Der Gewohnheitsverbrecher und die Sicherungsverwahrung 1934 - 1945 [1 ed.] 9783428406043, 9783428006045

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Der Gewohnheitsverbrecher und die Sicherungsverwahrung 1934 - 1945 [1 ed.]
 9783428406043, 9783428006045

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JOACHIM HELLMER

Der Gewohnheitsverbrecher und die Sicherungsverwahrnng 1934-1945

KRIMINOLOGISCHE FORSCHUNGEN Herausgegeben von Professor Dr. Hellmuth Mayer

Band 2

Der Gewohnheitsverbrecher und die Sicherungsverwahrung 1934-1945

Von

Dr. iur. loachim Hell m er Privatdozent an der Christian·Albrechts.Universität Kiel

DUNCK ER & HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten Duncker & Humblot, Berlln Gedruckt 1961 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin SW 61 Printed in Germany

© 1961

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist das erste Ergebnis eines größeren Forschungsvorhahens, das auf Anregung und unter Leitung des Direktors des Kriminologischen Seminars an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Prof. Dr. Hellmuth Mayer, im Kriminologischen Seminar durchgeführt wird. Es soll in mehreren Untersuchungen über die Zeit bis heute erforscht werden, wer als Gewohnheitsverbrecher verurteilt worden ist, wie die Sicherungsverwahrung bisher duchgeführt wurde und ob sich Änderungen in der gesetzlichen Regelung und im Vollzug dieser Maßnahme empfehlen. Dabei spielt der Zeitraum zwischen 1934 und 1945 eine besondere Rolle, weil es sich um die ersten 12 Jahre der Geltung des Gewohnheitsverbrechergesetzes handelt und die Sicherungsverwahrung in diesem Zeitraum in besonders großem Umfang angewendet worden ist. Die mit der Untersuchung gerade dieser Zeit verbundene Aufgabe der Dokumentation erforderte einmal eine über das übliche Maß hinausgehende direkte Wiedergabe möglichst reichhaltigen Tatsachenmaterials, weiter auch die Berücksichtigung der Äußerungen zu diesem Thema aus der damaligen Zeit, ob sie für oder gegen die Maßnahme Stellung genommen haben, weil von ihnen vielfach die Anwendung des Gewohnheitsverbrechergesetzes mittelbar beeinflußt wurde. Wenn auch nach dem Gesamtkonzept der Arbeit nicht zweifelhaft sein wird, welche Auffassung wir zu dem Geschehen zwischen 1934 und 1945 aus unserer heutigen Si·cht vertreten, so haben wir uns doch bemüht, in erster Linie die damalige Zeit, ihre Tatsachen und ihre Gedanken sprechen zu lassen. Nur eine objektive Darstellung wird uns und den nachfolgenden Generationen ein gerechtes Urteil erlauben. Finanziert wurde das Forschungsvorhaben durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die dem Direktor des Seminars die nötigen Mittel bewilligte. Ihr sei daher an erster Stelle gedankt. Wesentliche Hilfe haben auch das Bundesjustizministerium und die Länderjustizministerien durch die Zurverfügungstellung von Akten geleistet, vor allem das Bayerische Staatsministerium der Justiz, das Justizministerium von Nordrhein-Westfalen und das von Schleswig-Holstein, ferner die Gefängnisbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg. Ihnen allen und den Vorständen der Strafanstalten, aus denen unsere Akten stammen, sei an dieser Stelle ebenfalls gedankt. Besonderen Dank schuldet der Verfas-

Vorwort

6

ser jedoch Herrn Prof. Dr. Mayer, der durch manches Gespräch befruchtend auf die Arbeit eingewirkt, dem Verfasser im übrigen aber völlig freie Hand gelassen hat, sowohl in der Gestaltung als auch im Inhalt. Zum Schluß sei noch dem Verlag für seine Bereitwilligkeit gedankt, die Ar,beit ohne fremde Zuschüsse zu drucken. Kiel, im März 1961

Joachim Hellmer

Inhaltsverzeichnis A. Bericht 1. Aufgabe der Untersuchung ........................................

11

1. Untersuchung des historischen Geschehens ......................

11 11 12 12

11. Das Material ...................................................... 1. D:e biographische Methode ....................................

2. Auswahl des Materials ........................................ 3. Inhalt der Akten ..............................................

14 14 15 18

111. Ergebnis der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

2. Untersuchung des Gewohnheitsverbrechers .................... 3. Untersuchung des Erfolgs der Verwahrung .................... 4. Vergleich mit anderen Untersuchungen ........................

1. Erfolg der Sichenmgsverwahrung im Sinn der Spezialprae-

vention ........................................................ 20 2. Erfolg der Sicherungsverwahrung im Sinn der Generalpraevention ........................................................ 21 3. Erfolg der Sicherungsverwahrung im Sinn der Sicherungsfunktion ....................................................... 24 4. Erfolg der Sicherungsverwahrung im Sinn der Offenlegungsfunktion ....................................................... 26

B. Untersuchung 1. Die Tat und der Täter (Phänomenologie) .......................... 1. Die Tat ........................................................

a) Allgemeines ................................................ aa) Straftatsverurteilung .................................... bb) Nachträgliche Verurteilung .............................. b) Die Diebstahlshandlungen .................................. c) Die Betrugshandlungen ..................................... d) Die Sittlichkeitsdelikte ......................................

29 29 29 30 33 34 44 50

2. Die Täter ...................................................... a) Allgemeines ................................................ aa) Alter der Verwahrten .................................. bb) Vorbestraftheit der Verwahrten ........................ ce) Beginn der Kriminalität................................ b) Die Diebe .................................................. aa) Einteilung in 3 Gruppen................................ bb) Die Arten und Betätigungsrichtungen der Diebe ........ ce) Zahl und Schwere der Vorstrafen der Diebe •...........

53 53 53 55 62 69 69 71 73

Inhaltsverzeichnis

8

c) d)

e) f)

dd) Alter der Diebe allgemein und der Angehörigen der 3 Diebsgruppen . .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Beginn und Wandlung der Kriminalität der Diebe überhaupt und der Diebe der einzelnen Diebsgl'uppen ........ ff) Die Diebe unter besonderer Berücksichtigung des einfachen und schweren Diebstahls ........................ gg) Raub und räuberischer Diebstahl ........................ Die Betrüger ................................................ aal Betätigungsrichtung ..................................... bb) Einteilung nach dem kriminellen Vorleben .............. Die Sittlichkeitstäter ........................................ aal Einteilung in 3 Gruppen ................................ bb) Zu den 14 einschlägig vorbestraften Sittlichkeitstätern .. cc) Zu Beginn und Wandlung der Kriminalität .............. dd) Vorbestraftheit ......................................... ee) Alter.................................................... ff) Zusammenfassung ...................................... Nebenkriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Verhältnis der Vorstrafen wegen des betreffenden Delikts zu den Vorstrafen wegen anderer Delikte .............. bb) Zahl und Schwere der Vorstrafen ...................... cc) Alter der Sicherungsverwahrten ........................ dd) Das erste Delikt ........................................

II. Die soziale Persönlichkeit (Atiologie) .............................. 1. Persönlichkeitsmerkmale ....................................... a) Körperliche Persönlichkeitsmerkmale ........................ aa) Größe und Körperbau . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... bb) Körperliche Stigmata ................................... cc) Andere körperliche Mängel, Verletzungen und Krankheiten .................................................. dd) Zusammenfassung ...................................... b) Geistig-seelische Persönlichkeitsmerkmale ................... aal Geisteskrankheiten ...................................... bb) Schwachsinn ............................................ ce) Psychopathie ............................................ dd) Sonstige geistig-seelische Merkmale ..................... a) Intelligenzgrade ...................................... ß) Leichtsinn, Geltungssucht, Haltlosigkeit und Willensschwäche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. y) Unreife .............................................. ~) Kritikfähigkeit, Wertempfinden ...................... e) Politische Einstellung ................................ C) Künstlerische Begabung .............................. 1]) Alkoholismus ........................................

73 74 79 83 87 87 94 99 99 103 10'5

109 110 110 111 113

113 115 116 117 118 119 119 119 124 128 131 133 133 139 157 176 176

178 181 184 188 191 195

2. Entwicklungsbedingungen ...................................... 199 a) Herkunft ................................................... 200 aa) Herkunft nach Stadt und Land .......................... 200

Inhaltsverzeichnis

9

bb) Herkunft nach Landschaften ............................ ce) Herkunft nach Ehelichkeit und Unehelichkeit ............ dd) Soziale Herkunft ....................................... b) Verwaisung ................................................. c) Biologische Belastung ........................................ aal Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Alkoholismus ........................................... ce) Suicid .................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. dd) Psychopathie ............................................ ee) Schwachsinn ............................................ ff) Geisteskrankheit ........................................ gg) Blindheit/Taubheit ...................................... hh) Kriminalität ............................................ ii) Verwandtenehe ......................................... kk) Ergebnis ................................................ d) Soziale Belastung ........................................... aal Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Ständige oder häufige Trunkenheit ...................... ce) Kriminalität ............................................ dd) Extreme Armut ......................................... e) Die Erziehungsfaktoren ..................................... 3. Existenzbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Vorbestraftheit ., ........................................... b) Ausbildung und Beruf ...................................... aal Schulausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Lehre und Beruf ........................................ c) Die Krise ................................................... d) Militärdienst, Familienverhalten ............................ aal Militärdienst ............................................ bb) Familienverhalten 4. Zusammenfassung ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

203 207 208 214 221 221 223 225 227 228 229 229 230 231 231 232 232 233 234 238 241 252 253 256 258 260 267 273 273 287

IH. Die Sicherungsverwahrung (Therapeutischer Teil) .................. 1. Zur Anordnung der Sicherungsverwahrung .................... a) Allgemeines ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Die zunehmende Verurteilungsbereitschaft .................. c) Die Verurteilung nach § 20a Abs. 2 StGB .................... d) Politische Urteile ......................................... , e) Sonder- und Militärgerichtsurteile .......................... f) Die Rechtsprer.hung nach der Novelle von 1941 .............. g) Allgemeine Begründungsmängel ............................ aal Verhältnis zu Schuld und Strafe ........................ bb) Gewohnheitsverbrechereigenschaft ...................... ce) Gefährlichkeit .......................................... dd) Sicherheitsbedürfnis .................................... h) Ungleichheiten in der Anordnungspraxis .................... 2. Die Anstaltshaft ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Die Anstalten und ihre Belegung ............................

290 290 290 299 306 313 315 320 320 321 322 326 329 332 339 339

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10

Inhaltsverzeichnis b) Die Dauer der Verwahrung ................................. c) Verhalten im Vollzug ........................................ 3. Beendigung der Sicherungsverwahrung ........................ a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Die einzelnen Beendigungsgründe ............................ aa) Entlassung wegen Zweckerreichung ..................... bb) Abgabe an die Konzentrationslager ...................... ce) Tod des Verwahrten .................................... dd) Die Entlassung nach Kriegsende und die regionalen Unterschiede ............................................ c) Schicksal nach der Beendigung der Sicherungsverwahrung ..

343 347 363 363 366 366 371 373 374 377

C. Verzeichnis der Akten ............................................ 380 D. Literaturverzeicbnis ............................................... 387

A. Bericht I. Aufgabe der Untersuchung 1. Untersuchung des historischen Geschehens Dieser Untersuchung sind drei Aufgaben gestellt. Erstens soll das historische Geschehen in der Zeit zwischen 1934 und 1945 auf dem Gebiet der Verwahrung rückfälliger Rechtsbrecher aufgeklärt werden1• Insofern hand~lt es sich bei dieser Arbeit zunächst um eine Dokumentation. Angesichts des gesamtpolitischen Geschehens während der angegebenen Zeit erschien es von wissenschaftlicher Seite aus notwendig, einmal zu untersuchen, ob und inwieweit gesellschaftliche Gesichtspunkte, die während dieses Zeitraumes eine besondere Rolle gespielt haben, sich auch auf diesem Gebiete ausgewirkt haben. Feststellungen hierüber könnten über ihren dokumentarischen Wert hinaus auch für die Gesetzgebung und Rechtsprechung von heute und morgen von Bedeutung sein. 2. Untersuchung des Gewohnheitsverbrechers Die Arbeit soll ferner über den sog. "gefährlichen Gewohnheitsverbrecher" nach dem Gesetz vom 24.11.1933 2 Aufschluß geben, d. h. es soll dargestellt werden, wer von diesem Gesetz in der Praxis erfaßt worden ist und inwiefern die erfaßten Personen nach ihren äußeren und inneren Merkmalen dem Begriff "gefährlicher Gewohnheitsverbrecher" entsprochen haben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Gewohnheitsverbrechergesetz eine Gruppe von Tätern zum ersten Mal "justiziell" machen sollte, die bisher nur in der Kriminologie (keineswegs als einheitlicher Typ) bekannt war, und daß es daher von besonderem Interesse ist zu erfahren, wie die schon seit Jahrzehnten vor Erlaß des Gesetzes vorhandenen kriminologischen Vorstellungen in der Praxis aufgenommen und in der Gerichtsarbeit verwirklicht worden sind3• 1 Die Arbeit beschränkt sich auf die männlichen Verwahrten. Die weiblichen Verwahrten fallen nicht ins Gewicht. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Verwahrten betrug am 1. 1. 1937 nur 4,2 °/. (Schmidt, DJ 1938, S. 192) und ist seitdem noch zurückgegangen. 2 Reichsgesetz vom 24. 11. 1933 gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung (RGBL. I, 995) nebst dem Ausführungsgesetz dazu, ebenfalls vom 24. 11. 1933 (RGBl. I, 1000). 3 An sich war es nicht notwendig, daß jeder als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher erkannte und verurteilte Täter auch zu Sicherungsverwahrung ver-

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Bericht

3. Untersuchung des Erfolgs der Verwahrung Schließlich war nach den Erfolgen des Gesetzes und der auf ihm beruhenden Rechtsprechung zu fragen. Der Wert einer so unmittelbar auf kriminal politische Zweckmäßigkeit abgestellten Aktion, wie es die Sicherungsverwahrung war, bemißt sich allein nach den rational erfaßbaren Erfolgen, die sie für die Gesellschaft und ihre Ordnung mit sich gebracht hat. Hier war vor allem das Fazit aus der Auswirkung des Gesetzes in der Praxis mit den Vorstellungen des Gesetzgebers zu vergleichen, und es wurde daher auch in der Untersuchung - ohne Rücksicht auf kriminologische Richtigkeit im einzelnen Fall- der Begriff "gefährlicher Gewohnheitsverbrecher", wie ihn der Gesetzgeber seinem Werk mitgegeben hat, verwendet, und nicht der des "Hangtäters"4 0 der anderer wissenschaftlicher Kennzeichnungen5, denen ein nicht immer gleiches und vor allem nicht normativ bestimmtes Täterbild zugrunde liegt.

4. Vergleich mit anderen Untersuchungen Außer diesen drei Hauptaufgaben sah die Arbeit ihre Aufgabe auch noch darin, die Ergebnisse der anderen diesem Gegenstand und dieser Zeit gewidmeten Arbeiten zu sammeln, mit den eigenen zu vergleichen und kritisch zu würdigen. Es ging vor allem darum, ein möglichst umurteilt wurde; denn die Verurteilung als Gewohnheitsverbrecher hatte zunächst nur die Strafschärfung nach § 20 a StGB zur Folge, während die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 42 e StGB das Vorhandensein eines Sicherungsbedürfnisses voraussetzt. Diese Trennung war aber von Anfang an nur von theoretischer Bedeutung. In Wirklichkeit wurde über jeden als gefährlichen Gewohnheitsverbrecher verurteilten Angeklagten auch die Sicherungsverwahrung verhängt, sofern nicht ganz besondere Umstände das Sicherungsbedürfnis ausschlossen. Vgl. dazu auch die AV des Reichsjustizministers vom 3.3.1938 (40l2-I! a 2 239), DJ 1938, S.323, Punkt I: "Danach ist stets, wenn der Täter nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher anzusehen ist, die Frage der Sicherungsverwahrung zu erörtern." Außer den zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen hat es also keine eigene Guppe von gefährlichen Gewohnheitsverbrechern gegeben. 4 Wie er jetzt im Entwurf (§ 85) heißt; vgl. früher schon RGSt. 68, 155. Näher u. a. Schwalm, D RiZ 1960, S. 277 ff. 5 Z. B. "Zustandsverbrecher" bei Exner, Kriminologie, 3. Aufl.1949, S. 203 ff.; "Chronische oder Neigungs-(Tendenz-)Kriminalität" bei Sauer, Kriminologie, Berlin 1950, S. 299 ff.; der "arbeitsscheue Berufsverbrecher" bei Seelig, Kriminologie, 2. Aufl., S. 45 ff.; "Verbrecher aus Neigung" bei Gruhle, Kriminalpsychologie i. Handw. Krim. I (BIn. 1933) S. 907 ff. (911). - An sich gibt es keinen besseren Begriff als den des Rückfallverbrechers, weil er der eindeutigste ist. Er genügte dem Gesetzgeber aber nicht, weiler nur etwas über die Äußerungen einer Person aussagt, nicht über ihr Sein. Gerade aber ein bestimmtes Tätersein sollte getroff.en werden. Dieses Tätersein konnte jedoch nicht objektiverfaßt werden, weil jedes menschliche Sein notwendig subjektiv ist. Also mußte man sich hier auf das Gebiet unbestimmter Begriffe, vieldeutiger Erscheinungen, widerstreitender Theorien begeben.

Aufgabe der Untersuchung

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fassendes und objektives Bild von den Vorgängen und Gedanken zwischen 1934 und 1945 zu entwerfen. Allerdings konnten die anderen dem gleichen Gegenstand gewidmeten Untersuchungen nur ergänzend herangezogen werden. Eine Arbeit, die, wie diese, den ganzen Zeitraum zwischen 1934 und 1945 und das Geschehen im gesamten Reichsgebiet, soweit es noch zu rekonstruieren war, nicht bloß zahlenmäßig erfassen will, gibt es nicht. In den Exnerschen Abhandlungen, die ebenfalls jeweils aus einem Urmaterial erarbeitet sind, ist nur die Zeit bis Kriegsbeginn und auch nur regional begrenztes Material (meist aus der Anstalt Straubing) berücksichtigt'. Wie wir noch im einzelnen sehen werden, lassen sich die verschiedenen Gruppen von Sicherungsverwahrten und damit das Gesamtgeschehen aber erst erkennen, wenn man Material aus ganz Deutschland und auch aus der Kriegszeit zugrunde legt7 • Der Rückfallsverbrecher war im Norden Deutschlands zum Teil ein anderer als im Süden, und während der Kriegszeit kamen noch eine neue Gruppe und neue Typen hinzu. Zum Gesamtgeschehen liegen bisher nur einzelne Zahlen vor, die vor allem Edgar Schmidt gesammelt und veröffentlicht hat8 • Aber aus Zahlen allein ergibt sich noch kein vollständiges Bild; vor allem ist der Gang des einzelnen Täters, eines der interessantesten und wichtigsten Kapitel des Gewohnheitsverbrechertums, aus ihnen nicht ersichtlich. So steht das von uns zugrunde gelegte Urmaterial schon aus Gründen der Vollständigkeit im Vordergrund. Es steht aber auch deshalb im Vordergrund, weil zu einzelnen hier behandelten Fragen andere Untersuchungen überhaupt fehlen, so etwa zur Durchführung der Verwahrung und zur Anordnungspraxis, also zu den gerade in rechtspolitischer Hinsicht interessierenden Fragen. 8 Vgl. vor allem Johannes Wend, Untersuchungen an Straflisten vielfach rückfälliger Verbrecher, Kriminalistische Abhandlungen, Heft 23, Leipzig 1936 (Sächsisches Material); Ludwig Latz, Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher, Kriminalistische Abhandlungen, Heft 41, Leipzig 1939; Möller, Entwicklung und Lebensverhältnisse von 135 Gewohnheitsverbrechern, Kriminalistische Abhandlungen, Heft 38, Leipzig 1939; Schwaab, Die soziale Prognose bei rückfälligen Vermögensverbrechern, Kriminalistische Abhandlungen, Heft 43, Leipzig 1939 und Schnell, Anlage und Umwelt bei 500 Rückfallsverbrechern, Kriminalistische Abhandlungen, Heft 22, Leipzig 1935. Möller hat Hamburger, die anderen haben bayrisches Material verarbeitet. 7 Eine Untel'suchung, die zum Teil noch Kriegsmaterial berücksichtigt, ist die von Heinke, BI. f. Gefk., Bd. 73, S. 21 ff. Stichtag ist hier der 1. 1. 1942. 8 Schmidt, Sicherungsverwahrung in Zahlen, DJ 1938, S. 192 und in "Dringende Fragen der Sicherungsverwahrung" (Beiträge zur Rechtserneuerung, Heft 7), Berlin 1938, S. 105 ff. - Stichtag ist hier der 1. 1. 1937; es sind also nur die ersten 3 Jahre berücksichtigt. Das Untersuchungsgut beschränkt sich aber auf die Anstalt Gräfentonna mit 379 Verwahrten. (Auch andere Untersuchung,en beschränken sich auf einzelne Anstalten, so die von Mayr, Moschr. Krim., 27. Jg. 1936, S. 209 ff. auf Straubing (Stichtag 15. 3. 36) und die von Franz Weber, BI. f. Gefk., Bd. 68, S. 429 ff. auf Brandenburg-Göhrden [Stichtag 30. 9. 37]).

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Bericht

11. Das Material 1. Die biographische Methode Um zu dem gewünschten vollständigen und objektiven Bild zu kommen, hätte es an sich eines möglichst großen und umfassenden Materials bedurft. Bei den unserem Vorhaben zur Verfügung stehenden Mitteln hätte ein großes Material aber nur zahlenmäßig - etwa nach dem Lochkartensystem - ausgewertet werden könnenD. Wie schon angedeutet, hätte eine mehr oder weniger schematische Erfassung des Materials jedoch nur die äußeren Zeichen des Gewohnheitsverbrechertums und der Sicherungsverwahrung erfassen können. Die innere Gesetzmäßigkeit, die Entwicklung des Täters und selbst die Kriterien für die Schädlichkeit seiner Handlungsweise wären dabei unberücksichtigt geblieben. Was nützt es z. B. zu wissen, wie oft der betreffende Täter rückfällig geworden ist, ehe er in die Sicherungsverwahrung kam, wenn wir nicht erfahren, worin seine Handlungen im einzelnen bestanden haben? Und können wir aus statistischen Zahlen über die Frühkriminalität entnehmen, wie die Frühkriminalität zustande kam? - Wir haben uns daher aus Gründen der wissenschaftlichen Zuverlässigkeit für die biographische Methode entschieden, d. h. für die Erforschung der Faktoren am einzelnen Beispiepo. Dies bedingte eine Beschränkung des Materials auf eine möglichst kleine Auswahl; sie besteht aus 250 Personalakten von Personen, die zwischen 1934 und 1945 zur Sicherungsverwahrung verurteilt worden sind, und aus 20 Akten von Personen, die erst nach 1945 zur Sicherungsverwahrung verurteilt worden sind, aber schon vor 1945 im Wege der Vorbeugungshaft interniert gewesen waren. Die letztere Gruppe diente uns in einigen Fällen zum Vergleich und zur Kontrolle (z. B. bei der Rechtsprechung zwischen 1934 und 1945). Die biographische Forschungsmethode bedeutet aber keinen Verzicht auf Zahlen. Soweit diese einen' wichtigen Umstand deutlich machen konnten - vor allem im ersten Teil der Untersuchung -, sind sie zusammengestellt und genannt worden. Außerdem spielen Zahlen natürlich dort eine Rolle, wo sie Schlüsse auf das Allgemeingeschehen zulassen. 9 Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist die Arbeit Graßbergers über "Die Lösung kriminalpolitischer Probleme durch die mechanische Statistik", Wien 1946 (Kriminologische Abhandlungen, neue Folge, Heft I). Graßberger hat seiner Arbeit rund 2 Millionen beim österreichischen Strafregisteramt in der Zeit von 1918 bis 1937 geführte Straflisten zugrunde gelegt (vgl. dort S. 5 ff.). 10 Die Betonung liegt also nicht auf dem Querschnitt durch eine Summe von Sicherungsverwahrten, sondern auf dem Längsschnitt durch jeden einzelnen Verwahrten, seine Entwicklung, sein Schicksal und sein kriminelles Gebaren.

Das Material

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2. Auswahl des Materials Deshalb ist es weiter die Frage, ob das von uns ausgewählte Material auch repräsentativ ist, d. h. ob es solche Schlüsse auf das Allgemeingeschehen innerhalb des Zeitraumes zwischen 1934 und 1945 auch zuläßt. Hier kommt es natürlich entscheidend auf die Art und Weise der Auswahl an: sie durfte nicht nach bestimmten, vorher festgelegten Kriterien stattfinden, um etwa ein bestimmtes Ergebnis zu erhalten; sondern sie mußte sich einfach nach den tatsächlichen Gegebenheiten richten und danach trachten, möglichst vorurteilsfrei von ihnen auszugehen. Eine dieser - zunächst nur äußeren - Gegebenheiten war die landschaftliche Verschiedenheit der Täter und der Gerichte, die sie abgeurteilt haben, und ferner die zeitliche Verschiedenheit der Urteile. Wir haben deshalb - nach der jeweiligen Größe und Bevölkerungszahl des entsprechenden Landesteils - beschafft: Akten aus Werl (Nordrhein-Westfalen) . .... .... ...... ...... .... . .... aus Straubing (Süddeutschland) .............................. aus Rendsburg (Norddeutschland) ............................ aus Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90 70 61 29

insgesamt: 250 Dabei ergab sich zunächst hinsichtlich der landschaftlichen Verschiedenheit, daß die Urteile von 76 verschiedenen Gerichten gesprochen wurden und daß sowohl die Sicherungsverwahrten als auch die Urteile aus allen Gegenden des ehemaligen Reichsgebiets stammen. Im einzelnen ist die Verteilung folgende: Land bzw. Landschaft

Sicherungsverwahrte

Bayern ......................................... . Berlin/Mark Brandenburg ....................... . Hamburg ....................................... . Hessen ......................................... . Mecklenburg/Pommern ......................... . Niedersachsen ................................. . P1ialz ........................................... . Rheinland ..................................... . Sachsen/Thüringen ............................. . Saarland ....................................... . Schlesien/Ostpreußen ........................... . Schleswig-Holstein ............................. . Sudetenland ................................... . Westfalen ..................................... . Württemberg/Baden ........................... .

43 11 18 15 5

12 13

Urteile 47 10 25

17

4 16

13

17 5 10

37 11 3 4

20

28 23

250

250

37

11 5 28

10 2

Bericht

16

Eine allgemeine Statistik, aus der hervorginge, wieviele Personen in der Zeit von 1934 bis 1945 in den einzelnen Ländern zur Sicherungsverwahrung verurteilt worden sind, gibt es nicht11 • Wir können aber an Hand der allgemeinen Bevölkerungszahlen feststellen, daß die Verteilung in unserer Tabelle diesen etwa entspricht. Nur die ostdeutschen Provinzen sind in unserem Material nicht ihrem tatsächlichen Anteil an der damaligen Gesamtbevölkerung entsprochend vertreten. Dieses liegt einmal an den Kriegsfolgen und ferner daran, daß die Anstalten, in denen die Sicherungsverwahrung für diese Gebiete vollstreckt wurde, heute im Osten liegen. Die Hauptbevölkerungsgebiete Süd-, West- und Norddeutschlands sind aber auch in unserem Material Schwerpunkte der Herkunft der Sicherungsverwahrten und der Gerichte, die sie verurteilt haben; es kann also insofern als repräsentativ angesehen werden.

Zur zeitlichen Verschiedenheit des Materials: Über die Zahl der jährlichen Verurteilungen zur Sicherungsverwahrung gibt es folgende Statistik12, aus der zum Vergleich mit unseren Zahlen folgendes zu entnehmen ist: Jahr 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 ............................. . 1942 (I-lII) ....................... .

allgemein 3723 1464 946

765 964

1827 1916 1651 1095

1'943

193). Diese Fragen führen einmal auf den Schulenstreit zurück (klassische Schule: getrennte Verwahrung neben Strafe; soziologische Schule: Sicherungsstrafe), ferner aber auch auf das - sehr weite - Feld praktischer Bedürfnisse des Vollzugs (zu beiden näher Teil B, III). 30 Dazu, daß er auch hier von Anfang an als gültig anerkannt war, vgl. Bruns, ZStW 60, S. 474 ff. (496) und Sieverts, Handw. Krim. II (1936), S. 589 ff. (592). Vgl. neuerdings auch Hardwig, Moschr. Krim. 1959, S. 1 ff. (21). 31 Diesen Gesichtspunkt hatte in aller Deutlichkeit schon Ger land a. a. 0., S. 49 ausgesprochen. Gerland, der in dieser Abhandlung überhaupt sehr kritisch zum Gesetz und zur Praxis Stellung nimmt, führt dort u. a. aus, die Sicherungsverwahrung sei nur ,als ultima ratio anzuwenden; sie sei eine Maß-

26

Bericht

4. Erfolg der Sicherungsverwahrung im Sinn der Offenlegungsfunktion naß die Einführung der Sicherungsverwahrung zur Sammlung und Registrierung der gefährlichen Kriminellen beigetragen hätte, wird man nach unseren Feststellungen nicht sagen können. Sie hat dafür aber zu der Erkenntnis beigetragen, daß der intelligente Schwerverbrecher durch Maßnahmen dieser Art nicht erreichbar ist, und daß diejenigen, die alles und jedes machen, ohne zu bedenken, welche Folgen das für sie haben kann, meist die intelligenzschwächeren und an der Oberfläche der Kriminalität schwimmenden kritiklosen, leicht lenkbaren und daher zu allem, zum Guten wie zum Schlechten, verführbaren Elemente sind, deren Handlungen - wie ihre Lebensäußerungen überhaupt - kurzsichtig, ohne Perspektive, aus dem Augenblick geboren und für den Augenblick bestimmt und daher spezial präventiv gar nicht so schwer zu verhüten sind. Schon diese Erkenntnis aber ist wichtig und kann uns weiterhelfen: während man früher meinte, der vielfach Rückfällige sei schlechthin die eigentliche "kriminelle Person"az und mit seiner Isolierung würde, wenn auch nicht gleich der vollkommene Friede, so doch eine wesentliche Beruhigung auf dem Gebiet der Kriminalität einkehren33, wissen wir heute, daß das nicht der Fall ist. Wir müssen zwischen den Rückfälligen unterscheiden, die von einer Straftat in die andere taumeln, weil sie keine soziale Richtung haben, und denen, deren soziale Richtung gerade das Verbrechen ist. Wir werden also in Zukunft weiter fortschreiten müssen zu jenem - ungleich kleineren - Kreis von Rückfälligen, die kurz vor der Verwahrung abbiegen, aber bereits auf ihrem Wege bis dahin mehr Schaden angerichtet haben als die blindlings in die Verwahrung wie von einer Strafe in die andere taumelnden kleineren Täter. Wir werden also unser kriminal politisches Bekämpfungssystem noch einmal ändern und umstellen müssen. Die Erörterung, wie das zu geschehen hat, gehört nicht mehr zu unserem Thema. Sie muß einer besonderen Arbeit vorbehalten bleiben3t • nahme, "deren Zweischneidigkeit sich sonst nur zu leicht gegen die Gesamtheit selbst wenden kann, die doch (das sollte man nie übersehen) mit getroffen wird, wenn eines ihrer Mitglieder getroffen wird". 32 Hieran ist wohl vor allem die einfache, aber unzutreffende Unterscheidung zwischen den Einmaligen und den Rückfälligen schuld. Beide können doch d~e gleiche Person sein, nur zu verschiedenen Zeiten betrachtet. Dieser Gedanke klingt auch bei Aschaffenburg, Kriminalanthropologie und Kriminalbiologie, Handw. Krim. I, S. 825 ff. (837) an, wenn er - sehr zutreffend sagt, Gelegenheits- u. Gewohnheitsverbrecher seien nur verschiedene Stufen ein- und desselben Haltlosentyps. Entscheidend ist doch die Willensrichtung (weshalb H. Mayer zutreffend den Gewohnheitsverbrecher als eigenen Willenstyp aufgefaßt und eingegrenzt wissen will, vgl. Allg. Teil, S. 63). 33 So u. a. Gürtner, Arch. Krim., 93. Bd., S.197 ff. (200) und Schäfer-Wagner-Schafheutle, Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher, Berlin 1934, S. 3 und S. 33 ff. st Eines ist allerdings schon nach diesen Ausführungen klar: das grandiose Experiment, das mit der Sicherungsverwahrung in den ersten 12 Jahr,en

Ergebnis der Untersuchung

27

Eine Erörterung der Erfolge der Sicherungsverwahrung ist unvollständig, wenn nicht auch die möglichen Schäden und Gefahren dieser Maßregel erwähnt werden. Nagler schrieb schon vor einem halben Jahrhundert, das Maßregelrecht könnte sich zu einem Mittel des Klassenkampfes entwickeln und den sozialen Fortschritt hemmen 35• Wenn der Kreis der Sicherungsverwahrten so groß geworden war, daß man schon von einer eigenen sozialen Gruppe sprechen konnte, so mußte hier unbedingt ein allgemeiner sozialer Fehler mitwirken, und dieser lag darin, daß eine so große Zahl von Mitgliedern unserer Gesellschaft überhaupt verwahrungs bedürftig wurde. Sicher sind, wie noch gezeigt werden wird, auch politische Umstände, vor allem die herrschende Ideologie in jenen Jahren mit dar an schuld, daß die Zahl der Verwahrten so anstieg und daß eine so große Zahl von Personen als suspekt angesehen worden ist. Im Grunde aber handelt es sich um eine allgemeine soziale Erscheinung, eine soziale Fehlentwicklung. Das bestätigt auch die langsame Zunahme der Zahl der Sicherungsverwahrten in der heutigen Zeit, die mit derjenigen, mit der wir uns hier zu befassen haben, politisch nichts zu tun hat. Mit den vielfach Rückfälligen wird einfach eine Gruppe von Personen schuldig, in der sich die Zeichen und Mängel der Zeit am ehesten ausdrücken, weil diese Personen keinen Halt in sich besitzen, sondern vollständig von der Umwelt abhängen, die sich in ihnen gewissermaßen nur widerspiegelt; es wird also die Gruppe von Personen schuldig, in denen sich die Freiheitsunfähigkeit des modernen Menschen in erhöhtem Maße ausdrückt3B • angestellt worden ist, hat nicht nur die bis dahin schon immer theoretisch gestellte Frage nicht beantworten helfen, welches Reaktionsmittel (besondere Verwahrung oder Sicherungsstrafe) das kriminalpolitisch richtige ist, sondern es hat sogar noch eine neue, u. E. viel entscheidendere Frage neu aufgeworfen, nämlich welche Art von Tätern überhaupt verwahrt werden soll, die aktiven Berufsverbrecher (so vor allem Gilrtner, a. a. 0., S. 197 und Hagemann, Berufsverbrecher, Handw. Krim. I, S. 132 ff., 140) oder die Berufsverbrecher und die Gewohnheitsverbrecher (so die überwiegende Meinung, vgl. Schäjer-Wagner-Schajheutle, a. a. 0., S.41 ff.) oder nur die letzteren (so vor allem Gerland, a. a. 0., S. 29-32 und Lobe, Nachtrag zum Leipziger Kommentar, 1934, S.5). 35 Nagler, Verbrechensprophylaxe und Strafrecht, Leipzig 1911, S. 106: "Der Gesellschaftsschutz wird sich wohl immer zunächst an die gegenwärtige, soziale Organisation halten und ihre Grundlagen und Formen zu erhalten sich bemühen. Er kann so leicht zum Hindernis für eine wirkliche Evolution werden. Die herrschenden moralischen, religiösen, wirtschaftlichen und politischen Anschauungen werden als die natürlichen und schutzbedürftigen erscheinen, aUe ihnen widerstrebenden dagegen als bekämpfenswert. Das Gesichtsfeld, das dem Sicherungsg·edanken zur Verfügung steht, ist eben beschränkt: die eigentlich große Kulturperspektive fehlt." 38 Zu dieser Problematik kann hier nicht näher Stellung genommen werden. Es s·ei v,erwiesen auf Sprang er, Pädagogische Perspektiven, 3. Aufl. Heidelberg 1955, S. 1 ff., insbes. S. 10; Orte ga y Gasset, Das Wesen geschichtlicher Krisen, 3. Ausgabe, Stuttgart 1951, S. 43 ff. und meine Arbeit "Erziehung und Strafe", Berlin 1957, in der ich mich auf S. 78 fI. mit ihr eingehend auseinandergesetzt habe.

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Bericht

Statt nun den Weg zu gehen, diese Mängel zu erforschen und verstärkte Bemühungen zu unternehmen, sie abzustellen, wählt die Gesellschaft mit d€r Verwahrung das einfachere Mittel, einen Trennstrich zwischen sich und ihnen zu ziehen, innere Zusammenhänge zu leugnen, den Schwachen die Verantwortung für ihr Verhalten allein aufzubürden und in dem beruhigenden Gefühl, nun vor ihnen sicher zu sein, sie hinter Mauern sitzen zu lassen und sich selber dem Leben weiter hinzugeben, wie es gerade ist. Die Sicherungsverwahrung ist und bleibt eine N otstandsmaßnahme gegen solche Personen, die unter allen sozialen Bedingungen, auch den besten, eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen. Sie ist kein Ersatz für die Bemühungen, die die Gesellschaft dauernd unternehmen muß, um mit der Entwicklung der Zeit zu gehen und mit ihren ständig neuen Problemen fertig zu werden. Zu diesem Ersatz ist sie aber heute geworden. Das konnte man 1933 vielleicht noch nicht sehen, aber es belastete das Gesetzeswerk von Anfang an. Die Folge wird sein, daß die Verantwortungsfähigkeit des Menschen immer kleiner wird, daß die Maßregel zu einem regulären kriminalpolitischen Mittel sich entwickelt und immer mehr an die Stelle der Strafe treten wird37 • Die Entwertung der Strafe und damit des Schuldgedankens ist wohl niemals so deutlich geworden wie in den letzten 25 Jahren. Auch in dieser Perspektive, die heute erst ganz deutlich wird, müssen die Anfänge der Maßregel betrachtet werden.

37 Diese Tendenz tritt deutlich zutage, wenn man mitunter liest, daß von der Sicherungsverwahrung viel zu selten Gebrauch gemacht wird und daß eigentlich viele tausend Personen in die Verwahrung gehörten. Diese Anschauung haben wir bei unseren Besuchen und Besprechungen - vor allem am grünen Tisch - sehr oft gehört. Die Praxis ist aber überwiegend anderer Auffassung, vgl. nur Naegelsbach, a. a. 0.; ferner - in bezug auf die vorbeugende Verwahrung, wo die Problematik ähnlich ist - Busch, Z. f. Strafvollzug 1960, S. 309 ff.

B. Untersuchung J. Die Tal und der Täler (Phänomenologie)1 Unter den formellen Voraussetzungen der Verurteilung nach § 20 a StGB (materielle Voraussetzung ist die Gewohnheitsverbrechereigenschaft) nimmt die letzte Tat, die Tat auf die hin die Sicherungsverwahrung angeordnet wird, eine besondere Stellung ein. Sie löst die Sicherungsverwahrung erst aus. Unter ihrem Eindruck steht der Richter, wenn er die Maßregel anordnet. Das entscheidende Gewicht liegt auch insofern auf ihr, als im Anschluß an sie ein Sicherungsbedürfnis, das nur durch die Maßregel befriedigt werden kann, übrig bleiben muß 2 • Deshalb soll zunächst sie und dann erst das kriminelle Vorleben unserer Sicherungsverwahrten dargestellt werden.

1. Die Tat Hier soll die Schädlichkeit der Handlungsweise im Gegensatz zur Gefährlichkeit des Täters untersucht werden. Gefährlich kann nicht die einzelne Tat, sondern nur der Täter sein. Seine Gefährlichkeit bemißt sich aber in erster Linie nach der Schädlichkeit seiner Tat, sodann natürlich auch nach der Wiederholungsgefahr, aber nicht nur nach der Wiederholungsgefahr3 • Also müssen wir zunächst die Tat selber kennenlernen und analysieren. a) A II g e m ein e s Die Sicherungsverwahrung ist in 2 Formen verhängt worden: entweder im Zusammenhang mit der Aburteilung einer Straftat (Straftatsverurtei1 In der Voranstellung der Phänomenologie weiß sich der Verfasser einig vor allem mit Würtenberger, a. a. 0., S. 39. 2 In dogmatischer Hinsicht ist die Qualifikation dIeser Straftat sehr umstritten gewesen und auch geblieben. Das Gesetz fordert in § 20 a StGB nur, daß sie vorsätzlich begangen worden ist und daß der Täter durch sie eine Freiheitsstrafe verwirkt hat. Gerland a. a. 0., S. 40 hat daher zutreffend gemeint, nach dem Gesetz genügt an sich auch eine bloße Übertretung (ähnlich Exner, ZStW 53, S. 629 ff., 651/52); da man dies aber nicht -ernstlich annehmen könne, handele es sich um einen gesetzestechnischen Fehler. In der Tat wird man ernstlichere Verletzungs handlungen fordern müssen; aus dem Gesetz geht das aber kaum hervor. (Näher zu diesen Streitfragen Teil II!). 3 Wie die Gerichte auf Grund der in dieser Hinsicht nicht eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung vieUach angenommen haben; vgl. dazu eingehend unten, Teil II!.

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Untersuchung

lung; dies ist der Normalfall); oder in einem besonderen Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft, wenn der Verurteilte sich noch auf Grund eines früheren Strafurteils in Strafhaft befand (nachträgliche Verurteilung)4. Im ersteren Fall ist die Mitwirkung der letzten Straftat natürlich größer als im letzteren Fall. Wir wollen daher im folgenden zwischen beiden Formen der Verhängung unterscheiden. aa) Straftatsverurteilung

Von den 250 Personen unseres Materials sind 186 gelegentlich einer Straftat zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Die Urteile enthalten Schuldsprüche wegen: Anzahl der Personen einf. Diebstahls .................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. schweren Diebstahls ....................... . . . ............. . .. räuberischen Diebstahls ................................... . .. Raubs........................................................ Hehlerei ......... . ... . ................. . ............. . . . . . .. Unterschlagung .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Betrugs ........................ . .......................... . .. Urkundenfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Untreue .................... . .......................... . . . . . .. Münzdelikts .................... . .......................... . .. Bettelns ............... . ... . .... . ........ . .................... Sittlichkeitsdelikts ....................................... . .... Beleidigung ......................................... . . . ...... Körperverletzung ............... " .......... " . . .. . . . . . . .. . . . Widerstand gegen die staatsgewalt ....................... . .... Amtsanmaßung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heimtücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landesverrats ......................................... . ...... Vertragsbruchs ..... " .. .. .. .. . . .. .. . . .. .. . . . . . . .. . . .. . . .. . . . . . Entführung ............. . .... . ............................... Jagdfrevels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volksschädl. VO. .............................................. Landstreichens ................................................

83 45 2 3 7

10

74 25 3 1

3 25 2 2 1 1 3 1 1 1 1 1 1

Die Summe von insgesamt 296 Schuldsprüchen ergibt sich daraus, daß in demselben Urteil Schuldsprüche wegen verschiedener Delikte enthalten sein können. Dabei ist allerdings nicht jede selbständige Handlung, , Die Verurteilung im sogen. "nachträglichen Sicherungsverfahren" war im Gegensatz zur Straftatsverurteilung nur fakultativ und nicht mit der Strafschärfung nach § 20 a StGB verbunden. Sie beruhte auf Art. 5 des Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher in Verbindung mit Art. 14 des Ausführungsgesetzes dazu. Art. 5 Abs. 2 lautete: "Verbüßt jemand, der schon zweimal rechtskräftig verurteilt worden ist, nach dem 1. Januar 1934 auf Grund eines weiteren, vor diesem Zeitpunkt ergangenen Urteils eine Freiheitsstr:afe und ergibt die Gesamtwürdigung 'seiner Taten, daß er ein g,efähr-

Die Tat und der Täter

31

wegen der ein Schuldspruch erfolgt ist (z. B. wenn 7 Diebstähle begangen und abgeurteilt wurden) gezählt, sondern nur die Deliktsart an sich (also Diebstahl, Betrug usw.). Auf diese Weise kommt das Verhältnis der verschiedenen Deliktsarten zueinander am besten zum Ausdruck. Danach ist der Diebstahl, und zwar der einfache Diebstahl - wie ganz allgemein - das häufigste Delikt; es folgen der Betrug, dann der schwere Diebstahl, die Sittlichkeitsdelikte, die Urkundenfälschung und schließlich die Unterschlagung. Unterscheidet man zwischen Vermögens- und Nichtvermögensdelikten, so überwiegen ganz erheblich die ersteren; sie kommen über 6mal so häufig vor wie die letzteren (256:40). Die Bedeutung der einzelnen Delikte für die Verhängung der Sicherungsverwahrung ergibt sich aber erst aus ihrer Stellung im Urteil, d. h. daraus, ob und inwieweit die Verhängung der Sicherungsverwahrung nur auf sie oder auf eine Kombination mehrerer Delikte miteinander gestützt worden ist. Die Sicherungsverwahrung wurde verhängt: mal nur wegen Diebstahls ........................................ nur wegen schweren Diebstahls ................................ Diebstahls und schweren Diebstahls gemeinsam ................ nur wegen räuberischen Diebstahls ............................

30 20 15 2

Diebstahlsgruppe 67 nur wegen Betrugs 32 Diebstahls und Betrugs zusammen ............................ 24 nur wegen Sittlichkeitsdelikten ................................ 19 nur wegen Beleidigung ........................................ 1 nur wegen Landesverrats ............... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 licher Gewohnheitsverbrecher ist, so kann das Gericht die Sicherungsverwahrung des Verurteilten nachträglich anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert. Die Anordnung setzt voraus, daß die drei Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens ergangen sind und in jeder von ihnen auf Todesstrafe, Zuchthaus oder Gefängnis von mindestens sechs Monaten erkannt worden ist. § 20 a Abs. 3, 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend." Und Art. 14 des Ausführungsgesetzes: "In den Fällen des Art. 5 Ziff. 2, 3 des Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung kann die Staatsanwaltschaft die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung oder der Entmannung beantragen, so lange die Strafe nicht verbüßt, bedingt ausgesetzt, verjährt oder erlassen ist (nachträgliches Sicherungsverfahren)." Näher zu diesen Vorschriften Schäfer-Wagner-SchafheutZe, Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung, Berlin 1934, S. 219 ff. lmd S. 336 ff.

Untersuchung

32

nur wegen Heimtücke ........................................ '.' nur wegen Hehlerei ......................................... . nur wegen Jagdfrevels ....................................... . Der Diebstahl ist vertreten in Kombination mit Unterschlagung ......................................... . mit Sittlichkeits delikten ..................................... . mit Hehlerei ......................................... " .... . mit Urkundenfälschung ..................................... . mit Betteln ................................................. . mit Raub ................................................... . mit Landstreichen ........................................... . mit Körperverletzung ....................................... . mit Beleidigung ............................................. . Der Betrug in Kombination mit Urkundenfälschung ..................................... . mit Unterschlagung ......................................... . mit Hehlerei ................................................. . mit Sittlichkeitsdelikten ..................................... . mit Untreue ............................................... . mit Landesverrat ........................................... . mit Münzdelikten ........................................... . mit Amtsanmaßung ......................................... . Die Sittlichkeitsdelikte in Kombination mit mit mit mit

Diebstahl Betrug ................................................. . Beleidigung ............................................. . Raub ................................................... .

1 1 1

mal 5 5 4 3 2 2 1 1 1

mal 7 6 2 2

1 1 1 1

mal 5 2

1 1

Im übrigen kommen unter den Taten, die mit anderen zusammen zur Verhängung der Sicherungsverwahrung geführt haben, vor: mal Untreue ...................................................... Körperverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Münzdelikte .................................................. Widerstand gegen die Staatsgewalt ............................ Raub ........................................................ Heimtücke .................................................... Landesverrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 2 1 1 1 3 1

Danach haben von den häufigeren Delikten die Sittlichkeitsdelikte die stärkste Stellung: bei 25 Schuldsprüchen insgesamt haben sie in 19 Fällen allein zur Sicherungsverwahrung geführt. Es folgen die schweren

Die Tat und der Täter

33

Diebstähle (45:20), der Betrug (74:32) und dann erst der einfache Diebstahl (83:30). Bei den selteneren Delikten zeigt der räuberische Diebstahl ein völlig reines Verhältnis: 2 Schuldsprüche und in beiden Fällen ist die Sicherungsverwahrung allein gelegentlich dieser Schuldsprüche verhängt. Entsprechend sind die Kombinationsfälle bei den Sittlichkeitsdelikten am seltensten (was nichts über die Zahl der in den Kombinationsfällen hinzukommenden Delikte besagt), beim Diebstahl am häufigsten. Die Arten der Kombination ergeben sich ebenfalls aus der Aufstellung. Danach sind vor allem Diebstahl und Betrug häufig miteinander kombiniert, der Diebstahl trifft weiter häufig mit Unterschlagung, Sittlichkeitsdelikten und Hehlerei zusammen, der Betrug vor allem mit Urkundenfälschung.

bb) Nachträgliche Verurteilung Bei den 64 während der Strafverbüßung nachträglich zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen unseres Materials enthält das letzte Strafurteil Schuldsprüche wegen6 : Anzahl der Personen einf. Diebstahls .............................................. schweren Diebstahls .......................................... Raubs ...................................................... Hehlerei .................................................... Unterschlagung ... " ...... " .. " ., ....... , .. .. .. . . .. . . .. . . . .. Betrugs ...................................................... Urkundenfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Münzdelikts .................................................. Bettelns ...................................................... Sittlichkeitsdelikts ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Körperverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freiheitsberaubung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brandstiftung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachbeschädigung .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landesverrats ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Totschlags .................................................. Kokain ...................................................... Waffenbesitzes ................................................ falschen Namens ..............................................

18 27 6 1 3 13 5 1 1 4 2 1 2 2 1 2 1 1 1

5 Nach der Reichskriminalstatistik sind im ganzen 3296 Personen im nachträglichen Sicherungsverfahren zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden, und zwar verteilen sich die Verurteilungen auf die einzelnen Jahre, wie folgt: 1934 .............................. 2 367 Personen 1935 .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 Personen 1936 .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Personen 1937 .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Personen

3 Hellmer, Der Gewohnheitsverbrecher

34

Untersuchung

Hier sind die Zahlenverhältnisse gegenüber denjenigen bei der Straftatsverurteilung wesentlich verschoben. Zwar überwiegen auch hier die Vermögensdelikte (75:17), innerhalb der Vermögensdelikte steht aber nicht der einfache, sondern der schwere Diebstahl an erster Stelle. überhaupt spielen die schweren Delikte eine größere Rolle: der Raub ist, obwohl die Gesamtzahl der Schuldsprüche bei der nachträglichen Verurteilung noch nicht einmal 1/3 derjenigen bei der Straftatsverurteilung beträgt, doppelt so häufig (6mal), und der Totschlag ist bei der Straftatsverurteilung überhaupt nicht, hier 2mal vertreten; ebenso die BrandstiftungS. Die Verlagerung des Gewichts auf die schweren Straftaten bei der nachträglichen Verurteilung ist vor allem in psychologischer Hinsicht interessant, weil der Richter danach bei der Aburteilung einer Straftat offenbar leichter geneigt ist, Sicherungsverwahrung anzuordnen, als nachträglich, wenn der unmittelbare Eindruck der Tat vergangen ist. Außerdem wirkt hier natürlich auch der Umstand mit, daß nur längere Strafzeiten (auf Grund schwererer Taten) in die Zeit nach 1933 hineinreichten und damit die Möglichkeit zur nachträglichen Verurteilung boten. b) Die Diebstahlshandlungen (einseh!. Raub u. räuber. Diebstahl)7. Von den 250 Personen sind insgesamt 154 Personen (61,6 Ofo) bei oder nach Aburteilung eines Diebstahls, räuberischen Diebstahls oder Raubs (allein oder mit anderen Delikten zusammen) zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden 8 und zwar: 1938 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Personen 1939 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Personen 1940 .............. . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Personen (Auch nach unserem Material erfolgten die nachträglichen Verurteilungen vor allem in den ersten 2 Jahren der Geltung des Gesetzes). Im Jahre 1934 überwog die Zahl der nachträglichen Verurteilungen also bei weitem die der Straftatsverurteilungen (2367 : 1356). 8 Nach der Reichskriminalstatistik ist für das Jahr 1934, in dem die meisten nachträglichen Verurteilungen stattgefunden haben, eine ähnliche Tendenz zu bemerken (Bd. 507, S. 174/175). So ist z. B. wegen Mordes die Sicherungsverwahrung nachträglich 7mal, nach einer neuen Straftat überhaupt nicht, wegen Totschlags nachträglich 20mal, nach einer neuen Straftat nur 3mal und wegen Raubs nachträglich 56mal, nach einer neuen Straftat nur 18mal angeordnet worden. - Zum Teil abweichend hiervon enthält die Aufstellung bei Möller, S. 13--16, dessen Material nur aus nachträglichen Verurteilungen besteht, keine Auffälligkeiten; das liegt aber an der besonderen Hamburger Praxis. 7 v. Hentig, Diebstahl usw., ist zwar der Auffassung, der Raub stehe den Körperlichlreitsdelikten (Mord, Körperverletzung u. ä.) näher als den "bloßen Eigentumsdelikten" (S. 190/91), er behandelt ihn aber wie wir - zutreffend doch mit den Eigentumsdelikten zusammen. 8 Bei Schmidt, a. a. 0., sind es 64 %, bei Lotz, ,a. a. 0., S. -53 ff., 56 0/0. Unsere Zahl hält also die Mitte.

Die Tat und der Täter Straftatsverurteilung wegen einfachen Diebstahls einf. und schweren Diebstahls zusammen schweren Diebstahls allein räuberischen Diebstahls und Raubs Sa.

35

Nachträgliche im ganzen Verurteilung

59

12

71

22 25

5 20

27 45

5

6

11

111

43

154

In 130 dieser Fälle ist der Hergang der Tat aus dem Urteil selber ersichtlich. Es wurden im einzelnen begangen: Einfache Diebstähle mal Fahrraddiebstähle .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Bekanntendiebstähle .......................................... Diebstähle aus Wagen und aus Autos ............... . . . . . . . . . . . Land- und Betteldiebstähle ......................... . . . . . . . . . . . Wohnungs-, Straßen-, Ladendiebstähle ............... . . . ...... Schwere Diebstähle Lebensmitteldiebstähle ........................................ andere Haus- und Wohnungseinbrüche ........................ Räuberischer Diebstahl und Raub ........................... . ..

21 24

5 9

14 23 24

10

In diesen 130 Fällen haben also 73 Personen einfache, 47 Personen schwere Diebstähle und 10 Personen Raub- bzw. räuberischen Diebstahl begangen. Bevor wir zu dieser Einteilung Stellung nehmen, sollen zunächst die einzelnen Handlungen kurz geschildert werden:

Einfacher Diebstahl FahrTaddiebstähle 39 2 Fahrräder nach Besuch mehrerer Wirtschaften (das erste läßt er beim Diebstahl des zweiten stehen). 7 Fahrrad aus nicht verschlossener Scheune. 10 Fahrrad von der Straße (an Besitzer zurück). 12 Fahrrad aus dem Keller eines Hauses. 30 12 Fahrräder von der Straße (nach Entlassung aus dem Arbeitshaus). 50 Damenfahrrad von der Straße. 52 Motorrad mit Komplizen (1932). 53 Fahrrad vor einer Gastwirtschaft. 8 Diese Ziffern bezeichnen hier und im Laufe der weiteren Arbeit die Fälle. Am Schluß der Arbeit befindet sich ein nach den Fallnummern geordnetes Aktenverzeichnis.

36

Untersuchung

71 1934 unangeschlossenes Fahrrad von der Straße. 80 2 Fahrräder von der Straße. 85 Ein Fahrrad. 107 2 Fahrräder von der Straße (lebte von Wohlfahrt, 1934).

113 Fahrräder von der Straße. 121 Fahrrad aus dem Hauseingang einer Wirtschaft. 128 Ein Fahrrad. 140 Motorrad i. W. von 800,- vor einem Kino (nach kurzer Fahrt stehen gelassen). 177 12 Fahrräder, für 5,- je Stück weiterverkauft (gefaßt, kein Schaden). 193 3 Fahrräder, weiterverkauft (falsche Eigentumsbescheinigungen). 202 10 Fahrräder. 217 1934/35 60 Fahrräder (pro Tag eins). 223 2 Fahrräder, eins aus einer Schule, eins vor einem Bahnhof.

Bekanntendiebstähle 33 Dieselöl und Treibriemenstücke für insges. 10, - vom Arbeitsplatz. 47 Damenjacke einer Wohnungsnachbarin aus offener Kellertruhe (nach Erhalt des Gestellungsbefehls 1943). 51 Silbernen Kelchlöffel, Taschenmesser, einige Kleidungsstücke vom Arbeitgeber (Rache?). 62 5,- bzw. 11,- RM von 2 Zimmergenossen in der Herberge. 101 1 500,- RM aus Schublade der Vermieterin, 75,- von einem anderen Untermieter. 129 Geld von seiner in die Kirche gegangenen Dienstherrin (Bäuerin). 152 20,- RM von einem Arbeitskollegen, bei dem er wohnt (zurückerstattet). 159 Uhr im Wert von 7,50 RM von einem schlafenden Zechkumpanen. 160 Anzug von Vermieterin, bei der er sich allS angebl. Elektromonteur der Elektr. Ges. eingeführt hat. 163 Kleidungsstücke eines Mitbewohners, als Gast der Vermieterin. 168 216,- RM seines Dienstherrn (Bauern) aus Zigarrenkiste i. Schrank. 170 Als Fuhrmann Stroh von seinem Chef für 1,50 RM (Trinkgeld) einem Bauern zugeliefert, ohne daß der Chef etwas wußte. 183 Geld, Kleidung, Schmuck von Frauen, mit denen er ein Verhältnis hat. 190 22,- aus unverschlossenem Zimmer einer früheren Kollegin (Hotelköchin). 222 Geld und Wertsachen von Frauen, die er auf der Straße angesprochen hat und die ihn nach Abgabe eines "Eheversprechens" mit in ihre Wohnung genommen haben. 240 GeLd und Kleidung von einem Arbeitskameraden. 247 Fahrrad und Schuhe vom Arbeitgeber. 260 Mehrere Sachen von seinen Vermietern. 261 Geld von einer Krankenschwester (seiner Geliebten) aus ihrem Zimmer im Krankenhaus. 33 Wäsche im Wert von 33,- von seinem Vermieter. 25 150-200 Mark aus der Kassette seiner Firma. 100 Eingemachtes (8,-), Gummistiefel (6,-), Kleiderkarte von seiner Vermieterin. 138 Marken und Geld von seinem Gast (Postfacharbeiter) inseinerWohnung. 185 Geld und Schlüssel von einem Zechgenossen, der ihn in die Wohnung mitgenommen hat. Lockt später dessen Ehefrau fort, schließt Wohnung mit gestohlenem Schlüssel auf, entwendet Kleidung.

Die Tat und der Täter

37

Diebstähle aus Wagen und Autos 3 Drillingsgewehr aus einem PKW (um für Schulden in Zahlung zu geben). 26 Versucht Koffer nach Eindrücken des Fensters aus einem PKW zu entwenden (wird gestellt). 44 Koffer mit Anzug und Mantel von einem Wagen auf verdunkeltem Bahnhof. 153 1 Ballen Stoff im Wert von 2'11,- von einem LKW auf der Straße. 82 3 Kofferdiebstähle aus Autos nach gewaltsamem Öffnen der Tür.

Land- und BetteZdiebstähle 63 93

94 97 115 118 105 25 123

Geld aus der Küche bzw. dem Schlafzimmer bei 2 Bauern, die auf dem Feld sind (1931). 81,- RM aus einer Blechbüchse in einem Bauernhaus nach übernachtung in der Scheune und Entfernung des Bauern (1932). Lebensmittel von einem Bauernhof aus offenem Fenster. Uhr und Fahrrad des Quartiergebers beim Herumziehen (mit Ehefrau). 5 amerikanische Leghühner aus dem offenen Stall eines Bauern (1940) nach Aufgeben der Stellung als Melker. Sachen von geringem Wert, meist Schuhe (fürs Wandern) beim Herumziehen und Hausieren mit Bürsten auf dem Land. Beim Herumziehen 3 Fahrräder, Kartoffeln, Trauben u. ä. vom Feld. Diebstähle bei Fahrten mit ehern. Mithäftling per Fahrrad über das Land (meist durch offenstehende Fenster oder Türen). Photoapparat aus der Küche beim Auslöffeln der Suppe als Bettler. Bei anderen Bauern, die auf dem Feld sind, Geld aus Schränken.

Wohnungs-, Straßen- und Ladendiebstähle 7 Bettlaken und andere Wäsche aus verdunkelter Waschküche. 68 Uhren aus 3 Uhrläden (1934, arbeitslos). 83 Anzugstoff, den er verpfändet, aus Warenhäusern und Läden in Norddeutschland. 106 6 Mäntel aus 6 Restaurants in 6 Städten. 108 Geldbörse (Taschendiebstahl, zurück). 122 Geld, Lebensmittel und Wäsche in geringerem Umfang aus Wohnungen (arbeitet bei der Stadt für 15 Pf die Stunde). 181 Geldbörse von einer Frau auf dem Markt (Taschendiebstahl). 19 3 Oberhemden aus einem Kaufhaus. 60 Mäntel von Zechgenossen und aus offenen Fluren. 227 13 Mäntel aus Hamburger Gaststätten. 233 1 Warenhausdiebstahl. 259 Kleinere Gegenstände von Betrunkenen -in Parks und auf Bänken. 191 Wäsche aus Gärten und ähnliche Sachen, die seine Geliebte vorher auf gemeinsamem Spaziergang bezeichnet hat. (Wohlfahrt 6,- wöchentl.)

Schwerer Diebstahl Lebensmitteldiebstähle 1 13 Gehöfteinbrüche 1930/32 mit Komplizen (Rolläden, Ketten oder Stäbe abgemacht bzw. auseinandergebogen) : Eßwaren, Fleisch, Wurst, 1 Ztr.

Roggen.

38

Untersuchung

2 8 Geschäftseinbrüche 1942 in Duisburg: Lebensmittel und Lebensmittelkarten. 5 Verkaufshalleneinbruch mit Komplizen: 8 - 10 Pfd. Butter, 30 Pfd. Margarine, 8 Pfd. Käse, 30 Pfd. Wurst (arbeitslos). 24 Gehöfteinbruch 1941 (nach Entweichen aus Vorbeugungshaft): 18 Dosen Wurst, 5 - 6 Flaschen Wein, 1 F!. Erdbeersaft. 29 5 Gänse aus Ställen und von der Weide (1943, Wochenverdienst 30,-RM). 31 25 Hühner, 5 Gänse, 5 Enten, 30 Hühner aus Ställen, geschlachtet und weiterverkauft (1942, mit Komp!.). 38 Aus dem Stall einer Landfrau nach Durchstoßen eines Maschendrahtfensters 3 Hühner, die er zum Weiterverkauf anbietet. 55 Gehöfteinbruch mit Komp!. März 39; nach Eindrücken des Fensters Speck und Schinken vom Räucherhaken (beim Abtransport gestellt). 64 Verkaufshäuscheneinbruch: 32,50 Mark, Brief- und Rabattmarken, Kaffee und Schokolade (insges. für 80,- RM). 66 Mehrere Verkauf'shäuscheneinbrüche 36/37 mit Komplizen, ferner auch in Metzgerläden, Geschäften und Villen: Fleischwaren, die gemeinsam verzehrt werden. 76 2 Kühe von der Koppel (an Eigentümer zurück). 88 Mehrere Geschäftseinbrüche mit Komplizen: Tabak im Wert von 1000,-, Lebensmittel, Kleidung. 111 Einbrüche in Gastwirtschaften: Zigaretten, Eßwaren, Musikinstrumente (1931, lebt von Wohlfahrt). 120 1932 mehrere Ochsen aus Ställen (will Dienstmägden imponieren). 197 1933 25 Laden- und Wohnungseinbrüche (diese meist bei Kaufleuten) in Neumünster (mit Bruder): an Ort und Stelle satt gegessen, ferner auch Geld, Uhren, Zigaretten, Photoapparat. 207 Kioskeinbruch mit Komplizen: Waren im Wert von 250,-. 215 3 Keller- und Lagerdiebstähle 1933; meist Lebensmittel, einmal auch Fahrrad. 219 Vieh aus dem Stall geholt und geschlachtet oder gleich weiterverkauft. 2&5 Kaffee aus einer Handlung (Einbruch). 9 Hühner, Ziege, Schwein aus einem Stall; Versuch, in Hühnerhaus eines Försters einzubrechen. 1'9 4 Kellereinbrüche 1940 bei Verdunkelung: Lebensmittel, Wein. 188 Bei Verdunkelung 1943 Fleischläden bestohlen. 126 Wochenendhauseinbruch nach Fahrt mit Fahrrad durch ganz Deutschland: Lebensmitel zum Sattessen und Werkzeug (Säge, Feile, Bohrer).

Andere Haus- und Wohnungseinbrüche 11 Villeneinbrüche bei Leuten, die er von seiner Tätigkeit als Transportarbeiter her kennt: zum Teil wertvolle Gegenstände (Widerstand bei Festnahme). 12 Wohnungseinbruch bei seinem Stiefbruder (!): Garderobe im Wert von 200,- RM (1933). 34 Aus einer Volksschule 2 Geigen im Wert von je 40,- (ist Musiker, suchte Geige). 35 Wohnungseinbruch 1933: 6 Messer und Gabeln. 39 Aus einer Scheune und einem Haus 1932 je ein Fahrrad (an Eigentümer zurück). 41 Einbrüche mit Komplizen, ohne Beute gefaßt. 42 Geldbeutel aus Bäckerladen, wird gestellt.

Die Tat und der Täter 43 48 58

74 79 81

84 86

89 90 133 166 220 255 56 117 186

39

Gehöfteinbruch mit Komplizen: Kleidung des Gesindes. 1932 Geschäfts- und Villeneinbrüche in Deutschland und Holland z. T. ohne Beute, schießt auf Verfolger (versuchter Totschlag). Fortges. Villen einbruch mit 11 KompI.: Gegenstände im Wert von insgesamt 6 000,-. 2 Wohnungseinbrüche durchs Fenster und vom Balkon aus: Faltboot, Radio, Wäsche, Besteck (an Eigentümer zurück). Dringt in Bodenkammer eines Bäckergesellen ein (Versuch). 30 Kellereinbrüche 1933: meist Fahrräder (lebt von 4,- Wohlfahrt wöchentlich). Hauseinbrüche: einmal Geldkassette mit 150,- RM. Steigt über einen Zaun auf einen Lagerplatz, drückt die Scheibe ein, entwendet aus dem Büro 9,50 RM. Dringt in 2 Wohnungen ein, wird beide Male gestellt. Zerschlägt eine Scheibe in einem Haus, entwendet alten Herrenmantel und Gesellschaftsanzug. Wohnungseinbrüche 1929: 100,- RM, Pistole, 300,- 400,- RM, 860,- RM (bei Tagelöhner). 154 Einbrüche 1929 im Rhein-Main-Gebiet mit ehem. Mithäftling, der ihn dazu überredet hat. Gegenstände im Gesamtwert von 40 000,- RM. 1941: 50.- aus einer Ladenkasse nach Eindrucken einer Fensterscheibe. Je ein Wohnungseinbruch bei Tante und früherem Arbeitgeber: Kleidung, die er verkauft. Einbrüche auf dem Land bei Bauern und Arbeitern (Einschlagen des Fensters): jeweils Geld (3,- bis 55,- RM). 2 Wohnungseinbrüche: einmal Sachen im Wert von 113,-, das andere Mal Ring im Wert von 3,-. Bricht Türen oder stemmt Fenster ·auf und entwendet, was er gerade sieht: Kleider, Fahrräder, Nahrungsmittel.

Räuberischer Diebstahl und Raub 8 Gehöfteinbruch mit Bruder, Schuß aus der Schreclnschußpistole auf Besitzer, der sie überrascht, Flucht ohne Beute. 69 Mit einem anderen einen Zechkumpanen auf dem Nachhauseweg niedergeschlagen und Geld aus seinem Portemonnaie entwendet. 144 1929 mit einem Komplizen den Plan gefaßt,einen Kommerzienrat zu kidnappen: nach Eindringen ins Haus schreit die Ehefrau, sie wird geknebelt, stirbt (weil ihr Mann sie hilflos liegen läßt), keine Beute. 146 1929 Entwendung eines Motorrades, Schuß auf verfolgenden Eigentümer. - Plan, mit Taxi Bankraub auszuführen, scheitert, weil Taxi, kurz nach Fesseln des Chauffeurs, stehenbleibt. 161 Überfall auf alleinstehendes Haus eines älteren Ehepaares. 164 Zechkumpanen überfallen. 198 Zechkumpanen Geldbörse mit 13,- aus der Hand gerissen. 199 Erbricht Kiosk, schlägt den Besitzer, der herbeieilt, mit der Faust ins Gesicht. 204 1939 mehrere Wohnungseinbrüche als Soldat beim Nachkommando, nimmt Uhren und kleine Geldbeträge an sich, onaniert an den Betten schlafender Frauen. 254 Schlägt bei gemeinsamem Nächtigen in einer Scheune Händler von hinten mit Knüppel tot, nimmt ihm ein paar alte Gegenstände ab.

40

Untersuchung

Die Einteilung in einfachen Diebstahl, schweren Diebstahl und räuberischen Diebstahl bzw. Raub ist rechtsdogmatisch bedingt. Kriminolo:, gisch überschneiden sich die Handlungen vielfach. So kommen z. B. Fahrrad- oder Lebensmitteldiebstähle sowohl als einfache wie als schwere Diebstähle vor und auch beim Land- bzw. Betteldiebstahl gehen die einfachen oft in die qualifizierten Formen über. Allerdings scheint gerade das Beispiel der Fahrrad- und der Lebensmitteldiebstähle zu zeigen, daß der rechtsdogmatische Unterschied zwischen einfachem und schwerem Diebstahl auch kriminologisch von Bedeutung ist: Fahrraddiebstähle sind fast ausschließlich einfache, Lebensmitteldiebstähle dagegen schwere Diebstähle. Man kann nach unserem Material sogar sagen: einfache Diebstähle sind überwiegend Fahrraddiebstähle, schwere Diebstähle Lebensmitteldiebstähle. Ob dies für Diebstähle von Gewohnheitsverbrechern allgemein10 oder gar überhaupt für die Diebstahlskriminalität gilt, kann hier nicht gesagt werden. Die Einteilung innerhalb des einfachen Diebstahls, der in so mannigfachen Arten, Formen und Motiven vorkommt, ist nicht systematisch, etwa nur nach dem Objekt11 , sondern nach dem jeweils hervorstechendsten Merkmal, sei es das Objekt (z. B. Fahrräder), sei es die bestohlene Person (z. B. die Bekannten), sei es die besondere Gelegenheit (z. B. Land- und Betteldiebstähle) vorgenommen worden. Durch diese Einteilung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Allgemeingültigkeit erhebt, ergeben sich einmal gewisse Überschneidungen, z. B. zwischen Fahrraddiebstahl einerseits und Betteldiebstahl andererseits (97), ferner Ähnlichkeiten zwischen Diebstählen verschiedener Gruppen, z. B. zwischen Bettel- und Wohnungsdiebstahl (122) oder zwischen Wohnungsund Bekanntendiebstahl (160) und schließlich Untergruppen einzelner Diebstähle innerhalb ein- und derselben Gruppe, z. B. der Beischlafsdiebstahl innerhalb des Bekanntendiebstahls: 183,222,261. Die besonderen Formen und Motive der Diebstähle sind nicht weiter berücksichtigt. Wollte man dies tun, so würde fast jeder Diebstahl für sich stehen. Innerhalb des schweren Diebstahls ist wegen der schon festgelegten Form lediglich nach dem Objekt unterschieden worden: die Lebensmitteldiebstähle sind als die häufigsten ausgeklammert und als besondere Gruppe zusammengefaßt worden. Beim räuberischen Diebstahl und Raub ist eine Einteilung nicht erforderlich, weil hier die Diebstahlsgrundformen wiederkehren, die wir 10 Hier macht sich der Umstand nachteilig bemerkbar, daß die anderen diesem Gegenstand gewidmeten Arbeiten keinen näheren Aufschluß über die Handlungen selber geben, sond.ern sich meist auf die Anführung der Deliktsart beschränken, um dann gleich zur Ätiologie überzugehen. 11 v. Hentig, Diebstahl usw., unterscheidet nach dem Ort der Begehung und nach dem Objekt (S. 30 ff.).

Die Tat und der Täter

41

eben kennengelernt haben; z. B. Motorraddiebstahl: 146, oder Kioskeinbruch: 199, oder Bekanntendiebstahl: 69, 151, 164, 198, nur eben in qualifizierter Form. Zu den wichtigsten einzelnen Diebstahlsgruppen ist folgendes zu sagen. Der Fahrraddiebstahl ist nach unserem Material das Musterbeispiel eines nicht geplanten, in jeder Situation aus einer neuen Versuchung heraus begangenen Diebstahls. Nur in 4 der insgesamt 21 Fälle (30, 177, 202, 217) liegt ein gehäufter Fahrraddiebstahl vor, der sich aber nach den weiteren Umständen der Tat nicht so sehr aus einer von Anfang an gezielten Energie erklärt, sondern mehr aus einer sozialen Not, die auf möglichst billige Weise behoben werden soll. Der Fahrraddiebstahl ist hier die gelegentliche Einnahmequelle eines Schmarotzers, nicht der reguläre Erwerb eines beruflich auf Fahrraddiebstähle ausgehenden Verbrechers. Es muß dabei auch berücksichtigt werden, daß sich in unserem Material kein Autodiebstahl und nur ein Motorraddiebstahl befindet: 14012• Der Bekanntendiebstahl ist der Diebstahl des heimHchen Hausdiebs, der persönliche Beziehungen vorschiebt (z. B. beim Beischlafsdiebstahl: 183) oder ausnutzt (z. B. beim Mietdiebstahl: 101, 152), um nicht in die Öffentlichkeit gehen zu müssen. Beim Diebstahl gegenüber dem Dienstherrn kommen vielfach Rachegefühle hinzu (51) oder jedenfalls das Bedürfnis, ihm eins "auszuwischen", also die soziale Spannung, manchmal auch nur die Anschauung, daß es ihm ja nichts ausmache, wenn er etwas weniger hat (relative Wertigkeit der wirtschaftlichen Güter). Er kommt in den verschiedensten Formen vor und richtet sich auch gegen die verschiedensten Objekte. Ein weitgehend objektreiner Diebstahl ist derjenige aus Wagen und Autos, allerdings hat er in unserem Material längst nicht die Bedeutung, die ihm heute zukommt, wahrscheinlich auch wegen der geringeren Zahl von Autos in jener Zeit. Die Land- und Betteldiebstähle sind ein weiteres Beispiel für die vorwiegend schmarotzerische Art der Gewohnheitsdiebstähle. Auch hier ist kein Plan vorhanden. Die einzelne Tat ergibt sich einfacl1 aus der ganzen Lebensart, die sich u. a. auf dem Gebiet des Diebstahls auswirkt (z. B. im Fall 118). Die gestohlenen Gegenstände sind durchweg geringwertig. Die Wohnungs-, Straßen- und Ladendiebstähle - vielleicht am besten als Verkehrsdiebstähle zusammenzufassen - zeigen vor allem hinsichtlich des Orts und der Gelegenheit des Diebstahls eine große Mannigfaltig12 Vgl. dagegen die heutige Kl1aftfahrzeugdiebstahlskriminalität: Geerds, über Diebstahl und unbefugten Gebrauch von Kraftfuhrzeugen, KriminaUstik 1960 (Ausg,abe März/April/Mai).

Untersuchung

42

keit. Auffällig ist hierbei, daß der Warenhaus- und der Taschendiebstahl selten vorkommen. Vor allem das seltene Vorkommen des letzteren (nur in den Fällen 108, 181), dessen Ausführung ja eine besondere Fertigkeit voraussetzt und der daher meist planmäßig und zum Erwerb durchgeführt wird13, verstärkt den Eindruck, daß es sich in der Mehrzahl der Fälle nur um Gelegenheitsdiebstähle handelt. Der schwere Diebstahl ist bezeichnenderweise in der Hälfte der Fälle reiner Lebensmitteldiebstahl, und dieser, wie unser Material zeigt, meist ein Gehöftdiebstahl, also eine zwar rechtsdogmatisch, aber nicht kriminologisch qualifizierte Form des Land- und Betteldiebstahls. Dies verdient besonders betont zu werden, weil die landläufige Vorstellung vom schweren Diebstahl eine andere ist14 • Auch der schwere Diebstahl bleibt daher bei uns in der Nähe der aus einer plötzlichen, freilich innerlich bedingten und damit häufig wiederkehrenden Versuchung entstehenden Tat. Bei den Lebensmitteldiebstählen machen von insgesamt 23 etwa 6 Fälle den Eindruck einer im gewissen Umfang geplanten Einbruchsserie, nämlich die Fälle 1, 2, 31, 66, 88 und 197; in vier von ihnen liegt aber eindeutig auch vom Gericht anerkannte Not vor, nämlich in den Fällen 1,2,31,197. Bei den anderen schweren Diebstählen überwiegt ebenfalls der aus plötzlicher Eingebung entstehende Gelegenheitsdiebstahl. In größerem Umfang geplant erscheint der Einbruch von insgesamt 24 Fällen nur in folgenden 5 Fällen: 11, 48, 58, 81, 166, in den Fällen 11 und 48 liegt außerdem Gewaltanwendung auch gegen Personen vor (Widerstand und Waffengebrauch), die sonst fehlt. Not ist in drei dieser besonders schweren 5 Fälle gegeben: 48, 81, 166. Motivisch interessant sind die Fälle 12, 34 und 255. Der Fall 56 zeigt, daß der Land- und Betteldiebstahl nicht nur die Grundform des schweren Lebensmitteldiebstahls, sondern auch des schweren sonstigen Diebstahls (z. B. Gelddiebstahls) sein kann. Der räuberische Diebstahl und der Raub zeigen keine neue Grundform des Diebstahls: von den insgesamt 10 Fällen liegen in 5 Fällen Näher dazu vor allem v. Hentig, Diebstahl, S. 62 ff. Die in unserem Material vorhandene Abhängigkeit auch des schweren Diebstahls von den einfach·en Lebensbedürfnissen des Menschen zeigt, daß selbst hier keine Berufsv·erbrecher am Werke sind. Interessant in diesem Zusammenhang auch die Aufstellung bei v. Hentig, Diebstahl usw., S. 25, über die wechselnden Diebstahlsobjekte (aus Conrad Müller, Die Diebstahlskriminalität im Bezirk des Amtsgerichts Remscheid i. d. Jahren 1938 - 1948, BonnerDiss.1951): 13 14

Jahre 1938/39 1944/45

Geld

Lebensmittel

Feldfrüchte

40,7 Ufo

6,4 Ufo 29,1 Ufo

8,1 Ufo 11,6 Ufo

5,8 Ufo

Die Tat und der Täter

43

Haus- bzw. Wohnungseinbruch, in 1 Fall Motorraddiebstahl und in 4 Fällen Bekanntendiebstahl (i. S. der Vorschiebung eines persönlichen Verhältnisses) vor. Nur die Gewalt tritt hinzu, die in zwei Fällen den Tod des Opfers zur Folge hat (144, 254), in Fall 144 allerdings auch durch die unterlassene Hilfeleistung des Ehemannes nach der Flucht der Täter. In diesem Fall bestand außerdem ein Entführungsplan. Auffällig ist, daß innerhalb der Gruppe der Bekanntendiebstähle das Zechverhältnis überwiegt: in den Fällen 69, 164 und 198 wird der Zechkumpane überfallen, und auch der Fall 254 ist nicht weit davon entfernt: hier wird der Wanderkumpan beraubt. Daß schließlich der einzige Fall unseres Materials, in dem ein Bankraub ausgeführt werden soll (146), im ersten Versuchsstadium stecken bleibt, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Fähigkeit und Tätigkeit des Gewohnheitsdiebes, wie denn überhaupt die Chance des Gelingens um so geringer wird, je größer das Vorhaben ist. So ist auch die "Spitze" des Diebstahls, der Raub, nach unserem Material durchaus stumpf, jedenfalls, was den Vermögensschaden angeht (anders in den Fällen 144 und 254 hinsichtlich der Verletzung des Lebens und der körperlichen Integrität). Im Ergebnis ist festzustellen: Spezialisten-Diebstähle oder Spezialisten-Einbrüche sind in unserem Material nicht enthalten15• Bandendiebstahlliegt nur in einem Fall, nämlich 58 vor. Zu mehreren, meist zu zweit, haben die Täter in folgenden Fällen gehandelt: von den 73 Fällen des einfachen Diebstahls in den Fällen 52, 25 ...... 2mal von den 47 Fällen des schweren Diebstahls in den Fällen 1, 5, 31, 55, 66, 88, 197, 207, 41, 43, 166 .......................................... llmal von den 10 Fällen des räuberischen Diebstahls bzw. Raubs in den Fällen 8,69,144,146 ............................................ , .. . 4mal 17mal Besonders erheblichen Schaden haben angerichtet bzw. im "großen Stil" sind durchgeführt: beim einfachen Diebstahl die Fälle 30,217, 101, 82, 227 .......... 5 Fälle beim schweren Diebstahl die Fälle 66,88,197,58,81, 133, 166, ...... 7 Fälle insgesamt 12 Fälle 15 Zu den Berufsdieben und sie sind ja vor allem die Diebstahlsspezialisten - zählt v. Hentig, a. a. 0., S. 53 ff. zutreffend nur den Juwelendieb, den Hoteldieb und den Taschendieb; letzteren aber nur, so weit er in einer Gruppe (Arbeitsteilung) arbeitet, was in unserem Material nicht der Fall ist. VgI. auch Heindl, a. a. 0., S. 228 ff., von dessen Kriterien für den Berufsdieb bei uns auch nichts zu finden ist.

Untersuchung

44

c) Die Be t r u g s h a n d I u n gen

Bei 87 der insgesamt 250 Personen (= 34,8 0/0) war die letzte Straftat Betrug (allein oder mit anderen Delikten zusammen)u. In 76 Fällen davon ist der Hergang der Tat aus dem Urteil ersichtlich17 : mal Einfacher Darlehns schwindel .................................. Heiratsschwindel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Geschäftsgründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Logis-, Zech- und Mietschwindel .............................. An- und Abzahlungsbetrügereien .............................. Vertreterschwindeleien . " . . .. .. .. . . .. . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . Ausnutzung besonderen Vertrauens............................ Hochstapelei ......... ................ .. ...... .. ...... .... ... Verwertungsbetrug (Nachtat) .................................. Sonstiges (Sammlungs-, Handwerker-, Unterstützungs-, Scheck-, Leihbetrug) ..........................................

14 13

3

10 6 6 5 3 6 10

Die einzelnen Betrugshandlungen bestanden in folgendem: Einfacher Darlehensschwindel 4

Kundschaftet in Gastwirtschaften persönliche Verhältnisse aus, besucht die Familien als Grußbesteller,läßt sich Kleidung zur Übermittlung an den Familienangehörigen oder Geld wegen plötzlicher Geldverlegenheit geben.

18 Darunter sind 28 Personen, die daneben wegen Diebstahls zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden sind. Es kommen also nur 59 neue Personen hinzu. Zählt man diese zu den 154 wegen Diebstahls pp. allein oder mit anderen Delikten zusammen zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen hinzu, so sind im ganzen 213 Personen (= 85,2 0/0) wegen der beiden "klassischen" Vermögensdelikte (allein oder mit anderen Delikten zusammen) zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden. (Diese Zahl gibt allerdings keine Auskunft darüber, wieviel Täter davon auch nach ihrem Vorleben Vermögensverbrecher sind; das wird erst bei den Tätern untersucht werden). Auch diese Zahl von 85,2 % kann als gesichert angesehen werden. Schmidt (a. a. 0., S. 195) hat für Betrug und Diebstahl zusammen einen Anteil an der Gesamtkriminalität seiner Verwahrten von 86,13 Ofo errechnet, Latz (a. a. 0., S. 53 ff.) 83 Ofo, Rudalph (Strafanstalt Bruchsal am 31. 12. 1955) ebenfalls 83 Ofo (DRiZ 1956,

S.176.) 17

Eine z. T. andere Einteilung nimmt Sauer, Kriminologie S. 570 vor: (Betrugstypen, L. G.-Bezirk Bielefeld, 1929-1939) in Ofo

Zech- und Hotelbetrug ...................................... Hochstapelei und Heiratsbetrug .............................. Echter Händlerbetrug ........................................ Kredit- und Logisbetrug ...................................... Scheck- und Wechselbetrug .................................. Vertreterbetrug .............................................. Darlehnsbetrug .............................................. Lieferungsbetrug ............................................. Sonstige Gelegenheitsbetrugsfälle ............................

5,4 9,0 6,0 23,2 6,0 14,0 11,0 6,0 19,4

Die Tat und der Täter 22 73 102 130

134 145 142

98 60 80

94 100 163

45

Leiht sich unter der Vorspiegelung, eine Erbschaft zu erhalten, von einem Arbeitskollegen nach und nach 239,50 RM in kleinen Beträgen. Leiht sich von einem Bekannten 200,- RM, vom Untermieter 30,-, von der Wohlfahrts behörde 35,-, von einer Bekannten, die er nur um 5,gebeten hatte, 20,- und von einem Mitpatienten im Krankenhaus 245,-. Geht bei Bekannten seiner Frau herum, leiht sich von ihnen Geld (jeweils 5,- bis 10,-) unter dem Vorwand, es zu seinem Dipl.-Landwirts·examen zu brauchen (das er gar nicht ablegt). Leiht sich unter dem Vorwand, er habe mit seinem Wagen eben einen Unfall erlitten und nichts bei sich, um nach Hause zu kommen, Geld bei ehemaligen Kriegskameraden und in Gastwirtschaften. Läßt sich als Landarbeiter von seinem Bauern Geld für Fahrt zu seiner Schwester und Lebensmittel für deren "kranke Tochter" geben. Zieht als "Schafhalter" herum, läßt sich unter dem Vorwand, er müsse Schafe verladen, Geld geben. Von der Vermieterin (Hausbesitzerin) laufend Geld geliehen (sie beschenkt ihn auch); ferner 200,- RM in bar und Scheck über 200,- von einem Bekannten für angebl. Autokauf geben lassen (hat keinen Führerschein). Läßt sich von 8 Leuten Darlehen in Höhe von jeweils 5,- bis 40,- RM geben. Leiht sich von Zechgenossen und Bekannten 1,- bis 5,- RM Beträge. Leiht sich unter falschem Namen von einem Bekannten seines Arbeitgebers 5,- RM. Läßt sich in 19 Fällen als "Bruder des Bürgermeisters", "wohlhabender Landwirt", "Bekannter des Sohnes", "Vorgesetzter des Ehemannes" mit kleinen Beträgen (3,- bis 5,-) aushelfen. Läßt sich von einem Bekannten nach und nach insgesamt 8,20 (meist für angebl. Fahrten) geben, zuletzt 5,-, ohne daß er die bis dahin angelaufene Schuld zurückgezahlt hat. Leiht sich bei der Frau eines Mithäftlings, die ihn für eine Nacht aufgenommen hat, 75,- RM für die "Rückreise".

Als Heiratsbetrug qualifizierter Darlehens- und anderer Schwindel 95 Versetzt Stoff eines Dienstmädchens, dem er Ehe und Stellung versprochen hat und das daraufhin zu ihm gezogen ist, für 12,- RM. 127 Läßt sich von befreundeten Frauen, mit denen er auch geschlechtlich verkehrt, gegen schriftlichen Vertrag Darlehen geben. (Die Frauen wissen, daß er verheiratet ist, bestreiten auch zum Teil, betrogen worden zu sein). 136 Mietet sich bei Witwen ein, läßt Eheabsichten erkennen, leiht sich Geld (5,-) und verläßt das Haus, ohne Miete zu bezahlen. 158 Meldet sich auf Heiratsanzeige einer Köchin als "Zollassistent", der bei Heirat 1000,- RM Kaution bei seiner Dienststelle hinterlegen müsse. Er erhält das Geld, verbraucht es für sich. 173 Zwei Heiratsbetrüge, davon einmal einer Hausangestellten nach und nach 3500,- abgenommen. 36 Gibt Heiratsinserat auf, stellt sich bei Bewerberin als "Kommissar von der Borghorst" vor, bittet um Darlehen von 100,-, um seine Möbel aus dem Saarland nach Hannover bringen zu lassen. Die Bewerberin durchschaut ihn, gibt ihm nichts.

46

Untersuchung

103 Begeht Heiratsbetrug über 855,- RM und läßt sich zwei Darlehen als "Großgrundbesitzer von SaIten" geben (630,- und 234,-). 109 Läßt sich als "Student" von einer Familie beköstigen, freundet sich mit der Hausgehilfin an, erhält von ihr gegen Eheversprechen nach und nach 368,-. 114 Inseriert wegen Heirat oder schreibt auf Heiratsinserate, verspricht gegen "restloses, blindes Vertrauen" die Ehe, pumpt sich dann unter verschiedenen Vorwänden Geld und verschwindet (Beute etwa 1000,- pro Fall, Opfer meist Dienstmädchen). 183 Unterhält Frauenbekanntschaften, entwendet Geld, Kleidung, Schmuck, Fahrrad und Nähmaschine. 222 Spricht Frauen auf der Straße an, läßt Eheabsichten erkennen, geht mit ihnen in ihre Wohnung, verkehrt geschlechtlich mit ihnen und verschwindet dann mit Geld und Wertsachen. 261 Liegt im Krankenhaus, hat Verhältnis mit einer Krankenschwester, die, obwohl sie verlobt ist, ihm nachstellt (sexuelle Hörigkeit); sie leiht ihm mehrere Male Geld, er entwendet ihr auch welches aus ihrem Zimmer. 124 Stellt sich den Eltern eines Mädchens, das er im Zug kennengelernt hat, als "Pressephotograph" vor, läßt sich 40,- Darlehen geben.

Logis- und Zechbetrüge 18 Als verheirateter Mann mit Freundin und deren Kind in Hotels eingemietet, ohne Zahlung verschwunden. Außerdem Versicherungsprämien kassiert und verbraucht und Staubsauger, die er für seine Firma verkaufen sollte, verpfändet. 27 Zeche von 0,70 und 1,60 RM gemacht und nicht bezahlt. 45 Bleibt in 2 Hotels Zeche und Logis schuldig und pumpt außerdem Kellner um je 5,- RM an. 65 Mietet sich in Hotels in Bayern ein, leiht sich von anderen Gästen Geld, bestiehlt sie, läßt sich gekaufte, aber nicht bezahlte Schuhe ins Hotel schicken und verschwindet unter Hinterlassung der Schulden. 148 Mietet sich als "Kabelleger" ein, leiht sich von der Vermieterin einen Mantel, läßt sich 4,- für den Ehemann (der Vermieterin), mit dem er angeblich zusammenarbeitet, geben und verschwindet ohne zu bezahlen. 160 Mietet sich als Monteur der Elektrizitätsgesellschaft ein, läßt sich beköstigen, pumpt sich Geld und verschwindet, einmal auch unter Mitnahme eines Anzugs. 6 Bleibt Zeche von 3,- schuldig. 19 Pensions betrug (22,50). 30 3 Zechprellereien (1,60). 169 Mietet Wagen mit Fahrer, schickt den Fahrer in eine Kneipe, fährt selber weiter, zahlt nicht die Miete.

An- und Abzahlungsschwindel 67 Bietet in 200 Fällen Lebensmittel verbilligt an, läßt sich Anzahlung von jeweils 1,- bis 15,- RM geben. 154 Verspricht 26 Leuten gegen Anzahlung von 5,- bis 10,- RM billiges Fleisch. 124 Verspricht einem Studenten billigen Photoappart, kassiert Anzahlung, ohne den Apparat zu liefern. 261 Kassiert von einem Studenten Anzahlung auf eine Schreibmaschine, die er gar nicht besorgen kann.

Die Tat und der Täter

47

205 Sachen auf Abzahlung gekauft und vor Eigentumserwerb weiterverkauft. 214 Bei 7,50 RM wöchentlicher Wohlfahrtsunterstützung neues Fahrrad auf Abzahlung gekauft und nach Zahlung von 3mal 6,- RM weiter verkauft.

Vertreterschwindeleien

21 Sagt als Werber für Zeitschriften den Geworbenen nicht, daß das Abonnement für mindestens 3 Monate gilt. Nachdem er die Provision für 100 Geworbene kassiert hat, springen 85 Geworbene nach Kenntnis der wahren Bedingungen ab. 246 Nimmt als Vertreter Ware an, rechnet aber nach Verkauf mit der Firma nicht ab. 6 Fingiert als Vertreter einer Versicherung Aufnahmeanträge, für die er Provision kassieren will. 124 Kassiert Provision von 320,- für einen angeblichen Auftrag auf Lieferung von 500 000 Stück Seife. 18 Kassiert und verbraucht Versicherungsprämien, erschwindelt unberechtigte Provisionen, verpfändet Staubsauger, die er für seine Firma verkaufen soll. 165 Fälscht Quittungen und kassiert unberechtigt Versicherungsprämien.

Geschäftsgründungen 37 Sucht per Annonce stillen Teilhaber für Eröffnung eines Schneidersalons (er ist Photograph). Eine Frau gibt ihm 350,-. 218 2 Tage nach letzter Strafentlassung großes Geschäft zur Eröffnung einer Schneiderwerkstatt gemietet, Arbeiterinnen eingestellt, Tapezierer, Maler usw. beauftragt, ohne Geld oder Aufträge zu haben. 176 Gründet kurz nach seiner letzten Entlassung aus dem Zuchthaus eine Firma, stellt Leute gegen Zahlung einer hohen Kaution ein, die er für sich verbraucht.

Betrug als Nachtat

19 Verkauft von ihm gestohlenes Fahrrad, verpfändet von ihm gestohlene Wäsche. 30 Verkauft von ihm gestohlene Fahrräder weiter. 85 Verkauft von ihm gestohlenes Fahrrad im Wert von 10,- RM weiter. 113 Entwendet Fahrräder von der Straße, verkauft sie weiter. 240 Verändert von ihm gestohlenes Fahrrad und verkauft es weiter. 255 Verkauft die Kleidung weiter, die er durch Einbrüche bei seinem früheren Arbeitgeber und bei seiner Tante erbeutet hat.

Betrüge kraft einer (vorhandenen oder vorgegebenen) Vertrauensstellung 98 Erschwindelt von einem Geschwisterpaar, für das er ein Baugesuch einreichen soll, 2000,- an Spesen und Fahrgeldern, Gebühren usw. 125 Fälscht Brief seiner Firma an eine andere Firma, daß diese einem Boten sofort 100,- RM aushändigen soll, empfängt das Geld, verbraucht es für sich. 150 Gibt sich in 3 Kaufhäusern als Oberrevisor der landwirtschaftlichen Genossenschaften aus (an Hand eines gefälschten Papiers) und kauft Kleidung im Werte von jeweils 150,- bis 250,- Mark auf Kredit ein. 20 Erschwindelt von Kleinsiedlern insgesamt etwa 10 OOO,-an Provisionen, Gebühren, Reisekosten in Bausachen. 169 Kassiert als Reiseleiter Gelder und verschwindet mit ,ihnen.

Untersuchung

48 Hochstapelei

23 Erscheint als Kriminalkommissar bei Gastwirt, um Papiere der Hausangestellt~m zu prüfen, durchsucht, da diese nicht anwesend, ihr Zimmer, ohne etwas zu entwenden. Gibt sich gegenüber Arbeitsamt Bremen als Dr. Wagner aus, der Arbeitskräfte für seinen Stiefvater sucht. Schickt den Bewerber fort, nächtigt dann bei ihm. Dasselbe gegenüber einem Kaplan. Meldet sich als "Kriminalbeamter" und "Jugendpfleger" bei der NSV an, sein Vater sei "Polizeioberst". 65 Tritt als zahlungsfähiger Gast in Hotels in Bayern und Rheinland auf, bleibt überall die Zeche schuldig, pumpt die Hotelgäste an, bestiehlt sie, läßt sich Schuhe ins Hotel schicken. 175 1925-30 als Arzt in Brasilien gelebt. 1933/34 Geschäftsgründungen in Deutschland, Italien, Balkan, Nordafrika. 1934/35 als Beauftragter des "Obersten SA-Führers" ausgeg·eben.

Sonstiges 54

6 75 78

73 59 147 239

245

Sammelt öffentlich ohne Genehmigung, verbraucht das Geld für sich (Sammlungs betrug). Kassiert für "Deutschen Glaubensring" unberechtigt Spenden; schreibt einzelne Mitglieder um Spenden an (Sammlungsbetrug). Kassiert in 3 Fällen Vorschüsse für Jalousiereparaturen, verrichtet nur geringfügige Arbeiten (Handwerkerschwindel). Zieht als Uhrmacher herum, gibt zwei zur Reparatur erhaltene Uhren nicht zurück (Handwerkerschwindel). Läßt sich ohne Krankenschein behandeln (Unterstützungsbetrug). Sucht Krankenhäuser unter Vortäuschung eines Blutsturzes auf, läßt sich für einige Zeit aufnehmen (Unterstützungsbetrug). Sagt "wahr", läßt sich Ringe und Wäsche zum "weihen" geben, versetzt oder verpfändet sie dann. Gibt ungedeckte Schecks aus (Scheckbetrug). Läßt sich falschen Ausweis drucken, richtet ein Konto ein, kauft bei 15 Firmen Waren mit ungedeckten Schecks. (Waren werden gefunden und zurückerstattet). (Scheckbetrug). Leiht sich ·ein Fahrrad von einem Hausbewohner, verkauft es (Leihbetrug).

Die häufigste, dem normalen Verkehr am nächsten stehende Betrugsart ist der Darlehensschwindel. Auch die meisten Fälle des Heirats- und Geschäftsgründungschwindels sind Darlehensschwindel. Eine zweite Grundform des Betrugs ist der Logis-, Zech- und Mietschwindel. Hier wird das Opfer nicht um eine Leistung gebeten (die als-

bald zurückerstattet werden soll), sondern der Betrüger maßt sich von Anfang an an, über die Leistung der Gegenseite bedingungslos zu verfügen. Ähnlich verhält es sich mit den An- und Abzahlungsbetrügereien. Die Vertreterschwindeleien sind ihrer Grundform nach eine besondere Art der Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses. Hier herrscht im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Grundformen des Betruges

Die Tat und der Täter

49

nicht eine bestimmte Art des Vorgehens, sondern der Umstand vor, daß in irgendeiner Weise ein Vertrauensverhältnis mißbraucht wird (ähnlich der Untreue). Die Hochstapelei ist nur gesteigerter Zech-, Heirats- oder Geschäftsgründungsbetrug und daher keine besondere Grundform des Betrugsl8 • Der Betrug als Nachtat eines Diebstahls ist nur eine natürliche Verwertungshandlung. Zu den wichtigsten einzelnen Betrugsarten ist folgendes zu sagen:

Darlehensschwindel Er besteht fast ausschließlich in einem bloßen Anpumpen von Kollegen, Bekannten, Kameraden usw. Die Beträge, um die es geht, sind, einzeln genommen, sehr gering (meist 3,- bis 5,-). Soweit sie höher sind, ist entweder die Art und Weise des Vorgehens besonders raffiniert (etwa beim Grußbesteller, beim Pannentrick und auch beim Heiratsbetrüger) oder das Opfer besonders vertrauensselig (so etwa beim Kettenpump, d. h. bei der fortgesetzten Hingabe kleiner Beträge, ohne daß die früheren zurückerstattet sind). übergänge sind vorhanden zum Geschenk aus Mitleid (134) oder aus Sympathie oder gegenseitiger Hilfs- und Dienstbereitschaft (142).

Heiratsschwindel Unter Heiratsschwindel ist die mit einem Eheversprechen einhergehende Einschleichung in das Vertrauen des Partners lediglich zum Zwecke der Ausnutzung und Erlangung materieller Vorteile zu verstehen19• Die schädigende Handlung kann in einer Untreue, d. h. Verschleuderung des Frauenvermögens oder in einer Unterschlagung oder einem Diebstahl (95, 183, 222) ebenso bestehen wie in der Nichtrückzahlung gewährter Darlehen. Entscheidend ist vor allem das Eheversprechen. Freundschaftsverhältnisse, Geschlechtsgemeinschaften oder andere Interessenverknüpfungen genügen nicht, ebenso auch bloßes Erkennenlassen von Eheabsichten nicht, etwa wenn der Täter noch verheiratet ist und das "Opfer" dies weiß (127, 136)20. Hier kann nur von einem "unechten" Heiratsschwindel gesprochen werden, und in Wirklichkeit liegt eine versteckte Honorierung für genossene Vergünstigungen, die straflos ist, oder ein Diebstahl oder eine Unterschlagung vor21 • 18

Trotzdem ist der Hochstapler der "Star" unter den Betrügern, vgl. v. H en-

tig, Der Betrug. S. 76 ff. u. Heindl, a. a. 0., S. 295.

18 Ähnlich Marianne Padowetz, Der Heiratsschwindel (Kriminologische Abhandlungen, Neue Folge, Heft 3), Wien 1954, S. 1: Vortäuschung des Willens zur Begründung einer Ehe und Gewinnsucht. 20 Z. T. a. A. Padowetz, a. a. o. 21 Vgl. v. Hentig, Betrug, S. 54 ff.

4 Hellmer. Der Gewohnheitsverbrecher

50

Untersuchung

Zur objektiven Schädlichkeit der einzelnen Betrugsarten: Schwerwiegend sind in dieser Hinsicht lediglich der Heiratsbetrug, die Ausnutzung eines Vertrauens, der Geschäftsgründungsbetrug und die Hochstapelei. Unter unseren Fällen des Heiratsbetrugs haben erheblichen Schaden auf Grund der Vortäuschung einer ernstzunehmenden Heiratsabsicht folgende Fälle angerichtet: 114, 158 und 173, fraglich: 103. Die Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses hat besonders hohen Schaden herbeigeführt in den Fällen 20 und 98. Die falschen Geschäftsgründungen zeigen bei uns eine gefährliche Tendenz im Fall 176; alle anderen Fälle sind so plump, daß keiner hereinfiel. Die Hochstapeleien sind in unserem Material hinsichtlich des angerichteten Schadens und der Gefährlichkeit der Handlungen ohne Bedeutung; es drückt sich in ihnen nur die Geltungssucht (im Fall 23 nahezu krankhaft) aus, ohne den Zugang zu erheblichem Vermögen zu finden!!. Von den "sonstigen" Betrügen ist nur der Scheckbetrug des Falles 239 von erheblicher Bedeutung, weil er in größerem Umfang betrieben wurde. Von insgesamt 74 Betrugsfällen sind also schwerwiegend23 nur 7 (8) Fälle. d) S i t t li c h k e i t s deli k t e Von den 250 Personen unseres Materials sind 29 Personen (= 11,6 Ofo) im Zusammenhang mit oder nam Aburteilung eines Sittlichkeitsdelikts (allein oder mit anderen Delikten zusammen) zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden!4. Die Fälle verteilen sich im einzelnen wie folgt: Fall/Fälle § 185 (Beleidigung) ............................................ § 183 (öffentliches Ärgernis) .................................... § 181 (Kuppelei) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 174 (Unzucht mit Abhängigen) ................... " ., ... , . . .. . § 176 rs (Unzucht mit Kindern) ................................ § 175 (Homosexuelle Handlungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 173 (Blutschande) ............................................ § 176 11177 (Gewaltsame Unzucht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 181 a (Zuhälterei) ............................................

1 1 1 1 12 5 2 3 3

22 Es befindet sich in unserem Mat'erial bezeichnenderweise kein einziger Fall von nur annähernd dem Ausmaß, wie es v. Hentig, a. a. 0., eing'ehend schildert. 23 Im Sinne des § 263 Abs. 4 StGB. Uns·ere Betrüger sind demnach fast ausschließlich Kleinbetrüger. Vgl. dagegen die Schilderung der Betrugsarten bei Heindl, S. 281 ff. 24 Schmidt, S. 195, zählt in seinem Material 4,9 Ofo Sittlichkeitstäter; Schnell, S. 1001101: 9,6 Ofo (allein für Unzucht mit Kindern). Die Quote bei den Erstverbrechern liegt wesentlich höher (etwa 13,6 Ofo), vgl. Schmid, S. fJ9/70. Auch in der allgemeinen Kriminalität nehmen die Sittlichkeitsdelikte einen breite-

Die Tat und der Täter

51

Hier die einzelnen Fallgeschehen:

Zu § 176 I, 3: 13 Zeigt sein Glied 9jährigen Mädchen, befriedigt sich vor ihnen selbst. 28 Fährt mit dem Rad durch die Stadt (nach Alkoholgenuß), entblößt sein Glied vor Schulmädchen (auch Jungen). 99 Auf Bettelzügen 8-11jährige Mädchen, wenn die Eltern abwesend waren, an sich gedrückt, geküßt, oberhalb der Kleider betastet, auf den Boden gelegt und aufs nackte Gesäß geschlagen. 46 "Untersucht" Mädchen aus "wissenschaftlichem Interesse" (Schautrieb), dabei einige Male Samenerguß. 210 Nimmt 13jähriges Mädchen beim Spiel auf den Nacken, faßt ihm unter dem Rock, aber über der Hose ans Geschlechtsteil. 151 Faßt einigen Mädchen als Helfer bei der Schiffs-Schaukel unter dem Rock ans nackte Geschlechtsteil. 141 Zieht 7jähriges Mädchen auf dem Hof der Eltern an sich heran, macht vor ihm hockend beischlafähnliche Bewegungen. 110 Greift einem 11jährigen Mädchen an das Geschlechtsteil. 61 Hält auf der Toilette und im Wald mehrere Male sein Geschlechtsteil an das eines Mädchens; es wohnte ihm gegenüber und war ihm durch freie Reden aufgefallen, die ihn erregten. 194 Mit 5jährigem Mädchen auf Dachboden im Stroh beischlafähnliche Bewegungen bis Samenerguß. 91 Spricht 6-13jährige Mädchen an, nimmt sie mit, Zieht ihnen die Kleider vom Geschlechtsteil, macht an diesem mit Glied beischlafsähnliche Bewegungen. 155 Mit drei Mädchen unzüchtige Handlungen begangen.

Zu § 183: 4'9 Entblößt sich abends im Torweg vor einigen heimkehrenden Hausgehilfinnen.

Zu § 185: 7-2 Verkehrt im Stehen mit einem 15jährigen Mädchen, das schon vor einem Jahr mit Soldaten mehrmals Geschlechtsverkehr gehabt hatte.

Zu den homosexuellen Handlungen: 195 Als Soldat zwei Kameraden auf der Toilette ans Glied gefaßt. 32 Drückt 19jährigen Mann auf dem Heimweg vom (gemeinsamen) Trunk an sich, faßt ihm durch den Hosenschlitz ans Geschlechtsteil und onaniert bei sich selbst (der andere wird wegen § 175 bestraft). 135 Mißbraucht 13 1/2jährigen Jungen (näheres unbekannt). 139 Meldet sich als Firmpate, verreist und nächtigt mit Jungen, faßt an deren Geschlechtsteil, onaniert; verabredet sich auch ("als Arzt") mit onanierenden Knaben. ren Raum ein als in unserer Gewohnheitskriminalität, so 'Sind z. B. 1934 wegen

§ 176 Nr. 3 im ganzen 7236 Personen verurteilt worden, und wegen Erregung

öffentlichen Ärgernisses 29a5, wegen einfachen Diebstahls aber nur 57792 Personen (Kriminalstatistik für 1934, Bd. 507, S. 128 ff.). - Für die Sicherungsverwahrten der Nachkriegszeit nennt Rudolph (Landesstrafanstalt Bruchsal am 31.12.1955) einen Anteil der Sittlichkeitsdelikte von 17 Ufo (a. a. 0., S.176).

'0

52

Untersuchung"

208 Läßt sich auf Toiletten und Aussichtstürmen von Knaben aufs nackte Gesäß schlagen, Stöckchen ins Gesäß stecken und am Geschlechtsteil bis zum Samenerguß reiben. Zur Zuhälterei (§ 171 a)

17 Nacheinander mit 3 Dirnen zusammengewohnt. 50 Wohnt bei einer Dirne, läßt sich von ihr aushalten. 217 Zuhälter (näheres nicht bekannt). Kuppelei (§ 181)

211 Verkuppelt seine Ehefrau, die schon vor der Ehe Dirne war und ihr Gewerbe weiter betrieben hat. Unzucht mit Abhängigen (§ 174)

200 Faßt als Bäckermeister mehreren seiner Gehilfinnen ans Geschlechtsteil und führt sein Glied an ihre Scheide. Gewaltsame Unzucht (§§ 1761,1; 177)

40 Zieht 12jähriges Mädchen ins Gebüsch, legt sich auf es, läßt ab, als es schreit und Zeugen nahen; redet 71jährige Frau an, verfolgt sie in einsame Straße, versucht sie dort am Geschlechtsteil zu berühren, was aber mißlingt. 53 Wirft eine Frau, mit der er übers Feld geht, plötzlich zu Boden, greift ihr ans Geschlechtsteil, flieht aber (mit ihrer Tasche), als sie sich wehrt. 204 Onaniert (als Soldat) bei Einbrüchen an Betten schIa-fender Frauen, faßt sie ans Geschlechtsteil und küßt sie ab. Blutschande (§ 173)

15 Geschlechtsverkehr mit drei natürlichen Töchtern (in asozialem Milieu, ohne Widerstand) und unzüchtige Handlungen mit 13jährigem Mädchen (laut Urteil sehr verdorben). 172 Geschlechtsverkehr mit Tochter, unzüchtige Handlungen mit Stieftochter. Fast allen Handlungen ist gemein, daß sie nicht aus krimineller Energie oder mit Scheußlichkeiten (wie beim sog. "Unhold") begangen wurden, sondern daß sie Ersatzhandlungen darstellen, d. h. daß der Täter aus seiner Unfähigkeit, den Geschlechtstrieb auf sanktionierte Weise zu befriedigen, die Erreichung des an sich erlaubten Ziels mit falschen Mitteln und auf falschen Wegen anstrebt. Im einzelnen ist zunächst zum häufigsten Fall, dem der Verletzung des § 176 Abs. 1 Ziff. 3 StGB zu sagen, daß in den ersten beiden hier genannten Fällen (13, 28) nur ein qualifizierter Exhibitionismus vorliegt. Eine echte Kinderschändung ist nur in den Fällen 61, 194, 91 gegeben. In allen übrigen Fällen handelt es sich um unsittliche Handgriffe und sonstige Berührungen.

Die Tat und der Täter

53

Bei den homosexuellen Handlungen sind 3 Fälle echter Verführung, die beiden restlichen sind Fälle einfacher Homosexualität. Unter den 3 Fällen gewaltsamer Unzucht ist kein Fall vollendeter Notzucht. Es gilt hier das schon beim Diebstahl festgestellte: je schwerer die Handlungen werden, um so eher und öfter mißlingen sie. In 22 der 29 Fälle ist die Verurteilung nur wegen Sittlichkeitsdelikts erfolgt, in den restlichen 7 Fällen auch wegen Vermögensdelikten, meist Diebstahls.

2. Die Täter Die Verurteilung zur Sicherungsverwahrung hatte von Anfang an neben den in § 20 a StGB genannten Tatmerkmalen zur Voraussetzung, daß die Gesamtwürdigung aller Taten ergab, daß der Täter ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist25 • Es muß daher das ganze kriminelle Vorleben der Sicherungsverwahrten betrachtet werden. Dies soll nachfolgend geschehen. a) Allgemeines Bevor die einzelnen Tätergruppen behandelt werden, soll ein allgemeiner Überblick gegeben werden, und zwar über Alter und Vorbestraftheit und über den Beginn der Kriminalität unserer Sicherungsverwahrten. aa) Alter der Sicherungsverwahrten

Bei der Verurteilung zur Sicherungsverwahrung hatten unsere Sicherungsverwahrten durchschnittlich ein Alter von 37 1/% Jahren. Im einzelnen waren im Alter von: 25 Vgl. u. a. schon Kohlrausch-Lange, StGB, 38. Aufl., § 20 a, Anm. IV, 2 (S. 101). Wegen des Begriffs des gefährlichen Gewohnheitsverbrechers, wie er damals ausgelegt wurde, vor aHem SChäfer-Wagner-Schafheutle, a. a. 0., Anm. 3-3'6 auf S. 41 fI. - Daß es keinen kriminologilSchen Typ des "gefährlichen Gewohnheitsverbrechers" gibt, daß es sich hIerbei vielmehr um die verschiedensten kriminologischen Persönlichkeitstypen handelt, hatte R. Lange, ZStW 62, S. 175 fI. dargetan. Lange hatte zutreffend ausgeführt (S. 212): "Die Feststellung, jemand sei ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher, enthält daher auf der Grundlage der verschiedensten biologisch-psychologischen Persönlichkeitstypen die juristische Typisierung eines rechtlich mißbilligten Zustands zwar nicht als tatbestandlich,aber dem genau entsprechend als täterschaftsmäßig." (Um so schwieriger war es für die Praxis zu bestimmen, wann dieser rechtlich mißbilligte Zustand, der ja mehr erforderte als nur bestimmte Vortaten, nämlich die - innere - Eigenschaft als Gewohnheitsverbrecher, vorlag). Wir werden daher im folgenden auch die verschiedensten kriminologischen Tätertypen kennenlernen: Tattypen, psychologische Typen, Frühkriminelle, Spätkriminelle usw.

Untersuchung

54 Jahren 21

22

23 24 25 26

27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

44

45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66

67 68

bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung Vexwahrte 3 4 4 4 7 5 8 8 9 7 8 13 14 1'5 10

11 11 11 11

7 9 7 3 9 5 6 7 5 3 2 3 2 2 2 2 2

1 4 1 1 1 1

bei Antritt der Sicherungsverwahrung Verwahrte

1 1 7 6 3 3 6 10 9 5 14 6 23 9 12 11

9 13 10 5 10 7 5 5 5 3 8 4 4 2 2

2 2 3 3 2 1 1 1

Die Tat und der Täter Jahren

bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung Verwahrte

69 70 71

72 73 74 75 76

55 bei Antritt der Sicherungsverwahrung Verwahrte 1

1

1

1

1

250

23611

Der Schwerpunkt der Verurteilung liegt bei 34 Jahren. Überhaupt sind die meisten Sicherungsverwahrten im Alter von 32 bis 39 Jahren zu Sicherungsverwahrung verurteilt wordenl1• Interessant sind die Extreme: 3 Verwahrte sind schon im Alter von 21 Jahren, 12 weitere im Alter bis 24 Jahren zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden; am Schluß der Skala stehen 10 Verwahrte, die 60 Jahre und älter waren, als sie zur Sicherungsverwahrung verurteilt wurden (darunter einer als 76jähriger). Bei dem Alter, mit dem die Sicherungsverwahrung angetreten wurde, liegt der Schwerpunkt etwas später. Hier steht das 36. Lebensjahr an der Spitze, und eine stetige Abnahme zeigt sich erst von 45 Jahren ab 28 • bb) Vorbestrajtheit der Sicherungsverwahrten

Bis zum Zeitpunkt der Anordnung der Sicherungsverwahrung waren unsere Sicherungsverwahrten durchschnittlich 13,8mal vorbestraft2t • Ihre durchschnittliche Zuchthausvorstrafenzahl betrug 1,2. Die Zahl der Vorstrafen steht also in einem auffälligen Mißverhältnis zur Schwere 28 Wegen des nahenden Kriegsendes sind nicht mehr alle zur Sicherungsverwahrung verurteilten Personen auch nach Verbüßung der Strafe noch in die Verwahrung gekommen. 21 Auch bei Schmidt, S. 192, stellten die Altersgruppen von 30 bis 35 J'ahren (26,6 Ufo) und von 36 bis 40 Jahren (19,7 Ufo) den Hauptanteil (es folgen die 41 - 4!5jährigen mit 13,4 Ufo). Bei den Fruhkriminellen Heinkes (S. 27) sind zwar auch die 30-35jährigen mit 31,7 Ufo am stärksten vertreten, es folgen dann aber die 25 - 30jährigen mit 21 Ufo und dann erst die 35 - 40jährigen mit 14,4 °/0. Bei Heinke sind auch die 21 - 25jährigen mit 9,2 0/0 (gegenüber 2,1 Ufo bei Schmidt) verhältnismäßig stark vertreten. Dieses hat darin seinen Grund, da.ß sie früher beginnen, ferner aber auch intensiver und öfter kriminell werden. 28 Von den 524 Sicherungsverwahrtenam 15. 3. 36 in Straubing waren 179 im Alter zwischen 30 und 36 Jahren, 120 im Alter von 40 bis 50 Jahren und 83 im Alter von 36 bis 40 Jahren (Mayr, S. 211). 28 Diese Zahl stimmt genau mit den von anderen Autoren errechneten Zahlen überein: bei Schmidt (a. ·a. 0., S. 195) 13,86 Vorstrafen (bei Männern, bei Frauen l'4,12); bei Weber (BI. f. Gefk., Bd. 68, S. 429 ff., S. 436) ebenfalls 13,8 Vorstrafen durchschnittlich. Möller, S. 12, zählt 15,36 Vorstrafen durchschnittlich (nur bei den nachträglich Verurteilten).

Untersuchung

56

der Vorstrafen. Im einzelnen waren vorbestraft (gezählt sind alle Strafen, auch Geldstrafen und Strafen, die zunächst ausgesetzt, dann erlassen worden sind)'o: vorbestraft, mal

Personen

gar nicht ............................................

1- 5 6-10 11-15 16-20 21-25 26-30 31-3'5 36-40

............................................... ............................................... ............................................... ............................................... ................................................ ............................................... ............................................... .............................•................. mehr (55) ............................................

1

40 47 76 42 25 8 5 5 1

0,4 0/0 16,0 0/0 18,8 0/ 0 30,4 0/0 16,8 0 /0 10,0 0/0 3,2 0/ 0 2,0 0/ 0 2,0 0/0 0,4 Ofo

Die größte Gruppe bilden danach die 11-15mal Vorbestraften, es folgen die 6 -10 und kurz darauf die 16 - 20mal Vorbestraften. Wenn wir bei dieser Menge von Vorstrafen das Alter berücksichtigen, mit dem die meisten unserer Verwahrten zur Sicherungsverwahrung verurteilt worden sind, so liegt der Schluß nahe, daß die einzelnen Vorstrafen nicht allzu hoch sein konnten. Eine genaue Aufstellung über die Länge der Strafzeit ist nicht möglich, weil viele Strafen erlassen oder zum Teil erlassen sind, ohne daß dies im Urteil immer zum Ausdruck kommt. 30 Die im ganzen etwa ähnlichen - Zahlen bei Lotz, a. a. 0., S. 46 !f. lauten: ·bis 5 Strafen . . ... . ... . .. . . . . . . . . .. . . .. . . .. . ... . . . . . . . . . . . 4,5 0/ 0 bis 10 Strafen . ............................................ 19 0/0 bis 15 Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2'5 0/0 bis 20 Strafen ............. , ............................... 26,5 0/ 0 bis 25 Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13 0/0 bis 30 Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4,5 0/0 über 30 Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6,5 0/ 0 Die etwas höher als bei uns liegende Vorstrafenzahl ergibt sich, wie wir noch bei der Herkunft der Verwahrten sehen werden, aus den besonderen Verhältnissen in Süddeutschland. Heinke, S. 25, nennt folgende Zahlen:

Vorstrafen bis 5

6-10 11-15 16-20 21-25 26-30 31 und mehr

Ofo Frühkr.

Ofo insgesamt

4,6 23,1 35,4 21,5 7,2 4,1 4,1

5,7 23,0 32,3 22,3 6,7 5,7 4,3

Nach Rudolph (Bruchsal, 31. 12. 1955) hatten 73 Ofo 10 und mehr Einträge i. Strafregister.

Die Tat und der Täter

57

Einen guten Maßstab für die Schwere der Vorstrafen liefert aber die Vorbestraftheit mit Zuchthausl1 : überhaupt nicht mit Zuchthaus vorbestraft: ......... . Sicherungsverwahrung nachträglich auf Grund der 1. Zuchthausstrafe ............................. . mit Zuchthaus vorbestraft Imal .................... , .......................... . 2mal 3mal 4mal 5mal 6mal 7mal 8mal 9mal

41,6 %

104 11

4,4 Ufo

55 34 21 15

22,0 Ufo 13,6 Ufo 8,4 Ufo 6,0 Ufo 1,6 Ufo 1,2 Ufo 0,4 Ufo 0,4 Ufo 0,4 %

4 3

1 1 1

Sa.: 250

=

100,0 Ufo

Danach waren 46 %, also fast die Hälfte unserer Sicherungsverwahrten überhaupt nicht mit Zuchthaus vorbestraft, wenn man die 11 Fälle einrechnet, in denen die Sicl:terungsverwahrung nachträglich auf Grund der ersten Zuchthausstrafe angeordnet wurde (hier liegen die Verhältnisse deshalb ähnlich, weil zwischen der letzten Strafe, also der Zuchthausstrafe und der Anordnung der Sicherungsverwahrung keine neue Straftat begangen wurde)32. Wenn man die weiteren 55 Fälle hinzuzählt, in denen nur eine Zuchthausvorstrafe vorlag, so ist es allein in 170 von insgesamt 250 Fällen fraglich, ob wirklich von einer dauernden Gefährlichkeit des Täters gesprochen werden kann und ob vor allem die 31 DIese Vorbestraftheit spielte auch in rechts dogmatischer Hinsicht eine erhebliche Rolle. Im Gegensatz zum Vorentwurf 1909 (§ 89) und zur Reichstagsvorlage 1'927 erforderte da,s Ges'etz von 1933 keine Zuchthausvorstrafe. Trotzdem gingen viele Richter - nicht offen, sogar vielleicht nur unbewußtbei ihrer Beurteilung auch nach 1933 davon aus, ob der Angeklagte schon eine Zuchthausstrafe erlitten hatte, was deshalb nicht abwegig war, weil die Sicherungsverwahrung ja ursprünglich nur für solche Täter gedacht war, die durch die Strafe nicht mehr abzuschrecken waren (vgl. auch Exner, DJ 1943, S. 377, der sich einerseits gegen das Erfordernis einer Zuchthausvorstrafe wendet, andererseits aber dartut, daß der Angeklagte doch schon eine längere Freiheitsstrafe verbüßt haben sollte). Gegen dieses "eingeschmuggelte Erfordernis einer Zuchthausvorstrafe" nahm dann Rietzsch, DJ 1938, S. 134 ff. (192) Stellung, nachdem die Verurteilungszahlen in den Jahren 1936 und 1937 erheblich zurückgegangen waren. az Bei Möller, S. 45, hatte nahezu 1/4, nämlich 23 Ufo der zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen keine Zuchthausvorstrafe, bei Mayr, S. 212, sind es 136 von 524 Personen (also eben1\alls etwa 1/4). Bei diesen Zahlen ist aber zu berücksichtigen, daß sie nur für die Zeit bis 1937 zutreffen, die Vorkriegs- und die Kriegszeit sind nicht berücksichtigt. Ferner berücksichtigt Möller nur die - schwerer vorbestraften - nachträglich Verurteilten.

Untersuchung

58 129

130

Die Vorbestraftheit der Sicherungsverwahrten mit Zuchthaus •

125 120

mit Gefängnis

115

110 105 100 90

80

76

75 70 65

60

47 45

42

40

35 30 25 20

15 10

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Die Tat und der Täter

59

regulären Mittel unseres Strafrechts erschöpft waren, ehe zum Mittel der Sicherungsverwahrung gegriffen wurden.

Über das Verhältnis zwischen der allgemeinen Vorstrafenzahl- Umfang der Vorbestraftheit - zur Zahl der Zuchthausvorstrafen - Schwere der Vorbestraftheit - gibt die graphische Darstellung auf S. 58 ein Bild: Die Zuchthausvorstrafen nehmen also mit zunehmender Vorstrafenzahl ab; das ist leicht erklärlich: wer mehrere Zuchthausstrafen erlitten hat, kann nicht innerhalb von ca. 15 Jahren 15mal bestraft worden sein, mit anderen Worten: diejenigen, die am häufigsten bestraft worden sind, haben die kürzesten Strafen erlitten; sie sind vielfach die harmlosesten unter den Kriminellen. Geringe Vorstrafenzahl spricht zwar nicht immer für lange Vorstrafen und schwere Verbrechen, hohe Vorstrafenzahl spricht aber regelmäßig für kurze Vorstrafen und relativ leichte Delikte. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn wir die Delikte betrachten, wegen denen die Sicherungsverwahrten vorbestraft warenu (vgl. S. 60/61). Die absolut beherrschenden Rollen nehmen auch hier, d. h. nicht bloß bei der letzten Tat, sondern auch hinsichtlicll des gesamten kriminellen Vorlebens unserer Sicherungsverwahrten, der einfache Diebstahl, der Betrug, die Unterschlagung und der schwere Diebstahl ein. Wegen schwerer Delikte wie Raub, Erpressung, Brandstiftung, Totschlag, Meuterei, Plündern u. ä. sind nur verhältnismäßig wenige Verwahrte vorbestraft35 • Dagegen ist z. B. der Bettel sehr häufig vertreten und bei den Körperlichkeitsdelikten der Widerstand gegen die Staatsgewalt und die Körperverletzung öfter als die Sittlichkeitsdelikte38• 33 Man muß hierbei bedenken, daß weitaus die meisten unserer Sicherungsverwahrten Diebe und Betrüger sind und daß infolgedessen die Strafschärfungsmöglichkeit nach den Rückfallsvorschriften bestand. Wenn trotzdem - auch unter Berücksichtigung des Rückfalles - so wenig von der Zuchthausstrafe Gebrauch gemacht worden ist, so deutet das klar auf die Geringfügigkeit der Handlungen hin. 34 Die Zahlen über die Hauptrichtung geben nicht unbedingt Aufschluß über den Tattyp des Täters. Ein und derselbe Täter kann mehrere Hauptrichtungen haben (z. B. Diebstahl und Betrug oder leichten und schweren Diebstahl oder Sittlichkeitsdelikte und Körperver1etzung u. ä.). Die Einteilung in T,attypen erfordert eine subjektive Bewertung der einzelnen Straftaten und ihrer Bedeutung für den Täter. Dieser Bewertung wollen wir uns vorerst noch enthalten, um nicht die objektiven Grundlagen zu verwischen. 3S Selbst Möller, S. 17, stellt bei seinen (schwerer vorbestraften) nachträglich Verurteilten fest, daß Kapitalverbrechen äußerst selten sind (Totschlag und Notzucht nur je Imal). 38 Von den am 15. 3. 36 in Straubing einsitzenden Verwahrten waren verurteilt (Mayr, S. 212): wegen Diebstahls, Raub pp. .......................... 259 Diebstahls und Betrug ........................ 109 Betrugs und ähnl. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Sittlichkeitsverbrechens ....................... 40 Totschlag und ähnl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Hoch- und Landesverrats ...................... 4 Auch nach diesen Zahlen dominieren Diebstahl und Betrug.

Untersuchung

60

Delikt

Zahl der Täter, die deswegen vorbestraft sind absolut

Diebstahl (einfacher) .......... 208 Betrug ........................ 165 Unterschlagung ............... 141 Schwerer Diebstahl . . . . . . . . . . .. 134 Urkundenfälschung . . . . . . . . . . . . 88 Bettel. ........................ 61 Hehlerei ...................... 57 Sachbeschädigung . . . . . . . . . . . .. 46 Widerstand gegen d. Staatsgewalt 44 Körperverletzung ............. 44 Beleidigung ...... . ............ 40 Sittlichkeitsdelikt (§§ 175, 176) .. 33 Falsche Namensangabe ........ 31 Landstreicherei ................ 24 Waffenbesitz/Messertragen .... 24 Fahnenflucht/Unerl. Entfernung 23 Hausfriedensbruch ............ 21 Steuerdelikte/Gewerbedelikte .. 21 Unerlaubte Rückkehr/Bannbruch/Paßvergehen ............ 21 Raub.......................... 19 Grober Unfug/Ruhestörung .... 17 Untreue ....................... 14 Erpressung ......... . ......... 14 Bedrohung .................... 13 Meuterei/Gefangenenbefreiung 12 Nötigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Mundraub .................... 11 Zuhälterei .................... 10 Begünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Falsche Anschuldigung ........ 7 Kraftfahrzeugvergehen ........ 7 6 Verg. geg. Republikschutzgesetz Unbefugtes Abzeichentragen . . . 6 Brandstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Öffentliches Ärgernis .......... 5 Eidesdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Amtsanmaßung. .............. 5 Falsche Ausweispapiere . . . . . . . . 5 üble Nachrede................ 4 Verbotenes Nächtigen. ...... ... 4 Jagdvergehen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Obdachlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 4 Totschlagsversuch . . . . . . . . . . . . . 3

'/0 aller Täter

Zahl der Täter, bei denen das Delikt die oder eine der Hauptrichtungen darstellt absolut

14 46 13 18

48,8 36,0 5,6 18,4 5,2 7,2

6 5 2

2,0 0,8

5

2,0

2

0,8

4 2 1 1 1

1,6 0,8 0,4 0,4 0,4

83,2 66,0 56,4 53,6 35,2

122

22,8 18,4 17,6 17,6 16,0 13,2 12,4 9,6 9,6

5

24,4

0/0 aller Täter

90

14

2,0

2,4

5,6

9,2

8,4 8,4 8,4 7,6 6,8 5,6 5,6 5,2 4,8 4,4 4,4

4,0 3,6 2,8 2,8 2,4 2,4 2,0 2,0 2,0 2,0 2,0

1,6 1,6 1,6 1,6 1,2

8 2 1

0,8 0,4

1

0,4

1

0,4

1 1 1

0,4 0,4 0,4

Delikt

Die Tat und der Täter

61

Zahl der Täter, die deswegen vorbestraft sind

Zahl der Täter, bei denen das Delikt die oder eine der Hauptrichtungen darstellt

absolut Münzdelikte .................. ArbeitsscheueNertragsbruch .. Aufruhr................. ..... Unerlaubtes Sammeln . . . . . . . . . Landfriedensbruch ............ Kuppelei...................... Totschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notbetrug .................... Landesverrat ................. Hochverrat .................... Verstrickungsbruch . . . . . . . . . . Verbotenes Glücksspiel ........ Volltrunkenheit. ... ...... .. .. . Abtreibung ................... Verg. geg. d. Verbr.Reg. Str. VO Bestechung ................... Plündern. ....................

3 3 3 3 1 3 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1

Ofo aller Täter 1,2 1,2 1,2 1,2 0,4 1,2 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4

absolut

Ofo aller Täter

1

0,4

1

0,4

1 1

0,4 0,4

Charakteristisch für die Bedeutung der einzelnen Delikte ist auch ihre Rolle bei den Hauptrichtungen. So gibt es sehr häufig vorkommende DeHkte, die nur selten als Hauptrichtung auftreten (z. B. Unterschlagung), und umgekehrt weniger häufig vorkommende Delikte, die verhältnismäßig oft als Hauptdelikte vertreten sind (z. B. Bettel und Sittlichkeitsdelikte)37. 37 Unsere Feststellungen werden auch hier von den anderen Untersuchungen bestätigt. Schmidt, S. 195, unterscheidet nach der Hauptrichtung der kriminellen Betätigung 77,9 % Eigentumsverbrecher (54,9 Ofo Diebe und 15,9 Ofo Betrüger); 3,1 Ofo Sittlichkeitsverbrecher; 2,2 Ofo Gewalttätige und 23,5 Ofo Mischgruppen. In ähnlicher Weise unterscheidet Heinke, S. 24, zwischen Dieben (66,2 Ofo), Betrügern (15,9 %), Sittlichkeitsverbrechern (2,0 %), Gewalttätigen (1,5 %) und Mischgruppen (14,4 %). Wenn die Einteilung nach Typen auch immer subjektiv ist, so lassen doch auch diese Zahlen das Verhältnis der einzelnen Delikte zueinander deutlich erk:ennen. Lotz, S. 37, stellt als Hauptrichtung (bei 200 Untersuchten) fest: einfacher Diebstahl in 37, schwerer Diebstahl in 45, Betrug in 37, Diebstahl und Betrug in 37, Diebstahl und Körperverletzung in 20 und Sittlichkeitsdelikte in 8 Fällen. Bei Wend (387 Straflisten) sind als Hauptrichtung angegeben (S. 15 - 19): einfacher Di,ebstahl in 309, Betrug in 162, Unterschlagung in 108, Bettelei in 92 und Sittlichkeitsdelikte in 21 Fällen. Besonders instruktiv ist ein Vergleich zwischen der Erststraffälligenkriminalität bei Schmid, S.69/70 und der Rückfälligenkriminalität bei Schnell, 100/101:

62

Untersuchung

ce) Beginn der Kriminalität Solange bei uns der Strafvollzug noch demoralisierend wirkt und der Umstand des Bestraftseins eine manchmal unüberwindbare Mauer auf dem Weg zu einem sozialen Leben darstellt, liegt der Schwerpunkt der Entwicklung zum Rückfallstäter am Beginn der kriminellen Laufbahn ll8• Der Beginn der Kriminalität unserer Sicherungsverwahrten ist im allgemeinen sehr früh. Der Zusammenhang zwischen Rückfallsverbrechertum und Frühkriminalität ist bekannt39 • Wir können die bisher in dieser Hinsicht gemachten Erfahrungen nur bestätigen. Wenn wir selbst die Kindheits- und Jugenddelikte nicht berücks!chtigen, auf die hin keine Rechtsmaßnahme oder nur eine vormundschaftsgerichtliche Maßnahme erfolgt ist, sondern nur von den strafgerichtlichen Maßnahmen ausgehen, so liegt das durchschnittliche Erstbestrafungsalter aller unserer Sicherungsverwahrten, einschließlich der Spätkriminellen, bei 191/4 Jahren40 • 502 Erstverbrecher 0/0

einfacher Diebstahl ........................ schwerer Diebstahl ........................ Betrug ................................... Raub/Erpressung ......................... Hausfriedensbruch ........................ Unterschlagung . ... .... .... .... .... ... .... Körperverletzung ......................... Mord/Totschlag ........................... Unzucht mit Kindern ..................... Brandstiftung ............................ Meineid ..................................

2,9 2,0 2,3 2,1 0,2 2,7 3,3 4,6 13,6 7,6 16,0

502 Rückfällige %

82,8 35,0 57,0 7,8 18,8 40,8 36,2 1,2 9,6 4,0

Wenn auch die Zahlen für die Vermögens delikte der Erstverbrecher reichHch niedrig erscheinen, so zeigt die Aufstellung doch, daß die Rückfallskriminalität vor allem eine wesentlich erhöhte Vermögenskriminalität (und verminderte andere Kriminalität) ist. 38 Und nicht erst dort, wo man den übergang zum Gewohnheitsverbrechertum finden zu müssen glaubt, nämlich beim Rückfall oder gar erst beim mehrfachen Rückfall. So weist Exner mit Recht darauf hin, daß die Gefahr rückfällig zu werden, wesentlich größer (nach der Statistik etwa 7mal!) ist als diejenige, sich erstmalig strafbar zu machen (Kriminologie, S. 267); vgl. auch Roesner, Handw. Krim. II, S. 1001 ff. (1008). Sehr instruktiv auch die ähnlichen Erfahrungen in Amerika, vgI. Sheldon u. Eleanor Glueck, a. ,a. 0.: von 905 strafentlassenen Jugendlichen setzten ihr delinquentes Verhalten 88 Ufo während der nächsten 5 Jahre fort. 39 VgI. dazu näher Hellmer, ZStW 72, S. 397 ff. Nach Silbereisen, S. 16 sind von den Jugendlichen, die im 15. oder 16. Lebensjahr erstmalig straffällig wurden, 53,2 Ufo rückfällig und 23,4 Ufo vielfach rückfällig geworden, von den im 17. oder 18. Lebensjahr erstmals straffällig gewordenen dagegen nur noch 45,4 Ufo rückfällig und 14,6 Ufo vielfach rückfällig. Silbereisen schließt daraus zutreffend, daß die Wahrscheinlichkeit des Rückifalls um so größer ist, je früher die Kriminalität einsetzt. 40 Bei Möller, S. 53, 19 Jahre.

Die Tat und der Täter

63

Im einzelnen ergeben sich folgende Zahlen: Alter Jahre

erstmals bestraft Verwahrte

Alter Jahre

erstmals bestraft Verwahrte

12

1

13

1

26

5 6

14

11

27

15

25

28

1

16

30

29

1

17

28

30

3

18

32

31

19

31

32

2

20

19

33

21

15

34

1

22

12

35

1

23

9

36

24

4

37

1

25

5

38

1

Danach sind 27,2 Ofo aller unserer Sicherungsverwahrten bis 16 Jahre einschließlich erstmals bestraft worden, weitere 24 Ofo bis 18 Jahre (zusammen 51,2 Ofo), weitere 26 Ofo bis 21 Jahre einschließlich (zusammen 77,2 Ofo) und weitere 8,4 Ofo bis 23 Jahre einschließlich (zusammen 85,6 Ofo). Auf die weiteren Jahre bis 38 Jahre entfällt der Rest von 14,4 Ofo unserer Sicherungsverwahrten. Wenn man unter Frühkriminalität das Alter bis 18 Jahre einschließli·ch versteht, sind also 51,2 Ofo unserer Sicherungsverwahrten frühkriminell; zieht man den weiteren Rahmen bis 21 Jahren einschließlich, so sind es sogar 77,2 01041 • Die meisten Erstbestrafungen kommen im Alter von 18 Jahren vor, es folgt das Alter von 19, sodann das von 16, schließlich das von 17 Jahren. Zwischen 15 und 19 Jahren liegt also der Höhepunkt. Das veranschaulicht noch einmal besonders folgende Kurve: 41 Die das Phänomen der Frühkriminalität durchweg bestätigenden Zahlen der anderen Untersuchungen lauten: 14-1'8 Jahre: 41,6 % (Schmidt); 62,5 Ofo (Lotz, S. 30); 51,4 Ofo (Heinke, BI. f. Gefk. , Bd. 73, S. 21 ff., s. 22); 46 Ofo (Wend, Krim. Abh. H. 2'3,

S.46). 18-21 Jahre: weitere 310f0 (Schmidt); weitere 210f0 (Lotz); weitere 23 Ofo (Heinke).

Bei Rudolph (Stialianstalt Bruchsal, 31. 10. 1'955) waren vor dem 20. Lebensjahr 49 Ofo, zwischen dem 20. und dem 24. Lebensjahr weitere 40 Ofo erstmals straffällig geworden (DRiZ 1956, S. 176). VgI. auch Möller, S. 53.

Untersuchung

64 Zahl der Fölle 40

35

30

25

20

15

10

5

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 Alte" nach Jahren

Die Jahre mit den meisten Erstbestrafungen sind zugleich die Jahre, in denen sich der junge Mensch von zu Hause löst und sich selbständig zu machen versucht42 • Auf die Gründe der Erststraffälligkeit werden wir im einzelnen im II. Teil der Untersuchung eingehen. Für die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Gewohnheitsverbrechertum und Frühkriminalität und für die Prognoseforschung ist es weiter von Bedeutung, mit welchen Delikten unsere Sicherungsverwahrten ihre kriminelle Laufbahn begonnen haben4s• Hierüber gibt die folgende Aufstellung Auskunft: 42 VgI. -auch Heinke, S. 23. Von seinen 195 Frühkriminellen sind erstmals bestraft worden: mit 10/11 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1 mit 1'2/13 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5 mit 13/14 Jahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 8 mit 14/15 Jahren ..................................... 29 mit 15/16 Jahren ..................................... 5'5 mit 16/17 Jahren ..................................... 47 mit 17/18 Jahren ..................................... 50 U Bei Wendt gab in 85 % der FäHe schon die erste Stl"aftat Aufschluß über die weitere kriminelle Entwicklung (S. 43). Ganz so ofllen liegen die Zusammenhänge, wie wir noch sehen werden, aber nicht.

Die 'rat und der Täter

6~

Die erste Bestrafung der Sicherungsverwahrten erfolgte wegen:

einf. Diebstahls

mal

mal

100

Sittlichkeitsdelikts ........... . 10 Beleidigung ................... . 4 Widerst. g. d. Staatsgewalt ..... . 2 Körperverletzung ............. . 4 Nötigung ..................... . 1 Hausfriedensbruchs ........... . 4 Brandstiftung ................. . 2 Sachbeschädigung ........... . 3 Verkehrsvergehens ........... . 5 Gef.-Befreiung ............... . 2 VerI. des Briefgeheimnisses ... . 1 Landstreichens ............... . 1 Amtsanmaßung ............... . 1 Waffenbesitzes ............... . 1 falschen Namens ............. . 3 Arbeitsscheu ................. . 1 Mi!. Vergehens ............... . 8

schweren Diebstahls ........... . 43 Raubs

5

Mundraubs Erpressung

2 2

Hehlerei

9

Unterschlagung ............... . 22 Betrugs

56

Urkundenfälschung ........... . 18 Bettelns

9

Schleichhandels ............... . Vermögensdelikte 44

1

267 (= 83,44%)

Nichtvermögensdelikte

53 (= 16,56°/0)

Gezählt sind wiederum alle Delikte, wegen denen Schuldsprüche erfolgten, um das Zahlenverhältnis der Delikte zueinander richtig erfassen zu können. Im ganzen handelt es sich um 320 Schuldsprüche (bei den letzten Straftaten waren es insgesamt, einschließlich der Fälle nachträglicher Verurteilung, 388); es überwiegen die Vermögensdelikte mit 267 (331) gegenüber den anderen Delikten mit 53 (57) Schuldsprüchen (die Nichtvermögensdelikte sind also bei den letzten Straftaten seltener)45. Über das Verhältnis zwischen den wicll.tigsten Delikten bei der letzten und bei der ersten Straftat gibt folgende Zeichnung Aufschluß: 44 Die Vermögensdelikte nehmen in unserem Material schon bei der ersten Bestrafung einen wesentlich breiteren Raum ein als in der ,allgemeinen Erstund vor allem der Jugendkriminalität. Von 4051 am 1. 4. 1941 in deutschen Jugendgefängnissen einsitzenden Gefangenen haben nach Roesner, BI. f. Gefk., Bd. 73, S. 3 ff. (14) begangen: Delikte gegen den Staat, die öffentliche Ordnung und die Religion .......................................... 1'5,4 0 /0 Delikte gegen die Person....... ........................ ... 15,8°/0 Vermögens delikte ..................... ...... .. ..... ...... 65,8 Ofo Die Vermögens delikte überwiegen also - wie überhaupt in der Kriminalität - auch hier, aber längst nicht so stark wie bei uns, was bereits die Tendenz zum Gewohnheitsverbrechertum andeutet. 45 Unsere Feststellungen stimmen hier mit denen der anderen Autoren überein: So stehen überall die Vermögens delikte an der Spitze, und zwar meist in der gleichen Reihenfolge wie bei uns. Lotz, S. 29 (100 Untersuchte): einf. Diebstahl 49, Betrug 17, schwerer Diebstahl 5, Sittlichkeitsverbrechen 4. - Schnell, S. 107: Diebstahl 69,3 Ofo, Betrug und Unterschlagung 12,2 Ofo, Körperverletzung 6,1 Ofo, Unzucht mit Kindern 2,4 Ofo. - Heinke, S. 23 (195 Personen): einfacher

5 Hellmer, Der Gewohnheitsverbrecher

66

Untersuchung

o •

100

5V

Verurteilungen

Erste Verurteilungen

87

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Diebstahl 103, schwerer Diebstahl 34, Betrug 16, Körperverletzung und Sittlichkeitsd€likt je 2 (bezieht sich nur auf die Frühkriminellen, daher der noch größere Anteil der Vermögensdelikte). - Wend, S. 43 (384 Personen): Diebstahl 224, Betrug 84, Sittlichkeits delikt 8. Daß die erstmals wegen Nichtvermögensdelikten bestraften Personen nicht so konstant bei ihrer Deliktsrichtung bleiben wie die mit Vermögensdelikten gleich beginnenden Personen, haben zutreffend auch Gregor-Zink, BI. f. Gefk. Bd. 72, S. 241 ff. und Silbereisen, Krim. Abh., H 45, festgestellt. Gregor-Zink führen auf S. 285 aus, die wegen Sittlichkeitsverbrechens und Körperverlet-

Die Tat und der Täter

67

Die Zeichnung vermittelt zunächst einen Eindruck davon, daß die Zahl der Schuldsprüche von der ersten Straftat bis zur letzten im ganzen um 66 zugenommen hat; ferner zeigt sie, daß die Straftaten auch an Gewicht zugenommen haben: die Zahl der schweren Delikte (schwerer Diebstahl, Raub, Betrug, Urkundenfälschung, SittHchkeitsdelikte) ist im Verhältnis zu den ersten Straftaten größer geworden, während die Zahl der leichteren Delikte (Hehlerei, Unterschlagung, Betteln und Landstreicherei) zurückgegangen istu . Auffällig, aber für den Kriminologen nicht erstaunlich, ist der Umstand, daß die Sittlichkeitsdelikte bei der letzten Straftat fast um das Dreifache zugenommen haben. Das bestätigt die schon früher gemachte Erfahrung, daß diejenigen, die im Verlaufe ihrer kriminellen Entwicklung ein Sittlichkeitsdelikt begehen, nicht immer mit einem Sittlichkeitsdelikt ihre Laufbahn begonnen haben und daß umgekehrt diejenigen, die mit einem Sittlichkeitsdelikt ihre kriminelle Laufbahn schon begonnen haben, nicht immer bei der Begehung von Sittlichkeitsdelikten bleiben (oft sogar nicht mehr straffällig werden). Wir werden hierauf bei der Betrachtung unserer Sittlichkeitstäter noch näher eingehen. Schon hieraus geht hervor, daß die Rolle der einzelnen Delikte, nach dem jeweiligen Entwicklungsstand des Täters, eine verschiedene ist. Dies wirkt sich natürlich auch bei der ersten Straftat aus. Wir haben eine Aufstellung darüber gemacht, in welchem Alter unsere Verwahrten mit welchem Delikt ihre Laufbahn begonnen haben. Dabei ergeben sich beachtliche altersmäßige Abweichungen (berücksichtigt sind nur die 7 wichtigsten Delikte): zung Erstbestraften wendeten sich anderen Deliktsarten zu oder entwickelten mehrgleisige Kriminalität. SilbeTeisen, S. 18/29 errechnet, daß von seinem Untersuchungsgut (die 1928 in München verurteilten Jugendlichen) 86,4 Ufo der wegen Vermögensdelikts Erstbestraften gleichartig rückfällig geworden sind; von den wegen eines Delikts gegen die Person zum erstenmal verurteilten Jugendlichen aber nur 69,2 Ufo. Auffällig und bedenklich zugleich (vgl. SaueT, S. 267) ist die verhältnismäßig große Zahl der Erstbestrafungen wegen Betrugs. Nach Doll-BeTneTRuhfus, Krim. Abh., H.42, S.22 sind die 14-17jährigen straffälligen Jugendlichen Münchens im Jahre 1937 zu 42,4 % wegen einfachen Diebstahls (und zu 11,4 Ufo wegen schweren Diebstahls), aber nur zu 2,4 Ufo wegen Betrugs bestraft worden! Die allgemeine Statistik weist für 1934 ähnliche Zahlen auf: die unter 18 Jahre alten Personen wurden erstmalig bestraft wegen Betrugs nur in 3,1 % der Fälle. Bei uns beträgt der Anteil des einf. Diebstahls 31,25 Ufo, (des schweren Diebstahls 13,43 0/0) und des Betrugs 17,5 Ufo! 48 Ein übergehen von der leichten zur schweren Kriminalität stellt auch Lotz, S. 42, fest. Während in seinem Material der einfache Diebstahl bei der 1. Tat noch 49mal vertreten ist, kommt er bei der letzten Tat nur noch 33mal vor. Ähnlich ist die kleine Kriminalität von 5 auf 0 zurückgegangen. Umgekehrt hat der schwere DIebs1lahl von 5 auf 19 Fälle, der Betrug von 17 auf 26 und das Sittlichkeitsdelikt von 4 auf 6 Fälle zugenommen. S*

Untersuchung

6.8

Alter: Jahre 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

D

B

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Us

Si

He

1 9 13 13 12 14 9 5 7 5 2 4 2

2 1 3 4 5 4 7 3 4 1 2 1 2 1 1 2

6 7 5 4 7 2 2 1 1 1 2

1 2 6 3 1 4 2 1

1 3

1 1 1 1 1

1 2 1 1

R 1 1 1 1

1 1 2

1

1

2 1

1

1

1

Danach liegt der Schwerpunkt beim Diebstahl, schweren Diebstahl und bei der Unterschlagung vor dem Durchschnittsalter von 191/, Jahren (mit dem unsere Sicherungsverwahrten erstmalig bestraft worden sind), der Schwerpunkt beim Betrug als einziger danach. Der Betrug ist auch das einzige Delikt, mit dem noch ältere in größerer Anzahl ihre kriminelle Laufbahn begonnen haben. Dagegen hört von den ersten 4 Delikten der schwere Diebstahl zuerst auf (bei 26 Jahren). Er ist aber auch derjenige, der als erster einsetzt (bei 12 Jahren). Ähnlicll verhält sich der Raub, der mit 13 Jahren einsetzt und sogar schon mit 23 Jahren aufhört. Damit ist die bisherige Erfahrung bestätigt, daß die Gewaltdelikte mehr in früheren Jahrenu, der Betrug dagegen in späteren Jahren vorkommt (bedenklich ist allerdings, daß auch er schon bei 14 Jahren einsetzt, was, insgesamt gesehen, belastender ist als das Vorkommen von Gewaltdelikten in frühen Jahren)48. 47 Vgl. auch v. Hentig, Diebstahl usw., S. 112/113: der Anteil am Einbruch (besser: Einsteigediebstahl) ist bei den Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren am größten; ähnlich beim Raub (S. 162 ff.). 48 So - zutreffend - Sauer, a. a. 0., S. 114 und·S. 2'67.

Die Tat und der Täter

69

Nicht leicht zu bestimmen ist die entwicklungsmäßige Bedeutung der Sittlichkeitsdelikte. Einerseits setzen auch sie schon bei 15 Jahren ein und erreichen schon bei 16 Jahren ihren zahlenmäßigen Höhepunkt; andererseits beginnen viele Sittlichkeitstäter, wie die Übersicht ebenfalls zeigt, ihre kriminelle Laufbahn erst recht spät. Dazu werden wir bei der Untersuchung der Sittlichkeitstäter noch sehen, daß gerade sie nicht als einheitlicher Typ angesprochen werden können, sondern je nachdem, ob sie sich gleich- oder fremdgeschlechtlich betätigen, verschieden geartet sind. b) Diebe aa) Einteilung in 3 Gruppen

Maßgebend für die Einteilung der wegen Diebstahls allein oder mit anderen Delikten zusammen zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen in drei Gruppen ist das Verhältnis der Vorstrafen wegen (einfachen und schweren) Diebstahls zu den Vorstrafen wegen anderer Delikte. Danach gibt es reine oder nahezu reine Diebe, bei denen durchschnittlich auf etwa 8 Diebstahlsvorstrafen nur eine Vorstrafe wegen eines anderen Delikts entfällt. Dies ist die kleinste Gruppe; sie umfaßt 26 Sicherungsverwahrte. - Bei der Mischgruppe überwiegen zwar noch die Vorstrafen wegen Diebstahls, aber nur noch um etwa ein Drittel. Dies ist die größte Gruppe; sie umfaßt 66 Personen. - Schließlich folgt die Gruppe der konturlosen Diebe, d. h. der Personen, die zwar wegen Diebstahls (allein oder mit anderen Delikten zusammen) zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden sind, die aber wegen Diebstahls entweder gar nicht oder nur geringfügig vorbestraft sind oder bei denen die Diebstahlsvorstrafen im Verhältnis zu den anderen Vorstrafen in der Minderzahl bleiben. Diese Gruppe umfaßt 38 Personen49 • Zur Verdeutlichung dieser Unterscheidung sei folgende Tabelle über das Verhältnis zwischen der Zahl der Vorstrafen wegen Diebstahls und der Zahl der Vorstrafen wegen anderer Delikte (nach dem Vorstrafenregister der wegen Diebstahls allein oder wegen Diebstahls zusammen mit anderen Delikten zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen) wiedergegeben: 40 Weg1:!n der unterschiedlichen Intensität der Betätigung als Dieb ist es schwierig, den Anteil der Di-ehe an der Gesamtzahl unserer Sicherungsverwahrten eindeutig zu bestimmen. Wenn wir die Diebe der reinen und der Mischgruppe zusammennehmen, so sind 36,8 % unserer Sicherungsverwahrten überwiegend Diebe. Im ganzen liegt der Prozentsatz aber höher, weil noch viele der wegen Betrugs oder sogar Sittlichkeitsdelikten verurteilten Personen in Wirklichkeit überwiegend Diebe sind. Wir kommen auf einen Anteil von etwa 52 %. Dies stimmt auch mit d1:!n Ergebnissen anderer Untersuchungen überein. Bei Schmidt, S. 195, beträgt der Anteil der Diebe 54,9 Ofo und bei Heinke, S. 24, unter den Frühkriminellen 66,2 %. Lotz, S. 35, nennt 63 Ofo (Straubinger Belegschaft).

70

Untersuchung absolut

Reine Diebsgruppe ................... . Mischgruppe mit überw. Diebstätigkeit Konturlose Diebsgruppe ............. . Im ganzen

Durchschnitt für den einzelnen Täter

200: 28 633: 407 273: 499

8,0 : 1,12 9,4 : 6,0 7,03: 13,5

1106: 934

8,57: 7,24

Die Delikte, die neben dem Diebstahl am häufigsten vertreten sind, sind Betrug und Bettelei. Namentlich unter den konturlosen Dieben gibt es welche, die 25mal wegen Bettels, aber nur 2- oder 3mal wegen Diebstahls vorbestraft sind, wobei der Diebstahl allerdings durch verwandte Delikte wie Mundraub, Mehrbrotentnahme, Felddiebstahl und dergl. verstärkt wird. In dieser Gruppe tritt auch häufig der sogenannte "Allgemein-Unzuverlässige", auf, d. h. der wegen der verschiedensten Delikte Vorbestrafte, bei dem keine bestimmte Richtung vorherrscht. Hier kommen Bestrafungen wegen Arbeitsscheu, Körperverletzung, groben Unfugs, ruhestörenden Lärms, Hausfriedensbruchs, Fahnenflucht, Freiheitsberaubung, Sachbeschädigung, falscher Anschuldigung, Sittlichkeitsdelikts, unbefugten Nächtigens u. a. vor. Auch pseudopolitische Delikte wie Aufruhr, Meuterei, Betreten des Grenzstreifens, Vergehen gegen den Schutz der Republik, selbst Hoch- und Landesverrat sind vertreten, ohne daß natürlich ein bestimmtes politisches Wollen vorhanden ist. Eine andere Gruppe Allgemein-Unzuverlässiger ist nebenbei vor allem wegen Gewerbevergehen vorbestraft: Steuerhehlerei, Steuerhinterziehung, Schleichhandel, Preistreiberei, unerlaubter Eisverkauf, unerlaubter Verkauf von Kokain und dergl. Hier werden Diebstahlsdelikte nicht gezielt begangen, sondern sie treten als Ausdruck einer allgemeinen sozialen Unzuverlässigkeit auf, bei der allerdings die Bereicherungsabsicht eine hervorragende Rolle spielt. In der Mischgruppe stehen neben den Vorstrafen wegen Diebstahls vor allem solche wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Unterschlagung. Hier konzentriert sich die deliktische Betätigung immer mehr auf das Vermögen, wie denn überhaupt zu bemerken ist, daß die kriminelle Intensität mit kleinerem kriminellen Radius wächst. Zwar sind auch noch Bettelei und andere der schon genannten Delikte vertreten, aber doch so selten, daß sie kaum noch selbständige Bedeutung haben. Selbst die Sittlichkeitsdelikte haben eine Vermögensrichtung angenommen: es überwiegt bei ihnen die Zuhälterei. In der Gruppe der reinen bzw. nahezu reinen Diebe kommen andere Delikte, falls überhaupt noch, nur in Zusammenhang mit Diebstahl und zu seiner Unterstützung vor, vor allem der Besitz von Diebeswerkzeug und der Waffenbesitz als Begleit- und Vorform, bei Fehlschlag des Dieb-

Die Tat und der Täter

71

stahls auch Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch beim schweren und Bettel und Landstreicherei beim einfacllen Dieb; als Nachform des Diebstahls Widerstand und Beamtenbeleidigung. bb) Die Arten und Betätigungsrichtungen der Diebe

Die häufigsten Arten der Diebstahlshandlungen sind bereits bei den letzten Taten analysiert worden. Das dort entworfene Bild bestätigt sich auch nach einem Einblick in das kriminelle Vorleben der Diebe. Am häufigsten sind beim einfachen Diebstahl der Bekannten-, Fahrrad_ und Betteldiebstahl, beim schweren Diebstahl der Gehöft-, Geschäfts- und Villeneinbruch, wobei als Objekte Lebensmittel, in weitem Abstand erst gefolgt von Wäsche, Schmuck und Geld, an erster Stelle stehen. In der konturlosen Gruppe überwiegt die Entwendung von Gegenständen gelegentlich eines persönlichen Verhältnisses oder einer bestimmten Besclläftigung, die - jedenfalls nicht unmittelbar - mit der Begehung von Diebstählen zusammenhängen. Nur selten wird das persönliche Verhältnis gesucht bzw. die Beschäftigung ausgeübt, um den Diebstahl begehen zu können. So ergibt sich der Betteldiebstahl gelegentlich der Bettelei, der Arbeitgeberdiebstahl gelegentlich eines Arbeitsverhältnisses, der Kameradendiebstahl gelegentlich eines gemeinsamen Wanderns, Übernachtens oder Wirtshausbesuches und der Beischlafsdiebstahl g·elegentlich einer Frauenbekanntschaft. Ähnlich kommt der Logis-, Untermieter- und Wohnungsdiebstahl zustande. Neben solchen Diebstählen, die für diese Gruppe von Dieben besonders kennzeichnend sind, kommt auch der Fahrraddiebstahl und selbst der Einbruch vor. Hier sind es aber die äußeren Umstände, die die Tat bestimmen. Das Fahrrad wird nach einem Wirtshausbesuch oder dann gestohlen, wenn gerade das Bedürfnis besteht, möglichst schnell fortzukommen. Der Täter scheut sich dann nicht, es vor dem nächsten Wirtshaus abzustellen und nach dem Besuch desselben ein anderes Fahrrad zu greifen, um das ursprünglich gestohlene dafür stehen zu lassen. Auch der Einbruch ist nicht das, was wir uns unter einem Einbruchdiebstahl eigentlich vorstellen, sondern mehr der Einsteige- und der Durchgreifediebstahl, bei dem das Objekt bereits sichtbar ist und das Hindernis auf dem Wege zu ihm nicht hemmend in Erscheinung tritt, sondern erst unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB nachträglich hinzugetan wird, sehr zum Erstaunen des Diebes, der es für gleich erachtet, ob er das Huhn vom umfriedeten Hofe oder durch ein Loch des Maschendrahts entwendet. In der Mischgruppe ist der geplante und gezielte Diebstahl schon häufiger. Das heißt nicht, daß diese Gruppe von Dieben eine andere Art von Diebstählen bevorzugt; es heißt aber, daß die Diebstähle nicht mehr nur gelegentlich, sondern schon in Ausnutzung der angeknüpften Verhält-

72

Untersuchung

nisse oder Beschäftigungen begangen werden. So wird z. B. der Betteldiebstahl zum Landdiebstahl, d. h. man läuft oder fährt über Land, um zu betteln und zu stehlen, oder man klingelt gar an den Türen, um zu erfahren, ob jemand anwesend ist, und zu stehlen, womöglich einzubrechen, falls das nicht der Fall ist. Auch die persönliche Bekanntschaft, vor allem die einer Frau oder eines Arbeitskameraden wird oft auf Grund bestimmter Nebenabsichten gesucht. Es gibt zwei Kriterien hierfür, einmal die häufige Mischung mit Betrug, der ja in gewissem Umfang ein Vordenken voraussetzt, und ferner das Kompagnonverhältnis. So ist z. B. der Beischlafsdieb mitunter wegen Heiratsbetrugs vorbestraft; die Begehungsformen gehen hier ineinander über. Auch das Kompagnonverhältnis ist auffällig: wird der Diebstahl in der konturlosen Gruppe noch nahezu ausschließlich im Alleingang ausgeführt, so tritt hier häufig der zweite, der Mittäter hinzu. Bei mindestens der Hälfte der von Dieben dieser Gruppe ausgeführten Diebstähle haben zwei Täter mitgewirkt. Ein Zusammenwirken mehrerer Täter setzt aber einen gemeinsamen Plan, mindestens ein übereinstimmendes Wollen, zu dem es vor der Tat gekommen sein muß, voraus. Das gilt natürlich in besonderem Maß für den Einbruch. Ergibt er sich in der konturlosen Gruppe noch aus den augenblicklichen Verhältnissen, so wird er in der Mischgruppe schon häufig geplant und gemeinsam ausgeführt. Objekte sind hier auch nicht mehr nur kurzlebige Güter wie Lebensmittel und allenfalls noch Wäsche, sondern schon Schmuck, Geräte, Apparate und Gegenstände, die nicht unmittelbar genützt, sondern erst umgesetzt werden müssen, also gewissermaßen noch einen zweiten Arbeitsgang erfordern, ehe sie einen Nutzen bringen. In der Gruppe der reinen bzw. nahezu reinen Diebe macht sich bereits der "technische Diebstahl" bemerkbar, d. h. der Diebstahl mit besonderem Werkzeug oder jedenfalls einer bestimmten Fertigkeit und Übung. Beim einfachen Diebstahl ist es der Taschen-, Markt- und Warenhausdiebstahl, auch der Bodenkammer- und Wohnungsdiebstahl, beim schweren Diebstahl der Fabrik-, Villen- und Geschäftseinbruch. Zwar ist der Großeinbrecher auch hier noch kaum zu finden - nur einer (von insgesamt 130 nach ihrem Vorleben bekannten Dieben) kann mit 154 Einbrüchen im Rhein-Main-Gebiet als solcher angesprochen werden -, aber wenigstens der Übergang zum Einbruchspezialisten (der wohl selber zu klug ist, um bei drohender Sicherungsverwahrung fortzufahren) ist vorhanden. Auch die gefährlichste Form der Gemeinschaftsarbeit, die Bandentätigkeit, kommt in bereits 3 Fällen (von 26 Fällen) vor, während sie in der Mischgruppe nur einmal (von 66 Fällen), also möglicherweise noch durchaus zufällig vorkommt.

73

Die Tat und der Täter

cc) Zahl und Schwere der Vorstrafen der Diebe allgemein und der Angehörigen der 3 Diebsgruppen Vorstrafenzahl überhaupt Im ganzen ............... . Reine Diebsgruppe ....... . Mischgr. m. überwiegender Diebstätigkeit ............. . Konturlose Mischgruppe ... .

Zahl der Zuchthausvorstrafen

13,88 8,23

1,34 0,96

12,72 18,19

1,45 1,40

Die durchschnittliche Zahl der Vorstrafen der wegen Diebstahls allein oder mit anderen Delikten zusammen zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen entspricht mit 13,88 genau dem allgemeinen Durchschnitt. Nur die Vorbestraftheit mit Zuchthaus ist mit 1,34 etwas höher als der allgemeine Durchschnitt (1,258). Besonders aufschlußreich ist aber das Verhältnis der Vorstrafenzahlen der 3 Gruppen von Dieben zueinander. Am wenigsten vorbestraft sind mit durchschnittlich etwa 81/, Vorstrafen die reinen Diebe, am höchsten mit durchschnittlich 18,19 Vorstrafen die Angehörigen der konturlosen Gruppe. Dazwischen steht mit durchschnittlich etwa 123/, Vorstrafen der Dieb der Mischgruppe. Diese eindeutige Steigerung beweist, daß der reine Dieb, d. h. der einspurige und gradlinig sich entwickelnde Täter früher und schneller in die Sicherungsverwahrung kommt als der Mischtyp und erst recht als der "Allgemein-Unzuverlässige", der heute dieses, morgen jenes Delikt begeht. Etwa dasselbe Bild zeigt sich hinsichtlich der Schwere der Vorstrafen. Der reine Dieb kommt bei durchschnittlich noch nicht einmal einer Zuchthausvorstrafe in die Sicherungsverwahrung, während der Dieb der heiden Mischgruppen durchschnittlich deren anderthalb aufweist, ehe er zu Sicherungsverwahrung verurteilt wird.

dd) Alter der Diebe allgemein und der Angehörigen der 3 Diebsgruppen Das durchschnittliche Alter der wegen Diebstahls allein oder zusammen mit anderen Delikten zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen war: bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung Im ganzen ............... . Reine Diebsgruppe ....... . Mischgruppe mit überwiegender Diebstätigkeit ..... . Konturlose Mischgruppe ... .

bei der ersten Verurteilung

35.54 30,80

18,06 18,26

18,75 18,61

35,83 38,37

17,49 18,91

17,92 20,57

'14

Untersuchung

Das Durchschnittsalter der wegen Diebstahls zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen ist bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung mit etwa 35 1/2 Jahren etwas niedriger als das Durchschnittsalter aller Verurteilten unseres Materials (etwa 371/2). Ähnlich verhält es sich mit dem Erstbestrafungsalter: 18 : 191/4 Jahren. Diese Abweichung ergibt sich daraus, daß die Diebe diejenigen sind, die am frühesten kriminell werden. Weil ihre kriminelle Laufbahn früher beginnt, landen sie im allgemeinen auch früher in der Sicherungsverwahrung. Sie landen aber außerdem auch deshalb früher in der Sicherungsverwahrung, weil der Dieb wegen des beherrschenden Charakters des Diebstahls von Anfang an einspuriger und gradliniger sich entwickelt als z. B. der Betrüger oder gar der Sittlichkeitstäter, wie wir noch sehen werden. Ein Beweis dafür ist auch die geringe Differenz zwischen dem durchschnittlichen Alter bei der Erstbestrafung überhaupt und dem Alter bei der ersten Bestrafung wegen Diebstahls (18 : 188/4 Jahren): die erste Bestrafung erfolgt eben in der Regel wegen Diebstahls (anders als bei den Betrügern wegen Betrugs oder den Sittlichkeitstätern wegen Sittlichkeitsdelikts, wie wir ebenfalls noch sehen werden). Innerhalb der einzelnen Gruppen der Diebe ergibt sich ein ähnliches Bild wie schon bei Betrachtung der Vorstrafenzahl: die reinen Diebe sind bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung erheblich, nämlich durchschnittlich fünf Jahre jünger als die Diebe der Mischgruppe und fast acht Jahre jünger als die der konturlosen Diebsgruppe. Die reinen Diebe kommen also nicht nur von allen Tätergruppen überhaupt und von den 3 Diebsgruppen insbesondere nach dem kürzesten kriminellen Vorleben, sondern auch altersmäßig am frühesten in die Sicherungsverwahrung. Hinsichtlich des Erstbestrafungsalters ergeben sich zwischen den einzelnen Gruppen keine auffälligen Unterschiede. Die geringen Abweichungen voneinander können durchaus zufällig sein. Beachtlich ist lediglich noch das Verhältnis zwischen Erstbestrafungsalter überhaupt und dem Erstbestrafungsalter wegen Diebstahls in der konturlosen Gruppe: es bestätigt die extreme Frühkriminalität des Diebes, indem es zeigt, daß dort, wo die erste Bestrafung in größerem Umfang wegen anderer Delikte als Diebstahl erfolgt, das durchschnittliche Erstbestrafungsalter in die Höhe steigt. ee) Beginn und Wandlung der Kriminalität der Diebe überhaupt und der Diebe der einzelnen Diebsgruppen Die Frage nach Beginn und Wandlung der Kriminalität ist vor allem für die Prognoseforschung von Bedeutung; denn die Antwort auf sie gibt Auskunft darüber, aus welchem kriminellen Anfang auf welche weitere kriminelle Entwicklung geschlossen werden kann.

Die Tat und der Täter

75

Die erste Verurteilung der Diebe erfolgte: wegen einf. Diebst. . ............. schw. Diebst . ........... . Betrugs ................ Unterschlagung .......... Bettelns ................ Urkundenfälschung ...... Hehlerei ................ Sachbeschädigung ........ Sittlichkeitsdelikts ........ Waffenbesitzes .......... Raubs .................. Beleidigung ............ Hausfriedensbruchs ...... Mißhandlung ............ Arbeitsscheue ............ Schleichhandels .......... Widerstands ............ Landstreicherei ....... . Verl. d. Briefgeheimnisses Kraftfahrzeugvergehens ..

im

ganzen 68

32

19 8 6 4

3 3 2 3 3 2 3

reine Gruppe 17 6 1 1 1

1 1

1 1 I

konturlose Gruppe mal

33 20

18 6

7 4 4

2 2 2 2 3

1

11 3

1 4 1 1 1

1

2

1

1 1 1

1

Mischgruppe

1 1 1

1 1

Unsere übersicht zeigt nun einmal, mit welchen Delikten die Diebe unseres Materials ihre kriminelle Laufbahn begonnen haben, und sie zeigt weiter, welclle Bedeutung diese Delikte für die Entwicklung des Täters zum Angehörigen einer der drei Gruppen hat. Was zunächst die ersten Delikte an sich angeht, so zeigt sicll einmal die überragende Bedeutung des Diebstahls schon bei der ersten Tat, was deshalb nicht verwundert, weil der Diebstahl überhaupt unter den ersten Delikten unserer Sicherungsverwahrten an erster Stelle steht, ferner zeigt sich aber auch die große Zahl und Verschiedenheit der Delikte (bei den Betrügern wird die Skala der Delikte wesentlich kleiner sein). Nach den beiden Diebstahlsformen folgt an dritter Stelle der Betrug als häufiges Erstdelikt. Daß Unterschlagung und Bettelei eine bedeutsame Rolle spielen, ist verständlich. Allerdings kommt diese in unserer Aufstellung deshalb nicht zur vollen Geltung, weil viele Erstbestrafungen gerade wegen dieser beiden Delikte infolge ihrer Geringfügigkeit entweder nicht erfolgt oder wieder gelöscht sind. - Die Urkundenfälschung tritt als Erstdelikt nicht immer in Zusammenhang mit Betrug, sondern auch in Zusammenhang mit Diebstahl auf, eine Kombination, die, kriminologisch gesehen, an sich nicht üblich ist. - Die nächsten, jeweils in 3 Fällen vorkommenden Erstdelikte sind bei Dieben nicht ungewöhnlich, ins-

76

Untersuchung

besondere nicht SittHchkeitsdelikte, da - wie wir noch sehen werdendie meisten Sittlichkeitstäter nebenher oder sogar überwiegend Vermögensverbrecher sind. - Die restlichen Erstdelikte ergeben sich daraus, daß gerade unter den Dieben, wie bereits dargestellt, viele "Allgemein-Unzuverlässige" sich befinden, die auch schon mit Nebendelikten wie Widerstand, Mißhandlung, Verletzung des Briefgeheimnisses u. a. ihre Laufbahn beginnen. Bei der Aufteilung der Delikte auf die einzelnen Gruppen ergibt sich zunächst, daß innerhalb jeder Gruppe, auch der konturlosen, der Diebstahl beherrschend ist, allerdings in verschiedenem Maß. Die stärkste Stellung hat der Diebstahl natürlich in der reinen Gruppe, die ja nur 26 Fälle umfaßt. Auffällig ist aber, daß nur der einfache Diebstahl diese beherrschende Stellung in der reinen Gruppe hat. Der schwere Diebstahl ist in der Mischgruppe am stärksten vertreten, die nur etwa 21 /2mal so groß ist wie die reine Gruppe, aber 3mal so viele Erstbestrafungen wegen schweren Diebstahls aufweist. Dies scheint darauf hinzuweisen, daß derjenige, der mit einem schweren Diebstahl beginnt, in seiner späteren Entwicklung mehr auch zu anderen Straftaten neigt als derjenige, der mit einem einfachen Diebstahl beginnt. Dies wird dadurch bestätigt, daß in der Mischgruppe die einzigen Erstbestrafungen wegen Raubs, Widerstands und Hausfriedensbruchs (meist coupierter schwerer Diebstahl!) und die überwiegende Zahl der Erstbestrafungen wegen Hehlerei, Sachbeschädigung, Sittlichkeitsdelikts und Waffenbesitzes zu registrienm sind. - In der konturlosen Gruppe fällt die verhältnismäßig große Zahl von Erstbestrafungen wegen Betrugs und Urkundenfälschung auf. überhaupt spiegelt sich in den Betrugszahlen die Auflösung der Diebsgruppen am besten wieder: in der reinen Gruppe ist der Betrug nur 1mal, in der Mischgruppe schon 7mal, in der konturlosen gar 11mal als Erstdelikt enthalten. Vergleicht man in den einzelnen Fällen die erste Bestrafung mit der weiteren kriminellen Entwicklung, so ergibt sich folgendes Bild (unklare Fälle, in denen wegen der geringen Zahl der Vorstrafen sichere Schlüsse nicht gezogen werden konnten, sind weggelassen worden): Bei 47 Sicherungsverwahrten, die mit einfachem Diebstahl begonnen haben, herrscht auch später noch in 28 Fällen der einfache Diebstahl vor, in 11 weiteren Fällen gemischt mit schwerem Diebstahl und nur in den restlichen 8 Fällen außerdem noch Bettelei oder Betrug. (Das heißt nicht, daß nicht in allen Fällen Betrug oder andere Delikte nebenher begangen worden sind, sondern nur, daß sie nicht die oder eine Hauptrichtung darstellen). Von 24 Sicherungsverwahrten, die mit schwerem Diebstahl begonnen haben, sind später in der Hauptrichtung 10 beim schweren Diebstahl geblieben, 4 weitere gemischt mit einfachem Diebstahl, wobei in zwei

Die Tat und der Täter

77

Fällen letzterer überwiegt; in 3 Fällen ist der Betrug als zweite bzw. dritte Hauptrichtung hinzugetreten; in den restlichen 7 Fällen ist der Täter vom schweren Diebstahl gänzlich abgekommen und zum einfachen Diebstahl, zum Teil kombiniert mit anderen Delikten wie Betrug, Hehlerei und Unterschlagung, übergegangen. In drei Fällen davon kann man sogar von "Allgemeiner Unzuverlässigkeit" sprechen. Von 7 Sicherungsverwahrten, die mit einfachem und schwerem Diebstahl zusammen begonnen haben, sind 4 bei dieser Kombination in nahezu reiner Form geblieben, zwei weitere haben Betrug als dritte Hauptrichtung hinzugenommen und der siebente hat sich auf Diebstahl, Raub und Widerstand verlegt. Von 2 Sicherungsverwahrten, die mit Unterschlagung begonnen haben ist einer dabei geblieben, der andere auf Diebstahl, Sittlichkeitsdelikte und Bettelei übergegangen; und von 3 Sicherungsverwahrten, die mit Diebstahl und Unterschlagung zusammen begonnen haben, ist einer bei dieser Doppelrichtung geblieben, der andere zu Diebstahl übergegangen und der Dritte zu Diebstahl und Betrug. 14 Sicherungsverwahrte, die mit Betrug begonnen haben, haben sich folgendermaßen weiter entwickelt: 6 sind bei Betrug als alleiniger Hauptrichtung geblieben; 4 weitere haben sich außerdem auf einfachen Diebstahl verlegt, davon zwei mit schwerem Diebstahl und ein anderer mit Unterschlagung als dritter Hauptrichtung; die restlichen 4 haben den Betrug nicht zur Hauptrichtung genommen, sondern sind in zwei Fällen zum einfachen und schweren Diebstahl zusammen, in einem weiteren Fall zum schweren Diebstahl allein (Wandlungstyp: vom Betrüger zum Dieb!) und im letzten Fall zur Begehung der verschiedensten Vermögens- und Nichtsvermögensdelikte übergegangen. Bei 4 Sicherungsverwahrten, die mit Diebstahl und Betrug zusammen begonnen haben, herrscht in allen Fällen auch später diese Kombination vor, allerdings tritt in 3 Fällen eine dritte Richtung hinzu, nämlich einmal schwerer Diebstahl, einmal Unterschlagung und einmal Raub. 5 Sicherungsverwahrte, die mit Bettelei begonnen haben, haben nur in 3 Fällen diese Hauptrichtung, aber nicht allein beibehalten, sondern einmal mit schwerem Diebstahl, ein weiteres Mal mit schwerem und einfachem Diebstahl zusammen und ein drittes Mal nur mit einfachem Diebstahl. In den beiden restlichen Fällen tritt Bettelei als Hauptrichtung zurück und hat einmal einer allgemeinen Unzuverlässigkeit mit besonderer Tendenz zum schweren Diebstahl und einmal dem einfachen Diebstahl mit gelegentlicher Hinneigung zum schweren Diebstahl Platz gemacht (Bettel- und Landdiebstahl). 2 Sicherungsverwahrte, die mit Hehlerei begonnen haben, sind einmal zu Diebstahl und Betrug, einmal zu Bettelei und Diebstahl übergegangen.

78

Untersuchung

3 Sicherungsverwahrte, die mit Sachbeschädigung begonnen haben, haben sich folgendermaßen weiter entwickelt: einer ist ganz zum schweren Diebstahl übergegangen, ein weiterer zu Diebstahl mit Raub und Hehlerei und der dritte zu Betrug mit gelegentlicher Widerstandsleistung. Zum schweren Diebstahl ist auch der Sicherungsverwahrte übergegangen, der seine Laufbahn mit Hausfriedensbruch angefangen hatte (coupierter schwerer Diebstahl, ähnlich wie bei der Sachbeschädigung!). 4 Sicherungsverwahrte, die mit Sittlichkeitsdelikten begonnen haben, sind später zu einfachen Dieben geworden, in zwei Fällen allerdings mit der Nebentendenz zu allgemeiner Unzuverlässigkeit (vgl. dazu auch unten bei den Sittlichkeitsdelikten). 2 Sicherungsverwahrte, die mit Raub begonnen haben, sind zu Dieben geworden, und zwar im ersten Fall vor allem zum einfachen Dieb mit gelegentlicher Tendenz zu Unterschlagung, schwerem Diebstahl und Landstreicherei, im zweiten Fall zum schweren und einfachen Dieb mit gelegentlicher Tendenz zu Raub und Erpressung. Die übrigen wegen Diebstahls verurteilten Sicherungsverwahrten, bei denen mit genügender Sicherheit eine Aussage gemacht werden kann, haben sich folgendermaßen fortentwickelt: Begonnen mit:

Fortgefahren vor allem mit:

Unterschlagung Entw. von Nahrungsmitteln Diebstahl!Arbeitsscheue

schwerem Diebstahl Betrug, Bettelei schw. Diebstahl, Diebstahl, Betrug, Bettelei Bettelei, Diebstahl, Betrug, schw. Diebstahl schwerem Diebstahl, auch einfacher Diebstahl -schwerem Diebstahl, auch Meuterei, und Hehlerei schwerem Diebstahl

Schleichhandel Mißhandlung/Beleidigung Verletzung des Briefgeheimnisses Waffenbesitz

Aus diesen Feststellungen lassen sich vor allem zwei Schlüsse ziehen: Weitaus die meisten wegen Diebstahls zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen haben mit Diebstahl ihre kriminelle Laufbahn begonnen$o. Die erste Tat läßt in den meisten Fällen auf die weitere kriminelle Entwicklung des Täters tatsächlich schließen; allerdings geht die Entwicklung nicht im Sinne eines Fortfahrens mit den gleichen Delikten, sondern nur in einer kriminologisch erfaßbaren Tendenz und auch nie 50 Bei Wend, S. 43, haben von 224 Personen, die ihre kriminelle Laufbahn mit Diebstahl begonnen hatten, 211 diese Richtung beibehalten.

Die Tat und der Täter

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mit einer (im einzelnen Fall für besondere Maßnahmen hinreichenden) Sicherheit sondern nur mit einer (allenfalls allgemeine kriminalpolitische Erwägungen tragenden) Wahrscheinlichkeit vor sich.

ff) Die Diebe unter besonderer Berücksichtigung des einfachen und des schweren Diebstahls Die 130 wegen Diebstahls allein oder mit anderen Delikten (meist Betrug) zusammen zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen unseres Materials sind insgesamt 1106 mal wegen Diebstahls vorbestraft. Dieses entspricht einer durchschnittlichen Vorstrafenzahl jedes einzelnen wegen Diebstahls von 8,50. Die Zahlen verteilen sich auf einfachen und schweren Diebstahl so, daß von den 1106 Diebstahlsvorstrafen 718 auf den einfachen und 388 auf den schweren Diebstahl entfallen. Der einfache und der schwere Diebstahl stehen also etwa im Verhältnis von 2: 1 zueinander. Jeder einzelne der 130 Sicherungsverwahrten ist durchschnittlich 5,52mal wegen einfachen und 2,98maZ wegen schweren Diebstahls vorbestraft51• Selbstverständlich entfällt nicht auf jede der 130 Personen die gleiche Vorstrafenzahl wegen einfachen und schweren Diebstahls, vielmehr ist das Verhältnis beider zueinander im einzelnen Fall sehr verschieden. Bei näherer Betrachtung ergibt sich folgendes. Überhaupt nicht wegen Diebstahls vorbestraft sind nur 2 Personen. Von ihnen ist eine 5mal wegen Betrugs vorbestraft, die andere 2mal wegen Betrugs, 2m al wegen Bettelei, 5mal wegen groben Unfugs und 3mal wegen Werfens harter Gegenstände. Bei der ersten handelt es sich also um einen Betrüger, bei der zweiten um einen Allgemein-Unzuverlässigen. Wegen einfachen Diebstahls nicht vorbestraft, sondern nur wegen schweren Diebstahls, sind 6 Sicherungsverwahrte. Sie sind wie folgt vorbestraft: 24 35 111 166 197

2mal schwerer Diebstahl, Imal Besitz von Diebeswerkzeug. 7mal schwerer Diebstahl, 4mal Betrug. 5mal schwerer Diebstahl, Imal Raubmord. 3mal schwerer Diebstahl. Imal schwerer Diebstahl, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Waffenbesitz. 256 5mal schwerer Diebstahl, Imal Waffenbesitz. Danach sind von diesen 6 Personen fünf reine Diebe und einer schwerer Dieb und Betrüger zusammen. Körperlichkeitsdelikte kommen nicht in gehäuftem Maße vor. Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und 51 Der schwere Diebstahl kommt auch in den ,anderen Untersuchungen seltener vor als der einfache; selbst bei Möller (nachträgliche Verurteilungen) ergibt sich ein Verhältnis von 827 (s. D.) : 1356 (e. D.).

80

Untersuchung

Waffenbesitz sind Hilfsdelikte des schweren Diebstahls. Der schwere Dieb ist daher nahezu reiner Vermögensverbrecher. Umgekehrt wegen schweren Diebstahls nicht vorbestraft, sondern nur wegen einfachen Diebstahls sind 16 Personen. Sie sind folgendermaßen vorbestraft: 3 7mal einfacher Diebstahl, Betrug, Unterschlagung, Sachbeschädigung. 10 2mal einfacher Diebstahl, 4mal Bettelei, 3mal Betrug. 38 3mal einfacher Diebstahl, 2mal Körperverletzung, Landfriedensbruch, Amtsanmaßung. 47 4mal einfacher Diebstahl, 2mal Betrug, Hehlerei. 83 4mal einfacher Diebstahl, 12mal Betrug. 108 10mal einfacher Diebstahl, Hehlerei, Betrug. 112 5mal einfacher Diebstahl, 3mal SittIichkeitsdelikt, 2mal Unterschlagung, 2mal Bettelei. 118 19mal einfacher Diebstahl, 8mal Bettelei, 7mal Betrug, 2mal Sittlichkeitsdelikt. 152 4mal einfacher Diebstahl, 8mal Betrug, 2mal Unterschlagung. 177 2mal einfacher Diebstahl, 4mal Unterschlagung, Betrug, Hehlerei. 181 5mal einfacher Diebstahl. 183 8mal einfacher Diebstahl, 3mal Betrug, 4mal Unterschlagung. 188 1mal einfacher Diebstahl. 190 6mal einfacher Diebstahl, 3mal Bettelei, Betrug, unbefugtes Nächtigen. 223 2lmal einfacher Diebstahl, 5mal Betrug, 5mal Unterschlagung. 266 IOmal einfacher Diebstahl, 9mal Betrug, 3mal Unterschlagung, 2mal Sittlichkeitsdelikt. Danach sind unter diesen 16 Personen nur 3 reine oder nahezu reine Diebe. Alle anderen haben daneben so viel Vorstrafen wegen anderer Delikte - vor allem wegen Betrugs - , daß der Diebstahl allein nicht mehr bestimmend ist. Während also die Fälle des schweren Diebstahls ohne einfachen Diebstahl seltener, aber auch reiner vorkommen, sind die Diebe mit einfachem ohne schweren Diebstahl häufiger anzutreffen, neigen dann aber meist noch zu anderen Delikten wie Betrug, Unterschlagung und Bettelei. Wenn man zwischen den drei vorhin geschilderten Gruppen unterscheidet, ergibt sich in bezug auf den einfachen und schweren Diebstahl folgende Verteilung: einfache Diebe Reine Gruppe ................................ 3 Mischgruppe .................................. 4 konturlose Gruppe ............................ 9

schwere Diebe 4 2

Beim einfachen Diebstahl nimmt die Zahl der Fälle von der reinen Gruppe zur konturlosen Gruppe hin zu, beim schweren Diebstahl dagegen ab.

Die Tat und der Täter

81

Bei den übrigen 106 Personen sind einfacher und schwerer Diebstahl in verschiedenem Verhältnis zueinander gegeben. Selbstverständlich überwiegt, wie sich schon aus dem Gesamtverhältnis ergibt, meist der einfache Diebstahl; der schwere Diebstahl überwiegt nur in 7 Fällen. Untersucht man die beiden Gruppen - d. h. die Sicherungsverwahrten ohne einfachen und diejenigen ohne schweren Diebstahl - auf ihre sonstigen Eigenheiten, so ergeben sich folgende Zahlen: einfache Diebe Alter bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung ....................... 33 Alter bei der ersten Verurteilung überhaupt.. 173/4 Alter bei der ersten Verurteilung wegen einf. bzw. schw. Diebstahls. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 181/! Allgemeine Vorstrafenzahl ................... 133/4 Vorbestraftheit mit Zuchthaus ................ 1,0

schwere Diebe 33 1/1 21 221/1 51/1 2,0

Die Gegenüberstellung zeigt, daß sich beide Gruppen in wesentlichen Punkten voneinander unterscheiden. Zwar ist das Alter bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung beide Male das gleiche und liegt mit 33 Jahren, wie das Durchschnittsalter der Diebe überhaupt, unter dem Gesamtdurchschnittsalter aller Sicherungsverwahrten unseres Materials (37 Jahre). Der Vergleich der Erstbestrafungsalter miteinander zeigt aber, daß der schwere Dieb seine kriminelle Laufbahn wesentlich, nämlich rund 4 Jahre, später beginnt als der einfache Dieb und daß daher seine kriminelle Laufbahn bis zur Sicherungsverwahrung wesentlich kürzer und steiler ist als die des letzteren. Dieser Eindruck verstärkt sich bei dem Vergleich der Vorstrafenzahlen miteinander. Der schwere Dieb hat beim Eintritt in die Sicherungsverwahrung noch nicht einmal halb so viel Vorstrafen wie der einfache Dieb, dafür ist er aber doppelt so oft mit Zuchthaus vorbestraft. Die Ursache hierfür liegt einmal in der größeren Einspurigkeit und Gradlinigkeit seiner Laufbahn, wie wir schon gesehen haben, und ferner in der Schwere seiner Taten. Auffällig und nicht leicht zu erklären bleibt der spätere kriminelle Beginn des schweren Diebs52 • 52 Bei GTaßbeTgeT, S. 129, liegt der Kriminalitätsbeginn der Einbrecher mit 18,16 vor dem der anderen Diebe mit 19,32; der erste schwere Diebstahl wird aber mit 23,12 selbst bei den Einbrechern verhältnismäßig spät begangen.

6 Hellmer, Der Gewohnheitsverbrecher

82

Untersuchung

Wenn wir uns die Delikte betrachten, mit denen die beiden Diebesgruppen ihre kriminelle Laufbahn begonnen haben, so zeigt sich, daß der schwere Dieb auch hier deutlicher ist als der einfache Dieb. Von den 6 Fällen des schweren ohne einfachen Diebstahl ist in 3 Fällen mit schwerem Diebstahl begonnen worden, in einem weiteren Fall mit Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und verbotenem Waffenbesitz, im 5. Fall mit Waffenbesitz allein (HiIfsdelikte des schweren Diebstahls) und im letzten Fall mit Betrug und Urkundenfälschung. Der letzte Fall ist gleichzeitig derjenige, in dem der Täter schwerer Dieb und Betrüger zusammen wurde. Die 16 einfachen Diebe dagegen haben nur in 7 Fällen mit einfachem Diebstahl allein begonnen, in zwei weiteren Fällen mit einfachem Diebstahl und Betrug zusammen, in 2 Fällen mit Betrug allein, in 2 Fällen mit Unterschlagung, in 2 Fällen mit Sittlichkeits delikt und in einem Fall mit Hehlerei53• Daraus ergibt sich, daß die erste Tat schon ein omen ist. Der Betrug steht in der Regel nur dort am Anfang, wo er auch im späteren kriminellen Verlauf noch eine bedeutsame Rolle spielt. Der schwere Dieb legt sich durch seine erste Tat aber eher fest als der einfache Dieb. Wenn wir die Kombination von Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Waffenbesitz mit guten Gründen als coupierten schweren Diebstahl und den Waffenbesitz allein als Vorbereitungshandlung zum schweren Diebstahl ansehen, so hat in den 6 Fällen des schweren Diebstahls ohne einfachen Diebstahl die Laufbahn des Sicherungsverwahrten nur Imal mit einem artfremden Vermögensdelikt, dem Betrug, begonnen, und dies auch nur in dem Fall, in dem der Dieb außerdem Betrüger wurde. In den 16 Fällen des einfachen ohne schweren Diebstahl macht dagegen der Diebstahl bei der Erstbestrafung nur die Hälfte der Delikte aus. Dem schweren Diebstahl als erste Straftat kommt überhaupt eine größere Offenbarungskraft für die weitere kriminelle Laufbahn der betreffenden Person zu. Allerdings ist dies nur mit Einschränkungen zu verstehen. Wer mit schwerem Diebstahl begonnen hat, wird nicht etwa immer schwerer Dieb, nicht einmal immer überwiegend schwerer Dieb. Von den 130 Sicherungsverwahrten unseres Materials, die wegen Diebstahls zu Sicherungsverwahrung verurteilt wurden, haben 23 mit schwerem Diebstahl allein ihre kriminelle Laufbahn begonnen. Unter diesen 23 Personen sind aber nur 10 Personen, bei denen später die Verurtei&3 Latz, S. 42, stellt in seinem Material vor allem ein überwechseln vom leichten zum schweren Diebstahl fest. Von 49 Personen, die mit einfachem Diebstahl begonnen haben, sind nur 2'1 bei dieser Hauptrichtung geblieben, dagegen sind aus 5 Personen, die mit schwerem Diebstahl begonnen haben. 17 Personen geworden, die schweren Diebstahl als Hauptrichtung angenommen haben.

Die Tat und der Täter

83

lungen wegen schweren Diebstahls diejenigen wegen einfachen Diebstahls überwiegen. Immerhin sind aber diese 23 Personen zusammen 98mal wegen einfachen und 83mal wegen schweren Diebstahls bestraft worden, das heißt: der Anteil des schweren Diebstahls ist hier wesentlich höher als nach dem gesamten Material (718:388). Ist der schwere Diebstahl nun ein spätkriminelles Delikt? Wir haben eben gesehen, daß die Ursache für den späteren Beginn der Kriminalität der Personen, die nur wegen schweren, nicht wegen einfachen Diebstahls vorbestraft sind, darin liegt, daß sie fast alle mit schwerem Diebstahl oder ihn vorbereitenden Handlungen schon begonnen haben. Das deutet darauf hin, daß derjenige, der seine kriminelle Laufbahn mit schwerem Diebstahl beginnt, später einsetzt als derjenige, der mit einfachem Diebstahl beginnt. Um nachzuprüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist, haben wir sämtliche Personen unseres Materials, die mit schwerem oder mit einfachem Diebstahl begonnen haben, ohne Rücksicht auf ihr letztes Delikt zusammengestellt. Das Ergebnis ist: diejenigen Sicherungsverwahrten, die mit einfachem Diebstahl begonnen haben, sind im Alter von durchschnittlich 17 Jahren zum erstenmal bestraft worden, diejenigen, die mit schwerem Diebstahl begonnen haben, durchschnittlich im Alter von 18 1/2 Jahren. Demnach ist tatsächlich eine gewisse Verschiedenheit gegeben. Da wir jedoch früher festgestellt hatten, daß der altersmäßige Schwerpunkt des schweren Diebstahls früher liegt als der des einfachen Diebstahls, können wir das nur so erklären, daß der schwere Diebstahl dort besonders früh vorkommt, wo er nur eine Episode darstellt. Ist er dagegen ein Symptom, d. h. bleibt er das Hauptdelikt, so setzt er später ein. Danach scheint es tatsächlich so, als sei der schwere Diebstahl ein spätkriminelles Delikt in dem Sinne, daß der Täter, der mit ihm beginnt, dann älter ist als der, der mit einfachem Diebstahl beginnt, wenn er an sich Einbrecher ist. Ob das daran liegt, daß eine größere Energie ein reiferes Alter erfordert, oder ob noch andere Gründe hierfür hinzukommen, muß vorerst dahingestellt bleiben. gg) Raub und räuberischer Diebstahl

Da unser Aktenmaterial nur 11 Fälle enthält, in denen die Verurteilung zu Sicherungsverwahrung auf Grund eines Raubs (9 Fälle) oder eines räuberischen Diebstahls (2 Fälle) allein oder mit anderen Delikten zusammen erfolgte, sind die Ergebnisse hier möglicherweise nicht so zuverlässig wie beim Diebstahl. Sie werden deshalb gesondert zusammengefaßt. 6·

84

Untersuchung

Die elf Personen sind im ganzen wegen folgender Delikte vorbestraft: mal Einfacher Diebstahl. . . . . . . . . . . . .. schwerer Diebstahl ..... . . . . . . . .. Körperverletzung . . . . . . . . . . . . . . . Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachbeschädigung . . . . . . . . . . . . . . . Hehlerei........................ Waffenbesitz .................... Obdachlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrug ........................ Beleidigung .................... Hausfriedensbruch ..............

46 37

8 7

7 6 5 4 4 4 3 2

mal Falsche Namensangabe .......... öffentliches Ärgernis ............ Grober Unfug.................. Raub ........................... Erpressung ..................... Falsche Anschuldigung .......... Nötigung ...................... Jagdvergehen .................. Sittlichkeitsdelikt (§ 176) ........ Bedrohung ..................... Zuhälterei ...................... Werfen mit Steinen. . . . . . . . . . . . .

2 2 1

1 1 1 1 1 1

1 1 1

Diese Aufstellung zeigt zunächst, daß die Vorstrafen wegen einfachen und schweren Diebstahls zusammen über die Hälfte aller Vorstrafen ausmachen (83 Diebstahlsvorstrafen zu 64 anderen Vorstrafen). Das Verhältnis ist hier also wie das bei der Mischgruppe mit überwiegendem Diebstahl. Im einzelnen entsprechen 7 Personen der Mischgruppe, 2 der konturlosen Gruppe und eine der reinen Gruppe, allerdings nur, wenn man eben den Diebstahl zugrunde legt; wegen Raubs ist überhaupt nur eine Person nur einmal vorbestraft. Das Verhältnis zwischen einfachem und schwerem Diebstahl (46: 37) ist dadurch gekennzeichnet, daß der schwere Diebstahl hinsichtlich der Häufigkeit seines Vorkommens dem einfachen Diebstahl nicht mehr so erheblich nachsteht wie bei den Dieben. Während das Verhältnis dort fast 2 : 1 war, ist es hier nur noch 5 : 4 für den einfachen Diebstahl. Vielleicht deutet dies eine gewisse Tendenz in Richtung auf den Raub an. Die Aufstellung zeigt weiter, daß sich die Skala der Delikte nicht mit weiteren Vermögens delikten fortsetzt, sondern erst mit "Körperlichkeitsdelikten" wie Körperverletzung, Widerstand und Sachbeschädigung. Unterschlagung, Hehlerei und Betrug sind zusammen nicht häufiger als Waffenbesitz, Obdachlosigkeit, Beleidigung, Sittlichkeits delikte (einschI. Erregung öffentlichen Ärgernisses) und Hausfriedensbruch zusammen. Auffällig hierbei ist vor allem das verhältnismäßig seltene Vorkommen des Betruges, der doch hinsichtlich seiner Häufigkeit bei den Dieben gleich nach dem einfachen und schweren Diebstahl kommt. Bettelei fehlt vollständig, was fast noch auffälliger ist, weil sie bei den Dieben fast ebenso häufig vorkommt wie der Betrug. Es läßt sich daher wohl sagen, daß eine gewisse Eigengesetzlichkeit gegenüber den Dieben schon nach dem kriminellen Vorleben vorhanden ist.

Die Tat und der Täter

85

Diese Eigengesetzlichkeit erstreckt sich allerdings nicht auf den Raub selber. Das ist vielleicht das Bemerkenswerteste: nur eine der wegen Raubs zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen ist wegen Raubs vorbestraft, und auch nicht mehrmals, sondern nur einmal! Die Annahme, daß hier "Räuber" im eigentlichen Sinne dieser Bezeichnung erfaßt worden wären, würde also ganz und gar ungerechtfertigt sein. Dies alles bestätigt unsere schon vorhin angedeutete Auffassung, daß sich die kriminelle Laufbahn eines Täters irgendwie ankündigt, daß die gegebenen Zeichen aber nicht strafrechtlich-dogmatisch, sondern nur kriminologisch, und auch kriminologisch nur erst unbestimmt verstanden werden können. Mit einer durchschnittlichen Vorstrafenzahl von 15,73 halten sich die 11 wegen Raubs bzw. räuberischen Diebstahls zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen etwa in der Mitte zwischen der Mischgruppe mit überwiegender Diebstätigkeit und der konturlosen Gruppe. Ihre durchschnittliche Zuchthaus-Vorstrafenzahl beträgt allerdings 1,6 und liegt damit über der der beiden Mischgruppen. Beide Zahlen hängen sicher mit der relativ häufigen Bestrafung wegen Nichtvermögensdelikten zusammen und bestätigen damit den schon gewonnenen Eindruck, daß nichteinspurige Täter später in die Sicherungsverwahrung kommen als einspurige. Das durchschnittliche Alter bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung beträgt 34,27 und das durchschnittliche Erstbestrafungsalter 17,82. Wesentliche Abweichungen von den entsprechenden Zahlen bei den Dieben (35 1/2 und 18 Jahre) ergeben sich insofern nicht. Dagegen weicht die Art und Weise der Erstbestrafung deutlich von der bei den Dieben ab, mindestens von der bei den reinen und den überwiegenden Dieben. Es macht sich eine gleichmäßigere Verteilung auf verschiedene Delikte bemerkbar. Die eigengesetzliche Entwicklung deutet sich also schon hier an. Die erste Bestrafung erfolgte: mal wegen einfachen Diebstahls ... . .. wegen schweren Diebstahls ... . . . wegen einfachen und schweren Diebstahls ...................... wegen Betrugs ..................

2 2 1 2

mal wegen Hehlerei ................ wegen öfIentl. Ärgernisses ...... wegen Körperverletzung ........ wegen Beleidigung ..............

2 2

1 2

Einfacher und schwerer Diebstahl, jeder für sich, sind also nicht häufiger vertreten als z. B. der Betrug oder die Hehlerei oder die Erregung öffentlichen Ärgernisses, also ein Sittlichkeitsdelikt.

86

Untersuchung

Der Eindruck, daß schon die erste Tat - natürlich nur in rückschauender Betrachtung - die weitere Entwicklung des Täters ankündigt, verstärkt sich bei Betrachtung der einzelnen Fälle: von den beiden Personen, die der konturlosen Gruppe angehören, hat einer mit der Erregung öffentlichen Ärgernisses begonnen, der andere mit Körperverletzung und Beleidigung. In ihren Vorstrafenlisten überwiegen diese und andere Körperlichkeitsdelikte bei weitem den Diebstahl. Der zweite Täter, der mit der Erregung öffentlichen Ärgernisses begonnen hat, ist zwar zu einem Dieb geworden, der Diebstahl überwiegt in seiner Vorstrafenliste aber nur knapp die anderen Delikte (8: 6), wobei vor allem 3 Widerstandsleis,tungen, Sachbeschädigung und grober Unfug (möglicherweise ein coupiertes Sittlichkeitsdelikt!) zu erwähnen sind. Er ist auch die einzige Person, die wegen Raubes schon vorbestraft ist. Dagegen hat der einzige reine Dieb (5 einfache und 5 schwere Diebstähle) schon mit schwerem Diebstahl begonnen. Die beiden Personen, die mit Hehlerei begonnen haben, sind ebenfalls nur knapp überwiegend Diebe geworden: bei dem einen stehen 7 Diebstahlsvorstrafen 6 Vorstrafen wegen Körperverletzung, Nötigung, Widerstands, Jagdvergehens u. a. gegenüber, beim anderen werden sogar 2 Diebstahlsvorstrafen von 2 Hehlereivorstrafen aufgewogen. Zur Abrundung des Bildes mag noch angeführt werden, was aus den Sicherungsverwahrten geworden ist, die 'ihre kriminelle Laufbahn mit Raub begonnen haben. Unser Material enthält nur 5 Personen, die mit Raub begonnen haben: Nr.

Des weiteren verurteilt wegen:

zu Sicherungsverwahrung verurteilt wegen~

52 70 214 255 260

10mal einfacher Diebstahl, 1mal schwerer Diebstahl, unbefugtes Nächtigen, mittelb. Falschbeurkundung Raub, schwerer Diebstahl, Betrug 6mal Betrug, 4mal Urkundenfälschung, 3mal schwerer Diebstahl, 2mal Raub, 2mal Unterschlagung, Waffenbesitz 2mal einf. Diebstahl, lmal schwerer Diebstahl, Erpressung lOmal einf. Diebstahl, lmal schwerer Diebstahl, 2mal Unterschlagung, Landstreicherei, Bettelei, falsche Namensführung

einfach. Diebstahl (nachtr.). Betrug, Hehlerei Diebstahl, Betrug, Urkundenfälschung Betrug schwerer Diebstahl

Aus keinem dieser Täter ist später ein "Räuber" geworden. Lediglich zwei von ihnen haben später noch Raub begangen, davon nur einer zweimal. Bei diesem steht der Raub aber weit hinter der mit 6 Verurteilungen hervorstechenden betrügerischen Tätigkeit. Zu Sicherungs-

Die Tat und der Täter

87

verwahrung ist keiner von ihnen wegen Raubs verurteilt worden. Zwei sind ihrer kriminellen Laufbahn nach einfache Diebe geworden: 52 und 260, 2 Betrüger: 70 und 214 und einer einfacher Dieb mit Tendenzen zu schwerem Diebstahl und anderen Vermögensverbrechen: 255. Trotzdem kann man der ersten Tat auch hier eine gewisse Bedeutung für die weitere kriminelle Entwicklung nicht absprechen. Zwar sind alle Täter im wesentlichen einfach Vermögensverbrecher geworden, wie die Diebe und Betrüger auch; aber das Schwanken zwischen ganz verschiedenen Delikten, die Wahllosigkeit und Mehrgleisigkeit der kriminellen Tätigkeit, ohne daß andererseits Körperlichkeitsdelikte in dem Maße hinzukommen, daß eine allgemeine Unzuverlässigkeit gegeben wäre, das zusammenhanglose Auftreten von Delikten wie die Urkundenfälschung, die sonst fast ausschließlich mit Betrug gekoppelt ist, und das Vorkommen extremer Delikte wie Erpressung oder Falschbeurkundung deuten eine besondere kriminelle Gesamtkonzeption an, die nur schwer, auch kriminologisch schwer, zu erfassen istM • c) Betrüger

aa) Betätigungsrichtung Wir unterscheiden zwischen folgenden Betrügerfamilien: Darlehens- und Anzahlungsbetrüger, Zech- und Logisbetrüger, Vertreter- und Geschäftsgründungsbetrüger, Unterstützungs- und Behördenbetrüger, Heiratsbetrüger, Abzahlungs- und Verwertungsbetrüger, Hochstapler.

Darlehens- und Anzahlungsbetrüger Kennzeichen und Arten: Der Darlehensbetrüger geht seine Bekannten oder Fremde - dann meistens mit einem Trick - um Geld an, und zwar meist um kleine Beträge (3,- bis 5,-) - hier spricht man besser von Pumpschwindel - oder (seltener) um größere Beträge (Darlehensbetrug). Auch der Leihschwindel (z. B. an Fahrrädern) gehört hierzu. Das Vorgehen des Darlehensbetrügers ist meist recht primitiv: er bittet um Geld einfach gegen das Versprechen baldiger Rückgabe und hat meist schon damit Erfolg. Befürclltet er, auf diese einfache Weise nichts zu bekommen, so erfindet er besonders zugkräftige Gründe: Krankheit von Verwandten, augenblickliche Geldverlegenheit, zu erwartende Erbschaft, Autopanne, dringende Prozeßkosten u. ä. Damit 54 Zu teilweis'e ähnlichen Ergebnissen kommt Raumer, Räuber und Raubsituationen, Krim. Abh. H. 28, Leipzig 1937.

88

Untersuchung

unterscheidet sich der Darlehensbetrüger unter allen Betrügern am wenigsten vom normalen Schuldner, dem (straflosen) Darlehensnehmer. Hier geht Quantität in Qualität über: erst wer mehrmals Geld genommen hat, ohne es zurückgezahlt zu haben, kann als Betrüger ausgemacht werden. Die kriminelle Laufbahn dieses Betrügers beginnt daher auch meist mit Unterschlagung. Die nächst höhere Stufe nimmt der Anzahlungsbetrüger ein. Mit dem Darlehensbetrüger hat er gemein, daß es ihm nur darum geht, kleine Geldbeträge zu erlangen, und daß er zu einer List nur greift, um der Abneigung zu begegnen, die meist gegen eine Darlehenshingabe ohne Sicherheit besteht. Diese List entfernt ihn aber mehr vom normalen Darlehensnehmer als die List, die in dem Vortäuschen besonderer Darlehensgründe liegt; denn der Anzahlungsbetrug ist von Anfang an auf das Behalten des Geldes ohne Gegenleistung gerichtet und daher· auch leichter zu erkennen. Der Anzahlungsbetrüger kann sich nicht damit herausreden, daß er das Geld wieder zurückgeben wollte oder daß er wenigstens anfangs tatsächlich die Absicht gehabt hat, es zurückzuzahlen. Er kann nur behaupten, daß er die Ware liefern bzw. die Leistung erbringen wollte, für die er die Anzahlung entgegengenommen hat. Ob diese Behauptung stimmt oder die Leistung oder die Ware nur erdichtet waren, läßt sich aber meist leicht feststellen. Die häufigste Art des Anzahlungsbetruges ist das Angebot billiger Lebensmittel (meist Fleisch). Es kann aber auch die eigene Arbeitsleistung angeboten werden, so beim Haftgeldschwindel, bei dem sich der Betrüger (fast ausschließlich auf dem Land) für das nächste Jahr oder den nächsten Monat als Melker oder Knecht verdingt, das Haftgeld (meist 5,-) entgegennimmt, sich aber dann nicht mehr sehen läßt, oder beim Handwerkerschwindel, bei dem die Anzahlung auf Reparaturen entgegengenommen wird, die nicht ausgeführt werden.

Zahl, Häufigkeit, Vorkommen: durch seine nahe Verwandtschaft mit dem normalen Verhalten vieler nichtkrimineller Menschen kommt der Darlehens- und Anzahlungsbetrug häufiger vor und verbirgt sich auch hinter Unterschlagung und Untreue. Außerdem gibt es reine Darlehens-, reine Anzahlungs- und ferner Betrüger, die den Betrug in beiden Betrugsarten nebeneinander begehen. Schließlich sind diese Betrugsarten auch häufig mit solchen anderer Betrügerfamilien gekoppelt. Reine Pump- bzw. Darlehensschwindler: 22, 60, 94, 96, 130, 142, 145, 163, 255 ................................................. .

9 Fälle

Reine An:z.ahlungsbetrüger: 67, 110 ........................... .

2 Fälle

Kombinierte Darlehens- und Anzahlungsbetrüger: 131, 134, 154

3 Fälle

Die Tat und der Täter

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Kombinierter Darlehens- oder Anzahlungsbetrug mit Betrugsarten anderer Betrügerfamilien: 21 Anzahlungs- und Kautionsbetrüger 30 Darlehens- und Zechbetrüger

45 Pump- und Zechbetrüger 65 Pump- und Logisbetrüger 73 Darlehens-, Zech-, Logisbetrüger 75 Darlehens- und Unterstützungs betrüger 78 Anzahlungs- und Logisbetrüger 80 Pump- und Zechbetrüger 98 Darlehens- und Vertreterbetrüger 102 Pumpbetrüger und Zechpreller 103 Anzahlungs- und Heiratsschwindler 113 Pumpbetrüger und Zechpreller 124 Darlehens-, Vertreter-, Logis-, Anzahlungsbetrüger 125 Darlehens- und Zechbetrüger 136 Pump-, Unterstützungs-, Logisbetrüger 160 Pump- und Logisbetrüger 180 Pumpbetrüger, Zechpreller 203 Zechprel1er, Logisbetrüger, Anzahlungs- und Pumpbetrüger 218 Anzahlungs-, Pump- und Geschä,ftsgründungsbetrüger 240 Pump- und Zechbetrüger 261 Logis- und Anzahlungsbetrüger Kombinierter Pumpbetrug: 17 Fälle Kombinierter Anzahlungsbetrug: 7 Fälle. Betrüger, die sich auf dem Gebiet des Darlehens- und Anzahlungsbetruges betätigen, sind also in unserem Material 36mal vertreten, und zwar der Darlehensbetrug 29mal, der Anzahlungsbetrug 12mal.

Zech- und Logisbetrüger Kennzeichen und Arten: Der Logis- und Zechbetrüger bittet nicht um Geld, sondern nützt den Geschäftsbrauch, daß Logis und Zeche erst nach Gewährung der Unterkunft bzw. der Speise berechnet werden. Er kassiert also nicht, sondern er bleibt schuldig. Das hat zur Folge, daß auch er verhältnismäßig nahe am Gebaren vieler Nichtkrimineller bleibt und daher ebenfalls häufig vorkommt und nicht immer leicht zu erkennen ist. Der harmloseste Betrüger in dieser Gruppe ist der Wirtshausgänger, der sich ein Glas Bier bestellt und vor dem Bezahlen verschwindet. Diese Art von Betrüger ist hier auch am häufigsten. An nächster Stelle folgt der Untermieter, der nach 3 Tagen oder einer Woche, selten erst nach längerer Zeit, unter heimlicher Mitnahme seiner Sachen verschwindet, ohne die Miete bezahlt zu haben. Oft mietet er sich bei einem neuen Opfer ein. Die dritte und höchste Stufe nimmt in dieser Familie der Pensions- und Hotelbetrüger ein, der von Stadt zu Stadt fährt, vornehm wohnt, sich gut beköstigen läßt, womöglich noch das Personal

90

Untersuchung

oder andere Hotelgäste anpumpt und dann unter Hinterlassung meist erheblicherer Schulden (50,- bis 100,-) verschwindet. Erheblichere Beträge bleibt auch der Automietbetrüger schuldig.

Zahl und Vorkommen: Auch hier gibt es wieder reine Zech- und Logisbetrüger und Betrüger, die Zech- und Logisbetrüge mit anderen Betrügereien zusammen begehen: Reine Logis- und Zechbetrüger: 4, 27, 1'69; mit Heiratsschw. Einschlag: 109, = 5 Fälle. Logis- und Zechbetrüger mit noch anderen Betrugsarten: 18 Hotel- und Vertreterbetrüger 30 Logis-, Abzahlungs-, Verwertungsbetrüger 30 Zechpreller und Darlehensbetrüger 45 Zechpreller, Automiet- und Pumpbetrüger 54 Zechpreller, Abzahlungsbetrüger 65 Logis- und Pumpbetrüger 73 Zech-, Hotel-, Darlehensbetrüger 78 Logis- und Anzahlungsbetrüger 80 Pump- und Zechbetrüger 102 Zech- und Pumpbetrüger 113 Zech-, Pump-, Verwertungsbetrüger 136 Logis- und Pumpbetrüger 148 Zechpreller und Leihbetrüger 160 Logis- und Pumpbetrüger 165 Logis-, Heirats-, Vertreterbetrüger 203 Zech-, Logis-, Anzahlungs-, Pumpbetrüger. 240 Pump- und Zechbetrüger. 261 Logis- und Anzahlungsbetrüger 158

Der Zech- und Logisbetrüger kommt in unserem Material mithin 5mal in reiner und 18mal in kombinierter Form vor. Eine Trennung zwischen Zechbetrüger einerseits und Logisbetrüger andererseits ist nicht möglich, weil mindestens der Logisbetrüger meist auch Zechbetrüger ist. Auffällig ist die Tendenz zum Heiratsbetrüger: in mindestens 3 Fällen haben die Logis- und Zechbetrüger auch Heiratsbetrügereien begangen: 109, 158, 165. Auch die Verbindung mit Vertreterbetrug zeigt, daß der Zech-, vor allem der Logisbetrug schon einen übergang zur Hochstapelei darstellt.

Vertreter- und Geschäjtsgründungsbetrüger Kennzeichen und Arten: Während die Darlehensbetrüger und Logisbetrüger keinem bestimmten Berufskreis angehören, sind die Vertreterbetrüger und Geschäftsgründer meist Kaufleute. Unter Vertreterbetrügern werden hier die Personen verstanden, die ihre Vertretertätigkeit

Die Tat und der Täter

91

zu typischen Betrügereien ausnutzen. Die Betrugsarten sind dementsprechend vielfältig: Fingierung von Bestellungen (Warenvertreter) und Aufnahmeanträgen (Versicherungsvertreter) mit unberechtigtem Bezug von Provisionen, unberechtigtem Kassieren von Prämien, Verpfänden oder Verkaufen von Firmenware, unrichtiger Spesenforderung, Lieferung anderer oder geringwertigerer Ware, Abonnentenwerbung unter Vorspiegelung günstigerer Bedingungen, Hypotheken- und Grundstücksschwindel (Maklerbetrug) u. ä. Noch größer im Stil ist der Geschäftsgründer. Er sucht durch Zeitungsanzeigen Teilhaber und entlockt ihnen - zum Teil namhafte - Beträge zur Eröffnung von Ladengeschäften oder Gesellschaften; er engagiert Arbeitskräfte und nimmt ihnen Kautionen ab, er mietet Wohnungen und Häuser, kauft Maschinen und Geräte, bestellt Handwerker zum Umbau und zur Renovierung und hat meist nicht einmal das Geld zum Leben für den nächsten Tag. Zahl und Vork·Dmmen: Bezeichnenderweise sind diese Betrüger in unserem Material nicht mehr so häufig vertreten. Je bedeutsamer und schwerwiegender der Betrug wird, um so mehr nimmt er - bei den Gewohnheitsverbrechern - an Zahl ab.

Reine Vertreterbetrüger: 6, 20, 137, 174, 213 ...................... = 5 Fälle 3 Fälle Reine Geschäftsgründungsbetrüger: 37, 38, 176 .................. Kombinierter Vertreter- und Geschäftsgründungsbetrüger: 218 .... = 1 Fall Kombination mit anderen Betrugsarten: 18 21 103 124 154 165 173

Vertreter- und Hotelbetrüger Anzahlungs- und Kautionsbetrüger Kredit- und Heiratsbetrüger Darlehens-, Anzahlungs-, Provisions-, Hotelbetrüger Kredit- und Darlehensbetrüger Logis-, Heirats-, Vertreterbetrüger Vertreter- und Heiratsbetrüger

Demnach kommen in unserem Material Vertreterbetrüger 12mal und Geschäftsgründungsbetrüger 5mal vor. Unterstützungs- und Behördenbetrüger

Der Unterstützungsbetrüger macht entweder falsche Angaben gegenüber Behörden und anderen Stellen oder verschweigt eine Veränderung der Verhältnisse, um unberechtigt Unterstützung zu beziehen. Aber auch die unberechtigte Annahme anderer Leistungen gehört hierher, z. B. das Aufsuchen von Ärzten und Krankenhäusern, um sich behandeln oder auch nur beköstigen zu lassen, die Annahme von Wohlfahrtsleistungen u. ä. Im Wohlfahrts- und Fürsorgestaat ist die Versuchung für solche Betrügereien besonders groß, vor allem für sozial schwache

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Untersuchung

Kreise, aus denen sich die Gewohnheitsverbrecher ja vor allem rekrutieren. Daher auch kommt im Krieg noch die unrichtige Geltendmachung von Kriegsschäden hinzu. Reine Unterstützungsbetrüger: 23,59, 100, 67, 201 Kombination mit anderen Betrugsarten: 16 Unterstützungs- und Scheckbetrüger 70 Kriegsschäden- und Benzinbetrüger 127 Unterstützungs-, Heirats-, Scheckbetrüger 136 Beschädigtenbetrüger, Logis-, Pumpbetrüger.

=

5 Fälle

Da der Unterstützungsbetrüger eine gewisse Unüberprüfbarkeit der Verhältnisse ausnutzt, an der es zwischen 1934 und 1945 meist fehlte, kommt er in dieser Zeit auch seltener vor. Reine Unterstützungsbetrüger: 5 Kombinierte Unterstützungsbetrüger: 4

9

Heiratsbetrüger Kennzeichen und Arten: Hierzu war bereits bei der Analyse der letzten Strafhandlungen genügend gesagt worden. Auch hinsichtlich der Tätertypen sind mehrere Stufen zu unterscheiden: von der lockersten persönlichen Bindung, um materielle Vorteile zu haben, bis zum Eheversprechen, und vom flüchtigsten Eheversprechen bis zur bekräftigten Form. Vorkommen und Zahl: Reine Heiratsbetrüger: 36, 95, 114, 222, 272

5 Fälle

Kombinierte Heiratsbetrüger: 65 Pumpbetrüger bei Frauen

78 Logis-, Geliebten-, Anzahlungsbetrüger 96 Darlehens-, Brautbetrüger 103 Anzahlungs-, Darlehens-, Heiratsbetrüger 127 Unterstützungs- und Heiratsbetrüger 158 Zech- und Heiratsbetrüger 165 Logis-, Heirats-, Vertreterbetrüger 173 Heirats- und Vertreterbetrüger

=

9 Fälle

Abzahlungs- und Verwertungsbetrüger Kennzeichen und Arten: Der Abzahlungsbetrüger verkauft und übereignet die auf Abzahlung gekaufte und noch nicht ihm gehörige Sache vor Zahlung der vorschriftsmäßigen Raten an einen näcllsten. Der Verwertungsbetrüger verkauft und übereignet die gestohlene oder ausgeliehene Sache (meist Fahrräder). Beide Betrügertypen ähneln sich sehr.

Die Tat und der Täter

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Ein Unterschied liegt nur darin, daß der Verwertungsbetrüger meist auch Dieb ist oder sich wenigstens einer Unterschlagung schuldig gemacht hat, was beim Abzahlungsbetrüger nicht der Fall ist. Vorkommen und Zahl: Reine Abzahlungsbetrüger: 150, 183 Reine Verwertungsbetrüger: 85, 128, 245

2 Fälle 3 Fälle

Kombinationen mit anderen Betrugsarten:

19 30 54 110 113 148

Logis-, Verwertungs-, Abzahlungsbetrüger Zechpreller, Darlehensbetrüger, Verwertungsbetrüger Zechbetrüger, Abzahlungsbetrüger Anzahlungs- und Verwertungsbetrüger Zech-, Pump-, Verwertungsbetrüger Zech- und Verwertungsbetrüger 4 Betrüger mit Abzahlungsbetrügen 8 Betrüger mit Verwertungsbetrügen.

=

6 Fälle

Nach unserem Material sind die Verwertungsbetrüger keine reinen Betrüger, weil sie ebenso häufig wegen Diebstahls vorbestraft sind; es finden sich bei ihnen auch viele Unterschlagungs-Vorstrafen (weil sie ausgeliehene Sachen veräußert haben). Die Verwertungsbetrügereien beziehen sich außerdem ausschließlich auf Fahrräder. Der Hochstapler

Der Hochstapler ist, wie bereits bei der Analyse der Betrugshandlungen dargetan, kein eigener Grundtyp des Betrügers, sondern nur ein unter eine der vorstehend geschilderten Betrügerfamilien fallender Betrüger, der wegen der besonderen Lügenhaftigkeit und Großartigkeit seiner Angaben und wegen der besonderen Großspurigkeit seines Auftretens auffällt. Er ist daher nicht in jeder Betrügerfamilie in gleichem Maße anzutreffen, z. B. beim bloßen Pump- und auch beim kleinen Anzahlungsbetrug nicht so oft wie beim Heirats- und Ge:schäftsgründungsbetrug. Grundsätzlich kann er aber überall auftreten. Betrüger mit hochstaplerischem Einschlag sind in unserem Material: 23 65 94 96 103 162 17'5 176 239 266 272

Gibt sich als Kriminalkommissar aus, nimmt Ausweisprüfungen vor. Hotelbetrüger. Pumpt sich als "wohlhabender Landwirt" Geld. Läßt sich als "reicher Bauerssohn" Geld geben. Gibt sich als "Großgrundbesitzer v. Saiten" aus (Darlehens-, Heiratsbetrug). Als "Inspektionsoffizier", "Adliger", "Korpsstudent" ausgegeben. Als "Arzt", "Beauftragter der obersten SA-Führung" ausgegeben, Geschäftsgründungen im Ausland. Gesch. Gründungen als "Bankdirektor" und "Großkaufmann". Als "PG", "Regisseur" usw. ausgegeben, Scheckbetrügereien. Als "Redakteur", nach dem Krieg als "KZ-Häftling" ausgegeben. Gibt sich als "Kapitänleutnant" aus (Heiratsbetrug) = 11 Fälle.

94

Untersuchung

Das Bild des Hochstaplers ist hiernach nicht~inheitlich und auch schwer nach unten abzugrenzen, da oft schon kleine Betrüger großspurig auftreten und erstaunliche Lügen erfinden. Bei der vorstehenden Aufzählung ist der Rahmen sehr weit gezogen. Als internationaler Hochstapler kann allenfalls der Betrüger im Fall 175 bezeichnet werden, der jahrelang als "Arzt" im Ausland (Südamerika) gelebt und sich auf seinen Reisen auch als "Beauftragter der Obersten SA-Führung" ausgegeben hat. bb) Einteilung nach dem kriminellen Vorleben Drei Gruppen:

Nach dem Vorstrafenregister müssen wir 3 Gruppen von Betrügern unterscheiden: 1. die Betrüger, die ein reines bzw. nahezu reines Betrügervorleben aufweisen, d. h. neben Betrugsvorstrafen nur am Rande noch Vorstrafen wegen kriminologisch ähnlicher Delikte aufweisen (etwa Urkundenfälschung und Unterschlagung). Diese Gruppe besteht aus 20 Personen. - 2. die Betrüger, die zwar auch andere Delikte, wie Diebstahl, Raub und Hehlerei begangen haben, bei denen aber die Vorstrafen wegen Betrugs diejenigen wegen anderer Vermögensdelikte überwiegen (Mischgruppe mit überwiegendem Betrug, 40 Personen). Zwar kann hier die Summe der anderen Vorstrafen zusammen größer sein als die Summe der Betrugsvorstrafen, aber der Betrug ist unter den einzelnen das beherrschende Delikt. - 3. Schließlich gibt es die Gruppe der Betrüger, bei denen andere Delikte, vor allem der Diebstahl, so schwer ins Gewicht fallen, daß man nicht mehr eigentlich von Betrügern sprechen kann (konturlose Betrügergruppe, 25 Personen)55. Zur Verdeutliung dieser Einteilung sei folgende Tabelle über das Verhältnis zwischen Betrugs- und anderen Delikten bei den wegen Betrugs (allein oder zusammen mit anderen Delikten) zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen wiedergegeben: überhaupt Im ganzen ........................... ; ....... . Reine Betrugsgruppe ......................... . Mischgruppe mit überwiegendem Betrug ....... . Konturlose Betrugsgruppe ....... . ............. .

699: 831

205: 108

410: 363 84: 360

bei der

l. Verurteilung

35: 56 11:11 17: 26 7: 19

55 Der Anteil der Betrüger ,a n der Gesamtzahl unserer Sicherungsverwahrten beträgt daher etwa 24 Ofo. Schmidt zählt 15,9 Ofo; Lotz, S. 35: 23,85 Ofo; Heinke, S. 24: 15,9 Ofo (unter den Frühkriminellen). Die Zahlen schwanken deshalb außerordentlich, weil die Frage, wann jemand als ausgesprochener Betrüger zu gelten hat, nicht geklärt ist; außerdem kommt es darauf an, ob das Material Frühkriminelle und Spätkriminelle zusammen enthält oder nur erstere. In welcher Weise die Zahlen durch die - zwar wenigen - Spätkriminellen eine Änderung erfahren, zeigt Heinke, S. 24. Von seinen SpätkrimineUen waren 45,4 Ofo Betrüger (gegenüber 15,9 Ofo bei den Frühkriminellen).

Die Tat und der Täter

95

Zur Verteilung der Betrügerfamilien auf die einzelnen Gruppen Um endgültige Aussagen über die Intensität der einzelnen Betrügerfamilien zu machen, reicht das Material nicht aus. Es können aber bei aller Vorsicht folgende Feststellungen getroffen werden. Der Pump-, Anzahlungs-, Vertreter- und Geschäftsgründungsbetrüger ist überwiegend in der Gruppe der reinen Betrüger vertreten, d. h. er begeht selten oder nie andere Delikte, vor allem nicht Diebstähle. Das deutet beim Pumpbetrüger darauf hin, daß es sich nicht um eine in jedem Falle kriminelle Person handelt, sondern um jemanden, der eine "laxe" Einstellung in Gelddingen hat. Die übrigen Betrüger, vor allem der Vertreter- und der Geschäftsgründungsbetrüger, sind offensichtlich einseitige Betrügertypen, weil bei ihnen eine spezifisch betrügerisch genutzte Intelligenz hinzukommt. Nicht eindeutig ist die Stellung der Zech-, Logis- und Heiratsbetrüger zu bestimmen. Sie haben zum Teil eine recht bunte Vorstrafenliste, in der der Betrug zwar meist überwiegt, aber nicht immer beherrschend ist. Jedenfalls ist nach unserem Material die Auffassung, daß der Heiratsbetrüger ein reiner Betrüger ist, nicht gerechtfertigt. Auffällig ist dagegen, daß der Unterstützungs- und Verwertungsbetrüger überwiegend der Gruppe der konturlosen Betrüger angehört. Beim Verwertungsbetrüger, der vor jedem Betrug einen Diebstahl begangen haben muß, ist das ohne weiteres verständlich. Der Unterstützungsbetrüger scheint Gelegenheitsbetrüger zu sein, d. h. er besitzt offenbar keine ausgeprägte betrügerische Tendenz, sondern begeht in jeder Situation das Vermögensdelikt, zu dem die Gelegenheit gerade besonders günstig ist, gleich, ob es sich um Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Raub, Erpressung, Hehlerei oder dergleichen handelt.

Zur Zahl und Schwere der Vorstrafen der einzelnen Gruppen Die durchschnittliche Zahl der Vorstrafen der auf Grund eines Betrugsdelikts (allein oder zusammen mit anderen Delikten) zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen beträgt: überhaupt Zuchthausvorstrafen Im ganzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Reine Betrugsgruppe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mischgruppe mit überwiegendem Betrug.... Mischgruppe mit konturlosem Betrug. . . . . . . .

16,03 12,95 17,40 15,28

0,95 0,85 1,17 0,80

Was zunächst die Vorbestraftheit der Betrüger allgemein angeht, so sind sie mit 16,03 Vorstrafen wesentlich öfter vorbestraft als der Durchschnitt aller Täter (13,88). Dies deutet darauf hin, daß der Betrug offen-

96

Untersuchung

bar als ein nicht so schwerwiegendes Delikt angesehen wird 58 • Mit einer durchschnittlichen Zuchthausvorstrafenzahl von 0,95 liegt der Betrüger hinsichtlich der Schwere der Vorbestraftheit niedriger als der Gewohnheitsverbrecher überhaupt (1,258) und auch der Dieb (1,3). Im Verhältnis der einzelnen Betrügergruppen zueinander ist festzustellen, daß der reine Betrüger früher von der Sicherungsverwahrung bedroht ist als der Betrüger der Mischgruppen. Er weist nur 12,9 Vorstrafen gegenüber 17,4 und 15,2 der letzteren Gruppen auf. Auch hinsichtlich der Schwere der Vorstrafen ist er anscheinend früher "fällig" als die Mischgruppe (0,85 zu 1,17). Daß die Gruppe mit konturlosem Betrug hier noch niedriger liegt als die reine Gruppe, erklärt sich daraus, daß viele Bettler und Landstreicher mit harmlosen Strafen in ihr enthalten sind.

Zum Alter der Betrüger allgemein und der einzelnen Betrügergruppen. Das Durchschnittsalter der auf Grund eines Betrugsdelikts (allein oder in Gemeinsamkeit mit einem anderen Delikt) zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen beträgt: bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung Im ganzen ........................ Reine Betrugsgruppe. .. ...... .. ... Mischgruppe mit überwiegendem Betrug . . . . . . . . Mischgruppe mit konturlosem Betrug ..........

bei der

1. Verurteilung

wegen überhaupt Betrugs

39,58

20,51

23,47

41,80

24,30

25,75

40,67

20,02

22,35

26,12

17,87

23,33

Der Betrüger weist also bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung ein höheres Alter auf als der Gewohnheitsverbrecher allgemein (39,58 : 37,45) und erst recht als der Dieb (35, 54). Bei der ersten Bestrafung ist der Betrüger mit 20,51 älter als der Durchschnitt der Gewohnheitsverbrecher (19,22) und erst recht der Diebe (18,06). Die Abweichung bei den Betrügern läßt erkennen, daß der Betrüger später wächst als der Gewohnheitsverbrecher allgemein. Diese Tendenz wird noch deutlicher, wenn wir das durchschnittliche Alter bei der ersten Bestrafung wegen Betrugs betrachten. Es liegt mit 23,47 zwar nicht so 58 Interessant ist, daß die Bestrafung wegen Betrugs mit der Zeit ,auch immer milder geworden ist: 1887 wurde der Betrug noch zu 82,21 Ofo mit Gefängnis und nur zu 12,83 Ofo mit Geldstrafe, 1927 dagegen nur noch zu 55,28 Ofo mit Gefängnis, aber zu 43,63 Ofo mit Geldstmfe geahndet (v. Hentig, Betrug,

S.30).

97

Die Tat und der Täter

hoch wie bei den Sittlichkeitstätern (30,33), aber wesentlich höher als beim Gewohnheitsverbrecher allgemein und vor allem beim Dieb (18,75)57. Das Verhältnis der einzelnen Betrügergruppen zueinander zeigt, daß der reine Betrüger bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung im Durchschnitt älter ist als der Betrüger der Mischgruppen, und zwar nimmt das Alter bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung mit der Intensität des betrügerischen Vorlebens deutlich ab. Dies liegt aber, wie schon die durchschnittliche Zahl der Vorstrafen zeigt, nicht an einer längeren kriminellen Laufbahn, sondern an ,ihrem späteren Beginn, d. h. am späteren Beginn der betrügerischen Laufbahn. Der Vergleich des Durchschnittsalters der drei Gruppen bei der Erstbestrafung bestätigt das: der reine Betrüger wird wesentlich später erstmalig straffällig als der Betrüger der Mischguppen, was sich einfach daraus erklärt, daß der reine Betrüger häufiger als der Mischbetrüger schon mit Betrug seine Laufbahn beginnt, der Betrug aber einem späteren Reifegrad der Entwicklung entspricht als die übrigen Vermögensdelikte, mit denen die Mischbetrüger oft beginnen. Selbst bei der Erstbestrafung wegen Betrugs zeigt sich noch diese Tendenz, wenngleich natürlich inabgeschwächtemMaß. Zu Beginn und Wandlung der Kriminalität Die erste Verurteilung der wegen Betrugs (allein oder mit anderen Delikten zusammen) zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen erfolgte wegen: Im ganzen Betrugs .............................. Diebstahls . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. .. ... Unterschl'agung ...................... Kraftfahrzeugdelikts . . . . . . . .. . . . . . . . .. Urkundenfälschung .................. Raubs .............................. Hehlerei .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerstands gegen die Staatsgewalt ..

Körperverlet7nmg ....................

35

30

10 3 3 2 2

1 1

Bettelns ............................ 2 Gefangenenbelireiung ................ 1 Sittlichkei1Sdelikts . . . .. . . . . . . . . . . . . . 1

Reine Gruppe 11

4 5

Mischgruppe 17

7

14 3 3

12 2

1

1 1

2

1

Konturlose Gruppe mal

1

1 1

2

1 1

57 Zu ähnlichen Feststellungen kommt Graßberger, S. 129, wenn sich seine Zahlen auch von unseren unterscheiden. Nach ihm beträgt das Erstbestrafungsalter der Betrüger 21,70 Jahre, das Erstbestrafungsalter wegen Betrugs aber 26,20 Jahre.

7 Hellmer, Der Gewohnheitsverbrecher

98

Untersuchung

Die Übersicht zeigt, daß von den wegen Betrugs zu S~cherungsverwah­ rung verurteilten 87 Personen unseres Materials 35 mit Betrug schon begonnen haben, von denen 11 später zu reinen bzw. nahezu reinen Betrügern geworden sind. Da in unserem Material 20 reine Betrüger enthalten sind, hat unter Hinzunahme eines Falles von Betrug und Unterschlagung zusammen die Hälfte dieser Gruppe mit Betrug begonnen; in weitem Abstand folgt die Unterschlagung bei 5 und der Diebstahl bei 4 Personen. Auch in der Mischgruppe steht der Betrug mit 17 Personen noch an erster Stelle, diesmal folgt ihm aber der Diebstahl mit 14 Personen schon ziemlich dicht; und bei der konturlosen Gruppe hat der Diebstahl den Betrug sogar eingeholt. Danach läßt sich sagen, daß der Beginn mit Betrug keinesfalls ein untrügliches Indiz, wohl aber ein gewisses Vorzeichen für eine Betrugskarriere ist58, da auch zu berücksichtigen ist, daß der Betrug oft zunächst als Unterschlagung gewertet wird, und daher auch der Beginn mit Unterschlagung schon oft in diese Richtung zeigt. Eindeutige Wandlungstypen finden sich unter den Betrügern unseres Materials selten. Die meisten Betrüger sind reine oder Paralleltypen. Bei den 9 reinen bzw. nahezu reinen Betrügern, die nicht mit Betrug allein oder in Gemeinschaft mit anderen Delikten gleich schon begonnen haben, kommt die Betrugsstrafe in 8 Fällen schon als zweite nach meist 1, 2 oder 3 Jahren dazu, nur in einem Fall erst als dritte nach 5 Jahren. Bei den 23 Betrügern der Mischgruppe mit überwiegendem Betrug, die nicht mit Betrug gleich angefangen haben, tritt die Betrugsstrafe in 16 Fällen spätestens als 5., meist aber schon als 2., 3. und 4. Strafe innerhalb von längstens 3 Jahren nach der ersten Strafe hinzu. wobei sich auch deutlich zeigt, daß der Betrug im Verhältnis zu den anderen Delikten um so häufiger vorkommt, je eher er einsetzt. In den restlichen 6 Fällen handelt es sich zweimal um später einsetzende Paralleltypen, einmal um einen nicht eindeutig zu kennzeichnenden Fall und nur in den verbleibenden 4 Fällen um Wandlungstypen (54, 125, 205, und 225), bei denen der Diebstahl mit einsetzendem Betrug entweder schlagartig oder nach einem kurzen Übergang aufhört. - In der Mischgruppe mit konturlosem Betrug findet sich kein einziger Wandlungstyp. Die Konturlosigkeit rührt auch nicht etwa daher, daß die Betrugsseme erst kurz vor der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung beginnt. Vielmehr folgt der Betrug hier in 6 der 18 Fälle, in denen er nicht schon gleich am Beginn der kriminellen Laufbahn steht, an 2. und 3. Stelle und in 8 weiteren Fällen an 4., 5. und 6. Stelle, wobei entweder nur 4, 5 oder 6 Vorstrafen im ganzen vorliegen oder die ersten 4 bis 6 Strafen innerhalb weniger Jahre aufeinanderfolgen. In den 4 58 Bei Wend, S. 43, sind von 84 Personen, die ihre kriminelle Laufbahn mit Betrug begonnen hatten, 71 bei diesem Delikt als Hauptrichtung geblieben.

Die Tat und der Täter

99

restlichen Fällen ist eine Betrugsvorstrafe überhaupt nicht gegeben oder der Diebstahl löst den Betrug, obwohl dieser erst später einsetzt, immer wieder ab.

Zur Interlokalität der Betrugskriminalität Ein auffälliges Kennzeichen vieler Betrüger scheint die Interlokalität ihrer Kriminalität zu sein, d. h. sie sind von Gerichten der verschiedensten Orte und Landschaften bestraft59• Dies hängt in erster Linie mit ihrer Wurzellosigkeit und ihrem Wanderleben zusammen. Im Gegensatz vor allem zum Diebstahl ist der Täter beim Betrug dem Opfer regelmäßig durch die Tat persönlich bekannt geworden. Der Betrüger muß sich daher, wenn er sich in größerem Umfang betätigt, immer wieder einen neuen Betätigungsort suchen, um nicht gleich aufzufallen und dingfest zu werden. Er ist deshalb oft interlokaler, in einigen Spitzenfällen auch internationaler Wanderer. Es verwundert daher auch nicht, daß allein 20 der insgesamt 31 wegen falscher Namensführung vorbestraften Sicherungsverwahrten unseres Materials Betrüger sind. d) Die S i t t li c h k e i t s t ä t e r

aa) Einteilung in 3 Gruppen Von den 29 auf Grund eines Sittlichkeitsdelikts zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen sind nach ihrem Vorleben folgende zwölf Personen keine Sittlichkeits- (sondern Vermögens-)verbrecher (in Klammern noch einmal die letzte Straftat, nach der die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde): 13 (Befriedigt sich neben einer Neunjährigen im Schweinestall selbst). 2 Vorstrafen: Brandstiftung, räuberisch·e Erpressung 1'5 (GeschIechtsverkehr mit 3 Töchtern, unz. Handlungen mit einem fremden Mädchen). 1 Vorstrafe: Steuerhehlerei 17 (Als Zuhälter mit 3 Dirnen zusammengewohnt). 21 Vorstrafen: Vermögensverbrechen, öfter auch Körperverletzung u. Widerstand 40 (Belästigt 71jährig'e Frau, berührt 12jähriges Mädchen über den Kleidern unsittlich). 12 Vorstrafen: Diebstahl, Unterschlagung, Bettelei, gr. Unfug 49 (Entblößt sich im Torweg vor heimkehrenden Hausgehilfinnen). 1'5 Vorstrafen: llmal Diebstahl, 2mal Körperverletzung 50 Eine Interlokalität, wie sie z. B. Exner, DJ 1943, S. 377 (379) als Kennzeichen des Gewohnheitsverbrechers ganz allgemein fordert, konnte da,gegen nicht festgestellt werden. Interlokal (über das normale Maß hinaus) war nach unserem Material nur der Betrüger. Bei Lotz, S. 53, waren von 100 Personen 5t1 in verschiedenen Landgerichtsbezirken, 31 in verschiedenen OLG-Bezirken und 12 in Süd- u. Norodeutschland verurteilt worden. Bei Heinke, S.32, ist interlokale Kriminalität nur in5 % der Fälle gegeben. Wend, S. 53, stellt dagegen fest: 85 Ofo überschriUen Grenren eines AG-Bezirks, 80 Ofo eines LG-Bezirks und 64 Ofo eines OLG-Bezirks.



100

Untersuchung

50 (Als Zuhälter bei einer Dirne gewohnt, ein Fahrrad gestohlen). 11 Vorstrafen: 5mal Diebstahl, 2mal Hehlerei, Betrug, Bedrohung, übertretungen 53 (Berührt eine Frau unsittlich, flieht mit ihrer Handtasche; entwendet ein F1ahrrad vor einer Gastwirtschaft). 5 Vorstrafen: 4mal Diebstahl, 1mal Unterschlagung 110 (Greift lljährigem Mädel ans Geschlechtsteil, entwendet Dienstherrn 35,-, leiht sich 'ein Fahrrad, gibt es nicht zuTück). 25 Vorstrafen: 18mal Betrug, Erpressung, Unterschlagung, Sachbeschädigung, Diebstahl 172 (Geschlechtsverkehr mit Tochter, unzüchtige Handlungen mit Stieftochter). 19 Vorstrafen: 14mal Diebstahl, 5mal Unterschlagung, 2mal Widerstand 200 (In seinem Bäckerladen Gehilfinnen und anderen Mädchen ans Geschlechtsteil ge1laßt, sein Glied an deren Scheide geführt). Keine Vorstrafen 204 (Als Einbrecher schlafenden Frauen ans Geschl'echtsteil gefaßt, sie geküßt u. ä.). 3 Vorstrafen: Diebstahl, Hehlerei 217 (Zuhälterei und 60 Fahrräder entwendet). 16 Vorstrafen: 7mal Diebstahl, 4mal Betrug, Unterschlagung, Bettelei. In den folgenden drei Fällen erscheint es zweifelhaft, ob man nach dem Vorleben der betreffenden Personen von Sittlichkeitsverbrechern sprechen kann: 46 (Untersucht Mädcl1en, um seinen Schautrieb zu befriedigen, hat dabei in 4 Fällen onaniert). 2 Vorstrafen: 1'930 BeIeidigung (unsittliche Annäherung gegenüber einem schulpflichtigen Mädchen), 1'938 Fundunterschlagung 72 (Geschlechtsverkehr im Stehen mit 15 Jahre altem Mädchen, das schon ein Jahr vorher mit Männern mehrmals Geschlechtsverkehr hatte = Beleidigung). 14 Vorstrafen: 7mal Bettelei, 2mal Betrug, 1928 Sittlichkeitsdelikt (näherte sich 1926/2'1 beim Herumziehen Mädchen und Frauen, Näheres unbekannt) 210 (Hebt 13jähriges Mädchen ,beim Spiel 'auf den Nacken, berührt es über der Hose am Geschlechtsteil). 1'4 Vorstrafen: 8mal Diebstahl, Hehlerei, Bettelei, Betrug, Unterschlagung, 1930 Sittlichkeitsd. (176,3): 7 Monate Gefängnis. In den folgenden vierzehn Fällen sind die betreffenden Personen schon vorher öfter einschlägig in Erscheinung getreten: 28 (Fährt mit Rad durch die Stadt, entblößt sich vor Schulmädchen). 9 Vorstrafen: 2mal Diebstahl, 2mal Unterschlagung, 2mal öffentliches Ärgernis (1925 u. 27), vers. Totschlag, vers. /Betrug, Aufruhr, 1925/26 exhibitionistische Ausfälle vor Schulmädchen. 32 (Faßt 19jährigen Mann auf dem Heimweg durch HosenschLitz an das Geschlechtsteil und onaniert bei sich selbst). 7 Vorstrafen: 3mal Sittlichkeitsdelikt (17'6,3), 2mal SittlichJkeitsdelikt (17'5), tätl. Beleidigung. 1927 mehreren Jungen Geschlechtsteil betastet, 1933 einem Jungen Hose heruntergezogen und mit Glied an dessen Gesäß beischlafähnl. Bewegungen vollführt.

Die Tat und der Täter

101

61

(Hält .sein Geschlechtsteil bis Samenerguß an das eines Mädchens, das ihn durch freie Reden erregt hat). 18 Vorstrafen: 5mal Diebstahl, 3mal Hehlerei, 4mal Bettelei, 3mal Widerstand, 2mal Verwahrlosung, 2ma1 Ö!ffentHches Ärgernis, 1mal 176,3 (letzte Strafen). 1925 und 28 entblößt er Geschlechtsteil vor Schulmädchen, 30/31 faßt er einem - zu allem bereiten - Mädchen an das nackte Geschlechtsteil, drückt ein anderes an sich und macht dabei beischlafähnUche Bewegungen. 91 (nachträglich verurteilt). 13 Vorstrafen: 2mal Körperverletzung, 2mal Diebstahl, 1mal Betrug, Unterschlagung, 7mal Sittliichkeitsdelikt (176,3). Spricht auf seinen Wanderungen 6-13jährige Mädchen an, nimmt sie mit, zieht ,ihnen die Kleider vom Geschlechtsteil und vollführt an diesem beischlafähnliche ,Bewegungen. Einige hat er so mit Tripper angesteckt. 99 (nachträglich verurteilt). Vorstrafen: 10mal Diebstahl, 6mal Unterschlagung, 9mal Bettelei, 4mal Körperverletzung, 4mal Widerstand, 2mal Mundraub, 1mal Betrug, Hausfriedensbruch, Bedrohung, Mißhandlung, 3mal Sittlichkeitsdelikt (1929, 32).

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Betritt 1929, 31, 32 auf seinen Bettelzügen, wenn niemand anwesend ist, das Grundstück, spielt mit den Kindern, drückt sie an sich, küßt sie. Legt einmal ein Kind auf den Bauch, schlägt mit der Hand auf sein nacktes Gesäß. (Mißbraucht 131/tjährigen Jungen). 39 Vorstrafen: 13mal Betrug, 7mal Diebstahl, Widemtand, Bettelei, Einbruch, Drohung, Landstreicherei, 14mal Unzucht (09-36). Unzucht mit 11 - 14 Jahre alten Schulknaben als Hotelportier, Krankenpfleger u. ä. in aller Welt. (Meldet sich als Firmpate, verreist mit Jungen, nächtigt mit ihnenzusammen im Bett, onaniert, faßt an ihr Geschlechtsteil). 12 Vorstradien: 6mal Diebstahl, Betrug, Schwarzhandel, ab 1924 3mal Sittlichkeitsdelikt (176, 175). 1924 lljährigen Knaben wiederholt veranlaßt, Glied zu entblößen und anfassen zu lassen. 1925 12jährigen Knaben veranlaßt, an seinem Geschlechtsteil zu saugen. 1930 wiedeI"holt Kna,ben nackt photographiert und an ihrem Geschlechtsteil gespielt. (Zieht 7jähriges Mädchen an sich, macht vor ihm hockend beischlafähnliche Bewegungen). 18 Vorstrafen: 4mal Diebstahl, 5mal Bettelei, 3mal Betrug, 4mal SittlichkeitsdeUkt (davon 2mal öffentliches Ärgernis, 2maI176,3). 1927 und 28 jeweils ein 3jähriges Mädchen in den Holzschuppen der Eltern gelockt und am Geschlechtsteil gespielt. 1929 greift er einer Radlerin ans Geschlechtsteil. 1936 onaniert er hinter einem Mädchen auf dem Jahrmarkt, 1937 lockt er 8jähriges Mädchen inelterl. Haus, legt es dort aufs Bett, entblößt dessen Geschlechtsteil und macht zwischen dessen Schenkeln beischlafähnliche Bewegungen. (nachträglich verurteilt). 6 VOl\Strafen: 5mal SittlichkeitsdeHkt (davon 3mal 176,3), 1mal Beihilfe zum Diebstahl.

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195 208

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Untersuchung Spricht 11- bis 13jährige Mädchen an, legt sie 'Cluf der Toilette oder zu Hause hin, spielt an ihrem Geschlechtsteil oder führt gar den Beischlaf durch. Als Helfer bei der Schi:ffisschaukel faßt er Mädchen unter den Röckchen ans nackte Geschlechtsteil, meist nach Alkoholgenuß. (nachträglich verurteilt). 17 Vorstrafen: 1mal Diebstahl, 3mal Betrug, 2mal UnterSchlagung, 5mal unerl. Rückk., 7mal Sittlichkeitsdelikt (davon 3mal vers. Notzucht, sonst 176,3). Macht sich an 11 - 14jährige Mädchen heran; Notzucht ständig nur versucht. (Mit 5jähTigem Mädchen ,im Stroh auf Dachboden beischlafähnliche Bewegungen bis Samenerguß). 6 Vorstrafen: 3mal Diebstahl, Imal Betrug, Brandstiftung, Beleidigung, 2mal Sittlichkeitsdelikt. 1932 beischlafähnliche Bewegungen an 10 J'ahre altem Mädchen, über den Kleidern. 1932 lljähriges Mädchen unterwegs angehalten, auf einen Hang geworfen und über der Kleidung beischlafähnliche Bewegungen ausgeführt. (Als Soldat zwei Kameraden ans Glioo gefußt). 2 Vorstrafen: 1938: §§ 175 a und 17'5 1'940: § 175. (Mehrere Knaben auf Toiletten, Aussichtsturm u. ä. verleitet, ihn auf das n'Clckte Gesäß zu schlagen, ihm Stöckchen ins Gesäß zu stecken und das Geschlechtsteil bis zum Samenerguß zu reiben). 2 Vorstr,arfen: 1930: § 176,3 und II 1934: § 176,3, 2mal (§ 51 II StGB). (Verkuppelt seine Ehefrau, ferner 17'5,175 aB) 4 Vorstrafen: 1922 Hehlerei, 1929 Unterschlagung, 1932 Zuhälterei, 1932 § 175.

Zusammenfassend ist zu sagen: zwölf der Täter sind überhaupt nicht wegen Sittlichkeitsverbrechen oder -vergehen vorbestraft. Man wird deshalb bei ihnen auch nicht von Sittlichkeitsverbrechern sprechen können. Dies gilt vor allem für die Zuhälter, die ohnehin eher Vermögensals Sittlichkeitstäter sind, wie auch die beiden Fälle 50 und 217 zeigen80 • Aber auch die übrigen der 12 wegen Sittlichkeitsdelikts nicht vorbestraften Täter sind meist Vermögensverbrecher, wie ihre Vorstrafenliste zeigt. Darüber hinaus ist sogar ihre letzte Tat oft überwiegend (z. B. 204), mindestens aber zum Teil ebenfalls gegen das Vermögen gerichtet (z. B. 53 und 110)61. Unter Berücksichtigung der großen UmweltabVgl. auch Exner, Kriminologie, S. 213. Bemerkenswert ist, daß auch die beiden einzigen Fälle von Blutschande (15, 172) in dieser Gruppe vorkommen, also bei Tätern, die bisher nicht einschlägig in Erscheinung getrleten sind. Wie sehr d~e Blutschande ein MiIieudeHkt ist, zeigt die Aufstellung über den Tatort bei Eber, Die Blutschande, Krim. Abh., H. 30, Leipzig 1937; vgl. femer Koch, über Sittlichkeitsverbrecher, Krim. Abh., H. 46, Leipzig 1940 (unter den exogenen Ursachen stehen schlechte Wohnverhältnisse mit an erster SteHe). 60

81

Die Tat und der Täter

103

hängigkeit der Gewohnheitsverbrecher kann die letzte Tat in diesen 12 Fällen nicht als Symptom einer zu Sittlichkeitsverbrechen neigenden Eigenart des Täters angesehen werden, sondern nur als Gelegenheitsdelikt62 • Symptom ist sie allenfalls für eine allgemeine Unzuverlässigkeit des Täters, wie denn überhaupt die Vorstrafenliste dieser Personen öfter als gewöhnlich neben Vermögensverbrechen auch andere Delikte zeigt, vor allem Widerstandsleistung, Körperverletzung, Bedrohung, grober Unfug und übertretungen der verschiedensten Art 83 • In den nächsten 3 Fällen erscheint es deshalb zweifelhaft, ob man von Sittlichkeitsverbrechern sprechen kann, weil die Vorstrafenliste zwar eine gewisse Anfälligkeit auch in dieser Richtung zeigt, die Delikte anderer Richtung aber überwiegen (so in den Fällen 72 und 210), oder weil das Sittlichkeitsdelikt als solches noch keine rechten Konturen trägt (so in den Fällen 46 und 210). In den restlichen 14 Fällen sind die Täter als Sittlichkeitstäter schon vorher öfter einschlägig in Erscheinung getreten. Das soll nicht heißen, daß sie Sittlichkeitsverbrecher in irgendwelcher Bedeutung des Wortes sind, sondern nur, daß hier die Sittlichkeitsdelikte als Symptom der Persönlichkeit angesehen werden könnenM.

bb) Zu den 14 einschlägig vorbestraften Sittlichkeitstätern Die geschlossenste Gruppe ist die der 6 Homosexuellen. Die Homosexuellen zeichnen sich nach ihrem kriminellen Vorleben dadurch aus, daß sie entweder nur auf ihrem Gebiet in Erscheinung treten (so 195, 208) oder, falls sie außerdem Vermögensverbrecher sind, die Sittlichkeitsdelikte entweder überwiegen (so 32 und 211) oder wenigstens erheblich ins Gew~cht fallen (so 135, 139). Das Verhältnis zwischen Sittlichkeitsdelikten und Vermögensdelikten bei den Vorstrafen ist hier 27 : 29, d. h. die Zahl der Vorstrafen wegen Sittlichkeitsdelikten ist fast so hoch, wie die wegen Vermögensverbrechen, was unter Berück~chtigung der peripheren Bedeutung der Sittlichkeitsdelikte für das Gewohnheitsverbrechertum recht auffällig ist. Schon 62 Daß auch der Gewohnheitsverbrecher Gelegenheitsdelikte begehen kann (namentlich dann, wenn er 'sich auf einem anderen Gebiete als seinem eigentlichen betätigt), betont zutreffend Gerland, S. 34. 63 Exner hat stets bestritten, daß ,auch derj,eruge Gewohnheitsverbrecher ist, dessen ,einzelne Taten aus ganz verschiedenen Beweggründen und seelischen Einstellungen entspringen (KTiminolog~e, S. 291; DJ 194'3, S. 3771f., S. 379). Die Beweggründe einer Tat lassen sich nicht immer leicht erkennen. Schlagen sie sich .aber in der Tat nieder - und das ist sicher der Fall -, so hat entweder Exner Unrecht oder es handelt sich in sehr vi,elen Fällen unseres Materials nicht um Gewohnheitsverbrecher; denn v1ele unserer Verwahrten haben im Laufe der Zeit ganz verschiedene Delikte begangen. M Der Anteil der Sittlichkleitstäter an der Gesamtzahl unserer Verwahrten beträgt demnach 5,60/0. Bei Schmidt sind es 3,10/0; bei Latz (S.37) 40/0; bei Heinkes Frühkriminellen 2,0 0/0, bei seinen Spätkriminellen 36,4 Ofo (S. 24); bei Wend (S. 15 - 19) etwa 5,3 0/0.

104

Untersuchung

bei der ersten Tat macht sich der Zug zu den Sittlichkeitsdelikten bemerkbar: drei der Homosexuellen beginnen mit einem Sittlichkeitsdelikt. Daher ist auch das durchschnittliche Erstbestrafungsalter hoch: 22,83 Jahre. Die Gruppe der 8 normalgeschlechtlichen Täter zeigt größere Divergenzen. Einmal sind diese Personen meist so erheblich wegen Vermögensdelikten vorbestraft, daß es schwer fällt, gerade die Sittlichkeitsdelikte als kennzeichnend anzusehen (so 28, 99, 141). Das Verhältnis zwischen Sittlichkeitsdelikten und Vermögensdelikten ist hier 33: 70, also ganz anders als bei den Homosexuellen; die Vermögensdelikte überwiegen nicht nur, sie machen mehr als das Doppelte der Sittlichkeitsdelikte aus. Auch bei der ersten Bestrafung überwiegen die Vermögensdelikte: 2 :5. Damit hängt weiter die Tatsache zusammen, daß das Durchschnittsalter bei der ersten Bestrafung hier 18, 25 ist, also wesentlich niedriger: das Verlangen nach materiellen Gütern regt sich eher und stärker als das nach Befriedigung des Sexualtriebst5 • Die Einzeltypen: Der Exhibitionist (28) beginnt seine kriminelle Laufbahn mit 15 Lebensjahren mit Diebstahl, zeigt dann auch Nicht-Vermögensdelikte (vers. Totschlag, Aufruhr) und geht schließlich zur Erregung öffentlichen Ärgernisses über (2m al ab 34. Lebensjahr), bewegt sich also im ganzen auf der Grenze zum Allgemein-Unzuverlässigen. Der Homosexuelle (195, 211) beginnt seine Laufbahn verhältnismäßig spät. Er hat keine Gewaltdelikte in seinem Vorstrafenregister, das im übrigen recht kurz [st. Der normalgeschlechtlich veranlagte Kinderfreund ist nach unserem Material meist Bettler und Wanderer, der sich beim Herumziehen, wenn die Gelegenheit günstig ist, mit kleinen Mädchen abgibt (91, 99, in weiterem Sinne auch 141 und 151 und 194, die ebenfalls alle das ländliche Milieu ausnützen). Die Handlung selber besteht in einfachem Berühren, Betasten und Ansichdrücken (99), gezielten unsittlichen Handgriffen (151) oder Heranführung des Geschlechtsteils, entweder über den Kleidern (194) oder an das entblößte Geschlechtsteil des Mädchens (141). Beim homosexuell veranlagten Kinderfreund macht sich die sexuelle Absicht sehr viel intensiver und unmittelbarer bemerkbar. Er bewegt sich von Anfang an in einem ihm günstigen Milieu, das er entweder beruflich ansteuert (135) oder sich auf andere Weise bewußt und energisch verschafft (139). Auch seine Handlungsweise ist kompakter: er greift 15 Um wieviel früher sich ganz allgemein der Bereicherungstrieb gegenüber dem Sexualtl"lieb regt, ergibt sich ,aus dem Erstbestrafungsalter der Angehörigen beider Gruppen (d. h. der homo- und der heterosexuellen) wegen Vermögens- und wegen Sittlichkeitsdelikts: das erstere liegt bei 17,88 und das letztere bei 24,40 Jahren.

Die Tat und der Täter

105

nach dem nackten Geschlechtsteil des Knaben oder läßt den Knaben an seinem nackten Geschlechtsteil anfassen (139, 32). Auch perverse Handlungen, wie Afterverkehr, kommen vor (208). Der Notzüchter schleicht sich nicht als Freund ein, sondern geht mit Gewalt auf sein Ziel los. Er ist in unserem Material nur einmal und auch nur mit erfolglosen Versuchen vertreten (155). Es fehlt der sexuelle Unhold, ebenso ein Zusammentreffen von Sexualtrieb und Gewalttätigkeit. Je reiner der Trieb wird, um so mehr befreit er sich von Nebentendenzen, vor allem in Richtung auf die Verletzung des Vermögens. ce) Zu Beginn und Wandlung der Kriminalität

Das Vorleben der 29 auf Grund eines Sittlichkeitsdelikts zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen sieht folgendermaßen aus: Erste Vorstrafe wegen 1~

Brandstiftung

15 Stleuerhehlerei 17 Diebstahl

28 Diebstahl 32

Unzucht mit Kindern

Fahnenflucht militär, UnterschIagung 46 Beleidigung

40

49 Diebstahl, Haus-

friedensbruch

50 Hehlerei

Die weiteren Vorstrafen wegen

Sicherungsverwahrung wegen

räuberische Erpressung, Unter- Unzucht mit Kindern schlagung Blutschande, Unzucht mit Kindern Diebstahl, schwerer Diebstahl, Widerstand, Körperverletzung, Unterschlagung, Betrug, Sachbeschädigung, UrkundenfäIschung Zuhälterei versuchter Totschlag, Diebstahl, Unterschlagung, AufUnzucht ruh~, öffentI. Ärgernis, Betrug mit Kindern Unzucht mit Kindern, Unzucht Verführung zu mit Männern, Beleidigung widernatürlicher Unzucht Diebstahl, Unterschlagung, Unzucht Bettelei, grober Unfug mit Kind, versuchte Notzucht Unterschlagung (Fund-) Unzucht mit Kindern Di.ebstahl, schwerer Diebstahl, öffentl. Ärgernis Körperverletzung, Begünstigung, falsche An:schuldigung, üble Nachrede Hehlerei, schw. Diebstahl, Bedrohung, Waffenbesitz, Betrug, Zuhälterei, UrBaßV'ergehen, unber. Uniform- kundenfälschung, tragen Diebstahl

Untersuchung

106 Erste Vorstrafe wegen

Die weiteren Vorstrafen wegen

53 Bettel, Diebstahl

Diebstahl, Unterschlagung

61

Widerstand, Diebstahl, HehleI'ei, UnteI'Schlagung, Beleidigung, V:erwahrlosung, öffent!. Ärgernis, Unzucht mit Kindern Betteln, Betrug, Unzucht mit Kindern, Diebstahl, Untreue, Gewerbevergehen, Landstreicherei Unzucht mit Kindern, Sachbeschädigung, Betrug, Körperverletzung, Diebstahl, Schleichhandel Unzucht mit Kindern, Bettel, Mundl.'laub, Diebstahl, Betrug, Körperverletzung, Widerstand, Bedrohung, Unterschlagung, Hausfriedensbruch Betrug, Unterschliagung, Erpressung, Sachbeschädigung, faIsche Namensführung, unerlaubte Entfernung Betrug, Diebstahl, Unzucht, Widerstand, Bedrohung, Beleidigung, Erpressung, Landstreicherei Diebstahl, schwerer Diebstahl, Betrug, Unzucht mit ~indern, widernatürliche Unzucht

Betrug, Diebstahl

72 Betteln

91

Körperverletzung

99 Diebstahl

HO Körperverletzung

1'35 Diebstahl

139 Diebstahl

141 Diebstahl 1'51 Unzucht mit Kindern 155 Unzucht mit Kindern 172 Diebstahl 194 Diebstahl

Diebstahl, Bettel, Betrug, öffent!. Ärgernis, Unzucht mit Kindern, Hausilriedensbruch Unzucht m. Kindern, Diebstahl, Beleidigung Unzucht mit Kindem, versuchte Notzucht, Diebstahl, Betrug, Untersch1iagung, uner!. Rückk. Diebstahl, sch~rer Diebstahl, Mundraub, Unterschlagung, Widerstand, Bettel Brandstiftung, Unzucht m. Kindern, Diebstahl, Bettel, Betrug

Sicherungsverwahrung wegen vers. Notzucht, Diebstahl Unzucht mit~ndern

tätliche Beleidigung Unzucht mit Kindern

Unzucht mit ~ndern Unzucht mit Kindern, Diebstahl, Betrug Unzucht mit Kindern, Verführung z. Unzucht Unzucht mit Kindern, widernatürliche Unzucht, Verführung z. Unzucht UneJucht mit Kindern Un~ucht

mit Kindern Unzucht mit Kindern Blutschande, Unzucht mit Kindern Unzucht mit Kindern

Die Tat und der Täter Erste Vorstrafe wegen

Die weiteren Vorstrafen wegen

195 widernatürliche Unzucht und Verführung 200 - - -

widernatürliche Unzucht

204 Drebstahl,

Hehlerei, -schwerer Diebstahl

Hehle~ei

208

Unzucht mit K!indern

210 Diebstahl

211 Hehlerei

217 Diebstahl, Unterschlagung

Unzucht mit Kindern Diebstahl, schwerer Diebstahl, Begünstigung, Hehlerei, Bettel, Unterschlagung, Sachbeschädigung, UnzuchtmitE]ndern Unterschlagung, Zuhälterei, widernatürliche Unzucht Betrug, Diebstahl, Bettel, Urkundenfälschung, schwerer Diebstahl

107 Sicherungsverwahrung wegen widernatürliche Unzucht Unzucht mit E]nin 8 Fällen Diebstahl, Raub, Nötigung zur Unzucht Unzucht mit Kindem, Verf. z. Unzucht zw. Männern

Unzucht mit Kindern widernatürl. Unzucht, schwere Kuppelei Zuhälterei, Diebstahl

nach 1945:

2'58 Betrug

Unzucht mit E]ndern, widerIlIatürl. Unzucht, Verführung Unzucht dazu mit E]ndern

262 Beischla'fserschleichung, Betrug

Unzucht mit E]ndern

Unzucht mit E]ndern

Zur Vervollständigung des Bildes sei anschließend noch - ohne Rücksicht auf die Straftat, nach der die Sicherungsverwahrung verhängt wurde - die kriminelle Weiterentwicklung der zuerst wegen eines Sitt.lichkeitsdelikts bestraften Sicherungsverwahrten dargestellt: Erste Straftat 3 Öffentl. Är,gernis 32 Unzucht mit Kindern

weitere Straftaten Diebstahl, Betrug, UnterschJoagung, Sachbeschädigung Unzucht mit Kindern, tätliche Beleidigung, w-idernatürliche Unzucht

Die letzte Straftat Diebstahl Verführung zu widernatürlicher Unzucht

Untersuchung

108

Erste Straftat 69

151 1'53 155

195 198

weitere Straftaten

Öffentl. Ärgernis

Diebstahl, schwerer Diebstahl Widerstand, Sachbeschädigung, Raub, grober Unrug UIl7Jllcht Unzucht mit Kindern (176 I u. m. Kindern (176, II) II) Beihilfe zum Diebstahl Unzucht Diebstahl, Unterschlagung, Bemit Kindern trug, Bettel, Beleidigung, Zuhälterei, Raub Unzucht Unzucht mit Kindern, versuchte mit Kindern Notzucht, Diebs-tahl, Unterschlagung, Betrug, unerlaubte Rückkehr widernatürliche widernatürliche Unzucht Unzucht ~entl. Ärgernis öffentliches Ärgernis, Hausfrie-

Die letzte Straftat Raub, Körperverletzung Unzucht mit IGndern Diebstahl Unzucht mit Kindern w:idernatürliche Unzucht

den~bruch, Obdachlosj.g~eit,

Unzucht mit Kindern 266 Unzucht mit Kindern 208

Diebstahl, schwerer Diebstahl Raub Unzucht mit Kindern (Knaben) Unzucht mit Kin:dern (Knaben) Diebstahl, Landstreicherei, Betrug, Obstentwendung, Bettel, Urkundenfälschung, Unzucht Diebstahl, Betrug mit Gewalt

nach 1945: 262

Beischlafserschleichung

Unzucht mit Kindern

Unzucht mit Kindern

Danach läßt sich feststellen: 1. Von den 29 auf Grund eines Sittlichkeitsdelikts zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen haben Personen a) schon mit einem Sittlich:keitsdelikt dhre kriminelle Laufbahn begonnen: .................................................. dagegen mit einem Vermögensdelikt ........................ mit einem anderen Delikt .................................. b) mit einem Sittlich:keitsdelikt später, jedoch vor der letzten Tat, 'begonnen .............................................. c) vor der letzten Tat ein SittlichkeitdeUkt nicht begla:n:gen ......

5 19 4

11 13

2. Von den 10 Sicherungsverwahrten, die mit einem Sittlichkeitsdelikt ihre kriminelle Laufbahn begonnen haben, sind 88 Vgl. ,auch Silbereisen, S. 36, der zu ähnlichen Ergebnissen kommt. Bei ihm sind von 26 im Jahre 1928 in München wegen Sittlichkeitsdelikts erstmals v.erurteilten jugendlichen Tätern 12, also noch nicht einmal die Hälfte, rückfällig geworden, und davon nur 4 vielfach rückfällig. Die höchste Rück:l)allsquote haben verständlicherweise die HomosexuelLen: von 6 Homosexuel-

Die Tat und der Täter

109

Personen a) auf Grund eines Sittlichkeitsdeliktes ,auch zu SicherungsverWlahrung verurteilt worden88 :. •••••••••••• •••• • ••• •••• •• •• ••• wegen eines VermögenSodelikts: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Später noch, aber nicht mehr -bei der letzten Tat einschlägig in Erscheinung getreten: .................................... c) wegen eines Sittlichkeitsdelikts nie mehr verurteilt worden: . .

5 5 3 2

Es ergibt sich also: Nur jeder sechste von denen (5 von 29), die später auch Sittlichkeitsdelikte begangen haben, hat mit einem Sittlichkeitsdelikt begonnen. Der echte Sittlichkeitstäter beginnt in 2/3 der Fälle mit einem anderen Delikt, meist mit einem Vermögensdelikt (9 von 14). Nur jeder zweite der Täter, die mit einem Sittlichkeitsdelikt begonnen haben, ist auch wegen eines Sittlichkeitsdelikts zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden (5 von 10). Zwei von 10 Tätern, die mit Sittlichkeitsdelikten begonnen haben, sind in dieser Richtung nie mehr in Erscheinung getreten, sondern Vermögenstäter geworden. Ein dritter ist ebenfalls Vermögenstäter geworden und nur noch einmal als Zuhälter bestraft worden 61 •

dd) Vorbestraftheit Die durchschnittliche Vorstrafenzahl der auf Grund eines Sittlichkeitsdelikts zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen beträgt: überhaupt mit Zuchthlaus Im gan7Jen ..................................... . Bei den wegen Sittlichkeitsdelikts nicht Vorbestraften ................................. . Bei den bereits einschlägig vorbestraften Personen

11,86

0,86

10,83

0,75 1,07

13,14

Der auf Grund eines Sittlichkeitsdelikts zu Sicherungsverwahrung verurteilte Täter ist mit 11,86 weniger vorbestraft als der Gewohnheitsverbrecher überhaupt (13,88), auch als der Dieb und erst recht als der Betrüger (16,03), er kommt also mit weniger Vorstrafen, nach einem kürzeren kriminellen Vorleben in die Sicherungsverwahrung. Ebenso verhält es sich, was die Zahl der Zuchthaus-Vorstrafen angeht: 0,86: 1,25 allgemein, 1,34 bei den Dieben und 0,95 bei den Betrügern. len sind 5 rückfällig und 2 vLelfach rückfällig geworden; von 13 nach § 176 Abs. 1 Ziff. 3 StGB bestraften Personen sind dagegen nur 3 rückfällig und ~eine vielf.ach rückfällig geworden. 87 Bei Wendt, S. 43, sind von 8 Personen, die ihre kriminelle Laufbahn mit einem Sittlichkeitsdelikt begonnen haben, 5 bei dieser Richtung geblieben, 3 wechselten zu Diebstahl über.

110

Untersuchung

Im Verhältnis der Gruppen der Sittlichkeitstäter zueinander ist der einschlägig vorbestrafte Sittlichkeitstäter häufiger und auch schwerer vorbestraft als der nicht einschlägig Vorbestrafte. ee) Alter

Das Durchschnittsalter der auf Grund eines Sittlichkeitsdelikts zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen beträgt: bei der Verurteilung zu Sichel'U~V1erwahrung

Im ganzen ........................ Bei den wegen Sittlichkeitsdelikts nicht Vorbestraften ................ Bei den einschlägig Vorbestraften ..

bei deren;ten Verurteilung über- wegen Sitthaupt lichkeitsdelikt

40,62

19,48

30,33

40,41 42,07

18,80 20,07

40,41 27,3

Der Sittlichkeitstäter ist bei der Verurteilung zu Sicherungsverwahrung mit 40,62 durchschnittlich älter als der durchschnittliche Gewohnheitsverbrecher (37,425) und selbst auch als der Betrüger (39,58). Das liegt aber nicht an einem längeren kriminellen Vorleben, wie die durchschnittliche Zahl der Vorstrafen zeigt, sondern an dem späteren Beginn der kriminellen Laufbahn. Daß der Sittlichkeitstäter spätkriminell ist, zeigt der Umstand, daß das erste Sittlichkeitsdelikt durchschnittlich im Alter von 30,33 begangen worden ist, also noch wesentlich später als der erste Betrug bei den Betrügern (23,47). Allerdings zeigt die Übersicht, daß der echte Sittlichkeitstäter schon früher beginnt, nämlich mit 27,3 Jahren. Aber auch dieses Alter liegt noch über dem des reinen Betrügers (25,75), was noch einmal bestätigt, daß sich das Verlangen nach materiellen Gütern in jedem Fall früher regt als dasjenige nach Befriedigung des Sexualtriebes. Daher sind auch die nicht einschlägig vorbestraften Sittlichkeitstäter mit einem Alter von 18,80 Jahren durchschnittlich früher kriminell als die eigentlichen Sittlichkeitstäter mit einem Alter von 20,07 Jahren8s• ff) Zusammenfassung

Die 14 echten Sittlichkeitstäter rekrutieren sich fast ausschließlich aus den Reihen der Vermögenstäter: nur zwei (195, 208) sind reine Sittlichkeitstäter (Homosexuelle), bei 3 weiteren (32, 91, 151) überwiegen die 8S Daß die Sittlichkei:tstäter meist spätkriminell sind, ist eine alte Erfahrung. Bei Heinke, S. 24, sind unter den Frühkriminellen nur 2,0 Ufo Sittlichkeitstäter, unter den Spätkriminellen aber 36,4 Ufo. Bei Riedl, S. 133, ist unter 200 Frühkriminellen kein Sittlichkeitstäter, unter 200 Spätkriminellen befinden sich aber 23 Personen, die Unzucht mit Mädchen begangen haben, und 3 Personen mit homosexuellen Handlungen.

Die Tat und der Täter

111

Sittlichkeits delikte. Bei den übrigen (9 von 14) fallen zwar die Sittlichkeitsdelikte zum Teil erheblich ins Gewicht (z. B. 135, 155), stellen aber nur eins der Betätigungsgebiete dar. Von den 12 wegen Sittlichkeitsdelikten vor der Sicherungsverwahrungstat noch nicht in Erscheinung getretenen Tätern sind 5 nicht allein wegen Sittlichkeitsdelikten, sondern noch wegen anderer Handlungen, meist Vermögensverletzungen, zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden Sämtliche Gruppen der wegen eines Sittlichkeitsdelikts zu Sicherungsverwahrung verurteilten Personen zeigen auffällige kriminelle Nebentendenzen: Bettelei, Erpressung, Brandstiftung, Widerstand, Körperverletzung, Raub, Bedrohung, Waffenbesitz, Verwahrlosung, Landstreicherei, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch. Das Sittlichkeitsdelikt ist also vielfach nur Symptom einer allgemeinen Unzuverlässigkeit. e) Ne ben kr i mi na li t ä t (Unterschlagung und Bettelei) Wie die Übersicht auf S. 60 zeigt, sind die Unterschlagung, die Urkundenfälschung und der Bettel die häufigsten Delikte der Nebenkriminalität. Wir sprechen von Nebenkriminalität, weil die Delikte den Täter nicht zu einem eigenen kriminologischen Tätertyp stempeln, sondern von anderen Tätertypen nebenher begangen werden. So gibt es keinen Unterschlager und keinen Urkundenfälscher als kriminologischen Tätertyp, obwohl die Unterschlagung - nicht nur nach unserem Material - häufiger vorkommt als der schwere Diebstahl, und die Urkundenfälschung häufiger als das Sittlichkeitsdelikt. Bei der Bettelei verhält es sich insofern anders, als es den Bettler als kriminologischen Tätertyp dochgibt68 ; dieser Tätertyp spielt aber beim gefährlichen Gewohnheitsverbrecher keine entscheidende Rolle. Hier wird der Bettel vom Kleindieb und Kleinbetrüger nebenher betrieben. Ähnlich verhält es sich mit der Hehlerei und den Körperlichkeitsdelikten. Es gibt wohl den Hehler und auch den Schläger als kriminologische Tätertypen, jedoch nicht als Gewohnheitsverbrecher. Vielmehr werden beide Delikte bei uns von anderen Tätertypen nebenher begangen, so die Hehlerei vor allem von den Dieben und die Körperlichkeitsdelikte (Widerstand und Körperverletzung) von den Allgemein-Unzuverlässigen, den schweren Dieben und auch den Sittlichkeitstätern. Trotzdem ist die Nebenkriminalität auch in unserem Material nicht ohne Bedeutung. Sie kennzeichnet nämlich den durch ein anderes Delikt abgestempelten kriminologischen Tätertyp zusätzlich insofern, als 68 Ausführlich hierzu Baumgärtner, Die Straffälligkeit der mittellosen Wanderer in "Der nicht seßhafte Mensch", München 1938, S. 97-212.

Untersuchung

112

sie anzeigt, ob dieser Tätertyp ein reiner Tätertyp ist und wie er sicll entwickelt hat und weiter entwickeln könnte. Wir haben hier zwei Delikte herausgesucht, die einmal oft vorkommen, ferner aber besonders geeignet erscheinen, dies zu zeigen. Es sind die Unterschlagung und die Bettelei. Während z. B. von der Urkundenfälschung bekannt ist, daß sie fast ausschließlich beim Betrug vorkommt und den Betrüger zusätzlich als solchen kennzeichnet, ist die Zuordnung der Unterschlagung und des Bettels zunächst zweifelhaft. Die nachstehende Aufstellung soll nun zeigen, bei welchen Tätern diese Delikte vor allem vorkommen. Beim Betrug

Beim Diebstahl Im Reine Misch- konturl. gan- Gruppe gruppe Gruppe zen Unrberschla,gung 124 Bettelei

99

6

2

65

23

53

73

Im Reine Misch- konturl. gan- Gruppe gruppe Gruppe zen 170 33

42 4

90 9

38 20

Aus der Aufstellung ergibt sicll, daß die Unterschlagung vor allem beim Betrug vorkommt, und zwar erheblich öfter als beim Diebstahl, wenn man berücksichtigt, daß wir nur 87 Betrüger haben, aber 154 Diebe. Interessant ist weiter, daß sie beim Betrug die betrügerische Tendenz stärkt, während sie beim Diebstahl die Tendenz zum reinen Dieb abschwächt: beim Betrug ist sie vor allem in der - relativ kleinen - reinen Gruppe und in der Mischgruppe, erheblich seltener dagegen in der konturlosen Gruppe vertreten, während sie beim Diebstahl gerade in der konturlosen Gruppe relativ am häufigsten vorkommt, dagegen in der reinen Gruppe verschwindend selten. Die Unterschlagung gehört also innerlich zum Betrug, nicht zum Diebstahl. Zwar wird man hier auch die prozessuale Situation berücksichtigen müssen: die betrügerische Absicht ist nicht immer sicher nachweisbar, und dann hat die Unterschlagung in vielen Fällen die Bedeutung eines Auffangtatbestandes (ähnlich wie die Hehlerei beim Diebstahl); aber dies allein kann die Nähe der Unterschlagung gerade am reinen Betrug nicht erklären. Wer also unter mehreren Betrügen eine Unterschlagung begeht, weicht damit nicht vom betrügerischen Wege ab, er bestätigt sogar seine betrügerische Tendenz. Wer dagegen als Dieb eine Unterschlagung begeht, wechselt leicht zum Mischtyp oder gar zur Konturlosigkeit über. Beim Bettel ist es umgekehrt. Er kommt beim Diebstahl wesentlicll häufiger vor, als beim Betrug, und zwar 3mal so oft, obwohl die Gruppe der Diebe noch nicht einmal doppelt so groß ist w.ie die der Betrüger.

Die Tat und der Täter

113

Also neigt der Dieb eher zum Bettel als der Betrüger oder richtiger: der Bettler wird eher Dieb als Betrüger oder betätigt sich nebenher eher als Dieb denn als Betrüger. Im Gegensatz zur Unterschlagung wirkt der Bettel aber sowohl beim Betrug wie beim Diebstahl der Tendenz zum reinen Tätertyp entgegen, er jst in beiden Fällen in der konturlosen Gruppe am häufigsten vertreten. Der Grund hierfür ist wohl darin zu sehen, daß der Bettler zu einem eigenen Tätertyp drängt und daher bei keinem anderen Tätertyp heimisch wird. f) Zusammenfassung

Nachstehend seien noch einmal die wichtigsten Ergebnisse unserer Untersuchung über die Täter zusammengefaßt (vgl. Tabelle S. 114).

aa) Verhältnis der Vorstrafen des betreffenden Delikts zu den Vorstrafen wegen anderer Delikte Nach den allgemeinen Zahlen hat das reinste Verhältnis der Dieb, gefolgt vom Betrüger. Nur beim Dieb überwiegen die Artdelikte die Fremddelikte. Beim Betrüger ist das Verhältnis noch einigermaßen ausgeglichen, obwohl auch hier schon die Fremddelikte überwiegen. Bei den wegen Sittlichkeitsdelikts verurteilten Tätern dagegen stellen die arteigenen gegenüber den artfremden Delikten nur eine Minderheit dar. Bei der Erklärung dieser Zahlen muß man davon ausgehen, daß die Gewohnheitsverbrecher in erster Linie Vermögensverbrecher sind, auch die meisten Sittlichkeitstäter, und daß weiter das häufigste Vermögensdelikt der Diebstahl ist. So schlagen bei fast allen Tätern die Vermögensdelikte durch und mit den Vermögensdelikten der DiebstahPo. Aus diesem Grunde hat von allen einzelnen Gruppen auch die reine Diebsgruppe das reinste Verhältnis zwischen arteigenen und artfremden Delikten (fast 8 :1). In der reinen Betrugsgruppe machen die artfremden Delikte schon über die Hälfte der arteigenen aus und bei den einschlägig vorbestraften Sittlichkeitstätern sind die artfremden gegenüber den arteigenen Delikten sogar in der Überzahl. Innerhalb der Spezialgruppen haben die schweren Diebe ein reineres Verhältnis als die einfachen Diebe und die Homosexuellen ein reineres als die normalgeschlechtlichen Sittlichkeitstäter. Die Homosexuellen sind überdies die einzigen Sittlichkeitstäter, bei denen die Zahl der Sittl:ichkeitsdelikte etwa die der Vermögens delikte erreicht. 70 Wie schon angedeutet, ist es daher 'auch nicht möglich, die einzelnen Tätergruppen nach den von ihnen begangenen Taten voneinander zu unterscheiden und ihr Verhältnis zueinander zahlenmäßig festzulegen, wie es bei statrstischen Untel'Suchungen gern getan wird.

8 HelJmer. Der Gewohnheitsverbrecher

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:

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63

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6

:

100 23

Erstverurteilung wegen des betr. Delikts

Erstverurteilung wegen anderer Delikte

1,4

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