Der Allgemeine Teil des Privatrechts: Historische Wurzeln ¿ Leistungsfähigkeit im 21. Jahrhundert 9783631740330, 9783631749272, 9783631749289, 9783631749296, 3631740336

Das Konzept des Allgemeinen Teils des Privatrechts ist ein Beispiel für die Innovationskraft der Rechtswissenschaft des

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Der Allgemeine Teil des Privatrechts: Historische Wurzeln ¿ Leistungsfähigkeit im 21. Jahrhundert
 9783631740330, 9783631749272, 9783631749289, 9783631749296, 3631740336

Table of contents :
Cover
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung (Wojciech Dajczak / Christian Baldus)
Literaturverzeichnis
I. Teil Historische Wurzeln des Allgemeinen Teils
Die Altersgrenze von sieben Jahren zwischen römischem und modernem Recht. Einige Quellenbeispiele (Francesca Lamberti)
Abstracts
1. Geschäftsfähigkeit im Allgemeinen
2. Die (nichtantike) Einteilung der impuberes in infantes und infantia maiores
3. Die antike Einteilung der Unmündigen in infantes, pupilli qui fari possunt sed non intellegunt, und qui fari possunt et aliquem intellectum habent
4. Die Sieben-Jahres-Grenze
Literaturverzeichnis
Der Allgemeine Teil des Privatrechts im Kontext der mathematischen Inspirationen der Rechtswissenschaft ab dem 17. Jh. bis zur Entstehung der pandektistischen Systematik (Wojciech Dajczak)
Abstracts
1. Einführung
2. Die Anwendung der mathematischen Erfahrung in Hinblick auf die Modernisierung der systematischen Modelle im gemeinen Recht
3. Die demonstrative Methode und Mathesis forensis
4. Die Parallelen zwischen mathematischen Themen und dogmatischen Fragen des Allgemeinen Teils des Privatrechts von Georg Heise
5. Fazit
Literaturverzeichnis
II. Teil Methodische Probleme der Ausklammerung im Privatrecht
Zeit, Gesetz und Ordnung – Gründe für die Voranstellung des Allgemeinen Teils aus Sicht der Verjährung (Joanna Kruszyńska-Kola)
Abstracts
1. Gründe für die Voranstellung des Allgemeinen Teils im Gesetzbuch und die Einbettung der Verjährungsregelung
2. Entstehungsgeschichte des AT in Grundzügen
3. Grundargumente für die Voranstellung des AT
4. Einbettung der Verjährungsregelung in den AT und Begründung hierfür
5. Verjährung und AT
6. Vorteile für die Einbettung in den AT
7. Die Risiken der Einbettung in den AT
8. Fazit
Literaturverzeichnis
Regelungen zum Verwendungsersatz im Allgemeinen Teil des BGB? (Thomas Raff)
Abstracts
1. Einleitung
2. Tour d’horizon: Verwendungsersatzansprüche im BGB
2.1. Allgemeiner Teil
2.2. Schuldrecht
2.3. Sachenrecht
2.4. Familienrecht
2.5. Erbrecht
3. Allgemeine Leitgedanken im Recht des Verwendungsersatzes?
3.1. Qualität des Verwenders
3.2. Differenzierung nach der Verwendungskategorie
3.3. Verhältnis zwischen Verwendungen und Nutzungen
3.4. Querliegende Regelungen
4. Rechtsvergleichender Ausblick
5. Fazit
Literaturverzeichnis
III. Teil Beispiele für die Spannung zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit im Kontext der Dogmatik des Allgemeinen Teils
Rechtssicherheit und Gerechtigkeit beim Handeln unter Ungewissheit: Bedingter Schuldvertrag und Erwerberverantwortung in der Schwebezeit (Jürgen Kohler)
Abstracts
1. Das Thema
2. Der Fall und seine Fragen
3. Der Vertrag als Haftungsgrundlage?
4. §§ 159, 160 Abs. 2 BGB als Argument für eine vertragliche Fundierung der Rückabwicklung?
5. Der auflösend bedingte Vertrag als fortwährende Rahmenbeziehung: Grund für Exklusion der Bereicherungshaftung?
6. Die bereicherungsrechtliche Fundierung der Rückabwicklung
7. Die verschärfte Bereicherungshaftung als Definiens des Verschuldens – die Pflichtwidrigkeitsfrage
8. Das Pflichtmäßigkeitsprogramm des § 989 BGB des Näheren
9. Beispiele zur Veranschaulichung
10. Geltung beim auflösend bedingten Schuldgeschäft: Übertragbarkeit wegen Stimmigkeit des Haftungsmodells
11. Schlussfolgerungen
Literaturverzeichnis
Die Verjährung der Vindikation, insbesondere von Ansprüchen auf Restitution durch NS-Maßnahmen entzogener Kunstwerke. Zum Spannungsverhältnis von Eigentumsschutz und Rechtssicherheit de lege lata und de lege ferenda (Hans-Georg Knothe)
Abstracts
1. Einleitung
2. Die Verjährung im Allgemeinen
2.1. Begriff, Grund und Zweck
2.2. Entwicklung
2.3. Das geltende deutsche Verjährungsrecht
3. Die Verjährung der Vindikation de lege lata
3.1. Die Vindikationsverjährung im Allgemeinen
3.2. Zur Verjährung der Vindikation von durch Maßnahmen des NS-Systems den Eigentümern entzogenen Kunstwerken
4. Zur Vindikationsverjährung de lege ferenda
5. Ergebnis
Literaturverzeichnis
Die abstrakte Natur eines Rechtsgeschäfts: Herausforderungen für das Gleichgewicht von Gerechtigkeit und Rechtssicherheit? (Bruno Rodríguez-Rosado)
Abstracts
1. Einleitung
2. Gründe für und Alternativen zum Abstraktionsprinzip
3. Die Gegenargumente der Verfechter der Abstraktion und ihre Kritik
4. Die begrenzte Auswirkung der Abstraktion auf den Verkehrsschutz
Literaturverzeichnis
IV. Teil
Schlussbemerkungen – die Leistungsfähigkeit des Allgemeinen Teils des Privatrechts im 21. Jahrhundert im Lichte der Rechtserfahrung (Christian Baldus/Wojciech Dajczak)
1. Positive Erwartungen? – Christian Baldus
2. Zweifel? – Wojciech Dajczak
Literaturverzeichnis
Index
Autorenverzeichnis

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12

Christian Baldus ist am Institut für geschichtliche Rechtswissenschaft, Romanistische Abteilung, der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg tätig. Wojciech Dajczak ist am Lehrstuhl für Römisches Recht und Rechtsgeschichte der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań tätig.

ISBN 978-3-631-74033-0

SEPR 12_274033_BaldusJA_A5HC 151x214 globalL.indd 1

Herausgegeben von Christian Baldus und Christian Pohl

12 Christian Baldus / Wojciech Dajczak (Hrsg.) · Der Allgemeine Teil des Privatrechts

Das Konzept des Allgemeinen Teils des Privatrechts ist ein Beispiel für die Innovationskraft der Rechtswissenschaft des 18. und 19. Jahrhunderts. Für die Gegenwart fragt sich, ob eine vergleichbare Innovation in einer Ersetzung des Allgemeinen Teils durch neue systematische Schöpfungen der digitalen Ära bestehen könnte. Die in diesem Band gesammelten Aufsätze arbeiten heraus, dass bei der Suche nach einer innovativen Alternative zum Allgemeinen Teil mindestens drei Aspekte der Rechtserfahrung nicht übergangen werden dürfen: die historische Verwurzelung der Begriffe und Institute; die Frage, inwieweit die Rechtswissenschaft Elemente anderer Wissenschaften verwerten kann; die innere Verbindung der Verallgemeinerungsmodelle des Rechtsstoffes mit den Grundlagen juristischer Methode.

Schriften zur Entwicklung des Privatrechtssystems

Christian Baldus / Wojciech Dajczak (Hrsg.)

Der Allgemeine Teil des Privatrechts Historische Wurzeln – Leistungsfähigkeit im 21. Jahrhundert

www.peterlang.com

13.04.18 19:27

12

Christian Baldus ist am Institut für geschichtliche Rechtswissenschaft, Romanistische Abteilung, der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg tätig. Wojciech Dajczak ist am Lehrstuhl für Römisches Recht und Rechtsgeschichte der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań tätig.

Herausgegeben von Christian Baldus und Christian Pohl

12 Christian Baldus / Wojciech Dajczak (Hrsg.) · Der Allgemeine Teil des Privatrechts

Das Konzept des Allgemeinen Teils des Privatrechts ist ein Beispiel für die Innovationskraft der Rechtswissenschaft des 18. und 19. Jahrhunderts. Für die Gegenwart fragt sich, ob eine vergleichbare Innovation in einer Ersetzung des Allgemeinen Teils durch neue systematische Schöpfungen der digitalen Ära bestehen könnte. Die in diesem Band gesammelten Aufsätze arbeiten heraus, dass bei der Suche nach einer innovativen Alternative zum Allgemeinen Teil mindestens drei Aspekte der Rechtserfahrung nicht übergangen werden dürfen: die historische Verwurzelung der Begriffe und Institute; die Frage, inwieweit die Rechtswissenschaft Elemente anderer Wissenschaften verwerten kann; die innere Verbindung der Verallgemeinerungsmodelle des Rechtsstoffes mit den Grundlagen juristischer Methode.

Schriften zur Entwicklung des Privatrechtssystems

Christian Baldus / Wojciech Dajczak (Hrsg.)

Der Allgemeine Teil des Privatrechts Historische Wurzeln – Leistungsfähigkeit im 21. Jahrhundert

www.peterlang.com

SEPR 12_274033_BaldusJA_A5HC 151x214 globalL.indd 1

13.04.18 19:27

Der Allgemeine Teil des Privatrechts

Schriften zur Entwicklung des Privatrechtssystems Herausgegeben von Christian Baldus und Christian Pohl

Band 12

Christian Baldus / Wojciech Dajczak (Hrsg.)

Der Allgemeine Teil des Privatrechts Historische Wurzeln – Leistungsfähigkeit im 21. Jahrhundert

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Redaktion: Michał Piosik

Gedruckt mit Unterstützung der Alexander von Humboldt Stiftung. Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier. ISSN 1613-771X ISBN 978-3-631-74033-0 (Print) E-ISBN 978-3-631-74927-2 (E-PDF) E-ISBN 978-3-631-74928-9 (EPUB) E-ISBN 978-3-631-74929-6 (MOBI) DOI 10.3726/b13513 ® Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Berlin 2018 Alle Rechte vorbehalten. Peter Lang – Berlin · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Diese Publikation wurde begutachtet. www.peterlang.com

Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis.................................................................................................. 11 Wojciech Dajczak/Christian Baldus Einleitung....................................................................................................................... 15 I. Teil  Historische Wurzeln des Allgemeinen Teils Francesca Lamberti Die Altersgrenze von sieben Jahren zwischen römischem und modernem Recht. Einige Quellenbeispiele.............................................................. 23 Wojciech Dajczak Der Allgemeine Teil des Privatrechts im Kontext der mathematischen Inspirationen der Rechtswissenschaft ab dem 17. Jh. bis zur Entstehung der pandektistischen Systematik............................................................ 43 II. Teil Methodische Probleme der Ausklammerung im Privatrecht Joanna Kruszyńska-Kola Zeit, Gesetz und Ordnung – Gründe für die Voranstellung des Allgemeinen Teils aus Sicht der Verjährung..................................................... 71 Thomas Raff Regelungen zum Verwendungsersatz im Allgemeinen Teil des BGB?................................................................................................................. 99 III. Teil Beispiele für die Spannung zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit im Kontext der Dogmatik des Allgemeinen Teils Jürgen Kohler Rechtssicherheit und Gerechtigkeit beim Handeln unter Ungewissheit: Bedingter Schuldvertrag und Erwerberverantwortung in der Schwebezeit.................................................................................................... 123

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Inhaltsübersicht

Hans-Georg Knothe Die Verjährung der Vindikation, insbesondere von Ansprüchen auf Restitution durch NS-Maßnahmen entzogener Kunstwerke. Zum Spannungsverhältnis von Eigentumsschutz und Rechtssicherheit de lege lata und de lege ferenda................................................... 165 Bruno Rodríguez-Rosado Die abstrakte Natur eines Rechtsgeschäfts: Herausforderungen für das Gleichgewicht von Gerechtigkeit und Rechtssicherheit?....................... 191 IV. Teil Christian Baldus/Wojciech Dajczak Schlussbemerkungen – die Leistungsfähigkeit des Allgemeinen Teils des Privatrechts im 21. Jahrhundert im Lichte der Rechtserfahrung................. 207 Index������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 215 Autorenverzeichnis������������������������������������������������������������������������������������������������� 219

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis................................................................................................. 11 Wojciech Dajczak/Christian Baldus Einleitung....................................................................................................................... 15 Literaturverzeichnis....................................................................................................... 19 I. Teil  Historische Wurzeln des Allgemeinen Teils Francesca Lamberti Die Altersgrenze von sieben Jahren zwischen römischem und modernem Recht. Einige Quellenbeispiele................................. 23 Abstracts.................................................................................................................... 23 1. Geschäftsfähigkeit im Allgemeinen.................................................................... 24 2. Die (nichtantike) Einteilung der impuberes in infantes und infantia maiores...................................................................................................... 25 3. Die antike Einteilung der Unmündigen in infantes, pupilli qui fari possunt sed non intellegunt, und qui fari possunt et aliquem intellectum habent.................................................................................................. 26 4. Die Sieben-Jahres-Grenze...................................................................................... 34 Literaturverzeichnis.......................................................................................................... 40 Wojciech Dajczak Der Allgemeine Teil des Privatrechts im Kontext der mathematischen Inspirationen der Rechtswissenschaft ab dem 17. Jh. bis zur Entstehung der pandektistischen Systematik................................................................................ 43 Abstracts............................................................................................................................. 43 1. Einführung.............................................................................................................. 44 2. Die Anwendung der mathematischen Erfahrung in Hinblick auf die Modernisierung der systematischen Modelle im gemeinen Recht................. 45 3. Die demonstrative Methode und Mathesis forensis............................................. 55 4. Die Parallelen zwischen mathematischen Themen und dogmatischen Fragen des Allgemeinen Teils des Privatrechts von Georg Heise..................................................................................................... 61 5. Fazit.......................................................................................................................... 63 Literaturverzeichnis....................................................................................................... 65

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Inhaltsverzeichnis

II. Teil  Methodische Probleme der Ausklammerung im Privatrecht Joanna Kruszyńska-Kola Zeit, Gesetz und Ordnung – Gründe für die Voranstellung des Allgemeinen Teils aus Sicht der Verjährung............................................................ 71 Abstracts............................................................................................................................. 71 1. Gründe für die Voranstellung des Allgemeinen Teils im Gesetzbuch und die Einbettung der Verjährungsregelung............................. 73 2. Entstehungsgeschichte des AT in Grundzügen.................................................. 73 3. Grundargumente für die Voranstellung des AT............................................... 76 4. Einbettung der Verjährungsregelung in den AT und Begründung hierfür............................................................................................... 78 5. Verjährung und AT................................................................................................ 79 6. Vorteile für die Einbettung in den AT................................................................ 80 7. Die Risiken der Einbettung in den AT............................................................... 88 8. Fazit.......................................................................................................................... 93 Literaturverzeichnis...................................................................................................... 94 Thomas Raff Regelungen zum Verwendungsersatz im Allgemeinen Teil des BGB?................ 99 Abstracts............................................................................................................................. 99 1. Einleitung............................................................................................................... 100 2. Tour d’horizon: Verwendungsersatzansprüche im BGB.............................. 102 2.1. Allgemeiner Teil....................................................................................... 102 2.2. Schuldrecht............................................................................................... 103 2.3. Sachenrecht............................................................................................... 108 2.4. Familienrecht............................................................................................ 111 2.5. Erbrecht..................................................................................................... 112 3. Allgemeine Leitgedanken im Recht des Verwendungsersatzes?................. 115 3.1. Qualität des Verwenders......................................................................... 115 3.2. Differenzierung nach der Verwendungskategorie............................... 115 3.3. Verhältnis zwischen Verwendungen und Nutzungen......................... 115 3.4. Querliegende Regelungen....................................................................... 116 4. Rechtsvergleichender Ausblick........................................................................ 116 5. Fazit...................................................................................................................... 117 Literaturverzeichnis................................................................................................. 117

Inhaltsverzeichnis

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III. Teil Beispiele für die Spannung zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit im Kontext der Dogmatik des Allgemeinen Teils Jürgen Kohler Rechtssicherheit und Gerechtigkeit beim Handeln unter Ungewissheit: Bedingter Schuldvertrag und Erwerberverantwortung in der Schwebezeit....... 123 Abstracts..................................................................................................................... 123 1. Das Thema.......................................................................................................... 125 2. Der Fall und seine Fragen.................................................................................. 127 3. Der Vertrag als Haftungsgrundlage?............................................................... 128 4. §§ 159, 160 Abs. 2 BGB als Argument für eine vertragliche Fundierung der Rückabwicklung?.................................................................... 131 5. Der auflösend bedingte Vertrag als fortwährende Rahmenbeziehung: Grund für Exklusion der Bereicherungshaftung?......................................... 134 6. Die bereicherungsrechtliche Fundierung der Rückabwicklung.................. 138 7. Die verschärfte Bereicherungshaftung als Definiens des Verschuldens – die Pflichtwidrigkeitsfrage.................................................... 140 8. Das Pflichtmäßigkeitsprogramm des § 989 BGB des Näheren................... 145 9. Beispiele zur Veranschaulichung..................................................................... 151 10. Geltung beim auflösend bedingten Schuldgeschäft: Übertragbarkeit wegen Stimmigkeit des Haftungsmodells........................................................ 153 11. Schlussfolgerungen............................................................................................ 158 Literaturverzeichnis................................................................................................. 162 Hans-Georg Knothe Die Verjährung der Vindikation, insbesondere von Ansprüchen auf Restitution durch NS-Maßnahmen entzogener Kunstwerke. Zum Spannungsverhältnis von Eigentumsschutz und Rechtssicherheit de lege lata und de lege ferenda............................................................................... 165 Abstracts.................................................................................................................... 165 1. Einleitung............................................................................................................ 166 2. Die Verjährung im Allgemeinen..................................................................... 167 2.1. Begriff, Grund und Zweck...................................................................... 167 2.2. Entwicklung.............................................................................................. 170 2.3. Das geltende deutsche Verjährungsrecht.............................................. 173 3. Die Verjährung der Vindikation de lege lata.................................................. 174 3.1. Die Vindikationsverjährung im Allgemeinen...................................... 174 3.2. Zur Verjährung der Vindikation von durch Maßnahmen des NS-Systems den Eigentümern entzogenen Kunstwerken................... 178

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Inhaltsverzeichnis

4. Zur Vindikationsverjährung de lege ferenda.................................................. 181 5. Ergebnis.................................................................................................................184 Literaturverzeichnis................................................................................................. 185 Bruno Rodríguez-Rosado Die abstrakte Natur eines Rechtsgeschäfts: Herausforderungen für das Gleichgewicht von Gerechtigkeit und Rechtssicherheit?.................................... 191 Abstracts.................................................................................................................... 191 1. Einleitung............................................................................................................ 192 2. Gründe für und Alternativen zum Abstraktionsprinzip.............................. 192 3. Die Gegenargumente der Verfechter der Abstraktion und ihre Kritik...... 196 4. Die begrenzte Auswirkung der Abstraktion auf den Verkehrsschutz......... 200 Literaturverzeichnis................................................................................................. 201 IV. Teil Christian Baldus/Wojciech Dajczak Schlussbemerkungen – die Leistungsfähigkeit des Allgemeinen Teils des Privatrechts im 21. Jahrhundert im Lichte der Rechtserfahrung....................... 207 1. Positive Erwartungen? – Christian Baldus..................................................... 207 2. Zweifel? – Wojciech Dajczak............................................................................ 209 Literaturverzeichnis................................................................................................. 214 Index.......................................................................................................................... 215 Autorenverzeichnis.................................................................................................. 219

Abkürzungsverzeichnis a. a.F. a.M. a.a.O. Abs. AcP ad ed. ad Sab. Anm. Arc. Hon. Theod. Art. AT Aufl. AVZG Bd. BeckOGK Begr. BGB BGB-E BGBl. BGH BGHZ BIDR bspw. BT Bt-Drs. bzw. ca. CC/C.civ. Cod. Iust. CSK CTh D. d.h.

anno alte Fassung am Main am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis ad edictum ad Sabinum Anmerkung Arcadius, Honorius, Theodosius Artikel Allgemeiner Teil Auflage Allgemeine Vorschriften des Zivilrechts Band beck-online. Grosskommentar zum Zivilrecht Begründer Bürgerliches Gesetzbuch BGB-Entwurf Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bullettino dell’Istituto di diritto romano beispielsweise Besonderer Teil Bundestagsdrucksache beziehungsweise circa Code civil Codex Iustinianus das Aktenzeichen des Zivilsenats des Obersten Gerichts in Polen Codex Theodosianus Digesta das heißt

12 DCFR def. ders. dies. Diss. Dr. h.c. mult. em. Epit. Ulp. et al. etc. f. ff. Fn. Gai. gem. GG ggf. ErbbauRG Grdl. GrünhZ h.M. HKK Hrsg. hrsg. Hs. i.B. i.d.F. i.d.R. i.f. i.J. i.S. i.V.m. insb. insges. Iust. Inst. JA Jh./Jhd. Jhs.

Abkürzungsverzeichnis

Draft Common Frame of Reference definitio derselbe dieselbe[n] Dissertation Doktor honoris causa multiplex emeritiert Ulpiani epitome (tituli ex corpore Ulpiani) et alii et cetera folgende fortfolgende Fußnote Gai institutiones gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Erbbaurechtsgesetz Grundlage Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart [Grünhuts Zeitschrift] herrschende Meinung Historisch-Kritischer Kommentar zum BGB Herausgeber herausgegeben Halbsatz im Band in der Fassung/in der Form in der Regel in fine im Jahr(e) in der Sache in Verbindung mit insbesondere insgesamt Institutiones Iustiniani Juristische Arbeitsblätter Jahrhundert Jahrhunderts

Abkürzungsverzeichnis

JZ KC/k.c. KRG

KRO KUR KZ m. abl. Anm. m. Fn. M.E./m.E. m.w.N. MDR Mgr. mit. ital. Übers. MittRhNotK MünchKomm BGB n. Chr. n.F. Neudr. NJW NJW-RR Nr. NS NZM o. o.ä. OGH OLG Par. PECL Pkt. PWRE RabelsZ rell.

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Juristenzeitung kodeks cywilny [polnisches Zivilgesetzbuch] Entwurf eines Gesetzes zum Ausschluss der Verjährung von Herausgabeansprüchen bei abhanden gekommenen Sachen insbesondere bei in der NS-Zeit entzogenem Kulturgut [Kulturgut-Rückgewähr-Gesetz] kodeks rodzinny i opiekuńczy [polnisches Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch] Kunstrecht und Urheberrecht [Zeitschrift] kodeks zobowiązań [polnisches Obligationengesetzbuch] mit ablehnender Anmerkung mit Fußnote meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Magister mit italienischer Übersetzung Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch nach Christus neue Fassung Neudruck Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Nationalsozialismus Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht oben oder ähnlich Oberster Gerichtshof Oberlandesgericht Paragraph Principles of European Contract Law Punkt Pauly-Wissowa Realencyklopädie der Classischen Altertumswissenschaft Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht reliqua

14 RG RGBl RGZ RIDA Rn. RTD Civ. S. s.o. SHDI SL sog. ss. SUBB SZ Theoph. Paraph. u. u.a. u.U. Urt. v. VermG vgl. WarnR z.B. ZEuP zit. ZR ZRG RA ZRG-Germ. Abt.

Abkürzungsverzeichnis

Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revue internationale des droits de l’antiquité Randnummer Revue trimestrielle de droit civil Satz/Seite/siehe siehe oben Studia et Documenta Historiae et Iuris Studia Leibnitiana sogenannte e successive [und folgende] Fakultätszeitschrift der juristischen Fakultät Cluj-Napoca/ Rumänien Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung Theophilus, Institutionum Paraphrasis und und andere unter Umständen Urteil von Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen vergleiche Warneyers Jahrbuch = Jahrbuch der Entscheidungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch und Nebengesetzen von 1903 bis 1912 zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht zitiert Bundesgerichtshof – Zivilsenate S. SZ Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung

Einleitung Vor fast zehn Jahren hatten wir eine historische und vergleichende Perspektive der Studien zum Allgemeinen Teil des Privatrechts unter dem Aspekt der Perspektivenwechsel konzipiert, die typisch für die Privatrechtsdogmatik in Deutschland und Polen sind und waren.1 Hier setzen nun weitere Forschungen zum Allgemeinen Teil des Privatrechts an. Um die von Giaro formulierte Metapher der Unterscheidung von Physik und Metaphysik des Allgemeinen Teils2 aufzugreifen, kann man zwischen dem Ausgangspunkt für die Verallgemeinerung des Rechtsstoffes (elementare Physik), philosophischen und methodischen Inspirationen der Verallgemeinerung (Metaphysik) und im Allgemeinen Teil eines Gesetzbuches liegenden dogmatischen Ergebnissen dieses Prozesses (Physik) unterscheiden. Die in diesem Modell veranschaulichte Abweichung von einer rein innerstaatlichen Privatrechtsdogmatik fand in der ersten Phase unseres Projektes ihr Gegengewicht in der wiederkehrenden Frage nach einer übergreifenden Rationalität der Verallgemeinerung des Rechtsstoffes. Dagegen war für die Übernahme des Allgemeinen Teils von der Pandektenwissenschaft in die deutschen Kodifikationsarbeiten des 19. Jh. die Idee eines lückenlosen Systems entscheidend.3 Erste Schritte dieser systemorientierten Debatte illustrieren exemplarisch die Worte von Windscheid aus dem Jahr 1874: „Wenn man davon ausgeht, dass das Bürgerliche Gesetzbuch zu enthalten habe die Rechtsteile Sachenrecht, Obligationenrecht, Familienrecht, Erbrecht, so bleiben in Wesentlichen (…) Rechtsmaterien übrig, welche nach Ansicht des Referenten in einem dieser Rechtsteile ihren Platz nicht finden“4. Die von dieser Vorlage geprägte Diskussion der Kommission zur Struktur des Gesetzbuches konzentrierte sich auf die Ergänzungen der Materien, die im Einklang mit dem Lückenlosigkeitsparadigma den Allgemeinen Teil bilden sollen.5 Dieser Denkstil zum System des Gesetzbuches beeinflusste den Entwurf des Allgemeinen Teils von Gebhard im Jahr 18816 und danach den Kommissionsbeschluss vom 28. Januar 1884 über die Aufteilung des Gesetzbuches in fünf Bücher mit klarer Systemposition des

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Vgl. Baldus/Dajczak (2013) 3 f. Vgl. Giaro (2013) 5 ff. Schmoeckel (2003) 152. Jakobs/Schubert (1985) 2. Jakobs/Schubert (1985) 3 f. Jakobs/Schubert (1985) 3.

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Wojciech Dajczak/Christian Baldus

Allgemeinen Teils als das Erste von ihnen7. Die Entscheidung der Kommission, das Buch „Allgemeinen Teil“ und nicht „allgemeine Vorschriften“ zu nennen, war eine bloße Stilfrage, die keine in den Quellen noch sichtbaren Verweisungen auf den Sinn der Verallgemeinerung einer Rechtsnorm mit sich brachte.8 Die spätere Bezeichnung des AT – in Analogie zur Mathematik – als eine Ausklammerungstechnik9 bestimmt exakt den jedenfalls seit Windscheid als zentral angesehenen Mechanismus, d.h. die Verhinderung von Lücken in den speziellen Rechtsmaterien. Jedoch hat in der Mathematik die Ausklammerung nichts mit der Verallgemeinerung des ausgesonderten Elementes zu tun. Mit anderen Worten: Die Parallele zur Mathematik veranschaulicht, dass diese Rechtssystematik ohne Zweifel die Rechtsvorsehbarkeit und Denkökonomie unterstützt, potentiell aber Gerechtigkeitsdefizite im Einzelfall produzieren kann. Diese Defizite des AT in der privatrechtlichen Kodifikation kamen in unterschiedlichen historischen Kontexten zum Ausdruck. Kritik des Allgemeinen Teils kann mit totalitären Tendenzen assoziiert sein10, aber auch undemokratische Regimes können das Modell des Allgemeinen Teils praktizieren.11 Und es gibt politisch in keiner Weise problematisch konnotierte Kritik. Zum Beispiel bedeutet ein Allgemeiner Teil des gesamten Privatrechts nach der Auffassung von Eugen Huber den Versuch, etwas im Abstrakten zu ordnen, das „in derselben Tragweite in anderen Rahmen besser gesagt würde“12. In seinem Aufsatz zur Technik der Gesetzgebung warf der amerikanische Jurist James Morrison dem BGB-Modell zu „weitgehenden Technizismus und Eklektizismus“ vor, die „im Widerspruch zu seinem Bezug den Gesetztext unklar machen“13. Über eine Abhängigkeit der Kritik am Allgemeinen Teil von politischen und verfassungsrechtlichen Zusammenhängen kann mithin nichts Allgemeingültiges gesagt werden. In diesem Kontext inspirierte uns die im Lichte der Ergebnisse der ersten Projektphase deutlich sichtbare Frage nach der Rationalität der Verallgemeinerung des

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Jakobs/Schubert (1985) 5–8. Jakobs/Schubert (1985) 8. Vgl. Stephanitz (1970) 94, Fn. 308. Schmoeckel (2003) 158 ff. zu schweren Angriffen gegen den Allgemeinen Teil in der nationalsozialistischen Zeit. 11 In Polen wurde der wissenschaftliche Allgemeine Teil unter kommunistischer Herrschaft in Gesetzestexte umgesetzt, zuerst im Dekret über die Allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts von 1946 und schließlich im Zivilgesetzbuch aus dem Jahr 1964. 12 Vgl. Huber (2007) 23. 13 Morrison (1934–35) 561.

Einleitung

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Rechtsstoffes zu einer Fortsetzung dieser Forschungskooperation. Insbesondere stellte sich die Frage, wie das Problem der Verallgemeinerungsrationalität in eine praxisnahe Perspektive der Spannung zwischen Rechtsvorhersehbarkeit und Gerechtigkeit einzuordnen sei. In der Unbestimmtheit von Gerechtigkeitsintuitionen liegt eine Gefahr, die wissenschaftlicher Erörterung bedarf. Das von uns gewählte Forschungsmodell basierte auf vier Prinzipien. Erstens: die gemeinsame Diskussion über die Forschungsthesen von erfahrenen Wissenschaftlern und Nachwuchswissenschaftlern, die jeweils verschiedene nationale Rechtstraditionen vertraten. Zentral für diesen Zweck waren die sehr intensive Diskussion auf dem Seminar in Posen im Mai 2016 und die zusätzliche Debatte über die Beiträge der jüngsten Projektteilnehmer auf dem Seminar in Heidelberg im Januar 2017. Zweitens: die Analyse der Beziehung zwischen Verallgemeinerung des Rechtsstoffes und potentieller Spannung zwischen Rechtsvorhersehbarkeit und Gerechtigkeit seitens erfahrener Wissenschaftler an konkreten Beispielen methodischer, dogmengeschichtlicher oder dogmatischer Art. Drittens, wiederum seitens der erfahrenen Wissenschaftler, die Berücksichtigung aller Elemente des Verallgemeinerungsmodells, das dem Allgemeinen Teil des Privatrechts zugrunde liegt, d.h.: dogmatische Ausgangspunkte insbesondere im römischen Recht und seiner Wirkungsgeschichte14, methodische Inspirationen zur Verallgemeinerung des Rechtsstoffes15 und Bedeutung der erwähnten Spannung für die einzelnen Fragen der heutigen Dogmatik des Allgemeinen Teils16. Viertens, bei den Nachwuchswissenschaftlern, der Bezug zwischen ihren Stellungnahmen zur

14 Vgl. unten: Francesca Lamberti, Die Altersgrenze von sieben Jahren zwischen römischem und modernem Recht. Einige Quellenbeispiele, 23 ff. 15 Vgl. unten: Wojciech Dajczak, Der Allgemeine Teil des Privatrechts im Kontext der mathematischen Inspirationen der Rechtswissenschaft ab dem 17. Jh. bis zur Entstehung der pandektistischen Systematik, 43 ff. 16 Vgl. unten: Jürgen Kohler, Rechtssicherheit und Gerechtigkeit beim Handeln unter Ungewissheit: Bedingter Schuldvertrag und Erwerberverantwortung in der Schwebezeit, 123 ff; Hans Georg Knothe, Die Verjährung der Vindikationinsbesondere von Ansprüchen auf Restitution durch NS-Maßnahmen entzogener Kunstwerke – Zum Spannungsverhältnis von Eigentumsschutz und Rechtssicherheit de lege lata und de lege ferenda,165 ff; Bruno Rodríguez Rosado Martínez Echeverría, Die abstrakte Natur eines Rechtsgeschäfts als Herausforderung für die Gleichgewicht zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit, 191 ff.

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Wojciech Dajczak/Christian Baldus

Rationalität der Verallgemeinerung des Rechtsstoffes und ihren in die Laufzeit des Projektes fallenden Dissertationen17. Der vorliegende Band besteht also aus den wichtigsten Ergebnissen der zweiten Phase unseres AT-Projektes, die in den Jahren 2015–2017 unter Berücksichtigung der früheren Studien verwirklicht wurde. Zu den Schlüsselbegriffen der heutigen Wissenschaftspolitik gehört das Wort Innovativität. Ohne Zweifel kann man das Konzept des Allgemeinen Teils des Privatrechts als ein Beispiel für die Innovationskraft der Rechtswissenschaft des 18. und 19. Jh. ansehen. Vielleicht mag, um eine extreme Hypothese zu formulieren, die Innovation der heutigen Privatrechtswissenschaft in einer Ersetzung des Allgemeinen Teils in Zivilgesetzbüchern durch ganz neue systematische Schöpfungen der digitalen Ära bestehen. Wir hoffen jedenfalls, dass die in diesem Band gesammelten Aufsätze nicht ohne Wert für die heutigen Debatten über die Rekodifikation oder Dekodifikation sein mögen. Jedenfalls ist daran zu erinnern, dass bei der Suche nach einer innovativen funktionalen Alternative zum Allgemeinen Teil des Privatrechts mindestens drei Aspekte der Rechtserfahrung nicht übergangen werden dürfen: Zu nennen sind hier die historische Verwurzelung der Begriffe und Institute des Allgemeinen Teils, die Frage, inwieweit die Rechtswissenschaft Elemente anderer Wissenschaften für die Suche nach einem effizienten Modell der Privatrechtsanwendung verwerten kann und nicht zuletzt die innere Verbindung der im Laufe des 18. und 19. Jh. erreichten Verallgemeinerungsmodelle des Rechtsstoffes mit den gleichfalls in dieser Periode etablierten Grundlagen der heutigen juristischen Methoden in den kontinentaleuropäischen Ländern. Der Dank der Herausgeber geht zuerst an die Autoren: für die Beiträge ebenso wie für das Engagement in der Diskussion, das die finale Version einigen Beiträgen maßgeblich geprägt hat. Das Projekt wurde im Rahmen der von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung finanzierten Institutspartnerschaft zwischen dem Institut für geschichtliche Rechtswissenschaft (Romanistische Abteilung) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und dem Lehrstuhl für Römisches Recht und Rechtsgeschichte der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań (Katedra Prawa Rzymskiego i Historii Prawa Sądowego) durchgeführt. Für diese Unterstützung sind wir der Stiftung große Dankbarkeit schuldig.

17 Vgl. unten: Joanna Kruszyńska-Kola, Zeit, Gesetz und Ordnung – Gründe für die Voranstellung des Allgemeinen Teils aus der Sicht der Verjährung, 71 ff; Thomas Raff, Regelungen zum Verwendungsersatz im Allgemeinen Teil des BGB? 99 ff.

Einleitung

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Gedankt sei schließlich den beteiligten (gegenwärtigen oder früheren) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beiden Partnerinstitute, namentlich Frau Mgr. Aleksandra Grześkowiak, Frau Mgr. Joanna Kruszyńska-Kola und Frau Dr. Vivianne Ferreira Mese, Herrn Dr. Thomas Raff, nicht zuletzt Dr. Jan Andrzejewski für die Erstellung der Register, Frau Mgr. Paulina Kozanecka und Herrn Dr. Tommaso Beggio (Helsinki/Trento) für die Übersetzung der Zusammenfassungen ins Polnische bzw. Italienische. Wojciech Dajczak/Christian Baldus Poznań/Porto, im April 2017

Literaturverzeichnis Baldus/Dajczak (2013): Christian Baldus/Wojciech Dajczak (Hrsg.), Der Allgemeine Teil des Privatrechts. Erfahrungen und Perspektiven zwischen Deutschland, Polen und den lusitanischen Rechten (Frankfurt a.M. 2013). Giaro (2013): Tomasz Giaro, Der allgemeine Teil: Physik und Metaphysik. Zivilistik in Zeiten der Dekodifikation, in: Christian Baldus/Wojciech Dajczak (Hrsg.), Der Allgemeine Teil des Privatrechts. Erfahrungen und Perspektiven zwischen Deutschland, Polen und den lusitanischen Rechten (Frankfurt a.M. 2013) 47–68. Huber (2007): Eugen Huber, Die Erläuterungen von Eugen Huber, Text des Vorentwurfs von 1900. Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Materialien zum Zivilgesetzbuch, in: Hein Hausheer/Hans Peter Walter (Hrsg.), Berner Kommentar, Materialien zum Zivilgesetzbuch, B. 2 (Bern 2007). Jakobs/Schubert (1985): Horst Heinrich Jakobs/Werner Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Allgemeiner Teil, §§ 1–240, Teil 1 (Berlin 1985). Morrison (1934–35): James J. Morrison, Legislative Technique and the Problem of Suppletive and Constructive Laws, in: Tulane Law Review 9 (1934–35) 544–565. Schmoeckel (2003): Mathias Schmoeckel, Der Allgemeine Teil in der Ordnung des BGB, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hrsg.) Historisch-kritischer Kommentar zum BGB. Bd. 1: Allgemeiner Teil, §§ 1–240 (Tübingen 2003) 123–165. Stephanitz (1970): Dieter v. Stephanitz, Der Einfluß von Naturwissenschaft und Mathematik auf Rechtsdenken und Rechtswissenschaft in zweieinhalb Jahrtausenden. Ein historischer Grundriß (Berlin 1970).

I. Teil  Historische Wurzeln des Allgemeinen Teils

Francesca Lamberti

Die Altersgrenze von sieben Jahren zwischen römischem und modernem Recht. Einige Quellenbeispiele* 1

Abstracts: This essay begins with an analysis of texts such as Gai 3105-109, Iust. Inst. 3.19.8-10, D. 46.6.6 (Gai. 27 ad ed. prov.) and D. 44.7.1.12-13 (Gai. 2 aureor.), in which a distinction is outlined between infantes, impuberes qui fari possunt sed non intellegunt, impuberes qui fari possunt et aliquem intellectum habent. The autor suggests that the original discussions between Roman jurists had led to singling out the three different types of impuberes only in the late Principate age, and by virtue of theories spread between the retores, Roman jurisprudence (in special cases) resorted to a numerical ‘age limit’, setting at the age of seven years the boundary between impuberes which were totally incapable of acting and minors which were sometimes allowed to enter legal agreements (albeit accompanied by the auctoritas tutoris). Punktem wyjścia jest egzegeza rzymskich tekstów prawnych (Gai. 3, 105-109; Iust. Inst. 3.19.8-10; D. 46.6.6; and D. 44.7.1.12-13). W ramach tej analizy autorka rozważyła rozróżnianie terminów infantes, impuberes qui fari possunt sed non intellegunt, impuberes qui fari possunt et aliquem intellectum habent. Na tej podstawie autorka wnioskuje, że pierwotna dyskusja między jurystami rzymskimi doprowadziła do wyróżnienia trzech typów impuberes. Dopiero w okresie późnoklasycznym, pod wpływem praktyki retorów, rzymska jurysprudencja (w szczególnych przypadkach) odwoływała się do wyrażonej za pomocą liczby granicy wieku. W ten sposób wiek powyżej siedmiu lat stał się granicą wyodrębnienia wśród całkowicie niezdolnych do czynności prawnych (impuberes) tych, którzy byli niekiedy dopuszczani do samodzielnego dokonywania transakcji, poddanych jednak kontroli opiekuna poprzez auctoritas tutoris. Il saggio parte dall’analisi di testimonianze quali Gai. 3.105-109; Iust. Inst. 3.19.8-10, D. 46.6.6 e D. 44.7.1.12-13, nelle quali è adombrata una distinzione fra infantes, impuberes qui fari possunt sed non intellegunt, impuberes qui fari possunt et aliquem intellectum

* Es ist für mich eine besondere Ehre, diese Gedanken meinem verehrten Deutschen Lehrer Andreas Wacke zu widmen. Ich schulde Ihm die Einführung in das Deutsche Recht und in die Deutsche Lehr- und Forschungsmethode, eine Erfahrung, die fast mein ganzes erwachsenes Leben geprägt hat. Ein ganz herzliches Dankeswort geht auch an die Kollegen Wojtek Dajczak und Christian Baldus, die durch Ihre organisatorischen Gaben und Großzügigkeit den feierlichen Anlass zum 80. Geburtstag von Andreas möglich gemacht haben.

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habent. Ipotizza che le discussioni originarie fra giuristi avessero portato ad enucleare le tre diverse tipologie di impuberes, e che solo in epoca assai tarda, e sulla base di teorie diffuse in ambito retorico, la giurisprudenza avesse (in casi particolari) fatto ricorso a un ‘limite d’età’ numerico, fissando a sette anni il confine fra minori totalmente incapaci di agire e minori ammessi al compimento in prima persona di alcuni negozi (sia pur affiancati dalla auctoritas tutoris).

1. Geschäftsfähigkeit im Allgemeinen Die römischen Juristen, und im Allgemeinen das klassische römische Recht, haben zwischen den sogenannten impuberes (unmündige Personen) und puberes (mündige Personen) unterschieden. Die erste Gruppe sei nicht geschäftsfähig gewesen, die zweite voll geschäftsfähig1. Wie aus den Quellen resultiert, war in der Prinzipatszeit bei den Mädchen unumstritten, dass die Mündigkeit mit der Vollendung des 12. Lebensjahres erreicht wurde; die genaue Grenze bei Knaben war hingegen umstritten. Eine juristische Meinung, die von den Sabinianern vertreten wurde, forderte eine Beurteilung des individuellen Reifezustandes von Fall zu Fall, wie wir von Gaius erfahren; eine andere Meinung, die sog. ,prokulianische‘, die sich mit der Zeit durchsetzte (und der die späteren Juristen folgten), knüpfte an die Erreichung einer bestimmten Altersgrenze an (d.h. an die Vollendung des 14. Lebensjahres)2. Sie wurde bei Knaben durch die Anlegung der Mannestoga 1 Dazu u.a. Wesener (1974) 571 ff.; Albanese (1979) 433 f.; Tafaro (1991) 256 ff.; Fayer (2005) 413 ff. 2 Gaius Institutiones 1.196: Masculi autem cum puberes esse coeperint, tutela liberantur. Puberem autem Sabinus quidem et Cassius ceterique nostri praeceptores eum esse putant, qui habitu corporis pubertatem ostendit, id est eum qui generare potest; sed in his qui pubescere non possunt, quales sunt spadones, eam aetatem esse spectandam, cuius aetatis puberes fiunt; sed diversae scholae auctores annis putant pubertatem aestimandam, id est eum puberem esse existimant, qui XIIII annos explevit. Der Streit zwischen Rechtsschulen ist bei Tit. Ulp. 11.28 (… verum Priscus cum puberem esse, in quem utrumque concurrit et habitus corporis et numerus annorum) belegt. S. auch Fest. sv. Pubes (L. 296.18): Pubes et qui pubem generare potest. Is incipit esse a quattuordecim annis: femina a duodecim viri potens, sive patiens, ut quidam putant; Serv. ad Aen. 7.53: „Iam matura viro iam plenis nubilis annis“ non est iteratum, sed secundum ius dictum, in quo et annorum ratione et ex habitu corporis aetas comprobatur. primum ergo ad habitum, secundum ad annos pertinet; Serv. ad eglog. 8.39: „Alter ab undecimo t.m.i.a.a.“, id est tertius decimus: ,alter‘ enim de duobus dicimus. Et vult significare iam se vicinum fuisse pubertati, quod de duodecimo anno procedere non potest; 8.40: „Iam fragiles p.a.t.c.r.“ bene cum annis iungit habitum corporis: nam et in iure pubertas ex utroque colligitur. Der Streit wurde endgültig seitens Kaisers Justinian beigelegt: Iust. Inst. 1.22 pr.: Pupilli

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(toga virilis) symbolisiert. Die impuberes, die nicht infantes oder infanti proximi waren, konnten Rechtsgeschäfte vornehmen. Im Falle, dass sie sui iuris waren und das Geschäft ihre Rechtslage nicht nur verbesserte, bedurften sie der auctoritas tutoris, der Zustimmung ihres Vormundes.

2. Die (nichtantike) Einteilung der impuberes in infantes und infantia maiores Die impuberes werden von der römischen Jurisprudenz ihrerseits weiter unterteilt. In den meisten Lehrbüchern wird unreflektiert eine Unterscheidung zwischen infantes (und infanti proximi) einerseits und den sog. infantia maiores andererseits in den Quellen behauptet: Die ersteren seien die impuberes (bzw. pupilli), die noch nicht das 7. Lebensjahr erreicht hätten, die sog. infantia maiores seien diejenigen, die schon das 7. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Mündigkeit erreicht hätten3. Die Angehörigen der ersten Gruppe seien völlig geschäftsunfähig, die sog.

pupillaeque cum puberes esse coeperint, tutela liberantur. Pubertatem autem veteres quidem non solum ex annis, sed etiam ex habitu corporis in masculis aestimari volebant. Nostra autem maiestas dignum esse castitate temporum nostrorum bene putavit, quod in feminis et antiquis impudicum esse visum est, id est inspectionem habitudinis corporis, hoc etiam in masculos extendere: et ideo sancta constitutione promulgata pubertatem in masculis post quartum decimum annum completum illico initium accipere disposuimus, antiquitatis normam in femininis personis bene positam suo ordine relinquentes, ut post duodecimum annum completum viripotentes esse credantur. 3 S. bspw. Kaser (1971) 84; Wesener (1974) 572: „Die impuberes, die Unmündigen, qui perfectae aetatis non sint …, gliedern sich in die infantes und die impuberes infantia maiores … Das Ende der infantia wurde von den Klassikern von Fall zu Fall bestimmt … Im nachklassischen Kaiserrecht setzte sich die Grenze des vollendeten siebenten Lebensjahres allmählich durch“; Nelson/Manthe (1999) 147: „Laut Cod. Iust. 6.30.18 pr. (426 n. Chr.) dauerte die infantia bis zum 7. Lebensjahr (infans, id est minor septem annis). Unter einem infanti proximus ist somit ein Knabe von 7, 8 und 9 Jahren zu verstehen. Von demjenigen, der älter war, wurde angenommen, daß er schon eine gewisse Urteilsfähigkeit hatte“; Sanfilippo (2002) 60: „Tra gli impuberi è definito infans il bambino nei primi anni della sua vita, ‚qui fari non potest‘ … Egli non ha alcuna capacità di intendere e di volere, e quindi, alcuna capacità di agire. In questa età è perciò sostituito in ogni suo atto dal tutore. Dai sette anni circa, il fanciullo si considera ‚infantia maior‘, ha già una limitata capacità di intendere e di volere e perciò il diritto gli riconosce una limitata capacità di agire“; ähnlich Guarino (2001) 356 f.; Marrone (2004) 164 f.; Nicosia (2010) 74; Corbino (2010) 294; Kaser/Knütel/Lohsse (2017) 97: „Solange die Unmündigen noch infantes sind, also Kleinkinder, die noch nicht imstande sind, die Worte der Formalakte zu sprechen … sind sie völlig handlungsunfähig … Impuberes

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infantia maiores seien hingegen beschränkt geschäftsfähig gewesen. Die Kategorie der impuberes infantia maiores ist jedoch in den römischen Quellen nicht auffindbar. Sie entsteht wahrscheinlich erst mit den Schriften der mittelalterlichen Kommentatoren4. Die genannte Unterscheidung hat jedenfalls ihren Niederschlag in den BGB-Vorschriften gefunden, die eine beschränkte Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen anerkennen, der mindestens sieben Jahre alt geworden ist5.

3. Die antike Einteilung der Unmündigen in infantes, pupilli qui fari possunt sed non intellegunt, und qui fari possunt et aliquem intellectum habent Einige Forscher haben jedoch herausgefunden, dass in den römischen Rechtsquellen aus der Prinzipatszeit eigentlich eine feinere Unterscheidung vorkommt, die auch keinen Bezug auf eine bestimmte Altersgrenze nimmt. Es wird nämlich i.d.R. zwischen denjenigen impuberes (bzw. pupilli, falls sui iuris) unterschieden, die noch nicht sprechen können (qui non fari possunt), denjenigen, die sprechen, aber noch nicht die Wirkungen dessen verstehen können (qui fari possunt sed non habent intellectum), was sie tun, und denjenigen, die sowohl sprechen als auch verstehen können, was sie tun (qui intellectum habent)6. Eine solche Dreiteilung kann man den klassischen Texten (und insbesondere einigen Gaius-Stellen) entnehmen: Gaius Institutiones 3. 105. Mutum neque stipulari neque promittere posse palam est. Idem etiam in surdo receptum est; quia et is qui stipulatur verba promittentis, et qui promittit verba stipulantis exaudire debet. 106. Furiosus nullum negotium gerere potest, quia non intellegit quid agat. 107. Pupillus omne negotium recte gerit, [ita tamen] ut tamen, sicubi tutoris auctoritas necessaria sit, adhibeatur , veluti si ipse obligetur; nam alium sibi obligare etiam sine tutoris auctoritate potest. 108. Idem iuris est in feminis, quae in tutela sunt. 109. Sed quod diximus de pupillo, utique de eo verum est qui iam aliquem intellectum habet. Nam infans et qui infanti proximus est non multum a furioso differt, quia huius aetatis pupilli

infantia maiores, Unmündige, die über das Kindesalter hinaus und gewaltfrei (sui iuris) sind, können dagegen Rechtsgeschäfte vornehmen, sofern sie nicht einem Kind noch sehr nahe stehen“. 4 Albanese (1979) 435: „Gli interpreti parlano di infantia maiores“; Lamberti (2014) 53. 5 § 104 BGB (Geschäftsunfähigkeit): Geschäftsunfähig ist: 1. wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat; 2. wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Dazu u.a. Knothe (1983) insb. 265 ff. 6 Albanese (1979) 434 f.; infra, Fn. 7.

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nullum intellectum habent; sed in his pupillis , per utilitatem benignior iuris interpretatio facta est7.

In seinen Institutionen zählte Gaius – im Rahmen der Darstellung der stipulatio – diejenigen Fälle auf, bei denen die stipulatio unwirksam (d.h. inutilis) war. Keine Stipulation war möglich, wenn eine der beiden Parteien taub oder stumm war. Denn die Struktur des Geschäfts forderte, dass die eine Partei der anderen eine Frage stellte (i.d.R. spondes dari …?) und die andere, indem sie spondeo oder promitto antwortete, sich obligatorisch verpflichtete. Im Falle von Tauben oder Stummen ging dies selbstverständlich nicht (ein mündliches Versprechen sollte gesprochen und gehört werden)8. Was den Geisteskranken (furiosus) anging, durfte er keine wirksame Stipulation vornehmen, weil er den Inhalt dessen, was er unternahm, nicht verstand. Der Unmündige hingegen bedurfte, falls er gewaltfrei war und das Geschäft für ihn nicht nur vorteilhaft war, der auctoritas tutoris. Gaius präzisierte in 3.109 weiter, dass dies insofern stimmte, indem der Unmündige aliquem intellectum 7 „105. Ein Stummer kann weder versprechen noch sich versprechen lassen. Dasselbe ist auch für den Tauben anerkannt, weil sowohl derjenige, der sich versprechen lässt, die Worte des Versprechenden hören muss, als auch derjenige, der verspricht, die Worte dessen, der sich versprechen lässt. 106. Ein Geisteskranker kann kein Rechtsgeschäft vornehmen, weil er nicht versteht, was er tut. 107. Ein Unmündiger kann jedes Rechtsgeschäft wirksam vornehmen, vorausgesetzt nur, dass ein Vormund hinzugezogen wird, sobald die förmliche Zustimmung des Vormunds erforderlich ist, zum Beispiel wenn der Unmündige selbst verpflichtet werden soll: Denn einen anderen verpflichten kann er auch ohne förmliche Zustimmung des Vormunds. 108. Das gleiche Recht gilt für Frauen, die unter Vormundschaft stehen. 109. Aber das, was wir von den Unmündigen gesagt haben, gilt nur für die Unmündigen, die schon einigen Verstand haben: denn ein Kind, das nicht sprechen kann, und eines, das diesem noch sehr nahe steht, unterscheiden sich nicht wesentlich von einem Geisteskranken, weil die Unmündigen dieses Alters noch keinen Verstand haben; aber (auch) bei solchen Unmündigen aufgrund der Wirksamkeit (des Versprechens) hat sich eine wohlwollendere Rechtsauffassung durchgesetzt.“ Zur Stelle s. insb. Burdese (1956) 9 ff.; Solazzi (1972) 579 ff.; Knothe (1982) 239 ff.; Nelson/ Manthe (1999) 37 f.; Coppola (2012) 1 ff.; Lamberti (2014) 59 ff. 8 Die Gleichstellung zwischen mutus und infans befindet sich etwa bei: D. 45.1.1 pr. (Ulp. 48 ad Sab.): Stipulatio non potest confici nisi utroque loquente: et ideo neque mutus neque surdus neque infans stipulationem contrahere possunt: nec absens quidem, quoniam exaudire invicem debent. si quis igitur ex his vult stipulari, per servum praesentem stipuletur, et adquiret ei ex stipulatu actionem. item si quis obligari velit, iubeat et erit quod iussu obligatus; D. 45.1.70 (Ulp. 11 ad ed.): Mulier, quae dotem dederat populari meo Glabrioni Isidoro, fecerat eum promittere dotem, si in matrimonio decessisset, infanti et decesserat constante matrimonio. placebat ex stipulatu actionem non esse, quoniam qui fari non poterat, stipulari non poterat.

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habet, d.h. etwas, was vorgenommen wurde, verstand. Falls er infans oder infanti proximus (d.h. wegen des Alters nicht in der Lage zu sprechen oder noch sehr nah an diesem Alter) war, hat wahrscheinlich eine Juristenmeinung die Analogie mit der Lage des Wahnsinnigen behauptet. Denn der infans und der infanti proximus (genau wie der Wahnsinnige) verstanden nicht den Sinn dessen, was sie unternahmen; der letzte Satz deutet (obwohl es in der Lehre umstritten ist) auf den Umstand hin, dass sich mit der Zeit eine benignior interpretatio durchgesetzt hatte, und dass auch die von Unmündigen dieser Art abgeschlossenen Stipulationen utiles, d.h. für wirksam gehalten wurde9. Wir verfügen auch über eine Parallelstelle aus den Institutionen Justinians: Iust. Inst. 3.19. 8. Furiosus nullum negotium gerere potest, quia non intellegit quid agit. 9. Pupillus omne negotium recte gerit: ut tamen, sicubi tutoris auctoritas necessaria sit, adhibeatur tutor, veluti si ipse obligetur: nam alium sibi obligare etiam sine tutoris auctoritate potest. 10. Sed quod diximus de pupillis, utique de his verum est, qui iam aliquem intellectum habent; nam infans et qui infanti proximus est non multum a furioso distant, quia huius aetatis pupilli nullum intellectum habent: sed in proximis infanti propter utilitatem eorum benignior iuris interpretatio facta est, ut idem iuris habeant, quod pubertati proximi. Sed qui in parentis potestate est impubes, ne auctore quidem patre obligatur.10

An einem Vergleich mit der Gaius-Stelle stellt man fest, dass letztere möglicherweise eine Lücke erweist. Denn anhand Inst. 3.19.10 sieht es aus, als ob diese benignior interpretatio nur diejenigen Unmündigen treffen sollte, die schon keine infantes mehr waren, obwohl sie der infantia noch nahe standen (d.h. diejenigen, die sprechen konnten, aber noch keinen richtigen Verstand dessen, was sie taten, 9 Ankum (1968) 8 ff. 10 „8. Ein Geisteskranker kann kein Rechtsgeschäft vornehmen, weil er nicht versteht, was er tut. 9. Ein Unmündiger kann jedes Rechtsgeschäft wirksam vornehmen, vorausgesetzt nur, dass ein Vormund hinzugezogen wird, sobald die förmliche Zustimmung des Vormunds erforderlich ist, zum Beispiel wenn der Unmündige selbst verpflichtet werden soll; denn einen anderen verpflichten kann er auch ohne förmliche Zustimmung des Vormunds. 10. Aber was wir von den Unmündigen gesagt haben, gilt nur für die Unmündigen, die schon einigen Verstand haben. Denn ein Kind, das nicht sprechen kann, und eines, das diesem noch sehr nahe steht, unterscheiden sich nicht wesentlich von einem Geisteskranken, weil die Unmündigen dieses Alters noch unverständig sind. Aber für diejenigen, die einem Kind, das nicht sprechen kann, noch sehr nahe stehen, hat sich in ihrem Interesse eine wohlwollendere Rechtsauffassung durchgesetzt, so dass sie dieselben Rechte haben, wie diejenigen, die der Mündigkeit sehr nahe stehen. Der Unmündige aber, der in väterlicher Gewalt steht, kann sich nicht einmal mit förmlicher Zustimmung des Vaters verpflichten“.

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hatten): sed in proximis infanti propter utilitatem eorum benignior iuris interpretatio facta est, rell.11 In Gaius Inst. 3.109 finden wir hingegen die Formulierung sed in his pupillis, als ob sich die benignior iuris interpretatio sogar auf die infantes erstrecken sollte. Deshalb hat ein Teil der Lehre eine Lücke vermutet und versucht, das in his pupillis auf verschiedene Weise zu integrieren12. Wie immer es sein sollte, die Gaius-Stelle aus den Institutiones zeigt, dass die Lage der pupilli schon im Prinzipat Gegenstand unterschiedlicher Lehrmeinungen war, die ihren Schwerpunkt einerseits auf die Sprachfähigkeit des Kleinkindes, andererseits auf seinen Verstand legten: Die Juristen unterschieden deutlich zwischen denjenigen Unmündigen, die infantes waren und keinen Verstand für das hatten, was sich vor ihren Augen abspielte, und denjenigen Kindern, die aliquem intellectum der rechtsgeschäftlichen Lage hatten13. Die erwähnte Dreiteilung kommt auch in Gaius-Stellen aus den Digesten vor: D. 46.6.6 (Gai. 27 ad ed. prov.) Servum pupilli stipulari ita necesse est, si pupillus abest aut fari non potest: nam si praesens sit et fari potest, etiamsi eius aetatis erit, ut non intellegat quid agat, tamen propter utilitatem receptum est recte eum stipulari.14

Bei der Behandlung einer sog. satisdatio rem pupilli salvam fore, wie es aus der Stellung des Fragmentes innerhalb der Digesten und aus seiner palingenetischen 11 Navarra (2002) 56 f.: „In Gaio la benignior interpretatio è determinata da ragioni oggettive di utilità, che possono essere individuate nell’opportunità che, per la certezza degli scambi commerciali, i negozi giuridici conclusi dagli infanti proximi non siano inutili: è nel contesto della trattazione delle stipulationes inutiles, che inizia al § 97 del terzo commentario, che Gaio si occupa infatti della capacità negoziale del pupillus.L’applicazione in via eccezionale ai proximi del regime dettato nel § 107 va dunque ricondotta a tale più ampia problematica. Per Giustiniano invece la benignior iuris interpretatio facta est per l’utilitas degli infanti proximi. In altre parole quel che per Gaio è un problema di utile negotium per Giustiniano diventa una questione di favore per l’interesse del pupillo.“ 12 Burdese (1956) 10 ff., 53 schlägt als Integration vor „ pupillis propter utilitatem, rell.“; Huschke (1908) 154 m. Fn. 3 und Lamberti (2014) 62 f. schieben nach „in his pupillis“ den Relativsatz „qui infanti proximi sunt“; konservativ hingegen Coppola (2012) 3 f. 13 Statt aller Lamberti (2014) 63 ff. 14 „Es ist notwendig, dass ein Sklave des Unmündigen sich versprechen lässt, wenn der Unmündige abwesend ist oder nicht sprechen kann: Denn ist dieser anwesend und kann er sprechen, selbst wenn er (noch) in dem Alter sein sollte, in dem er nicht versteht, was er unternimmt, zugunsten der Wirksamkeit angenommen, dass er sich versprechen lassen kann“.

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Lage resultiert15, kam Gaius wieder zu der Unterscheidung zwischen verschiedenen Sorten von pupilli. In diesem Fall war es der vom Prätor (oder vom örtlichen Magistrat) zu bestellende Vormund, der dem Unmündigen versprechen sollte, dass er das Pupillarvermögen korrekt verwaltet hatte. Der Unmündige sollte also die Frage stellen: spondes rem meam salvam fore? Dies war selbstverständlich nur dann möglich, wenn der pupillus vor dem Magistrat anwesend sein und schon sprechen konnte. Weil die Stipulation ein mündliches Geschäft war, brauchte anscheinend der Unmündige nur die verba stipulationis aussprechen zu können. Es war propter utilitatem receptum (d.h. zugunsten der Wirksamkeit einer solchen Stipulation16), dass er, solange er die verba stipulationis aussprechen konnte, diese nicht auch zu verstehen brauchte. War hingegen der Unmündige abwesend oder noch infans (qui fari non poterat – oder stumm), sollte ein Sklave aus dem Pupillarvermögen sich das rem salvam fore versprechen lassen17. In diesem Fall war es wahrscheinlich besonders wichtig, dass das Kind so früh wie möglich zu dem mündlichen Versprechen zugelassen wurde, weil es noch keinen Vormund hatte, der für es (oder mit ihm) handeln konnte: Denn es war bei dem dargestellten Tatbestand gerade der künftige Vormund, der dem pupillus gegenüber das Versprechen, das ihm die Tätigkeit als Vormund erlaubte, abgeben sollte. Auch aus dieser Gaius-Stelle folgt ein Unterschied zwischen demjenigen Unmündigen, der nicht sprechen konnte, demjenigen, der sprechen konnte, aber noch nicht den Sinn dessen, was er unternahm, verstehen konnte, und demjenigen Unmündigen, der sowohl sprechen konnte, als auch Verstand hatte. 15 6. Titel (Rem pupilli vel adulescentis salvam fore) des 46. Buches der Digesta (De stipulationibus praetoriis): Pal. Gaius 366. S. auch: D. 46.6.2 (Ulp. 79 ad ed.): Si pupillus absens sit, vel fari non possit, servus eius stipulabitur: si servum non habeat, emendus ei servus est; sed si non sit unde ematur aut non sit expedita emptio, profecto dicemus servum publicum apud praetorem stipulari debere. 16 Dies scheint im Allgemeinen der Sinn von „propter utilitatem“ bei Gaius zu sein: s. etwa Navarra (2002) 56 f. (o. Fn. 10). 17 S. dazu Ulpian: D. 45.1.1 pr. (Ulp. 48 ad Sab.): Stipulatio non potest confici nisi utroque loquente: et ideo neque mutus neque surdus neque infans stipulationem contrahere possunt: nec absens quidem, quoniam exaudire invicem debent. si quis igitur ex his vult stipulari, per servum praesentem stipuletur, et adquiret ei ex stipulatu actionem. item si quis obligari velit, iubeat et erit quod iussu obligatus; D. 45.1.70 (Ulp. 11 ad ed.): Mulier, quae dotem dederat populari meo Glabrioni Isidoro, fecerat eum promittere dotem, si in matrimonio decessisset, infanti et decesserat constante matrimonio. placebat ex stipulatu actionem non esse, quoniam qui fari non poterat, stipulari non poterat.

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Die gleiche Situation finden wir bei einer weiteren (klassischen?) Gaius-Stelle: D. 44.7.1.12-13 (Gai. 2 aureor.) Furiosum, sive stipultur sive promittat, nihil agere natura manifestum est. Huic proximus est, qui eius aetatis est, ut nondum intellegat, quid agatur: sed quod ad hunc benignius acceptum est: nam qui loqui potest, creditur et stipulari et promittere recte posse.18

Auch in diesem Fall wird eine Parallele zwischen dem Geisteskranken und dem Kleinkind gezogen. Der furiosus, falls er verspricht oder sich versprechen lässt, nihil agit, weil er nicht bei Verstand ist: Das Schuldversprechen existiert deshalb aus rechtlicher Sicht nicht. Ihm ähnlich ist das Kleinkind, wenn es in einem Alter ist, in dem es nicht verstehen kann, was sich abspielt. Für den Fall des Kleinkindes sagt Gaius jedoch (oder sein epitomator), dass eine wohlwollendere Lösung gefunden worden sei. Denn vorausgesetzt, dass das Kind schon sprechen konnte, hatte man erlaubt, dass der Unmündige doch versprechen und sich versprechen lassen konnte (selbstverständlich mit Zustimmung des Vormundes, der in diesem Fall nicht den pupillus ersetzt, sondern in dessen voluntas die auctoritas tutoris integriert)19. Die Stellen, die wir untersucht haben, und manch andere deuten – zumindest im Hinblick auf die stipulatio und andere mündliche Rechtsakte – auf eine Verfeinerung der juristischen Überlegungen (mit der Zeit) in Sachen Unmündiger hin. In einer ersten Phase kam man wahrscheinlich dazu, bei den mündlichen Formalakten zwischen infantes und pupilli, qui fari possunt zu unterscheiden. Es ist plausibel, dass in einer ursprünglichen, höchst formellen Phase die einzige Sorge darum ging, dass die Worte, aus denen das Geschäft bestand, korrekt gesprochen wurden, ohne zu vertiefen (weil dies gar nicht dem Horizont der Zeit entsprach), ob auch ein Wille hinter der Erklärung stand20.

18 „Es ist völlig klar, dass der Wahnsinnige, falls er verspricht oder sich (etwas) versprechen lässt, wegen der eigenen Natur kein wirksames Rechtsgeschäft vornimmt. Diesem ist derjenige ähnlich, der in einem Alter ist, in dem er noch nicht verstehen kann, was vorgenommen wird. Was letzteren betrifft, hat sich aber eine wohlwollendere Lösung durchgesetzt: Denn man behauptet, dass, wer sprechen kann, wirksam versprechen und sich versprechen lassen kann“. 19 Burdese (1956) 15 f.; Coppola (2012) 12; Lamberti (2014) 67 f. 20 Dies ist auch zumindest seit Pernice (1873) 212 beobachtet worden: „Die Unterscheidung der rechtlichen Stellung der impuberes qui fari non possunt und der infantia maiores ist sicherlich ebenfalls althergebracht. Denn nach ältestem Rechte gerade kam es ja bei Berechtigung und Verpflichtung auf gewisse vom Rechtssubjecte auszusprechende Formeln an. Mit gleicher Bestimmtheit aber darf man behaupten, dass infantia eben nur das Alter bedeutete, in welchem das Kind noch nicht sprechen kann. Das ist vollkommen der Auffassung des älteren Rechts gemäss, bei welchem der Wille hinter der Willensäusserung

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Zu einem späteren Zeitpunkt, den man vermutlich an den Anfang der Prinzipatszeit setzen kann, hat man auch auf den tatsächlichen Willen abgestellt und wahrscheinlich haben die römischen Juristen angefangen, bei mündlichen Rechtsakten über deren Wirksamkeit im Falle eines ,sprechenden‘, aber nicht verständigen Unmündigen zu diskutieren. Die Quellen (auch diejenigen, die bspw. den Besitzerwerb oder die Deliktshaftung des pupillus behandeln21) zeigen deutlich, dass mehrere Juristen eine Parallele zwischen dem Fehlen an Verständnis des infans und dem des Wahnsinnigen gezogen haben: Der infans und der infantiae proximus, die beide keinen intellectus dessen hatten, was sie taten, sollten genauso wie ein furiosus behandelt werden22. Es scheint sich jedoch die Meinung durchgesetzt zu haben, dass zumindest bei Verbalakten die Sprechfähigkeit des Unmündigen ausreichen sollte; die Institutiones des Gaius deuten (wenngleich nicht völlig klar) auf den Ansatz einer Unterscheidung zwischen infantes (und infantiae proximi), Kleinkindern, qui fari possunt, und Unmündigen, qui aliquem intellectum habent, hin. Genauso wie für die pubertas der Knaben ist anzunehmen, dass man bis zu einer gewissen Zeit konkret von Fall zu Fall den Verstand des pupillus untersucht habe23. Die Fähigkeit des pupillus zu sprechen, selbst wenn er noch nicht richtig den Sinn dessen verstehen konnte, was getan wurde, spielte eine relevante Rolle auch bei der hereditatis aditio. In einer Stelle, die aus den commentarii des Juristen Paulus zu den libri tres iuris civilis des Sabinus stammt, wird dem Unmündigen erlaubt, eine Erbschaft anzutreten, solange er sprechen kann, und obwohl er den (juristischen) Sinn des Erbschaftsantritts noch nicht richtig verstehen kann; Voraussetzung ist jedoch, dass der Vormund seine Zustimmung erteilt.

so gut wie ganz zurücktritt.“ Über den altrömischen Formalismus s. u.a. Mitteis (1908) 255 ff.; Kaser (1949) 301; Corbino (1994) 3 ff.; Bertoldi (2016) 16 ff. 21 S. bspw. D. 41.2.32.2 (Paul. 15 ad Sab.), D. 41.2.1.3 (Paul. 54 ad ed.), CI. 7.32.3 (a. 250). 22 Spuren einer solchen Unterscheidung sind auch in folgenden Digestenfragmenten zu finden: D. 45.1.141.2 (Gai. 2 de verb. obl.): Pupillus, licet ex quo fari coeperit, recte stipulari potest …; D.50.17.5 (Paul. 2 ad Sab.): In negotiis contrahendis alia causa habita est furiosorum, alia eorum qui fari possunt, quamvis actum rei non intellegerent: nam furiosus nullum negotium contrahere potest, pupillus omnia tutore auctore agere potest. 23 Bis zu einer gewissen Epoche hat man wahrscheinlich festgestellt „in fatto caso per caso lo sviluppo, vuoi fisico vuoi psichico, dell’individuo, al fine di riconoscergli una totale o parziale capacità di agire, non giungendo, almeno in via programmatica, a sostituire siffatto accertamento con la determinazione di limiti generali di età“: Burdese (1956) 56.

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D. 29.2.9 (Paul. 2 ad Sab.) Pupillus si fari possit, licet huius aetatis sit, ut causam adquirendae hereditatis non intellegat, quamvis non videatur scire huiusmodi aetatis puer (neque enim scire neque decernere talis aetas potest, non magis quam furiosus), tamen cum tutoris auctoritate hereditatem adquirere potest: hoc enim favorabiliter eis praestatur24.

Die Anspielung auf die Sprachfähigkeit des Mündels lässt vermuten, dass es sich um eine ‚förmliche‘ und verbale hereditatis aditio handelte, in der Form einer Kretion25. Auch in dieser Stelle (weil es sich um einen mündlichen Rechtsakt handelt) wird erlaubt, dass der Unmündige – selbst wenn er unverständig ist (Zustand, der ihn auf eine Ebene mit dem furiosus stellen lässt) – durch das Aussprechen der Formel des Erbschaftsantrittes und bei Anwesenheit und Zustimmung des tutor wirksam handelt26. Wie sich aus manchen Digestenfragmenten ergibt, scheint sich auch eine Juristenmeinung durchgesetzt zu haben, der zufolge bei einer pro herede gestio, wenn tutore auctore unternommen, der Unmündige sogar infans sein konnte27. Aber die Analyse solcher Fragmente würde uns zu weit führen.

24 „Kann der Mündel sprechen, obwohl er in einem Alter ist, bei dem er nicht den Grund des Erbschaftsantrittes verstehen kann, und obwohl ein Kind solchen Alters anscheinend unverständig ist (denn ein solches Alter kann weder erkennen noch unterscheiden, nicht anders als beim Wahnsinnigen), kann er mit Zustimmung des Vormundes trotzdem die Erbschaft antreten: dies erlaubt man ihnen aufgrund eines favor“. 25 S. u.a. Tondo (1962) 378 ff.; Voci (1967) 640 f. m. Fn. 78, 80; Beduschi (1976) 55 ff.; Albanese (1979) 489; Domingo (1988) 131 ff. 26 Auch ein kaiserlicher Erlass aus dem J. 257 n. Chr. deutet auf Gelehrten- und prozessuale Streitigkeiten an: C. 6.30.5 (Valer. et Gallien. Paulo, a. 257): Potuit pupillus pro herede tutore auctore gerendo consequi successionem, sed ipsius actus et voluntas fuit necessaria. nam si quid nesciente eo tutor egit, illi hereditatem non potuit adquirere. 27 In diesem Sinne kann man mit Voci (1967) 641 („Gli infanti sottoposti a tutela non possono adire, neppure tutore auctore, né il tutore può adire per loro. Gli impuberi infantia maiores adiscono tutore auctore“) nicht übereinstimmen. Die Quellen scheinen eine Öffnung im Sinne der pro herede gestio für den infans vorzusehen: s. insb. D. 36.1.67(65).3 i.f. (Maecian. 5 fideic.): „… sed et infanti non dubito omnimodo subveniendum idque ex similitudine iuris civilis vel honorarii constituendum est: sive enim heres institutus esset, non dubie pro herede tutore auctore gerere posse videtur, sive de bonorum possessione agitaretur, peti ei per tutorem posset. Ideoque et heres compelli per tutorem potest adire et restituere hereditatem.“ Dazu Albanese (1979) 489 m. Fn. 290, Coppola (1999) 344 ff., Coppola (2012) 14 f.; Lamberti (2014) 67 ff.

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4.  Die Sieben-Jahres-Grenze In manchen literarischen Quellen der Prinzipatszeit hat man, insbesondere im Hinblick auf die Kindeserziehung, auf eine „Altersgrenze“ von sieben Jahren hingewiesen. Dies ist beispielsweise der Fall bei Quintilian. Quintil., Inst. Or. 1.1: 15 Quidam litteris instituendos qui minores septem annis essent non putaverunt, quod illa primum aetas et intellectum disciplinarum capere et laborem pati posset. In qua sententia Hesiodum esse plurimi tradunt qui ante grammaticum Aristophanen fuerunt (nam is primus ύποθήκας, in quo libro scriptum hoc invenitur, negavit esse huius poetae); 16. Sed alii quoque auctores, inter quos Eratosthenes, idem praeceperunt. Melius autem qui nullum tempus vacare cura volunt, ut Chrysippus. Nam is, quamvis nutricibus triennium dederit, tamen ab illis quoque iam formandam quam optimis institutis mentem infantium iudicat. 17. Cur autem non pertineat ad litteras aetas quae ad mores iam pertinet? Neque ignoro toto illo de quo loquor tempore vix tantum effici quantum conferre unus postea possit annus; sed tamen mihi qui id senserunt videntur non tam discentibus in hac parte quam docentibus pepercisse. 18. Quid melius alioquin facient ex quo loqui poterunt (faciant enim aliquid necesse est)? aut cur hoc quantulumcumque est usque ad septem annos lucrum fastidiamus? Nam certe quamlibet parvum sit quod contulerit aetas prior, maiora tamen aliqua discet puer ipso illo anno quo minora didicisset.

Quintilian behandelte eine in seiner Zeit sehr verbreitete Meinung: Mehrere Autoren (die sich auf die auctoritas von Aristophanes Grammaticus und Eratostenes stützten) behaupteten, dass Kinder das Lesen und Schreiben ab dem 7. Lebensjahr lernen sollten; mehrere andere Autoren (die sich auf die auctoritas des Crisippus stützten) waren hingegen der Meinung, dass man damit viel früher anfangen sollte: Je früher, desto besser, und am besten schon in den ersten drei Lebensjahren, wenn sie noch bei ihren Kindermädchen waren. Es ist wahrscheinlich, dass schon in der frühen Prinzipatszeit eine intellektuelle Debatte über die geistige Fähigkeit der Kinder (über die Sprachfähigkeit hinaus) geführt wurde: die Rhetores und die Literaten diskutierten das beste Lernalter der Kinder, und die sieben Jahre scheinen dabei eine wichtige Altersgrenze dargestellt zu haben28.

28 Marrou (1958) 359 ff.; Bonner (1977) 55 f.; Bradley (1991) 103 ff.; Rawson (2003) 158 ff. Andere Quellen bezeugen (ironisch oder ernsthaft) die Erwähnung der ‚SiebenJahres-Grenze‘: Iuv. Sat. 5.14.10 ss.: … cum septimus annus / transierit puerum, nondum omni dente renato, / barbatos licet admoveas mille inde magistros, / hinc totidem, cupiet lauto cenare paratu / semper et a magna non degenerare culina; Sen. de ben. 7.1.5: Licet nescias, quae ratio oceanum effundat ac revocet, quare septimus quisque annus aetati signum imprimat … non multum tibi nocebit transisse, quae nec licet scire nec prodest.

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Man könnte deshalb denken, dass eine rhetorische Debatte auch von manchen Juristen übernommen worden sei, vermutlich im 2. und 3. Jh. n. Chr. Denn wenn wir bei Gaius noch keine Spuren der Sieben-Jahres-Grenze finden, kommt diese doch in Schriften späterer klassischer Juristen vor. In zwei Fragmenten – von Modestin und von Ulpian – werden die sieben Jahre erwähnt. In Bezug auf das (Mindest-)Alter für die Verlobung erwähnt der Jurist Modestin (praefectus vigilum in Rom zwischen 226 und 244 n. Chr.) im 4. Buch seiner libri differentiarum das 7. Lebensjahr. D. 23.1.14 (Modest. 4 diff.) In sponsalibus contrahendis aetas contrahentium definita non est ut in matrimoniis. Quapropter et a primordio aetatis sponsalia effici possunt, si modo id fieri ab utraque persona intellegatur, id est si non sint minores quam septem annis29.

Die Echtheit dieser Stelle ist vielfach bezweifelt worden30. Denn der Jurist sagt am Anfang, dass das Alter, um ein Verlöbnis einzugehen, nicht wie das Heiratsalter (das mit der Mündigkeit koinzidierte) bestimmt ist; anschließend lässt er jedoch zu, dass das Verlöbnis schon mit frühem Kindesalter erfolgen kann (a primordio aetatis); am Schluss fordert er aber das Verständnis des Rechtsgeschäfts, das erst mit der Vollendung des 7. Lebensjahres gegeben wird31. Wir verfügen über zahlreiche literarische und epigraphische Zeugnisse, die die Praxis bezeugen, Kleinkinder in noch sehr jungem Alter zu verloben32. Insbesondere Mädchen wurden sehr früh verlobt, damit ihr Konsens problemlos gewonnen werden konnte. Manche Verlöbnisse dieser Art versteckten de facto

29 „Für das Verlöbnis ist nicht wie für den Eheschluss ein Mindestalter der Beteiligten festgesetzt worden. Daher kann ein Verlöbnis auch in jugendlichem Alter begründet werden, sofern nur beide Personen verstehen, dass sie verlobt werden, das heißt, wenn sie nicht jünger als sieben Jahre alt sind“. 30 Zu der Stelle zuletzt Casola (2011–2012) § 2 ff.; Lamberti (2014) 91 ff. 31 S. zu der Stelle u.a. Solazzi (1972) 585 f.: „Se per gli sponsali fosse stato necessario il raggiungimento di almeno 7 anni, Modestino non avrebbe potuto asserire che in sponsalibus … aetas contrahentium definita non est, ut in matrimonis“. 32 Kaiser Augustus bspw., der in der lex Iulia de maritandis ordinibus die Verlobungen mit Mädchen unter 10 Jahren als unwirksam erklärt hatte, hatte Livias Sohn Tiberius Claudius Nero mit Agrippas Tochter verlobt, die kaum ein Jahr alt war: Corn. Nep. Attic. 19.4: Nata est autem Attico neptis ex Agrippa, cui virginem filiam collocarat. Hanc Caesar vix anniculam Ti. Claudio Neroni, Drusilla nato, privigno suo, despondit; quae coniunctio necessitudinem eorum sanxit, familiaritatem reddidit frequentiorem. Epigraphische Beispiele bei Fayer (2005) 441 Fn. 357.

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Ehen (de iure waren nuptiae unter Unmündigen nichtig), die dann in der fingierten Form der sponsalia abgeschlossen wurden33. M.E. wird in dieser Stelle eine ursprünglich längere Debatte über das (Mindest-)Alter für die Ehe und für das Verlöbnis zusammengefasst. Es ist nicht auszuschließen, dass auch der Schlusssatz von Modestin stammt: Der Jurist konstatierte die Gewohnheit, auch Kinder im sehr jungen Alter verloben zu lassen, erörterte die Meinung einiger, die zumindest etwas Verstand unter den zu verlobenden Unmündigen forderte, und erwähnte möglicherweise als Mindestalter die Vollendung des 7. Lebensjahres. Es sind keine Hinweise im Fragment, dass es sich um mehr als eine Juristenmeinung gehandelt hätte. Auch in späteren Quellen über das Verlöbnis finden wir das 7. Lebensjahr nicht mehr erwähnt. Dies spricht dafür, dass diese Zahl möglicherweise schon in Modestins Original erwähnt wurde, und als Bestandteil einer noch klassischen Debatte betrachtet werden kann. Eine spätere Synthese, die möglicherweise aus der Spätantike herstammt, könnte die jetzige Version des Fragments darstellen34. In einem Fragment Ulpians wird noch einmal die Altersgrenze der sieben Jahre erwähnt. D. 26.7.1.2 (Ulp. 35 ad ed.) Sufficit tutoribus ad plenam defensionem sive ipsi iudicium suscipiant sive pupillus ipsis auctoribus, [nec cogendi sunt tutores cavere, ut defensores solent]. Licentia igitur erit, utrum malint ipsi suscipere iudicium an pupillum exhibere, ut ipsis auctoribus iudicium suscipiatur: ita tamen, ut pro his, qui fari non possunt vel absint, ipsi tutores iudicium suscipiant, pro his autem, qui supra septimum annum aetatis sunt et praesto fuerint, auctoritatem praestent35.

33 Fayer (2005) 444 ff., in Bezug insb. auf D. 24.1.32.27 (Ulp. 33 ad Sab.): Si quis sponsam habuerit, deinde eandem uxorem duxerit, cum non liceret, an donationes quasi in sponsalibus factae valeant, videamus. et Iulianus tractat hanc quaestionem in minore duodecim annis, si in domum quasi mariti inmatura sit deducta: ait enim hanc sponsam esse, etsi uxor non sit. 34 Lamberti (2014) 91 ff. mit Bezug auch auf D. 26.7.1.2 (Ulp. 35 ad ed.), infra. 35 „Bei Vormündern genügt es zur vollen Vertretung vor Gericht, dass entweder sie selbst sich auf den Prozess einlassen oder das Mündel mit ihrer förmlichen Zustimmung … Es steht ihnen daher frei, ob sie lieber sich selbst auf den Prozess einlassen wollen oder aber das Mündel vor Gericht auftreten lassen, damit mit ihrer förmlichen Zustimmung die Einlassung auf den Prozess erfolgt, mit der Einschränkung freilich, dass für Mündel, die noch nicht [Rechtsformeln] sprechen können oder abwesend sind, die Vormünder selbst sich auf den Prozess einlassen, dass sie aber für diejenigen, die älter als sieben Jahre und anwesend sind, die förmliche Zustimmung erteilen“.

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Wenn der Vormund zugunsten des pupillus eine Klage einreicht, soll er (weil er als Stellvertreter handelt) bekanntlich eine cautio de rato leisten (er soll garantieren, dass der Unmündige dem Urteil folgen wird, selbst wenn es für ihn ungünstig sein sollte). Falls der Unmündige in der Rolle des Beklagten steht, soll der Vormund eine sog. cautio iudicatum solvi leisten (die einen ähnlichen Inhalt wie die cautio de rato hatte). Iustinian hatte durch einen Erlass die Notwendigkeit solcher cautiones abgeschafft, zumindest wenn der Unmündige praesens und nicht mehr infans war (deshalb ist der Satz nec cogendi sunt tutores cavere, ut defensores solent wahrscheinlich interpoliert)36. Ulpian stellt die zu seiner Zeit geltenden unterschiedlichen Möglichkeiten dar: Entweder konnte der Vormund selbst vor Gericht auftreten, oder der Unmündige konnte verklagt werden, vorausgesetzt, dass der Vormund seine auctoritas zur Verfügung stellte. Zur letzten Möglichkeit (ut … ipsi tutores iudicium suscipiant) griff man, falls der Unmündige abwesend oder infans war (pro his, qui fari non possunt, vel absint). Falls der Unmündige anwesend war, sollte er – sagt Ulpian – zumindest sieben Jahre alt sein (wir würden hier anstatt einer Altersgrenze erwarten, dass der „pupillus aliquem intellectum habeat“), um sich selbst (und mit der auctoritas tutoris) bei Gericht zu verteidigen37. Auch in diesem Fall ist möglicherweise eine ausführlichere Debatte zusammengefasst. Es ist anzunehmen, dass die Sieben-Jahres-Grenze hier eine „Richtlinie“ war, bei welcher der Richter

36 C. 5.37.28.3 (Iust. Iohanni, a. 531): Defensionem autem et nomen eius in hoc casu apertius declarantes, ne forte putaverint tutores vel curatores gravamen sibimet imponi, illam decernimus defensionem eos subire, quae non satisdatione pro eventu litis constituitur, sed ut tantummodo litem secundum legum ordinem pro pupillo vel adulto aliisque personis instruant, licentiam ex hac nostra auctoritate habentes sine decreto res quarum gubernationem gerunt pro cautela litis subsignare. Kaser/Hackl (1996) 217 Fn. 77, 562 Fn. 49; s. auch Tondo (1972) 382: „Il giurista ha inteso porre in rilievo che l’esonero dall’obbligo di prestare la cautio è prospettabile unicamente per l’ipotesi in cui l’assunzione del giudizio da parte del tutore nell’interesse del pupillo costituisca un atto necessario: è chiaro, infatti, che detta assunzione è valutabile quale atto necessrio in quanto effettuata in favore di un pupillo infante o assente“. 37 S. Astolfi (1992) 61: „Se la scelta implica l’assunzione di responsabilità, occorre stabilire i criteri in forza dei quali giudicare della scelta. Occorre, cioè, stabilire quali siano i presupposti di fatto che giustificano l’assunzione del giudizio da parte dei tutori e quali siano, invece, i presupposti di fatto che giustificano l’assunzione del giudizio da parte del pupillo … L’assunzione del giudizio da parte dei tutori è giustificata in due casi. Il primo è l’absentia del pupillo, intesa come impossibilità materiale di exhibere il pupillo in tribunale. Il secondo caso è l’infantia del pupillo, intesa come incapacità del pupillo di esprimersi con coerenza logica e comprendere il significato dei suoi atti“.

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entscheiden konnte, ihr zu folgen oder nicht. Er hätte höchstwahrscheinlich auch einen Vormund als actor zulassen können, selbst da, wo der Unmündige älter als sieben Jahre war. Die zwei letzten Fragmente zeigen, dass in der juristischen Debatte der Spätklassik die Sieben-Jahres-Grenze wahrscheinlich erörtert worden war. Sie scheint jedenfalls keine feste Regel gebildet zu haben, sondern nur ein indikatives Kriterium, an das man sich in Einzelfällen (Verlöbnis, prozessuale Passivlegitimation des Unmündigen) halten konnte38. In der Spätantike kommt die Erwähnung der sieben Jahre in zwei Kaisererlassen aus der gleichen Zeit vor. Die eine ist uns durch den Codex Theodosianus bekannt, die zweite durch den Codex Iustinianus. Besonders wichtig ist die Konstitution aus dem Jahr 407: CTh. 8.18.8 (Arcad. Honor. Theod. Anthemio p.p., a. 407) Certis annorum intervallis in bonorum possessione maternae hereditatis a patre poscenda aut successione amplectanda infantis filii aetatem nostra auctoritate praescribimus, ut, sive maturius sive tardius filius fandi sumat auspicia, intra septem annos aetatis eius pater aut bonorum possessionem imploret aut qualibet actis testatione successionem amplectatur, hac vero aetate finita filius edicti beneficium petat vel de successione suscipienda suam exponat voluntatem …39

Der kaiserliche Erlass beantwortet die Frage, wer die bonorum possessio der vorverstorbenen Mutter im Falle eines unmündigen Erben beantragen konnte. Es kamen nämlich das Kind selbst oder der Vater des Unmündigen in Betracht. In der Konstitution des Arcadius, Honorius und Theodosius scheint für das erste Mal gesetzlich die Sieben-Jahres-Grenze festgelegt worden zu sein: Ist das Kind (obwohl es schon sprechen kann) noch nicht sieben Jahre alt, kann sein Vater die bonorum possessio nach der verstorbenen Mutter für den gemeinsamen Sohn beantragen; ist das Kind schon sieben, kann es selbst bei dem Richter die mütterliche Erbschaft beantragen40. Wie wir gesehen haben, fragte Paulus für einen ähnlichen 38 Tondo (1972) 382 m. Fn. 44. 39 „Unsere Autorität hat – in regelmäßigen Abständen –, was den Güterbesitz der mütterlichen Erbschaft seitens des Vaters oder den Erbschaftsantritt angeht, das Alter des infans geregelt: Damit, davon abgesehen, ob das Kind früher oder später anfängt, zu sprechen, wenn er jünger ist als sieben Jahre, sein Vater entweder den Güterbesitz anträgt [anträgt mir so nicht klar] oder durch eine Art testatio die Erbschaft antritt; hat er einmal dieses Alter vollendet hat, der Sohn selbst dieses ediktale Mittel beantragt oder seinen eigenen Willen in Sachen Erbschaftsantritt darstellen kann“. 40 Mit unterschiedlichen Meinungen über den Kaisererlass Solazzi (1972) 579 ff.; Tondo (1972) 382 Fn. 44; Albanese (1979) 434 Fn. 13.

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Fall (in seinem Sabinus-Kommentar) nur nach der Sprachfähigkeit, ohne auf ein bestimmtes Alter abzustellen41. In der Spätantike hat man – für diesen Fall – auf eine feste Jahresgrenze abgestellt. Nicht mehr infans war man also nach Arc., Hon. und Theod., wenn man das 7. Lebensjahr erreicht hatte. Eine Verallgemeinerung der Sieben-Jahres-Regel finden wir im Corpus Iuris nicht. Justinian hat sie in seine Institutiones nicht aufgenommen. Wir wissen jedoch aus der Paraphrasis des Theophilus zu den Institutionen Justinians, dass die Sieben-Jahres-Grenze doch in der juristischen Debatte stand: Theoph. Paraphr. 3.19.10: Ἀλλ᾽ὄπερ εἰρήκαμεν pupillωn περὶ τούτων δηλαδὴ ἀλητές ἐστιν οἳτινες ἢδη τινὰ τῶν γενομένων αἲσθησιν ἒχουσαν˙ ὁ γὰρ infans ἤ ὁ prόximos infanti οὐ πολὺ τοῦ μεμηνότος ἀφεστήκασιν˙ οἱ γὰρ ταύτην ἂγοντεσ τὴν ἡλικίαν οὐδεμίαν αἲσθησιν ἒχειν νομίζονται. ἐπειδὴ δὲ púpillon εἶπον καθολικῶς μάνθανε ὃτι ἡ τοῦ pupíllu εἰς τρία διαιρεῖται ἡλικία. τῶν γὰρ pupíllωn οἱ μέν εἰσιν infantes, οἷον οἱ ἔτι θηλάζοντες καὶ οἱ μικρᾷ μείζονες, οἱ δὲ λέγονται próximoi infanti, οἷον οἱ ἀρξάμενοι λαλεῖν καλῶς, οἱ δὲ próximoi pubertati. Καὶ ὁ μὲν infans ἐπερωτᾶν οὐ δύναται διὰ τὸ μὴ δύνασθαι φθέγγεσθαι, οὐ μὴν οὐδὲ ὁ próximos infanti, ὁποῖός ἐστιν ὁ ἓβδομον ἢ ὂγδοον ἂγων ἐνιαυτόν. Οὗτος γὰρ εἰ καὶ ἐκφωνεῖν τὰ ῥήματα δύναται ἀλλὰ διακρίνειν οὐ δύναται ὃ, τίποτε νοεῖ τὰ λεγόμενα. ὁ δὲ próximos pubertati ἰσχυρῶς ἐπερωτᾷ, ἐπειδὴ καὶ τοῦ ἐκφωνεῖν καὶ τοῦ αἰσθάνεσθαι τῶν λεγομένων ἐστι δεκτικός. ἢρεσε δὲ οὐ κατὰ τὸ ἀκριβὲς ἀλλὰ κατὰ φιλάγαθον λογισμὸν, ὣστε καὶ τὸν próximon infanti ἰσχυρῶς ἐπερωτᾶν, ὣςπερ τὸν τῇ ἣβῃ πλησιάζοντα. ὀ δὲ ὑπεξούσιος ἂνηβος οὐδὲ αὐθεντοῦντος τοῦ πατρὸς ἒνοχος γίνεται.

Wie wir in der Paraphrase lesen, schien Theophilus in seinen Quellen die Dreiteilung zu finden, die auch in den Institutiones Justinians vorkommt: einerseits der infans, der auf der gleichen Ebene wie der furiosus stand, andererseits der infanti proximus, der zumindest anfänglich dem infans gleichgestellt worden war, und am Ende der pubertati proximus, der bei Verstand ist und wirksam handeln kann. Im Gegensatz zu Justinian setzte Theophilus jedoch die Grenze bei den infanti proximi auf sieben oder acht Jahre. Dies kann man m.E. in dem Sinne interpretieren, dass Theophilus die Erwähnung der Sieben-Jahres-Grenze schon in den (klassischen) Quellen fand, und dass diese Grenze wahrscheinlich auch bei der Fassung der justinianischen Institutionen in Frage kam. Wir finden jedoch in den genannten Institutionen keine Anspielung auf das Alter von sieben Jahren für die infanti proximi. Man muss deshalb die Absicht Justinians vermuten, dass er diese Grenze nicht allgemein (und normativ) einführen wollte. Diese Grenze stand jedoch den mittelalterlichen und modernen Interpreten vor Augen. Savigny behauptete in seinem „System“, dass die Festlegung einer 41 S.o.

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‚Altersgrenze‘ von sieben Jahren schon klassisch sei42; meiner Meinung nach gehörte hingegen diese Grenze sehr wahrscheinlich zum ius controversum der Spätklassik; sie wurde ‚normativ‘ erst ab dem Jahr 407 n. Chr. (und nur was die Beantragung der bonorum possessio anging) durch die Konstitution, die in C.Th. 8.18.8 zu lesen ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass im BGB die Meinung Savignys rezipiert wurde (genauso wie in manchen anderen germanistischen Rechtsordnungen) und aus diesem Grund § 104 BGB entstand. Andere Rechtsordnungen, wie beispielsweise die italienische, haben sich hingegen für eine bloße Unterscheidung zwischen Minderjährigen und Volljährigen entschieden.

Literaturverzeichnis Albanese (1979): Bernardo Albanese, Le persone nel diritto privato romano (Palermo 1979). Ankum (1968): Hans Ankum, Utilitatis causa receptum, in: Symbolae Martino David dedicatae (Leiden 1968) 8 ff. Astolfi (1992): Riccardo Astolfi, Il fidanzamento nel diritto romano2 (Milano 1992). Beduschi (1976): Carlo Beduschi, Hereditatis Aditio 1. L’accettazione dell’eredità nel pensiero della giurisprudenza romana classica (Milano 1976). Bertoldi (2016): Federica Bertoldi, Formalismo e negozi formali. Radici romanistiche e profili storico-comparatistici (Firenze 2016). Bonner (1977): Stanley Frederick Bonner, Education in Ancient Rome: From the elder Cato to the younger Pliny (London 1977). 42 Savigny (1840) 25 ff., insb. 32 f.: „Ehe aber dieses Alles historisch bewiesen werden kann, muß an die schon oben erwähnte Schwierigkeit erinnert werden, die für das praktische Leben aus der bey jedem Einzelnen allmäligen, bey verschiedenen Menschen aber sehr ungleichen, Entwicklung der Sprachfähigkeit hervorgeht. Hier war eine feste und für Alle gleichförmige Gränze praktisch sehr wünschenswerth. Nun wurde den Römern eine uralte Lehre griechischer Philosophie bekannt, welche der Zahl Sieben geheimnißvolle Kräfte, und den siebenjährigen Lebensperioden eine besondere Wichtigkeit beylegte. Diese Lehre kam jenem praktischen Bedürfniß auf die willkommenste Weise entgegen, und so geschah es, daß die Gränze der Kindheit gerade auf das Ende des siebenten Jahres allgemein angesetzt wurde, anstatt daß wohl auch Sechs oder Acht Jahre dafür angenommen werden konnten. Nimmt man nun Sieben Jahre an, so folgt daraus zugleich unmittelbar die Bestätigung der … Behauptung, daß das fari posse nicht in dem gemeinen, sondern in einem höheren Sinn verstanden wurde, indem es kaum jemals vorkommen wird, daß ein Kind vor dem achten Jahr gar nicht sprechen lernen sollte“.

Altersgrenze zwischen römischem und modernem Recht

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Der Allgemeine Teil des Privatrechts im Kontext der mathematischen Inspirationen der Rechtswissenschaft ab dem 17. Jh. bis zur Entstehung der pandektistischen Systematik Abstracts: The general part of private law is perceived by modern legal science as an analogue to the process of taking out the common factor in mathematics. The origins of General Part in law is associated with the mathematical inspirations of legal method in 17th and 18th century. There are two main issues of this paper. The first concerns what the legal experience of 17th and 18th centuries says about the usefulness of mathematical ideas for the modernization of legal method in the civil law tradition? The second relates to the question of how to perceive the relation between mathematical inspirations of the demonstrative method in law and modern prognoses concerning the impact of IT-technology on the modernization of legal method and practice? In reference to the first question, the origin of the general part of private law is presented by the author as a specific follow up to the issue of improving the search function in the system of law, also discussed by mathematicians. However, the innovations adopted in the legal method of 17th and 18th century (the demonstrative method) resulted from the omission of such innovations of that time as statistics and probability theory. The generalization and formalization of legal concepts concerning the development of the search abilities of a legal system has rejected the use of mathematical innovations in order to find regularities in diverse cases. In reference to the second question, the author is of the opinion that the approach of legal method to mathematical inspirations stimulated the elaboration of the general part of private law, but seems today rather an obstacle to the modernization of legal method using the innovations of IT-technology. Część ogólna jest dziś wyjaśniana jako rozwiązanie analogiczne do wyłączenia przed nawias w matematyce. Jej powstanie jest łączone z XVII- i XVIII-wiecznymi matematycznymi inspiracjami rozwoju nauki prawa. Dlatego dwa główne pytania artykułu są następujące: co mówi to doświadczenie z XVII i XVIII stulecia o użyteczności matematycznych inspiracji dla modernizacji systemu prawa? Jak ocenić relację między metodą, które doprowadziła do powstania części ogólnej w XVIII w. a współczesnymi prognozami oddziaływania praktycznej informatyki na modernizację tworzenia i stosowania prawa? W odpowiedzi na pierwsze pytanie autor pokazuje, że powstanie części ogólnej można postrzegać jako realizację formułowanej także przez matematyków idei usprawnienia możliwości wyszukiwania w systemie prawa. Wybrana w XVIII w. nauce postać funkcji wyszukiwania wynikła z pominięcia możliwości, jakie oferowały powstające wówczas statystyka czy rachunek

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prawdopodobieństwa. Uogólnienie zastąpiło ideę wykorzystania odkryć matematycznych, aby poszukiwać prawidłowości wśród różnorodności. Odpowiadając na drugie pytanie Autor stwierdził, że taki sposób korzystania z inspiracji matematycznych w prawie, jaki przyczynił się do powstania części ogólnej jest raczej przeszkodą dla modernizacji prawa w oparciu o osiągnięcia praktycznej informatyki. La parte generale del diritto privato viene concepita dalla moderna scienza giuridica come una situazione analoga al raccoglimento a fattor comune in matematica. Le origini del concetto di parte generale, nel diritto, devono essere fatte risalire all’influenza delle scienze matematiche sulla metodologia giuridica del XVII e XVIII secolo. Per le suddette ragioni, le due principali questioni trattate in questo contributo sono le seguenti: in primo luogo, si intende domandarsi quali valutazioni abbia espresso la scienza giuridica del XVII e XVIII secolo in merito all’utilità del ricorso a concetti matematici, ai fini della modernizzazione della metodologia, nell’ambito dei sistemi giuridici della cosiddetta tradizione romanistica. Come deve essere concepita, inoltre, la relazione tra gli influssi di origine matematica derivanti dal cosiddetto metodo dimostrativo nell’ambito del diritto, da un lato, e, dall’altro, le moderne prognosi relative all’impatto della tecnologia dell’informazione sulla modernizzazione sia della metodologia, sia della pratica giuridica? Per quanto concerne la prima questione, l’autore intende offrire una rappresentazione dell’origine della parte generale del diritto privato quale specifica conseguenza della problematica relativa allo sviluppo di un concetto di funzione di ricerca, a livello testuale, all’interno del sistema giuridico, problematica analoga a quella discussa altresì dai matematici. Deve essere evidenziato, ad ogni modo, il fatto che le innovazioni introdotte a livello metodologico, nell’ambito del diritto, nel XVII e XVIII secolo (metodo dimostrativo) siano state il risultato della mancata considerazione di altre, ulteriori acquisizioni teoriche di quel periodo, quali la statistica e la teoria della probabilità. La generalizzazione e formalizzazione di concetti legali, elaborati al fine di implementare le capacità di ricerca all’interno di un sistema giuridico ha condotto al rifiuto di ricorrere a concetti matematici per individuare gli elementi costanti presenti in casi tra loro diversi. Per quanto concerne, infine, la seconda questione, l’autore ritiene, ed intende pertanto darne conto in questo scritto, che l’approccio della metodologia giuridica nei confronti delle concezioni di derivazione matematica, pur avendo reso possibile l’elaborazione dell’idea di una parte generale del diritto, appaia oggi essere diventato piuttosto un ostacolo alla modernizzazione della metodologia giuridica, da attuarsi per mezzo dell’impiego delle innovazioni provenienti dalla cosiddetta tecnologia dell’informazione.

1. Einführung Der Allgemeine Teil ist mit dem mathematischen Modell der Ausklammerung vergleichbar1. Die einfache Darstellung der Verallgemeinerung des Rechtsstoffes mit dem Algorithmus a(b+c+d+e) stellt uns vor das Problem der Übertragbarkeit 1 Vgl. Böhmer (1965) 71; Boemke/Ulrici (2009) Par. 2, Rn. 27.

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der Methoden exakter Wissenschaften auf die juristische Debatte. Im 17. Jh. formulierte Descartes dieses Problem plastisch mit der Frage, warum die soliden, dauerhaften mathematischen Wissenschaften nur die Grundlage für mechanische Kunst bildeten, aber nichts Gehobenes auf diesem Fundament gebaut werde2. Die Idee, diese Spaltung zu überwinden, wirkte sich auf die das 17. und 18. Jh. prägende Debatte über die Modernisierung der Rechtswissenschaft aus. Die Entstehung des Allgemeinen Teils des Privatrechts in der römisch-rechtlichen Tradition ist mit diesen Entwicklungen verbunden3. Betrachtet man historische Spuren, die von einer Verbindung zwischen dem Allgemeinen Teil des Privatrechts und mathematisierendem Denken über das Recht zeugen, führt dies zu folgenden Fragen: Inwiefern kann man dieser Erfahrung Aussagen über die Leistungsfähigkeit der Mathematik für die Fortbildung des systematischen Denkens im Privatrecht entnehmen? Kann man eine Parallele zwischen dieser historischen Erfahrung und heutigen Prognosen zu Auswirkungen der praktischen Informatik auf die Modernisierung der Rechtsbildung und Rechtsanwendung ziehen?4

2. Die Anwendung der mathematischen Erfahrung in Hinblick auf die Modernisierung der systematischen Modelle im gemeinen Recht Neben René Descartes (1596–1650) hatten auch einige andere Schlüsselfiguren in Bezug auf die Entwicklung der Mathematik im 17. und 18. Jh. eine juristische Ausbildung durchlaufen5. Die Versuche, die Mathematik für die Entwicklung juristischer Methodik fruchtbar zu machen, wurden in dieser Elitetruppe der Mathematiker von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) und Nicolaus I. Bernoulli (1687–1759) entwickelt. Aufgrund der besonderen Komplexität seiner bereits frühzeitig begonnenen Versuche kam dem Mathematikprofessor aus Jena, Erhard Weigel (1625–1699), jedoch eine Sonderstellung zu, wobei Moritz Cantor (1829–1920) sein mathematisches Werk am Anfang des 20. Jh. als Beispiel für Nutzlosigkeit beurteilt hat6. Weigels Interesse an der Systematisierung und dem systematischen Sinn der Rechts- und Sozialfragen stand im Einklang mit seinem Hauptwerk, dem sog. Tetracytus. Dieses bestand aus einem Zahlensystem mit 2 Descartes (1864) 9. 3 Stephanitz (1970) 62–94. 4 Vgl. Cyrul et al. (2014) 175 ff.; Susskind (2010) 260 ff.; Susskind (2014) 327. 5 Das gilt u.a. für Pierre de Fermat, Gottfried Wilhelm Leibniz, Nicolaus I. Bernoulli. Vgl. Juszkiewicz (1976) 78, 104, 271. 6 Cantor (1901) 39.

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der Grundzahl vier, welches Weigel dem mit der Grundzahl zehn bei Weitem vorzuziehen schien7. Seine Vorstellungen über die praxisorientierte Verbesserung der Systematik des Rechtsmaterials vermittelt uns das im Jahr 1669 veröffentlichte Buch Synopsis iurisprudentiae mnemoneutica e Syntagmate illustris viri Georgii Adami Struvii. Dem Buch lagen der Glaube an die Nützlichkeit der Mathematik für eine klare, quantitative Darstellung des Rechts8 sowie auch die Anerkennung der geometrischen Begabung von Georg Struve9 zugrunde. Im Einklang mit dieser Vorstellung hat Weigel die auf den justinianischen Digesten basierende Systematik des Syntagma Iurisprudentiae nicht in Frage gestellt. Die mathematische Verbesserung der Struktur des angesehenen Werkes des usus modernus wurde auf die Schärfung des Bildes der essenziellen Fragen beschränkt, um den Erkenntnisprozess zu erleichtern10. Weigel hat den Inhalt jedes der 50 Bücher der Digesten tabellarisch dargestellt11. In jedem Buch wurden neben den justinianischen Titeln auch die deutlich sichtbaren Schlussworte wie z.B. iustitia, pactaque, Ah! quis dejicit urnam? eingeführt. Zum Beispiel wurden 22 Titel des ersten Buches um sechs Schlussworte ergänzt12. Aus der mathematischen Perspektive erscheint die Tabelle als graphische Systematisierung der Mengen13. Der praktische Sinn der Schlussworte ist in der Erleichterung der Suche nach dem Element einer Menge zu sehen. Der Vergleich (als pars pro toto) der Titel De his qui sui vel alieni iuris sunt (D.1,6), De divisione rerum et qualitate (D.1,8) und De pactis (D.2,14), in der Synopsis und im Syntagma Jurisprudentiae14 lässt die Ähnlichkeit zwischen der Funktion, bestimmte Begriffe oder Fragen zu suchen, also der Suchfunktion 7 Cantor (1901) 39. 8 Weigel (1669) IV: … Necessitudo vero illa, qua Mathematicus iuri excolendo adstringitur ipsum tangit professionis suae tum Obiectum, Quantitatis nempe speciem civilem, cuius in Mathesi generali non minus ac naturalium quantitatum, ut communia decreta rite constituantur, habenda ratio est, neque tamen sine iure positivo, quanti quippiam habeatur in hoc genere, definiri commode potest: … 9 Weigel (1669) VI: … noster Struvius, cuius ingenium, nectarae mathematico per Geometriam inprimis et Astronomiam (…) iam olim subactum, quantum huiusque praestiterit, … 10 Weigel (1669): VI: Magni huius Iuris Consulti Syntagma civile est, quod in tantum me sibi tum adstrinxerat, ut non contentus lectione, nucleum excerpendo concinnitatem methodi seor sim mihi pro memoria transcribere conatus fuerim. 11 Weigel (1669) VII–XV. 12 Das sind: Iustitia; ex ortiur; lex; constitutisque statuta; iure suo; manceps; dividit und officia. 13 Die Anfänge der Mengenlehre liegen im 19. Jh., vgl. Dugac (1985) 398 ff. 14 Die Grundlage des Vergleiches ist die Ausgabe Struve (1702).

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der Tabelle und inhaltlichen Modifikationen von Weigel, erkennen. Die Beseitigung der in Struves Werk präsenten dekorativen Verweisungen auf die anderen Gebiete des Privatrechts15 hilft dabei, die Titel als inhaltlich homogene Mengen zu verstehen. Der Umstand, dass in der Synopsis Bezüge zur Literatur des ius commune fehlen, Weigels Einführung der dreistufigen Struktur der justinianischen Titel (Paragraphen, römische Ziffern mit Schlussworten und ausgesonderte Nebenbemerkungen) und die Löschung der parallelen Definitionen16 machten den Text transparent. Am Anfang der Titel stehende klare Zusammensetzungen der fundamentalen Teilungskriterien17, die weitere Unterteilungen oder Definitionen systematisieren, machen die Suche nach einem funktionell präzisierten Element in der Synopsis im Vergleich zum Syntagma von Georg Struve viel einfacher. Die Innovation von Weigels Synopsis bestand in der Erkenntniserleichterung, die sich aus der Entwicklung der Suchfunktion der formalen Darstellung des Rechtsstoffes ergibt. Eine weitgehende Verbindung der Systematisierung juristischer und sozialer Fragen mit mathematischer Theorie hat Weigel in der Arithmetischen Beschreibung der Moral-Weißheit vorgelegt. Dieses ein paar Jahre nach der Synopsis publizierte Buch spiegelt die für den Zeitgeist des 17. Jh. charakteristische Idee eines universalen Systembegriffes18 wider. Anders als in der Synopsis ist die Nutzung mathematischer Kenntnisse in diesem Buch nicht an das positive Recht gerichtet. Der Schwerpunkt des Interesses am Recht liegt hier auf der Klärung von Fragen über das Sozialleben, mit Parallelen zu der Zahlentheorie und dem damaligen Stand der Physik. Zum Beispiel erklärte Weigel die Rechte eines nicht geborenen Kindes mit der Analogie zu der Vielfalt der Zahlen und der Vielfalt der Ursachen einer menschlichen Geburt, die jede seinen positiven Wert, d.h. mehr

15 Es fehlen Struves Sätze dieser Art in D.1,8: Haec de iure personarum. Sequitur ius rerum (LXIX); Ius ad rem est facultas iure competens, qua ad rem praestandam, hoc est dandum aliquid vel faciendum, aut aliquando patiendum, personam ex facto suo obligatam habemus (…) De huius speciebus ad t.t. de pactis dicetur (LXXXIX). 16 Von den fünf in D.2,14 des Syntagma Iurisprudentiae gesammelten Definitionen des contractus (XXX) hat Weigel eine gewählt. Nach dieser Definition gilt: contractus est conventio vi primigenia civilem obligationem et actionem producens, vgl. Weigel (1669) 56. 17 Weigel (1669) 20 (D.1,6), 26 (D.1,8), 55 (D.2,14). In D.1,8 gruppiert Weigel, entwickelt aber auch die angewandten Kriterien. Er teilt die Sachen nach iuris, naturae, motus und conceptus ein. Im Titel D.2,14 beginnt Weigel die systematisierenden Teilungen ausgehend vom allgemeinen Begriff des factum civile. Bei Struve ist dieser Begriff erst in Pkt. IV des Titels D. 2,14 zu finden. 18 Behme (2004) VII.

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als null, hat19. In ähnlicher Art und Weise wurde eine Parallele zwischen der (für einen Rechenmeister hilfreichen) wachsenden Reihe der Ziffern und der sozialen Hierarchie gezogen20. Den im Falle einer Obligation vorliegenden essenziellen Begriff der „Leistungsplicht“ verstand Weigel als etwas Ähnliches zu „einer Zielung Neigung und Dringung einer jeden Ziffer du dem oder das jenige zu prestiren wozu sie gegen den anderen geordnet“21, also als die Zuordnungsrelation, die die moderne Mathematik mit dem Funktionsbegriff bezeichnet22. Die systematischen Parallelen zwischen Arithmetik- und Rechtsregeln übertrug Weigel im Wege der Analogie auf die Rechtsfindung. Auf der Proportionsregel, der zufolge 2 zu 1 so viel wie 222 zu 111 gilt, basierte sein Glaube auf der Erkenntnismöglichkeit, „was die Person gegen jene Person oder gegen eine Sache zu thun vermöge“23. Als die für einen solchen Gedankengang fundamentale „Rechen-Taffel“ nimmt der Mathematiker vier im Herzen jedes Menschen eingeprägte Regeln: Deum cole, honeste vivere, neminem laedere, suum cuique tribuere24. Das bürgerliche Recht verstand er als eine weitere Fort- und Ausführung des natürlichen Rechts25. Die Anwendung der mathematischen Kenntnisse zur Legitimierung des Rechts als objektivem Faktor des Soziallebens hat auch nicht dazu geführt, dass die Defizite der positiven Rechtsordnungen stillschweigend übergangen wurden.

19 Weigel (2004) 19–20: „… allein die Zwey gleichsam ungebohren ist und von keiner multiplikation herkomt: die ungeraden Zahlen sind ausser dem theilhafften und wachsbaren Geschlecht unter welchem Eins als der Ursprung aller den lieben Gott; gleichwie die Viere die ganze Welt vorbildet. Noch nicht geborene (nicht ungebohrne) können genennet werden die noch im Mutterleib sind denen ihr Recht eben so wohl als wenn sie schon gebohrne Menschen weren bleiben muß; oder er ist gebohren und zwar erstgebohren der bey vielen einen besonderen Vorzug hat gleichwie unter allen Zahlen die Viere das Recht der ersten Geburt samt vielen herrlichen Privilegien überkommen …“. 20 Weigel (2004) 32: „Diesem nach gleichwie die Ziffern in den Rechnungen entweder einzele Unitäten in sich begreiffen welche die letzten im Außsprechen aber die ersten im Abzehlen sind und gegen uns zur rechten Hand geschrieben werden vor sich aber und gegen die höhern Ziffern stehen sie zur lincken weil sie alle gleichsam das Gesicht uns zukehren damit sie der Rechenmeister kennen möge: oder sie begreifen gleichsam erhöhete Gesellschaffts-Unitäten in sich welche gegen unserer lincken ordentlich auffeinander folgen und sich den vorigen zur rechten stellen …“ 21 Weigel (2004) 129. 22 Vgl. Röd (1971) 10. 23 Weigel (2004) 137. 24 Weigel (2004) 137–138. 25 Weigel (2004) 144.

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Den Unterschied zwischen der allein von Gott geschaffenen natürlichen Welt und dem vom Menschen geschaffenen Gesellschaftsleben (sog. moralische Welt) sah Weigel in der Unvollkommenheit der zweiten26. Der menschliche Wille verhindert nach Weigel, dass sich die Menschen entsprechend Gottes Willen und Befehl wie die „undurchdringbaren Cörperlein“ – also nach damaligem Wissensstand elementaren Teilchen der Materie27 – zu einem Körper einten.28 Die Existenz destruktiver Personen für das Sozialleben, sog. „Affter-Personen“ und die von ihnen konstituierte sog. „Affter-Welt“ finden nach Weigels Theorie ihre Parallele in der Ziffer null, die nichts gilt,29 oder in den negativen Zahlen, die in gewisser Weise weniger als nichts gelten30. Mithilfe von Ziffern wurden die gewisse Unsicherheit der Rechtsfindung ad casum und die Vielfalt des positiven Rechts illustriert. In dem Kapitel „Von dem Recht und denen Gesetzen“ ist u.a. zu lesen: „Denn weil über hundert tausendmahl tausend unterschiedener Sachen in der Welt zu finden hingegen in keiner Sprache mehr als etwa 10000 besondere Wörter im Gebrauch; so muß nothwendig ein jedes Wort (…) über tausend unterschiedene Bedeutungen haben“31. Die Synopsis Iurispridentiae mnemoneutica und die Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen haben eine unkritische Einstellung zum positiven Recht gemeinsam. Die Anwendung der mathematischen Erfahrung hatte in diesen Werken jedoch andere Ziele. In Bezug auf den ausführlichen Text des Syntagma Iurisprudentiae war die Suchfunktion zentral. Weigels Verwirklichung dieses Zwecks halte ich für Leser für nützlich, aber das war keine qualitative 26 Weigel (2004) 97. 27 Vgl. Universal-Lexicon (1750) 585–586. 28 Weigel (2004) 97. 29 Weigel (2004) 51: „… Derer gantz mißgültigen werden etliche beym Staat gar gnädig angesehen und nur von Nichts gerechnet die mit einem blossen Nulla bezeichnet so lang in der Gemeine als natürliche Personen gelitten werden: dergleichen sind die infames, die Unehrlichen denen alle Achtbarkeit und Geltung abgesprochen [wurde] nur daß sie das natürliche Leben noch behalten: zu welchen die zum ewigen Gefängnüs Verdammete Verdammete gar nahe treten …“ 30 Weigel, (2004) 51: „… Etliche aber sind gleichsam würcklich mißgeltende AffterPersonen (…). Dann in diesem Stück folgte die Politic der Arithemetic auff dem Fuße nach daß sie nemlich die schädlichen Personen weil sie die Gemeine soundsoviel schon abgetragen als sie selbst mit Haut und Haar kaum werth sind selbst auch aus der Gemeine gantz außreutet: Eben als in der Algebra das minus, weil es in denn anderen Theil der aequation eben so viel zurück setzet selbst auch aus seiner Zunfft außgerottet zuwerden pfleget.“ 31 Weigel (2004) 142.

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Innovation. Originell ist die Anwendung einiger Elemente der Zahlentheorie in der Arithmetischen Beschreibung der Moral-Weißheit als Legitimierungsfunktion der Rechtsfiguren, Rechtsfindung, aber auch der Rechtsverletzungen als objektive Bestandteile des universalen Systems. Diese Theorie – ähnlich wie alle von Weigels mathematischen und technischen Erfindungen – war jedoch weit entfernt von den damaligen Entdeckungen auf dem Gebiete der Mathematik32. Elf Jahre vor der Publizierung der Arithmetischen Beschreibung der Moral-Weißheit hat John Graunt in England das für die Entwicklung der Statistik bahnbrechende Werk Natural and Political Observations upon the Bills of Mortality veröffentlicht. Seine Originalität bestand in der Anwendung von Mathematik zur Suche eines Trends im Sozialleben aufgrund von empirischen Daten. Weigels arbiträre Verbindung der Zahlentheorie mit sozialen Tendenzen stand dagegen der Astrologie näher als der kritischen Wissenschaft. Seine Erwägungen führten trotzdem dazu, dass das Interesse an mathematisierendem Denken über das Recht gesteigert wurde. Weigels Schüler, Samuel Pufendorf und Gottfried Wilhelm Leibniz, spielten eine wichtige Rolle im Rahmen der juristischen Methodendebatte im 17. Jh. Der erste von ihnen übernahm von seinem Lehrer einige in der Arithmetischen Beschreibung angewandte Konzepte, wie z.B. die quasi-geometrische Einheit der richtigen und die Vielfalt der tadelnswerten Handlungen33, den Begriff der „moralischen Persönlichkeit“34 oder die Unterteilung der Machtarten über Personen oder über Sachen35, jedoch ohne diese Gedanken algebraisch, geometrisch oder physikalisch zu begründen.

32 Vgl. Cantor (1901) 40. 33 Weigel (2004) 86: „bey der Zusammengehörung und Zielung (…) keine Varietät und Ungleichheit sondern blosse eine Gleichheit und Richtigkeit (…) zufinden; also ist bey der Voneinanderstehung und Abweichung eine unendliche Varietät da immer eine Part weiter als die andere voneinander stehet welches dann insgesamt auch die Distantz der Abstand das ist die genaue Ermessung und Quantität des Abstandes genennet wird. Es kan aber die Quantität des Moralischen Abstandes nicht besser als mit gewissen Zahlen ermessen werden….“; Pufendorf (1760) 232 [I, def. XVIII, § 1]: Aestimatione absoluta moralis actionis et quidem bonae praecise loquendo et quasi geometricae nulla est quantitas (…) Mala vero actio quoniam a lege declinat, distantiam aliquam omnino habet a lege, maiorem, minorem …; Vgl.: Behme (2004a) 191, Anm. 94; Stephanitz (1970) 71. 34 Weigel (2004) 110; S. Pufendorf, (1760) …, S. 20 ff., [I, def. IV]; vgl.: Th. Behme, Sachkommentar …, S. 198, Anm. 117. 35 Weigel (2004) 159–160; Pufendorf (1760) 69–70 [I, def. VII § 3]; Vgl.: Behme (2004a) 204, Anm. 157.

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Pufendorf lobte in seinen historisch-methodischen Erwägungen (De novitatibus philosophicis) die Entwicklung klarer Formen der Darstellung des Rechtsstoffes im neuen Naturrecht wie die Tabelle oder die Zusammenstellung (synopsis)36. Eine deutliche Orientierung an der Suchfunktion der modernisierten Darstellung des Rechtsstoffes in Weigels Synopsis hat Pufendorf in diesem Kontext jedoch nicht diskutiert. Sein Interesse für Mathematik zielte auf die Fortbildung der von Hugo Grotius eingeführten neuen Idee von der Beziehung zwischen Natur- und positivem Recht (De origine et progressu disciplinae iuris naturalis)37. In diesem Rahmen wurde die auf der Autorität der doctores beruhende scholastische Rechtsfindung der Formalisierung juristischer Argumentation gegenübergestellt (De statu hominum naturali)38. Die Wendung „hoc primum demonstrandum fuerit“39 galt bei Pufendorf als das Symbol, aber auch als die Anwendungsgrenze der Mathematik für diesen Zweck. Der zweite bekannte Schüler von Weigel, Leibniz, hatte im Unterschied zu Pufendorf neben der juristischen auch eine mathematische Ausbildung genossen. Er gehörte zu den größten Mathematikern seiner Zeit40. Die Weigels Synopsis iurisprudentiae mnemoneutica zugrundeliegende Idee der Nutzung mathematischer Kenntnisse für die Verbesserung der Suchfunktion eines Rechtssystems fand seine scharfsinnige funktionale Parallele in dem leibnizianischen Vorschlag der Vereinfachung der großen juristischen Kompendien41 und der Zusammenfassung des Corpus Iuris Civilis und des Corpus Iuris Canonici in einem knappen, übersichtlichen und eindeutig gefassten Rechtstext42. Im Brief an Herzog Johann Friedrich aus dem Jahr 1671 schrieb er über die Zusammensetzung der elementa juris romani hodierni auf einer einzigen Tafel, um „durch deren combination in casu proposito vorgeschriebener Methodo gemäss alle vorgegebenen Fragen nach den Gemeinen Römischen Rechten auflösen könne“43. Der Gelehrte hoffte noch am

36 Pufendorf (1678) 19. 37 Pufendorf (1678) 11: … Post Grotium circa ius naturale operam quoque posuit Thommas Hobbes, vir summo ingenii acumine; qui uti ipse studiis mathematicis innutrius erat, ita (…) demonstrandi mathematicis usitatam doctrinae morali accommodare, … 38 Pufendorf (1678) 55: … Revera tamen cordatis insanum videbatur, per doctores in suffragia misos demum definire velle, quod intenso in paginam et lineam digito demonstrari debebat … 39 Pufendorf (1678) 18. 40 Pfeiffer/Dahan-Dalmédico (1994) 29. 41 Stephanitz (1970) 78. 42 Vgl. Sturm (1968) 8. 43 Zit. nach Stephanitz (1970) 78, Fn. 216.

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Anfang des 18. Jh., also in den letzten Jahren seines Lebens, auf die Fertigstellung der Rechtstafeln44. Diese Idee hat Leibniz im Gegensatz zu Erfindungsplänen einer mechanischen Rechenmaschine45 jedoch nicht in die Realität umgesetzt. Leibniz äußerte sich zur Arithmetischen Beschreibung der Moral-Weißheit. Seine Kritik richtete sich gegen die Unvollständigkeit von Weigels Theorie. Das Kerndefizit der Theorie sah Leibniz in der Umgehung der Infinitesimalrechnung46, deren Grundlagen er im Jahr 1675 unabhängig von Newton erarbeitet hatte47. Die ähnliche Kritik des Mitbegründers der modernen Statistik, William Petty, spricht für die leibnizianische Hoffnung auf die Anwendung der Infinitesimalrechnungsidee auf Sozialfragen, d.h. der Berechnung infinitesimaler Elemente, deren Bereich nicht mit geraden Linien, aber mit einer Kurve markiert sind48. Niemals hat jedoch Leibniz seine großen Erfolge im Bereich der Infinitesimalrechnung auf die auf Rechtsfragen bezogene Debatte übertragen. Die praktischen Auswirkungen von Weigels systematischen Ideen auf seine großen Schüler, Pufendorf und Leibniz, waren also gering. Der erste von ihnen sah die inspirative Rolle der Mathematik für das juristische Denken nicht in der Suche nach innovativen Lösungen der Probleme, sondern lediglich in der Formalisierung der Beweise. Die leibnizianischen Pläne zur Überwindung dieser Grenze49 verwirklichten sich nur in für allgemeine Methoden- und Systemfragen irrelevanten kleinen Studien zur Berechnung der sog. interusuri50. Die innovative Verbindung der demonstrativen Methode und der Systembildung des Rechts wurde mithilfe von Parallelen zur Mathematik von Christian Wolff entwickelt. Der berühmte Universalgelehrte überwand die für Weigels Arithmetische Beschreibung eigene direkte Legitimierung der Sozialordnung mit der Mathematik. Fundamental für Wolff war die Erklärung der Systemverbindung von Recht und Philosophie als analog zur Beziehung zwischen Astronomie und Geometrie, Trigonometrie und Arithmetik (De jurisprudentia civili in formam demonstrativam redigenda)51. Mit der Berufung auf Weigels Werk Astronomiae

44 Sturm (1968) 23. 45 Vgl. Juszkiewicz (1976) 74. 46 Leibniz (1857) 149. 47 Juszkiewicz (1976) 272–277; Pfeiffer/Dahan-Dalmédico (1994) 201. 48 Vgl. Juszkiewicz (1976) 274 ff. 49 Vgl. Leibniz (1866) 326 ff. 50 Z.B. Leibniz (2001) 663 ff. 51 Wolff (1770) 218: … ius civile cum philosophia arcto adeo vinculo connectere licet, quo partes Matheseos mixta cum pura, veluti Astronomia cum Geometria, Trigonometria et Arithmetica…

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Pars Sphaerica Methodo Euclidea Conscripta sah Wolff die Geltung der philosophischen Prinzipien im Recht genauso wie geometrische Axiome in der Astronomie52. Die Schaffung des richtigen Rechtssystems setzte nach Wolff, so wie Algorithmen in der Mathematik, die Ausarbeitung präziser, axiomatischer Definitionen53, den Rigorismus der Reihenfolge der Definitionen und Prinzipien54 sowie die Übersichtlichkeit des Rechtstextes55 voraus. Die in diesem Kontext formulierte Erwartung, dass der Rechtsstoff durch sein System leichter erkannt werden könne56, entsprach funktionell der aus Weigels Synopsis iurisprudentiae mnemoneutica bekannten Nutzung der mathematischen Inspirationen zur Verbesserung der Suchfunktion für die Rechtsystematik. Im Gegensatz zu Weigel hat Wolff die Leistungsfähigkeit der Systematik der justinianischen Pandekten in Frage gestellt57. Die Kernfunktion der Rechtssystematik wurde bei Wolff dem idealistischen Zweck der demonstrativen Methode wie der Freiheit von Auslegungszweifeln und einer dementsprechend einheitlichen, vorhersehbaren und einfachen Rechtsanwendung untergeordnet58. Direkte Verweisungen auf die Mathematik im Rahmen der Umsetzungsversuche dieses Ideals traten in den systematischen Darstellungen der im 18. Jh. in deutschen Territorien geltenden Rechtsordnungen auf59. Dem monumentalen Systema elementare universae iurisprudentiae positivae von Daniel Nettelbladt lag seine Überzeugung zugrunde, dass für die notwendige Verwissenschaftlichung der Dogmatik des positiven Rechts die demonstrative Methode übernommen

52 Wolff (1770) 218. 53 Wolff (1770) 216 u. 219. 54 Wolff (1770) 221: … Ex dictis liquet, si leges civiles ad formam demonstrativam reducere volueris, eas ita ordinandas esse, ut posteriors pendeant a prioribus seu sequentes ab antecedentibus … 55 Wolff (1770) 223. 56 Wolff (1770) 222: Facilius quoque singula intelliguntur cum principia recentius memoriae impressa sint clariora … 57 Wolff (1770) 224: Rem maxime difficultatis ac laboris plurimi esse vidimus ius civile Romanum in formam demonstrativam redigere … 58 Wolff (1770) 224: Si ius fuerit in formam demonstrativam redactum, liberabimur ab omnibus interpretationibus dubiis. Etenim si qua lex occurrit cuius dubia est interpretatio, interpretibus in diversas euntibus sententias, certo decidere licebit, quinam verus esse debeat sensus … 59 Ich nehme in diesem Aufsatz zwei Werke dieser Art als pars pro toto: Nettelbladt (1762) und Multzer (1770).

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werden müsse60. Die Mathematik wurde in diesem Kontext als notwendiger Stimulierungsfaktor der richtigen Erkenntnisfähigkeit eines Juristen benannt61. Die mathematische Färbung des demonstrativen Rechtssystems wurde konsequent von einem Kanonisten, dem Jesuiten Ignaz Mulzer betont. Seine Introductio in jurisprudentiam ecclesiasticam positivam germanorum basierte auf sprachlicher Gleichstellung der mathematischen und demonstrativen Methode als der strengen wissenschaftlichen Lehrart62. Diese Sprachpraxis manifestierte sich bei der Bildung der systematischen Darstellung des positiven Kirchenrechts nach wolffianischen Prinzipien63 in den folgenden Argumenten: Die Anwendung der mathematischen Methode durch einen Kanonisten mache es rational64 oder die Kenntnis der Mathematik helfe auch einem Juristen bei der Suche nach der Wahrheit65. Das Beispiel von Nettelbladt und Mulzer veranschaulicht, dass die Mathematik in den systematischen Werken des 18. Jh. darauf reduziert wurde, die Kernrolle der demonstrativen Methode zu legitimieren. Definitiv außerhalb des Bereichs juristischer Debatten über Systemfragen blieben im 18. Jh. die mathematischen Wahrheiten66. Die Anwendung der demonstrativen Methode zur Systematisierung des positiven Rechts brachte eine formale Innovation mit sich. Im Einklang mit dem Prinzip der rigoristischen Reihenfolge im Rechtssystem wurden die sog. generalia ausgesondert. Nettelbladt bezeichnete sie als die ontologia iuridica67. Mulzer erklärte die generalia als die gemeinsamen, für verschiedene positive Kirchenrechtsordnungen geltenden Regeln68. Zu dieser wissenschaftlichen Debatte gehörte die erste historische Aufteilung des Zivilrechts in einen Allgemeinen und einen Besonderen Teil von Christoph 60 Nettelbladt (1762) 13, § 26: Iurisprudentiam positivam docturo incumbit, ut illam demonstrativa methodo tradat, quoniam haec methodus optima … 61 Nettelbladt (1762) 14, § 28: … In studio iurisprudentiae (…) ad philosophicam et mathematicam eius cognitionem adscendere debet …, u. § 29): … Mathesis per quam intellectus cultura promovenda … 62 Z.B. Mulzer (1770) 39, § 108: Methodus synthetica accuratior est mathematica (demonstrativa, scientifica, naturalis, rustica) die strenge Lehrart. 63 Mulzer (1770) II. 64 Mulzer (1770) 42, § 117: Canonistam, qui methodo mathematica utitur, esse canonistam rationalem … 65 Mulzer (1770) 104, § 271: Mathesis, ut habeat discens ideam exemplarem methodi, qua veritates in Iurisprudentia Eccelesiastica positiva pertractandae; quare magis ad modum, quo mathematici utuntur, … 66 Vgl. Mulzer (1770) 104. 67 Nettelbladt (1762) 53, § 2. 68 Mulzer (1770) 2, § 2.

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Dabelow69. Dabelow sah die Gründe seiner Innovation in der Ablehnung von Nettelbladts Metaphysik des Rechts und in der Grenzänderung der systematischen Verallgemeinerung des Rechtsstoffes unter Berücksichtigung der Lehre von Gustav Hugo70. Die „logische Probe“ galt für ihn als das Richtigkeitskriterium seiner systematischen Entdeckung71. Für ihre Rezeption in der Dogmatik des Privatrechts bahnbrechend war das Werk von Georg Heise, das zehn Jahre später veröffentlicht wurde. Die im Vergleich zu Dabelows System klare Gestaltung der allgemeinen Lehren bei Heise machten sein Werk leserfreundlicher72. Der rein didaktische Zweck von Heises systematischer Innovation73 erlaubte es, sie als neue Verkörperung der von Weigel, Leibniz oder Wolff geäußerten Idee anzusehen, juristische Erkenntnis durch die Verbesserung der Suchfunktion juristischer Systematik zu erleichtern. Die formalistischen Voraussetzungen der Debatte über ein demonstratives Rechtssystem blieben bei Heise jedoch unberührt. Außerhalb ihres Bereichs blieben die Probleme und Entdeckungen der Mathematik des 17. und 18. Jh., die bei der Ablehnung der einfachen mechanischen Weltanschauungen der Naturwissenschaften geholfen haben. Das Fiasko von Weigels Idee von der mathematischen Legitimierung der Sozialordnung bedeutet jedoch nicht das Ende der mit der demonstrativen Methode weitergehenden Nutzung der Mathematik im Recht. Im Laufe des 18. Jh. wurden die Werke zur sog. Mathesis forensis veröffentlicht. Es entsteht also die Frage, was diese zweigleisige Verbindung zwischen der Mathematik und dem Recht für die sog. Mathematisierung der juristischen Methode bedeutet.

3.  Die demonstrative Methode und Mathesis forensis Die Sprachformeln „demonstrative Methode“ und „mathematische Methode“ wurden in der wissenschaftlichen Debatte des 17. und 18. Jh. konsequent als Synonyme verwandt. Dieser Sprachpraxis lag die Überzeugung zugrunde, dass 69 Vgl. Böhmer (1965) 71. 70 Dabelow (1796) XIV–XVII u. XXI. 71 Dabelow (1796) XVIII. 72 Heise (1839) 12–37. Die allgemeine Lehre teilt sich bei Heise in sieben Kapitel auf: von den Quellen des Rechts [§ 1–24]; von den Rechten [§ 25–38]; Von Verfolgung und Schützung der Rechte [§ 39–74]; von den Personen [§ 75–108]; von den Sachen [§109–123]; von den Handlungen [§ 124–162]; Raum- und Zeitverhältnisse (163–188). Der allgemeine Teil von Dabelow besteht aus vierzehn Hauptstücken, von denen sechs (I, II, III, IV, VII, IX) parallel zu den Bestandteilen von Heises Systematik liegen. 73 Heise (1839) III.

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das Beweisverfahren in der Mathematik und das universale Modell der richtigen Argumentation einander funktional ähnlich seien. Frei von der Auswirkung der Philosophie von Descartes74 betrachtete Erhard Weigel die Mathematik als den Hauptnenner der aristotelischen syllogistischen Argumentation und der euklidischen Geometrie75. Der Anhänger des Cartesianismus76, Samuel Pufendorf, lobte Thomas Hobbes für die Anpassung der mathematischen Beweisverfahren an die Entwicklung der Doktrin des Naturrechts77. Leibniz betonte in seiner juristischen Dissertation – unter Berufung auf Weigel – die Analogie von dem Beweis der Unmöglichkeit durch die Unterscheidung (distinctio) in der Algebra und den juristischen Kontroversen78. Der Kern des im Naturrecht angewandten universalen Argumentationsmodells hat Christian Wolff mit Verweisungen auf die Mathematik illustriert. Die willkürliche Geltung der nicht empirischen, präzisen Definitionen und Prinzipien im Naturrecht wurde von ihm für analog zur Autorität der arithmetischen Progression oder der Teilung eines Kreises in 360 Grad erklärt79. Die Universalität eines in solchen Definitionen verwurzelten Denkens garantierten nach Wolff die für die Mathematik, Philosophie und Jurisprudenz einheitlichen logischen Syllogismen80. Seine Nachfolger sprachen allgemeiner über die im Rahmen der Rechtswissenschaft erwünschte Nachahmung der Mathematiker81 oder stellten die Ablehnung der mathematischen

74 Vgl. Cantor (1901) 39. 75 Weigel (1671) 7: … Quemadmodu igitur Analysis Aristotelis quasi regulativam una cum Euclidis expresiva, quam praxin analyticam vocam, … 76 Pufendorf (1678) 22. 77 Pufendorf (1678) 11–12: … Thomas Hobbes vir summo ingenii, acumine; qui uti ipse studiis mathematicis innutritus erat, ita (…) demonstrandi mathematicis usitam doctrinae morali accommodare… 78 Leibniz (2014) 3. 79 Wolff (1770) 216: Aequipollent enim definitiones, quas ingrediuntur, nominalibus quas arbitrarias esse constat. Pertinet adeo illae determinationes inter principia, quae sumatur, non probantur, ubi cetera demonstrare volueris, quemadmodum in ipsa Mathesi summitur progressio numerorum naturalium, (…) sumuntur signa operationum arithmeticarum seu specierum algorithmi, divisio circuli 360. gradus, … 80 Wolff (1770) 220: Hinc logica nonnisi una est (…) Syllogismus eandem formam tenet in Mathesi, Philosophia, Iurisprudentia, ipsa Theologia, immo in communi quoque vita, id quod in primis in Psychologia empirica dilucide ostendi …. 81 Elend (1739) 17: … Imitemur ergo in iurisprudentia condenda et tradenda mathematicos, …

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Lehrart als Erlaubnis dazu dar, „unrichtige Erklärungen zu machen, unbestimmte und zweideutige Sätze vorzubringen, falsche Schlüsse zu folgern“82. Die Leistungsfähigkeit der demonstrativen Methode manifestierte sich – unter dem Schild der Modernität – in der Entwicklung der neuen Doktrin des Naturrechts83. Leibniz‘ Versuch, diese Methode im Specimen demonstrationum politicarum pro eligendo rege Polonorum anzuwenden, um die Wahl von Philipp Wilhelm von der Pfalz (1615–1690) zum polnischen König in der Zeit des Interregnums 1668–1669 zu begründen, war jedoch irrelevant für polnische Wahlen im 17. und 18. Jh.84 In den Äußerungen zur polnischen Übersetzung des Werkes aus dem 19. Jh. traten sowohl die Begeisterung über die Scharfsinnigkeit des leibnizianischen Argumentationsmodells als auch die Kontroverse hinsichtlich der Polenfreundlichkeit seiner Äußerungen zutage85. Die Anhänger der sog. mathematischen Methode waren sich darüber bewusst, dass deren Übertragung aus dem Bereich der Rechtsphilosophie auf das positive Recht problematisch war. Christian Wolff selbst sprach in der Anknüpfung an seinen Vorschlag der Modernisierung der richterlichen Arbeit nach geometrischem Vorbild über die Probleme der exakten Anwendung der demonstrativen Methode in der Rechtspraxis (De iudice incompetente jurisprudentiae demonstrativae)86. Die Versuche der Umsetzung dieser Methode in die gemeinrechtliche Debatte provozierten Äußerungen über ihre Leistungsfähigkeit. Wolffs Nachfolger, Gottfried Heinrich Elend, unterschied zwischen dem mathematischen Rigorismus der Definitionen im Naturrecht und den von subjektiven Vorstellungen geprägten Definitionen im ius civile87. In seiner Verteidigung der demonstrativen Methode sprach er über die Anwendung der 82 Claporth (1742) 252. 83 Pufendorf (1678) 19 f.: … Multo minus autem reprehensionem meretur illa novitatis species, quae non tamen consistit in novis veritatibus eruendis, quam in veteribus expoliendis, ac concinna methodo adornandis, aut quae disiectae hac enus et confusae res in formam artis digeruntur, et demonstrationibus stabiliuntur; … 84 Voisé (1969) 134. 85 Voisé (1969) 134. Offen bleibt die postulierte, von Voisé vertiefte Analyse der Wirkungsgeschichte des Specimen demonstrationum politicarum pro eligendo rege Polonorum in Polen. 86 Wolff (1770) 362 f.: … multo minus autem omnes ac singuli, quorum ea de re experitur iudicium, vel quorum interest nosse quid veri subsit, methodi demonstrativae ideam satis claram atquae distinctam habent, sine qua tamen iudicium certum formari impossibile …. 87 Elend (1739) 7: Tales sunt iurisprudentiae naturalis definitiones (…) quin ista disciplina iuxta rigorem mathematicum probari quaet. Vel definitiones ita sunt comparatae (…)

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demonstrativähnlichen Argumentation im positiven Recht88, die die Wertungsneutralität der mathematischen Definitionen nicht erreichen kann89. Elends Zeitgenosse, Johann Christian Claporth, erklärte noch deutlicher die praktische Unmöglichkeit der Schaffung von Kongruenz juristischer Meinungen mit der mathematischen Lehrart90. In seiner Argumentation für die Beschränkung realistischer Erwartungen an die demonstrative Methode91 beurteilte er die Verwendbarkeit des Wahrscheinlichkeitskriteriums. Christian Wolff nahm im Kontext der Anwendungsdefizite exakter naturrechtlicher Definitionen an, dass außerhalb der Grenze ihrer Anwendbarkeit die Argumente von der Wahrscheinlichkeit gelten sollten92. Claporth hat die Vergrößerung des Wirkungskreises der mathematischen Methode in Frage gestellt. Einerseits bestritt er die Möglichkeit, den Grad der Wahrscheinlichkeit im „weiten Labyrinth der wahrscheinlichen Begriffe“ genau abzumessen93. Andererseits argumentierte er unter Berufung auf die menschliche Natur, dass der Unterschied zwischen dreißigprozentiger Wahrscheinlichkeit einer Meinung und zwanzigprozentiger Wahrscheinlichkeit einer anderen mit „einem Louis d’or“ geändert werden könne94. Die sichtbare Beschränkung der praktischen Erwartungen an die demonstrative Methode manifestierte sich im Laufe des 18. Jh. also dadurch, dass die Parallelen zur Mathematik als weniger stark angesehen wurden und dass man ihre direkte Leistungsfähigkeit in der juristischen Argumentation bezweifelte. Der methodische Rigorismus wurde auf die Sorge um die inhaltliche Kohärenz der Rechtstexte95, die Klarheit der juristischen Argumentation96 und die

quae naturaliter subiecto non insunt, (…) adeoque nec per solam reflexionem indagari possunt; sed quae adiecta sunt vel ex meo vel alterius arbitrio … 88 Elend (1739) 12: … At vero si nostrae iurisprudentiae in academiis tradendae, ex iure romano, canonico et germanico collectae faciem considero, tantum abest, ut eam tali methodo, demonstratium imitante: tradi posse existimem; … 89 Elend (1739) 19: … et quo mathematici uti solent, nempe nominibus axiomatum, scholiorum, coroll. adscriptis, (…) in systemate iuris sine affectione nec applicari, nec a legentibus sine nausea prelegi posset … 90 Claporth (1742) 254 ff. 91 Claporth (1742) 231. 92 Wolff (1770) 363: Probabili iudicio tum demum esse locum, ubi quis methodi demonstrativae notionem nullam habuerit, facile patet, … 93 Claporth (1742) 256. 94 Claporth (1742) 257. 95 Cramer (1731) 11; Claporth (1742) 236 f. 96 Cramer (1731) 5; Claporth (1742) 262 f.

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Rationalisierung der Verallgemeinerung des Rechtsstoffes97 beschränkt. Für die Debatte zur Rechtssystematik bedeutete das die Ersetzung von Nettelbladts Metaphysik des Rechts und seinen enzyklopädischen Bemühungen um die Anordnung des Ganzen durch den Allgemeinen Teil des bürgerlichen Rechts, der auf der Einteilung des Personen- und Sachenrechts basierte98. Diese Entwicklung bedeutete eine qualitative Änderung der primären Prämissen der demonstrativen Methode. In diesem Kontext stellte sich heraus, dass die Kristallisierung des allgemeinen Teils des Privatrechts am Anfang des 19. Jh. nicht einfach als das Wirkungsergebnis der Idee eines demonstrativen Rechtssystems gesehen werden darf. Es setzte sich jedoch die ursprünglich rein mathematische Verbesserungsidee der Suchfunktion einer Systematik des Rechtsstoffes von Weigel und Leibniz fort. Der Erfolg des Allgemeinen Teils basierte auf dem Gleichgewicht zwischen der Suchfunktion eines Systems und der Bestimmung der generalia von Georg Heise. Sein Glaube an die Systemrationalität dieser Schöpfung hat jedoch „große Veränderungen“ in der Stellung der einzelnen Materien in der späteren Ausgabe nicht verhindert99. Das Gleichgewicht zwischen der formalen Struktur und ihrem Inhalt lässt sich jedoch nicht mit mathematischer Exaktheit erreichen. Der dogmatische Inhalt des Allgemeinen Teils des Privatrechts ist auch heute nicht universal. Die Fortsetzung der demonstrativen Methode im 18. Jh. war immer mit der Kenntnis ihrer Kritik verbunden100. Das stärkste Argument gegen die Mathematisierung der Rechtsmethode war die Sorge, die algorithmisierte Rechtswissenschaft könne ihre Selbstständigkeit verlieren. Plastisch illustrierte das die Frage nach der Möglichkeit, einen Juristen durch einen Mathematiker zu ersetzen101. Im Jahr 1734 veröffentlichte Johann Friedrich Pollack das erste selbstständige Buch zur Mathesis forensis102, das die für die Rechtspraxis hilfreiche Systematisierung und Fortbildung schon früher diskutierter Rechenfragen zum Zweck hatte. Doch weder dieses Werk noch ähnliche spätere Veröffentlichungen beweisen

97 Dabelow (1796) XIV f. 98 Vgl. Dabelow (1796) XVIII ff. Vgl. auch Stephanitz (1970) 94. 99 Heise (1839) XII. 100 Vgl. Elend (1739) 5; Claporth (1742) 197 ff. 101 Zit. nach Elend (1739) 5: … Ludevigius Hallensis opposuerit, hanc methodum tanquam prorsus alienam a iurisprudentia reiiciens, eius adoratores exsibilans, moreque suo in eos, a quibus dissentit, nimis acerbe inuehens paucis inquiramus, an methodus haec demonstrativa applicari possit ad iuris scientiam conscribendam et explicandam, vel an ea felicitate, qua mathematicus superbit, iurisconsultus carere debeat? 102 Vgl. Oettinger (1863) IV.

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juristenfeindliche Ambitionen der Mathematiker. Die moralische Natur schloss die juristischen Begriffe nach Pollack aus dem Anwendungsbereich der Mathematik aus, der sich nur auf die messbaren Objekte erstreckt103. Die Kritik an Versuchen, diese Grenze in der juristischen Argumentation zu überwinden, illustrierte er mit der Fehlerhaftigkeit der Parallelen zwischen der Tauschgerechtigkeit und der arithmetischen Proportion sowie zwischen der Verteilungsgerechtigkeit und der geometrischen Proportion. Diese Anwendung mathematischer Begriffe von Rechtsgelehrten und Anwälten im Widerspruch zu ihrem richtigen Verständnis galt für den Verfasser der Mathesis forensis als Betrug104. Der Sinn der Ergänzung der curricula der juristischen Fakultäten um die sog. gerichtliche oder politische Mathematik sah Pollack in zwei Gründen. Erstens verstand er die Kenntnis der Mathematik für ca. zwei Drittel der Juraabsolventen als nützlicher als die rein juristische Ausbildung, da diese Absolventen seiner Meinung nach keine Chancen auf richtige juristische Berufe hatten105. Pollacks Kernargument für die Entwicklung der Mathesis forensis bestand zweitens in der Unterstützung der Selbstständigkeit der Juristen bei der Lösung einiger rechtlicher Fälle106. Er war also sehr juristenfreundlich. Der Schwerpunkt der Erörterungen von Pollack und anderen Vertretern der Mathesis forensis wie Johann Friedrich Unger und Carl Chassot de Florencourt lag in der Klärung der Frage, was aus der Mathematik bei der Beurteilung der Probleme der Rechtspraxis helfen könne. Die Liste der in diesem Rahmen diskutierten Probleme reichte von der Zusammensetzung der unterschiedlichen Anwendungsfälle der exakten Naturwissenschaften in der Rechtspraxis107 hin zu der im Laufe des 18. Jh. wachsenden Zahl reiner Rechenfragen wie z.B. die Berechnung der interusurii108, die Berechnung der legitimae, Falcidiae, die Proportionierung der Fässer, die Berechnung des Vorteils oder

103 Vgl. Pollack (1756) 3 f. u. 54. 104 Pollack (1756) 51–54. 105 Pollack (1756) 5 f. 106 Pollack (1756) 54. 107 Das Werk von J. F. Pollack besteht aus fünf Teilen: Von der Rechenkunst und deren Gebrauch in der Rechtsgelehrsamkeit (S. 7–144), Von der Geometrie und deren Anwendung in der Rechtsgelehrsamkeit (S. 145–265), Von der Baukunst und deren Anwendung in der Rechtsgelehrsamkeit (S. 266–312), Von der Mechanik wie auch Hydrostatik und deren Anwendung in der Rechtsgelehrsamkeit (S. 313–416) und Von der Chronologie und deren Anwendung in der Rechtsgelehrsamkeit (S. 417–436). 108 Pollack (1756) 116 ff. So heißen diejenigen Zinsen, welche ein Schuldner von einem vor dem bestimmten Zahlungstag abzuführenden Kapital nach den Rechten abzuziehen befugt ist.

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Schadens bei Übernahme gewisser Leibrenten, der Wahrscheinlichkeit und ihrer Berechnung109. Die Mathematisierung juristischer Argumentation in der Mathesis forensis hatte im Gegensatz zur demonstrativen Methode nichts mit der Formalisierung juristischer Begriffe zu tun. Mit anderen Worten beleuchtet dieser Vergleich die Spaltung zwischen der an der Änderung der Rechtsdogmatik orientierten demonstrativen Methode und der außerhalb der Rechtsdogmatik stehenden Verbindung von Mathematik und juristischer Argumentation in der Mathesis forensis. Erörterungsbedürftig bleibt also die Frage, ob die juristisch orientierten Erwägungen der Mathematiker des 18. Jh. eine Spannungsmilderung im Hinblick auf die mechanistische Verallgemeinerung des Rechtsstoffes und der Vielfalt des Soziallebens bewirken konnten.

4. Die Parallelen zwischen mathematischen Themen und dogmatischen Fragen des Allgemeinen Teils des Privatrechts von Georg Heise Unter den umfangreichen Verweisungen Heises auf die Literatur des 18. Jh. sind keine Werke über die Anwendung der Mathematik im Recht zu finden. Von Heise im Allgemeinen Teil des Privatrechts systematisierte dogmatische Fragen hatten jedoch zwei funktionale Parallelen zu Themen der juristisch orientierten mathematischen Debatte: das Ende der Rechtsfähigkeit und die Berechnung der Zeit. Seit den Glossatoren setzte das dogmatische Modell der Todeserklärung von Verschollenen die Vermutung der abstrakten Lebenszeit eines Menschen voraus110. Die Länge der zur Todeserklärung notwendigen Abwesenheitsfrist provozierte Kontroversen111. Der Mitbegründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung, Nicolaus I. Bernoulli, plädierte für die Anwendung dieses arithmetischen Mittels u.a. im Fall der Todeserklärung zur Suche „eines Gravitationszentrum[s] aller möglichen Werte“, die auch die Rechtsgelehrten zu erreichen suchen112. Arbiträre Vorschläge zur vernünftigen Abwesenheitsfrist hat Bernoulli mit einer auf Beobachtung der Totenzettel basierenden Rechnung der wahrscheinlichen Länge des Lebens ersetzt113. Der Mathematiker bestimmte die verschiedenen Fristen 109 Oettinger (1863) IV–VI. 110 Coing (1985) 200; Giaro (2014) 188. 111 Bernoulli (1709) 300 ff. 112 Kohli (1975) 542. 113 Kohli (1975) 549.

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zur Todeserklärung nach dem Alter eines Verschollenen im Einklang mit folgender Regel: Man verlangt, dass es zweimal so wahrscheinlich ist, dass einer tot ist, als dass er noch lebt114. Bernoulli erkannte jedoch die lokalen Unterschiede der Lebensbedingungen115. Daher betonte er die Rolle der soliden statistischen Bearbeitung der empirischen Daten für die Leistungsfähigkeit seiner mathematischen Lösung zur Präzisierung der Lebenserwartungen in der Rechtspraxis116. Die Statistik, ähnlich wie die Wahrscheinlichkeitsrechnung, gehörte zu den an Sozialfragen orientierten mathematischen Entdeckungen des späten 17. und des frühen 18. Jh.117. Der Widerspruch zwischen dem empirischen Ausgangspunkt dieser mathematischen Mittel und den rein axiomatischen Voraussetzungen der demonstrativen Methode118 hinderte ex definitione die potentiellen Auswirkungen von Bernoullis Erfindung auf die Verallgemeinerungsstufen des demonstrativen Systems119. Der Schwerpunkt der Erklärungen von Johann Pollack zum Gebrauch der Chronologie im Recht bestand in der Darstellung der Vielfalt der Berechnungsarten der Jahre und Tage in unterschiedlichen Rechtstraditionen und Gesetzen. Der Ausgangspunkt lag sowohl für die Mathesis forensis120 als auch für Georg Heise121 in der Erfahrung der rechtsdogmatischen Debatte, die im gemeinen Recht die Begriffe und Prinzipien des Titels De ferris et dilationibus et diversis temporibus der justinianischen Digesten122 fortsetzte. Die Probleme des Endes der Rechtsfähigkeit und der Berechnung der Zeit beleuchten besser die früheren Feststellungen zum Spannungsverhältnis zwischen der Vielfalt des Soziallebens und der Verallgemeinerung der im Allgemeinen Teil des Privatrechts gesammelten dogmatischen Fragen. Es liegt auf der Hand, dass die Mathematik der sozialen Vielfalt ohne statistische Mittel keine 114 Bernoulli (1709) 302. 115 Bernoulli (1709) 299: … in Helvetia nostra homines forsan ob vitam temperatiorem aut aëris meliorem constitutionem frequentius ad longissimam aetatem pervenire valeant, quam in Gallia, … 116 Bernoulli (1709) 299–300; vgl. auch Kohli (1975) 548. 117 Juszkiewicz (1976) 100–102. 118 Pufendorf (1678) 114: … Hoc modo enim logica, arithmetica, geometria, natura notae dicti possunt, quis neque ad eas addiscendas revelatione supernaturali opus est, neque observationemhistoricam et experimenta eadem praesupponunt… 119 Die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsrechnung wurde von der Physik geprägt. Vgl. Plato (1994) 10. 120 Vgl. Pollack (1756) 428–434. 121 Heise (1839) 36. 122 D. 2,12.

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Standardisierungsinstrumente angeboten hat, die außerhalb des Bereichs der rechtsdogmatischen Debatte der zweiten Hälfte des 18. Jh. liegen.

5. Fazit Die Erklärung des Allgemeinen Teils im Recht als eine Art Ausklammerung bestimmter Systemelemente lag der in der Einführung formulierten Frage nach den historischen Argumenten zur Leistungsfähigkeit der Mathematik für die Fortbildung des systematischen Denkens über das Privatrecht zugrunde. Die Herstellung von Kontaktpunkten zwischen der Mathematik und unterschiedlichen Modernisierungsversuchen des gemeinen Rechts im 17. und 18. Jh. bereichert das Verständnis der wissenschaftlichen Fundierung des Allgemeinen Teils des Privatrechts123. Die Mathematik lässt sich in diesem Rahmen mit der innovativen Gestaltung der Suchfunktion der Rechtssystematik in Verbindung bringen. Aufgrund der analysierten Quellen erscheint es plausibel, drei Voraussetzungen dieser Neuheit zu bestimmen. Erstens ersetzte die systematische Verallgemeinerung der Rechtsbegriffe die von Weigel verwirklichte und von Leibniz diskutierte Verbesserungsidee der Suchfunktion durch die tabellarische oder schematische Verbindung der konkreten Fragen mit dem positiven Recht. Zweitens haben Christian Wolff und seine Nachfolger den Rigorismus der sog. mathematischen Methode durch die Anerkennung der Flexibilität der systematisierenden Begriffe des positiven Rechts gemildert. Drittens basierten die kritischen Äußerungen in der zweiten Hälfte des 18. Jh. zu Defiziten der neuen Systematik nur auf der Erfahrung der rechtsdogmatischen Debatte, wohingegen jede Frage zum empirischen Bild der genannten systematisierten Begriffe übergangen wurde. Der Vergleich dieser Voraussetzungen mit den skizzierten Anwendungsbeispielen der Mathematik zu Sozialfragen im 17. und 18. Jh. lässt die Gestaltung der Suchfunktion im Allgemeinen Teil des Privatrechts vom Gesichtspunkt der potentiellen Leistungsfähigkeit der Mathematik aus synthetisch beurteilen. In dieser Perspektive gilt der Allgemeine Teil als Ergebnis zweier Einschränkungen. Die erste von ihnen veranschaulicht exemplarisch die Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Weigel. Sie bestand in einem extremen Subjektivismus der Anwendung mathematischer Theorien zur Klärung der Sozialordnung, die nicht auf empirischen Daten beruhte. Die zweite Beschränkung resultierte aus der Ignorierung der Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung, die seit der zweiten Hälfte des 17. Jh. Instrumente zur kritischen Beleuchtung der Spannung zwischen 123 Die Natur dieses Verwissenschaftlichungsprozesses ist heute umstritten; vgl. Giaro (2013) 56 f.

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der arbiträren Verallgemeinerung der Rechtsregeln und der Vielfalt des Soziallebens angeboten haben. Die Wissenschaftlichkeit des Allgemeinen Teils beschränkte sich natürlich nicht auf die Optimierung der Suchfunktion des Privatrechtssystems. Die Leistungsfähigkeit der Mathematik für die Fortbildung des systematischen Denkens über das Privatrecht verbindet sich jedoch in diesem Verwissenschaftlichungsprozesse mit der Suchfunktion der juristischen Systematik. Die Rekonstruktion des mathematischen Kontextes der Verwirklichung dieser Funktion in der Ausklammerungsstruktur macht klar, dass ihrer Optimierung der Verzicht auf die Idee eines technischen Verknüpfungsmechanismus konkreter Fragen mit dem positiven Recht sowie das Übergehen der mathematischen Instrumente gewisser Standardisierung der Vielfalt sozialer Ereignisse zugrunde liegen. Aus heutiger Perspektive ist die funktionale Parallele zwischen diesen historischen Unterlassungen und Prognosen zur Leistungsmöglichkeit der praktischen Informatik bei der Modernisierung der Rechtsbildung und Rechtsanwendung sichtbar. Diese Prognosen richten sich an die Kostenminderung der juristischen Dienstleistungen124, die Erleichterung des Zugangs auch der Laien zu ad casum relevanten Rechtsnormen125 und die Unterstützung der effizienten Redaktion widerspruchsfreier Rechtstexte126. Die Vorschläge, diese Ziele zu verwirklichen, setzten im Einklang mit der Erfahrung der Mathematisierungsversuche des Rechts im 18. Jh. keine Algorithmisierung der juristischen Argumentation voraus127. Sie basieren auf der Verbesserung der Suchfunktion dank der informationstechnischen Bearbeitung digitalisierter Rechtstexte und der Standardisierung von Rechtsproblemen. Als vielversprechendes Beispiel für die Anwendung der Informatik gelten sog. Expert Systems, die die Rechtsnormen mit typischen, konkreten Rechtsfragen in Verbindung bringen128. Die diesen Prognosen zugrundeliegenden Erwartungen an die Leistung der informationstechnischen Instrumente beziehen sich auf die Funktionen, die in den mathematischen Inspirationen der Suchfunktion des Allgemeinen Teils übergangen wurden. Das betrifft die Fortbildung eines technischen Mechanismus der konkreten Fragen des positiven Rechts mit einer gewissen Standardisierung der Rechtsereignisse unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse. Die Spannung zwischen der Suchfunktion der Ausklammerungsstruktur und heutigen Prognosen zur 124 125 126 127 128

Susskind (2010) 261. Susskind (2010) 28 f.; Cyrul et al. (2014) 20 u. 176 f. Cyrul et al. (2014) 23 ff. Cyrul et al. (2014) 22 u. 176. Susskind (2010) 25 f.

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Modernisierung der Suchfunktion einer Rechtssystematik in der digitalen Ära liegt also auf der Hand. Die Innovationsvoraussetzungen der Suchfunktion des Allgemeinen Teils können zwei Jahrhunderte später die prognostizierte bahnbrechende Modernisierung der Rechtspraxis infolge der Unterstützung durch praktische Informatik behindern.

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II. Teil  Methodische Probleme der Ausklammerung im Privatrecht

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Zeit, Gesetz und Ordnung – Gründe für die Voranstellung des Allgemeinen Teils aus Sicht der Verjährung Abstracts: The author of this paper aims to answer the question whether (from the perspective of liberative prescription) it is justified to order private law according to the pandectic system (particularly, if it is reasonable to create a general part). The basis for this paper was historical-comparative research on the French, German and Polish regulation of prescription. The conclusions from this research are that placing the regulation of prescription in the general part provides no special utility that could not be achieved using another method. On the other hand, the existence of a general part carries with it the risk that structure-related reasons can more easily prevail over functional interpretations. As a consequence, it is difficult to obtain coherent solutions. As far as prescription is concerned, the utility of a general part is of mainly of a pragmatic (not normative) nature, that is principally related with personal preferences, habits and tradition. W artykule podjęta została próba odpowiedzi na pytanie: Czy z perspektywy przedawnienia porządkowanie prawa prywatnego według modelu pandektowego jest uzasadnione (w szczególności czy uzasadnione jest wyodrębnienie części ogólnej)? Podstawą dla niniejszego artykułu była historyczno-porównawcza analiza francuskiej, niemieckiej i polskiej regulacji przedawnienia. Przeprowadzone badania wykazały, że umiejscowienie regulacji przedawnienia w części ogólnej nie wiąże się z żadną funkcjonalnością, której nie udałoby się uzyskać w przypadku wyboru innej systematyki. Z drugiej strony wyodrębnienie części ogólnej powoduje ryzyko zbyt łatwego poprzestawania na argumencie z systematyki, który w perspektywie argumentów funkcjonalnych prowadzić może do formułowania postulatów utrudniających osiągnięcie koherentnych rozwiązań. Wobec tego, z perspektywy przedawnienia, użyteczność części ogólnej może być widziana jedynie w płaszczyźnie pragmatycznej (a nie normatywnej), w której znaczącą rolę odgrywają jednak osobiste preferencje, przyzwyczajenie czy tradycja. L’autore di questo contributo intende rispondere alla questione osservata dalla prospettiva della prescrizione se sia ragionevole creare una “parte generale” del codice civile. Questo testo si basa su di un’analisi comparata, relativa alle normative francese, tedesca e polacca in tema di prescrizione. Le conclusioni che si possono trarre da uno studio siffatto confermano che la scelta di collocare le regole inerenti alla prescrizione all’interno della “parte generale” non assicura alcuna utilità specifica ed ulteriore, che non possa essere ottenuta attraverso di scelta d’altra sistematica del codice civile. Si deve aggiungere che, da un altro punto di vista, proprio l’adozione di una “parte generale” comporta il rischio che ragioni e

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argomenti legati alla struttura possano prevalere su di un’interpretazione di tipo funzionale. Di conseguenza risulta difficile individuare soluzioni coerenti con il contesto economico o sociale del caso. Per quanto riguarda la prescrizione, in definitiva, l’utilità dell’inserimento delle regole ad essa relative nella “parte generale” nasce essenzialmente da esigenze pratiche e non normative, dettate principalmente da scelte personali, da abitudini e dalla tradizione giuridica del paese concreto.

Ein gemeinsames Kriterium verbindet die drei Substantive im ersten Teil der Kapitelüberschrift – jedes Substantiv steht für eine gewisse Ordnung und wird somit mit Gewissheit und Vorhersehbarkeit assoziiert. Dabei ruft die Verjährung, die in rechtlicher Hinsicht die drei oben aufgeführten Begriffe beinhaltet, vollkommen andere Assoziationen hervor. Die Magie der menschlichen Psyche und des Gesetzes kommt bei der Verjährung dahingehend zum Vorschein, dass das, was in der Realität Ordnung ist, im Gewand von Vorschriften zu Unordnung und Chaos wird. Das aktuell große diesbezügliche Interesse der Wissenschaft und die in einigen europäischen Staaten durchgeführten durchgreifenden Reformen der letzten Jahre sprechen hier eine klare Sprache1. Eine der vielen Fragen, die es im Hinblick auf die Regelung der Verjährung wie auch die Regelung eines jeden sonstigen Instituts zu entscheiden gilt, ist die räumliche Verteilung der Vorschriften in einem Rechtsakt (und in zeitgenössischen kontinentalen Rechtssystemen vor allem im jeweiligen Zivilgesetzbuch). Es stellt sich daher die Frage, wo die jeweilige Vorschrift nach den Grundsätzen der gelebten legislativen Technik einzubetten ist. Die Frage lässt sich im gewissen Sinne auch umkehren: Ist die verwandte legislative Technik vor dem Hintergrund der gesamten Vorschriften für die Regelung des jeweiligen Instituts (verstanden als eine Sammlung von Regelungen für die Abgrenzung von anderen Instituten) effektiv und begründet? Denn das sogenannte „innere System“ und das „äußere System“ sind aneinander gekoppelt2. Sowohl das polnische als auch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch sind nach der Pandektensystematik gegliedert. Deshalb kann man nach dem Prinzip einer pars pro toto präzisierend folgende Frage stellen: Ist die Ordnung des Privatrechtes nach dem Pandektenmodell aus Sicht der Verjährung sinnvoll? Im vorliegenden Beitrag wird versucht, die Frage anhand der historisch-vergleichenden Forschung zur französischen3, deutschen und polnischen Verjährungsregelung 1 Borghetti (2016) 168 ff. 2 Baldus/Raff (2008) 108. 3 Im Hinblick auf die Repräsentativität des französischen Bürgerlichen Rechtes für die europäische Rechtstradition (s. Coing [1962] 13), seine Bedeutung für die Geschichte

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zu beantworten, wobei die Überlegungen auf die Frage der Begründetheit der Voranstellung des Allgemeinen Teils (AT) beschränkt werden.

1. Gründe für die Voranstellung des Allgemeinen Teils im Gesetzbuch und die Einbettung der Verjährungsregelung Blickt man auf den gegenwärtig als „Krönung“4 des Pandektensystems und „truly distinctive feature“5 bezeichneten Allgemeinen Teil aus Sicht der Verjährung und nicht umgekehrt, so ist man verstärkt dazu geneigt, Argumente für die Begründung der Nützlichkeit des AT aufmerksam zu hinterfragen und somit auch den historischen Kontext früher einmal gegebener Begründungen zu beachten. Deshalb wird hier an die Grundmerkmale des historischen Prozesses, der zur Voranstellung des AT führte, wie auch an die wichtigsten Motive, die für die Voranstellung sprechen sollen, erinnert, um den Gang der Darstellung für den Leser verständlich zu machen und um gleichzeitig den Stand der Forschung zu skizzieren.

2.  Entstehungsgeschichte des AT in Grundzügen Mit dem Pandektensystem, das in diesem Beitrag als Ordnungsschema für Kodexvorschriften verstanden wird, wurde die für den Bedarf der Rechtslehre entwickelte Systematik auf das gesetzte (positive) Recht übertragen. Gustav Hugo und Georg Arnold Heise bilden mit ihren Werken – Institutionen des heutigen römischen Rechts (1789)6 und Grundriss eines Systems des gemeinen Civilrechts zum Behuf von Pandecten-Vorlesungen (1807) – nicht den Anfang, sondern, im Grunde genommen, eine Zäsur in der reichhaltigen Geschichte der Systementwicklung und somit auch in der Geschichte des AT. Das Bedürfnis nach einer Neuordnung des Rechts ergab sich aus Unzulänglichkeiten des Systems der Digesten, die seit dem Mittelalter die Grundlage für die Entwicklung der Rechtslehre in Europa bildeten7. Im 16. Jahrhundert wurde mit

des Privatrechtes (s. z.B. Vogenauer [2009] 7) und die abweichende Systematik des französischen Bürgerlichen Gesetzbuches (CC). 4 Coing (1962) 24. 5 Zimmermann (1996) 31. 6 Wenngleich das Werk von Hugo, wie in der Literatur vermerkt, nicht so sehr den Allgemeinen Teil, sondern vielmehr eine Einleitung enthält; diese sei mit Einleitungen, die allgemeinen Teilen in späteren Lehrbüchern auch vorangestellt werden, vergleichbar – Björne (1984) 251–252. 7 Schmidt (2012a) 1238; Górnicki (2012) Rn. 30, 33 ff.

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der Suche nach einem universellen rationalen System begonnen8. Das Bündel der intellektuellen Quellen und Einflüsse auf das System, die sich bis zum 19. Jahrhundert entwickelten, ist reich und im gewissen Sinne eklektizistisch: die Humanisten9, die spanischen Scholastiker aus der Schule von Salamanca10 und vor allem die Naturrechtsschule mit ihrem deduktiven Lehrsystem, verbunden mit dem sog. mos geometricus11 und der Ausklammerungstechnik und auch die metasprachliche Fassung (kein Verdienst des Naturrechts mehr)12. Zusätzlich führte das Streben, von der Digestensystematik wegzukommen, im gewissen Umfang vorübergehend zur Verbreitung der sich in einem anderen Teil des Corpus Iuris Civilis, den Institutionen Justininans, befindlichen Gaius-Systematik (personae, res, actiones), die kurioserweise auch im Aufbau einiger späterer Allgemeiner Teile sichtbar wurde13. Es waren eben die deutschen Vertreter der Wissenschaft vom Gemeinen Recht, die sich, als sie sich von der Institutionssystematik abwandten, vom Naturrecht haben inspirieren lassen14 und einander zum Vorbild nehmend die neue Systemidee durch ihre Werke verbreiteten. Auch stehe „wie schon Schwarz betont, der allgemeine Teil in Heises Grundriss in enger Verwandtschaft zu den Vorgängern“15. Wie bereits erwähnt, endet die Geschichte des AT irgendwie eben an dieser Stelle, zu dem Zeitpunkt, als Savigny die von Heise16 abgeleitete Systematik berühmt machte, die so im 19. Jahrhundert „gained universal acceptance in text books“17. Diese allgemeine Akzeptanz war von großer Bedeutung für das Entstehen einer normativen Dimension des Allgemeinen Teils, d.h. für den Übergang der 8 Schwarz (1921) 583; Otte (1979) 180. 9 Schmoeckel (2003) 134. 10 Sie übernahm die methodologische Idee der Naturrechtschule: Lipp (1980) 151; Zimmermann (1996) 29. 11 Lipp (1980) 151: „Dabei spielt eine ganz erhebliche Rolle der Ehrgeiz dieser Epoche, die Naturrechtslehren und -systeme nach Art der Mathematiker more geometrico demonstrieren zu wollen“. Mos geometricus ist ein Begriff für eine Methode, die in der Rechtskunde des 18. Jahrhunderts Anwendung fand. Die Befürworter der Methode versuchten u.a. nach dem Vorbild des Hauptvertreters Christian Wolff, die in der Mathematik (insbesondere Geometrie) bekannte Denkweise in der Rechtslehre zu verwenden – Otte (1979) 179, 194 f. 12 Lipp (1980) 152. 13 Björne (1984) 251 f. 14 Schmidt (2012a) 1239. 15 Björne (1984) 252. 16 Schmoeckel (2003) 138. 17 Haferkamp (2012) 122; siehe auch Zimmermann (1996) 30; Björne (1984) 274.

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Allgemeinen Lehren in den AT. Denn die grundlegende Annahme während der Arbeiten am BGB war es, dass Adressat des Gesetzbuches nicht der Durchschnittsmensch, sondern der Jurist, vor allem der Vertreter der Rechtslehre sein werde. Deshalb hatte eben die Wissenschaft den größten Anteil an der Entwicklung eines neuen Zivilrechtes haben sollen18. Eine bedeutende Folge dieser Grundannahme ist neben dem Inhalt des Gesetzbuchs folglich dessen Aufbau. Wenngleich der AT für eine „intrinsically German idea“19 gehalten wird, wurde er anschließend u.a. auch im japanischen, argentinischen, brasilianischen, griechischen, polnischen, portugiesischen; ukrainischen, russischen und moldawischen Zivilgesetzbuch20 und in europäischen Rechtsharmonisierungsprojekten (PECL, DCFR)21 vorangestellt. In Polen wurde der Allgemeine Teil ins Schuldrechtgesetzbuch (KZ) von 1933 (natürlich nur als Allgemeiner Teil des Schuldrechtes) aufgenommen. Später wurde der AT als Dekret von 1946 über Allgemeine Vorschriften des Zivilrechts in Kraft gesetzt, anschließend entstand das AVZG von 1950; zuletzt erhielt das Zivilgesetzbuch von 1964 einen Allgemeinen Teil22. Auch der Entwurf des neuen polnischen Zivilgesetzbuches ist nach dem Pandektensystem geordnet. Sowohl bei den Arbeiten am Entwurf für den KC als auch bei den aktuellen Rekodifizierungsversuchen ist die Tradition ein Hauptargument für die Beibehaltung der Pandektensystematik23. 18 Schmoeckel (2003) 126 f. 19 Schmidt (2012) 774; allerdings hat die Idee einer gewissen Verallgemeinerung eine bedeutend längere Geschichte – beispielsweise beginnend mit D. 50,17 – s. Avenarius (2013) 69 ff. 20 Schmidt (2012) 774. 21 Schmidt (2012) 775. 22 Górnicki (2012) Rn. 35 ff.; 37 ff. 23 Projekt Kodeksu cywilnego oraz przepisów wprowadzających Kodeks cywilny (Warszawa 1962) 200 [Zivilgesetzbuchentwurf und Entwurf der Einführungsvorschriften für das Zivilgesetzbuch]: „Die Kodifizierungskommission beschloss, den Allgemeinen Teil im Gesetzbuch hauptsächlich aus zwei Gründen voranzustellen. Erstens hat eine derartige Systematik zivilrechtlicher Vorschriften in der Volksrepublik Polen bereits eine gewisse Tradition (…). Für den Bruch mit der Tradition müssten überzeugende Argumente vorliegen, die nicht ersichtlich sind. Zweitens – und dieser Grund scheint hier ausschlaggebend – ist die Voranstellung der allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts angebracht, da die Vorschriften im Gesetzbuch – wie oben bereits erwähnt – nicht das Gesamtbild der zivilistischen Problematik auszuschöpfen vermögen (…). Im Hinblick darauf werden die Vorschriften des Allgemeinen Teils ein Dachgebilde für die Gesamtheit spezieller zivilrechtlicher Normen – und zwar derjenigen im Gesetzbuch und auch derjenigen außerhalb des Gesetzbuches – darstellen und die richtige Rechtsauslegung und Rechtsanwendung erleichtern“. Entwurf mit Begründung: „Ähnlich wie

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3.  Grundargumente für die Voranstellung des AT „Wie bei der Darstellung des gesamten Privatrechtssystems wird auch hier zuerst die Geschichte des Aufbaus, danach diejenige der Begründungen dargestellt“24. Die Geschichte des AT ist keineswegs eine einfache Geschichte eines intellektuellen Projektes, sondern vielmehr eine Reihe aufeinander folgender Übernahmen und Modifikationen eines Musters – einer Folge mehrerer Grundannahmen, Methoden und Methodologien (deren Effektivitätspotential – am Rande vermerkt – durch die Rechtswissenschaft teilweise negativ bewertet wird)25. Durch die Geschichte lassen sich die Schwierigkeiten mit der Begründung der pandektistischen Gliederung erklären26. „Heise war wie Hugo wenig von der wissenschaftlichen Unabänderlichkeit seiner Systematik überzeugt. Es ging eher um eine pragmatische Aufteilung der Materie“27. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde versucht, die Voranstellung der allgemeinen Teile in Lehrbüchern durch verschiedene philosophische Ansichten, beispielsweise die von Kant oder Hegel28, zu begründen. Nach der Veröffentlichung des „Systems“ von Savigny wurden Begründungsversuche seltener und, falls unternommen, fußten auf Wiederholungen von Savignys Ansichten über die Zweckmäßigkeit des Allgemeinen Teils29. In der Literatur wird derzeit (auch aus historischer Perspektive) auf folgende Begründungen für den Bestand des Allgemeinen Teils hingewiesen: (1) dem Gesetzgeber wird die Möglichkeit gegeben, den Rang der jeweiligen Vorschrift als allgemeiner Vorschrift und ihre Stellung unter sonstigen Vorschriften festzulegen30; (2) es werden Wiederholungen, Kasuistik und somit die Anzahl von Vorschriften begrenzt (Rationalisierung der Materie)31; (3) Regeln, die auf sämtliche Bereiche des Privatrechtes anwendbar sind, werden zusammengefasst32 und

24 25 26 27 28 29 30 31 32

das gültige Zivilgesetzbuch von 1964 ist auch das zu entwerfende Gesetzbuch nach dem pandektistischen Modell zu systematisieren“. Björne (1984) 250. Otte (1979) 195 f. Björne (1984) 274. Schmoeckel (2003) 137. Schmoeckel (2003) 146. Björne (1984) 270. Schmoeckel (2003) 156. Schmidt (2012) 775; Bydlinski (1996) 120; Zimmermann (1996) 31; Schmoeckel (2003) 156; Radwański (2010) 17. Schmidt (2012) 774; Heck (1941) 27.

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dadurch übersichtlich33; (4) die Stoffsammlung ist insgesamt kohärent34 und präzise (hauptsächlich begrifflich)35; (5) es sind keine unbegründeten Abgrenzungen notwendig36; (6) Lücken fehlen37 trotz unvermeidbarer inhaltlicher Mängel der Gesetzbücher („das BGB ist folglich ein Gesetzbuch gleichsam mit Luft“38). Es wird auch damit argumentiert, dass die Nützlichkeit des AT umfassend zu bewerten ist, nicht nur im Hinblick auf die Gesetzgebung, sondern auch im Hinblick auf Wissenschaft und die Rechtslehre39. Die erleichterte Suche nach allgemeinen Inhalten in Kommentaren und Lehrbüchern wird insoweit als Vorteil des bestehenden AT gewertet40. Unter den oben genannten Gründen sind der erste und der sechste besonders beachtenswert, denn durch die Strukturierung von Rechtsvorschriften ist eine neu geschaffene Qualität entstanden – ein Rechtssystem41, das nicht eine bloße Vorschriftensammlung ist.

33 34 35 36 37 38 39 40

Schmidt (2012) 775; Schmoeckel (2003) 156. Schmidt (2012) 775; Schmoeckel (2003) 156. Zimmermann (1996) 31. Schmidt (2012) 775. Schmidt (2012) 775; Górnicki (2012) Rn. 45 ff., 47 ff. Schmoeckel (2003) 128. Zitelmann (1906) 4. S. Schmidt (2012) 775. Allerdings dürften die Vorteile der Voranstellung der allgemeinen Problematik in wissenschaftlichen Abhandlungen, Kommentaren oder Studienprogrammen und Studienvorlagen nicht das Urteil über die Nützlichkeit des AT in der Gesetzgebung beeinflussen. Es handelt sich nämlich hierbei um im gewissen Sinne dennoch voneinander unabhängige Sphären – dies ist am besten am Beispiel der französischen Rechtslehrbücher sichtbar, die im Grunde nach dem pandektistischen System aufgebaut werden (droit des obligations, droit des biens, droit des successions, droit de la famillie) – s. z.B. Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck (2016); Malaurie/Fulchiron (2016); Malaurie/Brenner (2016); Giaro (2013) 50 ff. 41 „Unter einem System verstehen wir die Ordnung von Erkenntnissen nach einem einheitlichen Gesichtspunkt. Im strengen Sinne kann von einem System sogar nur gesprochen werden, wenn der Zusammenhang zwischen den Einzelerkenntnissen lückenlos ist und sich in der Form der Deduktion von bestimmten Aussgangssätzen darstellen läßt, die Einzelaussagen sich also als logische Folgerungen aus gewissen Grundannahmen deduktiv ableiten lassen“; vgl. Coing (1962) 9.

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4. Einbettung der Verjährungsregelung in den AT und Begründung hierfür Andreas Schwarz hat Folgendes gesagt: „Wenn demnach der allgemeine Teil des Privatrechtssystems in methodologischer Hinsicht ganz deutlich auf das Vorbild des Naturrechts zurückgeht, so ist derselbe auch in seiner inneren Gestaltung in erheblichem Maß von diesem beeinflusst“42. Auch lassen sich Dependenzen zwischen der vom Naturrecht ausgehenden Inspirationskraft und der Breite der Stofffülle des Allgemeinen Teils feststellen43. Was namentlich die Systematik der dem Werk von Heise vorangegangenen Abhandlungen angeht, wurde die Verjährung beispielsweise im Allgemeinen Teil des Werkes von Christoph Christian (System des gesammten heutigen Civil-Rechts – 1796), oder in Doctrinae Pandectarum monogrammata (1801) von Christian Gottlieb Haubold44 gesondert geregelt. Die Verjährung wurde auch, wenngleich nicht als deutlich abgegrenztes Element, in den Allgemeinen Teil der Abhandlung von Daniel Nettelbladt (Systema elementare iurisprudentiae positivae germanorum communis generalis – 1781)45, Sektion De remediis iuris, und ähnlich bei Heise in das Kapitel Von Verfolgung und Schützung der Rechte46 aufgenommen. Im Allgemeinen Teil (Einführung)47 des berühmten Handbuchs von Gustav Hugo, der die Stofffülle anderer Allgemeiner Teile kritisierte, ist die Verjährung jedoch nicht zu finden48. Es scheint, dass die Inspiration durch das Naturrecht, die insbesondere Dabelow und Nettelbladt wie auch Hugo und Heise49 zugleich nachgesagt wird, nicht als ganz zuverlässiger Schlüssel für die Klärung dafür dienen kann, dass die Verjährung im Allgemeinen Teil geregelt ist. Die Allgemeinen Teile pandektistischer Lehrbücher waren, was deren detaillierten Inhalt angeht, nicht einheitlich50. 42 Schwarz (1921) 590. 43 Schwarz (1921) 591, 596 („Auch in der Systematik des allgemeinen Teils lassen romanistische und naturrechtliche Einflüsse sich scheiden, wobei gerade hier zufolge der vorher geschilderten Entwicklung die letzteren entscheidend im Übergewicht sind“). 44 Dabelow (1796) 360 ff.; Haubold (1801) 9 f. 45 Nettlebladt (1781). 46 Heise (1819) 18 ff. 47 S. Fn. 6. 48 Schwarz (1921) 591. 49 Schwarz (1921) 591, 607 f.; Schmoeckel (2003) 141 („Weniger deutlich zeigt sich hier die Funktion der Einführung, stärker scheint noch das Erbe des Naturrechts zu wirken, wenn die grundlegenden, allgemeingültigen Elemente vorangestellt werden“). 50 Björne (1984) 253: „In der Zeit von Heise bis zu Savigny finden wir viele Variationen in der Behandlung des Stoffs ‚vor den Klammern‘ “.

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Gleiches gilt für ihre Stellung zum Naturrecht51. Nichtsdestotrotz ist der nach Vorläufern aufgebaute52 und durch das Naturrecht inspirierte Allgemeine Teil von Heise zum Vorbild geworden. Wenngleich Andreas Schwarz meinte, dass es sich hierbei vorwiegend um die Wirkung glücklicher Zufälle gehandelt habe53, so gibt es „in den nach Savignys ‚System‘ erschienenen Pandektenlehrbüchern nur kleine Verschiedenheiten bei der Aufstellung des allgemeinen Teils“54. Verjährungsvorschriften sind gegenwärtig in den Allgemeinen Teilen des japanischen, argentinischen, brasilianischen, griechischen, polnischen, portugiesischen, ukrainischen und russischen Zivilgesetzbuches zusammengefasst. Als Hauptgrund für die Einbettung der Verjährungsregelung in den AT wird die Tatsache genannt, dass Verjährungsvorschriften in sämtlichen Privatrechtsbereichen und nicht nur im Schuldrecht Anwendung fänden55. Für den inhaltlichen Umfang der jeweils verjährungsbezogenen Gliederungseinheiten werden in der Regel keine Gründe genannt56.

5.  Verjährung und AT Obwohl die klassische Abhandlung von Franz Bydlinski (System und Prinzipien des Privatrechts) noch vor der Schuldrechtsreform von 2001 entstand, mit der auch die Verjährungsvorschriften des BGB modernisiert wurden, bleibt die Diagnose des Verfassers betreffend die Verjährungs- und AT-Problematik nach wie vor aktuell, und dies nicht nur für das deutsche Rechtssystem: „Tatsächlich hat sich aber stattdessen die Neigung entwickelt, in allen erdenklichen besonderen Zusammenhängen und vor allem in allen erdenklichen Sondergesetzen eigene und teilweise höchst ‚originelle‘ Verjährungsregeln zu geben, die meist zwar – absolut gesehen – nicht schlechter, aber auch nicht besser sind als die allgemeinen. (…) Das hängt vermutlich mit der seltsamen Unterschätzung zusammen, die allgemeine Regeln und ihre Rationalitätsvorteile in neuerer Zeit insbesondere aus romantischen und scheinrealistischen Gründen erfahren haben“57.

51 Schmidt (2012) 775; Schmoeckel (2003) 139 („Die Auswahlkriterien waren jedoch recht unterschiedlich, da man unterschiedliche Ziele verfolgte“); Schwarz (1921) 590. 52 Schwarz (1921) 607 ff. 53 Schwarz (1921) 609. 54 Björne (1984) 260. 55 Schmidt (2012) 776; Bydlinski (1996) 167. 56 Longchamps de Bérier (1936) 429. 57 Bydlinski (1996) 170.

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Die erste Beobachtung betreffend die Vielfalt von Verjährungsregelungen hängt, das Institut der Verjährung vor Augen, mit folgendem Zweifel zusammen: Sind besondere Vorschriften als Folge unbegründeter legislativer Entscheidungen zu zahlreich, oder aber ist es der AT, der seine Funktionen nicht erfüllt, da dort enthaltene Vorschriften zu allgemein gehalten sind? Eine weitere Beobachtung, dass die „Autorität“ des AT u.a. durch die Verjährung geschwächt wird, macht (aus der Perspektive der besagten „Krönungstheorie“) den Weg für Fragen nach dem Sinn für sein Weiterbestehen oder zumindest nach dem Umfang einer notwendigen Reformierung dortiger Inhalte frei. Die Verjährung ist nämlich selbst für die Befürworter des AT eine Achillesferse und ein mit der dahinter stehenden Idee nicht zusammenpassendes Element58. Das Verjährungsbeispiel wird als Nachteil des Allgemeinen Teils gedeutet, der auch Vorschriften enthalte, von denen keine allgemein anwendbaren Normen abgeleitet würden und die sich dort mangels besseren Ortes zahlreich einfänden („geräumige(s) Asyl für alle Vagabunden“59)60: „die Stellung dieser Lehre illustriert am besten die Systemlosigkeit unseres Systems“61. Der Ausgangspunkt für eine Stellungnahme zu Fragen, die das vorstehende Verzeichnis problematischer Punkte aufwirft, ist eine Analyse von Vor- und Nachteilen für die aus der Verjährungsperspektive zu betrachtende Einbettung der Verjährung in den AT.

6.  Vorteile für die Einbettung in den AT Um auf die Argumente, die die Voranstellung eines AT begründen sollen, nochmals zurückzukommen, können die Argumente nach ihrer Art (betreffend normative und pragmatische Qualitäten) in zwei Gruppen eingeteilt werden: Der

58 Kritik am AT wegen der dort eingebetteten Verjährungsregelung wird nicht nur im Hinblick auf die Struktur der Verjährungsregelung, sondern auch im Hinblick auf den Begriff „Anspruch“ geübt: „Es ist ein vollkommen willkürliches Verfahren, nur gerade diese eine Lehre des Anspruchsrechts dem allgemeinen Teil zuzuschieben“ (Zitelmann (1906) 18). 59 Karl August Dominikus Unterholzner: Björne (1984) 263. 60 Schmidt (2012) 776. 61 Zitelmann (1906) 17.

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ersten Gruppe (I) sind entsprechend die Argumente (1)62, (4)63, (5)64 sowie (6)65 und der zweiten Gruppe (II) die Argumente (2)66 und (3)67 zuzuordnen. Da Fragen normativer Natur auf der legislativen Ebene im Vordergrund stehen und da es sich bei praxeologischen Fragen noch weithin um Fragestellungen handelt, bei denen subjektive Elemente eine Rolle spielen, werden die der ersten Klassifikationsgruppe (I) zugeordneten Argumente den weiteren Überlegungen zugrunde gelegt. Die Struktur der Verjährungsregelungen in CC, BGB und KC werden in den nachfolgenden Schemata in ihren Originalfassungen68 und aktuellen Fassungen vereinfachend abgebildet. Auch werden dort gleich konstruierte Zusammenstellungen von Verjährungsfristvorschriften69 aus Allgemeinen Vorschriften70 (mit Blick auf den CC aus Titel XX, Buch III) und aus dem Teil, der dem Schuldrecht gewidmet ist71, dargestellt.

62 Der Gesetzgeber wird mit einem Ausdrucksmittel ausgestattet, das ihn auf den Rang der jeweiligen Vorschrift als allgemeiner Vorschrift und ihre Stellung gegenüber sonstigen Vorschriften hinweisen lässt. 63 Die Schlüssigkeit des gesamten Kodexinhalts und die Präzision (hauptsächlich die Begriffspräzision) – mit dem Argument wird auch die Entwicklung von Begriffen und Konstruktionen gemeint, die durch Aufnahme ins Gesetzbuch normativ wirken. 64 Keine unbegründeten Abgrenzungen. 65 Keine Lücken trotz unvermeidbarer Defizite im Textinhalt des Gesetzbuches. 66 Vermeidung von Wiederholungen, Kasuistik – somit die Begrenzung der Anzahl von Vorschriften (Rationalisierung des Inhalts). 67 Zusammenfassung von Regelungen, die in sämtlichen Privatrechtsbereichen Anwendung finden – dadurch Stärkung der Übersichtlichkeit. 68 Mit Blick auf das polnische Recht nehme ich den KZ (1933) als Ausgangspunkt, nicht den KC von 1964. 69 Die größten Unterschiede fallen bei Verjährungsfristen auf, wenngleich mit einer Sonderverjährungsfrist oft Sonderregelungen beispielsweise für den Beginn der Verjährungsfrist oder die Unterbrechung der laufenden Verjährungsfrist bestehen, z.B. § 634a BGB oder Art. 4421 KC. 70 Im KZ ist es der vorangestellte allgemeine Teil des in diesem Gesetzbuch geregelten Schuldrechtes. 71 Im CC geht es um eine unter diesem Schlagwort vorangestellte Gruppe von Titeln aus dem Buch III (Des différentes manières dont on acquiert la propriété). Die Schemata wurden auf den Bereich des AT und des Schuldrechtes beschränkt, da die Verjährung eben für den Schuldrechtsbereich meist bedeutsam ist, die dort enthaltene Verjährungsregelung (im Vergleich mit sonstigen Einheiten gleichen Rangs) am stärksten ausgebaut ist und weil das Schuldrecht für die Analyse der Verjährung wegen der (im Vergleich zu

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(b) Struktur der (a) Struktur der Verjährungsregelung in CC Verjährungsregelung in BGB

(c) Struktur der Verjährungsregelung in KZ/KC

BUCH III – ÜBER VERSCHIEDENE ARTEN DES EIGENTUMSERWERBS TITEL XX – ÜBER PRESCRIPTION ÜBER VERJÄHRUNG

BUCH 1 – ALLGEMEINER TEIL ABSCHNITT 5 – VERJÄHRUNG

BUCH I – ALLGEMEINER TEIL TITEL IV – ERLÖSCHEN VON VERPFLICHTUNGEN TITEL VI – VERJÄHRUNG VON ANSPRÜCHEN TEIL VII – VERJÄHRUNG

1. Allgemeine Bestimmungen; 2. Verjährungsfristen und Beginn der Verjährungsfrist; 2.1 Allgemeine Frist und Beginn der allgemeinen Frist; 2.2 Einige Sonderfristen und Beginn der Sonderfrist; 3. Verjährungsfrist 3.1 Allgemeines; 3.2 Gründe für Hemmung der Verjährungsfrist oder Ablaufhemmung; 3.3 Gründe für Unterbrechung der Verjährung 4. Gründe für Unterbrechung bzw. Ablaufhemmung der prescription; Verjährungsbedingungen; 4.1 Gründe für Unterbrechung von prescription; Verjährungseinwendung; 4.2 Gründe für Ablaufhemmung der prescription; Verjährungsverzicht; 4.3 Vertragliche Modifikation der Verjährung 5. Notwendige Zeiten für prescription; 5.1 Allgemeines; 5.2 30-Jahre-prescription; 5.3 10- und 20-Jahre-prescription; 5.4 Einige Sonder-prescriptions.

§ 194 Verjährung; §§ 195–197 Verjährungsfristen; §§ 198–201 Beginn der Verjährungsfrist; 1. Gegenstand und Dauer der Verjährung; §§ 202–205 Hemmung; §§ 206–207 Verlängerung; §§ 208–217 Unterbrechung; 2. Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung; § 218–219 Rechtskräftig festgestellter Anspruch; § 220 Entsprechende Anwendung; § 221 Rechtsnachfolge; § 222 Rechtsfolgen der Verjährung; § 223 Hypothek, Pfandrecht; § 224 Nebenleistungen; § 225 Rechtsgeschäft; 3. Rechtsfolgen der Verjährung.

1. Allgemeine Vorschriften; Art. 117. Verjährung, Folgen; 2. Verjährung; Art. 120. Verjährungsfristbeginn; Art. 121. Aussetzung der Verjährungsfrist; Art. 122. Hemmung der Verjährungsfrist; Art. 123. Unterbrechung der Verjährungsfrist; Art. 124. Unterbrechung der Verjährungsfrist; 3. Verjährungsfristen; Art. 118. Allgemeine Fristen; Art. 119. Unzulässigkeit von Fristmodifikationen; Art. 125. Verjährungsfrist für rechtskräftig festgestellte Ansprüche.

Kursiv – geänderte Fragmente der Originalfassung

sonstigen Einheiten gleichen Rangs) geringsten Bedeutung von Sonderbedingungen, wie z.B. das öffentliche Interesse am Eigentumsschutz etc., meist repräsentativ ist.

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(d) Verjährungsfristvorschriften in CC

(f) (e) Verjährungsfristvorschriften Verjährungsfristvorschriften in KZ/KC in BGB

BUCH III – ÜBER VERSCHIEDENE ARTEN DES EIGENTUMSERWERBS TITEL XX – ÜBER VERJÄHRUNG regelmäßige Verjährungsfrist (Art. 2224) andere Verjährungsfristen: Art. 2225 Art. 2226 (x 2) Art. 2226-1 Art. 2227 Art. 2271 Art. 2272 Art. 2273 Art. 2276 Art. 2277

BUCH 1 – ALLGEMEINER TEIL ABSCHNITT 5 – VERJÄHRUNG regelmäßige Verjährungsfrist (§ 195) andere Verjährungsfristen: § 196 (x 17) § 197 (x 7)

TITEL IV – ERLÖSCHEN VON VERPFLICHTUNGEN TEIL VII – VERJÄHRUNG regelmäßige Verjährungsfrist (Art. 281) andere Verjährungsfristen: Art. 282 (x 4) Art. 283 § 1 (x 2) Art. 284 (x 2) Art. 285 (x 3) Art. 287 (x 2) Art. 62 § 5 BUCH I – ALLGEMEINER TEIL TITEL VI – VERJÄHRUNG VON ANSPRÜCHEN regelmäßige Verjährungsfrist (Art. 118 x 3) andere Verjährungsfristen: Art. 125 § 1 (x 2)

BUCH III – ÜBER VERSCHIEDENE ARTEN DES EIGENTUMSERWERBS (RECHT DER SCHULDVERHÄLTNISSE) Art. 1245-15 Art. 1245-16 Art. 1304 Art. 1648 Art. 1792-4-2 (x 2) Art. 1792-4-3 Art. 1839 Art. 1840 Art. 1844-14 Art. 1844-17 Art. 1854 Art. 1859

BUCH 2 – RECHT DER SCHULDVERHÄLTNISSE § 438 § 477 § 479 § 490 § 548 § 558 § 581 § 591b § 606 § 634a § 638 (x 3) § 651g § 786 § 801 § 804 § 852

Art. 433 Art. 434 § 2 Art. 615 Art. 637 Ausschlussfristen: z.B. Art. 43 § 2 und 3 Art. 293 § 1, Art. 319 § 1, Art. 336 § 1 und 2, Art. 369 § 2, Art. 375 § 3, Art. 395, Art. 397, Art. 429, Art. 473; Art. 488, Art. 540 § 2 BUCH III – SCHULDVERHÄLTNISSE Art. 390 § 3 Art. 4421 (x 2) Art. 4498 Art. 541 Art. 554 Art. 568 § 2 Art. 5762 § 1 Art. 624 § 1 Art. 646 Art. 677 Art. 719 Art. 722 Art. 731 Art. 751 Art. 778 Art. 792 Art. 793 Art. 803 § 1 Art. 804 Art. 819 (x 2) Art. 848 Art. 851 Art. 8599 Art. 9212 § 3

Kursiv – geänderte Fragmente der Originalfassung

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Die Analyse der Schemata führt zu folgenden Schlussfolgerungen: (A) Die Schemata für die Struktur der Verjährungsregelungen (a, b, c) zeigen eine weitgehende Übereinstimmung der betrachteten Rechtsordnungen. Übereinstimmend ist die Aufspaltung der Regelungsmassen: Ein Teil der Vorschriften wurde in einer Einheit, die sich insgesamt mit der Verjährung befasst, zusammengebracht, und der Rest wurde über sonstige Einheiten verteilt. In der Einheit betreffend die Verjährung sind sowohl allgemeine als auch besondere Vorschriften (ausgenommen im KC) und in sonstigen Einheiten die besonderen Vorschriften enthalten. Auch der inhaltliche Umfang der jeweiligen Einheiten über die Verjährung ist annähernd gleich – an der Stelle wurden die Vorschriften zur Regelung aller allgemein abgegrenzten Hauptelemente des Verjährungsinstituts: „(…) the period of prescription; when the period begins to run; under which circumstances prescription is suspended; in which cases the period begins to run afresh; and whether the parties, by agreement, may facilitate or render more difficult the prescription of a claim“72, und auch der Gegenstand, die Folge der Verjährung etc. lokalisiert. (B) Schemata für Verjährungsfristvorschriften (d, e, f) zeigen ebenfalls eine Übereinstimmung der betrachteten Rechtsordnungen. In allen untersuchten Rechtsordnungen bestehen zahlreiche Sonderfristen und dies nicht erst in jüngerer Zeit, sondern bereits in den Ursprungsfassungen (CC von 1804, BGB von 1900, und KZ von 1934). (C) Die Schemata für strukturierte Verjährungsregelungen (a, b, c) wie auch die Schemata für die Verjährungsfristvorschriften (d, e, f) zeugen von der Stabilität (bei Schemata d, e, f – von relativer Stabilität) des unter (A) und (B) geschilderten Zustands. In Bezug auf die Schlussfolgerung (A) ist der Vorbehalt von Bedeutung, dass die als allgemein bezeichneten Vorschriften den Rang eines allgemeinen Gesetzes haben (leges generales). Das bedeutet, dass sie im gesamten Privatrechtsbereich auch auf durch sonstige Kodexe und Gesetze geregelte Fragen Anwendung finden und dass sonstige Vorschriften, die abweichende Lösungen vorsehen, im Hinblick auf die allgemeinen Vorschriften die Stellung besonderer Vorschriften einnehmen (leges speciales)73.

72 Zimmermann (2010) 76; s. auch Cartwright (2009) 371. 73 Vogenauer (2009) 14; s. z.B. Pałdyna (2012) 79 f.

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Was wiederum die Anzahl der Vorschriften zur Einführung besonderer Verjährungsfristen für die jeweiligen Anspruchsarten angeht, fällt eine präzise Darlegung von Änderungstendenzen mithilfe einfacher Schemata schwer. Erstens liegt es an der Redaktionstechnik – für die Anspruchsarten werden Bezeichnungen mit verschiedenem Allgemeinheitsgrad verwendet, und es werden mehr als eine Anspruchsart in einer Vorschrift genannt74. Mit anderen Worten kann man nicht sagen, dass eine Vorschrift einer Anspruchsart entspricht. Zweitens sind die Vorschriften zur Regelung der Verjährung privatrechtlicher Ansprüche über mehrere Gesetze bzw. sonstige Gesetzbücher verstreut75. Dazu ist die Information, inwieweit die allgemeine Frist in der Praxis zugunsten von Sonderfristen auszuschließen ist, für die Beurteilung des Zustands der Verjährungsregelung von grundsätzlichster Bedeutung. Dies lässt sich nur bei Beachtung der praktischen Erheblichkeit der jeweiligen Anspruchsart im Rechtsverkehr feststellen (beispielsweise würde die Verwendung einer Sonderverjährungsfrist für Verkaufsansprüche im Verbrauchergeschäft der zu verwendenden Allgemeinfrist statistisch stärker zuwiderlaufen als eine Sonderverjährungsfrist für Ansprüche aus der Annahme einer Anweisung). Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland als auch in Polen wurden (und werden nach wie vor) eine allzu intensive Zunahme von Sondervorschriften wie auch daraus folgende praktische verjährungsbezogene Orientierungsschwierigkeiten und Probleme mit der Sachlagenfeststellung im konkreten Fall beobachtet, mit der Folge schließlich, dass lästige und schwierige Abgrenzungen der jeweiligen Anspruchsarten76 erforderlich sind. In Frankreich sind der Artikel von Alain Bénabent (Le chaos du droit de la prescription extinctive)77 oder das von Patrick Courbe herausgegebene Buch (Les désordres de la prescription mit einem Beitrag zu der Vielzahl von Fristen)78 bereits beinahe zu Klassikern geworden. Durchgreifende Reformen in Deutschland (2001) und in Frankreich (2008), verstanden als Antworten

74 Z.B. Art. 677 KC. 75 Beispielsweise im polnischen Recht: in Gesetzen Prawo czekowe (1936 r.), Prawo wekslowe (1936 r.), Prawo przewozowe (1984 r.), Prawo bankowe (1997 r.), Prawo własności przemysłowej (2000 r.), Prawo wodne (2001 r.), Prawo telekomunikacyjne (2004 r.), Prawo geologiczne i górnicze (2011 r.), Prawo pocztowe (2012 r.), w ustawie o zwalczaniu nieuczciwej konkurencji (1993 r.) und in KRO, Kodeks spółek handlowych (2000 r.). 76 Malaurie (2006) 193: „(…) un vrai chaos a-t-on dit, et même un capharnaüm, source d’ignorance du droit, de désordres at d’interminables discussions“; Wintgen (2009) 348 f.; Zimmermann (2010a) 131 ff.; Projekt wraz z uzasadnieniem, 175 f. 77 Bénabent (1996) 123–133. 78 Courbe (2000).

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u.a. auf die als problematisch empfundene Zunahme von Sonderregelungen und die allgemein fehlende Kohärenz79, führten zu einer gewissen Vereinfachung des Verjährungsrechtes, besonders durch Kürzung der allgemeinen Frist (Absorbtion bestimmter Fristen) und Abschaffung bestimmter Ausnahmen80 nach Maßgabe der geforderten und international akzeptierten81 Vereinheitlichung82. Trotzdem wird man die Tendenz, was den Umfang der von allgemeinen Regelungen abweichenden Ausnahmen angeht, im Hinblick auf die vorstehenden Aufstellungen und die objektiv fortschreitende Dekodifizierung83 als ansteigend bezeichnen müssen. Aus dem Vergleich des vorstehenden Befunds mit der ersten (I) Gruppe von Argumenten, die die Existenz des AT begründen, lässt sich im Hinblick auf die Argumente (1)84 und (6)85 folgern, dass den im AT eingebetteten Regelungen Allgemeingültigkeit zugeschrieben wird und dass die Regelungen im gesamten Privatrechtsbereich Anwendung finden (beim BGB handelt es sich nur um einen Teil der Vorschriften aus dem AT – der Rest, z.B. § 197 Abs. 1 BGB, ist eine besondere Vorschrift). Die Verjährungsregelung ist daher ein Teil eines im Grunde genommen lückenfreien Systems in dem durch Helmut Coing86 beschriebenen Sinne. Allerdings ist am Vergleich der französischen, deutschen und polnischen Normierung der Verjährung zu sehen, dass es keine Ziele sind, die sich durch eine bloße Voranstellung des AT erreichen lassen. Im CC, der keinen Allgemeinen Teil hat, wurde die Differenzierung nach dem Rang von Vorschriften (allgemeine Vorschriften – besondere Vorschriften) und der Hinweis auf Vorschriften, die im gesamten Privatrecht anwendbar sind, durch den Inhalt von Regelungen und, wie man im gewissen Sinne behaupten darf, durch Art. 4 CC87 erreicht. 79 Malaurie (2006) 193: „Le régime actuel de la prescription en matière civile présente, de l’avis unanime, trois défauts essentiels, d’une égale gravité. (…) En premier lieu, ses longueurs excessives (…). Le second défaut, aussi généralement relevé, est la multiplicité des délais (…). Le troisième défaut, moins souvent dénoncé, réside dans les imprécisions et mêmes les incohérences de son régime“. 80 Guégan (2010) 17 ff. 81 Malaurie (2006) 195 f.; Zimmermann (2010) 89 ff. 82 Zimmermann (2010) 79 ff. 83 Irti (1979); Dajczak/Longchamps de Bérier (2012) 9 f.; Vogenauer (2009) 4. 84 Der Gesetzgeber wird mit einem Ausdruckmittel für die Rangsetzung der jeweiligen Vorschrift als allgemeine Vorschrift und ihre Stellung unter sonstigen Vorschriften ausgestattet. 85 Keine Lücken trotz unvermeidbarer inhaltlicher Kodexdefizite vorhanden. 86 Fn. 42. 87 Art. 4 CC: Le juge qui refusera de juger, sous prétexte du silence, de l’obscurité ou de l’insuffisance de la loi, pourra être poursuivi comme coupable de déni de justice.

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Die Aufgabe, das System aufzubauen, wurde somit letztendlich der herrschenden Rechtslehre und der Judikatur, die Gesetzesauslegungen vornehmen, übertragen, was eine der in Frage kommenden Wahlmöglichkeiten ist. Der deutsche und der polnische Gesetzgeber sprachen sich für eine andere Alternative aus – der Rang von Vorschriften wurde in einem Gesetzbuch verbindlich festgesetzt. Bedenkt man jedoch die Geschichte der Voranstellung des AT im BGB oder im KC, zieht dies die Gefahr der Willkürlichkeit, der Inkonsequenz und einer beschränkten Flexibilität nach sich. Was das Argument in (5)88 angeht, wird das Problem der ungerechtfertigten Abgrenzung von Verjährungsregelungen durch den AT nicht eliminiert. Im Hinblick auf den ausgestalteten Umfang der allgemeinen und der besonderen Vorschriften treten diese ganz unabhängig von der angenommenen Kodexsystematik89 auf, und selbst das Pandektensystem schützt nicht vor dem Nebenrisiko der in der deutschen Literatur beschriebenen „Kreuzeinteilung“90. Hinsichtlich ratio (4)91 werden wiederum im französischen Verjährungsrecht keine begrifflichen Probleme, die für den AT sprechen würden, signalisiert. Es bleiben also nur die Vorteile der zweiten Gruppe (II) übrig, also Vorteile pragmatischer Natur – die Reduzierung der Vorschriftenmenge, die Ordnung und das Zusammenstellen von allgemein anwendbaren Regeln an einem Ort. Wie man sieht, schützt der AT, zumindest aus der Verjährungsperspektive, nicht vor Chaos. Außerdem hängen pragmatische Fragen mit persönlichen Präferenzen, subjektiven Empfindungen und der Tradition in hohem Maße zusammen. In dem Zusammenhang erscheint die französische Diskussion über die geeignete Stelle für die Verjährungsregelung (prescription extinctive) beachtenswert: Das im Laufe der Vorbereitungen für das Avant-projet Catala vorgebrachte Postulat, die Regelung hinter den Titel III (Du contrat et des obligations conventionnelles en général) zu stellen, wurde als „lourd, inutile et contraire à l’unité des prescriptions – acquisitives et extinctives – qu’il convient de conserver“92 angesehen.

88 Es sind keine unbegründeten Abgrenzungen. 89 Guégan (2010) 20 ff. 90 Zitelmann (1906) 11; Baldus/Raff (2008) 107 (in Bezug auf die Fassung des § 197 BGB in der mit der Schuldrechtsreform 2001 eingeführten Version). 91 Die Kodexmaterie ist insgesamt kohärent und präzise (hauptsächlich begriffliche Präzision). 92 Malaurie (2006) 194. Im Zuge der Reform von 2008 wurde die Regelung prescription extinctive im Titel XX belassen und die Regelung prescription extinctive in die Folgeeinheit – Titel XXI eingebettet.

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7.  Die Risiken der Einbettung in den AT Bei der Beleuchtung der Risiken, die die Voranstellung des Allgemeinen Teils für die Verjährungsregelung mit sich bringen kann, erscheint wieder die Ansicht von Franz Bydlinski zu Verjährung und dem darin vorherrschenden Chaos beachtenswert: „Die Darstellung allgemeiner Regeln über diese Fragen im ‚allgemeinen Teil‘ sollte daher besonders die wichtige Funktion erfüllen, überall dort solche Dezisionen und die dadurch drohende Rechtszersplitterung und Beeinträchtigung des Gleichmaßes zu ersparen, wo nicht wirklich massive Besonderheiten eines engeren Regelungssachverhaltes berücksichtigt werden müssen. (…) Mit Recht wurde das Verjährungsrecht unter dem Geschichtspunkt unnötiger Zersplitterung und Widersprüchlichkeit als besonders reformträchtige Materie qualifiziert. Sinnvollerweise muss diese Reform analytisch-abstrahierend, d.h. in Richtung auf die allgemeinen Regeln, vorgehen; (…). Es bedarf einer positiven, schlüssigen Begründung jeweils gerade für die Abweichung von den bereits festgelegten allgemeineren Regeln. Solche Begründung wird in Wahrheit sehr selten möglich sein“93. Mit diesen Worten fordert Franz Bydlinski eine Verjährungsreform im Hinblick auf die bereits beschriebene Aufblähung der Regelungen. Die Reform sollte darin bestehen, dass die Lösungen weitgehend „in Richtung auf die allgemeinen Regeln“ hin vereinfacht und vereinheitlicht werden sollten. Was den Grad der Unifizierung angeht, gilt der Vorschlag als äußerst radikal. Dem Vorschlag liegt die Grundannahme zugrunde, dass im AT allgemeingültige Regeln (Vorschriften) zusammengestellt wurden, die als solche eine besondere Rolle spielen und eine außergewöhnliche Bedeutung gegenüber sonstigen Vorschriften haben sollten. Das Verständnis des Zusammenhangs zwischen der Lokalisierung der Vorschrift und ihrer Bedeutung im System ist von dem Gesichtspunkt der zu Beginn genannten Funktionen des AT (siehe ratio (1)94) aus richtig. Es wird vorgebracht, dass der Sinn der Voranstellung des AT eben darin besteht, dass der Gesetzgeber zur Erleichterung der Rechtsanwendung ausdrücklich bestimmt, bei welchen Vorschriften es sich um allgemeine Vorschriften handelt. Die Forderung nach der Vereinheitlichung des Verjährungsrechtes selbst ist, wie bereits erwähnt, weder überraschend noch vereinzelt95. Umstritten sind

93 Bydlinski (1996) 170 f. 94 Der Gesetzgeber wird mit einem Ausdruckmittel für die Rangsetzung der jeweiligen Vorschrift als allgemeine Vorschrift und ihre Stellung unter sonstigen Vorschriften ausgestattet. 95 Fn. 82.

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jedoch die Begründung und das damit zusammenhängende Reformkonzept. Es kommt nämlich darauf an, was bei der Verjährung als Regel und was als Ausnahme gilt96. Die Begründung für die Existenz der Verjährung ist äußerst komplex. Unter anderem handelt es sich um folgende Argumente: Die Verjährung hat (1) das Risiko der auf Seiten des Schuldners auftretenden Beweisschwierigkeiten zu eliminieren97, (2) den Schuldner mit seinen gerechtfertigten Erwartungen, dass Gläubiger nach einer langen Untätigkeit nicht klagen werden, in Schutz zu nehmen98, (3) für wirtschaftliche Verhältnisse des Schuldners zu sorgen, falls notwendig, eine Leistung nach Ablauf einer längeren Zeit (betrifft insbesondere zeitlich abgegrenzte Periodenleistungen) zu erfüllen99, (4) den Rechtsverkehr zu beschleunigen, Gläubiger zu motivieren100, (5) den Zustand der Unsicherheit zu beenden101, (6) die Funktionsfähigkeit der Justiz zu gewährleisten102, (7) (auch soziale) Kosten anhängiger Rechtsstreitigkeiten zu begrenzen103, (9) den Gläubiger zu bestrafen etc.104. Die vorgenannten rationes können generell nach dem Kriterium des Interesses105 (öffentliches Interesse: (4), (5), (6), (7); Privatinteressen 96

97 98 99 100 101 102 103 104 105

Oder, wenn man sich das derivative Rechtsauslegungskonzept zunutze macht: Wie hat die von den als allgemein angesehenen Vorschriften abgeleitete Norm inhaltlich zu lauten (z.B. Art. 2224 CC, § 195 BGB, Art. 118 KC). Das derivative Rechtsauslegungskonzept ist das in Polen derzeit meist akzeptierte Rechtsauslegungskonzept, dem die Abgrenzung der Rechtsvorschrift und der davon mittels eines Satzes von Regeln abgeleiteten Rechtsnorm zugrunde liegt – s. Zieliński (2012); Ernst (2013) 466 ff. S. z.B. Baudry-Lacantinerie/Tissier (1924) 21. S. z.B. Zimmermann (2010) 64. S. z.B. Longchamps de Bérier (1936) 432. S. z.B. Kordasiewicz (2008) Rn. 23, 11. S. z.B. Patti (2010) 58 ff. S. z.B. Pałdyna (2012) 48 f. S. z.B. Zimmermann (2010) 63. S. z.B. Bydlinski (1996) 167. Für diesen Beitrag wird das Privatinteresse nur als Vorteil eines Gläubigers bzw. Schuldners als Partei eines konkreten Schuldverhältnisses, eines Klägers bzw. Beklagten als Partei des jeweiligen Streites verstanden (eine abweichende Grenzziehung kann zu willkürlichen Schlussfolgerungen führen, zumal jeder Gläubiger bzw. Schuldner zugleich auch Mitglied der Gesellschaft und Teilnehmer des Rechtsverkehrs ist und der Bereich der Interessenübereinstimmung auf die Art und Weise manchmal relativ breit abgesteckt wird): s. Zimmermann (2010) 69 ff.; wiederum wird das öffentliche Interesse als Vorteil für den Rechtsverkehr, die Justiz oder als Vorteil aus dem Gesichtspunkt der legislativen Politik verstanden.

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(1), (2), (3), (5)), das sie zu schützen haben, eingeordnet werden. Die Wahl dieses Kriteriums ist im Hinblick auf die Vielfalt von Mitteln, die für eine effektive Absicherung des erwähnten Interesses geeignet sind, sinnvoll. Eine tiefer gehende Analyse des Verjährungszwecks in den drei hier zu betrachtenden Rechtsordnungen geht über den Rahmen des Beitrags hinaus. Allerdings zeugen der sog. „weak effect“106, das an Gerichte formulierte Verbot, die Verjährung ex officio anzuerkennen, ein subjektiver Beginn der Verjährungsfrist, die mögliche vertragliche Modifizierung der gesetzlichen Vorgaben, das Stattgeben der Rechtsmissbrauchseinwendung etc. davon, dass der Verjährung vor allem der Schutz/die Verwirklichung des Privatinteresses zugrunde liegen. Freilich werden sonstige Motive dadurch nicht in den Schatten gestellt, jedoch verlieren sie so etwas an Gewicht in dem Zusammenspiel der gegeneinander abzuwiegenden Werte. In Anbetracht der Erfahrungen vor Gericht und der historischen Entwicklung des Verjährungsinstituts kann man sogar zu dem Schluss kommen, dass es die Intuition ist/war, die den grundlegenden Impuls für die Denkweise abgab, dass es richtig sei, ein durch solches und nicht anderes Verhalten des Gläubigers gewecktes Vertrauen des Schuldners zu schützen107. Es handelte sich also dabei, dem Grunde nach, um einen Versuch, die psychischen Folgen des Zeitablaufs rechtlich „abzubilden“108. Die Erkenntnisse der Sozialwissenschaften, insbesondere der Psychologie, was die Untersuchung der Wahrnehmung des Zeitablaufs angeht, können sowohl von der Nützlichkeit eines so geschaffenen Mechanismus als auch von der Waghalsigkeit der Aufgabe, wie am Beispiel der Verjährungsregelung ersichtlich, zeugen109. Deshalb ist es zweckmäßig, die Eigenart des jeweiligen Rechtsverhältnisses im relativ hohen Maße zu beachten, also die Verjährungsregeln zu differenzieren. Denn durch Verallgemeinerung wird das Element des Schutzes des öffentlichen Interesses gestärkt. Im Hinblick auf den Zweck der Verjährung (in erster Linie

106 Zimmermann (2010) 72. 107 Carbonnier (1952) 181: „De telle sorte que le jeu de la prescription – dans toute l’étendue, du moins, que les ressources de l’interprétation ouvrent à la jurisprudence – pourrait dépendre, en dernière instance, d’une double appréciation de moralité, d’un double jugement de valeur porté sur la conduite respective du créancier et du débiteur. À la limite, la théorie de la prescription est près de se dissoudre dans la théorie de la responsabilité“. 108 Dabei geht es aber nicht um eine „Abbildung“, die die Funktion des Rechtes als eines Instruments für Regelung gesellschaftlicher Verhältnisse verzerren sollte, s. Baldus/ Raff (2008) 103. 109 S. z.B. Muller/Nobre (2014) 60; Matthews/Meck (2016) 865.

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Schutz/Verwirklichung des Privatinteresses) könnte man – vereinfachend – sagen, dass bei der Verjährung die Ausnahme als Grundregel gilt. Um es genauer zu sagen: Die derzeitige „allgemeine Verjährungsregelung“ ist subsidiär zu betrachten („sofern nicht anders vorgeschrieben …“110). Die Beachtung des funktionalen Arguments hat nicht gleich zu bedeuten, dass das systematische Argument verneint wird, da die beiden Argumente einander nicht widersprechen. Durch die subsidiären „allgemeinen“ Vorschriften im AT wird der (theoretische) Zusammenhalt des AT nicht zerstört, da die Vorschriften als subsidiäre Vorschriften im gesamten Privatrechtsbereich anwendbar sind (ratio AT (3)111). Das oben erhobene Postulat bringt scheinbar keine praktische Änderung für die Rechtsanwendung mit sich: Wurde nämlich eine „Sonderregelung“ vorgesehen, findet die Sonderregelung ohnehin letztendlich Anwendung, ganz gleich, ob die „allgemeine“ Regelung als allgemein oder subsidiär betrachtet wird. Nichtsdestotrotz werden jedoch theoretische Feststellungen durch dieses Postulat geordnet, da es die Perspektive für Überlegungen zur Verjährungsregelung modifiziert. Wichtig ist, dass „Sondervorschriften“ in der Konstellation keine Ausnahmen bilden würden. Das Verbot einer erweiternden Auslegung wäre somit eliminiert. Dies würde wiederum zu einer (im Kontext der wahrgenommenen objektiven Schwierigkeiten mit der Rechtsetzung in dem hier behandelten Bereich) durchaus notwendigen Flexibilisierung der Verjährungsregelung und somit insbesondere zu einer leichteren Behebung bestehender Ungleichheiten beitragen. Diese wecken nämlich auch aus der Sicht des Verfassungsrechtes bzw. der Menschenrechte, die auf die Verjährung immer stärker Einfluss nehmen, begründete Zweifel112. Auf negative Folgen des Analogieverbots im Bereich der „Sondervorschriften“ wies bereits Jean Carbonnier in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts hin: „À moins d’admettre que les prescriptions exceptionnelles sont susceptibles d’extension

110 Es stimmt sogar mit dem Wortlaut von Art. 118 KC überein: „Soweit eine Sondervorschrift es nicht anders bestimmt, ist die Verjährungsfrist zehn Jahre (…)“. Die Subsidiarität der allgemeinen 30-Jahres-Frist macht sich auch in der Entwicklungsgeschichte der Verjährung, und zwar im römischen Recht, sichtbar. Dort führte die auf Druck von Prozessparteien von unten ausgegangene und fortschreitende Einengung des Prinzips einer zeitlich unbegrenzten Klage letztendlich zur Prinzipienumkehr kraft Gesetzes von Theodosius II. aus dem Jahre 424. Allerdings wurden die bis dahin vorgesehenen Fälle für eine zeitliche Klagebegrenzung mit der Einführung einer 30-Jahre-Frist nicht abgeschafft: Chevreau (2006) 98 ff. 111 Regeln, die auf sämtliche Bereiche des Privatrechtes anwendbar sind, werden zusammengehalten und dadurch übersichtlich. 112 Borghetti (2016) 180.

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analogique – ce que la Cour de cassation nie en principe, quitte à se montrer moins inflexible dans le détail. C’est constater qu’une part de la responsabilité du système a été transférée de la loi à la jurisprudence“113. Die historische Erfahrung zeigt deutlich, dass das Postulat, hochqualitatives Verjährungsrecht zu entwickeln, bei gleichzeitig fehlender Akzeptanz für eine erweiternde Auslegung wenig realistisch ist114. Es bleibt noch die Frage nach der Einstellung zum Postulat der Vereinheitlichung der Verjährung. Zweifellos sind Einfachheit und Klarheit wertvolle Merkmale einer Rechtsregelung, und auch in dem Bereich der Verjährung gilt es, danach zu streben (indem man beispielsweise Unebenheiten der sog. „Kreuzeinteilung“115 beseitigt). Es ist schon richtig, wenn einer Forderung nach der Vereinheitlichung die ratio der Verjährung zugrunde liegt116. Umstritten bleibt jedoch der schwer festzulegende Grad der geforderten Vereinfachung. Eine weitgehende Unifizierung würde die Stärkung des öffentlichen Interesses117 und eine gemäßigte Unifizierung die Stärkung des Privatinteresses bedeuten. Freilich ist eine Suche nach dem Gleichgewicht möglich. Wie Reinhard Zimmermann bereits bemerkte, „a great degree of uniformity may therefore be balanced by making the prescription regime non-mandatory“118. Es entstehen Zweifel, ob das Ergebnis seinen Preis wert ist und ob gerade die Lösung aus dem Gesichtspunkt der erwünschten Ziele effektiv sein wird. Mit der in diesem Artikel aufgestellten These über den vorherrschenden Schutz/ die vorherrschende Durchsetzung des Privatinteresses als einer Hauptbegründung für die Verjährung korrespondiert eher die in der französischen Literatur119 vertretene Ansicht, die der Zweckmäßigkeit und dem Realwerden einer weitgehenden Vereinheitlichung skeptischer gegenübersteht als die weniger kompromissbereite und schon dem Grunde nach gewisse „Unebenheiten“ bevorzugende Ansicht von

113 Carbonnier (1952) 172. 114 S. Fn. 90, 91. 115 S. Fn. 91. 116 Zimmermann (2010) 79 ff. 117 Zimmermann (2010) 80. 118 Zimmermann (2010) 76. 119 Guégan (2010) 19, 24: »Les effets de la prescription sont suffisamment graves pour que l’on admette de tenir compte des particularités de certaines situations, en leur attribuant des délais de prescription dérogatoires. (…) peut-être alors l’unité est à chercher sur le terrain du régime de la prescription. À défaut de la trouver, il faudra se consoler en se souvenant de ce proverbe breton, des plus réalistes: ›Il n’est homme ni chose sans son défaut et souvent ils en ont deux ou trois‹«.

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Zimmermann120. In die Richtung gehen auch Änderungen in manchen europäischen Rechtssystemen, die zu einem wesentlichen Hindernis bei der Harmonisierung des Verjährungsrechtes werden: „national legislators, however, have proved unable or unwilling to adopt such a straightforward approach. In all countries where prescription has been recently reformed, prescription rules have not been simplified as much as was possible, and are still quite complex. The regime of prescription is nowhere as clear, as for example, in the DCFR“121.

8. Fazit Da auf die Verjährung beschränkt, führen die vorstehenden Überlegungen zu fragmentarischen Feststellungen, die nicht mechanisch verallgemeinert werden dürfen. Insbesondere, weil die starke strukturelle Vermehrung der Verjährungsregelung, die vor dem Hintergrund der Idee des AT als problematisch angesehen wird, weder mit dem Allgemeinheitsgrad der im AT eingebetteten Regelung, noch mit deren Stützung auf ein gegenüber dem jeweiligen Privatrechtsbereich inkongruentes Regelungsparadigma122, sondern mit der Eigenart des Instituts selbst zusammenhängt. Der vorliegende Beitrag darf daher nicht einfach mit einigen Beiträgen im Band I zur AT-Thematik, deren Verfasser am Beispiel verschiedener dogmatischer Probleme auf die fehlende Kohärenz der in den AT und den BT eingebetteten Regelungen hinwiesen123, zusammengestellt werden124. Die zu Beginn aufgeworfene Frage, ob die Ordnung des Privatrechtes nach dem pandektistischen Modell sich aus der Sicht der Verjährung begründen lässt, kann für den Allgemeinen Teil nicht ganz positiv beantwortet werden. Die durchgeführte Untersuchung ergab, dass die Einbettung der Verjährung in den AT nicht in Funktionalitäten resultiert, die sich bei der Entscheidung für eine andere Systematik nicht (ohne besondere Anstrengungen) erreichen ließen. Andererseits wird durch die Voranstellung des AT nebst allen dazugehörigen normativen Folgen ein Risiko impliziert, dass man bei der Feststellung, welche Vorschrift denn eine allgemeine und welche Vorschrift wiederum nicht eine allgemeine Vorschrift sei,

120 Zimmermann (2010) 85: „Thus, it is distinctly better to have a regime that does not suit all claims equally well than one that makes it difficult for debtors as well as creditors to assess their position and adjust their behaviour accordingly“. 121 Borghetti (2016) 179. 122 S. Mousinho de Figueiredo (2013) 185 ff. 123 Z.B. Baldus (2013) 121 ff.; Dajczak (2013) 139 ff.; Mertens (2013) 451 ff.; Schmidt (2013) 481 ff. 124 Baldus/Dajczak (2013).

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unzureichend vorsichtig (und unzureichend flexibel) wird und ein systematisches Argument allzu leicht gelten lässt, das in der Perspektive funktionaler Argumente zur Formulierung von Postulaten führen kann, die das Erreichen kohärenter Lösungen erschweren. Im Hinblick darauf kann die Nützlichkeit des AT für die Verjährung nur auf der pragmatischen und nicht auf der normativen Ebene gesehen werden. In dem Bereich spielen jedoch persönliche Präferenzen, Gewohnheiten und die Tradition, die vom Anfang an für den Erfolg einer Idee, den AT voranzustellen, entscheidend war, eine erhebliche Rolle.

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Thomas Raff

Regelungen zum Verwendungsersatz im Allgemeinen Teil des BGB? Abstracts: This article raises the question whether regulations on the reimbursement of outlays could be set in the General Part of the German Civil Code (BGB). Outlays (‘Verwendungen’) are all expenses needed to maintain and improve a (mostly physical) object. The person undertaking outlays may require reimbursement for necessary outlays and, under limitations, for useful outlays. A review of all regulations on reimbursement of outlays in the German Civil Code (BGB) – in comparison with its equivalents in Poland, France, and Austria – shows, that reimbursement of outlays is multilayered. Therefore, reasonable general regulations cannot emerge. Such general regulations would be either too basic or too complex. W artykule postawiono pytanie, czy regulacje dotyczące zwrotu poniesionych nakładów mogłyby być umieszczone w części ogólnej niemieckiego kodeksu cywilnego (BGB). Nakłady („Verwendungen“) to wszystkie koszty poniesione w celu utrzymania i ulepszenia jakiegoś (najczęściej materialnego) przedmiotu. Osoba czyniąca nakłady może zwykle żądać zwrotu nakładów koniecznych oraz, w pewnych granicach, nakładów użytecznych. Przegląd wszystkich regulacji dotyczących nakładów w niemieckim kodeksie cywilnym (BGB) – w porównaniu z ich odpowiednikami w Polsce, Francji i Austrii – pokazuje, że instytucja zwrotu nakładów ma charakter wielowarstwowy. Dlatego też niemożliwe jest wyłonienie uzasadnionych przepisów ogólnych. Takie przepisy byłyby albo zbyt ogólnikowe, albo zbyt złożone. In questo contributo si intende discutere la questione inerente alla disciplina relativa al rimborso delle spese per la cosa e domandarsi, pertanto, se essa possa essere, o meno, collocata all’interno della “Parte generale” del codice civile tedesco (BGB). Le spese (“Verwendungen”) consistono in tutti gli esborsi funzionali al mantenimento o al miglioramento delle condizioni di una cosa (fisica, nella maggior parte dei casi). La persona che si accolla suddette spese ha il diritto, normalmente, di richiedere il rimborso per quelle cosiddette necessarie, nonché, entro certi limiti, per le spese utili. L’esame del quadro d‘insieme della normativa inerente ai rimborsi delle spese nel codice civile tedesco (BGB) dimostra – in comparazione con le regolamentazioni equivalenti vigenti in Polonia, Francia ed Austria – che il rimborso delle spese è una questione giuridica sfaccettata. Per tale ragione, non è possibile trarre da un quadro normativo siffatto una disciplina generale coerente dell‘istituto; tale disciplina, infatti, risulterebbe o troppo superficiale, o, al contrario, eccessivamente complessa.

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1. Einleitung Wenn man sich mit der Leistungsfähigkeit des Allgemeinen Teils von Zivilgesetzbüchern beschäftigt, dann zieht man regelmäßig die dort bereits geregelten Materien als Anschauungsobjekte heran. Reizvoll kann es aber auch sein, Regelungskomplexe darauf zu untersuchen, ob für sie im ersten Buch einer pandektistischen Privatrechtskodifikation Platz ist.1 Ein interessantes Beispiel hierfür bildet der Verwendungsersatz. Er wurde bisher kaum auf verallgemeinerungsfähige Regelungen hin untersucht.2 Schaut man in die Vergangenheit, findet man immerhin im Sächsischen BGB von 1865 begrenzte3 Regelungen zum Verwendungsersatz in dessen Allgemeinen Teil.4 Es wird zu eruieren sein, warum im Allgemeinen Teil des BGB von 1900 keine solchen und erst recht keine weitergehenden Vorschriften Platz gefunden haben. In den Materialien zum BGB findet man hierzu eine klare und kurze Stellungnahme. Die Aufnahme allgemeiner Sätze – wie im sächsischen BGB – sei nicht ratsam. „Der Begriff der Verwendungen ist der bisherigen Theorie und Praxis völlig geläufig, und es ist nicht zu besorgen, daß der Mangel einer Legaldefinition zu irrigen Auffassungen derjenigen Vorschriften führen werde, welche mit diesem Begriff operiren. […] Die Aufstellung allgemein maßgebender Normen würde, 1 Vgl. etwa Harke (2013) 207–218. Der Umgang mit dem Bereicherungsrecht ist im Übrigen Teil einer breit angelegten Diskussion über die Komplexität der gesetzlichen Schuldverhältnisse: Wie viele gesondert und (ggf.) geschlossene gesetzliche Schuldverhältnisse haben in einem Zivilgesetzbuch Platz? Siehe dazu statt aller anderen Clauss (2016) passim; Jansen (2016) 117–233; Raff (2017) § 8 – alle m.w.N. 2 Baring (1904) 459–477, 529–548, 661–676; (1905) 30–48; 133–156 – mit Hinweisen zur älteren (ebenso wenig zahlreichen) gemeinrechtlichen Literatur; Greiner (2000) 68–268 mit kritischer Besprechung Klinck, ZRG-Germ. Abt. (2003) 813 ff.; nur knapp Raff (2017) § 5 D; generell den Aufwendungsersatz betreffend jüngst aber André Meyer, AcP 216 (2016) 952–986 m.w.N., der § 670 BGB auf allgemeine Kerngedanken hin untersucht. Zur Frage der Positivierung allgemeiner Regeln im Allgemeinen Teil schreibt er aber nichts. 3 Es geht nur um Definitionen, nicht darum, unter welchen Voraussetzungen Ersatz zu verlangen ist. 4 § 77 des sächsischen BGB lautet: „Unter Verwendungen werden der auf eine Sache gemachte Aufwand und die durch eine Sache veranlaßten Ausgaben begriffen. Die Verwendungen sind nothwendige, wenn sie den Untergang oder die Verschlechterung oder den Verlust der Sache abwenden, und nützliche, wenn sie die Sache in Ansehung der davon zu ziehenden Früchte oder des Gebrauchs verbessern. Andere Verwendungen sind willkührliche, gleichviel, ob dadurch der Werth der Sache erhöht wird oder nicht.“

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da diese immer mehr oder weniger doktrinär ausfallen müßten, die Rechtsanwendung nur erschweren, jedenfalls die richtige Würdigung der einzelnen Fälle nicht erleichtern.“5 An anderer Stelle der Materialien wird im Übrigen lapidar festgestellt, dass der Entwurf keine allgemeinen Regeln aufgestellt habe, „ob und inwieweit jemand, welcher eine bestimmte Sache herauszugeben oder zu übertragen hat, für Verwendungen auf die Sache“ Ersatz verlangen könne.6 Wir wollen vor dem Hintergrund der existierenden Regeln prüfen, ob die Entwurfsverfasser in ihrer Zurückhaltung Recht hatten. Es geht hier ausdrücklich aber nicht darum, einen allgemeinen Ersatzanspruch für Verwendungen zu modellieren.7 Der Beitrag konzentriert sich auf das deutsche Recht. Er wird punktuell auf das polnische Recht als weiterer pandektisierter Rechtsordnung zurückgreifen, zudem auf das französische und österreichische Recht, die in ihrer wissenschaftlichen Durchdringung in Ansätzen ebenfalls „Allgemeine Teile“ kennen. Unter Verwendung wird hier jede Aufwendung auf einen Gegenstand verstanden.8 Eine Aufwendung wiederum ist, in Abgrenzung zum Schaden, jedes freiwillige Vermögensopfer.9 Inhaltlich kann der Aufwendungsersatz in Geld oder auf Leistung in natura gerichtet sein; letzteres zeigt namentlich § 257 BGB.10 Um Aufwendungsersatz im Generellen, ausgehend vom vielleicht wichtigsten Ersatztatbestand in § 670 BGB, soll es hier aber nicht gehen.11 Der Ansatz ist bescheidener: Nur die Spezialfälle, die Aufwendungen auf einen Gegenstand betreffen, interessieren hier.12 Typischerweise haben Verwendungen den Zweck, einen Gegenstand zu erhalten und/oder zu verbessern. Der Begriff „Gegenstand“ ist hier bewusst gewählt: Er ist Oberbegriff von Sachen und Rechten nach § 90 BGB. Auch Aufwendungen 5 Motive, Bd. 3, S. 30 f. (= Mugdan, Bd. 3, S. 17). 6 Motive, Bd. 5, S. 200 (= Mugdan, Bd. 5, S. 105). 7 Hierzu ausführlich Greiner (2000) 68–268. Seine Thesen werden aber zu Recht kritisch hinterfragt, etwa bei Klinck, ZRG-Germ. Abt. (2003) 813 ff. 8 Statt aller und näher Staudinger BGB (2013)/Karl-Heinz Gursky vor §§ 994–1003, Rn. 5. Ausführlich zum Verwendungsbegriff (immer noch sehr lesenswert) Baring (1904) 459 ff. (463 ff.). 9 MünchKomm BGB/Wolfgang Krüger § 256, Rn. 2 ff; MünchKomm BGB/Hans-Hermann Seiler § 670, Rn. 6. 10 Eingehend MünchKomm BGB/Wolfgang Krüger § 256, Rn. 8 ff. 11 Zur Verallgemeinerungsfähigkeit von Aufwendungsersatzvorschriften zuletzt eingehend Meyer (2016) 952–986. 12 Solche Verwendungen können auch vorliegen, wenn das BGB andere Begriffe verwendet; das BGB ist insoweit nicht konsequent; vgl. etwa § 2124 BGB; § 347 Abs. 2 S. 2 BGB; § 2022 BGB.

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auf Rechte sind denkbar, wie die §§ 256, 459 BGB zum Ausdruck bringen.13 Durch den Bezug der Verwendungen auf den Gegenstand wäre die Einpassung des Verwendungsersatzes in den Allgemeinen Teil des BGB im Übrigen kein Fremdkörper: Das Schema personae-res-actiones bliebe gewahrt.14 Die Zielrichtung des Ersatzes der Verwendungen ist grundsätzlich15, jemandem einen Anspruch zu gewähren, der eigene Mittel auf fremde Gegenstände erbracht hat. Es gibt in allen fünf Büchern des Bürgerlichen Gesetzbuches Normen zu Verwendungsersatzansprüchen (II.). Ob und welche abstrakten Leitgedanken sich herauskristallisieren, soll im Folgenden untersucht werden (III.). Ein ganz knapper rechtsvergleichender Überblick (IV.) steht vor einem Fazit (V.).

2.  Tour d’horizon: Verwendungsersatzansprüche im BGB Die folgende Gliederung folgt der Einfachheit halber den fünf Büchern des BGB, schon um eine anders systematisierende Vorfestlegung zu vermeiden. Das darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei allen hier untersuchten Regelungen um schuldrechtliche Vorschriften handelt, die aufgrund ihres spezifischen Sachzusammenhangs über die Bücher verstreut sind.16

2.1.  Allgemeiner Teil Im Allgemeinen Teil des BGB findet sich in § 102 eine Vorschrift, die demjenigen einen Anspruch auf Fruchtgewinnungskosten zugesteht, der die einmal gezogenen Früchte herausgeben muss. Fruchtgewinnungskosten sind nur mittelbar auf die Erhaltung oder Verbesserung einer Sache gerichtet, ihre Zielrichtung ist es vielmehr, eine neue Sache, die Frucht, zu gewinnen. Da sie aber häufig nur schwer von Sachverwendungen unterschieden werden kann,17 wird sie hier aufgeführt. § 102 BGB ist in der Sache nämlich von großem Interesse. Der Vorschrift soll der Gedanke zugrunde liegen, dass Frucht nur das ist, was abzüglich der auf sie aufgebrachten Kosten verbleibt (sog. Nettogewinn).18 Das passt freilich nur vom 13 In Polen sind die Aufwendungen des Wiederkäufers zwar auf Sachen bezogen, siehe Art. 594 § 1 Hs. 2 KC. Aber über Art. 555 KC finden auf Rechts- und Energiekäufe auch die Vorschriften des Kaufs über Sachen Anwendung. 14 Hierzu Kruszyńska-Kola i. B., 74. 15 Zu einer Ausnahme siehe Abschnitt II. Ziffer 4. 16 Zur pandektistischen Anordnung im BGB siehe etwa Baldus/Raff (2008) 101–114. 17 Vgl. Verse (1999) 20 f. 18 Siehe hierzu MünchKomm BGB/Christina Stresemann §  102, Rn.  1; Staudinger BGB (2017)/Malte Stieper §  102, Rn.  1. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass

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Gedanken her: Wer Äpfel herausgeben muss, kann die hierzu aufgewandten Kosten nicht von ihnen wegschneiden. Hier hilft nur das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB, und zwar analog, da die Vorschrift in Buch 2 steht.19 Wichtig ist, dass § 102 BGB weder zwischen notwendigen und nützlichen Verwendungen noch zwischen einem gut- oder bösgläubigen Verwender differenziert.20 § 102 BGB findet seine funktionellen Äquivalente im polnischen Recht (Art. 55 k.c.)21 und im französischen Recht (Art. 548 C.civ.)22. Österreich hat hierzu Grundsätze in Rechtsprechung und Lehre entwickelt.23

2.2. Schuldrecht Im Schuldrecht finden sich erwartungsgemäß die meisten Regelungen zum Verwendungsersatz.

a)  Die allgemeinen Vorschriften im Schuldrecht, §§ 241–432 BGB Schon unter den allgemeinen Vorschriften (§§ 241 bis 432 BGB) sind zwei besonders wichtige, die für Verwendungen gelten. Zum einen regelt § 256 BGB die Frage, ob, ab wann und wie der Verwendungsersatzanspruch zu verzinsen ist. Eine zentrale Aussage trifft vor allem § 256 S. 2 BGB: Die Ansprüche desjenigen, dem die Nutzungen verbleiben (wie namentlich dem gutgläubigen Besitzer gem. § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB), sind nicht verzinslich. Hier greift ein privatrechtliches Prinzip Platz, dem zufolge der, der Nutzungen ziehen darf, einen entsprechenden Teil der Kosten tragen muss: Im Rahmen von § 994 Abs. 1 S. 2 BGB sind es beispielsweise die gewöhnlichen Erhaltungskosten; bei Art. 226 § 1 S. 1 des polnischen KC werden die Nutzungen von den Verwendungen abgezogen; hier sind es die Zinsen, die der nutzungsziehungsberechtigte Verwender nicht geltend machen kann.24

Frucht nur das ist, was abzüglich der auf sie aufgebrachten Kosten verbleibt (sog. Nettoprinzip). 19 Dass § 273 BGB nur analog herangezogen werden kann, wird, soweit ersichtlich, nicht thematisiert. 20 Das bemerkt richtig Staudinger BGB (2017)/Malte Stieper § 102, Rn. 5. 21 Dazu näher Raff (2017) § 7 D.IV.3. 22 Dazu näher Raff (2017) § 7 B.VI.1. 23 Dazu näher Raff (2017) § 7 C.VI.2. 24 Zu diesem Prinzip jetzt Raff (2017) § 4.

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Zum anderen trifft § 347 BGB Aussagen zum Verwendungs- und Aufwendungsersatz25 im Rücktrittsrecht.26 Danach sind dem Sachrückgewährschuldner notwendige Verwendungen stets (Abs. 2 S. 1), andere Aufwendungen nur dann zu ersetzen, soweit der Sachrückgewährgläubiger bereichert ist (Abs. 2 S. 2). Hier erscheint zum ersten Mal die Differenzierung zwischen notwendigen und sonstigen Aufwendungen. Notwendige Verwendungen sind all diejenigen, die zur Erhaltung des Gegenstands objektiv ex ante27 erforderlich sind.28 Weiterer Kategorien zur Eingrenzung des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB bedarf es ebenso wenig wie bei § 996 BGB, obwohl man landläufig in Abgrenzung zu den notwendigen Verwendungen von nützlichen Aufwendungen spricht. Da der Sachrückgewährschuldner alle Nutzungen zurückgeben muss (§ 346 BGB), erhält er im Gegenzug auch Ersatz aller Verwendungen – ohne Abzug etwa der gewöhnlichen Erhaltungskosten.29 In den allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften interessiert mit dem Widerrufsrecht ferner ein Regelungskomplex, der zum Verwendungsersatz offenbar schweigt. Über § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. war bisher über § 347 BGB demjenigen Verwendungsersatz zu gewähren, der eine Sache infolge verbraucherrechtlichen Widerrufs zurückzugewähren hatte. §§ 357 ff. BGB n.F. regeln im Zuge der Anpassung an die Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU die Folgen des Widerrufs eigenständig und gem. § 361 BGB halbzwingend: Weitergehende Ansprüche gegen den Verbraucher bestehen nicht. Umgekehrt gilt das freilich nicht: Soweit der Verbraucher Ansprüche gegen den Unternehmer geltend macht, greift § 361 BGB nicht. Da die §§ 357 ff. BGB n.F. keinen geschlossenen Regelungskomplex zum Verwendungsersatz enthalten, stellt sich die Frage, ob und ggf. welche Ansprüche der Verbraucher hat, wenn er Verwendungen auf die zurückzugewährende Sache gemacht hat. Diese Fragen sind 25 Bei § 347 Abs. 2 S. 2 BGB ist tatsächlich nicht von Verwendungen die Rede. Vgl. zu etwaigen Folgen für die Unterscheidung hieraus MünchKomm BGB/Reinhard Gaier § 347, Rn. 21. 26 Das polnische Recht regelt in Art. 395 KC den Verwendungsersatz nicht eigens; das ist vor dem Hintergrund des Konsensprinzips (Art. 155 KC) konsequent. 27 Daher ist das Urteil des OLG Schleswig, Urt. v. 22.02.2011 – 3 U 66/10, NJW-RR 2011, S. 993 ff. (994) falsch, dem zufolge die Kosten einer fehlgeschlagenen Mängelbeseitigung nicht zu erstatten sind; zutreffend BeckOGK (2016)/Alexander Schall § 347, Rn. 69; dem OLG jedoch – ohne nähere Auseinandersetzung – folgend MünchKomm BGB/Reinhard Gaier § 347, Rn. 19. 28 BGH, Urt. v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, NJW 1996, S. 921 (922); MünchKomm BGB/ Reinhard Gaier § 347, Rn. 19. 29 BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, S. 674 (678).

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offen; vieles spricht dafür, schon wegen der Sachnähe insoweit auf § 347 BGB analog zurückzugreifen.30 Diese Thematik kann hier indes nicht weiter verfolgt werden. Die für die Zwecke dieser Untersuchung maßgebliche Erkenntnis liegt darin, dass es auch Regelungskomplexe gibt, die geschlossen sein wollen und gleichwohl keine Aussagen zum Verwendungsersatz treffen.

b)  Die besonderen Vorschriften im Schuldrecht, §§ 433–853 BGB Wendet man sich dann den besonderen Vorschriften des Schuldrechts zu, so enthält der praktisch nicht unwichtige31 Wiederkauf in § 459 S. 1 BGB eine Regel zum Verwendungsersatz. Danach kann der Wiederverkäufer Ersatz für Verwendungen, die er vor dem Wiederkauf getätigt hat, verlangen, soweit der Wert des Gegenstandes durch die Verwendungen erhöht ist. „Vor dem Wiederkauf “ meint hier den Zeitpunkt vor der Ausübung des Wiederkaufrechts gem. § 456 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 456 Abs. 2 BGB zu lesen, der zufolge der Wiederverkäufer nur den Preis bekommt, den er vormals selbst bezahlt hat. Denn wurde ein Verkauf zum Schätzungswert zum Zeitpunkt des Wiederkaufs vereinbart, gilt § 459 BGB gem. § 460 BGB nicht. Ein Bezug zu getätigten Nutzungen besteht hier auf den ersten Blick ebenso wenig wie eine Differenzierung zwischen notwendigen und nützlichen Verwendungen. Tatsächlich muss aber der Wiederverkäufer nach Ausübung des Wiederkaufrechts nur den Gegenstand nebst Zubehör übereignen und übergeben, § 457 Abs. 1 BGB, nicht etwa auch die gezogenen Nutzungen herausgeben bzw. Ersatz für sie leisten. So leuchtet ein, dass der Wiederverkäufer nur Ersatz für werterhöhende, nicht aber auch für sacherhaltende Verwendungen verlangen kann. Nun könnte man meinen, der Wiederverkäufer tue gut daran, die Sache auszubeuten und verkommen zu lassen, er erhalte ja bei Ausübung des Wiederkaufrechts auf jeden Fall den Kaufpreis gem. § 456 Abs. 2 BGB. Allerdings würde er sich dann schadensersatzpflichtig machen, § 457 Abs. 2 BGB. Hieraus will

30 Dies erwägt Schwab (2015) 644 ff. (651). Er erörtert auch die Frage, ob dieses Ergebnis mit dem Vollharmonisierungsgedanken des § 361 BGB in Konflikt stehen könnte. 31 Die Bedeutung ergibt sich daraus, dass namentlich in der notariellen Praxis dem Verkäufer, etwa einer Gemeinde, das Recht zum Wiederkauf eingeräumt wird, sollte der Käufer einer vertraglich geregelten Bauverpflichtung nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums nachkommen. Generell hierzu MüKo/Westermann § 456, Rn. 1; BGH, Urt. v. 24.05.2012 – IX ZR 175/11, NJW 2012, S. 2504 ff.

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Westermann eine veritable Pflicht des Wiederverkäufers zur Erhaltung des Gegenstands lesen;32 dies ist wohl unzutreffend, hier aber nicht näher zu behandeln.33 Festzuhalten ist jedenfalls, dass das Wiederkaufrecht eine Sondersituation betrifft, spezielle Regelungen aufstellt und in der Praxis vielfach anders gestaltet wird. Im Schenkungsrecht gilt für die Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers und infolge Widerrufs wegen groben Undanks über § 528 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. § 531 Abs. 2 BGB Bereicherungsrecht. In diesem Rahmen können auch Aufwendungsersatzansprüche geltend gemacht oder gleich saldiert werden.34 Das Bereicherungsrecht verweist u.U. über §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 auf die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, und damit auf §§ 994 ff. BGB. Die völlig unübersichtlich gewordene bereicherungsrechtliche Dogmatik soll hier im Übrigen außen vor bleiben. Auch das Mietrecht kennt besondere auf den Vertragstyp abgestimmte Verwendungsersatzansprüche. Hat die Mietsache einen Mangel im Sinne des § 536 BGB, kann der Mieter den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist (§ 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB). Im Übrigen erhält der Mieter Verwendungsersatz nur nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag§ 539 Abs. 1 BGB.35 Hier gibt es viele Rechtsprechungsschichten, die in der Tendenz zulasten des Mieters entscheiden,36 weil der Mieter den Vermieter regelmäßig fragen kann und dieser bei Veränderungen der Mietsache ein Mitspracherecht hat. Damit ist ein Grundunterschied zwischen den Verwendungsersatzansprüchen angesprochen: Es kann um Ansprüche aus vertraglichen oder aus gesetzlichen Schuldverhältnissen gehen. Interessante Verwendungsersatzregelungen finden sich auch bei der Pacht: §§ 590b und 591 BGB. Gem. § 590b BGB ist der Verpächter verpflichtet, dem

32 MünchKomm BGB/Harm Peter Westermann § 457, Rn. 4. 33 Vgl. zu Obliegenheit und Pflicht zur Sacherhaltung im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und den historischen Hintergründen Raff (2017) § 8.C.III. 34 Vgl. etwa für § 531 Abs. 2 BGB MünchKomm BGB/Jens Koch § 531, Rn. 8; BGH, Urt. v. 19.01.1999 – X ZR 42/97, NJW 1999, S. 1626 ff. 35 Keinen Verwendungsersatzanspruch in dem hier interessierenden Sinne regelt § 555a Abs. 3 BGB. Dort geht es um Aufwendungen, die der Mieter tätigen muss im Zusammenhang mit Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters, die der Mieter dulden muss. 36 Vgl. zur Praxis MünchKomm BGB/Hans-Jürgen Bieber § 539, Rn. 4 ff.; Gsell (2010) 71 ff. (74 f.).

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Pächter notwendige Verwendungen zu ersetzen. Diese Regelung findet sich so oder ähnlich auch in anderen Normenkomplexen. Singulär ist hingegen § 591 BGB, der – nach der amtlichen Überschrift – wertverbessernde Verwendungen betrifft. Diese muss der Verpächter im Grundsatz nur ersetzen, wenn der Verpächter den Verwendungen zugestimmt hat und nur soweit die Verwendungen den Wert der Pachtsache über die Pachtzeit hinaus erhöhen (Mehrwert), § 591 Abs. 1 BGB. Allerdings kann der Pächter beim Landwirtschaftsgericht37 beantragen, dass das Gericht die Zustimmung des Verpächters ersetzt. Voraussetzung ist, dass die Verwendungen zur Erhaltung oder nachhaltigen Verbesserung der Rentabilität des Betriebs geeignet sind und dem Verpächter bei Berücksichtigung seiner berechtigten Interessen zugemutet werden können. Diese Regelung ist bemerkenswert, weil sie teilweise von der Gegenstandsorientierung abweicht und auf einen – dogmatisch wenig konturierten – Inbegriff von Sachen und Rechten abstellt, nämlich den Betrieb. Das BGB sieht einen Betrieb gem. § 585 BGB bereits dann als gegeben an, wenn Pachtgegenstand ein Grundstück mit den seiner Bewirtschaftung dienenden Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden ist. Freilich können die Parteien Weiteres zum Pachtgegenstand machen. Hintergrund der Regelungen ist der „Grundsatz der Forderungswürdigkeit leistungsfähiger Betriebe“.38 Hiervon ausgehend überrascht es nicht, dass von § 591 BGB erfasste nützliche Verwendungen in den Pachtgegenstand weit reichen: Wieder- oder Neuerrichtung von Gebäuden, die Umwandlung von Weide- in Ackerland oder umgekehrt, die Anlage von Wegen, Teichen etc.39 Weitere Details interessieren für diese Untersuchung nicht. Entscheidendes Spezifikum ist der Betrieb als Pacht- und Verwendungsgegenstand, der sich von anderen Verwendungsersatzregelungen unterscheidet. Die Regelung ist im Übrigen gerade deswegen in das Gesetz gekommen, weil man die früher angewandten Ersatzregelungen, nämlich Geschäftsführung ohne Auftrag und Bereicherungsrecht, für unangemessen hielt.40 Die Leihe sieht in § 601 BGB vor, dass der Entleiher die gewöhnlichen Erhaltungskosten trägt (Abs.  1); Ersatz für andere Verwendungen (also auch 37 Landwirtschaftsgerichte sind in erster Instanz Abteilungen beim Amtsgericht, § 2 Landwirtschaftsverfahrensgesetz. 38 Er ist offenbar vom Bundesverfassungsgericht entwickelt worden. Hierzu Staudinger BGB (2013)/Ulrich von Jeinsen § 591, Rn. 1 und § 585, Rn. 19. 39 Vgl. die Zusammenstellung mit umfassenden Nachweisen bei Staudinger (2013)/von Jeinsen § 591, Rn. 10 ff. 40 Näher Staudinger BGB (2013)/Ulrich von Jeinsen § 591, Rn. 1 ff. und (allgemein zur Entwicklung des Landpachtrechts seit Inkrafttreten des BGB) vor §§ 581 ff., Rn. 14 f.

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außergewöhnliche Erhaltungskosten) erhält er nur über die Geschäftsführung ohne Auftrag (Abs. 2 S. 1). Der Verweis auf die §§ 677 ff. BGB ist eine (partielle) Rechtsgrundverweisung.41 Aus der Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag folgt, dass der Entleiher nicht verpflichtet ist, außergewöhnliche Erhaltungsmaßnahmen zu ergreifen; eine Nebenpflicht wird allerdings lauten, dass er den Verleiher über deren Notwendigkeit informiert. Der in §  670  BGB geregelte Aufwendungsersatz (u.a. anwendbar über §§ 677, 683 S. 1 BGB) muss hier außen vor bleiben, weil der Aufwendungsbegriff Teil des Definiens des Verwendungsbegriffs ist; ein wie auch immer gearteter Gegenstandsbezug fehlt – auch wenn natürlich Verwendungskosten über § 670 BGB abgerechnet werden können. Dasselbe gilt für § 693 BGB (Verwahrung). §  850  BGB verweist für den Verwendungsersatzanspruch desjenigen, der zur Herausgabe einer entzogenen Sache verpflichtet ist, auf die §§ 994 ff. BGB. § 850 BGB gilt in allen Fällen, in denen sich aus dem Deliktsrecht eine Herausgabepflicht ergibt. Die Ansprüche des Herausgabepflichtigen werden so begrenzt.42 Die Ansprüche aus §§ 994 ff. BGB sind weiter unten zu besprechen.

2.3. Sachenrecht Aus dem Sachenrecht lohnt zunächst ein Blick auf den Verwendungsersatzanspruch des Finders gem. § 970 BGB. Danach kann der Finder (u.a.) Ersatz für Aufwendungen verlangen, die er zum Zwecke der Erhaltung der Sache getätigt hat, soweit er dies für erforderlich halten durfte. Die enge Anlehnung an die Geschäftsführung ohne Auftrag fällt auf; der Fund unterscheidet sich aber kategorial dadurch, dass bei den Ansprüchen aus dem Fund ein Fremdgeschäftsführungswille nicht erforderlich ist.43 Anderenfalls hinge der Verwendungsersatzanspruch von subjektiven Voraussetzungen ab; dies wiederum könnte den Finder davon abbringen, erstens Erhaltungsmaßnahmen zu treffen und zweitens den Eigentümer über den Fund überhaupt zu informieren. Der Verwendungsersatzanspruch wird im Übrigen nicht dadurch begrenzt, dass der Finder gewöhnliche Erhaltungskosten tragen müsste, denn die Nutzungen aus der Sache darf der Finder nicht behalten.44 Hier taucht das bereits

41 Staudinger BGB (2013)/Dieter Reuter § 601, Rn. 4 m.w.N. 42 Vgl. Staudinger BGB (2015)/Klaus Vieweg § 850, Rn. 1. 43 Näher MünchKomm BGB/Jürgen Oechsler § 965, Rn. 1 und Staudinger BGB (2017)/ Wolfgang Wiegand/Karl-Hans Gursky § 965, Rn. 13 m.w.N. auch zur Gegenansicht. 44 MünchKomm BGB/Jürgen Oechsler § 970, Rn. 1 m.w.N. – auch zur (da diesen Aspekt verkennenden: unvertretbaren) Gegenansicht.

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mehrfach festgestellte Verhältnis von Verwendungen und Nutzungen wieder auf: Wer keine Nutzungen ziehen darf, erhält auch Ersatz aller seiner notwendigen Verwendungen. Zentral sind anschließend die Vorschriften zum Verwendungsersatz im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Sie enthalten in den §§ 994 ff. BGB maßgeschneiderte Regelungen: Differenziert wird zwischen den Verwendungskategorien (gewöhnliche und außergewöhnliche Erhaltungskosten als Unterkategorien der notwendigen Verwendungen in § 994 BGB einerseits und nützliche Verwendungen, § 996 BGB, andererseits) und der Qualität des Besitzers (gut- und bösgläubiger Besitzer). Leitgedanke ist die Sacherhaltung und Sachverbesserung, die den Streit darüber, ob das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis dem Eigentumsschutz dient oder den gutgläubigen Besitzer privilegiert, hinfällig macht.45 Die Bedeutung der Regelungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis wachsen durch zahlreiche Verweisungen, namentlich aus §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292; 850; 347 a.F.; 1003 Abs. 3 S. 2; 1065, 1227 und öfter. Hinzu kommen in Rechtsprechung und Lehre diskutierte entsprechende Anwendungen, etwa auf die Vormerkung und das Bucheigentum.46 Ob das EigentümerBesitzer-Verhältnis sinnvoll auch auf die Folgen der Ausübung eines negatorischen Anspruchs ausgedehnt werden sollte, wird für Deutschland gerade erst diskutiert;47 in Polen ist das bereits weitgehend anerkannt.48 Im Einzelnen gilt Folgendes: Nach § 994 Abs. 1 S. 1 BGB erhält der gutgläubige Besitzer Ersatz für die notwendigen Verwendungen, allerdings mit der Einschränkung, dass er die gewöhnlichen Erhaltungskosten tragen muss (Abs. 1 S. 2 BGB). Die Einschränkung rechtfertigt sich dadurch (wie bereits der Wortlaut des § 994 Abs. 1 S. 2 BGB zum Ausdruck bringt), dass dem gutgläubigen Besitzer gem. § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB mit Ausnahme der Übermaßfrüchte die Nutzungen verbleiben. Hier taucht das Verhältnis von Verwendungen und Nutzungen also wieder prominent auf: Wer Nutzungen aus einer Sache ziehen und den wirtschaftlichen Wert behalten darf, muss jedenfalls einen Teil der Sacherhaltungskosten tragen. In Deutschland geschieht dies durch eine eigene Kategorie pauschal. In Polen wird hingegen zwischen notwendigen Verwendungen und Nutzungen genau abgerechnet, Art. 226 § 1 S. 1 KC. 45 Näher Raff (2017) § 8. 46 Zu allem näher und m.w.N. Staudinger BGB (2013)/Karl-Heinz Gursky vor §§ 987 ff. BGB, Rn. 84 ff. m.w.N. 47 Grdl. Kümmerle (2013) 47 ff. 48 Statt vieler Katner (2010) 245 ff. (251) m.w.N., etwa auf OGH, Urt. v. 24.02.2006 – II CSK 139/05.

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Der bösgläubige Besitzer wird für den Anspruch auf Ersatz der notwendigen Verwendungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag verwiesen, § 994 Abs. 2 BGB (partielle Rechtsgrundverweisung). Nur der gutgläubige Besitzer erhält schließlich Ersatz seiner nützlichen Verwendungen gem. § 996 BGB, und auch nur insoweit, als der Wert der Sache bei Rückgabe noch erhöht ist. Weitere wichtige Vorschriften im Sachenrecht zum Verwendungsersatz enthalten die Regelungen zum Nießbrauch, namentlich § 1049 Abs. 1 BGB. Darin heißt es: Macht der Nießbraucher Verwendungen auf die Sache, zu denen er nicht verpflichtet ist, so bestimmt sich die Ersatzpflicht des Eigentümers nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Wie üblich bei Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag, handelt es sich auch hier um eine partielle Rechtsgrundverweisung. § 1049 BGB ist im Zusammenhang mit § 1041 BGB zu lesen, der zufolge der Nießbraucher die gewöhnlichen Unterhaltungskosten tragen muss. Weitere Kostentragungspflichten ergeben sich aus §§ 1045, 1047 f. BGB. Zu darüber hinausgehenden Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen ist der Nießbraucher nicht verpflichtet. Nimmt er sie gleichwohl vor, erhält er Ersatz im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Zu gewärtigen ist in diesem Zusammenhang, dass sich aus den Regelungen keine Pflicht des Eigentümers zur Vornahme außergewöhnlicher Verwendungen ergibt. So ergibt sich eine auf den ersten Blick ganz eigenartige Situation: Der Eigentümer ist zu keinerlei Kostentragung verpflichtet, der Nießbraucher trägt die gewöhnlichen Unterhaltungskosten, und für darüber hinausgehende Verwendungen erhält er nur Ersatz im Rahmen der §§ 683 ff. BGB. Der gesetzgeberische Gedanke dahinter ist ein freiheitlicher: Der Eigentümer wird selbst am besten wissen, wie er mit seinen Sachen wirtschaftet. Er entscheidet, ob und wie viel er investiert. Der Nießbraucher muss in diesem Zusammenhang nur das nötigste tun, um die Sache zu erhalten.49 Die Vorschriften zum Pfand wiederum sehen unterschiedliche Vorschriften vor, je nach dem, ob das Verhältnis zwischen Pfandgläubiger und Verpfänder betroffen ist oder das Verhältnis zwischen Pfandgläubiger und Dritten. Bei ersterem greift § 1216 BGB, der in S. 1 auf die Geschäftsführung ohne Auftrag verweist. Das ist sachnah, denn die Beteiligten hätten dies ja auch regeln können. Bei zweiterem wird, wiederum konsequent, auf die Vorschriften des Eigentümer-BesitzerVerhältnisses verwiesen, § 1227 BGB.

49 Zu allem näher Schön (1992) 28 ff., 110 ff.; Raff (2017) § 5 C.II.3 und § 8 C.I.3.

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Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass selbst innerhalb eines Rechtsinstituts zwei unterschiedliche Verwendungsersatzregelungen Anwendung finden können. Im polnischen Recht ist offenbar nur das Verhältnis zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger geregelt: Dort verweist Art. 320 KC ebenfalls auf die Geschäftsführung ohne Auftrag.

2.4. Familienrecht Im Familienrecht gibt es mit §§ 1445, 1467 BGB zwei Verwendungsersatzansprüche im Rahmen der – inzwischen seltenen – ehelichen Gütergemeinschaft, in der Einzelverwaltung50 (§ 1445 BGB) bzw. der Gesamtverwaltung51 (§ 1467 BGB). Stellvertretend soll nur § 1445 BGB skizziert werden. Hier wird die bisher offenbar einheitliche Zielrichtung der Verwendungsersatzansprüche auf die Probe gestellt. Verwendungsersatzansprüche setzen typischerweise voraus, dass jemand eigene Mittel in fremde Gegenstände investiert. Dies passt auf § 1445 BGB nur eingeschränkt. Nach Absatz 1 gilt nämlich Folgendes: Verwendet der das Gesamtgut verwaltende Ehegatte Gesamtgut in sein Vorbehalts- oder Sondergut, muss er den Wert des Verwendeten zum Gesamtgut ersetzen. Diese Vorschrift soll vor Missbrauch schützen. Der verwaltende Ehegatte kann umfassend handeln; soweit er Gesamtgut dazu verwendet, Vorbehalts- oder Sondergut zu verbessern, muss er Ausgleich in das Gesamtgut leisten. Hier muss also der, der verwendet, an die Gesamthand Ersatz leisten. Erst Absatz 2 passt wieder zur Zielrichtung der anderen Verwendungsersatzansprüche. Dort ist geregelt, dass der das Gesamtgut verwaltende Ehegatte Ersatz verlangen kann, wenn er aus dem eigenen Vorbehalts- oder Sondergut Verwendungen in das Gesamtgut tätigt.52 Mehr Details zu der überkomplexen Gütergemeinschaft brauchen hier nicht aufgearbeitet werden. Die Regelung zeigt aber, dass offenbar auch die Zielrichtung von Verwendungsersatzansprüchen nicht einheitlich sein muss. Im Übrigen enthält das Buch zum Familienrecht keine Vorschriften zum Verwendungsersatz. Es existieren ansonsten lediglich Vorschriften wie § 1298,

50 Verwaltung des Gesamtguts durch einen Ehegatten, vgl. die Überschrift von Unterkapitel 2 (Vor §§ 1422 ff. BGB). 51 Gemeinschaftliche Verwaltung des Gesamtguts durch beide Ehegatten, vgl. die Überschrift von Unterkapitel 3 (vor §§ 1450 ff. BGB). 52 Eingehend zu § 1445 BGB Staudinger BGB (2007)/Burkhard Thiele § 1445, Rn. 1–17.

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§ 1648 oder § 1835 BGB, in denen Aufwendungsersatzansprüche geregelt sind, die hier aus den oben genannten Gründen nicht weiter behandelt werden.

2.5. Erbrecht Das Erbrecht hingegen kennt einige zentrale Abwicklungssysteme, die Regelungen zum Verwendungsersatz beinhalten. Dogmatisch – weniger praktisch – bedeutsam sind zunächst die §§ 2022 ff. BGB. Hier geht es um den Erbschaftsanspruch, ein vom Gesetzgeber gewollter Gesamtanspruch des tatsächlichen Erben gegen den Erbschaftsprätendenten; Ziel des Anspruchs ist es, die Erbschaft als Ganzes zu erhalten.53 Die praktischen Schwierigkeiten dieser auf den ersten Blick sinnfälligen Konstruktion, namentlich das Problem, dass im Prozess eine Einzelbezeichnung erforderlich ist, sollen hier ausgeblendet werden. §§ 2022 ff. BGB sehen ein Verwendungsersatzregime vor, das den §§ 994 ff. BGB nur in Teilen ähnelt.54 Die Kernaussage in § 2022 Abs. 1 BGB überrascht: Der Erbschaftsbesitzer ist zur Herausgabe der zur Erbschaft gehörenden Sachen nur gegen Ersatz aller55 Verwendungen verpflichtet, soweit nicht die Verwendungen durch Anrechnung auf die nach § 2021 herauszugebende Bereicherung gedeckt werden. Aus §§ 2023, 2024 BGB folgt aber im Umkehrschluss, dass § 2022 BGB nur für die Ansprüche des gutgläubigen Besitzers gilt. Die §§ 2023, 2024 BGB verweisen für den verklagten bzw. den bösgläubigen Besitzer haftungsverschärfend auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis: Dies bedeutet, dass der bösgläubige Erbschaftsbesitzer nur Anspruch auf Ersatz notwendiger Verwendungen gem. § 994 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 677 ff. BGB hat. Warum aber, so fragt man sich, erhält der gutgläubige Besitzer Ersatz aller Verwendungen (in den Grenzen der Bereicherung)? Zunächst kann man dies mit einem formalen Argument begründen: Der Erbschaftsbesitzer (und zwar jeder, auch der gutgläubige) muss alle Nutzungen herausgeben bzw. Ersatz für sie leisten, §§ 2020 f. BGB. Dies wiederum hat seinen materialen Grund darin, dass die Erbschaft zusammengehalten werden soll. Und so kann man auch § 2022 Abs. 1 BGB 53 Eingehend Staudinger BGB (2016)/Karl-Heinz Gursky vor §§ 2018 ff., Rn. 1 ff. 54 Es ist völlig ungeklärt, welcher Regelungskomplex das historische Vorbild des Verwendungsersatzes ist – wenn einer der beiden es überhaupt ist. In den römischen Quellen findet sich die ausgefeilteste Dogmatik zum Verwendungsersatz in der hereditatis petitio und zur dos. Vgl. hierzu Raff (2017) § 6 C mit Nachweisen auf die romanistische Fachliteratur. Möglicherweise sind aufgrund des Massebefundes die Vorschriften in §§ 994 ff. BGB daher historisch jünger. 55 Hervorhebung von mir.

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erklären: Die Vermögen von Erbe und Erbschaftsbesitzer sollen klar getrennt werden; der gutgläubige Erbschaftsbesitzer erhält Ersatz für alle Verwendungen und der Erbe erhält alle Erträge.56 Ein weiterer, diesmal dogmatisch und praktisch wichtiger Normenkomplex findet sich in Titel 3 zur Vor- und Nacherbschaft. Die §§ 2124–2126 BGB beinhalten ein feinsinniges Ersatzsystem zwischen Vor- und Nacherben. Die gewöhnlichen Erhaltungskosten trägt der Vorerbe, § 2124 Abs. 1 BGB. Weitere notwendige Verwendungen, die der Vorerbe „den Umständen nach für erforderlich halten darf “, kann der Vorerbe aus der Erbschaft bestreiten oder vom Nacherben im Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge Ersatz verlangen, § 2124 Abs. 2 BGB. Hierin liegt eine offensichtliche Nähe zu § 670 BGB, der eine textidentische Rechtsfolge formuliert. Für weitere Verwendungen (nicht notwendige) verweist § 2125 BGB auf die Geschäftsführung ohne Auftrag (wiederum: Rechtsgrundverweisung, so dass zwischen einer berechtigten und unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zu differenzieren ist). Für die außerordentlichen Lasten verweist sodann § 2126 BGB klarstellend auf § 2124 Abs. 2 BGB. Die Norm erfüllt damit dieselbe Funktion wie § 995 BGB, der die Lasten den Verwendungen gleichsetzt. Die Vor- und Nacherbschaft kann vielschichtig sein. Sie kann einen absehbaren Zeitraum erfassen oder über Generationen hinweg dauern; der Vorerbe kann die Person des Nacherben kennen oder nicht; der Eintritt der Nacherbfolge kann mit einer gewissen statistischen Belastbarkeit vorausgesehen werden oder aber er kann so gut wie sicher ausgeschlossen werden etc. Für all diese Fälle müssen die §§ 2124 BGB passen. Entsprechend differenziert, so scheint es, sind die Normen. Insoweit sind sie verwandt mit den §§ 994 ff. BGB, nur dass dort zwischen Gutund Bösgläubigkeit differenziert wird, was für die §§ 2124 ff. BGB nicht passt: Man weiß typischerweise, wenn man Erbe ist, welcher Erbe man ist – es sei denn, man weiß als gesetzlicher (Allein)Erbe nicht, dass es ein Testament gibt, dem zufolge man nur Vorerbe ist. Für das Vermächtnis als weitere interessante Regelung verweist sodann die wichtige Vorschrift des § 2185 BGB zum Verwendungsersatz auf die §§ 994 ff. BGB, die oben bereits skizziert wurden. Zentral sind hier Methodenfragen: Welche Vorschriften gelten für das Vor- und Nachvermächtnis als Sonderform des 56 Ein vertiefter Vergleich zwischen Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und Erbschaftsherausgabeklage gerade mit Blick auf die Folgeansprüche fehlt nach wie vor. Zieht man ganz unbefangen die polnische Äquivalenzregelung heran (Art. 1029 § 2 KC), so verweist dieses auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Um belastbare Aussagen über die Lösung in Polen treffen zu können, müsste die Norm allerdings rechtsvergleichend untersucht werden. Das ist hier nicht möglich.

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Vermächtnisses, das in § 2191 BGB angesprochen wird. Vom Wortlaut und vom äußeren System her gedacht, würde man sagen, es gelte § 2185 BGB.57 Doch ist das Vor- und Nachvermächtnis strukturell mit der Vor- und Nacherbschaft verwandt. Man wird vielleicht sagen dürfen, dass das Vor- und Nachvermächtnis selbst keine Regelungen zum Ausgleich über Verwendungen zwischen Vor- und Nachvermächtnisnehmern trifft, es – vom inneren System aus betrachtet – näher bei der Vor- und Nacherbschaft liegt und daher eine Analogie zu §§ 2124 ff. BGB anzunehmen ist. § 2185 BGB ist daher entsprechend teleologisch zu reduzieren.58 Es verbleibt ein „überflüssigerweise normiertes Rechtsinstitut“59, der Erbschaftskauf. Schon die Anordnung im Pandektensystem bereitet Schwierigkeiten. Es geht nach dem inneren System um Kaufrecht; gleichwohl wird der Erbschaftskauf im deutschen (§§ 2371 ff. BGB) wie im polnischen Recht (Art. 1074 ff. KC)60 im Buch über das Erbrecht geregelt. Der Verwendungsersatz ist im deutschen Recht ausführlich in §§ 2379 bis 2371 BGB geregelt, aber handwerklich fehlerhaft. So weist § 2379 BGB dem Verkäufer die auf die Zeit vor dem Verkauf fallenden Nutzungen zu; außerdem muss er im Gegenzug in dieser Zeit die gewöhnlichen Lasten tragen. Die gewöhnlichen Erhaltungskosten sind indes nicht angesprochen, so dass offenbar der Käufer dem Verkäufer hierfür gem. § 2381 BGB in jedem Fall Ersatz leisten muss; in § 2381 BGB ist der Ersatz für notwendige Verwendungen ohne entsprechende Einschränkungen geregelt. Das überzeugt vor dem Hintergrund, dass in allen anderen hier angesprochenen Fällen Lasten und Erhaltungskosten synchron verlaufen, nicht.61 Das polnische Recht ist wenigstens technisch sauberer: Ohne jegliche Differenzierungen regelt Art. 1054 § 2 KC, dass der Veräußerer vom Erwerber Ersatz jeglicher Aufwendungen und Verwendungen auf die Erbschaft verlangen kann.

57 Das ist auch die herrschende Meinung: BGH, Urt. v. 6. 3. 1991 – IV ZR 114/89, JZ 1991, S. 986 ff.; MünchKomm BGB/Mathis Rudy § 2191, Rn. 6; Staudinger BGB (2013)/ Gerhard Otte § 2185, Rn. 1 – jeweils m.w.N. 58 Näher Raff (2017) § 5 C.III.2. Für die Anwendung von §§ 2124 ff. auf das Vor- und Nachvermächtnis auch Leipold (1991) 990 ff.; Maur (1990) 1161 ff.; Watzek (1999) 37 ff. (45 f.). 59 So ein Teil des Titels der Dissertation von Giebel (2010). 60 Die Art. 1047 ff. KC sind indes breiter angelegt als die §§ 2371 ff. BGB. Im polnischen Recht werden Regelungen zu jeglichen Vertragstypen getroffen, die eine Erbschaft zum Gegenstand haben, vgl. Art. 1052 § 1 KC. 61 Näher Raff (2017) § 5 C.III.3.

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3. Allgemeine Leitgedanken im Recht des Verwendungsersatzes? Die vorstehende Durchsicht des BGB erhebt Anspruch weder auf Vollständigkeit noch auf jeweils vollständige dogmatische Durchdringung der einzelnen Rechtsinstitute. Zu zeigen war nur die Vielfalt der bestehenden Regelungen; diese erkennt man auf den ersten Blick. Hieraus allgemeine Leitgedanken zu ziehen, ist schwierig. Man wird aber immerhin Folgendes sagen können:

3.1.  Qualität des Verwenders Erstens kann man häufig nach der Qualität des Verwenders differenzieren: In den §§ 994 ff. BGB etwa oder in den §§ 2022 ff. BGB wird zwischen einem gutund bösgläubigen Besitzer bzw. Erbschaftsbesitzer differenziert. Ersterer erhält großzügiger Verwendungsersatz als letzterer. Aber das ist nicht immer der Fall: So differenziert § 347 Abs. 2 BGB (Rücktrittsfolgenrecht) seit der Schuldrechtsreform jedenfalls textlich nicht mehr zwischen gut- und bösgläubigem Sachrückgewährschuldner, obwohl dies nahe läge.62

3.2.  Differenzierung nach der Verwendungskategorie Zweitens kann man häufig nach der Verwendungskategorie unterscheiden: Ersatz notwendiger Verwendungen wird großzügiger gewährt als Ersatz anderer Verwendungen, so etwa im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 994, 996 BGB), im Recht des Rückgewährschuldverhältnisses (§ 347 Abs. 2 S. 1, § 347 Abs. 2 S. 2 BGB) oder im Recht der Vor- und Nacherbschaft (§ 2124 Abs. 2 BGB, § 2125 Abs. 1 BGB). Aber auch dies ist nicht immer so. Im Erbschaftskauf sind dem Erbschaftsbesitzer alle Verwendungen (in den Grenzen der Bereicherung) zu ersetzen (§ 2022 BGB).

3.3.  Verhältnis zwischen Verwendungen und Nutzungen Drittens besteht in den meisten Fällen ein Verhältnis zwischen Verwendungen und Nutzungen. Darf der Verwender die Nutzungen behalten, erhält er typischerweise keinen Ersatz der gewöhnlichen Erhaltungskosten und gewöhnlichen

62 Hierzu näher Raff (2017) § 5 B.I. und § 5 C.I.1.

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Lasten, die Teil der notwendigen Verwendungen sind, so in § 994 Abs. 1 S. 2 BGB oder in § 2124 Abs. 1 BGB. Aber selbst dies ist nicht ohne Ausnahme: In §§ 2379, 2381 BGB gilt dies im Erbschaftskauf offenbar nur für Lasten, nicht für Erhaltungskosten. Diese Regelung bleibt allerdings dunkel.

3.4.  Querliegende Regelungen Hat man einmal typische Leitlinien herausgeschält, fällt jedoch auf, dass nicht jede Regelung im BGB sich sinnvoll in die unter 1. bis 3. skizzierten Differenzierungen einreihen lässt. So liegt namentlich der Nießbrauch quer zu diesen Kategorien, denn der Nießbraucher trägt zwar die gewöhnlichen Unterhaltungskosten des Nießbrauchsgegenstands, § 1049 BGB. Auch muss der Nießbraucher außergewöhnliche Erhaltungskosten nicht tragen, aber, und hier liegt ein zentraler Unterschied zu den anderen Regelungen: Er hat insofern auch keinen Anspruch darauf, dass der Eigentümer sie vornimmt. Das bedeutet: Weder Eigentümer noch Nießbraucher sind verpflichtet, außergewöhnliche Erhaltungskosten vorzunehmen. Die Gründe hierfür sind oben bereits angerissen worden.

4.  Rechtsvergleichender Ausblick Der Verwendungsersatz ist vielschichtig. Versuche, ihn konsequent in einem zentralen und zugleich hinreichend komplexen Regime zu vereinheitlichen, sind rar. Dies lässt sich auch mit kurzen rechtsvergleichenden Hinweisen weiter belegen. So kennt zwar Frankreich seit der Schuldrechtsreform immerhin ein weitgehend verallgemeinertes Restitutionsrecht,63 in dem sich auch Verwendungsersatzregelungen finden, doch steht dies nur im Buch zum Schuldrecht. Zahlreiche Vorschriften des Code civil blieben aber unangetastet, die bisher Teil der sog. théorie des impenses64 waren: Art. 599 (Nießbrauch), 815-13 (Erbengemeinschaft), 861, 862 (jeweils Erbauseinandersetzung), 1469 (Auflösung der Zugewinngemeinschaft), 1634, 1635 (jeweils Eviktion) und 1673 (Rückkauf). Neben Frankreich hat auch Polen zahlreiche Verwendungsersatzregelungen, wie die oben immer wieder vergleichend herangezogenen Regelungen zeigen. Weiterhin ist Österreich ein Land, das – wie Frankreich – keinen Allgemeinen Teil kennt, einen solchen aber wissenschaftlich ausgebildet hat. Allgemeine Verwendungsersatzregelungen hat es gleichwohl nicht ausgebildet. Neben den

63 Art. 1352 ff. Code civil neu. 64 Grdl. Fayard (1969).

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§§ 329 ff. ABGB gibt es beispielsweise auch zum Nießbrauch eine ausgefeilte Verwendungsersatzregelung (§§  509  ff.  ABGB; in Österreich Fruchtnießung genannt).65

5. Fazit Nun mag der eine oder andere vielleicht de lege ferenda eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verwendungsersatzregelungen fordern.66 Tatsächlich nimmt die Anzahl der Rückabwicklungssysteme aber eher zu als ab, was auch an europäischen Rechtsakten liegt. Es gibt offenbar ein Bedürfnis der Praxis nach ausdifferenzierten, d.h. an die jeweilige Situation möglichst optimal angepassten Rückabwicklungssystemen.67 Dies führt zu folgendem Ergebnis: Weder könnte noch sollte man vor dem Hintergrund der ausdifferenzierten Verwendungsersatzregelungen allgemeine Regelungen abstrahieren, die in den Allgemeinen Teil aufgenommen werden könnten. Sie wären entweder zu unterkomplex (den Verwendungsbegriff definieren können Wissenschaft und Praxis auch selbst) oder bereits wieder zu komplex (Differenzierungen nach den Qualitäten von Verwendung und Verwender sowie Bezugsgegenstand der Verwendung).

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65 Näher Raff (2017) § 7 C. 66 Nils Jansen (2013) §§ 677–687 I, Rn. 129; ders. (2016) 117–233. 67 Zu allem näher Raff (2017) § 8 B.III.1.b). Beispielsweise sieht die Richtlinie 2011/83/ EU Normen für die Rechtsfolgen des Widerrufs vor; da die Richtlinie vollharmonisierend ist, ist es für die Mitgliedstaaten schwierig, diese Regelungen ohne erforderliche Differenzierungen in nationale Rückforderungsschemata einzupassen.

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Fayard (1969): Marie-Claude Fayard, Les impenses (Paris 1969). Giebel (2010): Michael Giebel, Der Erbschaftskauf – ein überflüssigerweise normiertes Rechtsinstitut? (Frankfurt a.M. u.a. 2010). Greiner (2000): David Greiner, Die Haftung auf Verwendungsersatz (Berlin 2000). Gsell (2010): Beate Gsell, Schadensersatz und Aufwendungsersatz im Mietrecht, in: NZM (2010) 71–78. Harke (2013): Jan Dirk Harke, Wo ist der richtige Regelungsort für das Deliktsund Bereicherungsrecht?, in: Christian Baldus/Wojciech Dajczak (Hrsg.), Der Allgemeine Teil des Privatrechts – Erfahrungen und Perspektiven zwischen Deutschland, Polen und den lusitanischen Rechten (Frankfurt a.M. 2013) 207–218. Jansen (2013): Nils Jansen, §§ 677–687 in: Mathias Schmoeckel/Joachim Rückert/ Reinhard Zimmemann (Hrsg.) Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. 3, Teilband 2 §§ 657–853 (Tübingen 2013). Jansen (2016): Nils Jansen, Gesetzliche Schuldverhältnisse  – Eine historische Strukturanalyse, AcP 216 (2016) 117–233. Katner (2010): Wojciech J. Katner, Ochrona własności w Kodeksie cywilnym i w propozycjach nowego Kodeksu, in: Jacek Gołaczyński (Hrsg.), Współczesne problemy prawa prywatnego, Księga pamiątkowa ku czci Profesora Edwarda Gniewka (Warszawa 2010) 245–263. Kümmerle (2013): Saskia Kümmerle, § 1004 BGB und Vindikationsanalogie?, JR (2013) 47–53. Leipold (1991): Dieter Leipold, Anmerkung zu BGH, Urt. v. 06.03.1991 – IV ZR 114/89, JZ (1991) 990–992. Maur (1990): Matthias Maur, Die Rechtsstellung des Vorvermächtnisnehmers bei zugunsten des Nachvermächtnisnehmers eingetragener Vormerkung, NJW (1990) 1161–1163. Meyer (2016): André Meyer, Aufwendungsersatz im Privatrecht, AcP 216 (2016) 952–986. Mugdan (1889): Benno Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. Bd. 3: Sachenrecht; Bd. 5: Erbrecht (Berlin 1889/Aalen 1979). MünchKomm BGB: Franz Jürgen Säcker u.a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: – Bd. 1: Allgemeiner Teil (7. Aufl. München 2015); – Bd. 2: Schuldrecht, Allgemeiner Teil (7. Aufl. München 2016); – Bd. 3: Schuldrecht, Besonderer Teil I (7. Aufl. München 2016); – Bd. 4: Schuldrecht, Besonderer Teil II (6. Aufl. München 2012);

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– Bd. 4: Schuldrecht, Besonderer Teil II (7. Aufl. München 2016); – Bd. 7: Sachenrecht (7. Aufl. München 2017). Raff (2017): Thomas Raff, Die gewöhnlichen Erhaltungskosten – Verwendungsersatz und Nutzungszuordnung im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (Tübingen 2017) (im Druck). Schmoeckel u.a. (2013): Mathias Schmoeckel (Hrsg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. 3, Schuldrecht: Besonderer Teil, Halbbd. 2, §§ 657–853 (Tübingen 2013) (zitiert HKK/Bearbeiter). Schön (1992): Wolfgang Schön, Der Nießbrauch an Sachen (Köln 1992). Schwab (2015): Martin Schwab, Der verbraucherschützende Widerruf und seine Folgen für die Rückabwicklung des Vertrags, JZ (2015) 644–653. Staudinger BGB: Julius v. Staudinger (Begründer): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen (zit.: Staudinger BGB (Jahreszahl)/Bearbeiter): – §§ 90–103; §§ 104–124; §§ 130–133, Bearbeitung 2017 (Berlin 2017); – §§ 90–103; §§ 104–124; §§ 130–133, Bearbeitung 2017 (Berlin 2017); – §§ 581–606, Bearbeitung 2013 (Berlin 2013); – §§ 925–931, Anhang zu §§ 929–931, 932–984, Bearbeitung 2017 (Berlin 2017); – §§ 985–1011, Bearbeitung 2012 (Berlin 2013); – ErbbauRG, §§ 1018–1112, Bearbeitung 2017 (Berlin 2017); – §§ 1967–2063, Bearbeitung 2016 (Berlin 2016); – §§ 2064–2196, Bearbeitung 2013 (Berlin 2013); – §§ 2346–2385, Bearbeitung 2016 (Berlin 2016). Verse (1999): Dirk Verse, Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (Tübingen 1999). Watzek (1999): Jens Watzek, Vor- und Nachvermächtnis, MittRhNotK (1999) 37–48.

III. Teil  Beispiele für die Spannung zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit im Kontext der Dogmatik des Allgemeinen Teils

Jürgen Kohler

Rechtssicherheit und Gerechtigkeit beim Handeln unter Ungewissheit: Bedingter Schuldvertrag und Erwerberverantwortung in der Schwebezeit* 1

Abstracts: Acting under conditions of uncertainty is eased by the contractual device of a condition. The incorporation of a condition into a contract makes it possible to take into account future uncertain or precarious circumstances. If, however, a contract entered into under a resolutive condition is unconditionally performed under conditions of uncertainty, an issue arises as to the liability of the person who, albeit having received their part of the bargain, are under an obligation to subsequently refund it. The paper examines this problem through the prism of German law. It rejects the application of the unjust enrichment rules. The proposed solution focuses instead on a reference to the principles governing settlements between an owner and a possessor for the period of a recovery dispute contained in § 820(1), sentence 2 of the BGB. In this context it is necessary – in the author’s view – to distinguish between the standard of prudent management of a good applicable to the person who received it and their fault. The former point of reference is key. To buttress and substantiate his opinion the author avails himself of the principles relevant to the assessment of prudence of one’s benevolent intervention in another’s affairs (§ 989 BGB). The resultant formula is described in the paper as predictable, systemically coherent and convincing against a variety of potential factual configurations. Particularly, the reasoning is to preferred over the general principles of withdrawal from a contract enshrined in § 346 BGB.

* Der vorliegende Beitrag ist die ausgearbeitete Fassung des Vortrags, den der Verfasser am 20. Mai 2016 an der Universität Poznań/Posen anlässlich einer als Symposion zu Ehren von Univ.-Prof. (em.) Dr. Dr. h.c. mult. Andreas Wacke, Universität zu Köln, veranstalteten Tagung gehalten hat. Das Symposion und das Thema führten den Verfasser mehr als vier Jahrzehnte zurück, in die gemeinsamen ‚Kölner Jahre‘ mit Andreas Wacke, zuerst als Student und dann als Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Römisches Recht an der Universität zu Köln. Dieser Lebensabschnitt ist dem Verfasser in steter und guter Erinnerung geblieben: als Zeit des Lernens, als Zeit der persönlichen Entwicklung, und nicht zuletzt als Zeit der geistigen Bereicherung in aller Freiheit, welch beides der Erfahrene dem Jüngeren gewähren kann und gewährt hat. Für dies alles war und ist der Verfasser Andreas Wacke zeitlebens sehr dankbar.

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Postępowanie w warunkach niepewności ułatwia w prawie umów instytucja warunku, która należy do części ogólnej. Dodanie warunku do postanowień umownych pozwala włączyć do umowy przyszłe niepewne sytuacje. Jeśli jednak w umowie sprzedaży zawartej pod warunkiem rozwiązującym dojdzie do jej bezwarunkowego wykonania w okres niepewności, to powstaje pytanie, jak przedstawia się odpowiedzialność tego, kto otrzymał świadczenie podlegające następnie zwrotowi. Autor analizuje ten probem w oparciu o obowiązujące prawo niemieckie. Odrzuca rozwiązanie tego konfliktu w oparciu o bezpodstawne wzbogacenie. Proponowane rozwiązanie opiera na zawartym w przepisach o bezpodstawnym wzbogaceniu (§ 820 ust. 1 zd. 2 BGB) odesłaniu do zasad rozliczeń między właścicielem a posiadaczem za okres sporu windykacyjnego. W tym kontekście konieczne jest – według autora – rozróżnienie między standardem starannego gospodarowania rzeczą przez tego kto ją otrzymał a jego winą. Za kluczowe uznaje to pierwsze kryterium oceny. Jako podstawę jego sprecyzowania autor wskazuje zasady stosowane przy ocenie staranności w prowadzeniu cudzych spraw bez zlecenia (§ 989 BGB). Otrzymane rozwiązanie autor ocenia jako przewidywalne, spójne systemowo i przekonujące wobec różnorodności sytuacji faktycznych. Wynik takiego rozumowania uznaje za lepszy od ogólnych reguł dotyczących odstąpienia od umowy określonych w § 346 BGB. Un negozio giuridico posto in essere in condizioni di incertezza viene reso più facilmente realizzabile attraverso il ricorso allo strumento contrattuale della condizione. L’apposizione di una condizione all’accordo tra le parti permette, infatti, di prendere in considerazione circostanze future che siano incerte. Ad ogni modo, se un contratto soggetto ad una condizione risolutiva viene incondizionatamente eseguito, fintantoché le condizioni di incertezza sono ancora pendenti, sorge conseguentemente la questione relativa alla posizione delle parti che, sebbene abbiano ricevuto la loro parte del’ prestazione, sono per mancanza di causa soggette all’obbligo di restituirlo. Questo contributo intende analizzare tale questione attraverso la “lente” del diritto tedesco. In relazione alla fattispecie descritta, tuttavia, l’autore non intende fare ricorso alla dottrina relativa all’arricchimento ingiustificato, bensì proporre una diversa soluzione, elaborata sulla base dei principi relativi agli accordi stipulati tra proprietario e possessore, così come espressi all’interno del § 820 (1), comma 2 del BGB. Ad avviso dell’autore, infatti, risulta essere di essenziale importanza la distinzione tra il criterio della diligente amministrazione di un bene applicabile alla persona che lo ha ricevuto e la loro colpa. Al fine di argomentare e rafforzare la propria interpretazione, relative alla problematica giuridica affrontata, l’autore si richiama ai principi più rilevanti ai fini dell’applicazione della disciplina inerente alla valutazione della condotta diligente nell’ambito della gestione di affari altrui (§ 898 BGB). Sulla base di tali presupposti è possibile, pertanto, individuare una formula prevedibile, coerente da un punto di vista sistematico e persuasiva a fronte delle varie, potenziali diverse configurazioni delle fattispecie concrete. L’autore intende sottolineare, infine, come la soluzione presentata in questo contributo debba essere preferita rispetto alle regole generali inerenti alla disciplina relative alla revoca del contratto, contenuta nel § 346 del BGB.

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1.  Das Thema 1. Rechtssicherheit und Gerechtigkeit sind große Werte und große Worte. Beide Begriffe bezeichnen allerdings auch große Unbekannte, und deshalb werfen sie auch große Fragen auf. Der beschränkte Raum eines Beitrags zu diesem Thema in der Form eines Aufsatzes zwingt aber dazu, sich mit doch eher ‚kleinen‘ Antworten zu begnügen. Wenn aber eine kleine Antwort trotzdem befriedigend sein soll, muss man sich auf ein konkretes, eher kleines Thema beschränken – nichtsdestoweniger hoffend, dazu etwas nicht zu Kleines beizutragen. Das folglich notwendigerweise auf ein gegenständlich eng zu begrenzendes Thema muss, so verlangt es die auf etwas Großes zielende Aufgabenstellung, nicht nur dem ‚Allgemeinen Teil des Privatrechts‘ entstammen – ein deutscher Jurist übersetzt dies in etwa mit den Stoffgebieten des Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuchs und den allgemeinen methodischen und systematischen Grundlagen des Zivilrechts. Es muss auch ‚Rechtssicherheit‘ als Problem haben. Dieses Problem soll dann so behandelt, d.h. gelöst werden, dass ‚Gerechtigkeit‘ das Charakteristikum der Lösung ist. ‚Rechtssicherheit‘ als Problem heißt aber, es geht um Sach- und Rechtslagen der Rechtsunsicherheit; denn gerade bei diesen ist Rechtssicherheit ein Desiderat. 2. Was also kann Rechtssicherheit bzw. Rechtsunsicherheit heißen und sein? Grob umrissen ist unter Rechtssicherheit zunächst die Möglichkeit zu verstehen, in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt festzustellen, dass es einen inhaltlich hinreichend genau bestimmten Maßstab für seine rechtliche Beurteilung überhaupt in abstracto gibt,1 und sich darauf verlassen zu können, dass dieser Maßstab auch in der Fallpraxis, also in concreto, tatsächlich als die Maßgabe zur Beurteilung dieses Sachverhalts angewendet wird. Diese Elemente gehören zu den Essentialia des Rechtsstaats2 – Ersteres insofern, als es schlicht um die 1 Als Minimum, d.h. als basale Anforderung an Rechtssicherheit, ist im Hinblick auf die Unvermeidlichkeit von normativen Regelungslücken die Möglichkeit zu gewährleisten, normative Regeln in Verfahren zu entwickeln, die ihrerseits auch regelhaft-normativ sind und daher zumindest in abstracto erwarten lassen, dass sich zu entwickelnde normative Aussagen mit hinreichender Sicherheit inhaltlich voraussagen lassen. Die Normativität von Regeln der Gesetzesauslegung und für Analogien oder Rückschlüsse gehören daher im weiteren Sinne auch zur Rechtssicherheit, soweit sich diese auf das ‚Ob‘ und auf das ‚Was‘ der abstrakten normativen Regel bezieht. 2 Vgl. dazu mit einem systematisierenden Ansatz die zum Rechtsstaatsprinzip einschlägige Habilitationsschrift von Sobota (1997) 506 f., 521, der die Rechtssicherheit als prägendes Nomokratie-Element des Rechtsstaatsprinzips mit Schutz durch Art. 79 Abs. 3 GG qualifiziert.

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Existenz und die Vollständigkeit sowie Klarheit von abstrakt-generellen Regeln, also Normen geht, und Letzteres insofern, als es um die richtige Implementierung des so Normativierten in jedem konkreten Einzelfall geht. Staatsorganisatorisch betrachtet wird in der erstgenannten Hinsicht, d.h. die Normsetzung als solche betreffend, insbesondere die Legislative in die Pflicht genommen, in der zweiten Hinsicht, d.h. hinsichtlich der Normanwendung, vornehmlich die Exekutive und Judikative und bei Letzterer insbesondere das Gerichtsverfassungs- und Prozessrecht.3 Die genannten Elemente machen Rechtssicherheit im verfassungsrechtlichen Verständnis insofern aus, als Rechtssicherheit Berechenbarkeit bedeutet, und zwar ex ante zum Handeln unter den Bedingungen der Prognostizierbarkeit von Urteilen Dritter ex post. Diese so umrissenen Komponenten der Rechtssicherheit sollten wohl mehr oder minder selbstverständlich sein. Deshalb sollen diese Elemente der Rechtssicherheit, die die verfassungsrechtliche Ebene betreffen, nämlich funktionierende Legislative einerseits sowie funktionierende Exekutive und Judikative andererseits, im Folgenden nicht zum Diskussionsthema gemacht werden. 3. Stattdessen soll die andere, schwierige Problematik behandelt werden: Wie ist Rechtssicherheit zu gewährleisten, wenn nicht das Normative oder seine Anwendung an sich in Frage stehen, sondern der Lebenssachverhalt als solcher gegenwärtig Ungewissheiten hinsichtlich künftiger Entwicklungen in der Weise mit sich bringt, dass sich die Frage stellt, was das gegenwärtig richtige Verhalten ist, das auch als ein in der Vergangenheit praktiziertes Verhalten richtig bleibt, wenn man es zukünftig im Rückblick – und zwar nun nach Klärung der seinerzeitigen Ungewissheiten – beurteilt. Diese Frage nach Rechtssicherheit hat als Frage nach der Berechenbarkeit der künftigen Entscheidung über das gegenwärtige Handeln unter den Bedingungen tatsächlicher Ungewissheit einen anderen Gehalt als die Frage nach – bzw. das Postulat der – Existenz, Klarheit und Anwendung von abstrakt-generellen Regeln als solchen: Diese Frage nach Rechtssicherheit fragt nach dem Richtigen im Sinne von Verhaltensweisen, die normativ gleich richtig bleiben, wie auch immer sich künftig die gegenwärtige Ungewissheit im Tatsächlichen in Gewissheit verwandeln möge. 3 Soweit Rechtsquellen privatrechtlicher Herkunft in Betracht kommen, sind aber auch die diese schaffenden Subjekte selbst aufgerufen, durch geeignete Gestaltung insbesondere ihrer rechtsgeschäftlichen Akte klare Regeln zu setzen und sie zu befolgen. Auch insoweit kehrt das System dessen, was Rechtssicherheit ausmacht, wieder, nämlich zunächst, die notwendigen abstrakt-generellen Regeln überhaupt zu haben und sie klar zu fassen, sowie dann überdies als Konsequenz, sie auch konsistent und stetig anzuwenden.

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Das Handeln in der Gegenwart als ein auch zukünftig, nämlich nachhaltig richtiges Handeln unter den Bedingungen tatsächlicher Ungewissheit über die Zukunft rechtlich zu organisieren – mit dieser Aufgabe kommt übrigens die Frage nach der ‚Gerechtigkeit‘ des Handelns und seiner Beurteilung ins Spiel –: Dies ist ein Problem, das in vielen zivilrechtlichen Gestalten auftritt und zu lösen ist. Bezogen und beschränkt auf den Bereich des Allgemeinen Teils des Zivilrechts, kommen hier nämlich alle Sach- und mithin Rechtslagen in Betracht, für die der Charakter als ‚Schwebelage‘ bzw. die Situation der ‚unentschiedenen Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit‘ wesentlich ist. Das trifft namentlich außer bei Genehmigungslagen – zu denken ist etwa an Verträge beschränkt Geschäftsfähiger nach § 108 BGB – vor allem zu auf Anfechtungslagen, hinsichtlich derer § 142 Abs. 2 BGB Rechtsklarheit über die nachmalige Beurteilung vormaliger Unentschiedenheitslagen verschaffen will; des Weiteren auf Fälle der relativen Unwirksamkeit bei Verfügungsverboten, die als einstweilige Regelung im Zuge einstweiliger Verfügungen ihrerseits Ungewissheiten voraussetzen und vorübergehend Gewissheiten schaffen, die sich aber als falsch herausstellen können, wobei allerdings § 135 Abs. 2 BGB bei der Bewältigung von Ungewissheiten helfen will. Nicht zuletzt aber trifft diese Sachlage auch auf das Recht der Bedingung zu, das ja wesensgemäß, da die Wirkung eines Rechtsgeschäfts vom Eintritt oder Ausfall eines künftigen ungewissen Ereignisses abhängig machend, die Steuerung von Ungewissheit in das Rechtsgeschäft hinein geradezu als primären Gegenstand und rechtliches Ziel hat.

2.  Der Fall und seine Fragen 1. Der hier zu behandelnde Fall ist im Tatsächlichen einfach: Auf Grund eines auflösend bedingten Kaufvertrags wird die Kaufsache vor Bedingungseintritt unbedingt übereignet. Alsdann tritt die dem Schuldvertrag beigefügte auflösende Bedingung ein. 2. Die nun aufgeworfenen Fragen liegen auf der Hand: Von der nach deutschem Recht wegen des Abstraktions- bzw. Trennungsprinzips wirksam bleibenden Übereignung der Kaufsache ausgehend, ist bei einer Unmöglichkeit ungestörter Rückgewähr des Eigentums und des Besitzes an der Sache, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen während der Unentschiedenheit des Bedingungseintritts eintrat, zu klären, ob bzw. aus welchem Grund und mit welchem Inhalt – von der hier nicht zu behandelnden Surrogatherausgabe abgesehen – statt dessen Wert- oder Schadensersatz zu leisten ist. Ferner können, wie stets in Rückgewährfällen, Fragen zu Herausgabe von gezogenen Nutzungen, zum Wertausgleich oder Schadensersatz für nicht gezogene oder nur vom Rückgewährgläubiger ziehbare

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Nutzungen oder gar hinsichtlich der aus der Substanz gezogenen Nutzungen aufgeworfen sein. Dazu treten Probleme hinsichtlich des Ausgleichs von Verwendungen verschiedener Art, seien es notwendige, werterhöhende oder sonstige Verwendungen, von hier nicht zu thematisierenden Wegnahmerechten abgesehen.

3.  Der Vertrag als Haftungsgrundlage? 1. Die Antwort auf diese Fragen stößt sogleich auf Fundamentales, nämlich auf Divergenzen hinsichtlich der Auffassung darüber, was denn die rechtliche Grundlage der Rückabwicklung sei – Vertrag oder Bereicherungsrecht. Recht deutlich wird diese Auseinandersetzung etwa, wenn in einem Kommentar4 zum Bedingungsrecht zu lesen ist: „Bei der auflösenden Bedingung ist das zwischenzeitlich Erlangte nach herrschender Meinung … gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB herauszugeben.5 … Demgegenüber nimmt Flume … an,6 dass auch ohne besondere Rückbeziehungsvereinbarung ein im Wege der Auslegung zu gewinnender vertraglicher Rückübertragungsanspruch begründet worden sei.7 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. … [Man] wird … annehmen können, dass ein vertraglicher Rückgewähranspruch regelmäßig stillschweigend mitvereinbart ist, wenn die Parteien eine auflösende Bedingung vereinbart haben. Denn dass sie für einen bestimmten Fall zwar die Auflösung des Vertrages, aber nicht die Rückgewähr des zwischenzeitlich Empfangenen gewollt haben, ist als Prinzip nicht zu unterstellen.“ 2. Die Zuspitzung auf eine Alternativität von vertraglicher oder bereicherungsrechtlicher Grundlage der Rückabwicklung ist jedoch zumindest insofern verfehlt, als sie fruchtlos ist, wenn es nicht nur um das ‚Ob‘, sondern auch um das ‚Wie‘, nämlich um die konkrete Bestimmung des Inhalts und damit um die zuverlässige Operationalisierung sämtlicher im Fall des Ausfalls der einem auflösend bedingten Schuldvertrag beigefügten Bedingung geht. Man mag den Vertrag als Grundlage der Rückabwicklung ansehen, was das ‚Ob‘ der Rückabwicklungsansprüche

4 Staudinger BGB (2015)/Reinhard Bork § 159, Rn. 9. 5 Zitiert werden dazu a.a.O. (o. Anm. 4): BGH MDR (1959) 658 f; RG, Urt. v. 28.04.1920 – V 470/19, WarnR (1921) 51 Nr. 43; Jauernig BGB (2016)/Heinz-Peter Mansel § 159 Rn. 1; MünchKomm BGB (2015)/Harm P. Westermann § 159, Rn. 3; Soergel (1999)/ Manfred Wolf § 159 Rn. 2; Wolf/Neuer (2015) § 52, Rn. 39 (jeweils bezogen auf die 2015 aktuellen Auflagen). 6 Flume (1979) § 40, 2d. 7 Staudinger BGB (2015)/Reinhard Bork § 159, Rn. 9; so auch Medicus/Petersen (2016) Rn. 840; ferner, mit der Einschränkung ‚wohl auch‘, Wunner (1968) Fn. 102.

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angeht8 – Flume formuliert dies selbst höchst vorsichtig,9 wenn er eher mutmaßend und unterstellend sagt, ‚man wird annehmen können‘ –, und daraus mag man auch gewisse konkrete Ansprüche in Übereinstimmung mit der Rechtsgeschäftslehre ableiten können. Dies gelingt allerdings kaum so plausibel, wie es nötig wäre, nämlich vollständig für alle auftretenden Rechtsfragen aus Anlass von Rückabwicklungen, ohne das Rechtsgeschäft bzw. die Rechtsgeschäftslehre überzustrapazieren.10 Deshalb ist es jedenfalls auf der Ebene der operativen Konkretisierung der möglichen Ansprüche zur Regelung aller im Rückabwicklungsfall auftretenden Rechtsprobleme unvermeidlich, auf eine gesetzliche Beschreibung der Anspruchsinhalte zu setzen. 3. Selbstverständlich lassen sich alle für den Rückabwicklungsfall denkbaren Anspruchsverhältnisse – sei es bezüglich der Rückgewähr des Geleisteten in Natur oder bezüglich der Wert- bzw. Schadensersatzpflicht bei Rückgewährunmöglichkeit, oder seien es die Nutzungs- und Verwendungsersatzfragen – vertraglich regeln, und zwar schon antizipiert in dem ursprünglichen auflösend bedingten Schuldvertrag und damit gewissermaßen mittels Beifügung einer durch den Eintritt der dem auflösend bedingten Ausgangsgeschäft aufschiebend bedingten Folgeregelung in Bezug auf Rückabwicklungsansprüche zwischen den Vertragsparteien. Die gesetzlichen Regelungen aller diesbezüglichen Ansprüche sind sämtlich disponibel, sofern dadurch nicht Rechte Dritter berührt werden, was bei den aufgeworfenen Rechtsfragen auf schuldrechtlicher Ebene typischerweise nicht zu erwarten ist. Dass die Rückabwicklungsgestaltung ein Gegenstand vertraglicher Organisation sein kann, lässt sich im Übrigen in Anbetracht des § 159 BGB auch gar nicht leugnen, wenn es dort heißt, dass bei Eintritt oder 8 Insoweit, statt Vieler, durchaus nachvollziehbar etwa Staudinger BGB (2012)/Dagmar Kaiser Vorbem zu §§ 346 ff., Rn. 68. 9 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, Das Rechtsgeschäft, § 40, 2d. – Ambivalent, nämlich einerseits von bereicherungsrechtlicher Abwicklung und zugleich von der vorzuziehenden Möglichkeit einer durch Auslegung abzuleitenden vertragsrechtlichen Fundierung der Rückabwicklung ausgehend, Wolf/Neuner (2012) § 52, Rn. 36. 10 Dass die Annahme, die schuldrechtliche Rückgewährpflicht bei auflösend bedingtem Schuldvertrag könne nach Maßgabe der §§ 159 f. BGB vertraglich ausgestaltet sein, die bereicherungsrechtliche Fundierung und die alsdann durch das Bereicherungsrecht geschaffene Konkretisierung der Rückgewähransprüche, auf die es insbesondere bei Leistungsstörungen und im Hinblick auf Nutzungen und Verwendungen ankommt, bei Fehlen konkret ermittelbarer vertraglicher Vereinbarungen zur Ausgestaltung der Rückabwicklungsansprüche nicht ausschließt, erschien schon dem Reichsgericht als unproblematisch; vgl. RG, Urt. v. 28.04.1920 – V 470/19, WarnR Nr. 43 (1921) 51.

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Ausfall einer Bedingung eine Rückwirkung von bedingungsweise gesteuerten Rechtsfolgen inter partes ‚nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts‘ stattfinden kann, unbeschadet – und im Drittverhältnis auch unberührt – des Umstandes und vielmehr gerade wegen des Umstandes, dass der Bedingungseintritt kraft Gesetzes nach § 158 Abs. 1 und 2 BGB nur ex nunc wirkt. 4. Entscheidend ist jedoch nicht die Frage, ob die Ansprüche in dem Rückabwicklungsfall, der nach Eintritt der dem Schuldvertrag beigefügten auflösenden Bedingung vorliegt, in Bezug auf das unbedingt Geleistete vertragliche sein können; das ist durchaus zu bejahen. Vielmehr lautet die Frage: Wurden diese Ansprüche im jeweils gegebenen Fall wirklich als Teil und Inhalt eines die Rückabwicklungslage so konkret ausgestaltenden Rechtsgeschäfts vereinbart, dass es sich um bestimmte, operationable Inhalte handelt? Oder lässt sich eine solche vertragliche Gestaltung, wenn nicht durch Auslegung, so doch wenigstens im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gewinnen? Wenn beides verneint wird, ist eine auch im weiteren Sinne rechtsgeschäftliche Fundierung der Ansprüche im Rückgewährfall – jedenfalls soweit es nicht nur um das grundsätzliche ‚Ob‘ solcher Ansprüche, sondern auch um deren Konkretion geht – methodisch nicht möglich. Als Alternative bleibt dann nur, die konkrete Ausgestaltung der rückgewährrechtlichen Anspruchslage dem Gesetz zu überlassen, unbeschadet der Zulässigkeit abweichender vertraglicher Regelungen. Wenn – wie wohl meist – ausdrückliche Vereinbarungen fehlen, kommt die konkludente Vereinbarung von Rückgewähransprüchen in Betracht. Das wird durchaus plausibel sein, soweit es um den primären Anspruch auf Rückgewähr desjenigen geht, was auf den auflösend bedingten Schuldvertrag zu Erfüllungszwecken in der Schwebezeit jeweils unbedingt geleistet wurde, sofern das Geleistete noch in Natur vorhanden ist. Dass dies eventualiter zurückzugewähren ist, ist naheliegenderweise wohl auch nach den konkreten, also wirklichen Vorstellungen der Parteien anzunehmen und lässt sich daher plausibel als stillschweigend mitvereinbart ansehen. Insofern kann daher mit Recht die Rede davon sein, dass die Begründung dieses Anspruchs den auflösend bedingten Vertrag tatsächlich im Wollen und im Erklären beider Vertragsparteien ‚zu Ende denkt‘11 und damit auch der Rückgewähranspruch nach den Regeln der Rechtsgeschäftslehre als ein vertraglicher wirklich identifizierbar ist. Zu mehr als dem Wollen und dem – inhaltlich doch simplen und unzweifelhaften – Gestalten des Inhalts des primären Anspruchs dahingehend, dass dieser auf Rückgewähr des Geleisteten in Natur gerichtet ist, führt jedoch ergänzende 11 So formuliert es Medicus/Petersen (2016) Rn. 840.

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Vertragsauslegung kaum jemals, wenn man denn – was die Grenzen zulässiger ergänzender Vertragsauslegung überschreitet – nicht nur rechtsgeschäftlichen Willen ergänzend fingieren will, ohne einen verlässlichen Beleg für die psychologische Plausibilität eines inhaltlich-konkret ausgestalteten rechtsgeschäftlichen Willens der Vertragspartner für den angenommenen Fall zu haben, dass sie sich nach Gewahrwerden der Regelungsbedürftigkeit über die Anspruchsgestaltung ins Benehmen gesetzt hätten. Das aber ist in der Regel just der Fall für praktisch alle Rechtsfragen jenseits der bloßen Pflicht zur Herausgabe des Erlangten. Wie nämlich sollen Schadens- oder Wertersatzpflichten bei Restitutionshindernissen, falls man überhaupt auch an diese und dann überdies noch an die Duplizität von Schadens- und Wertersatzpflichten denkt, als stillschweigend vertraglich ausbedungene Rechte – und dann noch zusätzlich, ob alternativ oder kumulativ zu gesetzlichen Rechten geltend – genau ausgestaltet sein? Und wie sehen die Nutzungs- sowie die Verwendungsersatzpflichten aus? Dass dies alles höchst schwierig im Wege einer Auslegung konkludenter Erklärungen zu klären ist, ist offenbar. Denn es zeigen doch die Regelungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, im Rücktrittsrecht und im Bereicherungsrecht nicht nur, wie unterschiedlich die Lösungsmodelle aussehen können; vielmehr zeigen sie überdies, wie differenziert auf der Tatbestandsseite vorzugehen ist – man denke etwa an die Unterscheidungen hinsichtlich der Schadens-, Nutzungs- und Verwendungsarten, aber auch an die Unterscheidung zwischen Gut- und Bösgläubigem. Jede ergänzende Vertragsauslegung bleibt unter diesen Umständen bloße willkürliche Unterstellung eines Regelungsmodells, wenn es als ein – zumindest ergänzend – vertraglich gewolltes gelten soll. Unter diesen Umständen bleibt nichts anderes übrig, als eine Lösung der Anspruchslage durch Gesetz zu suchen. Ein ‚zu Ende denken‘ der rechtsgeschäftlichen Basis des bedingten Geschäfts führt unter solchen Umständen selten zu etwas Konkretem, das nicht nur Unterstellung wäre.

4. §§ 159, 160 Abs. 2 BGB als Argument für eine vertragliche Fundierung der Rückabwicklung? 1. § 160 Abs. 2 BGB könnte allerdings auf eine vertragliche Fundierung der Rückabwicklung zumindest in schadensersatzrechtlicher Hinsicht hindeuten. Schon die vorangehende Regelung in § 159 BGB zeigt ja immerhin, dass vertragliche Regelungen des Rückabwicklungsverhältnisses möglich sind, wenngleich diese Norm die Ansprüche im Rückabwicklungsfall nicht gestaltet; denn sie besagt nur, dass die im Rückabwicklungsfall geltenden Rechte – wie auch immer diese Rechte nach Maßgabe anderweit bestehenden Rechts zu Schadens- und Wertersatz sowie zu Nutzungs- und Verwendungsersatz beschaffen sein mögen –, inter partes als

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ex tunc wirkend, d.h. auf Situation der bedingten Leistungserbringung rückbezogen, zu beurteilen sein können bzw. gegebenenfalls beurteilt werden müssen. Erst § 160 Abs. 2 BGB könnte dann, als eine auf der prinzipiellen Möglichkeit vertraglicher Gestaltung der Rückabwicklungsansprüche gegründete Regelung, solche Ansprüche zumindest partiell konkretisieren. § 160 Abs. 2 BGB besagt: Bei einem unter einer auflösenden Bedingung vorgenommenen Rechtsgeschäft kann im Falle des Eintritts der Bedingung derjenige, zu dessen Gunsten der frühere Rechtszustand wieder eintritt, Schadensersatz von dem anderen Teil verlangen, wenn dieser während der Schwebezeit das von der Bedingung abhängige Recht durch sein Verschulden beeinträchtigt oder vereitelt. 2. Bei einer auflösend bedingten Verfügung – paradigmatisch steht der Fall der Übereignung vor Augen – leuchtet diese Regelung, und zwar ihre eigenständige Fundierung und Sinnhaftigkeit,12 durchaus insofern ein, als die unmittelbar vor Zwischenverfügungen sichernde Regelung in § 161 BGB bei tatsächlichen Einwirkungen des zwischenzeitlichen Rechtsinhabers überhaupt nicht und bei rechtlichen Einwirkungen nur in den Grenzen des § 161 Abs. 3 BGB schützt,13 während für den Regelungsfall der auflösend bedingten Verfügung das ihr zugrunde liegende Schuldgeschäft bei einem auf dem Abstraktions- bzw. Trennungsprinzip aufbauenden Rechtssystem nicht, oder jedenfalls aus bedingungsrechtlicher Sicht nicht mit einem verlässlich bestimmbaren Gehalt,14 in den Blick kommt. Unter diesen Umständen mag man § 160 Abs. 2 BGB als sinnvollen Ausdruck einer rechtsgeschäftlichen Eventualabrede für den Fall des Bedingungseintritts verstehen,15 obwohl sonst wegen der Entkoppelung des bedingten Verfügungsgeschäfts von einem davon zu trennenden Verpflichtungsgeschäft aus bedingungsrechtlicher Sicht nicht schon im Regelfall sicher erwartbar ist, ob und ggf.

12 So auch Hübner (1996) Rn. 1146. 13 Auf die ergänzende Schutzfunktion des § 160 BGB bei einer wegen § 161 Abs. 3 BGB wirksam bleibenden Zwischenverfügung zu Gunsten eines Dritten weist etwa MünchKomm BGB (2015)/Harm P. Westermann § 160, Rn. 1 hin. 14 Es kann sich etwa so verhalten, dass schon nicht einmal der Typ des zugrunde liegenden Schuldgeschäfts bekannt ist. 15 Die funktionelle Bedeutung des § 160 BGB bei bedingten Verfügungen als für die Ansprüche des Rückgewährberechtigten geradezu ‚konstitutionell‘ ist zwar umstritten, wird aber wohl in der Regel anerkannt; in diesem Sinne MünchKomm BGB (2015)/ Harm P. Westermann § 160, Rn. 3; sinngemäß auch Staudinger BGB (2015)/Reinhard Bork (2015) § 160, Rn. 1 m.w.N.

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welche Ansprüche im Übrigen sich aus dem zugrunde liegenden Schuldvertrag als mitvereinbart ermitteln lassen.16 3. Für das – hier interessierende – auflösend bedingte Verpflichtungsgeschäft stellt sich die Sach- und Rechtslage aber doch anders dar. Schon der Wortlaut der Norm zeigt das Andersartige; denn wörtlich genommen führt die Norm zu nichts Greifbarem: Mit Bedingungseintritt endet nach § 158 Abs. 2 BGB die Wirkung des schuldrechtlichen Geschäfts ipso jure, und wenn die Rechtsfolge des § 160 Abs. 2 BGB darauf gerichtet ist, dass der frühere Rechtszustand wieder eintritt – womit der Rechtszustand vor der Begründung des auflösend bedingten Rechtsgeschäfts zu verstehen ist –, so ist in Bezug auf das bedingte obligatorische Rechtsgeschäft ohne Weiteres das erreicht, was nach § 160 Abs. 2 BGB erst soll beansprucht werden können. Daher ist schon dem Inhalt der Norm zufolge zweifelhaft, ob sie für das auflösend bedingte Schuldgeschäft überhaupt einen genuinen Regelungsinhalt dergestalt hat, dass die Norm selbst einen Anspruch konstituiert. Sollte es sich aber so verhalten, dann lässt sich aus der Norm für die Vertragsbasiertheit der rückabwicklungsrechtlichen Ansprüche doch nichts Verlässliches herleiten. Sie gibt allenfalls die Erkenntnis her, dass die im Rückabwicklungsfall entstehenden Ansprüche eine Schadensersatzpflicht auch für solche Rückgewährhindernisse zum Inhalt haben können, die schon während des Schwebens der auflösenden Bedingung eintraten. Das bedeutet nicht mehr, aber doch auch nicht weniger als die klarstellend17 verneinende Beantwortung der Frage, ob eine Schadensersatzpflicht, die die Unmöglichkeit unversehrter Restitution des unbedingt Geleisteten auf der Grundlage eines erst später entstandenen Rückleistungsanspruchs sanktionieren soll, nicht schon an dem Einwand scheitern kann, dass eine Pflichtverletzung – eine solche setzt das von § 160 BGB geforderte ‚Verschulden‘ voraus – in Hinblick auf die Erfüllung des Rückgewähranspruchs nicht möglich sei, wenn diese verletzte Pflicht einstweilen, da quasi durch den Eintritt der auflösenden Bedingung ihrerseits aufschiebend bedingt, nur eine erst künftig aktuell werdende Leistungspflicht ist und sie als eine solche gegenwärtig nicht verletzt werden könne. Insofern hat die Regelung eine ähnliche Funktion wie § 142 Abs. 2 BGB im Anfechtungsrecht: Unter der Voraussetzung, dass sich die Schwebelage nachmals im Sinne der Beendigung der Wirkung des Rechtsgeschäfts entscheidet und damit nun entschiedene Unwirksamkeit eintritt, wird der 16 Wohl so zu verstehend mit Recht Staudinger BGB (2015)/Reinhard Bork § 160, Rn. 1; optimistischer, aber ohne nähere Darlegung insoweit MünchKomm BGB (2015)/Harm P. Westermann § 160, Rn. 3. 17 So zutr. Flume (1979) § 40 2c; Hübner (1996) Rn. 1146; MünchKomm BGB (2015)/ Harm P. Westermann § 160, Rn. 3.

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infolge dieser nunmehr feststehenden Rechtslage zur Rückgewähr Verpflichtete insoweit, wie Sekundärrechte in Rede stehen, für die Zeit der Schwebelage so in die Haftung genommen, als hätte bereits seinerzeit die jetzt eingetretene Rechtslage bestanden und als hätte er bereits damals gewusst bzw. wissen müssen, dass sich die Schwebelage demnächst mit dieser Konsequenz gegen ihn entscheiden werde. Da dieser Sinn und diese Wirkung die in § 160 Abs. 2 BGB vorgesehene Regelung bei auflösend bedingten Verpflichtungsgeschäften hinreichend sinnhaft erklärt, ist jedenfalls aus der Existenz des § 160 Abs. 2 BGB nicht zwingend darauf zu schließen, dass dieser Norm überdies als zweite Funktion eigen ist, ihrerseits unmittelbar einen vertraglichen Schadensersatzanspruch für Rückgewährhindernisse zu konstituieren. Dies gilt umso mehr, als § 160 Abs. 2 BGB, seinerseits eine gesetzliche Regelung, gerade als gesetzliche Deckung des Bedürfnisses anzusehen sein mag, eine just wegen Fehlens einer entsprechenden vertraglichen Haftungsregelung bestehende Haftungslücke im Wege normativer Anordnung zu schließen.

5. Der auflösend bedingte Vertrag als fortwährende Rahmenbeziehung: Grund für Exklusion der Bereicherungshaftung? 1. Die vertragliche Fundierung der Rückabwicklungsrechte nach Eintritt der einem Schuldvertrag beigefügten auflösenden Bedingung ist wohl auch durch die zum Rücktrittsrecht entwickelten Auffassung vom Fortbestand des Vertrags als Rückgewährschuldverhältnis18 und von der Auffassung vom ‚Schuldverhältnis als konstante Rahmenbeziehung‘19 inspiriert,20 die in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelt wurde. Diese Auffassung hat bekanntlich zu der inzwischen wohl ganz herrschenden Ansicht geführt, dass der Rücktritt das vorhandene Schuldverhältnis lediglich inhaltlich zu einem Rückgewährschuldverhältnis umgestalte21 und es in diesem Sinne eben doch fortbestehe. Die Materialien zur Reform des Rücktrittsrechts im Jahr 2001 stellen dies für das Rücktrittsrecht schlicht als gegeben hin.22 18 19 20 21

Maßgeblich Stoll (1921). Vgl. Herholz (1929) 257 ff. Deutlich wird dies insbesondere bei Wunner (1968) 425 ff., 443 ff. So schon Stoll (1921) 9 ff., 19, 21 ff.; Wolf (1954) 97, 105 ff.; dazu insges. Staudinger BGB (2012)/Dagmar Kaiser § 346, Rn. 69 m.w.N. 22 Bt-Drs. 14/6040, S. 191 unter Hinweis auf BGHZ 88, 46 (48) = NJW 1984, 42 (43), ergänzt um das Bemerken, dass die frühere herrschende Meinung – zitiert wird dazu fälschlich RGZ 61, 128 (132) und richtig RGZ 136, 33 (33) – überholt sei, das durch den

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2. Nun mag man darüber streiten, welche methodische Berechtigung es für ein Denken in der eher biologischen Kategorie der Metamorphose gibt. Das möge hier dahinstehen. Vom Zweck solchen Denkens her betrachtet, wird man allerdings fragen können, was denn rechtlich mit diesem Denkmodell legitimerweise23 erreicht werden soll und erreicht wird. In dieser Hinsicht kommen insbesondere drei Effekte in Betracht, die sich als Folgerungen aus dem angenommenen Fortbestand des ursprünglichen Vertragsrahmens entwickeln lassen: Aufrechterhalten von Verzugsfolgen, insbesondere Schadensersatz wegen Verzugs; Fortdauer einer Schadensersatzhaftung wegen traditionell so genannter positiver Vertragsverletzung – positivrechtlich nun auf § 280 Abs. 1 BGB zu stützen –, die aus der Verletzung von Neben-, insbesondere Schutzpflichten aus dem Vertrag herrühren; Verhinderung einer bereicherungsrechtlichen Haftung wegen Fortbestands des Rechtsgrundes der Leistung. Für die ersten beiden Rechtsfolgen wird allerdings die Vorstellung vom Fortwähren des Vertragsrahmens jedenfalls heute nicht mehr gebraucht. Für die Verletzung von Schutzpflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB, die zu einer im weiten Sinne vertragsrechtsartigen Schadensersatzhaftung führen kann, ist anerkannt, dass dies auch bei nicht bestehendem bzw. nichtigem Vertrag der Fall sein kann,24 wenngleich in diesem Fall zwar nicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB im Sinne einer positiven Vertragsverletzung, wohl aber funktionsgleich gemäß § 311

Rücktritt unter Wegfall des Vertrags ein gesetzliches Schuldverhältnis entstehe, und zwar – was sich allerdings aus den beiden zitierten Entscheidungen des Reichsgerichts nicht ergibt – ein modifiziertes Bereicherungsrechtsverhältnis. 23 Das Modell sollte – was jedenfalls vor der Schuldrechtsreform 2002 in Anbetracht des § 350 BGB a.F. und des § 347 BGA a.F. i.V.m. § 989 BGB von praktischer Bedeutung war – unter anderem, d.h. zusätzlich zu den nachfolgend genannten drei Effekten, die synallagmatische Ausgestaltung der rücktrittsrechtlichen Rückabwicklung legitimieren und damit das Risiko des Wertverlusts durch ein zufälliges Restitutionshindernis dem von diesem betroffenen Rückgewährpflichtigen zuweisen; vgl. Stoll (1921) 35 ff. Eine nach Maßgabe der §§ 320 ff. BGB, insbesondere durch § 326 Abs. 1 BGB (ehemals § 323 Abs. 1 BGB a.F.) stattfindende Gefahrverteilung im rücktrittsrechtlichen Rückabwicklungsverhältnis war jedoch schon im früheren Rücktrittsrecht nicht gerechtfertigt, da das rücktrittsrechtliche Abwicklungsverhältnis, wie schon die Existenz des § 348 BGB anzeigt, nicht synallagmatisch ausgestaltet war, und diese Gefahrverteilung ist in Anbetracht der differenzierten Gefahrtragungsregeln in § 346 Abs. 2 und 3 BGB des neuen Rücktrittsrechts unzweifelhaft nicht anzuerkennen; die Lehre von der Aufrechterhaltung des Vertrags als Grundlage der Rückabwicklung wirkt insofern gerade als Fehlleitung der Rechtsanwendung. 24 Canaris (1965) 475 ff.; ders., NJW (1982) 305 (311).

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Abs. 2 Nr. 3 BGB im Sinne einer culpa in contrahendo;25 erst recht muss dies dann bei späterem Fortfall des Vertrags, auch als Rahmenbeziehung gelten. Für die Frage, ob ein Verzugsschadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB26 bzw. 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB auch nach Rücktritt weiterhin geschuldet bleibt, kommt es jedenfalls27 nach positivrechtlicher Zulassung der Kumulation von Rücktritt und Schadensersatz in der Neufassung des § 325 BGB nicht mehr darauf an, ob das ursprüngliche Schuldverhältnis als Rahmenbeziehung fortbestehend zu denken ist, und zu der Frage, wie sich die Kombination beider Rechte auswirkt – namentlich die rücktrittsrechtliche Nutzungsherausgabepflicht zur Schadensersatzhaftung wegen entgangener Nutzungen –, besagt das Bestehen oder Nichtbestehen des ursprünglichen Vertragsrahmens nichts. 3. Die hier interessierende dritte Frage schließlich – nämlich die Frage nach der Richtigkeit der Annahme, dass der Fortbestand des Vertrags als Rahmen trotz Rücktritts eine Bereicherungshaftung präkludiere – ist indessen ganz unabhängig davon zu verneinen, ob man einen solchen Vertragsfortbestand annimmt. Die Leistungskondiktion kann nämlich auch bei bestehendem Vertrag Platz greifen, weil die Rechtsgrundlosigkeit keineswegs nur vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Schuldverhältnisses abhängt, das zu der zu kondizierenden Leistung verpflichtet. § 813 BGB zeigt dies deutlich; danach kann das auf eine einredebehaftete Forderung Geleistete grundsätzlich28 bereicherungsrechtlich zurückgefordert werden, obwohl die Einredelage voraussetzt, dass nicht nur der Leistungsanspruch, sondern mit ihm auch das ihn begründende Schuldverhältnis besteht.29

25 Staudinger BGB (2015)/Dirk Olzen § 241, Rn. 407 f.; Staudinger BGB (2014)/Roland Schwarze § 280, Rn. B 13. 26 Zu der durch § 325 BGB eröffneten Zulassung auch der Kombinierbarkeit von Rücktritt und vor Rücktritt entstandenem Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung MünchKomm BGB (2016)/Wolfgang Ernst § 325, Rn. 2. 27 Schon vor Einführung des jetzigen § 325 BGB hatte BGHZ 88, 46 (48) = NJW (1984) 42 (43) festgestellt, dass der Fortbestand des Anspruchs auf Verzugschadenersatz von der Frage unabhängig sei, ob der Rücktritt den Vertrag als Rahmenbeziehung aufrechterhalte. 28 Eine Ausnahme besteht für die Verjährungseinrede, § 813 Satz 2 BGB i.V.m. § 214 Abs. 2 S. 1 BGB. 29 Gleiches galt ehedem im Fall des § 323 Abs. 3 BGB a.F., der die Rückforderung eines vom Gläubiger Geleisteten für den Fall des Freiwerdens des anderen Teils wegen Erfüllungsunmöglichkeit regelte. Diese Sachlage regelt jetzt § 326 Abs. 4 BGB rücktrittsrechtlich.

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4. Des Weiteren tritt zuletzt hinzu, dass sich das bereicherungsrechtliche System der auf Herausgabe des rechtsgrundlos Geleisteten gerichteten Ansprüche ohnehin nicht von anderen Abwicklungswegen – in Betracht kommt dabei insbesondere die mit der Abwicklung nach Eintritt einer auflösenden Bedingung etwa in Parallele zu setzende Abwicklung nach Rücktrittsrecht30 – strukturell und somit grundsätzlich dadurch unterscheidet, dass letzteren Falls – wiederum sei kontrastiv auf den Rücktrittsfall verwiesen – das ursprüngliche Schuldverhältnis als Grundlage und Rahmen für die Rückabwicklung im Sinne der Umwandlung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis fortbestehe, während die bereicherungsrechtliche Abwicklung keinen Bezug zum dort vorausgesetzt unwirksamen Vertrag habe. Denn der Bundesgerichtshof31 stellt in einem Fall, in dem das Erlangte wegen zwischenzeitlicher Verwirklichung eines weiterfressenden Mangels nicht unversehrt herausgegeben werden konnte, sogar ausdrücklich fest und erkennt an, dass sogar der wegen rückwirkender Unwirksamkeit gescheiterte Vertrag durchaus auf dessen bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einwirken kann: „Ausstrahlungen aus dem nichtigen Vertragsverhältnis auf die Rückabwicklung nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung liegen nicht fern und sind auch nicht sachfremd. Schon nach dem Grundgedanken, auf dem die sogenannte Saldotheorie beruht, bleiben Leistung und Gegenleistung durch das von den Parteien ursprünglich gewollte Austauschverhältnis (Synallagma) auch bei der bereicherungsrechtlichen Abwicklung miteinander verknüpft (BGHZ 57, 137, 150; 72, 252, 256). Innerhalb des ursprünglich gewollten Austauschverhältnisses spielt die Sachmängelhaftung eine maßgebliche Rolle. Sie legt eine Risikoverteilung fest, die auch für die bereicherungsrechtliche Abwicklung gelten muß.“ Ferner zeigt für den besonderen Fall der Leistungskondiktion auf Grund von § 812 Abs. 1 S. 2 BGB auch die in § 820 Abs. 2 BGB getroffene Regelung, dass auch das Gesetz explizit eine in die Bereicherungshaftung hineinreichende Fortwirkung des rückabzuwickelnden Vertrags als möglich vorsieht. Schließlich wird auch der Vertragspreis bei der bereicherungsrechtlichen Wertersatzhaftung für rechtsgrundlos erbrachte Dienstleistungen als Bemessungsgrundlage herangezogen.32 5. Dass also die Bereicherungshaftung nicht mit dem Argument des Fortbestands des ursprünglichen Vertrags in der Modifikation als Rückgewährschuldverhältnis zu beseitigen ist, ist daher evident. Selbst das neue Rücktrittsrecht 30 So insbesondere Wunner (1968) 425 ff., 443 ff. 31 BGHZ 78, 216 (222 f.) = NJW (1981) 224 (226): Mähdrescherfall und Kaufvertragsanfechtung auf Grund von § 119 Abs. 2 BGB – weiterfressender Mangel. 32 BGHZ 41, 282 (287 ff.) = NJW (1964) 1368.

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kommt schließlich an der Konsequenz einer konkurrierenden Bereicherungshaftung nicht vorbei, wie § 346 Abs. 3 S. 2 BGB zeigt. Nach wie vor gilt daher der von Flume schon zu der Zeit, als die Lehre vom rücktrittsrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis längst herrschend war, vorbehaltlos aufgestellte Satz: „In Ergänzung zu der Regelung der §§ 346 ff. BGB gilt aber das allgemeine Bereicherungsrecht.“33 6. Damit stellt sich am Ende heraus, dass kein Grund besteht, bei dem auflösend bedingten Schuldgeschäft zu meinen, dass die rückgewährrechtliche Lage, wiewohl vertraglicher Modifikation zugänglich,34 in ihrer konkreten Gestalt nicht gesetzlich bestimmt sei. Geben dies schon nicht die Grundsätze der Vertragsauslegung und auch nicht die positivrechtlichen Regelungen in den §§ 159, 160 BGB her, tut dies auch nicht die Auffassung, dass sich das auflösend bedingte Schuldgeschäft in ein dieses modifizierendes, aber dieses essentiell aufrechterhaltendes Rückabwicklungsschuldverhältnis umwandele.

6. Die bereicherungsrechtliche Fundierung der Rückabwicklung 1. Das führt zu folgendem Ergebnis: Unbeschadet der Möglichkeit vertragsrechtlicher Fundierung von Rückabwicklungsrechten ist die Rückabwicklungslage – ganz oder, soweit eben vertragliche Regelungen zulässig und die Regelung der Haftung durch die §§ 159 f. BGB zu beachten ist, zumindest auch – bereicherungsrechtlich zu beurteilen, und zwar im Fall des auflösend bedingten Schuldgeschäfts nach Maßgabe des § 812 Abs. 1 S. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des späteren Wegfalls des rechtlichen Grundes.35 2. Dass dies so ist, lässt sich auch gesetzeshistorisch zeigen. Der Gesetzgeber wies den Fall des auflösend bedingten Schuldvertrags, auf den unbedingt geleistet wurde, ausdrücklich der condictio ob causam finitam zu, wenn es in den Gesetzesmaterialien heißt:36 „Der Entwurf normirt auch die condictio ob causam finitam besonders. … Ihr Erforderniß ist dahin bestimmt, daß aus einem Rechtsgrunde geleistet worden ist, der später weggefallen ist. Hiernach erscheint auch die Erwähnung der in den Gesetzen zum Theile besonders hervorgehobenen 33 Flume (1970) 1166. 34 Dass die Parteien die Inhalte der eventuellen Rückabwicklungspflichten rechtsgeschäftlich regeln können und diese Regelung etwaigen abweichenden gesetzlichen Regelungen vorgeht, ist selbstverständlich; vgl. dazu Wolf/Neuner (2012) § 52, Rn. 39. 35 Klar schon RG, Urt. v. 28.04.1920 – V 470/19, WarnR Nr. 43 (1921) 51. 36 Mugdan (1899) 472 f.

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Fälle, wenn …., so wenig erforderlich, als die Erwähnung des Falles der Leistung auf Grund einer resolutiv bedingten oder betagten causa, wenn nachträglich die Bedingung oder Termin eintritt (§§ 129, 142)37.“ Dass überdies damit auch die Absage an eine vertragliche Fundierung der Rückabwicklung zumindest in dem Sinne verbunden sein sollte, dass der Vertrag selbst den Haftungsgrund hergebe, zeigt sich im Weiteren an den gesetzgeberischen Erwägungen zu § 820 Abs. 1 BGB. Diese Norm regelt die so genannte verschärfte Bereicherungshaftung gemäß den §§ 818 Abs. 4, 291 f, 987, 989, 994 Abs. 2 BGB in Fällen der condictio ob rem bzw. causa data causa non secuta, nämlich im ersten Satz, und der condictio ob causam finitam, dort im zweiten Satz, wobei die gemeinsame Regelung nur Ausdruck des Umstands ist, dass der Gesetzgeber beide Fälle für essentiell gleich hielt.38 Daher gilt für die condictio ob causam finitam, der die Rückabwicklung nach Eintritt einer einem Schuldvertrag beigefügten auflösenden Bedingung zugeordnet war, das für die condictio causa data causa non secuta vom Normurheber Angemerkte39 ebenso: Die Verweisung auf § 989 BGB sei durchaus nicht entbehrlich, weil sich die Schadensersatzhaftung wegen einer Verpflichtung des Empfängers zur Anwendung ordnungsgemäßer Sorgfalt schon aus der Parteivereinbarung herleiten lasse; „denn man habe … daran festgehalten, daß im Falle der Leistung zum Zwecke eines künftigen Erfolges die Ansprüche des Leistenden auf Rückgewähr ihren Grund nicht in dem Vertrage, sondern in der ungerechtfertigten Bereicherung hätten. Ganz ebenso aber wie im Falle der condictio causa data causa non secuta müsse die Haftung des Empfängers im Falle der Rückforderung einer Leistung wegen Wegfalles ihres Rechtsgrundes geregelt werden, wenn nach dem Inhalte der bei der Leistung getroffenen Vereinbarung der Parteien der Wegfall des Rechtsgrundes von vornherein als möglich ins Auge gefasst war.“

37 Diesen Regelungen entsprechen die nachmaligen §§ 158 Abs. 2, 163, 2. Fall BGB. 38 Mugdan (1899) 1188: „Ganz ebenso wie im Falle der condictio causa data causa on secuta müsse die Haftung des Empfängers im Falle der Rückforderung einer Leistung wegen Wegfalles ihres Rechtsgrundes geregelt werden, wenn nach dem Inhalte der bei der Leistung getroffenen Vereinbarung der Parteien der Wegfall des Rechtsgrundes von vornherein als möglich ins Auge gefaßt war. Die Lage des Empfängers sei in diesem Falle durchaus dieselbe wie im erstgedachten Falle.“ 39 Mugdan (1899) 1187 f.

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7. Die verschärfte Bereicherungshaftung als Definiens des Verschuldens – die Pflichtwidrigkeitsfrage 1. Die Geltung der verschärften Bereicherungshaftung – genauer gesagt, die Anwendung des § 989 BGB unter Vermittlung der §§ 818 Abs. 4 (819 f.), 292 BGB40 – ist ein Glücksfall des Rechts.41 Erst dieser Umstand verschafft nämlich den beteiligten künftigen Rückgewährschuldnern diejenige Orientierung, die es braucht, um – und damit wird wieder das Thema ‚Rechtssicherheit und Gerechtigkeit‘ aufgegriffen – unter den Bedingungen gegenwärtiger Ungewissheit über die künftig eintretende Sach- und Rechtslage schon in der Gegenwart für Sicherheit in Bezug auf die künftige Pflicht-, d.h. Rechtmäßigkeit des gegenwärtigen Tuns oder Unterlassens zu sorgen. Das ist näher auszuführen. 2. Dazu diene zunächst ein Gedankenexperiment. Gesetzt den Fall, es gäbe nur einen vertraglichen Rückgewähranspruch, dessen Nichterfüllbarkeit schadensersatzrechtlich zu beurteilen wäre, so kämen § 160 Abs. 2 BGB42 und – je nach Beurteilung des funktionellen Zusammenhangs zwischen diesen Normen43 und der Konkurrenzverhältnisse möglicherweise: oder – § 280 Abs. 1 BGB, letzteren Falls in Verbindung mit § 280 Abs. 3, 283 BGB oder44 in Verbindung mit § 241 40 Für die Anwendung des § 820 Abs. 1 S. 2 BGB beim auflösend bedingten Schuldgeschäft zutreffend Wolf/Neuner (2012) § 52, Rn. 49, Anm. 71. 41 Das war auch für die entsprechende Verweisung des § 347 BGB a.F. im früheren Rücktrittsrecht zu sagen. Diese Verweisung mit dem Bemerken zu beseitigen, §989 BGB betreffe eine nicht vergleichbare Sach- und Rechtslage – so die Gesetzesmaterialien in Bt-Drs. 14/6040 S. 192 –, zeugt von Nichtverständnis für das gerade mit der Verweisung inhaltlich richtigerweise Erreichbaren. 42 Das setzt allerdings voraus, dass der Tatbestand der Norm überhaupt den Fall des auflösend bedingten Schuldvertrags erfasst oder die Norm auf diesen Fall analog anzuwenden wäre; zu Zweifeln daran o. Pkt. IV. 43 Sofern § 160 Abs. 2 BGB nur als Verdeutlichung der Möglichkeit einer Vorwirkung der Schadensersatzhaftung gilt, die nach Bedingungseintritt im Fall von alsdann eintretenden Leistungsstörungen gilt, führt § 160 Abs. 1 BGB zu einer mit der Rechtslage bei Anwendung der §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB inhaltsgleichen Schadensersatzhaftung; unter diesen Umständen wäre § 160 Abs. 2 BGB sedes materiae einer speziellen Schadensersatzhaftung, die die unmittelbare Anwendung des § 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB auf Rückabwicklungshindernisse vor Bedingungseintritt ausschließt. 44 Ob § 280 Abs. 1 BGB mit § 280 Abs. 3 BGB oder mit § 241 Abs. 2 BGB anzuwenden ist, hängt davon ab, welche Pflichtverletzung in Bezug genommen wird. In Anbetracht der zu § 346 Abs. 4 BGB herrschend vertretenen Auffassung könnte dies nicht vorwirkend die – zur Zeit des die Rückleistung unmöglich machenden Ereignisses – noch nicht aktuell bestehende schuldrechtliche Rückgewährverpflichtung sein, deren nachmalige

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Abs. 2 BGB, als Anspruchsgrundlagen in Betracht. Die Haftung auf Grund des § 280 Abs. 1 BGB setzt indessen in allen Fällen eine Pflichtverletzung voraus, und zwar überdies eine verschuldete. Gleiches gilt für die Haftung gemäß § 160 Abs. 2 BGB insofern, als auch dessen Tatbestand ein Verschulden erfordert, dies aber begriffsnotwendig eine objektive Pflichtwidrigkeit voraussetzt. Sich gleich auf die Verschuldensfrage zu konzentrieren, ist dagegen ein Fehler, weil dies von der eigentlichen, primär gestellten Frage nach der objektiven Pflichtenlage ablenkt.45 Bei allen hier in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen sind daher Pflichtverletzung und – aber eben doch erst danach, nämlich darauf Bezug nehmend – Verschulden nötig;46 und da dies für alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen gilt, erübrigt sich hier eine Festlegung auf eine dieser Anspruchsgrundlagen. Was aber, so fragt sich, ist denn der konkrete Gegenstand und Inhalt der Pflicht, durch deren Verletzung die genannten Schadensersatzansprüche als Erstes – nämlich vor jeder Beurteilbarkeit von Verschulden, da dessen Beurteilung stets den Bezug auf die objektive Rechtswidrigkeit erfordert – gesteuert wird? Der gegenwärtige oder zumindest potentielle Herausgabe- bzw. Rückgewährschuldner, der gegenwärtig zugleich der alleinige Sachbesitzer ist und daher in der

Erfüllung unmöglich wird; stattdessen könnte ggf. so, wie für das Rücktrittsrecht vor der Aktualisierung der Rückgewähransprüche oft angenommen wird, nur eine vorgreifliche Schutzpflichtverletzung im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB sein; zu diesem Problemkreis, dabei auch mit Begründung unter Rückgriff auf die Vorstellung von der vom Rücktritt unberührt bleibenden Aufrechterhaltung des ursprünglichen Vertrags als Rückgewährschuldverhältnis, Staudinger BGB/Dagmar Kaiser (2012) § 346, Rn. 223 ff., 226. – Bedingungsrechtlich deckt sich mit der vorgenannten rücktrittsrechtlichen Differenzierung diejenige Auffassung, die dem § 160 Abs. 2 BGB nur die Funktion einer vorwirkenden Begründung von Schutzpflichten im Hinblick auf die Erfüllbarkeit des eventuellen künftigen Rückleistungsanspruchs zuerkennt; in diesem Sinne Wolf/Neuner (2012) § 52, Rn. 39. 45 Insoweit richtig und treffend zur entsprechenden Diskussion zum (früheren) Rücktrittsrecht Kaiser (1999) 270 u. 349. 46 Wenn Haftungsnormen nur das Verschulden als Anspruchsvoraussetzung nennen, ist der Begriff des Verschuldens wie derjenige der culpa dahingehend zu segmentieren, dass aus ihm zunächst, d.h. vor der Einordnung eines Tuns oder Unterlassens als vorsätzlich oder fahrlässig, das Erfordernis abgeleitet wird, über die Pflicht- bzw. Rechtswidrigkeit des Erfolgs und bzw. oder – je nachdem, ob von der Maßgeblichkeit von Erfolgs- und bzw. oder Handlungsunrecht auszugehen ist – zu urteilen; vgl. Kohler (2006) 708 ff.

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unumgänglichen47 Notwendigkeit steht, das erlangte Hab und Gut nun zu verwahren und zu verwalten, wird in der Tat nach Rechtssicherheit hinsichtlich dessen fragen, was ihm richtigerweise nun als Verwaltungsmaßnahme oder Unterlassen einer solchen teils angesonnen, teils erlaubt wird. Darauf muss eine gute Rechtsordnung überhaupt eine Antwort geben, und zwar eine gerechte – und diese sollte eine für alle Beteiligte berechenbare so gut wie eine ökonomisch vernünftige und zumutbare sein. Jedenfalls muss die Frage ex ante, nämlich geltend für die Zeit der gerade tatsächlich anstehenden Verwaltungsmaßnahme, beantwortet werden, und zwar gerade deshalb planerisch, also primär handlungspflicht-48 und nicht primär verschuldensbezogen. 3. Zunächst liegt nahe, die Pflichtverletzung, wie bei Erfüllungsunmöglichkeit die Regel, entweder schon erfolgsbezogen, nämlich in der Tatsache der Nichterfüllung zu sehen, oder aber die Pflichtverletzung handlungsbezogen in Hinsicht auf ein zur Unerfüllbarkeit führendes Verhalten zu beurteilen. Ersteres trägt aber zumindest im Kontext des neuen Leistungsstörungsrechts nicht, wenn der zur Erfüllungsunmöglichkeit führende Zustand bzw. das dazu führende Verhalten bereits vor dem aktuellen Entstehen der Leistungspflicht – als Folge des Bedingungseintritts – vorhanden war. Denn gegen die Bewältigung dieses Falls mit den allgemeinen unmöglichkeitsrechtlichen Leistungsstörungsnormen spricht § 346 Abs. 4 BGB.49 Die Existenz dieser Norm gilt nämlich gerade als Verdeutlichung des Grundsatzes, dass eine schadensersatzbegründende Pflicht im Sinne des § 280 Abs. 1 S. 1 BGB erst nach deren aktuellem Entstehen verletzt werden könne, auch wenn die Rückleistungspflicht – wie im Fall der Bedingung – doch immerhin schon als eine potentielle zur Zeit des die Rückleistungsunmöglichkeit auslösenden Ereignisses bestand.50 Damit wird offenbar, dass der bloße Zustand der Rückleistungsunmöglichkeit – in diesem Sinne die objektive Tatsache bzw. der ‚Erfolg‘ der Nichterfüllung des Rückgewähranspruchs – nicht für die Anknüpfung von Sekundärrechten im Fall gestörter Rückabwicklung genügt. Zumindest für die Beurteilung von Rückgewährhindernissen aus

47 Auch ein Unterlassen ist ein Akt der Verwaltung, sodass niemand, der eine Sache besitzt, sie nicht ‚nicht verwalten‘ kann. 48 Der Terminus und das Wesen der Handlungspflicht umfasst selbstverständlich stets auch die Möglichkeit des Unterlassens einer Handlung als Akt des Verwaltens. 49 Auch die Existenz des § 311a Abs. 2 BGB als einer eigenständigen Haftungsnorm für den Fall der anfänglichen Erfüllungsunmöglichkeit zeigt, dass die Verletzung einer Pflicht im Sinne des § 280 Abs. 1 S. 1 BGB voraussetzt, dass diese zu der Zeit entstanden sein und noch fortbestehen muss, zu der das die Erfüllungsunmöglichkeit auslösende Ereignis stattfand. 50 Staudinger BGB (2012)/Dagmar Kaiser § 346, Rn. 225.

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Umständen, die in der Schwebezeit, d.h. vor definitiver Klärung der Rückabwicklungslage eintraten, kann daher eine unmöglichkeitsrechtlich bloß erfolgsbezogene Pflichtverletzung nicht für die Anlastung von Risiken maßgeblich sein, die sich schon zur Schwebezeit verwirklichten. 4. Die im Rücktrittsfall, damit aber indikativ auch für andere Rückabwicklungsverhältnisse mit ungewissem Ausgang der Schwebelage geltend, mittels des § 346 Abs. 4 BGB im Tatbestand der §§ 280 Abs. 1 S. 1 und 3, 283 BGB gesetzte unmöglichkeitsrechtliche Haftungsgrenze könnte allerdings im Sinne einer Haftungsvorverlegung überschritten werden, wenn die Schadensersatzhaftung an eine der etwaigen künftigen Rückgewährpflicht vorgeschaltete Bereithaltungspflicht geknüpft werden könnte, die sich als Schutzpflicht zur Sicherung des künftigen Leistungsanspruchs darstellt. Dieser Haftungsansatz, der – insoweit richtigerweise – auf ein pflichtwidriges Verhalten rekurriert, wird in der Tat im Bereich des Rücktritts verfolgt, wenn und indem dort eine vorgezogene Schadensersatzhaftung gemäß § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB für die Zeit vor dem Erreichen der durch §346 Abs. 4 BGB markierten Haftungsschwelle51 befürwortet wird.52 Diesem argumentativen Ansatz folgend, könnte sich dann für den Fall des auflösend bedingten Schuldgeschäfts dergleichen aus der relativen Rückbeziehung der internen Ansprüche nach Maßgabe des § 159 BGB53 ergeben,54 und insbesondere könnte die Begründung dieses Ansatzes gerade als die wesentliche Funktion des § 160 Abs. 2 BGB55 anzusehen sein. 51 Auf dem Boden der hier kritisierten Auffassung wird die zur Anwendbarkeit des § 346 Abs. 4 BGB führende Schwelle erst mit der Ausübung des Rücktritts überschritten, während Kenntnis oder gar grobfahrlässige Nichtkenntnis der im gegebenen Fall bestehenden Rücktrittsmöglichkeit nicht genügen soll; so Staudinger BGB (2012)/Dagmar Kaiser § 346, Rn. 225. 52 Maßgeblich Staudinger BGB (2012)/Dagmar Kaiser § 346, Rn. 226. 53 Dies trägt allerdings schon deshalb nicht stets zuverlässig, weil die interne Rückbeziehung der Rechtsfolgen nach Bedingungseintritt bzw. -ausfall keineswegs der gesetzliche Regelinhalt der bedingungsrechtlichen Rechtsfolgen ist, da die Geltung der in § 159 BGB vorgesehenen Rechtsfolgen vom jeweiligen konkreten Parteiwillen abhängt. 54 Zwischen der bedingungs- und rücktrittsrechtlichen Rückabwicklungslage besteht insofern Übereinstimmung, als die Rechtswirkungen nach Eintritt einer einem Schuldvertrag beigefügten auflösenden Bedingung ebenso wie nach Rücktrittsausübung objektiv bzw. inter omnes nur ex nunc und nur mit schuldrechtlicher Wirkung eintreten, aber im Fall des § 159 BGB wie bei Anwendung der §§ 346 f. BGB inter partes Ansprüche entstehen, die auf rückwirkende Wiederherstellung der ohne den vormaligen Leistungsaustausch bestehenden Rechtslage zielen. 55 In diesem Sinne wohl Wolf/Neuner (2012) § 52, Rn. 49 i.V.m. Rn. 47.

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Ob dieses Vorgehen mittels Haftungsanknüpfung an eine Bereithaltungspflicht im Hinblick auf eine eventuale Rückgewährpflicht legitim ist, mag man indessen schon mit einigem Recht bezweifeln. Im Wesentlichen wird damit nämlich ein Umgehungsargument aufgebaut. Denn es handelt sich bei diesem argumentativen Ansatz um nichts anderes als die Vorverlegung des zuvor verweigerten Schadensersatzes wegen Erfüllungsunmöglichkeit als solcher im Wege der Anknüpfung an ein als schutzpflichtverletzend angesehenes Ereignis, das gerade deswegen pflichtwidrig ist, weil es zur demnächst virulent werdenden Erfüllungsunmöglichkeit führt. Doch bleibe dieser Einwand hier unbeachtet. Hier genügt nämlich der Hinweis, dass der Inhalt der Schutzpflicht, wenn es denn nicht die Herbeiführung des Zustands – des ‚Erfolgs‘ – der demnächstigen Erfüllungsunmöglichkeit als solcher sein soll, zwar eine verhaltensbezogene ist – das ist zu begrüßen und sollte auch für den hier interessierenden bedingungsrechtlichen Fall angenommen werden –, sie aber hinsichtlich der konkreten Arten und Weisen des Umgangs mit dem Leistungsobjekt unkonturiert bleibt. Das zeigt sich eindrücklich schon an einem Beispielsfall, der geradezu das kritische Regelproblem veranschaulicht: Wird eine Gefahrerhöhung für den Leistungsgegenstand dadurch geschaffen, dass der Empfänger diesen bestimmungsgemäß benutzt – etwa bei einem Autokauf, indem er das Fahrzeug im Straßenverkehr einsetzt –, und geschieht dann ein Unfall, obwohl der Empfänger das Auto verkehrsgerecht geführt hat, so fragt sich nicht erst, worin das Verschulden – als ‚echtes‘ oder ‚als Verschulden gegen sich selbst‘ gedacht – liegen könnte. Vielmehr fragt sich schon zuvor, was denn als die relevante objektive Pflichtverletzung gilt bzw. gelten kann und darf, wenn als solche – da ein wie auch immer zu definierendes Verschulden allenfalls darin den notwendigerweise vorauszusetzenden Bezugspunkt finden kann – nur die Gefahrerhöhung durch die Entscheidung für das Inverkehrbringen des Autos in Betracht kommt: Gibt es denn wirklich eine vorsorgende Schutzpflicht des Inhalts, schon diese Gefahrerhöhung zu unterlassen? Wenn dies die Frage ist, so steht doch fest, dass Rückgriffe auf Schutzpflichten, wie sie im Rahmen des § 241 Abs. 2 BGB zu entwickeln wären, indem auf explizite oder implizite, konkludente Vereinbarungen oder statt dessen auf ergänzende Vertragsauslegung oder auf Treu und Glauben rekurriert wird, zwar nicht immer, aber doch oft im Bereich des Unbestimmbaren bleiben und daher willküranfällig sind. Richtigerweise bedarf es im Interesse sowohl von Gerechtigkeit als auch von Rechtssicherheit grundsätzlich der gesetzlichen Spezifikation, und zwar nicht erst des Verschuldens, sondern schon der Pflichtwidrigkeit bzw. Rechtmäßigkeit des verwaltenden Handelns in Bezug auf das Leistungsobjekt in der Schwebezeit. 5. Ebendies leistet der bedingungsrechtliche Rekurs des § 820 Abs. 1 S. 2 BGB auf § 989 BGB in bestmöglicher Weise. Dies hat seinen Grund in der Funktionalität

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bzw. Ratio des § 989 BGB. Dort liegt der Schlüssel zum Verstehen jeglicher Verschuldenshaftung insofern, als erst und nur dort das Programm des erlaubten verwaltenden Handelns bestimmt wird, ohne dessen Kenntnis schadensersatzrechtlich relevante Verschuldensurteile, und zwar für alle etwa in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche gleich erforderlich und gleich geltend, nicht zu fällen sind. Daher ist die bereicherungsrechtliche Fundierung der Rückabwicklung auch der Sache nach unverzichtbar und unvermeidlich. Dass diese Fundierung nicht ausschließt, die sich danach ergebende Rechtslage rechtsgeschäftlich durch explizite oder sich konkludent ergebende Vereinbarung der Beteiligten zu modifizieren, und dass dabei auch die Art und der aus ihr folgende Inhalt des unter Bedingung abgeschlossenen Vertrags eine Rolle spielen kann,56 ist dabei schon mit Rücksicht auf die Privatautonomie selbstverständlich.57

8. Das Pflichtmäßigkeitsprogramm des § 989 BGB des Näheren 1. Die Zuweisung der Haftung zum Besitzer als demjenigen, in dessen Sphäre das Sachrisiko wirksam wurde, wird im unmittelbaren Anwendungsfall des §  989  BGB  – und nicht anders im Fall des darauf Bezug nehmenden §  990 Abs.  1  BGB  – zwar vordergründig durch das ‚Verschulden‘ des Besitzers am 56 Dazu ist auf das oben in Abschnitt 5.4. unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung Ausgeführte zu verweisen. – Insofern trifft es im Übrigen zu, dass der auflösend bedingte Vertrag auch nach Bedingungseintritt eine Restwirkung in Bezug auf die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit des Empfängerverhaltens in der Schwebezeit hat; dies fügt sich aber ohne Weiteres darin ein, dass der unter auflösender Bedingung geschlossene Vertrag nach § 158 Abs. 2 BGB nur ex nunc außer Wirkung tritt. In dieser überdauernden Steuerungswirkung des unwirksam gewordenen Vertrags für die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit des Verwalterverhaltens als Steuerungskriterium für die Haftung des Rückgewährpflichtigen für die in der Schwebezeit eingetretenen Restitutionshindernisse mag man den berechtigten Kern der im Rücktrittsrecht bekannten ‚Theorie von der Umwandlung des ursprünglichen Vertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis‘ sehen; hier möge dahingestellt bleiben – die Antwort dürfte allerdings eine negative sein –, ob diese Theorie bei Anerkennung des Umstands, dass der Vertrag nur ex nunc außer Wirksamkeit tritt – was im Bedingungsrecht unzweifelhaft gilt, während die für das Rücktrittsrecht umstritten ist (aber richtigerweise ebenso zu beurteilen sein sollte) – zu diesem Zweck überhaupt erforderlich ist. 57 Dass dem so ist, zeigt übrigens § 820 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. BGB insofern, als die nach § 820 Abs. 2 S. 1, 1. Hs. BGB an sich eröffnete Nutzungsherausgaberegelung mit Rücksicht auf einen als regelmäßig angenommenen Parteiwillen unmittelbar vom Gesetz wieder zur Disposition gestellt wird.

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Eintritt des Herausgabehindernisses gesteuert, richtigerweise aber auch dort durch das dem Verschuldensurteil notwendigerweise vorgelagerten Urteil über die Pflichtwidrigkeit der zur Schädigung führenden Verwaltungsmaßnahme des Besitzers. Das Pflichtwidrigkeitsurteil im Rahmen des § 989 BGB orientiert sich dabei an einem einleuchtenden Gedanken:58 Der Prozessbesitzer wird als eventualer – nämlich für den letztlich eintretenden Fall des Obsiegens des tatsächlich nicht verwaltenden Klägers – Geschäftsführer für den klagenden bzw. im Fall des § 990 Abs. 1 BGB eventuell unbekannten Eigentümer angesehen, der die streitige Sache zugleich sowohl für sich selbst als auch im Sinne einer Geschäftsführung ohne Auftrag für den Eigentümer tatsächlich allein verwaltet bzw. allein verwalten muss.59 Dass man diese Regelungsorientierung nicht expressis verbis in den Text des § 989 BGB aufnahm, lag nur daran, dass der Gesetzgeber, anders als sonst im Rahmen der negotiorum gestio, nicht die Maßgeblichkeit des konkreten Wollens und Interesses des jeweiligen Klägers wünschte, sondern dass es vielmehr auf den mutmaßlichen objektivierten Willen und das mutmaßliche objektivierte Interesse des nicht besitzenden Eigentümer-Klägers ankommen solle,60 und zwar gerade auch dann, wenn dieser spätestens mit Klageerhebung persönlich bekannt sei.61 2. Die Verwaltungspflichten in einer solchen Verwaltungslage, die ihrem Wesen nach aktuell sowohl Verwaltung im eigenen Interesse als eventualiter auch im Fremdinteresse ist, muss aber noch weiter konkretisiert werden. Dazu bot sich dem Gesetzgeber im Rahmen des § 989 BGB der bestechende Gedanke an, dass diese Sachlage derjenigen einer Eigentümergemeinschaft zu hälftigem Bruchteil verwandt sei, bei der einer der Teilhaber – im Fall des § 989 BGB der Besitzer – die Verwaltung faktisch allein wie ein Sequester für beide Teile zugleich ausübt.62 Dazu nahm man auf § 772 BGB-E I Bezug,63 aus dem der jetzige § 745 Abs. 2 BGB hervorging, der besagt: „Jeder Teilhaber kann, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen.“ 58 Vgl. Kohler (2006) 710 ff. 59 So schon Heck (1930/1970) § 68, 3; ferner Wacke (1984) 680; Wilhelm (1983) 8; näher dazu Kohler (1989) 365 ff.; in diesem Sinne auch MünchKomm BGB (2012)/Christian Baldus § 989, Rn. 1; Staudinger BGB (2012)/Karl-Heinz Gursky § 989, Rn. 1 („Verwahrer und Verwalter eines fremden Gutes“). 60 Mugdan (1899a) 225 f. 61 Mugdan (1899a) 227. 62 Mugdan (1899a) 227. 63 Mugdan (1899a) 227.

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Für die als Orientierung in Bezug genommene Zwei-Personen-Miteigentümergemeinschaft heißt das praktisch:64 Eine vertragliche Benutzungs- und Verwaltungsvereinbarung der beiden Beteiligten ist möglich und geht allem anderen vor;65 das ist übrigens auch für die Bereicherungshaftung durchaus kein Unding, nachdem anerkannt ist, dass selbst der von Anbeginn nichtige Vertrag Wirkungen in Hinsicht auf die Verteilung des Sachrisikos im Rahmen der Bereicherungshaftung haben kann.66 Eine solche Vereinbarung kann wie stets bei Rechtsgeschäften auch konkludent geschlossen sein; dabei kann beim auflösend bedingten Kaufvertrag die Vereinbarung zur Sollbeschaffenheit nach § 434 Abs. 1 BGB, und zwar selbst bei nichtigem Vertrag für das Rückabwicklungsverhältnis als Verwendungsbestimmung geltend, als Anhalt für den konsentierten Inhalt der Verwaltungsbefugnis erheblich sein. Bei Fehlen einer explizit oder implizit-konkludent abweichenden Vereinbarung zur Ausgestaltung der Benutzungs- und Verwaltungsbefugnis des Leistungsempfängers ist allerdings nach der Maßgabe des zur Klärung der Geschäftsführungsregeln heranzuziehenden Rechts der Bruchteilsgemeinschaft eine von nur einem Teilhaber nach § 745 Abs. 2 BGB durchzusetzende Nutzung und Verwaltung in den Fällen des § 745 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Dies bedeutet, dass es – mit Ausnahme des Falls der Notgeschäftsführung im Sinne des § 744 Abs. 2 BGB zum Zweck der Erhaltung des Gemeinschaftsgegenstands – unzulässig ist, eine wesentliche Veränderung des Gemeinschaftsgegenstands zu veranlassen. Letzteres besagt im praktischen Ergebnis und dem gemäß als Beschreibung des pflichtgemäßen Verhaltensprogramms, dass der objektbezogene Bestand und die Identität des Gemeinschaftsgegenstands grundsätzlich, vorbehaltlich des Falls der Notgeschäftsführung nach § 744 Abs. 2 BGB, zu wahren ist. Das läuft praktisch sowohl auf den Ausschluss der Veränderung des Gegenstands in seiner Substanz – d.h., auf die Unzulässigkeit finalen Eingriffs, sei es durch Verarbeitung oder Zerstörung und Beschädigung – hinaus, als auch auf den Ausschluss einseitiger Herbeiführung des Verlusts der ungestörten gemeinschaftlichen Rechtszuständigkeit – d.h., auf die Unzulässigkeit von Verfügungen nur eines der Teilhaber, was auch das in § 747 S. 2 BGB verankerte Prinzip der Gemeinschaftlichkeit bei Verfügungen indiziert.67

64 Vgl. Kohler (2006) 714 ff. 65 Bei angenommener Geltung des Gleichteilungsprinzips kann es einen Mehrheitsbeschluss, dessen Inhalt sich an die in § 745 Abs. 1 BGB bestimmten Grenzen halten müsste, statt einer Vereinbarung beider Teilhaber nicht geben. 66 BGHZ 78, 216 (222 f.) = NJW (1981) 226; dazu bereits oben Abschnitt 4.4. 67 Zu Letzterem näher Kohler (1989) 368 ff.

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Abgesehen vom Fall der vertraglich gestatteten, daher der letztgenannten Verbotsregel nicht unterworfenen Umbildung der erworbenen Sache durch Verarbeitung68 ist daher vom entscheidenden Erlaubnistatbestand des § 745 Abs. 2 BGB vor allem der Fall der Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstands erfasst. Die Benutzung gilt indessen nicht nur als im Rückabwicklungsverhältnis gestattet, sondern geradezu als geboten. Das zeigt § 987 BGB, und zwar gerade dessen zweiter Absatz. § 987 Abs. 2 BGB belegt nämlich den Besitzer im Fall der Nichtziehung von Nutzungen im Rahmen der Regeln ordnungsgemäßen Wirtschaftens mit der Pflicht zum Wertersatz für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen. Diese Regelung ist nur als Sanktion für die Verletzung einer Obliegenheit zur Nutzung zu verstehen. Besteht allerdings eine solche Obliegenheit, kann deren Erfüllung als solche allein jedoch nicht als eine Pflichtwidrigkeit des Besitzers bei der Verwaltung der Sache gelten, die im Rückabwicklungsfall schon deshalb schadensersatzrechtlich zu sanktionieren wäre, weil sie eine Gefahrerhöhung mit sich bringt. Das wäre für den mithin zur Verwaltung durch Nutzung aufgeforderten Besitzer eine unzumutbare, da von ihm nicht vermeidbare Verstrickung in eine Risikoerhöhung, deren Folgen er tragen müsste, ohne ihre Vorteile haben und behalten zu können.69 3. Die Risikozuweisung muss sich aber noch genauer mit der Frage befassen, ob allein das ‚Ob‘ der Nutzungsobliegenheit, die folgerichtig zugleich ein Nutzungsrecht trotz Gefahrerhöhung mit sich bringt, über die Risikoanlastung im Rückgewährfall entscheidet. Dazu muss über das ‚Ob‘ der Nutzung hinausgehend auch das ‚Was‘ und daran anschließend das ‚Wie‘ der Nutzung betrachtet werden. Steht das ‚Ob‘ der Nutzung fest, wenn der Gegenstand objektiv ein nutzfähiger ist und auch der Besitzer seinerseits objektiv nutzziehungsbefähigt ist – wobei es sowohl auf die Art des Leistungsgegenstands, der beim Erwerb zutage getretenen oder sonst erwartbaren Verwendungsweise des Gegenstands sowie auf die

68 Ob in Rückabwicklungslagen im Einzelfall von einer solchen Gestattung auf der Grundlage einer konkludenten Erklärung oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung ausgegangen werden kann, hängt von der Art des Leistungsgegenstands und dem beiderseits vorausgesetzten oder zumindest erkennbar als vom Erwerber in nicht fernliegender Weise verfolgten wirtschaftlichen Zweck des bedingten Schuldgeschäfts ab; § 434 Abs. 1 S. 2 BGB wirkt insofern in die Bestimmung der Pflichtenlage hinein. 69 Diese Rechtsfolge entspricht im Ergebnis dem Prinzip cuius periculum eius et commodum und kehrt das bei bestehendem Kaufvertrag in § 446 S. 2 BGB Angeordnete – nämlich die gleichlaufende Zuweisung von Nutzungen und Zufallsrisiko zur Person des in den Besitz der Kaufsache gesetzten Käufers – nach Scheitern des Kaufvertrags und daraus folgender Rückzuweisung der Nutzungen und Nutzungspotentiale zum Verkäufer durchaus folgerichtig um; dazu Wilhelm (1983) 8; Wacke (1984) 678.

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persönliche Disposition und auf die Umstände der Eingliederungsfähigkeit des betreffenden Gegenstands in die Verhältnisse des Erwerbers ankommt –, so ist die Bestimmung des ‚Was‘ der konkreten Nutzungsweise – dies ist das Nutzungsziel, im Sinne der Genus-Bestimmung verstanden –, soweit in dieser Hinsicht bei objektiver Betrachtung mehrere Möglichkeiten als sozial und wirtschaftlich vertretbar in Betracht kommen, die Sache des jeweiligen Besitzers. Diese Wahlfreiheit beschränkt sich jedoch auf die Entscheidung für ein bestimmtes, an sich sozial und ökonomisch vertretbares70 Nutzungsziel; § 989 BGB nennt diese Qualität des Nutzungsziels ‚die Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft‘. Die Wahlfreiheit erstreckt sich jedoch grundsätzlich nicht auch auf die nachfolgende Entscheidung über die Modalität der Umsetzung dieser NutzungszielEntscheidung, d.h. das konkrete ‚Wie‘ der Nutzziehungsoperationalisierung. Denn insoweit hat sich der Besitzer alsdann selbst gebunden, indem und weil ein Verstoß gegen die Regeln der Kunst bei der Umsetzung seiner Nutzungsentscheidung ein unzulässiger Selbstwiderspruch gegen seine vorherige Grundentscheidung über die Nutzungsart – das ‚Was‘ der Nutzung – ist. Damit ergibt sich eine Trias mit bestimmten Pflichten, Freiheiten und Konsequenzen. Zunächst: Grundsätzlich gibt es keine Freiheit des Besitzers hinsichtlich des ‚Ob‘ der Nutzung. Vielmehr besteht eine Nutzungsobliegenheit im Rahmen dessen, was im Herrschaftsbereich des Besitzers nach der Art des Gegenstands, nach der beim Vertragsschluss erklärtermaßen oder den Umständen nach erwartbaren Nutzungsweise und nach der diesbezüglichen persönlich-wirtschaftlichen Disposition des Besitzers als nutzbringende Verwendung tatsächlich und rechtlich, wirtschaftlich und sozial überhaupt möglich ist. Daran anschließend gilt im Weiteren: Der Besitzer hat die Freiheit der Wahl zwischen mehreren objektiv im Kontext seiner Sphäre in Betracht kommenden Nutzungszielen – also hinsichtlich des ‚Was‘ – im Sinne der freien Wahl zwischen mehreren Nutzungszielen, die auf der Grundlage und im Rahmen der vorgenannten Beurteilung des ‚Ob‘ der Nutzung vertretbarerweise zu erwarten sind. Schließlich folgt in der Konsequenz: Wiederum, nämlich wie schon hinsichtlich des ‚Ob‘ der Nutzung in den vorgenannten Grenzen anzunehmen, gilt allerdings Bindung des Besitzers hinsichtlich des Nutzungsmodus – d.h. des ‚Wie‘ der Nutzung –, also hinsichtlich des zielorientierten Nutzungsverfahrens; denn insoweit ist im Wortsinne maßgeblich, was in Relation zum gewählten Nutzungsziel als modus operandi der Nutzungsdurchführung

70 Das Ziel der Nutzziehung, desgleichen im Weiteren auch die konkrete Art der Nutzziehung, muss ‚honeste‘ sein, nämlich sich im Rahmen des sittlich-rechtlich Vertretbaren halten; auch darauf hat bereits Wacke (1984) 679 hingewiesen.

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‚fit for purpose‘ ist, nämlich als zielführend gelten kann und dabei den Regeln der Kunst folgt. 4. Da der Selbstbindung des Empfängers als Folge seiner im Rahmen des Vertretbaren getroffenen Wahl des Nutzungsziels unterworfen, gilt für das ‚Wie‘ der Nutzungsweise nicht das Pflicht- und Verschuldensmaß der Eigenüblichkeit, sondern des folgerichtig Verkehrsüblichen, beurteilt anhand der objektiven Regeln dessen, was als ‚ordnungsgemäße Wirtschaft‘ gilt. Dass dem so ist, zeigt § 987 Abs. 2 BGB, indem dort von der Sanktionierung der Nichtziehung nach den Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft gesprochen wird. Wenn § 347 Abs. 1 BGB n.F. dies allerdings verdunkelt, indem dort für das Rücktrittsrecht auf Begriffe mit Anklang an § 277 BGB zurückgegriffen wird, liegt dem wieder die Verwechslung der Freiheit des Besitzers, über das Nutzungsziel – das ‚Was‘ im vorgenannten Sinne – in dem oben beschriebenen Rahmen zu entscheiden, mit der verfehlten Leugnung des Umstandes zugrunde, dass diese Entscheidung im Weiteren keineswegs folgenlos bleiben kann, weil der Besitzer sich dann selbst an die immanenten Regeln des damit Wirtschaftens ‚fit for purpose‘ gebunden hat. Würde er sich von den Geboten der ‚Zielführungseignung‘ – das meint der Maßstab der ‚fitness for purpose‘ – distanzieren wollen, wäre dies nämlich ein unzulässiger Widerspruch gegen die zuvor getroffene ‚eigene vermögensmäßige Entscheidung‘71 zur Verfolgung und mithin Realisierung eines selbst bestimmten Nutzungsziels. 5. Erst die Einhaltung sämtlicher dieser drei oben genannten Parameter, und zwar einschließlich der Konkretisierung des ‚Wie‘ der Nutzung anhand der Regeln objektiv vertretbarer, ordnungsgemäßer Wirtschaft im Rahmen des zulässig gewählten Nutzungsziels, macht die Verwaltung des erlangten Gegenstands zu einer pflichtgemäßen mit der Folge, dass eine Haftung für Restitutionshindernisse auszuscheiden hat, die im Zuge einer solchen Verwaltungsmaßnahme eintreten. Dies gilt im Rückgewährfall nach der Regelung des § 989 BGB in Verbindung mit § 987 Abs. 2 BGB, auf die aus Gründen der Sachrichtigkeit, damit aber auch im Sinne von Berechenbarkeit und allseitiger Gerechtigkeit, auch im Fall des auflösend bedingten Schuldgeschäfts mittels des § 820 Abs. 1 S. 2 BGB mit Recht zurückgegriffen wird. Kommt es dann im Rahmen einer solchen Verwendungsweise doch zu einer Schädigung des Erlangten, das dessen ungestörter Restitution entgegensteht, ist dafür eben nur anknüpfend an den konkreten Schädigungsanlass – also nicht schon an 71 Damit wird hier, im Zusammenwirken mit dem aus § 242 BGB folgenden Verbot des selbstwidersprüchlichen Verhaltens, ein von Flume (1953) 152 ff. eingeführter Begriff entscheidungserheblich, ohne dass damit eine generelle Aussage zur Leistungsfähigkeit des unter diesem Gesichtspunkt verfolgten Ansatzes zur Beschränkung des Einwands des Bereicherungswegfalls gemäß § 818 Abs. 3 BGB getroffen werden soll.

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die bloße Tatsache der Gefahrerhöhung durch den Entschluss zum Nutzungseinsatz als solchem – unter den Voraussetzungen des Verschuldens nach § 989 BGB auf Schadensersatz zu haften, also pflicht- und zusätzlich konkret verschuldensabhängig, dann aber – sofern nicht konkret etwas anderes vereinbart war – nach dem allgemeinen Verschuldensmaßstab des § 276 BGB.

9.  Beispiele zur Veranschaulichung Das auf diese Weise abstrakt entwickelte Pflichtmäßigkeitsprogramm, das über die Risikoanlastung in Bezug auf Restitutionshindernisse im Rückgewährfall entscheidet, möge an drei Beispielen verdeutlicht werden. 1. Wer ein Landgut in der beim Vertragsschluss hervorgetretenen Absicht des Landbaus erwirbt – in Ermangelung einer solch erkennbar gemachten Absicht, aber ebenso auch in Ermangelung der Erkennbarkeit einer davon abweichenden Absicht, spricht dafür die Natur der Sache –, ist hinsichtlich des bei nachmaliger Rückabwicklung zu beurteilenden Haftungsfalls nicht frei darin, keinen Landbau zu betreiben; dies betrifft das ‚Ob‘ der Nutzung in dem doppelten Sinne, dass überhaupt genutzt wird, und dass dies agrarwirtschaftlich geschieht. Der Erwerber ist aber frei in der Entscheidung für konventionellen oder ökologischen Landbau, da beides wahlweise sozial und ökonomisch vertretbar ist; diese Entscheidung betrifft das im vorgenannten Rahmen des ‚Ob‘ bleibende ‚Was‘ der Nutzung, nämlich das Nutzungsziel bzw. die ‚Nutzungspolitik‘. Ist aber diese Entscheidung getroffen worden – beispielsweise für die konventionelle Landwirtschaft –, liegt eine Selbstbindung hinsichtlich der Beschränkung auf den Einsatz zielführender Methoden vor, also hinsichtlich des ‚Wie‘ der Nutzung, so dass die Pflichtwidrigkeit beginnt, sobald nicht zielführend lege artis unter Zugrundelegung der für konventionelle Landwirtschaft geltenden Regeln gehandelt wird. 2. Wer einen alten Traktor von historischer Bedeutung erwirbt und dafür einen museal-typischen Preis zahlt, ist hinsichtlich des ‚Ob‘ der Nutzung mit Rücksicht auf die Natur der Sache frei, den Traktor schlicht zur eigenen Freude als privates Schaustück aufzubewahren – ihn also im wirtschaftlichen Sinne nicht zu nutzen –, oder aber aus ihm der Natur der Sache gemäß wirtschaftlich messbaren Nutzen zu ziehen, etwa durch gebührenpflichtige Verwendung als Museumsstück; denn das eine wie das andere kann bei einer Sache dieser Art als Maßnahme ordnungsgemäßer Wirtschaft gelten, und die Wahl zwischen beidem steht dem Erwerber zu. Eine Nutzung im landwirtschaftlichen Betrieb liegt allerdings jenseits des ‚Was‘ der objektiv zulässigen Nutzung. Denn dieses Nutzungsziel beeinträchtigt den Bestand der Sache als solchen in Anbetracht des musealen Charakters der Sache schon durch diese Art der Nutzung unausweichlich, so dass durch diese Verwaltungsmaßnahme

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unmittelbar der Bestand des Objekts beeinträchtigt würde, an dem die fiktive Gemeinschaft besteht; damit würde die von § 745 Abs. 3 BGB gezogene Grenze von Gesetzes wegen erlaubter Verwaltungsentscheidung überschritten. Ein jeglicher Einsatz im Betrieb, sei es als Ackerschlepper oder zum Gütertransport, ist daher nicht mehr im Rahmen des ‚Was‘ der an sich gestatteten Nutzung; jegliche Entscheidung für einen landwirtschaftlichen Einsatz, die bei einem neuen Traktor im Entscheidungsbereich des Erwerbers gelegen hätte, wäre daher in diesem Fall als im Rückabwicklungsverhältnis nicht mehr pflichtgemäß anzusehen. Wird also ein musealer Traktor als Zugmaschine auf dem Acker oder als gewöhnliche Zugmaschine auf der Straße verwendet und dabei beschädigt, ist dies auch dann pflichtwidrig, wenn die konkrete Einsatzweise der landwirtschaftlichen Praxis des betrieblichen Einsatzes von Traktoren mit Rücksicht auf die Regeln der Technik und, was das Fahren des Traktors auf öffentlichen Wegen angeht, der Straßenverkehrsordnung entsprach. 3. Wird ein neues Auto von einem Neuwagenhändler verkauft, kommt es darauf an, ob es eine Privatperson zur Eigennutzung oder ein gewerblicher Autovermieter erwirbt. Im ersten Fall ist das ‚Ob‘ der Nutzung mit Rücksicht auf die im Vertrag erkennbar oder den Umständen nach vorausgesetzten Umständen des Erwerbs zu bejahen, doch beschränkt sich das ‚Was‘ der Nutzung nur auf die Sachverwendung im eigenen, privaten Kreis; eine Entscheidung für gewerbsmäßiges Nutzen, wiewohl im Falle eines Autos nicht als solches sozial inadäquat oder wirtschaftsfremd, steht diesem Erwerber im Rückabwicklungsfall nicht als Nutzungsziel frei. Schäden, die dann bei gewerblicher Verwendung entstehen, entlasten den Erwerber im Rückabwicklungsfall auch dann nicht, wenn sie bei konkreter Nutzung lege artis entstanden. Für Schäden, die bei privater Nutzung entstehen, muss der Erwerber hingegen nur – dann jedoch immerhin, und zwar auch bei Einhaltung eigenüblicher Sorgfalt – eintreten, wenn das ‚Wie‘ nicht den üblichen Regeln ordentlicher Nutzung von privaten Gütern dieser Art entspricht. Bei Erwerb eines Autos durch einen gewerblichen Autovermieter verhält es sich dagegen anders. Diesem obliegt es, das Auto möglichst ständig in Verkehr zu bringen. Geschieht dies schon deshalb nicht, weil er sich erst gar nicht lege artis um die Vermietung bemüht – für den Erfolg eines solchen Bemühens muss er allerdings nicht einstehen –, ist eine Haftung nach § 987 Abs. 2 BGB wegen Unterlassens gebotener Nutzziehung in Betracht zu ziehen. Bei der übergeordneten Entscheidung über den Typus der konkreten gewerblichen Verwendung – etwa die Entscheidung zwischen tageweiser Vermietung an Laufkundschaft oder Flottenvermietung an einen Großkunden – ist der Erwerber hingegen frei. Hinsichtlich der sich an diese Entscheidung anschließende Modalität der Durchführung der Nutzungsweise gelten hingegen wiederum die Regeln ordnungsgemäßen Wirtschaftens; dazu kommt es etwa auf die Richtigkeit der Vertragsgestaltung im

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Verhältnis zum Autonutzer an, so beispielsweise auf die geschäftliche Üblichkeit und Erwartbarkeit einer Kaskoversicherung.

10. Geltung beim auflösend bedingten Schuldgeschäft: Übertragbarkeit wegen Stimmigkeit des Haftungsmodells Das zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis unter Rückgriff auf die Leitidee des § 989 BGB in Verbindung mit dem Rechtsgehalt des § 987 Abs. 2 BGB entwickelte Haftungsmodell muss den Einwand bestehen, es gelte wegen Verschiedenartigkeit der Sachlage nicht entsprechend für das auflösend bedingte Schuldgeschäft, das unbedingt erfüllt wurde. Dieser Einwand trägt aber nicht; das Regelungsmodell trägt auch hier. 1. Der obligatorische72 Charakter der Rückabwicklung steht dem nicht entgegen. Es ist gerade der Sinn der Verweisung des § 818 Abs. 4 BGB und der darauf Bezug nehmenden §§ 819 f. BGB, die Bedeutung des Abstraktions- bzw. Trennungsprinzips inter partes einzuschränken. Insofern soll eben gerade alles getan werden, um dem Konzept des „relativen Eigen“73 Geltung zu verschaffen. Dies ist auch sachgerecht, weil die Eigentumslage doch nur von Belang sein sollte, soweit es um die Stabilisierung und Klarheit der Rechtslage inter omnes, also gegenüber Dritten geht, die nicht den Risiken und Ungewissheiten obligatorischer Innenbeziehungen ausgesetzt sein sollten.74 72 Insofern kommt es nicht einmal darauf an, ob das Rückabwicklungsverhältnis als ein vertragliches oder ein bereicherungsrechtliches verstanden wird. 73 Der Begriff geht auf Dulckeit (1951) 43 zurück. Wenn dieser Begriff hier aufgegriffen wird, so soll dies allerdings nicht so weit gehend wie von Dulckeit vorgeschlagen verstanden werden, sondern nur auf das Rückabwicklungsschuldverhältnis beschränkt im Sinne einer quasi ex tunc fortbestehend anzusehenden Zuordnung des Leistungsobjekts zum Rückgewährgläubiger als dem dieses ehedem Leistenden. 74 Ebenfalls in diese Richtung deutend die Bemerkung von Ernst v. Caemmerer, dass die Eigentumslage nur eine im Drittverhältnis relevante Frage sei. Vgl. dazu v. Caemmerer (1954) 387 = Leser (Hrsg.) (1968) 264 (Gesammelte Schriften, Band 1): „Die Frage des Eigentumsüberganges ist für Dritte, für Gläubiger und Rechtsnachfolger der Parteien wichtig, sollte aber die Art der schuldrechtlichen Abwicklung inter partes nicht berühren.“ Sinngemäß ebenso v. Caemmerer (1954) 154 = Leser (Hrsg.) (1968) 308: „Für die Abwicklung inter partes darf die nur für die Beziehungen zu Dritten wichtige Frage, ob schon Eigentum am Leistungsgegenstand übergegangen war, keinen Unterschied machen.“ Dieser Feststellung wird a.a.O. die folgende Aussage vorausgeschickt: „Ebenso [d.h.: dass vertragliche Rückgewähransprüche den §§ 987 ff. BGB vorgehen] liegt es für die Ansprüche auf Rückgewähr übergebener aber noch nicht übereigneter Sachen, die sich auf Rücktritt oder Wandlung stützten. Das gleiche [d.h.: der Vorrang

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Dass es sich so verhält, insbesondere dass die schuldrechtliche Fundierung der Rückabwicklung der Maßgeblichkeit der sich aus den §§ 989, 987 Abs. 2 BGB ergebenden Risikoverteilungsgesichtspunkten nicht im Wege steht, ist gerade dadurch zum Ausdruck gebracht worden, dass die §§ 818 Abs. 4, 819 f. BGB diese Verweisung ausdrücklich vorsehen. Die Verweisungstechnik ist nämlich nichts anderes als der formalisierte Ausdruck für die Anerkennung von Analogiefähigkeit. Diese Verweisung ist auch nicht etwa ein Versehen, das zu einem Regelungsfehler führte. Vielmehr hat der Gesetzgeber dieselbe Regelungsweise auch an anderer Stelle, also nicht aus Versehen, angewendet, und zwar in den ebenfalls auf schuldrechtliche Leistungsansprüche gründenden §§ 291 f. BGB. Denn in Anbetracht dieser Normen hat der Gesetzgeber explizit erklärt, dass dort just dieselben Erwägungen zur Risikoverteilung gälten, die die Ratio der in den §§ 989, 987 Abs. 2 BGB für die Rechtshängigkeitshaftung im EigentümerBesitzer-Verhältnis vorgesehenen Regelung ausmachten: Wie dort der Besitzer, habe sich hier der zur Übereignung verpflichtete Noch-Eigentümer75 schon „als Verwahrer und Verwalter fremden Gutes zu betrachten“.76 2. Ebenso wenig, wie die schuldrechtliche Organisation der Rückabwicklung der entsprechenden Geltung der vindikationsrechtlichen Leitideen zur Verteilung des Sachrisikos entgegen stehen, hindert der Unterschied zwischen der Situation nach Rechtshängigkeit, die die §§ 989, 987 Abs. 2 BGB regeln, und der Lage bei Bösgläubigkeit des Herausgabe- bzw. Rückgewährpflichtigen etwas an der Möglichkeit einer Übertragung der bei den §§ 989, 987 Abs. 2 BGB zutage tretenden Prinzipien auf die Bösgläubigkeitshaftung, sei diese dinglich oder obligatorisch organisiert. Schon die bloße Existenz des § 990 Abs. 1 BGB zeigt, dass der schuldrechtlichen Haftung, hier in Gestalt des Bereicherungsrechts] muss […] auch für die Rückabwicklung von der Leistung wegen Mangels oder Wegfalls der causa gelten, die der Sache nach nichts anderes ist.“ 75 Dabei weisen die Materialien zu § 292 BGB eigens darauf hin, dass dies sowohl für den obligatorisch verpflichteten Restitutionsschuldner als auch für den auf ‚tradere‘ gerichteten Anspruch – als paradigmatisch kommt hier insbesondere ein Kaufanspruch gemäß § 433 Abs. 1 BGB in Betracht – gelte; Mugdan (1899) 30 – Auf dieser Grundlage ist die Regelung des § 818 Abs. 4 BGB mit Selbstverständlichkeit vorgezeichnet und stellt sich diese Regelung nur als Klarstellung des sich ohnehin aus allgemeinen schuldrechtlichen Regeln Geltenden dar; in diesem Sinne auch Mugdan (1899) 1186: „Sachlich wurde bemerkt, daß … für die Zeit nach Eintritt der Rechtshängigkeit … der allgemeine Rechtsgedanke des § 244 [BGB-E I, jetzt § 292 BGB] Platz greife.“ 76 Mugdan (1899) 30 – Auf die Identität des den § 292 BGB bestimmenden Rechtsgedankens mit dem für § 989 BGB maßgeblichen Leitprinzip weist mit Recht auch Staudinger BGB (2013)/Karl-Heinz Gursky § 989, Rn. 1 hin.

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der Gesetzgeber die Bösgläubigkeitshaftung als mit der Rechtshängigkeitshaftung essentiell vergleichbar ansah; denn nur diese Annahme rechtfertigt die durch die Verweisungstechnik hergestellte Regelungskoordination, die in der Sache nichts anderes als eine Analogiebildung ist. Das gilt auch für die Bereicherungshaftung; sonst wäre die auf die bereicherungsrechtliche Rechtshängigkeitshaftung gemäß § 818 Abs. 4 BGB verweisende Regelungstechnik der §§ 819 f. BGB so evident unvernünftig, dass ein solcher Fehler dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden sollte. Im Gegenteil, normgeschichtlich lässt sich sogar an der Entwicklungsgeschichte des § 819 Abs. 1 BGB für den Fall der mala fides superveniens zeigen, dass der Gesetzgeber die Haftung explizit und unmittelbar demselben Leitprinzip unterstellen wollte, das für die Haftung gemäß § 989 BGB bestimmend war. Denn dort hieß es ursprünglich in § 741 Abs. 2 S. 2 BGB-E I: „Auch finden in einem solchen Falle [d.h.: vom Zeitpunkt nachmaliger Kenntnis vom Mangel des Rechtsgrundes an bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit der Bereicherungsklage] wegen der Herausgabe und Vergütung der Nutzungen, wegen Ersatzes der Verwendungen und wegen Haftung für Erhaltung und Verwahrung die Vorschriften Anwendung, welche nach § 244 [BGB-E I, jetzt § 292 BGB] für den Fall des Eintritts der Rechtshängigkeit gelten.“77 Die Reform des Rücktrittsrechts von 2001 stellt hingegen den aus den Regeln sowohl des allgemeinen Schuldrechts – dort § 292 BGB – wie des Bereicherungsrechts – dort §§ 818 Abs. 4, 819 f. BGB – mit Selbstverständlichkeit folgenden Befund in Abrede, dass die Verweisung auf die vindikationsrechtliche Rechtshängigkeitshaftung auch bei der rücktrittsrechtlichen Rückabwicklung berechtigt sei und folglich auch in diesem Fall gelten könne. Das überrascht zunächst schon deswegen, weil der frühere § 347 BGB a.F. dies mit ebensolcher Selbstverständlichkeit auch für das vertragliche Rücktrittsrecht – also für eine der Haftungslage im Fall des § 820 Abs. 1 S. 2 BGB vergleichbaren Situation – gerade anders gesehen hatte, indem ehedem auch in diesem Fall ebenfalls mit Selbstverständlichkeit auf § 989 BGB und damit auf dieselbe Haftungslegitimation rekurriert wurde. Der Reformgesetzgeber des Jahres 2001 hat hingegen gemeint, ebendies sei wegen der Verschiedenheit der nach Rechtshängigkeit und der im Fall des vertraglichen Rücktritts gegebenen Sachlagen verfehlt.78 Das ist allerdings irrig. Die Sachlage beim vertraglichen Rücktritt entspricht nämlich durchaus der im Fall der Bösgläubigkeit im Sinne des § 820 Abs. 1 S. 2 BGB gegebenen Sachlage – hier 77 Mugdan (1899) S. CXXXIII – Die hier so genannte Haftung wegen „Erhaltung und Verwahrung“ meint mittels der Verweisung auf § 244 BGB-E I – zumindest auch – die dort angesprochene Haftung wegen „Verwahrung und Verwaltung“. 78 So Bt-Drs. 14/6040, S. 192.

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Bösgläubigkeit verstanden als aktuelles Wissen um die gegenwärtige Unbeständigkeit des obligatorischen Behaltensgrundes in der Zukunft – tatsächlich und psychologisch vollständig; und so, wie dies die §§ 142 Abs. 2, 161 Abs. 3 BGB besagen, muss sich der diese Ungewissheit Kennende eben von Anbeginn auch schon während der Schwebelage – sei es bei vertraglichem Rücktritt oder bei auflösend bedingtem Schuldgeschäft – darauf einstellen, dass sich die Schwebelage gegen ihn entscheiden könne und werde.79 Völlig zu Recht hat daher Flume zum vormaligen Recht des vertraglichen Rücktritts, aber – wie sinngemäß zu ergänzen ist – eben auch auf den Fall des auflösend bedingten Schuldvertrags geltend, lapidar festgestellt: „Die Verschuldenshaftung beim vertraglich vereinbarten Rücktritt auf Schadensersatz nach § 347 BGB ist in Wirklichkeit problemlos“;80 und damit meinte Flume die Verwaltungs- und Verwahrungshaftung nach § 989 BGB, auf die der vormalige § 347 BGB a.F. ganz richtig verwiesen hatte. Das trifft in der Tat zu, da die Verweisung auf die Rechtshängigkeitshaftung im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nichts anderes ist als die Breviloquenz für das eigentlich Gemeinte, nämlich die Bezugnahme auf die vindikationsrechtliche Bösgläubigkeitshaftung gemäß den §§ 990 Abs. 1, 994 Abs. 2 BGB.81 Da diese aber auf die Rechtshängigkeitshaftung weiterverweisen, war die Regelung in § 347 BGB a.F. – und ist die Regelung in den §§ 819 f. BGB weiterhin – insofern, als dort unmittelbar § 989 BGB in Bezug genommen wird, nur eine verweisungstechnische Vereinfachung. Das neue Rücktrittsrecht hat dies nicht erkannt, als bzw. indem es die Verweisung auf die vindikationsrechtliche Rechtshängigkeitshaftung zu Gunsten einer auf das allgemeine schuldrechtliche Leistungsstörungsrecht rekurrierenden Lösung in § 346 Abs. 4 BGB82 preisgab. Abgesehen davon, dass dieses Unverständnis für die systematischen Zusammenhänge schon an sich zu bedauern ist, werden 79 So schon klar die gesetzgeberischen Erwägungen zu § 820 BGB, vgl. Mugdan (1899) 1187. 80 Flume (1970) 1165; dazu verwies er in Anm. 36 unterstützend namentlich auf die bedingungsrechtliche Regelung in § 160 BGB. 81 Dass die Bezugnahme der Bösgläubigkeitshaftung auf die Rechtshängigkeit von unterschiedlichen Maßstäben der Bösgläubigkeit abhängen kann – bei § 819 Abs. 1 BGB ist positive Kenntnis des Rechtsgrundmangels erforderlich, während § 990 Abs. 1 S. 1 BGB grob fahrlässiges Nichtwissen des Mangels im Recht zum Besitz genügen lässt –, ändert nichts an der identischen Geltung des mit der Verweisung in Bezug genommenen Prinzips. 82 Soweit eine diese Haftung vorwegnehmend-ergänzende Haftung nach §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 241 Abs. 2 BGB angenommen wird, liegt die Sachlage ebenso; denn auch diese Haftungsfundierung greift auf allgemein schuldrechtliche Ansätze zurück.

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damit auch überflüssige Koordinationsprobleme insofern ausgelöst, als die schuldrechtlich organisierte Schadensersatzhaftung des neuen Rücktrittsrechts nach § 346 Abs. 4 BGB zu anderen Resultaten als die verschärfte Bereicherungshaftung führen könnte, und als die Rechtshängigkeit der Klage auf rücktrittsrechtliche Rückgewähr mittels des § 292 BGB ohnehin zusätzlich zur vindikationsrechtlichen Rechtshängigkeitshaftung weiterführt. Dem neuen Rücktrittsrecht kann daher keine besondere Überzeugungskraft beigelegt werden, die der wohlüberlegten systematischen Stimmigkeit des ursprünglichen Konzepts des Bürgerlichen Gesetzbuchs entscheidend entgegenstünde. 3. Gegen das auf den Regelungssinn der §§ 989, 987 Abs. 2 BGB aufbauende Risikoverteilungsmodell bei der bereicherungsrechtlich fundierten Rückabwicklung des unbedingt Geleisteten nach Eintritt einer dem zugehörigen Schuldvertrag beigefügten auflösenden Bedingung kann auch nicht eingewendet werden, dass die Sonderregel des § 820 Abs. 2 BGB der Anwendung des § 987 BGB den Boden entzieht und damit die auf § 987 Abs. 2 BGB rekurrierende Begründung nicht mehr trage. Dieses Argument legt § 820 Abs. 2, 2. Hs. BGB zunächst nahe. Denn gemäß dieser Norm ist, sofern nicht anders vereinbart, im Fall der condictio ob causam finitam das Einfordern der gezogenen Nutzungen entgegen der Regelung in § 987 Abs. 1 BGB, auf die § 820 Abs. 1 S. 2 BGB zunächst verweist, auf die noch vorhandene Bereicherung begrenzt, und dies hat die Konsequenz, dass auch ein Ersatz nicht gezogener Nutzungen nach § 987 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt,83 da diese, wären sie pflichtgemäß gezogen worden, nicht anders behandelt werden können, wie wenn sie inzwischen ersatzlos entfallen wären. Die Regelung besagt jedoch nicht deswegen, weil die Nichtziehung der Nutzungen entgegen der in § 987 Abs. 2 BGB stipulierten Obliegenheit sanktionslos bleibt, dass diese Obliegenheit zur Nutzziehung von vornherein, also schon dem Grunde nach, nicht bestünde. Vielmehr ordnet § 820 BGB, insgesamt betrachtet, zunächst die vollständige Geltung des § 987 Abs. 1 und 2 BGB an. § 820 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. BGB beschränkt dann erst sekundär, für die gezogenen Nutzungen im Sinne des § 818 Abs. 1 BGB wie des § 987 Abs. 1 BGB geltend, die Haftung für die Eventualität des sich nachmals erweisenden ersatzlosen Wegfalls der gezogenen Nutzungen. Insofern berührt die Regelung also die primäre Pflichtenlage bezüglich der Nutzziehung nicht. Die entgegen dem Verwaltungsgebot des § 987 Abs. 2 BGB nicht gezogenen Nutzungen werden hingegen von § 820 Abs. 2 S. 1, 83 So (zumindest implizit) MünchKomm BGB (2013)/Martin Schwab § 820, Rn. 15: „Bezüglich der Verpflichtung zur Nutzungsherausgabe bleibt es bei der Regelung des § 818 Abs. 1 BGB (Herausgabe nur der gezogenen Nutzungen).“ Im Ergebnis ebenso Staudinger BGB (2007)/Stephan Lorenz § 820, Rn. 9.

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2. Hs. BGB zunächst tatbestandlich überhaupt nicht erfasst; wenn insoweit dennoch ein Haftungsausschluss Platz greift, so geschieht dies nur in der Logik der für die gezogenen Nutzungen geltenden Regelung. Ebenso wenig, wie die Norm aber in Bezug auf diese die primär gegebenen Ansprüche schon dem Grunde nach ausschließt, kann es dann der Regelungssinn der Norm sein, schon die Verwaltungspflichten gemäß § 987 Abs. 2 BGB schon dem Grunde nach zu leugnen und damit von vornherein zu beseitigen. Im Übrigen gilt: Gerade wenn und weil § 820 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. BGB Ausdruck einer Privilegierung des Herausgabepflichtigen hinsichtlich der Nutzziehung sein soll, steigert die Norm die Obliegenheit zur Nutzziehung, die die Regelung des § 987 Abs. 2 BGB dem künftig Rückgewährpflichtigen schon in der Schwebezeit auferlegt, zu einem dauerhaften Recht zur Nutzziehung. Unter diesen Umständen kann – worauf es in dem hier interessierenden argumentativen Zusammenhang mit der konsequenten, in diesem Sinne richtigen Organisation der Haftung für Restitutionshindernisse anlässlich einer Nutzziehung insbesondere durch Sachgebrauch ankommt – die mit der Wahrnehmung des Rechts zur Nutzung verbundene Gefahrerhöhung als solche nicht schon ausreichen, um bereits an diese Tatsache eine Haftung wegen dadurch verursachter Restitutionshindernisse anzuknüpfen.

11. Schlussfolgerungen Im Ergebnis sind drei Befunde herauszustellen. Zwei davon erfüllen das Postulat von Rechtssicherheit und Gerechtigkeit in Bezug auf Problematiken aus den allgemeinen Grundlagen des Privatrechts. Damit wird das hier eingangs aufgeworfene Thema ‚Rechtssicherheit und Gerechtigkeit beim Handeln unter Ungewissheit‘ für einen bestimmten Fallbereich zu einem konkreten Ende geführt. 1. Bei der Rückabwicklung des auf Grund eines auflösend bedingten Schuldgeschäfts unbedingt Geleisteten stellt sich zum einen Rechtssicherheit ein. Der hier entwickelte rechtssystematische – insofern zum Bereicherungsrecht und von dort zum Vindikationsfolgerecht führende – Ansatz in seiner Verbindung mit einer sinnvollen Interpretation nicht primär des Verschuldens des Rückgewährschuldners, sondern zunächst in seiner Verbindung mit der Ermittlung der der Verschuldensfrage vorgelagerten Rechtswidrigkeit bzw. der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens anhand des Pflichtmäßigkeitsprogramms, das aus den leitenden Ideen hinter den §§ 989, 987 BGB zu entwickeln ist, gibt zwar keinen Katalog kasuistisch fixierter Lösungen her. Die Vielzahl möglicher Sachlagen und persönlicher Umstände auf Seiten der Beteiligten lässt Derartiges auch gar nicht zu. Der hier entwickelte Ansatz erlaubt und erzwingt aber einen stabilen, sinnvoll sequenzierten

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Prüfalgorithmus, der zu berechenbaren – insofern zu rechtssicheren – Ergebnissen führt. Dieser Algorithmus bezieht seine Parameter aus Elementen der Geschäftsführung, wie sie ein Alleingeschäftsführer als einer von zwei hälftigen Miteigentümern in einer Bruchteilsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB befugtermaßen allein entscheidend durchführen darf und im Hinblick auf eine Nutzungsobliegenheit sogar durchführen muss. 2. Die hier entwickelte Lösung gewährleistet Gerechtigkeit. Um den Kontrast deutlich zu machen, sie stellt gerade nicht auf „Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten“ ab, wie dies § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB im neuen Rücktrittsrecht tut. Vermieden wird damit eine im Verhältnis zum Rückgewährgläubiger nicht beherrschbare und in ihren praktischen, risikosteuernden Auswirkungen nicht berechenbare Subjektivierung des Haftungsmaßstabs ohne hinreichend klaren Bezug zum Objektiven, das einerseits durch die Natur des Leistungsgegenstands und andererseits die vertragliche Verwendungserwartung bzw. Verwendungsvereinbarung kalkulierbar wird. Ersteres, nämlich eine Risikosteuerung anhand der jeweiligen eigenüblichen Sorgfalt des jeweiligen Leistungsempfängers, ist für den Rückgewährgläubiger unfair, weil er das bloß im Subjektiven der eigenüblichen Sorgfalt Liegende in der Sphäre seines Partners oft gar nicht erkennen und erst recht nicht vertraglich beeinflussen kann. Dass es sich beim hier entwickelten Risikoverteilungskriterium gerade essentiell anders verhält, macht es zum gerechteren Steuerungsmodell. Der Fehler des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB liegt überhaupt darin, dass die Begrifflichkeit auf die Regelung des § 277 BGB rekurriert und damit ein Maßstab der Verantwortlichkeit, genauer ein modifizierter Verschuldensmaßstab, zum Steuerungskriterium gemacht wird. Damit wird aber schon an einem nachrangigen Kriterium angeknüpft. Es geht nämlich richtigerweise nicht um den Maßstab von ‚culpa‘ – von dem man im Übrigen nicht weiß, inwieweit der insinuierte Maßstab des § 277 BGB, statt des üblichen Haftungsmaßstabs des § 276 BGB, auch nach dem Beginn der Schadensersatzhaftung gemäß § 346 Abs. 4, 280 ff. BGB bzw. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB gelten kann und soll. Statt dessen geht es richtigerweise vorrangig um das der Verschuldensfrage vorgeordnete Kriterium für ‚iniuria‘, d.h. für Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Zwar wird die damit entscheidend gewordene Rechtswidrigkeitsfrage in Bezug auf die Beurteilung der Pflichtmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahme des tatsächlich allein verwaltenden Rückgewährschuldners partiell durch dessen Befugnis gesteuert, zwischen vertretbaren Nutzungszielen und Nutzungsmethoden zu optieren – dass dies so ist und damit ein Element des ‚Subjektiven‘ auf Empfängerseite ins Spiel kommt, ist wahrscheinlich die ‚Urahnung‘, die den Gesetzgeber zur Anspielung auf § 277 BGB, also den Maßstab der eigenüblichen

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Sorgfalt, verleitet hat. Aber das berechtigterweise als das ‚Subjektive‘ Anzuerkennende, das als bloße Optionsfreiheit im Rahmen des vertraglich Vereinbarten oder sonst objektiv Indizierten zu verstehen ist, ist doch nichts weiter als die Anerkennung einer Freiheit, die ihrerseits objektiv an die Maßstäbe der im Sinne von Folgerichtigkeit – diese gemessen an der Grundentscheidung zur Verfolgung eines bestimmten vertretbaren Nutzungsziels – an die Regeln ‚ordnungsgemäßer Wirtschaft‘ gebunden ist. Damit wird auch die Freiheit des Empfängers für den anderen Teil kalkulierbar und beherrschbar. Diese Tatsache aber ist es, was aus Überraschung die Berechenbarkeit macht, die eine der Essentialia von Rechtssicherheit ist. Der frühere § 347 BGB a.F. hatte die Risikoverteilung in Bezug auf Restitutionshindernisse im Rücktrittsverhältnis so, wie dies die §§ 818 Abs. 4, 819 f. BGB immer noch leisten, ganz richtig geregelt, indem auf die vindikationsfolgerechtliche Rechtshängigkeitshaftung verwiesen wurde. Denn damit war er für das vertragliche Rücktrittsrecht und auch für das gesetzliche Rücktrittsrecht, alsdann für die Zeit ab konkreter Kenntnis der Rücktrittsbefugnis in casu, treffsicherer orientiert als das neue Rücktrittsrecht. Dabei ist hinzuzufügen, dass § 347 BGB a.F. auch nicht durch die Verweisung auf eine Schadensersatzpflicht schadete, wenn man richtigerweise zugrunde legte, dass die Schadensersatzhaftung gemäß § 347 BGB bei gesetzlichem Rücktritt auf den Bereich ‚echten‘ Verschuldens – gegeben ab dem eben genannten Zeitpunkt – begrenzt war84 und daneben – mithin auch vor dem vorgenannten Zeitpunkt – stets eine rücktrittsrechtliche Wertersatzhaftung auf bereicherungsrechtlicher Grundlage dem Grunde nach85 bestand.86 Wer im Übrigen bei der deshalb unter den Voraussetzungen der §§  818 Abs.  4, 819  f.  BGB mit der Schadensersatzhaftung konkurrierenden bereicherungsrechtlichen Wertersatzhaftung richtigerweise anerkennt, dass diese Wertersatzhaftung auch nach Beginn der so genannten verschärften Bereicherungshaftung weiterhin unter dem Vorbehalt des Bereicherungswegfalls nach § 818 Abs. 3 BGB steht, soweit es um den ersatzlosen Verlust des Erlangten durch ein vom Rückgewährschuldner nicht zu vertretenden Umstand geht, kommt insgesamt zu einer stimmigen Gefahrverteilung, die sich durchaus auch 84 Dazu näher Kohler (1989) 48 ff. 85 Eine andere, hier nicht zu behandelnde Frage ist es, inwieweit der noch nicht der rücktrittsrechtlichen – oder sonst der verschärften bereicherungsrechtlichen – Schadensersatzhaftung unterliegende Rückgewährschuldner von der bereicherungsrechtlichen Wertersatzpflicht nach Maßgabe des § 818 Abs. 3 BGB entlastet wird; dazu in Bezug auf die Rückabwicklung synallagmatischer Verträge Kohler (1989) 261 ff. 86 Richtig etwa noch Flume (1970) 1165 f.; Kohler (1989) 47 f. m.w.N.

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auf die Dualität von Schadensersatz- und Wertersatzhaftung einlässt, weil und indem der Rückgewährschuldner in beiden Haftungssystemen gleichlaufend von der Zufallsgefahr entlastet wird. Diese auch bei Anwendung der §§ 818 Abs. 4, 819 f. BGB fortgesetzte wertersatzbezogene Entlastung von Zufallsrisiken ist zwar umstritten;87 sie ist aber zu bejahen,88 was übrigens für den Gesetzgeber89 durchaus selbstverständlich war. 3. Schließlich ist festzuhalten, dass mein akademischer Lehrer Andreas Wacke dazu, wenngleich nicht vom Bedingungsrecht ausgehend, das zum Wertungshintergrund Wesentliche schon vor mehr als drei Jahrzehnten wie folgt ausgeführt:90 Ein wirtschaftlich verständiger Gebrauch kann dem Vindikationsbeklagten – und hinzuzufügen ist, das gilt auch für den Rückgewährschuldner im Rücktrittsfall91 oder auf Grund Bereicherungsrechts – nicht verboten sein. 87 Abl. etwa MünchKomm BGB (2013)/Martin Schwab § 818, Rn. 288 mit Befürwortung einer im Fall der §§ 818 Abs. 4, 819 f. BGB bestehenden bereicherungsrechtlichen Wertersatzpflicht gemäß § 818 Abs. 2 BGB ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Empfängers hinsichtlich der Unmöglichkeit unversehrter Herausgabe des Erlangten auch in Fällen des § 818 Abs. 2, 2. Fall BGB; zutreffend anders noch MünchKomm BGB (2004)/Manfred Lieb § 818, Rn. 150, 155. – Für den Fall des § 818 Abs. 2, 1. Fall BGB – die Unmöglichkeit der Herausgabe des Erlangten in Natur liegt im Wesen des Erlangten selbst (z.B. bei Gebrauchsüberlassungen, Dienstleistungen und unkörperlichen Werkleistungen) – stellt sich die Verschuldensfrage nicht; insoweit führt die verschärfte Bereicherungshaftung in der Tat zu einer Fixierung der bereicherungsrechtlichen Wertersatzhaftung. 88 Dazu näher Kohler (1989) 78 ff. 89 So führen schon die Motive, abgedruckt in Mugdan (1899) 470, zum nachmaligen § 819 Abs. 1 BGB treffend aus: „Die Verpflichtung des Empfängers wird nicht erst durch den Eintritt der Rechtshängigkeit, sondern schon durch den früheren Zeitpunkt des Eintrittes der mala fides fixiert, dergestalt, daß diese Verpflichtung des Empfängers von da ab den allgemeinen Regeln folgt, namentlich daher durch den späteren Wegfall der Bereicherung, abgesehen von einer durch Zufall eingetretenen Unmöglichkeit der Leistung, keine Änderung erleidet.“ Dass damit nicht die Entlastung vom Schadensersatz, sondern von der bereicherungsrechtlichen Wertersatzpflicht gemeint war, ergibt sich daraus, dass die vorgenannte Bemerkung für § 741 Abs. 2 S. 1 BGB-E I galt, der für Restitutionshindernisse – anders als das jetzige Recht – nur auf § 739 BGBE I verwies, in dessen ersten Absatz nur die bereicherungsrechtliche Wertersatzpflicht angeordnet war und dessen zweiter Absatz die Berufung auf Wegfall der Bereicherung bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit zuließ, welchem Fall in § 741 Abs. 2 S. 1 BGB eben die mala fides – zunächst nur die mala fides superveniens – haftungssteigernd gleichgestellt werden sollte. 90 Wacke (1984) 678. 91 So im Wesentlichen, seinerzeit für die dem Rücktrittsrecht funktionsgleiche kaufrechtliche Wandelung, Wacke (1984) 680.

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Die bestimmungsgemäße wirtschaftliche Nutzung unter den üblichen Vorsichtsmaßregeln soll möglichst wenig beeinträchtigt werden. Das liegt auch im volkswirtschaftlichen Gesamtinteresse. Die Pflicht zum Ersatz für fructi percipiendi nach § 987 Abs. 2 BGB zeigt das Ergebnis auch an, weil deren Ersatz ohne Gebrauchsmöglichkeit für den Besitzer ein unzumutbares Ansinnen wäre. Die Nutzungen bekommt der Eigentümer gerade, weil er zugleich die Gefahr trägt – cuius periculum eius commodum.

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Staudinger BGB (2013): Karl-Heinz Gursky, J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Buch 3: Sachenrecht, §§ 985–1011 (Eigentum 3) (Berlin 2012/2013). Staudinger BGB (2012): Dagmar Kaiser, J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse, §§ 346–361 (Rücktritt und Widerruf) (Berlin 2012). Staudinger BGB (2011): Wolfgang Wiegand, von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Buch 3 Sachenrecht §§ 925–984; Anhanf zu §§ 929ff (Sonderformen und Übereignung) (Berlin 2011). Staudinger BGB (2007): Stephan Lorenz, J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Staudinger BGB – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse, §§ 812–822 (Ungerechtfertigte Bereicherung) (Berlin 2007). Stoll (1921): Heinrich Stoll, Die Wirkungen des vertragsmässigen Rücktritts (Diss. Bonn 1921). Leser (1968): Hans Georg Leser (Hrsg.), Ernst von Caemmerer, Gesammelte Schriften. Band 1. (Tübingen 1968). v. Caemmerer (1954): Ernst von Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, in: Hans Dölle/Max Rheinstein/Konrad Zweigert, Festschrift für Ernst Rabel. Band 1: Rechtsvergleichung und Internationales Privatrecht (Tübingen 1954). v. Caemmerer (1954a): Ernst von Caemmerer, Leistungsrückgewähr bei gutgläubigem Erwerb, in: Festschrift für Gustav Boehmer. Dem Siebziger von Freunden und Kollegen dargebracht (Bonn 1954). Wacke (1984): Andreas Wacke, Gefahrerhöhung als Besitzerverschulden – Zur Risikoverteilung bei Rückgabepflichten im Spannungsverhältnis der Zurechnungsprinzipien casum sentit dominus, fur semper in mora und versari in re illicita, in: Gottfried Baumgärtel u.a. (Hrsg.), Festschrift für Heinz Hübner zum 70. Geburtstag am 7. November 1984 (Berlin/New York 1984) 669–696. Wilhelm (1983): Jan Wilhelm, Kenntniszurechnung kraft Kontovollmacht?, AcP 183 (1983) 1. Wolf (1954): Ernst Wolf, Rücktritt, Vertretenmüssen und Verschulden, AcP 153 (1954) 97. Wolf/Neuner (2012): Manfred Wolf/Jörg Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts (10. Aufl. München 2012). Wunner (1968): Sven Erik Wunner, Die Rechtsnatur der Rückgewährpflichten bei Rücktritt und auflösender Bedingung mit Rückwirkungsklausel, AcP 168 (1968) 425.

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Die Verjährung der Vindikation, insbesondere von Ansprüchen auf Restitution durch NS-Maßnahmen entzogener Kunstwerke. Zum Spannungsverhältnis von Eigentumsschutz und Rechtssicherheit de lege lata und de lege ferenda Abstracts: Limitation periods serve to establish legal stability. In Germany, time limits on recovery claims give rise to doubts from the perspective of the politics of law. Such claims result in a permanent state of dominium sine re, that is the separation of ownership from possession. This has significant practical consequences with respect to works of art that were confiscated by the Nazi authorities for political and racial reasons. With a view to reforming the law (de lege ferenda), the elimination of time limits on recovery claims could excessively debilitate the certainty of the law. On the contrary, if time limits were to be excluded only with regard to cases from the Nazi period, that would be questionable in the context of the principle of equality before the law and the impermissibility of instituting retroactive legislative changes. This paper argues that it would be reasonable to set the beginning of the limitation period of recovery claims at the moment when the entitled person has become aware of their rights and of the person against whom it may be enforced. In any event, it is the author’s opinion that with respect to limitation periods applicable to recovery claims it is hardly possible to surmount the tensions between justice and certainty of the law to a satisfying degree. Instytucja przedawnienia roszczeń służy do ustanawiania pokoju prawnego. W Niemczech budzi wątpliwości z punktu widzenia polityki prawa przedawnienie roszczenia windykacyjnego. Skutkiem tego jest powstanie trwałego stanu rozdzielenia własności i posiadania tzw. dominium sine re. Ma to szczególne znaczenie praktyczne w przypadku dzieł sztuki, które zostały skonfiskowane przez władze nazistowskie z przyczyn politycznych lub rasowych. Z punktu widzenia reformy prawa (de lege ferenda), likwidacja przedawnienia roszczeń windykacyjnych mogłaby nadmiernie osłabić pewność prawa. Ograniczenie likwidacji przedawnienia roszczeń wyłącznie do spraw stanowiących następstwo okresu nazistowskiego może budzić wątpliwości z punktu widzania zasady równości wobec prawa oraz z uwagi na niedopuszczalność wprowadzania retroaktywnych zmian w prawie, a to miałoby miejsce w razie stosowania go do już przedawnionych roszczeń. Uzasadniona – zdaniem autora – wydaje się natomiast zmiana polegająca na tym, by początkiem biegu przedawnienia roszczenia windykacyjnego była chwila powzięcia wiadomości przez uprawnionego o przysługiwaniu mu roszczenia i o osobie, przeciwko której może je skierować. W każdym razie, autor uważa, że w pełni zadawalające przezwyciężenie napięcia między

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spawiedliwością a pewnością prawa w przypadku przedawnienia roszczenia windykacyjnego nie wydaje się możliwe. L’istituto della prescrizione delle azioni serve a garantire la soluzione delle controversie giuridiche, che potrebbero derivare da un numero potenzialmente illimitato di azioni. Da un punto di vista di politica legislativa, tuttavia, appare quantomeno controversa la scelta, adottata nel diritto tedesco, di rendere soggetta a prescrizione anche l’azione di rivendicazione, con la possibile conseguenza che si realizzi una perdurante situazione di dominium sine re, specialmente in quei casi di confisca dei beni, per lo più opere d’arte, avvenuti per ragioni politiche, razziali o altri motivi, sotto il regime nazista. De lege ferenda, è necessario osservare come, da un lato, l’eliminazione della prescrizione finirebbe con l’arrecare un eccessivo pregiudizio al principio di certezza del diritto, mentre, dall’altro, un’abolizione della prescrizione limitata ai soli casi relativi ai provvedimenti posti in essere dal regime nazista andrebbe incontro a diversi dubbi, derivanti sia dalla necessità di tutelare il principio di eguaglianza dinanzi alla legge, sia dalla illegittimità di una modifica legislativa che andasse ad incidere, con effetti retroattivi, su azioni in realtà già prescritte. Pare opportuno, tuttavia, che i termini per la prescrizione della rei vindicatio inizino a decorrere solo a partire dal momento in cui sia la pretesa, sia la controparte, che a tale pretesa si oppone, siano perfettamente identificabili. Per le ragioni esposte, appare pertanto impossibile individuare una soluzione universalmente soddisfacente in merito alle confliggenti necessità nascenti dall’esigenza di giustizia, da un lato, e di certezza del diritto, dall’altro, nell’ambito delle regole inerenti alla prescrizione delle azioni di rivendicazione.

1. Einleitung Das Institut der Verjährung gehört zu denjenigen Instituten des Allgemeinen Teils des Privatrechts, an denen das Generalthema unseres Seminars „Rechtssicherheit und Gerechtigkeit“ mit dem nicht unproblematischen Verhältnis zwischen diesen beiden Zielen der Rechtsordnung zueinander ebenfalls deutlich wird. Einleitend in diesem Zusammenhang soll zunächst zur Illustration hingewiesen werden, nur auf die nach geltendem deutschem Recht mögliche Konstellation, dass die Verjährung eines Anspruchs allein durch Ablauf der Verjährungsfrist auch dann eingreift, wenn der verjährte Anspruch unstreitig noch nicht durch Erfüllung oder in anderer Weise erloschen ist, sogar wenn der Verpflichtete dies gewusst hat. Um der Rechtssicherheit willen kann der Verpflichtete hier gleichwohl die Leistung verweigern, während der Gerechtigkeit nach dem Prinzip des suum cuique tribuere eine Fortdauer der Erzwingbarkeit der Leistung entsprechen dürfte. Meine folgenden Ausführungen beschränken sich auf die Verjährung nach dem deutschen Privatrecht, hier nur auf die Verjährung von Ansprüchen, die das bewegliche Vermögen betreffen, während die sich auf Grundstücke und Grundstücksrechte beziehenden Ansprüche nicht behandelt werden sollen. Außer Betracht bleibt

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auch die Verjährung im Strafrecht sowie im Verwaltungsrecht (Abgaben- und Sozialrecht).

2.  Die Verjährung im Allgemeinen 2.1.  Begriff, Grund und Zweck Der Begriff der Verjährung nach dem BGB lässt sich bestimmen als der Wegfall der Durchsetzbarkeit eines Anspruchs gegen den Willen des Verpflichteten, wenn der Berechtigte den Anspruch nicht innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht hat. Der Ablauf der Verjährungsfrist ist also das entscheidende Erfordernis der Verjährung im Gegensatz zu ähnlichen Rechtsinstituten, die bei ihrer ein Recht beeinträchtigenden Wirkung ebenfalls an einen Zeitablauf anknüpfen, daneben aber noch weitere Voraussetzungen verlangen, so die Gutgläubigkeit des Erwerbers bei der Ersitzung von beweglichen Sachen (§ 937 Abs. 21) oder ein bestimmtes Verhalten des Berechtigten, das beim Verpflichteten das gerechtfertigte Vertrauen erweckt hat, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr ausüben (sog. Umstandsmoment neben dem Zeitmoment) bei der Verwirkung. Wenn demgegenüber für die Verjährung allein das Zeitmoment ausschlaggebend ist, so bedarf diese die sachliche Rechtslage, wenn auch nicht im Sinne einer Anspruchsvernichtung, so doch im Sinne einer weitgehenden Wirkungslosigkeit des Rechts infolge der Verjährung, stark beeinträchtigende Wirkung des Zeitfaktors doch einer besonderen inneren Begründung. Es ist also nach der Berechtigung der Verjährung zu fragen und damit nach dem mit diesem Institut verfolgten Zweck. Hierüber gehen und gingen aber die Meinungen nicht nur bezüglich des Rechts des BGB, sondern auch schon im römisch-gemeinen Recht stark auseinander.2 Allgemein anerkannt als Zweck der Verjährung ist die Schaffung von Rechtssicherheit und -klarheit und damit auch die Förderung des Rechtsfriedens.3 1 Vorschriften ohne Gesetzesangabe sind hier solche des BGB in der jetzt geltenden Fassung. 2 Zu den möglichen Zwecken der Verjährung und der diesbezüglichen Diskussion vgl. u.a. Savigny Bd. 5 (1841) § 237, 265 ff.; Unterholzner/Schirmer (1858) § 27, 90 ff.; Windscheid/Kipp (1906) § 105, 544); Oetker (1994) 33 ff.; Piekenbrock (2006) 317 ff.; Armbrüster (2008) 59 ff.; Zimmermann (2000) 853, 854; HKK BGB (2003)/HansGeorg Hermann §§ 194–225, Rn. 12–15. 3 Hierzu und zum Folgenden außer den o. zu Fn. 2 Genannten für das gemeine Recht Kori (1811) § 23; Moellenthiel (1820) 149; für das BGB die Motive zum Allgemeinen Teil bei Mugdan (1899) 512; RGZ 106, 82, 84, (Urt. v. 19.12.1922 – III 137/22).

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Dem liegt die bekannte Erfahrung zugrunde, dass die „verdunkelnde Macht der Zeit“4 die Aufklärung des die mögliche Entstehung, den Fortbestand und das Erlöschen des Anspruchs betreffenden Sachverhalts immer mehr erschwert und schließlich nahezu unmöglich werden lässt. Dadurch geriete bei zeitlich unbegrenzt möglicher Durchsetzbarkeit des Anspruchs insbesondere der als Verpflichteter in Anspruch Genommene in Beweisnot, wenn es ihm infolge nicht mehr vorhandener Beweismittel (Vernichtung von Quittungen, Tod von Zeugen o.ä.) nicht gelingt, im Rechtsstreit der ihm obliegenden Beweislast für ein Erlöschen des Anspruchs etwa durch bereits erbrachte Leistung zu genügen. Indem die zeitliche Beschränkung der Durchsetzung des Anspruchs derartigen Situationen vorbeugt, dient die Verjährung außer dem Schuldner letztlich auch dem Gläubiger, der dadurch von unter Umständen auch für ihn aussichtslosen Rechtsstreitigkeiten abgehalten wird. Der damit geförderte Rechtsfriede liegt wiederum im eminenten öffentlichen Interesse. Das einleitend bereits angedeutete Bedenken, dass die Verjährung eines Anspruchs auch dann eingreift, wenn der verjährte Anspruch zweifelsfrei noch besteht und auch der bösgläubige Verpflichtete gleichwohl nach eingetretener Verjährung die Leistung verweigern kann, wird als unvermeidlicher Nebeneffekt des primär verfolgten Ziels der Rechtssicherheit in Kauf genommen, da der eigentliche Zweck der Verjährung eben nicht in der Verhinderung der Realisierung wirklich bestehender Ansprüche und im Schutz eines nicht gutgläubigen Verpflichteten besteht, sondern in der Abwehr von Ansprüchen, deren (ferneres) Bestehen zweifelhaft ist.5 Es ist bemerkt worden, dass die Verjährung „ihrem Wesen nach im Dauerkonflikt mit den Geboten der materiellen Gerechtigkeit“ sich befindet und es ihr „um Rechtsfrieden (geht), nicht unbedingt um einen gerechten Frieden“6. Dies ist sicher zutreffend, jedoch wird von anderer Seite darauf hingewiesen, dass die Rechtssicherheit gleichberechtigt mit der Gerechtigkeit zum Rechtsstaatsprinzip gehört,7 wodurch sich der Gegensatz zwischen den beiden Zwecken der Rechtsordnung relativiert. Umstritten ist als möglicher weiterer Zweck der Verjährung, Druck auf den Berechtigten zu einer baldigen (klageweisen) Geltendmachung des Anspruchs auszuüben. Die im gemeinen Recht teilweise vertretene Erklärung der Verjährung

4 Vgl. Windscheid/Kipp (1906) § 105, 544: „Die Zeit heiligt nicht bloß, sondern verdunkelt auch“. 5 In diesem Sinne vor allem Spiro (1975) § 6, 10; auch schon Thibaut (1802) § 43. 6 So Bergmann (2015) 35 f. 7 Oetker (1994) 39 ff.

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als einer poena neglegentiae des Berechtigten8 ist heute ebenso aufgegeben9 wie die Annahme, der Verjährungseintritt begründe eine (unwiderlegliche) Vermutung des Erlöschens des Anspruchs10. Anzuerkennen sein dürfte aber zur weiteren Rechtfertigung der Verjährung eine gewisse Obliegenheit des Berechtigten, nicht übermäßig lange Zeit mit der Geltendmachung des Anspruchs zu warten und dem Verpflichteten dadurch die Verteidigung zu erschweren und ihn außerdem zu zwingen, sich unbegrenzt leistungsbereit zu halten.11 Der hiergegen erhobene Einwand, der Schuldner habe sich eben ab Fälligkeit des Anspruchs leistungsbereit zu halten und er könne den Gläubiger notfalls in Annahmeverzug setzen und unter Umständen den Leistungsgegenstand hinterlegen, wird zu Recht als eine Überspannung der Schuldnerpflichten kritisiert.12 Die weiterhin kontroverse Frage, ob die Verjährung darüber hinaus die Verminderung der Rechtsstreitigkeiten bezweckt13, kann mit der Einschränkung bejaht werden, als nicht Prozesse generell vermieden werden sollen, sondern nur aussichtslose und solche Verfahren, die wegen der Verdunkelung des Sachverhalts die Gefahr von Fehlentscheidungen mit sich bringen.14 Die Verjährung wird trotz der Differenzen über ihre Zwecke und ihres teilweisen Widerspruchs zur Gerechtigkeit ganz allgemein als eine für das Funktionieren der Rechtsordnung ganz unentbehrliche Rechtseinrichtung angesehen. Savigny rechnete sie „unter die wichtigsten und wohltätigsten Rechtsinstitute“, die deshalb als solche auch aus dem römisch-gemeinen Recht in die damals neueren Kodifikationen (ALR, ABGB, CC) übernommen worden sei.15 Im neueren Schrifttum herrscht über die Notwendigkeit der Verjährung, die schon früher nur

8 9 10 11 12 13

Moellenthiel (1820) 149; Unterholzner/Schirmer (1858) 92. Spiro (1975) § 19, 28 f.; auch schon Kori (1811) 24 f. Zurückhaltend schon Savigny Bd. 5 (1841) 268 f. In diesem Sinne schon Savigny Bd. 5 (1841) 271 f.; auch Spiro (1975) § 4, 28 f. Bergmann (2015) 36 f. Bejahend Unterholzner/Schirmer (1858) 90; heute Bergmann (2015) 39. Sehr zurückhaltend Spiro (1975) § 14, 21 f.: jedenfalls nicht legislatorisches Motiv; skeptisch auch Piekenbrock (2006) 318, der diesen Zweck in einem Spannungsverhältnis zum allgemeinen Justizgewährungsanspruch zu stehen meint; ganz ablehnend Kori (1811) § 24 a.E., 28. 14 So schon Savigny Bd. 5 (1841) 272. 15 Savigny Bd. 5 (1841) 272 f.

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ganz vereinzelt bestritten war16, soweit ersichtlich, allgemeine Einigkeit.17 Dieser Meinung ist zuzustimmen. Im Zeitalter des Naturrechts war umstritten, ob die Verjährung naturrechtlich geboten sei oder ob ihre Geltung nur auf der Einführung durch das positive Recht beruhe.18

2.2. Entwicklung Das Verjährungsrecht des BGB beruht im Wesentlichen auf dem Verständnis der Verjährung im römisch-gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts. Die Grundlagen der Verjährung haben sich schon im römischen Recht der Antike herausgebildet in Gestalt einer Einrede (praescriptio), die einem Leistungsbegehren nach Ablauf einer bestimmten Frist entgegengehalten werden konnte.19 Diese sog. longi temporis praescriptio ist durch Reskript der Kaiser Septimius Severus und Caracalla von 199 n. Chr. anerkannt worden. Ihr Zweck war offenbar eine Ergänzung der wesentlich älteren, aus den zwölf Tafeln entwickelten Ersitzung (usucapio). Die usucapio verschaffte demjenigen, der eine ersitzbare, insbesondere eine nicht gestohlene oder geraubte Sache (res habilis), von einem Nichteigentümer auf Grund einer iusta causa erwarb, mit Ablauf der Ersitzungsfrist gleichwohl das Eigentum, wenn er die Sache während der Frist im Eigenbesitz hatte. Weitere Voraussetzung war der gute Glaube des Erwerbers an das Eigentum des Veräußerers; diese bona fides brauchte allerdings nur im Zeitpunkt der Besitzerlangung vorhanden zu sein, eine später erlangte Kenntnis der Nichtberechtigung des Veräußerers schadete also nicht.20 Die Wirkungen der dem römischen ius civile angehörenden usucapio 16 So von Kori (1811) § 27, 29 ff. 17 Spiro (1975) § 3, 8; Zimmermann (2000) 853, 854: Unentbehrlicher und praktisch außerordentlich bedeutsamer Bestandteil einer modernen Rechtsordnung; Piekenbrock (2006) 2: „Die Verjährung ist … bei idealistischer Sichtweise unbegründbar, bei pragmatischer aber uverzichtbar.“ 18 Überwogen hat wohl die Ablehnung: so bei Thibaut (1802) § 38, 117; Kori (1811) § 29, 34 f.; auch schon die Glossatoren betrachteten sie als „contra naturalem aequitatem“ verstoßend und nur durch die Autorität des Gesetzes gerechtfertigt (Nachweise bei Mengiardi (1953) 36). Rave (1775) §§ 9, 10, 9–11 erachtete nur die seinerzeit anerkannte unvordenkliche Verjährung als naturrechtlich geboten (§ 11), während er die sog. praescriptio definita zwar nicht als vom Naturrecht gefordert, diesem aber auch nicht widersprechend ansah (§§ 9, 10). 19 Zur Entwicklung vgl. Kaser (1971) § 101 II, 424 f. und Kaser (1975) § 199 III, 71 f.; Wieling (1984) 2519 ff.; Piekenbrock (2006) 62 ff.; Wacke (1981) 233 f.; Zimmermann (2000) 855 f. 20 Vgl. Wacke (1981) 233 f.

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konnten aber nur unter den allgemeinen Erfordernissen des nationalrömischen Rechts eintreten, insbesondere mussten beide Beteiligte römische Bürger sein, und bei Grundstücken waren nur italische Liegenschaften, nicht aber Provinzialgrundstücke ersitzungsfähig. Diese Beschränkungen galten für die praescriptio longi temporis hingegen nicht, der Rechtsbehelf wirkte mithin auch bei Veräußerungsgeschäften, die etwa zwischen Peregrinen geschlossen wurden oder Provinzialgrundstücke zum Gegenstand hatten. Kaiser Theodosius II. erweiterte in einer Verordnung von 424 die praescriptio longi temporis zu einer allgemeinen Verjährungseinrede gegen grundsätzlich alle Klagen, indem er die bisher nur gegen bestimmte actiones in rem gegebene praescriptio auf sämtliche dinglichen und erstmals auch auf die persönlichen Klagen ausdehnte.21 Den Schlussstein der antiken Entwicklung bildete auch für das Verjährungsrecht die Gesetzgebung von Justinian, der die praescriptio longi temporis mit der usucapio zu Unterarten einer gemeinsamen Rechtseinrichtung zu vereinigen suchte. Nach einer Verordnung von 531 erlangte der Erwerber bei gutem Glauben im Erwerbszeitpunkt das Eigentum an der Sache, während er bei Bösgläubigkeit gegen die rei vindicatio des Veräußerers nur die praescriptio longi temporis erheben konnte.22 Bei Bösgläubigkeit des Erwerbers verlor der wirkliche Eigentümer mithin sein Recht nicht, gleichwohl konnte er nach Ablauf der grundsätzlich auf 30 Jahre bemessenen Verjährungsfrist mit der Herausgabeklage nicht durchdringen.23 Das Verjährungsrecht in seiner justinianischen Gestalt wurde wie grundsätzlich das gesamte Corpus Iuris Civilis in Deutschland als gemeines Recht rezipiert. Die gemeinrechtliche Doktrin entwickelte auch eine dem von Justinian geschaffenen System entsprechende Terminologie: Die Bezeichnung praescriptio wurde jetzt als Oberbegriff für Ersitzung und Verjährung verwendet. Die Ersitzung wurde als praescriptio acquisitiva (erwerbende Verjährung) bezeichnet, da sie den Erwerber zum Eigentümer der ersessenen Sache mit der Folge des Eigentumsverlustes des bisherigen Eigentümers machte. Die Verjährung galt demgegenüber nur als praescriptio extinctiva (auslöschende Verjährung, auch Verjährung durch Nichtgebrauch wegen der vom Berechtigten unterlassenen Klage). Das wohl wichtigste Streitthema in der gemeinrechtlichen Verjährungsdogmatik betraf die Frage nach der Bedeutung der bona fides bei der Ersitzung wie bei der Verjährung. Denn die Regelung des römisch-justinianischen Rechts, das, wie dargelegt, für die Ersitzung einen guten Glauben des Ersitzenden nur für den

21 C. 7, 39,3. 22 Vgl. C. 7, 39, 8, 1. 23 Hierzu besonders Wieling (1984) 2522; Piekenbrock (2006) 75 ff.

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Zeitpunkt des Besitzerwerbs forderte, während für die praescriptio longi temporis Gutgläubigkeit des Verpflichteten überhaupt nicht notwendig war, wurde unter dem Einfluss des kanonischen Rechts zweifelhaft. Das ius canonicum, das in dieser Frage zunächst dem römischen Recht gefolgt war, hatte 1215 eine wichtige Änderung durch einen unter dem Pontifikat des Papstes Innozenz III. auf dem Vierten Laterankonzil gefassten Beschluss erfahren, dessen Wortlaut wie folgt lautete: Quoniam omne, quod non est ex fide, peccatum est, synodali iudicio diffinimus, ut nulla valeat absque bona fide praescriptio tam canonica quam civilis, quum generaliter sit omni constitutioni derogandum, quae absque mortali peccato non potest observari. Unde opportet, ut qui praescribit in nulla temporis parte rei habeat conscientiam alienae.24

Da diese kanonistische Regelung kraft Gewohnheitsrechts auch in das ius civile als übernommen galt, bestand über die Auslegung dieses Konzilsbeschlusses bis ins 19. Jahrhundert hinein in der gemeinrechtlichen Wissenschaft und Praxis erhebliche Uneinigkeit. Aus dem Wortlaut des Beschlusses ergibt sich zweifelsfrei nur, dass bei der praescriptio Bösgläubigkeit hinsichtlich der Fremdheit der Sache in nulla temporis parte vorliegen darf, der Begünstigte also anders als nach römischem Recht während der gesamten Frist gutgläubig gewesen sein muss. Nicht zweifelsfrei lässt diese Wendung aber erkennen, ob sich das Erfordernis dauernder Gutgläubigkeit nur auf die Ersitzung oder auch auf die Verjährung, bejahendenfalls auf welche Klagen beziehen musste. Es wurden hier die folgenden vier Meinungen vertreten:25 (1) Der Beschluss erfasst nur die Ersitzung, lässt also die Verjährung unberührt;26 (2) Die drei übrigen Ansichten bejahten auch eine Anwendung auf die Verjährung, aber in unterschiedlicher Reichweite (a) nur auf actiones in rem, also vor allem auf die rei vindicatio, (b) auch auf actiones in personam, allerdings nur auf Restitution einer Sache gerichtete, (c) auf sämtliche persönlichen Klagen, auch die nicht auf Rückgabe einer Sache gerichteten. Weitgehend durchgesetzt hatte sich im jüngeren gemeinen Recht die Meinung o. zu (2) (b), wonach neben den dinglichen Klagen auch persönliche Klagen auf Rückgabe einer Sache z.B. aus einem beendeten Mietverhältnis nur bei

24 X. 2. 26. 20; vgl. auch schon Alexander III. X. 2. 26. 5. 25 Aufgelistet u.a. bei Savigny Bd. 5 (1841) 330 ff. 26 So Kori (1811) § 87 (S. 160 f.); Moellenthiel (1820) 149 f.

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Gutgläubigkeit während der gesamten Verjährungsfrist verjähren, sonstige persönliche Klagen hingegen überhaupt keine Gutgläubigkeit voraussetzen.27

2.3.  Das geltende deutsche Verjährungsrecht Das geltende deutsche Verjährungsrecht ist außer für eingetragene Grundstücksrechte (§§ 898, 902) geregelt im Allgemeinen Teil, also dem 1. Buch des BGB, im 5. Abschnitt (§§ 194 ff.). Die Verjährungsvorschriften der ursprünglichen Fassung von 1900 sind mit Wirkung ab 01.01.2002 durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz28 nicht unerheblich geändert worden. Diese Änderungen betreffen aber nur wenig die hier interessierende grundsätzliche Frage der Berechtigung und Ausgestaltung der Vindikation unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Gerechtigkeit und Rechtssicherheit. Der nachfolgende Überblick über das geltende Verjährungsrecht im Allgemeinen beschränkt sich auf die für diese Grundfrage bedeutsamen Punkte. Gegenstand der Verjährung sind nach der insoweit gleich gebliebenen Regelung des § 194 Abs. 1 Ansprüche, die dort legal definiert werden als das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Das BGB unterscheidet sich insofern vom römisch-gemeinen Recht, als sich dort die praescriptio gegen das Klagerecht, die actio, richtete und damit ebenfalls die für die actio charakteristische stark prozessuale Färbung aufwies. Dieser Wechsel von der Klageverjährung zur Anspruchsverjährung29 beruht auf der bahnbrechenden Arbeit von Windscheid über die actio des römischen Zivilrechts, in welcher der Begriff des Anspruchs als rein materiellrechtliche Rechtsfigur herausgearbeitet worden ist.30 Die Verjährung und die Ersitzung werden als zwei völlig getrennte Institute behandelt. Dies kommt schon in deren Regelung an ganz unterschiedlichen Stellen im Gesetz zum Ausdruck, nämlich der Verjährung, wie schon gesagt, im Allgemeinen Teil, der Ersitzung hingegen im Sachenrecht (§§ 937 ff. für bewegliche Sachen, § 900 für Grundstücke). Der Systematik des älteren gemeinen Rechts, wonach Ersitzung und Verjährung als praescriptio acquisitiva und extinctiva Unterarten einer Verjährung im weiteren Sinne waren (s.o. 2), die bereits von der

27 So Savigny Bd. 5 (1841) 335 ff.; Heimbach (1858) 434 ff., 440; Windscheid/Kipp (1906) § 111 m. Fn. 2. Dauernde Gutgläubigkeit für die Verjährung sämtlicher persönlicher Klagen forderte Rave (1775) 27 f. 28 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001 (BGBl. I, S. 3138), Art. 1 Nr. 3. 29 Hierzu die Motive zum AT, bei Mugdan (1899) 511 f. 30 Windscheid (1856) 6 ff.

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Pandektistik des 19. Jahrhunderts überwunden war31, ist das Gesetz also nicht gefolgt.32 Das BGB sieht relativ viele Verjährungsfristen von unterschiedlicher Länge vor, deren Zahl durch die Reform von 2002 allerdings nicht unerheblich vermindert worden ist. Die regelmäßige Verjährungsfrist ist nach § 195 n.F. von bisher 30 auf drei Jahre radikal herabgesetzt worden. Eine Gutgläubigkeit des Verpflichteten hinsichtlich des Nicht(mehr)bestehens des der Verjährung unterliegenden Anspruchs ist nicht erforderlich, womit der BGB-Gesetzgeber diese im gemeinen Recht, wie dargelegt, umstrittene Frage eindeutig im negativen Sinne geregelt hat. Die Rechtsfolge einer mit Ablauf der für den Anspruch geltenden Frist eingetretenen Verjährung besteht in dem Recht des Schuldners, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1). Der verjährte Anspruch erlischt also nicht etwa, sondern der Verpflichtete erhält nur die Befugnis, die Verjährung dem Berechtigten gegenüber im Wege der Einrede geltend zu machen, wodurch die Leistungsklage des Berechtigten abgewiesen wird. Erhebt der Verpflichtete die Verjährungseinrede hingegen nicht, so wird er, wenn das Gericht das Bestehen des Anspruchs bejaht, zur Leistung verurteilt. Eine freiwillig oder auf Grund einer Verurteilung erbrachte Leistung kann der Verpflichtete, da er mit Rechtsgrund geleistet hat, auch nicht kondizieren (§ 214 Abs. 2). Das Gesetz stellt also die Geltendmachung der Verjährung ganz dem Willen des Schuldners anheim.

3.  Die Verjährung der Vindikation de lege lata 3.1.  Die Vindikationsverjährung im Allgemeinen Der Verjährung unterliegt auch der in § 985 normierte Anspruch des Eigentümers gegen den unberechtigten Besitzer, soweit bewegliche Sachen betroffen sind.33 Dies galt schon nach der ursprünglichen Fassung des Verjährungsrechts vor der Reform von 2002. Hierfür spricht einmal der Gesetzeswortlaut. § 194 Abs. 1 unterwirft der Verjährung den Anspruch. Ansprüche im Sinne der dortigen Legaldefinition als Rechte, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, kommen aber nicht nur im Schuldrecht vor, sondern in allen Teilen des BGB, weshalb die Verjährung auch im Allgemeinen Teil geregelt ist. Damit wird auch der Herausgabeanspruch aus § 985 erfasst. Von einer Verjährung ausgeschlossene Ansprüche werden im Gesetz ausdrücklich genannt (z.B. in § 194 Abs. 2); der

31 Hierzu eingehend Savigny Bd. 4 (1841) § 178 (S. 309 ff.). 32 Motive zum AT, bei Mugdan (1899) 515. 33 Der Herausgabeanspruch des im Grundbuch eingetragenen Grundstückseigentümers verjährt nach § 902 Abs. 1 Satz 2 überhaupt nicht.

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Eigentumsherausgabeanspruch gehört nicht hierzu. Für die Verjährung des Vindikationsanspruchs bei Fahrnis spricht ferner der eindeutig geäußerte Wille des historischen Gesetzgebers. Die Kommissionen zur Schaffung des ersten und des zweiten Entwurfs eines BGB haben sich mit den gegen eine Vindikationsverjährung sprechenden Einwänden eingehend auseinandergesetzt, insbesondere mit der durch die Verjährung eintretenden Folge eines Eigentums sine re, sich aber schließlich trotz verbleibender Bedenken für die Verjährung ausgesprochen.34 Dass die lex lata auch den Eigentumsherausgabeanspruch dem Verjährungsregime unterwirft, wird auch allgemein angenommen.35 Eine Unverjährbarkeit des Herausgabeanspruchs wurde vor der Verjährungsrechtsreform nur ganz vereinzelt mit der Begründung bejaht, mit dem Herausgabeanspruch werde auch das Eigentum selbst geltend gemacht, das aber gerade nicht verjährt.36 Eine solche Ablehnung ist aber nach der Verjährungsrechtsreform von 2002 kaum noch möglich. Denn die neue Vorschrift des § 197 Abs. 1 Nr. 2 legt jetzt die Verjährbarkeit der Herausgabeansprüche u.a. aus Eigentum in einer Frist von 30 Jahren ausdrücklich fest. Die Verjährungslösung des geltenden Rechts weist unleugbar zwei grundlegende Nachteile auf. (1) Zum einen lässt die Verjährung der Vindikation, da sie eben nur den Anspruch erfasst, nicht auch das diesem zugrundeliegende Eigentum, in den Händen des Eigentümers, der sich den Besitz der Sache als den wesentlichen Inhalt des Eigentums grundsätzlich nicht mehr verschaffen kann, nur noch ein entkerntes Recht, einen Torso, ein nudum ius, ein dominium sine re, zurück. Aus diesem Grunde wird die Verjährbarkeit des Herausgabeanspruchs von Teilen des Schrifttums kritisiert.37 Im Gesetzgebungsverfahren wurde diese Folge, wie schon angedeutet, durchaus gesehen, jedoch an der Verjährungslösung festgehalten, da die sich anbietenden Alternativen einer Unverjährbarkeit des Anspruchs oder umgekehrt eines Eigentumserwerbs des Besitzers mit der Verjährung eine zu weitgehende Änderung des bisherigen gemeinrechtlichen Rechtszustandes bedeuteten, und das Ziel der Sicherung des Rechtsfriedens auch durch eine bloße Verjährbarkeit erreicht

34 Motive zum AT, bei Mugdan (1899) 513 f.; Protokolle der Zweiten Kommission, ebda. 772 f. 35 Siehe statt Vieler MünchKomm BGB (2017)/Christian Baldus § 985, Rn. 95–97. 36 So Müller (1997) § 3 XII (Rn. 455); ähnlich Kim (1997) 59, 150 ff. 37 So Armbrüster (2008) 53 ff.; Frank (2013) 123, 126 f.; Mengiardi (1953) 87 f.; auch schon Schetter (1904) 43 f.

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werden könnte.38 Auch andere Stimmen bezeichnen die Verjährungslösung nach der lex lata trotz ihrer Mängel als vertretbar.39 (2) Der zweite Einwand moniert einen Verstoß der Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs im Rahmen der Gesamtregelung des BGB über den Eigentumserwerb an Fahrnis gegen das Erfordernis der Gerechtigkeit, denn diese Verjährung käme nur einem bösgläubigen Besitzer, ja selbst dem Dieb zugute, da ein gutgläubiger Erwerber einer nicht abhandengekommenen Sache schon nach §§ 932 ff. sogleich Eigentümer werde und er bei Abhandenkommen nach zehn Jahren das Eigentum nach § 937 ersitze.40 Die Gegenmeinung bestreitet die Nützlichkeit der Verjährungsregelung allein für den bösgläubigen Besitzer oder gar den Dieb. Die Verjährung komme vielmehr auch einem gutgläubigen Besitzer deshalb zugute, weil sie den Beklagten des Herausgabeanspruchs trotz der grundsätzlich beim Kläger liegenden Beweislast für die Bösgläubigkeit vor dem Prozessrisiko schützt, sich besonders gegen den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit verteidigen zu müssen.41 So erblickt Prütting gerade in der Verjährungslösung ein Element eines eindeutigen und in gewisser Weise auch stimmigen abgestuften Konzepts des BGB, nach dem der rechtsgeschäftliche Erwerber einer dem bisherigen Eigentümer nicht abhandengekommenen Sache sogleich deren Eigentümer wird, er eine abhandengekommene Sache bei Gutgläubigkeit nach zehn Jahren ersitzt (§ 937) und er bei Bösgläubigkeit nach 30 Jahren die Verjährungseinrede vorschützen kann.42 – Einige Autoren wollen gegen eine Berufung des Diebes oder des sonst bösgläubigen Besitzers auf die Verjährung den Einwand des Rechtsmissbrauchs zulassen.43 Dem wird zu Recht entgegengehalten, dass die Bösgläubigkeit und auch die bloße Nichtoffenbarung des Besitzes allein die Verjährungseinrede noch nicht rechtsmissbräuchlich machen, sondern hierfür erforderlich ist, dass der Besitzer die Verfolgung des Herausgabeanspruchs durch aktives Verhalten

38 Motive zum AT, bei Mugdan (1899) 513 f. 39 Aus der Rspr. RGZ 138, 196, 299 (Urt. v. 27.10.1932 – VI 221/32); BGHZ 139, 152, 166 (Urt. v. 03.07.1998 – V ZR 34/97). 40 So Kunze (2000) 235; Müller-Katzenburg (1999) 551, 557 f.; dies. (2001) 124 ff.; Remien (2001) 751 ff.; Armbrüster (2008) 63 ff.; Siehr (2001a) 62 ff. 41 Finkenauer (2000) 247; ders. (2014) 482 f.; Magnus/Wais (2014) 1275; Lorenz/Arnold (2014) 457 f.; hiergegen wiederum Frank (2013) 127. 42 Prütting (2015) 280 f., 286. 43 Müller-Katzenburg (1999) 2558; Heuer (1999) 58, 63 f.

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vereitelt, er etwa den Eigentümer von der Verfolgung des Anspruchs abhält.44 Die Verjährungsfrist für den Eigentumsherausgabeanspruch beläuft sich gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2, abweichend von der seit 2002 gemäß § 195 geltenden regelmäßigen Verjährungsfrist von nur drei Jahren, weiterhin auf 30 Jahre seit der Entstehung des Anspruchs (§ 200). Angesichts dieser langen Frist ist die Frage besonders bedeutsam, ob im Falle eines Wechsels des Besitzers während dieses Zeitraums der zugunsten des bisherigen Besitzers verstrichene Teil der Verjährungsfrist auch dem neuen Besitzer zugutekommt, dieser sich also auf die zugunsten seines Besitzvorgängers verstrichene Zeit berufen kann. § 198 bejaht diese Frage dann, wenn der neue Besitzer den Besitz als „Rechtsnachfolger“ des bisherigen erlangt hat. Eine solche Rechtsnachfolge liegt nach ganz überwiegender Meinung dann vor, wenn der neue Besitzer die Sache mit dem Willen des bisherigen Besitzers erhalten hat, mithin auch bei Begründung unmittelbaren Besitzes des Nachfolgers unter Fortdauer des mittelbaren Besitzes des Vorgängers, ja sogar, wenn der Besitzer seinen bisherigen Fremdbesitz eigenmächtig in Eigenbesitz umwandelt, da allein die Besitzbegründung mit dem Willen des Vorgängers erfolgen muss. Eine Anrechnung scheidet daher nur aus, wenn der Besitz ohne oder gegen den Willen des Vorgängers begründet wird, also im Fall einer verbotenen Eigenmacht.45 Die bei fehlender Rechtsnachfolge neu beginnende 30-jährige Verjährungsfrist gegen den neuen Besitzer beginnt selbst dann zu laufen, wenn der Besitzwechsel erst nach Ablauf der Verjährungsfrist gegen den Vorbesitzer stattgefunden hat; der Eigentümer kann also vor Ablauf der neuen Frist vom Besitznachfolger vindizieren, wobei dieser Eigentumsherausgabeanspruch sogar stärker sein soll als ein eventuell bestehender Anspruch gegen den neuen Besitzer aus § 861 oder § 1007.46 Haben während der 30-Jahresfrist mehrere Besitzwechsel mit Rechtsnachfolge stattgefunden, so wird in die Verjährungsfrist des letzten Besitzers nicht nur die Besitzzeit von dessen unmittelbarem Vorbesitzer eingerechnet,47 sondern die aller Besitzvorgänger.48 Das Gesetz schweigt zu der Frage, ob und gegebenenfalls welche Rechte aus dem Eigentum dem Eigentümer nach eingetretener Vindikationsverjährung 44 Lorenz/Arnold (2014) 458 f.; Effer-Uhe (2015) 259 f.; v. Plehwe (2001) 53 ff.; Looschelders (2007) 116 f.; Finkenauer (2014) 484; Bergmann (2015) 59 ff.; auch Spiro (1975) § 23, 31 ff. 45 Finkenauer (2000) 243 ff.; ders. (2014) 483; Magnus/Wais (2014) 1271; Lorenz/Arnold (2014) 459 ff.; Effer-Uhe (2015) 270 ff.; Plambeck (1997) 122 ff.; Bergmann (2015) 51. 46 Plambeck (1997)184 f.; Kähler (2015) 1042. 47 So aber Ordemann (1961) 93 f. 48 Plambeck (1997) 121 f.; Finkenauer (2000) 243 m. Fn. 11.

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außer dem nun nicht mehr durchsetzbaren Herausgabeanspruch noch verbleiben. In Betracht kommt hier vor allem ein Anspruch des Eigentümers gegen den Besitzer auf Herausgabe des vom Besitzer bei einer – ggf. durch Genehmigung des Eigentümers – wirksamen Veräußerung der Sache an einen Dritten erzielten Erlöses nach § 816 Abs. 1 Satz 1, ferner Ansprüche auf Nutzungsherausgabe und/oder Schadensersatz aus dem Eigentümer-Besitzerverhältnis gemäß §§ 987, 989 ff., da die Verjährung des Herausgabeanspruchs den Besitz nicht zu einem berechtigten macht. Die Frage ist mangels einer gesetzlichen Regelung stark umstritten und wird deshalb vereinzelt sogar für de lege lata unlösbar erklärt und als weiteres Argument gegen die Vindikationsverjährung überhaupt benutzt.49 Den Vorzug verdient wohl die solche Ansprüche ablehnende Gegenmeinung, die argumentiert, der Verjährungszweck der Schaffung von Rechtsfrieden müsse auch für diese Ansprüche gelten.50

3.2. Zur Verjährung der Vindikation von durch Maßnahmen des NS-Systems den Eigentümern entzogenen Kunstwerken Die schon seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und jüngst wieder durch den sog. „Fall Gurlitt“ und andere spektakuläre Restitutionsfälle in das Interesse der juristischen und der allgemeinen Öffentlichkeit getretene Frage der Ansprüche der Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger auf Rückgabe der ihnen zwischen 1933 und 1945 durch Maßnahmen des NS-Systems entzogenen Werke der bildenden Kunst, vor allem Gemälde, soll nunmehr zuerst im Lichte des geltenden deutschen Verjährungsrechts untersucht werden. Ausgeklammert bleiben hierbei Fragen des IPR sowie die verschiedenen in letzter Zeit zur Restitutionsfrage getroffenen internationalen Vereinbarungen z.B. die Washingtoner Erklärung vom 03.12.1998. Es geht also um das Problem, ob und unter welchen Voraussetzungen die jetzigen Besitzer solcher Sachen einem eventuellen Herausgabeanspruch der Eigentümer aus § 985 die Einrede der Verjährung nach den §§ 194 ff. entgegensetzen können. Die Frage soll allein unter juristischen Gesichtspunkten behandelt werden. Auf die daneben bestehenden schwerwiegenden ethisch-moralischen Aspekte, deren sich Verfasser selbstverständlich

49 So von Frank (2013) 128 f., 132; vor allem der Bereicherungsanspruch aus § 816 Abs. 1 Satz 1 wird von einigen Autoren bejaht, so von Plambeck (1997) 212 ff.; Lorenz/Arnold (2014) 462 f.; Kähler (2015) 1045. 50 Looschelders (2007) 117 f.; s. auch Finkenauer (2014) 485; Effer-Uhe (2015) 266 f.; eingehend zum Problem Bergmann (2015) 69 ff.

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bewusst ist, kann hier nur insoweit eingegangen werden, als dies für die rechtliche Beurteilung notwendig ist. Vor der Prüfung eines Eigentumsherausgabeanspruchs aus § 985 ist zu klären, ob die nach Kriegsende von den drei westlichen Besatzungsmächten erlassenen Rückerstattungsgesetze sowie das an deren Stelle getretene Bundesrückerstattungsgesetz vom 19.07.195751 und für das Gebiet der ehemaligen DDR die Restitutionsregelung des § 1 Abs. 6 des Vermögensgesetzes52 Ansprüche nach allgemeinem Zivilrecht ausschließen, auch wenn die Rückerstattungsansprüche nach diesen Gesetzen nicht innerhalb der dort festgelegten sehr kurzen Ausschlussfristen, die natürlich sämtlich längst abgelaufen sind, angemeldet worden waren. Den in der älteren deutschen Rechtsprechung vertretenen Grundsatz einer totalen Geltung der Ausschlusswirkung des Rückerstattungsrechts hat nunmehr der BGH in einem Urteil vom 16.03.201253 eingeschränkt und den Zivilrechtsweg dann als gegeben erachtet, wenn der Restitutionsgegenstand nach dem Zweiten Weltkrieg verschollen war und der Restitutionsberechtigte erst nach Ablauf der maßgeblichen Anmeldefrist von dessen Verbleib Kenntnis erlangt hatte. Für diese nicht sehr seltenen Fälle kommt also ein Herausgabeanspruch nach § 985 durchaus in Betracht. Für § 985 stellt sich zunächst die Frage, ob derjenige, der im Zeitpunkt der Entziehung des Kunstwerks dessen Eigentümer war, dieses Eigentum trotz der Entziehung behalten hat, andernfalls es schon am (jetzigen) Eigentum des Anspruchstellers fehlen würde. Eine Entziehung des Besitzes der Kunstwerke konnte einmal aus rassischen oder ähnlichen in der Person des Eigentümers liegenden Gründen erfolgen (Raubkunst im engeren Sinne) oder als sog. „entartete Kunst“ nach dem Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31.05.1938.54 Die Entziehungsakte aus in der Person des Eigentümers liegenden Gründen, also besonders wegen dessen jüdischer Herkunft, werden zu Recht einhellig als von Anfang an nichtig angesehen, weil diese Maßnahmen und gegebenenfalls deren gesetzliche Grundlagen der Gerechtigkeit so unerträglich widersprachen, dass sie als „unrichtiges Recht“ dem Gedanken der Gerechtigkeit zu weichen hatten.55 Für das Gesetz über Erzeugnisse entarteter Kunst und die auf dessen Grundlage erfolgten Maßnahmen der Einziehung „entarteter“ Kunstwerke 51 BGBl. I S. 734. 52 Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen – VermG – i.d.F. der Bekanntmachung v. 04.08.1997 (BGBl. I S. 1974). 53 BGH JZ 2013; 356, 357 – V ZR 279/10 – m. abl. Anm. Ernst (2013) 359, 361; ebenfalls ablehnend Finkenauer (2014) 480 f. 54 RGBl. I S. 612. 55 So die sog. „Radbruchsche Formel“ (Radbruch [1965] 34).

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zugunsten des Reiches wird die Rechtslage hingegen unterschiedlich beurteilt. Die wohl überwiegende Meinung nimmt auch hier die Nichtigkeit des Gesetzes und der Vollzugsmaßnahmen wegen Verstoßes gegen die elementaren Grundsätze der Gerechtigkeit an,56 während andere Autoren in dem Gesetz, da es nicht an persönliche Eigenschaften der Eigentümer anknüpfte, sondern an der der staatlichen Kunstideologie widersprechenden Art der Kunstwerke, hierin zwar Akte staatlicher Kunstzensur erblickt, die aber nicht dem Nichtigkeitsverdikt unterliegen sollen.57 Bei Bejahung der Nichtigkeit für beide Arten von Maßnahmen sind die betreffenden Kunstwerke den Eigentümern im Sinne von § 935 Abs. 1 abhandengekommen mit der Folge, dass das Eigentum grundsätzlich nicht einem gutgläubigen Erwerb zugänglich war. Ein redlicher Erwerb ist allerdings nach Abs. 2 des § 935 auch an abhandengekommenen Sachen gleichwohl u.a. dann möglich, wenn die betreffende Sache im Wege öffentlicher Versteigerung veräußert worden ist, ein gerade bei Kunstwerken nicht seltener Fall. In diesen Fällen kommt es also auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers an, der mithin das fehlende Eigentum des Veräußerers weder gekannt noch wegen grober Fahrlässigkeit nicht gekannt haben durfte (§ 932 Abs. 2). Für die Frage einer grob fahrlässigen Unkenntnis ist entscheidend der Umfang der Nachforschungspflicht des Erstehers über die Provenienz des Kunstwerks. An diese Pflicht werden heute besonders für professionelle Kunsthändler hohe Anforderungen gestellt.58 Scheitert ein sofortiger Eigentumserwerb am Abhandenkommen des Kunstwerks oder am fehlenden guten Glauben des Erwerbers, so kommt ein Eigentumserwerb durch Ersitzung gemäß § 937 in Betracht, also auf Grund zehnjährigen Eigenbesitzes und guten Glaubens bei dessen Erwerb und fehlender nachträglicher Kenntniserlangung. Bedeutsam ist hier § 943, wonach bei einem Übergang des Eigenbesitzes durch Rechtsnachfolge auf einen neuen Besitzer diesem die während des Besitzes des bisherigen Besitzers verstrichene Ersitzungszeit zugutekommt. Hier stellt sich das Problem, ob diese Anrechnung auch dann greift, wenn der Vorbesitzer bösgläubig, der Rechtsnachfolger aber gutgläubig war.59 Bei fehlendem Eigentumserwerb nach § 932 oder kraft Ersitzung und damit fortbestehender Vindikationslage sind die Voraussetzungen der Verjährung zu prüfen. Die nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 maßgebliche Verjährungsfrist von 30 Jahren beginnt gemäß § 200 mit der Entstehung 56 So u.a. Kunze (2000) 76 ff.; Reich/Fischer (1993) 1419; Wieser (2004) 228 f.; Looschelders (2007) 105 f. 57 Vgl. Heuer (1999) 2559 ff.; Wasmuth (2014) 751; zuneigend auch Prütting (2015) 276 f.; Bergmann (2015) 13 ff. 58 Looschelders (2007) 107. 59 Hierzu für die Rechtsnachfolge durch Erbfall Knütel (1992) 903 ff.

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des Herausgabeanspruchs, d.h. mit dem Entzug des Kunstwerkes vom ursprünglichen Eigentümer. Bei Besitzwechsel durch Rechtsnachfolge wird, wie dargelegt, dem neuen Besitzer die Besitzzeit des oder der Vorbesitzer auf dessen Verjährungsfrist angerechnet. Der für die Verjährung als solche ganz überwiegend vertretene Ansicht, die bloße Berufung eines bösgläubigen Besitzers auf die eingetretene Verjährung begründe ohne Hinzutreten weiterer Umstände (z.B. Abhalten des Eigentümers von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs) noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs, ist auch für die Vindikation von durch NS-Maßnahmen entzogenen Kunstwerken zu folgen. Eine vom allgemeinen Verjährungsregime abweichende Regelung dieser durch einen besonders gravierenden Unrechtsgehalt geprägten Fälle könnte, sofern sie für empfehlenswert gehalten wird (hierzu sogleich unter Abschnitt IV), nur der Gesetzgeber treffen. Ein besonderer Schutz des Eigentümers oder von dessen Rechtsnachfolgern von durch NS-Maßnahmen entzogenen Kunstwerken gegen die Verjährung ist mithin de lege lata zu verneinen.

4.  Zur Vindikationsverjährung de lege ferenda Die Darlegung der geltenden Rechtslage hat als – schon vom Gesetzgeber erkannten, aber hingenommenen – Schwächen der Regelung zur Verjährung des Eigentumsherausgabeanspruchs bei beweglichen Sachen aufgezeigt: zum Ersten das dauernde Auseinanderfallen der Person des Eigentümers und des Besitzers mit der Folge der Entstehung eines dominium sine re des Eigentümers. Zum Zweiten besteht die Schwäche darin, dass der Vorteil der Verjährung nicht zuletzt dem bösgläubigen Besitzer zugutekommt, da der gutgläubige wegen der Möglichkeit des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbs oder der Ersitzung auf die Verjährung gar nicht angewiesen ist. Daher ist insbesondere im Zusammenhang mit den Raubkunstfällen seit einigen Jahren eine intensive Diskussion über eine diese Nachteile vermeidende Rechtsänderung zu beobachten. Die radikalste Lösung bestände darin, den Herausgabeanspruch für unverjährbar zu erklären.60 Dann könnten insbesondere die Ansprüche wegen der Wegnahme von Kunstgegenständen o.ä. zeitlich unbegrenzt durchgesetzt werden. Andererseits könnte aber ein Wegfall der Verjährung für die Zukunft

60 So Remien (2001) 754 f.; Siehr (2001b) 346 f.; Mengiardi (1953) 103 f.; Bedenken hiergegen bei Frank (2013) 133 unter Hinweis auf fehlende dauernde Schutzwürdigkeit des den Dieb oder den Verbleib der Sache kennenden Eigentümers.

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zur Verfolgbarkeit von Ansprüchen noch Jahrhunderte nach deren Entstehung führen61, was kaum wünschbar ist. Eine Beschränkung der Unverjährbarkeit auf die Vindikation von Kunstgegenständen oder gar nur auf in der NS-Zeit entzogene, begegnet unter dem Aspekt des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, die auch nicht wegen der Einzigartigkeit der NS-Verbrechen entfallen könnten, da das Argument der Einzigartigkeit dann auf alle vom NS-Unrecht betroffenen Bereiche der Rechtsordnung übertragbar wäre, was unabsehbare Folgen für die Rechtssicherheit zeitigen würde. Vor allem müsste einem die Unverjährbarkeit des Eigentumsherausgabeanspruchs einführenden Gesetz, sollten auch die Ansprüche von NS-Opfern erfasst werden, rückwirkende Kraft beigelegt werden, wobei es sich aber, soweit bereits verjährte Ansprüche betroffen sind – und das sind natürlich inzwischen fast alle – um eine grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässige sog. echte Rückwirkung handeln würde. Um dieses Verdikt der Grundgesetzwidrigkeit zu vermeiden, sieht ein 2014 beim Bundesrat eingebrachter Gesetzesentwurf des Freistaats Bayern vor, dass hinsichtlich abhandengekommener Sachen, insbesondere in der NS-Zeit entzogenen Kulturguts, zwar nicht die Verjährung des Vindikationsanspruchs selbst, wohl aber eine künftige Berufung auf die (eingetretene) Verjährung seitens eines bei Besitzerwerb bösgläubigen Besitzers ausgeschlossen sein soll.62 Dies wird aber als bloße Umgehung des Rückwirkungsverbots zu Recht abgelehnt.63 Was den nicht zu leugnenden Schutz des bösgläubigen Besitzers im geltenden Verjährungsrecht anbelangt, so ist bereits dargetan worden, dass dieser Schutz nicht Zweck, sondern nur Nebenfolge der Verjährung ist, der Zweck vielmehr im Schutze des gutgläubigen Besitzers besteht, der der u.U. schwierigen Widerlegung seiner vom Eigentümer unter Beweis gestellten Bösgläubigkeit enthoben sein soll. Dies gilt nicht zuletzt in den Raubkunstfällen, wenn eine Bösgläubigkeit des Beklagten in Form der groben Fahrlässigkeit in Frage steht, da es hierfür maßgeblich auf die an eine ausreichende Provenienzforschung zu stellenden Anforderungen ankommt, die noch nicht endgültig geklärt sind mit der Folge einer entsprechend unsicheren Prognostizierbarkeit des Ausgangs eines Vindikationsprozesses; gerade hier erscheint die Möglichkeit einer Berufung auf die Verjährung als angemessen. Eine gewisse Beeinträchtigung des Gerechtigkeitsgedankens 61 Vgl. die von Prütting (2015) 283 angeführten Absurditätsbeispiele (u.a. Diebstahl des an dem Dreikönigsschrein im Kölner Dom angebrachten Ptolemäerkameos i.J. 1574). 62 Entwurf eines Kulturgut-Rückgewähr-Gesetzes – KRG – v. 07.01.2014 (BR-Drucks. 2/14). 63 Eingehend Finkenauer (2014) 485 ff.: Versuch der Beseitigung der Problematik der echten Rückwirkung auf „rabulistische Weise“; Bergmann (2015) 82 ff.

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durch den Schutz auch des bösgläubigen und des furtiven Besitzers rechtfertigt sich auch hier durch das Erfordernis der Rechtssicherheit. Deshalb ist auch die 1998 in einem Verfahren vor dem englischen High Court, in dem die Stadt Gotha und die Bundesrepublik Deutschland gegen das Auktionshaus Sotheby’s u.a. auf Rückgabe des sich in England befindlichen Gemäldes „Heilige Familie“ von Wtewael klagten, das 1946 aus einer Gothaer Sammlung entwendet worden war, von den deutschen Klägern allen Ernstes vorgebrachte Argumentation unhaltbar, das deutsche (!) Verjährungsrecht verstoße mit diesem Schutz des Bösgläubigen und des Diebes gegen den ordre public.64 Der von einzelnen Autoren vertretenen Meinung einer Unvereinbarung der Vindikationsverjährung mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG65 kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Regelung dieser Verjährung höhlt das Eigentum keineswegs völlig aus, sondern bezweckt als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einen Ausgleich der entgegengesetzten Interessen des nicht (mehr) besitzenden Eigentümers und des Besitzers dahingehend, dass der Herausgabeanspruch des Eigentümers nach Verstreichen eines großzügig bemessenen Zeitraums nicht etwa erlischt, sondern lediglich dessen Erfüllung vom Willen des Besitzers abhängig gemacht ist, dieser mithin gleichwohl die Sache doch noch mit Rechtsgrund an den Eigentümer herausgeben und sie selbst bei eigener Unkenntnis der Verjährung nicht zurückfordern kann (§ 214 Abs. 2). Ein Verstoß gegen Art. 14 GG wird denn auch ganz überwiegend verneint.66 Mit der Beseitigung der Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs würde umgekehrt der Schutz auch des gutgläubigen Besitzers gegen ein nach Verstreichen eines noch so langen Zeitraums geltend gemachtes Herausgabebegehren entfallen. Zur Abmilderung dieser Folge wird vorgeschlagen, der gutgläubige Vindikationsschuldner solle zur Herausgabe der Sache nur gegen eine angemessene Entschädigung seitens des Eigentümers verpflichtet sein.67 Bei einer solchen Lösung ergäbe sich aber wiederum die Problematik der Beweisbarkeit der Gutgläubigkeit des Besitzers, die nunmehr für dessen Entschädigungsanspruch erforderlich wäre, weshalb auch dieser Vorschlag Bedenken begegnet.

64 High Court of Justice (2001) 200–217. Abdruck des gesamten Urteils mit Tatbestand und Entscheidungsgründen im Original sowie deutscher Übersetzung ebda. 78–219. 65 Remien (2001) 751; zuneigend auch Ernst (2013) 362. 66 Vgl. Lorenz/Arnold (2014) 463; Effer-Uhe (2015) 257 f.; Prütting (2015) 285; Bergmann (2015) 43; MünchKomm BGB (2017)/Christian Baldus § 985, Rn. 99, 100. 67 So die Erwägung von Heuer (1999) 2564 für die Entziehung von Kunstwerken durch die Nationalsozialisten.

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Der einer Unverjährbarkeit entgegengesetzte Lösungsvorschlag geht dahin, dass der Besitzer mit der Verjährung des Vindikationsanspruchs auch das Eigentum erwirbt und zwar unabhängig von einem guten Glauben.68 Damit wäre zwar ein nudum ius verhindert, aber um den Preis des völligen Eigentumsverlustes des bisherigen Eigentümers, wodurch der bösgläubige Besitzer noch besser gestellt wäre als nach geltendem Recht. Vor allem in den Fällen der NS-Raubkunst wäre den Opfern überhaupt nicht geholfen. Auch dieser Reformvorschlag befriedigt mithin nicht.69 Sind hiernach extreme Rechtsänderungen zur Lösung der Probleme wenig geeignet, so bietet es sich an, bei dem Beginn der Verjährung anzusetzen. Nach geltendem Recht gilt für den Beginn der Verjährung des Eigentumsherausgabeanspruchs nach § 200 die rein objektive Regelung, dass die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs beginnt, unabhängig von einer Kenntnis des Eigentümers. Stattdessen sollte nach dem Vorschlag von Zimmermann für den Beginn der Verjährung auch des Vindikationsanspruchs das subjektive Erfordernis der Erkennbarkeit des Anspruchs und der Person des Anspruchsgegners maßgeblich sein, allerdings der Anspruch auch unabhängig von der Erkennbarkeit auf jeden Fall mit Ablauf eines naturgemäß sehr langen Zeitraums seit dem Abhandenkommen der Sache verjähren (subjektiv-objektive Frist).70

5. Ergebnis Die im deutschen BGB getroffene Regelung der Verjährung des Herausgabeanspruchs kann das hier besonders virulente Spannungsverhältnis zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit nicht auf einer das Rechtsgefühl durchweg befriedigenden Weise lösen. Indem die Berufung des Besitzers auf die eingetretene Verjährung der Vindikationentgegensteht, verliert der Eigentümer mit dem Besitz die tatsächliche Herrschaft über die Sache, sein Eigentum wird weitgehend zu einem dominium sine re, was nicht zuletzt deshalb problematisch ist, weil allein der Ablauf der Verjährungsfrist diese schwerwiegende Wirkung herbeiführt, ohne dass es auf subjektive Erfordernisse beim Eigentümer (Kenntnis der Person des Besitzers und/oder des Verbleibs der Sache) oder beim Besitzer (Gutgläubigkeit

68 So Wieling (1984) 2528; ders. (2007) § 11 I 3a; einschränkend Piekenbrock (2006) 395 f.: kein Eigentumserwerb – bei vom (bisherigen) Eigentümer vor Fristablauf zu beweisender – Unredlichkeit des Besitzers. 69 Ablehnend auch Bergmann (2015) 45 f. 70 Zimmermann (2000) 857 ff.; v. Plehwe (2001) 60 schlägt eine Verjährungsfrist von drei Jahren ab Kenntniserlangung und unabhängig von einer Kenntnis eine 75-jährige Frist ab Abhandenkommen der Sache vor.

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hinsichtlich seines Besitzrechts) ankommt. Zahlreiche Stimmen erblicken hierin eine Überdehnung des Gedankens der Rechtssicherheit auf Kosten des Gerechtigkeitserfordernisses und fordern eine Beseitigung der Verjährbarkeit des Vindikationsanspruchs. Eine solche radikale Lösung würde jedoch Herausgabeprozesse auch noch zwischen den aufeinander folgenden Rechtsnachfolgern der ursprünglichen Parteien des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses für die gesamte Dauer der Existenz der streitigen Sache und damit in Extremfällen noch Generationen später möglich machen und damit zu einer Zeit, in der eine einigermaßen zuverlässige Ermittlung der wirklichen Sach- und damit auch Rechtslage meist kaum noch möglich wäre. Dies würde wiederum eine Überspannung des Gerechtigkeitspostulats zu Lasten der Rechtssicherheit in Richtung eines summum ius, summa iniuria bedeuten. Die entgegengesetzte Regelung, den Besitzer nach Ablauf einer bestimmten Frist, die dann eine Ausschlussfrist wäre, Eigentümer werden zu lassen mit der Folge eines Verlustes des Eigentums des bisherigen Inhabers gewährleistete zwar maximale Rechtsklarheit, dies aber nur dann, wenn auch hier der Eigentümerwechsel unabhängig von jedweder Kenntnis oder fahrlässigen Unkenntnis der wirklichen Rechtslage bei den Beteiligten, besonders beim Besitzer, eintreten würde, da andernfalls weiterhin über diese subjektiven Erfordernisse gestritten werden könnte, mit der Folge ihrer im Laufe der Zeit immer schwieriger und unsicherer werdenden Feststellung. Entsprechendes gilt für die oft gehörte Kritik, das Verjährungsrecht der lex lata komme wegen der Möglichkeit des Eigentumserwerbs kraft guten Glaubens oder – bei Abhandenkommen der Sache – fast ausschließlich dem bösgläubigen Besitzer und selbst dem Dieb zugute. Denn eine Bösgläubigkeit des Vindikationsbeklagten oder ein Diebstahl der Sache steht ja meist nicht außer Streit, sondern es wäre ebenfalls eine Beweisaufnahme mit entsprechend zweifelhafter Eignung zur Erkenntnis des lange zurückliegenden wahren Sachverhalts erforderlich. Mangels einer in jeder Hinsicht überzeugenden Alternative sollte im Grundsatz an der Konzeption des geltenden Rechts der Vindikationsverjährung festgehalten werden. Zu empfehlen ist lediglich eine punktuelle Änderung bezüglich des Anfangs der Verjährungsfrist. Der Beginn sollte nicht mehr rein objektiv mit der Entstehung des Herausgabeanspruchs bestimmt werden, sondern erst mit der Erkennbarkeit des Anspruchs seitens des Eigentümers.

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Bruno Rodríguez-Rosado

Die abstrakte Natur eines Rechtsgeschäfts: Herausforderungen für das Gleichgewicht von Gerechtigkeit und Rechtssicherheit? Abstracts: The German Civil Code follows an abstract system for the transfer of ownership, thus it requires only the intention to transfer and acquire together with the delivery of the goods (movable assets) or registration in the land registry (for real estate). In this abstract system, the nullity of the contractual obligation does not entail the absence of effect of transfer, but only grants the transferor without legal cause the right to retransfer the good, which will not have effects vis-à-vis third parties. But the BGB also accepts acquisition by good faith of movables and real property. The result of the regulation of transfer of ownership and acquisition by good faith is that the protection offered by German law to the legal market may appear excessive. But some German authors and scholars think that without an abstract system third parties would not be sufficiently protected. Przeniesienie własności według niemieckiego kodeksu cywilnego opiera się na zasadzie abstrakcyjności. Wymaga jedynie zamiaru przeniesienia i nabycia własności wraz z wydaniem rzeczy (majątek ruchomy) lub dokonaniem wpisu w księdze wieczystej (w przypadku nieruchomości). W takim abstrakcyjnym modelu nieważność umowy zobowiązującej do przeniesienia własności nie jest przeszkodą dla przejścia własności. Istnienie także regulacji dotyczącej nabycia własności w dobrej wierze od nieuprawnionego powoduje, że ochrona nabywcy oferowana przez prawo niemieckie może wydawać się – zdaniem autora – nadmierna. Niemniej jednak niektórzy niemieccy autorzy uważają, że bez zasady abstrakcyjności osoby trzecie nie byłyby wystarczająco chronione. Il codice civile tedesco prevede un sistema astratto per il trasferimento della proprietà, il quale, pertanto, richiede unicamente l’intenzione di trasferire e di acquistare un bene, unitamente alla consegna dello stesso, in caso di beni mobili, o alla iscrizione nei registri immobiliari, per quelli immobili. In tale sistema, la nullità del contratto obbligatorio non comporta pertanto anche il venir meno dell’effetto traslativo della proprietà, bensì garantisce al cedente senza causa soltanto il diritto di trasferire nuovamente il bene, senza che la condizione di nullità del contratto possa incidere negativamente nei confronti di terzi acquirenti, a prescindere dalla buona fede di questi ultimi. Il BGB, ad ogni modo, conosce altresì forme di acquisto in buona fede di beni sia mobili, sia immobili. Se si considerano, pertanto, la normativa relativa al trasferimento di proprietà, da un lato, e quella inerente agli acquisti di buona fede, dall’altro, la tutela offerta dal diritto tedesco nei confronti del terzo acquirente potrebbe apparire eccessiva. Ciononostante, alcuni autori tedeschi ritengono che, in assenza di un sistema astratto per il trasferimento della proprietà, i terzi non otterrebbero sufficiente protezione da parte dell’ordinamento.

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1. Einleitung Eines der prägenden Merkmale des deutschen Privatrechts ist ohne Zweifel das Abstraktionsprinzip. Jedoch, und trotz des großen Ansehens, das das deutsche Recht in anderen europäischen Ländern genießt, haben sich nur wenige von diesen (Griechenland, Estland) und auch sie nur begrenzt dafür entschieden, diese Besonderheit der deutschen Rechtsordnung zu übernehmen. Für Juristen aus anderen Ländern, die an anderen Grundsätzen ausgebildet worden sind, ist es oft schwer nachvollziehbar, wie Verfügungsgeschäfte im deutschen Recht konstruiert sind. Die deutschen Juristen betrachten das Abstraktionsprinzip als ein Element, das begriffliche Klarheit, Rechtssicherheit und Gerechtigkeit im System herbeiführen soll. Viele Autoren haben jedoch seither für die Abschaffung des Prinzips und für die Übernahme des Kausalprinzips, seinen Gegenspieler, plädiert1. Die Diskussion um das Abstraktionsprinzip ist seit dem Inkrafttreten des BGB nie wirklich verstummt.

2.  Gründe für und Alternativen zum Abstraktionsprinzip Savigny stellte die These der abstrakten Natur der Verfügung gegenüber der Verpflichtung auf. Er sah sie als Erklärung für den Widerspruch zwischen den Texten des römischen Rechts, die eine causa für die Übereignung fordern (Paul. D. 41,1,31, pr.; Epit. Ulp. 19,7; Gai. 2, 19 f.) und den vielen Fällen des Titels 12.6 der Digesten bezüglich der condictio indebiti. Diese letzten Texte setzen eine Übergabe aufgrund eines nichtigen Verpflichtungsgeschäfts voraus, und trotzdem gewähren sie dem Veräußerer eine condictio (Rückübereignungsklage) statt der rei vindicatio (Herausgabeklage). Daraus wäre folgerichtig zu schließen, wie Savigny es tat, dass der Eigentumsübergang trotz des Fehlens der iusta causa traditionis stattgefunden hat, denn sonst müsste der Veräußerer über eine rei vindicatio verfügen2. Savigny stellte seine These jedoch nicht nur auf, um diese scheinbare Antinomie zu lösen. Wenn das so wäre, hätte das System in Misskredit fallen müssen, als die These überholt war. Denn 1915 formulierte Ernst Rabel die These, die heute allgemein geteilt wird, um dieses dogmatische Problem des römischen Rechts zu lösen. Nach Rabels Erklärung entsteht der scheinbare Widerspruch zwischen dem Erfordernis einer iusta causa traditionis für die Eigentumsübertragung und die Existenz der condictio indebiti im Falle der Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts aus der Gleichstellung zwischen iusta causa traditionis und Verpflichtungsgeschäft. 1 Eisenhardt (1997) 215 ff. 2 Savigny (1840) 312 ff.; Savigny (1853) 257; hierzu Felgentraeger (1927) 24 ff.

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Wenn beide Begriffe verwechselt werden, gibt es keine Erklärung dafür, dass bei Erfüllung einer nichtigen stipulatio (Schuldversprechen) oder eines ungültigen Vermächtnisses (Damnationslegat) das Eigentum übergeht. Für die Römer ist die iusta causa traditionis nicht gleichzusetzen mit dem Verpflichtungsgeschäft, oder mindestens nicht immer gleichzusetzen, denn in der causa solvendi sah man als causa nicht etwa das die Schuld begründende Rechtsgeschäft, sondern die Einigung über den schuldbefreienden Charakter der Leistung3. Die Ablehnung von Savignys Erklärung der römischen Quellen hat jedoch kaum Folgen für seine These gehabt, denn seine Lehre beruht, wie Ranieri präzisiert hat, auf grundsätzlichen systematischen Überlegungen4. Entscheidend für die Auslegung Savignys war die Idee, Sachenrecht und Schuldrecht zu trennen. Und gleichzeitig schaffte – wie schon Savigny erwähnte und andere Pandektisten hervorhoben – die abstrakte Natur der Verfügung einen großen Schutz des Rechtsverkehrs, denn der Abstraktionsgrundsatz ermöglicht, dass schuldrechtliche Probleme zwischen den Parteien die Wirksamkeit der Übereignung nicht berühren, so dass der Erwerb eines Dritten sicher bleibt5. Aber wir können uns fragen: Wird das gleiche Ergebnis nicht durch den gutgläubigen Erwerb erreicht, aber diesmal nur zugunsten des gutgläubigen Drittererwerbers? Und wenn das so ist: Wozu brauchen wir das Abstraktionsprinzip, das auch den Dritterwerber schützt, der den Rechtsmangel des Vertrages zwischen dem Veräußerer und dessen Vormann kannte? Um diese Frage zu beantworten, werde ich die deutsche Rechtsordnung mit zwei kausalen Rechtsordnungen vergleichen: mit der spanischen, die neben dem Kausalprinzip dem Traditionsprinzip folgt, und der französischen, die anstatt des Traditionsprinzips das Konsensprinzip annimmt. Für einen kritischen Vergleich der Wirkungen des einen und des anderen Systems eignet es sich, nach Astrid Stadlers Vorbild, die Paradigmen der Weiterveräußerung einer Sache (in einer Veräußererkette) zu betrachten. In diesem Zusammenhang können wir behaupten, dass eine Rechtsordnung wie die französische, in welcher der gutgläubige Erwerb von beweglichen Sachen großzügig angenommen wird (vgl. Art. 2276 des französischen Code civil), alle Probleme lösen kann, die das Kausalprinzip für die Dritterwerber und für den Rechtsverkehr schaffen kann. Artikel 2276 des Code civil und seine Regel „la possesion vaut titre“, besagen: Wer im guten Glauben vom Nichteigentümer eine

3 Rabel (1915) 440 f.; siehe dazu Kaser (1961) 61 ff.; Kunkel/Mayer-Maly (1987) 158. 4 Ranieri (1977) 96. 5 Savigny (1840) 355; siehe auch Ranieri (1977) 103 f.; Jakobs (2002) 298.

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bewegliche Sache erwirbt, wird Eigentümer, es sei denn, dass die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst wie abhandengekommen ist. Nach dem Kausalprinzip, dem das französische Recht folgt, kann zwar durch einen unwirksamen oder durch Anfechtung rückwirkend unwirksamen Vertrag kein Eigentum übertragen werden. Der Zweitkäufer erwirbt jedoch das Eigentum vom Nichteigentümer, der die Sache durch unwirksamen oder rückwirkend anfechtbaren Vertrag bekommen hat und weiter veräußert. Der gutgläubige Erwerb hat hier die Funktion, diesen Dritterwerber zu schützen, solange die Anwendungsvoraussetzungen des Artikels 2276 vorliegen: Wenn dem Erstkäufer trotz der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts der Besitz übergeben wurde und er ihn dem gutgläubigen Zweitkäufer weiter überträgt, soll dieser geschützt sein6. Bei der Übertragung von Immobilien bietet der Grundsatz des öffentlichen Glaubens, den das deutsche und spanische Recht kennen, den notwendigen Schutz für den gutgläubigen Dritterwerber (das französische Grundbuch kennt hingegen nur die negative Publizität): Wer in gutem Glauben durch Rechtsgeschäft ein Grundstuck oder ein Grundstücksrecht von demjenigen erwirbt, der im Grundbuch als Berechtiger erscheint, wird durch das Grundbuch geschützt7. Die Verfasser des BGB bemerkten meiner Meinung nach nicht, dass die Einführung des gutgläubigen Erwerbs das von Savigny propagierte Abstraktionsprinzip entbehrlich machte, da der gutgläubige Erwerb von beweglichen und unbeweglichen Sachen (§§ 932 ff., 892 f. BGB) den Rechtsverkehr ausreichend schützen kann8. Der Abstraktionsgrundsatz und der redliche Erwerb überschneiden sich, denn beide dienen demselben Zweck. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, wie Andreas Wacke ausgedrückt hat, dass beide Rechtsfiguren ins BGB eingeführt wurden, ohne dass diese Überschneidung den Redaktoren des Gesetzbuches auffiel, denn beide Grundsätze gehören zu verschiedenen Rechtstraditionen (zum römischen bzw. zum germanischen Recht)9. Man kann sogar sagen, dass das Abstraktionsprinzip im Vergleich zum gutgläubigen Erwerb nur ein grobes Hilfsmittel zum Schutz des Rechtsverkehrs ist, weil es über seinen Zweck hinausschießt. Es schützt nämlich sowohl den schutzwürdigen als auch den nicht 6 Terré/Simler (2014) Rn. 425 ff.; Malaurie/Aynès (2015) Rn. 571 ff. 7 Für das deutsche Recht MünchKomm BGB (2013)/Jürgen Kohler § 892, Rn. 10–39. Für das spanische Recht, Dominguez Luelmo (2013), Comentarios a la Ley Hipotecaria, Art. 34. Für das französische Recht, das nur die negative Wirkung des Grundbuchs kennt, Piedelièvre/Piedelièvre (2014) Rn. 467 ff.; Simler/Delebecque (2012) Rn. 865 ff. 8 Rodríguez-Rosado (2009) 116. 9 Wacke (1974) 38 ff.; auch Wiegand (1990) 112, 119 f.

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schutzwürdigen Erwerber; es scheint jedoch einleuchtend, dass der Dritterwerber, der die Mangelhaftigkeit des Vertrages zwischen seinem Veräußerer und dessen Vormann kannte, keinen Schutz verdient10. Zudem führt das Abstraktionsprinzip dazu, dass der rechtsgrundlose Veräußerer bei Insolvenz des Erwerbers oder bei Vollstreckung durch dessen Gläubiger nur über einen wertlosen Bereicherungsanspruch verfügt, weil er nicht mehr Eigentümer ist. Es ist zu berücksichtigen, dass dem dinglich ungesicherten Gläubiger des Erwerbers das Abstraktionsprinzip nützt, nicht aber der gutgläubige Erwerb, weil der Gläubiger kein Dritterwerber ist; und selbst wenn eine dem Schuldner nicht gehörende Sache bei Insolvenzverfahren oder Zwangsvollstreckung veräußert wird, wird der Erwerber nicht durch §§ 892, 932 geschützt, weil diese nur rechtsgeschäftlichen Erwerb schützen11. Deswegen kann der redliche Erwerb hier keineswegs das Abstraktionsprinzip ersetzen; fraglich ist nur, ob die Ergebnisse des Abstraktionsprinzips in diesem Bereich richtiger sind als die der kausalen Rechtsordnungen. Beim wirksamen Vertrag im Falle der Insolvenz einer Partei oder der Zwangsvollstreckung gegen sie hat die Geltung des Kausal- oder Abstraktionsprinzips keinen Einfluss auf die Stellung des Vertragspartners, weil der schuldrechtliche Vertrag mangelfrei ist. Die abstrakte oder kausale Gestaltung des Verfügungsgeschäfts ändert dagegen das Ergebnis im Falle der Insolvenz des Erwerbers oder der Zwangsvollstreckung gegen ihn bei unwirksamem schuldrechtlichem Vertrag, weil das Eigentum die Zugehörigkeit des Übereignungsgegenstandes zur Insolvenzmasse oder zum vollstreckbaren Vermögen bestimmt. Wird die Sache bei Geltung des Abstraktionsgrundsatzes und trotz der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts übereignet, gehört der Vertragsgegenstand zur Insolvenzmasse, und der Veräußerer verfügt über kein Aussonderungsrecht, weil er keinen dinglichen Anspruch hat (§§ 35, 47 InsO); dagegen hat der Veräußerer bei Geltung des Kausalprinzips ein Aussonderungsrecht als Eigentümer. Gleichfalls fehlt bei abstrakt geregelter Übereignung dem Veräußerer bei Vollstreckung in die übereignete Sache die Möglichkeit, der Zwangsvollstreckung zu widersprechen und die Sache herauszuverlangen, denn seine Leistungskondiktion berechtigt als lediglich schuldrechtlicher Rückverschaffungsanspruch nicht zur Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO). 10 Larenz (1986) 20; Lindemann (1989) 19 ff.; Ferrari (1993) 66; Wacke (2000) 254 ff.; Westermann/Westermann (1998) § 4 III; Staudinger (2011)/Wolfgang Wiegand vor §§ 929 ff., Rn. 16 ff. 11 MünchKomm BGB (2013)/Jürgen Kohler § 892, Rn. 24–31; MünchKomm BGB (2013)/ Jürgen Oechsler § 932, Rn. 32.

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Alle diese erwähnten Probleme und Folgen des Abstraktionsprinzips sind vermeidbar, wenn man das Kausalprinzip annimmt und es mit dem redlichen Erwerb kombiniert. Deswegen vertreten viele deutsche Autoren, dass das Abstraktionsprinzip abzuschaffen sei. Es sei, im besten Fall, überflüssig für das deutsche Recht, denn seine berechtigten Ergebnisse, wie der Schutz des gutgläubigen Dritten, werden schon durch den redlichen Erwerb erreicht. Es führt außerdem schwer vertretbare Ergebnisse herbei, wie der Schutz des Dritterwerbers, der den Mangel des Verpflichtungsgeschäfts zwischen seinem Veräußerer und dessen Vormann kennt, oder das Fehlen des Schutzes des Veräußerers bei Wirksamkeitsmängeln des Verpflichtungsgeschäfts bei Insolvenz oder Zwangsvollstreckung.12

3. Die Gegenargumente der Verfechter der Abstraktion und ihre Kritik Die Vertreter der Abstraktion haben mit einer Reihe von Gründen und Gegenargumenten geantwortet, um das System des BGB zu rechtfertigen. In Bezug auf die Kritik an dem überflüssigen Charakter des Abstraktionsprinzips, wird zunächst eingewandt, dass der gutgläubige Erwerb allein den Rechtsverkehr nur unbefriedigend schütze: Der Verkehrsschutz, den das Abstraktionsprinzip bietet, geht weiter als der des gutgläubigen Erwerbs bei beweglichen Sachen, denn bei Übereignung durch Besitzkonstitut oder durch Abtretung des Herausgabeanspruchs ist der gutgläubige Erwerb nur eingeschränkt möglich13. Weiter habe das Abstraktionsprinzip den Vorteil gegenüber dem redlichen Erwerb, dass es den Erwerber von der Überprüfung der Gültigkeit des Verpflichtungsgeschäfts des Veräußerers und dessen Vormannes befreit: Bei Geltung des Kausalprinzips müsse sich der Erwerber trotz der Regelung der §§ 932 und 892 um die schuldrechtlichen Beziehungen seines Vormannes kümmern, wenn er nicht als bösgläubig betrachtet werden wolle14. Ferner wird auch gesagt, dass die abstrakte Natur der Verfügung die Basis der sogenannten Saldotheorie sei: Nach dieser kann bei einer Leistungskondiktion aus gegenseitigem Vertrag der Schuldner auch die dem Bereicherungsgläubiger erbrachte Gegenleistung verrechnen. So muss der Bereicherungsgläubiger sich den Wert der Gegenleistung

12 Kegel (1977) 82; Larenz (1986) 20; Lindemann (1989) 19 ff.; Wiegand (1990) 136; Ferrari (1993) 66; Wacke (2000) 254 ff.; Schindler (1997) 1039 f.; Westermann/Westermann (1998) § 4 III; Staudinger (2011)/Wiegand vor §§ 929 ff., Rn. 16 ff. 13 Wieling (2001) 304. 14 Stadler (1996) 377; Grigoleit (1999) 384; Wieling (2000) 304.

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des Vertragspartners anrechnen lassen, auch wenn er um diese nicht mehr bereichert ist15. Die Vertreter des Abstraktionsprinzips haben auch versucht, die erwähnten Folgen im Falle von Insolvenz des Erwerbers bei nichtigem Vertrag mit dem so genannten Symmetrieargument zu rechtfertigen: Der Käufer kann den bezahlten Preis in der Regel nicht vindizieren, weil der Verkäufer das erlangte Geld mit seinem eigenen Geld vermischt hat. Zwecks Gleichbehandlung beider Parteien dürfe deshalb auch der Verkäufer die gelieferte Ware nicht vindizieren, sondern nur kondizieren, so dass beide die gleichen Rechtsbehelfe hätten16. Diese Argumente erscheinen jedoch nicht überzeugend. In Bezug auf das Fehlen am Schutz des Erwerbers durch Besitzkonstitut oder Abtretung des Herausgabeanspruchs muss man sagen, dass der Gesetzgeber den Schutz des redlichen Erwerbers aus gewissen Gründen – Vorbehalt eines gewissen Besitzes beim Veräußerer, Fehlen von Besitz des Erwerbers – bewusst gemindert hat und diese Entscheidung deswegen nur durch eine Gesetzesänderung geändert werden kann. Es erscheint mir aber nicht gerechtfertigt, das Abstraktionsprinzip zu benutzen, um einen Unterschied zwischen dem gutgläubigen Erwerber von einem rechtsgrundlosen Veräußerer und dem, der von einem Unberechtigten erwirbt, aufrechtzuerhalten. Die Pflicht des Erwerbers, im Falle einer kausalen Gestaltung der Übereignung die Inhaberschaft des Veräußerers zu prüfen, existiert nicht, da gerade der gutgläubige Erwerb durch die §§ 892 und 932 geschützt wird. Diese Vorschriften schützen den Erwerber sogar zu großzügig, denn sie betrachten den Erwerber auf jedem Fall bei leichter Fahrlässigkeit (§§ 892, 932 II) und ggf. bei grober (§ 892) als redlich. Nach herrschender Meinung besteht keine allgemeine Prüfungspflicht des Erwerbers hinsichtlich der Inhaberschaft des Veräußerers17. Nur bei Umständen, die in auffallender Deutlichkeit gegen das Eigentum des Veräußerers sprechen, kann das Unterlassen der Überprüfung als grobe Fahrlässigkeit betrachtet werden. Bezüglich der Saldotheorie ist hervorzuheben, dass sie keine Schlussfolge aus dem Bereicherungsrecht ist, sondern vielmehr eine Korrektur dessen; denn mit dem Bereicherungsrecht und dem § 818 III stimmt eigentlich die vorher herrschende Zweikondiktionentheorie überein, welche die Kondiktion einer Partei von der Kondiktion der anderen unabhängig macht. 15 von Caemmerer (1938/1939) 704; Stadler (1996) 327; Huber (2007) 507 ff. 16 Wieling (2001), 304 f.; Medicus (2010) Rn. 230. 17 Bei Immobilien besteht keine Zweifel: siehe z.B. MünchKomm BGB (2013)/Jürgen Kohler § 892, Rn. 47. Bei beweglichen Sachen verneint die h.M. diese Prüfungsplicht: Westermann/Gursky (1998) 376; MünchKomm BGB (2013)/Jürgen Oechsler § 932, Rn. 40, 42; Jauernig Kommentar BGB (2015)/Christian Berger § 932, Rn. 15.

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Die Saldotheorie ist gerade keine Folge der Regelung des Bereicherungsrechts und dadurch des Abstraktionsprinzips, sondern seine (in der Lehre immer noch umstrittene) Korrektur. Die kausalen Rechtsordnungen, wie Frankreich und Spanien, kommen daher zum gleichen Ergebnis, obwohl dort die Rückabwicklung der nichtgeschuldeten Leistung keine Eigentumsübertragung voraussetzt18. Seinerseits hat das Argument, das die Folgen der Abstraktion bei Insolvenz des Erwerbers im Falle von nichtigen Verträgen zu rechtfertigen versucht, das sog. Symmetrieargument, eine große Anhängerschaft unter deutschen Juristen gefunden. Auch diese Begründung erscheint mir jedoch vergeblich zu sein, da sie nur zu einer negativen Abrundung bzw. Gleichstellung führt: Mit dem Abstraktionsprinzip haben Käufer und Verkäufer zwar tatsächlich die gleiche Stellung bei Insolvenz der anderen Partei, das Ergebnis bleibt dabei jedoch unbillig19. Außerdem muss es nach meiner Meinung vermieden werden, die Auswirkungen der originären Erwerbsarten (Vermischung des Geldes) durch die derivativen Erwerbsarten (Verfügung vom Berechtigten) auszugleichen. Auch wenn zugunsten des kritisierten Ergebnisses des Abstraktionsprinzips argumentiert wird, dass es nur den vorleistenden Veräußerer betrifft, weil er sonst die Gegenleistung schon bekommen hat und sich auf die Saldotheorie berufen kann, und dass ein vorleistender Veräußerer nicht schutzwürdiger als die anderen Konkursgläubiger sei, erscheint mir die Argumentation nicht überzeugend. Erstens vergisst sie nämlich die Probleme bei Schenkung oder Zwangsvollstreckung – wo es keine Gegenleistung gibt, bzw. keine konkurrierenden Gläubiger. Aber vor allem beachtet sie nicht, dass die übrigen Insolvenzgläubiger unter dem Gesichtspunkt des Kreditgewährens auf eigene Gefahr bewusst das Risiko tragen, während der rechtsgrundlose Veräußerer von der Unwirksamkeit seines Verpflichtungsgeschäfts nichts wusste. Alle diese Probleme des Abstraktionsprinzips sind vermeidbar, wenn man das Kausalprinzip annimmt und es mit dem redlichen Erwerb kombiniert. Zwar wird die Forderungsabtretung allgemein nicht durch den redlichen Erwerb geschützt. Dies wird auch als ein Nachteil des Kausalprinzips erwähnt, denn das Abstraktionsprinzip würde den Zweiterwerber einer Forderung bei Mängeln in der schuldrechtlichen Beziehung zwischen dem Veräußerer und dessen

18 Für Spanien, siehe Art. 1307 des spanischen Código civil und die entsprechende Literatur: Cañizares (2016)/López Beltrán de Heredia Art. 1307, 753 ff.; Bercovitz RodríguezCano (2013)/García Vicente Art. 1307, 9275 ff. Für Frankreich Terré/Simler/Lequette (2013) Rn. 424; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck (2015) Rn. 723. 19 Westermann/Westermann (1998) 31; Wacke (2000) 257.

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Vormann schützen20. Aber die unkörperliche Natur der Forderung erklärt, weshalb es bei der Zession prinzipiell keinen gutgläubigen Erwerb gibt, denn es fehlt ein Anhaltspunkt, der das Vertrauen des Zessionars rechtfertigen könnte. Nur wenn die Forderung in einer substantiellen Erscheinungsform verkörpert ist – Schuldschein, Wertpapier – wird der neue Gläubiger aufgrund seines Vertrauens in den dadurch hervorgerufenen Rechtsschein geschützt. In allen anderen Fällen, nämlich bei gewöhnlichen Forderungen, verdienen der erste Zessionar und ggf. seine Rechtsnachfolger keinen Schutz. Astrid Stadler behauptet allerdings, die abstrakte Natur der Verfügung sei in gewissem Sinne das kleinere Übel für den notwendigen Verkehrsschutz. Sie liefert für diese Behauptung einen Beweis: Die Rechtsordnungen, die das Kausalprinzip kennen, sehen sich dazu gezwungen, die Unwirksamkeitsgründe einzuschränken, da sonst die Beseitigung der Übertragung bei Weiterveräußerung der Sache durch den Ersterwerber – und trotz der Geltung des gutgläubigen Erwerbs von beweglichen und unbeweglichen Sachen – dem Dritten schaden würde. Diese Rechtsordnungen würden sich so verpflichten, einige Korrekturen am Kausalprinzip in Kauf zu nehmen21. Jedoch und trotz der Schwierigkeiten, eine Rechtsordnung mit anderen zu vergleichen, sieht man heutzutage in den kausalen Rechtsordnungen keine Tendenz einer Einschränkung der Unwirksamkeitsgründe zum Schutz des Rechtsverkehrs. Nur in Bezug auf Formmängel und etwa auf den Irrtum hat das deutsche Recht weitergehende Unwirksamkeitsgründe als andere Rechtsordnungen22. Man muss dagegen beachten, dass eine kausale Rechtsordnung wie die französische mit dem Rücktritt viel schwerwiegendere Folgen für den Rechtsverkehr als das deutsche Recht verbindet, denn der Rücktritt führt nach französischem Recht zur rückwirkenden Aufhebung des Vertrages, während in Deutschland (wie auch in Spanien) der Vertrag nur ex nunc in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt wird23. Deswegen sehe ich keine Beziehung zwischen der kausalen oder abstrakten Gestaltung der Verfügung und der Breite der Unwirksamkeitsgründe. Vielmehr meine ich, dass das deutsche Recht durch die so genannten Fälle der Fehleridentität versucht hat, das Abstraktionsprinzip zu überwinden, ohne es jedoch zu durchbrechen. Aber damit komme ich zu einem Punkt, der außerhalb von Deutschland kaum bekannt ist und trotzdem die Wirkungen des 20 Stadler (1996) 619 ff. 21 Stadler (1996) 131 ff., 202; Stadler (2010) 388. 22 Rodríguez-Rosado (2009) 133 ff. 23 Terré/Simler/Lequette (2013) Rn. 653  f.; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck (2015) Rn. 879.

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Abstraktionsprinzips stark beschränkt. Denn die Gestaltung der Verfügung durch Savigny als einen Vertrag in sich selbst und die Anwendung der allgemeinen Unwirksamkeitsgründe auch auf diesen führt in vielen Fällen (auch) zu der Nichtigkeit des dinglichen Vertrags.

4. Die begrenzte Auswirkung der Abstraktion auf den Verkehrsschutz Savigny konzipierte die Übereignung als ein Rechtsgeschäft, einen dinglichen Vertrag, der den gesamten Willen ausdrückt, das Eigentum zu übertragen und zu erwerben. Dieses Verfügungsgeschäft fordert eine vom Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts getrennte und abstrakte Einigung. Inhalt und Zweck des Verpflichtungsgeschäfts sind nicht Gegenstand dieser Einigung, dessen einziger Zweck und Inhalt die Übereignung ist. Deswegen verhindert die Unwirksamkeit der causa die Übereignung nicht. Wie schon erwähnt wurde, dachten Savigny und seine Schüler, damit ein Übereignungssystem von höchster Rechtssicherheit geschaffen zu haben. Der Verkehrsschutz, den das Abstraktionsprinzip schaffen will, hat sich jedoch schwächer erwiesen, als gedacht. Denn wenn die Verfügung ein Geschäft ist, muss man die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe von allen Rechtsgeschäften auch hierauf anwenden. Zwar nicht, wenn der Mangel nur in dem Schuldvertrag liegt, aber doch, wenn er auch im Verfügungsgeschäft liegt. Und so hat die Rechtsprechung des RG und nachher des BGH wiederholt die Unwirksamkeit der Übereignung bei Mängeln der Geschäftsfähigkeit, bei Drohung oder arglistiger Täuschung erklärt; und das Gleiche bei gesetzlichen Verboten, wenn sich das Verbot gerade auf die Erfüllung des Rechtsgeschäftes bezieht, und bei Sittenwidrigkeit, wenn die Unsittlichkeit gerade im Vollzug der Erfüllungsleistung liegt. Und die Lehre hat diese Praxis gebilligt24. In allen diesen Fällen kommt der einzige Schutz des Dritterwerbers aus dem gutgläubigen Erwerb. Folgerichtig kann man sagen, dass der vermeintliche Verkehrsschutz, den das Abstraktionsprinzip schaffen sollte, nicht so weit reicht, wie oft gedacht wird. Wenn der redliche Erwerb seinen Zweck, den Rechtsverkehr zu schützen, ausreichend erfüllt, bleibt die Frage in der Luft, ob die Abstraktion nicht einfach entbehrlich geworden ist.

24 Jauernig Kommentar BGB (2015)/Christian Berger vor § 854, Rn. 14; MünchKomm BGB (2013)/Jürgen Kohler § 873, Rn. 52; MünchKomm BGB (2013)/Jürgen Oechsler § 929 Rn. 32–35; Baur/Stürner (2009) Rn. 51.

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IV. Teil 

Christian Baldus/Wojciech Dajczak

Schlussbemerkungen – die Leistungsfähigkeit des Allgemeinen Teils des Privatrechts im 21. Jahrhundert im Lichte der Rechtserfahrung 1.  Positive Erwartungen? – Christian Baldus A. Der Streit um die Leistungsfähigkeit und Funktionalität des AT ist alt und ein neues Buch kann ihn nicht ein für alle Mal entscheiden. Auch der erste Band aus diesem Projekt1 hatte selbstverständlich keinen solchen Anspruch. Immer wieder neu sind jedoch die Kontexte, in denen der Streit geführt werden muss. In der Europäischen Union ist in den letzten Jahren eine Situation bemerkenswerter Unsicherheit entstanden, die nicht ohne Einfluss auf diesen Streit bleiben dürfte. B. Erstens steht derzeit keine Gesamt- oder Teilkodifikation des Privatrechts der Union im Raum. Die Hoffnungen, die sich insoweit an den DCFR geknüpft hatten, haben sich nicht erfüllt. Das mag man bewerten, wie man will, und man mag die Ursachen an verschiedener Stelle sehen. Man mag insbesondere, soweit es überhaupt um Rechtstechnik und nicht um Politik geht, anmerken, dass der DCFR zwar abstrahiert, aber nicht in dem Umfang, den die vorhandenen Gesetzbücher mit Allgemeinem Teil praktizieren. Jedenfalls ist bereits dieses Maß an Abstraktion – oder diese Art der Abstraktion – nicht durchsetzbar. Zweitens verändert sich die Konfiguration der Union. Das Vereinigte Königreich geht,2 also ein traditionell kodifikationsfeindlicher Mitgliedstaat und einer, aus dem einige Kritik am DCFR gekommen war. Das mag neue Anläufe begünstigen. Was die traditionell kodifikationsfreundlichen Systeme des Kontinents angeht, sind in den letzten Jahren Reformen zu beobachten (zuletzt und noch nicht abgeschlossen in Frankreich),3 nicht aber solche, die sich als Systementscheidungen für einen Allgemeinen Teil dort, wo es ihn bisher nicht gab, lesen ließen. Die deutsche Schuldrechtsreform von 2001 berührt zwar auch den Allgemeinen Teil, ist aber vor allem Modernisierung und Stärkung des Allgemeinen Schuldrechts. 1 Baldus (2013) 530. 2 Aus der schnell expandierenden Diskussion vgl. Kramme/Baldus/Schmidt-Kessel (2017). 3 Vgl. Limbach (2016) 161–162. Ebenso wurde anlässlich der ungarischen Rekodifikation des Zivilrechtrechts vom Jahr 2013 entschieden.

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Zu betrachten sind jedenfalls nicht die 27, sondern diejenigen der 27, die weder prinzipielle Probleme mit der Union haben noch eine verstärkte Zusammenarbeit im Zivilrecht ablehnen. Diese Gruppe ist heute noch nicht klar zu bestimmen. Zu vermuten ist, dass innerhalb dieser Gruppe Mitgliedstaaten mit und ohne Tradition eines Allgemeinen Teils (namentlich Deutschland und Frankreich) gleichermaßen einflussreich sein werden. Ihre Priorität wird jedenfalls nicht auf der obersten Abstraktionsebene der Gesetzgebung liegen. Bedeutet dies, drittens, einen Wettbewerb der Rechtsordnungen? Das hängt davon ab, was man unter diesem Begriff versteht. Richtig ist sicher eines: Jedes System arbeitet unter Bedingungen der Unsicherheit zunächst an seiner eigenen Optimierung, schon aus Effizienzgründen. Werben kann und sollte man nur für Verfahren, von denen man selbst überzeugt ist, und zwar nach praktischer Erfahrung überzeugt. C. Hier stellen sich Fragen an Systeme mit und ohne Allgemeinen Teil: zwei gegenläufige Fragen, die gleichwohl auf einen Grundgedanken zurücklaufen, nämlich auf den, wie Aufwand und Ertrag der Rechtsfindung in ein sinnvolles Verhältnis gebracht werden können. Daran knüpft sich eine Selbstprüfungsfunktion der Rechtsordnung, deren Gewand dort die Analogie ist, wo kein Allgemeiner Teil existiert, dort hingegen, wo einer besteht, eher die (einschränkende) Auslegung – jedenfalls wenn man, in deutscher Methodentradition, scharf zwischen beiden Instrumenten trennen will. Wo es keinen Allgemeinen Teil gibt, pflegen Analogien (oder, romanisch: „erweiternde/analogische Auslegungen“) zu entstehen: Einzel- oder Gesamtanalogien, zwischen einzelnen Büchern des Gesetzbuches, oftmals ausgehend vom Schuldrecht oder Vertragsrecht, das solcherart funktionell den Charakter eines Allgemeinen Teiles annehmen kann. Der sachgerechten Lösung nicht-schuldrechtlicher beziehungsweise nicht-vertragsrechtlicher Probleme muss dies nicht dienlich sein. Hat man einen Allgemeinen Teil, kann die Lösung für Spezialfragen zu breit sein, und wenn in den Besonderen Teilen keine Spezialnorm besteht, muss die des Allgemeinen Teils enger ausgelegt werden. Das kann sekundäre Lücken schaffen, deren Füllung wiederum nur im Wege der Analogie möglich ist. Diese Problematik, das Verhältnis zwischen An- oder Abwesenheit eines Allgemeinen Teiles und Strukturen des Methodendenkens, bleibt weiter auszuleuchten. Dabei mag auch ein vergleichender Blick auf das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert hilfreich sein. D. Jedenfalls: Jede der denkbaren Grundkonstruktionen des Gesetzes zwingt zur Reflexion auf Methode, namentlich zur Reflexion auf das Verhältnis von Gesetzesaufbau und Rechtsanwendung. Damit ist ein Problem angesprochen, das quer zu den systematischen Traditionen liegt. Methodik ist vielerorts strikt von

Schlussbemerkungen

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Dogmatik getrennt und wird für eine primär theoretische Disziplin gehalten. Nichts gegen einen soliden theoretischen Unterbau; aber eine Methodik, die nicht von vornherein auf Praktikabilität und Dialog mit der Praxis zieht, beraubt sich selbst jeder Relevanz. Sie beraubt sich auch des reichen Potentials an immer neuen Fällen, die aus der Praxis kommen und eine permanente Justierung ermöglichen. Umgekehrt wird eine akademisch gut informierte Praxis für jede theoretische Einschätzung ihrer neuen Probleme dankbar sein. Welche Optimierungen in Rechtsordnungen mit oder ohne Allgemeinen Teil möglich sind, muss in solchem Dialog immer wieder neu gefragt werden, und so kann sich langsam ein belastbares Bild der Erfahrungen herausbilden. E. Was bei der Suche nach Optimierungen des eigenen Systems jedenfalls erreicht wird, ist eines: Die Fähigkeit zum Nachdenken über die im jeweiligen System beste Lösung bleibt erhalten und wird weiter entwickelt. Gut möglich ist, dass am Ende die Analogiefragen der Systeme ohne Allgemeinen Teil und die Auslegungsfragen der Systeme mit Allgemeinem Teil sachlich koinzidieren. Vielleicht wird man dann auch ein rechtspolitisches und rechtswissenschaftliches Umfeld finden, in dem auch praktisch zielführend nach systematischer Verallgemeinerung in Europa gefragt werden kann.

2.  Zweifel? – Wojciech Dajczak Die in diesem Band dokumentierten Fragen und Hypothesen nehmen nicht für sich in Anspruch, die Frage mit einem klaren Ja oder Nein beantworten zu können, ob im Privatrecht ein Allgemeiner Teil nützlich ist und bleibt. Die Aufnahme dieser systematischen Schöpfung der Rechtswissenschaft an der Wende vom 18. zum 19. Jh. resultiert in jedem Zivilgesetzbuch aus der rechtspolitischen Entscheidung des nationalen Gesetzgebers. Die Beurteilung von Entscheidungen dieser Art blieb außerhalb des Interesses der im Rahmen dieses Projektes organisierten übernationalen rechtswissenschaftlichen Debatte. Typisch für die Autoren aus drei Generationen und drei Kreisen4 der kontinentaleuropäischen Rechtstradition war die Verbindung konkreter dogmatischer und methodischer Fragen mit der historischen Verwurzelung des Allgemeinen Teils des Privatrechts oder mit der Spannung zwischen der Rechtssicherheit einerseits und andererseits der Akzeptanz der konkreten Lösung im gesellschaftlichen Leben.

4 Das heutige polnische Privatrecht passt eindeutig nicht in einen der traditionell begriffenen Rechtskreise. Anschaulich kann man es als „hybrid civil legal system“ bestimmen, vgl. Dajczak (2012) 23.

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Einige Parallelen zwischen Gedankengängen oder Feststellungen der einzelnen Autoren halte ich für denjenigen Beitrag, der die Diskussion über die Leistungsfähigkeit des Allgemeinen Teils des Privatrechts bereichert. Diese Ähnlichkeiten lassen sich in drei Punkten fassen. Erstens: Einige der im Band analysierten arbiträren Entscheidungen der Systemschöpfer im 18. und 19. Jh. lassen sich in vertiefter historischer Perspektive als Beispiele der Neigung zur Minderung der empirischen Vielfalt des Rechtslebens bestimmen. Die Altersgrenze von sieben Jahren in § 104 BGB kann man im Lichte des Beitrages von Francesca Lamberti als das Ergebnis arbiträrer Vereinfachung der historischen Entwicklungen im römischen ius controversum durch die Pandektistik ansehen5. Zu den Ergebnissen meiner Forschungen über mathematische Inspirationen des Allgemeinen Teils des Privatrechts gehört die Bemerkung, dass die beschränkte, arbiträre Nutzung der mathematischen Inspirationen für die Formalisierung der juristischen Methode im 17. und 18. Jh. bereits dem damaligen Stand der mathematischen Debatte nicht entsprach. Die Schöpfer demonstrativer juristischer Methode hätten ihnen nicht ganz unbekannte Entwicklungen der Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung kennen können, die ihnen Instrumente zur kritischen Beleuchtung der Spannung zwischen der arbiträren Verallgemeinerung des Rechtsstoffes und der Vielfalt des Soziallebens angeboten hätten6. Im funktionalen Einklang mit diesen historischen Bemerkungen steht das negative Ergebnis des Gedankenexperimentes von Thomas Raff zum Sinn der Verallgemeinerung der Verwendungsersatzregeln. Die rechtsdogmatische und rechtspolitische Analyse schloss der Verfasser mit der Feststellung, dass die Abstrahierung der allgemeinen Regeln zum Verwendungsersatz aus ausdifferenzierten Detailregelungen im Gegensatz zum Bedürfnis der Praxis nach ausdifferenzierten Rückabwicklungssystemen stehe7. Zweitens signalisierten die Beträge zur Verjährung als Institut des Allgemeinen Teils die Defizite dieses systematischen Modells des Privatrechts im Kontext der systematischen Auslegung. Joanna Kruszyńska-Kola formulierte die deutliche These, dass aus der Sicht der Verjährung das pandektistische Modell der Ordnung des Privatrechts nicht ganz positiv begründet werden kann. Die Verfasserin sieht das Defizit in der unzureichenden Beschränkung der Flexibilität der Auslegung der Vorschriften des Allgemeinen Teils8. Eine solche systematische Position der Verjährung entscheidet u.a. über ihre Anwendung auch auf den 5 6 7 8

Lamberti, i.B., 40. Dajczak, i.B., 62. Raff, i.B., 117. Kruszyńska-Kola, i.B., S. 93.

Schlussbemerkungen

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Herausgabeanspruch9. Aus der Vindikationsverjährung resultiert die Figur des dominium sine re, die nach Hans-Georg Knothe als unlösbarer Konflikt zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit gilt. Der Vorschlag des Verfassers zur Milderung dieser Spannung besteht in der Einführung eines besonderen Beginns der Verjährungsfrist mit der Erkennbarkeit des Anspruchs seitens des Eigentümers10. Funktionell richtet sich der Vorschlag also gegen die Idee der Verallgemeinerung des Rechtsstoffes und auf die Differenzierung der Verjährungssysteme. Drittens wirken sich die Institute des Allgemeinen Teils wie eine Bedingung oder Voraussetzung der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts auf die Spannung zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit in verschieden Mikrosystemen11 des Privatrechts aus. Die praxisnahe Präzisierung dieser Auswirkungen setzt die Berücksichtigung der legitimen Erwartungen der Parteien voraus, die besser durch Regelungen in Mikrosystemen des Privatrechts geschützt werden können. Das Problem veranschaulicht die von Jürgen Kohler analysierte Haftung des Käufers nach dem Eintritt einer auflösenden Bedingung, der die Leistung in der Schwebezeit unbedingt erhalten hat. Die Suche nach der für den Empfänger wirtschaftlich sinnvollen sowie für seinen Vertragspartner kalkulierbaren und beherrschbaren Lösung objektivierte der Verfasser mit dem „sequenzierten Prüfalgorithmus“, der zum Vindikationsfolgerecht führte12. Die Effizienz eines Mikrosystems des Privatrechts für den Schutz der legitimen Erwartungen im Rechtsverkehr betonte Bruno Rodríguez-Rosado in seinem Beitrag zur Eigentumsübertragung einer beweglichen Sache nach deutschem Recht. Die Anwendung der Vorschriften des Allgemeinen Teils auf das abstrakte Verfügungsgeschäft schwächt nach dem Verfasser den Verkehrsschutz, der die Besonderheit des abstrakten dinglichen Vertrags im deutschen Sachenrecht legitimiert. Die Überwindung dieses praktischen Defizites ermöglichen nach Rodríguez-Rosado die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb13, also das Mikrosystem des Eigentumserwerbs. Es stünde im Widerspruch zum differenzierenden Tenor der in diesem Band gesammelten Aufsätze, radikale Thesen über die Zukunft des Allgemeinen Teils in der gesetzlichen Systematik des Privatrechts aufzustellen. Gleichwohl zeigen sich, und zwar aus neuen Perspektiven, Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen Beiträgen, und sie bestätigen die bekannte Spannung zwischen der Verallgemeinerung des Rechtsstoffes und dem Problem der praxisnahen legitimen Erwartungen 9 10 11 12 13

Knothe, i.B., 174. Knothe, i.B., 185. Ein Mikrosystem im Sinne funktionaler Aussonderung des Rechtsstoffes. Kohler, i.B., 158–159. Rodrigez, i.B., 200.

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der Teilnehmer am Rechtsverkehr, die bei der Gestaltung von Gesetzestexten berücksichtigt werden wollen. Die im Band gesammelten Beträge lassen zwei Wege zur Milderung dieser Spannung erkennen. Erstens die Verstärkung mit der quasi-algorithmischen – also stark von der juristischen Logik geprägten – Argumentation der Bindung zwischen Instituten des Allgemeinen Teils und Regelungen der Mikrosysteme des Privatrechts, die tiefer in der Vielfalt des Soziallebens verwurzelt sind14. Eine zweite Lösung könnte zumindest zur Einschränkung, vielleicht auch geradezu zu einer Entfernung des Allgemeinen Teils aus Gesetzestexten führen, die ihn heute enthalten. Der erste Weg kann einen quantitativen Fortschritt der demonstrativen juristischen Methode bedeuten, die auch der Idee eines formalen Instrumentes für das einfache Auffinden und die einheitliche Anwendung der im Allgemeinen Teil präzisierten Rechtsbegriffe zugrunde liegt. Das praktische Potential dieser Art und Weise von Fortschritt scheint mir jedoch auf die Rechtskulturen beschränkt, die von einer starken Formalisierung der juristischen Argumentation geprägt sind. Die Wahl des zweiten Weges droht die negativen Folgen der Dekodifikation zu steigern. Die vorhersehbare Rechtsfindung muss immer irgendwie auf irgendwelchen systematischen Vorstellungen basieren. Die signalisierte Alternative bringt jedoch die Chance auf qualitative Fortschritte der methodischen Verbindung zwischen systematischem Denken über das Privatrecht und der Rechtsfindung mit sich. Die Erfahrungen mit der Entstehung und Anwendung des Allgemeinen Teils in der pandektistischen Systematik machen die Vermutung plausibel, dass die Nutzung der Inspirationen und Leistungsmöglichkeiten heutiger praktischer Informatik und Mathematik qualitative Änderungen des systematischen Denkens über das Privatrecht mit sich bringen können. Meines Erachtens war die Idee der signifikanten Verbesserung der Suchfunktion des Rechtssystems als einer „Suchmaschine“ für die dem konkreten Fall adäquaten rationes decidendi zentral für die mathematischen Inspirationen des Allgemeinen Teils15. Die Verabschiedung des Allgemeinen Teils aus dem Zivilgesetzbuch ohne Rücksichtnahme auf die Suchfunktion dieser systematischen Figur würde einen gravierenden Verlust bedeuten. Die heutige praktische Informatik bietet jedoch Möglichkeiten der Algorithmisierung der Suche nach rationes decidendi, die im 18. und 19. Jahrhundert unvorstellbar waren. Im 19. Jh. bedeutete die Verallgemeinerung der Rechtsbegriffe im Allgemeinen Teil Fortschritt in der Suche nach dogmatischen Inhalten dieser Begriffe. Die hier signalisierten Probleme spiegeln jedoch einige

14 Kohler, i.B., 158–159. 15 Dajczak, i.B., 55.

Schlussbemerkungen

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Defizite der Verallgemeinerung des Rechtsstoffes wider. Das steht im Einklang mit heutigen polnischen Entwicklungen. In der laufenden akademischen Diskussion über die Rekodifikation des polnischen Zivilrechts verlor der Allgemeine Teil die Position des systematischen Axioms16. Immer aktueller wird daher die Frage nach einer innovativen Alternative zum Allgemeinen Teil. Die in diesem Kontext klare Frage nach der Suchfunktion der Rechtssystematik bietet eine neue Perspektive für diese Debatte. Das führt zur Schlussbemerkung. Die Zweifel an der langfristigen Zukunft des Allgemeinen Teils als Strukturbestandteil der gesetzlichen Regelung des Privatrechts sind nicht unbegründet. Diese Prognose betrifft den gesetzlichen Allgemeinen Teil des Privatrechts. Die historischen Wurzeln dieser systematischen Figur liegen jedoch in der Wissenschaft17 und der Didaktik18 des Rechts. Man kann zwischen dem wissenschaftlichen Allgemeinen Teil und dem gesetzlichen Allgemeinen Teil als seinem historischen Produkt aus dem 19. Jh. unterscheiden. Dadurch erweitert sich der Blick auf die Leistungsfähigkeit der Figur „Allgemeiner Teil“ über die für diesen Band typische Problemstellung hinaus. Die Wissenschaft kann mit der Verallgemeinerung des Rechtsstoffes die Dogmatik des geltenden Rechts souverän beurteilen und erweitern. In der Didaktik des Rechts hilft die Verallgemeinerung der Rechtsbegriffe und Rechtsinstitute bei der elementaren Darstellung. Dieser Band will Beispiele dafür geben, wie die historisch-vergleichende Perspektive auf die wissenschaftliche Verallgemeinerung des Rechtsstoffes Inspirationen, aber auch kritische Argumente für die Beurteilung rechtspolitischer Innovationen hervorbringen kann. Didaktische Verallgemeinerung des Rechtsstoffes hilft Jurastudierenden, die Kernelemente universaler privatrechtlicher Institute und Begriffe zu erfassen. Das Erste ist nützlich für rationale Gesetzgebung, das Zweite für Studenten. Schon aus diesem Grund sollte man die über die Zukunft des gesetzlichen Allgemeinen Teils formulierten Zweifel nicht automatisch auf den wissenschaftlichen Allgemeinen Teil übertragen. Die oben versuchte Prognose für den gesetzlichen Allgemeinen Teil macht jedoch die Vermutung plausibel, dass eine Reduktion des wissenschaftlichen Allgemeinen Teils auf die bloße Dogmatik des konkret geltenden Rechts eine Bedrohung für seine wissenschaftliche Leistungsfähigkeit mit sich bringen kann. Die dogmatischen Innovationen der wissenschaftlichen Verallgemeinerung des Rechtsstoffes waren im 19. und 20. Jh. stark mit Postulaten der Entwicklung historischen und vergleichenden19 Denkens über das Recht verbunden. Die jüngsten Erneuerungen 16 Vgl. Rodziewicz (2017) 135–136. 17 Dabelow (1796) 32. 18 Heise (1839) III. 19 Rabel (1967) 3.

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der Privatrechtswissenschaft sind mit dem Versuch assoziiert, rechtsvergleichende Ergebnisse im Sinne einer übernationalen juristischen Grammatik zu gewinnen20. Eine positive Prognose für den wissenschaftlichen Allgemeinen Teil des Privatrechts setzt also voraus, dass Dogmatik sich nicht als geschlossenes, ratione imperii geltendes System versteht. Vielmehr muss sie in ständiger Verbindung mit den historischen und theoretischen Grundlagen des Rechts eine kommunikative Struktur für Diskussionen über das Privatrecht suchen.

Literaturverzeichnis Baldus (2013): Christian Baldus, Anstelle eines rapport de synthèse, in: Christian Baldus/Wojciech Dajczak (Hrsg.), Der Allgemeine Teil des Privatrechts. Erfahrungen und Perspektiven zwischen Deutschland, Polen und den lusitanischen Rechten (Frankfurt a.M. 2013) v. Bar (2009): Christian v. Bar et al., Definitions, in: Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law. Draft Common Frame of Reference (DCFR) (Munich 2009). Dabelow (1796): Christoph Dabelow, System des gesamten heutigen Civil-Rechts, Teil 1 (Hall 1796). Dajczak (2012): Wojciech Dajczak, The Polish way to a unified law of contract – local curiosity or contribution to the European debate today? in: Christian. v. Bar/Aarkadiusz Wudarski (Hrsg.), Deutschland und Polen in der europäischen Rechtsgemeinschaft (München 2012) 13–24. Heise (1839): Arnold Heise, Grundriss eines Systems des gemeinen Civilrechts zum Behuf von Pandecten-Vorlesungen (3. Aufl. Heidelberg 1839). Kramme/Baldus/Schmidt-Kessel (2017): Malte Kramme/Christian Baldus/Martin Schmidt-Kessel (Hrsg.), Brexit und die juristischen Folgen. Privat- und Wirtschaftsrecht der Europäischen Union (Baden-Baden 2017). Limbach (2016): Francis Limbach, Die französische Reform des Vertragsrechts und weiterer Rechtsgebiete, in: Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union (GPR) 13 (2016) 161–164. Rabel (1967): Ernst Rabel, Aufgabe und Notwendigkeit der Rechtsvergleichung, in: Ernst Rabel, Gesammelte Aufsätze, Bd. 3 (Tübingen 1967). Rodziewicz (2017): Piotr Rodziewicz, Struktura kodeksu cywilnego. Sprawozdanie z ogólnopolskiej konferencji naukowej, Wrocław 14.10.2016 r. (Struktur des Zivilgesetzbuches. Bericht von der wissenschaftlichen Konferenz, Wrocław 14.10.2016) in: Państwo i Prawo, LXXII (2017) Heft 4, 134–137. 20 Vgl. v. Bar (2009) 545–570.

Index A Abstraktions- bzw. Trennungsprinzip,  127, 132, 153 ihre Kritik,  196 Abstraktionsprinzip, 192–203 Allgemeiner Teil des Privatrechts (bzw. Zivilrechts),  15–18, 43, 45, 61–63, 118, 125, 214 auctoritas tutoris,  23–28, 31, 34, 37 Ausklammerung,  16, 44, 63 Ausklammerungstechnik,  16, 74 B Bénabent, Alain,  85, 94 Bereicherungshaftung,  134, 136, 137, 139, 140, 147, 155, 157, 160, 161 Bereicherungsrecht,  100, 106, 107, 118, 128, 129, 131, 135–138, 145, 153–155, 157, 158, 160, 161, 197, 198 Bernoulli, Nicolaus I,  45, 61, 62, 65, 66 Beweislast,  168, 176 bona fides,  170, 171 siehe auch Treu und Glauben bonorum possessio,  33, 38, 40 bösgläubiger Besitzer,  109, 110, 112, 115, 176, 181, 185 Bydlinski, Franz,  76, 79, 88, 89, 94 C Cantor, Moritz,  45, 46, 50, 56, 65 Carbonnier, Jean,  90–92, 95 causa,  40, 139, 154, 170, 192, 193, 200 Claporth, Johann Christian,  57, 58, 59, 65

Codex Iustinianus (CI.),  11, 32 Codex Theodosianus (CTh),  11, 38 Coing, Helmut,  61, 65, 72, 73, 77, 86, 95, 202 condictio, 139 causa data causa non secuta,  139 condictio ob rem,  139 indebiti, 192 ob causam finitam,  138, 139, 157 Corpus Iuris Canonici, 51 Corpus Iuris Civilis,  51, 74, 171 Courbe, Patrick,  85, 95 culpa,  141, 159 culpa in contrahendo,  97, 136 D Dabelow, Christoph,  55, 59, 65, 78, 95, 213, 214 Descartes, René,  45, 56, 65 Digesten,  29, 32, 33, 46, 62, 73, 94, 192 siehe auch Pandekten dominium sine re,  165, 166, 175, 181, 184, 211 Dritterwerber,  193–196, 200 E eheliche Gütergemeinschaft,  111 Eigentum sine re, 175 Elend, Gottfried Heinrich,  56–59, 66 Entwurf des Allgemeinen Teils von Gebhard, 15 Erbschaft,  32, 33, 38, 112–115 Erbschaftskauf,  114–116, 118 Erhaltungskosten,  103, 104, 107–109, 113–116, 119

216 F Florencourt, Carl Chassot de,  60 Flume, Werner,  128, 129, 133, 138, 150, 156, 160, 162, 201 furiosus,  26–28, 31–33, 39 G Gaius,  24, 26–32, 35 Gaius-Systematik, 74 Geschäftsfähigkeit,  24, 26, 41, 94, 200 Geschäftsführung ohne Auftrag,  106–108, 110, 111, 113, 146 siehe auch negotiorum gestio Giaro, Tomasz,  15, 19, 61, 63, 66, 77, 95 Graunt, John,  50 Grotius, Hugo,  51 gutgläubiger Erwerb,  167, 176, 180, 193–197 H Haubold, Christian Gottlieb,  78, 96 Heise, Georg Arnold,  55, 59, 61, 62, 66, 73, 74, 76, 78, 79, 96, 213, 214 hereditatis aditio,  32, 33, 40 Huber, Eugen,  16, 19, 197, 201 Hugo, Gustav,  55, 73, 76, 78 I impuberes,  23, 24–26, 31, 41 infans,  25–28, 30, 32, 33, 37–39 Insolvenz, 195–198 Institutiones des Gaius,  24, 26, 29, 32, 42 Institutiones des Justinians,  28, 39 interusurii,  52, 60, 66 ius canonicum, 172 ius civile,  52, 53, 57, 170, 172 iusta causa traditionis,  192, 193, 201

Index

K Kausalprinzip,  192–196, 198, 199 Kunstwerke,  17, 165, 178–181, 183, 187–189 L Leibniz, Gottfried Wilhelm,  45, 50–52, 55–57, 59, 63, 66, 67 Leistungskondiktion,  136, 137, 195, 196 M Mathesis forensis,  55, 59, 60–62, 67 Modestinus, Herennius,  35, 36 Morrison, James,  16, 19 Mulzer, Ignaz,  54 N Naturrecht,  51, 56, 57, 74, 78, 96, 170 negotiorum gestio, 146 siehe auch Geschäftsführung ohne Auftrag Nettelbladt, Daniel,  53–55, 59, 67, 78 Nießbrauch, 110, 116, 117, 119 O ontologia iuridica, 54 P Pandekten, 53 siehe auch Digesten Pandektistik (Pandektenwissenschaft),  15, 174, 210 pandektistische Systematik (bzw. Gliederung),  17, 43, 76, 77, 212 pandektistisches Modell,  76, 93, 210 Paraphrasis des Theophilus,  39 Paulus, Iulius,  32, 33, 38, 192

217

Index

Petty, William,  52 Pflichtverletzung,  133, 140–144 Pollack, Johann Friedrich,  59, 60, 62, 67 positive Vertragsverletzung,  135, 162 praescriptio, 170–173 praescriptio longi temporis, 170–172 pro herede gestio,  33, 41 Prütting, Hanns,  176, 180, 182, 183, 188 puberes,  24, 25 pupillus,  25–33, 36, 37 Q Quintilian, Marcus Fabius,  34 R Rabel, Ernst,  164, 192, 193, 202, 213, 214 Ranieri, Filippo,  193, 202 Rechtssicherheit,  17, 97, 125, 126, 140, 142, 144, 158, 160, 165–168, 173, 182–185, 191, 192, 200, 209, 211 rei vindicatio,  166, 171–173, 185, 192 siehe auch Vindikation Rückabwicklung,  119, 128, 129, 131, 135, 137–140, 142, 143, 145, 148, 151, 153–155, 157, 158, 160, 162, 163, 186, 198 Rückgewähr des Geleisteten in Natur,  129, 130 Rücktritt (bzw. Rücktrittsrecht),  104, 131, 134–137, 140, 141, 145, 150, 153, 155–157, 159–162, 164, 199 S Savigny, Friedrich Carl von,  14, 39, 40, 42, 74, 76, 78, 79, 98, 167, 169, 172–174, 188, 192–194, 200–202

Schadensersatz,  118, 127, 132, 135, 136, 151, 156, 161, 178 Schadensersatzanspruch, 134 Schadensersatzhaftung,  135, 139, 140, 143, 157, 159, 160 Schadensersatzpflicht,  105, 129, 133, 160 Schwarz, Andreas,  74, 78, 79, 98 Schwebelage,  127, 133, 134, 143, 156 Schwebezeit,  17, 123, 130, 132, 143–145, 158, 211 sponsalia,  35, 36 Stadler, Astrid,  193, 196, 197, 199, 202 stipulatio (Stipulation),  27, 28, 30, 31, 193 Struve, Georg,  46, 47, 67 T Theophilus, 39 Todeserklärung,  61, 62 Treu und Glauben,  144, 163 siehe auch bona fides tutor,  26, 28, 33 U Ulpianus, Domitius,  30, 35–37 Unger, Johann Friedrich,  60 Ungewissheit,  17, 123, 126, 127, 140, 156, 158 siehe auch Schwebezeit Unmündige,  25–33, 36–38 usucapio,  170, 171 usus modernus Pandectarum, 46 V Verfügungsgeschäft,  132, 192, 195, 200, 201, 211 Verjährung der Vindikation,  17, 165, 174, 175, 184, 186, 188

218 Verjährungseinrede,  136, 171, 174, 176 Verjährungsfrist,  81–83, 90, 91, 166, 167, 171, 173, 174, 177, 180, 181, 184, 185, 211 Verkehrsschutz,  196, 199, 200, 202, 211 Verpflichtungsgeschäft, 132–134, 192–194, 196, 198, 200 Vertragsauslegung,  130, 131, 138, 144, 148 Verwendungsersatz,  18, 99, 100, 103–106, 109–116, 118, 119, 131, 210 Vetragsverletzung (positive) siehe positive Vertragsverletzung Vindikation,  181, 182 siehe auch rei vindicatio

Index

Vindikationsverjährung, 174–178, 181, 183–185, 187, 188, 211 W Wacke, Andreas,  123, 146, 149, 161, 164, 170, 189, 194–196, 198, 202, 203 Weigel, Erhard,  45–53, 55, 56, 59, 63, 65, 67, 68 Wiederkaufrecht,  105, 106 Windscheid, Bernhard,  15, 16, 167, 168, 173, 189 Wolff, Christian,  52, 53, 55–58, 63, 68, 74 Z Zwangsvollstreckung,  195, 196, 198

Autorenverzeichnis Prof. Dr. Christian Baldus – Lehrstuhl für geschichtliche Rechtswissenschaft, Romanistische Abteilung, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Prof. Dr. Wojciech Dajczak – Lehrstuhl für Römisches Recht und Rechtsgeschichte, Adam-Mickiewicz-Universität Poznań Prof. emeritus Dr. Hans-Georg Knothe – Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Rechtsgeschichte, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Prof. Dr. Jürgen Kohler – Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Mgr. Joanna Kruszyńska-Kola – Lehrstuhl für Römisches Recht und Rechtsgeschichte, Adam-Mickiewicz-Universität Poznań Prof. Dr. Francesca Lamberti – Professorin des römischen Rechts und der antiken Rechte, Abteilung der Rechtswissenschaft, Universität Salento Lecce Dr. Thomas Raff – Notarassessor in der Pfalz, Lehrbeauftragter an der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Prof. Dr. Bruno Rodríguez-Rosado – Abteilung des Bürgerlichen Rechts, Universität in Malaga

Schriften zur Entwicklung des Privatrechtssystems Herausgegeben von Christian Baldus und Christian Pohl

Band 1  Susanne Kaiser: Rückwirkender successorale und Erbteilung. 2005. Band

Vermögensübergang?

Partage

de

l’indivision

2 Magnus Dorweiler: Vermögensvorteil und Geldwert beim Vermächtnis. 2005.

Band 3  Stefan Schneider: Rückgriffskondiktion. Die Legitimation der Rückgriffskondiktion in Drittleistungsfällen. 2008. Band

4 Bruno Rodríguez-Rosado: Abstraktionsprinzip und redlicher Erwerb als Mittel zum Schutze des Rechtsverkehrs. 2009.

Band

5 Benedikt Kühle: Der Dualismus von ausdrücklicher und stillschweigender Willenserklärung. 2009.

Band 6  Melanie Schenk: Die Verkehrsauffassung in BGB und UWG. Am Beispiel des Sachenrechts und der Irreführungsgefahr. 2010. Band 7  Michael Giebel: Der Erbschaftskauf – ein überflüssigerweise normiertes Rechtsinstitut. 2010. Band 8 Jacek Lehmann: Vindikation und richterlicher Wertungsspielraum. Der Rechtsmissbrauch in der deutschen und polnischen Rechtserfahrung. 2011. Band 9  Sérgio Fernandes Fortunato: Früchte und Nutzungen. Eine dogmenhistorische Untersuchung zur privatrechtlichen Erfassung von Vermögenserträgen. 2012. Band 10  Christian Baldus / Wojciech Dajczak (Hrsg.): Der Allgemeine Teil des Privatrechts. Erfahrungen und Perspektiven zwischen Deutschland, Polen und den lusitanischen Rechten. 2013. Band 11 Christian Baldus / Simone Schmon (Hrsg.): Zivilprozess und historische Rechtserfahrung. 2015. Band 12  Christian Baldus / Wojciech Dajczak (Hrsg.): Der Allgemeine Teil des Privatrechts. Historische Wurzeln – Leistungsfähigkeit im 21. Jahrhundert. 2018. www.peterlang.com