener" von einer „völligen Reprivatisierung in der sowjetischen Besatzungszone" sprechen würden. 39 In den Plänen waren konkrete Festlegungen getroffen worden, die Rechte der Werktätigen in den Betrieben der D D R durch die Aufhebung der Betriebskollektivverträge bzw. deren Veränderung im Interesse kapitalistischer Unternehmer zu beseitigen. Dazu hieß es, dafj man sich im „Forschungsbeirat" darüber im klaren sei, „dafj . . . erhebliche Beträge von jetzt geleisteten Ausgaben der verschiedensten Art (gemeint sind die sozialen Errungenschaften der Werktätigen, H. T.) zwangsläufig in Fortfall kommen (z. B. derjenigen, die sich allein aus dem derzeitigen politischen System der SBZ ergeben)" 4 0 . Dafür präsentierte man ein „Sozialprogramm", in dem die Werktätigen erneut dem berüchtigten Herr-im-Hause-Standpunkt des kapitalistischen Unternehmers unterworfen wurden. 4 1 Wie aus geheimen Protokollen des „Forschungsbeirates" hervorging, sollte die Partei der Arbeiterklasse zerschlagen werden. In den anderen Parteien und den Massenorganisationen sollte „der Funktionärapparat . . . in seiner gegenwärtigen Form schnellstens beseitigt werden". Für den Bereich der Sicherungskräfte der D D R waren „weitgehende Entlassungen und personelle Veränderungen" vorgesehen. 42 Der staatliche Groß- und Einzelhandel (DHZ, VEAB, Turmwächter der Demokratie. Ein Lebensbild von Kurt Schumacher. Bd. 1. Sein Weg durch die Zeit. (West-) Berlin, 1954, S. 455. 40 Forschungsbeirat . . . , Tätigkeitsbericht 1952/53, S. 14. 4 1 Ebenda, S. 26. 4 2 Vgl. das Referat Thalheims auf den Sitzungen vom 16. und 17. 4. 1952 über „ Sofort-Mafjnahmen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirt39

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HO) war nach diesen Plänen zu beseitigen und dafür im Interesse einer „marktwirtschaftlichen Organisationsform" der kapitalistische Großhandel wiederherzustellen. 43 Vorgesehen war weiterhin die Liquidierung der staatlichen Versicherung (DVA) und deren Ersetzung „durch das in Deutschland übliche System des Nebeneinanders von öffentlichen Anstalten und privaten Versicherungsgesellschaften" 44 . Schließlich sollten Veränderungen an dem „einseitig nach Osten orientierten Aufbau der Verkehrslinien in der SBZ" vorgenommen werden. Das Territorium der DDR sollte zusammen mit dem der Bundesrepublik ein „einheitliches Verkehrsgebiet" bilden. Gerade in den Untersuchungen der Arbeitsgruppe „Verkehrswirtschaft" des Beirates wurde der enge Zusammenhang deutlich, der auf dem ganzen „Forschungsgebiet" des Beirates zwischen Spionage und Annexionsvorbereitung bestand. So prüfte diese Arbeitsgruppe unter anderem die Frage, „ob in der Übergangsperiode die Streckensicherungs- und Verkehrsvorschriften Westdeutschlands auf die SBZ angewendet werden können" 45 . Während des Berichtszeitraumes des Ersten Tätigkeitsberichts wurden im „Forschungsbeirat" verschiedene Bilanzen ausgearbeitet. Dazu gehörten eine „Bevölkerungs- und Arbeitskräftebilanz", ferner „güterwirtschaftliche Bilanzen", eine „Sozialbilanz", eine „Verkehrsbilanz" sowie die sich daraus ergebenden „finanzwirtschaftlichen Bilanzen". Für die Wirtschaftsbereiche „Eisen und Stahl", „Holz und Papier" sowie „Kohle und Energie" wurde eine „Grundlagenbilanzierung" aufgestellt, während sich Bilanzen für „Textilrohstoffe" und „chemische Grunderzeugnisse" seinerzeit in Vorbereitung befanden. Diese Bilanzierungstätigkeit, die sich, wie es hieß, auf „bereits seit Jahren vorbereitete Spezialuntersuchungen" stützte, stellte ihrem Charakter nach gleichfalls eine eindeutige Annexionsvorbereitung dar. 46 Im Dezember 1952 erklärte der damalige Vorsitzende des „Forschungsbeirates", der Bankier und Industrielle Friedrich Ernst auf einer Pressekonferenz in Bonn, daß im Beirat zwei Möglichkeiten

Schaft"; auszugsweise abgedr. bei Voßke: Aus Geheimprotokollen . . . I n : ZfG, H. 5/1970, S. 652. 4 3 Vgl. das Referat Thalheims auf der Sitzung vom 24. 3 . 1 9 5 2 (Auszug) abgedr. bei Vofjke: Aus Geheimprotokollen . . . S. 651. 4 4 Forschungsbeirat . . . , Tätigkeitsbericht 1952/53, S. 28. 4 5 Ebenda, S. 15 u. S. 17. 4 6 Ebenda, S. 16. 6*

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des Anschlusses der D D R an die Bundesrepublik ausgearbeitet worden seien, und zwar entweder „sofort das westliche System auf das östliche (zu) übertragen" oder aber das „östliche" zu „entwickeln und es allmählich anzupassen"/' 7 Und am 1. Juli 1953 erklärte Bundeskanzler Adenauer, wenige Wochen nach dem Scheitern des konterrevolutionären Umsturzversuches in der D D R : „Unsere Pläne für die Zeit nach der Wiedervereinigung sind fertiggestellt. Besondere Arbeitsausschüsse haben Sofortmafjnahmen für den Tag der Wiedervereinigung vorbereitet."® Obwohl der Zusammenbruch des konterrevolutionären Umsturzversuches in der D D R im Juni 1953 erstmals in aller Deutlichkeit den illusionären Charakter der „Vorbereitung auf den Tag X " demonstriert hatte, setzte der „Forschungsbeirat" seine Tätigkeit nicht nur fort, sondern wurde auch personell verstärkt. Das neue „Sofortprogramm" des Jahres 1956 basierte auf der bekanntlich trügerischen Hoffnung, dafj es der imperialistischen BRD als Mitglied der NATO möglich sein würde, der UdSSR die „Auslieferung" der D D R abzupressen und solcherart die „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" zuwege zu bringen.

Das „Sofortprogramm" von 1956 Auch in diesem Programm ging es dem „Forschungsbeirat" darum, unverzüglich die entscheidenden Hebel der Macht in Politik und Wirtschaft im Interesse der Restauration des Kapitalismus in der D D R in die Hände zu bekommen. Allerdings veranlagte die gewachsene Wirtschaftskraft der Deutschen Demokratischen Republik die Verfasser der grauen Pläne zu Modifizierungen. So wurde das für die VEB vorgesehene System des Einsatzes von Treuhändern zugunsten staatskapitalistischer Eigentumsformen fallengelassen. Zur Bodenreform enthielt man sich nunmehr jeder Äußerung. Im einzelnen sah das Programm vor: 1. Eine Überführung der VEB in solche Wirtschaftsformen, die sie, wie es hieß, „zu marktwirtschaftlichem Handeln" befähigen sollten. Bull., BReg., Nr. 201, 17. 12. 1952, 1754. Dokumente der deutschen Politik und Geschichte. Hrsg. von J. Hohlfeldt, rot, Bd. VI, Dok. 17, S. 173.

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des Anschlusses der D D R an die Bundesrepublik ausgearbeitet worden seien, und zwar entweder „sofort das westliche System auf das östliche (zu) übertragen" oder aber das „östliche" zu „entwickeln und es allmählich anzupassen"/' 7 Und am 1. Juli 1953 erklärte Bundeskanzler Adenauer, wenige Wochen nach dem Scheitern des konterrevolutionären Umsturzversuches in der D D R : „Unsere Pläne für die Zeit nach der Wiedervereinigung sind fertiggestellt. Besondere Arbeitsausschüsse haben Sofortmafjnahmen für den Tag der Wiedervereinigung vorbereitet."® Obwohl der Zusammenbruch des konterrevolutionären Umsturzversuches in der D D R im Juni 1953 erstmals in aller Deutlichkeit den illusionären Charakter der „Vorbereitung auf den Tag X " demonstriert hatte, setzte der „Forschungsbeirat" seine Tätigkeit nicht nur fort, sondern wurde auch personell verstärkt. Das neue „Sofortprogramm" des Jahres 1956 basierte auf der bekanntlich trügerischen Hoffnung, dafj es der imperialistischen BRD als Mitglied der NATO möglich sein würde, der UdSSR die „Auslieferung" der D D R abzupressen und solcherart die „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" zuwege zu bringen.

Das „Sofortprogramm" von 1956 Auch in diesem Programm ging es dem „Forschungsbeirat" darum, unverzüglich die entscheidenden Hebel der Macht in Politik und Wirtschaft im Interesse der Restauration des Kapitalismus in der D D R in die Hände zu bekommen. Allerdings veranlagte die gewachsene Wirtschaftskraft der Deutschen Demokratischen Republik die Verfasser der grauen Pläne zu Modifizierungen. So wurde das für die VEB vorgesehene System des Einsatzes von Treuhändern zugunsten staatskapitalistischer Eigentumsformen fallengelassen. Zur Bodenreform enthielt man sich nunmehr jeder Äußerung. Im einzelnen sah das Programm vor: 1. Eine Überführung der VEB in solche Wirtschaftsformen, die sie, wie es hieß, „zu marktwirtschaftlichem Handeln" befähigen sollten. Bull., BReg., Nr. 201, 17. 12. 1952, 1754. Dokumente der deutschen Politik und Geschichte. Hrsg. von J. Hohlfeldt, rot, Bd. VI, Dok. 17, S. 173.

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Von einer sofortigen Reprivatisierung wurde also Abstand genommen, da einer solchen „außerordentlich schwierige rechtliche und wirtschaftliche Probleme" entgegenständen, die „kaum innerhalb eines kurzen Zeitraums gelöst werden können". Man suchte deshalb nach einer Übergangsregelung, die es zunächst ermöglichen sollte, die Betriebe produktionsfähig zu erhalten, ohne die „künftige Eigentumsregelung zu präjudizieren oder zu beeinträchtigen". Durch das Fortfallen der staatlichen Planung und Leitung und die Aufhebung des Volkseigentums sollten die VEB erst einmal in „selbständige" Betriebe umgewandelt und dem zu restaurierenden bürgerlichen Staat unterstellt werden, der sie bis zum Abschluß des Prozesses der „Wiedervereinigung" zu leiten hatte. Danach sollten ehemalige Besitzer von Betrieben ihre Ansprüche anmelden/* 9 2. Beibehaltung der MTS auf dem Lande so lange, bis durch eine „Privatinitiative der Bauern" oder durch „private Unternehmer andere Lösungen gefunden sind". 50 3. Wiederherstellung des „nichtstaatlichen Handels" mit „möglichster Beschleunigung". 51 Die besondere Betonung bei dem „Sofortprogramm" des Jahres 1956 lag auf der Feststellung, daß ohne eine Änderung der wirtschaftlichen Ordnung an eine Änderung der politischen Machtverhältnisse nicht zu denken war. Der Schwerpunkt der vorgeschlagenen Maßnahmen beruhte auf verstärkten „positiven Förderungsmaßnahmen". Erhöhte finanzielle Aufwendungen sollten materielle und psychologische Voraussetzungen für eine etappenweise kapitalistische Restauration schaffen und auf diese Weise den zu erwartenden Widerstand der Bevölkerung der DDR paralysieren. 52

Das „Sofortprogramm" von 1961 Ende der fünfziger Jahre begann der Imperialismus der BRD mit der Vorbereitung eines neuen frontalen Angriffs gegen die DDR, der in unmittelbaren Interventionsvorbereitungen im Frühjahr 49

Forschungsbeirat . . ., Tätigkeitsbericht 1954/56, S. 151 ff. Ebenda, S. 131 ff. 51 Ebenda, S. 157. 52 Vgl.: Prokop: Die Annexionspolitik der westdeutschen Bundesregierung gegen die DDR . . . In: Wiss. Zeitschr. der Humboldt-Universität zu Berlin, Ges.- u. sprachwiss. R„ H. 1/1965, S. 98. 50

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Von einer sofortigen Reprivatisierung wurde also Abstand genommen, da einer solchen „außerordentlich schwierige rechtliche und wirtschaftliche Probleme" entgegenständen, die „kaum innerhalb eines kurzen Zeitraums gelöst werden können". Man suchte deshalb nach einer Übergangsregelung, die es zunächst ermöglichen sollte, die Betriebe produktionsfähig zu erhalten, ohne die „künftige Eigentumsregelung zu präjudizieren oder zu beeinträchtigen". Durch das Fortfallen der staatlichen Planung und Leitung und die Aufhebung des Volkseigentums sollten die VEB erst einmal in „selbständige" Betriebe umgewandelt und dem zu restaurierenden bürgerlichen Staat unterstellt werden, der sie bis zum Abschluß des Prozesses der „Wiedervereinigung" zu leiten hatte. Danach sollten ehemalige Besitzer von Betrieben ihre Ansprüche anmelden/* 9 2. Beibehaltung der MTS auf dem Lande so lange, bis durch eine „Privatinitiative der Bauern" oder durch „private Unternehmer andere Lösungen gefunden sind". 50 3. Wiederherstellung des „nichtstaatlichen Handels" mit „möglichster Beschleunigung". 51 Die besondere Betonung bei dem „Sofortprogramm" des Jahres 1956 lag auf der Feststellung, daß ohne eine Änderung der wirtschaftlichen Ordnung an eine Änderung der politischen Machtverhältnisse nicht zu denken war. Der Schwerpunkt der vorgeschlagenen Maßnahmen beruhte auf verstärkten „positiven Förderungsmaßnahmen". Erhöhte finanzielle Aufwendungen sollten materielle und psychologische Voraussetzungen für eine etappenweise kapitalistische Restauration schaffen und auf diese Weise den zu erwartenden Widerstand der Bevölkerung der DDR paralysieren. 52

Das „Sofortprogramm" von 1961 Ende der fünfziger Jahre begann der Imperialismus der BRD mit der Vorbereitung eines neuen frontalen Angriffs gegen die DDR, der in unmittelbaren Interventionsvorbereitungen im Frühjahr 49

Forschungsbeirat . . ., Tätigkeitsbericht 1954/56, S. 151 ff. Ebenda, S. 131 ff. 51 Ebenda, S. 157. 52 Vgl.: Prokop: Die Annexionspolitik der westdeutschen Bundesregierung gegen die DDR . . . In: Wiss. Zeitschr. der Humboldt-Universität zu Berlin, Ges.- u. sprachwiss. R„ H. 1/1965, S. 98. 50

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und Sommer 1961 seinen Höhepunkt erreichte. Der „Forschungsbeirat" präzisierte erneut seine Pläne für die Restauration des Kapitalismus in der DDR. Die vorgesehenen „Hilfsmaßnahmen" für die „Zone" traten nun in den Hintergrund. Hatte man die Wirtschaft der DDR bisher in düsteren Farben gemalt, so fanden sich in großbürgerlichen Zeitungen der Bundesrepublik plötzlich überraschende anerkennende Worte für die Wirtschaft des anderen deutschen Staates. Während der „Industriekurier" feststellte, daß die „Produktionsbasis" der DDR „gesund" 53 sei, erklärte der „Rheinische Merkur", daß es in der DDR „schon Bestände einer hochleistungsfähigen Wirtschaft gibt" 54 . Das Mitglied des „Forschungsbeirates" Bruno Gleitze meinte gar: „Entgegen den Vorstellungen, die teilweise im Bundesgebiet herrschen, besteht in der Zone keine Verfallswirtschaft . . . , sondern in beiden Teilen Deutschlands herrscht ein stürmischer Wiederaufbau . . ." 55 Diese auf den ersten Blick seinerzeit sensationellen Anerkennungen behielten freilich den realen Gegenstand im Auge: das Expansionsziel DDR. Und es erschien durchaus verständlich, daß man dieses Ziel nun nicht mehr in düsteren Farben, sondern vielmehr als lokkende Beute zu malen hatte, wollte man das Interesse der Industriellenverbände der Bundesrepublik auf die bevorstehende „Wiedervereinigung" lenken. Es nimmt daher auch nicht wunder, daß nun im Rahmen eines ganzen Systems von Maßnahmen radikale Tendenzen in den Vordergrund traten, glaubte man doch, der erhofften Beute näher als je auf der Spur zu sein. Entscheidende Bestandteile des „Sofortprogramms" von 1961 waren: 1. Die Reprivatisierung der VEB in 3 Etappen. In der ersten Etappe sollten die Aufhebung der Planbindung und die Verwandlung der VEB in selbständige und miteinander konkurrierende Unternehmen erfolgen. Als „modifizierte VEB" sollten sie zunächst „rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen" werden. 56 In der zweiten Etappe war die Verteilung der „modifizierten VEB" an Konzernunternehmen der Bundesrepublik vorgesehen. Die nach 1945 neuerrichteten Betriebe sollten nach von der Bundesregierung festgesetzten Preisen zum „Verkauf" gelangen. Um den Widerstand 53 54 53 56

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Industriekurier, Düsseldorf, 8. 7. 1961. Rheinischer Merkur, Köln, 14. 7. 1961. Telegraf, (West-) Berlin, 7. 7. 1961. Forschungsbeirat . . ., Dritter Tätigkeitsbericht, S. 166 ff.

der Arbeiterklasse aufzufangen, sollten die „Betriebsnutzungsverträge mit einem zeitnahen Status" abgeschlossen werden. In bestimmten Fällen war die Patenschaft des Staates für Betriebe vorgesehen. Nach dem Abschluß der „Betriebsnutzungsverträge" war die „unternehmerische Initiative" zu entwickeln.57 Die zweite Etappe sah also bereits die faktische Übernahme der Betriebe in Konzerneigentum vor. Die dritte Etappe präzisierte die juristische Regelung „im ordentlichen Rechtswege". In dieser letzten Phase sollten die durch verschiedene Umstrukturierungen im Verlauf des sozialistischen Aufbaus in der DDR verlagerten Einrichtungen dem bis 1945 bestehenden Konzernbesitz zugeführt werden.58 2. Die umgehende Auflösung der „betrieblichen Organe (Betriebsgewerkschaftsleitungen, Abteilungs-Gewerkschaftsleitungen, Kommissionen usw.) und der sonstigen Stellen des FDGB oder seiner Einzelgewerkschaften". Den Platz der sozialistischen Gewerkschaftsorganisation sollten Organe unter der Federführung des DGB und der SPD nach dem Muster der Betriebsräte in der BRD einnehmen. 3. Die stufenweise Auflösung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und die Entschädigung der durch die Demokratische Bodenreform enteigneten Großagrarier. Im „Forschungsbeirat" war man zu der Auffassung gelangt, daß die Auflösung der LPG „aus verschiedenen Gründen in der Regel nicht sofort und abrupt möglich"59 sei. Ebenso wie in der Industrie müßte eine Übergangsregelung die LPG zuerst „modifizieren". Doch sei die Bodenreform ein „unerhörter Gewaltakt" gewesen, daher sei „dieser entschädigungslose Eigentumsentzug von Grund und Boden ein Unrecht und mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar". Nach Beendigung einer Übergangszeit müßte deshalb der „gesamtdeutsche Gesetzgeber das durch den Unrechtsakt verletzte rechtsstaatliche Prinzip . . . durch Entschädigung - die vor allem auch in Land erfolgen kann - gesetzgeberisch zur Geltung" bringen.60 Für die Durchführung der „Übergangsregelungen" sollte eine Behörde sorgen, die direkt der Bundesregierung unterstand. Bei Entscheidungen grundsätzlicher Natur sollte diese Behörde einen Beirat von Vertretern der Konzerne hinzuziehen. Als Nahziel formu57 59 60

Ebenda, S. 171. Ebenda, S. 229. Ebenda, S. 18.

58

Ebenda, S. 181.

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lierten die Verfasser des Dritten Tätigkeitsberichtes eine „im Grundsatz marktwirtschaftliche Ordnung". Das „Sofortprogramm" von 1965 Auch nach dem 13. August 1961 dachte man im „Forschungsbeirat" nicht daran, die Arbeit an den grauen Plänen einzustellen. Noch weniger war man bereit, sich endlich auf die realen Tatsachen einzustellen. Das ruhmlose Ende der Bonner „Wiedervereinigungspolitik" in Gestalt einer „Politik der Stärke" wurde im Beirat offenbar nicht einmal als eine Möglichkeit in Betracht gezogen. Die Erkenntnis, daß sich die sozialistische Gesellschaftsordnung in der DDR in der Folge des 13. August 1961 weiter festigte und der Sozialismus unangreifbarer wurde, schien um den staatsmonopolistischen Planungsstab einen Bogen zu machen. So kam ein „Sofortprogramm" zustande, in dem sogar die bescheidenen Eingeständnisse - beispielsweise von der Problematik der Ergebnisse der Bodenreform für eine kapitalistische Restauration - über Bord geworfen wurden. Das „Sofortprogramm" von 1965 war in seiner Ignoranz unumstößlicher Tatsachen und in seinem extrem reaktionären Maßnahmen die Quintessenz aller bisherigen Planungen. Sein Inhalt machte abermals die Tatsache bewußt, daß sich im „Forschungsbeirat für die Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" die Vertreter von Klassenkräften befanden, die, in antikommunistischem Haß und revanchistischem Ungeist befangen, hier im buchstäblichen Sinne des Wortes das Rad der Geschichte zurückdrehen wollten. Im einzelnen wurde festgelegt: 1. Übereignung der VEB an Konzernunternehmen. Im „Sofortprogramm" zum Vierten Tätigkeitsbericht 1 9 6 1 - 6 5 heißt es dazu: „Es ist bei der zweifachen Aufgabe geblieben, . . . die Wirtschaft und Gesellschaft Mitteldeutschlands freiheitlich zu formen, um sie so mit Westdeutschland zu einem einheitlichen deutschen Wirtschafts- und Sozialkörper zu integrieren, . . . vorbereitende wirtschafts- und sozialpolitische Überlegungen der Wiedervereinigung entsprechend den Grundsätzen der Marktund Wettbewerbswirtschaft zu öffnen . . ," 61 2. Aufhebung der Ergebnisse der Bodenreform und der sozialistischen Entwicklung der Landwirtschaft in der DDR. 61

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Forschungsbeirat . . ., Vierter Tätigkeitsbericht, S. 1 6 - 1 8 .

lierten die Verfasser des Dritten Tätigkeitsberichtes eine „im Grundsatz marktwirtschaftliche Ordnung". Das „Sofortprogramm" von 1965 Auch nach dem 13. August 1961 dachte man im „Forschungsbeirat" nicht daran, die Arbeit an den grauen Plänen einzustellen. Noch weniger war man bereit, sich endlich auf die realen Tatsachen einzustellen. Das ruhmlose Ende der Bonner „Wiedervereinigungspolitik" in Gestalt einer „Politik der Stärke" wurde im Beirat offenbar nicht einmal als eine Möglichkeit in Betracht gezogen. Die Erkenntnis, daß sich die sozialistische Gesellschaftsordnung in der DDR in der Folge des 13. August 1961 weiter festigte und der Sozialismus unangreifbarer wurde, schien um den staatsmonopolistischen Planungsstab einen Bogen zu machen. So kam ein „Sofortprogramm" zustande, in dem sogar die bescheidenen Eingeständnisse - beispielsweise von der Problematik der Ergebnisse der Bodenreform für eine kapitalistische Restauration - über Bord geworfen wurden. Das „Sofortprogramm" von 1965 war in seiner Ignoranz unumstößlicher Tatsachen und in seinem extrem reaktionären Maßnahmen die Quintessenz aller bisherigen Planungen. Sein Inhalt machte abermals die Tatsache bewußt, daß sich im „Forschungsbeirat für die Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" die Vertreter von Klassenkräften befanden, die, in antikommunistischem Haß und revanchistischem Ungeist befangen, hier im buchstäblichen Sinne des Wortes das Rad der Geschichte zurückdrehen wollten. Im einzelnen wurde festgelegt: 1. Übereignung der VEB an Konzernunternehmen. Im „Sofortprogramm" zum Vierten Tätigkeitsbericht 1 9 6 1 - 6 5 heißt es dazu: „Es ist bei der zweifachen Aufgabe geblieben, . . . die Wirtschaft und Gesellschaft Mitteldeutschlands freiheitlich zu formen, um sie so mit Westdeutschland zu einem einheitlichen deutschen Wirtschafts- und Sozialkörper zu integrieren, . . . vorbereitende wirtschafts- und sozialpolitische Überlegungen der Wiedervereinigung entsprechend den Grundsätzen der Marktund Wettbewerbswirtschaft zu öffnen . . ," 61 2. Aufhebung der Ergebnisse der Bodenreform und der sozialistischen Entwicklung der Landwirtschaft in der DDR. 61

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Forschungsbeirat . . ., Vierter Tätigkeitsbericht, S. 1 6 - 1 8 .

Dazu hiefj es im einzelnen: „Im Zeitpunkt der Wiedervereinigung werden verantwortungsvolle . . . Aufgaben allein aus der Überführung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, (LPG) in privatwirtschaftliche Betriebstormen entstehen . . . Mit der Wiedervereinigung werden die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften mit dem vorhandenen Bestand an Mitgliedern kraft Gesetzes 'Landwirtschaftliche Übergangsgemeinschaften' . . . Diese 'Übergangsgemeinschaften' sollen lediglich 'vorübergehend bestehende Einrichtungen' sein, um die ehemaligen LPG in einem geordneten Verfahren der Auflösung entgegenzuführen . . . Personen, die am 8. Mai 1945 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen und das Eigentum auch nach den in der SBZ geltenden Bestimmungen behalten haben, können von der Übergangsgemeinschaft die Herausgabe der im Grundbuch verzeichneten Grundstücke verlangen." Bei dieser Herausgabe sollten diejenigen Personen bevorzugt werden, „denen durch die sowjetzonale Bodenreform der Besitz entschädigungslos entzogen worden ist . . ." 6 2 3. Wiederherstellung des kapitalistischen Bankwesens. Dazu wurde erklärt: „Es ist . . . dafür zu sorgen, da§ wieder private und öffentliche Kreditinstitute errichtet und unbehindert tätig werden können, damit die Aufgaben voll erfüllt werden, die in einer Marktwirtschaft dem Bankenapparat zukommen." 6 3 4. Beseitigung der politischen und sozialen Errungenschaften der Werktätigen. Dazu vermerkte das „Sofortprogramm" von 1965: „Die Arbeitsbedingungen sind wieder primär durch Tarifparteien und individuelle Vereinbarungen zu gestalten. Dies setzt voraus, dafj . . . Arbeitgeberverbände gebildet werden." C4 Die Auflösung des FDGB war beschlossene Sache: „Die Befugnisse", so hieß es im einzelnen, „die der FDGB gegenwärtig in den Handwerkskammern ausübt, erlöschen. Die vorher für die Sozialversicherung zuständigen regionalen Verwaltungen des FDGB stellen ihre Tätigkeit ein. Die Vorschläge hinsichtlich der Organisation der Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (!) sind mit den Übergangslösungen bei der Sozialversiche62 63 64

Ebenda, S. 265-273. Ebenda, S. 22. Ebenda.

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rung abgestimmt. Ebenso wie dort ist auch für die Arbeitslosenversicherung vorgesehen, daß die politische, organisatorische und finanzielle Leitung durch den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund, seine Einzelgewerkschaften oder sonstige entsprechende Einrichtungen erlischt." 65 5. Zur Beseitigung des sozialistischen Bildungswesens in der DDR hieß es-. „Die Lehrlingskombinate . . . sind aufzulösen. Das landwirtschaftliche Berufsschulwesen ist den durch die Wiedervereinigung entstehenden Verhältnissen anzupasssen." 66 6. Herauslösung der DDR aus dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe. Dazu wurde erklärt, daß „Mitteldeutschland durch die Wiedervereinigung nicht nur mit Westdeutschland, sondern auch mit den anderen Partnern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft integriert werden" 67 wird. Die weitere Tätigkeit des „Forschungsbeirates" andeutend, legte man fest: „Natürlich muß die Entwicklung weiter systematisch verfolgt und anhand dessen das bisherige Arbeitsergebnis laufend überprüft werden . . . Im ganzen aber läßt sich jetzt schon feststellen, daß im Bereich des Wirtschaftlichen und Sozialen für den reibungslosen Gesamtablauf der Wiedervereinigung gedanklich und planend vorgesorgt ist . . . In dem wiedervereinigten Deutschland soll eine im Grundsatz marktwirtschaftliche Ordnung bestehen."" 8 Faßt man die Aufgabenstellung und die Ergebnisse der Tätigkeit des „Forschungsbeirates für die Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" in den Jahren von 1952 bis 1965 zusammen, so wird - sowohl in der Gesamtplanung wie im Detail - der konterrevolutionäre und revanchistische Gehalt der grauen Pläne deutlich, durch deren Realisierung die DDR von der Bundesrepublik annektiert und einer kapitalistischen Restauration unterworfen werden sollte. Dabei war auf Seiten des „Forschungsbeirates" in keiner Weise daran gedacht, sich bei den Planungen etwa, wie noch 1965 behauptet wurde, nur an den „Bereich des Wirtschaftlichen und Sozialen" zu halten. Bereits in den ersten Sitzungen des Gremiums vom 16. und 17. April 1952 hatte Thalheim keinen Zweifel daran gelassen, daß das Ziel 63 66 67 68

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Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. 238, 294, 459. S. 261-265. S. 19. S. 20.

der Vernichtung der Macht der Werktätigen in der DDR als Hauptaufgabe im „Forschungsbeirat" verstanden wurde und damit spätere Behauptungen im Ersten Tätigkeitsbericht von 1952/53 gegenstandslos gemacht, daß man sich „bewußt auf die Behandlung der wirtschaftlichen Fragen und Probleme beschränkt"69 habe. In geheimen Sitzungen legte man im „Forschungsbeirat" konkrete Maßnahmen fest, die der Zerschlagung des gesellschaftlichen Überbaus in der DDR dienen sollten. Auch für die Liquidierung der Staatsmacht und der Sicherheitsorgane gab es, wie die Pläne ausweisen, recht detaillierte Vorstellungen. Wurden Maßnahmen dieser Art nicht ausdrücklich in die Tätigkeitsberichte aufgenommen, so aus dem Grunde, weil ihre Durchsetzung ohnehin als selbstverständliche Voraussetzung für die Erfüllung des Gesamtprogramms verstanden wurde. Die grauen Pläne orientierten auf die Vernichtung des Sozialismus in der DDR, auf die Zerstörung der Partei der Arbeiterklasse und der gesellschaftlichen Massenorganisationen. Durch die Liquidierung der Führungen in den anderen Parteien sollten die im Demokratischen Block mit der SED vereinten gesellschaftlichen Kräfte ausgeschaltet und eine Assimilierung dieser Parteien durch die bürgerlichen Parteien in der Bundesrepublik gesichert werden. In den Plänen wurde die Beseitigung der volkseigenen Industrie und deren Überführung in Konzerneigentum der BRD festgelegt. Die Errungenschaften der demokratischen Bodenreform und der sozialistischen Landwirtschaft sollten gleichfalls der kapitalistischen Restauration weichen. Auf dem Gebiet des Bildungswesens war die Ausschaltung des sozialistischen Bildungssystems geplant, das durch das bürgerliche Bildungswesen im Zeichen des Bildungsprivilegs der Ausbeuterklassen ersetzt werden sollte. Wie ein Mosaikstein zum anderen, so fügten sich in den grauen Plänen die Schritte der Zerstörung der Arbeiter-und-Bauern-Macht zu einem Bild. Der zutiefst reaktionäre Gehalt dieser Pläne wurde auch an der Tatsache deutlich, daß in der DDR nicht nur die sozialistische Struktur der Wirtschaft aufgehoben, sondern sogar die von schweren ökonomischen Disproportionen gekennzeichneten wirtschaftlichen Zustände aus der Zeit vor 1945 im Interesse der Monopolbourgeoisie wieder69

Vgl.: Vofjke: Aus Geheimprotokollen . . . S. 652 sowie: Forschungsbeirat . . ., Erster Tätigkeitsbericht, S. 11. Ähnliche Behauptungen von einer angeblich rein wirtschaftlichen und sozialen Tätigkeit des „Forschungsbeirates" wurden auch später wiederholt vorgebracht.

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hergestellt werden sollten. Die Tätigkeit des „Forschungsbeirates" war von Anfang an ein direkter Bestandteil des kalten Krieges gegen die Deutsche Demokratische Republik. Auf Spionagematerialien fußend, entstanden in diesem Gremium revanchistische Pläne, die ihrem Inhalt nach nicht nur von einer permanenten Einmischung in innere Angelegenheiten der D D R zeugten, sondern darüber hinaus nichts Geringeres darstellten, als eine unmittelbare Aggressionsvorbereitung. Deshalb unterschieden sie sich ihrem Grundgehalt nach in keiner Weise von den Plänen Hitlerdeutschlands zur Unterwerfung und Ausplünderung der UdSSR, die nach dem zweiten Weltkrieg unter dem Stichwort „Grüne Mappe" bekannt geworden waren. Die Pläne des „Forschungsbeirates" orientierten - das gilt uneingeschränkt mindestens bis 1961 - auf den konterrevolutionären Umsturz in der Deutschen Demokratischen Republik und die Wiederherstellung der Macht der deutschen Monopolbourgeoisie auf diesem Territorium. In den Tätigkeitsberichten weisen zahlreiche Details darauf hin, daß deren Verfassser die konzipierten Maßnahmen gegen den Willen der Werktätigen der D D R mit konterrevolutionärer Gewalt durchzusetzen und zu sichern gedachten. In neuerer Zeit fehlt es nicht an Versuchen, diese Zielsetzung des „Forschungsbeirates" abzustreiten und die dort aufgestellten Annexionsprogramme sogar noch als Streben nach einer demokratischen Wiedervereinigung Deutschlands hinzustellen. So wird erklärt: „Die im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen ausgearbeiteten Pläne für den Tag X meinten keine bloße Angliederung der D D R an den Kernstaat Bundesrepublik, sondern mit dem Zusammenschluß (nicht: Anschluß) zugleich die Eröffnung der Chance, auf der erweiterten sozioökonomischen Basis eines Gesamtdeutschland den 'sozialen Volksstaat', die 'aktive Demokratie' nun erst recht zu verwirklichen." 7 0 Diese aus der sozialen Demagogie Jakob Kaisers hergeleiteten Behauptungen sind freilich angesichts eines erdrückenden Tatsachenmaterials in den Tätigkeitsberichten nicht ernst zu nehmen. Dagegen kam D. Koch 1972 der Wahrheit näher, wenn er schrieb: „In allen Berichten über dieses Thema wurde als selbstverständlich vorausgesetzt, daß man eines Tages über die 'Ostzone' gänzlich frei würde verfügen können." 7 1 Conze/Kosthorst/Nebgen: Jakob Kaiser. Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. S. 188. 71 Koch, Diether: Heinemann und die Deutschlandfrage. 2. Aufl. München 1972. S. 323. 70

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Als das „gesamtdeutsche" Ministerium dem „innerdeutschen" wich, wurde der „Forschungsbeirat" dem Referat „Deutschlandpolitische Forschung" zugeteilt. 72 Angesichts der vor allem von der D D R immer wieder vorgebrachten Enthüllungen über dieses Gremium schien man es jedoch in Bonn für gut zu halten, es bei einer anderen Unterstellung nicht bewenden zu lassen. So „verschwand" der „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" am 18. April 1975 spurlos in der Versenkung, um als „Arbeitskreis für vergleichende Deutschlandforschung" an das Licht der Öffentlichkeit zu treten. Auf der konstituierenden Sitzung gleichen Datums wurde verlautbart, daß dieser Arbeitskreis ein Zentrum der sogenannten DDR-Forschung bilden solle. Vom Kreis seiner Mitglieder wurden nur noch Historiker und Politologen ausgewiesen, die Vertreter von Monopolverbänden und anderen Organisationen tauchten in der kargen Mitgliederliste nicht mehr auf. 73 Der „Königsteiner Kreis" Im Jahre 1949 gegründet, repräsentierte der „Königsteiner Kreis" Juristen und Beamte sowie sogenannte Volkswirte, die ihren Wohnsitz einst in der D D R gehabt und die Republik als Gegner des sozialistischen Aufbaus bzw. wegen konterrevolutionärer Aktivitäten verlassen hatten. Es handelte sich bei diesem Gremium, das nach einer Zeitungsmeldung 1966 etwa 700 Mitglieder erfaßte 7 4 , um einen Verband eingeschworener Feinde der DDR, der die ausdrückliche Unterstützung des bis 1957 amtierenden ersten „Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen" der BRD hatte. Offiziell trat der Kreis als beratendes Organ der Bundesregierung in Fragen der Justiz und der Rechtsprechung in Erscheinung. In seinem Vorstand waren die Professoren Hans Lades und Klemens Pleyer vertreten, ab J a nuar 1952 bis November 1961 hatte Dr. Siegfried Witte den Vorsitz Siehe: Adam: Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. S. 84 f. 73 Von dem engeren Mitgliederkreis wurden bei der konstituierenden Sitzung Peter C. Ludz (Universität München), Hans Lades (Deutsche Gesellschaft für zeitgeschichtliche Fragen, Erlangen) und Eberhard Schulz (Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik, Bonn) sowie Hermann Weber (Universität Mannheim) genannt. (Bull., BReg., Nr. 55, 29. 4. 1975, S. 522). 74 Tagesspiegel, (West-) Berlin, 5. 3. 1966. 72

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Als das „gesamtdeutsche" Ministerium dem „innerdeutschen" wich, wurde der „Forschungsbeirat" dem Referat „Deutschlandpolitische Forschung" zugeteilt. 72 Angesichts der vor allem von der D D R immer wieder vorgebrachten Enthüllungen über dieses Gremium schien man es jedoch in Bonn für gut zu halten, es bei einer anderen Unterstellung nicht bewenden zu lassen. So „verschwand" der „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" am 18. April 1975 spurlos in der Versenkung, um als „Arbeitskreis für vergleichende Deutschlandforschung" an das Licht der Öffentlichkeit zu treten. Auf der konstituierenden Sitzung gleichen Datums wurde verlautbart, daß dieser Arbeitskreis ein Zentrum der sogenannten DDR-Forschung bilden solle. Vom Kreis seiner Mitglieder wurden nur noch Historiker und Politologen ausgewiesen, die Vertreter von Monopolverbänden und anderen Organisationen tauchten in der kargen Mitgliederliste nicht mehr auf. 73 Der „Königsteiner Kreis" Im Jahre 1949 gegründet, repräsentierte der „Königsteiner Kreis" Juristen und Beamte sowie sogenannte Volkswirte, die ihren Wohnsitz einst in der D D R gehabt und die Republik als Gegner des sozialistischen Aufbaus bzw. wegen konterrevolutionärer Aktivitäten verlassen hatten. Es handelte sich bei diesem Gremium, das nach einer Zeitungsmeldung 1966 etwa 700 Mitglieder erfaßte 7 4 , um einen Verband eingeschworener Feinde der DDR, der die ausdrückliche Unterstützung des bis 1957 amtierenden ersten „Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen" der BRD hatte. Offiziell trat der Kreis als beratendes Organ der Bundesregierung in Fragen der Justiz und der Rechtsprechung in Erscheinung. In seinem Vorstand waren die Professoren Hans Lades und Klemens Pleyer vertreten, ab J a nuar 1952 bis November 1961 hatte Dr. Siegfried Witte den Vorsitz Siehe: Adam: Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. S. 84 f. 73 Von dem engeren Mitgliederkreis wurden bei der konstituierenden Sitzung Peter C. Ludz (Universität München), Hans Lades (Deutsche Gesellschaft für zeitgeschichtliche Fragen, Erlangen) und Eberhard Schulz (Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik, Bonn) sowie Hermann Weber (Universität Mannheim) genannt. (Bull., BReg., Nr. 55, 29. 4. 1975, S. 522). 74 Tagesspiegel, (West-) Berlin, 5. 3. 1966. 72

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inne. Der Arbeitskreis, der sich in verschiedene Ausschüsse gliederte (so bestand z. B. ein „Verfassungsausschuß"), bildete einen wichtigen Teil jener institutionellen Basis verschiedener Vereinigungen, die sich das „gesamtdeutsche" Ministerium Jakob Kaisers aufgebaut hatte. Besonders eng waren die Beziehungen zum „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands". Hier leistete der Kreis Zuarbeiten vor allem zu Fragen der Rechtsprechung in der DDR und unterbreitete Vorschläge, die in den Tätigkeitsberichten bzw. den „Sofortprogrammen" des Beirates ihren Niederschlag fanden. Intensiv war auch die Kooperation mit der Spionageorganisation „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V.". Seit dem gescheiterten Umsturzversuch vom 17. Juni 1953 in der DDR zeigte sich der „Königsteiner Kreis" als besonders eifriger Verfechter der Legende vom „Volksaufstand in der sowjetischen Besatzungszone" und als Wächter über die Einhaltung des „Gedenktages" sowie der aus diesem Anlaß periodisch organisierten revanchistisch-konterrevolutionären Veranstaltungen. Nach dem 13. August 1961 betrieb der „Königsteiner Kreis" massive Hetze gegen die Staatsgrenze der DDR in Berlin. Besonders intensiv widmete sich der „Königsteiner Kreis" der Aufgabe, die Anerkennung der DDR durch junge Nationalstaaten und kapitalistische Staaten - vor allem durch die BRD selbst - zu blockieren. In diesem Zusammenhang galt seine Aktivität in nicht geringem Maße der Sicherung revanchistischer Ansprüche gegenüber der DDR, die in verschiedenen Gesetzesentwürfen und -Vorschlägen Ausdruck fand. So beschäftigten sich die Mitglieder des „Königsteiner Kreises" in den sechziger Jahren mit der Ausarbeitung eines „Widerstandsrechtes", mit dessen Hilfe die strafrechtliche Verfolgung von aus der DDR geflüchteten Gewalttätern in der Bundesrepublik unmöglich gemacht werden sollte. Dazu wurden im Oktober 1961 „Thesen" des Verfassungsausschusses vorgelegt, in denen behauptet wurde, es handle sich bei der DDR „um ein Produkt der Fremdbestimmung, nicht der Selbstbestimmung", und verlautbart wurde: „Die Anerkennung dieser in Wahrheit auf Fremdherrschaft beruhenden Konstruktion als eines angeblich zweiten deutschen Staates wäre schon wegen der Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes völkerrechtswidrig." 75 In den Thesen wurde gefordert, daß deshalb „der Widerstand gegen ein totalitäres Regime wie das des 75

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Bull., BReg., Nr. 199, 21. 10. 1961, S. 1873.

Nationalsozialismus und des Ulbricht-Staates nach besonderen Maßstäben beurteilt werden" müsse. „Den Widerstandsbegriff dürfe man im freien Teil Deutschlands nicht gesetzlich einschränken, damit den Menschen jenseits der Mauer nicht der Mut zum Widerstand genommen werde."76 Wie noch 1976 der Fall Weinhold unter Beweis stellte, fanden solche Empfehlungen in der Gesetzgebung der Bundesrepublik in gebührender Weise Berücksichtigung.77 Im „Königsteiner Kreis" wurde auch ein sogenanntes Feststellungsgesetz ausgearbeitet, das die Ansprüche republikflüchtiger Personen regeln sollte.78 Das Blockieren realistischer Ansätze in der Politik gegenüber der DDR, die Aufrechterhaltung der Alleinvertretungsanmaßung und die Diskriminierung der DDR waren noch 1969 für die prinzipielle Haltung des Gremiums charakteristisch, das in völliger Verkennung der Tatsachen seinerzeit verlautbaren ließ, daß es sich erst dann auflösen wolle, wenn die Tagung „in Königstein an der Elbe" stattfinden könne. 79 Allerdings klagte man zur gleichen Zeit über Erscheinungen der Resignation im „Königsteiner Kreis", der zu dieser Zeit nur noch 527 Mitglieder - nur 111 davon waren unter 50 Jahren - auswies. Eine erkennbare Umorientierung auf „deutschlandpolitische" Forschungen im „Königsteiner Kreis", die in neuester Zeit deutlich wird80, muß als Vollzug unausweichlicher Konsequenzen einer in der Hauptrichtung gescheiterten Politik gegen die DDR gesehen werden. 76

Tagesspiegel, (West-) Berlin, 17. 3. 62. Im Dezember 1975 hatte der ehemalige Angehörige der NVA bei einem Grenzdurchbruch in die BRD zwei Grenzsoldaten der DDR ermordet. Dem Auslieferungsersuchen des Generalstaatsanwaltes der DDR wurde nicht stattgegeben, und am 2. 12. 1976 wurde Weinhold freigesprochen, obwohl der Mord auch auf Seiten der zuständigen Justizorgane der BRD nicht mehr angezweifelt werden konnte. Als Begründung für den Rechtsbruch diente den Behörden der Bundesrepublik Deutschland jenes „Widerstandsrecht", an dessen Zustandekommen der „Königsteiner Kreis" regen Anteil genommen hatte. (Junge Welt, 12./13. 6.1976.) 78 Telegraf, (West-)Berlin, 25. 5.1963. 79 Süddeutsche Zeitung, München, 23.11.1969. 80 Siehe: Synopse zur Deutschlandpolitik 1941 bis 1973. Bearb. von Werner Weber und Werner Jahn. Göttingen 1973. 77

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Das „Kuratorium Unteilbares Deutschland" Am 14. Juni 1954 wurde in Bad Neuenahr bei Bonn das „Kuratorium Unteilbares Deutschland", das sich als „Volksbewegung für die Wiedervereinigung Deutschlands" bezeichnete, gegründet. 81 Wie aus der programmatischen Rede des Hauptinitiators der Gründung, des „Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen", Jakob Kaiser, hervorging, war dieser Gründungstermin keineswegs zufälliger Natur. Seit der Auslösung des konterrevolutionären Umsturzversuches in der DDR vom 17. Juni 1953 war ein Jahr vergangen, und die Gründung des Kuratoriums sollte offensichtlich dazu dienen, so etwas wie eine Tradition des „Volksaufstandes" zu schaffen. Allein damit waren die Aufgaben und Ziele des Kuratoriums - ungeachtet zahlreicher wohltönender Phrasen des „Gründungsmanifestes" - von vornherein als antikommunistisch, konterrevolutionär und nationalistisch im Sinne der Alleinvertretungsanmaßung der Bundesrepublik fixiert.82 Aus dem Personenkreis der Mitglieder des Kuratoriums wurden außer Jakob Kaiser die Bundesminister Kraft und Merkatz sowie Präsident und Vizepräsident des Bundestages und prominente Bundestagsmitglieder genannt. Vom Bank- und Industriekapital, das in auffallender Vollzähligkeit seine Interessenvertreter in das Kuratorium entsandte, wurden der Bankier Abs, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Fritz Berg, das Vorstandsmitglied des Deutschen Industrie- und Handelstages, Paul Beyer, der Vorsitzende des Gemeinschaftsausschusses der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft, Friedrich Spennrath, und der Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Ruhrbergbau, Martin Sogemeier, erwähnt. Ab Januar 1957 wurde Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Mitglied des Kuratoriums. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Landtwirte, e. V. im „Bauernverband der Vertriebenen" vertrat von Zitzewitz. Vom Parteivorstand der SPD gehörten Carlo Schmid, Herbert Wehner, Willy Brandt und der Leiter des „Ostbüros" der SPD, Stephan Thomas, dem Kuratorium an. Vorsitzender des Gremiums wurde Wilhelm Wolfgang Schütz. Bei der Gründung wurden ein Aktionsausschuß, ein Betreuungsausschuß, ein Jugendausschuß, ein „Ausschuß für Heimatvertriebene und

Bull., BReg., Nr. 110, 16. 6. 1954, S. 485. Zum „Gründungsmanifest" siehe: Deutsche Kommentare, (West-)Berlin, 26. 6. 1954. 81

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Sowjetzonenflüchtlinge" und ein „Ausschuß für Öffentlichkeitsarbeit" gebildet. Für die Finanzierung des Kuratoriums sorgte das „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen", das mit dieser Gründung seine institutionelle Basis ausbaute. Sparte schon das „Gründungsmanifest" nicht mit Hetze und Verleumdung gegen die DDR und rief zur „Wiedervereinigung" im Rahmen des Alleinvertretungsanspruches auf, so machte das Kuratorium in seiner gesamten Politik schon bald als eine Organisation des kalten Krieges von sich reden, verständigungsbereite Kräfte in der BRD als „Moskaupilger" und „Pankowkriecher" denunzierte. Der am 16. Juni 1954 schroff zurückgewiesene erste Kontaktversuch des Ausschusses für deutsche Einheit der DDR, in dem ein konkretes Verhandlungsangebot zu aktuellen politischen Problemen unterbreitet worden war, hatte gleichsam die Probe aufs Exempel gemacht. In beleidigenden Ausfällen diffamierte das Kuratorim den Ausschuß, dem namhafte Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens in der DDR angehörten, als „Instrument Pankows" und lehnte jede Verhandlung mit ihm ab. 83 Diese negative Haltung zur DDR und ihren Repräsentanten - mit denen man ja zuallererst im Sinne eines „unteilbaren Deutschlands" hätte verhandeln müssen blieb für die gesamte Tätigkeit des Kuratoriums bestimmend. Diejenigen Mitglieder dieses Gremiums jedoch, die den tönenden Worten des „Gründungsmanifestes" Glauben schenkten und die Meinung vertraten, daß das Kuratorium dem Ziel einer demokratischen und friedlichen Wiedervereinigung zu dienen habe, und die sich in diesem Sinne für einen Kulturaustausch mit der DDR einsetzten, wurden nachdrücklich eines Besseren belehrt. So klagte 1957 ein Sprecher auf einer Kuratoriums-Veranstaltung, daß die ministeriellen Stellen in der Bundesrepublik einen wirklichen Kulturaustausch mit der anderen Seite bremsen würden; Mitglieder des Kuratoriums, die sich für solche Kontakte einsetzten, würden vom Bundesamt für Verfassungsschutz bespitzelt.84 Während man jedem Verständigungsversuch strikt aus dem Wege ging, organisierte das Kuratorium „Aufklärungsaktionen" über das „Unrecht in der Zone", richtete Proteste wegen angeblicher Verletzung der Menschenrechte in der DDR an die UNO, inszenierte antikommunistische Kundgebungen und Aufmärsche - viele davon in 83 8,1

Vgl. Bull., BReg., Nr. 141, 31. 7. 1954, S. 1265 f. Gesamtdeutsche Rundschau, Dortmund, 1. 11. 1957.

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unmittelbarer Nähe der DDR-Staatsgrenze - , suchte mit Plakataktionen zugunsten in der D D R verurteilter Agenten und Saboteure Stimmung zu machen, veranstaltete nationalistische Sammlungen und trug mit verleumderischen Aufsatzwettbewerben für Kinder und Jugendliche eine primitive antikommunistische Hetze in die Schulen Westberlins und der BRD. Zugleich wurde deutlich, dafj das Kuratorium als Aushängeschild und Akteur für die „Wiedervereinigungspolitik" der B R D eine propagandistische Rolle zu spielen hatte. Das Kuratorium machte sich zu einem lautstarken Sprachrohr der Politik der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit", wachte mißtrauisch über die Einhaltung ihrer antisowjetischen und antikommunistischen Vorzeichen, unternahm gezielte internationale Störmanöver und erhob nicht selten Forderungen im Interesse der „Deutschlandpolitik", von deren offener Formulierung die Bundesregierung in manchen Fällen aus Gründen der Rücksichtnahme auf die Öffentlichkeit Abstand nehmen mußte. Ein Beispiel hierfür war der spektakuläre Aufruf des Kuratoriums vom 2 4 . 1 1 . 1 9 5 6 , den gesamten Apparat der Bundesregierung demonstrativ nach Westberlin zu verlegen, um damit vor aller Welt den Alleinvertretungsanspruch der BRD und die Forderung nach Einbeziehung Westberlins als Bundesland sichtbar zu machen. 85 Ein J a h r darauf, am 16. 11. 1957, forderte das Kuratorium das Auswärtige Amt der Bundesrepublik auf, bei allen Auslandsmissionen der BRD „besondere Attachés für Fragen der Wiedervereinigung" einzustellen. 86 Die Aktionen und Erklärungen des „Kuratoriums Unteilbares Deutschland" machten deutlich, dag die DDR, deren Einverleibung in die Bundesrepublik bis zum 13. August 1961 von den aggressiven imperialistischen Kreisen als Nahziel betrachtet wurde, als Feind galt. Diese Tatsache trat vor allem während des Jahres 1956 unverhüllt zutage. So prämierte das Kuratorium im Rahmen eines sogenannten Schülerwettbewerbs zum Thema „Unteilbares Deutschland" den Aufsatz eines irregeleiteten Minderjährigen, in welchem dieser das Leben in der D D R in den finstersten Farben geschildert hatte. 87 Im Mai 1956 richteten Sprecher des Kuratoriums an die D D R in unverschämter Weise das Ansinnen, sofort jede 85 86 87

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Tagesspiegel, (West-)Berlin, 25.11.1956. Der Tag, (West-)Berlin, 16.11.1957. Landeszeitung Lüneburg, 12. 3.1956.

gerichtliche Bestrafung der Abwerbung von DDR-Bürgern einzustellen und die gefaßten Menschenhändler umgehend auf freien Fuß zu setzen. 88 Im November des gleichen Jahres demaskierte sich das Kuratorium vollends als revanchistische Interessenvereinigung, als von seiner Seite mit direkter Bezugnahme auf die konterrevolutionären Ereignisse in der Volksrepublik Ungarn „Veränderungen" in der DDR gefordert wurden. Dazu gehörten eine Amnestie für inhaftierte Agenten und Provokateure, die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit, die Gewährung der Freiheit für antisozialistische Demonstrationen, der Verzicht auf jede Personenkontrolle und die vollständige Öffnung der Grenzen zur BRD. 89 Im Mai 1957 bezeichnete das Kuratoriumsmitglied Max Brauer das Wirtschaftssystem der DDR als ebenso unakzeptabel „wie das politische" und rief zur Beseitigung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung in der DDR auf. Mit der Forderung nach einer „Wiedervereinigung nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen" war ein Sprecher des Kuratoriums schon ein Jahr zuvor aufgetreten, der sich zugleich scharf gegen die Ansicht des BRD-Sozialwissenschaftlers Nell-Breuning gewandt hatte, die sozialen Errungenschaften der DDR könne man am „Tag X" nicht einfach aufheben. 90 Diese Tatsachen machten deutlich, daß das „Kuratorium Unteilbares Deutschland" auf die gleichen Ziele eingeschworen war wie der „Forschungsbeitrat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" - der Unterschied zwischen beiden Vereinigungen bestand lediglich in der Art der Tätigkeit, die beim Kuratorium mehr eine politisch-propagandistische war. Im Januar 1959, als zwischen Westberlin und der DDR noch eine faktisch offene Grenze bestand, startete das Kuratorium eine großangelegte Kampagne unter der demagogischen Losung „Macht das Tor auf!" Millionen Abzeichen mit dem Brandenburger Tor als nationalistischer Kulisse wurden in Umlauf gebracht, zahllose Sammlungen, Kundgebungen und Konferenzen organisiert, wie z. B. die jährlich aus Anlaß der Wiederkehr des 17. Juni inszenierten Feiern, die 1960/61 zur psychologischen Kriegsvorbereitung gegen die DDR gehörten. Aus den Sprachrohren des Kuratoriums ergoß sich ein Strom von Verleumdungen auf die Bürger der DDR, deren staatliche 88 89 90

Deutsche Kommentare, (West-)Berlin, 19. 5.1956. Tagesspiegel, (West-) Berlin, 2.11.1956. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. 3.1956.

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und gesellschaftliche Ordnung vom Kuratoriums-Vorsitzenden Schütz im Mai 1959 als „Neokolonialismus"91 bezeichnet wurde. Im November desselben Jahres wurde auf dem Jahreskongreß des Kuratoriums erklärt, daß die Bevölkerung der DDR gezwungen werde, „unter einem ihr verhaßten Regime zu leben"92. Im März 1960 protestierte das Kuratorium gegen die „Zwangskollektivierung" 93 in der DDR und trat als Störfaktor gegen die Bemühungen der sozialistischen Staaten für eine internationale Entspannung und die Abwendung der Kriegsgefahr in Erscheinung. Schon 1958 war das Kuratorium sehr scharf gegen realistische Kräfte aufgetreten, die in der Bundesrepublik und in anderen Ländern in ihren Überlegungen von der Tatsache der Existenz von zwei deutschen Staaten ausgegangen waren.94 Im Mai 1960 war es wiederum das Kuratorium, das mit einem „Appell zur Gipfelkonferenz" in der Form eines Flugblattes einer Verschärfung der internationalen Spannungen das Wort redete. „Das Regime in Mitteldeutschland", so hieß es in dem Flugblatt, „das für die Verletzung der Menschenrechte verantwortlich ist, regiert gegen den Willen der Bevölkerung." Daran wurde die Forderung geknüpft, „dem ganzen deutschen Volk das Selbstbestimmungsrecht zu gewähren und damit die Menschenrechte wiederherzustellen".95 Die im Juni vom Kuratorium begonnene Aktion „Selbstbestimmung für alle Deutschen" sollte die DDR in der Weltöffentlichkeit diffamieren und die Spannungen in der Westberlinfrage zuspitzen. Im August attackierte das Kuratorium zusammen mit den „Vereinigten Landsmannschaften Mitteldeutschlands" den bürgerlichen Philosophen Karl Jaspers wegen dessen kritischen Anmerkungen zur „Deutschland"- und „Wiedervereinigungspolitik".96 In seiner Politik gegen die DDR kooperierte das Kuratorium mit den extremsten antikommunistischen Verbänden. Dazu gehörten außer den landsmannschaftlichen Organisationen und verschiedenen Agentenzentralen solche Vereinigungen wie die reaktionäre „Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise", die das Ziel der „Be91

Die Welt, Hamburg, 14. 5.1959. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.11.1959. 03 Tagesspiegel, (West-)Berlin, 25.3.1960. 94 Die Welt, (West-) Berlin, 16. 5.1958. 95 Flugblatt des „Kuratoriums Unteilbares Deutschland* vom 11. Mai 1960. 96 Ost-West-Kurier, Frankfurt a. M„ August 1960. 92

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freiung der Sowjetzone" propagierte, die „Vereinigung der Opfer des Stalinismus" und seit 1959/60 der Verband für psychologische Kriegführung „Rettet die Freiheit, e. V." 97 Nach den Schutzmaßnahmen der Mitgiedstaaten des Warschauer Vertrages vom 13. August 1961 gehörte das Kuratorium unvermindert zum Kreis der revanchistischen Scharfmacher in der BRD und in Westberlin, es trat als politisch-propagandistisches Zentrum gegen die Sicherungsmaßnahmen der DDR auf und wurde so zum Urheber zahlreicher schwerer Grenzprovokationen, die Menschenleben forderten. 1962 schuf sich das Kuratorium aus ehemaligen Teilnehmern konterrevolutionärer Ausschreitungen in der DDR den „Arbeitskreis 17. Juni 1953", der in das Kuratorium eingegliedert wurde. 98 Im April 1963 verkündete das Kuratorium - in völliger Verkennung der Tatsachen daß in der DDR eine „latente Widerstandssituation" fortbestehe, die es aufrechtzuerhalten gelte, und forderte damit abermals zu einer Politik der scharfen Konfrontation gegen die DDR auf. 99 Noch im Dezember 1966 stemmte sich dieses Gremium gegen alle Verhandlungsergebnisse, als es gegen die PassierscheinFrankfurter Rundschau, 26.4.1959. Eine ähnliche Aufgabe wie das Kuratorium hatte schon 1950 der „Verein zur Förderung der Wiedervereinigung Deutschlands, e. V." übernommen, der gleichfalls zu der institutionellen Basis des „gesamtdeutschen* Ministeriums gehörte. Der Verein ging aus dem „Godesberger Kreis" hervor und vereinigte „Politiker der Rechten und der Mitte sowie . . . Industrielle" (Kurier, [West-] Berlin, 21.1.1950). Der Verein proklamierte bei seiner Gründung eine Absage an „den Kommunismus und alle bolschewistischen Tendenzen" (Frankfurter Rundschau, 20.1.1950), sein Begründer war der früher in der sowjetischen Besatzungszone tätig gewesene reaktionäre Politiker Andreas Hermes. Der Verein lehnte Kontakte mit den Befürwortern einer Neutralisierung in der Deutschlandfrage, z. B. dem sogenannten Nauheimer Kreis Noacks, strikt ab und machte sich die revanchistischen Leitgedanken der Bonner Politik (Rückgabe der Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Grenze, Angliederung der DDR) zu eigen. Im gewissen Sinne sollte er ebenso wie sein Vorläufer, der Godesberger Kreis, eine bürgerlich-nationalistische Gegengründung zur Nationalen Front des demokratischen Deutschland in der DDR darstellen (Neue Zeitung, München, 2.9.1949). Im Zuge der Reform des „gesamtdeutschen" Ministeriums wurde der Verein dem „Gesamtdeutschen Institut" angeschlossen. 0 8 Tagesspiegel, (West-) Berlin, 17. 10. 62. 99 Die Welt, (West-) Berlin, 23. 4.1963. 97

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Verhandlungen zwischen der DDR und dem Senat von Westberlin Front machte. Erst Ende der sechziger Jahre wurden kritische Stimmen zur „Deutschlandpolitik" der „Ära Adenauer" hörbar, und es wurden Vorschläge unterbreitet, durch deren Realisierung diese in die Sackgasse geratene Politik reformiert werden sollte. So setzte sich Schütz für eine „politische Strategie der Wiedervereinigung" und eine „tiefgreifende Reform der Deutschlandpolitik" ein. 100 Diese Überlegungen liefen allerdings darauf hinaus, Kontakte zur DDR nur unterhalb der sogenannten Anerkennungsschwelle mit dem Ziel der schrittweisen Aufweichung des zweiten deutschen Staates zu unterhalten. Schütz bekräftigte den Alleinvertretungsanspruch und empfahl, die DDR nicht als Staat, sondern als „VerwaltungsEinheit" zu behandeln. Realistischere Ansätze enthielt die Vierteljahresschrift des „Kuratoriums Unteilbares Deutschland" („Politik" 3 - 4 / 1 9 6 9 , Bonn). Während Sprecher wie Rainer Barzel, Johann Baptist Gradl und Kurt Mattick die bekannten unhaltbaren Thesen vortrugen, plädierten der spätere Außenminister der BRD, Walter Scheel, und der Direktor des Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel, Eberhard Menzel, für eine staatliche Anerkennung der DDR sowie die Abschaffung des Alleinvertretungsanspruchs und der Hallstein-Doktrin in den Beziehungen zur DDR. 1 0 1 Daß die Anti-DDR-Politik von einst freilich mehr in äußerer Form als im Hauptinhalt aufgegeben wurde, bezeugt die jüngste Entwicklung des Kuratoriums, das es sich nach dem Abschluß des Vertrages über die Beziehungen zwischen der BRD und der DDR offenbar in besonderem Maße angelegen sein läßt, die Relikte der derungen". Bedeutungsvoll hieß es in der Erklärung weiter: „Anders kreise des Kuratoriums 1974 die angebliche Identität der Bundesrepublik mit dem Reich, „wenn auch losgelöst von territorialen Forderungen". Bedeutungsvoll hieß es in der Erklärung weiter: „Anders als die DDR darf sich Bonn nicht als bloßer Nachfolgestaat des Deutschen Reiches verstehen." 102 Auch die Erklärungen des Kuratoriums, die anläßlich der Wiederkehr des 17. Juni abgegeben v/erden, sprechen die gleiche Sprache. In einer Verlautbarung des Kuratoriums vom 12. Juni 1975 wurde die Behauptung aufgestellt: Siehe: Schütz, Wilhelm, Wolfgang: Reform der Deutschlandpolitik. Köln/(West-) Berlin 1965. 1 0 1 Ebenda, S. 40 f. u. S. 70 f. 1 0 2 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. 11. 1974.

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„. . . der Verfassungsauftrag, die Einheit in freier Selbstbestimmung wiederherzustellen, konnte bisher nicht erfüllt werden. Noch immer ist unser Land gespalten, sind die Deutschen gewaltsam getrennt.* 103 In dieser Erklärung, die sich abermals zu den bekannten expansionistischen Zielsetzungen des BRD-Imperialismus gegenüber der DDR bekennt, ist freilich ebensowenig wie in anderen Dokumenten des Kuratoriums die Rede davon, dag es gerade das „Kuratorium Unteilbares Deutschland" gewesen ist, das im kalten Krieg gegen die DDR eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hat. Als Teil des Apparates der „Wiedervereinigungspolitik" hatte das Kuratorium sowohl eine außen- wie auch eine innenpolitische Funktion. Nach äugen hin wachte es über die Einhaltung des Alleinvertretungsanspruchs der BRD, störte die Verständigung und trat der internationalen Entspannung entgegen. Als verlängerter Arm des »gesamtdeutschen" Ministeriums gab das Kuratorium das „nationale" Aushängeschild für die Politik gegen die DDR ab und stützte die Alibifunktion der „Wiedervereinigungspolitik". Die Verleumdung und Diffamierung der DDR mit antikommunistischer und konterrevolutionärer Hetze im Interesse der Aufrechterhaltung der diplomatischen Blockade gegen die DDR spielte hierbei eine tragende Rolle. In der Anti-DDR-Politik, die das Kuratorium gemeinsam mit anderen gegen die DDR gerichteten. Organisationen und Institutionen betrieb, verfügte es über einen eigenen Propagandaapparat, der im Sinne einer permanenten Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR tätig wurde. Bildlich gesprochen, stellte das Kuratorium die Kulisse dar, hinter der solche Vereinigungen wie der „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereingung Deutschlands" ihre restaurativen Pläne ausarbeiteten. Erst nach dem Scheitern der „Wiedervereinigungspolitik" und der sichtbar werdenden Stagnation der „Deutschland"- und Ostpolitik der BRD wurde das Kuratorium im Sinne einer „Reform der Deutschlandpolitik" aktiv. Im innenpolitischen Bereich half es als exponiertes Gremium der „Wiedervereinigungspolitik" jahrzehntelang bei der Absicherung dieser Politik, indem es verständigungsbereite Kräfte und Andersdenkende einzuschüchtern suchte. Sein propagandistischer Apparat trat in der Bundesrepublik im Sinne des Antikommunismus und des Nationalismus in Erscheinung. 103

Bull., BReg., Nr. 77, 19. 6. 1975, S. 716.

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Das „Informationsbüro West" Das „Informationsbüro West" (IWE) wurde noch 1964 von einer großbürgerlichen Zeitung der BRD als „politisch unabhängiger Informationsdienst" ausgewiesen.104 Wie die Aufgabenstellung und Tätigkeit des IWE jedoch schon in den fünfziger Jahren eindeutig zeigten, handelte es sich in Wirklichkeit um eine als Nachrichtenagentur getarnte Spionage- und Provokationszentrale, die der Abteilung 2 des „gesamtdeutschen" Ministeriums unterstellt war. 105 Als Leiter dieser im Jahre 1951 gegründeten Institution fungierte bis August 1964 ein Dr. Helmut Bohlmann. Bei der Gründung des IWE wurde als seine Hauptaufgabe eine „intensive Beschäftigung" mit den Verhältnissen in „Mitteldeutschland" genannt. Die erlangten Informationen wurden in der Hauptsache von der in der DDR unterhaltenen Agentur, d. h. den hauseigenen Spionen des IWE bzw. anderen Spionageorganisationen, bezogen. Die Agenten des IWE gaben solche Nachrichten aus dem Staatsapparat, den Parteien und Massenorganisationen, den Schulen und Hochschulen, der Akademie der Wissenschaften und anderen Forschungseinrichtungen, den Sicherungskräften, den volkseigenen Betrieben und dem staatlichen und genossenschaftlichen Sektor der Landwirtschaft der DDR. Sie berichteten über interne Vorhaben, Kaderpolitik und Plankennziffern, die Struktur der Sicherungskräfte und den Außenhandel sowie zahlreiche andere Bereiche des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens in der DDR. Die Nachrichten waren in der Regel ein Gemiseh von internen Angaben aus der DDR und antikommunistischen Verleumdungen, wobei sich die Agenten des IWE nicht scheuten, auch Gerüchte als „objektive Informationen" auszugeben und offizielle Nachrichten der DDR zu entstellen.106 Die Nachrichten des IWE 104 Die Welt (West-)Berlin, 3. 8.1964 (B). 103

Auf Grund dieser Unterstellung wird das IWE im vorliegenden Kapitel abgehandelt, obwohl es seiner eigentlichen Aufgabenstellung gemäß zu den Organisationen des subversiven Krieges gegen die DDR zu zählen ist. Entsprechend der erwähnten Aufgabenstellung ist das offizielle Material über das IWE spärlich, der Inhalt seiner Tätigkeit kann jedoch an dem von dieser Agentur verbreiteten Nachrichtenmaterial aufgehellt werden. Das IWE wurde später in „Archiv Berlin" umbenannt und 1969 dem „Bundesinstitut für gesamtdeutsche Aufgaben" angegliedert. 106 Ein Beispiel für eine solche Entstellung der Tatsachen ist das vom IWE zitierte Gutachten des „Untersuchungsausschusses freiheitlicher Ju-

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dienten dem Bulletin des Presse- und Informationsamtes der BRD und den Massenmedien als Grundlage für deren Berichte über die DDR, speziell griff das ebenfalls vom „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" unterhaltene „Sowjetzonen-Archiv" („SBZArchiv") auf Informationen des IWE zurück.

Das „Sowjetzonen-Archiv" („SBZ-Archiv") Das „SBZ-Archiv" war ein Publikationsorgan des „gesamtdeutschen" Ministeriums, das sich speziell mit der DDR beschäftigte. Die Zeitschrift erschien zweimal monatlich, Verlagsort war Köln. Seine Herausgeber wollten der Öffentlichkeit „Dokumente, Berichte, Kommentare zu gesamtdeutschen Fragen" unterbreiten. Wie ein ständiger Aufdruck auf dem Titelblatt jeder Ausgabe in den fünfziger Jahren aussagte, wandte sich die Zeitschrift „an alle Organe des Staates, der Parteien, der Presse, des Rundfunks, der Wirtschaft und des kulturellen Lebens". Dann folgte der Text: „Das SBZ-Archiv berichtet auf Grund zuverlässigen Quellenmaterials über die Verhältnisse in der Sowjetzone und über die Methoden der kommunistischen Aggressionsversuche in der Bundesrepublik. Das SBZArchiv liefert Unterlagen für Aufklärung und Abwehr: Besinnt euch auf eure Kraft - der Westen ist stärker!" Stellte der Titel der Zeitschrift „SBZ-Archiv" schon eine periodisch wiederkehrende antikommunistische Verleumdung dar, wies sie der genannte Untertitel als ein Presseorgan aus, dessen Aufgabe darin bestehen sollte, Informationen über einen als Feind betrachteten Staat zu liefern, Kommunisten und andere Gegner der AdenauerPolitik zu denunzieren und den Spionage- und Diversionszentralen Material für die „Abwehr" zur Verfügung zu stellen. Anfang der fünfziger Jahre fand die antikommunistische und antisowjetische Hetze im „SBZ-Archiv" in besonders grobschlächtiger und primitiver Weise Ausdruck. So wurden in einzelnen Ausgaben führende Persönlichkeiten der DDR und anderer sozialistischer Staaten vorgestellt. Diese „Biographien" strotzten von böswilligen Verleumdungen und Verunglimpfungen und stellten ihrem Inhalt nach eine Rufmord-Propaganda dar, die zum Klassenhaß und zu konterrevoristen, e. V." über eine angebliche Vorbeugungshaft in der DDR. (Vgl.: Die Welt, [West-] Berlin, 31.1.1969 [B].)

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dienten dem Bulletin des Presse- und Informationsamtes der BRD und den Massenmedien als Grundlage für deren Berichte über die DDR, speziell griff das ebenfalls vom „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" unterhaltene „Sowjetzonen-Archiv" („SBZArchiv") auf Informationen des IWE zurück.

Das „Sowjetzonen-Archiv" („SBZ-Archiv") Das „SBZ-Archiv" war ein Publikationsorgan des „gesamtdeutschen" Ministeriums, das sich speziell mit der DDR beschäftigte. Die Zeitschrift erschien zweimal monatlich, Verlagsort war Köln. Seine Herausgeber wollten der Öffentlichkeit „Dokumente, Berichte, Kommentare zu gesamtdeutschen Fragen" unterbreiten. Wie ein ständiger Aufdruck auf dem Titelblatt jeder Ausgabe in den fünfziger Jahren aussagte, wandte sich die Zeitschrift „an alle Organe des Staates, der Parteien, der Presse, des Rundfunks, der Wirtschaft und des kulturellen Lebens". Dann folgte der Text: „Das SBZ-Archiv berichtet auf Grund zuverlässigen Quellenmaterials über die Verhältnisse in der Sowjetzone und über die Methoden der kommunistischen Aggressionsversuche in der Bundesrepublik. Das SBZArchiv liefert Unterlagen für Aufklärung und Abwehr: Besinnt euch auf eure Kraft - der Westen ist stärker!" Stellte der Titel der Zeitschrift „SBZ-Archiv" schon eine periodisch wiederkehrende antikommunistische Verleumdung dar, wies sie der genannte Untertitel als ein Presseorgan aus, dessen Aufgabe darin bestehen sollte, Informationen über einen als Feind betrachteten Staat zu liefern, Kommunisten und andere Gegner der AdenauerPolitik zu denunzieren und den Spionage- und Diversionszentralen Material für die „Abwehr" zur Verfügung zu stellen. Anfang der fünfziger Jahre fand die antikommunistische und antisowjetische Hetze im „SBZ-Archiv" in besonders grobschlächtiger und primitiver Weise Ausdruck. So wurden in einzelnen Ausgaben führende Persönlichkeiten der DDR und anderer sozialistischer Staaten vorgestellt. Diese „Biographien" strotzten von böswilligen Verleumdungen und Verunglimpfungen und stellten ihrem Inhalt nach eine Rufmord-Propaganda dar, die zum Klassenhaß und zu konterrevoristen, e. V." über eine angebliche Vorbeugungshaft in der DDR. (Vgl.: Die Welt, [West-] Berlin, 31.1.1969 [B].)

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lutionären Handlungen aufstacheln sollte. Der widerwärtige Tonfall dieser Haßtiraden erinnerte in manchem an das berüchtigte faschistische Propagandabild vom „Untermenschen" 10 '. In zahlreichen Beiträgen, die sich mit verschiedenen Bereichen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens in der DDR beschäftigten, wurde der Aufbau des Sozialismus bis zur Unkenntlichkeit entstellt. 108 Dazu bediente man sich auch solcher Personen, die aus einer antisozialistischen Haltung heraus die DDR verlassen hatten. Ein charakteristisches Beispiel für die Art der Berichterstattung durch das „SBZ-Archiv" über die DDR war ein Kommentar im November 1961 über das neue Gesetzbuch der Arbeit in der DDR. Unter der Schlagzeile „Wiedereinführung der Zwangsarbeit" wurde die durch nichts zu beweisende Behauptung aufgestellt, daß in der DDR eine „Zwangserziehung zu sozialistischem Bewußtsein" stattfinde und die freie Wahl des Arbeitsplatzes durch das neue Gesetzbuch der Arbeit abgeschafft worden wäre. Wörtlich erklärte das „SBZ-Archiv": „Praktisch muß . . . jeder Bürger, der kein eindeutiges Bekenntnis zum Kommunismus ablegt und bei dem Überzeugungsarbeit unwirksam bleibt, gewärtig sein, unter dem Vorwand der Gefährdung der Allgemeinheit oder der Arbeitsscheu politischen Nachhilfeunterricht durch Verurteilung zu Zwangsarbeit zu erhalten, auch wenn ihm keine Straftat nachgewiesen werden kann." 109 Solche Artikel und Kommentare, die durch den auszugsweisen Abdruck von offiziellen Erklärungen, Pressestimmen, Gesetzen und Verordnungen aus der DDR einen seriösen Anstrich erhalten sollten, beschäftigten sich auch mit der Frage staatlicher und gesellschaftlicher Maßnahmen nach dem „Tag X". So wurde besonders in den Ausgaben des Jahres 1956 eine rege Diskussion über die Angelegenheiten geführt, mit denen sich der „Forschungsbeirat" befaßte, d. h„ es ergingen zahlreiche Empfehlungen, wie die ArSiehe: SBZ-Archiv, Köln, Nr. 13, 5. 7.1953. Zeitweilig betätigte sich das „SBZ-Archiv" auch als Organ des psychologischen Krieges zur Verschärfung der Spannungen. So weist der Jahrgang 1961 Schlagzeilen aus wie: „Menschenraub in Westberlin" (Nr. 11, 1. 6 . 1 9 6 1 ) ; „Jagd auf Grenzgänger" (Nr. 15, 1. 8 . 1 9 6 1 ) ; „Kommunistische Kandidaturen zum Bundestag" (Ebenda); „Diktatur der Fäuste" (Nr. 18, 2 . 9 . 1 9 6 1 ) ; „Das rote Spectaculum an der Ostsee" (Nr. 19, 1 . 1 0 . 1 9 6 1 ) ; „Stacheldraht und Kultur" (Nr. 22, 2 . 1 1 . 1 9 6 1 ) usw. 107

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SBZ-Archiv, Nr. 22, 2 . 1 1 . 1 9 6 1 , S. 349.

beiter-und-Bauern-Macht in der DDR beseitigt werden und restaurative Maßnahmen durchgesetzt werden sollten. In einem Beitrag unter der Überschrift „Was geschieht mit den politischen Funktionären der DDR?" gab Carola Stern Hinweise, wie die Partei der Arbeiterklasse zerschlagen, FDGB und FDJ aufgelöst und die leitenden Kader der Blockparteien entfernt werden sollten, und empfahl besonders rigorose Maßnahmen gegen die Angehörigen der Sicherungskräfte der DDR. Nach der Auffassung der Autorin sollte in der DDR eine „Entsedifizierung" im Sinne der Entnazifizierung stattfinden. 110 Andere Beiträge befaßten sich mit den Justizorganen, dem Staatsapparat, dem Bildungswesen, der Landwirtschaft und den volkseigenen Betrieben und unterbreiteten Ratschläge für restaurative Veränderungen im Sinne der „Wiedervereinigungspolitik" 111 . 19&8 erfolgte im Zuge der strukturellen Veränderungen, die zum Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen führten, die Umbenennung des „SBZ-Archiv" in „Deutschland-Archiv" mit dem Untertitel „Zeitschrift für Fragen der DDR und der Deutschlandpolitik". Die fortan über die DDR erscheinenden Beiträge wurden im Ton - bei Aufrechterhaltung einer scharfen ideologischen und politischen Feindschaft - versachlicht, es kommen Autoren zu Wort, die sich der „DDR-Forschung" verschrieben haben. Der frühere „gesamtdeutsche" Anspruch der Zeitschrift, der seit 1968 in ihrem neuen Titel Ausdruck findet, folgt der offiziellen Politik der Bundesrepublik gegenüber der DDR und ist besonders um die Wahrung des Anspruches vom angeblichen Bestehen innerdeutscher oder besonderer Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten bemüht, wobei auch neuere antisozialistische Gesellschaftsmodelle in die Überlegungen einbezogen werden. 112 110

Ebenda, Nr. 2, 25.1. 1956, S. 19. Vgl.: Stern, Carola: Was muß auf dem Gebiete der Justiz geschehen? In: SBZ-Archiv, Nr. 4, 25.2.1956, S. 49 f.; dies.: Wie soll die Verwaltung geregelt werden? Ebenda, Nr. 6, 25. 3.1956, S. 81 f.; Situation und Aufgaben im Bildungswesen; Ebenda, Nr. 7/8, 25.4.1956, S. 98 f.; Was muß in der Landwirtschaft geschehen? Ebenda, Nr. 10, 25.5.1956, S. 144f.; Was soll mit den volkseigenen Betrieben geschehen? Ebenda, Nr. 18, 25. 5. 1956, S. 273 f. 117 Charakteristisch hierfür sind die Beiträge im Heft 3/1976, vgl. bes.: Knecht, Willi: Leistungssportliche Konvergenz in Innsbruck. In: Deutschland-Archiv, Köln, H. 3, März 1976, S. 225 f. 111

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Der Krieg im Untergrund. Zur Tätigkeit der Spionage-, Sabotage- und im kalten Krieg gegen die DDR

Terrororganisationen

Für den Imperialismus wurden nach dem zweiten Weltkrieg die Subversion und Diversion 1 zu Hauptwaffen im kalten Krieg. Diese Erscheinung wurzelte im Charakter des kalten Krieges selbst, in seinem Wesen und seinen Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem Sozialismus. Auf dem Gebiet der Subversion diente der kalte Krieg im Zeichen des „Containment" und später beträchtlich intensiviert und ausgedehnt unter der Losung der „liberation" der Inszenierung konterrevolutionärer Umsturzversuche und der Vorbereitung einer Aggression gegen die sozialistischen Staaten. Die sozialistische Welt, aber auch junge Nationalstaaten und selbst bürgerliche Länder, in denen fortschrittliche Kräfte bedeutende Positionen innehatten, sahen sich mit der permanenten Gefahr von Umsturzversuchen und militärischen Interventionen des Imperialismus konfrontiert. Die zunehmende Aktivität des Untergrundkrieges, die in der Hauptstoßrichtung auf die sozialistischen Staaten zielte, resultierte aber andererseits gerade aus der Tatsache, daß die neue Qualität des internationalen Kräfteverhältnisses zwischen Imperialismus und Sozialismus die aggressionsbereiten Kräfte in zunehmendem Maße mit dem Risiko des eigenen Unterganges belastete. Darin fanden auch auf diesem spezifischem Gebiet die allgemeine Krise und die historische Defensivposition des Imperialismus ihren Ausdruck. Die Anwesenheit sowjetischer Truppenverbände in den sozialistischen Staaten verringerte die Chancen der antisozialistischen Kräfte, das verlorene Terrain zurückzuerobern, in beträchtlichem Maße. 1 Charisius/Mader bezeichnen als Subversion „die Gesamtheit der staatsfeindlichen Aktionen der Geheimdienste . . . die in erster Linie auf den konterrevolutionären Umsturz politischer Machtverhältnisse, auf die Beseitigung der Gesellschaftsordnungen in den sozialistischen Staaten und auch in revolutionär-demokratischen Nationalstaaten abzielen". Gleichzeitig wird die Subversion „als Sammelbegriff für solche Arten verbrecherischen Wirkens wie Diversion, Sabotage, Terrorismus und Teile der psychologischen Kriegführung" verstanden. (Charisius, Albrecht/Mader, Julius: Nicht länger geheim. Entwicklung, System und Arbeitsweise des imperialistischen deutschen Geheimdienstes. Berlin 1969, S. 17 f.)

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Bei einem klaren Übergewicht dieser Faktoren waren jedoch auch bestimmte Umstände vorhanden, welche objektiv die Führung des subversiven Krieges begünstigten. Dazu gehörte das zeitweilige Fortbestehen von Ausbeuterschichten in den sozialistischen Staaten, wie der Großbauern und Großhändler, der Existenz eines kapitalistischen Sektors in der Industrie, privater Einzelhändler und anderer Bevölkerungsgruppen, die dem Aufbau des Sozialismus längere Zeit ablehnend oder gar feindlich gegenüberstanden. Auch bestimmte klerikale Kreise gehörten dazu. Reaktionäre Ideologien waren noch nicht aus dem Bewußtsein der breiten Massen verdrängt, und nicht zu unterschätzende Reste des Antikommunismus und Antisowjetismus waren vorhanden, mit deren Konservierung und Wiederbelebung die imperialistische Politik eifrig beschäftigt war. Auf dem Territorium der sozialistischen Staaten in Europa bestanden Teile imperialistischer Agenturen aus der Zeit von 1945. Für den subversiven Krieg gegen die DDR war der Umstand von entscheidender Bedeutung, daß es gelang, unter Ausnutzung von Festlegungen des Potsdamer Abkommens, die Deutschland als Ganzes betrafen, das Gebiet der Westsektoren Berlins zu einer „Frontstadt" inmitten der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR auszubauen und zum größten Spionagezentrum in Europa zu machen. Dabei bot die bis zum 13. August 1961 bestehende offene Grenze zwischen Westberlin und der DDR für den Untergrundkrieg geradezu ideale Möglichkeiten. Kenneth Strong - Eisenhowers Chief of British Intelligence - hatte zweifellos gerade diese Umstände im Auge, wenn er erklärte, daß im Nachkriegsdeutschland schon zu Beginn des kalten Krieges „sämtliche Voraussetzungen für die Entwicklung einer regen Spionagetätigkeit vorhanden" 2 gewesen seien. Die den subversiven Krieg gegen die sozialistischen Staaten und speziell gegen die DDR begünstigenden Möglichkeiten hatten ihre Ursache sowohl in überkommenen bestimmten Positionen des Imperialismus, die in einer zeitweilig bestehenden relativen Überlegenheit auf einigen Gebieten der umfassenden Klassenauseinandersetzung Ausdruck fanden, als auch in bestimmten Teilerfolgen der Initiatoren des kalten Krieges in dessen Anfangsperiode. Ein Siehe: Hagen, Louis: Der heimliche Krieg auf deutschem Boden. Seit 1945. Düsseldorf/Wien 1969, S. 10.

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wichtiger Umstand war dabei, daß der Imperialismus die Anfangsschwierigkeiten, die beim Aufbau eigener Sicherheitsorgane in den sozialistischen Staaten überwunden werden mußten, ebenso für seine konterrevolutionären Aktivitäten ausnutzte, wie die nicht unbeträchtlichen wirtschaftlichen Startschwierigkeiten. Auf dem Feld der Spionage, der Sabotage und des Terrors gegen fortschrittliche Kräfte verfügte der deutsche Imperialismus über beträchtliche Erfahrungen. In der Zeit der Vorbereitung und Auslösung sowohl des ersten als auch des zweiten Weltkrieges hatte die Wühltätigkeit des imperialistischen deutschen Geheimdienstes, dem die politische Intrige ebensowenig f r e m d war wie das Attentat, der Wirtschaftsboykott oder der bewaffnete Überfall mit völkerrechtswidrigen Mitteln, eine große Rolle gespielt. 3 Diese historische Erscheinung wurzelte im abenteuerlichen und verbrecherischen Charakter des deutschen Imperialismus. Obwohl am Ende des zweiten Weltkrieges ungeheuerliche Tatsachen über die Verbrechen imperialistischer deutscher Geheimdienste an das Licht der Öffentlichkeit gelangten, entging unter der Obhut der westlichen Besatzungsmächte ein großer Teil des nach Westdeutschland geflüchteten Spionage- und Terrorapparates der faschistischen Wehrmacht - hier sei vor allem auf die spätere „Organisation Gehlen" verwiesen - und der SS der gerechten Strafe. Die subversiven Erfahrungen des imperialistischen deutschen Geheimdienstes im Kampf gegen die sozialistische Sowjetunion empfahlen ihn besonders in den Augen der Westmächte, als diese darangingen, die Fronten des kalten Krieges gegen den Sozialismus aufzubauen und den „Krieg im Dunkeln" zu intensivieren. Der über den faschistischen Zusammenbruch hinaus gerettete Geheimdienstapparat des untergegangenen Reiches wurde sorgfältig abgeschirmt, konserviert und unter Regie und Kontrolle der USA im subversiven Krieg gegen den Sozialismus abermals zum Einsatz gebracht. Dieser Prozeß der Konservierung und Restauration erstreckte sich über die Jahre von 1945 bis 1949. 4 Schon vor der Verkündung der Truman-Doktrin, 3

Siehe hierzu: Mader, Julius: Hitlers Spionagegenerale sagen aus. Ein Dokumentarbericht über Aufbau, Struktur und Operationen des OKWGeheimdienstamtes Ausland/Abwehr mit einer Chronologie seiner Einsätze von 1933 bis 1944. Berlin 1970. 4 Siehe dazu: Charisius, Albrecht/Mader, Julius: Nicht länger geheim. Entwicklung, System und Arbeitsweise des imperialistischen deutschen Geheimdienstes. 2. Aufl. Berlin 1975.

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der Gründung der NATO und der BRD erwuchs den sozialistischen Staaten und besonders der im Vorfeld der internationalen Klassenauseinandersetzung in Europa gelegenen späteren DDR ein verschlagener und heimtückischer Feind. Seit eh und je verschworen in antikommunistischen Klassenhaß, widmeten sich diese Kreise erneut - diesmal unter dem Schirm der imperialistischen Westmächte - ihrer traditionellen Aufgabe: dem subversiven Krieg gegen den Sozialismus und alle anderen fortschrittlichen gesellschaftlichen Kräfte. Die Geheimdienste der drei Westmächte, allen voran diejenigen der USA, übernahmen bei der Konsolidierung ihres neuen Verbündeten, der in den ersten Jahren in ihrem unmittelbaren Auftrage tätig war, eine besondere Rolle. Die Ergebnisse ihrer subversiven Aktionen gegen die sozialistischen Staaten kamen auch den restaurativen Kräften in den Westzonen zugute - es bildete sich eine Partnerschaft heraus, die, obwohl die Partner untereinander rivalisierten, einem einheitlichen strategischen Ziel folgte. In den Jahren von 1945 bis 1949/50 dominierten die Aktionen restaurativer deutscher Kreise und ihrer Beauftragten sowie der Westmächte gegen die anifaschistisch-demokratische Umwälzung in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR. Die gegnerischen Kräfte stellten sich zunächst die Aufgabe, möglichst große Teile des ökonomischen Potentials des deutschen Imperialismus zu retten und eine Stabilisierung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung nicht zuzulassen. Es wurde versucht, die demokratische Bodenreform aufzuhalten und die Enteignung der Betriebe der Nazi- und Kriegsverbrecher zu hintertreiben. Die restaurativen Kräfte führten einen zähen Kampf gegen die antifaschistisch-demokratischen Maßnahmen. Sie stützten sich dabei vorwiegend auf reaktionäre Kreise in der CDU und der LDPD, die wichtige Funktionen in den Länderverwaltungen bekleideten, und Konzernbeauftragte. Daneben existierte bereits eine organisierte Schädlingstätigkeit der Geheimdienste der Westmächte und solcher Agenten wie des „Ostbüros der SPD" und der 1948 gegründeten, vom CIA gesteuerten „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit". Angesichts der in der sowjetischen Besatzungszone vor sich gehenden gesellschaftlichen Fortschritte nahmen die geheimdienstlichen Aktivitäten bereits in den ersten Nachkriegsjahren den Charakter einer konterrevolutionären Wühltätigkeit an. Zu den seinerzeit vorherrschenden subversiven Praktiken gehörten die Verschiebung ehemaligen Konzerneigentums in die Westzonen,

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die Veruntreuung von Sach- und Geldwerten, die Desorganisation und vorsätzliche Mißwirtschaft, die Sabotage in den neuen volkseigenen Betrieben, die Industriespionage, der Diebstahl von Patenten und Erfindungen, die Schmälerung der Rohstoffgrundlage durch die Schiebung und Hortung wertvoller Rohstoffe, Halbfabrikate und fertiger Erzeugnisse, die absichtliche Verschlechterung der Lebensund Arbeitsbedingungen der Werktätigen in den volkseigenen Betrieben, die Fälschung von Produktionsunterlagen und vor allem schon damals die Abwerbung von Fachleuten, die in dieser schweren Zeit nicht ersetzt werden konnten.5 Eine besondere Rolle spielte die großangelegte Verschiebung von Buntmetallen, wie Kupfer, Messing, Zink, Blei und Bronze, die für den Wiederaufbau der in der sowjetischen Besatzungszone schwer zerstörten Volkswirtschaft von lebenswichtiger Bedeutung waren. Fast 80 Prozent aller 1949/50 in der DDR registrierten Straftaten waren Buntmetalldiebstähle. So wurde am 23. Januar 1950 in Berlin-Friedrichshain ein illegales Buntmetallager im Werte von rund 500 000 DM ausgehoben. Bis zum 31. März 1950 wurden 5 500 Tonnen Buntmetall sichergestellt, die der Volkswirtschaft durch Hortung und Schiebung entzogen werden sollten. Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik hatte für den weiteren Verlauf der Auseinandersetzung zwischen den revolutionären und den konterrevolutionären Klassenkräften entscheidende Bedeutung. Sie demonstrierte, daß die restaurativen Kreise in der früheren sowjetischen Besatzungszone, die ihre politische Stütze in bestimmten Gruppen in der CDU und der LDPD hatten, isoliert und die Konzeption Jakob Kaisers und seiner Parteigänger von einer kapitalistischen Restauration in allen Besatzungszonen endgültig gescheitert war. Eine solche Entwicklung offensichtlich frühzeitig einkalkulierend, hatten Beauftragte der Konzerne Ende der vierziger Jahre die illegale Auslagerung des ehemaligen Konzernbesitzes 6

Vgl. dazu: Abraham, Horst: Die Bündnispolitik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands mit den Handwerkern, Gewerbetreibenden sowie den kleinen und mittleren Unternehmern in der Zeit des Übergangs von der antifaschistisch-demokratischen zur sozialistischen Revolution (Juni 1948 bis Juli 1952). Diss. Berlin 1966, bes. S. 34 u. 76 f., S. 244; ferner: Selbmann, Fritz: Zu den Verbrechen gegen das Volkseigentum im Land Sachsen-Anhalt. In: Neues Deutschland, Berlin (A), 25.11.1949; weiterhin: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. In acht Bänden. Band 6. Von Mai 1945 bis 1949. Berlin 1966, S. 167 f.

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aus der sowjetischen Besatzungszone in die Westzonen erheblich forciert. Ein Beispiel dafür war die Schädlingstätigkeit der beiden Konzernagenten Brundert und Herwegen, die im Auftrage der ehemaligen „Deutschen Continental-Gas-AG" umfangreiche Wirtschaftsverbrechen dieser Art begangen hatten. Von Brundert und Herwegen waren Werte von mehr als 100 Millionen DM nach dem Westen verschoben worden. Im Dezember 1950 standen in der DDR 10 frühere Konzern-Direktoren und leitende Angestellte der Landesregierung Sachsen-Anhalt wegen Sabotage sowie wegen der Verschiebung von Sachwerten und Betriebsunterlagen und vorsätzlicher Mißwirtschaft vor Gericht. Die Angeklagten waren Beauftragte der ehemaligen „Deutschen Solvay-Werke AG" und des IG-Farben-Konzerns. Der Wirtschaft der DDR hatten sie einen Schaden von weit über 100 Millionen DM zugefügt. In der Landwirtschaft war die Erscheinung zu beobachten, die Demokratisierung der genossenschaftlichen Organisationen auf dem Lande zu verhindern und Sachwerte früherer kapitalistischer Genossenschaften zu verschieben. Seit dem Frühjahr 1949 war ein spürbares Zunehmen der subversiven Aktionen in diesem Sektor der Volkswirtschaft festzustellen. So deckte die Landeskommission für staatliche Kontrolle in Mecklenburg am 28. Juni 1950 organisierte Umtriebe des Klassengegners in der Landwirtschaft auf und stellte fest, daß Werte in Höhe von 30 Millionen DM von Wirtschaftsschädlingen in das Gebiet der Bundesrepublik verbracht worden waren. Im Jahre 1950 richtete sich die Wühltätigkeit gegen die Durchführung der ersten Volkswahlen in der DDR. Die gegnerischen Aktionen konzentrierten sich in verstärktem Maße auf die Sprengung des Blocks der Parteien und Massenorganisationen. In der DDR verbliebene Anhänger der bereits weitgehend ausgeschalteten reaktionären Kräfte in der Führung der CDU traten letztmalig offen in Erscheinung. Unmittelbar vor den Wahlen kam es zu einzelnen schweren Terrorakten. In der Gemeinde Borna bei Leipzig steckten feindliche Elemente am 14. Oktober mit Hilfe ausgelegter Brandsätze gleichzeitig die Ställe von 13 Neubauernhöfen an. Anfang der fünfziger Jahre baute der Imperialismus das Arsenal der Subversion und der ideologischen Diversion gegen den Sozialismus im Komplex aus. Bis zur Mitte der fünfziger Jahre entstand auch in der BRD ein umfassendes System von Geheimdiensten. Der unter dem Schirm der USA reorganisierte Geheimdienst des Generals Reinhard Gehlen stand nun als „Bundesnachrichtendienst" 8

Teller

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(BND) der Regierung der Bundesrepublik zur Verfügung. Neben den BND trat das „Bundesamt für Verfassungsschutz" (BfV). Beschäftigte sich der BND vorwiegend mit der Auslandsspionage und Subversion gegen die sozialistischen Staaten, so übernahm das BfV die Sicherung der Innenpolitik der Adenauer-Regierung, bespitzelte und verfolgte politische Gegner wie die Kommunistische Partei Deutschlands, aber auch Andersdenkende und Unzufriedene im bürgerlichen Lager. Seit 1956 vervollständigte mit der Bildung der Bundeswehr der „Militärische Abschirmdienst" (MAD) als militärischer Geheimdienstzweig mit inneren und äußeren Aufgaben das geheimdienstliche Netz der BRD. Neben diesen offiziellen staatlichen Institutionen waren schon früher subversive Organisationen entstanden, für deren Gründung der Geheimdienst der USA verantwortlich zeichnete und die äußerlich den Status privater Vereine trugen. Das betraf den „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V." und die bereits genannte „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V.", die beide im subversiven Krieg gegen die DDR eine besondere Rolle spielten. Die sogenannten Ostbüros der SPD, CDU und FDP stellten parteipolitisch orientierte Institutionen dar. Das vom „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" unterhaltene „Informationsbüro West" (IWE) war die hauseigene Spionageagentur dieses Ministeriums. Der amerikanische Sender „RIAS" („Rundfunk im amerikanischen Sektor"), der unter amerikanischer Regie stand, dessen Sendungen aber von einem deutschen Mitarbeiterstab verfaßt wurden, schaltete sich seit der sogenannten Berlin-Krise 1948 aktiv in den kalten Krieg gegen die spätere DDR ein, er erfüllte sowohl subversive als auch Aufgaben der ideologischen Diversion. In den Westsektoren Berlins entstand ein regelrechter Spionagedschungel. Zu den Einrichtungen, die sich der antisozialistischen Propaganda widmeten, zählten neben solchen Unternehmen wie „Die Stimme Amerikas" („The voice of america") die in der Bundesrepublik stationierten Großsender „Radio Free Europe" und „Radio Liberty".6 In den kalten Krieg im Äther schalteten sich auch der Londoner Rundfunk mit deutschsprachigen Sendungen, der „Sender Freies Berlin" und die „Deutsche Welle" ein. In einer Artikelserie der Springer-Zeitung „Die Welt" gab der amerikanische Ideologe James Burnham 1950, die Vernichtung des Sozialismus fordernd, als Hauptc

Siehe: Geheimnisse der USA-Geheimdienste. Berlin 1975, S. 237 f.

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richtung für die kommenden Jahre die „Intensivierung der Untergrundmethoden" an und formulierte damit die allen Unternehmen der Subversion und Diversion übertragenen Hauptaufgaben. Unter den „Untergrundmethoden" verstand er die Zersetzung auf militärischem Gebiet, die konterrevolutionäre Propaganda, die Bildung von Untergrundorganisationen, die Unterminierung der Gewerkschaften und die Verhetzung der Umsiedler.7 Der Hauptstoß im kalten Krieg richtete sich nun immer stärker gegen die gesamte Volkswirtschaft der DDR. Die volkseigenen Betriebe der Metallurgie und des Schwermaschinenbaus, vor allem die neuerrichteten Werke, durch deren Aufbau die DDR ihr wirtschaftliches Eigengewicht gegenüber der BRD zum Tragen brachte, wurden zu Schwerpunkten für die Subversion. Im Mai 1952 verkündete das Oberste Gericht der DDR das Urteil im Prozeß gegen die Agentengruppe der „Bluthunde", die konterrevolutionäre Hetze betrieben und die Sprengung eines Hochofens im Eisenhüttenkombinat Ost vorbereitet hatte. Als bedeutendstes Objekt des 1. Fünfjahrplanes war das EKO in ganz besonderem Maße das Ziel subversiver Angriffe. Rückblickend erklärte dazu der Sekretär der Betriebsparteiorganisation der SED im Kombinat am 27. Juni 1969: „Die Skala der Feindarbeit reichte von Flugblattaktionen, Hetzlosungen, Verleumdungen und Verunglimpfungen bis zur Brandstiftung, Sabotageakten beim Aufbau und im produzierenden Werk durch bezahlte Agenten. Es ist nahezu lückenlos datumsweise nachzuweisen, wie der Klassengegner in der ersten Zeit bei politischen Höhepunkten an Schwerpunktobjekten unseres Werkes Sabotageakte verübte."8 Ein weiteres Beispiel für die gegnerische Wühltätigkeit in den Metallurgie- und Schwermaschinenbaubetrieben zeigte der Prozeß gegen eine Gruppe von Spionen vor dem Landgericht Rudolstadt im Juni 1952. Die Agenten hatten dem „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" Produktionsgeheimnisse der Maxhütte Unterwellenborn ausgeliefert. In der Landwirtschaft konzentrierte sich die Schädlingstätigkeit auf die volkseigenen Güter und die ersten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Es kam zu Fällen schwerer Sabotage der 7

Burnham, James: Die Strategie des kalten Krieges. In: Die Welt, 6. u.

7. 6.1950.

8

Will, Siegfried: Die Entwicklung und Perspektive des VEB Eisenhüttenkombinat Ost unter den Bedingungen der Arbeiter-und-Bauern-Macht. Theoretische Konferenz. Frankfurt (Oder) 1969, S. 9. 8*

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tierischen Produktion durch Brandstiftungen und die Vergiftung von Vieh sowie zu terroristischen Überfällen auf fortschrittliche Bürger. Der Klassengegner suchte in der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) durch gezielte Veruntreuungen und Mißwirtschaft Schaden zu stiften und vor allem die wirtschaftlich stabilen Mittelbauern, die auf dem Lande längere Zeit eine relativ breite Schicht darstellten, vom Eintritt in die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften abzuhalten. Dabei fanden sich Helfer unter den Großbauern, von denen manche ihre wirtschaftlichen Positionen und ihren Einfluß im Dorf aufboten, um die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft zu bremsen. In einer Reihe von Fällen hatten hier auch direkte Sabotagehandlungen ihren Ausgang.9 Seit Mitte des Jahres 1952 nahm die imperialistische Wühltätigkeit in der DDR weiter zu. Die Beschlüsse der 2. Parteikonferenz der SED über den planmäßigen Aufbau des Sozialismus in der DDR wurden zum Anlaß genommen, die antisozialistischen Aktivitäten zu verstärken. Die Schädigung der Energiewirtschaft der DDR nahm großen Umfang an. Durch grobe Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften, falsche Eintragungen in den Wetterbüchern, die Unterlassung einer Brandmeldung, das Abschalten eines Ventilators und die Verhinderung der Räumung einer Nebenabteilung kam es im „Martin-Hoop-Schacht" des Zwickau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers zu einer Katastrophe, die 48 Bergleuten das Leben kostete. 10 Am 3. Februar 1953 deckte das Politibüro des ZK der SED in einem Beschluß Versuche zur Sabotierung der Kohlewirtschaft auf. Unter den Schädlingen befanden sich eine Gruppe leitender Angestellter in der Hauptverwaltung Kohle, in der VVB Steinkohle sowie leitendes Personal aus den Schächten des Zwickau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers. Durch verschiedene Maßnahmen, z. B. durch eine systematische Verringerung der Abbaufronten, hatte man die Kohleproduktion regelrecht gedrosselt. Auch in den Handelsorganen der DDR waren verbrecherische Elemente am Werk, die den seinerzeit noch spürbaren Mangel einer umfassenden staatlichen Kontrolle für Schiebungen ausnutzten und durch Mißwirtschaft vorsätzlich Versorgungslücken in Waren des täglichen Bedarfs herbeiführten. So deckte man im Winter 1952 im Ministerium für Handel und Versorgung Warenschiebungen 9 10

Siehe: Neues Deutschland, Berlin (B), 10., 14. u. 17. 5.1953. Ebenda, 6. 7.1952.

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großen Umfangs auf, die mit Desorganisation der Arbeit zur Versorgung der Bevölkerung einhergingen. Wie auf der 13. Tagung des ZK der SED (13./14. Mai 1953) festgestellt worden war, wurden „von der alten Leitung des Ministeriums für Handel und Versorgung Tausende Tonnen Zucker nach Westberlin verschoben und konnten daher nicht für die Versorgung der Bevölkerung bereitgestellt werden" 11 . Für die Eskalation des Untergrundkrieges gegen die DDR, die im Juni 1953 in der Auslösung eines konterrevolutionären Umsturzversuches gipfelte, hatte kein anderer als USA-Außenminister John Foster Dulles grünes Licht gegeben. Schon am 27. August 1952 hatte John Foster Dulles auf dem Jahreskongreß der American Political Science Association unmißverständlich dazu aufgefordert, „einem Umsturz im Inneren des Sowjetreichs herbeizuführen" 12 . Dulles empfahl die Anwendung einer breiten Skala von Subversionsund Diversionsmethoden, so die Illoyalität, den passiven Widerstand, die Sabotage in der Industrie und die Entfachung von Unzufriedenheit. Die Parole „Arbeite langsam" sollte massenhafte Verbreitung finden. In diesem Sinne sollte die „Stimme Amerikas" ihre Sendungen durchführen und verstärken. Gegenüber den sozialistischen Staaten fand dieses Programm seinen Ausdruck in der Politik der „liberation", die in Bonn als eine Politik zur „Befreiung der Zone" verstanden wurde. Dem Instrumentarium des subversiven Krieges wurde die Aufgabe erteilt, durch den konterrevolutionären Untergrundkrieg, die ideologische Diversion, Wirtschaftskrieg und politischen Boykott sowie durch andere geeignete Maßnahmen des forcierten kalten Krieges in den sozialistischen Staaten eine solche Situation herbeizuführen, in der die Inszenierung konterrevolutionärer Umsturzversuche Erfolg versprach. Bis Ende der fünfziger Jahre blieb dieses Programm, mit dessen Hilfe der Sozialismus „zurückgerollt" werden sollte, bestimmend. Aus der subversiven Tätigkeit jener Jahre nachstehend einige Beispiele: Am 16. Februar 1955 stehen die neuerbauten Sendesäle des Staatlichen Rundfunkkomitees in Berlin-Oberschöneweide in FlamEbenda, 17. 5.1953. Archiv der Gegenwart, XXII. Jg. 1952, S. 3626. Dulles' Pläne für den subversiven Krieg entsprachen seiner bereits 1950 vorgelegten Konzeption. Vgl. dazu Dulles, John Foster: Krieg oder Frieden. Wien/Stuttgart 1950. S. 186. 11

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men. 14 Menschen erleiden bei den Löscharbeiten schwere Verletzungen, es entsteht ein Sachschaden von rund 2 Millionen DM. Der Rundfunkingenieur Arno Baade, ein Agent des Geheimdienstes der USA, hatte in das Kanalsystem der Klimaanlage Brandsätze eingebaut. Im gleichen Jahre verurteilt das Oberste Gericht der DDR den Agenten des Bundesnachrichtendienstes Johann Baumgart, Brigadeleiter bei der Deutschen Reichsbahn, zu einer Zuchthausstrafe von 15 Jahren. Auf 200 Fahrten zwischen Frankfurt (Oder) und Brest-Litowsk hatte Baumgart in der VR Polen Wirtschafts- und Militärspionage betrieben und die Ergebnisse in 25 Berichten an seine Auftraggeber weitergeleitet. In den Berichten hatte er detaillierte Angaben über Zugfolgen, Zuglängen, Ladungen, den Zustand von Brücken und Bahnstrecken, die Lage von Bahnhöfen, über Neubauten, Militärtransporte und Flugplätze gemacht. Am 22. April 1956 läuft eine sensationelle Nachricht um die Welt: Bei der Ortschaft Altglienicke in der Hauptstadt der DDR, nahe der Rudower Chaussee ist ein unterirdischer Nachrichtentunnel ausgehoben worden, der von den Berliner Westsektoren aus auf DDR-Gebiet vorgetrieben worden war. Mit modernsten elektronischen Anlagen hatten die Wühlmäuse des CIA Nachrichtenkabel der Sowjetarmee und staatlicher Stellen der DDR angezapft und die so gewonnenen Informationen gespeichert. Dafj die westlichen Geheimdienste mit diesem Tunnel eine doppelte Pleite erlitten hatten, wurde allerdings erst Jahre später offenbar, als bekannt wurde, daß die sowjetischen Sicherheitsorgane bereits von dem Bauvorhaben informiert worden waren, da einer ihrer Kundschafter bei der Erörterung des Projektes zugegen war. Bei der Planung und Führung des Untergrundkrieges setzte der Imperialismus trotz der Schlappe von 1953 in der DDR auf die in den sozialistischen Staaten noch vorhandenen antisozialistischen und konterrevolutionären Kräfte, die er in ihm günstig erscheinenden Situationen durch die Zuführung von Agenten und Provokateuren von außen zur Auslösung konterrevolutionärer Aktionen zu bewegen suchte. Der Frontalangriff gegen drei sozialistische Staaten, die VR Ungarn, die VR Polen und die DDR, im Herbst 1956 lieferte dafür augenscheinliche Beweise. Der blutige Terror der Konterrevolution in der Volksrepublik Ungarn demonstrierte zugleich den imperialistischen Modellfall für das Umschlagen des Untergrundkrieges in den bewaffneten Umsturzversuch. In der DDR war im Sommer 1956 ein ausgedehnter Spionagering des CIA aufgeflogen.

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vom Januar bis zum November stellte man hier mehr als 8 500 Ballons mit 12 Millionen Aufrufen zum Sturz der Volksmacht sicher.13 Die Rechnung, in der DDR abermals einen konterrevolutionären Umsturz auszulösen, ging nicht auf. In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre zeichnete sich eine Veränderung der Konzeption für die imperialistischen Geheimdienste ab. Die Bemühungen für die Auslösung von Umsturzversuchen in den sozialistischen Staaten traten als Kombination von militärischem Druck und subversiver Tätigkeit in Erscheinung. In der Bundesrepublik erlangten bei diesen Überlegungen der Aufbau der Bundeswehr und die Integration der militärischen Verbände in die NATO Bedeutung. Die Bundesregierung war bestrebt, in Europa eine Situation der scharfen Konfrontation und der Spannungen aufrechtzuerhalten. Grenzzwischenfälle und Provokationen waren an der Tagesordnung. Westberlin wurde zu einem Zentrum explosiver Spannungen inmitten der DDR. Die von hier ausgehende Militärund Wirtschaftsspionage diente immer mehr der Vorbereitung eines militärischen Überfalls. Die Abwerbung von DDR-Bürgern stieg ins Unerträgliche. Terroristische Brandstiftungen, wie der Anschlag auf die bekannte Seebrücke in Heringsdorf am 23. Juni 1958, bei dem 14 Geschäfte durch ein Gro§feuer vernichtet wurden, sollten Unruhe und Verwirrung unter der Bevölkerung um sich greifen lassen. 1961 mehrte sich die Zahl der offenen Provokationen. Die Zahl der Grenzzwischenfälle an den Land- und Seegrenzen der DDR stieg von Mai bis Juli 1961 von 64 auf 106, völkerrechtswidrige Einflüge in den Luftraum häuften sich. In unmittelbarer Nähe der Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR nahmen die Feiern zum Gedenken an die „Opfer des 17. Juni", an denen nicht selten Einheiten des Bundesgrenzschutzes teilnahmen, einen demonstrativ-provokatorischen Charakter an. Im Publikationsorgan des Nordatlantikpaktes „Allgemeine Militärrundschau" war im Frühjahr 1961 zu lesen: „Der kalte Krieg mit den vielfältigen Mitteln der Infiltration, der Subversion und des revolutionären Staatsumsturzes wird in absehbarer Zeit seine weitere Verschärfung finden." 14 Militärischen Plänen der NATO entsprechend, konzentrierte man die subversive Tätigkeit auf die Hauptstadt der DDR sowie die angrenzenden Bezirke Frankfurt/ 13 14

Charisius/Mader: Nicht länger geheim . . . Berlin 1969, S. 327. Allgemeine Militärrundschau, Paris, H. 5/1961, S. 638.

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Oder und Potsdam. In öffentlichen Gebäuden in Berlin, darunter in der Humboldt-Universität, wurden Brandsätze zur Entzündung gebracht, im VEB Vieh- und Schlachthöfe brannte durch einen Sabotageakt eine Produktionshalle aus. In der Molkerei Strausberg bei Berlin öffneten verbrecherische Elemente nach Betriebsschluß die Absperrventile von Milchbehältern. Der Imperialismus hatte Kurs auf die Einverleibung der DDR im Ergebnis einer militärisch-subversiven Aktion der NATO genommen, die, wie man sich einig war, als eine Art „innerdeutsche Polizeiaktion" ablaufen sollte. Die Maßnahmen der Staaten des Warschauer Vertrages vom 13. August 1961 setzten diesen gefährlichen Bestrebungen rechtzeitig und schlagartig einen festen Damm entgegen. Dem Untergrundkrieg gegen die DDR und die anderen sozialistischen Staaten wurde durch die Schließung der faktisch offenen Grenze zur Hauptstadt der DDR ein empfindlicher Schlag versetzt. Der Stellenwert des Subversions- und Provokationszentrums Westberlin in den imperialistischen Plänen fiel rapide. Die zahlreichen für den Untergrundkrieg gegen den Sozialismus geschaffenen Organisationen saßen nun hinter der befestigten Staatsgrenze der DDR wie in einer Falle - Westberlin hatte die ihm zugewiesene Funktion des „Brükkenkopfes", des „Pfahles im Fleische der DDR" verloren. In den fünfziger und sechziger Jahren spielten - zum Teil gilt diese Feststellung auch für die jüngste Zeit - zahlreiche subversive Organisationen und Institutionen eine besondere Rolle. Dazu gehörten die „Ostbüros" der SPD, FDP und CDU und der Bundesnachrichtendienst. Spionagenachrichten sammelte das „Informationsbüro West" des „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen". Vorwiegend vom Geheimdienst der USA angeleitet und kontrolliert wurden der „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V." und die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V." - beide Organisationen beschäftigten sich mit der Sabotage und Spionage, dem konterrevolutionären Terror und der ideologischen Diversion. Auch der „RIAS" gehörte hierzu. Da ein militanter Antikommunismus als Bindeglied fungierte, war die Verschiedenartigkeit der Auftraggeber, d. h. Bundesregierung oder westliche Geheimdienste, im Gegensatz zu neueren bürgerlichen Darstellungen, von zweitrangiger Bedeutung.13 15

Vgl.: Hagen: Der heimliche Krieg auf deutschem Boden. S. 225 und

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In enger Nachbarschaft zu diesen Subversionsorganen befanden sich die verschiedenen Organisationen, die sich mit dem psychologischen Krieg befaßten, beispielsweise die „Vereinigung der Opfer des Stalinismus" 16 , „Rettet die Freiheit, e. V." 17 , der „Arbeitskreis 17. Juni" oder die „Arbeitsgemeinschaft 13. August" 18 (letztere wurde nach dem 13. August 1961 gegründet). Hervorzuheben ist dabei, da§ das „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" und seine Einrichtungen in Westberlin als Arbeitspartner und Koordinierungszentrum für alle diese Organisationen eine entscheidende Rolle gespielt hat und in dieser Eigenschaft auch im Untergrundkrieg gegen die DDR hervortrat. Zolling, Hermann/Höhne, Heinz: Pullach intern. General Gehlen und die Geschichte des Bundesnachrichtendienstes. Hamburg 1971, S. 255 f. Die Tendenz, solche Organe des Untergrundkrieges, den „Untersuchungsausschuß" und die „Kampfgruppe" als ausschließliche Instrumente der USA hinzustellen und damit von den Verbrechen des BRD-Imperialismus im kalten Krieg abzulenken, sind in der bürgerlichen Literatur der neueren Zeit weit verbreitet. 16 Die „Vereinigung der Opfer des Stalinismus" (VOS) gab sich als Interessenvertretung politischer Häftlinge in der DDR aus, betrieb vor allem im Zusammenhang mit dem 17. Juni 1953 eine massive antikommunistische Hetze und suchte sich noch in den sechziger Jahren jedem offiziellen Gespräch der BRD mit der DDR in den Weg zu stellen. 17 Der Verein „Rettet die Freiheit", am 20. Februar 1960 gegründet, repräsentierte einen extrem antikommunistisch gesonnenen Personenkreis und genoß das besondere Wohlwollen des seinerzeitigen Bundesverteidigungsministers Franz Josef Strauß. 18 Der „Arbeitskreis 17. Juni" wurde besonders deshalb gegründet, um die verlogene Tradition vom „Volksaufstand" in der DDR und den dazu eigens in der BRD geschaffenen Feiertag mit den periodisch wiederkehrenden antikommunistischen Gedenkreden und -feiern am Leben zu erhalten. Die „Arbeitsgemeinschaft 13. August" wurde nach der Errichtung der festen Grenzordnung zwischen der DDR und Westberlin gebildet. Als Vorsitzender des Gremiums tauchte der berüchtigte Chef der terroristischen „Kampfgruppe", Rainer Hildebrandt, auf. Außer der permanenten Verleumdung der DDR mit propagandistischen Mitteln betrieb die „Arbeitsgemeinschaft* auch Subversion, vor allem in der Form von „Fluchthilfe" für Personen, welche illegal die DDR verließen.

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Die „Ostbüros" der SPD, CDU und FDP als parteipolitische Institutionen im kalten Krieg Die „Ostbüros" der SPD, der CDU und der FDP haben im kalten Krieg gegen die Deutsche Demokratische Republik eine bedeutende Rolle gespielt. Ihre Aktivitäten gegen den Sozialismus reichen zurück bis in die Zeit der Besatzungszonen. Die „Ostbüros" stellten Institutionen der politischen Parteien in den Westzonen und der späteren Bundesrepublik Deutschland dar und fungierten sämtlich als Parteidienststellen mit spezifischen antisozialistischen Aufträgen. Die Mitarbeiter ihrer in Westberlin stationierten Hauptfilialen sammelten Spionagenachrichten und leiteten diese dem jeweiligen Parteivorstand, der Presse oder Regierungsstellen der BRD zu. In der DDR unterhielten sie ein eigenes Agentennetz. Die Tätigkeit ihrer Agenten war auf die SED, die Blockparteien und die Massenorganisationen konzentriert und galt vornehmlich der Aufgabe, die Parteien in der DDR zu unterwandern, sie ideologisch und politisch zu zersetzen und Kader für die geplante Umprofilierung der Blockparteien in der DDR und die Wiederherstellung der Sozialdemokratischen Partei im Interesse der Anschluß-Konzeption zu sammeln. Die „Ostbüros" wurden damit zu parteipolitischen Einrichtungen des kalten Krieges gegen die DDR und repräsentierten - was die Unionsparteien und die FDP anbetraf - auch die regierungsoffizielle Politik Bonns gegenüber der DDR. Deshalb verdient ihre Tätigkeit besondere Beachtung.

Das „Ostbüro" der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Die Gründung des „Ostbüros" der SPD erfolgte am 10. April 1946. Seine Einrichtung mit dem Zentrum in Westberlin war im Grunde die Antwort auf den revolutionären Vereinigungsprozefj von KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in der sowjetischen Besatzungszone sowie auf die gleichlaufenden Bestrebungen von Teilen der Arbeiterklasse in den Westzonen und in Westberlin. Die Gründung des „Ostbüros" der SPD entsprang der antikommunistischen Politik der rechten sozialdemokratischen Führer um Kurt Schumacher, die der Einheitsfrontpolitik der beiden Arbeiterparteien einen unversöhnlichen Kampf angesagt hatten. Die Einrichtung des „Ostbüros" der SPD war die Kampfansage des So-

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zialdemokratismus an die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands. Mit seiner Hilfe sollte die SED unterwandert und schließlich zerstört werden, um die sozialdemokratische Partei in der sowjetischen Besatzungszone wiederherstellen zu können. Die Entwicklung der SED zu einer marxistisch-leninistischen Partei machte jedoch diese Versuche immer aussichtsloser. Das „Ostbüro" der SPD sah deshalb Ende der vierziger Jahre seine Hauptaufgabe in wachsendem Maße •darin, ehemalige Mitglieder der SPD in der sowjetischen Zone, die in der SED abseits standen oder die Gegner der Vereinigung der Parteien waren, als „Helfer und Auskunftgeber" - was nichts anderes hieß als Spione - zu sammeln und diesen Personenkreis als Kaderreserve für die geplante Neugründung der SPD in der sowjetischen Besatzungszone aufzubauen. Diese Aufgabe aber war dem SPD-„Ostbüro" von niemand anderem gestellt worden als von Kurt Schumacher selbst.19 Später, im Herbst 1952, äußerte sich das Zentralorgan der SPD, der „Neue Vorwärts" zu den Aufgaben des „Ostbüros" der SPD wie folgt: „Eine besondere Rolle im Widerstandskampf gegen das kommunistische Regime ist dem Ostbüro zugefallen . . . Erst wenn das kommunistische Regime der Sowjetzone . . . durch andere politisch wirksam gewordene Faktoren gestürzt werden kann, erst dann wird sich das Ausmaß und der Sinn der illegalen Widerstandsarbeit der Sozialdemokratischen Partei in der Sowjetzone erweisen und bestätigen. Auf diesen Tag wird systematisch hingearbeitet." 20 Je weiter aber dieses Ziel in die Ferne rückte, desto mehr trat die Subversion in der Tätigkeit der Agenten des „Ostbüros" der SPD, das mit Stephan Thomas von einem fanatisierten und skrupellosen Antikommunisten geleitet wurde, in den Vordergrund. Der Korrespondent der britischen Zeitung „Daily Express", Wilfried G. Burchett, der sich in den ersten Nachkriegsjahren bei den britischen Besatzungstruppen aufhielt, gewann Einblick in die Praktiken des „Ostbüros" der SPD und machte darüber erste Angaben.21 Bernd Ruland erklärte, das SPD-„Ostbüro" sei „schon bald eine Nachrichten-Beschaffungsstelle geworden, die im

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Le Monde, Paris, 22.8.1952; zit. in: Turmwächter der Demokratie. Ein Lebensbild von Kurt Schumacher. Bd. 3. Als er von. uns ging. (West-)Berlin 1954, S. 145. 20 Neuer Vorwärts, Hannover, 23. 9. 1952. 21 Burchett, Wilfred G.: Der kalte Krieg in Deutschland. Berlin 1950, S. 44 f.

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West-Berliner Agenten-Dschungel des Kalten Krieges eine dominierende Rolle spielte"22. Für die sozialdemokratischen Führer um Kurt Schumacher war die DDR ein „Protektorat der Sowjetunion", eine „unerlöste Provinz", die dort herrschende gesellschaftliche und staatliche Ordnung der Todfeind. Dieser Umstand erklärte die Tatsache, warum ihr Antikommunismus und Antisowjetismus vielfach noch extremer motiviert und haßerfüllter ausgeprägt waren als selbst jene der bürgerlichen Parteien, warum ihre antisozialistischen Aktivitäten eifriger und skrupelloser betrieben wurden. 23 Noch vor der Gründung der DDR hatte Willy Brandt unmißverständlich und drohend erklärt: „Dieses Ostzonen-Protektorat wird dauernder Zersetzung seitens der Bundesrepublik ausgesetzt sein."24 Die Gewährsleute des „Ostbüros" der SPD betrieben Militär- und Wirtschaftsspionage. In zahlreichen Fällen sabotierten sie die Durchsetzung staatlicher Maßnahmen und die Erfüllung von Wirtschaftsplänen. Sie leiteten auch Informationen über den Handel zwischen der DDR und der Sowjetunion an andere imperialistische Spionagedienste und Diversionsorgane weiter. Ein Beispiel dafür ist der von Bernd Ruland erwähnte Fall des Agenten Helmut Hiller, der bis 1949 in Neubrandenburg Spionage betrieb. Hiller informierte über Saatgutlieferungen, verschaffte sich Kopien von Reparationsaufträgen und notierte Namen und Dienstgrade sowjetischer Offiziere der Kommandantur in Neubrandenburg. Er berichtete über Stärke, Bewaffnung und die Bewegung sowjetischer Truppen sowie über leitende Angestellte des Rates des Kreises und der Stadt Neubrandenburg und fertigte für seine Auftraggeber Stimmungsberichte an.25 Derselbe Autor bemerkt, „daß sich bald eine Zusammenarbeit des SPD-Ostbüros mit dem Bundesnachrichtendienst und dem Bundesamt für Verfassungsschutz ergab"26. Besonders übler Natur waren die vom „Ostbüro" der SPD unternommenen Störaktionen wirtschaftlicher Art zu Beginn der fünf32

Ruland, Bernd: Krieg auf leisen Sohlen. Stuttgart 1971, S. 100. Siehe hierzu: Teller, Hans/Thomas, Siegfried: Die Stellung der sozialdemokratischen Führung zur Gründung und Entwicklung der DDR. In: BzG, S.-Heft 1974, S. 155 f. 24 Brandt, Willy: Das sozialistische Jahrhundert. (West-)Berlin, 1949, S. 344 f. 25 Ruland: Krieg auf leisen Sohlen. S. 100. 26 Ebenda. Das „Ostbüro" der SPD wurde 1966 aufgelöst.

23

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ziger Jahre. Die Werktätigen der DDR lebten damals auf Grund der schweren Startbedingungen der Wirtschaft des zweiten deutschen Staates noch sehr hart und entbehrungsreich. Die Grundnahrungsmittel waren rationiert, Genußmittel kaum erhältlich, in den Waren des täglichen Bedarfs klafften Versorgungslücken, und der Lebensstandard war niedrig. Die führenden sozialdemokratischen Politiker in der Bundesrepublik wurden denn auch nicht müde, ihr »Mitgefühl" für die „darbenden Brüder und Schwestern in der Zone" immer aufs neue zu bekunden. Währenddessen aber schreckten die Agenten des ihnen unterstellten parteieigenen „Ostbüros" in keiner Weise davor zurück, die Versorgung der Bevölkerung der DDR mit lebenswichtigen Gütern zu stören, künstliche Versorgungslücken zu erzeugen und die Lebenslage der bedauerten „Brüder und Schwestern" zu verschlechtern. Der amerikanische Historiker John Dornberg schreibt dazu: „Ein bewährter Trick bestand darin, gefälschte Bahntransportbefehle so einzuschleusen, daß dadurch große Lieferungen von Butter, Kartoffeln, Kohle und Erzen aufgehalten oder in falsche Richtungen umgeleitet wurden. Das Ergebnis waren Versorgungslücken und Knappheit. Im Herbst 1950 gelang es dem Agenten Thomas, fünf Tiefkühlwaggons mit polnischer Butter, die für Leipzig bestimmt waren, nach Rostock 'umzudirigieren', wo sie solange auf dem Abstellgleise standen, bis die Butter ranzig geworden war . . . Im nächsten Winter verdarben Hunderte Waggonladungen Kartoffeln auf Abstellgleisen in Dutzenden von Bahnhöfen."27 Die Tätigkeit des „Ostbüros" der SPD auf dem Gebiet der ideologischen Diversion konzentrierte sich in dieser Zeit auf eine politische und organisatorische Unterwühlung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Die Beauftragten des SPD-„Ostbüros" suchten innerhalb der SED Fraktionen zu bilden und Anhänger als Kaderreserve zu gewinnen. Dazu gehörte auch die Verbreitung von gegen die SED und besonders deren Zentralkomitee gerichteten Druckschriften, in denen zum Sturz der bestehenden gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung in der DDR aufgerufen und die Politik von Partei und Regierung verleumdet wurde. So berichtete das Zentralorgan der SPD im Jahre 1952, daß es in kürzester Frist gelungen sei, mehrere Hunderttausend antikommunistische Flugblätter und Broschüren in die DDR einzuschleusen.28 Die sozialdemokratische 27

Dornberg, John: Deutschlands andere Hälfte. Profil und Charakter der DDR. Wien/München/Zürich (1969), S. 142 ff. 28 Neuer Vorwärts, 23.9.1952.

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Zersetzungspropaganda war ein fester Bestandteil der offiziellen antikommunistischen Hetze gegen die DDR, die auch über die Rundfunkanstalten der Bundesrepublik, vor allem jedoch über den in Westberlin stationierten amerikanischen Sender „RIAS", betrieben wurde, dessen sich gerade Kurt Schumacher bei seinen an die Bevölkerung der DDR gerichteten Reden immer wieder bediente.

Das „Ostbüro der Christlich-Demokratischen Union. Die „Exil-CDU" Die Tätigkeit dieser Einrichtung war ganz ähnlicher Natur wie diejenige des SPD-„Ostbüros". Auch hier wurden unter dem Deckmantel einer Informations- und Beratungsstelle Diversion und Subversion betrieben. Ein charakteristisches Beispiel f ü r die Bestrebungen des „Ostbüros" der CDU im kalten Krieg gegen die DDR waren die 1952 vom Strafsenat Erfurt aufgedeckten Tatsachen. 29 In diesem Prozeß hatten sich die Angeklagten f ü r ihre gegen die demokratische Blockpolitik gerichtete Wühltätigkeit zu verantwortenAls fortschrittliche Bürger getarnt, hatten sie in der DDR illegale Organisationen der CDU der BRD gebildet. Diese Tätigkeit war auf das Ziel orientiert, die CDU der DDR aus dem demokratischen Block der Parteien und Massenorganisationen zu lösen, sie schließlich zu zerstören, eine Kaderreserve zu bilden und solcherart die Voraussetzungen zu schaffen, daß am „Tag X" die CDU der DDR in den Unionsparteien der Bundesrepublik aufgehen konnte. Vor allem im Thüringer Raum entfaltete das „Ostbüro" der CDU eine angestrengte Tätigkeit. Die Agenten konzentrierten sich dabei vor allem auf labile CDU-Mitglieder in der DDR, die sie durch Druck und Einschüchterung f ü r die Politik Konrad Adenauers und Jakob Kaisers zu gewinnen suchten. Sie betrieben auch politische und militärische Spionage, verteilten Hetzschriften des „Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen, e. V." und der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V." und verfügten über Beziehungen zum CIA. Es wurden illegale Zusammenkünfte organisiert und tote Briefkästen f ü r die Aufnahme von Spionagematerialien angelegt. Über Verbindungsleute leitete die gut eingespielte Organisation die Nachrichten an das „Ostbüro" der CDU in Westberlin weiter. Die 29

Vgl. Tägliche Rundschau, Berlin, 21.12.1952.

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illegalen Organisationen bestanden in Camburg, Suhl, Weimar und Jena. Einer der später Angeklagten verschaffte dem „Ostbüro" der CDU vertrauliche Informationen über die Hochschule f ü r Architektur in Weimar und verteilte dort konterrevolutionäre Flugblätter. Die ganze Organisation arbeitete streng konspirativ, die Nachrichten wurden ausschließlich durch Kuriere weitergeleitet, und die Mitglieder hatten Decknamen. 3 0 Eine ähnlich geartete Tätigkeit betrieb die „Exil-CDU" in der Bundesrepublik. Die Gründung der „Exil-CDU" fand am 24. und 25. September 1950 in Westberlin statt; im Oktober des gleichen Jahres gliederte man die Organisation als „Landverband" in die CDU der BRD ein. 31 Es war bezeichnend, daß bei der Gründung der „ExilCDU" das „Ostbüro" der Partei Pate stand - eine Tatsache, die auch die enge Bindung der beiden Einrichtungen kennzeichnet. Die „ExilCDU" war eine politische Untergrundorganisation, die nach dem endgültigen Zusammenbruch der konterrevolutionären Politik Jakob Kaisers und seiner Anhänger in der sowjetischen Besatzungszone ins Leben gerufen worden war. Allein ihre offizielle Bezeichnung war eine permanente Verleumdung der CDU in der DDR und der dortigen staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Durch ihre Existenz sollte der Öffentlichkeit eingeredet werden, daß in der CDU der DDR aufrechte christliche Demokraten keinen Platz hätten und verfolgt würden, weshalb sie sich zu einer „Exil"-Partei zusammengeschlossen hätten. Die „Exil-CDU" war - ähnlich wie die revanchistischen Verbände in der Bundesrepublik - in sogenannte Landsmannschaften (Thüringen, Sachsen, Sachsen und Anhalt, Mecklenburg und Brandenburg) gegliedert. Als Vorsitzende dieser Schatten-Landesverbände fungierten solche eingeschworenen Feinde der DDR wie Jakob Kaiser, Ernst Lemmer, Johann B. Gradl, Heinrich Krone, Elfriede Nebgen und andere. In einer in der Bundesrepublik in neuerer Zeit erschienenen Veröffentlichung, die sich als eine großangelegte Rechtfertigung der Politik und der ministeriellen Tätigkeit Jakob Kaisers versteht, heißt es: „Die Exil-CDU wollte . . . den politischen und moralischen Widerstand gegen den offensiven Kommunismus stärken . . . Der politi30

Ebenda. Vgl.: Conze/Kosthorst/Nebgen: Jakob Kaiser. Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 1949-1957. S. 162.

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sehe Kampf, darüber war man sich klar, konnte nur mit dem Mittel des gesprochenen, geschriebenen und gesendeten Wortes geführt werden . . ."32 Diese betont vorsichtige Einschätzung trifft jedoch nicht den Kern der praktischen Tätigkeit der „Exil-CDU", die vielmehr ein konterrevolutionäres Führungszentrum der CDU der BRD darstellte, das es sich zum Ziel gesetzt hatte, die CDU in der DDR zu unterwandern, die führenden Funktionäre dieser Partei zu verleumden, die Partei zu diskreditieren, um eines Tages die Parteiorganisation wirklich christlicher Demokraten ausschalten zu können. In diesem Interesse verlief die enge Zusammenarbeit mit dem „Ostbüro" der CDU, dem „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" und dem „Büro Jakob Kaiser" in Königswinter33, und es war kein anderer als Ernst Lemmer selbst, ein enger Freund Jakob Kaisers, welcher die subversive Tätigkeit der „Exil-CDU" recht unumwunden bestätigte.34 Ganz ähnlich wie die illegalen Gruppen der SPD in der DDR sollte die „Exil-CDU" in erster Linie eine Kaderreserve für die nach dem Anschlug der DDR an die BRD neu zu schaffenden Landes- und Kreisverbände der westdeutschen CDU sein. Für diese Aufgabe, die mit der Realität allerdings immer mehr in Konflikt geriet, hielt sich die „Exil"-Partei präsent.

Das „Ostbüro" der Freien Demokratischen Partei Was das „Ostbüro" der FDP anging, so unterschied sich seine Tätigkeit im kalten Krieg in keiner Weise von derjenigen der SPD und der CDU. Hier galt die „Aufklärungs- und Zersetzungsarbeit des Ostbüros in der sowjetischen Besatzungszone", wie die Aufgabenstellung in einem Tätigkeitsbericht der Partei formuliert wurde35, in erster Linie der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands. Die vom „Ostbüro" der FDP gegründeten sogenannten LDP-Beiräte hatten außerdem die Aufgabe, zu sichern, daß in den Westzonen „vereinzelt auftretende Versuche, eine besondere liberale Partei 32

Ebenda, S. 163. Ebenda, S. 164. 34 Lemmer, Ernst: Manches war doch anders. Erinnerungen eines deutschen Demokraten. Frankfurt a. M. 1968, S. 33. 35 Siehe dazu: FDP-Bundesparteitage, Tätigkeitsbericht November 1952 bis Februar 1954, S. 54). (Manuskript). 33

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nach den Grundsätzen des Eisenachers Programms der SowjetzonenLDP zu gründen, nicht zur Auswirkung kamen" 3 6 . Diese „LDP-Beiräte" wurden bei allen Landesverbänden der FDP gebildet. Sie bestanden auch auf örtlicher Ebene. Als Dachorgan schuf man einen „LDP-Bundesbeirat", sein Sekretariat war die Zentrale des „Ostbüros" der FDP. Der „LDP-Bundesbeirat" nahm die Funktion eines beratenden Zentrums für den Bundesvorstand und die Bundestagsfraktion der FDP wahr. In provokatorischer Manier gab er sich als Interessenvertretung der Mitglieder der LDPD der Deutschen Demokratischen Republik aus. Auf Bundestagsebene vollzog sich diese Politik der permanenten Einmischung in die Interessen der LDPD über den „gesamtdeutschen Ausschuß", wo die Abgeordneten der FDP zumeist einträchtig mit denen der SPD und der CDU zusammenarbeiteten. 37 Was die personelle Zusammensetzung der verschiedenen „LDPBeiräte" anging, so vereinten sich hier die „anerkannten politischen LDP-Flüchtlinge" 3 8 , das heißt die aus der sowjetischen Besatzungszone und der späteren D D R nach dem Westen abgewanderten reaktionären Elemente der LDPD, die sich durch ihre antidemokratische Haltung und ihre Störaktionen gegen den Demokratischen Block der Parteien und Massenorganisationen sowie durch ihren Antikommunismus selbst isoliert und damit auch politisch ausgeschaltet hatten. Die „LDPD-Beiräte" sollten der FDP solche „Flüchtlinge" zuführen und damit zugleich verhindern, daß diese Mitglieder anderer politischer Parteien in der Bundesrepublik wurden. In der LDPD betrieben diese „Beiräte", die keinerlei Mandat von den LDPD-Mitgliedern hatten, eine ausgesprochene Wühltätigkeit. In dieser Eigenschaft entsprachen sie grundsätzlich den Verbänden der „Exil-CDU", bzw. den Beauftragten des „Ostbüros" der SPD. Hinsichtlich seiner Struktur wies das FDP-„Ostbüro" kaum Unterschiede zu denjenigen der anderen beiden Parteien auf. Der Apparat gliederte sich in 3 Außenstellen, deren Sitz sich in Westberlin sowie in Gießen und Uelzen befand; die wichtigste Außenstelle, in deren Händen sich, wie es heißt, „die politisch-propagandistische Arbeit für die Zone" 3 9 konzentrierte, war die in Westberlin. Die Zentrale hatte ihren Sitz in Bonn. Sie verfügte über „I-Stellen" („Infor36 37 38 39

9

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Teller

S. S. S. S.

64. 31 f. 64. 54. 115

mationsstellen"), ständiges „Informationszentrum" war Eschwege. Die Aufgabe der „I-Stellen" war „vor allem die Durchführung von Einschleusungsaktionen in die Zone" 40 . Unter solchen „Einschleusungsaktionen" verstand man „Ballon- und Spezialaktionen", mit deren Hilfe konterrevolutionäre Flugblätter, Broschüren, Zeitungen und Zeitschriften, auch in der Form sogenannter Tarnzeitschriften, illegal in die DDR verbracht wurden. So wurde berichtet, daß die sämtlich an der Grenze zur DDR eingerichteten „I-Stellen" im Jahre 1953 1 074 092 Exemplare „antikommunistischen Propogandamaterials" mit Hilfe von ca. 14 000 Ballons eingeschleust hätten. Davon schickte die Westberliner Außenstelle allein 736 207 Schriften und 10 000 Ballons auf die Reise. Als „Sonderaktion" wurde während einer Westberliner Industrieausstellung eine „Tarnzeitung", die von der Zentrale des „Ostbüros" der FDP in Bonn hergestellt worden war, in Höhe von 30 000 Exemplaren illegal in der DDR verbreitet. 41 Adressaten des Hetzmaterials waren, wie es im Bericht hieß, „Funktionäre der Sowjetzonen-LDP und Offiziere der Volkspolizei" 42 . Als Publikationsorgan des sogenannten Hilfsdienstes Ost gab das „Ostbüro" der FDP auch den monatlich erscheinenden „Ost-Dienst" heraus, ein revanchistisches Informationsblatt, in welchem die Entwicklung in der DDR und in den anderen sozialistischen Staaten verzerrt wurde. Die „I-Stellen" dienten außerdem der „Informationsbeschaffung", die mit Hilfe eigener Agenten in der DDR durchgeführt wurde. Ein weiterer Schwerpunkt war die „Personenerfassung", deren konterrevolutionärer Charakter anhand des sehr gründlichen Tätigkeitsberichtes bis ins einzelne nachgewiesen werden kann. Die umfangreichen Karteien der „I-Stellen" umfaßten: 1. eine „Westkartei", in welcher die „Flüchtlinge" aus der DDR verzeichnet waren, 2. eine „Ostkartei" mit einer Übersicht zu Mitgliedern und Funktionären der LDPD, 3. eine „Warnkartei West" mit den Namen von Kommunisten in der Bundesrepublik bzw. solchen Personen, welche die Politik der Bundesregierung ablehnten, 4. eine „Warnkartei Ost" mit den Namen fortschrittlicher Bürger der DDR und Angehöriger der Sicherheitsorgane, 40 41

Ebenda, S. 57. Ebenda, S. 61 f. u. S. 60.

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5. eine „V-Leute-Kartei", welche Angaben über die Gewährsleute des FDP-„Ostbüros" enthielt, die Auskünfte über „Flüchtlinge" und in der DDR befindliche Personen machen konnten. Hier handelte es sich um die Agentenkartei des „Ostbüros", 6. eine „X-Kartei", die Auskunft über „ausgewählte LDP-Flüchtlinge und noch in der Zone lebende LDP-Anhänger für den „Tag X" geben sollte, also eine Kader-Kartei und 7. eine „Verhafteten-Kartei". 43 Der FDP-eigene Apparat des kalten Krieges gegen die DDR war auf zwei Ebenen wirksam. Auf der parteipolitischen Ebene diskreditierte er die LDPD in der DDR, gab die FDP als Interessenvertretung der LDPD-Mitglieder aus und mischte sich solcherart permanent in die Angelegenheiten einer selbständigen politischen Partei, die sich außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik befand, ein. Auf der anderen Ebene fungierte das „Ostbüro" der FDP mit seinen „Informationsstellen" gegenüber der LDPD als subversives Organ, das in einer Blockpartei in der DDR und darüber hinaus auch in anderen Bereichen eine konterrevolutionäre Zersetzungsarbeit betrieb, die auf das Ziel orientiert war, am „Tage X" die Führung der LDPD zu stürzen, einen großen Teil der Funktionäre der Partei auszuschalten und die Mitgliedschaft in der FDP aufgehen zu lassen. Das „Ostbüro" der FDP, dessen Funktion anhand des bis ins Detail gehenden Tätigkeitsberichtes auf diesen beiden Ebenen lückenlos nachgewiesen werden kann, kooperierte mit allen Organisationen und Institutionen, die im kalten Krieg gegen die DDR eine besondere Rolle spielten. Dazu gehörte als staatliche Einrichtung in erster Linie das „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" mit dem ihm angeschlossenen spezifischen Apparat, aber auch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Sehr bezeichnend war die Verbindung des FDP-„Ostbüros" zum „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V.", zur „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V." und anderen Spionage- und Terrororganisationen/' 4 Der Leiter des „Ostbüros" der FDP hatte einen Sitz im Vorstand des „Königsteiner Kreises" inne, wo ebenfalls eine „X-Kartei" bestand und Zuarbeit für den „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" geleistet wurde. Verbindungen bestanden auch zum „Gesamt42 43 44

9*

Ebenda, S. 29. Ebenda, S. 59 f. Ebenda, S. 62.

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verband der Sowjetzonenflüchtlinge"45, dessen Konstituierung mit Hilfe des „Ostbüros" der FDP zustande kam. Es kann daher nicht verwundern, daß auch im FDP-„Ostbüro" die «Vorbereitung des Tages als die wichtigste Aufgabe im kalten Krieg gegen die DDR verstanden wurde. Die Vorbereitungen zur Einverleibung der DDR in die imperialistische Bundesrepublik - im offiziellen bundesdeutschen Sprachgebrauch als Wiedervereinigung umschrieben wurden sowohl auf „sachlichem" als auch auf „personellem" Gebiet mit Eifer betrieben. Zur „sachlichen Vorbereitung" gehörten die schon erwähnte „Informationsbeschaffung", mit deren Hilfe Rückschlüsse über alle zu treffenden Maßnahmen bei der „Wiedervereinigung"47 ermöglicht werden sollten, die Mitarbeit im Forschungsbeirat in anderen Gremien und Dienststellen, welche sich der aggressiven Einverleibungspolitik widmeten, und die Einschleusung großer Mengen von Hetzschriften, in denen zum Sturz der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung in der Deutschen Demokratischen Republik aufgerufen wurde. Im Zusammenhang mit der „personellen Vorbereitung" erfaßte das FDP-„Ostbüro" in der sogenannten X-Kartei solche Personen, die „nach einer Wiedervereinigung der Zonen in der derzeitigen Sowjetzone eine Verwendung in Wirtschaft, Verwaltung und Partei finden sollte (n)"48. Es steht außer Zweifel, daß das „Ostbüro" der FDP in der LDPD zahlreiche Parteigänger und Spitzel unterhielt. So wurde ein Fall bekannt, wo sich das „Ostbüro" der FDP damit brüstete, daß man vertrauliche Materialien einer Konferenz der LDPD, die im September 1952 in Leipzig stattgefunden habe, schon im folgenden Monat in Bonn ausgewertet hätte.49 Der „Entwurf eines Planes zum Aufbau einer freien liberalen Parteiorganisation nach erfolgter Wiedervereinigung" - das heißt der großbürgerlichen FDP auf dem Territorium der DDR - lag bereits 1952 vor.50 45 46 47 48 49 50

Ebenda, Ebenda, Ebenda. Ebenda, Ebenda, Ebenda,

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S. 63. S. 29. S. 30. S. 26. S. 61.

Der Bundesnachrichtendienst Der Bundesnachrichtendienst (BND), über dessen Geschichte, Tätigkeit, Aufgabenstellung und Struktur in der Literatur der DDR bereits spezielle Untersuchungen vorliegen, ist seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland deren offizielle staatliche Geheimdienstorganisation.51 Dem Bundeskanzleramt unterstellt, verfügt er über zum Teil erhebliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Entscheidungen der Regierung und der im Bundestag vertretenen Parteien. Der BND führt Aufträge der Regierung aus, er ist, wie von offizieller Seite erklärt wird, über seine Tätigkeit der Bundesregierung rechenschaftspflichtig - wobei man zum letzteren allerdings sagen muß, daß der BND sich in seiner Praxis nie viel aus dieser Kontrollbefugnis des bürgerlich-parlamentarischen Systems in der BRD gemacht hat. Schon zu Beginn der fünfziger Jahre, als sich die Bundesrepublik noch stark unter der Regie der USA befand, wurde die gegen die DDR und die anderen sozialistischen Staaten betriebene Politik des kalten Krieges zu einem nicht unwesentlichen Teil über den BND realisiert. Zwischen Kanzler Adenauer und dem ehemaligen General Reinhard Gehlen aus der Abteilung „Fremde Heere Ost" des Generalstabes der faschistischen Wehrmacht bestand spätestens seit 1949 ein vertrautes Verhältnis. Das erste förmliche Amtsgespräch des Bundeskanzlers mit Gehlen fand am 20. September 1949 unmittelbar nach der ersten Kabinettssitzung statt. Zwei BRD-Journalisten, die in diesem Zusammenhang von einer „unheilige (n) Allianz zwischen Geheimdienst und Staatspartei" sprechen, führen auch die Gründe für diese Eile an. Danach „stimmten Adenauer und Gehlen in der politischen Lagebeurteilung überein: Beide rechneten mit der Möglichkeit eines Krieges zwischen West und Ost, beide sahen Westdeutschland von einer fünften Kolonne des Kommunismus bedroht"52. Die Unentbehrlichkeit des BND für die Bundesregierung und die Westmächte resultierte vor allem aus den folgenden Faktoren: - der „zuverlässigen" faschistisch-militaristischen Vergangenheit Reinhard Gehlens und der von ihm in die Pullacher Zentrale 51

Vgl. dazu vor allem den Titel von Charisius/Mader: Nicht länger geheim . . . 2. Aufl. Berlin 1975. 52 Zolling/Höhne: Pullach intern . . . S. 228 f. u. S. 226.

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eingebrachten, aus den Reihen der früheren „Abwehr" und des SD rekrutierten Kader; - der besonderen Unterstützung durch die USA-Geheimdienste, denen sich Gehlen durch die Übergabe seiner Agenturen empfohlen hatte; - der Möglichkeit, mit Hilfe der weitgehend intakt gebliebenen Geheimdienstorganisation das subversive Netz auf dem Territorium der sozialistischen Staaten in Europa zu reorganisieren bzw. neu aufzubauen, d. h. in kurzer Zeit einen neuen imperialistischen deutschen Geheimdienst zu schaffen, der im kalten Krieg gegen den Sozialismus eine tragende Rolle übernehmen konnte; - der Unentbehrlichkeit der Organisation Gehlen für die BRD auf dem Gebiet der antidemokratischen Innenpolitik, d. h. der Verfolgung der KPD und der Einschüchterung oppositioneller Kräfte ; - dem besonderen Wert dieses Geheimdienstorgans für den Bundeskanzler, da dieser über die Organisation Gehlen seine „Politik der einsamen Entschlüsse" über Bespitzelungskanäle und die Kenntnis von Amts- und Parteiinterna bequemer durchsetzen konnte. Auf der Basis einer völligen Übereinstimmung von Bundesregierung und Geheimdienst in allen entscheidenden Fragen des kalten Krieges baute Reinhard Gehlen seine Agentur, die bald auch als „Org" bezeichnet wurde, auf. Diese Übereinstimmung war keinesfalls neu: Ehemalige Kader der „Abwehr", wie Eugen Gerstenmaier, Josef Müller und Theodor Oberländer, spielten im Prozeß der imperialistischen Restauration in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands und im Ausbau des staatsmonopolistischen Systems in der Bundesrepublik eine nicht unerhebliche Rolle und hatten bedeutende staatliche und politische Funktionen inne. 53 Aber auch die SPD unterhielt zu Gehlen Kontakte. Von den sozialdemokratischen Führern standen Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer in Verbindung mit Gehlen, der über seine „Wochenberichte" auch Fritz Erler informierte. 54 Die DDR fungierte im Operationsplan des BND als „Operationsgebiet I", sie rangierte an der Spitze der Spionageobjekte in den sozialistischen Staaten und stellte das Ziel der „Nahaufklärung" dar, Mader: Hitlers Spionagegenerale sagen aus . . . S. 26 f. Gehlen, Reinhard: Der Dienst. Erinnerungen 1942-1971. Mainz/Wiesbaden 1971, S. 201 f.

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während die sogenannte Fernaufklärung, d. h. die Spionage gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten, laut Gehlens Dienstanweisungen erst später, im Januar/Februar 1953, begann. 55 Den geheimdienstlichen Praktiken entsprechend, hatte der Aufbau des neuen Agentennetzes der „Org" schon lange vor der Gründung der beiden deutschen Staaten begonnen. So hatte ein US-Colonel Gehlen den 1. Juni 1947 als Termin genannt: „Bis dahin sollte das Agentennetz in die feindliche Zone (Bann) eingeführt sein - in die deutsche Sowjetzone, Polen und die Sowjetunion."5Die vom Bundesnachrichtendienst in der DDR betriebene Spionage richtete sich vor allem gegen Anlagen militärischer und wirtschaftlicher Art. Bei den Sicherungskräften und den in der DDR stationierten sowjetischen Truppen waren militärische Objekte und Militärtransporte sowie Grenzsicherungsanlagen die bevorzugten Spionageobjekte. In der Wirtschaft der DDR galten die Spionage und Sabotage der BND-Agenten dem Handel zwischen der BRD und der DDR, dem Außenhandel der DDR mit anderen Staaten, den volkseigenen Industriebetrieben und dem Bauwesen. Im Verkehrswesen stand die Deutsche Reichsbahn als Schwerpunktobjekt im Vordergrund. Bevorzugte Objekte bei der Reichsbahn waren z. B. das innerbetriebliche Transportwesen, die Be- und Entladung, Bauten, Arbeitsberichte, Dienst- und Fahrpläne und Personalunterlagen. Generell konzentrierte man sich im Verkehrswesen der DDR auf Brückenpläne, Telefonverzeichnisse von Dienststellen, interne Protokolle, Straßenbauvorhaben, Schiffsausrüstungen, Verladetermine, die Volkswirtschaftspläne und immer wieder »Engpässe der Produktion", durch deren Auskundschaftung gezielte wirtschaftliche Störungen möglich werden sollten. Von den Agenten in den Bau-Unionen wollte man Auskünfte über im Bau befindliche Produktionsanlagen, über Materiallieferungen und nicht zuletzt über die Konstrukteure. 57 Der Bundesnachrichtendienst schaltete sich frühzeitig und aktiv in den Wirtschaftskrieg gegen die DDR ein und überwachte die Einhaltung von Embargomaßnahmen bzw. verschärfte diese sogar. Zur Realisierung der Spionageaufträge in der DDR verfügte der BND über ein Netz geschulter Funker und Kuriere, welche die Spionage55 56 57

Zolling/Höhne: Pullach intern . . . S. 185. Ebenda, S. 123. Ebenda, S. 149 f.

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informationell weiterleiteten. 58 Kuriere entleerten regelmäßig die »toten Briefkästen", wie sie z. B. der technische Revisor Leopold Müller aus Wittenberge anlegte, der auf diese Weise 145 Spionageberichte über die volkseigene Industrie im Bezirk Schwerin an den BND lieferte und auch Militärspionage betrieb.59 Zu den Formen und Methoden der subversiven Tätigkeit des BND gegen die Deutsche Demokratische Republik gehörten die Infiltration, die staatsfeindliche Hetze, die Bildung konterrevolutionärer Untergrundorganisationen, die Durchführung terroristischer Akte ohne Rücksicht auf Menschenleben, schwere Provokationen, der Grenzterrorismus, die Diversion und die Sabotage. Verhandlungen gegen Gehlen-Agenten vor den Gerichten der DDR haben eine Fülle von Beweismaterial zur verbrecherischen Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes gegen die DDR und andere sozialistische Staaten erbracht.60 So nahmen 1954 die Sicherheitsorgane der DDR den Gehlen-Agenten Georg Kowalski in Bad Saarow (Bezirk Frankfurt,/ Oder) fest, der seinen Beruf als Entstörer bei der Deutschen Post ausgenutzt hatte, mit Spezialgeräten Telefonspionage zu betreiben. Der im selben Jahr verhaftete Manfred Naumann war als Funker ausgebildet worden und verbarg an seinem Wohnort in Blankenburg im Harz ein als Kofferradio getarntes amerikanisches Funkgerät. Allein im Frühjahr 1960 stellten die Sicherheitsorgane der DDR 17 Funkgeräte des Bundesnachrichtendienstes sicher.61 Im gleichen Jahr verurteilte der 1. Strafsenat des Bezirksgerichtes Dresden den BND-Agenten Manfred Gerlach zu lebenslänglichem Zuchthaus. Als technischer Direktor und Ingenieur im VEB Entwicklungsbau Pirna hatte er dem Bundesnachrichtendienst rund 600 Fotokopien von Konstruktionsunterlagen der Flugzeugindustrie der DDR ausgeliefert. Trotz technisch begründeter Einwände ließ Gerlach Versuche durchführen und erteilte bewußt falsche Anweisungen. 58

Ebenda, S. 148 f. Mader, Julius: Die graue Hand. Ein Abrechnung mit dem Bonner Geheimdienst. Berlin 1960, S. 114. 60 Siehe dazu: Charisius/Mader: Nicht länger geheim . . . Berlin 1969, S. 432 f. sowie Mader: Die graue Hand . . . Vgl. ferner die Gerichtsverhandlungen gegen Gehlen-Agenten in der DDR, abgedr. in: Neue Justiz, Berlin Nr. 1/54 gegen Haase u. a.; Nr. 15/54 gegen Silgradt u. a.; Nr. 22/54 gegen Bandelow u. a.; Nr. 13/55 gegen Lehmann u. Benkowitz u. a.; Nr. 18/95 gegen Keimling u. a.; Nr. 14/62 gegen Steglich u. a. 61 Mader: Die graue Hand . . . S. 105 u. 117. 59

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Schwere Havarien mit tödlichen Unfällen und Millionenschäden waren die Folge.62 Diese vorstehend erwähnten Fälle sind nur wenige Beispiele aus der Jahr für Jahr gerichtsnotorisch belegbaren Liste von Verbrechen des BND gegen die DDR, die nur einen Einblick in die Tätigkeit des BND im „Operationsgebiet I" vermitteln und die beliebig erweitert werden könnten. 63 Die Höhepunkte im subversiven Krieg gegen die DDR sind auch an der Wühltätigkeit des Bundesnachrichtendienstes ablesbar. So trat der BND im Frühjahr 1953, in der Zeit der intensiven Vorbereitung eines konterrevolutionären Umsturzes in der DDR, mit einer Aktion in Erscheinung, die unter dem Codenamen „Vulkan" in die Geschichte des kalten Krieges eingegangen ist. „Vulkan" war eine sorgfältig geplante und durchgeführte Störaktion gegen den Handel zwischen den beiden deutschen Staaten. Sie sollte die Wirtschaft der DDR treffen und die Wirtschaftskreise in der Bundesrepublik einschüchtern, die Handelsverbindungen zur DDR unterhielten. Im Ergebnis dieser Aktion sollte der gesamte Handel zwischen der BRD und der DDR zum Erliegen kommen. Beauftragte des BND besetzten das „Büro für innerdeutschen Handel" in Frankfurt am Main und nahmen dessen Leiter fest, dem der Vorwurf von Staatsgefährdung und Spionage (!) gemacht wurde. Zur selben Zeit wurden in verschiedenen Orten der Bundesrepublik annähernd 40 Firmenchefs festgenommen und weitere 150 Personen aus dem gleichen Kreis unter Anklage gestellt. Im Interesse der beabsichtigen Einschüchterung erstreckten sich die Festnahmen über ein großes Gebiet der BRD. Als später die Haltlosigkeit der Anklage eingestanden werden mußte, sahen sich die Behörden der BRD zur Zahlung erheblicher Entschädigungen an einen Teil der betroffenen Kaufleute gezwungen.64 In den Jahren 1954 bis 1956 standen die Versuche des BND zur Bildung konterrevolutionärer Gruppen in der DDR im Vordergrund. In die VR Ungarn wurden zur Zeit der konterrevolutionären Ereignisse Gruppen bewaffneter Gehlen-Agenten eingeschleust.6^ In der DDR zerschlugen die Sicherheitsorgane 1955 eine Reihe von Spionage- und Terrorgruppen, die sich mit der Vorbereitung eines 62 03 64 65

Ebenda, S. 118. Ebenda, S. 101 f. Ebenda, S. 75 f. u. S. 78. Charisius/Mader: Nicht länger geheim . . . S. 340.

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konterrevolutionären Umsturzes beschäftigten. 6 6 Im Frühjahr 1961 konzentrierte der Bundesnachrichtendienst seine Wühltätigkeit in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr vorwiegend auf die militärische Spionage mit dem Ziel der Vorbereitung einer militärischen Aktion gegen die DDR. Davon zeugte auch die Aushebung illegaler Funkstützpunkte des BND, die im ersten Halbjahr um 20 Prozent höher lag als im gesamten Jahre 1959. 67

Der „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V." Hinter dieser Organisation, die den unverfänglichen Namen eines »Untersuchungsausschusses" trug, verbarg sich eine vom CIA (Central Intelligence Agency) und der Bundesregierung finanzierte und gesteuerte Geheimdienstzentrale, die vom Territorium Westberlins aus Spionage und Sabotage in der DDR betrieb. Über seinen Sitz im „Forschungsbeirat f ü r die Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" 68 stand der „Untersuchungsausschuß", der 1969 zusammen mit Organisationen ähnlichen Charakters in das neugegründete „Gesamtdeutsche Institut" übernommen wurde, in einem ständigen und engen Kontakt mit dem „Bundesministerium f ü r gesamtdeutsche Fragen". Der „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V." (im folgenden „UfJ" genannt, H. T.) trat als seriöses juristisches Auskunfts- und Informationsbüro auf. Dieses Aushängeschild sollte Bürger der DDR und ihrer Hauptstadt, die sich in den fünfziger Jahren um Rechtsauskünfte in Westberlin bemühten, anlocken. Die meisten der Auskunftsuchenden dienten dem „UfJ" zur Auffüllung seiner Agentenkartei. Der „UfJ" suchte durch die Verbreitung gefälschter Nachrichten das Ansehen der DDR in der Öffentlichkeit herabzusetzen, betrieb Spionage und Sabotage in der Industrie der DDR und im Außenhandel, lieferte Propagandamaterial f ü r den Ätherkrieg und beschäftigte sich mit einer massenhaften Verbreitung von Hetzflugblättern. Begründet wurde die Organisation im 66

Mader: Die graue Hand . . . S. 107. Charisius/Mader: Nicht länger geheim . . . S. 340. 68 Vgl. die Rede Jakob Kaisers auf der konstituierenden Sitzung des „Forschungsbeirates" am 24. 3. 1952; abgedr. bei: Voßke, Heinz: Aus Geheimprotokollen . . .

67

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September 1949 von Horst Erdmann, einem bis dahin in Beizig (Bezirk Potsdam) ansässig gewesenen Notar,. der später unter dem Namen Theo Friedenau auftrat. Schirmherr der Gründung war ein gewisser Don Travis, 2. Intendant des Senders „RIAS" Berlin. Als Finanzier des „UfJ" trat die Ford Foundation in Erscheinung, doch erhielt Erdmann auch finanzielle Zuwendungen vom „Bundesministerium f ü r gesamtdeutsche Fragen" in der Form von „Bundeszuschüssen", ferner vom Bundesamt f ü r Verfassungsschutz und sogar von der Bundesregierung selbst. 69 In neuerer Zeit wird von bürgerlichen Autoren zwar bestätigt, daß d e r „UfJ" „die geheime Verbreitung von Flugblättern . . . in der Zone" organisiert habe, doch sind Feststellungen wie die, da§ die Organisation „hauptsächlich" nur „Informationen über das Vorgeh e n der Polizei und der Gerichte" in der DDR gesammelt habe, eine Irreführung. 7 0 I n der D D R und ihrer Hauptstadt wurde vielmehr die ausgesprochen subversive Tätigkeit des „UfJ", dessen angegliedertem „Hilfskomitee f ü r politische Häftlinge der Sowjetzone" solche Persönlichkeiten wie Ernst Reuter, Willy Brandt, Ernst Scharnowski und der „politische Leiter" der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V." Ernst Tillich angehörten, bereits im Jahre 1952 anhand unwiderlegbarer Tatsachen nachgewiesen. 7 1 Im Juli 1952 verhandelte das Oberste Gericht der DDR gegen 7 Agenten des „UfJ" unter der Anklage der wirtschaftlichen und militärischen Spionage, der aktiven Schädlingstätigkeit gegen den Fünfjahrplan, der Boykotthetze und der Vorbereitung eines konterrevolutionären Umsturzes. Wie in der Gerichtsverhandlung festgestellt wurde, waren die Angeklagten von Walter Linse, dem Leiter des Referates „Wirtschaft" der Spionageorganisation, in ihre Aufgaben eingewiesen worden. Danach hatten die Agenten den Stand und die Art der Produktion, die Produktionsplanung, Planziffern im einzelnen, die Materiallage und die Qualität der hergestellten Erzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung von Schwierigkeiten und Engpässen in der Produktion zu erkunden. Um diesen Auftrag 69

. . . im Dienste der Unterwelt. Dokumentarbericht über den „Untersuchungssauschufj freiheitlicher Juristen" Verein kraft Verleihung, Berlin-Zehlendorf-West, Limastrafje 29. Berlin 1959, S. 15 f. u. S. 183. 70 Hagen: Der heimliche Krieg auf deutschem Boden . . . S. 224. 71 Vgl im Dienste der Unterwelt . . . S. 88 f.

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zu erfüllen, lieferte der ehemalige Betriebsleiter im VEB Berliner Glühlampenwerk (heute NARVA), Karl Neugebauer, an den „Untersuchungsausschuß" Angaben über Belegschaftsstärke, Rohstoffversorgung, Produktionskapazität des Maschinenparks, Gesamtkapazität des Betriebes und neue Produktionsaufgaben. Neugebauer informierte über Details aus dem Betriebskollektivvertrag und stellte Kopien von Gehaltslisten zur Verfügung. Aus dem Schwermaschinenbau „Heinrich Rau" in Wildau berichtete der Agent Fritz Krefeld über die Produktion, die Konstruktion neuer Maschinen und Reparaturaufträge und machte Angaben über leitende Kader und Planauflagen, er informierte über andere wichtige Betriebe und gab Stimmungsberichte, in denen er auch Unfälle und verursachte Schäden anführte. Er lieferte Spionageberichte über das Eisenhüttenkombinat Ost, die Maxhütte Unterwellenborn sowie die Walzwerke Riesa und Kirchmöser. In einem Fall beschrieb er genau die noch fehlenden Teile einer Schmiedepresse. Außerdem spionierte er Einrichtungen des Betriebsschutzes aus. Die Angeklagten Johannes Schneider, Fritz Schmelzer und Gerhard Pape machten detaillierte Angaben zur Tätigkeit der VVB, sie betrieben Spionage im WMW (Werkzeugmaschinen und Werkzeuge), in den NILES-Betrieben, bei Bergmann-Borsig, in Wildau, bei Bleil und im Betrieb WEMA. Sie nannten Investvorhaben und machten Angaben über Produktionsschwierigkeiten sowie den möglichen Zeitpunkt ihrer Beseitigung. Schmelzer spionierte in der Bau-Union Stralsund und berichtete über das Kraftwerk Peenemünde, die Peenewerft Wolgast und den Saßnitzer Hafen sowie das Fischkombinat Saßnitz.72 Dem „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V." ging es also ganz offensichtlich um weit mehr als darum, „das Vorgehen der Polizei und der Gerichte" in der DDR zu beobachten. Die Organisation betrieb eine ausgedehnte Wirtschaftsspionage, die in der Hauptsache auf die Erkundung von Ansatzpunkten für die Sabotage in der Industrie der DDR (Schwerpunkte waren hier im Aufbau bzw. in der Rekonstruktion befindliche volkseigene Betriebe des Schwermaschinen- und Werkzeugbaues) orientierte. Der „Untersuchungsausschuß" setzte seine Agenten auch darauf an, den Absatz der Industrie der DDR im In- und Ausland, die Rohstoff- und sonstigen Bezüge, ja die gesamten Handelsbeziehungen unter besonderer Berücksichtigung des Handels mit der Bundes72

Vgl. Neues Deutschland, Berlin (B), 26. 7. u. 27. 7.1952.

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republik und Westberliner Unternehmen - auszuforschen. So erkundete der bereits erwähnte Neugebauer die Namen von Lieferfirmen in der BRD und in Westberlin und brachte die Liefertermine in Erfahrung. Krefeld berichtete regelmäßig über Warenlieferungen aus der Bundesrepublik, nannte die Art der Lieferungen und bezeichnete die Transportwege. Der Agent Rudolf Franz Fiedler machte genaue Angaben über Firmen, die Verbindungen zur DIA Metall in der DDR unterhielten. Er bezeichnete auch die Speditionsfirmen, welche die Transporte in die DDR ausführten, und übergab dem „Untersuchungsausschuß" den Finanzplan der DIA Metall f ü r das Jahr 1952. Ferner informierte er über Bargeschäfte von BRD- und Westberliner Firmen mit der DDR. 73 . Über die Absichten, die mit dieser Handelsspionage verfolgt wurden, gab die frühere Sekretärin des „Untersuchungsausschusses", Ruth Schramm, vor Gericht als Zeugin zu Protokoll: „Wenn es sich um westdeutsche Firmen handelte, ging man das Bundesamt für Verfassungsschutz an. Handelte es sich um Westberliner Firmen, dann ging man das Landesamt für Verfassungsschutz an und gleichzeitig gab man dem Zoll davon Kenntnis und wollte dadurch versuchen, auf diese Westberliner Firmen einen Druck auszuüben, sie mit Strafen belegen, damit diese Lieferungen unterbunden würden." 74 „UfJ"-Agenten saßen auch in landwirtschaftlichen Betrieben und beschäftigten sich mit der Situation in der Landwirtschaft der DDR und der Kapazität der Betriebe. Einer davon war der Agent Paul Karl Schalion, der den „Untersuchungsausschuß" über die allgemeine Situation, die Ablieferung landwirtschaftlicher Produkte, über leitende Kader und über Schwierigkeiten in der landwirtschaftlichen Produktion informierte. 75 Der „UfJ" betrieb aber auch Militärspionage gegen militärische Objekte der Sowjettruppen und der Sicherungskräfte der DDR (Standort, Bewaffnungsarten, Mannschaftsstärke, Übungen usw.). So informierte der Agent Schmelzer die Zentrale in Westberlin über Bauvorhaben für die Sicherungskräfte der DDR (Seepolizei) im Raum Stralsund. In demselben Gebiet spionierte auch Schallon gegen Objekte der Deutschen Volkspolizei und der Sowjetarmee. 76 Eine 73 74 75 76

Ebenda. Ebenda, 27. 7.1952, S. 4/5. Ebenda. Ebenda. 127

wesentliche Rolle spielte in der Tätigkeit des „Untersuchungsausschusses" die konterrevolutionäre Hetze durch die Verteilung antikommunistischen Propagandamaterials. Auch der oben erwähnte „UfJ"-Agent Krefeld, der im Kreis Königswusterhausen sein Unwesen trieb, verteilte Schriften des „Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen" und anderer Agenturen. 77 Wie auch aus anderen vor Gerichten der Deutschen Demokratischen Republik gegen Agenten des „Untersuchungsausschusses" geführten Strafverfahren hervorgeht, konzentrierte sich die Tätigkeit des „UfJ" im kalten Krieg gegen die DDR vor allem auf die Spionage und Sabotage in Industrie und Wirtschaft. Die Agenten informierten die in Westberlins Limastraße befindliche Zentrale in detaillierten Berichten über industrielle Bauten, Werkausrüstungen, die Rohstoffversorgung und Neuentwicklungen. Aus Industriebetrieben der DDR wurden die verschiedenartigsten Proben von Erzeugnissen der volkseigenen Industrie nach Westberlin gesandt. Die Agenten berichteten über die Energieversorgung, den Zustand und Neubauten von Kraftwerksanlagen, den Bergbau und die Landwirtschaft. Sie gaben Kopien von Anbauplänen, Saatgutproben und detaillierte Informationen über die technische Ausrüstung Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften und Volkseigener Güter weiter. Die Industrie- und Wirtschaftsspionage des „UfJ" erfaßte selbst solche Bereiche wie die Wasserwirtschaft der DDR. Eine Einsicht in das Spionagematerial läßt immer wieder das Bestreben erkennen, möglichst exakte und verwertbare Angaben in Erfahrung zu bringen. Die Agenten suchten daher auch in erster Linie Kontakte zu Personen mit fachlichen Kenntnissen. Zahlreiche der von den Sicherheitsorganen der DDR gefaßten „UfJ"-Agenten waren Ingenieure, einige auch Diplomingenieure oder wenigstens Angestellte mit Fachkenntnissen, nicht selten befanden sich leitende Kader unter den Informanten. 78 Der „Untersuchungsausschuß" gehört damit offensichtlich zu denjenigen Werkzeugen des kalten Krieges, denen der Imperialismus eine Vielzahl fachlich-perfekter Informationen von großer Wichtigkeit verdankt, die sich über die Ergebnisse der Industriespionage die Monopolunternehmen der Bundesrepublik auf die eine oder andere Weise zunutze zu machen verstanden, als sie das „Wirtschaftswunder" in der BRD präsentierten. 77 78

Ebenda. . . . im Dienste der Unterwelt . . . S. 114 f.

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Die Struktur des „UfJ" entsprach den oben erwähnten Aufgaben. So gliederte sich der Apparat in 3 Hauptabteilungen und verschiedene Abteilungen und Referate. Die Hauptabteilung I beschäftigte sich mit Fragen der Justiz in der DDR, die Hauptabteilung II mit der Spionage im Staatsapparat und in den Sicherungskräften, die Hauptabteilung III mit der Wirtschaftsspionage. Die Abteilungen und Referate befaßten sich mit dem „Osteinsatz", der Agentenwerbung und der Verteilung antikommunistischer Pamphlete. Auffallend war vor allem bei den Hauptabteilungen die sehr weitgehende und auf die Auskundschaftung einzelner Bereiche gerichtete fachliche Untergliederung. 79 Der „Untersuchungsausschuß" organisierte die Bespitzelung ganzer Bevölkerungsgruppen in der DDR. Dabei war er vor allem an leitenden Kadern, an Staats- und Parteifunktionären und Angehörigen der Sicherungskräfte, aber auch an Ärzten und Kaufleuten oder Lehrern interessiert. Von den Agenten wurden bis ins einzelne gehende Charakteristiken verlangt. Die Spionage in den Parteien und Massenorganisationen war ein wichtiges Betätigungsfeld des „UfJ", und in verschiedenen Fällen bemühte man sich darum, auch geworbene Agenten in Funktionen in der SED oder anderen Parteien unterzubringen. 80 Die auf dem Gebiet der Militär Spionage tätigen Agenten erhielten ebenfalls detaillierte Weisungen. Ein Beispiel dafür ist der Fall des „UfJ"-Agenten „Samuel Baste", der 1955 einen bis in die kleinsten Einzelheiten gehenden Spionagebericht über Truppentransporte der Sowjetarmee und der Kasernierten Volkspolizei nach seinen täglichen Beobachtungen zusammenstellte. 81 Der Spion Hans Hinrich, tätig als Betriebsingenieur in Schwerin, der beruflich zu militärischen Objekten in Mecklenburg Zutritt hatte, gab unter dem Decknamen „Conrad John" unter anderem einen genauen Bericht über die Stromversorgung militärischer Objekte bei Schwerin. 82 Andere Agenten des „UfJ", wie Hans-Georg Brandenburg oder Otto Warmuth, spionierten Flugplatzanlagen und Objekte aus, die der Grenzsicherung dienten. 83 Der „Untersuchungsausschuß" betrieb auch eine weitgespannte ideo79 80 81 82 83

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S. S.

52 f. 128 f. u. S. 132. 134 f. 136 f. 138 u. 140.

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logische Diversion. Dazu gehörte die Versendung von Drohbriefen an Mitglieder der SED und fortschrittliche Bürger, denen „in naher Zukunft bei der Widervereinigung Deutschlands" mit gerichtlicher Verfolgung gedroht wurde. Diese Drohbriefe wurden auch an Persönlichkeiten in der DDR verschickt, die eine hohe staatliche Auszeichnung erhalten hatten. Die Empfänger solcher Schreiben forderte der „UfJ" auf, erhaltene Geldprämien als „Spende" für „Opfer des Sowjetzonenregimes" zur Verfügung zu stellen. Die vom „UfJ" versandten Drohbriefe erfüllten in allen Fällen auch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch den Tatbestand der Nötigung und Erpressung.84 Im Jahre 1954 versandten die „freiheitlichen Juristen" fast zweieinhalb Millionen Hetzflugblätter, darunter sogenannte Bezirks- und Fachzeitungen, die unter solchen bezeichnenden Titeln wie „Der Plan-Verstoß" oder „Der Schienenbruch" herausgegeben wurden. Für die Einschleusung der in den meisten Fällen auf primitivstem Niveau stehenden Hetzschriften wurde der Postweg mißbraucht bzw. dienten seit 1956 Ballons, die mit hochexplosiven Gasen gefüllt waren.85 Auch die Rundfunkstationen in der BRD und in Westberlin übernahmen vom „UfJ„ Spionagematerial, das in der antikommunistischen Propaganda Verwendung fand. Wie im Falle des „RIAS", der als besonders enger Partner des „UfJ" diesem wöchentliche Sendezeiten zur Verfügung stellte, profitierten die Diversionsorgane im Äther von der Spionage des „Untersuchungsausschusses"86. Tatsächlich war also der „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V." weder ein Rechtsausschuß noch ein juristisches Auskunftsbüro. Diese Aufmachung diente als Aushängeschild, um über die wirkliche Tätigkeit der Organisation zu täuschen. In Wahrheit ging es den „freiheitlichen Juristen" um Wirtschaftsspionage, um politische und Militärspionage sowie um ideologische Diversion. Der „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen" war eine gefährliche Zentrale des subversiven Krieges. Seine Bestrebungen galten bis Ende der fünfziger Jahre der Organisierung eines konterrevolutionären Umsturzes in der DDR. Ein bürgerlicher Autor, der gewiß nicht irgendwelcher Sympathien für die DDR verdächtigt werden kann, sagte über den „Untersuchungsausschuß freiheitlicher 84 55 80

Ebenda, S. 149 f. u. 153. Ebenda, S. 156 f. Ebenda, S. 182 f.

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Juristen": „Er beriet und leitete antisowjetische Kräfte. Mit ihrer Hilfe hoffte der Westen eine Revolution auszulösen. Dies war die Politik, die zum Aufstand vom 17. Juni 1953 führte." 8 7

Die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V." 1950 schrieb der bereits erwähnte James Burnham - einer der übelsten Einpeitscher des kalten Krieges - im Zusammenhang mit seiner Forderung, ein „Amt f ü r Untergrundkrieg" gegen den Sozialismus zu schaffen: „Es wäre . . . zweckmäßig und vom demokratischen Standpunkt (!) aus wünschenswert, daß möglichst viele Operationen nicht irgendeiner staatlichen Stelle sondern privaten Gruppen und Personen aufgegeben würden." 8 8 Wie am Beispiel des „UfJ" und auch der „Kampfgruppe" nachgewiesen werden kann, verbarg sich hinter dieser offensichtlich auf fruchtbaren Boden gefallenen Forderung unter anderem die Absicht, diese Untergrundorganisationen gegebenenfalls von staatlichen Stellen und den bürgerlichen Parteien abzurücken, um vor allem im Falle ihres Scheiterns öffentlichen Anklagen entgehen zu können. Heute breiten zahlreiche bürgerliche Autoren vor allem über die Tätigkeit der „Kampfgruppe" den Mantel des Schweigens. 89 Von anderen werden die Verbrechen der „Kampfgruppe" - in den fünfziger Jahren wurde die Bezeichnung „KGU" üblich - als bedauerliche Entgleisungen unreifer und abenteuerlicher junger Leute hingestellt. Mit Hinweisen auf die solcherart „unseriöse" „KGU" im Vergleich zum amtlichen Bundesnachrichtendienst wird vor allem in solchen bürgerlichen Publikationen nicht gespart, die aus der Nähe imperialistischer Geheimdienste selbst kommen. 9 0 Bei der Gründung der „KGU" 91 im Jahre 1948 spielte der „RIAS"87

Hagen: Der heimliche Krieg auf deutschem Boden . . . S. 225. Burnham, James: Die Strategie des Kalten Krieges. In: Die Welt, 10. 6.1950. S9 So wird in Ernst Noltes Buch „Deutschland und der Kalte Krieg" die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V." zwar erwähnt, über die Tätigkeit der Organisation läßt sich der Autor jedoch kaum aus. Siehe: Nolte, Ernst: Deutschland und der Kalte Krieg. München/Zürich 1974, S. 403. 90 Vgl.: Gehlen: Der Dienst . . . 8S

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Teller

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Mitarbeiter Günther Birkenfeld eine Rolle. Der erste Leiter der „Kampfgruppe" war Rainer Hildebrandt, der die Organisation unter der Maske eines caritativ orientierten „Suchdienstes" aufbaute. Die wichtigsten Abteilungen der „KGU" waren die „Vernehmerabteilung" (III), wo die Subversion gegen die Staatsorgane der DDR, die Parteien und Massenorganisationen und die Bespitzelung der „Flüchtlinge" konzentriert war, und die „Operative Abteilung" (VII) mit einer „Administrativen Störstelle", einer „Anlauf-Stelle", sowie „Sachgebieten" für die einzelnen Länder der DDR. Die Abteilung IIb der „Kampfgruppe", in welcher unter der Leitung der Hauptagenten Tillich und Baitz in einem chemischen Labor Zeitzünder, Brandsätze, Sprengkörper, Säuren und Gifte hergestellt wurden, verbarg sich in einem Westberliner Bürohaus unter dem Namen einer Firma „Leibacher & Co". Andere „KGU"-Abteilungen tarnten sich als „Sozialfürsorgestellen" oder als „Betreuungsstellen für politische Flüchtlinge". Enge Beziehungen unterhielt die „Kampfgruppe" vor allem zum „RIAS", zu der konterrevolutionären Emigrantenorganisation NTS, zur „Vereinigung der Opfer des Stalinismus", dem „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen", der „Vereinigung für kulturelle Hilfe", dem „Amt für gesamtdeutsche Studentenfragen", der „Ostberatungsstelle" des Deutschen Gewerkschaftsbundes, den „Ostbüros" der SPD, CDU und FDP sowie dem Bundesnachrichtendienst.92 Der „Pate" der „KGU" war der amerikanische Geheimdienst CIA. Die „KGU"-Agenten saßen in allen möglichen Gremien, die sich mit dem subversiven Krieg gegen den Sozialismus beschäftigten, und wurden in dem an das „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" angegliederten „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" als vertrauenswürdige und wertvolle Arbeitspartner angesehen. Im Unterschied zum „Untersuchungsausschuß", der sich vorwiegend mit der Spionage beschäftigte, betrieben die Angehörigen der „Kampfgruppe" den konterrevolutionären Terror gegen gesellschaftliche und staatliche Einrichtungen sowie gegen fortschrittliche Bür91

Zur Geschichte der „KGU" siehe die umfangreiches Tatsachenmaterial enthaltende Dokumentation: Unmenschlichkeit als System. Dokumentarbericht über die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V.", BerlinNikolassee, Ernst-Ring-Strafje 2 - 4 . Berlin 1957. Siehe hierzu auch: Neues Deutschland, Berlin (B), 9. 8.1952. 31 Siehe: Unmenschlichkeit . . . S. 89.

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ger der Deutschen Demokratischen Republik. 93 Unter der Maske einer Organisation, die vorgab, gegen „Unmenschlichkeit" auftreten zu wollen, begingen die Terroristen gemeingefährliche Straftaten, von denen jede einzelne den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllte. Die Geschichte der „KGU" enthält Beispiele der Planung und Ausführung solcher Verbrechen, die sich mit faschistischen Untaten vergleichen lassen. Jahre nach dem sang- und klanglosen Ende der „Kampfgruppe" schilderten zwei bürgerliche Journalisten rückblickend und nicht ohne Genüfjlichkeit die Atmosphäre der „KGU"-Aktionen in den fünfziger Jahren wie folgt: „In der Zone begann es zu krachen. KGU-Gruppen vernichteten Transparente der SED mit Phosphor, die Finow-Kanal-Brücke bei Zerpenschleuse wurde beschädigt, Eisenbahnschienen wurden gesprengt. In einem Geheimlager in Berlin-Charlottenburgs Clausewitzstrafje gaben KGU-Männer neuen Sprengstoff aus; Kommandos rüsteten sich, auszuführen, was die beiden KGU-Referenten Wolf und Starke vorgeschlagen hatten: Durch Sprengung von Hochleitungsmasten die Stromversorgung der DDR lahmzulegen." 94 In der ersten Hälfte der fünfziger Jahre war die „große Zeit" der „KGU", die allerdings schon damals empfindliche Schläge einstecken mußte. Mitte 1952 deckten die Justizorgane der DDR die Verbrechen der „Kampfgruppe" anhand umfangreichen Beweismaterials auf. Im Prozeß gegen 4 Agenten Zum Terror, wie ihn die „KGU"-Banditen anwandten, geben Charisius/Mader die zutreffende folgende Definition: „Der Begriff Terror faßt jene typisch imperialistischen Mittel und Methoden zusammen, die systematisch Schrecken erzeugen und die helfen sollen, Machtansprüche durchzusetzen. Terror ist offener Widerstand gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung oder gegen andere progressive Staatsund Gesellschaftssysteme und bezweckt zugleich, einen solchen mit seinen Mitteln hervorzurufen. Dabei wird brutale Gewalt gebraucht, die bis zur physischen Vernichtung des Gegners geht. Zum Terrorismus gehören auch Aktionen, die sich gegen die Staatsgrenzen richten, und andere Akte wie Sprengungen, Brandstiftung, Zerstörungen, Angriffe auf Leben oder Gesundheit eines Bürgers, der staatliche oder gesellschaftliche Aufgaben wahrnimmt, oder andere Gewaltakte." (Charisius/ Mader: Nicht länger geheim . . . Berlin 1969, S. 19; siehe auch: Strafgesetzbuch der DDR vom 12. Januar 1968. In: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 1/1968, S. 26, § 101 (1), § 102 (1). 9'- Zolling/Höhne: Pullach intern . . . S. 255.

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der „KGU" vor dem 1. Strafsenat des Obersten Gerichts wurde das ganze Ausmaß der terroristischen Untaten deutlich. Die Mitglieder der „Kampfgruppe", die vorgaben, gegen „Unmenschlichkeit" auftreten zu wollen, betrieben eifrig Vorbereitungen für die Sprengung von Schleusen und Brücken, Schienenwegen und Straßen sowie Energieanlagen und planten die Zerstörung von Verkehrsknotenpunkten. Einer der Angeklagten, Joachim Müller, unternahm Brandanschläge mit Phosphorampullen auf die Behelfs-Autobahnbrücke bei Finowfurt im Kreis Eberswalde. Er machte Zeichnungen, Fotos, Skizzen und Lagepläne von sieben Brücken im damaligen Kreis Niederbarnim und versah diese Unterlagen mit genauen Hinweisen für eine mögliche Anbringung von Sprengsätzen, meldete Straßenneubauten im Kreisgebiet und fertigte Zeichnungen von den Wassertoren einer Schleuse bei Marienwerder an. Die Sprengung der Paretz-Schleuse am Paretz-Niederneuendorfer Kanal wurde bis in die letzten Einzelheiten vorbereitet und auf den 5. April 1952 festgelegt. Diese Sprengung hätte zur Überflutung von 50 000 Hektar und der völligen Lahmlegung der Binnenschiffahrt in dem betreffenden Gebiet geführt. Müller hatte ferner die Kaiserweg-Brücke bei Finow zur Sprengung ausersehen. Zerstört werden sollten auch Licht- und Fernsprechmasten, Transformatorenhäuser und die Ölleitung zu einem sowjetischen Flugplatz. 95 Für die Bereitstellung der Zerstörungsmittel trug der Chefchemiker der „KGU", Wolfgang Kaiser, die Verantwortung. Er stellte Brandsätze, Sprengkörper, Säuren, Ätzstoffe und Stinkbomben her, die, in Schuhkartons, Konservendosen und Likörflaschen als DDR-Erzeugnisse getarnt, eingeschmuggelt wurden. 96 Auf das Schuldkonto der Angeklagten kam auch die Spionage gegen staatliche Einrichtungen der DDR mit dem Ziel der Desorganisation und Diskreditierung des Staatsapparates. In großem Maßstab wurden gefälschte amtliche Schreiben in Umlauf gebracht, wodurch Verwirrung und Unruhe in der Bevölkerung gestiftet werden sollten. So lieferte der Angeklagte Hoppe an die „KGU"-Zentrale sämtliche Rundverfügungen des Ministeriums für Finanzen der DDR, die Anschriften der Finanz- und Hauptzollämter, Telefonverzeichnisse der Landesfinanzdirektion Brandenburg und einen „Strukturplan" der Finanzorgane der DDR. Hoppe fälschte auch Verfügungen und 95 96

Neues Deutschland, Berlin (B), 9. 8.1952. Unmenschlichkeit... S. 111 f.

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amtliche Mitteilungen. So verschaffte er sich z. B. Blankoformulare von Steuerkarten und rief durch deren mißbräuchliche Versendung Unruhe hervor. 97 Hoppe führte damit die gleichen Aufgaben durch, denen sich die in der „KGU" eigens geschaffene „Administrative Störstelle" widmete, eine Abteilung, die mit gefälschten oder gestohlenen Papieren, Stempeln und Siegeln arbeitete. Dem Angeklagten Müller wurde Militärspionage in Verbindung mit der Vorbereitung von Anschlägen gegen militärische Objekte und ähnlichen Anlagen zur Last gelegt. 98 Außerdem wurde ihm auch die Aufstellung regelrechter „schwarzer Listen" für die Konterrevolution, mit deren Hilfe am „Tag X" führende Kader physisch ausgeschaltet werden sollten, 99 nachgewiesen. Die konterrevolutionäre Propaganda durch die Verbreitung von Hetzlosungen und Flugblättern spielte in der „Kampfgruppe" eine große Rolle. Joachim Müller versah nicht nur Banknoten der DDR mit Hetzlosungen der „KGU", er schoß sogar mit Hilfe von Raketen Flugblätter in ein Lager der FDJ in Kreis Eberswalde. 100 Die Pressestelle der „Kampfgruppe" gab eine Unmenge eigener Broschüren, Traktate, Flugblätter und Artikel heraus, in denen eine militante konterrevolutionäre Hetze betrieben und die „KGU" als caritative Organisation hingestellt wurde. Offizielle Organe waren das „KGUArchiv" und das „Echo", ferner die „Arbeitsberichte der Kampfgruppe". Als satirisch aufgemachtes Hetzflugblatt wurde die „Tarantel" hergestellt, die vor allem für die Verhetzung von Jugendlichen gedacht war. Auf Werbetafeln in der Berliner S-Bahn und an Litfaßsäulen, wo für Erzeugnisse der sozialistischen Presse geworben wurde, verkündeten dummdreiste Aufklebezettel der „Kampfgruppe" die Losung: „Von Moskau bezahlt!" Allein im Jahre 1954 wurden in der DDR und ihrer Hauptstadt etwa 100 Millionen Hetzschriften der „KGU" - viele davon mit Ballons - vertrieben. 101 Die in dem genannten Prozeß aufgedeckten Verbrechen waren aber bei aller Ungeheuerlichkeit noch keinesfalls repräsentativ f ü r die ganze Breite der Skala der „KGU"-Untaten. Die perversen Hirne der „KGU"-Hauptagenten vom Schlage der Tillich und Baitz ersan97

Neues Deutschland, Berlin (B), 9. 8.1952. Ebenda. 99 Ebenda. 100 Ebenda. 101 Unmenschlichkeit . . . S. 86 f. u. S. 239.

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nen ständig neue heimtückische Methoden zur Schädigung der Volkswirtschaft der DDR und setzten diese Methoden in konkrete Aufträge an die als Schädlinge benutzten skrupellosen Agenten um, die in der DDR das schmutzige Handwerk der Subversion betrieben. Eine der Hauptwaffen des „KGU"-Terrorismus war die Sabotage. So zerstörten „KGU"-Agenten durch bewußt falsches Rangieren und das Blockieren von Weichen Güterwagen der Reichsbahn mit wertvollen Ladungen und Lebensmitteln, die für die Versorgung der Bevölkerung bzw. für den Export bestimmt waren. Einer dieser Terroristen war Heinz Woithe, der auf dem Verschiebebahnhof Wustermark als Rangierer arbeitete. Im Winter 1953/54 führte er absichtliche Zusammenstöße von Waggons herbei. Dabei wurden 12 Waggons mit Medikamenten und Schlachtvieh, die für die Versorgung der Berliner Bevölkerung bestimmt waren, zerstört. Woithe erklärte dazu selbst: „Ich verursachte das Auflaufen, indem ich für die vom Ablaufberg kommenden Waggons keine Hemmschuhe legte und den ersten stehenden Wagen durch einen Hemmschuh blockierte, um die Wirkung des Zusammenpralls zu verstärken . . . Ein Waggon, der mit Streichhölzern und Medikamenten beladen war, geriet auf diese Weise in der Nacht vom 4. zum 5. Januar in Brand." 102 Der durch Woithe hervorgerufene Sachschaden betrug allein bei einem der zerstörten Waggons mehr als 20 000 DM. Zu den abscheulichen Untaten der „KGU"-Banditen gehörte auch die Störung der lebenswichtigen Versorgung von Säuglingen und Kleinkindern durch die Unbrauchbarmachung der noch lange Zeit knappen Trokkenmilch mit Seifenpulver und anderen chemischen Zusätzen. Der „KGU"-Agent Schöbe vergiftete im Auftrage des Hauptagenten Baitz auf dem Schlachthof in Leipzig als Veterinärmediziner eine größere Menge Fleisch. 103 Die „Kampfgruppe" belieferte ihre Diversanten mit Dynamit, Hexamit, Donarit und anderen Sprengmitteln, die in Sprengbüchsen - als Gemüse oder andere Konserven getarnt - in die DDR geschleust wurden. Der Diversant Gefjler unternahm mit Druckminen, die aus den Beständen der faschistischen Wehrmacht stammten, Ende der vierziger Jahre Schienenattentate in der sowjetischen Besatzungszone. Das erste Attentat führte er am 17. November 1947 durch. Dabei entgleiste auf der Strecke Magdeburg-Dessau die Lokomotive eines 102 103

Ebenda, S. 202 f. Ebenda, S. 236 f.

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Personenzuges, wobei das Lokpersonal verletzt wurde. Geßlers zweites Attentat galt am 4. März 1948 einem Messe-Sonderzug. Diesmal wurde das Triebfahrzeug durch die Sprengung stark beschädigt, 3 Personen erlitten schwere, 5 weitere leichtere Verletzungen. 104 Der „KGU"-Resident Burianek bereitete in allen Einzelheiten die Sprengung der Eisenbahnbrücke bei Erkner vor, die beim Passieren eines fahrplanmäßigen D-Zuges vorgenommen werden sollte. Durch die Wachsamkeit der Sicherheitsorgane gelang die Festnahme des Agenten, als er mit den unmittelbaren Vorbereitungen zur Sprengung der Brücke beschäftigt war. Der „KGU"-Resident Benkowitz, ein Lehrer aus Weimar, fotografierte und skizzierte im Thüringer Raum Verkehrsobjekte, um sie zur Zerstörung vorzubereiten. Darunter befanden sich die Saaletalsperre, die Sechsbogenbrücke bei Weimar sowie andere Brücken und Unterführungen. 105 Benkowitz war der Typ des gemeingefährlichen und skrupellosen Terroristen, der vor keinem Verbrechen zurückschreckte. Die Ungeheuerlichkeit seiner Pläne war nichts Außergewöhnliches für die „Kampfgruppe", sondern charakterisierte den perversen antikommunistischen Haß, der die Triebfeder dieser Organisation war. Die Sprengung dieser Verkehrsobjekte, zu denen die Bleiloch-Talsperre gehörte 106 , hätte Flutkatastrophen und ein Verkehrschaos ausgelöst und eine große Zahl von Menschenleben gefordert. Ein ähnliches Projekt war der gleichfalls von „KGU"-Agenten verfolgte Plan, ein Hauptwasserrohr der Schachtanlagen der Wismut-AG bei Oberschlema zu sprengen, um eine Grubenkatastrophe auszulösen. Weitere Objekte, die zur Zerstörung ausersehen waren, stellten der Hauptschornstein des VEB AGFA Wolfen, die große Schmiedepresse des Ernst-ThälmannWerkes und ein Hochofen im Eisenhüttenkombinat Ost dar. 107 Andere „KGU"-Verbrecher verwendeten für ihre Aktionen, wie schon erwähnt, Säuren und ätzende Flüssigkeiten. Mit ihnen machten sie Motoren und Lager unbrauchbar. Im Banditenjargon nannte man diese Diversionsmittel „Schnaps". In einem Monatsbericht des Ländersachgebietes Berlin/Brandenburg der „KGU" hieß es z. B. unter dem Datum vom 26. Februar 1952: „S-Aktion im Fernmeldewerk H F Oberspree. Abregnung von Flugblättern von der Wendeltreppe

104 103 106 107

Ebenda, S. 227 f. Ebenda, S. 228 f. Ruland: Krieg auf leisen Sohlen. S. 105. Unmenschlichkeit . . . S. 226.

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des Werkes. Stillegung einer 60-to-Hydraulikpresse mit 'Schnaps'. Ausfall 3 Schichten zu je 5-6000 Radioröhrenkappen." Im VEB Kombinat „Otto Grotewohl" Böhlen versuchte eine andere Gruppe von „KGU"-Leuten, die Motoren von LKWs durch Säure unbrauchbar zu machen. 108 Standen Säuren und ätzende Stoffe nicht zur Verfügung, verwendete man Eisenspäne, Steine oder Sand. Für Brandstiftungen benutzte man Phosphorlösungen und Thermit. Hölzerne Brücken, Scheunen, Strohmieten und sogar Waldbestände wurden damit in Brand gesteckt. Bei der eingangs erwähnten Brandstiftung in Borna bei Leipzig am 14. Oktober 1950, wo die Ställe von 13 Neubauernhöfen gleichzeitig in Flammen aufgingen, wurden Brandsätze mit einem Zeitzünder verwendet. Der Brandstifter Dieter Dost legte im Auftrage der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" mit Hilfe von Brandampullen in einer vollen Scheune des Volkseigenen Gutes Lanke im Kreis Bernau Feuer. 109 Der „KGU"-Chefchemiker Kaiser experimentierte mit Kontaktgiften, die in Briefen an Partei- und Staatsfunktionäre in der DDR verschickt werden sollten. Schließlich verfügte die „KGU" auch über Gruppen bewaffneter Terroristen in der DDR, die über größere Mengen von Waffen und Munition für den „Tag X" verfügten. Eine dieser Gruppen war die Bande von Klupp und Lorenz in Seiffen/Erzgebirge, die 1946 aus einer vierköpfigen Gruppe des faschistischen „Werwolf" hervorgegangen war. 1951 nahmen die Terroristen Verbindung zur „KGU" auf. Sie waren mit einem MG, mit Karabinern, Pistolen, Handgranaten und verschiedenen Stichwaffen sowie mit mehr als 6 000 Schuß Munition ausgerüstet. Der Deckname der Bande lautete „Admiral" 110 . Die „Kampfgruppe" praktizierte im großen Maßstab sogenannte administrative Störungen. Die gefälschten oder gestohlenen Unterlagen lieferte die Westberliner Zentrale. Das galt für nachgedruckte Kopfbogen mit der Anschrift staatlicher Stellen oder volkseigener Betriebe und Stempel sowie für Dienstsiegel, jedoch auch für Lebensmittelkarten, Kohlenkarten und Benzinmarken. 1955 wurde bekannt, daß die Organisation f ü r 50 Tonnen Nahrungsgüter gefälschte Lebensmittelkarten gedruckt hatte. 111 Selbst gefälschte Schlachtgenehmigungen wurden von der „KGU" verschickt. Mit Hilfe des ausspionierten Depeschenschlüssels der Finanzorgane der 108 109 110

Ebenda, S. 220 f. Ebenda, S. 221 f. Ebenda, S. 173 f.

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D D R wurden gefälschte telegrafische Überweisungen versandt. Diese Aktionen galten der Sabotage des Finanzplans. Auf einem dieser fingierten Telegramme wurden z. B. dem Stahlwerk Finow (Kreis Eberswalde) 120 000 D M und dem Betrieb Abus Kranbau 50 000 D M im angeblichen Auftrag der Deutschen Notenbank Leipzig gutgeschrieben. Im Rahmen einer solchen Aktion sollten mit Hilfe von 6 gefälschten Telegrammen für 365 000 D M nichtplanmäßige, d. h. zusätzliche Ausgaben zu Lasten des Staatshaushaltes, getätigt werden. 112 Eine besondere Rolle spielte die „Kampfgruppe* im Wirtschaftskrieg gegen die DDR. Auch hier arbeitete die Organisation skrupellos mit gefälschten Papieren. Dazu gehörten unter anderem fingierte Schreiben des Ministeriums für Außenhandel und innerdeutschen Handel an ausländische Handelspartner mit Erklärungen einer Lieferunfähigkeit der DDR-Seite oder der Aufkündigung von Handelsabkommen. Die Verbrechen der „KGU" sollten in ihrer Auswirkung Verwirrung, Unruhe und Angst unter der Bevölkerung der D D R erzeugen, um Provokationen und blutige Zusammenstöße auslösen zu können, die dem geplanten konterrevolutionären Umsturz den Boden bereiten sollten. Auf einer internationalen Pressekonferenz erklärte am 20. Oktober 1955 der Leiter des Presseamtes beim Ministerpräsidenten der D D R : „Diese der Unmenschlichkeit dienende Kampfgruppe ist eine jener zahlreichen Organisationen, die als Instrumente des kalten Krieges verbrecherische Handlungen begehen, die von der Spionage bis zum Mordanschlag reichen. Die Kampfgruppe ist eine Organisation, . . . die Menschen der Deutschen Demokratischen Republik mit den hinterhältigsten Methoden zur Republikflucht zu verleiten sucht, die mit Erpressung und Lüge, mit Sprengstoffen und Giften sowie mit allen anderen erdenklichen Verbrechermitteln alle Anstrengungen macht, den kalten Krieg möglichst in einen heißen zu verwandeln." 113 Wenn aber viele der „KGU"-Verbrechen nicht ausgeführt wurden, sondern in der Planung bzw. im Stadium ihrer Vorbereitung steckenblieben, so war das den Sicherheitsorganen der D D R zu danken, die solche vernichtenden Schläge gegen die „Kampfgruppe" führten, daß die Agenten der Organisation in der D D R zusehends dezimiert wurden. Ende 111 112 113

Ebenda, S. 214 f. Ebenda, S. 210 f. Ebenda, S. 274. 139

der fünziger J a h r e war die „KGU" stark geschwächt. Durch die vor den Gerichten der D D R enthüllten ungeheuerlichen Verbrechen hatte sich die „Kampfgruppe" schon Mitte der fünfziger J a h r e in der Öffentlichkeit auch der BRD und anderer westeuropäischer Länder diskreditiert. Auf Grund der in der Bundesrepublik und in Westberlin anschwellenden Proteste gegen die „KGU" sahen sich 1 9 5 5 die Parteivorstände der SPD, F D P und CDU genötigt, sich von dieser Organisation zu distanzieren. Der Senat von Westberlin gab eine ähnlich lautende Erklärung ab. 1 1 4 Am 11. M ä r z 1 9 5 9 erging an die Leitung der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" der Rat, die „Selbstauflösung" vorzunehmen. Es wurde jedoch kein einziger Fall bekannt, da§ einer der gerichtsnotorisch bekannten „KGU"-Banditen von einem Westberliner bzw. einem Gericht der Bundesrepublik zur Verantwortung gezogen worden wäre. Im Gegenteil: Der erste „KGU"-Bofj Rainer Hildebrandt präsentierte sich 1 9 6 5 der Öffentlichkeit als Leiter der „Arbeitsgemeinschaft 13. August" - einer neuen antikommunistischen Organisation. 1 1 5

Das Feindbild von der DDR in der psychologischen Kriegführung

der BRD

Schon in der Zeit des Bestehens der Besatzungszonen geriet die sowjetisch besetzte Zone in das Kreuzfeuer einer von den drei Westzonen ausgehenden antikommunistischen Hetze, die sich mit wachsender Intensität gegen die antifaschistisch-demokratischen Veränderungen und die neuen politischen und sozialen Errungenschaften östlich der Elbe und W e r r a richtete. Für diese Hetze gab ein so prominenter Vertreter der drei Westmächte wie Winston Churchill grünes Licht. 1 Die demokratische Bodenreform, die Enteignung der Ebenda, S. 90 f. Charisius/Mader: Nicht länger geheim . . . Berlin 1969, S. 481. Heute unterhält die ehemalige „KGU" am Grenzübergang Berlin-Friedrichstrafje eine ständige Hetzausstellung. 1 So bezeichnete Winston Churchill die volksdemokratischen Staaten als „Polizeiregimes" und sprach von einem „Eisernen Vorhang", der sich quer durch Europa ziehe. In der bekannten Fulton-Rede warf er der UdSSR vor, „ein prokommunistisches Deutschland in ihren Gebieten zu errichten", und wandte sich generell gegen die führenden gesellschaftlichen Kräfte der antifaschistisch-demokratischen Ordnung in der sowje114

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der fünziger J a h r e war die „KGU" stark geschwächt. Durch die vor den Gerichten der D D R enthüllten ungeheuerlichen Verbrechen hatte sich die „Kampfgruppe" schon Mitte der fünfziger J a h r e in der Öffentlichkeit auch der BRD und anderer westeuropäischer Länder diskreditiert. Auf Grund der in der Bundesrepublik und in Westberlin anschwellenden Proteste gegen die „KGU" sahen sich 1 9 5 5 die Parteivorstände der SPD, F D P und CDU genötigt, sich von dieser Organisation zu distanzieren. Der Senat von Westberlin gab eine ähnlich lautende Erklärung ab. 1 1 4 Am 11. M ä r z 1 9 5 9 erging an die Leitung der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" der Rat, die „Selbstauflösung" vorzunehmen. Es wurde jedoch kein einziger Fall bekannt, da§ einer der gerichtsnotorisch bekannten „KGU"-Banditen von einem Westberliner bzw. einem Gericht der Bundesrepublik zur Verantwortung gezogen worden wäre. Im Gegenteil: Der erste „KGU"-Bofj Rainer Hildebrandt präsentierte sich 1 9 6 5 der Öffentlichkeit als Leiter der „Arbeitsgemeinschaft 13. August" - einer neuen antikommunistischen Organisation. 1 1 5

Das Feindbild von der DDR in der psychologischen Kriegführung

der BRD

Schon in der Zeit des Bestehens der Besatzungszonen geriet die sowjetisch besetzte Zone in das Kreuzfeuer einer von den drei Westzonen ausgehenden antikommunistischen Hetze, die sich mit wachsender Intensität gegen die antifaschistisch-demokratischen Veränderungen und die neuen politischen und sozialen Errungenschaften östlich der Elbe und W e r r a richtete. Für diese Hetze gab ein so prominenter Vertreter der drei Westmächte wie Winston Churchill grünes Licht. 1 Die demokratische Bodenreform, die Enteignung der Ebenda, S. 90 f. Charisius/Mader: Nicht länger geheim . . . Berlin 1969, S. 481. Heute unterhält die ehemalige „KGU" am Grenzübergang Berlin-Friedrichstrafje eine ständige Hetzausstellung. 1 So bezeichnete Winston Churchill die volksdemokratischen Staaten als „Polizeiregimes" und sprach von einem „Eisernen Vorhang", der sich quer durch Europa ziehe. In der bekannten Fulton-Rede warf er der UdSSR vor, „ein prokommunistisches Deutschland in ihren Gebieten zu errichten", und wandte sich generell gegen die führenden gesellschaftlichen Kräfte der antifaschistisch-demokratischen Ordnung in der sowje114

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Nazi- und Kriegsverbrecher, die Schulreform und die Justizreform wurden von den reaktionären Kräften als undemokratische und ungesetzliche Aktionen, als „Sowjetisierung" verteufelt und haßerfüllt angegriffen. Der besondere Haß galt dabei der 1946 gegründeten Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, die vor allem von seiten der sozialdemokratischen Führer um Kurt Schumacher als eine Partei von „Spaltern" und „Erfüllungsgehilfen der sowjetischen Besatzungsmacht" verleumdet wurde.2 Die Position, welche die Westzonen und die spätere Bundesrepublik in der antisowjetischen Strategie und Politik des „Containment" und den folgenden Konzeptionen einnahmen, die imperialistische Restauration, die Politik der Spaltung Deutschlands und die schliefjliche Errichtung eines separaten bürgerlichen Weststaates sowie dessen Konsolidierung und Ausbau - alle diese Faktoren waren sowohl für die Konstruktion eines Feindbildes von der DDR als auch für die Entwicklung des entsprechenden Instrumentariums für den psychologischen Krieg gegen den zweiten deutschen Staat ausschlaggebend. Die Politik des kalten Krieges gegen den Sozialismus und die Restauration in Westdeutschland zeitigten auf dem Territorium der späteren Bundesrepublik eine reaktionäre Sammlungsbewegung, die eindeutig antikommunistisch orientiert war. In dieser Bewegung hatte die auf das Gebiet der Westzonen zurückgedrängte deutsche Monopolbourgeoisie die führende Stellung inne. Um sie scharten sich die restaurativ gesonnenen und auf die Westmächte orientierten Kreise großbürgerlicher Ideologen, revanchistische Verbände, Reste des Apparates der imperialistischen Ostforschung, militaristische Traditionsvereinigungen, die Vertreter grofjbourgeoiser Massenmedien und reaktionäre klerikale Kräfte. Die in den westlichen Besatzungszonen auf Länderebene intakt gebliebene Verwaltungsbürokratie gab der Sammlungsbewegung frühzeitig den staatlichen Rahmen. 3 Der Kampf gegen die antifaschistisch-demokratische Volksbewegung tischen Besatzungszone. Vgl.: Adenauer, Konrad: Erinnerungen 1945 bis 1953. Stuttgart 1965. S. 92. 2 Siehe dazu: Teller, Hans/Thomas, Siegfried: Die Stellung der sozialdemokratischen Führung zur Gründung und Entwicklung der DDR. In: BzG, S.-Heft 1974, S. 155 f. 3 Vgl. dazu: Badstüber, Rolf/Thomas, Siegfried: Restauration und Spaltung. Entstehung und Entwicklung der BRD 1945-1955. Köln 1975. Siehe besonders S. 8 9 - 2 6 7 .

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und das Bestreben, die Westzonen gegen die progressive Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone abzuschirmen, verliehen der antikommunistischen Politik den entscheidenden Impuls. Aus dieser Politik, die von den Westmächten begünstigt wurde, resultierten die Nichtbewältigung der faschistischen und militaristischen Vergangenheit und ein neuer Revanchismus mit ausgeprägt konterrevolutionären Zügen. Die Politiker und Ideologen der deutschen Grogbourgeoisie paßten sich den neuen Gegebenheiten rasch an. Während sie d a f ü r sorgten, dag aus den überkommenen weltanschaulichen Leitbildern alle antiwestlichen Elemente des Nationalismus und Revanchismus zugunsten der Europa-Ideologie verschwanden, begnügten sie sich damit, den traditionellen Antikommunismus und Antibolschewismus des deutschen Imperialismus „in einem demokratisch-westlichen Sinne umzufunktionieren" 4 . Die Grundlagen der Ideologie des Antikommunismus - die Entstellung der marxistischleninistischen Lehre, die Verleumdung der sozialistischen Gesellschaftsordnung, die Verfälschung der Politik der Kommunisten und die Hetze gegen alle mit dem Sozialismus Sympathisierenden wurden ohne Einschränkung übernommen und fanden entsprechend der neuen Ausgangslage in den Westzonen ihre Verwendung. Das Schwergewicht der reaktionären Ideologie verlagerte sich auf den Antisowjetismus. Das imperialistische Propagandabild von der „Bedrohung aus dem Osten" und der „Gefahr des Bolschewismus" wurde von den restaurativen Kräften grundsätzlich übernommen und diente später der Rechtfertigung aller „deutschland"- und ostpolitischen Entscheidungen der Bundesrepublik. Das abermals in grellen Farben an die Wand gemalte Gespenst der drohenden „Bolschewisierung Europas" und der „Vernichtung der abendländischen Kultur" stellte den Popanz dar, hinter dem die antisowjetische Blockbildung im kalten Krieg vollzogen w u r d e ; es sollte „bei den Massen ein ständiges Gefühl der Angst . . .. erzeugen, die Psychose des Bedrohtseins durch die angebliche 'kommunistische Weltgefahr' mit dem kaum verhüllten Ziel, in der kapitalistischen Welt eine latente Kriegsstimmung und Kreuzzugsideologie gegen die Sowjetunion und die Länder des Sozialismus zu schüren". 5 4

Erdmenger, Klaus: Das folgenschwere Mißverständnis. Bonn und die sowjetische Deutschlandpolitik 1949-1955. Freiburg im Breisgau 1967, S. 107. 5 Stern, Leo: Der Antikommunismus als politische Hauptdoktrin des deutschen Imperialismus. Berlin 1963, S. 34. Beispiel für den blinden

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Mit der Verkündung des Grundgesetzes und der Bildung der Bundesrepublik Deutschland wurde die antikommunistische Hetze spürbar verschärft. Die „Deutschland"- und „Wiedervereinigungspolitik", in die neben den Forderungen der bürgerlichen Parteien und der SPD die Ansprüche der Revanchistenverbände Eingang gefungen hatten, erhob mit der Proklamierung des Zieles der Restauration in den Grenzen von 1937 und den regierungsamtlichen Verlautbarungen den Antikommunismus und Antisowjetismus sowie einen konterrevolutionären Revanchismus in den Rang staatlicher Politik. Die doktrinäre Alleinvertretungsanmafjung übernahm die Funktion eines Eckpfeilers im System der antikommunistischen Ideologie und der Führung des psychologischen Krieges. 6 Mit dem staatsrechtlich und politisch fundierten „Alleinvertretungsrecht" wurden Doktrinen, Methoden und Instrumentarium des kalten Krieges gegen die DDR von der Bundesregierung gerechtfertigt. Nach der Gründung der DDR trug das revanchistische Gesamtprogramm unter dem Deckmantel der Losung von der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" - seit dem Beginn der fünfziger Jahre war in Bonn auch die Forderung nach „Befreiung der Sowjetzone" immer lauter zu hören - die Züge einer auf scharfe Konfrontation orientierten Anti-DDR-Politik. Die ideologische Konzeption gegen die DDR war dabei an bestimmten Schwerpunkten orientiert. So versuchte die Bundesregierung, unter Ausnutzung der Abendlandideologie und durch die Verfälschung der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in der DDR mit Hilfe der These von der „Sowjetisierung Mitteldeutschlands" und der Totalitarismus-Doktrin die DDR zu isolieren und damit gleichzeitig ihre in der BRD bis weit in die fünfziger Jahre antikommunistischen Hafj in der BRD war eine Rede von Franz Thedieck, Staatssekretär im „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen", auf dem „Sudetendeutschen Tag" am 31. Mai 1952. Der hohe Bonner Ministerialbeamte verglich hier die UdSSR mit den „Awaren und Hunnen' und den „Horden Dschingis-Khans" und forderte die „Zusammenfassung aller europäischen Kräfte", da „Asien an Elbe und Werra" stehe. Bull., BReg., Nr. 64, 6. 6.1952, S. 699 f. 8 In einem Artikel der BRD-Zeitschrift „Wehrkunde" wird der psychologische Krieg wie folgt definiert: „Der psychologische Kampf (ist) im sogenannten (!) Frieden der Hauptteil, das scharfe Schiefjen nur der Schlußakt des modernen Krieges" . . . Wehrkunde, München, H. 9/1958, S. 469. 143

hinein unpopuläre Politik der Remilitarisierung und militärischen Integration zu rechtfertigen und abzuschirmen. Während mit der „Sowjetisierungs"-These der Aufbau des Sozialismus in der DDR als das Werk einer fremden Macht und einer „Zwangsherrschaft von Partei und Staat" hingestellt wurde, lief die Totalitarismus-Doktrin in ihrem Kern auf eine böswillige und verleumderische Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus als „totalitäre Systeme" hinaus, wobei die Urheber der Doktrin von der Negierung des völlig gegensätzlichen Klassencharakters beider gesellschaftlicher Erscheinungen ausgingen. Bei der antisozialistischen Hetze gegen die DDR spielte das Argument eine besondere Rolle, daß die Arbeiterklasse und ihre revolutionäre Partei unfähig seien, die Wirtschaft zu leiten. In jener Zeit überschlugen sich die Meldungen und düsteren Prognosen von „sozialistischer Mißwirtschaft" und „Hunger, Armut und Verzweiflung" der „rechtlosen Zonenbewohner". Die Erfolge der sozialistischen Entwicklung wurden totgeschwiegen, der sozialistische Aufbauprozeß als „Freiheitsberaubung des Individuums" diffamiert. Seit Anfang - und verstärkt seit Mitte - der fünfziger Jahre mehrten sich die Versuche, die Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der DDR zu zersetzen und sich neben der Waffe des Antikommunismus auch der des bürgerlichen Nationalismus intensiver zu bedienen. Dabei wurde der enge Zusammenhang sichtbar, der zwischen der ideologischen und politischen Diversion und der Subversion sowie den Methoden des Wirtschaftskrieges bestand. Ein Beispiel für eine permanente antikommunistische und nationalistische Diffamierungskampagne gegen die DDR stellt die Ausnutzung des sogenannten Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 durch den BRD-Imperialismus für den psychologischen Krieg dar. Als diese Aktion für seine westlichen Initiatoren ein klägliches Ende gefunden hatte, rettete die Bundesregierung aus der Konkursmasse des Umsturz-Abenteuers die Legende vom „Volksaufstand in der sowjetischen Besatzungszone", die Bundeskanzler Adenauer in einer Regierungserklärung noch am 17. Juni formulierte. Diese Legende übernahm nun für lange Zeit im Arsenal der Anti-DDRPolitik eine tragende Funktion. Mit ihrer Hilfe sollte die DDR in der Weltöffentlichkeit diskriminiert und weiterhin außerhalb des sozialistischen Lagers isoliert werden. Daher wurde noch im August 1953 der Tag, an welchem die „Wiedervereinigungspolitik" der BRD ihre erste große Schlappe erlitten hatte, zum „Tag der deut144

sehen Einheit" erklärt und in der BRD fortan zum Feiertag bestimmt. Die böswillige Legende von der „Volkserhebung" gegen die „kommunistische Gewaltherrschaft" erhielt damit gesetzliche Verbindlichkeit für jede Darstellung des gescheiterten Umsturzversuches in der Öffentlichkeit. Für den Imperialismus der BRD war der „nationale Gedenktag" eine willkommene Gelegenheit, von seinen Verbrechen im kalten Krieg gegen die DDR abzulenken und damit auch die Vorbereitung und Auslösung des Umsturzes zu verschleiern. Diese Tatsache unterstrich der Mißbrauch des 17. Juni im Rahmen periodisch inszenierter Feierlichkeiten und propagandistischer Veranstaltungen sowie einer verlogenen Darstellung in einer Vielzahl von Publikationen, in denen die in der DDR ihrer gerechten Strafe zugeführten Brandstifter, Plünderer und Mörder als „Märtyrer der deutschen Einheit in Freiheit" in allen Ton- und Lesarten gepriesen wurden. 7 Der „Gedenktag" diente als Waffe im psychologischen Krieg gegen die DDR zur Stützung der Alleinvertretungsanmaßung und der seit 1955 praktizierten Hallstein-Doktrin. Einen Höhepunkt erreichten die „Gedenkfeiern" zum 17. Juni 1960 und 1961. Waren im Jahre 1960 noch 950 solche Feiern durchgeführt worden, so waren es 1961 - allein in der Zeit vom Januar bis zum Juni 1961 - schon 1700. Organisatoren dieser in vielen Fällen provokatorisch in unmittelbarer Nähe der DDR-Grenze stattfindenden Feiern waren in der Regel das „Kuratorium Unteilbares Deutschland" und die Revanchistenverbände. Einheiten des Bundesgrenzschutzes gehörten zur Zuschauerkulisse. Die Ausnutzung des „Gedenktages" im Interesse permanenter antisozialistischer Diskriminierung und Hetze erklärt das zähe Festhalten an der Legende. Erst seit dem Beginn der siebziger Jahre wurden unter dem Druck der veränderten Situation einige äußerliche Korrekturen vorgenommen, doch verzichtet die Regierung der BRD bis heute nicht auf die „Gedenkreden" von offizieller Seite. Bei den jährlichen Gedenkansprachen im Bundestag der BRD liegt in jüngerer Zeit der Tenor auf solchen nationalistischen Forderungen, die im Widerspruch zu den zwischen der BRD und der DDR 7 Ein Beispiel dafür ist die Schrift des BRD-Historikers Werner Conze, in der der konterrevolutionäre Umsturzversuch in einen „Volksentscheid gegen das SED-Regime" verfälscht wird. Conze, Werner: Der 17. Juni. Tag der deutschen Freiheit und Einheit. Frankfurt a. M. 'Bonn 1960, S. 9.

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geschlossenen Abkommen stehen. Dazu gehören die Behauptungen von der „einheitlichen deutschen Nation" und den „besonderen Beziehungen" zwischen den beiden deutschen Staaten sowie die provokatorischen Forderungen nach dem „Offenhalten der deutschen Frage" bzw. einer „deutschen Option" und der „Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts in ganz Deutschland", die davon zeugen, daß die Regierung der BRD an den 1949/50 verkündeten politischen Leitsätzen der „Deutschland"- und „Wiedervereinigungspolitik" festhält. Jüngste Beispiele dafür sind die Erklärungen des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers sowie des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen am 17. Juni 1976.8 Die Bundesregierung gibt den Ton an: Das „Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung" und sein Bild über die DDR Seit der Gründung der BRD und der Bildung der ersten Bundesregierung in Bonn übt das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung die Funktion einer Zentrale für die Öffentlichkeitsarbeit des Staates aus. Das Bundespresseamt beschäftigte in den sechziger Jahren mehr als 600 Mitarbeiter und verfügte über beträchtliche Mittel. Der in seinem Finanzplan enthaltene Haushaltstitel 300 der sogenannte Reptilienfonds - mit 13 Millionen Mark ist der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof bzw. durch parlamentarische Gremien entzogen. Für die „Öffentlichkeitsarbeit im Ausland" werden jährlich bedeutende Summen vorgesehen. Dienstlicher Aufsichts- und Lenkungsbereich des Bundespresseamtes ist das Bundeskanzleramt. Es hat die wissenschaftlichen Informationen auszuwerten und Planungsgrundlagen für die Außenpolitik - darunter auch die „Deutschlandpolitik" - sowie die Innenpolitik zu erarbeiten. Der Leiter des Bundespresseamtes „muß die Informationspolitik der Regierung koordinieren und artikulieren . . . Er hat die Pflicht, die Absichten seines Kanzlers zu kommentieren und zu interpretieren." 9 Das Bundespresseamt hat also die Aufgabe, die Politik der Bundesregierung zu vertreten und zu erläutern und die gesamte Informationspolitik zu leiten. 8 9

Vgl.: Bull., BReg., Nr. 72, 19. 6.1976, S. 685 f. Die Welt, 21.1.1967.

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Die Verbreitung der regierungsamtlichen Auffassungen geht über besondere Presse- und Informationsdienste, Pressekonferenzen und Gespräche mit Journalisten vor sich. Das Bundespresseamt gibt den Ton f ü r die gewünschte Sprachregelung an, seine Abteilung III überwacht mit Hilfe eines Kontrollsystems die Einhaltung der vorgegebenen politischen Leitlinie bei den Massenmedien. Eine besondere Rolle spielt das Bundespresseamt bei der Vorbereitung der Bundestagswahlen. Die Auslandsabteilung des Bundespresseamtes fungiert als Public-relations-Zentrale. In der Zeit des kalten Krieges hatte sie sich in besonderem Mafje der Aufgabe anzunehmen, das „Alleinvertretungsrecht" der BRD in der Weltöffentlichkeit publik zu machen. In Hunderten von Anzeigen, Filmen, Tonbändern und Druckschriften wurde — nach politischen Schwerpunkten aufgeschlüsselt - der Alleinvertretungsanspruch propagiert. Die Auslandsabteilung zeichnete auch f ü r die Entwürfe der Auslandsreden des Bundeskanzlers bzw. von Bundesministern verantwortlich. Mit „Inter-Nationes" steht ihr ein besonderes Public-relations-Unternehmen zur Verfügung, das vom Auswärtigen Amt mitfinanziert wird und eine Vielzahl von Publikationsmaterial herausgibt. 1 0 Andere Public-relations-Stationen wirken in der Anonymität. Dazu gehörte in den fünfziger Jahren die scharf rechtsgerichtete „Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise" (AdK), die sich mit einer militanten Propaganda der „Befreiung der Sowjetzone" verschrieben hatte, 1 1 Zu diesem vom Bundespresseamt unterhaltenen und finanzierten Netz gehörten auch der „Volksbund f ü r Frieden und Freiheit", das „Internationale Comité zur Verteidigung der christlichen Kultur", die „Vereinigung f ü r Staatsbürgerliche Rechte" und der „Bund f ü r Bürgerrechte". Auch die „Vereinigung der Opfer des Stalinismus" (VOS) ist diesem Kreis zuzuordnen. Das Bundespresse10

Vgl.: Manipulation. Die staatsmonopolistische Bewufjtseinsindustrie. Berlin 1968, S. 204. 11 1952 erklärte der Leiter der AdK, Dethleffsen: „Unsere Parole heifjt statt 'Gesamtdeutschland' besser 'Befreiung der Sowjetzone' und zwar mit ideologischen, politischen und wirtschaftlichen Mitteln . . . Die Befreiung der Sowjetzone muß zu einer Frage der Freiheit für alle Völker der westlichen Welt werden." Dethleffsen: Der deutsche Wehrbeitrag. Schriftenreihe der AdK, Bonn 1952, März, Man. S. 15; zit. bei: Schubert, Klaus von: Wiederbewaffnung und Westintegration. Die innere Auseinandersetzung um die militärische und außenpolitische Orientierung der Bundesrepublik 1950-1952. Stuttgart 1970, S. 177. 11

Teller

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amt leistete ferner beträchtliche Beiträge zur Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit der Verbände des organisierten Revanchismus in der BRD, beispielsweise für die Vielzahl der „Heimatzeitungen" und „Rundbriefe". Andere Kanäle, welche die offizielle Politik Bonns zu verdeutlichen hatten, waren die „Filmdienst GmbH" und die „Mobilwerbung GmbH" sowie die Sender „Deutschlandfunk" und „Deutsche Welle". 12 Bereits in den fünfziger Jahren verfügte die Bundesregierung über ein umfangreiches Instrumentarium für die antikommunistische Propaganda. Das vom Bundespresseamt herausgegebene „Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung" spielte in diesem Instrumentarium eine besondere Rolle. Im Bulletin wurden die außen- und innenpolitischen Linien der Regierungspolitik formuliert, amtliche Verlautbarungen der Bundesregierung wiedergegeben, die Reden von Politikern der regierenden Parteien abgedruckt und Informationen über Regierungsabkommen und ähnliche Vorgänge gegeben. Im Bulletin fanden die bekannten Leitlinien der „Deutschland"- und „Wiedervereinigungspolitik" ihren Niederschlag. Dazu gehörten in der Mehrzahl der Ausgaben ständige Berichte über die „Sowjetzone", mit denen sich das Bulletin permanent in innere Angelegenheiten der Deutschen Demokratischen Republik einmischte. Das Bulletin beschäftigte sich mit allen Bereichen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens in der DDR. Besonderes Interesse galt der sozialistischen Staatsmacht, der SED und den Sicherungskräften sowie dem Demokratischen Block der Parteien und Massenorganisationen. Andere Beiträge beschäftigten sich mit der Außenpolitik der DDR, der Kulturpolitik, der Entwicklung in der Landwirtschaft, der Preis- und Lohnpolitik, der Justiz, dem Handel, der Volksbildung, den Beziehungen zwischen Staat und Kirche und der Philosophie des Marxismus-Leninismus. Selbst Einrichtungen wie das Nationale Aufbauwerk der DDR, eine Volksbewegung, mit deren Hilfe Tausende von Menschen in den schwersten Jahren des Wiederaufbaues und Neubeginns die Grundlagen für ein besseres Leben der ganzen Bevölkerung schufen, waren im Bulletin einer gehässigen Kritik ausgesetzt. Der Tenor der Informationen des Bulletins über die DDR war in den Jahren des kalten Krieges von Feindseligkeit und offenem Hafj durchtränkt. Dafür sorgten nicht zuletzt die trüben Quellen, aus Zur Rolle dieser beiden Sender vgl.: Kreuzzug gegen die Koexistenz. Psychologische Kriegführung heute. Berlin 1975, S. 149 f. 12

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denen die Informationen bezogen wurden: das „Informationsbüro West" - die hauseigene Spionageagentur des „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen" - und das vom selben Ministerium herausgegebene „SBZ-Archiv". Die Meinung dieser Einrichtungen über die DDR unterschied sich in keiner Weise von derjenigen des Bundeskanzlers, der im Mai 1952 im Bulletin die Behauptung aufstellte, daß in der DDR „achtzehn Millionen deutscher Brüder und Schwestern verurteilt sind . . . ihr kärgliches Leben zu fristen . . . Das Land wird ausgepowert . . . so daß das gesamte Gebiet immer mehr verödet und verelendet" 13 . Die Berichterstattung des Bulletins über die DDR diente offensichtlich verschiedenen Aufgaben. Einmal sollten die regierungsoffiziellen Kreise eine möglichst große Zahl auswertbarer Informationen über die Verhältnisse in der DDR erhalten, die für die „deutschlandpolitischen" Initiativen der BRD und die gegenüber der DDR zu befolgende Politik von Bedeutung waren. Ein Beispiel dafür waren die sehr detaillierten Informationen des Bulletins über die Industrie, vor allem den Schwermaschinen- und Schiffsbau, die Roheisen- und Stahlerzeugung und das Bauwesen Anfang der fünfziger Jahre, wobei das Bemühen um genaue Kennziffern zur Materialausrüstung und zu Produktionsaufträgen augenfällig war. 14 Zum anderen sollten die Informationen über die DDR das antikommunistische Leitbild vom zweiten deutschen Staat stützen und ausbauen, d. h. Abscheu und Haß gegenüber der DDR hervorrufen. Hier dominierten daher nicht nur Unverständnis und Selbsttäuschungen, sondern es wurden auch Falschmeldungen produziert. So wußte das Bulletin im März 1952 zu berichten, daß in der DDR „52 Millionen Mark für militärische Objekte" und „26 Millionen Mark für Parteibauten" ausgegeben würden. 15 Wenig später wurde die Öffentlichkeit mit einer Meldung über angebliche Zwangsumsiedlungen in der DDR schockiert, von denen, wie es im Bulletin hieß „eine halbe Million Menschen betroffen" sei.16 Im Frühjahr 1953, als die Vorbereitung eines konterrevolutionären Umsturzes in der DDR betrieben wurde, verschärfte das Bulletin seinen aggressiven Ton gegenüber dem anderen deutschen Staat. Durch die Verächtlichmachung der gesellschaftlichen Errungenschaften in 13 14 15 16

n*

Bull., BReg., Nr. 50, 3. 5.1952, S. 528. Ebenda, Nr. 18, 12.2.1952, S. 173. Ebenda, Nr. 27, 6. 3.1952, S. 270. Ebenda, Nr. 37, 29. 3.1952, S. 381 f.

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der DDR, grobe Verleumdungen und Erfindungen und die Entfesselung einer schrankenlosen Hetze rückte das Bundespresseamt die in der DDR entstandene komplizierte wirtschaftliche Lage in den Mittelpunkt der Angriffe der Massenmedien. Das Bulletin erklärte, die Bevölkerung der DDR lehne „das Regime ab", ja sie streue sogar schon „Sand in das Getriebe". Damit sei bewiesen, „daß das ganze System der kommunistischen Staats- und Wirtschaftsführung unter Anklage steht" 17 . Im Bulletin wurde unverhohlen erklärt, was man in Bonn unter „Wiedervereinigung" verstand. Unter der Überschrift „Die historisch-politische Aufgabe Deutschlands - Robert Ingrims Buch 'Die Rettung Deutschlands' - Korea für Deutschland der große Glücksfall - Die staatsmännische Leistung" veröffentlichte das Regierungsorgan der BRD am 12. September 1952 Auszüge aus dem genannten Buch und identifizierte sich mit den militant-antikommunistischen Tiraden Ingrims. „Es gibt . . . nur ein Deutschland . . . und das ist die Bundesrepublik", hieß es in dem abgedruckten Auszug. „Alles andere sind vorübergehend verlorene Reichsteile . . . Die unerlösten Reichsteile sind unter der Herrschaft der Sowjet-Union. Die nationale Aufgabe heißt also nicht Vereinigung zweier oder dreier Deutschland, sondern Befreiung, Wiedergewinnung der unerlösten Gebiete." Um diese Aufgabe zu lösen, bedürfe es - so Ingrim - „Geduld und Sprungbereitschaft" 18 . In der Zeit des kalten Krieges gegen die DDR, bis Ende der sechziger Jahre, blieb in den Veröffentlichungen des Bulletins die politische Linie einer auf scharfe Konfrontation gerichteten aggressiven Anti-DDR-Politik konstant, welche die offiziellen Auffassungen der Bundesregierung in der „Deutschlandpolitik" zum Ausdruck brachte. Diese Tatsache bezeugten solche im Bulletin abgedruckten Erklärungen wie die des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke, der am 17. Juni 1961 in einer Atmosphäre scharfer internationaler Spannungen und militärischer Aggressionsvorbereitungen gegen die DDR den bekannten Standpunkt Bonns wiederholte, daß die DDR kein deutscher Staat sei, sondern ein Territorium unter sowjetischer Staatsgewalt und ein System, „das dieses Volk in seiner überwältigenden Mehrheit verabscheut" 19 . 17 18 19

Ebenda, Nr. 71, 16. 4.1953, S. 607 f. Ebenda, Nr. 133, 12. 9.1952, S. 1237. Ebenda, Nr. 111, 21. 6.1961, S. 1073.

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Mit seinen Veröffentlichungen setzte das Regierungsbulletin der BRD verbindliche Magstäbe für die Behandlung von Themen der Ost- und „Deutschlandpolitik" in den Massenmedien der Bundesrepublik. Dazu gehörte auch die offizielle Sprachregelung, die in einem spezifischen antikommunistischen Vokabular Ausdruck fand. Grundlagen dieser Sprachregelung waren die These von der Sowjetisierung und die Totalitarismus-Doktrin. Die Propagandathese von der Sowjetisierung bzw. Bolschewisierung hatte im Antisowjetismus des faschistischen deutschen Imperialismus ihren unverkennbaren Vorläufer. Sie formte ein von bourgeoisem Klassenhaß geprägtes Zerrbild von der DDR, in welchem der Aufbau des Sozialismus als Sowjetisierung hingestellt wurde. Das entsprechende Vokabular spielte in der psychologischen Kriegführung gegen den Sozialismus eine besondere Rolle, es sollte Gefühle des Abscheus und des Hasses gegen die DDR und die anderen sozialistischen Staaten, vor allem die Sowjetunion, wecken. Der Alleinvertretungsanspruch der BRD war ein weiterer wichtiger Einflufjfaktor. Im offiziellen Sprachgebrauch der Bundesrepublik war die DDR, die „Zone" oder „Sowjetzone" bzw. die „SBZ". Man sprach von der „Pankower Regierung" oder einfach von „Pankow" und den „Zonenmachthabern". Die DDR war eine „Kolonie der Sowjetunion", die „Zone des Unrechts", in welcher die Menschen in „geistiger und seelischer Versklavung" dahinvegetierten und auf die „Befreiung" warteten. Die führende Rolle der Partei der Arbeiterklasse in der DDR wurde als „SED-Regime" verleumdet, die Blockpolitik als „Zwangspolitik der SED" hingestellt. Mitunter bediente man sich auch der bewußten Anknüpfung an das faschistische, antikommunistische Vokabular, wenn man von „Bolschewisierungsmaßnahmen" sprach oder das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) in Beziehung zum Sicherheitsdienst der SS (SD) zu setzen suchte und vom „SSD" sprach. Für die Deutsche Volkspolizei war die abwertende Bezeichnung „Vopo" im Schwange. Die demokratische Justiz der DDR galt als „Terrorjustiz". Man sprach - ebenfalls in Anlehnung an die Nazipropaganda - von einer „politischen Gleichschaltung" im Bildungswesen der DDR und konstruierte Vergleiche der FDJ und der Organisation der Jungen Pioniere mit der faschistischen Hitlerjugend und dem Jungvolk der Nazis. Die Massenmedien der DDR galten als Vertreter der „Ostzonenpropaganda", die Bauern der Republik waren - laut Sprachregelung im Bulletin der „Zwangskollektivierung" und „Kolchoisierung" ausgesetzt. In 151

Verbindung mit den diskriminierenden Bezeichnungen standen solche Termini wie „Sklaverei", „geistige Knechtschaft", „Gewaltherrschaft", „Zwangsarbeit", „Deportation", „Versorgungskrise", „politischer Bankrott", „Scheinwahlen" und „Massenflucht". Dieses finstere Bild von der DDR stellten die Redakteure des Bulletins der „freiheitlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland" gegenüber. Dem ausschließlich negativ orientierten Vokabular über die DDR wurde ein durchweg positives über die Bundesrepublik entgegengesetzt, indem man von der „nationalen Selbstbestimmung für alle Deutschen" und von der „Verantwortung für die Brüder und Schwestern im Osten" sprach und ein „Sorgerecht der Bundesregierung" konstruierte. Schlagworte wie das von der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" und Begriffe wie „Menschenwürde", „Freiheit" und „Europa" sollten in der ständigen Gegenüberstellung zur diskriminierenden Terminologie über die DDR und die anderen sozialistischen Staaten als stimulierender Faktor im antikommunistischen Kreuzzug wirken.

Die „Bundeszentrale für Heimatdienst" Im November 1952 wurde laut Erlaß der Bundesregierung die „Bundeszentrale für Heimatdienst" gegründet. Die offizielle Bezeichnung dieser Dienststelle, die schon bald bei der Manipulierung der öffentlichen Meinung eine wesentliche Rolle zu spielen begann, lehnte sich an die von 1918 bis 1945 bestehende Reichszentrale für Heimatdienst - eine berüchtigte konterrevolutionäre Propagandaorganisation des deutschen Imperialismus an. Als Hauptanliegen der „Bundeszentrale", die 1960 in „Bundeszentrale für politische Bildung" umbenannt wurde, formulierten ihre Gründer die „geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus". Seit 1957 ist der „Bundeszentrale" ein „Ostkolleg für politische Bildung" angeschlossen. 20 Die „Bundeszentrale" übernahm die Aufgabe, ein „Staatsbewußtsein" der Bürger der BRD im Sinne des „Alleinvertretungsrechts" zu entwickeln und zu fördern, wobei der Antikommunismus zum oberVgl. hierzu: Mietkowska-Kaiser, Ines: Die „geistige Ostfront". Westdeutsche politisch-ideologische Zentren der psychologischen Kriegführung. Dokumentation. In: Jahrbuch für Geschichte der sozialistischen Länder Europas, Band 14/2, Berlin 1970, S. 137 f.

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sten politischen Grundsatz erhoben wurde. Die Dienststelle widmete sich von Beginn an der politisch-ideologischen Breitenarbeit und der Steuerung von Multiplikatoren in diesem Bereich. Über angeschlossene Landeszentralen ergingen Aufträge an Journalisten, Schriftsteller, Verleger, Zeitungen, den Rundfunk sowie Film und Fernsehen. In Millionenauflagen wurden „Informationen zur politischen Bildung" und „Ausgewählte Werke der politischen Literatur" herausgegeben sowie Aufträge zur Herstellung von Dokumentär- und Spielfilmen - oftmals eindeutig revanchistischen Charakters - erteilt. Die von der „Bundeszentrale" herausgegebene Wochenzeitung „Das Parlament", die sich vor allem an politisch-interessierte Intellektuelle wendet, setzte ebenso wie das Regierungsbulletin verbindliche Maßstäbe für das offizielle Bild von der DDR und die entsprechende antikommunistische Terminologie. In der Ausgabe des Blattes vom 6. September 1961 fand das in besonders augenfälliger Weise Niederschlag. In dieser Ausgabe beschäftigten sich die Redakteure der Zeitung nahezu ausschließlich mit der DDR. In ohnmächtiger Wut über die Maßnahmen der Staaten des Warschauer Vertrages vom 13. August entfesselte „Das Parlament" eine beispiellose Hetze, die sich gegen sämtliche Bereiche des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens im anderen deutschen Staat richtete. Unter der Überschrift „17 Millionen Deutsche im Kommunistischen Griff. Vom Leben und Leiden in der sowjetischen Besatzungszone" verunglimpfte das Blatt die DDR als „kommunistisches Staatsgebilde" und „Befehlsempfänger der sowjetischen Besatzungsmacht". Nach einer Entstellung der Geschichte der DDR und des Viermächte-Status unter der Schlagzeile „Mitteldeutschland wurde ein zweites Sibirien" aus der Feder von Franz Thedieck folgten Anwürfe gegen die SED von Carola Stern und dem Leiter des „Ostbüros" der SPD, Stephan G. Thomas, sowie Verleumdungen der Rechtsprechung in der' DDR durch Walther Rosenthal, den Leiter des „Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen, e. V.". Mit aus dem Zusammenhang gerissenen Bildern und Bildfälschungen versehene andere Beiträge griffen die Nationale Volksarmee der DDR als „Machtinstrument und Bürgerkriegsarmee" an und verleumdeten die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften als „Kommunistische Zwangsgemeinschaften". In anderen Artikeln wurden die Freie Deutsche Jugend angegriffen und die Beziehungen zwischen Staat und Kirche entstellt. Das „Parlament" suggerierte seinen Lesern, daß die SED als Diktator in der Kunst wirke. Weitere 153

Überschriften lauteten „Leben in der Knechtschaft", „Die tote Zone" und „Die Familie - Werkzeug der Politik". Von blindem antikommunistischem Haß durchdrungen, verunglimpfte „Das Parlament" sogar die FDGB-Erholungsreisen für die Werktätigen, erklärte, dag die DDR „von einer Versorgungskrise in die andere" gerate, und bedeutete den Lesern, daß das gesamte Leben im anderen deutschen Staat „äußerlich ein grauer, trostloser und deprimierender Alltag" sei.21 Noch im Mai 1966 verabschiedete die „Bundeszentrale für politische Bildung" auf ihrer Halbjahrestagung eine „Arbeitsunterlage zur deutschen Frage in der politischen Bildung", die „für alle einschlägigen Dienststellen und Einrichtungen", d. h. für Behörden, Schulen, Bundeswehr und Polizei, verbindlichen Charakter hatte. Unter dem Begriff „Deutschland" galt für die DDR die folgende Sprachregelung: „Die Bewohner Mitteldeutschlands leben in der SBZ und in Ostberlin unter einem totalitären Herrschaftssystem sowjet-kommunistischer Prägung und besitzen nicht die Möglichkeit freier politischer Meinungs- und Willensbildung."22 Auch in der Gegenwart fungiert die „Bundeszentrale für politische Bildung" als ein Zentrum systematischer antikommunistischer Bewußtseinsbeeinflussung in der Bundesrepublik und ist mit ihrem „Ostkolleg" an führender Stelle im psychologischen Krieg gegen den Sozialismus tätig.

Das Feindbild in den Massenmedien Das von den Zentren der Manipulation in der Bundesrepublik verbreitete Feindbild von der DDR und den anderen sozialistischen Staaten war von Antikommunismus und Antisowjetismus, Revanchismus und Nationalismus, bourgeoisem Klassenhaß, Heuchelei und Verlogenheit, Arroganz und Verständnislosigkeit geprägt. Es war der politisch-propagandistische Niederschlag der Anti-DDRPolitik in der Zeit des kalten Krieges, wobei seine Hauptelemente diese Zeit überdauerten. Das antisozialistische Feindbild erzeugte politische Leitbilder für die psychologische Kriegführung gegen die DDR, mit denen vielschichtige Ziele verfolgt wurden: die Sicherung des „Alleinvertretungsrechtes" und die Rechtfertigung der revanchi21 22

Das Parlament, 6. 9.1961. Ebenda, S. 206.

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stischen „Deutschland"- und „Wiedervereinigungspolitik" durch das permanente Negieren der staatlichen Existenz der DDR im Interesse ihrer Einverleibung in die Bundesrepublik, die Manipulation der Bevölkerung in der BRD im Interesse der antisowjetischen Blockbildung und einer antikommunistischen Staatsraison und die Einschüchterung Andersdenkender. In der DDR sollte der psychologische Krieg durch seine Angriffe gegen die staatlichen und gesellschaftlichen Grundlagen, vor allem aber gegen die Partei der Arbeiterklasse zu konterrevolutionären Aktionen anstacheln und zur Liquidierung der Arbeiter-und-Bauern-Macht führen. In den fünfziger Jahren befand sich die psychologische Kriegführung in einer weitgehenden Übereinstimmung mit der amerikanischen Politik der „liberation" und des „roll-back", die als „Antriebsmotor" im antikommunistischen Kreuzzug fungierte. 23 Der psychologische Krieg konfrontierte die DDR mit der permanenten Gefahr einer aggression, da er auf die Auslösung konterrevolutionärer UmsturzAktionen in den sozialistischen Staaten gerichtet war. Das antisozialistische Feindbild formte alle staatlichen und gesellschaftlichen Bereiche in der Bundesrepublik. Es fand in der Rechtsprechung seinen Niederschlag, von den Landgerichten bis zum Bundesverfassungsgericht. Im Sinne dieses Bildes wurden auch die Angehörigen der Bundeswehr erzogen 24 , ebenso der Bundesgrenzschutz der BRD, der mit seinen zahlreichen Provokationen an der Staatsgrenze der DDR, die von den nahezu täglichen haßerfüllten Beschimpfungen der DDR-Grenzposten bis zur Ermordung von Angehörigen der Grenztruppen reichten, davon Zeugnis ablegte. Auch in den Schulen der Bundesrepublik wurde das Zerrbild von der 23

Siehe dazu: Roth, Karl Heinz/Neumann, Nicolaus/Leib, Hajo: Psychologische Kampfführung. Invasionsziel: DDR. Vom Kalten Krieg zur Neuen Ostpolitik. Hamburg 1971, S. 30. 24 Ein Beispiel für die antikommunistische Verhetzung von Angehörigen der Bundeswehr der BRD schildert der inzwischen verstorbene DDRSchriftsteller Ehm Welk von einer Reise in die BRD, als das von ihm benutzte Fahrzeug aus der DDR auf der Autobahn von einer Kolonne der Bundeswehr überholt wurde. Welk schrieb: „Es waren lauter junge Menschen. Gleich aus dem ersten Wagen wurde uns beim Vorbeifahren zugebrüllt: ,Mach, dafj Du weiterkommst, verdammtes Ostschwein!' Die Insassen von zwei weiteren Wagen machten es nach: Sie variierten den Satz, aber das Ostschwein war immer dabei." Neues Deutschland, Berlin (B), 30.10.1960.

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DDR gezeichnet. Es formte die Unterrichtsmittel unter Benutzung des bekannten Vokabulars. Revanchistische Gremien wie das „Kuratorium Unteilbares Deutschland" taten mit Schülerwettbewerben unter demagogischen Losungen das ihre, um zur antikommunistischen Verhetzung von Lehrern und Schülern beizutragen. Das gewünschte Ergebnis war das Bild einer von Stacheldraht und Wachtürmen eingefriedeten toten Zone mit hungernden Menschen, die sich in Kinderzeichnungen und Schüleraufsätzen widerspiegelte. 20 Die Agenturen wie die „Ostbüros" der SPD, FDP und CDU, der „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen", die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" oder solche Organisationen wie die „Vereinigung der Opfer des Stalinismus" und Gremien wie das „Kuratorium Unteilbares Deutschland", die tonnenweise Hetzflugblätter über der DDR abregnen ließen und den psychologischen Krieg als Teil ihres Untergrundkrieges betrieben, waren auf dasselbe Feindbild eingeschworen, das sie gleichzeitig mit ihren Aktivitäten stimulierten. Eine besondere Rolle spielten in der antikommunistischen Manipulation in der Bundesrepublik Presse und Rundfunk, später auch das Fernsehen. Dabei nahm die Presse unbestritten einen erstrangigen Platz ein. In den Artikeln, Berichten und Kommentaren über die DDR widerspiegelte sich die politisch—ideologische Variante des kalten Krieges gegen den Sozialismus. Bereits in der Zeit der Besatzungszonen attackierten bürgerliche und sozialdemokratische Zeitungen in den Westzonen und den Westsektoren Berlins die antifaschistisch-demokratische Ordnung in der sowjetischen Besatzungszone. Nach der Gründung der DDR wurden die antikommunistischen Ausfälle schärfer und gehässiger, wobei sich die Presseorgane der SPD wie der „Neue Vorwärts" und die „Sopade" hervortaten. Für die sozialdemokratische Presse war die DDR „Pieckistan" oder der „Sowjet-Staat Ostzone". 26 Die Zeitungen der SPD, die aus den trüben Quellen des parteieigenen „Ostbüros" schöpften, ergossen z ~' Am 3. August 1973 bemerkte der „Sender Freies Berlin" über die in den Schulen der BRD benutzten Geschichtsbücher aufschlußreich: „Die DDR wird verketzert wie eh und je, ihre staatlichen Einrichtungen und Praktiken werde geradezu als Ausgeburt eines teuflischen Phänomens gebrandmarkt . . . Primitiver Antikommunismus wird den Schülern zwischen Flensburg und Konstanz gepredigt." (Kreuzzug gegen die Koexistenz. Psychologische Kriegführung heute. Berlin 1975, S. 120.) 20 Vgl. Neuer Vorwärts, 15.10.1949 und Sopade, Oktober 1949, S. 49.

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einen Strom von Lügen und Verleumdungen über den anderen deutschen Staat, die in ihrer Abgeschmacktheit selbst die großbürgerliche Presse in den Schatten stellten. So griff der „Neue Vorwärts' am 3. März 1950 die Justiz in der D D R unter der Schlagzeile „Himmler-Methoden in der Ostzone" 2 7 an. In der Ausgabe desselben Blattes vom 12. Mai 1950 wurde „ein erschütternder Tatsachenbericht der SPD" über „Terror und Zwangsarbeit in der Ostzone" vorgelegt, in dem behauptet wurde, daß bereits „100000 Menschenleben" der „Gewalt der Diktatur" und den „Foltermethoden" zum Opfer gefallen seien. 2 8 Der „Neue Vorwärts" verkündete ständig, daß die Blockpolitik in der D D R von der SED aufgegeben werde, denn der Kurs gehe auf „die Errichtung des kommunistischen Einheitsparteienstaates, der nur mit Mitteln des Terrors erreicht werden" 2 9 könne. Zu einer Zeit, da das „Ostbüro" der SPD mit großangelegten Sabotageakten die Versorgung der Bevölkerung der D D R mit Lebensmitteln störte, hetzte der „Neue Vorwärts" gegen die „staatlichen Schwarzmarktpreise der HO-Geschäfte" 3 0 . I n ' d e r gleichen Ausgabe wurde die verleumderische Behauptung aufgestellt, daß der 1. Mai in der D D R „im Dienste der Kriegshetze" 3 1 stehe. Die sozialdemokratischen Zeitungen schreckten auch vor der Verbreitung von Erfindungen und Gerüchten über das Leben in der D D R nicht zurück, wenn sie sich nur im Interesse der antikommunistischen Manipulation nutzen ließen. So wurde dreist erklärt, daß das „Abhören westlicher Sender" in der D D R als „Verbrechen" gelte und gesetzlich bestraft werde. 32 In antikommunistischem Haß befangen, nahm die „Argumentation" gegen die D D R oft groteske Züge an, wenn beispielsweise Kurt Schumacher die „Hintergründe" des Pfingsttreffens der F D J 1950 darin sehen wollte, daß die „hyperrussischen aktionsradikalistischen Machthaber der Sowjetzone . . . damit den Mißerfolg ihres Zweijahresplanes verdecken" wollten. 33 Zu jenen Zeiten, da der kalte Krieg in einen heißen umzuschlagen drohte, stieg die Flutwelle der Hetze gegen die D D R merklich an.

27 28 29 30 31 32

Neuer Vorwärts, Bonn, 3. 3.1950. Ebenda, 12. 5.1950. Ebenda. Ebenda, 1. 5.1950. Ebenda. Ebenda, 12. 5.1950. Ebenda, 31. 3.1950. 157

So faselte der „Neue Vorwärts" am 9. Januar 1953 von einer „Existenzkrise des SED-Regimes" und einem „erstarkenden Widerstand der Bevölkerung".34 In der Ausgabe des Blattes vom 8. Mai hieß es: „Sklaverei und Hunger beginnen sich allmählich der Grenze des Erträglichen zu nähern."35 Was in der Ausgabe des „Neuen Vorwärts" vom 13. Februar unter der Überschrift „Kolchosen vertreiben Mitteldeutschlands Bauern" zu lesen war36, unterschied sich in keiner Weise von den Greuelmärchen, die von der großbürgerlichen Zeitung „Die Welt" Ende Mai desselben Jahres unter den Worten „Erntearbeiten unter Bewachung" veröffentlicht wurden.37 Der „Neue Vorwärts" wußte in dieser Situation auch mit gezielten Falschmeldungen aufzuwarten, mit denen die Bevölkerung der DDR verwirrt werden sollte. So druckte das Blatt am 13. Februar Auszüge aus einem angeblich der Volkskammer der DDR zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetz ab, nach dem eine Ablieferungspflicht für Rundfunkempfänger im persönlichen Besitz eingeführt werden sollte.38 Am 14. Juni verkündete der sozialdemokratisch orientierte Westberliner „Telegraf" „Ulbricht stürzt"39, am 15. Juni lautete die Schlagzeile „Jetzt geht es der SED an den Kragen"40, und am 16. Juni wurden gezielte Falschmeldungen über den angeblichen Rücktritt von Politikern der DDR verbreitet.41 Mit der in Rotdruck erscheinenden Schlagzeile „Ostberlin in Aufruhr - Nieder mit den Verrätern!" stellte sich schließlich die Zeitung offen hinter die konterrevolutionären Losungen zum Sturz der Regierung der DDR und putschte zu Terrorakten auf.42 „Die Welt" sprach von einer „Rebellion gegen (das) SED-Regime"43 und suchte die imperialistische Aktion gegen die DDR unter Schlagzeilen wie „Sowjetpanzer im Steinhagel" und „Aufruhr in der Zone" zu stimulieren.44 Im Mai 1956, in einer Zeit scharfer internationaler Spannungen und 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Neuer Vorwärts, Hannover, 9 . 1 . 1 9 5 3 . Ebenda, 8. 5.1953. Ebenda, 13. 2.1953. Die Welt, 28. 5.1953. Neuer Vorwärts, 13. 2.1953. Telegraf, (West-) Berlin, 14. 6.1953. Ebenda, 15. 6.1953. Ebenda, 16. 6.1953. Ebenda, 17. 6.1953. Die Welt, 17. 6.1953. Ebenda, 18. und 19. 6.1953.

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drohender Kriegsgefahr, verstieg sich eine Zeitung in der Bundesrepublik in einer Betrachtung anläßlich der Wiederkehr des 17. Juni zu der folgenden ungeheuerlichen Äußerung: „ . . . die Beispiele Korea, Indochina, Formosa, Palästina und Algerien zeigen, daß nur solche Spannungen die Mächte, Diplomaten und Völker in Bewegung bringen, die sehr ernst genommen werden. Bei uns aber sieht man weder Rauch noch Feuer, an unserer Zonengrenze herrscht stiller Kirchhofsfrieden . . . " Und weiter hieß es in bezeichnender Offenheit: „Aus der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik darf nichts werden."45 Auch im 1. Halbjahr 1961, als eine militärische Intervention gegen die DDR vorbereitet wurde, überschlug sich die antikommunistische Hetze. Der „Rheinische Merkur" brachte eine Serie von „Flucht"Artikeln, so in der Nr. l/61 unter der Überschrift „Menschen auf der Flucht"46 und in der Ausgabe vom 4. August, wo der Leitartikel des Blattes Paul Wilhelm Wenger mit der Schlagzeile „Fliehen oder ersticken" die „Flucht aus den Terrorbezirken der Sowjetzone" als „Fieberkurve der innerdeutschen Emigration" und „Massenflucht" strapazierte. Wenger sprach von „staatliche (r) Leibeigenschaft" und „Tyrannei" und verunglimpfte die DDR als „bolschewistisches Kollektivgefängnis".47 Karl Wilhelm Fricke schreckte im gleichen Blatt in der Ausgabe vom 28. April die Leser des „Rheinischen Merkur" mit der Lüge, daß die DDR-Bevölkerung von „über 100 000 Spitzel (n)" bewacht werde. 48 In dieser Zeit wurde in der BRD der Ver45

Badische Neueste Nachrichten, Karlsruhe, 26. 5.1956. Rheinischer Merkur, Köln, 1.1.1961. 47 Ebenda, 4. 8.1961. 48 Ebenda, 28. 4.1961. Dabei spielte die Gründung der Organisation „Rettet die Freiheit, e. V." am 20. 2.1960 eine Rolle. Der Verein gab als Zielsetzung die „Abwehr östlicher Infiltrations versuche" (Süddeutsche Zeitung, München 30.1. 1959) und „die Befreiung der Ostzone Deutschlands" (Deutsche Woche, München, 6. 4.1960) an. Für die Gründung des Vereins war eine Atmosphäre hektischer antikommunistischer Hetze charakteristisch. Der hinter dem Verein stehende Personenkreis (Rainer Barzel, Josef Maria Globke, Franz-Josef Strauß sowie Generale der Bundeswehr) suchte verständigungsbereite Kräfte in der BRD einzuschüchtern und gab ein sogenanntes Rotbuch mit Listen demokratischer Persönlichkeiten in der Bundesrepublik heraus. Diese Rufmordhetze führte zu massiven Protesten gegen das Komitee und zu gerichtlichen Verfahren gegen „Rettet die Freiheit, e. V." Am 3. 4.1961 wurde laut Meldung der „Frankfurter 46

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such unternommen, ein Koordinierungszentrum f ü r den psychologischen Krieg zu schaffen, das bei der Aggressionsvorbereitung gegen die DDR eine besondere Rolle spielen sollte. Die Organisation „Rettet die Freiheit, e. V." - von fortschrittlich gesonnenen Bürgern in der Bundesrepublik spöttisch auch als „Freiheit e. V." bezeichnet, spiegelt in vieler Hinsicht das spezifische Klima der gegen die DDR gerichteten Politik wider, das 1960 in der BRD bestand. Der von diesem Komitee angegriffene Personenkreis in der Bundesrepublik setzte sich energisch zur Wehr und strengte gegen „Rettet die Freiheit, e. V." gerichtliche Verfahren an, die vor allem die von Karl Richter unter dem Titel „Die trojanische Herde" erschienene Hetzschrift, die einen ausgesprochenen Rufmordcharakter aufwies, zum Gegenstand hatten. Dabei traten auch graduelle Unterschiede im „DDR-Bild" der bürgerlichen Presse auf: Während solche Zeitungen wie „Die Welt", der „Rheinische Merkur" oder der „Bayernkurier" - nicht zu reden von der neofaschistischen Presse wie der „Deutschen National- und Soldatenzeitung" - einem extremen bzw. militanten Antikommunismus huldigten, der ihnen häufig jeden Blick auf die Realität versperrte, traten andere großbürgerliche Organe wie die „Süddeutsche Zeitung" und das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" seit Mitte der fünfziger Jahre f ü r eine realistischere Betrachtung der Verhältnisse in der DDR ein, wobei jedoch auch diese Blätter bis heute keinen Zweifel an ihren antikommunistischen Grundpositionen ließen. Freilich erreichten alle diese Zeitungen, von denen ein großer Teil der sogenannten Führungspresse angehört, jeweils nur bestimmte Schichten der BRD-Bevölkerung - die Masse der Zeitungsleser in der BRD „informiert" sich über das Leben in der DDR nach wie vor anhand der „Asphaltpresse", deren Prototyp die vom Springer-Konzern herausgegebene und von groben antikommunistischen Ausfällen und Verleumdungen strotzende 10-Pfennig-„Bild-Zeitung" ist. 49 Rundschau" der Verein, der zahlreiche Niederlagen hatte einstecken müssen, für aufgelöst erklärt. 49 Vgl.: Manipulation. Die staatsmonopolistische Bewu5tseinsindustrie. S. 276 f. u. 304 f.

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Die DDR im Visier des Ätherkrieges: „RIAS" Berlin der Funkpirat f ü r Diversion und Untergrundkrieg An der Formierung des Feindbildes von der DDR hatten von Anfang an auch die anderen bürgerlichen Massenmedien wie der Rundfunk - später kam das Fernsehen der BRD hinzu - einen wesentlichen Anteil. Schon in der Zeit des Bestehens der Besatzungszonen in Deutschland war der Ton der westlichen Rundfunkstationen gegenüber der sowjetischen Besatzungszone und der sowjetischen Besatzungsmacht feindselig und aggressiv. Das galt sowohl f ü r die anfänglich von den westlichen Besatzungstruppen geleiteten Stationen, beispielsweise den „Nordwestdeutschen Rundfunk", als auch f ü r Sender britischer und amerikanischer Herkunft, die im kalten Krieg eine besondere Rolle übernahmen. 5 0 Hierzu gehörten der „Londoner Rundfunk" (BBC) mit seinen deutschsprachigen Sendungen, „Radio Luxemburg", die Truppensender „American Forces Network" (AFN) und „British Forces Network" (BFN) sowie der „Rundfunk im amerikanischen Sektor" („RIAS"). 1950 bzw. 1953 traten die beiden sehr leistungsstarken Rundfunksender „Radio Free Europe" und „Radio Liberty", die als private Stiftungen getarnt sind, mit speziellen Aufgaben f ü r die ideologische Diversion gegen die UdSSR und andere sozialistische Staaten in den Ätherkrieg ein. 51 Regelmäßige Sendefolgen, die sich mit dem Leben in der DDR und anderen sozialistischen Staaten beschäftigten, strahlte auch der Sender „The Voice of America" („Die Stimme Amerikas") aus. Bei der Verbreitung der imperialistischen Ideologie und der ideologischen Diversion gegen den Sozialismus nahmen die imperialistischen Rundfunkstationen in den fünfziger Jahren eine Schlüsselstellung ein. Sie fungierten als anleitende Instrumente f ü r die Diversionsund Spionagetätigkeit und die Vorbereitung der Konterrevolution. In den fünfziger Jahren wurden auch von seiten der Bundesrepublik neue Sendestationen mit großer Reichweite geschaffen, die einer eindeutig antisozialistischen Aufgabenstellung folgten. So nahm am 1. Juni 1954 der „Sender Freies Berlin", der wie es hieß, zur „So-

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Siehe dazu auch: Mettler, Barbara: Demokratisierung und Kalter Krieg. Zur amerikanischen Informations- und Rundfunkpolitik in Westdeutschland 1945-1949. (West-) Berlin 1975. (Rundfunkforschung, Bd. 2). 51 Vgl. dazu: Czechowicz, Andrzej: Sieben schwere Jahre. Berlin 1976 sowie Geheimnisse der USA-Geheimdienste. Berlin 1975, S. 244 u. 247 f. 161

wjetzone" sprechen sollte 52 , sein ständiges Sendeprogramm auf. Im Jahr zuvor hatte die „Deutsche Welle" — sie war bis zum November 1960 noch organisch mit dem „Westdeutschen Rundfunk" verbunden - ihre Kurzwellensendungen für überseeische Gebiete aufgenommen, die eine eindeutig antikommunistische Haltung erkennen ließen. Am 1. Januar 1962 folgte schließlich der „Deutschlandfunk", der den seit Januar 1953 arbeitenden NWDR-Langwellensender ablöste und der „Sendungen für Deutschland und das europäische Ausland veranstalten" sollte. 53 Auch der „Deutschlandfunk" - ein Sprachrohr der „Deutschlandpolitik" der BRD - war von Anfang an auf das antisozialistische Feindbild von der Deutschen Demokratische Republik eingeschworen. Die Hauptrolle im Ätherkrieg gegen die sowjetische Besatzungszone und spätere DDR aber spielte während des kalten Krieges der Sender „RIAS", der nicht nur Aufgaben der ideologischen Diversion, sondern nachweislich auch des Untergrundkrieges erfüllte. Der Sender - am 7. Februar 1946 als „Rundfunk im amerikanischen Sektor" gegründet - war ein Produkt der Anfangsphase des kalten Krieges, die bereits durch eine massive antikommunistische und antisowjetische Hetze gekennzeichnet war. Bei der Gründung standen der amerikanische Geheimdienst und das State Department Pate. Die Frequenzen des Senders waren international nicht bestätigt, so daß er die Rolle eines „Rundfunkpiraten" spielte. Am 20. Februar 1948 erklärte der Leiter des „RIAS", William F. Heimlich, in einem Interview mit der Zeitung „Telegraf": „RIAS will kein Propagandasender sein, will der Wahrheit dienen." Doch schon ein Jahr später, am 19. April 1949, meldete der Westberliner „Kurier", der RIAS sei Amerikas „wirksamste Radiowaffe im Kalten Krieg und seine einzige Stimme hinter dem Eisernen Vorhang". Welche Aufgabe aber dieser für den Imperialismus in so günstiger Position befindliche Sender übernommen hatte, plauderte am 11. August des gleichen Jahres ein anderes Westberliner Blatt, der „Tagesspiegel", aus, als es feststellte: „Am Radio hören die Bewohner der ostdeutschen Irredenta die freiheitliche Stimme Berlins." Als Beispiel für derartige Sendungen führte die Zeitung den sogenannten WarnDie Neue Zeitung, (West-) Berlin, 2. 4.1954. Vgl.: Löwis of Menar, Henning von: Die Rolle des Rundfunks im Ost-West-Konflikt. In: Handbuch der deutschen Außenpolitik. München/ Zürich 1975, S. 533 f.

53 53

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dienst der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" an. Schon damals wurde die Rolle deutlich, die der Funkpirat spielen sollte: In der sowjetischen Besatzungszone und späteren D D R eine „Irredenta", das heißt die Konterrevolution, zu organisieren, welche die dortige gesellschaftliche Ordnung zu beseitigen hatte. Um die ihm übertragene Aufgabe wahrnehmen zu können, erhielt der Sender bald großzügige Mittel, die nicht nur von den USA bereitgestellt wurden. Dem „RIAS" flössen immer größere finanzielle Unterstützungen von Seiten des „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen" zu - eine Mitfinanzierung des Senders durch die Regierung der BRD, die in neuester Zeit vom „Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen" wahrgenommen wird und sich auch in der Eingliederung des Senders in die ARD („Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands") widerspiegelt. 54 Im Februar 1946 war der „RIAS" in Berlin über das Drahtfunknetz der Berliner Westsektoren zu vernehmen, im Juli 1949 löste bereits eine 100KW-Sendeanlage die 20-KW-Anlage ab, am 1. Oktober desselben Jahres konnte der „RIAS" seine Sendungen in das Berliner Telefonnetz einspeisen, und seit dem 14. Januar 1953 verfügte er über eine 300-KW-Anlage, um, wie es hieß, „die RIAS-Sendungen noch weiter in die Gebiete östlich des 'Eisernen Vorhangs' hineinzutragen" 55 . Ab 1. November 1953 sendete der „RIAS" 2 Programme, wobei ein Programm 24 Stunden umfaßte. Der Sender meldete sich nun auch auf einer dritten Frequenz, auf der Ultrakurzwelle. Auch später wurden die technischen Möglichkeiten des Senders, der heute etwa 1000 Mitarbeiter beschäftigt und seine Sendungen in fast 200 Wochenstunden abstrahlt, ständig verbessert. 5 6 Der „RIAS" arbeitete eng mit dem „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen", den „Ostbüros" und den anderen in Westberlin stationierten Zentren der ideologischen und politischen Diversion und des Untergrundkrieges zusammen. Er wurde zur Hauptwaffe der Diversion und des psychologischen Krieges gegen die Deutsche Demokratische Republik - eine Tatsache, zu der nicht zuletzt seine Stationierung in Westberlin beitrug, die es ihm ermöglichte, Zur Finanzierung des „RIAS" bemerkte „Die Zeit" vom 19. 4.1974: „Der 'RIAS' untersteht nach wie vor den Amerikanern und dem Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, das ihn auch zum größten Teil finanziert." Vgl.: Kreuzzug gegen die Koexistenz. S. 148. 55 Die Neue Zeitung, (West-)Berlin, 14.1.1953. 56 Geheimnisse der USA-Geheimdienste. S. 241 f. 54

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Teller

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die Subversionszentralen zu nutzen und seine Sendungen faktisch inmitten der DDR selbst auszustrahlen. Der „RIAS" entstellte und verleumdete die Politik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und der Regierung der DDR. Er richtete seine Zersetzungstätigkeit im Ätherkrieg gegen alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in der DDR, ob es sich nun um den Abschluß eines Regierungsabkommens der DDR, das Nationale Aufbauwerk der Hauptstadt Berlin, eine Erklärung des Politbüros der SED oder einen Auftritt des Dresdner Kreuzchores handelte. In gehässigen Kommentaren und anderen politischen Sendungen - der Anteil von „RIAS"-Sendungen mit direkter politischer Aussage liegt auch gegenwärtig bei 50 Prozent der Gesamtsendungen - machten solche fanatischen Feinde des Sozialismus wie Mathias Waiden ihrem abgrundtiefen Klassenhaß und ihrer Menschenverachtung gegenüber dem Sozialismus Luft. Über die Mikrofone des „RIAS" wandten sich Bundeskanzler Konrad Adenauer, der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher, der „Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen" Jakob Kaiser und sein Staatssekretär Franz Thiedeck mit antikommunistischen Verleumdungen und antisozialistischen Aufrufen direkt an die Bevölkerung der DDR und mischten sich immer wieder in die inneren Angelegenheiten des sozialistischen deutschen Staates ein. Der „RIAS" strahlte bald ein komplexes Programm aus, das auch in psychologischer Hinsicht äußerst geschickt motiviert war und dessen Hauptinhalt die politischen Magazinsendungen einnahmen. An der Spitze der Sendungen mit ausgesprochen konterrevolutionärer Tendenz stand die Sendung „Berlin spricht zur Zone", in der bis 1953 zum Sturz der Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR aufgerufen wurde. Speziell an die Intelligenz in der DDR wandte sich die „RIAS-Funkuniversität", in der neben antikommunistischer Hetze eine schlecht verhüllte Abwerbung betrieben wurde. Es gab satirisch-politisch aufgemachte Unterhaltungsprogramme wie „Günther Neumann und seine Insulaner", die „RIAS-Kaffeetafel", die vor allem ältere Menschen ansprechen sollte, und ein Rundfunkprogramm für Kinder. Breiten Raum nahmen in den Musiksendungeen von Anfang an sinfonische Konzerte ein. Jazzkonzerte mit weltbekannten Interpreten und vor allem Tanzmusiksendungen wie die bis heute bestehende Sendung „Schlager der Woche" waren vor allem für jüngere Menschen bestimmt. Gerade die musikalischen Sendungen, die bis heute im Programm des „RIAS" einen bedeutenden Platz einnehmen, orientierten auf das Ziel, einen großen Kreis

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von „RIAS"-Hörern in der DDR zu schaffen. In der ersten Hälfte der fünfziger Jahre wurden die Pläne des „RIAS" auch dadurch begünstigt, dag die Rundfunkstationen der DDR es oft noch zu wenig verstanden, die Bevölkerung sachlich anhand der wichtigsten Tatsachen zu informieren und interessante Sendungen zu gestalten. Kommentare mit einer lediglich propagandistischen Aussage konnten eine Beweisführung nicht ersetzen. Manche politischen Sendungen waren ungeschickt und nicht dazu angetan, ein sozialistisches Staatsbewußtsein entwickeln zu helfen. Das mangelnde journalistische Können der vielfach noch unerfahrenen jungen Rundfunkmitarbeiter wirkte sich hier aus. Zwischen politischen Sendungen und solchen mit unterhaltsamem Charakter bestanden ungünstige Relationen. Da der „RIAS" gerade seine Musikprogramme als Waffe im kalten Krieg einsetzte, war die DDR gezwungen, sich mit diesen Sendungen auseinanderzusetzen und notwendige Abwehrmaßnahmen vorzunehmen. In der Jazz- und Tanzmusik kam es dabei leider auch zu Überspitzungen und nicht gerechtfertigten pauschalen scharfen Ablehnungen. In den auf solche Weise im Angebot der Sender der DDR entstandenen „Engpaß" schaltete sich wiederum der „RIAS" lange Zeit und äußerst massiv ein, z. B. mit der Sendereihe „Verbotene Musik". Der antikommunistische Einfluß des „RIAS" war von besonderer Gefährlichkeit, da der Sender zugleich als Subversionszentrum diente und ein eigenes Agentennetz unterhielt. Über Unterhaltungssendungen wie musikalische Preisrätsel und Tanzmusiksendungen warb er in der DDR und ihrer Hauptstadt Hörer an, die in die Rolle von Informanten und Agenten gebracht wurden, oder spielte sie anderen subversiven Zentralen zu. Der Sender unterhielt enge Verbindungen zum „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen" und zur „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit". So geschah es häufig, daß „RIAS"-Hörer in der DDR, die sich an einem Preisausschreiben des Senders beteiligt hatten und Gewinne in Westberlin abholen wollten, eine Deckadresse genannt bekamen, die sich dann als ein Büro der „Kampfgruppe" entpuppte. 57 Ein von den Sicherheitsorganen der DDR festgenommener Hauptagent der „KGU", der als Leiter der Zentralkartei der „Kampfgruppe" fungiert hatte, bezeichnete den „RIAS" und die „KGU" als „zwei Filialen eines Unternehmens des amerikanischen Geheimdienstes" 58 . Zwischen 57 58

12*

Unmenschlichkeit als System . . . S. 140 f. Ebenda, S. 87.

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beiden Stellen bestehe ein ständiger Informationsaustausch, und die Besucher des Senders würden in den meisten Fällen an die „KGU" weitergeleitet. Der obenerwähnte Hauptagent Hiecke erklärte dazu: „Zwischen dem RIAS und der KGU bestand die Vereinbarung, da§ Besucher des RIAS, von denen angenommen werden konnte, da§ sie zu feindlichen Handlungen . . . bereit sind, an die KGU zur Anwerbung weitergeleitet werden . . . Mir ist bekannt, da§ zum Beispiel im Herbst 1950 ungefähr 30 Prozent aller von der KGU angeworbenen Agenten zuerst beim RIAS gewesen waren."59 Nachrichten von Agenten des „Untersuchungsausschusses" wurden in zahlreichen Fällen nicht nur über die Zentrale dieser Organisation, sondern vom jeweiligen Agenten direkt an den Sender weitergegeben bzw. es kam sogar zu einem Austausch von Agenten zwischen dem „RIAS" und dem „UfJ".60 Die enge Zusammenarbeit des Senders mit der „KGU" und dem „UfJ" wurde auch dadurch dokumentiert, daß in den fünfziger Jahren der „RIAS"-Mitarbeiter Günther Birkenfeld dem „Hilfskomitee für politische Häftlinge der Sowjetzone" angehörte - einer Zweigorganisation des „UfJ". Birkenfeld aber war auch Mitbegründer der „KGU".61 Der „RIAS" räumte der „KGU" und dem „UfJ" wöchentlich eigene Sendezeiten ein und machte sich zum Sprachrohr dieser beiden Untergrundorganisationen. „RIAS" Berlin, der sich „eine freie Stimme der freien Welt" nannte, trug die antikommunistische Hetze der „KGU"-Terroristen und der Spione des „UfJ" in den Äther. Die von den Agentenzentralen ausspionierten Mitglieder der SED in der DDR und andere fortschrittliche Bürger, die in wichtigen Positionen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens tätig waren, wurden mit einer diffamierenden Personenbeschreibung vom „RIASWarndienst" als „Spitzel des SED-Regimes" oder „SSD-Agenten" einer Rufmordhetze ausgesetzt. Das geschah, um diesen Personenkreis in der Bevölkerung zu isolieren, ihn politisch zu erpressen und psychologisch unter Druck zu setzen und um Unruhe unter der Bevölkerung der DDR zu verbreiten und Bürger zur Republikflucht zu nötigen. Der „RIAS-Warndienst" war offene Boykott- und Mordhetze gegen Bürger der Deutschen Demokratischen Republik. Ein Opfer dieser Mordhetze wurde am 17. Juni 1953 der Arbeiter Willi Hagedorn in Rathenow. 59 60 61

Ebenda, S. 140. Siehe: . . . im Dienste der Unterwelt . . . S. 120 f. u. S. 174. Ebenda, S. 88 sowie: Unmenschlichkeit... S. 15.

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In seinen Sendungen an die Bevölkerung der DDR verbreitete der Sender gezielte Falschmeldungen, mit denen das Vertrauen der Werktätigen zur Politik der Partei der Arbeiterklasse und der Regierung untergraben und Verwirrung und Angst gestiftet werden sollten. Mit fingierten Meldungen über die Versorgungslage, z. B. mit der Ankündigung der Verknappung bestimmter Waren und mit Gerüchten von Preiserhöhungen, suchte man sogenannte Angstkäufe auszulösen und die Versorgung der Bevölkerung zu stören. So kehrten Gerüchte über eine bevorstehende Verknappung bestimmter Lebensmittel immer wieder - einmal wurde sogar zur Hortung von Salz aufgerufen, an dem in der DDR auf Grund genügender eigener Vorkommen zu keiner Zeit ein Mangel bestand. Hin und wieder verbeitete der Sender auch das Gerücht von einer unmittelbar bevorstehenden Währungsreform in der DDR, um die Bevölkerung zur Kündigung ihrer Spareinlagen zu bewegen. In der Bevölkerung der DDR wurde freilich auf solche Aufforderungen hin immer häufiger mit dem bekannten Wort von der „RIAS-Ente" reagiert. Zur Anleitung der in der DDR tätigen Agenten unterhielt „RIAS" Berlin einen regelrechten Agentenfunk. So rüstete der Bundesnachrichtendienst Funkagenten in der DDR mit Konvertern aus, die an Rundfunkgeräte angeschlossen wurden. Zu vereinbarten Zeiten war so der Empfang verschlüsselter Anweisungen und Spionageaufträge möglich, die in Form chiffrierter Weisungen in den offiziellen Rundfunkprogrammen enthalten waren. Ein Agentenfunker des BND sagte dazu aus: „Nach dem Nachrichtendienst gab der RIAS technische Nachrichten für die Agentengruppen in der DDR durch. Ich hatte die Kenn-Nr. 313. Wenn meine Nummer mit dem Buchstaben A davor durchgesagt wurde, so hie5 das: Sofort in Sicherheit bringen. Der Buchstabe B bedeutete: Koffer packen und langsam verschwinden. C hiefj: Sofort nach Berlin kommen!" Der Sender gab auch Übungssendungen für Funker von Agentenorganisationen durch.62 Die Rolle des „RIAS" im kalten Krieg gegen die DDR trat besonders bei der Auslösung des konterrevolutionären Umsturzversuches am 17. Juni 1953 zutage. Bereits am 16. Juni unterbrach der politische Programmdirektor des Senders, Gordon Ewing, das laufende Programm und stellte die gesamte Sendezeit auf die Ereignisse in der DDR und im Demokratischen Sektor von Berlin ein. Am 16. Juni 62

Mader: Die graue Hand . . . S. 145.

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um 19.40 Uhr strahlte der Sender einen Kommentar von Eberhard Schütz aus, in welchem mit nationalistischen und antikommunistischen Parolen provozierende Elemente ermuntert und zu Angriffen gegen die Arbeiter-und-Bauern-Macht aufgefordert wurden. 63 Am darauffolgenden Tage ergingen vom „RIAS" Aufrufe und Losungen, die auf die Lahmlegung der Volkswirtschaft der DDR und die Störung der Versorgung der Bevölkerung gerichtet waren. Dazu gehörte der vom Westberliner Vorsitzenden des DGB, Ernst Scharnowski, verfaßte Aufruf zum Generalstreik in der DDR. Der Sender hetzte jetzt offen zu Ungehorsam und Aufruhr, propagierte den Sturz der Regierung sowie die Beseitigung der SED und der Führungen der Blockparteien und Massenorganisationen und setzte Gerüchte über einen Rücktritt führender Persönlichkeiten der DDR in Umlauf. Das ganze Programm wurde unter die irreführende Losung von den „freien Wahlen" zur Herbeiführung der „Einheit Deutschlands" gestellt. In der an die Landbevölkerung der DDR gerichteten Sendung am 17. Juni um 12.20 Uhr wurde die Forderung nach der sofortigen Zerschlagung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften aufgestellt. 64 Mit konterrevolutionären und nationalistischen Losungen suchte der „RIAS" Wirren und blutige Zusammenstöße hervorzurufen. Gleichzeitig aktivierte er das Netz der imperialistischen Agenturen in der DDR und erteilte Weisungen an die Agenten, von denen viele die Rolle der Rädelsführer und Provokateure bei den Ausschreitungen übernahmen. Am 16. Juni 1973 strahlte das BRD-Fernsehen anläßlich der 20. Wiederkehr des 17. Juni im zweiten Programm eine Sendung aus, die unter der bezeichnenden Fragestellung „Volksaufstand - Agentenputsch?" über den Bildschirm ging. Hier machte der einstige „RIAS"Programmdirektor Ewing - wenn auch mit zwanzigjähriger Verspätung — sensationelle Eingeständnisse über den „Volksaufstand", als er erklärte, daß der größte Teil der damaligen politischen Aufrufe und Losungen jener Juni-Tage in der „RIAS"-Redaktion in der Kufsteiner Straße zustande gekommen und die Ereignisse ohne den „RIAS" überhaupt nicht möglich gewesen wären. Ewing bequemte sich damit freilich nur zum Eingeständnis einer Tatsache, auf die schon am 30. Juni 1953 der Militärkommandant des Sowjetischen 63

Mader, Julius: Gangster in Aktion. Aufbau und Verbrechen des amerikanischen Geheimdienstes. Berlin 1961, S. 93. 64 Ebenda.

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Sektors von Berlin in einem Brief an die Kommandanten der drei Westsektoren recht deutlich hingewiesen hatte, und bestätigte faktisch die Enthüllungen der DDR über den Spionagesender. Unter dem Eindruck der Poteste mußten im „RIAS" Programmänderungen vorgenommen werden. So sah man sich im November 1953 genötigt, die berüchtigte Sendereihe „Berlin spricht zur Zone" einzustellen. Im Herbst 1956 und im Frühjahr 1961 erreichte die konterrevolutionäre Propaganda des Senders neue Höhepunkte. Im Oktober 1956 ergriff der „RIAS" offen Partei für die konterrevolutionären Kräfte in Ungarn, und im Frühjahr 1961 hetzte er zu einem neuen „Volksaufstand" in der DDR. In der Zeitschrift „The Reporter" gab E. Taylor, Mitarbeiter des USA-Geheimdienstes, am 14. September 1961 einen Einblick in die Aufgaben des „RIAS", als er bemerkte, der Sender habe „vor allen Dingen revolutionäre (!) Aktionen zu organisieren, zu koordinieren und mitunter zu zügeln. Streiks, Arbeite-langsam-Aktionen, Demonstrationen, Mauerpropaganda . . . die Ermutigung zum Ungehorsam im breiten Ausmaße . . . Der Rundfunk kann innerhalb weniger Stunden eine lokalisierte Unruhe in einen ausgedehnten sozialen politischen Aufstand verwandeln . . . Die Endphase vor dem totalen Aufstand würde erforderlichenfalls einer Art von Terror und Guerillakriegführung entsprechen . . . Sowohl der RIAS als auch der Sender Freies Europa haben wiederholt diese Fähigkeit demonstriert." 1968 schaltete sich der „RIAS" aktiv in die konterrevolutionären Ereignisse in der CSSR ein. Anfang der siebziger Jahre gehörte der Sender zu denjenigen Massenmedien, denen zwar nicht die als notwendig erkannte antisozialistische taktische Umorientierung, wohl aber die Reform der antikommunistischen Terminologie aus der Zeit des kalten Krieges besonders schwerfiel. Heute hat sich auch der „RIAS", dessen Finanzierung zu zwei Dritteln über das „Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen" aus geheimen Bundeshaushaltskonten besorgt wird, auf eine langfristige Unterwanderung des Sozialismus - nach wie vor gilt sie schwerpunktmäßig der DDR - umgestellt. Seine Informationen über die DDR und andere sozialistische Staaten gewinnt er heute mittels „Reisejournalisten" und Befragungen, die offen oder getarnt durchgeführt werden. Über seinen Hauptsender mit der 147 m hohen Antenne und über die Relaisstation in Hof (BRD) werden gegenwärtig 2 Programme über insgesamt 10 Kurz-, Mittel- und UKW-Sender ausgestrahlt, in denen neben den politischen Sendungen die Musiksendungen auch weiterhin breiten

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Umfang haben. Die ihm 1946 übertragene Hauptaufgabe - den Sturz der gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR - hat der „RIAS" nicht bewältigen können. Es spricht jedoch alles dafür, dafj er sie unter dem Druck der Realitäten nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben hat.

Der organisierte Revanchismus im kalten Krieg gegen die DDR Das Wiedererstehen eines deutschen Revanchismus nach 1945 in den Westzonen und dessen Entwicklung in der Bundesrepublik resultierten sowohl in seiner ideologischen wie in seiner politischorganisatorischen Form aus der anfangs beschriebenen, dem deutschen Imperialismus durch das neue Kräfteverhältnis nach 1945 zudiktierten Ausgangssituation, wie sie nach der Zerschlagung des faschistischen Deutschen Reiches entstanden war. Diese Ausgangssituation erwies sich für restaurative Kräfte im Vergleich mit derjenigen von 1918 als weitaus komplizierter. Ihre Unbelehrbarkeit und historische Überlebtheit reagierten auf das Einschrumpfen des Machtbereiches der deutschen Monopolbourgeoisie auf das Gebiet zwischen Elbe und Rhein und die Konfrontation mit der entstehenden Gemeinschaft sozialistischer Staaten mit der Wiederbelebung des Revanchismus - jener verbrecherischen Ideologie und Politik, die ein großer Teil der Blutschuld des faschistischen deutschen Imperialismus war. Im Verhältnis zu seinen historischen Vorläufern seit 1918 bestand das Neue an dem von den westlichen Besatzungszonen und der späteren BRD ausgehenden Revanchismus darin, dafj in seiner Ideologie und Politik die traditionellen antiwestlichen Elemente (z. B. das Propagandabild vom „Erbfeind Frankreich") rigoros entfernt wurden. Dafür nahmen der Antisowjetismus und der Antikommunismus den Platz der wichtigsten Leitideen und Triebkräfte ein. Neu war ferner, da§ die revanchistischen Kräfte, die sich anfänglich nur sehr bescheiden in der Öffentlichkeit hervorwagen durften, in Ostund Südosteuropa über keine „Volksgruppen" mehr verfügten, die sie im Interesse ihrer Ziele dirigieren konnten. Deshalb war ein entscheidender Umstand darin zu sehen, dafj angesichts der Entstehung eines Lagers sozialistischer Staaten in Europa der Existenz sowjetischer Truppen mit Besatzungsfunktionen östlich der Elbe

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und in Berlin, vor allem aber des Bestehens einer antifaschistischdemokratischen Ordnung in einem Teil Deutschlands der konterrevolutionäre Ideengehalt des neuen Revanchismus frühzeitig zutage trat. Dabei gehörten die Organisierung revanchistischer Verbände aus umgesiedelten Deutschen in den Westzonen und die Wiederaufnahme der imperialistischen Ostforschung 65 zu der reaktionären Sammlungsbewegung in der Restaurationsperiode 1945 bis 1949, die in die Gründung der Bundesrepublik Deutschland einmündete. Von dieser Sammlungsbewegung gingen restaurative Pläne und politische Impulse aus, die auf die Zurückdrängung und Ausschaltung der antifaschistisch-demokratischen Kräfte und die Abschirmung des Territoriums der Westzonen gerichtet waren. Hier bestand schon sehr früh eine enge Zusammenarbeit zwischen der CDU/CSU und den Landesverbänden der Revanchistenorganisationen, ein Umstand, welcher die Entstehung der bedeutendsten »Landsmannschaften" in der Zeit der Gründung der Bundesrepublik als keineswegs zufällig erscheinen läßt. So entstanden 1948/49 die „Pommersche Landsmannschaft", die „Landsmannschaft Ostpreußen", der „Rat der Danziger", die „Landsmannschaft Westpreußen", die „Landsmannschaft Weichsel-Warthe", die „Sudetendeutsche Landsmannschaft" und die „Landsmannschaft der Oberschlesier". 1950 kam die „Landsmannschaft Schlesien" hinzu. Mit der Konstituierung von Bundeslandsmannschaften erhielt der organisierte Revanchismus in der BRD einen aktionsfähigen politischen und organisatorischen Rahmen. Ausdruck seiner besonderen staatlichen Unterstützung war die Gründung des „Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte", das als Bindeglied zwischen den Verbänden und der Bundesregierung, staatliche Interessenvertretung der „Landsmannschaften", finanzierendes Organ und interessenausgleichende Stelle in Erscheinung trat. 66 Bereits die erste von BundesSiehe: Gentzen, F.-H./Wolfgramm, E . : „Ostforscher" „Ostforschung". Berlin 1960. 6 6 Vgl.: Sander, Heinz: Landsmannschaftlicher Revanchismus in Westdeutschland. Zu seiner Geschichte und Rolle im imperialistischen Herrschaftssystem. Berlin 1969, S. 31 u. 168 f. Zur Gründung der Bundeslandsmannschaften siehe auch: Die Vertriebenen in Westdeutschland. Ihre Eingliederung und ihr Einfluß auf Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Geistesleben. Hrsg. von Eugen Lemberg u. a. In 3 Bänden, Kiel 1959, Bd. 1, S. 541 f.

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kanzler Adenauer abgegebene Regierungserklärung vom 20. September 1949 mit der Ablehnung der Oder-Neifje-Grenze, der ähnlich lautende Erklärungen Adenauers vom August 1948 und vom Mai 1949 vorausgegangen waren 67 , lief} deutlich erkennen, in welchem Maße die politischen Forderungen der revanchistischen Organisationen Eingang in die Politik der BRD gefunden hatten. Auch im Grundgesetz, das die Wiederherstellung eines bürgerlichen deutschen Staates in den Grenzen vom 31.12.1937 forderte, wurde diese Tatsache deutlich sichtbar. Die Grundsätze der von der Bundesregierung 1949 proklamierten und in den fünfziger und sechziger Jahren praktizierten „Deutschland"- und Ostpolitik enthielten konzeptionelle Zielstellungen, die in allen wesentlichen Punkten auch in den Führungsgremien der Verbände vertreten wurden. Ein Gleiches traf für die „Wiedervereinigungspolitik" zu. Die Verbände hatten geholfen, das überkommene gesellschaftliche System in den Westzonen und der späteren BRD zu konsolidieren und die Machtpositionen der Ausbeuterklassen mit ihren Möglichkeiten zu stabilisieren, indem sie als „Ordnungsfaktor" 68 gegen antifaschistischdemokratische Bestrebungen aufgetreten waren, und nahmen nun eine Schlüsselposition in der BRD ein, die vor allem in politischideologischer und manipulativer Hinsicht wirkte. Dabei genossen die Verbände den Vorteil, ihre politischen Forderungen weiter stekken und unverblümter artikulieren zu können, als die Bundesregierung und ihre Institutionen oder die im Bundestag vertretenen Parteien (mit Ausnahme der KPD) dies vermochten - ein Umstand, den sich die offizielle Politik in der BRD bis in die sechziger Jahre hinein geschickt zunutze zu machen wußte. 69 Strapazierten die Bun-

ß:

Auf dem 2. CDU-Parteitag in Recklinghausen erklärte Adenauer bereits: „Wir wollen es den Ostvertriebenen sagen, da5 wir den Anspruch auf die Rückgabe ihrer Heimat als ein göttliches Recht niemals preisgeben werden." (Der Tag, [West-] Berlin, 29. 8.1948.) Ein Jahr darauf wurde er auf einer CDU-Parteiversammlung in Stuttgart noch deutlicher, als er erklärte, „der neue deutsche Staat werde eine Grundlage schaffen für die Rückgliederung der von Polen widerrechtlich annektierten ostdeutschen Provinzen." Archiv der Gegenwart, 28./29. 5.1949. 68 Vgl.: Gehrmann, Karl Heinz: Kulturpflege und Kulturpolitik. In: Die Vertriebenen in Westdeutschland . . . Bd. 3, S. 176. 69 Dabei suchte die Bundesregierung den berechtigten Vorwurf des Revanchismus an ihre Adresse häufig damit zu entkräften, da§ sie die

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desregierung und die sozialdemokratische Opposition im Bundestag die Wiedervereinigungspropaganda mit der Formel von der „Einheit in Freiheit" und der Beseitigung des „Sowjetzonenregimes" sowie der „Rückgewinnung der Gebiete an Oder und Neiße", so erklärten die Führer der Revanchistenverbände unverhüllt, daß man „aus dem Pferch zwischen Hamburg und Alpenrand . . . herauskommen" müsse, um „dem Überdruck des zum Bersten gefüllten Lebensraumes der Deutschen ein natürliches, berechtigtes Ventil (zu) öffnen". 70 Die Haltung der Verbände gegenüber der DDR war von einem extremen Antikommunismus und konterrevolutionären Revanchismus bestimmt. Die Propaganda der Verbände, vor allem der „Landsmannschafts"presse und der Reden und Feiern bei den Massenkundgebungen sprach der DDR jede staatliche Existenz ab, verzerrte das gesellschaftliche Leben im sozialistischen deutschen Staat bis zur Unkenntlichkeit und setzte Maßstäbe für die bereits erwähnte Sprachregelung der Anti-DD-Politik in der Zeit des kalten Krieges. Zu Beginn der fünfziger Jahre war in der Bundesrepublik der Revanchismus als ein organisiertes System von Verbänden, deren Führung sich zumeist aus Altfaschisten und Militaristen zusammensetzte, fertig ausgebildet. In den Hauptpunkten, die in den programmatischen Dokumenten der großen Revanchistenverbände enthalten waren, nahm die Forderung nach der Beseitigung des Sozialismus in Ost- und Südosteuropa, die im Ergebnis einer Zurückdrängung der UdSSR mit Hilfe der Westmächte erreicht werden sollte, einen zentralen Platz ein. So wurden im Eichstädter Memorandum der einflußreichen „Sudetendeutschen Landsmannschaft" die „Grundsätze einer sudentendeutschen Europapolitik" dargelegt. Dort hieß es: „Die Völker hinter dem Eisernen Vorhang sollen wissen, daß die Wiederherstellung ihrer eigenen Rechte und Freiheiten unlösbar mit der Anerkennung und Wiederherstellung der Heimatrechte aller Vertriebenen verbunden ist . . . Unsere unabdingbare Forderung ist Verbände als starke Pressionen ausübende Kräfte hinstellte - eine Behauptung, die angesichts der großzügigen staatlichen Förderung der Verbände in der BRD von Anfang an der Glaubwürdigkeit entbehren mußte. Der Hinweis auf die Rolle der Verbände als „pressure group" ist auch in jüngeren Veröffentlichungen zur Außenpolitik der BRD zu finden. Vgl.: Handbuch der deutschen Außenpolitik. 7 0 Aachener Nachrichten, 1 7 . 1 1 . 1 9 5 3 .

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die Rückgabe der Heimat in den Sprachgrenzen und Siedlungsverhältnissen von 1937." 7 1 Angesichts der gravierenden Veränderungen im internationalen Kräfteverhältnis waren diese Forderungen freilich von vornherein auf Sand gebaut. Im Bündnis mit den anderen sozialistischen Staaten blockierte die Macht der UdSSR den Weg zur Realisierung der Revancheziele. Die Gründung der DDR und deren beginnende Integration in die Gemeinschaft der sozialistischen Staaten zeichneten eine Entwicklung vor, die den Aktionsradius einer revanchistischen Politik weiter einengte. Ein sozialistischer deutscher Staat konnte an der Ostgrenze der Bundesrepublik die Funktion eines zuverlässigen Riegels übernehmen, sich damit zu einem wichtigen Faktor der Sicherung des Status quo in Europa entwickeln und die Realisierung des ganzen Revancheprogramms schon im Ansatz vereiteln. Die DDR, die auch in diesem Bereich eine Vorfeld-Position in der internationalen Klassenauseinandersetzung innehatte, wurde deshalb für den Revanchismus in der BRD zum nächstliegenden Ziel: Ihr Anschluß an die Bundesrepublik wurde ebenso wie die Angliederung ganz Berlins als Bundesland als eine unerläßliche Voraussetzung für die Realisierung der Revancheziele angesehen. Im November 1952 sprach Theodor Oberländer in seiner Eigenschaft als stellvertretender Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender des „Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten" (BHE) in Bayern diese Forderung unumwunden aus, als er erklärte: „Wir können nicht die Sowjetzone überspringen und auf einmal glauben, wir könnten wieder nach Ostpreußen und Schlesien zurück. Erst kommt die Einheit Deutschlands in Freiheit." 72 Die von der Regierung Adenauers propagierte „Politik der Stärke" führte bei den revanchistischen Organisationen, die ohnehin auf eine Politik der scharfen Konfrontation gegenüber der DDR eingeschworen waren, zu einer weiteren Verschärfung des kalten Krieges gegen den Sozialismus. Es kam zu einer merklichen Intensivierung der Aktivitäten des Revanchismus in der BRD. Programmatische Forderungen von „Landsmannschaften" wurden offener formuliert. Ein ganzes Gesetzeswerk über die „Vertriebenen" in der Bundesrepublik - das „Bundesvertriebenengesetz" - trat in Kraft. In Kooperation mit Bundesdienststellen, politischen Parteien und subversiven Zentralen

71 72

Europa-Kurier. Die Stimme der Vertriebenen, Aachen, 8 . 1 . 1 9 5 0 , S. 2. Neuer Deutscher Kurier, München, 1 . 1 1 . 1 9 5 2 .

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schalteten sich die Verbände in die organisierte Abwerbung von Bürgern der DDR ein und schürten bis zum Sommer 1961 regelrechte „Flucht"-Psychosen im Interesse einer wirtschaftlichen Ausblutung der DDR. Die revanchistischen Grogkundgebungen, auf denen solche Sprecher wie BRD-Verkehrsminister Hans-Christoph Seebohm als „Sonntagsredner" in hysterischem Tonfall zum Sturz der sozialistischen Gesellschaftsordnung und zur Rückeroberung der .Vertreibungsgebiete" aufriefen, waren ein Bestandteil der psychologischen Kriegführung. Alle diese Faktoren bestimmten den Platz des organisierten Revanchismus der BRD im kalten Krieg gegen die DDR und die anderen sozialistischen Staaten. Die Forcierung einer Politik, die in der ersten Etappe zur „Befreiung der Zone vom Sowjetsystem" führen sollte, demonstrierten solche „Landsmannschaften" wie die „Landsmannschaft Schlesien", die im Juni 1952 ein Programm von sechs „heimatpolitischen Grundsätzen" aufstellte. In diesem Programm war von den unverbindlichen Friedens- und Versöhnungsbeteuerungen, wie sie noch in der „Eichstädter Adventsdeklaration" oder der „Charta der Heimatvertriebenen" enthalten waren, nicht mehr die Rede. Die „Landsmannschaft Schlesien" forderte die Unterstützung der Westmächte für „die Wiedereingliederung Mitteldeutschlands" und die Anerkennung der territorialen Forderungen durch die NATO. Man verlangte eine „intensive Aufklärungsarbeit" zur Vorbereitung des Anschlusses der DDR an die BRD „durch die deutschen Auslandsvertretungen" im Sinne des aggressiven Alleinvertretungsanspruchs. Das Bemerkenswerte an diesem Programm aber war, dag nunmehr die Bildung einer ständigen Kommission verlangt wurde, die sich mit der detaillierten Vorbereitung der Einverleibung beschäftigen sollte, da sich hier, wie es hieg, „eine Fülle von Problemen wirtschaftlicher, landwirtschaftlicher, finanzieller und bevölkerungspolitischer Art ergeben" würden - eine Tätigkeit, die etwa zur selben Zeit vom „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" beim „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" aufgenommen wurde. 73 Die Vorbereitung der Einverleibung der DDR wurde vor allem von solchen Verbänden betrieben wie den „Vereinigten Landsmannschaften Mitteldeutschlands", der „Landsmann73

Vgl. die sechs „heimatpolitischen Grundsätze der Landsmannschaft Schlesien", proklamiert auf ihrem dritten Bundestreffen in Hannover am 22.6.1952. In: Ostdeutsche Zeitung. Die Stimme für Heimat Deutschland - Europa. (Hamburg), 29. 6.1952, S. 3.

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schaft Berlin-Mark Brandenburg", der „Landsmannschaft Mecklenburg", den „Landsmannschaften Provinz Sachsen und Anhalt", der „Bundeslandsmannschaft Thüringen" und dem „Gesamtverband der Sowjetzonenflüchtlinge, e. V." sowie solchen Berufs- und Interessenverbänden des Revanchismus wie der „Interessengemeinschaft der in der Zone enteigneten Betriebe", dem „Königsteiner Kreis", der „Vereinigung der aus der Sowjetzone verdrängten Lehrer und Beamten", dem „Verband der Mittel- und Ostdeutschen Zeitungsverleger", dem Verband „Grüne Farbe", der sich als „Hilfsgemeinschaft zur Wahrung der Interessen und Zusammenführung der Waldbesitzer, Forstmänner und Berufsjäger aus der Sowjetzone und den deutschen Ostgebieten" bezeichnete, und ähnlichen Organisationen. Sie alle arbeiteten auf verschiedene Weise am Programm für die Zerschlagung der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung in der DDR mit und bereiteten die kapitalistische Restauration in diesem Gebiet vor. In engem Zusammenhang mit den Programmen der Revanchistenverbände stand die in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre in der BRD vor sich gehende Ausarbeitung eines ganzen Komplexes sogenannter Flüchtlingsgesetze, die auf den revanchistischen Grundsätzen des Staatsgrundgesetzes aufbauten. So wurde am 22. August 1950 ein „Bundesgesetz über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet" erlassen. Am 30. September des gleichen Jahres und am 21. Dezember 1951 folgten in Westberlin ein „Gesetz über die Anerkennung politischer Flüchtlinge" und ein „Gesetz über die Notaufnahme von Deutschen in Berlin". Am 9. März 1953 wurde in der BRD ein „Bundesgesetz über Leistungen zur Unterbringung von Deutschen aus der sowjetischen Besatzungszone oder dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin (Flüchtlingsnotleistungsgesetz)" erlassen. Schließlich erhielt am 19. Mai 1953 das „Bundesgesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz)" in der Bundesrepublik Gesetzeskraft. Nach diesem Gesetz, das bis heute in der BRD Rechtskraft hat, werden alle diejenigen Personen als „Vertriebene" bezeichnet, die „nach dem Gebietsstande vom 31. Dezember 1937" als „deutsche Volkszugehörige" galten. Die in den beiden Weltkriegen vom deutschen Imperialismus verspielten Territorien östlich der Oder-Neiße-Grenze werden in diesem Gesetz als „Vertreibungsgebiet" bezeichnet. 74 Be74

Siehe: Die Vertriebenen in Westdeutschland . . . Bd. 3, S. 666 f.

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sonders auffallend aber war, daß in diesem Gesetz ausdrücklich den „Sowjetzonenflüchtlingen" ein rechtlicher Sonderstatus gewährt und sie von der Mehrheit der „Vertriebenen" deutlich abgehoben wurden. Die Gründe für die Anerkennung ihres „Flüchtlings'status waren dabei sehr weit gesteckt und liefen eine Vielzahl von Auslegungen zu. Im § 3 des Gesetzes bezeichnete man denjenigen als „Sowjetzonenflüchtling", der „sich einer von ihm nicht zu vertretenden und durch die politischen Verhältnisse bedingten Zwangslage zu entziehen" suchte. „Eine besondere Zwangslage", so hieß es weiter, „ist auch bei einem schweren Gewissenskonflikt gegeben" 75 . Es versteht sich am Rande, daß damit eine außerordentliche Dehnbarkeit dieser gesetzlichen Bestimmungen gegeben war. Bei der Ausarbeitung der „Flüchtlings"gesetze, speziell des „Bundesvertriebenengesetzes", spielten in der BRD verschiedene politische und auch soziale Momente eine Rolle. Einmal ging es zweifellos um die Beschwichtigung der in der BRD Anfang der fünfziger Jahre noch immer sozial sehr benachteiligten Umsiedler, denen man bewußt die Möglichkeit einer Rückkehr in die frühere Heimat vorgaukelte, um sie - wie es Jakob Kaiser einmal formuliert hat als „Armee für die Wiedervereinigung" zu benutzen. Was das 1953 beschleunigt in Kraft gesetzte „Bundesvertriebenengesetz" anging, so übte hier die SPD-Führung Druck aus wahltaktischen Absichten im Interesse seiner schnellen Verabschiedung aus, da sie sich zu den bevorstehenden Bundestagswahlen davon Vorteile versprach. Schließlich sollten die „Flüchtlings"gesetze auch dazu dienen, den Alleinvertretungsanspruch der BRD präsent zu halten und die DDR und die UdSSR zu diffamieren. Iii der Hauptsache aber diente der ganze Gesetzeskomplex eindeutig dem kalten Krieg gegen den Sozialismus. Die ständig betonte Fürsorge für die „Sowjetzonenflüchtlinge" entsprang keinerlei humanistischen Gedanken. Daß das Schicksal dieser „Flüchtlinge" den Westberliner und BRD-Behörden in der Regel gleichgültig war, zeigte sich meist schon nach der Ankunft der „Flüchtlinge" in den Auffanglagern. Die Gesetze sollten eine Basis und einen Anreiz dafür abgeben, eine Massenabwanderung von Bürgern der DDR und ihrer Hauptstadt nach Westberlin herbeizuführen und die DDR wirtschaftlich ausbluten zu lassen. So heißt es in einem in der BRD erschienenen Werk über die Geschichte der „Vertriebenenverbände" aufschlußreich: „Seit Mitte 1952 be-

75

Ebenda, S. 667.

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gann . . . das Bundesministerium für Vertriebene . . . im Einvernehmen mit den Ländern von der bisherigen Praxis des Notaufnahmeverfahrens abzugehen, die Aufnahmebestimmungen des Notaufnahmegesetzes sehr weit auszulegen und der Masse der sich in Berlin meldenden Flüchtlinge die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen."76 Das „Bundesvertriebenengesetz" eröffnete jedem DDR-Bürger die Möglichkeit einer Anerkennung als „politischer Flüchtling". Dabei war es für die Gesetzgeber in Bonn und Westberlin, die sich mit diesen „Flüchtlingsgesetzen" in aggressiver Manier in ureigenste innere Angelegenheiten anderer Staaten einmischten, kaum von Interesse, ob diese Personen Vergehen oder Verbrechen begangen oder sich dienstlicher oder sozialer Verantwortung entzogen hatten. In Westberlin erhielten Mörder aus der DDR ebenso Asylrecht und die Anerkennung als „politische Flüchtlinge" wie gewissenlose Ärzte, die ihren Patienten den Rücken gekehrt hatten. Anstatt eine Ehescheidung zu beantragen und dafür Kosten zu übernehmen, fanden es manche Menschen bequemer, einfach mit Hilfe einer S-Bahn-Fahrkarte nach Westberlin überzuwechseln und sich damit allen Verpflichtungen zu entziehen. Rabeneltern ließen ihre Kinder im Stich, und nicht selten fanden Hausbewohner oder Nachbarn auch Klein- und Kleinstkinder in den elterlichen Schlafzimmern verlassen auf, wenn sich die Erziehungsberechtigten einem „schweren Gewissenskonflikt" auf die bequemste Weise entzogen hatten. Um bestimmte Personenkreise zu verunsichern und unter psychischen Druck zu setzen, wurde von Seiten des „Bundesvertriebenenministeriums" erklärt, dafj auch Mitarbeitern der Staatsorgane der DDR, der bewaffneten Kräfte sowie der Parteien und Massenorganisationen „die Nothilfe der Asylgewährung nicht versagt" werde.77 Der bereits erwähnte Fall des Freispruchs von Werner Weinhold durch ein Gericht der BRD 1976 hat die unveränderte Anwendung dieser „Rechts"praxis in jüngster Zeit abermals bestätigt. In den fünfziger Jahren wurde ii> Westberlin und der BRD ein ständig verbessertes komplexes Aufnahme- und Verteilungssystem für Bürger der DDR, die illegal die Republik verlassen hatten, geschaffen. Die in vielen Fällen von regelrechten Werbern für ein Ebenda, S. 483. Nahm, Peter Paul: Der Wille zur Eingliederung und seine Förderung. In: Die Vertriebenen in Westdeutschland . . . Bd. 1, S. 188. 76

77

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»Kopfgeld" abgeworbenen Personen wurden meist schon in Westberlin zwecks „Befragung" durch verschiedene Kanäle von Spionagediensten geschleust. In der ersten Hälfte des Jahres 1953 trat der revanchistische Charakter der Politik der Bundesrepublik gegenüber ihren sozialistischen Nachbarländern stärker als bisher in Erscheinung. Dabei setzte die Bundesregierung selbst die Akzente. Auf einer Großkundgebung des „Deutschen Bauernverbandes" der BRD am 1. Februar 1953, die anläßlich der „Grünen Woche" in Westberlin stattfand, redete der Bundeskanzler in ungeheuerlicher Weise einer Wiederholung der Ostkolonisation und der Germanisierungspolitik das Wort, als er vor den Versammelten erklärte: „Wir können versuchen, solche jungen Bauern, namentlich wenn sie ziemlich frei sind, dem Bauernstand zu erhalten, damit sie eines Tages wieder mit dazu beitragen können, den Osten zu kolonisieren." Und ausdrücklich betonte Adenauer: „Ich habe das Wort 'wieder zu kolonisieren' sehr bedacht ausgesprochen. Ich glaube, man wird dieser Aufgabe diesen Namen geben müssen." 78 Diese und ähnliche Äußerungen kennzeichneten die Atmosphäre, die auch in einer förmlichen Kampagne zur massenhaften Abwerbung von Bürgern der DDR Ausdruck fand. Sowohl die Bundesregierung und die Länderregierungen als auch die USA-Regierung stellten in beträchtlichem Maße Sondermittel für die „Flüchtlingshilfe" bereit. Das Ausfliegen von DDR-Bürgern aus den in Westberlin errichteten „Flüchtlings"lagern erhöhte sich sprunghaft. Nach offiziellen Angaben wurden seit dem 23. Februar 1953 täglich 950 Personen von Westberlin in die BRD ausgeflogen, was „eine Steigerung von 30 v. H. gegenüber der bisherigen Regelung" 79 bedeutet habe. Ab März waren es schon 1150 Personen pro Tag. In diesem Zusammenhang wurde ausdrücklich auf die gemeinsamen Bemühungen der Bundesregierung und der Länderregierungen verwiesen, denen es zu danken sei, daß „seit dem Tage der Konferenz der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler" eine „Steigerung um 100 Prozent" in der Ausflugquote erreicht worden sei. 80 Ähnliche Bestrebungen wiederholten sich in den Jahren 1956

Bull., BReg., Nr. 22, 3. 2.1953, S. 173. So wurde von Seiten der Regierung der USA im Februar 1953 eine „Sondersumme von 300 000 Dollar" für „Sowjetzonenflüchtlinge" zur Verfügung gestellt. Ebenda, Nr. 32, 10. 2.1953, S. 264. 8 0 Ebenda, Nr. 35, 21. 2.1953, S. 301. 78

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und 1961, wobei die Abwcrbungsmafjnalimen weiter intensiviert und ausgebaut wurden. So bildete der Senat von Westberlin in der ersten Augustwoche 1961 eigens eine „Ständige Kommission f ü r das Flüchtlings- und Grenzgängerproblem", durch deren Tätigkeit „das Notaufnahmeverfahren vereinfacht und der Abflug der Flüchtlinge beschleunigt werden" sollte. 81 Der Imperialismus der BRD wähnte die DDR am wirtschaftlichen Verbluten. Triumphierend bemerkte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel", „daß fast die Hälfte der Flüchtlinge 25 bis 65 Jahre alt" sei, und stellte befriedigt fest: „Aus diesen Jahrgängen aber rekrutiert sich das Gros der DDR-Facharbeiter, Techniker und Wissenschaftler." 82 M e h r denn je sah man auf westlicher Seite in dem „Flüchtlings"strom ein Politikum des kalten Krieges. Durch die „Massenflucht aus der Sowjetzone" gelangte man nicht nur in den Besitz von speziell ausgebildeten Kadern, f ü r welche die DDR die hohen Ausbildungskosten getragen hatte - die erzeugte „Flucht"Psychose sollte nach dem Willen der revanchistischen Kräfte schließlich auch in eine solche Situation einmünden, wie sie während der „Massenflucht" Deutscher in den Jahren 1938 und 1939 aus der Tschechoslowakei und Polen charakteristisch gewesen war. Schon 1950 hatte einer der Ideologen des kalten Krieges gegen den Sozialismus, James Burnham, die „Flüchtlinge" zu „Stoßtrupps" des Antikommunismus erklärt und betont: „Schon ihr bloßes Dasein in solcher Menge verheißt die Auflösung des kommunistischen Weltreiches und bietet zugleich eine Waffe, mit der diese Auflösung herbeizuführen ist." In diesem Sinne verlangte Burnham „gemeinsame Operationen mit den Flüchtlingen" 83 , wobei ihm offenbar eine Art faschistische „Fünfte Kolonne" als Muster vorschwebte. Eine spezielle Bedeutung in der psychologischen Kriegführung des 81

Archiv der Gegenwart, 1961, S. 9276. Der Spiegel, Hamburg, 5.8.1961. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß der hier erwähnte „Spiegel"-Artikel die DDR in den Wochen vor dem 13. August 1961 in einer unlösbaren Konfliktsituation wähnte: Würde sie alles beim alten lassen, so würde die DDR menschenleer werden, „wie Deutschland nach dem Dreißigjährigen Krieg", schließe sie aber die Grenze zu Westberlin, so riskiere sie einen neuen „Volksaufstand" nach dem Muster des 17. Juni 1953. Diese Prognose erwies sich bekanntlich als eine eklatante Fehleinschätzung. 83 Burnham, James: Die Strategie des Kalten Krieges. In: Die Welt, Hamburg, 6. u. 7. 6.1950. 82

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organisierten Revanchismus in der Bundesrepublik erlangten die Großkundgebungen und Treffen der verschiedenen Verbände, wo offene Aufrufe zum Sturz des Sozialismus in der DDR und anderen sozialistischen Staaten den Haupttenor abgaben. Die auf diesen Treffen herrschende Atmosphäre wurde von den Sprechern der Verbände dazu genutzt, territoriale Forderungen zu erheben, die über die Grenzen von 1937 hinausgingen. 84 In der Zeit des kalten Krieges entwickelte sich der organisierte Revanchismus in der Bundesrepublik zu einer bedeutenden gesellschaftspolitischen Erscheinung, deren beträchtlicher Einfluß sowohl innen- als auch außenpolitisch wirksam wurde. Innenpolitisch ging es den Verbänden um den „Aufbau einer moralischen Widerstandsfront", die sich „gegen die Einflüsterungen der Verzichtler und Kapitulanten" 85 richtete, d. h. um die Durchsetzung des Revanchismus in der BRD-Gesellschaft und die Unterdrückung aller Andersdenkenden, die das Revancheprogramm in Frage stellten. Außenpolitisch gaben sie eine der stärksten Stützen der Bundesregierung für eine „Politik der Stärke" ab und wachten über die Aufrechterhaltung des „Verfassungsauftrages" und des „Alleinvertretungsrechts" der BRD. Die revanchistische Propaganda der Verbände stimmte in allen grundsätzlichen Fragen mit der „Deutschland"- und „Wiedervereinigungspolitik" überein. Daraus resultierten die entspannungs- und verständigungsfeindlichen Aktionen der Verbände, wenn diese ihre Positionen in irgendeiner Weise gefährdet wähnten, beispielsweise in der Zeit der Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der BRD und der UdSSR 1955, oder wenn sie in neuerer Zeit den Rückgang ihres Einflusses befürchten mußten, wie es durch den Abschluß der Verträge von Moskau und Warschau 1970 der Fall war. Die extreme Feindseligkeit der Verbände gegenüber der DDR, die auch heute unverändert fortbesteht, war stets ein immanenter Bestandteil ihres konterrevolutionären Revanchismus, welcher in der Liquidierung des sozialistischen deutschen Staates die Voraussetzung für die Realisierung seines politischen Programms sah und aus diesen Gründen einen wesentlichen Beitrag zur Massenwirksamkeit des antikommunistischen Feindbildes leistete.

Vgl.: Stuttgarter Zeitung, 6. 6 . 1 9 5 3 sowie Bull., BReg., Nr. 107, 1 1 . 6 . 1953, S. 915. M Aus einem Aufruf des „Bundes der Vertriebenen" vom Februar 1959. In: Ost-West-Kurier Frankfurt a. M., 3. Februar-Ausgabe 1959, S. 1. 84

13'

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Der Wirtschaftskrieg gegen die DDR. Ausgangslage und Aufgabenstellung des

Wirtschafiskrieges

In der Geschichte des kalten Krieges gegen den Sozialismus spielte der Wirtschaftskrieg von Beginn an eine besondere Rolle. Bereits nach der Errichtung der Sowjetmacht in Rußland reagierten die aggressiven imperialistischen Kreise mit wirtschaftlichen Pressionen, der Ausplünderung und Zerstörung von Industrieanlagen und verschiedenen ökonomischen Störmaßnahmen. Nach der Beendigung des zweiten Weltkrieges antworteten dieselben Kräfte auf die durch die Entstehung des sozialistischen Weltlagers bewirkte sichtbare Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses abermals mit Maßnahmen des Wirtschaftskrieges, die sie in das Arsenal ihrer antikommunistischen Strategie einreihten. Die durch den Krieg verursachten schweren wirtschaftlichen Schäden in Europa waren bei diesen Überlegungen von besonderer Bedeutung. So lagen die während des Krieges entstandenen Menschenund Materialverluste in den neuen volksdemokratischen Ländern Ost- und Südosteuropas weitaus höher als in den westeuropäischen Ländern. Besonders schwer hatten die Wirtschaft der UdSSR und Polens gelitten. Dagegen hatten die USA, die nach dem Kriege zur imperialistischen Führungsmacht aufstiegen, keine ökonomischen Verluste erlitten - ihre Wirtschaft hatte durch den Krieg sogar eine eindeutige Stärkung erfahren. In ihrer Europa-Politik orientierte die Truman-Regierung auf wirtschaftlichem Gebiet auf zwei Schwerpunkte: auf einen intensiven Kapitalexport in die kapitalistischen Länder Westeuropas und auf die ökonomische Schwächung der Länder Ost- und Südosteuropas, da die letzteren, wie sich bald erweisen sollte, nicht bereit waren, eine Wirtschaftshilfe der USA zu politischen Bedingungen zu akzeptieren. Mit einer umfangreichen Starthilfe für die westeuropäischen Länder sollten diese stabilisiert und der amerikanischen Politik untergeordnet werden. Ausdruck dieser Bestrebungen waren die Lieferungen der USA im Rahmen des Marshall-Planes und Kredite, deren Gesamtsumme bis 1955 rund 3,9 Milliarden Dollar betrug. 1 Auf der anderen Seite kalkulierte der antisozialistische Wirtschaftskrieg die ökonomische Schwäche und die demzufolge großen Startschwierigkeiten in den sozialistischen Staaten bewußt ein 1

Vgl.: Der Imperialismus der BRD. Berlin 1971, S. 68.

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Erscheinungen, die durch Embargopolitik und wirtschaftlichen Druck noch zugespitzt und bis zur Wiedererrichtung der Macht der gestürzten Ausbeuterklassen in diesen Ländern geführt werden sollten. Von den USA wurden die Lend-lease-Lieferungen an die UdSSR eingestellt, die im Ergebnis von Abmachungen der Mächte der AntiHitler-Koalition während des Krieges vorgenommen worden waren. Obwohl die Sowjetunion am schwersten unter den Kriegsfolgen zu leiden hatte, verweigerten die USA die Vergabe von Krediten ohne politische Bedingungen. Dies waren die Anfänge der 1948 voll einsetzenden antisowjetischen Embargopolitik. Es entsprach den Besonderheiten der Systemauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus im europäischen Raum, daß die sowjetische Besatzungszone auch im Wirtschaftskrieg zu einem entscheidenden Terrain wurde. Streng genommen, begann der Wirtschaftskrieg gegen dieses Territorium sogar noch in der Zeit des Krieges - bevor die Mächte der Anti-Hitler-Koalition die in Jalta festgelegten Besatzungszonen bezogen hatten und die Politik der „Eindämmung" aufgenommen wurde. Mit massiven Angriffen legten Verbände des vereinten britischamerikanischen Bomberkommandos Industrieanlagen und offene Städte östlich der Elbe in Schutt und Asche, in eben jenem Gebiet, das nach dem Abkommen vom 12. September 1944 der UdSSR als Besatzungszone in Deutschland übergeben werden sollte. Wie das Beispiel Dresdens zeigte, führte dieses Vorgehen zu furchtbaren Opfern unter der wehrlosen Zivilbevölkerung und zur Vernichtung unersetzlicher Kulturgüter. In den meisten Fällen begannen die Hauptangriffe auf die Städte, die auf dem Territorium der späteren sowjetischen Besatzungszone lagen, erst 1944/45. So erfolgten die Hauptangriffe auf die Städte Nordhausen, Chemnitz, Plauen, Dresden, Dessau, Potsdam und Brandenburg erst in der Zeit von Februar bis April 1945, als das Ende des faschistischen Reiches unmittelbar bevorstand. Die Wohnzentren in diesen Städten wurden zum Teil bis zu 80 % und mehr zerstört. 2 Eine Erklärung für diese Vorgänge konnte nicht nur darin gesucht werden, daß damit der deutsche Faschismus schneller zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen werden sollte. Mit den BomVgl.: Atlas zur Geschichte. Bd. 2. Von der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1917 bis 1972. Gotha/Leipzig 1975, S. 45.

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bardements als perfektionierte massenhafte Zerstörung aus der Luft sollte die Sowjetunion eingeschüchtert und durch die Demonstration militärischer Macht der westlichen Alliierten gegenüber deren Zielen nachgiebiger gemacht werden. Eiskalt wurde die Vernichtung der Produktions- und Wohnzentren sowie der Kulturstätten des Gebietes östlich der Elbe ins Kalkül gezogen und darauf Kurs genommen, es in eine tote Zone zu verwandeln. Aus einer solchen Trümmerwüste würde die UdSSR nicht die notwendigen Wiedergutmachungsleistungen entnehmen können, welche für die Wiederherstellung wesentlicher Bereiche der schwer geschädigten sowjetischen Volkswirtschaft unerläßlich waren. Mehr noch: Dieses Gebiet in Deutschland und seine Bevölkerung mußten in der Frage der Existenzerhaltung für die Sowjetunion noch zu einer zusätzlichen Belastung werden. Bedenkenlos wurden dieser antisowjetischen Politik Tausende menschlicher Leben, Millionenwerte und unwiederbringliche Kulturgüter geopfert. Jene Sachwerte, die von den Auswirkungen des Luftkrieges verschont blieben, wurden in zahlreichen Fällen eine willkommene Beute amerikanischer und britischer Truppen, die im Zuge von Kampfmaßnahmen zeitweilig Thüringen, Sachsen-Anhalt sowie Teile Sachsens und Mecklenburg besetzten. So beschlagnahmten vor allem die amerikanischen Truppen wissenschaftliche Dokumentationen und machten Jagd auf neueste Patente. 3 Es wurden auch besonders wertvolle wissenschaftliche und technischen Anlagen sowie ganze Archive dieser Art - so. z. B. bei Zeiss Jena - demontiert und in die Westzonen abtransportiert. Bei ihrem Abrücken in westlicher Richtung nahmen die Truppen der Westmächte eine Anzahl hochqualifizierter wissenschaftlicher und technischer deutscher Spezialisten mit. Schon 1946 wurden von den Westmächten Maßnahmen ergriffen, die auf eine besondere wirtschaftliche Entwicklung ihrer Besatzungszonen und deren Abtrennung von der Wirtschaft der sowjetischen Zone hinausliefen. Solche Schritte waren die Bildung eines gemeinsamen Wirtschaftsrates der britischen und der amerikanischen Zone am 12. September 1946, die Gründung der Bizone am 2. Dezember desselben Jahres und die Umstellung der Berechnungen im Handel zwischen der Bizone und den anderen Zonen von Vgl.: Shukow, G. K.: Erinnerungen und Gedanken. Bd. 2, 4. Überarb. Aufl. Berlin 1973, S. 356.

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Mark auf Dollar am 1. Januar 1947. Mit der letzteren Maßnahme errichteten die USA und Großbritannien „ein solches Regime im innerdeutschen Handel, das nur im zwischenstaatlichen Handel angewendet wird". Dieser Beschluß stellte „die endgültige Absage . . . an das Prinzip der gemeinsamen Verteilung der Produkte" 4 dar. Schon am 1. März 1948 kam es gegenüber der sowjetischen Besatzungszone zu Formen wirtschaftlicher Blockade seitens der westlichen Besatzungsmächte, welche die Einstellung des Interzonenhandels anordneten. Bald wurde von den Westmächten auch das vom Alliierten Kontrollrat beschlossene einheitliche Preisniveau negiert. Auch Bahntransport- und Transitsperren ließen nicht auf sich warten. Die am 18. Juni von den Militärgouverneuren der drei Westzonen verkündeten Gesetze für eine deutsche Währungsreform setzten die Reichsmark als einheitliche deutsche Währung außer Kraft und errichteten quer durch Deutschland eine Währungsbarriere. Am 23. Juni wurde die separate Währungsreform entgegen gegebenen Versprechungen auch in den Westsektoren Berlins eingeführt. Für die sowjetische Besatzungszone entstand damit die Gefahr einer Überschwemmung mit entwertetem Altgeld, die schwere wirtschaftliche Schäden zur Folge haben mußte. Die von der sowjetischen Besatzungsmacht und der Deutschen Wirtschaftskommission in der sowjetischen Besatzungszone und in Berlin ergriffenen Schutzmaßnahmen für die Wirtschaft dieses Gebietes wurden von den Westmächten mit einer vollständigen Wirtschaftsblockade der sowjetischen Zone beantwortet. Vor dem Hintergrund der dadurch heraufbeschworenen Berlin-Krise vollzogen sich bekanntlich die entscheidenden Schritte zur Gründung der BRD. Jeder einzelne der Schritte, die schließlich zur Abspaltung der Westzonen aus dem deutschen Staatsverband und zur Gründung der Bundesrepublik führten, lief im Grunde stets darauf hinaus, diese Entwicklung durch separate wirtschaftliche und politische Maßnahmen zu fördern, und hatte eine weitere Verschlechterung der ökonomischen Startbedingungen der sowjetischen Besatzungszone zur Folge. Die im Ergebnis der staatlichen Spaltung entstehende Bundesrepublik Deutschland war nicht nur ein Produkt des kalten Krieges schlechthin - sie war auch ein Erzeugnis des früh begonnenen Wirtschaftskrieges gegen die sowjetische Besatzungszone und die spätere Deutsche Demokratische Republik. Geschichte der sowjetischen Außenpolitik. In zwei Teilen. Teil 2. 1945 bis 1970. Berlin 1971, S. 107.

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Der Wirtschaftskrieg in Aktion: Störmaßnahmen und Embargopolitik Auf dem Territorium der sowjetischen Besatzungszone bestanden tiefgreifende wirtschaftliche Disproportionen: So wichtige Rohstoffe wie Eisenerze und Steinkohle fehlten fast vollständig, eine nennenswerte schwerindustrielle Basis war nicht vorhanden. Von der Vorkriegsproduktion des ehemaligen Deutschen Reiches entfielen bei Roheisen nur 1,3 %, bei Stahl etwa 7 % auf dieses Gebiet, bei Erzeugnissen der Metallurgie und der Gießereiindustrie 16 %. Der Anteil der Steinkohlenförderung betrug 2 %. Im Jahre ihrer Gründung besaß die DDR lediglich ein einziges Hüttenwerk mit 4 technisch veralteten Hochöfen, während die BRD über 121 meist moderne Hochöfen verfügen konnte.5 Vor 1945 erhielt das Wirtschaftsgebiet der heutigen DDR aus dem Ruhrgebiet jährlich 7,5 Millionen Tonnen Steinkohle und 2 Millionen Tonnen Eisen und Stahl. Im Zeitraum von 1945 bis 1962 wurden in dieses Gebiet jedoch nur ganze 400 000 Tonnen Steinkohle und 321 000 Tonnen Eisen und Stahl aus dem Ruhrgebiet eingeführt - Mengen, mit denen selbst ein wirtschaftlicher Wiederaufbau des Gebietes östlich der Elbe kaum hätte durchgeführt werden können. Die überkommene Standortverteilung der Industrie hatte zwischen Elbe und Oder in der Hauptsache eine Konsumgüter- und Zulieferindustrie entstehen lassen, deren traditioneller Markt in Westdeutschland lag. Diese Disproportionen waren ein Resultat der kapitalistischen Wirtschaft, deren anarchischer Charakter auch in der planlosen Standortverteilung der Industrie Ausdruck gefunden hatte. Hinzu kam als gewichtiger Umstand, daß die Kriegszerstörungen als Folge unmittelbarer Kampfhandlungen östlich der Elbe wesentlich größer waren als in Westdeutschland. Schließlich mußten von diesem Wirtschaftsgebiet allein notwendige erhebliche Wiedergutmachungsleistungen vor allem gegenüber der Sowjetunion und der Volksrepublik Polen erbracht werden. Durch die Kriegsfolgen und die staatliche Spaltung wurden die im Gebiet der sowjetischen Besatzungszone bestehenden ökonomischen Disproportionen beträchtlich verschärft - das Wirtschaftsgebiet geriet in eine äußerst komplizierte Situation, die nur allmählich und 5

DDR. Werden und Wachsen. Zur Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin 1974, S. 198.

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mit der Hilfe der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Staaten überwunden werden konnte. Die Politik der DDR war in der deutschen Frage darauf gerichtet, die imperialistische Spaltung Deutschlands zu überwinden und damit auch das einheitliche deutsche Wirtschaftsgebiet wiederherzustellen. Die Herstellung eines einheitlichen demokratischen Deutschlands hätte die günstigsten Möglichkeiten für die Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten geboten. Die DDR war daher an einem möglichst reibungslos funktionierenden Handel mit den Westzonen und der späteren BRD stark interessiert, da sich hier auch eine Chance eröffnete, die wirtschaftlichen Folgen der Spaltung wenigstens teilweise zu mildern. Gerade in diesem Bestreben aber erblickten die imperialistischen Westmächte, r'ie auf den Kurs des kalten Krieges eingeschwenkt waren, und der in den Westzonen wiedererstehende deutsche Imperialismus die Ansatzstelle für die Waffe des Wirtschaftskrieges, mit dem die jenseits der Elbe keimende sozialistische deutsche Ordnung aus der Welt geschafft werden sollte. Mit wirtschaftlichem Druck und gezielten Störmaßnahmen sollte die antifaschistisch-demokratische Ordnung in die Knie gezwungen werden. Während die politischen Sprecher der restaurativen Kräfte im Westen in schöner Eintracht mit sozialdemokratischen Führern Krokodilstränen über die »hungernde Bevölkerung in der Zone" und die „darbenden Brüder und Schwestern im Osten" vergossen, würgten sie die Wirtschaft östlich der Elbe, handhabten mit zunehmender Virtuosität die Klaviatur des Drucks und der Erpressung, praktizierten Embargopolitik und wirtschaftlichen Boykott, drehten die Propagandawalze wirtschaftlicher Diskriminierung, organisierten im Untergrund Schiebungen und großangelegte Sabotageakte und verschlechterten damit bewußt den Lebensstandard der Bevölkerung. Dabei hatte die Embargopolitik der Westmächte durchaus zwei Seiten: Vor und in der Anfangsperiode der Bundesrepublik hatte sie wirtschaftlich ungünstigere Folgen auch für die BRD, da sie den traditionellen Markt im Osten weitgehend versperrte. Die rigorose Anwendung der Embargobestimmungen, wie sie die Westmächte forderten, hatte auch diskriminierende Seiten für deren späteren Bündnispartner in Bonn, dessen wirtschaftliche Konkurrenz man möglichst lange unter Kontrolle halten wollte. Politisch jedoch entsprach die Embargopolitik völlig den konzeptionellen Vorstellungen von der Westintegration und der „Wiedervereinigungspolitik" der BRD. 187

Emil Hoffmann, ein bürgerlicher Sachkenner des Handels zwischen den beiden deutschen Staaten in den fünfziger Jahren weist auf diesen letzteren Umstand in seinem Buch „Die Zerstörung der deutschen Wirtschaftseinheit" mehrfach hin.G Zum Wirtschaftskrieg gegen die sowjetische Besatzungszone gehörten die Bestrebungen westdeutscher Konzernunternehmen, durch großangelegte Verschiebungen ehemaligen Konzerneigentums in die Westzonen, der sowjetischen Zone die Möglichkeit zur baldigen Wiederherstellung der Volkswirtschaft zu nehmen und gleichzeitig die Startbedingung des westdeutschen Industriepotentials zu verbessern. Finanzielle und Sachwerte, Halbfabrikate und Rohstoffe und vor allem wertvolle und in der damaligen Zeit nicht ersetzbare technische Spezialausrüstungen verließen auf dem Schmuggelwege in einem breiten Strom die sowjetische Besatzungszone. So mancher Wirtschaftsfachmann oder qualifizierte Techniker erlag in den schweren Anfangsjahren den Lockungen und Erpressungen der Konzernagenturen und verließ die Heimat in Richtung Westen. Diese Art der gezielten wirtschaftlichen Schädigung, bei der die Konzernagenten an die Tätigkeit der amerikanischen Spezialisten von 1945 anknüpften, setzte in massiver Form nach der demokratischen Bodenreform und der Überführung der Betriebe der Nazi- und Kriegsverbrecher in Volkseigentum ein. Beispiele dafür waren die verbrecherische Tätigkeit von Beauftragten der früheren „Deutschen Continental-Gas-AG" und der „Solvay-Werke". Es war daher geradezu ein Paradebeispiel imperialistischen Zynismus, wenn die westdeutschen „Ruhrnachrichten" angesichts der noch immer unter schweren Kriegsfolgen leidenden und von den Konzernagenten und Schiebern geplünderten Wirtschaft östlich der Elbe im Herbst 1949 erklärten: „Diese sogenannte DDR, deren wirtschaftliche Existenz nur auf Ruinenfledderei beruht, wird das Jahre 1950 kaum er-, geschweige denn überleben." 7 Von der Deutschen Wirtschaftskommission waren bereits vor der 6 Vgl.: Hoffmann, Emil: Die Zerstörung der deutschen Wirtschaftseinheit. Interzonenhandel und Wiedervereinigung. Hamburg 1964, vgl.: S. 21 f. sowie S. 28. Für das Buch Hoffmanns ist generell hervorzuheben, dafj sich der Autor deutlich von den gegen die DDR praktizierten Methoden des Wirtschaftskrieges distanziert. (H. T.)

Zit. bei: Heitzer, Heinz: Andere über uns. Das „DDR-Bild" des westdeutschen Imperialismus und seine bürgerlichen Kritiker. Berlin 1969, S. 66.

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Gründung der beiden deutschen Staaten erhebliche Anstrengungen unternommen worden, um die wirtschaftlichen Verbindungen mit der westlichen Seite zu erhalten und auszubauen. Dank diesen Bemühungen hatten sich die Wirtschaftsbeziehungen bis Anfang 1948 positiv entwickelt. Mit dem Abschluß des Frankfurter Abkommens am 8. Oktober 1949 gelang es, die Periode des vertragslosen Zustandes und der durch die westliche Blockadepolitik entstandenen Stagnation auf dem Gebiet des Handels zu beenden - es war der erste zwischen den beiden deutschen Staaten geschlossene Handelsvertrag. Ein vielversprechender Anfang schien damit gemacht. Durch die Gründung der NATO und der BRD waren jedoch auf der westlichen Seite inzwischen die Signale eindeutig auf den antikommunistischen Wirschaftskrieg gestellt worden. Noch ehe Bundeskanzler Adenauer am 21. Oktober regierungsoffiziell die Alleinvertretungsanmaßung der Bundesrepublik Deutschland verkündete und der D D R damit den kalten Krieg erklärte, hatte sein erster Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser, am 15. Juli desselben Jahres in einer Rede vor der Presse in Düsseldorf das politische Reglement für den Handel mit der künftigen D D R aufgestellt. Kaiser erklärte: „Der Interzonenhandel ist zu fördern unter sorgfältiger Berücksichtigung seiner politischen Implikationen, d. h. konkret: Die östlichen Handelspartner dürfen nicht als legale Behörden anerkannt werden." 8 Der Alleinvertretungsanspruch wurde zum obersten Prinzip im Handel mit der DDR erhoben. Die Bezeichnung „Interzonenhandel" - bis dahin kennzeichnend für den Austausch verschiedener Wirtschaftsgebiete in Deutschland — wurde entgegen der Realität und in diskriminierender Absicht beibehalten. Die Alleinvertretungsanmaßung der Bundesrepublik gab von nun an die Basis für den Wirtschaftskrieg gegen die D D R ab mit ihrer Hilfe konnten Embargopolitik, Wirtschaftsboykott, diskriminierende Praktiken und Störmaßnahmen der verschiedensten Art bis hin zur Wirtschaftssabotage, „gerechtfertigt" 9 werden. Die

Conze/ICosthorst/Nebgen: Jakob Kaiser. Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 1949-1957. S. 60. 9 Zur Alleinvertretungsanmaßung der BRD im Handel mit der DDR siehe Freund, Erich: Die Entwicklung des Handels der DDR mit Westdeutschland und Westberlin. Seine Hauptprobleme und Westdeutschlands „Ausnahmerecht" - ein Ausdruck des Grundwiderspruchs in Deutschland. Diss. Berlin 1963. 8

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Haltung der SPD unterschied sich davon prinzipiell in keiner Weise. Im Gegenteil: Vor dem Abschluß des Frankfurter Abkommens wandte sich der Parteivorstand in einer besonderen Denkschrift gegen den Handel mit der DDR, den er als „Sabotage- und Obstruktionspolitik gegen den Westen" 10 verleumdete. Um direkten Kontakten auf Regierungsebene auszuweichen, wurde von seiten der Bundesrepublik die „Treuhandstelle f ü r den Interzonenhandel" als ein „bevollmächtigter Puffer" 1 1 zwischen BRD und DDR eingerichtet. Obwohl als Organ wirtschaftlicher Selbstverwaltung deklariert, war diese Institution ein Instrument der Bundesregierung. Eine eigene Kompetenz der Dienststelle gab es faktisch nicht, was zur Folge hatte, daß auf seiten der Bundesrepublik überhaupt keine gesetzliche Grundlage f ü r den Handel mit der DDR ausgenommen das berüchtigte „Alleinvertretungsrecht" - existierte. Während die Deutsche Demokratische Republik mit dem „Gesetz zum Schutze des innerdeutschen Handels" den Handel mit der Bundesrepublik auf eine klare gesetzliche Grundlage stellte und ihn in volle staatliche Verantwortung gegenüber möglichen Störmaßnahmen nahm, operierte die westliche Seite mit „Durchführungsverordnungen", „allgemeinen Ausnahmegenehmigungen", „Runderlassen", „Bekanntmachungen", „Ausschreibungen" und „autonomen Festsetzungen" oder „Mitteilungen der Deutschen Bundesbank". Im Rükken der Treuhandstelle stand die Bonner Staatssekretärskonferenz, die in Wirklichkeit den Handel mit der DDR dirigierte. 1 1 Daß in die Handelspolitik der Bundesrepublik die Vorstellungen der Monopolverbände Eingang fanden, war eine selbstverständliche Tatsache. So waren bestimmte Kreise des „Bundesverbandes der Deutschen Industrie" feindselig gegenüber dem Handel mit der DDR eingestellt. Dazu gehörte der Präsident des BDI selbst, der sich „immer wieder als Eiferer gegen den Interzonenhandel, gegen die Beteiligung an den Messen in Leipzig und gegen eine wirtschaftliche Zusammenarbeit aussprach. 12 Mit dem Korea-Krieg wurden die Embargo-Bestimmungen von Seiten der USA außerordentlich verschärft. Das Frankfurter Wirtschaftsabkommen, das ohnehin von westlicher Seite mit einer um10

Kupper, Siegfried: Der innerdeutsche Handel. Rechtliche Grundlagen, politische und wirtschaftliche Bedeutung. Köln 1972. S. 23 f. 11 Hoffmann: Die Zerstörung der deutschen Wirtschaftseinheit . . . S. 43 f. 12 Siehe: Ebenda, S. 86f. 190

fangreichen „Vorbehaltsliste" ausgestattet worden war 13 , wurde bereits im Februar 1950 durch die Verhängung eines Embargos für Stahllieferungen zu einem erheblichen Teil außer Kraft gesetzt. Die USA kontrollierten den Lieferstop der als „kriegswichtig" erklärten embargierten Waren. Mit der Einführung der US-Embargo-Listen in der BRD wurde die DDR für die Bundesrepublik zum „feindlichen Ausland". 14 In den Dienststellen der Wirtschaftsabwehr und in den subversiven Agenturen entstanden „operative, konspirative, recherchierende und Sabotagepläne" für den Wirtschaftskrieg. „Gemeinsam mit ihren getreuen westdeutschen Paladinen", so bemerkt ein Zeitgenosse dieser Vorgänge, „gingen die Amerikaner daran, . . . den legalen Interzonenhandel systematisch einzuschränken" 15 . Stahlfirmen in der Bundesrepublik, die gegen das Embargo verstießen und der entsprechenden Weisung des Bundeswirtschaftsministeriums vom 8. Februar 1950 zuwiderhandelten, wurden mit Strafmaßnahmen eingeschüchtert. Dabei ließ die Bundesregierung sogar die Tatsache außer acht, daß sich zum damaligen Zeitpunkt die Eisen- und Stahlindustrie in der BRD in einer Absatzkrise befand. Selbst vertraglich bereits gebundene Kontingente durften nicht zur Auslieferung gelangen. 16 Das Stahl-Embargo sollte als politisches und wirtschaftliches Druckmittel fungieren, um die sozialistischen Staaten zum Zurückweichen vor dem Imperialismus sowohl in Asien als auch in Europa zu zwingen. Auch die Westberlin-Frage spielte dabei eine Rolle. Doch wie schon 1948 und später 1960 führten diese Pressionen zu keinen greifbaren Ergebnissen für die Bundesrepublik und die Westmächte. Mit dem Stahl-Embargo hoffte man zugleich den Aufbau einer schwerindustriellen Basis in der DDR empfindlich zu treffen. Der Massenwettbewerb der Stahl- und Walzwerker der DDR, in dem hervorragende Ergebnisse erzielt wurden, war die Antwort auf die Embargopolitik. 17 Lambrecht, Horst: Die Entwicklung des Interzonenhandels von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. (West-)Berlin, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Sonderheft Nr. 72/1965. 1 4 Freund: Die Entwicklung des Handels der DDR mit Westdeutschland und Westberlin. S. 819. 1 3 Hoffmann: Die Zerstörung der deutschen Wirtschaftseinheit... S. 28 f. 1 0 Vgl.: Orlopp, Josef: Eine Nation handelt über Zonengrenzen. Berlin 1957, S. 76 f. 17 Siehe: Keller, Dietmar: Lebendige Demokratie. Der Übergang von der 13

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Zu Beginn der fünfziger Jahre wurden im Machtbereich der NATO besondere Organe für eine systematische wirtschaftliche Störtätigkeit und Blockadepolitik gegen die sozialistischen Staaten geschaffen, so das Spezialorgan „COCOM" (Coordinating Committee for East-West-Trade Policy). Ein Jahr darauf wurde das „CHINCOM" (Chinese Committee) gebildet, das die Embargo-Bestimmungen auf Länder des asiatischen Kontinents ausdehnte.18 Da§ die imperialistische Embargopolitik gegenüber der DDR in allen wesentlichen Punkten der „Deutschlandpolitik" der BRD entsprach, bestätigte viele Jahre später ein bürgerlicher Autor, als er schrieb: „Der Partner im innerdeutschen Handel wurde nicht als Teilhaber, sondern als Gegner angesehen. Der Handel sollte in erster Linie ein ökonomischer Hebel zur Erreichung politischer Ziele sein, die wirtschaftliche Bedeutung des Interzonenhandels schätzte man gering ein. Das war . . . die Absicht der Bonner Regierung." 19 Mit der EmbargoPolitik hatte der Imperialismus Kurs darauf genommen, dem Wirtschaftsaufbau in den sozialistischen Ländern schwere Schäden zuzufügen und den Lebensstandard der Bevölkerung in diesen Ländern zum Sinken zu bringen. Ein auf solche Art herbeigeführtes wirtschaftliches Chaos sollte konterrevolutionäre Umsturzpläne begünstigen und in der DDR den durch wirtschaftliche Probleme „überhitzten Kessel zum Platzen bringen" 20 . Diesen Plänen entsprechend, konnte der Handel zwischen den beiden deutschen Staaten zu keiner Zeit die ihm innewohnenden Möglichkeiten voll ausschöpfen. Vor allem in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre sah die Regierung der BRD im Osthandel überhaupt ein „sehr wichtiges Element des kalten Krieges" 21 . Wenn auch die Gesamtbilanz von 1950 bis 1964 eine allmähliche Steigerung aufwies, so waren doch vor allem Anfang der fünfziger Jahre die von imperialistischer Seite erzwungenen Stagnationstendenzen bestimmend. antifaschistischen zur sozialistischen Demokratie in der volkseigenen Industrie der DDR 1948 bis 1952. Berlin 1971, S. 158 f. 1 8 Vgl.: Das atlantische Dilemma. Aggressivität und Krise der NATO 1949-1969. Berlin 1969, S. 63. 1 9 Kupper: Der innerdeutsche Handel . . . S. 24. 2 0 Hoffmann: Die Zerstörung der deutschen Wirtschaftseinheit . . . S. 165. 2 1 Adler-Karlsson, Gunnar: Der Ost-West-Handel. In: Handbuch der deutschen Außenpolitik. S. 315.

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Im Zeichen der „Politik der Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit" betrieb man den wirtschaftlichen Zusammenbruch der DDR. 1952/53, in der Zeit der Vorbereitung eines konterrevolutionären Umsturzes in der DDR, unternahm der Bundesnachrichtendienst mit der erwähnten „Vulkan"-Aktion den Versuch, den Handel von BRD-Firmen mit der DDR zum völligen Erliegen zu bringen. Am 30. September 1960, als bereits offene Aggressionsvorbereitungen gegen die DDR im Gange waren, kündigte Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard mit Wirkung zum 31. Dezember des gleichen Jahres in ultimativer Form das gültige Handelsabkommen mit der DDR auf. Da jedoch der Handel der Bundesrepublik mit Westberlin von dem Abkommen berührt wurde, sah sich die Bundesregierung genötigt, von ihrem neuerlichen wirtschaftlichen Erpressungsversuch Abstand zu nehmen und das Abkommen am 29. Dezember wieder in Kraft zu setzen. Der BRD-Seite gelang lediglich die Einführung einer sogenannten Vorbehaltsklausel, die es ihr ermöglichen sollte, unter verschiedenen Vorwänden wie beispielsweise einer „Lieferungsunfähigkeit" vertraglich gebundene Lieferungen zu sperren. Das betraf zu dieser Zeit vor allem Stahl, Chemikalien, Komplettierungsmaterialien und Hilfsstoffe. 22 Die Absichten, die sich hinter dieser Wirtschaftspolitik verbargen, charakterisierte wenig später der damalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß, als er erklärte, da§ „die Wirtschaftspolitik überhaupt gegenüber dem Ostblock zur geschmeidigen Waffe des kalten Krieges werden könne . . . Besser als eine Maschinengewehrgarbe für Berlin sei doch nach seiner Meinung die stufenweise Anwendung wirtschaftlicher Sanktionen . . . von der Drosselung bis zur Einstellung der Stahllieferungen . . .'- 3 Sehr aufschlußreich charakterisiert Emil Hoffmann die Politik der wirtschaftlichen Pressionen gegen die DDR in den fünfziger Jahren, wenn er schreibt: „Indem man den Interzonenhandel hemmte, konnte man der DDR entscheidenden Schaden zufügen, sie am wirtschaftlichen Fortschritt

2 2 Die sogenannte Vorbehaltsklausel von 1960 ermöglichte es der BRDSeite, jederzeit die Genehmigung für die Ausfuhr von Waren des Kontos I zurückzuziehen. Das betraf Öle, Fette, Vieh, Fleisch, Futtermittel, Kakao, Düngemittel, Gießereierzeugnisse, Kesselanlagen und Schnittholz. Lambrecht: Die Entwicklung des Interzonenhandels von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. S. 23. 23

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3 1 . 1 . 1 9 6 1 .

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hindern, den Lebensstandard der Bevölkerung niedrig halten, die dortige Entwicklung dikreditieren und möglicherweise einen Aufstand gegen das Regime in Bewegung setzen . . ."24 Der kalte Krieg und die Politik des Embargos gegen die sozialistischen Staaten fanden in einer feindseligen Propaganda gegen den Osthandel Ausdruck. Die Verteufelung und Diskriminierung der östlichen Handelspartner war ein Bestandteil dieser Propaganda. Die am Osthandel interessierten Geschäftskreise der NATO-Mitgliedsländer und anderer bürgerlicher Staaten sowie die jungen Nationalstaaten wurden mit einem antikommunistischen Feindbild von der Wirtschaft und dem Handel der sozialistischen Staaten konfrontiert. Der Handel mit der DDR wurde systematisch diskreditiert und der zweite deutsche Staat als ein Satellit der Sowjetunion hingestellt, welcher nur Erzeugnisse von minderer Qualität produzieren könne. Die kapitalistischen Handelspartner der DDR wurden mit dem Gespenst des Dumpings geschreckt, das die DDR angeblich im Handel mit dem Westen praktiziere. Immer wieder erklärte man, dafj die DDR überhaupt kein Handelspartner für westliche Länder und vor allem für die BRD sein könne, da die sozialistische Planwirtschaft der DDR als Störfaktor im Handel wirkte und man von östlicher Seite ohnehin nur danach strebe, über den Handel die wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu unterminieren. In diesem Sinne beschimpfte man Kaufleute, die mit der DDR Handelsgeschäfte tätigten, als „politisch instinktlose Geschäftemacher". Der Handel mit der DDR wurde pauschal für „unmoralisch" erklärt, da er, wie es hiefj, lediglich der „Sowjetisierung" zugute komme. 25 Dies war jedoch nur eine Seite - die propagandistische - des antisozialistischen Wirtschaftskrieges. Weit handfestere Mittel für die Politik der ökonomischen Blockade gegen die DDR bot die anfangs erwähnte bürokratische Reglementierung des Handels mit der DDR, die sich über die Treuhandstelle für den Interzonenhandel vollzog. Mit der von ihm eigens errichteten handelspolitischen Ämterpyramide hatten sich die Befürworter des kalten Krieges in der BRD ein Störinstrument geschaffen, welches es ihnen jederzeit ermöglichte, den Handel mit der DDR nach Bedarf zu drosseln. Die regierungsamtliche Handelskonzeption für den „Interzonenhandel" wurde ver-

25

Hoffmann: Die Zerstörung der deutschen Wirtschaftseinheit . . . S. 48 f. Ebenda. S. 60 f., S. 80 u. S. 96.

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mittels eines umfangreichen Instrumentariums durchgesetzt. Seinen Kern stellte ein „Genehmigungsregime" dar, das aus einem „Ausschreibungs- und Genehmigungsverfahren" bestand.26 Diese Verfahren wurden sehr oft bewußt schleppend und schwerfällig gehandhabt. Für die Bezugsgenehmigungen von DDR-Erzeugnissen wurden sogenannte Wartezimmer eingerichtet. Die Warenbegleitscheine wurden oft monatelang gesperrt, die Freigabe von Walzmaterial an die DDR-Außenhandelsorgane erfolgte „bröckchenweise"; die Bundesstellen verzögerten die Bearbeitung der Bezugs- und Lieferverträge.27 In der BRD bestanden Monopolvereinigungen, mit deren Hilfe eine besondere Überwachung und Kontrolle des Handels mit der DDR möglich war. So existierten lange Zeit sogenannte Übernahmemonopole, wie z. B. ein „Treibstoffpool", der 1953 eingerichtet wurde. Ferner gab es Monopole für „Grubenholzbezüge", für „Zuckerbezüge" und für „Brikettlieferungen".28 Das Bestehen dieser „Übernahmemonopole", die den Kreis der am Handel mit der DDR beteiligten Unternehmen so klein wie möglich halten sollten, bot weitere Ansatzpunkte für gezielte Störmaßnahmen und schuf überdies günstige Bedingungen, „den Interzonenhandel besser in den nachrichtendienstlichen Griff und die Kontrolle des Verfassungsschutzamtes zu bekommen"29. Allein der Störradius dieses künstlich geschaffenen wirtschaftsbürokratischen Gestrüpps war ausreichend, um den Handel zwischen den beiden deutschen Staaten ernsthaft zu stören. Es trifft daher völlig zu, wenn Erich Freund feststellt, daß von Seiten der Bundesregierung der Handel mit der DDR „nach Gesichtspunkten seiner Rationierung" gehandhabt worden ist. 30 Die administrativen Maßnahmen der BRD-Seite dienten keinesfalls einer ordnungsgemäßen Durchführung des „Interzonenhandels", vielmehr „zielten (sie) im wesentlichen darauf ab, den planwirtschaftlichen Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens in der DDR zu stören"31. Dazu gehörte auch, daß für aus der DDR bezogene Produkte ein Versicherungsschutz verweigert und die Käufer solcher Erzeugnisse Siehe: Freund: Der Handel zwischen beiden deutschen Staaten der DDR mit Westberlin. S. 823. 27 Hoffmann: Die Zerstörung der deutschen Wirtschaftseinheit... S. 28 Ebenda, S. 31 f. 29 Ebenda, S. 100 f. 3 0 Freund: Der Handel zwischen beiden deutschen Staaten und DDR mit Westberlin. S. 826. 31 Hoffmann: Die Zerstörung der deutschen Wirtschaftseinheit. S. 26

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Teller

und 143.

der 143.

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in der Bundesrepublik strengen Preisüberprüfungen unterzogen wurden. BRD-Firmen, die im Handel mit der DDR aktiv wurden, drohten die Entziehung von Krediten durch die Länderinstanzen sowie eine Unterwerfung unter besondere steuerliche Maßnahmen, die bis zur Herbeiführung des Konkurses der betreffenden Firma getrieben werden konnten. Unter verschiedenen Vorwänden wurden Kaufleuten aus der BRD die Reisepapiere für Reisen in die DDR verweigert, es wurden Kontrollen in diskriminierender Weise durchgeführt bzw. Reisenden Personalausweise und Pässe entzogen. Es gab auch Fälle, wo Kaufleute, welche die Leipziger Messe besucht oder Geschäftsabschlüsse in der DDR getätigt hatten, zeitweilig festgenommen wurden. 32 Von der BRD-Seite wurde ein ganzes System handelspolitischer Hebel und wirtschaftlicher Störmaßnahmen gegen die DDR zum Einsatz gebracht. Bei den gezielten Störungen bildeten die Drosselung von bereits vertraglich vereinbarten Lieferquoten bzw. die Vornahme eigener Wertbegrenzungen entgegen getroffenen Abmachungen und der plötzliche Lieferstop einen deutlichen Schwerpunkt. Eine besondere Rolle spielten dabei die Lieferungen solcher Rohstoffe und Erzeugnisse, die von der Wirtschaft der DDR dringend benötigt wurden und über welche die BRD-Wirtschaft in reichlichem Maße verfügte oder aber für die sogar Absatzschwierigkeiten bestanden. Das betraf in erster Linie Steinkohle, Eisenund Stahlerzeugnisse wie z. B. Walzgut. Im Handel mit der DDR wartete man auch mit Junktim auf, so etwa, daß Stahl von der Bundesrepublik nur gegen Braunkohlenlieferungen aus der DDR abgegeben wurde. Die Messen in Leipzig wurden lange Zeit blockiert. Die DDR wurde als Aussteller zu den Wirtschaftsmessen in der BRD nicht zugelassen, und in zahlreichen Fällen suchte man auch die Teilnahme der DDR an Messen in anderen kapitalistischen Ländern zu hintertreiben. 33

Subversive Aktionen als Bestandteil des Wirtschaftskrieges Der Wirtschaftskrieg gegen die DDR ging - mit Unterstützung der NATO - auf verschiedenen Ebenen vor sich. Die mit Hilfe des geschilderten handelspolitischen Instrumentariums durchgeführten per32 33

Ebenda. S. 31 f. Ebenda, S. 157 f. u. S. 160.

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manenten Störmaßnahmen administrativer Stellen, die den Charakter einer Art Handelskrieg trugen, stellten nur eine dieser Ebenen dar. Eine andere wesentliche Seite war der von Westberlin - inmitten der D D R - ausgehende Wirtschaftskrieg, der sich über einen willkürlich manipulierten Wechselkurs - im Volksmund „Schwindelkurs" genannt - vollzog. In der Regel ging das Austauschverhältnis eindeutig zu Lasten der Mark der Deutschen Notenbank. In seiner Funktion als „Schaufenster des freien Westens" lockten Westberlins neoglänzende Fassaden angesichts der noch lange Zeit mit erheblichen wirtschaftlichen Startschwierigkeiten kämpfenden D D R einen Besucherstrom aus der D D R an. Über die faktisch offene Grenze wurden hochwertige Industrieerzeugnisse wie optische und feinmechanische Geräte, Teppiche und Zierporzellan verschoben, aber auch große Mengen landwirtschaftlicher Produkte wie Fleisch, Butter und Eier illegal ausgeführt. Über die „Frontstadt" Westberlin vollzog sich die organisierte Abwerbung wichtiger Fachkader aus der DDR. Der Schwindelkurs, zu dem ein bürgerlicher Autor bemerkt, daß dieser „mit dem Austauschverhältnis 1 : 5 bzw. 1 : 4 zuungunsten der Mark der Deutschen Notenbank (DM-Ost) in keiner Weise die Kaufkraftrelation beider Währungen ausdrückte, sondern in starkem Maße anderen - insbesondere politischen — Einflüssen unterlegen" 3 4 habe, erzeugte ein ganzes Heer von Zwischenhändlern, kleinen Geschäftsleuten und Unternehmern in Westberlin sowie von Schiebern und Spekulanten und korrumpierte auch Teile der Bevölkerung in der DDR. Die auf solche Art nach Westberlin gelangten großen Summen von Mark der Deutschen Notenbank wurden zu einem wesentlichen Teil für die Störmaßnahmen subversiver Agenturen verwendet. Von der Höhe dieser Summen zeugte die Tatsache, daß durch den Banknotenumtausch in der D D R am 13. Oktober über 600 Millionen in der BRD und in Westberlin lagernde Mark der Deutschen Notenbank ihre Gültigkeit verloren. Die verschiedenen Ebenen des Wirtschaftskrieges waren eng miteinander verflochten: Die Diskriminierungs- und Störpolitik der Bundesregierung und des Westberliner Senats ging mit der großangelegten wirtschaftlichen Schädigung durch einen manipulierten Wechselkurs und mit Sabotageakten im Untergrundkrieg Hand in Hand. Lambrecht: Die Entwicklung des Interzonenhandels von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. S. 11.

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Von Agenten in der DDR gingen dem Bundesnachrichtendienst, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V." vertrauliche Angaben zu, die Eingang in sogenannte Industriewarndienste fanden, mit denen man Firmen mit „östlicher Schlagseite" denunzierte.35 Das Bundeswirtschaftsministerium duldete die Existenz von Scheinfirmen, die gar nicht daran dachten, Produkte aus der DDR zu beziehen, die aber mit ihren Anträgen vorsätzlich die kontingentgebundenen Sparten blockierten, indem sie die Wertgrenzen für den Austausch erschöpften. Zahlreiche dieser Scheinfirmen wurden ausschließlich im Untergrund aktiv und beschäftigten sich neben der Sabotage des Handels mit der DDR intensiv mit der Wirtschaftsspionage. Die Scheinfirmen hatten die Aufgabe, mit den Außenhandelsorganen der DDR ins Gespräch zu kommen, um in geschäftliche und persönliche Vorgänge Einblick zu erhalten. Dabei ging es ihnen vor allem darum, auszukundschaften, welche Waren von der DDR gekauft werden sollten.36 Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und der berüchtigte „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V." bespitzelten Firmen in der Bundesrepublik und in Westberlin, die mit der DDR Handelsgeschäfte tätigten. Über die Kanäle der Agenturen erkundete man Pläne und Handelsvereinbarungen und spionierte Art und Umfang der Lieferungen im Detail sowie die Liefertermine und die Speditionsfirmen aus. Der „Untersuchungsausschuß" betätigte sich auf diesem Gebiet besonders rührig. 37 Der Bundesnachrichtendienst führte direkte Sabotageakte gegen die Wirtschaft der DDR aus. So wird von bürgerlichen Autoren das Beispiel erwähnt, daß der BND in den fünfziger Jahren eine Information über den Ankauf einer kompletten Fabrikanlage im kapitalistischen Ausland durch die DDR erhalten habe. Gehlen habe damals persönlich entschieden, daß der gekaufte Maschinenpark nur zur Hälfte in die DDR gelangen dürfe. Daraufhin sei der weitere Transport gestoppt worden, so daß die DDR „auf Teilen von Motoren und Anlagen sitzen geblieben sei - nach Bezahlung der gesamten Lieferung"38. 35

Hoffmann: Die Zerstörung der deutschen Wirtschaftseinheit... S. 28 f. u. S. 95. 36 Ebenda. S. 29 f. 37 Siehe hierzu: . . . im Dienste der Unterwelt . . . S. 125 f. 38 Zolling/Höhne: Pullach intern . . . S. 155.

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Geheimdienstorganisationen wie die „Ostbüros", der „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen" und die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" setzten skrupellos gefälschte Bezugsgenehmigungen oder DIA-Formulare in Umlauf und fabrizierten Schreiben von Dienststellen der DDR, in denen die Bitte um Geldspenden ausgesprochen wurde, um das Ansehen der DDR in Mißkredit zu bringen. Die „administrative Störstelle" der „Kampfgruppe" fälschte Geschäftsbriefe des DIA Invest-Export, in denen eine teilweise oder vollständige Lieferunfähigkeit der DDR-Seite erklärt bzw. vertragliche Vereinbarungen mit anderen Staaten aufgekündigt wurden. 39 So erging im Dezember 1954 an das türkische Wirtschaftsministerium ein Schreiben des DIA, in welchem mitgeteilt wurde, daß ein vereinbartes KfZ-Großreparaturwerk von der DDR „wegen Devisen- und Rohstoffschwierigkeiten"40 nicht gebaut werden könne. Ein weiteres gefälschtes Schreiben erging am 25. Januar 1955 an die schwedischen Außenhandelsorgane. Für die Fälschung wurde ein Kopfbogen mit dem Aufdruck „Regierung der Deutschen Demokratischen Republik/Ministerium für Außenhandel und innerdeutschen Handel" verwendet. In diesem Schreiben wurde das Warenabkommen DDR-Schweden aufgekündigt, da, wie es im Text hieß, die DDR ihre Industrie auf Rüstung umstelle.41 In anderen gefälschten Schreiben erteilten die „KGU"-Agenten einzelnen volkseigenen Betrieben in der DDR die Weisung, die Produktion vertraglich gebundener Güter wegen angeblicher von den Abnehmerländern gemachter Schwierigkeiten sofort einzustellen. So erhielt z. B. der VEB Elektromotorenwerk Wernigerode eine Anweisung auf Kopfbogen des DIA-Invest-Export, die Produktion tropenfester Motoren für Ägypten und Indonesien sofort einzustellen. Der VEB „Henry Pels" in Erfurt wurde angewiesen, umgehend die Fertigung von Tafelscheren für die Niederlande zu stoppen.42 Besonders schmutzige Machwerke stellten solche gefälschten Schreiben dar, in denen die Bezahlung von an sozialistische und junge Nationalstaaten gelieferten Solidaritätsgütern gefordert wurde. Ein solches Beispiel war das falsche DIA-Schreiben vom 3. Dezember 1954 an das Wirtschaftsministerium der Koreanischen Volksdemokratischen Republik, in welchem nachträglich die Bezahlung 39

Siehe: Unmenschlichkeit . . . S. 207. Ebenda. S. 251. 41 Ebenda. S. 252 f. '•2 Ebenda. S. 256. 40

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einer als Solidaritätsgeschenk gelieferten Revolverdrehmaschine verlangt wurde. 43 Agenten der Geheimdienste, die sich Positionen in den Handelsorganen der DDR erschlichen hatten, deklarierten auch minderwertige Waren, die der DDR angeboten wurden, als erstklassige Erzeugnisse und wurden für diese Schädlingstätigkeit honoriert/' 4 Man fälschte Firmenzeichen, entwendete Patente und Erfindungen und warb fachliche Spezialisten mittels Verlockungen und Drohungen ab. Es war vor allem diese Abwerbung, die dem Imperialismus der BRD einen enormen Gewinn in doppelter Hinsicht brachte: Einerseits wurde die Wirtschaft der DDR empfindlich geschädigt und die Verbesserung der Lebenslage ihrer Bevölkerung verlangsamt, andererseits sparten die Monopole beträchtliche finanzielle Mittel ein, die sie für die Ausbildung der fachlichen Spezialisten hätten aufwenden müssen, und leisteten dergestalt einen nicht unerheblichen Beitrag zu jenem spektakulären „Wirtschaftswunder" in der BRD, das seine Existenz nicht zuletzt den Resultaten des Wirtschaftskrieges verdankte. Es steht außer Zweifel, daß der gegen die DDR geführte Wirtschaftskrieg, der sich zugleich gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten richtete, der Volkswirtschaft der DDR einen beträchtlichen Schaden zugefügt hat. Ohne die progressive wirtschaftliche Entwicklung der DDR zunichte machen zu können, störte der BRD-Imperialismus den Wiederaufbau der Wirtschaft, behinderte die Entwicklung und den Ausbau einer leistungsfähigen industriellen Basis in der DDR und schädigte sie durch Embargopolitik, wirtschaftlichen Boykott, finanzielle Manipulationen und subversive Maßnahmen um Milliardensummen. 45 Dabei mißbrauchten die herrschenden Kreise in der Bundesrepublik vor allem den sogenannten „innerdeutschen Handel als Instrument der Deutschland- und Berlinpolitik" 46 . Der Wirtschaftskrieg demonstrierte augenscheinlich die Skrupellosigkeit der Initiatoren des kalten Krieges gegen die DDR und demaskierte auf drastische Weise die DemaEbenda. S. 259. Hoffmann : Die Zerstörung der deutschen Wirtschaftseinheit . . . S. 29. 4 5 In der Zeit bis zum 13. August 1961 wurde der DDR durch den Wirtschaftskrieg ein Schaden in Höhe von etwa 100 Milliarden DM zugefügt, eine Summe, die etwa den Investitionen in der Volkswirtschaft von 1950 bis 1961 entsprach. (Vgl.: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Bd. 8. Von 1956 bis Anfang 1963. Berlin 1966, S. 292 f.) 43

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Kupper : Der innerdeutsche H a n d e l . . . S. 22.

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gogie und Verlogenheit des bürgerlichen Nationalismus in der Bundesrepublik, dessen offizielle Vertreter heute die Losung von der „Einheit der deutschen Nation" strapazieren und vieldeutig erklären, dafj sie „den innerdeutschen Handel als Sonderbeziehung im Hinblick auf die 'deutsche Option' erhalten und ausbauen" wollen.47 Zugleich steht jedoch fest, dafj die imperialistische Embargopolitik gegen die sozialistischen Staaten vollständig gescheitert 48 ist. Das dieser Politik gestellte Hauptziel, die sozialistischen Staaten derart zu schwächen, daß konterrevolutionäre und militärische Aktionen Erfolg haben konnten, ist nicht erreicht worden. Während sich unter den kapitalistischen Staaten weitgehende Differenzen in der Frage des Osthandels zeigten, die einen schrittweisen Abbau der Embargopolitik erzwangen, nahm die wirtschaftliche Verbundenheit der sozialistischen Staaten, die ihr eigenes Wirtschaftssystem ausbauten, zu. Die positive Entwicklung der sozialistischen ökonomischen Integration bietet heute die Gewähr dafür, dafj bestehende Überreste der imperialistischen Embargopolitik ebenso zum Scheitern verurteilt sein werden wie die seit einiger Zeit zu beobachtende Umkehrung der Politik des Wirtschaftskrieges, die nunmehr darauf orientiert, durch einen starken Ausbau des Osthandels die sozialistischen Staaten zu zersetzen und damit an der politischen Grundorientierung, den Handel als politische Waffe einzusetzen, festhalten möchte.49

Die militärische Variante des kalten Krieges: Die Rolle der Bundeswehr als potentielles Aggressionsinstrument gegen die DDR Die Remilitarisierung und Wiederaufrüstung der BRD wurde schon zu Beginn der fünfziger Jahre insgeheim eingeleitet. Militaristische Traditionsverbände, die bei den westlichen Besatzungsmächten beschäftigten Deutschen Dienstgruppen sowie Angehörige des Bundesgrenzschutzes bildeten die Kaderreserve für die spätere Bundeswehr, zu deren Aufbau in großem Umfang ehemalige Offiziere und Mann47

Ebenda. S. 76. Adler-Karlsson, Gunnar: Der Fehlschlag - 20 Jahre Wirtschaftskrieg zwischen Ost und West. Wien/Frankfurt a. M./Zürich 1971, S. 9. f. 49 Ebenda. S. 176. 48

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gogie und Verlogenheit des bürgerlichen Nationalismus in der Bundesrepublik, dessen offizielle Vertreter heute die Losung von der „Einheit der deutschen Nation" strapazieren und vieldeutig erklären, dafj sie „den innerdeutschen Handel als Sonderbeziehung im Hinblick auf die 'deutsche Option' erhalten und ausbauen" wollen.47 Zugleich steht jedoch fest, dafj die imperialistische Embargopolitik gegen die sozialistischen Staaten vollständig gescheitert 48 ist. Das dieser Politik gestellte Hauptziel, die sozialistischen Staaten derart zu schwächen, daß konterrevolutionäre und militärische Aktionen Erfolg haben konnten, ist nicht erreicht worden. Während sich unter den kapitalistischen Staaten weitgehende Differenzen in der Frage des Osthandels zeigten, die einen schrittweisen Abbau der Embargopolitik erzwangen, nahm die wirtschaftliche Verbundenheit der sozialistischen Staaten, die ihr eigenes Wirtschaftssystem ausbauten, zu. Die positive Entwicklung der sozialistischen ökonomischen Integration bietet heute die Gewähr dafür, dafj bestehende Überreste der imperialistischen Embargopolitik ebenso zum Scheitern verurteilt sein werden wie die seit einiger Zeit zu beobachtende Umkehrung der Politik des Wirtschaftskrieges, die nunmehr darauf orientiert, durch einen starken Ausbau des Osthandels die sozialistischen Staaten zu zersetzen und damit an der politischen Grundorientierung, den Handel als politische Waffe einzusetzen, festhalten möchte.49

Die militärische Variante des kalten Krieges: Die Rolle der Bundeswehr als potentielles Aggressionsinstrument gegen die DDR Die Remilitarisierung und Wiederaufrüstung der BRD wurde schon zu Beginn der fünfziger Jahre insgeheim eingeleitet. Militaristische Traditionsverbände, die bei den westlichen Besatzungsmächten beschäftigten Deutschen Dienstgruppen sowie Angehörige des Bundesgrenzschutzes bildeten die Kaderreserve für die spätere Bundeswehr, zu deren Aufbau in großem Umfang ehemalige Offiziere und Mann47

Ebenda. S. 76. Adler-Karlsson, Gunnar: Der Fehlschlag - 20 Jahre Wirtschaftskrieg zwischen Ost und West. Wien/Frankfurt a. M./Zürich 1971, S. 9. f. 49 Ebenda. S. 176. 48

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schaftsdienstgrade der faschistischen Wehrmacht herangezogen wurden. Ein nicht geringer Teil des Offizierskorps der Bundeswehr stammte aus dem früheren Ostgebieten des Reiches bzw. war aus dem Gebiet der DDR in die BRD übergewechselt. Auf Grund dieser Tatsachen stand die Bundeswehr von Anfang an unter einem revanchistischen und konterrevolutionären Einfluß, und das bereits in den Westzonen entstandene antikommunistische und antisowjetische Feindbild war hier besonders scharf ausgeprägt. Mit der Bundeswehr erhielt der Imperialismus der BRD das von Anfang an erstrebte militärische Machtinstrument, das er im Rahmen der Integration in den Nordatlantikpakt im Interesse der „Deutschland"- und Ostpolitik zu handhaben gedachte. Ende der fünfziger Jahre nahm in der Bundesrepublik der Einfluß derjenigen politischen und militärischen Führungskräfte zu, die bereit waren, die revanchistische Konzeption dieser Politik nicht nur mit militärischem Druck, sondern unter ihnen günstig erscheinenden Umständen auch mit einer militärischen Intervention bis zur OderNeiße-Grenze im Rahmen der „Politik der Stärke" durchzusetzen. Ähnliche Auffassungen wurden auch in militärischen Führungskreisen der USA und anderer Mitgliedsstaaten der NATO vertreten. Als militärisches Konzept wurde in dieser Zeit der „Outline"-Plan bekannt, dem die „Theorie" von einem „kleinen" oder „begrenzten" Krieg zugrunde lag und der als Folge einer Kombination von politischem Druck, subversiven Aktionen und der bewaffneten Intervention realisiert werden sollte. Dieser Plan, der 1959/60 in Angriff genommen wurde, sah ferner eine systematische ideologische Aufweichung, Maßnahmen des Wirtschaftskrieges und die Störung der Versorgung der Bevölkerung im Interventionsgebiet mit lebensnotwendigen Gütern vor. In der DDR sollte die Bevölkenr.ng in einen Gegensatz zur Politik der SED und der sozialistischen Staatsmacht gebracht werden. Die solcherart allgemeine Unsicherheit sollte Unruhen erzeugen und in eine latente innere „Widerstandssituation" einmünden, wovon man sich die Entstehung bürgerkriegsähnlicher Zustände erhoffte. Im Herbst 1961 sollte ein blitzartiger Stoß militärischer Verbände in die DDR erfolgen und durch eine völlige Zerschlagung der Arbeiter-und-Bauern-Macht die Inangriffnahme der kapitalistischen Restauration sichern. In der Phase des Überfalls sollten die Regierung isoliert, führende Persönlichkeiten ermordet, wichtige Zentren besetzt und überall konterrevolutionäre Gruppen gebildet werden. Durch diese Aktionen sollte in der DDR schon in 202

den ersten Stunden des Anlaufens von „Outline" eine weitreichende Desorganisation herbeigeführt werden. Schließlich sollte ein konterrevolutionäres Regime mit eigenen bewaffneten Machtorganen mit Hilfe der NATO konstituiert werden. 1 Der Imperialismus der BRD und hohe NATO-Militärs rückten die DDR in das Fadenkreuz eines „Blitzkrieges". Die Bundesregierung und die herrschenden politischen Kräfte in der BRD sahen in der DDR einen von der UdSSR abhängigen „Satelliten", ein ökonomisch instabiles, von der Mehrzahl seiner Bewohner abgelehntes und demzufolge auch militärisch schwaches Regime. Demgegenüber dünkten sie sich durch den schnellen Aufbau militärischer Einheiten und deren Integration in die NATO sowie durch das zunehmende wirtschaftliche Gewicht der BRD eindeutig überlegen. Mit Westberlin verfügten die aggressiven Kreise über ein Stör- und Provokationszentrum inmitten der DDR. Seine Existenz mit einer offenen Grenze zur DDR stellte den sozialistischen deutschen Staat - wie man auf westlicher Seite sicher war - vor unlösbare Probleme. Im Ausbau Westberlins als „Frontstadt" und in der Verschärfung der von dort ausgehenden Spannungen in Gestalt des psychologischen und Wirtschaftskrieges sowie der Subversion sahen die Verfechter der militärischen Variante des kalten Krieges gegen die DDR die wichtigsten Voraussetzungen für die Realisierung des Annexionskonzeptes. Die schon lange zu einer Form des Klassenkampfes gewordene massenhafte Abwerbung von Bürgern der DDR gehörte ebenfalls zu der immer stärker komplexe Züge annehmenden Aggressionsvorbereitung. Der kalte Krieg brachte die DDR seit Ende der fünfziger Jahre in eine zunehmend schwierige Situation. Der Wirtschaftskrieg und die von Westberlin ausgehenden Einflüsse imperialistischer und konterrevolutionärer Politik führten zu einer angespannten Lage. Viele Bürger verließen unter dem Druck dieser Erscheinungen auf illegalem Wege über Westberlin die Republik. Im „Münchener Merkur" plauderte der Journalist Alfons Dalma am 24./25. Juni die Hoffnungen aus, die man westlicherseits auf die Verschärfung dieser Situation setzte, als er dazu aufforderte, in der DDR eine „Explosion" auszulösen. Dalma erklärte offen, daß man in der DDR die Produktions- und Verkehrssabotage bis zum vollständigen passiven Widerstand organisieren müsse. Nach seiner Vgl.: Charisius/Mader: Nicht länger geheim. Enthüllungen über den imperialistischen deutschen Geheimdienst. Berlin 1969, S. 334 f.

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Vorstellung sollten die konterrevolutionären Aktionen bis zur Auflösung der Nationalen Volksarmee und dem „Volksaufstand gegen die Sowjettruppen" geführt werden. 2 In der BRD wähnte man die D D R im Banne eines völligen politischen und wirtschaftlichen Dilemmas, da die Beibehaltung der offenen Grenze zu Westberlin in absehbarer Zeit zum wirtschaftlichen Ausbluten der D D R führen müsse. Zu der Möglichkeit der Einrichtung einer festen Grenzordnung gegenüber Westberlin aber bemerkte das BRD-Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" wenige Tage vor dem 13. August 1961 in völliger Verkennung der Situation: „Das Zonen-Regime kann heute den Exodus seiner Bürger nur noch stoppen, wenn es einen neuen Volksaufstand riskieren will." 3 Seit 1958 vollzogen sich in der Bundeswehr bemerkenswerte Entwicklungen. Dazu gehörte die beschleunigte Integration immer neuer militärischer Verbände in den Nordatlantikpakt. Um die Kampffähigkeit und die Kampfbereitschaft der Bundeswehr zu erhöhen, orientierte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß auf den schnellen Aufbau kleinerer Einheiten nach der Brigadestruktur, während sein Vorgänger Theodor Blank noch von der Notwendigkeit der Aufstellung größerer Einheiten mit einer längerbefristeten Integration in die NATO ausgegangen war. Es entstanden operative Kampfgruppen, bei denen besonderes Gewicht auf Beweglichkeit, Panzerung, Feuerkraft und operative Einsetzbarkeit gelegt wurde. Bei der Aufstellung dieser Einheiten standen die militärischen Erfahrungen der ehemaligen Hitlergeneralität und von USA-Militärs im Korea-Krieg Pate. Die Kampfstruktur der Bundeswehr wurde einem Raketen-Kernwaffen-Krieg angepaßt. In der Truppe wurden Sturmlandungen mit Kernwaffeneinsatz, Panzerdurchbrüche und andere Offensivoperationen wie die Bildung von Brückenköpfen geprobt. 4 In verstärktem Maße wurden BundeswehrMünchener Merkur, 24./25. 6. 1961. Der Spiegel, Hamburg, 9. 8. 1961. 4 Zu diesem Thema vgl.: Bundeswehr - Armee für den Krieg. Aufbau und Rolle der Bundeswehr als Aggressionsinstrument des westdeutschen Imperialismus, Berlin 1968; sowie: Bundeswehr - antinational und aggressiv. Chronik, Fakten, Dokumente. Berlin 1969. Eine analytische Durchsicht der BRD-Militärzeitschrift »Wehrkunde", besonders der Jahrgänge 1960/61, lä§t die intensive Vorbereitung der BRD-Bundeswehr auf eine militärische Intervention erkennen. So stehen im Vordergrund der Artikel u. a. Beiträge solche Themen wie: Sturmlandungen, Einsatz 2

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einheiten mit ausgesprochenen Aggressionswaffen ausgerüstet, unter denen die Fernlenkgeschosse den Vorrang hatten. Ende 1960 verfügten die 8 einsatzbereiten Divisionen der Landstreitkräfte der Bundeswehr sowie die 3 bestehenden Korps als Hauptfeuermittel über je ein Bataillon mit Raketen vom Typ „Honest John" (je Bataillon 6 Abschußmittel). Die Aufstellung von Luftabwehr-Raketenbataillonen mit Raketen der Typen „Hawk" und „Nike" war im Gange. Mit diesen Fernlenkwaffen konnten auch nukleare Sprenggeschosse ins Ziel gebracht werden. Für die Aggressionspläne konnten von der Bundeswehrführung auch objektiv wirkende Faktoren innerhalb der imperialistischen Militärkoalition ausgenutzt werden. An erster Stelle stand hier die schon 1957 sichtbar werdende Krise der NATO durch die augenfällig demonstrierte sowjetische Überlegenheit auf dem Gebiet der Raketenkernwaffen. Die Folge war eine deutliche Aufwertung der sogenannten Schildstreitkräfte, von denen die Bundeswehr einen erheblichen Teil der Kontingente stellte. Gleichzeitig wurden in Bonn die Anstrengungen erhöht, über die damit zusammenhängende Umund Neuausrüstung der Truppen und deren strukturelle Neugliederung Bundeswehreinheiten mit Kernwaffen auszurüsten. Mit Hans Speidel, Adolf Heusinger und Friedrich Foertzsch gelangten die Spitzenmilitärs der Bundeswehr in Schlüsselfunktionen, die für die Auslösung einer militärischen Aktion von entscheidender Bedeutung waren. Das betraf besonders Hans Speidel, der das Amt des Oberbefehlshabers der NATO-Landstreitkräfte im Abschnitt „Europa-Mitte" besetzte. Speidel war an der Ausarbeitung der „Theorie" vom „kleinen" oder „begrenzten" Krieg maßgeblich beteiligt. 5 von Kernwaffen, Überwinden von Flüssen und Hindernissen, Taktik der Panzertruppen, Panzerschlachten, Panzerdurchbrüche, Truppenführung im Kernwaffenkrieg, spezielle Angriffswaffen im Test, Durchbruchs- und Offensivoperationen, Zusammenwirken von Heeresverbänden mit amphibischen Einheiten, Bildung von Brückenköpfen, Strafjennetz und Vormarsch, Zivilverteidigung, die neue Kampfgruppenstruktur, psychologische Untersuchungen zur Moral der Soldaten, Kampfwert der Truppe, innere Führung, Wehraufklärung, Bundeswehr und Tradition. 5 Speidel erklärte, daß man unterscheiden müsse „zwischen den totalen und geographisch-begrenzten Kriegen, die wir als lokalisierte Kriege bezeichnen können; - mit begrenzten Mitteln und Waffen geführten Kriegen, die wir begrenzte Kriege nennen wollen; - und schließlich Kriegen, die mit begrenzten Mitteln und Waffen geführt werden und

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Seit 1959 vollzog sich eine Standortverteilung der Bundeswehreinheiten, die auf die Absicht eines militärischen Einfalls in die DDR schließen ließ. Die mit taktischen Kernwaffenträgern ausgerüsteten Landstreitkräfte bildeten in den Räumen Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen-Nordbayern Angriffsschwerpunkte. In der westlichen Ostsee ging eine zunehmende Konzentration leichter Seestreitkräfte vor sich, zu denen jetzt auch Landungsschiffe gehörten. Die Hauptmasse der Landstreitkräfte der Bundeswehr bezog in einem Angriffsausgangsstreifen Stellung, der parallel zur Staatsgrenze der DDR und der CSR verlief; die Konzentrierungsräume der Truppen waren etwa 150 Kilometer von den Westgrenzen der beiden sozialistischen Staaten entfernt. Die in der Bundesrepublik stationierten NATO-Verbände der ersten strategischen Staffel bildeten im Abschnitt Flensburg-Hamburg und der westlichen Ostsee (NATO-Kommando Ostseezugänge), im Abschnitt Hamburg-Göttingen (NATO-Armeegruppe Nord/Europa-Mitte) und im Abschnitt Göttingen-Berchtesgaden (NATO-Armeegruppe Mitte/Europa-Mitte) drei größere Stoßgruppierungen. 6 Seit Herbst 1958 mehrten sich Kriegsübungen von NATO- und Bundeswehreinheiten, in denen die aggressiven Pläne im Detail durchgespielt wurden. Im Bereich des NATO-Kommandos Ostseezugänge wurden Seekriegsmanöver durchgeführt, in denen die schwimmenden Verbände auf Angriffsoperationen im Küstenvorfeld der DDR vorbereitet wurden. Diese Manöver liefen im Frühjahr 1959 und im Spätherbst des gleiches Jahres unter den Bezeichnungen „Wolf Jaune", bzw. „Tigre Jaune" unter Teilnahme von BRDSeestreitkräften an. Von 1958 bis zum Sommer 1961 führte die Bundesmarine eine Reihe eigener Seekriegsübungen durch. Es waren das die Übungen „Wallenstein I" bis „Wallenstein IV". Die Übung „Wallenstein III", die vom 30. August bis zum 9. September 1960 durchgespielt wurde, verlief unter den Bedingungen eines angenommenen Kernwaffeneinsatzes in Richtung Seegrenze der DDR in Verbindung mit einer Seelandung und zeigte, daß den Seestreitkräften der BRD schon damals die Rolle der maritimen Hauptstoßkraft der NATO in der Ostsee zugewiesen worden war. Im September 1960 fand im Raum Schleswig-Holstein und Jütland die große die auf die geographischen Bereiche lokalisiert bleiben, in denen sie stattfinden." Vgl.: Wehrkunde, München, H. 9, Sep. 1960. 6 Vgl.: Bundeswehr - Armee für den Krieg. S. 227 f.

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NATO-Truppenübung „Hold Fast" statt, die mit der Seekriegsübung „Bone dry" in der westlichen Ostsee kombiniert war. Die zu erreichenden Manöverziele für die Truppen waren das funktionstüchtige Zusammenwirken von Land-, See- und Luftstreitkräften, die Erprobung von Seelandungen und die Übung amphibischer und anderer Operationen. Die Manöverlage ging davon aus, daß ein Vorstoß über eine angenommene „Demarkationslinie" die Kampfhandlungen eröffnete. Es wurden Brückenköpfe gebildet und kombinierte Luft-See-Landungen mit imitiertem Einsatz atomarer Sprengkörper durchgeführt. Das Übungsgelände ähnelte auffallend der DDR-Küste. 45 000 Soldaten und 12 000 Räder- und Kettenfahrzeuge gelangten zum Einsatz. 7 Im Herbst 1959 wurde in der Bundesrepublik die NATO-Stabsübung „Side-Step" durchgespielt, der die Konzeption des „kleinen" oder „begrenzten" Krieges zugrunde lag. Alle Operationen gingen davon aus, einen Blitzkrieg mit möglichem Einsatz von atomaren Waffen zu führen. Die Lahmlegung von Verwaltungs- und Industriezentren der DDR spielte in der Übung eine besondere Rolle. Gleichzeitig führte die Bundeswehr eigene Übungen an der Grenze zur DDR unter den Bezeichnungen „Ulmer Spatz" und „Panzerzug" durch, in •denen der Stoß gegen die südliche Flanke, bzw. das Zentrum der DDR erprobt wurde, und gab für die Vorbereitung auf „Side-Step" eine besondere Direktive heraus. Diese Direktive beschäftigte sich mit den Erfahrungen der faschistischen Wehrmacht bei ihrem Einmarsch in Österreich und in die Tschechoslowakei 1938 und orientierte auf die Ausnutzung des seinerzeit demonstrierten Überraschungsmomentes für die Durchführung des Manövers. Eine ähnliche Ausgangssituation lag den großen NATO-Manövern „Winter-Shield I" und „Winter-Shield II" zugrunde, die Anfang 1960 bzw. zu Beginn des Jahres 1961 stattfanden. Auch hier wurde der Stoß gegen die DDR - diesmal unter winterlichen Bedingungen in Richtung auf das Aggressionsziel geprobt. Im Manöver „WinterShield II" exerzierten 60 000 Soldaten der NATO mit 15 000 Fahrzeugen zum drittenmal innerhalb Jahresfrist einen großräumigen Überraschungsangriff gen Osten. Dabei ging die Manöverlage davon aus, daß ein „innerdeutscher Konflikt" die erste Phase eines S. Brockdorff-Ahlefeldt, Cay Graf von: Das NATO-Manöver F a s t ' . In: Wehrkunde, München, H. 11, Nov. 1960, S. 575 f.

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möglichen Krieges gegen die Staaten des Warschauer Vertrages sein könnte. 8 Die NATO-Manöver sowie die selbständigen Bundeswehr-Übungen ließen 1960/61 Schlußfolgerungen auf den Inhalt und die Art und Weise des geplanten militärischen Vorgehens zu. Mit blitzschnellen militärischen Vorstößen aus den erwähnten Angriffsschwerpunkten sollten die DDR überrannt und ihre Verteidigungskräfte paralysiert werden. Der militärische Einfall in die D D R sollte als „innere Angelegenheit der Deutschen" hingestellt und als „Polizeiaktion" aufgemacht werden. Dem NATO-Dokument „Deco II" lag die Zielstellung „Befreiung der SBZ und Wiedervereinigung Deutschlands durch militärische Besetzung des mitteldeutschen Raumes bis zur Oder-Neiße-Linie" zugrunde. Dieses Papier präzisierte die Angriffspläne, legte die militärischen Operationen im einzelnen fest und regelte die Absicherung der Aktion durch die NATO. Während Verbände der Bundeswehr in schnellem Stoß tief in die D D R vordringen, die Oder-Neiße-Grenze erreichen und solcherart vollendete Tatsachen schaffen sollten, war vorgesehen, daß die Westmächte Garantieerklärungen an die UdSSR, die VR Polen und die CSR abgeben würden, daß sich die Intervention nicht gegen diese Staaten richte und Leben und Eigentum sowjetischer Staatsbürger in der D D R nicht angetastet würden. 9 Das Stör- und Provokationszentrum Westberlin sollte bei der Aktion eine besondere Rolle spielen. Von dort aus sollten bewaffnete Banden und Kommandotrupps in die D D R und ihre Hauptstadt vordringen und sich mit im Umkreis abgesetzten Luftlandetruppen vereinigen. Die Vorstellungen vom „verdeckten Krieg" beherrschten die gesamte Planung der militärischsubversiv angelegten Aktionen. 1 0 Für diese Art der Kriegführung wurden in der Bundeswehr besondere Einheiten ausgebildet. 11 War Siehe: Kissel, Hans: Manöver „Winter-Shield II". In: Wehrkunde, H. 3, März 1961, S. 116 f. 9 Deutsche Kriegsbrandstifter wieder am Werk. Berlin 1959, Bd. I, S. 168 f. 10 Hoffmann, Heinz: Sozialistische Landesverteidigung. Aus Reden und Aufsätzen 1963 bis Februar 1970. Teil I, Berlin 1971, S. 242 f. 11 Zum Inhalt des „verdeckten" Krieges hiefj es in der „Wehrkunde": „Zerstören von technischen Fernmeldeanlagen des zivilen und militärischen Bereiches sowie Unterbrechen des Rundfunk- und Fernsehbetriebes; - Zerstören wichtiger Verkehrsverbindungen und zwar im besonderen solcher von militärischer Bedeutung; - Zerstören von mili8

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der spekulative und irreale Charakter dieser Pläne auch nicht übersehbar, so bestand andererseits die reale Gefahr, durch ihre Inangriffnahme Truppen der NATO und des Warschauer Vertrages in einen militärischen Konflikt mit unabsehbaren Folgen zu verwickeln. Die Bundesregierung bemühte sich verstärkt um die Realisierung einer Notstandsgesetzgebung und suchte Teile dieses Gesetzeswerkes, die vom Bundestag der B R D bereits verabschiedet waren, 1961 beschleunigt in die Praxis umzusetzen. In verdächtiger Eile wurde am 29. Juni 1961 das „Leistungsgesetz", das den Zwangsdienst der Bevölkerung der Bundesrepublik im Kriegsfall regelte, so modifiziert, daß es noch vor dem sogenannten Verteidigungsfall in Kraft gesetzt werden konnte. In Bonn bemühte man sich also offensichtlich auch um die innenpolitische Absicherung der vorgesehenen Aktionen. Am 21. Juni 1961 verkündete US-General Norstad, der oberste NATO-Befehlshaber in Europa, die Einsatzbereitschaft der „NATOFeuerwehr", einer atomar ausgerüsteten Sonderformation. Bundeswehrgeneral Heusinger erklärte am 28. Juni nach einer Truppeninspektion der Bundeswehreinheiten an der Staatsgrenze zur D D R die Kampfbereitschaft dieser Einheiten. 1 2 Am 1. August erging an alle Angehörigen der NATO-Verbände in Europa der Befehl zur Alarmbereitschaft. Der Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte Europa-Mitte, Bundeswehrgeneral Speidel, inspizierte am 10. August die NATO-Verbände entlang der DDR-Staatsgrenze und erklärte ihre volle Einsatzbereitschaft. Der Imperialismus der BRD hatte mit Unterstützung einflußreicher Kreise der NATO den kalten Krieg gegen die Deutsche Demokratische Republik in dieser Zeit bis zur unmittelbaren Vorbereitung eines militärischen Überfalls vorangetrieben. In Mitteleuropa war eine höchst gefährliche Situation entstanden, die das Risiko militärischer Zusammenstöße in sich barg. Die Maßnahmen der soziatärischen Anlagen und Nachschubeinrichtungen sowie von kriegswichtigen Werken und Betrieben; - Stören des öffentlichen Lebens, vor allem durch Beschädigen der Anlagen für die Versorgung mit Wasser, Gas und Strom sowie durch Unterbrechen der Kanalisation; - Terrormafjnahmen gegen die loyale Bevölkerung wie Geiselmafjnahmen und Ausschaltung von Führungskräften." (Golz, Herbert: Kleinkrieg und Heimatverteidigung. In: Wehrkunde, H. 11, Nov. 1961, S. 580.) 12 Vgl.: Bundeswehr - Armee für den Krieg. S. 304. 209

listischen Staaten vom 13. August kamen in dieser Situation rechtzeitig und richtig. Sie entschärften wirksam die außerordentlich zugespitzten Spannungen, indem sie den aggressionsbereiten Kreisen die Grenzen ihrer Macht und die Risiken eines militärischen Vorgehens demonstrierten, und retteten damit den Frieden in Europa. Sie unterstrichen zugleich die Aussichtslosigkeit der militärischen Variante der „Politik der Stärke".

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Schlußbemerkung

Die Maßnahmen der Staaten des Warschauer Vertrages vom 13. August 1961, mit denen die unmittelbare Vorbereitung einer militärischsubversiven Aktion des Imperialismus gestoppt wurde, setzten eine deutliche Zäsur in der europäischen Geschichte der Nachkriegszeit. Die .Politik der Stärke" - angelegt in den Konzeptionen des „Containment" und der „liberation" - hatte eine Niederlage von strategischem Ausmaß erlitten. Die Bestrebungen der aggressiven imperialistischen Kräfte, den Sozialismus in Europa „zurückzurollen" und die Sowjetunion aus den europäischen Angelegenheiten hinauszudrängen, waren gescheitert. Der Imperialismus der BRD, der im Zeichen der „Befreiung der Sowjetzone" am längsten auf die „Politik der Stärke" eingeschworen war, hatte das der „Wiedervereinigungspolitik" gestellte Hauptziel, den Anschluß der DDR an die BRD zu vollziehen, nicht erreichen können. Weder mit einem verschärften Wirtschaftskrieg und der diplomatischen Blockade noch mit dem Untergrundkrieg, der ideologischen Diversion und der Vorbereitung einer militärischen Intervention konnte die Deutsche Demokratische Republik „sturmreif" für die Einverleibung und die kapitalistische Restauration gemacht werden. Die Maßnahmen der sozialistischen Staaten des 13. August 1961 bedeuteten nicht das Ende des kalten Krieges, ihre Ergebnisse führten jedoch in der Folgezeit zu einer spürbaren Entschärfung der Spannungen im europäischen Raum. Durch die Errichtung einer festen Grenzordnung zu Westberlin sank der Wert dieses Gebietes als Hauptoperationsbasis und „Frontstadt" des kalten Krieges für den Imperialismus beträchtlich. Damit trat vor allem für die DDR eine Erleichterung in der angespannten Situation ein, die eine Stabilisierung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung zur Folge hatte. Die Schäden, die der Imperialismus der DDR während des kalten 15

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Krieges in der Zeit des Bestehens einer faktisch offenen Grenze zu Westberlin zugefügt hatte, waren beträchtlich. Sie überstiegen die 100-Milliarden-Grenze. Der Wirtschaftskrieg hatte ernste Störungen in der Industrieproduktion hervorgerufen. Hemmende Faktoren in der Entwicklung der DDR stellten die von Westberlin ausgehenden finanziellen Manipulationen mit Hilfe des Schwindelkurses und die Warenschiebungen dar. Eine besonders schwerwiegende Rolle spielte dabei die organisierte Abwerbung von Fachkadern, für deren Ausbildung in der DDR hohe Kosten erbracht worden waren. Überhaupt nicht zu beziffern waren die politisch-moralischen Schäden, welche der Gesellschaft der DDR durch die offene Grenze zu Westberlin zugefügt worden waren. Viele Bürger vor allem in den Randgebieten, darunter zahlreiche Jugendliche, standen unter dem Einfluß der von Westberlin ausgehenden antisozialistischen Ideologie, waren zu ständigen Besuchern Westberlins geworden und hatten sich zu Spekulationen und Schiebergeschäften gegen ihren Staat mißbrauchen lassen. Das betraf besonders die sogenannten Grenzgänger, d. h. solche Bürger, welche in der DDR bzw. deren Hauptstadt wohnten und in Westberlin arbeiteten. Hier gab es noch lange Zeit deutliche korrumpierende Einflüsse. Alle diese Faktoren hatten bewirkt, daß die ständige Verbesserung der Lebenslage der werktätigen Bevölkerung der DDR spürbar gehemmt worden war. Die Tatsache, daß in der DDR 1961 trotzdem eine Steigerung des Nationaleinkommens im Vergleich zu 1960 bzw. eine deutliche Erhöhung im Vergleich zu 1950 nachgewiesen werden konnte, zeugte von der Überlegenheit des Sozialismus auf deutschem Boden und seiner großen Schöpferkraft. Der 13. August 1961 hatte auch den aggressiven Kräften in der BRD nachhaltig die Grenzen ihrer Macht demonstriert. Freilich waren die dortigen herrschenden politischen Kreise - vor allem die CDU/CSU - zu stark auf die Doktrinen des kalten Krieges orientiert und allzulange auf die bekannten politischen Maximen eingeschworen, als daß die vor sich gehenden Veränderungen in ihren unausbleiblichen Konsequenzen und ihrer ganzen Tragweite umgehend erkannt worden wären. Der Prozeß des Sichtens der Konkursmasse der „Politik der Stärke" und der Politik der „Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit", des Umdenkens als Ergebnis einer Einsicht in die veränderten Bedingungen sowie des schließlichen Übergangs zu neuen antisozialistischen Konzeptionen verlief langwierig und voller Widersprüche, wenngleich erste Reaktionen 212

noch in der Regierungsperiode des letzten von Konrad Adenauer gebildeten Kabinetts sichtbar wurden. Unter dem Eindruck der Maßnahmen des 13. August 1961 kam es in der Bundesrepublik zu Diskussionen und Auseinandersetzungen über die Ostpolitik. Auch in den Unionsparteien begannen sich Kräfte zu artikulieren, welche die Auffassung vertraten, daß »ein totaler Sieg des Westens über die Sowjetunion, der sie zur Herausgabe der Zone zwingen würde", nicht mehr angestrebt werden könne. 1 Die Ostpolitik sollte nunmehr flexibler gestaltet durch selektives Vorgehen und eine bestimmte Annäherung an einzelne sozialistische Staaten ein Keil in das sozialistische Lager in Europa getrieben und vor allem eine Isolierung der anderen sozialistischen Staaten von der UdSSR bewerkstelligt werden. Erste Schritte in dieser Richtung ging BRD-Außenminister Gerhard Schröder 1963/64 durch den Austausch von Handelsvertretungen der Bundesrepublik mit der Volksrepublik Polen, der Sozialistischen Republik Rumänien, der Ungarischen Volksrepublik und der Volksrepublik Bulgarien. Schnellere Fortschritte als in der CDU/CSU machten die Überlegungen für eine Veränderung der ostpolitischen Konzeption der BRD in der FDP, wo sich schon 1961 der liberale Flügel der Partei um Thomas Dehler für eine grundsätzliche Veränderung der Beziehungen der Bundesrepublik zur UdSSR und den anderen sozialistischen Staaten ausgesprochen hatte. Auch in der SPD waren seit geraumer Zeit Diskussionen zur Ostpolitik im Gange. Diese Überlegungen standen mit neuen Konzeptionen der amerikanischen Globalstrategie in Einklang, die unter den Losungen einer „Politik der Zusammenarbeit und des Konflikts" und eines „Brückenschlags nach Osteuropa" sowie der militärstrategischen Variante der „flexiblen Reaktion" („flexible response") auf Seiten der NATO Gestalt annahmen. Am 15. Juli 1963 entwickelte Egon Bahr - seit 1959 Leiter des Presse- und Informationsamtes des Senats von Westberlin - vor den Hörern der Evangelischen Akademie in Tutzing die ostpolitische Konzeption führender Kreise der SPD. Bahr erklärte dazu: „Die Änderung des Ost-West-Verhältnisses, die die USA versuchen wollen, dient der Überwindung des Status quo, indem der Status quo zunächst nicht verändert werden soll." 2 Daraus zog er die Folgerung,

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Majonica, Ernst: Deutsche Au5enpolitik. Stuttgart 1965, S. 193. Archiv der Gegenwart, 15. 7.1963, S. 10700 f.

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„daß die Politik des Alles oder Nichts ausscheidet". Da, wie Bahr meinte, „jede Politik zum direkten Sturz des Regimes drüben aussichtslos" sei, bedeute das, „daß Änderungen und Veränderungen nur ausgehend von dem zur Zeit dort herrschenden verhaßten Regime erreichbar sind", also ein „Wandel durch Annäherung" erfolgen müsse. 3 Der SPD-Sprecher meinte, daß das Abgehen von dem bisherigen, auf den direkten Sturz der Arbeiter-und-Bauern-Macht in der DDR gerichteten politischen Konzept „rasend unbequem", aber im Interesse der Logik notwendig sei, und stellte damit nochmals klar, daß die Grundsätze der gegen die DDR gerichteten Politik nicht angetastet werden sollten. 4 Die von Egon Bahr vorgetragene ostpolitische Konzeption ging auf Überlegungen Willy Brandts zurück, die schon 1960/61 in Umrissen sichtbar geworden waren. Auch nach Brandts Meinung sollte es nicht darum gehen, „die Prinzipien zu verändern, sondern die Methoden" 5 . Die Beziehungen der BRD zu den sozialistischen Staaten sollten verbessert werden, doch mußte das selektiv geschehen, wobei die DDR ausdrücklich auszuklammern war. 6 Unter der Regierung von Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, die im Dezember 1966 durch den Eintritt einiger Minister aus der SPD als „Regierung der großen Koalition" in Erscheinung trat, wurde versucht, Teile dieser ostpolitischen Konzeption zu realisieren und das selektive Vorgehen zu praktizieren, welches die Isolierung der DDR innerhalb der sozialistischen Staatengemeinschaft zur Folge haben sollte. Zugleich wurden von der Bundesregierung die Grundsätze der „Deutschlandpolitik" nachdrücklich herausgestellt, die von der Alleinvertretungsanmaßung der Bundesrepublik Deutschland und der daraus gefolgerten staatlichen Nichtexistenz der DDR ausgingen. Angesichts der Tatsache jedoch, daß nicht nur im Ausland, sondern auch in der BRD die Kräfte zusehends von sich reden machten, die für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der BRD und der DDR eintraten, sprach man sich in Bonn für verschiedene Kontakte mit der DDR aus, die jedoch „unterhalb der Anerkennungs3

Ebenda. Jacobsen, Hans-Adolf: Mißtrauische Nachbarn. Die Ostpolitik 1919 bis 1970. Dokumentation und Analyse. Düsseldorf 1970, S. 353. 5 Brandt, Willy: Begegnungen und Einsichten. Die Jahre 1960-1975. Hamburg 1976, S. 51. 8 Vgl.: Brandt, Willy: Der Wille zum Frieden. Perspektiven der Politik. Hamburg 1973, S. 55 f. 4

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schwelle" liegen sollten. Auf der Basis solcher Kontakte sollte eine innere „Aufweichung" der DDR herbeigeführt werden. Der CDUAbgeordnete Kurt Birrenbach meinte dazu: „Ist die Zone einmal anerkannt, ist eine Einwirkung der Bundesrepublik auf die internen Verhältnisse der Zone nicht mehr möglich. Ihr steht dann das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates entgegen." 7 Am 31. Januar 1967 wurden zwischen der BRD und der Sozialistischen Republik Rumänien diplomatische Beziehungen hergestellt. Angesichts der einheitlichen Außenpolitik der sozialistischen Staaten in Europa vermochte es aber die von der „Regierung der großen Koalition" praktizierte „Neue Ostpolitik" nicht, nennenswerte Erfolge zu erzielen. Im August 1968 wies die sozialistische Staatengemeinschaft mit einer erfolgreichen militärischen Aktion zum Schutz der sozialistischen Errungenschaften in der CSSR jene Kräfte in ihre Grenzen, die darauf spekuliert hatten, durch das Herausbrechen dieses sozialistischen Landes aus der Staatengemeinschaft und durch eine Isolierung der DDR das selektive Vorgehen zum Erfolg zu führen. Damit erlitt die von der Regierung KiesingerBrandt verfochtene Konzeption der „Neuen Ostpolitik" eine Niederlage. Das gegenüber der DDR angewandte Isolierungsprinzip war nicht zum Tragen gekommen, sondern hatte die BRD selbst tiefer in die außenpolitische Isolierung hineingeführt. 1969 wurde erstmals in der Geschichte der BRD eine Regierung gebildet, in der die CDU/CSU nicht mehr vertreten war. Als Kanzler einer SPD/FDP-Regierung nahm Willy Brandt in seiner Regierungserklärung offiziell die staatliche Existenz der DDR zur Kenntnis. Durch die Verträge der BRD mit der UdSSR und der Volksrepublik Polen im Jahre 1970, in denen die Bundesregierung in Bonn mit mehr als zwanzigjähriger Verspätung die europäischen Nachkriegsgrenzen anerkannte, sowie durch das Viermächteabkommen über Westberlin vom September 1971 konnte in Europa dank den beharrlichen und konstruktiven Bemühungen der sozialistischen Staaten ein Prozeß der Entspannung und der Normalisierung in Gang gebracht werden. Um aus der Sackgasse der 1949 begonnenen und seit langem zu völliger Sterilität verurteilten Ostpolitik wirklich herauszukommen und die Tendenzen wachsender Isolierung abwenden zu können, mußte sich die Regierung der BRD auf 7

Huropa-Archiv, Bonn 1967, Nr. 8, S. 267.

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die Realitäten einstellen. Am 9. November 1972 wurde der Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen. Im Artikel 3 dieses Vertrages bekannte sich die BRD gegenüber der DDR endlich zur Unverletzlichkeit der bestehenden Grenze und verpflichtete sich zur uneingeschränkten Achtung der territorialen Integrität der DDR. 8 Im Artikel 6 einigten sich beide Vertragspartner darauf, von dem Prinzip auszugehen, „daß die Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten sich auf sein Staatsgebiet beschränkt. Sie respektieren die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten" 9 . Die im internationalen Kräfteverhältnis zugunsten der Kräfte des Sozialismus und des Friedens vor sich gegangenen Veränderungen hatten zur Niederlage der Politik der internationalen Isolierung der DDR geführt. Das „Alleinvertretungsrecht", das länger als zwei Jahrzehnte den Inhalt der Bonner „Deutschlandpolitik" bestimmt hatte, mußte offiziell aufgegeben werden. Der Inhalt des Grundlagenvertrages entsprach den langjährigen und geduldigen Bemühungen der DDR, zur BRD normale Beziehungen herzustellen. Ausgehend von diesem Vertrag, konnten weitere Abkommen über Fragen des Verkehrs, des Post- und Fernmeldewesens, der Grenzmarkierung, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, des Gesundheitswesens, des nichtkommerziellen Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs abgeschlossen bzw. Verhandlungen zu anderen Problemen in Angriff genommen werden. Sehr bald zeigte jedoch die BRD-Seite, daß sie an einer grundsätzlichen Umorientierung ihres Verhältnisses zur DDR in keiner Weise interessiert war und an wesentlichen Elementen der „Deutschlandpolitik" festzuhalten gedachte. Die Anerkennung der europäischen Nachkriegsgrenzen in den Verträgen mit der UdSSR, der Volksrepublik Polen, der DDR und der CSSR hinderte Bundesregierung und Bundestag nicht daran, an sämtlichen revanchistischen Bestimmungen des Grundgesetzes einschließlich der bekannten Präambel, in welcher das „Alleinvertretungsrecht" fixiert wurde, festzuhalten. Das gleiche traf für die Nachfolgegesetze, z. B. für das „Bundesvertriebenengesetz" mit seinem Sonderstatus für „Sowjetzonenflüchtlinge", 8 9

Vgl.: Neues Deutschland, Berlin (A), 9. 11. 1972. Ebenda.

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zu. Im August 1973 fällte der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts der BRD auf einen Einspruch der bayrischen Landesregierung hin ein Urteil zum Grundlagenvertrag mit der DDR. In diesem Urteil wurden folgende Rechtsbehauptungen aufgestellt: 1. dafj noch ein Völkerrechtssubjekt „Deutsches Reich" bestehe und die Bundesrepublik Deutschland mit dem Staat „Deutsches Reich" identisch sei; 2. dafj die Grenze zur DDR nicht als eine Grenze zwischen souveränen Staaten angesehen werden könne, sondern als eine Grenze, wie sie zwischen den Ländern der BRD verlaufe; 3. dafj die Bürger der DDR der in der Bundesrepublik geltenden Gesetzgebung in der Frage der Staatsangehörigkeit unterstehen. 10 Mit dem Freispruch des Doppelmörders Weinhold, der am 19. Dezember 1975 zwei DDR-Grenzsoldaten durch gezielte Schüsse ermordet hatte und dessen Auslieferung verweigert worden war, demonstrierte die Schwurgerichtskammer des Essener Landgerichtes am 2. Dezember 1976 das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in der juristischen Praxis der Bundesrepublik. In ähnlicher Weise konnte der Verteidiger Dr. Stolting vor dem Schwurgericht in Gießen am 13. Oktober 1975 den als Nebenkläger in einem Prozeß gegen ehemalige Gestapo-Beamte anwesenden Prof. Dr. Kaul aus der DDR als „Vertreter eines verbrecherischen Systems, nämlich . . . der sowjetischen Besatzungszone . . ." beschimpfen, ohne daß er für seine Ausfälle zur Rechenschaft gezogen wurde. Im November 1976 wurde in der BRD im Rahmen einer offiziellen Feierstunde der 15. Jahrestag der „Zentralen Erfassungsstelle" in Salzgitter begangen, die seit ihrem Bestehen ausschließlich Ermittlungsverfahren gegen Bürger der DDR führt, die als Beschäftigte in Institutionen und Verwaltungen der DDR auf der Grundlage von in der DDR geltenden Gesetzen arbeiten. Auch die Ständige Vertretung der BRD in der DDR unternahm Versuche, eine Nichtachtung der Staatsbürgerschaft der DDR zu praktizieren, indem sie sich der „Beratung" von Bürgern der DDR annahm und sich damit offen in die inneren Angelegenheiten der DDR einmischte. Zur gleichen Zeit wurde die Ständige Vertretung der DDR in der BRD auf Grund massiver Anti-DDR-Hetze ein Objekt tätlicher Angriffe. 1976 und in der ersten Januarhälfte 1977 wurden 988 Fälle registriert, in denen gegen die Vertretung und ihre Mitarbeiter gehetzt, provoziert und gedroht wurde. Darunter waren 21 Bombendrohun10

Vgl.: Ebenda, 3.1.1974, S. 3, sowie Cramer, Dettmar: Deutschland nach dem Grundvertrag. Stuttgart 1973, S. 145 f.

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gen, 18 Morddrohungen und 6 Androhungen von Geiselnahme. Wie der Vorfall vom 15. Juni 1976 zeigte, sind auch die trotz inzwischen erfolgter eindeutiger Grenzmarkierung erfolgenden provokatorischen Verletzungen der Staatsgrenze der DDR durch Angehörige des Bundesgrenzschutzes der BRD ein Bestandteil offizieller Nichteinhaltung geschlossener Verträge durch die BRD-Seite. 11 Von den Justizbehörden der Bundesrepublik wurde nichts unternommen, um den verbrecherischen Menschenhandel mit Bürgern der DDR zu unterbinden. Im Gegenteil: Wie in der Verhandlung des Strafsenats 1 a des Stadtgerichtes von Grofj-Berlin gegen die Bande des berufsmäßigen Menschenhändlers Rainer Schubert aus Westberlin am 22. Januar 1976 bekannt wurde, erhielten diese Kriminellen Hilfe vom Landesamt für Verfassungsschutz in Westberlin, vom Bundesnachrichtendienst und vom Generalkonsulat der BRD in Zürich. 12 Diese Vorfälle zeigen augenscheinlich, daß in der BRD einflußreiche politische Kräfte am Werk sind, die nicht gewillt sind, die im Grundlagenvertrag getroffenen völkerrechtlichen Vereinbarungen mit der DDR in der Praxis einzuhalten. Vielmehr wird versucht, diese Abmachungen auszuhöhlen, die DDR einem innerstaatlichen Recht zu unterwerfen und sie damit faktisch als ein Bundesland zu behandeln. Auch der in diesem Buch geschilderte Apparat der einstigen „Wiedervereinigungspolitik" verdient in diesem Zusammenhang Interesse. Als einstiger Apparat des kalten Krieges gegen die DDR wurde er neu strukturiert und regeneriert. Gleichzeitig erfolgte bei dem neugeschaffenen „Gesamtdeutschen Institut" eine deutliche Konzentration der Einrichtungen der Anti-DDR-Politik. Dieser Politik entspricht auch die Tätigkeit der Mehrheit der Massenmedien in der BRD, beispielsweise des Senders „Deutschlandfunk" oder des „Deutschen Fernsehens". Eine besonders üble Hetze gegen die DDR betreiben die Zeitungen und Zeitschriften des Springer-Konzerns, die selbst ihr Vokabular aus der Zeit des kalten Krieges beibehalten haben. Ein weiteres charakteristisches Merkmal dieser Politik ist das Weiterbestehen der Verbände des organisierten Revanchismus, darunter der „Landsmannschaften", die den Anspruch erheben, die Bevölkerung der DDR zu vertreten. Diese Erscheinungen gehen Hand in Hand mit den Bestrebungen, die militärische Rüstung der Bundeswehr zügig voranzutreiben. 11 12

Vgl.: Neues Deutschland, Berlin (A), 16. 6.1976. Vgl.: Ebenda, 22. 1. 1976.

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Deutliche Impulse für die Anti-DDR-Politik in der Richtung ihrer Zuspitzung bis zur Wiederbelebung von Konfliktsituationen und zur Politik des kalten Krieges gehen von der CDU/CSU, den Revanchistenverbänden und anderen Kräften aus. Sie sind jedoch auch in der Politik der SPD/FDP-Regierung gegenüber der DDR nicht zu übersehen, deren Vertreter ständig die Behauptung im Munde führen, daß eine „einheitliche deutsche Nation" weiterbestehe und „die deutsche Frage nicht gelöst" sei, da es in der DDR noch immer der „Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts" bedürfe. Aus solchen Behauptungen wird die Existenz „innerdeutscher" oder „besonderer" Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten abgeleitet und die Schlußfolgerung gezogen, die „deutsche Frage offenzuhalten", bis der „Verfassungsauftrag" realisiert worden, d. h. die DDR der Bundesrepublik angeschlossen sei. 13 Diese Haltung, die mit zahlreichen weiteren Beispielen dokumentiert werden könnte, läßt darauf schließen, daß in Bonn im Grunde an der Substanz der Alleinvertretungsanmaßung mit allen politischen, staatsrechtlichen und sonstigen Konsequenzen festgehalten wird, wobei noch immer Mittel und Methoden der Politik des kalten Krieges genutzt werden. Die herrschenden Kreise in der Bundesrepublik haben die strategischen Grundpositionen der „Deutschlandpolitik" nicht aufgegeben, sondern lediglich versucht, sie unter den Bedingungen des neuen Kräfteverhältnisses, die in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre entstanden waren, zu modifizieren. Diese Modifizierungen sind, wie die jüngste Entwicklung der „Deutschlandpolitik" zeigt, in der Hauptrichtung offensichtlich auf die zu Beginn der sechziger Jahre von führenden Kräften der SPD ausgearbeitete politische Konzeption gegenüber dem Sozialismus reduzierbar. Zugleich mehren Eine gewisse Zusammenfassung des „deutschlandpolitischen" Standpunktes der SPD/FDP-Regierung wurde 1973 von Wolfgang Wagner in der Zeitschrift „Europa-Archiv" vorgenommen. Wagner berief sich dabei ausdrücklich auf den Standpunkt von Bundesaufjenminister Walter Scheel (heute Bundespräsident der BRD), der erklärt habe, „daß sich durch den Abschluß des Grundvertrages in Bezug auf die Optionen, die in der deutschen Frage offenstehen, nichts Wesentliches oder gar nichts geändert habe", und wertete in diesem Sinne den Grundlagenvertrag als einen „innerdeutsche(n) Ausgleich" ab. (Wagner, Wolfgang: Ein modus vivendi in Deutschland. Der Grundvertrag der beiden deutschen Staaten und seine Bedeutung für Europa. In: Europa-Archiv, Bonn 1973, Nr. 1, S. 1 f.) 13

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sich in der Bundesrepublik die Anzeichen dafür, dafj die an der Herrschaft befindlichen realistischen Kräfte, die sich vom Eingehen auf die Politik der internationalen Entspannung Fortschritte hinsichtlich einer langfristig konzipierten Aufweichung und Unterwanderung des Sozialismus in der DDR versprochen haben, einem ansteigenden Druck der revanchistischen Kräfte ausgesetzt sind. Die DDR geht entsprechend der auf dem IX. Parteitag der SED festgelegten außenpolitischen Grundlinie davon aus, die Beziehungen zur BRD ebenso wie zu den anderen kapitalistischen Staaten auf der Grundlage der friedlichen Koexistenz und der allgemein anerkannten Normen des Völkerrechts zu entwickeln. Dabei stützt sie sich auf die Tatsache, dafj eine „deutsche Frage" nicht mehr existiert und Versuche, hier etwas „offenzuhalten", nur als Versuche der Einmischung in innere Angelegenheiten der DDR im Sinne der einstigen „Wiedervereinigungskonzeption" gedeutet werden können. Sie wird deshalb mit aller Schärfe den Versuchen entgegentreten müssen, „solche Grundprinzipien des friedlichen Zusammenlebens wie die Unverletzlichkeit der Grenzen, die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität sowie die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten im Verhältnis zur DDR zu untergraben und ihres Inhalts zu berauben". „Es versteht sich von selbst", erklärte Erich Honecker in diesem Zusammenhang, „daß nur bei Respektierung der weltweit anerkannten internationalen Position der DDR als unabhängiger souveräner deutscher Staat seitens der BRD die Möglichkeiten zu gutnachbarlichen Beziehungen zur BRD entsprechend den Prinzipien der friedlichen Koexistenz zum Tragen kommen können."1,5 Bericht des ZK der SED an den IX. Parteitag der SED. Berlin 1976, S. 18. 14

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Chronik

1944/45

1945

6. und 9. August

1946

Februar

2. Dezember

Verbände des vereinigten britisch-amerikanischen Bomberkommandos fliegen schwere Bombenangriffe gegen Großstädte und andere dichtbesiedelte Zentren auf dem Gebiet östlich der Elbe. Die verheerenden Zerstörungen, die militärisch sinnlos sind und die große Opfer an Menschen, Sachwerten und unersetzlichen Kulturgütern fordern, verfolgen die Absicht, der UdSSR ihre künftige Besatzungszone in Deutschland als eine Trümmerwüste zu überlassen. Obwohl der zweite Weltkrieg bereits zugunsten der Alliierten entschieden ist, werfen die USA Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki ab und geben damit ein Signal für den künftigen Übergang zu einer „Politik der Stärke" im Zeichen der Drohung mit der Nuklearwaffe. Der „Rundfunk im amerikanischen Sektor" Berlins („RIAS") nimmt seine Sendetätigkeit auf. Der Sender untersteht der Regierung der USA. Er entwickelt sich als Instrument des kalten Krieges zu einem Zentrum der ideologischen Diversion und der Subversion gegen die sowjetische Besatzungszone und die spätere Deutsche Demokratische Republik. Die amerikanische und die britische Besatzungszone Deutschlands verschmelzen zur Bizone auf Grund eines Abkommens der USA

221

und Großbritanniens. Das Resultat Spaltung der deutschen Wirtschaft.

1947

12. März

2. Halbjahr

1948

20./25. Februar

1. März

222

ist die

USA-Präsident H. S. Truman verkündet in einer Botschaft an den Kongreß ein Programm der aggressiven imperialistischen Expansion der USA (Truman-Doktrin) zur Stützung reaktionärer Regime und konterrevolutionärer Kräfte. Die Doktrin leitet die Politik des kalten Krieges gegen den Sozialismus ein. In der sowjetischen Besatzungszone nimmt die Störtätigkeit gegen den antifaschistisch-demokratischen Aufbau zu. In der Maxhütte Unterwellenborn wird Thomasmehl in großen Mengen verschoben. In anderen Betrieben werden Elektromotoren zerstört, Transportbänder zerschnitten, Getriebe beschädigt und Produktionsunterlagen gestohlen. Gründung der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V." durch Mitarbeiter des „RIAS" im Auftrage des USA-Geheimdienstes CIA. Die „KGU", die später eng mit dem „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" zusammenarbeitet, sucht in der sowjetischen Besatzungszone den konterrevolutionären Terror zu organisieren und macht sich schwerster Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen die öffentliche Sicherheit in der DDR schuldig. In der CSR suchen reaktionäre Kräfte durch die Auslösung einer Regierungskrise die volksdemokratische Ordnung zu stürzen. Im Ergebnis der Ereignisse geht die Macht vollständig an die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten über. Die amerikanische und die britische Besatzungsmacht befehlen die Einstellung des Interzonenhandels. Zu diesen Maßnahmen des Wirtschaftskrieges gegen die sowjetische Besatzungszone gehören die Negierung des vom Alliierten Kontrollrat beschlossenen einheitlichen Preisniveaus sowie die Verhängung einer Bahntransport- und Transitsperre.

Der „KGU"-Diversant Geiler aus Lübz sprengt mit Druckminen aus Beständen der faschistischen Wehrmacht Gleisanlagen der Deutschen Reichsbahn. Es kommt zu Personen- und Sachschäden. In Brüssel wird der erste Militärpakt westeuropäischer Länder abgeschlossen, der sich gegen die UdSSR und die volksdemokratischen Staaten richtet. Aus dieser „Westunion" geht der spätere Nordatlantikpakt (NATO) hervor. Die Militärgouverneure der drei Westmächte verkünden mit dem Erlaß des Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens und des Emissionsgesetzes für die Westzonen eine separate Währungsreform. In den westlichen Besatzungszonen wird die Reichsmark außer Kraft gesetzt. Das Gesetz, das am 20. Juni in Kraft tritt, leitet die wirtschaftliche Zerreibung Deutschlands ein. Für die sowjetische Besatzungszone bedeutet es eine weitere Verschärfung der bestehenden wirtschaftlichen Disproportionen. Die separate Währungsreform wird in den Westsektoren Berlins eingeführt. Im Ergebnis der Währungsspaltung kommt der Interzonenhandel zum Erliegen. Die Westmächte drängen in einem Befehl auf die völlige wirtschaftliche Blockade der sowjetischen Besatzungszone. Den Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder werden durch die westlichen Militärgouverneure Direktiven zur Bildung eines separaten deutschen Weststaates übergeben (Frankfurter Dokumente). Das Diktat findet die Billigung und aktive Unterstützung der westdeutschen Regierungschefs. Die französische Besatzungszone schließt sich mit dem Gebiet der Bizone zur Trizone zusammen. Die drei Westzonen erhalten damit einen besonderen Status als separates Gebiet gegenüber der sowjetischen Besatzungszone. Das „Grundgesetz" der künftigen „Bundesrepublik Deutschland" wird durch den Parla-

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mentarischen Rat verabschiedet. Im Grundgesetz werden territoriale Ansprüche auf nicht zur Bundesrepublik gehörige Gebiete des ehemaligen Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 politisch und staatsrechtlich fixiert. Das Grundgesetz erklärt die sowjetische Besatzungszone zum Anschluß-Gebiet für die BRD und erhebt den Anspruch auf Gültigkeit „für alle Deutschen". Jakob Kaiser, einer der früheren Vorsitzenden der CDU in der sowjetischen Besatzungszone, formuliert als künftiger „Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen" in einer Sendung des „Nordwestdeutschen Rundfunks" die Aufgabe seines Ministeriums dahingehend, da§ dieses Amt für die Einverleibung der „Ostzone" in die Bundesrepublik Sorge tragen müsse. Vor der Presse verkündet Jakob Kaiser ein politisches Reglement für den Handel mit der sowjetischen Besatzungszone, deren Dienststellen „nicht als legale Behörden anerkannt" werden dürften. Willy Brandt, ein enger Vertrauter des Westberliner Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter und späterer Bundestagsabgeordneter, erklärt, daij die sowjetische Besatzungszone „dauernder Zersetzung seitens der Bundesrepublik ausgesetzt sein" werde. Gründung des „Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen, e. V." („UfJ") in Westberlin. Der „UfJ", der vom Geheimdienst der USA angeleitet wird, ist eine vorwiegend gegen die DDR gerichtete Spionage- und Sabotageorganisation. Er wird vor allem auf dem Gebiet der Wirtschaftssabotage und -Spionage aktiv und arbeitet mit dem „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" zusammen. Der Bundesrat und der Bundestag in Bonn konstituieren sich. In ihrer ersten Regierungserklärung fordert die Bundesregierung die Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 und kündigt eine Denkschrift gegen die Oder-Nei§e-Grenze an.

9. September

7. Oktober

21. Oktober

21. November

Spätherbst

Vor der Ruine des Reichstages in Westberlin findet eine Hetzkundgebung statt. Aufgeputscht durch Reden sozialdemokratischer Führer, dringen randalierende Jugendliche in den Demokratischen Sektor von Berlin ein, zerfetzen Plakate, reißen die rote Fahne vom Brandenburger Tor und werden tätlich gegen Antifaschisten und Volkspolizisten. Die Deutsche Demokratische Republik wird gegründet. Mit ihr entsteht erstmals in der deutschen Geschichte ein Staat, in dem die Werktätigen auf der Grundlage einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung die Macht ausüben. Durch diese Staatsgründung wird den westlichen Plänen, die frühere sowjetische Besatzungszone der BRD anzuschließen, der Boden entzogen. Bundeskanzler Konrad Adenauer gibt eine Regierungserklärung ab, in welcher er der DDR die staatliche Existenz abspricht und ihre Gründung als „ungesetzlichen Akt" hinstellt. Adenauer erklärt alle Verlautbarungen und Handlungen der DDR für nicht verbindlich. Er bezeichnet die BRD als „die alleinige legitimierte staatliche Organisation des deutschen Volkes" und formuliert damit die Alleinvertretungsanmaßung, die zum Kernstück der Bonner Anti-DDR-Politik wird. Wie die Zentrale Kommission für staatliche Kontrolle der DDR nachweist, haben 8 Konzernagenten in Sachsen-Anhalt Werte von 100 Millionen DM in die Westzonen verschoben und die Überführung der „Deutschen Continental Gas-AG" in Volkseigentum verhindert. In Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg werden illegale Trupps ausgehoben. Zu den Verhafteten gehören Agenten des SolvayKonzerns und der IG-Farben. In Mecklenburg haben leitende Angestellte landwirtschaftlicher Genossenschaften Werte in Höhe von 30 Millionen DM in die Westzonen verschoben.

225

1950

2. Februar

Der Ministerrat der DDR beschließt Maßnahmen zur Unterbindung der Agententätigkeit. Anlaß dazu sind Diversionsakte in den Sprengstoffwerken Gnaschwitz und Schönebeck, die Sabotage der Schwefelsäureproduktion in der DDR durch Beauftragte der IG-Farben, die Drosselung der Produktion im VEB Lokomotivbau „Karl Marx" Babelsberg durch Materialsabotage, die Sabotage des Talsperrenbaus bei Cranzahl durch gefälschte Konstruktionsunterlagen sowie Schiebungen und Brandstiftungen in VEB.

8. Februar

Die Bundesregierung verhängt durch eine Verfügung des Bundeswirtschaftsministeriums ein Embargo für Stahllieferungen in die DDR. In der DDR wird das Ministerium für Staatssicherheit gegründet, das künftig eine entscheidende Aufgabe beim Schutz der Arbeiterund-Bauern-Macht übernimmt. In der DDR sind bisher 5 500 Tonnen Buntmetalle sichergestellt worden, die im Rahmen einer großangelegten Aktion zur Schädigung der Rohstoffgrundlage der Volkswirtschaft entzogen werden sollten.

31. März

Anfang Juni

8. Juni

226

Der Amerikaner James Burnham fordert in seinem Programm der „Strategie des Kalten Krieges" zu „Untergrundmethoden" gegen den Sozialismus auf. Darunter versteht er die Zersetzung auf militärischem Gebiet, die konterrevolutionäre Propaganda, die Bildung von Untergrundorganisationen und den Mißbrauch der Umsiedler für einen militanten Antikommunismus. Burnhams Programm stimmt mit dem von der BRD gegen die DDR geführten kalten Krieg völlig überein. Die Regierung der BRD mischt sich in massiver Weise in die zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen über den Grenzverlauf zwischen beiden Staaten stattfindenden Verhandlungen ein, protestiert gegen die OderNeiße-Grenze und erklärt die von der DDR mit der Volksrepublik Polen getroffenen Abmachungen für nichtig.

25. Juni

22. August

18. September

24./25. September

30. September 14. Oktober

Herbst

16

Teller

Die Regierung der USA provoziert durch den Einfall südkoreanischer Truppen einen militärischen Konflikt, den sie am 27. Juni unter Mißbrauch der UNO zum offenen Aggressionskrieg ausweitet. In der BRD wird ein .Bundesgesetz über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet* erlassen. Es dient ebenso wie die später folgenden »Flüchtlings'-Gesetze der Abwerbung von Bürgern der DDR. Die New Yorker Konferenz der Augenminister der drei Westmächte fordert alle NATOLänder auf, keine diplomatischen Beziehungen zur DDR herzustellen, und macht sich damit erstmals offiziell zum Fürsprecher der Bonner Alleinvertretungsanma/jung. Ober die DDR wird von westlicher Seite eine diplomatische Blockade verhängt, um zu gegebener Zeit den Anschluß an die BRD herbeiführen zu können. In Westberlin wird die »Exil-CDU* gegründet. Diese Organisation, die sich vor allem aus antisozialistischen Elementen rekrutiert, welche die DDR verlassen haben, beschäftigt sich mit der Unterwanderung der CDU der DDR und bereitet Kader für den »Tag X* - den Tag der Einverleibimg der DDR in die Bundesrepublik - vor. Die Wühltätigkeit der »Exil-CDU* wird in enger Zusammenarbeit mit dem .Ostbüro* der CDU in Westberlin betrieben. In Westberlin wird ein .Gesetz über die Anerkennung politischer Flüchtlinge* erlassen. Am Vorabend der ersten Volkswahlen in der DDR zünden Schädlinge die Ställe von 13 Neubauernhöfen in der Gemeinde Borna bei Leipzig mit Hilfe ausgelegter Brandsätze an. Durch einen gefälschten Bahntransportbefehl der Deutschen Reichsbahn, den das »Östbüro* der SPD fabriziert hat, werden 5 Tiefkühlwaggons mit polnischer Butter, die für die Versorgung der Bevölkerung Leipzigs bestimmt sind, nach Rostock umgeleitet und dort auf ein Abstellgleis rangiert, wo die Butter verdirbt.

227

14./20. Dezember

15. Dezember

1951

9. März

11. Juli

Winter

7. November

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Gerichtsverhandlung gegen 10 ehemalige Konzerndirektoren und leitende Angestellte der Landesregierung Sachsen/Anhalt in der DDR wegen Sabotage, Verschiebung von Sachwerten und Betriebsunterlagen sowie vorsätzlicher Mißwirtschaft finden statt Die Angeklagten haben der DDR einen Schaden von weit über 100 Millionen DM zugefügt. Die DDR erläßt das Gesetz zum Schutze des Friedens. Das Gesetz stellt Kriegshetze sowie die Verbreitung von Völker- und Rassenhaß unter Strafe. Bundeskanzler Adenauer lehnt pauschal alle Verhandlungsvorschläge der DDR ab. Er reagiert damit negativ auf den Brief des Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl, vom 30. November 1950 sowie auf die Volkskammer-Initiative an den Bundestag vom 30. Januar 1951, in der die Einberufimg eines Gesamtdeutschen Rates vorgeschlagen worden ist. Der Bundestag der BRD verabschiedet gegen den schärfsten Einspruch der KPD-Fraktion das 1. Strafrechtsänderungsgesetz. Nach dem Gesetz kann jede Kritik an der Bundesregierung und ihren Organen als Hoch- oder Landesverrat bestraft werden. Auf seiner Grundlage sollen die Staatsschutzbestimmungen der BRD auch gegen Bürger der DDR Anwendung finden. Die Schädlingstätigkeit der Agentenorganisationen gegen die DDR bewirkt, daß Hunderte von Waggonladungen mit Kartoffeln auf Grund gefälschter Bahntransportbefehle der Deutschen Reichsbahn und durch andere Praktiken der Sabotage auf Abstellgleisen verfaulen. Auf Betriebsgelände der Deutschen Reichsbahn in Westberlin wird der Eisenbahner Ernst Kamieth vom Leiter eines Einsatzkommandos der Westberliner Polizei ermordet. Die 1946 aus einer vierköpfigen Bande des faschistischen „Werwolf" von der „KGU" über-

21. Dezember

nommene Untergrundorganisation Klupp/Lorenz in Seiffen/Erzgebirge wird unschädlich gemacht. Bei ihrer Festnahme verfügen die Banditen über ein Maschinengewehr, Handgranaten, 6 000 Schufj Munition sowie andere Waffen. Der Senat von Westberlin setzt das »Gesetz über die Notaufnahme von Deutschen in Berlin" in Kraft.

1952 26. Februar

10. März 24. März

Anfang Mai

23724. Mai

16*

„KGU"-Banditen zerstören im Fernmeldeamt HF Oberspree in Berlin eine 60-Tonnen-Hydraulikpresse durch das Eingießen von Säure. Die Regierung der UdSSR unterbreitet in einer Note an die drei Westmächte den Entwurf für die Grundlagen eines Friedensvertrages mit Deutschland. Der „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands* wird ins Leben gerufen. Der Beirat, der dem „Ministerium für gesamtdeutsche Fragen" angegliedert wird und dem Politiker, Vertreter des Monopolkapitals und des Großgrundbesitzes sowie der Revanchistenverbände und anderer Organisationen und Institutionen angehören, soll die Voraussetzungen für die Einverleibung der DDR in die BRD im einzelnen vorbereiten. Das Oberste Gericht der DDR verkündet die Urteile im Prozeß gegen die 15-köpfige konterrevolutionäre Bande der „Bluthunde", die Kriegs- und Boykotthetze betrieben und die Sprengung eines Hochofens im VEB Eisenhüttenkombinat Ost vorbereitet hat. Das Oberste Gericht der DDR verhandelt gegen den Führungsstab der „KGU", die Burianek-Bande. Die Anklage lautet auf Hetze, konterrevolutionären Terror, einschließlich der Vorbereitung von Überfällen, Spionage und Diversion. Burianek, der die Sprengung der Eisenbahnbrücke bei Erkner (Bezirk Frankfurt/Oder) vorbereitet hat und am Tatort gestellt wurde, erhält die Todesstrafe.

229

26./27. Mai

22. Juni

26./27. Juli

9. August

19. September

23. September

25./26. Oktober

230

Bundeskanzler Adenauer unterzeichnet in Bonn den Generalvertrag und in Paris den Vertrag über die »Europäische Verteidigungsgemeinschaft", in dem die Integration eines wiedervereinigten Deutschlands in das westeuropäische, antisowjetische Paktsystem festgelegt ist. Die »Landsmannschaft Schlesien* proklamiert auf ihrem dritten Bundestreffen in Hannover im Rahmen ihres Revancheprogramms »die Wiedereingliederung Mitteldeutschlands", d. h. den Anschlug der DDR an die BRD, und schlägt die Bildung einer ständigen Kommission vor, die sich mit den Details der Einverleibung beschäftigen soll. Vor dem Obersten Gericht der DDR findet ein Prozeß gegen 7 Agenten des .UfJ" statt. Den Agenten werden eine umfangreiche Wirtschafts- und Militärspionage, Boykotthetze und konterrevolutionäre ümsturzvorbereitung nachgewiesen. Das Oberste Gericht der DDR verhandelt gegen 4 Agenten der „KGU", die unter anderem die Zerstörung von Brücken, Schleusenanlagen und Wassertoren, Licht- und Fernsprechmasten sowie Transformatoren-Häusern und die Sprengung einer Ölleitung im einzelnen geplant hatten. Eine Delegation der Volkskammer der DDR weilt in Bonn. Auf den Druck der öffentlichkei hin sieht sich der Präsident des Bundestages genötigt, die Delegation zu empfangen. Die von der Delegation überbrachten Vorschläge werden jedoch nicht beantwortet. Das SPD-Organ »Neuer Vorwärts" erklärt, dafj das »Ostbüro" der Partei systematisch daraufhinarbeite, mit Hilfe der »illegalen Widerstandsarbeit' die staatliche und gesellschaftliche Ordnung in der DDR zu beseitigen. Die gesamtdeutsche Jahrestagung »Deutscher Kulturtag" in Bayreuth wird unmittelbar vor ihrer Eröffnung durch den bayrischen Innenminister Högner verboten. Eine Reihe promi-

November

30. Dezember

1953

3. Februar

9. März

19. März 19. Mai

Frühjahr

nenter Teilnehmer aus der DDR wird inhaftiert. Die »Bundeszentrale für Heimatdienst* wird gegründet. Diese Institution, die 1966 in »Bundeszentrale für politische Bildung" umbenannt wird, beschäftigt sich mit imperialistischer Infiltration im Sinne der Bonner .Deutschland"- und Ostpolitik. Die Bundeszentrale tritt als Steuermechanismus der Anti-DDR-Politik in Erscheinung. Der Unterwachtmeister der Deutschen Volkspolizei Helmut Just wird an der Grenze zu den Westsektoren Berlins von Angehörigen Westberliner Terrororganisationen ermordet. Das Politbüro des ZK der SED deckt in einem Beschluß eine großangelegte Schädlingstätigkeit in der VVB Kohle auf, in deren Folge es zu einem schweren Grubenunglück und zu einer Drosselung der Kohleproduktion gekommen ist. In der BRD wird ein „Bundesgesetz über Leistungen zur Unterbringung von Deutschen aus der sowjetischen Besatzungszone oder dem sowjetisch-besetzten Sektor von Berlin" („Flüchtlingsnotleistungsgesetz") erlassen. Der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Partei, Hans-Joachim von Merkatz, fordert zur .Befreiung" der DDR auf. Das „Bundesgesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge" („Bundesvertriebenengesetz") erhält Gesetzeskraft in der BRD. Das Gesetz gewährt „Sowjetzonenflüchtlingen' einen besonderen Rechtsstatus. Es legalisiert die Abwerbung von Bürgern der DDR bei einer „durch die politischen Verhältnisse bedingten Zwangslage" oder bei „einem schweren Gewissenskonflikt*. Von der Bundesregierung wird in Kooperation mit den Revanchistenverbänden und dem Senat von Westberlin eine Kampagne zur massenhaften Abwerbung von Bürgern der DDR organisiert. Die Quote der aus Westberlin ausgeflogenen „Flüchtlinge" wird stark erhöht.

231

14./15. Juni

14. Juni

17. Juni

232

Der Bundesnachrichtendienst unternimmt mit der Aktion .Vulkan" durch eine Verhaftungswelle in der BRD den Versuch, die am Handel mit der DDR beteiligten Geschäftskreise einzuschüchtern und auf diese Weise den Handel zwischen den beiden deutschen Staaten vollständig zum Erliegen zu bringen. Die Westberliner Zeitung „Telegraf* und andere Blätter fordern in Schlagzeilen offen zum Sturz der Regierung der DDR sowie zur Auflösung des ZK der SED und der Parteivorstände der Blockparteien auf. Bundeskanzler Adenauer und das SPD-Vorstandsmitglied Herbert Wehner präsentieren in öffentlichen Erklärungen einen ganzen Katalog von Forderungen, durch deren Erfüllung sich die DDR faktisch selbst auflösen soll. Dazu gehören die Öffnung der Grenzen, die Auflösung der Sicherungskräfte, die Beseitigung des ZK der SED sowie der Vorstände der Blockparteien und die Restauration der Verwaltungsstruktur der DDR nach dem Prinzip der Gliederung in Länder. Eine durch fehlerhafte Maßnahmen in der DDR entstandene Unzufriedenheit großer Teile der Bevölkerung und die vor allem durch die Verschärfung des kalten Krieges hervorgerufene komplizierte wirtschaftliche Situation ausnutzend, lösen aggressive imperialistische Kreise in der DDR den »Tag X" aus. Die Lenkung des Umsturzes erfolgt von Westberlin aus. Dabei spielen der Sender „RIAS" Berlin und andere Agenturen, die konterrevolutionäre Losungen für einen „Generalstreik" in der DDR verbreiten und massenhaft Provokateure in den Demokratischen Sektor von Berlin einschleusen, eine besondere Rolle. In Westberlin halten sich am 17. Juni hohe Beamte der USA-Regierung und des Geheimdienstes, Beauftragte der Bundesregierung und Führer der SPD auf. Die Bundesregierung erklärt sich in einer besonderen Verlautbarung der Bundestagsparteien (mit Ausnahme der KPD) mit den Konterrevolutio-

1. Juli

21. Juli

August

nären solidarisch, die jedoch eine Minderheit bleiben. Dank den entschlossenen Gegenmaßnahmen der DDR und der UdSSR sowie dem Auftreten der Mehrheit der Werktätigen gegen die Ausschreitungen bricht das imperialistische Abenteuer schon nach wenigen Stunden zusammen. Bundeskanzler Adenauer erklärt, dafj die Pläne „für die Zeit nach der Wiedervereinigung" fertiggestellt seien. „Besondere Arbeitsausschüsse" hätten „Sofortmaßnahmen für den Tag der Wiedervereinigung vorbereitet". Die Deutsche Notenbank Leipzig fertigt ein Gutachten über 4 gefälschte Telegrammentwürfe an, in denen fingierte telegrafische Überweisungen in Höhe von 365 000 DM auf posteigenen Blankoformularen getätigt wurden. Die Wirtschaftsschädlinge, die im Auftrage der „KGU" handelten, waren in den Besitz des vertraulichen Depeschenschlüssels der DDR-Finanzorgane gelangt. Die Aktion ist ein Beispiel für ähnliche Unternehmungen, mit denen der Finanzplan der DDR zerrüttet werden sollte. Die Regierung der BRD erlägt das Gesetz über den »Tag der deutschen Einheit", mit welchem der 17. Juni zum öffentlichen Feiertag in der Bundesrepublik Deutschland erklärt wird. Den offiziellen Rahmen für diesen „Feiertag" gibt die von Kanzler Adenauer am 17. Juni 1953 formulierte Legende vom „Volksaufstand in der sowjetischen Besatzungszone" ab, die fortan zur Diffamierung der DDR ausgenutzt wird. Die Feiern zum 17. Juni, die in der BRD vielfach mit Hetzkundgebungen an der Staatsgrenze der DDR verbunden werden, dienen der psychologischen Kriegführung. 1960 und im Frühjahr 1961 nehmen sie einen besonders aggressiven Charakter an. In den sechziger Jahren verliert jedoch die Legende, deren Widerhall unter der BRD-Bevölkerung von Anfang an gering bleibt, auch in westlichen Ländern zusehends an Glaubwürdigkeit. Seit 1962 wird der 17. Juni nur noch als „stiller Feier-

233

16. Oktober Winter

22. November

25. November

1964

6. April

16. Juni

234

tag" begangen, seit dem 17. Juni 1969 ist er nur noch ein .Gedenktag*, an dem alljährlich von Persönlichkeiten der Bundesregierung gegenüber der DDR revanchistische und nationalistische Ansprüche verlautbart werden. 3 Angehörige der Deutschen Volkspolizei werden von einer in die DDR geschleusten Terroristengruppe ermordet. Der »KGU'-Agent Heinz Woithe führt bei Verschiebearbeiten auf dem Bahnhof Wustermark vorsätzliche Zusammenstöße herbei, bei denen 12 Waggons mit Lebensmitteln und anderen Versorgungsgütern vernichtet werden. Die Regierung der DDR wendet sich an die Bundesregierung mit der Aufforderung, von den vier Mächten gemeinsam Maßnahmen für eine friedliche und demokratische Wiedervereinigung zu fordern. Die Initiative der DDR wird nicht beantwortet. Der Ministerpräsident der DDR schlägt der Bundesregierung Verhandlungen über wichtige aktuelle Fragen vor. Am 26. und 27. November werden die Vorschläge in Bonn abgelehnt. Die Volkskammer der DDR richtet ein Telegramm an den Bundestag der BRD mit dem Vorschlag, in einem gemeinsamen Beschlug das Verbot der Massenvernichtungswaffen zu fordern. Der Bundestag schweigt. Der »Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" legt seinen Ersten Tätigkeitsbericht vor. In den Plänen ist die Zerschlagung der staatlichen und genossenschaftlichen Landwirtschaftsbetriebe ausgearbeitet worden, ferner die Beseitigimg der volkseigenen Industrie in der DDR. Ein .Sofortprogramm" sieht die Isolierung der DDR von den anderen sozialistischen Staaten und den konterrevolutionären Terror am »Tag X" vor. Gründung des .Kuratoriums Unteilbares Deutschland" in Anwesenheit des Bundeskanz-

lers und des Bundespräsidenten der BRD. Dem Kuratorium gehören führende Politiker der im Bundestag vertretenen Parteien (mit Ausnahme der KPD) an. Das Gremium tritt mit der Losung „Wiedervereinigung Deutschlands durch menschliche Kontakte" an die Öffentlichkeit. Es wird in der Hauptsache vom „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen" finanziert. Seine Hauptaufgabe sieht das Kuratorium u. a. in der „Betreuung" von DDR-Bürgern, in „gesamtdeutschen Gesprächen" und in Feiern. Es betreibt politische Zersetzungstätigkeit gegen die DDR und widmet sich besonders der Erhaltung der Legende vom „Volksaufstand des 17. Juni". Zur Diffamierung der DDR werden gezielte Störkampagnen gegen eine Verständigung organisiert (1959: „Macht das Tor auf!"). Seine wirklichen Absichten demonstriert das Kuratorium durch die Ablehnung jeglicher Kontakte mit Stellen der DDR. 2./3. August

In der DDR werden zahlreiche Agentengruppen und einzelne Agenten des Bundesnachrichtendienstes der BRD unschädlich gemacht. Unter den Festgenommenen befinden sich auch Agenten der BRD-Landesämter für Verfassungsschutz. Zu den Verhafteten gehören die BND-Agenten Georg Kowalski aus Bad Saarow und Manfred Naumann aus Bad Blankenburg. Während Kowalski mit Spezialgeräten Telefonspionage betrieben hatte, wurde bei Naumann ein als Kofferradio getarntes Funkgerät amerikanischer Bauart gefunden.

9. November

Das Oberste Gericht der DDR verurteilt 5 Agenten wegen Spionage, Sabotage und Diversion zu langjährigen Freiheitsstrafen und 2 weitere zum Tode. Die Angeklagten haben Verkehrs-, Wirtschafts- und Militärspionage betrieben, den Außenhandel gestört und an Schwerpunkten des wirtschaftlichen Aufbaus Schwierigkeiten verursacht. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Organisierung subversiver Einsatzgruppen für den Kriegsfall.

17

Teller

235

Dezember

Das türkische Wirtschaftsministerium erhält ein Schreiben des Deutschen Innen- und Außenhandels (DIA), in dem mitgeteilt wird, daß das vereinbarte KfZ-Großreparaturwerk von der DDR wegen finanzieller und wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht gebaut werden könne. Das Schreiben stellt sich als eine von der „KGU" fabrizierte Fälschung heraus, für die Original-Kopfbogen der DDR-Dienststelle verwendet wurden. An das Wirtschaftsministerium der Koreanischen Volksdemokratischen Republik gelangt ein DIA-Schreiben, in dem um die nachträgliche Bezahlung einer als Solidaritätsgeschenk übersandten Revolverdrehmaschine ersucht wird. Für diese Fälschung zeichnet gleichfalls die „administrative Störstelle" der «KGU" verantwortlich.

25. Januar

Von der „KGU* sind 1954 nach eigenen Angaben etwa 100 Millionen konterrevolutionäre Hetzschriften in die DDR geschleust worden. Der „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V." hat in der gleichen Zeit fast zweieinhalb Millionen Hetzflugblätter eingeschleust, darunter sogenannte Fachzeitungen mit solchen bezeichnenden Titeln wie „Der Schienenbruch" und „Plan-Verstoß".

1955 3. Dezember

30. Januar

236

Mit einem Original-Kopfbogen des Ministeriums für Außenhandel und innerdeutschen Handel der DDR ergeht ein Schreiben an die schwedischen Wirtschaftsorgane. In dem Schreiben wird das Warenabkommen DDRKönigreich Schweden unter verschiedenen Vorwänden aufgekündigt. Auch dieses Produkt entstammt der Fälscherwerkstatt der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V." Auf Druck des „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen' der BRD muß die Koproduktion des Filmes „Die Buddenbrooks" zwischen der DEFA und der Filmgesellschaft NDF (München) aufgegeben werden.

16. Februar

18. Februar

24./27. Februar

2. März

12. April

4. Mai

18./23. Juli

10. August

17*

Die dem modernsten Standard entsprechenden neuerbauten Sendesäle des Staatlichen Rundfunkkomitees der DDR in Berlin-Oberschöneweide fallen einem Großbrand zum Opfer. Der Geheimdienst-Agent Arno Baade hatte in das Kanalsystem der Klimaanlage Brandsätze eingebaut. Es entsteht ein Sachschaden von rund 2 Millionen DM. Bei den Löscharbeiten erleiden 14 Personen schwere Verletzungen. Die Volkskammer der DDR richtet ein Schreiben an den Bundestag der BRD, in dem sie vor der Ratifizierung der Pariser Verträge warnt, da diese unweigerlich die Spaltung Deutschlands vertiefen würden. Es wird eine sofortige Aussprache verlangt und ein Austausch von Delegationen vorgeschlagen. Das Schreiben wird nicht beantwortet. Die Pariser Verträge werden im Bundestag der BRD ratifiziert. In den Verträgen ist die Festlegung enthalten, dafj ein wiedervereinigtes Deutschland gesellschaftlich und staatlich nach dem Muster der Bundesrepublik zu organisieren und in die NATO zu integrieren ist. Die Volkskammer der DDR schlägt dem Bundestag der BRD eine Proklamation für eine gesamtdeutsche Befragung über die Pariser Verträge vor. Das Präsidium des Bundestages verweigert deren Annahme. Der Ministerrat der DDR protestiert gegen den verstärkten Mißbrauch Westberlins als Spionagezentrum und die von diesem Gebiet ausgehende konterrevolutionäre Wühltätigkeit. Die Organe für Staatssicherheit der DDR legen auf einer internationalen Pressekonferenz umfangreiches Material über die subversive Tätigkeit gegen die DDR vor. In Genf findet eine Konferenz der Regierungschefs der vier Mächte statt. Die Bildung einer gesamtdeutschen Delegation scheitert am Widerstand der BRD. Das Bundeswirtschaftsministerium verfügt eine Sperrung der Lieferungen von Erzeugnissen der Eisenindustrie, der Ziehereien und

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Kaltwalzwerke in die DDR. Die Maßnahme wird mit angeblicher Lieferunfähigkeit und Verschuldung der DDR im Handel mit der BRD begründet. Die DDR hat jedoch ein Aktivsaldo von 18 Millionen Verrechnungseinheiten im Handel mit der BRD. Der „KGU"-Resident Gerhard Benkowitz bereitet die Sprengung der Saaletalsperre sowie der Sechsbogenbrücke bei Weimar und anderer Objekte vor, um eine Flutkatastrophe auszulösen und wichtige Verkehrsverbindungen zu zerstören. Für seine Verbrechen wird Benkowitz zum Tode verurteilt. 22. September

Bundeskanzler Adenauer bekräftigt den bekannten Standpunkt der Alleinvertretungsanmaßung der BRD und ergänzt ihn durch die Ankündigung von Sanktionen an die Adresse aller derjenigen Staaten, die diplomatische Beziehungen mit der BRD unterhalten bzw. aufnehmen wollen, für den Fall der Anerkennung der DDR. In einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes der BRD über die »Rechtsstellung der Anwälte, die jenseits der Oder-Neiße-Linie zugelassen waren", wird festgestellt, daß sich die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland auf das Gebiet des ehemaligen Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 erstreckt.

6. Oktober

In einem Urteil des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichtes der BRD wird begründet, daß die zum Deutschen Reich nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 gehörenden Gebiete rechtlich Inland sind. Auf einer Botschafterkonferenz in Bonn wird die von Kanzler Adenauer am 22. September verkündete Doktrin über die Beziehungen der beiden deutschen Staaten für verbindlich erklärt. Nach der Hallstein-Doktrin sollen gegen Staaten, welche die DDR anerkennen, „abgestufte Maßnahmen" zur Anwendung gelangen. Damit soll die politische und diplomatische Blockade gegen die DDR in der nichtsozialistischen Welt weiterhin gesichert werden.

Dezember

238

Die „administrative Störstelle" der „KGU" hat nach eigenen Angaben für 50 Tonnen Nahrungsgüter Lebensmittelkarten gedruckt, die zur Einschleusung in die DDR bestimmt sind.

1956

22. April

Sommer

3. September

2. Hälfte Oktober/ Anfang November

2. November

5. November

An der Rudower Chaussee in Berlin-Altglienicke wird eine unterirdische Abhörzentrale der Besatzungstruppen der USA an Fernsprechleitungen der DDR entdeckt und freigelegt. Der Spionagetunnel ist von Westberlin aus in das Gebiet der DDR vorgetrieben worden. In Berlin und anderen Städten der DDR bilden sich antisozialistische Gruppierungen, die Programme zur Beseitigung der Arbeiterund-Bauern-Macht entworfen haben. Sie werden von den Sicherheitsorganen der DDR schnell zerschlagen. Im Grenzbereich Bad Salzungen wird der 24jährige Angehörige der Deutschen Grenzpolizei Waldemar Estel bei der Festnahme eines Grenzverletzers, der, aus der BRD kommend, die Staatsgrenze der DDR überschreitet, ermordet. In der Volksrepublik Ungarn richtet sich ein blutiger faschistischer Putsch gegen die Arbeiter-und-Bauern-Macht. Am 4. November mobilisiert die revolutionäre Regierung unter J . Kadar die Kräfte zur Zerschlagung der Konterrevolution. Der Putsch wird mit Hilfe sowjetischer Truppen niedergeschlagen. Das Bundesverfassungsgericht der BRD in Karlsruhe verurteilt 6 Bürger der DDR und 2 Bürger der BRD zu insgesamt 130 Monaten Gefängnis, weil sie sich für das Zustandekommen einer gesamtdeutschen Delegation für die Genfer Viermächtekonferenz (18.-23. Juli 1955) eingesetzt haben. Nach einer Hetzkundgebung vor dem Rathaus Schöneberg in Westberlin gegen die erfolgreiche Niederschlagung der Konterrevolution in der Ungarischen Volksrepublik kommt es zu einer Provokation am Brandenburger Tor.

239

1957

31. Januar

In der augenpolitischen Debatte des Bundestages der BRD bekräftigen Sprecher der Bundesregierung und der CDU/CSU-Fraktion die Forderung nach der Wiederherstellung der deutschen Grenzen von 1937. Die »Politik der Stärke", der Revanchismus und die Provokationen werden zur Staatsdoktrin erklärt. Im VEB RFT-Werk Berlin-Köpenick wird mit Hilfe der Belegschaft der Ingenieur Arnold Kieser als Agent des Bundesnachrichtendienstes der BRD entlarvt. Der Agent hatte dem BND alle ihm zugänglichen Unterlagen über Neuentwicklungen und die serienmäßige Produktion ausgeliefert.

5. April

Auf einer Pressekonferenz in Bonn fordert Bundeskanzler Adenauer die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen. Der auf Beschluß des Ministerrates der DDR durchgeführte Umtausch der in der DDR und im Demokratischen Sektor von Berlin seit 1948 gültigen Banknoten der Deutschen Notenbank ab 2 DM gegen neue Geldscheine macht über 600 Millionen DM Banknoten, die in der BRD und in Westberlin für Aktionen des kalten Krieges gegen die DDR lagern, schlagartig wertlos. Der Geldumtausch geht reibungslos vor sich. Die BRD bricht die diplomatischen Beziehungen zur Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien ab, nachdem dieser sozialistische Staat am 10. Oktober diplomatische Beziehungen zur DDR aufgenommen hatte. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Heinrich Krone, lehnt in der Debatte zur Regierungserklärung Adenauers im Bundestag der BRD alle Verhandlungen mit der DDR ab. Krone erklärt, die Unionsparteien verständen unter Wiedervereinigung „nichts anderes als die Liquidation des derzeitigen Machtregimes in der sowjetischen Besatzungszone".

13. Oktober

19. Oktober

5. November

1958

Der Tischler Horst Köster aus Dölzig mu§ sich vor einem Gericht der DDR wegen Wirt-

10. Januar

13. Februar

März

23. Juni

1959

11. März

schaftsspionage in der Flugzeugindustrie und in anderen wichtigen Objekten verantworten. Köster hat dem Bundesnachrichtendienst Spionageinformationen über Flugplätze, Munitionslager, Sicherungs-, Strafjen- und Eisenbahnanlagen, Radarstationen und über den Flugverkehr geliefert. Angesichts der Schwere der von ihm begangenen Verbrechen erhält er eine Zuchthausstrafe von 15 Jahren. Der 1. Strafsenat des Bezirksgerichts Erfurt verurteilt 4 Gewalttäter zu hohen Zuchthausstrafen. Die Verbrecher - vor 1945 aktive Nazis - haben einen Mordanschlag auf einen Bürger der DDR unternommen, gegen den Arbeiter-und-Bauern-Staat und die Gründung von LPG gehetzt sowie mit Gewalttaten und Mord gedroht. Der stellvertretende Ministerpräsident und Erste Sekretär des ZK der SED, Walter Ulbricht, gewährt der „Süddeutschen Zeitung" aus der BRD ein Interview, in dem er den Vorschlag der DDR zur Bildung einer Konföderation der beiden deutschen Staaten erläutert. Der Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß erklärt in der Atomdebatte im Bundestag der BRD, für ihn gäbe es in der Generalstabsplanung nur noch den »Fall Rot und sonst keinen Fall mehr auf der ganzen Welt". Im Bundestag wird ein Beschluß durchgesetzt, der die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen legalisiert. Im Seebad Heringsdorf wird die große Seebrücke mit 14 Geschäften durch ein Großfeuer völlig zerstört. Im Auftrage Westberliner Agentenzentralen ist die Brücke von 2 jugendlichen Verbrechern in Brand gesteckt worden. Angesichts zugefügter schwerer Niederlagen durch die Sicherheitsorgane der DDR wird die Auflösung der »Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V." durch den amerikanischen Geheimdienst empfohlen. 145 Spionageberichte hat der technische Re-

241

8. April

Ende April 21. August

Herbst

Dezember

5. November

242

visor Leopold Müller aus Wittenberge an den Bundesnachrichtendienst geliefert. Müller gab vertrauliche Unterlagen aus volkseigenen Betrieben weiter, betrieb im Raum Wittenberge-Perleberg-Parchim-Schwerin-Ludwigslust Militärspionage und legte tote Briefkästen an. Der Ministerpräsident der DDR, Otto Grotewohl, richtet ein Schreiben an Bundeskanzler Adenauer. Darin schlägt er vor, noch vor der Genfer Außenministerkonferenz der vier Mächte einen gemeinsamen Standpunkt der beiden deutschen Regierungen für Verhandlungen zum Abschluß eines Friedensvertrages zu erarbeiten. Der Bundeskanzler geht darauf nicht ein. Im Gefängnis von Hannover wird der DDRBürger A. Meckert in den Freitod getrieben. Im Kreis Nordhausen dringt unter dem Feuerschutz von Angehörigen des Bundesgrenzschutzes eine Bande von 30 Provokateuren mit Beilen und Drahtscheren in DDR-Gebiet ein und zerstört Grenzsicherungsanlagen. Die NATO-Stabsübung „Side-Step" in der BRD, der die Konzeption eines „kleinen* „begrenzten" Krieges im Rahmen eines Blitzkrieges zugrunde liegt, läuft ab. Der Angriff auf Verwaltungs- und Industriezentren der DDR wird geprobt. Im Bundestag der BRD werden erneut alle Gespräche mit der DDR abgelehnt. Unter diese Ablehnung entfallen die Initiativen der DDR vom 29. Mai und 1. Oktober, in welchen ein Nichtangriffspakt zwischen beiden deutschen Staaten und ein Programm zur Entspannung durch beiderseitigen Rüstungsstop angeregt worden waren. Der „KGU"-Agent Konrad Hanelt tritt eine lebenslange Zuchthausstrafe in der DDR an. Auf seinem Bauernhof hielt er größere Mengen Waffen und Munition versteckt. Außerdem suchte er über 40mal die Zentrale der „KGU" in Westberlin auf und verteilte mehr als 600 Hetzflugblätter.

Parallel zur Staatsgrenze West der DDR und der CSR vollzieht sich eine Standortverteilung von Angriffsverbänden der Bundeswehr der BRD, welche die Absicht eines militärischen Einfalls in die DDR erkennen läfjt. Angriffsschwerpunkte bilden die mit taktischen Kernwaffenträgern ausgestatteten Landstreitkräfte in den Räumen Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen-Nordbayern. Die Konzentrierungsräume der Truppen liegen 150 Kilometer von den Grenzen der beiden sozialistischen Staaten entfernt.

1960

18. Januar

Der Bundesinnenminister der BRD, Gerhard Schröder, gibt in Bonn bekannt, dafj die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, das sogenannte Notstandsgesetz, verabschiedet hat. Der Entwurf enthält die Bestimmungen über die Verhängung des Ausnahmezustandes bei einer Gefahr für den Bestand der „freiheitlichen Grundordnung" der BRD.

23. Januar

Der stellvertretende Ministerpräsident der DDR und Erste Sekretär des ZK der SED, Walter Ulbricht, richtet einen Brief an Bundeskanzler Adenauer und weist auf die Unterminierung der DDR durch den Imperialismus der BRD und auf die wachsende Gefahr eines Bürgerkrieges hin. Der Brief geht am 27. Januar ungeöffnet zurück.

28. Januar

Walter Ulbricht nimmt zum Inhalt seines Briefes an den Bundeskanzler der BRD Stellung. Er warnt vor der Gefahr eines Krieges und schlägt Verhandlungen zwischen den beiden deutschen Staaten innerhalb von 14 Tagen vor. Die Vorschläge werden nicht beantwortet. Das NATO-Grofjmanöver „Winter-Shield I" läuft in der BRD ab.

1./7. Februar 20. Februar

In der BRD wird der Verein „Rettet die Freiheit, e. V.' gegründet. In dem Komitee finden sich Befürworter der psychologischen Kriegführung aus aggressiven imperialistischen Kreisen der BRD zusammen. Als eines der Ziele des Komitees wird „die Befreiung der

243

13. April

Mitte April/ Mitte Mai

30. Juni

9. und 10. Juli

30. August/ 9. September

244

Ostzone Deutschlands* formuliert. Auf Grund seiner zügellosen antikommunistischen Hetze und der Verfolgung Andersdenkender in der BRD gerät den Verein Anfang 1961 zusehends in Schwierigkeiten. Am 3. April 1961 wird seine Auflösung mitgeteilt. Auf einer internationalen Pressekonferenz des Kommandos der Deutschen Grenzpolizei der DDR wird mitgeteilt, daß im ersten Quartal mehr als 500 Grenzprovokationen gegen die DDR verübt worden sind. In der DDR werden 17 Funkgeräte von Agenten durch die Sicherheitsorgane beschlagnahmt. Mit den Geräten sollte ein Funknetz für den Kriegsfall installiert werden. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im BRD-Bundestag, Herbert Wehner, bezeichnet in einer Debatte die NATO als »Grundlage und Rahmen für alle Bemühungen der deutschen Außen- und Wiedervereinigungspolitik". Vom 1. Strafsenat des Bezirksgerichts Dresden wird der Agent des Bundesnachrichtendienstes Ingenieur Manfred Gerlach zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Als technischer Direktor im VEB Entwicklungsbau Pirna hatte er dem BND interne Unterlagen über den Aufbau der Flugzeugindustrie, Perspektivpläne und rund 600 von ihm fotokopierte technische Zeichnungen übermittelt. Gerlach ließ trotz begründeter technischer Einwände Versuche durchführen und gab bewußt falsche Weisungen, die zu schweren Lufthavarien mit Menschenopfern und Sachschäden führten. Auf Westberliner S-Bahnhöfen nehmen die Überfälle auf Transportpolizisten der DDR organisierte Formen an. Einheiten der Kriegsmarine der BRD führen unter der Bezeichnung „Wallenstein III" das bisher größte Seekriegsmanöver durch. Das Manöver wird mit der Erprobung einer Seelandung in Richtung DDR-Küstenvorfeld geführt.

3. September

20./24. September

September

28. Oktober

Ende 1960

Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard kündigt mit Wirkung zum 31. Dezember des gleichen Jahres das Handelsabkommen der Bundesrepublik mit der DDR. Damit sollen der Handel zwischen den beiden deutschen Staaten zum Erliegen gebracht und die DDR durch wirtschaftliche Schädigungen für eine »innerdeutsche Polizeiaktion" reif gemacht werden. Da die BRD-Seite mit der Kündigung jedoch gleichzeitig ihren Handel mit Westberlin blockiert, der im Abkommen verankert ist, sieht sie sich genötigt, das Abkommen vom 29. Dezember wieder in Kraft zu setzen. Es wird jedoch nunmehr eine „Vorbehaltsklausel" geltend gemacht, mit der vertraglich gebundene Lieferungen ganz oder teilweise gesperrt werden können. 45 000 Soldaten der NATO sind im Einsatz bei dem Grofjmanöver „Hold Fast", das im Raum Schleswig-Holstein und Jütland stattfindet. Die Manöverlage geht davon aus, dafj von Land-, See- und Luftstreitkräften ein Vorstofj über eine angenommene „Demarkationslinie" mit dem Einsatz von Kernwaffen geführt wird. Das Übungsgelände weist die Bedingungen des Küstenvorfeldes der DDR auf. Der Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte Europa-Mitte, Bundeswehrgeneral Hans Speidel, tritt mit dem Konzept eines „begrenzten" Krieges an die Öffentlichkeit. Seit Januar sind 194 Bürger der DDR, die in friedlicher Absicht in die BRD gereist sind, verhaftet und 57 von ihnen zu insgesamt 350 Monaten Gefängnis verurteilt worden. 108 andere wurden ohne Begründung bis zu 5 Monate in Untersuchungshaft gehalten und dann entlassen. Keiner von ihnen hat in der BRD eine kriminelle Handlung begangen. Die Bundeswehr der BRD zählt 291 000 Mann, sie verfügt über 8 einsatzbereite Divisionen mit je einem Bataillon Raketentruppen. Die einstigen Hitler- und neuen Bundeswehrgenerale Hans Speidel, Adolf Heusinger und Friedrich Foertzsch haben Schlüsselpositionen in der NATO bzw. der Bundeswehrführung inne.

245

1961

2./8. Februar

In Oberbayern, dicht an den Grenzen zur DDR und CSR, führen Verbände der NATO mit 60 000 Soldaten und 15 000 Fahrzeugen und Panzern das Groijmanöver „Winter-Shield I I " durch. Es wird ein großräumiger Überraschungsangriff unter Einsatz nuklearer Kampfmittel gegen die DDR und die anderen sozialistischen Staaten geprobt. Parallel dazu finden im ersten Halbjahr 1961 mehrere Verbandsmanöver und Stabsübungen der Bundeswehr statt, auf denen der „begrenzte* Krieg geprobt wird.

28. April

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Freiherr von Guttenberg spricht sich für „das Ende des DDR-Regimes ohne Kompromisse" aus. Der BRD-Imperialismus schürt eine massenhafte Abwerbung von Bürgern der DDR, um den sozialistischen deutschen Staat zum wirtschaftlichen Ausbluten zu bringen und die Bedingungen für die Einverleibung der DDR zu schaffen.

Frühjahr

Sommer 21. Juni

24./25. Juni

28. Juni

29. Juni

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Die Seekriegsübung „Wallenstein IV" der Bundesmarine der BRD wird durchgeführt. US-General Norstad, der oberste NATO-Befehlshaber in Europa, verkündet die Kampfbereitschaft der „NATO-Feuerwehr", einer mit Kernwaffen ausgerüsteten, mobilen Eingreiftruppe. Der Journalist Alfons Dalma fordert im „Münchener Merkur" dazu auf, in der DDR eine „Explosion" auszulösen. Dalma ruft zur Produktions- und Verkehrssabotage, zu Streiks, passivem Widerstand, zu Aktionen zur Auflösung der Nationalen Volksarmee der DDR und zum „Volksaufstand gegen die Sowjettruppen" auf. Bundeswehrgeneral Adolf Heusinger inspiziert Truppen an der Staatsgrenze zur DDR und erklärt die Einsatzbereitschaft von 7 Bundeswehrdivisionen. In der BRD werden die Voraussetzungen geschaffen, um das sogenannte Leistungsgesetz, das als Teil der Notstandsgesetzgebung den

Juni 6. Juli

9. Juli

11. Juli

Mitte Juli/ Anfang August

25. Juli

Zwangsdienst der Bevölkerung im Kriegsfall regelt, bereits vor dem „Verteidigungsfall" in Kraft setzen zu können. In der BRD finden große Revanchistentreffen der landsmannschaftlichen Verbände statt. Der „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" veröffentlicht seinen Dritten Tätigkeitsbericht. Das „Sofortprogramm" ist abermals überarbeitet worden. Vorgesehen sind die Reprivatisierung der VEB in der DDR in drei Etappen, die Auflösung der Betriebsgewerkschaftsleitungen und des FDGB, die Auflösung der LPG, bzw. ihre Umwandlung in Genossenschaften mit privatkapitalistischem Charakter und die Restauration einer „im Grundsatz marktwirtschaftlichen Ordnung" in der DDR. Die „Bonner Rundschau" fordert offen zur Aggression gegen die DDR auf. Die Zeitung verlangt, „alle Mittel des Krieges, des Nervenkrieges und des Schiefjkrieges anzuwenden. Dazu gehören . . . auch die Unterwühlung, das Anheizen des inneren Widerstandes, die Arbeit im Untergrund, die Zersetzung der Ordnung, die Sabotage, die Störung von Verkehr und Wirtschaft, der Ungehorsam, der Aufruhr", wie es in dem Blatt heißt. Der Vorstand der CDU der BRD gibt eine Erklärung ab, in der gefordert wird, die DDR zu beseitigen und ein „wiedervereinigtes" Deutschland in die NATO einzugliedern. In der BRD leiten imperialistische Kreise eine neue Phase der unmittelbaren Aggressionsvorbereitungen gegen die DDR ein. Die Zahl der von der BRD ausgehenden Provokationen gegen die DDR nimmt zu. Im Juli steigt die Zahl der Versuche, die Staatsgrenze West der DDR zu verletzen, auf 106 gegenüber 67 im Juni und 64 im Mai an. Hetzkundgebungen an der Grenze zur DDR werden zunehmend militärisch gesichert. Der unmittelbare Einsatz organisierter Störtrupps wird vorbereitet. Der Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß erklärt während seiner USA-Reise in

247

1. August

August

10. August

13. August

248

Kalifornien, dafj der zweite Weltkrieg noch nicht beendet sei und man im Westen auf „eine Art Bürgerkrieg" vorbereitet sein müsse. An die Angehörigen der NATO-Truppen in Europa ergeht der Befehl zur Alarmbereitschaft. Im Zusammenhang mit der unmittelbaren Vorbereitung eines bewaffneten Einfalls in die DDR durch Bundeswehr- und NATO-Verbände werden in der DDR zahlreiche Sabotageakte ausgelöst. In Berlin brennt eine Produktionshalle des VEB Vieh- und Schlachthöfe durch Brandstiftung aus. Auch in der Humboldt-Universität werden Brandsätze gelegt. Der Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte Europa-Mitte, Hans Speidel, inspiziert die NATO-Truppen entlang der DDR-Staatsgrenze und erklärt ihre Gefechtsbereitschaft. In der Bundeswehr sind Bemühungen im Gange, die aufgestellten Divisionen kurzfristig auf Kriegsstärke zu bringen. In Abstimmung mit den anderen Mitgliedsstaaten des Warschauer Vertrages ergreift die DDR wirksame Maßnahmen zum Schutz des Friedens und der sozialistischen Staatsmacht. In Berlin wird eine feste Grenzordnung eingeführt. Westberlin wird als ausersehenes Einfallstor für die Operation gegen die DDRHauptstadt und deren Umgebung militärisch abgeriegelt. Damit werden wichtige Teile der NATO-Aggressionspläne gegenstandslos.

Besondere Institutionen und Organisationen des kalten Krieges gegen die Deutsche Demokratische Republik auf dem Territorium der B R D und Westberlins

Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise (AdK) Arbeitsgemeinschaft 13. August Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer (ASU) Arbeitskreis 17. Juni Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (auch unter: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) Bundesnachrichtendienst (BND) (auch unter: Organisation Gehlen) Bundeszentrale für Heimatdienst (auch unter: Bundeszentrale für politische Bildung) Exil-CDU Forschungsbeirat für' Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands (auch unter: Arbeitskreis für vergleichende Deutschlandforschung) Grüne Farbe - Hilfsgemeinschaft zur Wahrung der Interessen und Zusammenführung der Waldbesitzer, Forstmänner und Berufsjäger aus der Sowjetzone und den deutschen Ostgebieten, e. V. Hauptstelle für Befragungswesen Informationsbüro West Interessenvereinigung der in der Ostzone enteigneten Betriebe, e. V. Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, e. V. Königsteiner Kreis - Vereinigung der Juristen, Volkswirte und Beamten aus der Sowjetischen Besatzungszone, e. V. Kuratorium Unteilbares Deutschland Mitteldeutscher Kulturrat, e. V. Ostbüro der Christlich-Demokratischen Union Ostbüro der Freien Demokratischen Partei Ostbüro der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Rettet die Freiheit, e. V. Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen, e. V. Rundfunk im amerikanischen Sektor von Berlin (RIAS) Sender Freies Berlin (SFB) Verband der Mittel- und Ostdeutschen Zeitungsverleger (Herausgeber

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der deutschen Tageszeitungen) sowie der Inhaber graphischer und verwandter Betriebe aus Mittel- und Ostdeutschland, e. V. Vereingung der Opfer des Stalinismus (VOS) Verein zur Förderung der Wiedervereinigung Deutschlands, e. V. Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter Arbeitskreis Pommerscher Studierender Bundeslandsmannschaft Thüringen Gesamtverband der Sowjetzonenflüchtlinge Landsmannschaft Berlin-Mark Brandenburg Landsmannschaft Mecklenburg Landsmannschaften Provinz Sachsen und Anhalt Pommersche Landsmannschaft Vereinigte Landsmannschaften Mitteldeutschlands (VLM) DJO Bundesgruppe Berlin-Mark Brandenburg DJO Bundesgruppe Mecklenburg DJO Bundesgruppe der Pommern

Quellennachweis der Abbildungen Alle Abbildungsvorlagen stellte freundlicherweise der Allgemeine Deutsehe Nachrichtendienst - Zentralbild zur Verfügung. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

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der deutschen Tageszeitungen) sowie der Inhaber graphischer und verwandter Betriebe aus Mittel- und Ostdeutschland, e. V. Vereingung der Opfer des Stalinismus (VOS) Verein zur Förderung der Wiedervereinigung Deutschlands, e. V. Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter Arbeitskreis Pommerscher Studierender Bundeslandsmannschaft Thüringen Gesamtverband der Sowjetzonenflüchtlinge Landsmannschaft Berlin-Mark Brandenburg Landsmannschaft Mecklenburg Landsmannschaften Provinz Sachsen und Anhalt Pommersche Landsmannschaft Vereinigte Landsmannschaften Mitteldeutschlands (VLM) DJO Bundesgruppe Berlin-Mark Brandenburg DJO Bundesgruppe Mecklenburg DJO Bundesgruppe der Pommern

Quellennachweis der Abbildungen Alle Abbildungsvorlagen stellte freundlicherweise der Allgemeine Deutsehe Nachrichtendienst - Zentralbild zur Verfügung. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

ADN-ZB/Sturm ADN-ZB ADN-ZB/Zeue ADN-ZB ADN-ZB ADN-ZB ADN-ZB ADN-ZB ADN-ZB ADN-ZB ADN-ZB/Braun

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ADN-ZB/Quaschinsky ADN-ZB/Kollektiv ADN-ZB/AP ADN-ZB/Schneider ADN-ZB ADN-ZB ADN-ZB ADN-ZB ADN-ZB/AP ADN-ZB/AP ADN-ZB/Linke

Bibliographie

Marxistische

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Teiler

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Personenregister

Abs, Hermann 82 Adenauer, Konrad 15, 17, 19, 21 bis 23, 26, 29 £., 32, 43, 51, 70, 112, 119, 144, 164, 172, 179, 213, 225, 228, 230, 232 f., 238, 240, 243 Baade, Arno 104, 237 Bahr, Egon 213 Barzel, Rainer 48, 88 Baumgart, Johann 104 Benkowitz, Gerhart 122, 238 Berg, Fritz 82 Beyer, Paul 82 Birkenfeld, Günther 132, 166 Birrenbach, Kurt 215 Blank, Theodor 204 Bohlmann, Helmut 90 Brandenburg, Hans-Georg 129 Brandt, Willy 82, 110, 125, 214, 224 Brauer, Max 85 Brecht, Bertolt 58 Burchett, Wilfred G. 109 Burianek, Johann 137, 229 Burnham, James 6 f., 100, 131, 180, 226 Churchill, Winston 2 f., 7, 140 Conze, Werner 145 Dalma, Alfons 203 Dornberg, John 111

Dost, Dieter 138 Dulles, John Foster 103

3, 6 f., 9, 36,

Eisenhower, Dwight D. 3, 36 Enzensberger, Hans Magnus 28 Erdmann, Horst s. auch: Friedenau, Theo 125 Erhard, Ludwig 193, 245 Erler, Fritz 120 Ernst, Friedrich 61, 69 Estel, Waldemar 239 Ewing, Gordon 167 f. Fiedler, Rudolf Franz 127 Foertzsch, Friedrich 205, 245 Franke, Egon 59 Freund, Erich 195 Fricke, Karl Wilhelm 159 Friedenau, Theo s. auch: Erdmann, Horst 125 Gehlen, Reinhard 99, 119-121, 198 Gerlach, Manfred 122, 244 Gerstenmaier, Eugen 120 Globke, Josef-Maria 48 Gleitze, Bruno 72 Gradl, Johann Baptist 88, 113 Grewe, Wilhelm Gustav 21, 42 Grotewohl, Otto 31, 56, 138, 228, 242 Guttenberg, Karl Theodor 246

263

Hagedorn, Willi 166 Hallstein, Walter 42-44, 46 Hanelt, Konrad 242 Heimlich, William F. 162 Hermes, Andreas 87 Heusinger, Adolf 205, 209, 245 f. Hildebrandt, Rainer 107, 132, 140 Hiller, Helmut 110 Hinrich, Hans 129 Hoffmann, Emil 188, 193 Ingrim, Robert

150

Menzel, Eberhard 88 Merkatz, Joachim von 82, 231 Müller, Joachim 134 Müller, Josef 120 Müller, Leopold 122, 242 Naumann, Manfred 122, 235 Nebgen, Elfriede 113 Nell-Breuning, Oswald von 85 Neugebauer, Karl 126 Noack, Ulrich 87 Nolte, Ernst 58

Jaspers, Karl 86 Just, Helmut 231

Oberländer, Theodor 120, 174 Ollenhauer, Erich 120

Kaiser, Jakob 14, 26, 33, 51 f., 56, 58, 60, 62, 78, 80, 82, 112-114, 124, 164, 177, 189, 224 Kaiser, Wolfgang 134 Kamieth, Ernst 228 Kaul, Friedrich Karl 217 Kennan, George Frost 3 f. Kieser, Arnold 240 Kiesinger, Kurt-Georg 214 Koch, Diether 78 Köster, Horst 240 Kowalski, Georg 122, 235 Kraft, Waldemar 82 Krefeld, Fritz 126-128 Krone, Heinrich 113, 240 Krupp von Bohlen und Halbach, Alfried 82

Pape, Gerhard 126 Pleyer, Klemens 79

Lades, Hans 79 Lemmer, Ernst 52, 113 f. Linde, Walter 125 Löwenthal, Richard 43 Ludz, Peter C. 79 Lübke, Heinrich 150 Mann, Thomas 57 Mattick, Kurt 88 Mende, Erich 40

264

Rapacki, Adam 45 Reuter, Ernst 15, 125, 224 Richter, Karl 160 Robertson, Brian 16, 35 Rosenthal, Walther 153 Roosevelt, Franklin Delano Ruland, Bernd 109 f.

2

Schallon, Paul Karl 127 Scharnowski, Ernst 125, 168 Scheuner, Ulrich 18 Schmelzer, Fritz 126 f. Schmid, Carlo 19, 82 Schneider, Johannes 126 Schramm, Ruth 127 Schröder, Gerhard 243 Schubert, Rainer 218 Schulz, Eberhard 79 Schumacher, Kurt 14, 24-26, 51, 68, 108, 110, 112, 120, 141, 157, 164 Schütz, Eberhard 168 Schütz, Wilhelm Wolfgang 82, 88 Seebohm, Hans-Christoph 175 Sogemeier, Martin 82

Speidel, Hans 205, 245-248 Spennrath, Friedrich 82 Staudte, Wolfgang 58 Stern, Carola 93, 153 Strauß, Franz Josef 48, 193, 204, 241, 247 Strong, Kenneth 95 Thalheim, K. C. 66, 68, 76 Thedieck, Franz 56 f., 143, 153, 164 Thomas, Stephan 82, 109, 153 Tillich, Ernst 125, 132, 135 Travis, Don 125 Truman, Harry S. 2 f., 96, 222

Ulbricht, Walter

49, 241, 243

Waiden, Mathias 164 Warmuth, Otto 129 Weinhold, Werner 81, 217 Weber, Hermann 79 Wehner, Herbert 24, 37, 68, 82, 232, 244 Welk, Ehm 155 Wenger, Paul Wilhelm 159 Witte, Siegfried 79 Woithe, Heinz 135, 234 Zitzewitz-Muttrin, Friedrich von 82

Karl

1. Die künftige sowjetische Besatzungszone bot den Anblick einer Trümmerwüste: Das Berliner Kabelwerk Oberspree nach dem Bombenangriff vom 27. Februar 1945 2. Die Stadt Magdeburg nach dem britisch-amerikanischen Luftangriff vom 16. Januar 1945 3. Der „Rundfunk im amerikanischen Sektor" Berlins in Schöneberg, Kufsteiner Straße. Selbst ein Produkt des kalten Krieges, übernahm der „RIAS" eine Doppelfunktion als Zentrale für die politische Wühltätigkeit und den „Untergrundkrieg" gegen die DDR

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