Das Wechselrecht der Postglossatoren: Zweiter Teil: Präsentationspapier, Inhaberpapier, Indossament [1 ed.] 9783428563487, 9783428163489

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Das Wechselrecht der Postglossatoren: Zweiter Teil: Präsentationspapier, Inhaberpapier, Indossament [1 ed.]
 9783428563487, 9783428163489

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Das Wechselrecht der Postglossatoren Zweiter Teil: Präsentationspapier, Inhaberpapier, Indossament Von

Carl Freundt

Duncker & Humblot reprints

DAS

WECHSELKECHT DEB POSTGLOSSATOREN.

DAS

WECHSELRECHT DER

POSTGLOSSATOREN. VON

DR. CARL FREUNDT, RECHTSANWALT

ZWEITER

IN

HAMBURG.

TEIL.

PRÄSENTATIONSPAPIER, INHABERPAPIER,

INDOSSAMENT.

LEIPZIG, VERLAG

VON

DUNCKER & 1909.

HUMBLOT.

A l l e

Rechte

vorbehalten.

Altenburg Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co.

Vorwort. I m ersten Teile dieser Arbeit ist die Entstehung der urkundlichen Form des mittelalterlichen Wechsels, der lettera di pagamento, dargelegt, und es sind diejenigen materiellen Rechtsverhältnisse entwickelt worden, zu deren Beurkundung diese Form dient; den Gegenstand der folgenden Untersuchung bildet clie Feststellung desjenigen Rechts, welches von der lettera di pagamento gilt, insofern sie Urkunde ist, insbesondere die Feststellung derjenigen Rechtssätze, welche für die formelle Entstehung, Ausübung und Übertragung der in der lettera di pagamento beurkundeten materiellen Rechte und Verbindlichkeiten maßgebend sind. Dieses formelle Urkundenrecht der Tratte ist nicht wie ihre äußere Form eine Schöpfung des späteren Mittelalters ; die lettera di pagamento t r i t t vielmehr lediglich in den Kreis der zu ihrer Entstehungszeit gebräuchlichen Rechtsurkunden als eine neue Spezies derselben ein und unterliegt zur Zeit ihrer Entstehung den Rechtssätzen, welche von Urkunden derjenigen Kategorien, zu welchen sie gehört, überhaupt gelten. Dieses spätmittelalterliche Urkundenrecht steht in ununterbrochener Kontinuität mit dem Rechte des früheren Mittelalters und dieses wieder mit dem Rechte des Altertums. Bei dem Versuche, die Sätze dieses Rechtes unmittelbar aus den Quellen zu entwickeln, habe ich mich überzeugt, daß die geltende Anschauung über den Inhalt dieses Rechts, welche von B r u n n e r begründet und zu fast unbestrittener Herrschaft gebracht ist, dem Inhalt der Quellen nicht entspricht.

VI

Vorwort.

Die Widerlegung der von B r u n n e r aufgestellten Sätze und die Begründung derjenigen Sätze, welche nach meiner Meinung an die Stelle derselben zu treten haben, hat einen erheblichen Umfäng angenommen, und da diese Untersuchungen schlechterdings nicht als Teile der Darstellung des spätmittelalterlichen italienischen Wechselrechts gelten können, so veröffentliche ich sie separat unter dem Titel „Wertpapiere im antiken und frühmittelalterlichen Rechte". I n der nachfolgenden Arbeit werde ich lediglich diejenigen meiner Resultate, an welche das Recht der mittelalterlichen Tratte anknüpft, kurz darlegen und verweise für die Begründung der hier beweislos aufgestellten Sätze auf jene zurzeit im Druck befindlichen Untersuchungen. Dem ersten Teile dieser Arbeit ist vielleicht nicht mit Unrecht der Vorwurf gemacht worden, daß ihr Titel nicht glücklich gewählt sei. Dieser Vorwurf kann den folgenden Erörterungen gegenüber mit noch mehr Recht erhoben werden, denn dieselben beschäftigen sich größtenteils überhaupt nicht mit dem Wechsel, sondern mit dem Inhaberpapier, und auch wo sie zum Wechsel zurückkehren, nicht mit dem Wechselrecht der Postglossatoren, sondern mit dem Wechselrecht des 17. Jahrhunderts. Ich habe daher durch den Untertitel „Präsentationspapier, Inhaberpapier, Indossament" den eigentlichen Inhalt des Folgenden genauer zu umschreiben versucht.

Inhalt. Seite

Erste

Abteilung.

Die Tratte als dispositive Urkunde und als Präsentationspapier (§1) Zweite

Das Indossament.

Einleitung (§2)

13

Erste r A bschnitt. Das I n h a b e r p a p i e r im späteren Mittelalter § 3. Die I n h a b e r k l a u s e l im i t a l i e n i s c h e n V e r k e h r . § 4. D i e I n h a b e r k l a u s e l i n der D o k t r i n der Postglossatoren § 5. Das französische I n h a b e r p a p i e r § 6. Das deutsche I n h a b e r p a p i e r Ζ weiter Abschnitt.

Verträge

über Leis tungen

D r i t t e in der r o m a n i s t i s c h e n Dritter

Abschnitt.

16. J a h r h u n d e r t s

1

Abteilung.

Das und

D o k t r i n (§7)

Inhaberpapier

die

Entstehung

des

16 16 25 32 59

an . .

76

des In-

dossaments

87

Erstes K a p i t e l . Das I n h a b e r p a p i e r des 16. J a h r h u n d e r t s § 8. I n I t a l i e n u n d F r a n k r e i c h § 9. I n den Niederlanden

87 87 89

Zweites K a p i t e l . D i e E n t s t e h u n g des Indossaments . § 10. Das italienische I n h a b e r p a p i e r und die cedula bancaria § 11. Das Indossament der lettera di cambio . . .

102 102 117

Erste Abteilung.

Die Tratte als dispositive Urkunde und als Präsentationspapier. § 1. Als I r n e r i u s und seine Schüler ihre Tätigkeit begannen , fanden sie auf dem Gebiete des Urkundenrechts einen Rechtszustand vor, welcher in Theorie und Praxis durchaus derjenige des römischen Rechtes war. Für die Theorie war, wie die Expositio des Liber Papiensis beweist, das römische Recht dasjenige, welches in Italien prinzipiell galt; es war nicht nur überall dort anzuwenden, wo langobardische Rechtssätze nicht existierten, sondern die langobardischen Rechtsinstitute wurden auch, um sie für die praktische Anwendung im Einzelfalle tauglich zu machen, den römischen Rechtsbegriffen eingeordnet, römischrechtlich konstruiert. In der Praxis des Urkundenrechtes aber bestanden keinerlei Rechtssätze oder Rechtsinstitute, welche der U r kunde eine andere juristische Funktion zuwiesen als diejenige, die sich aus dem römischen Rechte ergibt; insbesondere bestand weder ein Rechtssatz des Inhalts, daß die unter Gegenwärtigen erfolgende Begebung einer carta, d. h. einer bestimmte formelle Merkmale zeigenden Urkunde, ein genereller A k t des Vertragsabschlusses sei, noch auch ein Satz des Inhalts, daß das Eigentum durch Begebung einer Freundt,

Wechselrecht d. Postgl.

II.

1

te Abteilung.

die Form der carta zeigenden Veräußerungsurkunde übertragen werden k ö n n e 1 2 . Das römische Urkundenrecht, welches die Glossatoren und Postglossatoren dem Corpus Juris entnahmen, ist durchaus dasjenige, welches dieses Gesetzbuch wirklich enthält, insbesondere ist die bei den antiken Pandektenjuristen sich findende Unterscheidung der dispositiven Urkunde von der einfachen Beweisurkunde den Glossatoren wie den Postglossatoren durchaus geläufig. Statt aller seien aus der Zahl der Glossatoren angeführt der Verfasser der Summa Trecensis, nach F i t t i n g 3 kein anderer a l s l r n e r i u s , der I V 21 § 7 bemerkt: Sunt autem quidam contractus, qui omnimodo scripturam desiderant, vel quia hoc a legibus nominatim expressum est . . . vel quia contrahentes id agunt, ut non aliter contrahant, nisi scriptura interveniat, und aus der Zahl der Postglossatoren B a l d us i n seinen Bemerkungen zum Speculum des Durantis s. t. de instrumentorum editione . . . Instrumentum continet quandoque probationem rei, quandoque essentiam rei et probationem, quandoque essentiam et non probationem. A u t enim fit instrumentum ad probandum et tunc continet probationem non essentiam. A u t ad contrahendum et tune, si est publicum, continet essentiam et probationem, si privatum continet essentiam et non probationem. Facit D. de pact. 1. Labeo, D. de pignoribus 1. cum tabernam § 1. C. de fi. instr. 1. contractus usw. 1

D i e i n v e s t i t u r a per c a r t u l a m ist n i c h t ein V e r t r a g d u r c h Überreichung der c a r t a , einer dispositiven Urkunde, sondern ein V e r t r a g durch Ü b e r r e i c h u n g eines Stückes Pergament, u n d die U r k u n d e , welche diese I n v e s t i t u r beurkundet, ist eine einfache B e w e i s u r k u n d e . S c h r ö d e r , Deutsche Rechtsgeschichte 4. A u f l . S. 279 A n m . 51. 2 Der Nachweis der i m vorstehenden aufgestellten Sätze bildet den I n h a l t des ersten A b s c h n i t t s meiner i m V o r w o r t erwähnten „ W e r t papiere i m a n t i k e n u n d f r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e n Rechte". 3 Summa Codicis des I r n e r i u s , herausgegeben v o n H . F i t t i n g

Tratte als dispositive Urkunde und als Präsentationspapier.

I n diesem System des Urkundenrechtes nimmt der mittelalterliche Wechsel, die lettera di pagamento \ keinerlei aparte Stellung ein ; die Rechtssätze, welchen sie als Urkunde unterliegt, sind keine anderen als diejenigen, welche sich daraus ergeben, daß sie eine Kombination von Schuldschein und Anweisung ist. Insofern sie ein Schuldschein ist, wird sie von den Postglossatoren, insbesondere von D u r a n t i s und B a l d u s als constitutum konstruiert, als ein mittels der Urkunde abgegebenesVersprechen des Ausstellers (Trassanten), die der Urkundenausstellung zugrunde liegende Schuld (regelmäßig, d. h. wenn die lettera di pagamento eine lettera di pagamento di cambio ist, die Schuld aus dem Remittierungsvertrage) erfüllen zu wollen. Der Rechtsakt, durch welchen sich der mittels dieser Urkunde geschlossene Vertrag (zwischen dem Trassanten und dem Remittenten) perfiziert, ist bei der lettera di pagamento kein anderer als bei jeder anderen dispositiven Urkunde über einen formlos gültigen Vertrag, kein anderer als im Falle eines schriftlichen Konstituts einer beliebigen anderen Schuld oder als im Falle des Abschlusses eines Kauf- bzw. Mietevertrages durch dispositive Urkunde. Lediglich weil die mit dem Konstitut verbundene Anweisung (soweit das Rechtsverhältnis zwischen Anweisenden und Anweisungsempfänger in Betracht kommt) sich mit begrifflicher Notwendigkeit durch die Übergabe der Anweisungsurkunde vollzieht, besteht auch der Rechtsakt, durch welchen die Verbindlichkeit des Ausstellers einer lettera di pagamento gegenüber dem Empfänger einer solchen Urkunde begründet wird, in der Aushändigung der Urkunde. Auch die A u s ü b u n g des Gläubigerrechts aus dem durch Übergabe der lettera di pagamento abseiten des Trassanten an den Remittenten entstandenen Vertrage ist (ganz wie die E n t s t e h u n g dieses Vertrages) durch den Besitz der Urkunde in keinem anderen Sinne bedingt, als 1

Dasselbe g i l t n a t ü r l i c h auch von dem s. g. d o m i z i l i e r t e n E i g e n wechsel; er ist eine einfache S t i p u l a t i o n s u r k u n d e u n d u n t e r l i e g t i n allen Beziehungen dem Rechte der gewöhnlichen S t i p u l a t i o n s u r k u n d e n . 1*

4

te Abteilung.

es durch die Eigenschaft der lettera di pagamento als Schuldschein und Anweisung erfordert w i r d ; die 1. d. p. ist zwar eine dispositive Urkunde, aber sie ist ein Wertpapier nur insoweit, als sie Anweisung, d. h. Urkunde über ein Einkassierungsmandat ist, welches durch ihre Aushändigung an den zur Einkassierung Beauftragten zustande kommt und durch ihre Übergabe an den Angewiesenen geltend gemacht wird. Den besten praktischen Prüfstein für die Funktion der Tratte bei Ausübung des in ihr beurkundeten Gläubigerrechtes bildet die Regelung der Rechtsfolgen, welche der Verlust der Tratte für die in ihr beurkundeten Rechte nach sich zieht, und zwar vor allem für das Rechtsverhältnis zwischen dem Trassanten und dem Remittenten. Denn daß für die Geltendmachung der Anweisung gegenüber dem Angewiesenen, dem Trassaten (einen Rechtsakt, der sich ja überhaupt nicht als Ausübung eines G l ä u b i g e r r e e h t e s charakterisiert), der Besitz der Anweisung erforderlich ist, ergibt sich ja aus dem Begriffe der Anweisung, und das Rechtsverhältnis des Präsentanten zum Akzeptanten regelt sich nicht aus der Tratte als solcher, sondern aus dem vom Akzeptanten (regelmäßig) dem Präsentanten gegenüber abgegebenen schriftlichen Zahlungsversprechen. Der Verlust einer lettera di pagamento di cambio, welche ja als solche eine nach auswärts gerichtete Anweisung enthält, ist ein im mittelalterlichen Verkehrsleben bei der Unsicherheit der damaligen Transportverhältnisse viel häufiger als im Wechsel verkehr unserer Zeit vorkommender Fall, und die Rechtsfolgen dieses Verlustes sind daher von den Postglossatoren nicht selten erörtert worden. Zum Verständnis dieser Erörterungen ist es erforderlich, zunächst kurz diejenigen Rechtsfolgen darzustellen, welche der Verlust einer gewöhnlichen Schuldurkunde für das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner nach sich zieht. Die Doktrin der Glossatoren und Postglossatoren ist hier nichts anderes als der Ausdruck der auch im späteren Mittelalter in ununterbrochener Kontinuität fortdauernden

Die Tratte als dispositive Urkunde und als Präsentationspapier.

5

griechisch-römischen Rechtssitte, deren . juristische Ausprägung uns das Corpus Juris zeigt. Wie im Altertum und im früheren Mittelalter ist der Gedanke, daß bei Tilgung der Schuld die Schuldurkunde ihrer Beweismöglichkeit zu entkleiden ist, in der Weise ausgeprägt, daß dem Schuldner, welcher zahlt, ein Recht darauf eingeräumt wird, daß der Schuldschein ihm zurückgegeben und (besonders, wenn ihn ausnahmsweise der Gläubiger behält) durch Zerschneiden oder Durchstreichen beweisuntüchtig gemacht wird. Dieses Recht wird nicht selten dem Schuldner in Statuten ausdrücklich eingeräumt; es ergibt sich auch als Reflexwirkung aus der ziemlich häufigen Urkundenklausel, daß der Beweis der Zahlung der beurkundeten Schuld nur durch die Vorlegung der (durchstrichenen oder zerschnittenen) Schuldurkunde oder durch ein instrumentum publicum geführt werden könne. Die Kontinuität des spätmittelalterlichen Rechtes mit dem früheren Rechte zeigt sich hier nicht nur darin, daß jene Klausel sich als eine Umgestaltung der griechischen Klausel μενούσης

έπΐ

χώρας

της

συγγραφής

άπερίλ υτον

είναι1

erweist,

sondern auch darin, daß die sollenne Quittung des spätmittelalterlichen Urkundenstils ganz wie die sollenne Quittung des griechischen Altertums eine Klausel enthält, durch welche die Schuldurkunde für kraftlos erklärt wird, und zwar häufig in einer Fassung, welche es (ganz wie die der griechischen Urkunden) nicht ersichtlich macht, ob die Schuldurkunde zurückgegeben ist oder n i c h t 2 3 . 1

Griechische U r k u n d e n aus den k g l . Museen zu B e r l i n N r . 251 von 81 p. Chr. und N r . 183 von 85 p. Chr. 2 Statt aller sei hier angeführt das I n s t r u m e n t u m generalis finis et refutationis bei R o l a n d i n u s 1 4 , wo es h e i ß t : . . . E t volens atque mandans praedictum instrumentum scriptum manu p r a e d i c t i talis n o t a r l i et omne a l i u d instrumentum vel scripturam, i n quibus apparet, ipsum C. fuisse hactenus dicto A n . occasione a l i q u a obligatum, ex nunc vana esse et cassa et h a b i t a inefficax et cancellata . . . ebenso das F o r m u l a r 4 bei D u r a n t i s I V 1 de pactis et transactionibus § 1. 3 Der N a c h w e i s , daß dem im vorstehenden geschilderten Rechtszustande des A l t e r t u m s und des frühen M i t t e l a l t e r s l e d i g l i c h der

te Abteilung.

Für den Fall nun, daß der Gläubiger behauptet, er sei zur Rückgabe der Schuldurkunde nicht imstande, genügt er seiner Verbindlichkeit zur Rückgabe, sei es, daß ihm diese Rückgabe kraft gemeinen Rechtes, s.ei es, daß sie ihm kraft Statutarrechtes oder kraft Vereinbarung obliege, dadurch, daß er dem Schuldner eine Quittung ausstellt, wobei bisweilen noch verlangt w i r d , daß diese Quittung ein Instrumentum publicum sei, j i n d daß der Gläubiger seine Behauptung, er habe die Schuldurkunde verloren, eidlich erhärte l . Rechtsgedanke zugrunde liegt, die U r k u n d e i h r e r F u n k t i o n als Beweism i t t e l zu e n t k l e i d e n , bildet den I n h a l t des zweiten A b s c h n i t t s meiner „Wertpapiere". 1 W e n i g e Belege d ü r f t e n h i e r genügen. I . Glosse M a i o r e m zu c. Pecuniae C. de sol. et l i b . : Sic ergo nota, quod sufficit, creditorem liberare d e b i t o r e m , si non potest reddere i n s t r u m e n t u m , ut hic et D . de leg. 1° 1. h u i u s m o d i § si ita. Glosse c u i zu 1. h u i u s m o d i § si i t a D. de leg 1°. E t nota u t i l e m § pro i n s t r u m e n t s , quae non possunt reddi . . .

I I . Β a r t o l u s zur 1. h u i u s m o d i § si i t a D . de leg 1°. C o n d i t i o de instrumentis reddendis continet i n se etiam l i b e r a t i o n e m praestari, quod solum sufficit, si i n s t r u m e n t a reddi non possunt, h. d. . . . Oppone, de 1. Labeo s. de pac. Sol. D y n : per r e d d i t i o n e m instrumenti l i b e r a t u r quis ope exceptionis, ideo non sufficit, nisi liberetur per acceptilationem, u t hic. Iste § facit ad qu. : S t a t u t u m est i n c i v i t a t e , quod d e b i t o r non cogatur solvere, n i s i c r e d i t o r reddat. i n s t r u m e n t u m cancellatum. Certe si c r e d i t o r non habet, q u i a amisit, sufficit, quod debitorem liberei, u t h i c . P r o b a b i t enim amissionem p e r sacramentum . . . Bartolus zu 1. q u i t a b u l a s D de f u r t i s . . . habetis hic, quod per i n s t r u m e n t u m quamquam cancellatum et inane probetur, debitum praecessisse, nam hic ideo r e t i n e t c r e d i t o r i n s t r u m e n t u m , u t possit probare, fuisse debitum . . . Quaero circa hanc m a t e r i a m , quando debitor p e t i t , sibi r e d d i ins t r u m e n t u m d e b i t i s o l u t i , creditor n o n haberet i p s u m , ad q u i d cond e m n a b i t u r creditor? Certe, u t eum l i b e r e i per acceptilationem . . . I I I . B a l d u s zur 1. Pecuniae C. de solut . ... Pone, quod quis p r o m i s i t , reddere c h y r o g r a p h u m cancellatum, i s t u d chyrographum est p e r d i t u m , q u i d reddet? D i e aequipollens, quia confitebitur creditor, se i n s t r u m e n t u m non h a b e r e , et si quod haberet, cancellat et pro cancellato v u l t habere . . . Per hoc obviatur malitiae i l l o r u m , q u i sunt o b l i g a t i ad pecuniae per eorum apodissas sub conditione, si apodissa restitueretur, si nam creditor s c r i b i t , se recepisse p e c u n i a m creditam,

Die Tratte als dispositive Urkunde und als Präsentationspapier.

Dieses Verfahren wird bei Schuldurkunden jeder A r t angewendet und bildet nicht etwa ein Sonderrecht einer bestimmten Urkundenart; seine juristische Qualifikation ergibt sich daraus, daß es dem römischen Rechtsbrauche entspricht und den römischen Rechtsregeln entsprechen will. Nach römischem Rechte aber ist die Rückgabe der Schuldurkunde als solche nie ein Formalakt der Schuldtilgung, sondern nur unter Umständen ein konkludenter Ausdruck formlos erklärten Tilgungswillens, im übrigen aber nichts als die Unbrauchbarmachung eines Beweismittels. I n keiner anderen juristischen Funktion kann daher die Rückgabe und ihr Ersatz durch urkundliche Kassierung der Urkunde auch im mittelalterlichen italienischen Rechte erscheinen. I m Zusammenhange mit Erörterungen über die Rechtsfolgen cler Unmöglichkeit, einen Schuldschein zurückzugeben, hat m. W. zuerst Β a l d u s zur c. Instrumenta C. de fideicommissis die Frage nach den Rechtsfolgen des Verlustes eines W e c h s e l b r i e f e s behandelt. E r führt aus: Quid si creditor promisit, soluto sibi debito reddere chyrographum et casu perdidit, unde cum agit contra debitorem dicit debitor „redde chyrographum". Dicit ille .,ηοη habeo". Quaeritur quid juris. Responde, debitor per hoc non liberatur, quod ei chyrographum reddi non posset actualiter, secl fiet ei refutatio et cancellabitur ei chyrographum verbaliter . . . E t ideo dico, si mercator fecit mihi 1 i t é r a s c a m b i i et ego in itinere amisi, unde ex quo de credito constat, licet apodissa i l i a non r e d d a t u r , q u i a n o n potest, sufficit, quod debitorem siium quietet et tene m e n t i h o c , quia q u o t i d i a n u m . B a l c l u s zur 1. Dissolutae C. de cond. ex lege . . . si non habet creditor i n s t r u m e n t u m , j u r e t se non h a b e r e , et faciat instrumentum quietationis . . . Β a i d u s z u r 1. h u i u s m o d i § si i t a D . de leg 1° . . . Iste § facit ad quaestionem. D i c i t statutum, quod c r e d i t o r non possit exigere d e b i t u m , nisi reddat i n s t r u m e n t u m c a n c e l l a t u m , modo pone, quod creditor caret instrumento, an sufficiat, si facit d e b i t o r i c h a r t a m q u i e t a t i o n i s et die quod sic . . . I t e m p o n e , s t a t u t u m est F l o r e n t i a e , quod nullus possit probare solutionem, nisi per i n s t r u m e n t u m d e b i t i cancellatum, nam sufficit, si p r o d u c a t i n s t r u m e n t u m solutionis, secundum D y n u m .

te Abteilung.

cambium non est secutum, quod depositum meum repetam, non obstante, quod non possum literas cambii reddere, liberando mercatorem ab ipsis literis per publicum et sollenne instrumentum, quod tene menti. Hier wird der Wechselbrief wie jede gewöhnliche Beweisurkunde behandelt; die Unmöglichkeit, ihn zurückzugeben, h a t , wie bei jedem Schuldschein, nur die Folge, daß er, allerdings in einer öffentlichen Urkunde, für kraftlos erklärt wird. Nach B a l d u s haben P a u l u s de C a s t r o zur 1. instrumenta C. de fideic. und J a s o n de M a y η ο zur 1. huiusmodi § si ita D. de leg 1° dieselbe Frage behandelt und die allerdings von recht geringem Eindringen in das hier vorliegende Problem zeugenden Ausführungen des B a l d us ergänzt. P a u l u s de C a s t r o meint, der Empfänger der Tratte könne sein Geld zurückfordern, si possum ostendere quod perdidi (sc. literam cambii) et quod pecuniali! non recepì, er verlangt also vor Zurückgabe des Geldes noch den N a c h w e i s des Verlustes der Tratte, ohne sich freilich darüber auszusprechen, ob der Remittent wie unter Umständen derjenige, welcher einen Schuldschein verloren zu haben behauptet (s. oben S. (j), den Beweis für seine Behauptung durch eine einfache Eidesleistung führen kann. Gründlicher erfaßt hat J a s o n das Problem. E r erklärt, nachdem er die Meinung des Β a l d u s referiert hat (die Erörterung des P a u l u s de C a s t r o ist ihm unbekannt geblieben) : quia est casus frequens, adverte, quod ista liberatio mercatoris ab ipsis literis cambii ut dicit Bal. non videtur sufficere, quia posset unus alius tertius reperire istas literas cambii, et mediantibus iis recipere pecunias ab ilio mercatore, ad quem literae dirigebantur ; unde videtur, quod mercator, qui fecit literas cambii, non ante teneatur restituere depositum, nisi ei fiat cautum, quod alius, qui posset reperire istas literas cambii, faceret sibi exbursari

Die Tratte als dispositive Urkunde und als Präsentationspapier.

talem pecuniam, ut mercatori, qui literas fecit, sit consultum saltern interim, donee alio modo provideatur, ne hoc sequi posset, quia quando redditio instrumenti non solum apponitur ad finem liberationis, sed ad alium effectum, tunc non praecedit iste § (d. h. die Bestimmung der 1. huiusmodi § si ita, bei welcher J a s o n diese Frage behandelt) prout limitât Bart hie, quae statim referam. Was diese Schlußbemerkung bedeutet, erläutert er dann sofort im Anschluß an den Gesetzestext dahin: Limita istum textum, ut procedat, quando conditio de reddendis instrumentis apponitur solum pro liberatione, . . . secus si apponeretur alia causa et ad alium effectum, puta ad sciendum verum vel ad certificandum debitorem, . . . tune non sufficit, quod velit aeeepto ferre, nisi per instrumentum ostendatur (wenn nicht durch Vorlegung der Urkunde selber der durch diese Vorlegung zu erbringende Nachweis geführt wird) sedm. Bart. . . . E t potes etiain illam limitationem exemplificare in casu notabili, quem statim supra proxime retuli. Dieser casus notabilis ist eben die Erörterung über die Rechtsfolgen des Verlustes des Wechselbriefes. Die Lösung des Problems, welche hier J a s o n gibt, ist nicht nur im praktischen Resultat eine andere als die des B a l d u s , sondern sie beruht auch auf einer anderen Grundanschauung über die juristische Funktion der Tratte. Denn als Surrogat für die unterbliebene Rückgabe des Wechselbriefes dienen keineswegs nur Maßregeln, die den Beweis der Auflösung des Remittierungsvertrages liefern, wie die Ausstellung einer vollbeweisenden Quittung, sondern es kommt noch hinzu die Leistung einer Kaution, eine Maßregel, welche ersichtlich gegen die Konsequenzen einer ganz anderen Funktion der Tratte schützen soll, als es die eines einfachen Schuldscheins ist. Als diese Funktion der Tratte neben ihrer Schuldscheinsqualität bezeichnet J a s o n ihre Qualität als Anweisung, indem er betont, daß der Anweisende dem Angewiesenen, welcher an einen unbefugten Anweisungs-

1

te Abteilung.

inhaber gezahlt habe, regreßpflichtig werden könne. Unser Jurist ist sich auch sehr wohl bewußt, daß er damit der Urkunde eine andere Qualität als die eines Beweismittels beilegt; die Äußerung des B a r t o i u s , auf welche er sich bezieht, hebt hervor, daß die Übergabe der Urkunde unter Umständen auch eine andere juristische Natur habe als die eines einfachen Aktes der Beweissicherung für das Erlöschen der beurkundeten Verbindlichkeit. Die Form der Tratte, welche unseren Autoren bei ihren Erörterungen über die Rechtsfolgen des Verlustes der litera cambii vorschwebt, ist nicht die der gewöhnlichen Tratte mit vier Personen, sondern Remittent und Präsentant fallen in den von den Juristen vorausgesetzten Fällen in eine Person zusammen, indem der Remittent selber am Bestimmungsorte die remittierte Summe erheben will. B a l d us und seine Nachfolger sehen nun den Umstand, daß der Remittent nach Verlust des Wechselbriefes an den Ausstellungsort zurückkehrt, also offenbar von der Erhebung des Geldes beim auswärtigen Trassaten Abstand nimmt, als eine Tatsache an, die nach übereinstimmender Parteiabsicht den Remittierungsvertrag auflöst und den Remittenten zur Rückforderung der zwecks Remittierung übergebenen Summe berechtigt. Die A r t aber, wie diese Juristen die Rechtsfolgen des Verlustes des Wechselbriefes zu bestimmen versuchen, ist nicht etwa ein Resultat doktrineller Erwägungen, sondern sie geben hier die juristische Begründung für ein Verfahren, welches, wie wir feststellen können, im Verkehr zu ihrer Zeit wirklich geübt wurde. Uns sind nämlich aus den Jahren 1413 und 1419, also aus der Zeit nicht lange nach dem Tode des Β a l d u s , in den Breslauer Stadtbucheintragungen zwei von S t ο b b e in der Zeitschrift für Handelsrecht V I I I S. 38 und 39 veröffentlichte und besprochene Eintragungen erhalten, welche uns Fälle zeigen, in denen italienische Wechsler in Deutschland genau so verfuhren, wie es J a s o n postuliert. In beiden Fällen handelt es sich darum, daß der Wechsler A n t o n i u s von Florenz Wechselbriefe, einen nach Rom und einen nach Venedig, ausgestellt hatte, die verloren gegangen

Die Tratte als dispositive Urkunde und als Präsentationspapier.

waren. Das Verfahren, welches in beiden Fällen beobachtet w i r d , ist das, daß A n t o n i u s den Remittenten ihr Geld wiedergibt (was im zweiten Falle ausdrücklich beurkundet, im ersten höchstwahrscheinlich stillschweigend vorausgesetzt wird), während sich die Remittenten mittels der Stadtbucheintragungen verpflichten, dem A n t o n i o , falls die Tratten am Bestimmungsorte präsentiert und bezahlt würden, die zurückgezahlte Valuta zu erstatten. Die über diese Vereinbarung errichteten Stadtbuchurkunden sind genau das, was B a l d u s ein publicum et sollenne instrumentumnennt. Die vorstehende Darstellung ergibt, daß der Gedanke, die Tratte a l s S c h u l d s c h e i n sei ein Präsentationspapier, dem mittelalterlichen Rechte völlig fremd ist, und zwar nicht nur der D o k t r i n , sondern auch dem praktischen Verkehr. Die Tratte ist mit begrifflicher Notwendigkeit ein Wertpapier (d. h. eine Urkunde, durch deren Innehabung die Geltendmachung des verbrieften Rechts bedingt ist), lediglich insofern und insoweit als sie eine A n w e i s u n g i s t ; für die in ihr enthaltene Anweisung ist ihre Aushändigung an den Remittenten die notwendige Form der Begründung und ihre Präsentation beim Trassaten die notwendige Form der Geltendmachung, ja nach der Anschauung des J a s o n ist sie in ihrer Funktion als Anweisung auch noch Legitimationszeichen, indem auch die Zahlung an den unbefugten Präsentanten vom Remittenten anerkannt werden m u ß 1 . 1

N a c h den Breslauer Stadtbucheintragungen steht der R e m i t t e n t n u r dafür ein, „das der Bote ader sust ymandes anders von i r e n wegen der des gemechtigt von j n were" die Z a h l u n g vom Trassaten e r l a n g t , also n u r für Z a h l u n g an den rechtmäßigen Präsentanten. D i e abweichende A n s c h a u u n g des J a s o n , deren R i c h t i g k e i t u n d A l l g e m e i n g ü l t i g k e i t dahingestellt bleiben kann, ist die A n w e n d u n g eines v o n den Postglossatoren i n A n l e h n u n g an das i n der c. Si qua per c a l u m n i a m C. de episc. et clericis enthaltene R e c h t der epistola formata gelehrten Satzes, der i m allgemeinen n u r d a h i n geht, daß für den p r o c u r a t o r der Besitz des i n s t r u m e n t u m p r o c u r a t o r i u m ein L e g i t i m a t i o n s z e i c h e n sei, ein Satz, den einige, z. B. P a u l u s d e C a s t r o , h. 1. d a h i n ausdehnen „ q u o d si aliquis p o r t e t literas, i n quibus fiat mentio de persona sua et sibi a l i q u i d c o m m i t t a t u r , si o p p o n a t u r sibi, t u non es ille, de quo

1

te Abteilung.

Insofern aber die Tratte ein S c h u l d s c h e i n ist, ist ihr Besitz für die Ausübung des in ihr beurkundeten Rechtes durchaus nicht in anderer Weise wesentlich, als der eines jeden anderen Schuldscheines. Daher zieht auch ihr Verlust prinzipiell keine anderen Rechtsfolgen nach sich als der Verlust eines gewöhnlichen Schuldscheines. WTie die Vorlegung und Rückgabe eines gewöhnlichen Schuldscheines (selbst wenn kraft gesetzlicher Bestimmung oder kraft Parteivereinbarung ohne diese Rückgabe die Zahlung nicht verlangt werden kann) ersetzt wird durch Erteilung einer sollennen Quittung, nicht aber durch eine wirkliche Amortisation wie beim Präsentationspapier 1 , so wird auch die Vorlegung der Tratte ersetzt durch eine sollenne Quittung. Es ist lediglich eine Reflexwirkung des in der Anweisung der Tratte enthaltenen Zahlungsauftrages, daß der Remittent bei Ausstellung dieser Quittung Sicherheit dafür zu leisten h a t , daß dem Trassanten aus einer etwaigen,Honorierung der Anweisung kein Schaden erwachse. fit mentio i n his l i t e r i s , nisi probes, p o t u i s t i enim c u i d a m tèrtio subt r a h e r e , q u o d ista c o n t r a d i c t i o n o n a d m i t t a t u r , imo si asserit, se esse i l i u m , p r a e s u m i t u r , n i s i c o n t r a r i u m ostendatur" . . . 1 Es liegt k e i n G r u n d vor zu bezweifeln, daß die Auffassung der Postglossatoren von der A u s s t e l l u n g dieser Q u i t t u n g als eines A k t e s der Beweissicherung den w i r k l i c h e n Rechtszustand u n d den Gedanken wiedergibt, aus dem die von i h n e n besprochenen Statutenbestimmungen und U r k u n d e n k l a u s e l n hervorgegangen sind. D i e Fassung der Statuten u n d der U r k u n d e n k l a u s e l n weist d e u t l i c h a u f die A b s i c h t h i n , einen A k t der Beweissicherung (die E n t k l e i d u n g des Schuldscheins von seiner Q u a l i t ä t als Beweisurkunde) zu normieren.

Zweite Abteilung.

Das Indossament. Einleitung. §

2.

Die bisherigen Erörterungen haben den materiellen Inhalt der durch Ausstellung der Tratte für den Aussteller und Leistung des Akzeptes für den Akzeptanten begründeten Verbindlichkeiten (Teil I zweiter und dritter Abschnitt) sowie die Form der Begründung dieser Verbindlichkeiten entwickelt (Teil I I erste Abteilung); es sind nunmehr noch diejenigen Rechtsinstitutionen einer Betrachtung zu unterwerfen, welche die Einräumung einer Wechselverbindlichkeit an andere Personen als die ursprünglich in cler Tratte benannten zum Inhalt haben. Dasjenige moderne Rechtsinstitut, welches dem vorbezeichneten Zwecke dient, ist das Wechselindossament 1 ; ein Institut, dem der moderne Wechsel ganz wesentlich die volkswirtschaftliche Bedeutung verdankt, welche er im heutigen Verkehrsleben einnimmt. Der Inhalt des generellen durch das moderne Indossament entstehenden Rechtes charakterisiert sich durch zwei Sätze, nämlich durch den Satz, daß dieses Recht nicht auf einer Sukzession in das Recht desjenigen beruht, cler es überträgt, sondern unmittelbar auf der Verpflichtungserklärung des 1 U n t e r Indossament indossament verstanden.

wird

im

folgenden

stets

nur

das

Voll-

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Zweite Abteilung.

Wechselschuldners, welcher die Wechselverbindlichkeit nicht nur zugunsten des Gegenkontrahenten, des Remittenten, begründet, sondern zugunsten jedes Dritten, der sich gemäß der dem Indossament eigentümlichen Form als Berechtigter ausweist, und sodann durch den Satz, daß dieses Recht sich inhaltlich lediglich durch den Inhalt der Schuldurkunde allein bestimmt und nur so besteht, wie es aus der Schuldurkunde erhellt. Das materielle Recht des Indossatars beruht, um mit B r u n n e r (Endemanns Handbuch I I S. 160 u. 168 fgg.) ZH reden, sowohl auf einem zwischen dem Schuldner und dem ursprünglichen Gläubiger geschlossenen Vertrage über Leistung an Dritte als auch auf einer Skripturobligation. Die dem Indossament eigentümliche Form, von deren Beobachtung die Entstehung des Rechts des Indossatars abhängt, ist einmal eine die Einräumung des Rechts zur Indossierung gestattende Urkundenklausel, nämlich die in der Urkunde enthaltene Einräumung der Schuldverbindlichkeit an den Gegenkontrahenten „oder dessen Ordre", eine Form, welche beim Wechsel „subintellegiert", d. h. durch die formgerechte Ausstellung des Wechsels ersetzt wird, und sodann eine Erklärung des ursprünglichen Berechtigten auf der Rückseite der Urkunde, durch welche dieser in Form einer neuen Anweisung (gewöhnlich mittels der Formel „für mich an die Ordre des Herrn X " ) erklärt, daß er die Rechtsstellung eines Indossatars für die von ihm benannte Person begründe. Lediglich diese F o r m der Begründung des dem Indossatar zustehenden Rechts ist es, welche dem Indossamente speziell eigentümlich ist; der im Vorstehenden charakterisierte I n h a l t der Rechtsstellung des Indossatars dagegen ist ' nur ein spezieller Anwendungsfall eines allgemeinen Rechtsinstituts des modernen Wertpapierrechtes, eines Instituts, als dessen zweiter wichtiger Anwendungsfall die Rechtsstellung desjenigen erscheint, der ein Inhaberpapier im Besitz hat. Die einzelnen Bestandteile, aus denen sich das Rechtsinstitut des Indossaments zusammensetzt, gehören keineswegs

Das Indossament.

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mit logischer Notwendigkeit zueinander. Es ist rein logisch betrachtet sehr wohl denkbar, daß es eine Vertragskategorie des Inhalts gibt, daß eine Leistung nicht lediglich dem Versprechensempfänger, sondern außerdem auch noch einer oder mehreren anderen vom Versprechensempfänger zu bestimmenden Personen zugesichert w i r d , ohne daß die Verträge solchen Inhalts überhaupt an die Schriftform gebunden wären, oder ohne daß die Verbindlichkeiten aus Urkunden über solche Verträge sich inhaltlich lediglich durch den Wortlaut der Urkunde bestimmten. Es ist umgekehrt rein logisch betrachtet sehr wohl möglich, daß es eine Kategorie urkundlicher Ansprüche gibt, deren Inhalt lediglich durch den Inhalt der sie begründenden Urkunde bestimmt wird, ohne daß doch der Berechtigte diese Ansprüche in anderer Weise dritten Personen einzuräumen befugt wäre, als durch einfache Abtretung an einen Rechtsnachfolger. Es wäre endlich sehr wohl möglich, daß die äußere Form des Indossaments als Rechtsinstitut vorhanden wäre, daß aber diese Form lediglich der Bestellung eines einfachen Rechtsnachfolgers in eine gewöhnliche urkundliche Verbindlichkeit diente. Die ersten Spuren des Indossaments zeigen sich, soweit bis jetzt bekannt ist, in Süditalien im letzten Viertel des 1(5. Jahrhunderts: als ein einigermaßen juristisch greifbares Rechtsinstitut erscheint es aber erst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Der Versuch, zu ermitteln, ob und in welchem Sinne schon dem mittelalterlichen Wechselrechte das Indossament bekannt war, wird sich angesichts der Tatsache, daß die einzelnen Bestandteile der Rechtsstellung des Indossatars nicht mit logischer Notwendigkeit zusammen gehören, in der Richtung zu bewogen haben, daß untersucht wird, ob diejenigen Rechtssätze, aus deren Verbindung miteinander das Recht des Wechselindossaments besteht, etwa für sich allein in Anwendung bei anderen zweifellos schon dem Mittelalter angehörenden Rechtsinstituten vorkommen. Als ein solches Rechtsinstitut kommt vor allem das mittelalterliche Inhaberpapier in Betracht; ist doch auch i m heutigen Rechte die Rechtsstellung des Besitzers eines In-

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Zweite Abteilung.

haberpapieres gegenüber dem Schuldner aus einem solchen Papiere ihrem materiellen Inhalte nach dieselbe wie die des Indossatars. W i r werden daher zunächst das Recht des Inhaberpapiers des späteren Mittelalters auf seinen juristischen Inhalt hin untersuchen. Diese Untersuchung ist auch noch aus einem anderen Grunde hier erforderlich. Das Wesen des Wertpapiers besteht darin, daß die Ausübung des beurkundeten Gläubigerrechts in einigen oder in allen Beziehungen an den Besitz der Urkunde geknüpft ist. Ob und in welchem Sinne nun einem bestimmten Rechtssystem das Institut des W e r t p a p i e r e s bekannt ist, das wird sich am besten und sichersten daran zeigen, welche Ausbildung in dem betreffenden Rechtssystem das Recht des I η h a b e r p a p i e r e s erlangt hat; denn die Inhaberklausel bezeichnet ja schon durch ihren Wortlaut die Innehabung der Urkunde als Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Gläubigerrechte. W i r können daher auch für das spätmittelalterliche Recht annehmen, daß anderen Urkundengattungen als den Inhaberpapieren, daß insbesondere der mittelalterlichen Tratte jedenfalls nicht in größerem Umfange als den Inhaberpapieren die Qualität eines Wertpapieres beiwohnen wird, und wenn wir ermitteln sollten, daß das Inhaberpapier nur in recht beschränktem Umfange als Wertpapier anzusehen ist, würde die Richtigkeit des im vorstehenden für die Tratte festgestellten gleichen Resultates erheblich wahrscheinlicher erscheinen.

Erster Abschnitt.

Das Inhaberpapier im späteren Mittelalter. § 3. Die Inhaberklausel im italienischen Verkehr. Nach der von B r u n ne r begründeten herrschenden Meinung ist das Inhaberpapier eine Schöpfung des frühmittelalterlichen germanischen Rechts, es ist der praktisch

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Das Indossament.

wichtigste Anwendungsfall der diesem Rechte eigenen Kategorie der „Verträge über Leistungen an D r i t t e " . Die Besonderheit eines Vertrages über Leistungen an D r i t t e besteht darin, daß die Leistung nicht lediglich dem Gegenkontrahenten allein, sondern auch denjenigen dritten Personen versprochen wird, welche sich in vertragsmäßig bestimmter Weise als Leistungsdestinatäre ausweisen ; durch die Inhaberklausel wird als derjenige Modus, mittels dessen dieser Ausweis erfolgt, die Vorlegung der Vertragsurkunde fest* gesetzt. Ware diese Meinung richtig, so hätten wir in dem Rechte des mittelalterlichen Inhaberpapieres den Ursprung des einen der Rechtssätze gefunden , die den Inhalt der Institution des Indossaments ausmachen. I n Wahrheit ist aber diese Meinung für das frühmittelalterliche Recht unhaltbar. Eine Vertragskategorie des von B r u n n e r charakterisierten Inhalts ist in diesem Rechte überhaupt nicht nachweisbar, in allen von Β r u n η e r aufgezählten Fällen ihrer Anwendung ist der Rechtsgehalt der Verbindlichkeiten ein anderer, als B r u n n e r (manchmal ohne jeden Beweis) voraussetzt. Speziell die frühmittelalterlichen Inhaberklauseln sind nicht eine Schöpfung der Germanen, sondern sind mit den übrigen im frühmittelalterlichen germanischen Urkundenstil vorkommenden mannigfachen Rechtsnachfolgeklauseln dem antiken Urkundenstil entlehnt. Wie alle diese Klauseln haben auch sie einen speziell juristischen Inhalt überhaupt nicht, sondern sind lediglich rein tatsächliche Bestandteile der beurkundeten Verpflichtungserklärung, welche derselben ohne Rücksicht auf ihre juristische Relevanz oder Entbehrlichkeit eingefügt werden. Speziell die Verbriefung obligatorischer Rechte auf den Gegenkontrahenten und den Inhaber (eine Klausel, von welcher die „reinen" Inhaberklauseln nur scheinbare Ausnahmen bilden) hat eine juristische Bedeutung weder für die Übertragbarkeit des obligatorischen Rechtes, denn diese Übertragbarkeit steht in den Gebieten und zu den Zeiten, aus welchen diese Inhaberklauseln stammen, ohnehin fest, noch für die Form dieser F r e u n d t , Wechselrecht d. Postgl.

II.

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1

Zweite Abteilung.

Übertragung oder den Inhalt des dem Inhaber einzuräumenden Rechts, denn die Übertragung der auf den Inhaber verbrieften Forderung erfolgt genau in derselben Form und mit demselben Rechtseffekt wie die Übertragung der lediglich auf den Gegenkontrahenten allein verbrieften Forderung, noch endlich für die Ausübung des auf den Inhaber verbrieften Rechts durch einen gerichtlichen oder außergerichtlichen Vertreter. Denn auch diese Ausübung ist (abgesehen von den überhaupt nicht durch Parteivereinbarung außer Kraft zu setzenden Beschränkungen der gerichtlichen Stellvertretung) zulässig, ohne daß sie durch die Inhaberklausel eingeräumt zu werden brauchte und für die Form dieser Einräumung gelten einerseits, soweit ersichtlich, überhaupt keine besonderen Vorschriften, anderseits ist aber nicht ersichtlich, daß die Inhaberklauseln der S c h u l d u r k ü n d e n des frühen Mittelalters auch nur die W i r k u n g gehabt hätten, daß der Vorzeiger einer solchen Urkunde sich als außergerichtlicher Vertreter des Gläubigers lediglich durch die Vorzeigung der Urkunde auswies. Allerdings kennt auch das antike Recht Inhaberklauseln, welche der juristischen Relevanz nicht ermangeln. Dies sind aber nicht die Inhaberklauseln der Schuldurkunden, sondern die Inhaberklauseln der Anweisungen. Diese Inhaberklauseln dienen dazu, die Anweisung zum Legitimationszeichen zu machen, d. h. die Vorzeigung der Anweisung als denjenigen A k t festzusetzen, durch welchen der Vorzeigende nachweist, er sei diejenige Person, an welche die in cler Anweisung verbriefte Leistung nach dem Willen des Anweisenden erfolgen solle. I n dieser Anwendung ist die Inhaberanweisung ein Spezialfall der Anwendung von Legitimationszeichen überhaupt, als welche im Altertum auch andere Zeichen, σύμβολα, tesserae, von allerlei Art und Gestalt, insbesondere auch das Kerbholz und die zerschnittene Urkunde, die carta partita des Mittelalters, vorkommen. Typische Fälle der Anwendung dieser natürlich unter allen möglichen Umständen vorkommenden Legitimationszeichen sind besonders solche Verkehrsverhältnisse, in denen Leistungen an Per-

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Das Indossament.

sonen erfolgen müssen oder Handlungen gegenüber Personen vorzunehmen sind, welche der Leistende oder Handelnde nicht persönlich kennt. Zu solchen Verkehrsverhältnissen, die keineswegs einen juristischen Inhalt zu haben brauchen, gehören im Altertum sowohl der Verkehr zwischen Gastfreunden als auch der Verkehr der Bankiers und Lagerverwalter mit Personen, die im Auftrage der Kunden dieser Gewerbetreibenden Leistungen erheben sollen, als auch die Kassenführung der staatlichen Zahlstellen. Hier begegnen wir auch vereinzelt schon im Altertum Institutionen, in welchen sich die Urkunde als Legitimationszeichen über die ihr ursprünglich allein zufallende Funktion einer rein tatsächlichen Vorkehrung zur Vermeidung von Leistungen an Unbefugte hinaus entwickelt h a t , zu einem Legitimationspapier, auf welches hin derjenige, dem das Papier vorgezeigt wird, ohne jede weitere Prüfung berechtigt ist, die verbriefte Leistung auch dann zu machen, wenn feststeht. daß der Vorzeigende nicht der ursprüngliche Berechtigte ist. Die Inhaberklausel in ihrer Anwendung bei Anweisungen erscheint auch noch im frühen Mittelalter; sie findet sich ziemlich häufig in Anweisungen und Aufträgen aller Art, welche in dem Registrum Gregors des Großen vorkommen. Beispiele für ihr Vorkommen in den späteren Jahrhunderten der vorglossatorischen Zeit sind mir nicht bekannt 1 . Dagegen begegnet uns in Verkehrsverhältnissen gleicher A r t wie im Altertum, nämlich im Geschäftsbetriebe der Lagerhaushalter und Bankiers in der Zeit der Glossatoren und Postglossatoren, sowohl der Gebrauch von Legitimationszeichen im allgemeinen als auch von Urkunden als Legitimationszeichen. Derartige Einrichtungen brauchen natürlich keineswegs auf Entlehnungen aus dem Altertum zu beruhen, sie ergeben sich vielmehr mit Notwendigkeit aus den Be1 Der Nachweis der i m vorstehenden aufgestellten den I n h a l t des d r i t t e n A b s c h n i t t s meiner „ W e r t p a p i e r e u n d f r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e n Rechte".

Sätze b i l d e t im antiken

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Zweite Abteilung.

dürfnissen von Verkehrsinstitutionen, welche gezwungen sind, häufig für Rechnung ihrer Kunden Leistungen an ihnen unbekannte Personen zu machen und nicht in der Lage sind, die Befugnis dieser Personen zur Erhebung cler Leistung zweifelsfrei festzustellen. Die Anwendung reiner Legitimationszeichen zeigt uns ein aus dem Jahre 1262 stammender Bericht des A n d r e a T o l o m e i , welcher als Vertreter des sienesisclien Handlungshauses der Tolomei die Messen der Champagne besuchte. Die Sienesen waren damals excommuniziert und hatten dieserhalb in ihrem Handelsverkehr vielerlei Schwierigkeiten. A n d r e a berichtet nun in seinen an die Leiter der Hauptniederlassung in Siena gerichteten Briefen 1 u. a. auch über eine Hinterlegung bei französischen Geistlichen: „Ich sehe, daß Euch der Hinterlegungsvertrag, den ich, wie ich Euch mitteilte, mit (den Mönchen) von St. Jaques in Provins geschlossen habe, nicht gefällt, weil I h r sagt, daß sie keine zuverlässigen Leute sind unci daß der Hof (gemeint ist m. E. das Lager- oder Schatzhaus der Krone Frankreich) und die Florentiner dort viel vornehmer (anständiger) sind. Nun mögt I h r wissen, daß deshalb mir kein Grund zur Besorgnis . . . 2 scheint, und es mir ein ganz sicheres Depositum zu sein scheint, und zwar deshalb, weil sie zu jeder Zeit die Aufbewahrung der Habe der Kaufleute übernehmen und dabei viel Gewinn machen, so daß sie gern die ihnen anvertrauten Sachen aufbewahren und unversehrt erhalten, um ihr . . . . aufrecht zu erhalten, und wenn sie dies nicht täten, so könnten sie sie einbüßen. Und die Sache ist auch nicht in unserem Namen abgemacht, sondern im Namen unserer Geschäftsfreunde aus Parma, und es ist ein passend gelegener Ort, an den 1 Veröffentlicht von C. P a o l i u n d E . P i c c o l o m i n i in den „ L e t t e r e v o l g a r i del secolo X I I I " . (Bologna 1871.) D i e auf die T r a t t e bezüglichen M i t t e i l u n g e n dieser Korrespondenz sind benutzt von S c h a u b e , Ztschr. f. Handelsr. X L I I S. 25fgg. 2 D i e m i t . . . bezeichneten L ü c k e n befinden sich i m T e x t .

Das Indossament.

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man leicht kommen kann, wenn es nötig sein sollte. Und andererseits haben sie eine Gewohnheit, die, wie mir scheint, uns sehr . . . . ist in den jetzigen Zeiten, nämlich die, daß sie gewohnt sind, die ihnen anvertrauten Sachen, die sie empfangen, zurückzugeben an den, der sie hingegeben hat, o d e r an d e n j e n i g e n , d e r d i e S c h l ü s s e l m i t b r i n g t o d e r d i e K e r b h ö l z e r , die über die Hinterlegung angefertigt sind, ein Verfahren, das in keinem Schatzhause, welches die Lagerung der Habe von Kaufleuten übernimmt, so sicher beobachtet werden würde wie in Provins! Und wenn kein integimento („Schiebung") gemacht werden sollte, würde sich in der Urkunde der Name derjenigen, welche das Depositum machen, finden, und wenn sich hier der Name eines Sienesen fände, so glaube ich nicht, daß trotz alles Vorschiebens, das gemacht würde wegen des Eigentums von Sienesen, daß sie dasjenige behalten würden, was sie unter anderem Namen in Verwahrung hätten. Und wenn ihr sagen wollt, ich hätte bei irgendeiner Abtei in Ciestele (Citeaux) hinterlegen sollen, so scheint mir auch dies nicht angebracht in den jetzigen Zeiten, weil sie sich so vor der Kirche fürchten, daß sie auf keine Weise der Welt gegen das christliche Gewissen handeln möchten, und sie machen es jetzt schon so mit dem Gelde, das sie uns und anderen schuldig sind ; sie wollen nichts mehr bezahlen aus Angst exkommuniziert zu werden, was ich Euch schon i n einem anderen Briefe mitteilte. Und andererseits würden sie an die bei ihnen hinterlegten Sachen nur denjenigen heranlassen, der sie hinterlegt hätta und jedes andere Schatzhaus in Troyes oder in Paris hat denselben Gebrauch, aber die Mönche von St. Jaques liefern aus an den, der die Schlüssel bringt und die Kerbhölzer, die über die Hinterlegung angefertigt sind und übereinstimmen mit denjenigen, die man in ihrem Besitze beläßt, und das tun sie mit den zur Aufbewahrung enthaltenen Sachen immer , wie ich Euch oben mitteilte. Und daher könnt ihr ersehen, daß jeder, der für Euch kommt, Eure Sachen ausgeliefert erhält, was

Zweite Abteilung.

mir sicherer zu sein scheint, als wenn I h r sie nicht ohne denjenigen zurückerhalten könntet, der sie hinterlegt hätte." Die Legitimationszeichen erscheinen hier in der ihnen spezifisch zukommenden Funktion, ihre Vorlegung ist lediglich ein A k t des rein tatsächlichen Nachweises, daß der Vorzeigende zur Empfangnahme der Leistung befugt sei. Die Auffassung, daß der Überbringer einen A n s p r u c h auf Auslieferung der eingelagerten Sachen durchzuführen berechtigt sei, wird in unserer Quelle mit keinem andeutenden Worte erwähnt, ein solcher Anspruch wäre ja auch lediglich durch die Tatsache des Besitzes der Schlüssel oder der Kerbhölzer gar nicht zu begründen. Und die Möglichkeit, die Kerbhölzer als Vertragssymbole aufzufassen, durch deren Hingabe der Vertrag zwischen dem Hinterleger und dem Lagerhalter zustande gekommen wäre, widerlegt sich, abgesehen davon, daß auch sie in unserer Quelle gar nicht angedeutet wird, schon durch die Parallelisierung der Kerbhölzer mit den füglich als Vertragssymbole nicht zu bezeichnenden Schlüsseln zu den Behältnissen der eingelagerten Sachen. Zusammen mit Legitimationszeichen der vorstehend charakterisierten A r t erscheint die I n h a b e r k l a u s e l bei R o l a n d i n u s (Mitte des 13. Jahrh.) in zwei Formularen für Schuldscheine über ein Depositum, also über denjenigen Vertrag, der in typischer Anwendung zwischen Bankiers bzw. Lagerhaushaltern und ihren Kunden vorkommt. Während in den Formularen der übrigen Schuldurkunden bei R o l a n d i n u s die Leistung einfach versprochen wird an den Gläubiger „aut certo eius nuncio", lauten die entsprechenden Klauseln in den Urkunden über die Deposita das eine Mal auf den Gläubiger, seine Erben „sive ipsius certo nuncio sibi fidem inter eos ordinatane et depositam facienti", und das andere Mal „vel ipsius certo nuncio sibi hoc instrumentum deferenti vel signum vel fidem inter eos ordinatam et dispositam referenti." Als den Zweck dieser Klauseln bezeichnet R o l a n d i n u s die Verhütung

Das Indossament.

der Rückgabe des Depositum an Unbefugte 1 ; er denkt sich also als Gläubiger Personen, die über ihr Depot durch Abhebungsordres an Dritte verfügen und demgemäß als Schuldner gewerbsmäßige Aufbewahrer fremder Gelder und Waren. Ausführlicher als R o l a n d i n u s selber unterrichtet uns sein Kommentator B o a t e r i us über den hier in Betracht kommenden praktischen Geschäftsgang. E r führt aus : Modo quia in deposito quaedam signa ordinantur, cum restituitur, ideo de his videamus. E t certe quandoque conficitur instrumentum super istis, et iste est bonus modus, et quia amodo non potest deponens opponere, quod depositum non habuit. I t e m si d e p o n e n s m i t t a t n u n c i u m b o n u m , quocl i p s e d e p o s i t a r i u s r e t i n e a t p e n e s se i n s t r u m e n t u m d e p o s i t i , e t s i n u n c i u s n o n p o r t â t r e m i t t a t e u m ad d e p o n e n t e s . Item quandoque fides fit, puto si dicat deponens, cum mittam tibi nuncium, qui tanget tibi pedem dextrum et (licet in auribus depositarli aliquam orationem, puta „Ave Maria". Taudem convenitur, ut in quadam scedula deportaverit (sic!) vel scribatur unus versus et per medium incidatur et una pars remanebit penes depositarium, reliqua penes deponentem, et nunquam depositarius restituât depositum nisi deponens mittat sibi aliam partem cedulae, et sic multae fieri possunt cautelae. Die Übergabe der mit Inhaberklausel versehenen Urkunde erscheint hier ebenso wie das Aussprechen des Paßworts oder das Aushändigen der Hälfte des zerschnittenen Chirographum rein als ein A k t des Legitimationsnachweises, und für diese Funktion der Urkunde ist ihr Inhalt oder ihre urkundliche Form völlig unerheblich; die Urkunde könnte ebenso gut eine Anweisung sein wie ein Schuldschein, ja die Parteivereinbarung könnte auch die Übergabe einer Urkunde ohne Inhaberklausel als Legitimationszeichen festsetzen. 1 Sagacitates vero inter deponentem et d e p o s i t a r i u m , ne depositum a l t e r i detur, nisi sicut ordinatili*, m u l t i m o d e fiunt, a l i q u a n d o per h i d i o c e r a m (tòió/εφον) aliquando per c y r o g r a p h u m et m u l t i s a l i i s modis.

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Zweite Abteilung.

In welcher Weise und in welchem Umfange die Inhaberurkunde als Legitimationszeichen fungiert, beschreibt B o a t e r i us in seiner vorstehenden Darstellung in dem Satze „Item si deponens . . . . ad deponentes." Danach dürfen wir die Bedeutung der Klausel „sive eius certo nuntio hoc instrumentum deferenti", auf welche Klausel sich diese Erläuterung bezieht, dahin feststellen, daß durch sie die Übergabe der Schuldurkunde abseiten eines Dritten als ausschließliche Form der Legitimation des zur Empfangnahme der geschuldeten Leistung bestellten nuntius festgesetzt wird. Für den Gläubiger selber aber wird dieser Satz von B o a t e r i u s keineswegs aufgestellt, der Gläubiger kann vielmehr, wie wir annehmen dürfen, die Rechte aus dem Vertrage geltend machen, ohne zur Vorlegung der Urkunde gezwungen zu sein. Diese Rechtsstellung des Gläubigers ist auch keineswegs unvereinbar mit der Funktion der Urkunde als ausschließliches Legitimationszeichen für D r i t t e , denn durch die Feststellung des Satzes, daß der Schuldner jede Legitimation eines Dritten zurückweisen könne, welche nicht durch Vorlegung der Urkunde erfolgt, ist noch keineswegs der weitere Satz festgestellt, daß der Schuldner an jede Person leisten müsse, welche die Urkunde vorlegt. Die Resultate, welche sich aus dieser Darstellung des B o a t e r i u s gewinnen lassen, zu verallgemeinern, ist bedenklich. Denn der Gebrauch der Urkunde als Legitimationszeichen sowie der Gebrauch von Legitimationszeichen überhaupt ist sehr verschiedener juristischer Ausprägung fähig. Wie im allgemeinen die Prüfungspflicht und das Prüfungsrecht des Schuldners gegenüber einem Legitimationszeichen sich nach Meinung der Postglossatoren gestaltete, zeigt uns eine Erörterung des A l e x a n d e r T a r t a g n u s zur 1. si procuratori D. de cond. cau. da. E r sagt: „Si solvens ductus fuit in illam credulitatem ex assertione créditons, ut quia creditor dixit sibi, s o l v a s i l l i , q u i ρ o r t a b i t t a l e s i g n u m et tunc adhuc

Das Indossament.

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liberabitur ope exceptionis, quia credere potuit, quod esset i l l e , qui portavit signum" . . . . Dies gilt jedoch nur „si non potuit aliqua culpa imputari solventi, ut si creditor dixisset, solvas illi, qui ja te petit nomine meo, et unus ex transeuntibus audivisset et petivisset nomine creditoris, non enim debuit debitor simplici verbo eius credere, sed facere, quod sibi ostenderet mandatum; . . . non tarnen per hoc dico, quod satis in culpa intelligatur creditor, qui dixit debitori: reddes ei, qui tale signum portabit, puta unum grossum argenteum, loquendo de grosso in genere et de signo non existente sub custodia creditoris . . . sed si esset sub custodia creditoris tale signum, tunc potest salvari illud quod dicit Pa. de Ca., et Ro. hic. et Bai. in d. 1. falsus etc. Die einfachen Legitimationszeichen tragen hier noch so sehr den Charakter rein tatsächlicher Hilfsmittel zur Verhütung von Leistungen an Unbefugte, daß immerhin die \'ermutung nahe l i e g t , es hätten auch von der Inhaberurkunde feste Regeln bezüglich der Ausschließlichkeit der durch sie zu erbringenden Legitimation noch nicht allgemein gegolten.

§ 4. Die Inhaberklausel in der Doktrin der Postglossatoren. Diejenigen Erörterungen der Postglossatoren, welche ex professo die juristische Funktion der Inhaberklausel zu bestimmen unternehmen, knüpfen bezeichnenderweise an solche Fälle an, in welchen sich die Inhaberklauseln in Urkunden über Deposita finden. Die mir bekannte älteste und zugleich auch eingehendste dieser Erörterungen gibt P e t r u s d e B e l l a p e r t i c a ( f 1308) bei der c. ad probationem dominii C. de probationibus . . . Er führt aus : „Si contineretur in instrumento, ut restitueretur d e p o n e n t i e t l a t o r i p r a e s e n t i u m , an posset reddere, si vellet, isti, qui literas depositi apportaret, et numquid lator

Zweite Abteilung.

literarum haberet aliquod jus petendi, si depositarius nollet sibi reddere. V i d e t u r ρ 1 u r i b u s q u o d s i c , ex quo ibi continetur, quod latori praesentium redderetur. C o n t r a : ex conventione deponentis lator non habet actionem, etiam si expresse esset stipulatus deponens, quod latori redderetur, non habet actionem, ut inst, de inut. stip. § alteri. Unde licet deferat literam et contineatur ibi, quod latori praesentium redderetur, non constat, ipsum habere mandatum, forte subripuit literam, unde non videtur habere aliquod ius petendi, e t h o c e s t v e r u m . Sed videtur posse defendi, quod ex confessione deponentis habeat actionem, cum dixisset, quod latori praesentium restitueretur, et si stipulor a l t e r i , tanquam negotiorum meorum gestori, stipulatio valet, ut D. de verb. obi. 1. stipulatio ista etc ad fi., ergo ubi ego stipulor latori, dicendum, quod dicit 1. valet stipulatio. Sed si stipulor, dari gestori negotiorum, verum est, ut agam ego non ut ipse agat. Sed ad interesse mihi solvatur, sicut persona adiecta non potest petere, sed potest recipere, ut loquitur inst, de i n u t i l i stipu. § si quis alium. Laici dicerent contrarium, nonne ibi solvatur latori praesentium, quare non s o l v i t u r 1 . Diese Erörterung beschäftigt sich im wesentlichen mit einer Widerlegung der Ansicht, daß dem Urkundeninhaber ein im eigenen Namen mittels Klage geltend zu machender Anspruch zustehe und bestimmt nach Zurückweisung dieser Ansicht die Rechtsstellung des Inhabers einfach dahin „non potest petere sed potest recipere", ohne die Frage zu berühren, ob der Inhaber etwa als Prozeßvertreter des Prinzipalberechtigten klagen könne. W i r erfahren dabei, daß das selbständige Klagerecht des Inhabers von manchen anerkannt wurde, und es liegt daher der Gedanke nahe, daß diese „plures" die Verteidiger einer zur Zeit des P e t r u s de B e l l a p e r t i c a tatsächlich herrschenden Rechtsübung 1 D e n T e x t der Ausgabe des P e t r u s , welcher selbst für eine A u s g a b e dieser Z e i t u n g e w ö h n l i c h schlecht i s t , habe i c h , soweit er offenbar fehlerhaft war, stillschweigend verbessert.

Das Indossament.

waren, kraft welcher cler Inhaber eines Schuldscheins mit der Inhaberklausel in derjenigen Fassung, die der Jurist voraussetzt, den verbrieften Anspruch selbständig im Klagewege geltend machte. Diese Annahme ist aber unbegründet. Auf eine in der Praxis herrschende Übung deutet der Jurist mit keinem Worte hin, insbesondere auch nicht imSchlußpassus, wo er weder von einem Klagerecht, noch einer herrschenden Praxis redet, sondern nur von einer der ungeschulten Auffassung sich darbietenden Anschauung. Außerdem aber bezeichnet unser Autor die Vertreter der von ihm reprobierten Meinung mit derjenigen Wendung, mit welcher überhaupt die Postglossatoren auf andere Gelehrte hinzudeuten pflegen, welche persönlich zu nennen sie sich nicht bewogen fühlen Lediglich eine Hindeutung auf andere Romanisten haben wir also in den Worten des P e t r u s zu finden, und wir können auch mit ziemlicher Sicherheit feststellen, wer diejenigen waren, welche das Klagerecht des Inhabers zuließen. Ersichtlich handelt es sich hier nämlich um Anhänger der Meinung des M a r t i n u s , weicherden Satz, „alteri stipulari nemo potest", als durch die zahlreichen ihm entgegenstehenden Ausnahmen für beseitigt erachtete, und aus diesen Ausnahmen die Regel ableitete, daß eine Verbindlichkeit durch Stipulation auch für dritte Personen begründet werden könne. Ausführlich wird über diese Meinung in anderem Zusammenhang zu handeln s e i n 2 , hier sei nur betont, daß sie sich als eine rein dogmatische Spekulation darstellt, und daß nicht Erscheinungen des praktischen Rechtslebens, sondern im letzten Grunde Postulate der praktischen E t h i k jener Zeit es sind, welche den Anstoß zu ihr gegeben haben. Die Meinung der von P e t r u s bekämpften P I u r es ist offenbar eine Anwendung des von M a r t i n u s aufgestellten Prinzips der Zulässigkeit des alteri stipulari auf den Fall, daß der alter ein Urkundeninhaber ist. Daraus, daß diese Meinung des M a r t i n u s 1

M a n vergleiche statt aller die W o r t e des D u r a n t i s bei seiner E r ö r t e r u n g der T r a t t e T e i l I S. 55: „ S u p e r quo q u i d a m d i c u n t q u o d sie.'* 2 S. unten 8. 77.

Zweite Abteilung.

von den Postglossatoren kaum mehr vertreten worden ist, erklärt es sich, daß an die Stelle der ausführlichen Bekämpfung, welche P e t r u s de B e l l a p e r t i c a ihr noch zuteil werden ließ, bei den späteren Juristen, die unsere Frage behandeln, eine kurze Ablehnung dieses Standpunktes tritt. Unter diesen späteren Juristen ist zunächst C i n u s zu nennen, der im Anschluß an seinen Lehrer P e t r u s gleichfalls bei der c. ad probationem ausführt: „Pone, quod ego deposui penes te librum meum et con veni, quod t u restitueres cuicunque literas meas deferenti, quaeritur modo, num quid quicunque literas meas deferens possit exigere. Videtur quod sic, quia contractus ex conventione partium legem aeeipiunt ut D. dep. 1 1 § si convenerit. ergo etc. Videtur contra, quia 1. ilia dicit, quod instrumentum non iuvat nisi ilium, quem tenor scripturae désignât. Sol : quidam distinguunt, aut interest mea, quod literas deferenti restituatur, et tunc ille exiget, aut non, et tunc non restituetur ei. (folgen Belegstellen) Istud non est verum, quia licet intersit mea, tamen non quaeritur sibi actio immo mihi, ut ibi no. et infra de don. 1. cum res. Tamen bene concedit Pet. quod, si t u restituis i l l i , quod consequaris liberationein. Es ist ein Zeichen dafür, wie sehr nach Anschauung dieser Juristen die Inhaberklausel als der Ausdruck einer einfachen Vereinbarung über ein Legitimationszeichen neben den sonstigen Legitimationszeichen steht, daß hier C i n u s lediglich die Vereinbarung der Rückgabe an den Urkundenüberbringer erwähnt, aber gar nicht ausdrücklich sagt, daß diese Vereinbarung in einer Inhaberklausel der Urkunde über das Depositum ihren Ausdruck gefunden habe. Nach dem Wortlaut seiner Ausführungen kann man auch annehmen, daß er an eine Inhaberanweisung oder an gewöhnliche Vertragsurkunden über das Depositum gedacht hat, die ihre Qualität als Legitimationszeichen lediglich einer Verabredung der Kontrahenten verdanken.

Das Indossament.

Nach C i η us hat zuerst m. W . R a p h a e l F u l g o s i u s bei der C. ad probationem unsere Frage behandelt. E r hat sich in der Lösung, die er gibt, einfach an C i n u s angeschlossen, formuliert aber die Frage bestimmter als jener dahin „deposui apud te certos libros et manu tua chirographum fecisti et pactus sum, ut praesentanti dictum chirographum restitueres, apparet aliquis, qui dat tibi chirographum^ an tenearis?" Auch hier erhellt nicht, ob die Inhaberklausel der Urkunde selber einverleibt war oder ob die Urkunde ihre Funktion als Legitimationszeichen lediglich der außerhalb ihrer liegenden Vereinbarung der Kontrahenten verdankte. Während die bisher betrachteten Schriftsteller alle im Resultat übereinstimmen, versucht P a u l u s de C a s t r o zur 1. Publia D. depositi, Zweifel an der Richtigkeit der von C i n u s aufgestellten Resultate geltend zu machen, ohne doch diese Zweifel zu lösen. E r meint: Quid autem si depono penes te cum pacto, quod restituas i l l i , qui tibi praesentabit literas meas, an ille, qui praesentet, si non vis sibi restituere, habeat contra te actionem ex ilio pacto et sic possit te compellere ? Cy. movet istam quaestionem et determinat quod non, C. de prob, ad 1. prob. i. f. secdm. Pet. Nec allegat istam legem (nämlich die 1. Publia D. depositi) quae facit in contrarium, nisi solvamus ut dixi, sc. quod hie loquitur, quando pactum est collatum in certam personam, quaestio Cy. quando in incertam, sed tunc pro ratione diversitatis cogita. Auf Grund aller dieser Zeugnisse können wir eine doppelte Beobachtung machen. Keiner dieser Juristen kennt einen in der Praxis herrschenden Rechtsbrauch, kraft dessen der Besitzer einer Inhaberurkunde Subjekt des in ihr verbrieften Rechtes ist, und keiner dieser Juristen kennt die Inhaberklausel in einer anderen Funktion als in derjenigen eines Legitimationszeichens. Aus vorstehender Darstellung läßt sich aber ferner auch m. E. ein Bild des Entwicklungsganges gewinnen, auf welchem

Zweite Abteilung.

die Inhaberklausel der Schuldurkunde überhaupt zu juristischer Relevanz gelangte. Daß die Inhaberklauseln der S c h u l d u r k u n d e n in der Zeit vor Irnerius auch nur die Funktion eines Legitimationszeichens gehabt hätten, dafür liegt, wie oben gesagt, keinerlei Beweis vor; diese Klauseln sind vielmehr im ganzen früheren Mittelalter ersichtlich das geblieben, Avas sie ihrem Ursprünge nach waren, nämlich zusammenfassende untechnische Bezeichnungen für jede A r t von Rechtsnachfolge, Bezeichnungen, welche den Urkunden ohne Rücksicht auf ihre juristische Relevanz oder Irrelevanz als rein tatsächliche Teile der Willenserklärung eingefügt sind. Erst die dem praktischen Rechtsleben und insbesondere dem Notariatsstil ihrer Zeit zugewendete Tätigkeit der Glossatoren oder der durch sie geschulten Praktiker hat auch diesen Klauseln Aufmerksamkeit geschenkt. Die Reformtätigkeit dieser Juristen bestand auf dem Gebiete der Notariatskunst im allgemeinen nicht d a r i n , daß sie ganz neue Urkunden komponierten, sondern sie erfüllten die hergebrachten Urkundenklauseln mit juristischem Inhalt und modelten dieselben, wo es erforderlich erschien, in eine diesen juristischen Inhalt ausprägende Form um. Durch diese Tätigkeit wurden die hergebrachten Inhaberklauseln (ersichtlich auf Grund der Beobachtung, daß im praktischen Verkehr sowohl Legitimationszeichen aller A r t als auch insbesondere Anweisungen auf Inhaber als Legitimationszeichen angewandt wurden) zum Ausdruck der Vereinbarung gestaltet, daß der Schuldner den dritten Überbringer der Urkunde als zur Empfangnahme der geschuldeten Leistung befugt anerkenne. Dieser Entwicklungsprozeß prägt sich auch in der Veränderung der Fassung aus, welche die aus der Zeit vor Irnerius stammenden Inhaberklauseln infolge der Bearbeitung durch die Glossatoren erleiden. Die frühmittelalterlichen Inhaberklauseln, welche die Fassung zeigen „vel cui hoc scriptum in manu paruerit" und „vel qui cartulam istam prae manibus habuerit" brachten, sobald man sie als Ausdruck einer Vereinbarung über ein Legitimationszeichen faßte, zwar allen-

Das Indossament.

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falls den Modus des Legitimationsnachweises zum Ausdruck, ließen aber völlig ungewiß, welches der Inhalt der Befugnis selber sei, zu deren Ausübung sich der Urkundeninhaber durch den Besitz der Urkunde legitimierte, insbesondere, ob er nur zur außergerichtlichen Empfangnahme oder ob er auch zur gerichtlichen Geltendmachung des verbrieften Anspruches befugt sei. Daher trat an die Stelle jener alten Formeln in den neuen Formelsammlungen der Glossatoren und Postglossatoren sowie in der von ihnen beherrschten Praxis regelmäßig die Klausel „vel certo nuntio (bisweilen mit dem Zusätze vel procuratori) hoc instrumentum deferenti", welche schon durch ihre Fassung zeigt, daß es der Nachweis der Rechtsstellung eines nuntius oder procurator des Prinzipalberechtigten i s t , den der Inhaber durch Vorlegung der Inhaberurkunde liefert 1 . Auffällig mag es auf den ersten Blick erscheinen, daß die Postglossatoren den Inhaber nur zur außergerichtlichen Geltendmachung des verbrieften Anspruches für legitimiert erachten und gar nicht die Frage berühren, ob er nicht auch den Anspruch, zu dessen Geltendmachung er legitimiert ist, a l s P r o z e ß v e r t r e t e r des Prinzipalgläubigers geltend machen könne. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, daß es für die Legitimation eines Prozeßvertreters, welcher 1 E i n e n interessanten Beleg für die A r t , wie die neue Schule die alten K l a u s e l n umarbeitete, gibt die F o r m u l a r s a m m l u n g von A r e z z o aus den J a h r e n 1240—1243 ( B i b l i o t h e c a j u r i d i c a m e d i i aevi ed. A . Gaudentius. Tomus I I ) . H i e r ist die S t i p u l a t i o n i n der K a u f u r k u n d e (Nr. 8): „ t i b i s t i p u l a n t i p r o te tuisque heredibus et cui ius t u u m dederis sive concesseris i n i n f i n i t u m " eine offenbare U m b i l d u n g d e s - c u i dederis bzw. cui per te d a t u m p a r u e r i t , eine entsprechende S t i p u l a t i o n i m Strafgedinge (in N r . 18) l a u t e t : „ t i b i pro te tuisque heredibus s t i p u l a n t i vel pro a l i q u o , q u i ius suum vel causam a vobis vel a l i q u o v e s t r u m h a b u e r i t (ähnlich i n N r . 88 u n d N r . 55). Diese letztere Fassung ist m. E . eine U m b i l d u n g der im vorglossatorischen U r k u n d e n s t i l der K l a u s e l „ c u i per te d a t u m p a r u e r i t " korrespondierenden I n h a b e r k l a u s e l „ c u i cautio i n raanum p a r u e r i t " u n d i l l u s t r i e r t die A r t , wie die J u r i s t e n der Glossatorenzeit (in unserem F a l l e allerdings ohne genügende K e n n t n i s des römischen Rechts) die früheren K l a u s e l n umarbeiten.

Zweite Abteilung.

die Schuldurkunde in Händen hatte, der Inhaberklausel überhaupt nicht bedurfte, indem schon der Besitz einer jeden Urkunde den Inhaber (allerdings nur unvollständig) zur Einklagung des verbrieften Anspruches legitimierte. Die herrschende Meinung der Postglossatoren geht nämlich dahin, daß jeder Besitzer einer Urkunde aus derselben klagen kann, wenn er nur die cautio de rato leistet; der Besitz einer Urkunde begründet ohne Weiteres eine (unvollständige) Präsumtion des Einklagungsmandates Bei einem solchen Rechtszustande bestand einerseits für die Erleichterung, welche eine v o l l s t ä n d i g e Legitimation des Prozeßvertreters durch die Inhaberklausel herbeigeführt hätte, kein besonders dringendes Bedürfnis, und andererseits w a r , wie insbesondere die Erörterung des A l e x a n d e r T a r t a g n u s zeigt, die Ausbildung fester Regeln darüber, ob ein Legitimationszeichen, wie es j a die Inhaberklausel ist, eine unbedingte und vollständige Legitimation herbeiführe, noch viel zu wenig fortgeschritten, um den Juristen den allgemeinen Satz zum Bewußtsein zu bringen, daß die Inhaberklausel für die Ausübung a l l e r derjenigen Befugnisse, für welche sie den Besitzer der Urkunde zu legitimieren imstande i s t , auch eine unbedingte und vollständige Legitimation erbringe.

§ 5. Das französische Inhaberpapier· Diejenigen Quellen, aus denen im vorstehenden das Recht der italienischen Inhaberklausel des späteren Mittel1

S t a t t aller B a r t , zur 1. vulgo D. de adm. t u t . : „ U l t i m o scias q u o d I n n o c . X . de off. del. c. coram d i c i t , quod si a l i q u i s habet ins t r u m e n t a causae, ex quo praesumitur p r o c u r a t o r , quod a d m i t t a t u r cum cautione de r a t o . " P a u l u s d e C a s t r o zu 1. M a e v i a D . sol. m a t r : „ I t e m q u a e r o , q u i d si non a p p a r e t , quod t r a d i d i , t a m e n reperiuntur i n s t r u m e n t a debitoris mei penes te, t u dicis, te fuisse c o n s t i t u t u m procuratorem a me et a l i t e r non ostendis de p r o c u r . an hoc. ipso praesum a r i s constitutus p r o c u r a t o r , die quod non, q u a n t u m ad hoc u t sufficiat haec praesumtio ad plenam probationem . . . F a c i t tamen a l i q u a l e m praesumtionem, u t sic a d m i t t a r i s cum cautione de rato sine qua praesumtione n o n admitteris . . .

Das Indossament.

alters entwickelt ist, sind m. W . bisher noch nicht verwertet worden ; die herrschende Meinung und insbesondere B r u n n e r stützen die von ihnen bezüglich des Rechtes des spätmittelalterlichen Inhaberpapiers vertretenen Sätze vor allem auf eine Betrachtung der Zeugnisse über die juristischen Besonderheiten des französischen und deutschen Inhaberpapiers. Um festzustellen, wie weit die herrschende Meinung begründet i s t , haben wir daher jetzt zu erörtern, auf welche Prinzipien die praktischen Einzelheiten der juristischen Besonderheiten zurückzuführen sind, welche uns als das Recht des französischen und deutschen Inhaberpapiers bezeugt sind. Sind diese Besonderheiten, wie B r u n n e r meint, Ausprägungen des Gedankens, daß die Inhaberklausel einen Anwendungsfall des germanischen Vertrages über Leistungen an Dritte darstelle, kraft dessen der Inhaber im eigenen Namen unmittelbar aus.clem Vertrage zwischen dem Schuldner und dem prinzipalen Kontrahenten die verbriefte Leistung geltendmache? Oder ist das praktische Recht des französischen und deutschen Inhaberpapiers eine durch Praxis und theoretische Jurisprudenz ausgestaltete Ausprägung des Gedankens, daß die Inhaberklausel ein Legitimationszeichen i s t , daß sie eine Vereinbarung enthält, kraft deren der Schuldner den Vorzeiger des Papiers als einen zur Ausübung der auf den Iuhaber abgestellten Befugnisse legitimierten Vertreter des Prinzipalgläubigers anerkennt? Bei der Prüfung dieser Fragen ist eine schon im vorstehenden gemachte Beobachtung im Auge zu behalten, daß nämlich der Gedanke, die Inhaberklausel sei Legitimationszeichen, einer sehr verschiedenen Ausprägung fähig ist, und zwar in doppelter Richtung, nämlich sowohl in bezug auf den Kreis derjenigen Befugnisse, zu deren Ausübung der Inhaber legitimiert werden soll (außergerichtliche Empfangnahme oder gerichtliche Geltendmachung), als auch in bezug auf die Vollständigkeit und Unbedingtheit der Legitimation. Es erheben sich hier die Fragen, ob der Inhaber noch weiteren Legitimationsnachweis führen muß als den durch F r e u n d t , Wechselrecht d. Postgl.

II.

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4

Zweite Abteilung.

Vorlegung der Urkunde, ob der Schuldner dem Inhaber auch leisten muß, wenn er annehmen kann, der Inhaber handle ohne Auftrag des Gläubigers und überhaupt ohne Befugnis, ob der Schuldner auch an andere Vertreter des Gläubigers als an den Inhaber des Papiers leisten muß usw. Auf die im vorstehenden angegebenen Gesichtspunkte hin prüfen wir zunächst die Zeugnisse über das Recht des französischen Inhaberpapiers. Das älteste der von B r u n n e r beigebrachten Zeugnisse, der art. 110 Rubr. 42 des (nach B r u n n e r in seinem Hauptbestandteile aus dem Ende des 13. Jahrhunderts stammenden) For général de Béarn nimmt insofern eine aparte Stellung ein, als es aus dem französischen Rechtsgebiete überhaupt nicht stammt. Die Landschaft Béarn gehörte im 13. Jahrhundert weder als politisches noch als Rechtsgebiet zu Frankreich. Ihre Rechtsentwicklung steht vielmehr genau in derselben Weise wie die italienische unter dem Einfluß der mittelalterlichen romanistischen Wissenschaft. Dementsprechend t r i t t uns denn auch in der von B r u n n e r angegebenen Stelle lediglich ein von den Postglossatoren gelehrter Rechtssatz entgegen. Die Stelle betrachtet die Klage aus einer Urkunde mit der Klausel „wer mit diesem Briefe fordert" (qui ab aquesta carta domanderà), als einen Fall der Klage aus einem Briefe, der den Namen des Inhabers nicht erwähnt („que la carte no mentabi deu nomi do portador", wie es im Anfange heißt) und bespricht den F a l l , daß der Beklagte den Mangel des „poder ο procuratori" rügt. Dann soll der Inhaber antworten, er habe plen poder in dem Briefe, und eine Vollmacht selbst dann nicht vorlegen, wenn er sie wirklich besitzen sollte, um nämlich der Gegenpartei keine Gelegenheit zu geben, durch Bemängelungen der Vollmacht die Sache zu verschleppen. Ergänzend hierzu sagen die art. 119 und 125 des For, daß derjenige, welcher aus einer Urkunde klagt, die seiner nicht erwähnt, dem Beklagten auf Verlangen Kaution stellen müsse. Diese letzteren Bestimmungen im

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Das Indossament.

Widerspruch mit ihrer allgemeinen Fassung nur auf Urkunden ohne Inhaberklausel zu beziehen, wie B r u n n e r 1 will, liegt gar kein Grund vor. I m Gegenteil, gerade weil der art. 110 cit. im Eingange als diejenigen Urkunden, auf welche er anwendbar sein w i l l , zuerst rein negativ schlechthin solche bezeichnet, welche den Namen des Besitzers nicht erwähnen, und diesen Urkunden erst weiter unten diejenigen substituiert, welche die Klausel enthalten „qui ab aquesta carta domanderà" ergibt sich klar? daß die Inhaberurkunde in der Hand des portador als Repräsentantin derjenigen Urkunden g i l t , welche den Namen des Besitzers nicht erwähnten. Der Rechtszustand in Béarn, den die Kombination beider vorerwähnter Rechtssätze zeigt, ist folgender. Der Inhaber einer Urkunde mit Inhaberklausel ist ein zur Einklagung berechtigter Prokurator des prinzipalen Gläubigers. Als Prokurator legitimiert er sich durch Vorlegung der Inhaberurkunde und Kautionsstellung ganz wie derjenige, der auf Grund des Besitzes einer Schuldurkunde ohne Inhaberklausel als Prokurator des prinzipalen Gläubigers auftritt. Dieser Legitimationsnachweis durch Vorlegung der Urkunde und Sicherheitsstellung ist, wie wir eben sahen, derjenige Rechtszustand, den die Postglossatoren als den dem römischen Rechte entsprechenden voraussetzen, und die Tatsache, daß dieser Rechtszustand im For de Béarn in praktischer Anwendung erscheint, ist ein Beweis für die Richtigkeit der oben aufgestellten Behauptung, daß die Postglossatoren die Frage, ob und wie weit die Inhaberklausel den Inhaber zur Prozeßvertretung legitimiere, deshalb nicht berühren, weil über diese Frage keinerlei besondere Regeln bestanden, sondern die Inhaberurkunde als Mittel der Legitimation zur Prozeßvertretung genau denselben Regeln unterlag wie jede gewöhnliche Schuldurkunde. 1 Das französische I n h a b e r p a p i e r haberp." zitiert) S. 35.

(im folgenden einfach als „ I n -

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Zweite Abteilung.

Eine Betrachtung des Rechts der Inhaberklausel im Gebiete des französischen D r o i t coutumier darf ausgehen von dem Satze B r u n n e r s 1 , daß die französische Jurisprudenz des Mittelalters den Inhaber einer Urkunde mit Inhaberklausel (porteur de lettres) als einen Bevollmächtigten, als einen eigentümlich gearteten procurator des creditor principalis betrachtete. Zum Verständnis der Prinzipien, aus denen die Eigentümlichkeiten der Rechtsstellung dieses procurator hervorgegangen sind, ist zunächst auf eine Besonderheit des französischen droit coutumier bezüglich der Bestellung eines Prozeßvertreters hinzuweisen. Dieses Recht weicht nämlich von dem Rechtszustande der bisher besprochenen Rechtsgebiete darin erheblich ab, daß es die Möglichkeit, einen Prozeßvertreter zu bestellen, an die vorherige Einwirkung einer königlichen lettre de grace durch die Hauptpartei knüpft. Zu einem solchen Rechtszustande steht die Legitimierung eines Prozeßvertreters mittelst der Inhaberklausel in einem erheblichen Gegensatze, und das Bemühen, diesen Gegensatz zu überbrücken, mußte die Aufmerksamkeit der französischen Juristen der Inhaberklausel in ganz anderem "Maße zuwenden als der italienische Rechtszustand die der Postglossatoren. Hierin liegt m. E. der Grund dafür, daß die französische L i t e r a t u r , Praxis und Gesetzgebung sich mit der juristischen Ausgestaltung der Rechtsstellung des porteur de lettres in viel höherem Maße beschäftigte als die italienischen Romanisten mit der Inhaberklausel. Die Zeugnisse dieser Rechtsentwicklung sollen im folgenden in der Weise gruppiert werden, daß zunächst die Zeugnisse über den Umfang der Befugnisse und die Form der Legitimation und sodann die Zeugnisse über den Inhalt der Rechtsstellung des porteur de lettres vorgeführt werden. Über den Umfang der Befugnisse des porteur bestand keine Einstimmigkeit; meist wird ihm die Befugnis zur 1

I n h a b e r p a p i e r S. 7.

Das Indossament

Klaganstellung, bisweilen aber auch nur die Befugnis zugesprochen, einen exekutionsfähigen Inhaberschuldbrief zur Exekution zu bringen. Das älteste der von B r u n n e r beigebrachten Zeugnisse, der aus dem Ende des 13. Jahrhunderts stammende Coutumier von Artois, betrachtet die Klagebefugnis als zweifellos; eine jüngere Quelle, nämlich ein von B r u n n e r für das Recht des porteur de lettres nicht benutztes Etablissement von L i l l e aus dem Dezember 1352 läßt den porteur nur zur Exekution zu und verlangt, daß der gegen dieselbe opponierende Schuldner gegen den Gläubiger selber vorgehe. Das Etabl. 1 sagt, daß . . . se i l est aucune personne, qui comme porteres de lettres de autre personne face aucun claim ou demande, che le loy de la ville sour aucuns deniers au autres biens, qui soient meuble catel de aucune personne, qui tenue et oblegié soit envers le personne, pour cui l i clameres soit porteres de lettres, l i claims ensi fais par loy à le semonce de le justice par ledit porteur cle lettres sour les deniers ou meubles cateuls, si que dit est, sera vaillables et bien se pora soubstenir et s'empora ensuivir exsecustions de lettres selonc le contenu d'icelles au profit dudit porteur de lettres ou non cle son mestre, cui porteres de lettres i l sera aussi bien, que se li personne qui l'ara ordenet à yestre porteur de lettres avoit meismes fait le claim ou demandet le loy de le ville, tout si en avant et en le maniere, que li lois de le ville le donne des autres claims, sauf chou, que se l i personne cui l i meuble catel seront, sour les quels on ara clamet ou demandet le loy de le ville, venoit avant, pour entrer en défense pour délivrer ses meubles cateuls, l i demanderes (der Herausgeber: défenseur) ne seroit en riens tenus de respondre ne proceder contre ledit porteur de lettres, mais devereit venir avant empoursuivant le loy l i créanciers à cui l i debte seroit 1

R o i sin F r a n c h i s e s

de L i l l e

S. 51.

Zweite Abteilung.

deue, pour cui l i porteres de lettres ne povoit mie faire ses sains ne poursuivir ses lois 1 . Für streitig erklärt die Klagebefugnis des porteur der nach B r u n n e r jüngere Teil der Kompilation Desmares und G a l l u s schreibt in seinen Quaestionen dem portitor literarum dann das Klagerecht zu, wenn derselbe obligat ioni adiectus ist, dagegen nur die Exekutionsbefugnis, wenn er solutioni adiectus ist. Die übrigen Quellen bejahen die Klagebefugnis ohne Einschränkung. Die Befugnis des porteur, den Schuldbrief zur Exekution zu bringen, eine Befugnis, für welche nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine lettre de grace nicht erforderlich ist, ist eine einfache Konsequenz seiner Befugnis zur außerprozessualen Vertretung des Gläubigers. Der porteur legitimiert sich für diese Funktion (was zwar nicht ausdrücklich gesagt wird, aber als selbstverständlich anzusehen ist) durch den einfachen Besitz des Schuldbriefes, er handelt in dieser Funktion, wie das Etabl. von Lille sagt „comme porteres de 1 B r u n n e r s Stellung zu dieser Quelle ist e i g e n t ü m l i c h . E r erw ä h n t sie Z t s c h r . X X I I S. 524 u n d I n h . p a p . S. 22. Der I n h a l t des E t . ist nach i h m der „besonders d e u t l i c h " ausgesprochene R e c h t s s a t z , daß die exekutionsfähige S c h u l d u r k u n d e ü b e r t r a g b a r sei „ a u c h wenn sie keine K l a u s e l über die L e i s t u n g an den D r i t t e n enthält". I n W a h r h e i t handelt aber das E t . weder von der Übert r a g u n g noch ü b e r h a u p t von einer Verfügung über die F o r d e r u n g , sondern ganz a l l e i n v o n einer E x e k u t i o n „ o u n o n " des H a u p t g l ä u b i g e r s . Außerdem h a n d e l t es l e d i g l i c h von der Rechtsstellung des p o r t e u r de lettres. N u n ist f r e i l i c h n i c h t d i r e k t gesagt, daß es sich um lettres m i t I n h a b e r k l a u s e l h a n d l e , aber P o r t e u r de lettres ist der technische A u s d r u c k für den I n h a b e r eines Inhaberschuldbriefes (B o u t e i I l e r bei B r u n n e r S. 37, Si sachez, que p o r t e u r de lettres est celuy, q u i se f a i t p a r t i e d'aucune action ou convent de lettres comme p o r t e u r de lettres et p a r ce, qu'elles font commandement, q u i d i e t : ou a celluy, q u i ces lettres portera). Bezeichnete P o r t e u r de lettres auch den I n h a b e r eines einfachen Schuldbriefes ohne I n h a b e r k l a u s e l , so w ü r d e n mindestens die H ä l f t e der Belege B r u n n e r s auch auf einfache Schuldbriefe sich beziehen, u n d aus dieser H ä l f t e ließe sich dann beweisen, daß das vermeintliche R e c h t des I n h a b e r p a p i e r s das allgemeine Recht wäre, welches für j e d e n Besitzer jedes Schuldscheins gelten würde.

Das Indossament.

lettres . . . ou non ( = au nom) de son mestre" und sein Handeln wird angesehen „aussi bien que se l i personne chi l'ara ordenet . . . avoit meismes fait le claim . . Alle diese Wendungen zeigen, daß an seiner Stellung als Vertreter des Gläubigers kein Zweifel sein kann ; die einzige juristische Besonderheit, welche seine Vertreterstellung aufweist, ist eben seine Legitimierung durch den Besitz der Schuldurkunde. Auch insofern der porteur die Forderung einklagt, handelt er als Prozeßvertreter des Hauptgläubigers. Diese Qualifikation seiner Rechtsstellung ergibt sich daraus, daß die Quellen wiederholt betonen 1 , er bedürfe keiner lettre de grace. Die Erwirkung einer lettre de grace ist nämlich kein Satz des zwingenden Rechtes, sondern kann durch Parteivereinbarung ausgeschlossen werden. Lediglich eine solche Vereinbarung des Inhalts, daß der Schuldner den Prozeßvertreter des Gläubigers ohne lettre de grace anerkennen wolle, enthält nach Auffassung der Quellen die Clausel au porteur. Dafür, daß eine solche Vereinbarung überhaupt Platz finden könne, ist Voraussetzung, daß der porteur nicht ein eigenes Recht geltend mache, sondern das Recht eines anderen im Prozeß vertrete; für einen Rechtsnachfolger oder sonstigen Eigenberechtigten, führe er nun sein Recht auf eine Cession, eine Novation oder einen Vertrag über Leistung an einen Dritten zurück, kann niemals die Frage aufgeworfen werden, ob er einer lettre de grace bedürfe und schon die Tatsache, daß diese Frage bezüglich des porteur de lettres überhaupt erörtert wird, beweist, daß er im Prozeß Vertreter fremden Rechtes ist. Demgemäß erscheint denn auch in der ältesten Quelle, die unseren Satz enthält, nämlich in der Coutume d ' A r t o i s 2 , die Klageerhebung des porteur als ein Spezialfall des adiourner par procureur. „S'aucuns te fait adiourner, et 1 Coutume d ' A r t o i s bei B r u n n e r S. 36 u n d G r a n d C o u t u m i e r bei B r u n n e r S. 43. 2 B r u n n e r , I n h a b e r p a p . S. 62 A n m . 2.

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Zweite Abteilung.

tes adversaires te fait demander par procureur, t u n'y répondras mie . . . se ce n'est par lettres ou i l soit convenu a paier à celui, qui ceste lettre ara par devers lui." In Übereinstimmung hiermit hebt auch B o u t e i l 1er hervor, daß der porteur, wenn er auch sans procuration klage, doch nicht das Subjekt des Rechts sei, welches er geltend macht „Monstrer veux comme sans procuration on (sc. der porteur) peut intenter demande et jaçoit ce qu'on (sc. der Schuldner) ne soit obligé a celuy, qui fait la poursuite, si peut on (se. der principal) faire poursuite contre autre en Cour par porteur de lettres: jaçoit ce que l'obligation ne soit pas au nom d'iceluy qui fait la poursuite 1 ." Die Ausdrucksweise dieser Sätze ist allerdings deshalb unklar, weil das mit on bezeichnete Subjekt jedesmal ein anderes ist; der Sinn aber ist ganz deutlich der, daß nicht der porteur, sondern der principal es ist, welchem der Schuldner verpflichtet ist und daß der Hauptgläubiger es i s t , der „fait poursuite par porteur de lettres". M i t dieser Stellung des porteur als eines Vertreters steht es auch keineswegs im Widerspruch, wenn es in den Coutumes notoires du Chatêlet ( B r u n n e r S. 44) heißt „portator literarum reputatur creditor", oder wenn B o u t e i l 1er sagt, der porteur könne seinen Prozeß gewinnen oder verlieren, „si comme pure et principale partie", denn diese Redensarten bezeichnen überhaupt keinen juristischen Begriff, sondern sagen n u r , daß der porteur vollkommen wie der Hauptgläubiger handeln könne, ganz wie es in dem Etabl. von L i l l e von seiner Tätigkeit im Exekutionsverfahren heißt „cui porteres de lettres il sera aussi bien que se l i personne qui l'ara orderet a yestre porteur de lettres avoit meismes fait le claim ou demandet le loy de le ville". Über die Form der Legitimation des porteur erfahren wir aus den Quellen, daß er ohne lettre de grace und ohne procuration die Klage anstellt, wroraus als selbstverständlich 1 Somme rurale I T i t 11, Ausgabe von C h a r ο η d a s l e die i m folgenden stets z i t i e r t w i r d .

Caron,

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folgt, daß er sich lediglich durch Vorlegung des Briefes ausweist. Die Erörterung der in den Quellen dem porteur zugeschriebenen einzelnen Befugnisse, zu deren Darstellung wir nunmehr übergehen, bestätigt durchaus diejenigen Schlüsse, welche wir aus der generellen Charakterisierung seiner Rechtsstellung im Vorstehenden gewonnen haben. Eine systematische Darstellung der Rechtsstellung des porteur enthält bekanntlich die (wohl dem Ende des 14. Jahrhunderts angehörende) Somme rurale des Jean B o u t e i l l e r 1 , es empfiehlt sich daher, diese Quelle zunächst zu besprechen, und die zerstreuten Notizen der übrigen Quellen ihr anhangsweise beizufügen. B o u t e i l l e r gehört einer stark romanisierenden Richtung der französischen Jurisprudenz seiner Zeit an, sein Werk gestattet „dem römischen Rechte ungebührlichen Einfluß . . während es die coutume als droit haineux bezeichnet" 2 . Dieser seiner Gesamtrichtung entsprechend wendet er auch auf den gewöhnlichen Prozeßvertreter seiner Zeit, den procureur, das aus dem Corpus Juris geschöpfte Recht cles römischen Prozeßmandatars an und im Zusammenhalte mit diesem Rechte muß seine Charakterisierung der Rechtsstellung des porteur de lettres betrachtet werden. I m Verhältnis zum Schuldner wird der porteur nach B o u t e i l l e r durch clen Prozeßbeginn, insbesondere durch die Litiskontestation, zum „ Seigneur de la chose" und kann daher „faire ordonner, quieter, ceder et transiger à sa volonte" (S. 55), er ist „Seigneur de la pours u i t e et action d'icelles (se des lettres) entièrement et en peult faire, comme lui plaist, perdre ou gaigner en jugement, si comme pure et prencipale partie, en faire quittance ou don", er kann ferner nach Prozeßbeginn zwar einen procureur, aber nicht einen anderen porteur bestellen, der Tod des principal ist ohne Einfluß auf seine Rechtsstellung, 1

Das Testament des Β o u t e i l l e r , welches die A u s g a b e der Somme von C h a r o n d a s l e C a r o η enthält, ist d a t i e r t vom 16. Sept. 1402. 2 Β r u n η e r i n H o 1 t z e n d o r f f s E n z y k l . 1 S. 201 erste A u f l .

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Zweite Abteilung.

und der Schuldner ist nicht berechtigt, ihm die Einrede des unrechtmäßigen Brieferwerbes entgegenzuhalten. Nur der letzte Satz ist ein Spezialrecht des Inhaberpapiers; er ist die äußerste Konsequenz des Satzes, daß der Schuldner sich durch die Inhaberklausel verpflichtet hat, die Legitimation des Prozeßvertreters nicht zu bemängeln: alle übrigen Befugnisse des porteur sind keine anderen als diejenigen, welche nach Auffassung B o u t e i l l e r s ein jeder Prozeßvertreter hat, der durch Litiskontestation zum dominus causae geworden ist. Diese Befugnisse beruhen bei dem gewöhnlichen procureur zum Teil unmittelbar auf dem dominium l i t i s , zum Teil auf dem Inhalte der von B o u t e i l 1er als geltend vorausgesetzten Prozeßvollmacht, und die Rechtstellung des porteur, wie unser Autor sie auffaßt, läßt sich daher umschreiben durch den Satz, daß der porteur de lettres gegenüber dem Schuldner durch die Litiskontestation dieselbe Rechtsstellung erlangt, welche ein mit einem solennen Vollmachtsinstrument versehener Prozeßvertreter durch die Litiskontestation erlangt. Ehe die Belege für diese Behauptung vorgeführt werden, ist zunächst der Wortsinn der Ausführungen festzustellen, durch welche Β ο u t e i i i e r die Befugnisse des porteur umschreibt. B r u n n e r glaubt nämlich offenbar, daß der porteur zu \ 7 erfügungen über die Schuld auch gegenüber dritten Personen befugt sei und e r k l ä r t 1 , der porteur könne „über die Schuld verfügen, quittieren, cedieren, schenken und Vergleiche schließen". Die I r r i g k e i t dieser Meinung ergibt sich schon daraus, daß nach B o u t e i l l e r in dem Augenblick, in welchem der porteur zum Seigneur de la cause wird, nämlich sofort bei Prozeßbeginn, das Gericht die Inhaberurkunde in Verwahrung zu nehmen hat, wie eine Vollmacht : ohne die Urkunde aber ist der porteur schon faktisch gar nicht in der Lage zu Dispositionen gegenüber dritten Personen. Außerdem ist ja dem porteur ausdrücklich untersagt, während des Prozesses seine Rechtsstellung auf andere 1

I n h . S. 37.

Das Indossament.

Personen zu übertragen, und endlich erscheinen seine sämtlichen Befugnisse als Konsequenzen seiner durch den Prozeßbeginn, insbesondere die litiscontestatio, also eine Handlung, die gegenüber dem Schuldner vorgenommen wird, erlangten Rechtsstellung, mithin auch als Berechtigungen gegenüber dem Schuldner und nicht gegenüber Dritten. Es sind denn auch die Befugnisse zum quitter und transiger schon ihrer Natur nach Befugnisse, die nur dem Schuldner gegenüber auszuüben sind und daß dasselbe auch von den übrigen Rechten des porteur gilt, beweist das von B o u t e i l l e r gegebene sollenne Vollmachtsformular, in welchem der procureur „plein pouvoir et mandement espécial" erhält „de pacifier, commettre, transiger, quitter, p a r d o n n e r , remettre, relaxer, c e d e r et obliger" 1 . Daß nun wirklich die Stellung des porteur als Seigneur de la chose bzw. de la poursuitte et action, aus welcher B o u t e i l l e r seine einzelnen Befugnisse ableitet, lediglich dies auch dem gewöhnlichen Procureur durch die litis contestatio erworbene römischrechtliche dominium litis ist, ergibt sich aus den Ausführungen unseres Autors bei der Darstellung des Procureur. Er sagt h i e r 2 „par loy escrite si tost que le Procureur par vertu de sa procuration a la cause licontestée, il est S e i g n e u r de l a c a u s e , ny ne pourroit depuis poursuivir celuy qui Γ a fait Procureur s'il ne plaisoit au Procureur, si ainsi n'estoit, qu'ils devinssent ennemis mortels l'un contre l'autre ou par essoine de maladie du Procureur ou autre grand'occasion recevable." Unter der Überschrift „Comme après litiscontestation le Procureur 1 Das ordonner, welches B o u t e i l l e r dem p o r t e u r zuschreibt, ist offenbar dasselbe wie das pardonner der V o l l m a c h t u n d bezeichnet den E r l a ß der F o r d e r u n g ; das ceder bezeichnet n i c h t , wie Β r u n η e r meint, „cedieren" (die Cession heißt technisch transport), sondern das Aufgeben des Prozesses, das causae cedere (vgl. ζ. Β . G a l l i quaest. 180 „quamvis d. M a g . . . post a d i o r n a m e n t u m cessisset c a u s a e " , O l i m I S. 853 N r . I V „sponte sua cessit l i t i b u i u s m o d i et r e n u n c i a v i t ) , das faire don entspricht dem remettre des V o l l m a c h t s f o r m u l a r s u n d bezeichnet das unentgeltliche Aufgeben der Rechtsverfolgung. 2

Somme S. 49.

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Zweite Abteilung.

peut maintenir la cause" heißt es weiter „ I t e m dois savoir que Procureur, qui a cause encommencée et par espécial litiscontestée, peut icelle maintenir jusques en décision, ja fust ce que le constituant pendant ce allast de vie à trespas ne pour ce n' amoindrit point la vigeur de sa procuration et ne pourroit en celle cause autre constituer. E t ainsi le veut la loy escrite 1. 2. rubr. de proc. 1. nulla dubitatio etc. Les Coustumiers sont d'opinion contraire, car ils dient, que le constituant de la procuration mort le pouvoir de la procuration est expiré selon la loy, qui diet: Mortuo mandatore expirât mandatum." Beide Stellen geben, wie B o u t e i l l e r auch bemerkt, den Inhalt der c. 22 und 23 C. de proc. I I . 12 wieder. Aus diesem dominium litis folgt insbesondere sowohl die Fortdauer der Vertretungsbefugnis beim Tode des Principalgläubigers als auch das Verbot der Bestellung eines anderen porteur, indem der procurator dominus causae seine Rechtsstellung keinem anderen übertragen kann 1 , als auch die Befugnis zur Bestellung von substituierten Prokuratoren, welche kein dominium litis haben 2 . Nicht aus dem dominium litis folgen die Befugnisse zu Verfügungen über den Anspruch selbst, welche B ou t e i l 1er dem Schuldner gegenüber dem porteur zuschreibt, insbesondere die Befugnis zum Verzicht und Vergleich. Die Ermächtigung zu solchen Verfügungen enthält aber, wie oben schon erwähnt, das von B o u t e i l l e r gegebene sollenne Vollmachtsformular und B o u t e i 11 e r schreibt sie daher offenbar deshalb dem porteur zu, weil die Inhaberklausel die Vollmacht ersetzt. Jedenfalls ist die Ermächtigung zu solchen nach B o u t e i l l e r s Auffassung dem gewöhnlichen Procureur regelmäßig durch die Vollmacht eingeräumten Verfügungen 1 1. 4 § 5 D. de app. . . . constat p r o c u r a t o r e m a l i u m procuratorem facere non posse. 2 c. 23 C. de proc. . . . quippe cum et procuratorem eum constituere posse veteres i u r i s v o l u e r u n t conditores . . . u n d 1. 4 § 5 D. de app. . . . sed meminisse oportet, q u o d p r o c u r a t o r lite contestata dominus l i t i s e f f i c i t u r , et ideo per procuratorem appellare l i c e t . . . .

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kein Beweis dafür, daß der porteur in Wirklichkeit kein Prozeßvertreter sei, sondern ein eigenes Recht im Prozeß verfolge, und wir können daher als das Resultat der bisherigen Erörterung feststellen, daß der porteur dem Schuldner gegenüber weder nach der theoretischen Auffassung noch nach dem Inhalte der einzelnen ihm zugeschriebenen Befugnisse eine andere Rechtsstellung hat als die eines, lediglich durch eine besondere Form der Legitimation ausgezeichneten Prozeßvertreters. Der Porteur steht als Prozeßvertreter nicht nur zum Prozeßgegner, sondern auch zu der von ihm vertretenen Partei in rechtlichen Beziehungen. Diese Beziehungen gestalten sich verschieden, je nachdem der Übergabe des Schuldbriefes ein reines Prozeßmandat oder etwa ein Veräußerungsgeschäft oder eine andere Rechtsbeziehung zugrunde liegt. Daß die durch Übergabe des Briefes sich vollziehende Bestellung zum porteur auch dazu dienen kann, eine Veräußerung der Forderung, die nach außen nicht hervortreten soll, zu realisieren, ist natürlich keine Besonderheit des Rechts der Inhaberklausel, sondern ganz derselbe Sachverhalt ist bei der Erteilung einer gewöhnlichen Prozeßvollmacht möglich. Außerdem aber bietet die Befreiung des Porteur von jedem Legitimationsnachweise ihm auch die Möglichkeit, nach außen hin als Prozeßvertreter zu erscheinen, während er im Verhältnis zum Hauptgläubiger in der Stellung eines Vormundes, Testamentsvollstreckers usw. fungiert. B o u t e i l l e r hat im Rahmen seiner systematischen Darstellung auch die Rechtsbeziehungen zwischen principal und porteur erörtert. Er hat bei seiner Darstellung in erster Linie einen Rechtsstreit im Auge, in welchem die Erben eines principal gegen einen porteur aufgetreten waren, der nach ihrer Behauptung keine Befugnis zur prozessualen Geltendmachung des Briefes im eigenen Interesse gehabt hatte. B o u t e i l l e r behandelt daher ausführlich besonders den Fall, daß der porteur den Brief im eigenen Interesse geltend macht und spricht den Erben des principal (und damit natürlich auch dem prinzipal selber) die Befugnis zu, sämt-

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liehe etwaigen Mängel des Bestellungsgeschäftes dem porteur gegenüber geltend zu machen, ohne sich allerdings über die Beweislast näher zu äußern \ Über die Rechte des principal gegenüber demjenigen porteur, der ein wirklicher Mandatar ist, hat B o u t e i l l e r nur (S. 55) die kurze Bemerkung „ne celuy au nom duquel les lettres sont faites . . . n'y a que voir (nämlich in dem vom porteur angestellten Prozeß) ne que dire: si ainsi n'estoit, qu'il voulsist arguer de faulx contre celuy, qui les lettres auroit, et qu'autrement que de raison luy eust les lettres ostées", und auf S. 641 erwähnt er sogar nur die zweite dieser Alternativen mit den Worten der principal werde nur gehört, wenn er „voulsist proposer, que la lettre luy eust esté emblée par le porteur". M i t den Worten „arguer de faulx" meint unser Autor oifenbar die Geltendmachung des crimen falsi gegen den porteur, der in seiner Eigenschaft als Prozeßvertreter seine Pflichten verletzt (in Fällen, wie sie z. B. nach 1. 1 pr. § 1 und 2 und 1. 20 D. 48. 10 unter die lex Cornelia de falsis fallen), also im wesentlichen dasjenige, was er bei Darstellung des Rechts des gewöhnlichen procureur als eine „grande occasion recevable" bezeichnet, die den principal zum Eingriffe in das dominium litis des Prokurator und zum Verlangen der translatio judicii berechtigt. Jedenfalls findet die Meinung, daß der principal dem porteur de lettres gegenüber n i c h t in demselben Umfange zu Eingriffen in das dominium litis befugt sei wie gegenüber dem gewöhnlichen procureur in den Ausführungen B o u t e i l l e r s keine Stütze. 1 B r u n n e r meint m i t Unrecht, B o u t e i l l e r scheine gegen den gutgläubigen d r i t t e n I n h a b e r die V i n d i k a t i o n des gestohlenen Papiers auszuschließen. B o u t e i l l e r b e t r a c h t e t vielmehr als einen gültigen E r w e r b s g r u n d der F o r d e r u n g den F a l l , daß der p o r t e u r „ a i t l a l e t t r e acheptée d ' h o m m e , q u i de bonne foy l a puisse v e n d r e " ; also n i c h t auf die bona fides des E r w e r b e r s k o m m t es an, sondern auf die des V e r ä u ß e r e r s , u n d ein p o r t e u r de bonne foy ist n i c h t ein gutgläubiger i m Sinne des modernen Satzes~„Hand wahre H a n d " (eine Rechtsregel, die B o u t e i l l e r , der ü b e r a l l das römische V i n d i k a t i o n s r e c h t vorauss e t z t , ü b e r h a u p t n i c h t k e n n t ) , sondern ein porteur der einen j u s t u s t i t u l u s i m Sinne des römischen Rechtes h a t .

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Auch hier erweist sich also die Darstellung B o u t e i i i e r s lediglich als Ausprägung cles Prinzips, daß cler porteur als solcher nichts anderes ist als ein procureur, ein Prozeßvertreter des Prinzipalgläubigers. Kein anderes Prinzip liegt endlich auch den gelegentlichen Bemerkungen über einzelne Befugnisse des porteur de lettres zugrunde, welche die übrigen von B r u n n e r zitierten Rechtsquellen enthalten. . So ist das in den Coutumes Style et Usage aux temps des échiquiers de Normandie ( B r u n η e r S. 42) zitierte U r t e i l von 1390 1 eine Anwendung cler Regel, daß cler porteur nach Prozeßbeginn sich einen procureur ohne dominium litis substituieren kann. Der attornatus kann nämlich 2 „nur für einen bereits begonnenen Rechtsstreit bestellt werden", und unsere Stelle bestätigt, daß die Befugnis zu solcher Bestellung clem porteur (als dominus litis) ebenso zustand wie dem procurator qui dominus litis efiicitur gemäß cler 1. 23 C. de proc. und der 1. 5 § 1 D de appell. Anwendungsfälle derselben Regel sind die Sätze cles Grand Coutumier de France ( I I 15): „ I t e m par le stil de Chastellet ung porteur de lettres ne peult faire un g autre porteur, mais après litis contestation luy comme porteur peult constituer procureur", wozu zu vergleichen ist 1. 8 C. de proc. „Quod si quis debitum exigere tibi manclavit ante litis contestationem tu alii petendum mandare non potes verbunden mit 1. 23 C. 1. c. 3 unci clie clecisio 55 der Décisions 1

„ J u g i e fut que R o g i e r le Prealx se p o v o i t fonder p o u r Messire Pierres D u v a l par une a t t o u r n é e , q u ' i l avoit d ' u n porteur de lettres d u d i t messir Pierres et p a r les lettres du d i t messire Pierres . . . - 2 B r u n n e r , D i e Z u l ä s s i g k e i t der A n w a l t s c h a f t usw., Z e i t s c h r i f t für vergleichende Rechtswissenschaft B a n d I S. 352 fgg. 3 B r u n n e r m e i n t , m i t der E r m ä c h t i g u n g zur Bestellung eines procureur nach L i t i s k o n t e s t a t i o n sei n u r gesagt, daß der p o r t e u r „vorher dazu eine lettre de grace e r w i r k e n mußte, wogegen eine solche nach allgemeinen Grundsätzen post l i t e m contestatam zur B e s t e l l u n g eines Vertreters n i c h t mehr n ö t i g i s t " . A b e r B o u t e i l l e r (S. 641 „ o u p a r son procureur, q u ' e n la cause a u r o i t institué, depuis que la cause auroit encommencé, mais que lettre de grace eust") sagt k l a r ,

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de Jean Desmares: „Se un porteur de lettre fait crier et subhaster aucun héritage et on s'y oppose et de ce soit fet appel par l'opposant l'en doit faire adiourner le porteur. Secus si est procurator, quia tune dominus debet adiornari" 1 , welche das aus 1. 4 § 5 D. de appell. zu erschließende Prinzip, daß der procurator dominus litis auch für die Berufung dominus des Rechtsstreites ist, auf den Fall anwendet, daß gegen ihn die Berufung eingelegt w i r d , und uns zugleich zeigt, daß ein porteur de lettres post litem contestatam auch als einfacher procurator ohne dominium litis bestellt werden kann. Nichts anderes als dem Rechte des Corpus juris entsprechende Konsequenzen des dominium litis enthält endlich die Bestimmung der Coutumes notoires du Chatelet de Paris ,, Portator literarum succumbens in diffinitiva ipsemet debet condemnari in expensis illius, quem conveniebat, et habebit ipse portator recursum contra illos, pro quibus agebat. Item portator literarum reputatur creditor (et intentât actionem et petit expensas)". In welchem Sinne die Worte „reputatur creditor" gemeint sind, ist oben S. 39 dargelegt; das „intentât actionem" bezeichnet den Erwerb des dominium litis durch die Litiskontestation, und dieses dominium litis hat zur Folge, daß, wenn nicht die Verurteilung und Abweisung in der Hauptsache 2 , so doch jedenfalls die Entscheidung im daß z u r B e s t e l l u n g eines V e r t r e t e r s post l i t e m contestatam auch der p o r t e u r einer I n h a b e r u r k u n d e , a l l e r d i n g s eine lettre de grace brauchte, u n d B r u n n e r s A u s l e g u n g des Satzes, der p o r t e u r könne k e i n e n anderen V e r t r e t e r bestellen, d a h i n , daß er doch einen anderen Vertreter bestellen k ö n n e , wenn er n u r eine lettre de grace e r w i r k e , ist mindestens sehr gewagt. 1

B r u n n e r S. 46. Ob die V e r u r t e i l u n g i n der Hauptsache auf den Namen des p r o c u r a t o r zu stellen sei, w a r bei den Postglossatoren streitig. Über die französische P r a x i s ist interessant ein i n den O l i m I I I 2 S. 854 referierter R e c h t s f a l l v o n 1313. A d a m A n g l i c i k l a g t als p o r t i t o r des J o l i . A n g l i c i auf 10 sol. „certo t e r m i n o reddendis dicto J o h a n n i vel p r e d i c t a r u m l i t e r a r u m p o r t i t o r i " gegen Bertrandus le Balestre „nomine quo supra" (d. h. als porteur) u n d verlangt V e r u r t e i l u n g i n die H a u p t 2

Das Indossament.

Kostenpunkte auf den Namen des procurator gestellt wird. Gerade die hieraus folgende Konsequenz, daß der porteur gegen diejenigen, „pro quibus agebat", Regreß nimmt, ist in 1. 46 § 6 D. de proc. et def. ausdrücklich gezogen „Litis impendia bona fide facta vel ab actoris procuratore vel a rei debere ei restituì aequitas suadet" 1 . Auch die Quellen außerhalb B o u t e i l l e r s zeigen uns also den porteur de lettres lediglich in der Rechtsstellung eines Prozeßvertreters, und zwar eines Prozeßvertreters, dessen Befugnisse sich inhaltlich nur nach den Grundsätzen des römischen Prozeßrechts bestimmen. Ein Einfluß koutu· miären Rechtes auf die Befugnisse des porteur t r i t t nur darin hervor, daß nach der in den Décisions de Desmares, vertreten von B o u t e i l l e r abgelehnten Ansicht das Mandat des porteur mit dem Tode des principal erlischt. Es mag sein, daß dieser Satz der C o u t u m e s römisch-rechtlichen Ursprunges ist; in seiner Anwendung auf den porteur bedeutet er jedenfalls eine Durchbrechung römisch-rechtlicher Prinzipien in der Richtung auf eine Abschwächung der Befugnisse, die dem dominus litis nach römischem Rechte zukommen. Alle vorstehend behandelten Quellen, insbesondere aber die systematische Darstellung bei B o u t e i l l e r sind uns für das Recht des Inhaberpapiers nicht nur wichtig durch das, was summe sowie „ i n expensis interesse et dampnis predictis prius taxandis ab eodem praeposito (der R i c h t e r ) et postea a d i e t ο a g e n t e j u r a n d i s " . Die erste Instanz v e r u r t e i l t , die zweite hebt auf ohne B e g r ü n d u n g . 1 N i c h t anwendbar zu F o l g e r u n g e n auf die R e c h t s s t e l l u n g des P o r t e u r ist die von B r u n n e r S. 46 zitierte Dec. 179 der Décisions de Desmares, nach welcher der m i t der E x e k u t i o n beauftragte Sergent n i c h t zugleich p o r t e u r des Schuldbriefes sein k a n n . D e n n die U n v e r e i n b a r k e i t der Parteistellung m i t der S t e l l u n g des Organs der Staatsgewalt besteht s o w o h l , wenn der P o r t e u r selber P a r t e i i s t , als auch, wenn er Parteivertreter ist. A u c h der A n k a u f der von i h m versteigerten Pfandsachen ist aus diesem Grunde dem Sergent untersagt, Coutumes du Chatelet N. 66: „Sergent commis à executer et vendre aucuns biens p a r vertu de lettre obligatoire ne les puet acheter p o u r l u y ne pour autre, car i l ne peut user de double office." F r e u n d t , Wechselrecht d. Postgl.

II.

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sie enthalten, sondern auch durch das, was sie nicht enthalten. Β r u η η e r 1 meint, B o u t e i l l e r stelle nur die rechtliche Behandlung des rechtshängigen Inhaberpapiers dar, und auch hier sei er nicht erschöpfend ; über die Frage, ob der Schuldner Einreden aus der Person des namentlich Genannten vorzuschützen vermöge, lasse er uns im Stiche. B r u n ne r selber versucht diese Lücke auszufüllen; ihm scheint es zweifellos, daß die Stellung des Briefinhabers zum Schuldner vor Beginn des Prozesses in den Fragen des materiellen Rechts dieselbe war wie nach Erhebung der Klage, und daß sich über die rechtliche Behandlung der Einreden des Schuldners bei Ordrepapieren und Inhaberpapieren überhaupt keine einheitliche Regel aufstellen lasse 2 . I n Wahrheit aber hat B o u t e i l l e r alle von B r u n n e r aufgeworfenen Fragen stillschweigend beantwortet, einerseits durch die Definition des porteur als desjenigen, dem eine Urkunde mit Inhaberklausel „par le seigneur principal de la lettre est chargée et commandée a en faire poursuitte", und andererseits durch die Charakterisierung des porteur als eines lediglich bezüglich seiner Legitimation privilegierten procureur. Die außergerichtliche Rechtsstellung des porteur ist die desjenigen, dem ein Schuldbrief „anvertraut und aufgetragen istv, um ihn einzutreiben", woraus folgt, daß der porteur eben nur die Schuld eintreiben, d. h. Zahlung annehmen, nicht aber sonstige Verfügungen über dieselbe treffen kann. B r u n n e r s Meinung, der porteur habe vor Klageerhebung dem Schuldner gegenüber dieselben Rechte wie nach Klageerhebung ist nicht nur unbegründet, sondern steht auch im Widerspruch zu der ausdrücklichen Erklärung B o u t e i l l e r s , daß der porteur erst durch die Klageerhebung, durch die Erlangung des dominium litis, die Rechtsstellung gewinnt, welche B o u t e i l l e r so eingehend schildert. 1 2

I n h . S. 41. Inhaberp. S. 83.

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Das Indossament.

Auch bezüglich der Einreden des Schuldners gegen den porteur fehlt es keineswegs, wie B r u n n e r meint, an einer allgemeinen Regel, und für diese Einreden kommt es auch durchaus nicht „auf den Rechtscharakter des Papiers" an, wie B r u n n e r behauptet, ohne sich darüber auszusprechen, worin nach seiner Auffassung die für die Behandlung der Einreden maßgebenden Merkmale dieses Rechtscharakters bestehen. Vielmehr sind in unseren Quellen klar und deutlich die Konsequenzen gezogen, welche sich aus der Stellung des porteur als eines einfachen, nur bezüglich seiner Legitimation privilegierten, Prozeßvertreters ergeben, und welche dahin gehen, daß die Bemängelung cler Legitimation dem Schuldner versagt ist, während ihm die materiellen Einreden selbstverständlich sämtlich zustehen. Daß dem Schuldner sogar die Einrede versagt i s t , der porteur habe den Brief unrechtmäßig erworben, sagt B o u t e i l l e r (s. oben S. 42), daß andererseits aber dem porteur alle materiellen Einreden entgegengehalten werden können, welche dem Schuldner gegen den prinzipalen Gläubiger zustehen, ergibt ein von B r u n n e r besprochenes U r t e i l des Parlaments von Paris aus clem Jahre 1318 1 . Der Schuldbrief, den der porteur hier geltend machte, war nach dem Bericht, den das Urteil von ihm gibt, zugunsten von zwei Kaufleuten ausgestellt über 1814 Pfund „solvendis dictis mercatoribus vel dictarum literarum porti tori pro eis". Wegen der Worte pro eis meint B r u n n e r , es handle sich hier nicht um die echte Inhaberklausel, die schlechthin „vel literarum portitori" laute, sondern um eine „Prokuraklausel", deren regelmäßige Form „nuncio (oder procuratori oder attornato) literas deferenti" ist; durch eine solche Klausel wird nach B r u n n e r s Meinung der nuncius nur zum einfachen Prozeßbevollmäclitigten bestellt. Allein abgesehen davon, daß die Worte pro eis im Urteilsbericht sehr wohl ein die Rechtsstellung des portitor erläuternder Zusatz des Berichterstatters, nicht aber ein Teil 1

B r u n n e r , I n h a b e r p . S. 82 u n d 83.

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der Klausel selber sein können, ergeben die von B r u n n e r beigebrachten Quellen, daß auch derjenige porteur, welcher nach B r u n n e r im eigenen Namen und auf Grund eigenen Rechtes den Schuldbrief geltend macht, als ein porteur bezeichnet wird, der „pro principali" auftritt. So heißt es in der Stelle der Coutumes du Chatelet, in welcher nach Β r u n η e r die selbständige Stellung des Briefinhabers mit Bestimmtheit hervorgehoben und der Satz ausgesprochen ist, daß dem Schuldner gegenüber der Briefinhaber als Gläubiger gilt, daß er die Klage erhebt und die Prozeßkosten seinerseits beansprucht (die Stelle ist oben S. 48 zitiert), von dem in die Prozeßkosten verurteilten porteur „et habebit ipse portator recursum contra illos p r o q u i b u s a g e b a t " . Die Klausel „solvendas dictis mercatoribus vel dictarum literarum portitori p r o e i s " kann also keinen anderen Sinn haben als die einfache Klausel „solvendas dictis mercatoribus vel dictarum literarum portitori". Ist dies aber der F a l l , so beweist das zitierte U r t e i l die Zulässigkeit sämtlicher materiellen Einreden gegenüber dem porteur. Denn in der Entscheidung des Parlaments wird die Einrede zugelassen, „daß der Wortlaut des Briefes dem abgeschlossenen Vertrage nicht entspreche, indem andere als die verzeichneten Raten und Zahlungstermine verabredet worden seien". Hieraus ergibt sich nicht nur, daß der porteur ein einfacher Prozeßvertreter des principal ist, sondern auch, daß der Schuldbrief eine einfache Beweisurkunde ist, gegen welche der Beweis, der Urkundeninhalt entspreche nicht den Partei Vereinbarungen, zulässig ist. Fern liegt dem Parlament von Paris der Gedanke, der Schuldbrief mit Inhaberklausel sei eine dispositive Urkunde und noch ferner die X^orstellung von einer „Skripturobligation", einer Obligation, deren Bestand und Inhalt sich lediglich nach dem Wortlaute des Schuldscheins richtet. Dasselbe Resultat ergibt eine andere Entscheidung, nämlich der Brügger Schöffenspruch vom 23. März 1469, den B r u n n e r in der Zeitschr. f. Handelsr. X X I I S. 41 fgg. veröffentlicht hat. Der Schuldbrief, um den es sich hier

Das Indossament.

handelt, lautete allerdings nicht einfach „ou au porteur", sondern auf „ o u a son c e r t a i n c o m m a n d porteur d'icelle". Da aber der einfache porteur, wie unsere vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, inhaltlich nur die Rechtsstellung eines gewöhnlichen Prozeßmandatars hat, so ergibt sich, daß der Zusatz „a son certain command" nur eine juristische Ausprägung des Inhalts der Worte „ou au porteur d'icelle" enthält, nicht aber irgendeine besondere juristische Qualifikation der Rechtsstellung des porteur zum Ausdrucke bringt. Auch die französischen Juristen haben sich ganz wie ihre italienischen Kollegen vielfach bemüht, die (m. E. ursprüngliche und aus der Zeit, ehe die Inhaberklausel zu juristischer Bedeutung gelangte, herstammende) indifferente Klausel „ou au porteur" mit Zusätzen zu versehen, welche den Rechtsgehalt dieser Klausel ausprägen sollen. Diesem Bemühen verdanken wir nicht nur die verschiedenen Variationen der „Prokurainhaberklausel", sondern auch die von G a l l u s 1 vorgeschlagene Abstellung der verba obligativa auf den porteur 2 und die Klausel in dem Formular bei B o u t e i l l e r 3 „ou au porteur de ces lettres à qui toutes les actions et vigueurs de ceste présente obligation est promise". Einen Schuldbrief mit der Klausel „ou à son certain command porteur d'icelle" hatte in dem Streitfalle, welcher 1

D i e Ausgabe des G a l l u s , welche i c h benutzt habe, e n t h ä l t n u r die von B r u n n e r zitierte Stelle, in welcher die Befugnisse des porteur differenziert werden j e nachdem er o b l i g a t i o n i oder s o l u t i o n i adiectus ist, n i c h t aber die von B r u n n e r wiedergegebene E r ö r t e r u n g der Fragen, wann der p o r t e u r s o l u t i o n i u n d wann er o b l i g a t i o n i adjectus sei. D a nun auch B r u n n e r s E r ö r t e r u n g i h r e r Fassung nach die M ö g l i c h keit offen l ä ß t , daß er n i c h t eine Quelle w i e d e r g i b t , sondern n u r den i h m r i c h t i g erscheinenden Sinn einer Quelle e r l ä u t e r t (in welchem F a l l e die R i c h t i g k e i t seiner Auffassung m. E . keineswegs zweifellos wäre), ist im vorstehenden ein Eingehen auf die A u s f ü h r u n g e n des G a l l u s u n t e r b l i e b e n , u n d auch die B e m e r k u n g im T e x t über die Fassung der I n h a b e r k l a u s e l g i l t n u r m i t dem V o r b e h a l t , daß die E r örterung B r u n n e r s hier w i r k l i c h die W o r t e des G a l l u s selber wiedergibt. 2 3

B r u n n e r , I n h a b e r p a p . S. 50. B r u n n e r 1. c. S. 31.

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Zweite Abteilung.

dem von B r u n n e r veröffentlichten Schöffenspruche zugrunde liegt, Colin du Hamel, Kaufmann in Paris, dem Rogier du Duet, Kaufmann in Brügge, ausgestellt. Für diesen Schuldbrief zahlt in Brügge Jehan le Breton dem Rogier du Duet die Valuta und erhält dagegen den Schuldbrief ausgeliefert, ersichtlich ohne jedes weitere Cessions- oder Vollmachtsinstrument. Schon vorher aber hatte der Veräußerer Rogier du Duet durch einen gewissen Guillaume Rendon in Paris den Schuldner Colin du Hamel zur Zahlung auffordern lassen. Nachdem nun der Käufer des Briefes, Jehan le Breton, den Schuldbrief erhalten hat, erscheint in Brügge bei dem ursprünglichen Gläubiger Rogier du Duet dieser Guillaume Rendon mit der Schuldsumme, die ihm Colin du Hamel gegeben hatte, und verlangt den Brief, zu dessen Zurückerstattung er sich dem Schuldner gegenüber persönlich verpflichtet hat. Rogier weigert die Annahme des Geldes, da er ja den Brief nicht zurückgeben kann. Inzwischen kommt Jehan le Breton mit dem Briefe in Paris an und verlangt Zahlung von Colin du Hamel. Colin erwidert, er habe die Schuldsumme an Guillaume Rendon zur Ablieferung an Rogier übergeben und sei daher dem Jean le Breton zu nichts mehr verpflichtet. Jean le Breton trifft darauf verschiedene Maßregeln (fait plusieurs poursuytes) in Paris sowie vor den Schöffen von Brügge und erlangt nicht etwa gegen den Schuldner, sondern gegen seinen Rechtsvorgänger, den ursprünglichen Gläubiger, ein Urteil auf Rückzahlung der Valuta, die er für den Inhaberschuldbrief gegeben hatte. Aus diesem Sachverhalt ergibt sich zunächst eine Bestätigung dafür, daß die Inhaberklausel für sich allein den Inhaber des Schuldbriefes zur Empfangnahme der geschuldeten Leistung und zur Klageerhebung legitimiert. Denn Jean le Breton, der ja gegen Zahlung der Valuta die verbriefte Forderung für sich erwerben und daher auch eventuell einklagen will, erhält nur den Schuldbrief selber überliefert und nicht auch noch eine Cessionsurkunde. Es ergibt sich ferner, daß der Schuldner dem porteur alle ihm zur Zeit

Das Indossament.

der Geltendmachung des Schuldscheins gegen den principal zustehenden Einwendungen entgegenhalten kann. Denn Colin du Hamel weigert die Honorierung des Inhaberschuldscheins, weil er dem Inkassobevollmächtigten des Hauptgläubigers bereits gezahlt hat und dieser Standpunkt wird vom Gerichte 1 sowohl in Paris als berechtigt anerkannt, indem es die Klage des Jean le Breton abweist als auch in Brügge, indem Rogier du Duet verurteilt wird, dem Jean le Breton die empfangene Valuta zurückzuzahlen. Endlich sehen wir auch, daß die Inhaberklausel sich noch keineswegs zu einem ausschließlichen Legitimationszeichen auch nur in dem Sinne, wie es Boaterius in der Anmerkung zu Rolandinus behauptet (oben S. 23), entwickelt hat, daß nämlich der Schuldner nur an denjenigen Beauftragten des Gläubigers gültig zahlen kann, der die Inhaberurkunde vorlegt: denn die Zahlung, welche Colin an Guillaume Rendon leistet, und welche als Tilgung der Verbindlichkeit angesehen wird, ist eine Zahlung an einen einfachen Inkassobevollmächtigten, der den Schuld schein nicht vorlegt. B r u n n e r s Ausführungen über dieses Schöffenurteil sind in vielen Teilen irrig. E r meint, genau genommen sei das Inkassomandat des Rogier an Guillaume Rendon nicht zur Ausführung gekommen, Rendon habe vielmehr vom Schuldner das abweichende Mandat angenommen, die Summe in Brügge gegen Auslieferung des Schuldscheins zu zahlen. I n Wahrheit aber ist mit dem Einkassierungsauftrage, dessen Ausführung durch Entgegennahme der Zahlung die Tilgung cler Obligation aus dem Inhaberschuldbriefe herbeiführte, sehr wohl das Mandat des durch Zahlung befreiten Schuldners an den Zahlungsempfänger vereinbar, daß der Zahlungsempfänger für den liberierten Schuldner die Schuldurkunde einzieht, auf deren Rückgabe der Schuldner auch dann ein Recht hatte, wenn sie eine einfache Beweisurkunde war. 1

D a ß , wie B r u n n e r a n n i m m t , unter den poursuytes, die Jean le Breton i n Paris ergriffen hat, die E i n k l a g u n g des Schuldscheins gegen C o l i n zu verstehen ist, scheint m i r v ö l l i g zutreffend.

Zweite Abteilung.

Und nur wenn Colin du Hamel durch die in Ausführung des Inkasso mandats von Rendon entgegengenommene Zahlung wirklich liberiert war, konnte die Klage des porteur Jean le Breton auf Grund der Zahlungseinrede abgewiesen werden, während der Einwand des Schuldners, er habe einen anderen beauftragt, dem Gläubiger das Geld zu bringen, so lange völlig unerheblich war, als nicht die in Ausführung dieses Auftrages erfolgte Zahlung behauptet und bewiesen wurde. I r r t ü m l i c h meint Β r u n η er ferner auch, der Gläubiger du Duet habe durch den Inkassoauftrag an Rendon dem Schuldner „zu wissen getan, daß er die Zahlung an den command porteur im Sinne des Schuldbriefes nicht, sondern die Zahlung an sich selbst bzw. an einen anderweitig bestimmten Bevollmächtigen wolle. E r war daher nicht befugt im Widerspruch zu diesem Verlangen hinterher den Schuldbrief dem Jehan le Breton zu übertragen, damit dieser als command porteur Zahlung erhalte". Für den Gläubiger konnte doch eine einseitige Erklärung des von Β r u n η e r vorausgesetzten Inhalts schon deshalb nicht bindend sein, weil sie einerseits dem Inhalt des Schuldscheins, welcher Zahlung an den command porteur vereinbarte, widersprach und weil sie andererseits vom Schuldner ja nach B r u n n e r s Auffassung gar nicht akzeptiert, sondern zurückgewiesen wurde, indem der Schuldner, statt dem Inkassamandat zu parieren, mit dem Mandatar eine andere Vereinbarung traf. Endlich ist es eine durch nichts begründete Annahme B r u n n e r s , daß die Klage des Jehan le Breton gegen Colin du Hamel in Paris auf Grund der Feststellung abgewiesen sei, daß Rogier du Duet dem Jehan le Breton den Schuldbrief erst n a c h der abseiten des Colin an Guillaume Rendon erfolgten Zahlung übergeben habe. Abgesehen davon, daß B r u n η e r ja die Zahlung des Colin an Rendon nicht als Schuldtilgung ansehen will, ist gegen seine Annahme zu bemerken, daß weder die Zeit der Übergabe des Briefes an le Breton noch die Zeit der Zahlung des Geldes an Rendon feststehen oder überhaupt das zeitliche Verhältnis zwischen beiden Vorgängen auch nur andeutungsweise erwähnt wird.

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Die Rechtsstellung des porteur de lettres erweist sich nach vorstehenden Ausführungen in jeder Beziehung als die eines Prozeßvertreters, der sich nur dadurch von dem gewöhnlichen procurator unterscheidet, daß er durch den Besitz der Schuldurkunde allein ebenso in seiner Eigenschaft als Vertreter legitimiert wird wie durch eine sollenne Vollmachtsurkunde. Die Prinzipien, aus welchen die einzelnen Befugnisse des Porteur abzuleiten sind, sind einerseits die Verkehrsinstitution des Legitimationszeichens, andererseits das im Corpus iuris enthaltene Recht des procurator qui dominus litis efficitur. Auf coutumiäre Rechtssätze, die diesem römischen Rechte widersprechen, ist diese Rechtsstellung nur insoweit zurückzuführen, als cler Satz „homs morts n'a porteur de lettres" die Befugnisse des porteur einschränkt. Dagegen weist keine einzige Quelle Rechtssätze auf, welche auf das Prinzip zurückzuführen sind, daß der porteur ein ihm unmittelbar aus dem Schuldvertrage dem Schuldner gegenüber erworbenes eigenes (d. h. nicht vom Rechte des ursprünglichen Gläubigers abgeleitetes) Recht geltend mache, daß er auf einen Vertrag über eine Leistung an einen Dritten seine Befugnisse gründe. Gerade das praktisch wichtigste Kriterium einer solchen Rechtsstellung, nämlich der Satz, daß der Schuldner dem porteur diejenigen Einreden nicht entgegenhalten dürfe, welche er gegen den ursprünglichen Gläubiger nach dem Abschluß des Vertrages erwirbt, ist nicht nur in den Quellen nicht nachweisbar, sondern wird durch Quellenzeugnisse widerlegt. Dies ist so evident, daß auch B r u n n e r stillschweigend darauf verzichtet hat, den speziellen Inhalt des aus unseren Quellen ersichtlichen Rechtes des porteur cle lettres als Konsequenz des Rechtssatzes darzustellen, daß der porteur aus einem Vertrage über Leistungen an Dritte seine Berechtigungen herleite. Statt dieses Prinzips erscheint bei ihm jetzt ein anderes, ebenfalls germanisches, Rechtsprinzip auf dem Plan, nämlich ein Prinzip des germanischen Prozeßrechtes. „Der germanische Prozeß fragt nicht in erster

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Linie nach dem Rechte des Klägers, sondern geht von der Verteidigungspflicht und dem Verteidigungsrechte des Beklagten aus. Den Angelpunkt des Schuldprozesses bildete das Schuldigsein des Beklagten. Die Pflicht desselben, dem Inhaber zu leisten, ergab sich aus dem Wortlaute seines Schuldversprechens 1 ." Daraus, daß dieses Prinzip, welches in der Z e i t , aus der uns keine Quellenzeugnisse erhalten sind, ungehemmt geherrscht hatte, „als sich seit dem Anfang des 13, Jahrhunderts in Frankreich die Gesetzgebung, die Praxis und die Jurisprudenz mehr und mehr mit Grundsätzen des römisch-kanonistischen Prozeßrechts gesättigt hatten", mit diesem Prozeßrecht in Berührung und in Konflikt geriet, erklärt B r u n η e r es, daß die germanischen Rechtsprinzipien in unseren Quellen in so unzulänglicher Form zur Ausprägung kommen. Aber dieser Erklärungsversuch ist weder dogmatisch zureichend noch historisch zu begründen. Wenn sich die Pflicht des Schuldners, dem Inhaber zu leisten, ohne weiteres aus dem Wortlaute des Schuldversprechens ergab, so war eben der Inhaber der Berechtigte schlechthin, er war die Prozeßpartei selber, und es bliebe völlig unerklärt, weshalb sich gerade für ihn ein anderes Recht ausbildete als für jeden anderen Berechtigten, der im eigenen Namen klagte. Ob er im Einzelfalle auch im eigenen Interesse k l a g t e , blieb bei dieser Rechtsgestaltung ein gar nicht im Prozeß hervortretender Umstand, an den sich eben aus diesem Grunde keinerlei Rechtsentwicklung anknüpfen konnte. Durchaus im Widerspruch mit B r u n n e r s Behauptung zeigt demgemäß auch die historische Entwicklung, welche die von ihm beigebrachten Quellenzeugnisse erkennen lassen, nicht etwa eine fortschreitende Abschwächung der selbständigen Stellung des porteur, sondern im Gegenteil eine durch immer konsequentere Anwendung des römischen Rechtes vermittelte Erweiterung seiner Befugnisse. 1

B r u n n e r , I n h a b e r p . S. 64.

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Die Quellen, welche nach B r u n n e r dem 13. Jahrhundert angehören (For de Béarn, Coutume d'Artois), kennzeichnen den porteur als einen gewöhnlichen procureur, ohne jede andere Differenzierung als die A r t seines Legitimationsnachweises; ihnen schließt sich zunächst das Etabl. de L i l l e von 1352 an, in welchem selbst das Recht des porteur zur Exekutionserwirkung als eine Neuerung auftritt, und andererseits ist bezeichnenderweise derjenige Schriftsteller, bei dem die Befugnisse des porteur in ihrer höchsten Steigerung erscheinen, nämlich B o u t e i l l e r , zugleich derjenige, der dem römischen Rechte gegenüber der Coutume mit besonderer Energie den Vorrang gibt. B r u n n e r s irrige Auffassung ist dadurch verschuldet, daß er den Rechtsgehalt des von ihm nur ganz beiläufig berührten dominium litis des römischen Rechtes nicht zur Vergieichung herangezogen h a t ; für ihn existieren als römisch-rechtliche Kategorien prozessualer Handlungen nur die Kategorien des modernen Pandektenrechts, nämlich entweder das Handeln als selbständige Prozeßpartei oder das Handeln als offener Stellvertreter; und was sich diesen beiden Kategorien nicht unterordnen läßt, erscheint ihm entweder als Ausfluß germanischer Rechtsprinzipien oder als juristische Ungenauigkeit ; die dritte Möglichkeit, daß es das wirklich im Corpus juris enthaltene römische Recht sein könne, hat er gar nicht in Betracht gezogen.

§ 6. Das deutsche Inhaberpapier. Die Inhaberklauseln der spätmittelalterlichen deutschen Urkunden zeigen in ihrer äußeren Form und in ihrer Anwendung erheblich mehr als die italienischen und französischen den Zusammenhang mit den frühmittelalterlichen italienischen Klauseln, eine Erscheinung, welche sicherlich darauf beruht, daß die reformierende Tätigkeit der Romanisten in Deutschland nicht denjenigen Einfluß ausübte wie in Italien oder Frankreich. Wie in den Urkunden des Codex Cavensis und der Memorie di Lucca, so finden sich auch in den deutschen Urkunden des späteren Mittelalters die verschiedenen

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Variationen der Inhaberklausel 1 in Urkunden aller Art, nicht nur in Schuldurkunden, sondern auch in Veräußerungs-* besonders in Kaufurkunden, und es werden nicht nur Forderungsrechte, sondern auch Sachenrechte, insbesondere das Eigentum und die verschiedenen dem Eigentumserwerber eingeräumten Befugnisse auf den Gegenkontrahenten und den Inhaber abgestellt. Schon aus dieser generellen Anwendung der Klauseln bei den verschiedensten Rechtsverhältnissen ergibt sich, daß die Klauseln als solche nicht der Ausdruck eines ihnen allen zugrunde liegenden gemeinsamen Rechtsprinzips sein können. Für die Annahme, daß ζ. B. ein auf den Gegenkontrahenten und den Inhaber der Veräußerungsurkunde verbrieftes Eigentum von dem Erwerber i n anderen Formen 2 oder mit anderer Rechtswirkung 8 übertragen werden könne als ein lediglich auf den Gegenkontrahenten allein oder auf ihn und seine Erben verbrieftes Eigentum, findet sich im ganzen Rechte des deutschen Mittelalters kein Anhaltspunkt. Man kann zwar ebenso wenig wie für das frühmittelalterliche oder antike Recht behaupten, daß die Inhaberklauseln der spätmittelalterlichen deutschen Urkunden stets völlig entbehrlich seien, denn in ihrer Anwendung bei solchen Rechtsverhältnissen, welche, obgleich an sich vom Rechtserwerber nicht übertragbar, doch in dem durch Parteivereinbarung festgesetzten Umfange übertragbar gemacht werden können 4 , würde die Abstellung des Rechts auf den Gegenkontrahenten 1 Meistens h a t sie die Fassung „ o d e r wer diesen b r i e f m i t i h r e m w i l l e n (bzw. m i t i h r e m guten w i l l e n ) i n n e h a t " , häufig noch m i t dem Z u sätze „ v o n ihretwegen i n n e h a t " oder „ i n n e h a t und f ü r b r i n g t " , seltener ist die einfache K l a u s e l : „ o d e r wer diesen B r i e f innehat"·, bisweilen finden sich auch ganz aparte F o r m u l i e r u n g e n . 2 E t w a d u r c h Übergabe der U r k u n d e u n d eines W i l l e b r i e f e s ohne A u f l a s s u n g der Sache selbst. 3 E t w a m i t der W i r k u n g , daß das E i g e n t u m i n derjenigen Gestalt auf den D r i t t e r w e r b e r ü b e r g e h t , i n welcher es der Veräußerer selber e r w o r b e n hatte, unter W e g f a l l etwaiger vom Veräußerer getroffener Verfügungen. 4 M a n denke ζ. B. an lehensrechtliche oder Erbleiheverhältnisse.

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Das Indossament.

und denjenigen, der mit dem guten Willen des Gegenkontrahenten die Urkunde besitzt, eine vertragsmäßige Ermächtigung zur Weiterveräußerung bedeuten, aber diese Rechtswirkung ist keine Konsequenz eines besonderen Rechts der Inhaberklausel, sondern eine Konsequenz der Beschaffenheit des speziellen Rechts, bei dessen Übertragung die Inhaberklausel verwendet w i r d , und die Klausel dient hier nur zur Normierung eines rein tatsächlichen Kriterium zur Bestimmung des Kreises der Rechtsanwärter. Was nun speziell die Anwendung der Inhaberklauseln bei Yerbriefung von Forderungsrechten anlangt, so ist zunächst festzustellen, daß die Einräumung eines Forderungsrechts an den Gegenkontrahenten und denjenigen, der den Schuldbrief innehat, nicht erforderlich ist, um dem Gegenkontrahenten eine ihm nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen versagte Befugnis zur Veräußerung der Forderung einzuräumen. Denn im deutschen Rechte des späteren Mittelalters sind Forderungsrechte aller A r t , insbesondere Forderungsrechte aus Verträgen, (abgesehen von ganz speziellen Fällen) genau so gut übertragbar wie Sachenrechte. Die Rechtsanschauung, welche der deutschrechtlichen Veräußerung einer Forderung zugrunde liegt, t r i t t besonders klar hervor in einem dem Magdeburger Rechtsgebiete angehörigen Dresdener Schöffenspruche des 15. Jahrhunderts 1 . Hier wird unter der Überschrift „Das man farnde habe ane gerichte vergebin mag" die Veräußerung einer Schuldforderung erörtert. Ein Ehemann hatte „dywile her gelibit und gelebit had . . . seyner elichin wirtynne vor bedirbin luthen gegeben benumit und benant . . . solch gelt daz ym hans phüczczen czu kotewicz schuldig ist: Also das sie das zcu ym vordem und nemen sulde . . . " Nach dem Tode des Mannes verklagt die Frau durch ihren Vormund den Schuldner. I m Prozeß intervenieren die Erben des Mannes auf Grund ihres Erbrechts und verlangen zwei Drittel der Forderung : 1

S. 828.

Wasserschieben,

Sammlung

älterer

d.

Rechtsquellen

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zu einem D r i t t e l ist die Frau selber Erbin. Die Schöffen von Dresden erklären „kan die frauwe gezcugin und volkomen als recht ist selbdritte mit czwen fromen mannen . . . oder mit des rathis offene briffe . . . das i r elicher wirt . . . sulch geld, das ym niclas schuldig was, vor en gegebin hadt. So ist die frauwe by sulcher gäbe neher zcu blibin . . . w e n n m a n g a b i n an f a r n d e r habe ane g e r i c h t e u n d g e h e g i t t e bang wol gebin mag von r e c h t i s wegen . . Die Veräußerung der Schuldforderung erscheint hier ganz so wie sie S t o b b e 1 charakterisiert und wie sie auch im langobardischen Rechte des früheren Mittelalters erscheint, nämlich als ein Spezialfall der Veräußerung fahrender Habe, es werden „sachenrechtliche Rechtssätze und Rechtsgeschäfte zur Anwendung" gebracht auf unkörperliche Sachen. Diese dem römischen Rechte völlig fremde Auffassung dürfen w i r , wie es auch S t o b b e schon getan hatte (der später durchaus mit Unrecht seine Ansicht geändert hat), als einen germanischen Rechtsgedanken ansprechen 2 . Als weiteres Beispiel für die generelle Abtretbark e i t von Schuldforderungen sei angeführt ein Beispiel aus dem Gebiete des lübischen Rechts, eine stralsundische Stadtbucheintragung von 1326 3 : Johannes Hinricus et Nicolaus fratres de Raceborg resignaverunt o m n i a d e b i t a s u a fratri suo domino Petro plebano in Schoneberg a d r e p e t e n d u m q u o c u n q u e i u r e . Endlich ist noch der häufigen Beurkundungen von Veräußerungsverträgen über Renten zu gedenken, die sich z. B. in den Eintragungen des Frankfurter Stadtbuches finden. Dort erkennen z. B. in Nr. 212 am 2. Mai 1323 vor Schultheiß und Schöffen „Syple Froisch unde Elsebeid sin eliche wirten" an „daz sie hetten virkouft zwo mark geldes, die da sint gelegen uf 1

Zeitschr. f. Handelsrecht X I S. 400. D i e A b t r e t b a r k e i t von Forderungen i m langobardischen Rechte u n d die j u r i s t i s c h e S t r u k t u r dieser A b t r e t u n g sind erörtert i m d r i t t e n A b s c h n i t t meiner „ W e r t p a p i e r e " . 3 Das zweite stralsundische S t a d t b u c h , Stralsund 1903, Ν 2370. 2

Das Indossament.

Baldemeris hove vor Bockenheimer porcen". Diese Rente hatten sie, wie sich aus Nr. 121 eod. ergibt, gekauft von Nicolaus Wolf von Sygen, der sie veräußert hatte an „Syplen Froische, Elsebede siner elichen wirten unde iren erbn ewikliche zu besitzene zuo allen dem rechte, als he sie hatte besezzen". Diejenigen Quellen, aus welchen B r u n n e r und die von ihm begründete herrschende Meinung die Unveräußerlichkeit der Schuldforderungen herleiten wollen, enthalten nicht deutsches, sondern römisches Recht, denn gerade dem römischen Rechte ist der Begriff der Singularsukzession in eine Forderung unbekannt, es erreicht vielmehr auch noch auf der letzten Stufe seiner Entwicklung eine Übertragung der Forderung auf einem anderen Wege als durch Zulassung einer Singularsukzession. Römisches Recht enthält insbesondere die schon von S t o b b e 1 besprochene und auf ihren wahren Wert zurückgeführte Stelle des kleinen Kaiserrechts I I 38, zu welcher der Herausgeber eine mutmaßliche Quelle aus dem römischen Rechte anführt. Und lediglich das Recht der römischen Novation ist es, welches in den beiden anderen von B r u n n e r herangezogenen Quellen vorgetragen w i r d , nämlich in cler Blume des Sachsenspiegels I I 2 c. 98 und in clem Wiener Stadtrecht c. 19. Der Verfasser der Blume des Sachsenspiegels war in Bologna gebildet, und wie wenig die Aufstellung des Satzes „Ohne Verwandlung des Gelübdes ist die Gift cler Schuld unstäte" 2 für das praktische Recht bedeutet, 1

Zeitschr. f. Handelsrecht X I S. 407. B r u n n e r (Inhaberp. S. 13 A n m . 3) f ü h r t als Beispiel f ü r eine solche „unstäte G i f t " den Rechtsfall i m systematischen SchöiFenrecht I 28 an. Z w e i E h e g a t t e n h a t t e n an i h r e n E i d a m i h r ganzes Vermögen, insbesondere auch ihre ausstehenden Schulden vergabt. Später h a t t e die E h e f r a u einen i h r e r Schuldner angewiesen, einen i h r e r G l ä u b i g e r zu befriedigen, der Schuldner hatte dieser A n w e i s u n g F o l g e geleistet u n d war von der E h e f r a u aus seiner V e r b i n d l i c h k e i t entlassen worden. Nunmehr wurde er vom E i d a m aus der früher erfolgten Vergebung i n A n s p r u c h genommen. D e r A n s p r u c h des E i d a m w i r d für unberechtigt 2

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ergibt sich daraus, daß er auch in seiner Blume des Magdeburger Rechts I I 98 von einer „vorwandlung des Gelübdes" redet, obwohl doch, wie oben dargelegt, im Gebiete des magdeburgischen Rechts die \ r ergabung einer Forderung ohne Zuziehung des Schuldners erfolgte. Auch das Wiener Stadtrechtsbuch stellt nur den Satz auf, daß die Schuldklage keine Kraft habe, welche jemand für einen nahen Verwandten (Vater oder Bruder) anstellt, ohne daß ihm die Forderung eingeräumt sei, und bezeichnet alsdann als Modus der Einräumung die römische Novation, ohne die Singularsukzession in die Forderung auszuschließen. Dem Zwecke der Forderungsübertragung dient im deutschen Rechte des späteren Mittelalters auch die Bestellung zum Prozeßvertreter, soweit solche Bestellung zulässig ist. Für diese Rechtsform der Forderungsübertragung bietet ein Beispiel das Stadtrecht von München. Es läßt im Art. 28 das „aufgeben der chlag" unbeschränkt zu, wenn es geschieht „vor dem rechten ze gewinn und ze flust oder mit seinem offenen brief", macht aber von dieser Bestimmung eine Ausnahme in A r t . 328, wo es festsetzt, kein Gastgeber oder Bürger dürfe einem Gaste eine Forderung „eingewinnen e r k l ä r t denn „das gelt, das dy frauwe dem manne beweyst hette u n d y m geczelt ist, do dorfte her nymandem umb a n t w o r t e n " . Offenbar b e r u h t diese E n t s c h e i d u n g a u f dem selbstverständlichen Satze, daß der Schuldner, welcher i n U n k e n n t n i s der Cession an den u r s p r ü n g l i c h e n Gläubiger oder an dessen Rechtsnachfolger leistet, n i c h t zu einer nochm a l i g e n Z a h l u n g an den Cessionar verpflichtet ist. W ä r e die Cession an sich u n g ü l t i g , so wäre es j a v ö l l i g g l e i c h g ü l t i g für die E n t s c h e i d u n g des vorliegenden F a l l e s , ob der Schuldner, als i h n der Cessionar ans p r a c h , schon geleistet hatte oder n i c h t . H a t aber die B l u m e des Sachsenspiegels die F o r d e r u n g s a b t r e t u n g d u r c h einfachen V e r t r a g zwischen dem Cedenten u n d dem Cessionar l e d i g l i c h deshalb für eine „unstäte G i f t " e r k l ä r t , w e i l der Cedent die M ö g l i c h k e i t hat, durch E i n t r e i b u n g der cedierten F o r d e r u n g von dem Schuldner, dem die Cession noch n i c h t angezeigt i s t , den Cedenten an der Realisierung der abgetretenen F o r d e r u n g zu h i n d e r n , so scheidet diese Rechtsquelle aus der Reihe der Zeugnisse für die Unzulässigkeit der Cession v ö l l i g aus.

Das Indossament.

mit (1er statt rechten"; habe aber der Gast den Prozeß bereits durchgeführt, so möge er seinem W i r t die Klage „aufgeben mit gerichtes hant". Dies „aufgeben" einer bereits durchgeführten Klage kann nur eine in die Form einer Prozeßbevollmächtigung gekleidete Forderungsveräußerung bezeichnen, woraus wiederum folgt, daß dasselbe Wort in Art. 28 auch den Fall der Forderungsveräußerung mit umfaßt. B r u n n e r erblickt in der Bestimmung des Art. 328 und der oben S. 36 angeführten Schöffensatzung von L i 11 e, welche beiden Bestimmungen nach ihm die Abtretung einer mit exekutiver Kraft versehenen Forderung für zulässig erklären, ein Sonderrecht der exequierbaren Forderung; nur diese, nicht aber die erst noch einer Feststellung im Prozeß bedürftige Forderung sei abtretbar. Indessen die Schöffensatzung von L i l l e enthält, wie oben ausgeführt, ein Sonderrecht der Inhaberklausel, indem sie dem porteur die Rechtsstellung eines außergerichtlichen Vertreters zuweist, das Münchener Stadtrecht aber enthält ein Sonderrecht des Rechtsverkehrs zwischen Bürger und Gast, indem es die Cession eines Anspruches abseiten des Gastes an einen Bürger aus demjenigen Gesichtspunkte für ungültig erklärt, auf welchem auch das römische Verbot der cessio in potentiorem beruht. Gerade daraus, daß das „Aufgeben" der nicht exequierbaren Forderung lediglich dem Gaste untersagt wird, ergibt sich, daß es dem Bürger erlaubt ist, und da dieses Aufgeben, wie oben dargelegt ist und auch von B r u n n e r nicht bezweifelt wird, zugleich dem Zwecke einer Forderungsveräußerung dient, so liefert das Münchener Stadtrecht einen neuen Beleg für die Zulässigkeit einer solchen Veräußerung und zeigt uns, daß die Übertragbarkeit der exekutionsfähigen Forderung kein Sonderrecht dieser Forderung, sondern eine Anwendung des allgemeinen Grundsatzes der Übertragbarkeit einer Forderung ist. Ebenso wenig wie zur Ermöglichung der Bestellung eines Rechtsnachfolgers für die eventuell auf den Inhaber verbriefte Forderung dient die Inhaberklausel zur Ermöglichung der Bestellung eines Prozeßvertreters. F r e u n d t , Wechselrecht d. Postgl.

II.

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Zweite Abteilung.

Zwar ist die Vertretung vor Gericht in den mittelalteralterlichen deutschen Rechten vielfach nur beschränkt zulässig, meistens nur im Falle der Abwesenheit oder sonstigen Behinderung der Partei, aber diese Beschränkungen sind doch wohl regelmäßig ihrem Zwecke gemäß zwingende Rechtssätze, welche durch Parteivereinbarung nicht außer Kraft zu setzen sind, auch fehlt es an jedem Anhaltspunkt dafür, daß der juristisch ganz indifferent lautenden Inhaberklausel gerade die spezielle Bedeutung einer vertragsmäßigen Außerkraftsetzung der Beschränkungen prozessualer Vertretung subintelligiert worden sei. Β r u η η e r 1 hat allerdings eine Bestimmung der steiermärkischen Landrechtsordnung von 1576 aufgefunden, in welcher der Inhaberklausel „wer denselbigen mit guten willen inhanden" die Bedeutung der Vereinbarung über Bestellung eines gerichtlichen Stellvertreters beigelegt wird, aber gerade daraus, daß diese Rechtswirkung hier auf ausdrücklicher gesetzlicher Normierung beruht, ergibt sich, daß es nicht zulässig ist, der Inhaberklausel , wo sie unter einem ganz anderen Rechtszustande zu anderen Zeiten in anderen Rechtsgebieten erscheint, eben diese Bedeutung ohne weiteres beizulegen. Wenn also die Verbriefung eines Forderungsrechts auf den Gegenkontrahenten und den Inhaber einerseits nicht erforderlich ist, um den Erstberechtigten zur Veräußerung der Forderung zu befugen, andererseits nicht geeignet ist, die gesetzlichen Beschränkungen prozessualer Vertretung zu beseitigen, so bliebe noch die Möglichkeit, daß diese A r t der Verbriefung dem Inhaber eine von .der Rechtsstellung eines einfachen Rechtsnachfolgers in eine Forderung abweichende Rechtsstellung gewährt hätte. I n der Tat hat denn auch Ρ1 a t η e r 2 die Behauptung aufgestellt, durch die Veräußerung des Rechts aus einer Schuldurkunde mit Inhaberklausel erlange der dritte In1

Z e i t s c h r . f. Handelsrecht X X I I I S. 242 fgg. Z u r L e h r e von den I n h a b e r p a p i e r e n , A r c h i v für civ. Pr. X L I I S. 111 fgg. 2

Das Indossament.

haber eine lediglich durch den Inhalt der Urkunde bestimmte und im übrigen von der Beschaffenheit des Rechts des Veräußerers unabhängige Rechtsstellung. Nach seiner Meinung 1 haben im Falle einer Veräußerung des Rechts aus dem Inhaberschuldbriefe „alle sonstigen rechtlichen Beziehungen des Schuldners zum ursprünglichen Gläubiger in Beziehung auf die Schuld aufgehört, irgendwie rechtliche Bedeutung zu haben. Alle diejenigen Einwendungen, welche der Schuldner außerhalb der in. der Urkunde verzeichneten rechtlichen Verhältnisse gegen seinen ersten Gläubiger, den ursprünglichen Inhaber der Schuldurkunde, etwa hätte vorbringen können, sind vollständig erloschen". Der einzige Quellenbeweis für diese Behauptung besteht in dem Hinweise auf einige Inhaberschuldbriefe und Veräußerungsurkunden über die in solchen Inhaberschuldbriefen beurkundeten Forderungen, in welchen als dasjenige Recht, welches der Inhaber erlangen soll, das Recht bezeichnet w i r d , welches der Erstberechtigte durch den Schuldschein e r w i r b t 2 , der Inhaber soll so gestellt sein, als ob er ursprünglich in seiner Pèrson den Vertrag geschlossen hätte. Eine so gestaltete Rechtsstellung des Inhabers nimmt aber P l a t n e r dann auch in allen denjenigen (die Regel bildenden) Fällen an, in welchen es im Schuldschein oder in der Veräußerungsurkunde einfach heißt, dem neuen Inhaber werde so geleistet, wie dem ursprünglichen Berechtigten selbst geleistet werden mußte. Nun ist allerdings r i c h t i g , daß zwischen beiden Fassungen kein juristischer Unterschied besteht, aber die juristisch korrekte Fassung ist nicht die, daß dem Inhaber 1

1. c. S. 125. Mon. Boica. vol. 10 N r . 87 von 1467: „ U n d wer also diesen gegenwärtigen brief m i t irem guten w i l l e n i n h a t u n d f ü r p r i n g t , der h a t allenthalben gen uns a l l e n u n d yeden alle die gerechtikeit, a l s o b s y s e l b e n p e r s o n l i c h e i n g e g a n g e n w ä r e n . M o n . Boic. vol. 34 pars 2 N r . 114 von 1421: „ m i t der bescheidenheit, daz er alle die r e c h t an der — pfantschafft — h a t als m i r — ist verschrieben u n d i m derselb — als krefftig sin sol, a l s o b e r v o n w o r t t z u w o r t t e m i t namen auf sin selbst p e r s o n g e s c h r i e b e n were. Beides z i t i e r t bei P l a t n e r 1. c. S. 126 A n m . 19. 2

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Zweite Abteilung.

geleistet werden müsse, wie wenn er den Vertrag selber geschlossen hätte, sondern die, daß ihm geleistet werden müsse, wie dem ursprünglichen Kontrahenten geleistet werden muß. Denn die Umschreibung der Rechtsstellung des Inhabers dahin, daß er alle Rechte so habe, wie wenn er der ursprüngliche Kontrahent wäre, findet sich nicht nur in Schuldurkunden, sondern auch in Veräußerungsurkunden, insbesondere wird in Kaufbriefen, in welchen das veräußerte Eigentum auf den Gegenkontrahenten und den Inhaber abgestellt i s t , die Rechtsstellung des Inhabers häufig dahin bezeichnet, daß er dies Eigentum so haben solle, wie es dem Gegenkontrahenten verschrieben sei Daß aber ein auf den Gegenkontrahenten und den Inhaber verbrieftes Eigentum bei Weiterveräußerung durch den Erwerber in demjenigen Zustand auf den Dritten übergehe, in dem es sich zur Zeit des Erwerbes befand oder gar in demjenigen Zustand, in dem es zufällig im Kaufbriefe beschrieben ist, so daß ζ. B. Verfügungen, die der Erwerber nach dem Erwerbe getroffen hat (wie etwa Belastungen mit Renten oder Dienstbarkeiten), mit der Veräußerung hinfällig würden, weil die Erwerbsurkunde des Verfügenden die Inhaberklausel trägt, ist eine Behauptung, welche doch angesichts der wohlbekannten Rechtssätze des deutschen mittelalterlichen Liegenschaftsrechtes gar nicht aufgestellt werden sollte 2 . Daraus ergibt sich 1 V g l . statt aller Mon. B o i c a vol. 21 pag. 403—404 K a u f b r i e f von 1337: U n d .swer den b r i e f m i t i r w i l l e n inne hat, der sol h i n t z uns u n d h i n t z dem ob genannten gut völlichleichen haben a l l e d i e r e c h t , die hie an dem b r u e f g e s c h r i e b e n stent, in aller der m a z z e a l s s i e d e m o f f g e n a n n t e n H. s e i n e r H a u s f r a u e n u n d seinen E r b e n selber v e r s c h r i b e n sint. 2 P l a i n e r freilich scheint auch dies anzunehmen u n d e r b l i c k t h i e r i n gar noch einen besonderen V o r z u g des deutschen Rechts; er meint n i c h t n u r , daß bei V e r b r i e f u n g eines E i g e n t u m s auf den E r werber u n d den I n h a b e r i m F a l l e der V e r ä u ß e r u n g statt der Auflassung die einfache Ü b e r t r a g u n g des Kaufbriefes genügt hätte, sondern fügt auch h i n z u (1. c. S. 124): „ A u f diese Weise w a r d eine Beweglichk e i t u n d T a u s c h b a r k e i t der Grundrechte ermöglicht, wie sie b e k a n n t l i c h i n neuerer Z e i t von manchen J u r i s t e n u n d N a t i o n a l ö k o n o m e n angestrebt wird."

Das Indossament.

aber clas Gleiche auch für die gleichlautenden Ausdrücke in den Schuldbriefen; auch sie können nicht die Bedeutung haben, die P l a t n e r ihnen zuschreibt, auch ihr Sinn kann nur der sein, daß dem Inhaber so geleistet werden müsse, wie dem ursprünglichen Gegenkontrahenten zu leisten gewesen wäre, daß also der Inhaber ein einfacher Rechtsnachfolger des ersten Gegenkontrahenten ist. Diejenigen Formulierungen, welche den Anstoß zu der irrigen Meinung P l a t n e r s gegeben haben, heben nur hervor, daß der Rechtsnachfolger a l l e Rechte haben solle und erwähnen nicht die selbstverständliche Ergänzung, daß diejenigen Rechte, welche er haben soll, die sind, welche sein Rechtsvorgänger zur Zeit der Veräußerung hatte. Die Rechtsstellung, welche P l a t n e r dem Inhaber zuweist, deckt sich in der juristischen Auffassung des Rechtsvorganges, durch welchen das Gläubigerrecht des Inhabers begründet wird, mit der B r u n η ersehen Kategorie der Verträge über Leistungen an Dritte. Die Darlegung, daß der Quellenbeweis für die Annahme einer solchen Rechtsstellung des Inhabers hinfällig ist, widerlegt daher zugleich die entsprechende Behauptung B r u n n e r s , soweit das Recht des spätmittelalterlichen deutschen Inhaberpapiers in Betracht kommt. B r u n n e r glaubt aber, einen Anwendungsfall der Verträge über Leistungen an Dritte außer im Rechte des Inhaberpapieres auch noch in dem Rechtsverhältnis entdeckt zu haben, welches bei einigen Eintragungen des Stralsunder Stadtbuches vorliegt, in welchen einfach die Verpflichtung des Schuldners beurkundet wird, an bestimmt benannte dritte Personen zu leisten. Indessen die wirkliche rechtliche Bedeutung dieser Stadtbucheintragungen ergibt sich aus demjenigen, was sich über die Stadtbucheintragungen des Stralsunder Oberhofs Lübeck ermitteln läßt. Es sind nämlich in dem von Μ ο 11 wo veröifentlichten Handlungsbuche des Hermann Wittenborg und seines Sohnes, des Lübecker Bürgermeisters Johann Wittenborg, eine Reihe von Eintragungen erhalten, zu deneu

Zweite Abteilung.

M o l l wo die Paralleleintragungen in den Lübecker Stadtbüchern ermittelt hat. „Oftmals werden die Angaben des Handlungsbuches erst durch solche klar, besonders zeitlich sicher fixiert, öfter noch die Stadtbücher durch die Eintragungen im Privathandelsbuch kommentiert. I m Niederstadtbuch, dem liber debitorum, finden wir nämlich äußerst selten etwas anderes als Angaben der Schuldverpflichtung, die Namen des Gläubigers und Schuldners und die Termine der Schuldabtragung. Es hat sich da eine feste Formel herausgebildet. Den Inhalt der Verpflichtung, das Geschäft, dem sie entstammt, erfahren wir gewöhnlich erst durch das Handlungsbuch 1 ." Die in den Stadtbucheintragungen beurkundeten Verpflichtungen haben also keineswegs stets den gleichen, etwa durch die Tatsache oder Fassung der Eintragung bestimmten formell juristischen I n h a l t , sondern die Eintragung ist lediglich eine unvollständige, nur die Hauptberedungen umfassende, Beurkundung materiell charakterisierter Verträge : mithin ist auch für den Inhalt der Berechtigung des als Leistungsempfänger eingetragenen D r i t t e n nicht die einfache Tatsache seiner Benennung im Stadtbuche, sondern seine aus der Eintragung nicht ersichtliche eventuell durch das Handlungsbuch oder sonstige Beweismittel feststellbare materielle Rechtsstellung in dem der Eintragung zugrunde liegenden Geschäft entscheidend. Die bisherigen Erörterungen haben gezeigt, daß die Inhaberklauseln weder dazu dienen, eine an sich unzulässige Forderungsübertragung oder Prozeßvertretung zu ermöglichen, noch dazu, dem Inhaber eine von der Rechtsstellung eines gewöhnlichen Rechtsnachfolgers in die verbriefte Forderung abweichende Rechtsstellung zu vermitteln. Es bliebe also nur noch die Möglichkeit, daß sie für die Legitimation des Inhabers von Bedeutung wären. Als Legitimationszeichen erweisen sich nun allerdings 1

M o l l w o , H a n d l u n g s b u c h des H e r m a n n u n d Johann W i t t e n b o r g S. X L V .

Das Indossament.

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ihrem offenbaren Inhalte nach die Inhaberklauseln der Anweisungen, und diese zeigen denn auch in manchen Modifizierungen ihrer Fassung ihren Zweck als Legitimationszeichen deutlich genug an. Von den Inhaberklauseln der Schuldurkunden gilt aber das Gleiche nur in sehr beschränktem Maße. Die bisherigen modernen Untersuchungen über das Recht der spätmittelalterlichen deutschen Inhaberklauseln haben bekanntlich erwiesen, daß die qualifizierten Inhaberklauseln, d. h. diejenigen, welche nicht einfach auf den Inhaber lauten, sondern auf den Inhaber mit dem guten W i l l e n oder von wegen des Hauptgläubigers oder auf den getreuen Inhaber usw., für die Legitimation des Inhabers nicht nur, wenn er als Rechtsnachfolger, sondern auch, wenn er als als Prozeßvertreter des Hauptgläubigers auftritt, ohne jede Bedeutung sind, indem das Innehaben der Urkunde keineswegs genügt, um den Inhaber zu legitimieren, sondern außerdem noch der Nachweis derjenigen Rechtsstellung, welche der Inhaber beansprucht, in ganz derselben Weise zu führen ist, wie wenn die Urkunde die Inhaberklausel nicht enthielte. Eine Ausnahme gilt für die einfache Inhaberklausel „oder wer diesen brief innehat". Über die juristische Funktion dieser Klausel unterrichtet uns am besten ein viel erörterter magdeburgischer Schöffenspruch 1 . Hencze von Kauffungen erhebt aus einem Briefe, in dem er nicht persönlich als Gläubiger genannt war, der aber die Klausel enthielt „oder wer dessin brieff ynne hat", Klage gegen die Schuldner. Der Schöffenspruch bestimmt zunächst: angesichts jener Klausel „darff henze forder keyne bewisunge thun wenne daz her den vorsigilten brieff vorlege". Hiermit aber hat er sich noch keineswegs völlig legitimiert, sondern es folgt nun ein von S t o b b e 2 und B r u n n e r ü übersehener Zusatz „unde daz her hanse von polenczk und floschin von torgaw dy wer lobe unde thun vor ydermanns ansproche 1 2 3

W a s s e r s c h i e b e n , Rechtsquellen, K a p . X L V I I . Zeitschr. f. Handelsrecht 1. c. S. 425. Zeitschr. f. Handelsrecht X X I I I S. 254.

Z e i t e Abteilung.

mit fingern unde mit henden, vnde mus dy ym ouch vorburgen ader vorpfenden ader czu den heyligin swern di czu haldin". Es wird also von dem Inhaber eines Briefes mit der alternativen Inhaberklausel zwar nicht der Nachweis des Rechtsaktes verlangt, durch den er die von ihm ausgeübte Rechtsstellung erworben hat, wohl aber hat er neben der Vorlage des Briefes noch eine K a u t i o n zu leisten. Zweck und Wesen dieser Kaution erhellt aus dem vorhergehenden Schöffenspruche, in welchem es sich um einen Streit derselben Hauptparteien handelt und in welchem einem der Beklagten, der „meynt seyne bürgen czu verantwerten unde nach rechte czu vertreten" auferlegt wird, den Gläubigern zu „vorburgen, vorphende ader czu den heyligen sweren, daz her ym die were haldin wil". Danach ist die Kaution ein Mittel zur Ergänzung des unvollständigen Nachweises der Legitimation eines Prozeßvertreters; der Inhaber der Inhaberurkunde erscheint also im Prozeß als Vertreter der Hauptgläubiger und legitimiert sich in dieser seiner Rechtsstellung ganz ebenso wie sich nach der Lehre der Postglossatoren und dem For de Béarn (oben S. 32 und S. 34) derjenige zu legitimieren hat, welcher aus einer Urkunde klagen will, in welcher er nicht mit Namen genannt ist. Zu dieser Rechtsstellung des Inhabers stimmt auch der weitere Inhalt des Schöffenspruches. Es wird nämlich den Schuldnern der Beweis nachgelassen, daß die Schuld an einen verstorbenen Hauptgläubiger bezahlt sei, ohne daß auf die Z e i t , wann diese Bezahlung erfolgt ist, irgendwie Wert gelegt würde. Der rechtliche Gesichtspunkt, auf welchem diese Entscheidung beruht, ist offenbar derjenige, auf welchem der vorhergehende Schöffenspruch der W a s s e r s c h l e b e n s c h e n Sammlung beruht, nämlich der, daß die Zahlung an einen der persönlich genannten Solidargläubiger die Verbindlichkeit t i l g t , und diese Einrede wird hier dem Prozeßvertreter der Gläubiger gegenüber zugelassen. I n der Rechtsstellung eines Prozeßvertreters erscheint

Das Indossament.

der Inhaber einer Urkunde mit der Klausel „offte hebbern des breves" auch in einer von B r u n n e r 1 besprochenen lübischen Gerichtsverhandlung von 1499. „Hier klagt ein Kölner Bürger Hermann Zyderdissen gegen Johann Cleytzen, Bürger von Lübeck, um hundert rheinische Gulden, welche der letztere in einem von ihm unterschriebenen und untersiegelten Schuldbrief dem Francke Greverode Bürger von Köln ,synen erben offte hebbern des breves' zu zahlen versprochen hatte. Der Aussteller Johann Kleytzen verlangt von dem Kläger den Beweis, daß ihm der namentlich Genannte Vollmacht gegeben habe „ d a t Hermann sine macht von Francke Greveroden scholde togen". Das U r t e i l lautet dagegen : nademe de breff inholdt, hebbere des breves unde (der Beklagte) tostunt dat he den underschreven hadde, so moste he darto antworden. Es wird somit entschieden, daß der Inhaber eine Vollmacht des namentlich Genannten nicht vorzulegen brauche, sondern der Beklagte ihm auf die Klage antworten müsse . . . " 2 Weiter erhellt aber auch, daß der Inhaber nichts ist als ein Prozeßvertreter des namentlich Genannten, ein Vertreter, der hier wie im nordfranzösischen Rechte des späteren Mittelalters lediglich durch Vorlage der Inhaberurkunde ohne weitere Kautionsleistung seine Vollmacht nachweist. Keinen Aufschluß über die Rechtsstellung des Inhabers gibt ein von Β r u η η e r zitierter Frankfurter Rechtsfall von 1443. D o r t 3 „klagt ein gewisser Johann Ecke als Inhaber eines Briefes lautend auf Henne Doringe, seine Hausfrau, ihre Erben oder den behelder des Briefes ohne sich, wie schon L ö r s c h und S c h r ö d e r 4 betonten, auf ein bestimmtes Sukzessionsverhältnis zu dem ursprünglichen Gläubiger zu berufen". Es ist nämlich in mittelalterlichen Gerichtsprotokollen auch sonst nicht selten zu beobachten, daß eine 1 2 3 4

Inhaberp. Brunner I c h zitiere Urkunden

S. 58 A n m . 1. 1. c. auch hier Β r u n η e r , Zeitschr. X X I I I S. 257. usw. N r . 267.

Zweite Abteilung.

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von der Gegenpartei nicht bemängelte Legitimation einer vor Gericht auftretenden Person gar nicht weiter erörtert wird \ Das Rechtsverhältnis zwischen dem namentlich Genannten und dem Inhaber eines Schuldbriefes mit der Inhaberklausel bildet den Gegenstand eines Rechtsstreites in den von T o m a s c h e k herausgegebenen Schöffensprüchen des Oberhofes zu Iglau, wo es B r u n n e r aufgefunden hat. Auch aus diesem Schöffenspruch ergibt sich keinerlei Ausbeute für ein anderes als das im Vorstehenden ermittelte Recht der Inhaberklausel. Den Schlüssel für die rechtliche Behandlung des Streitfalls liefert ein in diesem Schöffenspruche erwähntes, im Bezirk des Oberhofes geltendes, kaiserliches Privileg, welches bestimmte: „we cler ist der do kaufet ein erbe oder eyn haus eyn satzunge oder welcherley das benant mochte werden dor ynne, ich benennes oder benenne seyn nicht, das her das aufnemen schol vor dem richteren und vor den gesworen vor gehegter bank und schol das verruffen lasen in der Pfarrkirchen do der menge allermeyst ist drey vyerzehen tag noch eynander, ob ymant beweysung dor über habe " alle „beweysung", die alsdann nicht vorgebracht w i r d , ist versessen. Hiernach erwirbt also jeder, der irgendein Rechtsobjekt, insbesondere auch irgendeine beliebig verbriefte Renten- oder Zinsforderung kauft, ein unanfechtbares Recht, wenn er das Kaufobjekt „aufgenommen" hat und es dreimal verrufen läßt. I n dem von B r u n n e r erörterten Rechtsfalle war nun ein Schuldbrief über eine Rente von 150 Schock prager Pfennige unci 15 Schock Zinses, der auf einen gewissen Wenczlab lautete und die Klausel enthielt: „wer dysen kegenwortigen pryef hat, der hat alle dy recht dy vor dorynne geschryben sten", dem Wenczlab „entfremdet, und er hatte ihn verloren". Er ließ deshalb das Geld gemäß Gerichtsbeschluß bei den Schöffen hinterlegen und erhob Klage 1

V g l . statt a l l e r den Schöffensprueh aus Brügge bei Z e i t s c h r . X X I I S. 11 A n m . 1.

Brunner,

Das Indossament.

gegen Peter Teycher und Jekel Reynprecht, die sich als Besitzer des Briefes herausstellten, mit dem besonderen Hinweis, daß dieselben „denselben bryeif nye gelautwort haben noch geoffenpart". M i t dieser Behauptung will er den Beklagten offenbar die Berufung auf den Erwerb gemäß des kaiserlichen Privilegs verlegen. Die Beklagten erwidern, sie hätten den Brief nicht auf der Straße gefunden, „sunter sy haben yn gekauft um yr wol gewunne habe und haben den gehabt an alle ansproche, und auch ist yn do von gevallen yr czins an alle hindernusse in dem dritten jare her, und auch in yrem pryeffe kayn fursten pryeff geschryben sten und auch sy vm kayn ruf nicht gewost haben, wane derselbe prieff, den sy haben, mit ewer stat insigel usw." Sie versuchen also, die offenbar unterbliebene dreimalige Verrufung für überflüssig zu erklären durch die Erwägung, der Schuldbrief enthalte keine Bezugnahme auf das kaiserliche Privileg und die Behauptung, sie hätten dieses Privileg nicht gekannt. Der Oberhof zu Iglau gibt, nachdem seine Mitglieder die Akten geprüft „und unseres herren des kaysers pryeff gesehen haben und der stat pryeff", ein Gutachten dahin ab, „das der statpryeff recht hat czu deme gelcle, das dor ynne geschryben stet, w e n n e d e r p r y e f f n i c h t v o r h a l d e n i s t , wenne dorynne geschriben stet: vnd welcherley den kegenwortigen pryef h a t , dem schollen alle dy recht, dye hye oben geschriben sten," Dieses Gutachten enthält zwei Sätze ; einmal den, daß der Briefinhaber sich bei außergerichtlicher Einkassierung der verbrieften Schuld (dem Schuldner gegenüber handelt es sich um eine außergerichtliche Einkassierung, da er ja die Schuld nicht bestreitet und am Prozeß gar nicht teilnimmt) durch die Inhaberklausel legitimiert, und zweitens den, daß ihm ein Recht zur Einkassierung nicht zusteht, wenn er die verbriefte Forderung nicht rechtmäßig erworben hat. N u r der erste Satz ist eine Konsequenz des Rechts der Inhaberklausel, welche hier als Legitimationszeichen für die außergerichtliche Geltend-

Zweite Abteilung.

machung der Forderung erscheint: der zweite Satz enthält lediglich eine Anwendung der Grundsätze, welche für den Rechtserwerb auf Grund eines Kaufes bei jedem Kaufobjekte gelten, denn mit den Worten „wenne der pryef nicht vorhalden ist" wird, wie die vorhergehende Bezugnahme auf „des kaysers pryeff" zeigt, offenbar gesagt, „wenn der Brief nicht ohne Beobachtung der im kaiserlichen Privileg vorgeschriebenen Förmlichkeiten erworben ist." Alle diese Zeugnisse über die juristische Funktion der Inhaberklausel im spätmittelalterlichen deutschen Rechte zeigen uns, daß die Sätze dieses Rechts sich durch nichts von den Grundsätzen des italienischen oder französischen Rechts unterscheiden, und daß speziell der Gedanke, der Inhaber erwerbe ein unmittelbar aus dem Vertrage des namentlich Genannten entspringendes selbständiges Recht zur Geltendmachung der verbrieften Forderung, auch dem deutschen Rechte des späteren Mittelalters völlig fremd ist.

Zweiter Abschnitt.

Verträge über Leistungen an Dritte in der romanistisclien Doktrin. §

7.

Die bisherigen Erörterungen lehrten uns, daß die Kategorie der Verträge über Leistungen an Dritte im spätmittel· alterlichen Rechte germanischen Ursprungs nicht auffindbar i s t , und daß sie insbesondere dem Rechte des spätmittelalterlichen Inhaberpapieres nicht zugrunde liegt. Es erhebt sich nunmehr die Frage, ob diese Vertragskategorie oder doch die Möglichkeit, durch Vertrag eine unmittelbare Berechtigung für dritte Personen zu begründen, nicht vielleicht dort aufzufinden i s t , wo sich im späteren Mittelalter der Fortschritt technisch-juristischer Begriffsbildung zuerst vollzieht, nämlich bei den Glossatoren und Postglossatoren. Für diejenigen Schriftsteller, welche wie die Glossatoren

Das Indossament.

und Postglossatoren das Recht des Corpus juris zur Anwendung bringen wollen, steht der generellen Möglichkeit, aus einem obligatorischen Vertrage eine unmittelbare Berechtigung für einen Dritten zu begründen, der römische Rechtssatz entgegen, „alteri stipulari nemo potest" und als eine Überwindung dieses Satzes w i r d daher in der romanistischen Doktrin die Ausbildung der vorgenannten Vertragskategorie ins Leben treten. Den frühesten Versuch einer Beseitigung dieses Satzes stellt die schon oben erwähnte Meinung des M a r t i η us dar. E r vertrat die Ansicht, die Regel „alteri stipulari nemo potest" sei durch die vielen Ausnahmen, welche die Glossatoren aus dem Corpus juris zusammenstellten, im praktischen Resultate beseitigt und f ü v das römische Recht seiner Zeit gelte die entgegengesetzte Regel. E r land in dieser entgegengesetzten Regel eine Rechtsbildung der aequitas gegenüber dem strictum i u s 1 . Martinus steht den Anfängen der wissenschaftlichen Bewegung, die mit Irnerius einsetzt, noch so'^nahe, daß man vermuten möchte, er habe durch die Aufstellung jenes Satzes eine im praktischen Rechtsleben der vorglossatorischen Zeit geltende Institution, nämlich den von B r u n n e r behaupteten germanischen Vertrag über Leistungen an D r i t t e , mit dem römischen Rechte in Einklang bringen wollen. I n Wahrheit aber ist die geistige Grundlage auf welcher sich seine Doktrin aufbaut, eine ganz andere, er vertritt hier seiner ganzen wissenschaftlichen Richtung gemäß einen Reformgedanken seiner Zeit. 1

Die Glosse n i h i l a g i t zu § 4 I n s t , de i n u t i l . stip. berichtet n a c h A u f z ä h l u n g der 16 A u s n a h m e n v o n dem Satze a l t e r i s t i p u l a r i nemo p o t e s t : „M(artinus) dicebat, hos casus facere regulam et si quis casus esset c o n t r a i l l u d , speciale esse" u n d die Glosse n u l l a zu c. 1 per quas personas C. I V . 27 bemerkt zu der A u s f ü h r u n g der Quelle, daß aus der stipulatio p r o c u r a t o n e dem domino n u l l a obligatio acquisita est, „de stricto j u r e , set de aequitate sic, secundum M ( a r t i n u m ) quod J(ohanni) non placet". W e i t e r e Belege bei B u c h k a , S t e l l v e r t r e t u n g S. 121 und 122.

Zweite Abteilung.

Zu den anderen quattuor doctores, besonders zu Bulgarus, befindet sich nämlich M a r t i n u s in einem deutlich erkennbaren wissenschaftlichen Gegensatz ; er repräsentiert eine Entwicklungstendenz, die unter dem Stichworte eines Kultus der aequitas „durch das römische Recht über das römische Recht hinaus" strebte. Der materielle Inhalt dieser aequitas, welche M a r t i n u s in das Rechtsleben einzuführen sucht, ist identisch mit den gleichzeitigen Postulaten der christlichen E t h i k , welchen zur selben Zeit die Kirche und die kirchliche Jurisprudenz die Einzelheiten des Wirtschaftsund Rechtslebens zu unterwerfen sich anschickten Diese Identität dessen, was M a r t i n u s unter dem Namen aequitas als juristisches Prinzip proklamiert, mit demjenigen, was er als Gebot der christlichen Moral als verbindlich empfindet, gibt uns auch den Schlüssel zur Vereinigung der von S a v i g n y ( I V S. 116) für einander widersprechend gehaltenen Berichte Späterer über seinen wissenschaftlichen Standpunkt. Wenn O d o f r e d u s den M a r t i n u s wegen seiner ficta aequitas et bursalis tadelt „propter quam passus est multas verecundias", während Hostiensis von ihm rühmt „spiritualis homo fuit et secundum tempus, quod tunc currebat, semper divinae legi adhaerebat contra rigorem juris civilis", so deuten beide auf dasselbe, denn die „Anhänglichkeit an das Gesetz Gottes" zeigt sich eben in der prinzipiellen Betonung der aequitas, welche von den Gegnern des M a r t i n u s als „aequitas bursalis, martiniana" bezeichnet wurde. Bei 1 W i e M a r t i n u s selber die aequitas als R e c h t s p r i n z i p betrachtet, sehen w i r aus seiner Glosse zur 1. 1. C. de edendo (bei S a v i g n y I V S. 408): „ A e q u i t a s b i p e r t i t a est. E s t aequitas constituta, quae manens q u o d e r a t , i n c i p i t esse, quod non erat, i. e. j u s . E s t et r u d i s , et i n hac j u d i c u m officium d e p r e h e n d i t u r . H o c non ideo dico, q u o d non et i n reliqua sit et maxime i b i cum legibus et moribus j u d i c a r e debeat, sed quia hoc speciali nomine d e s t i t u i t u r , ideo j u d i c u m officium in hac esse specialiter d i c i t u r " . D a n a c h besteht neben der aequitas constituta, d. h. dem j u s , auch n o c h die aequitas rudis, diejenige, welche „speciali nomine d e s t i t u i t u r " , welche sich n o c h nicht i n Rechtssätzen niedergeschlagen h a t . Diese aequitas rudis ist n i c h t weniger Rechtsquelle wie das j u s , sie z u r Geltung zu b r i n g e n ist der I n h a l t des officium j u d i c i s .

Das Indossament.

O d o f r e d u s kommt der Gegner, bei dem Kanonisten H o s t i e n s i s der Anhänger dieser Richtung zum Worte. Eines der Postulate dieser christlichen Moral ist nun die Verbindlichkeit des einfachen Versprechens, wie auf ethischem, so auch auf juristischem Gebiete. Denn „Nach kirchlicher Auffassung ist das Nichthalten eines gegebenen \7ersprechens Lüge (mendacium) und daher Sünde 1 ". Diesem Grundsatze entspricht es, nach Möglichkeit die juristischen Schranken wegzuräumen, welche der Realisierung einer Vereinbarung entgegenstehen und lediglich das Bestreben, in den praktischen Einzelheiten der Rechtsbildung die Ethik zu ungehemmter Geltung zu bringen, ist die Grundlage, auf der die Meinung des M a r t i n us b e r u h t 2 . Nun steht allerdings diese Meinung in einem so evidenten Gegensatze zum gesamten Inhalt des Corpus Juris, daß diejenigen, welche wirklich römisches Recht lehren wollten, sie schwerlich annehmen konnten, und M a r t i n u s ist daher hier von fast allen Nachfolgern reprobiert worden 3 . Aber was die Wissenschaft nicht als Inhalt des römischen Rechtes anerkennen konnte, vermochte die Statutargesetzgebung als neue Rechtsbildung einzuführen und wie überhaupt „die Meynungen des M a r t i n u s nicht selten den Vorzug hatten durch neuere Gesetze bestätigt zu werden 4 " 1

S e u f f e r t , Z u r Gesch. der obi. V e r t r . S. 45. A u c h i n anderen K o n t r o v e r s e n v e r t r i t t M a r t i n u s denjenigen S t a n d p u n k t , als dessen Konsequenz sich die A u f r e c h t e r h a l t u n g einer gegen Formerfordernisse verstoßenden V e r e i n b a r u n g ergibt. S. z. B . Hostiensis Summa super Deer. t i t . de a r b i t r i s § Quid c o n s t i t u a t u r : T a m e n ex hac sententia ( n ä m l i c h dem Schiedssprüche) non o r i t u r actio neque exceptio, sed poenae p e t i t i o d a t u r t a n t u m scdm. Do. meum (gemeint ist Jac. Balduini). Sed scdm. M a r t i n u m , si u t e r q u e pars consènserit sententia audita et expressim emologaverit et subscripserit, i n d i s t i n c t e o r i t u r actio et exceptio. 3 A l s seine einzigen wahrscheinlichen A n h ä n g e r könnte i c h n u r diejenigen namhaft machen, w e l c h e , wie P e t r u s d e B e l l a p e r t i c a berichtet, das K l a g e r e c h t des Inhabers einer I n h a b e r u r k u n d e aus dem römischen Stipulationsrechte herleiteten. 4 S a v i g n y , Gesch. des r. R. i m M i t t e l a l t e r I V S. 115, wo auch mehrere Beispiele angeführt werden. 2

Zweite Abteilung.

so ist auch seine uns hier interessierende Lehre in die Gesetzgebung der italienischen Städte übergegangen. Wohl das älteste Statut, welches hier in Betracht kommt, ist die von B r u n n e r als Beleg für die Anerkennung des Vertrages über Leistungen an Dritte zitierte Stelle des pisanischen Constitutum usus 1 . Die Stelle lautet: „Placuit in omnibus causis precipuam esse equitatem, quam stricti usus rationem. Equitati convenire arbitrantes statuimus, ut si quis alicui presenti vel absenti dari vel fieri sive sibi pro alio vel eius nomine aut sibi et alii fuerit stipulatus, etiam is, cui fuerit stipulatus, rem et penam petere possit, nisi stipulatio pene in persona fuerit stipulatoris concepta; tunc solus stipulator penam petere valeat. Hoc constitutum est commune legis et usus." Diese Bestimmung setzt das römische Stipulationsrecht als geltend voraus, und die Normierung der Erweiterung dieses Rechtes knüpft auf das Engste an diejenige Formulierung an, in welcher der Satz „alteri stipulari nemo potest" in den Institutionen ( I I I 19 de inutilibus stipulationibus) vorgetragen wird. Dort wird bekanntlich die Ausbedingung einer Konventionalstrafe als ein Mittel empfohlen, um den praktischen Effekt des alteri stipulari auf einem Umwege zu erreichen 2 , und gerade das Verhältnis des neuen Rechtssatzes zur stipulatio poenae regelt unser Statut besonders eingehend. Daß es aber ferner auch gerade die Meinung des M a r t i n u s ist, welche hier rezipiert wird, ergibt die Fassung des Eingangs unserer Bestimmung. Denn der Satz „placuit in omnibus causis precipuam esse equitatem quam stricti usus rationem" k l i n g t geradezu wie eine Nachbildung der (offenbar auf eine eigene Glosse des M a r t i n u s zurückgehenden) Bemerkung des A c c u r s i u s zur 1 1 C. IV. 27. 1

B r u n n e r , Zeitschr. X X I I S. 97. Plane si quis v e l i t hoc facere, poenam s t i p u l a r i conveniet, u t nisi i t a factum sit, u t comprehensum est, c o m m i t t e t u r poenae s t i p u l a t i o e t i a m ei, cuius n i h i l interest. 2

1

Das Indossament.

„de stricto iure, sed de aequitate sie", und speziell die ungewöhnliche Wendung „strictus usus" erweist sich als eine durch Einverleibung unserer Bestimmung in das constitutum u s u s veranlaßte Veränderung einer Vorlage, in der es geheißen hatte „strictum jus". Die Postglossatoren nehmen gegen diesen Rechtssatz, der auch in andere Statuten als das constitutum usus übergegangen i s t 1 , eine ablehnende Stellung auch da ein, wo er ihnen als positive Satzung entgegentritt. B a l d u s führt zur 1. Si genero D. de iure dotium aus: „Pone, dictât statutum, quod ex stipulatione alterius quaeratur actio directa sine cessione. Quaero, num quid vigore talis statuti i l l i alteri quaeratur obligatio naturalis et civilis. Et videtur, quod non quaeratur naturalis, et ratio est, quia inter omnino absentes nullus est consensus . . . Item non videtur civilis obligatio, quia statutum non dictât hoc, ergo sequitur, quod ista dictio simpliciter sit dativa et non sit mediante obligatione aliqua eradicata in persona eius, cui competit, et si ille cedat i l l am actionem a l t e r i , transferret eam in totum. Istud est certum, quod tale statutum non est rationabile, quia quotiescunque oportet tertiam personam agere, oportet, quod habeat fundamentum in facto et ex facto alterius, sed hic nullum habet fundamentum . . . " Für diejenigen, welche auf dein Boden des römischen Rechtes verharrten, bot die Doktrin der Romanisten einen 1 Z. B. i n ein bei A l e x a n d e r T a r t a g n u s cons. I V 63 zitiertes S t a t u t von Bologna, wo bestimmt w a r : „ q u o d q u i l i b e t cuiuscunque sexus et aetatis, i n qua possit sibi s t i p u l a r i , possit a l t e r i unieuique s t i p u l a r i et pacisei non obstante, q u o d sua non intersit, et q u o d is, cui vel ad cuius u t i l i t a t e m fuerit s t i p u l a t u m vel quomodo p a c t u m f u e r i t factum et sub generalitate v e r b o r u m nomine o m n i u m q u o r u m interest, i n t e r e r i t vel interesse possit vel quod p r o p t e r s i m i l i a verba possit agere ex s t i p u l a t i o n e vel per se seu suo nomine et ad sui u t i l i t a t e m interposita vel interposito perinde aesi fuisset praesens vel s t i p u l a t u s aut s t i p u l a t u s a l i i absque alia concessione et ipso iure ex t a l i s t i p u l a t i o n e vel pacto communis actio u t i l i s et directa ei, cuius interest, seu cuius nomine fuerit stipulatio vel pactum factum i n t e l l i g a t u r esse et sit quaesita".

F r e u n d t , Wechselrecht d. Postgl.

II.

6

Zweite Abteilung.

Modus der Vertragsschließung, durch welchen der Satz „alteri stipulari nemo potest" außer Anwendung gesetzt werden konnte, dadurch dar, daß sie die Möglichkeit zuließ, mit einem (einen unbestimmten Kreis von Personen vertretenden) N o t a r eine Stipulation abzuschließen. I m Corpus Juris werden Fälle, in denen ein tabellio oder servus publicus für eine unbestimmte Zahl von Interessenten aus einer Stipulation Rechte erwirbt, mehrfach erwähnt 1 . Aus diesen Einzelfällen abstrahierte man die Regel, daß der Notar auch für abwesende Personen gültig stipulieren könne. Diese Regel hat schon die Glosse aufgestellt, indem sie unter den 16 Ausnahmen von dem Satze „alteri stipulari nemo potest" u. a. ausführt: „ I t e m faliit (sc. régula ista) in iudice vel notario vel simili persona publica ex quorum pactis et stipulationibus alteri quaeritur." Später haben unter anderen B a r t o l u s zur 1. Nec ei § eorum D. de adopt., zur 1. si pupillus D. rem pupilli salvam fore, und B a l d u s besonders zur 1. non solum § cum autem Inst, de adoptionibus, dieselbe Regel als eine allgemein gültige behauptet und gegen abweichende Ansichten derer, welche sie auf richterliche und prätorische Stipulationen beschränken wollten, verteidigt. Die Praxis der Notare bedient sich der Stipulation auf den Namen des Notars ziemlich selten; nur vereinzelt in regulären Schuld- oder Veräußerungsverträgen im Strafgedinge, häufiger in besonderen Fällen, wo der Kreis der Interessenten schwer von vornherein erschöpfend festzustellen ist. Einfache Schuldverträge, in denen die prinzipale Verpflichtung auf eine vom Notar vertretene nicht näher bezeichnete Mehrheit von Personen abgestellt ist, sind mir nicht bekannt. Die bisher betrachteten Versuche, durch einen Schuldvertrag für dritte Personen unmittelbar obligatorische Rechte zu begründen, sind reine Produkte doktrinärer Juris1

1. 18 D. de adopt, et émane. I . 7, 1. 2 D. rem p u p i l l i fore X L V I 3, § 3 I n s t , de adopt. I. 11 u. a. m.

salvam

Das Indossament.

prudenz, die auch dadurch ihren Charakter als Erzeugnisse der Doktrin nicht verlieren, daß sie auf praktische Anwendbarkeit abzielen. Lediglich die Beobachtung des juristischen Theoretikers, daß der Stipulationsvertrag auf ein zu enges Gebiet beschränkt ist, und die lediglich aus einer theoretischen Betrachtung einzelner Gesetze, in denen ein Kontrahieren des tabellio oder servus publicus vorkommt, abstrahierte allgemeine Regel, als deren Anwendungsfälle dieses Kontrahieren erscheint, nicht aber etwa ein Zustand des tatsächlichen Verkehrs, welcher juristische Regelung erheischte, bilden die Grundlage, auf welcher sich die bisher erörterten Sätze entwickeln. Auch die Anwendung der Stipulation mit dem Notar in der Praxis der Kautelarjurisprudenz ist nichts als ein Versuch, die Resultate juristischer Doktrin praktisch zu verwerten. Anders verhält es sich mit einer nunmehr zu betrachtenden Form des Kontrahierens, nämlich mit dem Vertragsabschluß f ü r e i n e v o m G l ä u b i g e r s p ä t e r z u benennende Person. Hier haben wir offenbar eine wirkliche Verkehrsinstitution vor uns, die von den Juristen unter Rechtsbegriffe gebracht wird. Der Erste, der meines Wissens diesen Kontrahierungsmodus erörtert hat, und zwar sowohl in seinen Vorlesungen als auch in einem Konsilium, ist B a l d u s . E r bemerkt zur 1. cum post § gener socero D. de iure dotium : Extra quaero, an ista promissio sit incerta et invalida, p r o m i t t i s m i h i r e c i p i e n t i p r o e o , q u e m no m i na bo? E t die, quod valet, ut 1. secundum responsum Domitii C. de contr. et comm. stip. Contra istum § facit 1 1 C. de dotis prom. Solutio : ibi erat duplex defectus se. nuditatis et obscuritatis. hic unicus, nam unus defectus facilius toleratur quam plures . . . Nachdem er mit dieser recht bequemen Argumentation sein juristisches Gewissen über die Gültigkeit der Stipulation an sich beruhigt hat, erörtert er zur 1. huius eclicti D. de pactis noch die Spezialfrage, wie es zu halten sei, wenn ß*

*

4

Zweite Abteilung.

der Kontrahierende die vorbehaltene Benennung des Gläubigers nicht vollziehe : Ultimo quaero hic unum, pone, ego sum stipulatus hoc modo: Promittis mihi recipienti pro eo, quem declarabo; postea non declaro, quaeritur, utrum possim agere ego vel heres meus, quia neminem declaro. E t videtur quod non . . . I n contrarium est casus, quod, si neminem declaro, praesumor recepisse pro me et heredibus meis, ut C. de contr. et comm. stip. 1. 3, quae lex ad hoc est notabilis. Diese Meinung des B a l d u s ist für die Späteren maßgebend geblieben: die Literatur seit B a l d u s 1 schließt ab mit J a s o n zur 1. stipulatio ista § si quis ita und zur 1. si ita stipulatus D. de verb, obi., der sich durchaus an B a l d u s anschließt. Wie man die Rechte aus einer solchen Stipulation im einzelnen konstruierte, zeigen uns besser als die Ausführungen in den Kommentaren die Erörterungen einzelner Konsilien. B a l d u s bespricht im consilium I, 150 einen Darlehensvertrag, welchen der Darlehensgeber geschlossen hatte: ad utilitatem et commodum eius, quem . . . nominabat, quem possit nominare quandocumque, pacto apposito quod dicto Martino (der prinzipale Kontrahent) non possit solvi neque ab eo absolvi, sed demum ei et ab eo, qui fuerit creditor declaratus. Als Berechtigten benennt der Darlehensgeber und zwar erst nach dem Tode des Darlehensempfängers einen Sohn des Darlehensempfängers, der zur Zeit des Vertragsschlusses in väterlicher Gewalt des Darlehensempfängers stand und daher zur Zeit des Vertrages kein Recht gegenüber seinem Vater hätte erwerben können. Aus diesem Grunde erklärt denn auch Baldus den Vertrag für nichtig. Z u einem abweichenden Resultate kommt in der Beurteilung eines analogen Sachverhaltes Alexander Tartagnus 1

Angelus

zur 1. cit. huius

edicti,

zur 1. ista s t i p u l a t i o D. de verb. obi.

Alexander

Tartagnus

Das Indossament.

in seinem Konsilium V I , 232. I n dem ihm vorliegenden Falle hatte Bartolomeus quondam Gabrielis in Lucca ein Haus gekauft „pro eo vel eis quos cleclarare voluerit" und er benannte als Berechtigten den Johannes Jacobi, der zwar zur Zeit der Benennung das Bürgerrecht in Lucca erworben hatte, dem aber entgegenstand, daß er zur Zeit des Vertragsschlusses als Stadtfremder nicht zum Erwerbe von Immobilien fähig gewesen war. Trotzdem erklärt der Jurist den Erwerb des Hauses auf Grund der Benennung für gültig, indem er das durch das Kontrahieren pro eo quem declarare voluerit entstehende Rechtsverhältnis dahin konstruiert, daß interim, antequam sit facta declaratio per emptorem, dicitur esse acquisitum jus ipsi emptori, nam qua ratione apud talem ementem „pro eo quem declarabit", si omni tempore cessât in declarando, res seu ius illud apud eum remaneat, ac si pro se tantum recepisset, ita etiam pro parte temporis (pro qua), cessavit in declarando, pro quo emerit, intelligitur pro ilia parte temporis tale ius esse apud eum, pro eo autem tempore, quo declarat ilium, pro quo dicit se acquisivisse, incipit pertinere ad illum, et ipse, qui recepit, pro eo quem declararet, si rem penes se haberet, inciperet tenere pro ilio, quem declarat . . . Noch anders konstruiert das Rechtsverhältnis Philippus Decius in seinem Konsilium 543. E r stellt den Satz auf, „quod ante nominationem statini dicitur ius esse quaesitum emptori et heredibus suis, et hoc revocabiliter, quia post nominationem illud ius quaesitum resolvitur et nominato adquiritur". Hiernach erwirbt also der prinzipale Kontrahent bis zur declaratio das stipulierte Recht als ein resolutiv bedingtes, und es fällt mit der declaratio an den Benannten, als ob er es von Anfang an erworben hätte. Dieses Kontrahieren für einen noch zu benennenden Dritten ist ein wirklicher Anwendungsfall der Brunnerschen Kategorie der Verträge über Leistungen an Dritte und die Rechtsstellung desjenigen, welcher gemäß einem solchen Vertrage als Berechtigter benannt w i r d , enthält demgemäß

Zweite Abteilung.

auch wichtige Momente der Rechtsstellung des modernen Indossatars bzw. Inhabers einer Inhaberurkunde, insbesondere können weder dem gemäß der Klausel pro eo quem declaravero nominierten Gläubiger noch dem Indossatar Einwendungen entgegen gehalten werden, welche der Schuldner nach gültig zustande gekommenem Vertrage dem ursprünglichen Kontrahenten gegenüber erworben hat. Was beide Vertragstypen wesentlich voneinander unterscheidet, ist, daß bei einem Vertrage für einen unbenannten Dritten sowohl die Form des Abschlusses als auch die Form der Rechtseinräumung an den D r i t t e n außerhalb jedes Zusammenhanges mit einem Urkundungsakte steht. Der Vertrag für einen unbenannten D r i t t e n kann in derselben Weise wie jeder nicht einer besonderen Form unterworfene obligatorische Vertrag zustande kommen, und die Benennung des Berechtigten kann auf jede beliebige Weise erfolgen. Abzuweisen ist natürlich der Gedanke, daß unser Vertragstypus ein Produkt spezifisch germanischer Rechtsauffassung sei; die Anwendungsfälle, in denen er uns begegnet, sind vielmehr die naturgemäßen Resultate eines hochentwickelten Verkehrs- und Rechtszustandes, dessen Komplikationen den Beweggrund zu derartigen Verträgen enthalten. Hieran würde auch dann nichts geändert, wenn das älteste Beispiel für diesen Vertragstypus in der vielbesprochenen Lübecker Stadtbucheintragung von 1343 1 vorläge, in welcher sieben Lübecker Bürger anerkennen, daß sie „eis quos nomina verit et voluerit dictus dominus Hermannus" (der Gegenkontrahent) eine Geldsumme auszahlen wollen. Denn diejenigen Verkehrsverhältnisse, welche unseren Vertragsmodus hervorbringen, bestehen im 14. Jahrhundert in Lübeck ebenso gut wie in Italien. I n Wahrheit aber enthält die erwähnte Stadtbucheintragung einen einfachen Vertrag mit •einer benannten Person. Die sieben Schuldner „tenentur communi manu domino Hermanno Blumenrod"; dieser ist also der Gegenkontrahent und diejenigen, welche durch die 1

B e i P a u l i , L ü b e c k i s c h e Zustände I I S. 126.

Das Indossament.

Klausel bezeichnet werden, sind nicht die wirklichen Forderungsberechtigten, sondern nur die Vertreter des Zahlungsempfängers.

Dritter Abschnitt.

Das Inhaberpapier des 16. Jahrhunderts und die Entstehung des Indossaments. Erstes

Kapitel.

Das Inbaberpapier des 16. Jahrhunderts. § 8. I n Italien und Frankreich. Das Recht cler mittelalterlichen Inhaberklausel enthält, wie wir sahen, keinen derjenigen Rechtssätze, in denen sich das Wesen des modernen Indossamentes ausspricht. Um nun zu ermitteln, wo ein solcher Rechtssatz im Urkundenrecht zuerst a u f t r i t t , verfolgen wir zunächst die Geschichte der Inhaberklausel in ihren hauptsächlichsten Anwendungsgebieten über das Mittel alter hinaus und betrachten zuerst das italienische Inhaberpapier. Die Lehre der italienischen Juristen des 16. Jahrhunderts bewegt sich durchaus in den Bahnen fort, welche die Postglossatoren eingeschlagen hatten. Bei S t r a c c i l a 1 ist der Inhaber Mandatar des Prinzipalgläubigers, und zwar hat er sowohl ein Mandat zur außergerichtlichen Einkassierung als auch zur Prozeßführung. Eine Neuerung bezüglich des letzteren Mandats besteht darin, daß der Inhaber ohne cautio de rato zur Prozeßführung zugelassen w i r d , weil für seine Bestellung zum procurator eine doppelte Präsumtion spreche, einmal der Besitz cler Urkunde und sodann die Inhaberklausel 2 . Doch 1

T r a c t , de adiecto I V qu. 8. V e r u m i n p r o p o s i t a quaestione non solum intervenit, q u o d exhibens habet c h i r o g r a p h u m , sed et alia p r a e s u m p t i o , q u i a i n chiro2

Zweite Abteilung.

soll dieser Satz nicht gelten, wenn es ein domesticus des Prinzipalgläubigers ist, der die Urkunde vorlegt, weil derelbe sie leicht hätte entwendet haben können. S t r a c c h a bezeugt, daß seine Lehre der Praxis entspreche , und die Funktion eines einfachen Prozeßvertreters hat denn auch der Inhaber in den Zeugnissen aus der italienischen Praxis der zweiten Hälfte des 1(3. Jahrhunderts. I n einem Falle,· welchen T i b e r i u s D e c i a n u s 1 in seinem responsum 68 behandelt, klagt der Inhaber eines Scheines mit der Klausel „creditori vel qui apocham ipsam i l l i exhibeat" ; der Schuldner wendet ein, der Anspruch sei von Gläubigern des namentlich Genannten beschlagnahmt worden. D e c i a n u s entscheidet sich dafür, daß zwar der Inhaber zur Klage als genügend legitimierter Prozeßvertreter befugt sei. daß er aber die Beschlagnahme der Forderung gegen sich gelten lassen müsse. I n einem in den Decisiones Florentinae des H i e r o n y m u s M a g o n i u s 2 referierten Falle wird ein Schuldner, der zwei Handelsgesellschaftern einen Schein mit der Klausel „creditoribus vel ei qui praesentaret dictam cedulam" ausgestellt hatte, von einem derselben in Anspruch genommen. E r wendet ein, er habe zwei Baten der Schuld an zwei verschiedene Inhaber des Schuldscheins (wie es scheint, waren es Beauftragte des anderen Gläubigers) bezahlt, wird aber in erster und dritter Instanz verurteilt, den dem Sozietätsanteil des Klägers entsprechenden Betrag zu zahlen, weil sich ergibt, daß die Zahlungen post litem contestatam geleistet sind. Die zweite Instanz hatte abweichend erkannt. Endlich berichtet M a r c u s A n t o n i u s de A m a t i s in den Decisiones provinciae Marchicae 3 einen Fall, in welchem grapho p r o m i t t i t u r solutio e i , q u i exhibuerit. U n d e cum e x h i b i t i o n e c h i r o g r a p h i r e l a t a a l i a et quidem magna i n t e r v e n i t praesumptio, p r o p t e r q u a m v i d e t u r respondendum, quod exhibens a d m i t t a t u r absque cautione de rato, q u e m a d m o d u m a d m i t t i t u r , quando p r o b a t u r t r a d i t i o . 1 2 3

Responsa Francof. 1589. Yenetiis 1588. F r a n c o f o r t i 1602. Dec. 80.

Das Indossament.

der dritte Inhaber eines Scheines, welcher neben dem Namen des Gläubigers die Klausel „et a chi presentara la presente" enthielt, durch einen Vertreter Klage erhob. Der Einwand, daß der dritte Inhaber als adiectus solutioni nur zur außergerichtlichen Beitreibung ermächtigt sei, wird verworfen, quia adiectus solutioni per dicta verba „et a chi presentara la presente" praesumitur procurator, wofür auf Re b u f f us (s. u.) unci S t r a c e h a Bezug genommen wird. I n Frankreich war durch ein Gesetz von 1483 die lettre de grace abgeschafft, es stand jetzt einer vollständigen Annahme der Doktrin der Postglossatoren nichts im Wege. Diese Doktrin hatte sich im Laufe des Mittelalters vom reinen römischen Rechte schon entfernt und die Stellung des Prozeßvertreters derjenigen eines offenen Stellvertreters erheblich angenähert. Die französischen Juristen des 16. Jahrhunderts 1 stimmen demgemäß in der Auffassung des Inhaberpapiers durchaus mit den italienischen überein. B o e r i u s e r k l ä r t , der Schuldner sei verpflichtet, dem Inhaber ohne weiteren Legitimationsnachweis zu zahlen; R e b u f f u s begründet die Behauptung, der porteur könne ohne weiteres die Exekution eines exequierbaren Schuldbriefes beantragen, durch den Satz, der porteur de lettres handle ex permissu creditoris, und gibt im übrigen dem creditor nicht nur die vollständige Verfügung über die Forderung auch dann, wenn er den Schuldbrief nicht besitzt, sondern auch das Recht, dem Schuldner die Zahlung an den porteur zu untersagen.

§ 9.

I n den Niederlanden. 2

Die Niederlande sind dasjenige Rechtsgebiet, in welchem im Laufe des 16. Jahrhunderts zuerst neben die bisherige Auffassung der Inhaberklausel eine neue Rechtsentwicklung 1

Besprochen sind sie von Β r u n η e r , I n h a b e r p . S. 52 fgg. F . H e c h t , E i n B e i t r a g z u r Geschichte der I n h a b e r p a p i e r e den Niederlanden. 2

in

Zweite Abteilung.

t r i t t . Träger dieser Entwicklung ist das Recht Antwerpens, derjenigen Stadt, welche sich seit dem Ende des 15. Jahrhunderts mit großer Schnelligkeit an die Spitze des gesamten niederländischen Handels setzte und insbesondere Brügge völlig zurückdrängte. Die Stufen der Entwicklung des Inhaberpapierrechts in Antwerpen und die treibenden Kräfte, auf denen diese Entwicklung beruhte, können wir mit ziemlicher Genauigkeit verfolgen. I m Anfang des 16. Jahrhunderts bestand in Antwerpen noch kein Rechtssatz des Inhalts, daß die Inhaberklausel den Inhaber zur Klage berechtige; der Inhaber wurde als solutioni adiectus betrachtet, ihm konnte daher nur wirksam gezahlt werden. Dieser Rechtszustand wurde in Antwerpen selber von N i c o l a u s E v e r h a r d i , einem Mitgliede des obersten Gerichtshofes zu Mecheln, der ausdrücklich zu diesem Zwecke nach Antwerpen gereist wrar, e r m i t t e l t 2 . Die erste gesetzliche Änderung dieses Rechts erfolgte durch eine von H e c h t nicht berücksichtigte VerordnungKarls des V. von 1537 3 , in welcher dem Inhaber eines kaufmännischen Inhaberschuldscheins ein Klagerecht gegebeil wird. Die Verordnung berichtet zunächst über den Handelsgebrauch in Antwerpen; die Kaufleute pflegten ihre Waren dadurch zu bezahlen, daß sie auf einen bestimmten Fälligkeitstermin lautende Schuldscheine m i t der Inhaberklausel ausgaben, und diese Schuldscheine pflegten gewohnheitsmäßig ohne irgend eine weitere Übertragungsurkunde von Hand zu Hand zu gehen 4 . Da nun die Schuldner aus einem 2

H e c h t S. 31. A b g e d r u c k t bei M a r t e n s , Ursprung des W e c h s e l r e c h t s S. 94fgg. 4 Cooplieden . . . doen te betaelene op d a g h e n daer äff ghevende h e u r e n cedullen oft obligatien i n ghescrifte . . . by den welken sy beloven den Coopman te betaelene t o t sekere t e r m i j n daer mede sy ghecontracteert ofte ghekoopmanschapt hebben, o f t d e n b r e n g e r des b r i e f s , ende welcke cedullen oft o b l i g a t i e n de Cooplieden ghewoonlyk > vn v a n der eenderhant over ende i n betalinghe te g h e v e n , sonder eenich ander t r a n s p o r t oft overdracht te doene . . . 3

Das Indossament.

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solchem Schein leider bisweilen „alle uytwegen exceptien ende cavillatien om deselve betalinghe te entgaene" versuchen und lange Prozesse herbeiführen, so wird ein beschleunigtes Verfahren für Geltendmachung solcher Schuldscheine eingeführt, ein Verfahren, welches im wesentlichen darin besteht, daß der sofort vorzuladende Schuldner, der seine Unterschrift anerkennt, „sal terstont ghecondemneert werden, de somme in der vorsc. cedulle oft obligatie begrepen te nantiseeren onder dem rechtere"; will er andere Einwendungen machen, so muß er sie entweder sofort oder in einem neuen, nicht über acht Tage hinaus zu verlegenden Termine vorbringen. Dies Verfahren ist ersichtlich dem nordfranzösischen Exekutivprozeß nachgebildet. Einen solchen beschleunigten Urkundenprozeß anzustellen, ist sowohl der ursprüngliche Gläubiger befugt als auch der Inhaber eines Scheines mit der Inhaberklausel \ Weiteres über die Rechtsstellung dieses I n habers oder die Rechtsstellung des Schuldners ihm gegenüber enthält die Verordnung nicht, insbesondere enthält sie eine Regelung der Frage, welche Einreden dem Schuldner zustehen, weder für den Fall, daß der ursprüngliche Gläubiger, noch für den F a l l , daß der Inhaber klagt, abgesehen von der einzigen für beide Teile gleichmäßig geltenden Bestimmung, daß der Schuldner, der seine Handschrift fälschlich ableugnet, aller weiteren Einreden verlustig geht. Erwägt man, daß, wie schon oben betont, das Verfahren, welches die \ r erordnung einführt, dem französischen Exekutivprozeß im wesentlichen nachgebildet ist, so wird man voraussetzen können, daß die Rechtsstellung des „brenger van de ceduilen" als die des französischen porteur de lettres zu fassen ist. Diese Annahme wird bestätigt durch die Erörterung des J o d o eus D a m h o u d e r über die Inhaberklausel im c. 133 seiner Praxis rerum civilium. 1 het sy t o t versoeke van syne p r i n c i p a l e n crediteuren oft van iemants anders als brengher des Brieffs, als de selve o b l i g a t i e i n h o u d t , te betaelene den brenger van de cedullen ofte obligatien . . .

Zweite Abteilung.

E r verdeutlicht seine Darstellung zunächst durch Zugrundelegung eines von ihm konstruierten aus Antwerpen vom Jahre 1566 datierten Inhaberschuldbriefes und zählt sodann die vielen Einreden auf, mit welchen man die Legitimation des dritten Inhabers eines gewöhnlichen Schuldscheins bemängeln kann. Alle diese Einreden vermeidet derjenige, der dem Schuldschein die Inhaberklausel einfügen l ä ß t : „talis enim articulus vanos exceptionum fumos et praetextus enervat aut prorsus t o l l i t , adeo ut tales tenacium solutorum praetextus nullo modo sint admissibiles, quin ipsi illieo tali allatori persolvere aut saltem consignare (vulgo namptizare) debeant." Was hier als Recht des Inhaberpapieres vorgetragen w i r d , ist der wesentliche Inhalt der Ordonnanz von 1537, an welche sowohl die Bezugnahme auf die Abschneidung von Einreden als auch der Ausdruck namptizare anklingt. I m weiteren bemerkt D a m h o u d e r , der Inhaber brauche keinen Auftrag und keine Vollmacht vorzulegen oder auch nur zu behaupten und ebensowenig überhaupt anzugeben, wie er zu dem Briefe gekommen sei. Da er hier lediglich die Überflüssigkeit des Legitimationsnachweises hervorhebt, und da er an der zweiten Stelle seines Werkes, wo er die Inhaberklausel behandelt (c. 97), im wesentlichen nur B o u t e i l l e r ausschreibt 1 , so liefern seine Ausführungen den Beweis, daß zu seiner Zeit in Antwerpen die Rechtsstellung des Inhabers dieselbe war, wie die eines französisch-rechtlichen porteur de lettres; der Inhaber als solcher galt als ein lediglich in Bezug auf den Legitimationsnachweis privilegierter Prozeßvertreter. Einen bedeutenden Fortschritt in der Entwicklung des Inhaberpapieres enthalten sodann die bekannten Bestimmungen der 1580—1582 revidierten Antwerpener Statuten, welche die Rechtsstellung des Inhabers ausführlich regeln. Der Inhaber eines Schuldbriefes mit der Inhaberklausel 1

Daß er Β o u t e i l 1 e r s A u s f ü h r u n g e n auch a u f die außergerichtliche R e c h t s s t e l l u n g des Inhabers ausdehne, ist eine irrige B e h a u p t u n g B r u n n e r s ; D a m h o u d e r redet i m c. 97 n u r von der gerichtlichen Geltendmachung des Schuldbriefes.

Das Indossament.

k l a g t hier „uyt synen eyghenen name al oft hy principael ghenomineert créditeur ware", er braucht seinen Erwerbst i t e l oder eine ihm geschehene Übertragung nicht nachzuweisen, es sei denn, daß „de Rechter uyt merchelyke redenen, militerende ten lasten van den brengher's briefs bevonde anders te behooren," der Inhaberschuldschein ist auch gültig, wrenn die in ihm als prinzipaler Gläubiger genannte Person gar nicht existiert, und der prinzipale Gläubiger kann von dem Inhaber die Urkunde nur dann vindizieren, wenn er ohne seinen Willen den Besitz derselben verloren hat. Einreden, welche dem Schuldner gegen den prinzipalen Gläubiger zustehen, kann er dem Inhaber nicht entgegensetzen, es sei denn, „dat voor het overgheven van der Obligatien ghedaen by den originalen ghenomineerden créditeur d O b l i gatie ware betaelt, daer af ghetransigeert of by compensatie oft andersints de facto gherescontreert". Diese Einreden sind tatsächlich wohl die sämtlichen, die gegenüber einer rechtsgültig begründeten Verbindlichkeit vorzukommen pflegen, und da ein Grund, weshalb gerade die ganz entfernt liegenden Einwendungen ausgeschlossen sein sollten, nicht ersichtlich i s t , so ist als der Sinn der vorstehend zitierten Bestimmung anzunehmen, daß mittels Aufzählung der einzelnen praktisch erheblichsten Fälle der Satz hat ausgesprochen werden sollen, claß dem Schuldner alle diejenigen oben bezeichneten Einreden zustehen, die zur Zeit der Übergabe des Inhaberpapieres an den Inhaber dem prinzipalen Gläubiger gegenüber begründet waren. Über die wirtschaftlichen und juristischen Grundlagen, aus welchen diese Gesetzgebung erwachsen ist, unterrichtet uns ein Gutachten des E. L e ο η i η u s, welches in der Klagesache des Daniel Schaden, Vertreters des Bonaventura Furtenbach gegen Otmar Regler, Vertreter des Handelshauses der „Lixhalsii" erstattet ist. Da die „Lixhalsii" (Ligsalz) vor dem Jahre 1564 f a l l i e r t e n 1 , so ist unser Gut1

E h r e n b e r g , Z e i t a l t e r der Fugger I I S. 177.

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Zweite Abteilung.

achten vor dieser Zeit erstattet 1 , jedenfalls ist es, wie sein Inhalt ergibt und auch H e c h t annimmt, älter als das Statut von 1580—1582. Das Handelshaus Imhof hatte dem Kläger Furtenbach einen Schuldschein mit der alternativen Inhaberklausel (eive qui hanc feret) ausgestellt. Den Schein übergab Furtenbach seinem Faktor Sebastian Limhauer zur Einziehung, dieser aber veräußerte ihn an Zahlungsstatt für eine persönliche Verbindlichkeit an den Beklagten Regler, den Vertreter der Ligsalz. Gegen den Regler in qual. qua klagt nun der Vertreter Furtenbachs auf Herausgabe des Scheines, und L e on i n us kommt zu dem Schlüsse, daß dieser Anspruch auch begründet sei. Das Gericht hatte über die Frage, welche Bedeutung im Handelsverkehr der Inhaberklausel beigelegt werde, Gutachten eingezogen. Diese Gutachten gingen nach dem Berichte des L e o n i n us dahin: „quod secundum consuetudinem is, qui possessionem nominis habet aut, ut verba clausulae sonant, cautionem adfert, habeatur seu fiat cautionis dominus, non curata persona eius, qui in ea cautione. exprimitur," und daß es auf die Person des namentlich Genannten nicht ankomme, hatten die Gutachter noch speziell durch den Hinweis darauf begründet, daß es Sitte sei, „plerumque etiam in incerta aut prorsus fictitia persona huiusmodi cautiones concipi". N a c h L e o n i n u s ist dieser Handelsbrauch eine „moribus mercatorum et consuetudine" entwickelte Erweiterung des gewöhnlichen Rechts der Inhaberklausel, welche „ de iure communi ad solutionem dumtaxat facit". Den juristischen Gehalt dieses Handelsbrauches bestimmt unser Jurist dahin, daß „vigore illius (sc. clausulae), si interveniat iusta causa seu Titulus, sine cessione ius exercendae actionis proprio nomine et ad propriam utilitatem in accipientem transeat". Die Verteilung der Beweislast denkt sich L e o n i n u s , wie aus einem zweiten Gutachten (Nr. 92) hervor1

Offenbar ist es k u r z v o r dem B a n k e r o t t der L i g s a l z geschrieben. D a s V e r h a l t e n derselben gegenüber dem insolventen L i m h a u e r ist ganz das eines Geschäftsmannes, der infolge des Zusammenbruches eines Geschäftsfreundes seinen eigenen R u i n vor Augen sieht u n d m i t allen M i t t e l n versucht, an sich zu reißen, Avas er kann.

Das Indossament.

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geht, so, daß dem Inhaber gegenüber das vitium t i t u l i vel causae im Wege einer exceptio geltend zu machen ist, und daß die Inhaberklausel für sich allein „inducit cessionem et transportum absque alia sollennitate". Beim Fehlen der justa causa und des titulus ist nach L e o n i n u s der Inhaber kraft der Innehabung wenigstens zum Mandatar bestellt. L e o n i n us erklärt also die Erlangung des Urkundenbesitzes, wenn demselben eine justa causa seu titulus zugrunde liegt, mithin einen A k t , welcher seiner äußeren Form nach lediglich die Erlangung des Eigentums am Papier darstellt, kraft gewohnheitsrechtlicher Entwicklung für einen Rechtsakt, der ohne das Hinzukommen der sonstigen Requisite einer Forderungsübertragung den Erwerb des verbrieften Gläubigerrechts zur Folge hat. Sicherlich liegt hier eine bedeutsame Neuerung vor. Der Inhaberschuldschein ist, wenigstens was die Einräumung des verbrieften Rechtes an Dritte anlangt, zu einem Wertpapier im modernen Sinne geworden, zu einer Urkunde, deren Übergabe an einen Dritten für die Einräumung des Gläubigerrechts nicht nur beweisrechtliche, sondern privatrechtliche Funktion hat: die Verwertung des beurkundeten Rechts abseiten eines Anderen als des ursprünglichen Gläubigers ist durch die Innehabung der U r kunde nicht nur beweisrechtlich, sondern privatrechtlich bedingt. Hierin aber erschöpft sich nach der Auffassung des L e o n i n us auch die Neuerung; das Recht, welches der Inhaber erwirbt, ist kein anderes als das eines gewöhnlichen Rechtsnachfolgers in die Forderung „ita quod clausulae huius vis, quatenus per consuetudinem pro faciliore commutationum seu commerciorum exitu est ampliata, tantum versetur in relaxatione solennitatis, quae a iure communi in exactione vel transactione nominis requiritur, circa originem autem et causam obligationis seu acquisitionis ex iure communi nihil immutet", wie L e o n i n u s sagt. Die oben zitierten Begutachtungen über das kaufmännische Gewohnheitsrecht klingen in der Form, in welcher L e o n i n u s sie referiert, unverkennbar an die Sätze der Costumen von 1580 an und auch die Bezugnahme auf den

Zweite Abteilung.

Fall, daß der namentlich Genannte eine gar nicht existierende Person ist, fehlt in dem Statut nicht; es ist daher wohl die Vermutung erlaubt, daß zwar nicht das Konsilium des L e o n i n u s , wohl aber der Rechtsfall, in welchem dieses Konsilium und jene Gutachten erstattet sind, die Grundlage für die Bestimmungen des Statuts gebildet haben. Jedenfalls sind die juristischen Kategorien, welche L e o n i n u s seiner Beurteilung zugrunde legt, genau dieselben wie diejenigen des Statuts. Allerdings hat der Gesetzgeber sie in manchen Einzelheiten anders ausgeprägt als sie sich bei L e o n i n u s finden. Wie L e o n i n u s betrachtet auch das Statut die Übergabe der Urkunde als einen nach sachenrechtlichen Grundsätzen zu beurteilenden Rechtsakt, der den Erwerb des Forderungsrechts herbeiführt, aber die sachenrechtlichen Grundsätze, welche es angewendet wissen w i l l , sind die Grundsätze des germanischen und nicht diejenigen des römischen Vindikationsrechts. Wie bei L e o n i n u s wird ferner im Statut der Urkundenübergabe nur im Zweifel die W i r k u n g des Forderungserwerbes beigemessen, aus „merckelyke redenen militerende ton lasten van den brenger's breves" kann der Richter die Sache auch anders ansehen. Diese merckelyke redenen sind ersichtlich dasselbe, was L e o n i n u s als vitia t i t u l i vel causae bezeichnet. Ganz wie L e o n i n u s betrachtet endlich auch das Statut die Forderung, welche der Inhaber erwirbt, als diejenige Forderung, die dem ursprünglichen Gläubiger im Momente der Veräußerung zusteht und gibt dem Inhaber prinzipiell diejenige Rechtsstellung, welche der Cessionar nach erfolgter Cessionsanzeige gegenüber dem debitor cessus hat. Daß die Auffassung des Inhabers als eines Cessionars der Gedanke ist, auf welchem die Regelung der Einreden des Schuldners beruht, ergibt sich aus derjenigen Verbesserung der Bestimmungen des Antwerpener Statuts, welche im geldernschen Landrechte vorliegt. Hier ist zunächst eine Unvollkommenheit des Antwerpener Statuts verbessert, indem die Einrede der Kompensation, welche nach dem Wortlaute des Antwerpener

Das Indossament.

Statuts zwar dem Inhaber eines Inhaberschuldbriefes, nicht aber dem gewöhnlichen Cessionar entgegengesetzt werden kann, für beide Fälle gleichmäßig geregelt ist. Sodann aber ist als der Zeitpunkt, von welchem ab die gegen den Prinzipalgläubiger begründeten Einreden dem Inhaber nicht mehr entgegengesetzt werden können, nicht wie im Statut von Antwerpen die Übertragung der Urkunde an den Inhaber, sondern die Kenntnis des Schuldners von der erfolgten Übertragung festgesetzt: eine Regelung, durch welche die Übereinstimmung der Übergabe des Inhaberpapiers mit der Cession der verbrieften Forderung besonders klar hervortritt. Mit der Auffassung des Inhabers als eines Cessionars steht nur scheinbar im Widerspruch die Bestimmung, daß Inhaberschuldbriefe auch gültig sind, wenn der namentlich Genannte eine fingierte Person ist. I n solchem Falle ist eben der wirkliche erste Nehmer derjenige, aus dessen Person sich die Frage nach der Zulässigkeit der Einreden regelt, wie es ja auch, wenn die Urkunde durch mehrere Hände gegangen i s t , als Sinn des Statuts gelten muß, daß nicht nur die vor der Übergabe gegen den namentlich Genannten, sondern auch die vor der Übergabe gegen die früheren Inhaber begründeten Einreden vom Schuldner vorgeschützt werden können. Es würde einen prinzipiellen Widerspruch involvieren, wenn der Inhaber im Verhältnis zu dem mit seinem richtigen Namen genannten ersten Nehmer als Cessionar gelten sollte, im Verhältnis zu dem mit einem fingierten Namen bezeichneten ersten Nehmer dagegen als Prinzipalgläubiger. Eine spezielle Bestimmung über die Behandlung derjenigen Einreden, welche gegen die Gültigkeit der auf den Inhaber verbrieften Verbindlichkeit selber erhoben werden können, wie ζ. B. die Einreden des Irrtums und Betruges, a bei· auch (je nach der rechtlichen Auffassung, welche man dieser Einrede oder dem Schuldscheine zugrunde legt) möglicherweise die exceptio non numeratae pecuniae, enthalten weder das Statut von Antwerpen noch das geldernsche F r e u n d t , Wecliselrecht d. Fostgl.

II.

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Zweite Abteilung.

Landrecht 1 . Wohl aber behandelt diese Frage L e o n i n u s in seinem consilium 92. Ausgehend von dem Satze, daß die Inhaberklausel nur bezüglich des Übertragungsaktes der Forderung eine rechtliche Besonderheit enthalte, erklärt er diese Einreden dem Inhaber gegenüber prinzipiell für zulässig und zieht daraus in dem ihm vorliegenden Falle den Schluß, daß durch eine auf Namen von „Gerhard Pott ei ve qui feret" lautende Urkunde kein Anspruch gegen den Bürgen des Schuldners begründet sei, weil nachgewiesen wurde, daß Gerhard Pott in Wirklichkeit den Vertrag gar nicht abgeschlossen hatte. E i n Widerspruch zwischen dieser Entscheidung und dem auch von L e o n i n u s anerkannten Handelsbrauch, nach welchem Inhaberurkunden auf fingierte Namen des ersten Nehmers gestellt wurden, liegt, wie L e o n i n u s mit Recht hervorhebt, nicht vor, denn auch im Falle der Abstellung der U r k u n d e auf einen fingierten Namen ist doch zur Entstehung einer gültigen Verbindlichkeit ein gültiger V e r t r a g erforderlich 2 , und an einem solchen fehlt es nach der Auffassung des L e o n i n u s in dem ihm vorliegenden Falle. W i r dürfen diese Meinung des Juristen auch als dem Sinne des Gesetzes entsprechend ansehen, denn sie ergibt sich als notwendige Konsequenz aus der Stellung des Inhabers als eines Cessionars. Der Fortschritt, den die Gesetzgebung und Doktrin von Antwerpen enthalten, wird deutlicher, wenn man beide mit 1

N a c h dem W o r t l a u t beider Gesetze wären allerdings diese E i n reden ausgeschlossen, aber die Bestimmungen, welche die Frage der E i n r e d e n r e g e l n , beziehen sich m. IG. aus den im T e x t ausgeführten G r ü n d e n n u r auf die n a c h Begründung der V e r b i n d l i c h k e i t entstandenen Einreden. 2 L e o n . C. c. : Neque ad rem pertinet, q u o d p r o p o n i t u r , secundum m e r c a t o r u m consuetudinem generaliter d o m i n u m cautionis fieri eum, q u i possessionem n o m i n i s habet aut, u t verba clausulae sonant, cautionem adfert, n o n curata persona eius q u i i n cautione e x p r i m i t u r . N a m i d procedit cum praesupposito subsistentis c a u t i o n i s et obligationis i n alterius persona prius legitime c o n t r a c t a e , quod praesuppositum si cesset, inanis est prosecutio (die Rechtsverfolgung) adferentis . . .

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der Gesetzgebung und Doktrin in anderen niederländischen Städten vergleicht. Nach den Statuten von Mechelen von 1535 1 und von Utrecht von 1550 2 muß die auf den Inhaber verbriefte Forderung in derselben Weise übertragen werden wie jede andere Forderung und auch, wo die Gesetzgebung wie in Dordrecht (1570) uud Südholland (1571) 3 dem Inhaber ohne weitere Legitimation ein Klagerecht verstattet, fehlt doch die juristische Regelung seiner Rechtsstellung. Aus der Doktrin eignen sich zur Vergleichung besonders die Auseinandersetzungen des J a c o b u s C u r t i u s , der 1550 in den Rat zu Brügge aufgenommen wurde 4 . E r verkennt zwar nicht, daß der Inhaber mehr sei als ein einfacher solutioni adiectus und bezeichnet ihn als ex moribus nostris et usu communi r e r u m 5 , als magna ex parte obligationis capacem, aber diese capacitas hat nur den Sinn, ut earn syngrapham penes se habenti ex ilia adiectione non solum solvere possit, sed etiam, si debitor non solvat, actio d e t u r 6 , sie dient also nur als theoretische Grundlage zur Rechtfertigung des Klagerechts des Inhabers, und es bleibt trotzdem wahr, daß isti adiectioni nulla translatae obligationis vis accedit 7 . Daher kann nicht nur der Prinzipalgläubiger re integra die Zahlung an den Inhaber untersagen 8 , sondern bei Konkurrenz zwischen dem Prinzipalgläubiger, qui ipsam obligationem secum et intra viscera sua circumf e r t 9 , und dem Inhaber, procuratori aut speciem procuratone habenti, muß cler Inhaber zurückstehen, es sei denn, daß ihm die Forderung in solutum gegeben ist. Alsdann kann 1

H e c h t S. 30. H e c h t I I . 39. 3 H e c h t S. 43 u n d 44. 4 Jacobi C u r t i i C o n i e c t u r a r u m i u r i s civilis L i b r i I I I. d r e i Bücher waren m i r nicht zugänglich. 5 1. c. I c. 11. 6 1. c. I I c. 35. 7 1. c. I I c. 35. 8 1. c. I I I c. 18. 9 I I c. 35. 2

D i e weiteren

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er aditum sibi ad usum obligationis et tanquam possessionem iuris verschaffen denuntiando vel litem contestando ganz wie derjenige, dem ein ohne Inhaberklausel verbrieftes nomen ceditur aut pignori datur. Man sieht, daß sich hier die Bedeutung der Inhaberklausel noch ganz in der Legitimierung zur Prozeßführung erschöpft, denn die Rechtslage, welche im Falle der Cession oder Verpfändung der Forderung e i n t r i t t , ist eben eine Konsequenz dieser Rechtsakte und nicht der Inhaberklausel, und C u r t i u s sagt auch nicht, daß der Inhaber seine Rechtsstellung als Cessionar oder Pfandgläubiger einfach durch Berufung auf die Inhaberklausel begründen könne. M i t der Eroberung Antwerpens durch die Spanier (1585) ging die Handelsblüte dieser Stadt zu Ende, und an seine Stelle trat Amsterdam. I n Amsterdam ist es demgemäß auch zu einer Weiterentwicklung des bisher betrachteten Rechtszustandes gekommen. Entwicklungsbedürftig war dieser Rechtszustand, wie nicht verkannt werden sollte, besonders in der A r t , wie die Statuten die Einreden des Schuldners regelten. Die antwerpener Costume fordert den Schuldner, der ja kaum je genau erfahren wird, wann der Inhaber das Papier erworben hat, geradezu heraus, alle Einreden, die ihm gegen den Hauptgläubiger zustehen, dem Inhaber entgegenzustellen, schon um sich nicht durch Unterlassung solcher Einreden dem Hauptgläubiger gegenüber zu präjudizieren ; aber auch die viel sachgemäßeren Bestimmungen des geldernschen Landrechts erfüllen doch keineswegs den Zweck „alle uytweghen exceptie ende cavillatien" des Schuldners abzuschneiden. I n Amsterdam bildete sich nun, wie aus dem von H e c h t S. 94 beigebrachten Gutachten mehrerer dortiger Prokuratoren erhellt, im Anfange des 17. Jahrhunderts die durch verschiedene höchstrichterliche Urteile anerkannte Rechtsgewohnheit aus 1 , daß der „Aussteller einer Obligation, der vor dem Gerichte Zahlung, Kompensation oder Ver1

D i e folgende D a r s t e l l u n g ist l e d i g l i c h aus H e c h t geschupft; die von i h m angeführten Quellen k o n n t e i c h nicht erhalten.

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rechnung gegen den allegiere, auf dessen Namen die Obligation ausgestellt sei, trotzdem er gegen den Inhaber des Briefes keinen Schutz habe und von dem Gerichte verurteilt werde, noch einmal an den Inhaber zu zahlen." Die Gerichte konstruierten diese Gewohnheit in der Weise, daß sie erklärten 1 , „die in der Obligation stehende Stipulation „ „ z u bezahlen an den Inhaber des Briefs"" hat de consuetudine die W i r kung und Kraft einer Delegation. Da der Schuldner eine Inhaberobligation ausgestellt h a t , muß er sich selbst den Verlust der Einreden, welche er gegen den Deleganten hätte, imputieren". Daß hier nicht, wie H e c h t unbegreiflicherweise meint, eine Übertragung der Kostüme von Antwerpen auf Amsterdam, sondern eine völlige Neuerung des Rechts der Inhaberklausel vorliegt, ist ganz k l a r ; aus einem Zessionar ist der Inhaber zu einem Delegatar geworden. Gerade in dem von H e c h t referierten Rechtsfall, in welchem die oben zitierten Sätze des amsterdamer Rechts aufgestellt wurden, hätte die Entscheidung bei Anwendung des antwerpener Rechts wahrscheinlich entgegengesetzt ausfallen müssen. Der Schuldner behauptete nämlich, der ursprüngliche Gläubiger „habe ihm einen Revers gegeben, wonach er von der schuldigen Summe soviel weniger bezahlen solle, als ihm bei Rechnungsschluß nachweislich zugute kommen werde". Die ursprünglichen Parteien hatten also über die Forderung, um die Worte der Kostüme von Antwerpen zu gebrauchen, ghetransigeert ofte de facto ghereskontreert ; es hätte daher dem Beklagten cler Nachweis verstattet werden müssen, daß ihm der Revers vor Übergabe der Urkunde an den Inhaber oder, wenn man das Landrecht von Geldern anwendete, vor der Anzeige von solcher Übergabe gegeben worden sei. Die Anwendung des römischen Delegationsrechtes auf das Recht der Inhaberklausel würde, wenn sie sich auf dieses Recht beschränkt hätte, wohl unangefochten geblieben sein; die Gerichte von Amsterdam unterschieden aber nicht zwischen der auf den Inhaber verbrieften und der gewöhnlichen Forde1

H e c h t S. 92.

Zweite Abteilung.

rung und wendeten jenes Recht gegenüber jedem Zessionar an. Damit schufen sie einen Rechtszustand, welchen man allerdings insofern eine „unredliche Gewohnheit" nennen konnte, als der Schuldner vollständig der Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit seines Gläubigers preisgegeben war. Die Reaktion blieb denn auch nicht aus; in demjenigen Jahre, in welchem das von H e c h t erwähnte Gutachten der Prokuratoren erstattet wurde (1635), kehrte die Gesetzgebung von Amsterdam wieder zum Rechte der römischen Zession zurück, dem sie nun auch gleich die Forderung aus dem Inhaberpapier u n t e r w a r f 1 . Die im Vorstehenden skizzierte Geschichte des niederländischen Inhaberpapierrechts zeigt uns, daß dieses Recht zwar die Inhaberurkunde zu einem Wertpapier ausgebildet h a t , daß es aber in der Normierung des Inhalts der Rechtsstellung des Inhabers nicht über die Kategorien des Pandektenrechts hinausgekommen ist. Zweites

Kapitel.

Die Entstehung des Indossaments. § 10. Das italienische Inhaberpapier und die cedula bancaria. E i n anderes Resultat als in den Niederlanden hat die Entwicklung des Inhaberpapieres in Italien gehabt. Auch hier t r i t t im Anfang des 17. Jahrhunderts ein Wandel in der juristischen Auffassung der Inhaberklausel ein. Diese Wandlung kündigt sich an bei N i c o l a u s de P a s s e r i b u s aus Genua, der in seiner 1613 erschienenen Schrift de scriptura privata auch die Privaturkunden m i t Inhaberklauseln behandelt. Er faßt im allgemeinen ganz wie seine Vorgänger den Inhaber als einen Prozeßvertreter „per traditionein ipsius chirographi (d. h. nur einer mit Inhaberklausel versehenen Urkunde) censetur tacite sibi datum mandatum ad agendum " Zu dieser Rechtsstellung 1

Hecht

S 98.

Das Indossament.

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cles Inhabers als eines Prozeßvertreters stimmt aber sehr wenig die Antwort, welche er auf die weiterhin von ihm aufgeworfene Frage g i b t , ob der Schuldner dem Inhaber entgegenhalten könne, er habe an den ursprünglichen Gläubiger gezahlt, War der Inhaber wirklich ein einfacher procurator ad agendum, so mußte diese Frage natürlich bejaht werden. Statt dessen macht unser Autor einen Unterschied zwischen der alternativen und der reinen Inhaberklausel. War Zahlung versprochen „a Don Aloise Terminio ο a chi presentarà", so befreit die Zahlung an den namentlich Genannten den Schuldner gegenüber dem Inhaber, wenn dagegen Zahlung einfach „a chi presentarà" versprochen war, so befreit die Zahlung an den früheren Inhaber den Schuldner nur dann, wenn diese Zahlung auf der Rückseite der Urkunde vermerkt ist. Eine Entscheidung solchen Inhalts will N i c o l a u s im Jahre 1608 erstritten haben. Seine Begründung für beide Alternativen ist eine einfache Berufung auf den Wortlaut der Klausel. Einen anderen Rechtsfall aus dem Jahre 1613, in welchem gleichfalls die juristische Bedeutung der reinen Inhaberklausel in Frage stand, enthält die Nr. 52 der Decisiones Bononienses des A n t o n i u s M o n a c h u s (Venetiis 1619). Es lag vor ein Pagherò, ein Bankschuldschein, welcher lautete: „A di 30. Aprile 1613 pagaremo a chi presentarà lire 1041 di q u a t t r i n i , per dare al Michelini in raccordo". Zwischen Annibale de Sartis, dem Inhaber dieses Scheines, und den Gläubigern der Firma de Michelinis war ein Streit darüber entstanden, an dicta cedula sit praesentantis an Michelini, ita quod praesentans earn exigere possit a dictis .campsoribus an ex adverso Michelinus. Die Worte „per dare al Michelino" bedeuten, daß die Bank den Michelino mit der Valuta für diesen Schuldschein belastet habe, was auch in ihren Büchern durch die Eintragung zum Ausdruck kam „ A di 30. Aprile 1613 presentante deve avere lire 1041 de quattrini per dare al Michelini in raccordo lire 1041" und (auf dem Conto des Michelini) „A di 30. d'Aprile 1613 M. Giacomo Michelini deve dare lire 1041, porte) lui con-

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Zweite Abteilung.

tanti lire 1041". Erörtert wird nun hauptsächlich die-Frage, ob durch jene Bemerkung im Pagherò-Schuldschein Michelino oder der Inhaber des Scheines als Prinzipalgläubiger bezeichnet sei. Entschieden wird diese Frage dahin, daß der Inhaber des Scheines der Prinzipal gläubiger sei 1 , ohne daß mit einem Worte die Frage berührt würde, ob und wie es denn zulässig sei, sich einfach gegenüber derjenigen Person als Prinzipal gläubigerin zu verpflichten, welche ex ipsa exhibitione cedulae detegitur. Das neue Problem, welches hier vorliegt, wird gestellt durch die Verkehrsinstitution des reinen Inhaberpapiers. Wo in den mittelalterlichen S c h u l d u r k u n d e n 2 die reine Inhaberklausel, vorkommt, ist doch stets ein Hauptgläubiger vorhanden, so daß in Wahrheit nur eine ungenau gefaßte alternative Inhaberklausel vorliegt, und auch die auf fingierten Namen ausgestellten Inhaberschuldscheine von Antwerpen aus dem 16. Jahrhundert werden, wie oben S. 98 dargelegt, durchaus als Scheine mit alternativer Inhaberklausel betrachtet 3 . Eine solche Betrachtung aber ist gegen1

. . . confirmatur, quod ipse de Sartis sit eo ipso non quidem adiectus sed d o m i n u s , q u i tacitus i n l i b r o et cedula h o d i e e x i p s a c e d u l a e e x h i b i t i o n e v e r e d e t e g i t u r e s s e et non alius, nam h u n e non esse adiectum patet, q u i a adiectus est, u b i p r i n c i p a l i s creditor a l t e r i s t i p u l a t u r d a r i aut s i b i , . . . at praesentans iste est ipsemet creditor. 2 Daß i n A n w e i s u n g e n i m M i t t e l a l t e r wie i m A l t e r t u m die reine I n h a b e r k l a u s e l Ausübungsform des i n der A n w e i s u n g enthaltenen M a n d a t s ist, versteht sich v o n selbst (s. oben S. 18). 3 N a t ü r l i c h soll n i c h t i n Abrede gestellt werden, daß bei ganz besonderen Rechtsverhältnissen auch im M i t t e l a l t e r schon eine r e i n auf den I n h a b e r abgestellte V e r b i n d l i c h k e i t vorgekommen i s t ; eine gew ö h n l i c h e S c h u l d v e r b i n d l i c h k e i t unter Privaten, welche n i c h t etwa infolge ungenauer B e u r k u n d u n g , sondern nach der w i r k l i c h e n A b s i c h t der K o n t r a h e n t e n vertragsmäßig von v o r n h e r e i n für j e d e r m a n n begründet sein soll, ist bisher n o c h n i c h t gefunden worden. Insbesondere ist die von B r u n n e r ( I n h a b e r p . S. 33) angeführte reine I n h a b e r k l a u s e l eines Rentenbriefes aus L i l l e vom J a h r e 1324 i n W a h r h e i t n u r eine ungenau gefaßte alternative I n h a b e r k l a u s e l . P r i n z i p a l g l ä u b i g e r sind die n a m e n t l i c h genannten Rentenberechtigten; sie oder der I n h a b e r

Das Indossament.

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über dem reinen Inhaberschuldschein „pagaremo à chi presentara" unmöglich. Das gemeinsame Prinzip, welches bei den vorstehend betrachteten Erörterungen zugrunde liegt, ist ersichtlich eine Verkehrsauffassung des Inhalts, daß sich das Gläubigerrecht aus einem Schuldschein mit reiner Inhaberklausel sowohl in bezug auf den Inhalt der Berechtigung als auch in bezug auf die Person des Berechtigten lediglich durch den Inhalt des Schuldscheins bestimmt. Diese Auffassung t r i t t in ersterer Beziehung, soweit wir sehen können, allerdings nur in einer speziellen einzelnen Konsequenz hervor, nämlich in dem Satze, daß teilweise Tilgung der verbrieften Verbindlichkeit nur durch Bescheinigung auf dem Schuldschein selber erfolgen kann, vollständig ausgebildet erscheint sie dagegen in letzterer Beziehung in dem Satze des bolognesischen U r t e i l s , daß die Vorlegung des Inhaberschuldscheins derjenige A k t ist, durch welchen die Person des Gläubigers in die Erscheinung t r i t t . I n den bisher betrachteten beiden Entscheidungen ist das hier vorliegende Problem nur als ein solches erkannt, aber nicht gelöst; sowohl N i c o l a u s de P a s s e r i b u s als auch das bolognesische Gericht begnügen sich damit, die Verkehrsinstitution gewissermaßen zu registrieren und versuchen nicht, sie unter juristische Begriffe zu bringen. Eine vollkommene juristische Theorie dieser Verkehrsinstitution ist meines Wissens zuerst entwickelt in der neapolitanischen Jurisprudenz deren hierher gehörige Zeugnisse bisher in der deutschen Wissenschaft noch nicht gewürdigt sind 1 . sind es auch, welche beim U n t e r b l e i b e n der Z a h l u n g Schadenersatz z u beanspruchen haben. Ü b e r die reinen I n h a b e r k l a u s e l n des Codex Cavensis vgl. meine W e r t p a p i e r e A b s c h n i t t I I I § 9. 1 Die decisio 13 bei R o v i t u s (unten S. 108) ist besprochen u n d zum T e i l z i t i e r t von A j e l l o ( F i l a n g i e r i J a h r g a n g 1882 S. 740). G o l d s c h m i d t h a t , wie es s c h e i n t , dieses Z i t a t , w e i l es m i t A l l e g i e r u n g der dec. 135 des M . de Afflictis abschließt, für ein Z i t a t aus letzterem gehalten (ein I r r t u m , an dem A j e l l o ganz u n s c h u l d i g ist), u n d w e i l er es dort n a t ü r l i c h vergeblich suchte, i g n o r i e r t er die A u s f ü h r u n g von

Zweite Abteilung.

Auch im Bankwesen Neapels waren selbstverständlich Schuldscheine der Bankiers über Bankdepositen üblich; sie tragen hier bekanntlich von ihren regelmäßigen Eingangsworten „facciamo fede" her den Namen fede (fides). Diese Scheine zeigen äußerlich keinerlei urkundliche Besonderheit, sie enthalten regelmäßig nur den Namen des Depositengläubigers und daneben die Klausel, daß das Depositum zurückgezahlt werde gegen Rückgabe der Urkunde, eine Klausel, welche sich ihrem Wortsinne nach nicht von dem althergebrachten, oben S. 5 und 6 behandelten „Gedinge auf Rückgabe" unterscheidet. M i t dieser Klausel beginnt sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Rechtssprechung zu beschäftigen auf Grund des Sachverhalts, daß die Bankiers aus ihr das Recht herleiten, die Rückzahlung der Depositen zu verweigern, wenn ihnen nicht die fides zurückgegeben wird. War diese fides eine einfache Beweisurkunde, so war ein solches Verlangen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unbegründet, der Bankier konnte nur beanspruchen, daß ihm die Urkunde in einer Quittung kassiert wurde. Es muß aber doch zu Tage gelegen haben, daß die fides im Verkehr eine weitergehende Bedeutung besitze, denn die neapolitanische Praxis verlangt für den Fall des Verlustes dieser Scheine vom Depositengläubiger noch andere Garantien als eine einfache Kraftloserklärung der Urkunde in der Quittung. Das Verfahren, welches sich ausbildete, ersehen wir aus einer Erörterung des V i n c e n t i u s de F r a n c h i s 1 . Er war als Aufsichtsbeamter für das Bankwesen mit der Verkehrsübung bekannt geworden und berichtet 2 , daß die Bankiers sich deshalb weigerten, dem Depositengläubiger ohne Rücklieferung der fides das Depositum zurückzuzahlen, weil sie befürchteten, es könne nachträglich eine fides zum Vorschein kommen, „ex qua alicui esset ius quaesitum per A j e l l o v ö l l i g . S c h a p s h a t s o w o h l A j e 11 ο eingehend benutzt als auch das W e r k des R o v i t u s z i t i e r t (Wechselindossament S. 91 A n m . 9) ohne aber diese wichtige E n t s c h e i d u n g irgendwie zu beachten. 1 Decisiones sacri regii c o n s i l i i N e a p o l i t a n i , T a u r . 1728. 2 1. c. Dec. 498.

Das Indossament.

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imitationem (?) depositi, etiterum ipse compelleretur solvere". Diese Argumentation weist auf eine Verkehrsübung hin, welche dem Inhaber einer solchen fides weitergehende Rechte zuwies, als die eines römischrechtlichen Zessionars, denn ein Zessionar hätte die vor erfolgter Denuntiation der Cession an den ursprünglichen Gläubiger erfolgte Zahlung gegen sich gelten lassen müssen. D e F r a n c h i s erzählt nun weiter, daß er die Bankiers zwar angehalten habe, auch ohne Rücklieferung der fides Zahlung zu leisten; er sah aber auch eine einfache Kassierung der fides durch urkundliche Erklärung des Gläubigers gleichfalls nicht als genügend an, sondern verlangte Kautelen für die Schadloshaltung des Schuldners und pflegte zu diesem Zwecke eine Kaution zu erfordern, durch welche cler Gläubiger dafür einstand, daß die Bank nicht vom Inhaber des Scheines in Anspruch genommen würde; das Dekret, durch welches unter dieser Kautel die Rückzahlung angeordnet wurde, ließ er alsdann im Buche der Bank notieren. I n diesem Verfahren erblickt er eine Anwendung der Grundsätze, welche J a s o n zur 1. huiusmodi § si ita D de leg 1° für den Fall des Verlustes einer Tratte aufgestellt hatte 1 . Er behandelte also die Vorlegung und Rückgabe der fides bei Geltendmachung des in ihr beurkundeten Anspruchs g e g e n d e n S c h u l d n e r nicht etwa als die Rückgabe einer einfachen Beweisurkunde, sondern in derselben Weise als eine Ausübungsform des beurkundeten Anspruches, wie J a s o n die Vorlegung der Tratte als eine Ausübungsform des in ihr enthaltenen Zahlungsauftrages g e g e n ü b e r d e n A n g e w i e s e n e n behandelt hatte. Wie de F r a n c h i s sich im übrigen die Rechtsstellung des dritten Inhabers juristisch zurechtlegte, erfahren wir von ihm allerdings nicht. Eine solche juristische Analyse des ganzen Rechtsinstitutes t r i t t uns einige Jahrzehnte später in überraschend allseitiger und sicherer Ausbildung entgegen in einer Entscheidung cler neapolitanischen Magna Curia vom 18. Februar 1

oben S. 8 fgg.

Zweite Abteilung.

1620, über welche von R o v i t u s in den Decisiones superiorum tribunalium Regni Neapolitani unter Nr. 13 berichtet wird. Der Sachverhalt ist, soweit er hier interessiert, folgender. E i n Bankier hatte eine fides ausgestellt, welche lautete: „Facciamo fede tener creditore in nostro banco Gennaro Musitano in docati ducento, de 'quali potrà disponere a suo piacere con restitutione della presente." Am Fuße (in calce) dieser fides fand sich ein Vermerk des Inhalts, ut pecunia in ea contenta et in Banco existens liberaretur III. Princ. Noye . . . in causam pretii dictorum porcorum (aus diesem Schweinehandel rührte die Forderung her, deren Zahlung durch Hingabe der fides an den Herzog von Noja erfolgen sollte). Als diese fides von J a c o b u s dem Vertreter des Herzogs bei der Bank zur Einlösung präsentiert wurde, ergab sich, daß der Betrag bereits an Gennaro Musitano ausgezahlt sei. Dieser hatte nämlich unter dem Vorgeben, er habe die fides verloren, ein gerichtliches Mandat (von der A r t der bei V i n c e n t i u s de F r a n c h i s erwähnten) e r w i r k t , und auf dieses Mandat hin hatte die Bank Zahlung leisten müssen. Sie weigerte daher jetzt dem Vorzeiger des Scheines die nochmalige Zahlung. Sie ließ vortragen 1 , der Kläger habe gegen sie keinerlei Recht erworben weder aus dem Depositenvertrag zwischen ihr und Gennaro Musitano noch aus der Ausstellung der fides, welche ein einfaches Beweismittel über die erfolgte Einzahlung des Depots sei. Der Hinterlegungsvertrag sei durch Rückzahlung erloschen, und zwar um so mehr, als die Bank durch obrigkeitliche Verfügung zu solcher Rückzahlung angehalten worden sei. Ferner meinte die Bank, quod nec illa clausula „con restitutione della presente" debet esse i n aliqua consideratione, cum illa sit introducta in favorem eiusdem banci, ne scilicet post semel restitutam pecuniam principali deponenti absque restitutione fidei teneretur facere duplicatam solutionem eidem exhibenti postea fidem ori1

N u r soweit

die E r ö r t e r u n g e n f ü r die h i e r behandelte Frage i n

B e t r a c h t kommen, gebe i c h sie wieder.

Das Indossament.

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ginalem . . . et quatenus ex ea resultaret aliqua convitio (?) il la nihil possit inesse ad beneficium Jacobi, sed ad beneficium Banci tantum, ne scilicet teneretur solvere pecuniam in fide contentam, nisi cum restitutione eiusdem fidei . . sie erblickte also in der Klausel der fides lediglich eine K a u t e l , welche sie vor doppelter Zahlung schützen sollte. Ganz anders faßt der Vertreter des Klägers die Funktion der fides auf. Nach ihm gründet sich der Anspruch des Klägers überhaupt nicht auf den Hinterlegungsvertrag, sondern auf die „scriptura Banci redacta in fidem crediti ad beneficium Januarii cum facultate disponendi ad sui libitum cum restitutione originalis fidei de quantitate in fide contenta", also auf einen dispositiven Skripturakt und auf den A k t der Präsentation dieser scriptura abseiten des Dritten, des Klägers, bei der Bank. Die Worte der fides „dei quali potrà disponere a suo piacere con restituzione della presente" begründeten eine Verbindlichkeit der Bank nicht nur gegenüber den ursprünglichen Gegenkontrahenten, s o n d e r n g e g e n ü b e r j e d e r m a n n , z u dessen G u n s t e n d e r u r s p r ü n g l i c h e G e g e n k o n t r a h e n t e i n e D i s p o s i t i o n t r e f f e . Formell erfolge diese Disposition, durch welche der Dritte unmittelbar gegen die Bank die actio de constituta pecunia erwerbe, mittelst Übergabe der Urkunde an den Dritten, und diese Übergabe der Urkunde erhelle aus der Tatsache, daß der Inhaber die Urkunde vorlege l . 1

Ista verba „ d e i quali usw." producebant obligationem banci i n beneficium cuiuscunque fuisset facta dispositio pecuniae i n fide contentae per J a n u a r i u m acsi Bancum promisisset solvere omnibus i l l i s , i n q u o r u m beneficium disposuisset Januarius et q u i fidem o r i g i n a l e m Banco restituèrent et proinde ex t a l i obligatione s t a t i m facta dispositione per J a n u a r i u m orta fuit actio de constituta pecunia i n personam i l l i u s , in quem f u i t facta dispositio, . . . licet nec ipse Jacobus nec alia persona certa fuisset i n fide n o m i n a t a , ea tamen postea expressa et nominata c o n s t i t u t u m idem o p e r a t u r , ac si ab i n i t i o fuisset specifice n o m i n a t a , u t late p r o b a t A l e x . cons. 114 Ν . 2 lb. 6 . . . E x praesentatione vero facta . . . dicebat fortius ius sibi quaesitum, n a m quemadmodum ex t r a d i t i o n e c h i r o g r a p h i seu i n s t r u m e n t i alterius c r e d i t i a l t e r i facta transit statim d o m i n i u m et quasi possessio nominis debitoris . . .

Zweite Abteilung.

Dieses ganze Rechtsverhältnis sei eine Besonderheit des Rechtes der cedulae bancariae; während man bei Begründung einer gewöhnlichen Schuldverpflichtung nicht gleich die Übertragung auf Dritte ins Auge fasse, sei dies doch anders in huiusmodi cedulis bancariis, quae principaliter fiunt ad reddendum t u t u m publicum commercium inter mercatores sub ilia fide publica et consequenter ad commodum cuiuslibet tertii, . . . ita ut tertius contrahens cum eo, qui habet talem cedulam bancariam sit securus de consecutione quantitatis in cedula contentae ad solam illius praesentationem et exhibitionem in Banco, confidens potius fidei Banci publici quam illius privatae personae, cum qua contraint . . . Das Gericht hat sich diesen Ausführungen im wesentlichen angeschlossen, es erörtert ex professo die wirtschaftliche und Rechtsnatur der cedula bancaria in dreifacher Richtung, nämlich für die Interessen des ursprünglichen Gläubigers, für die Interessen des Bankiers und für die Interessen des dritten Erwerbers. Für die Interessen des Depositengläubigers lediglich gegenüber der Bank ist die cedula ohne Wert, der Gläubiger kann nur einmal Zahlung verlangen und kann diese Zahlung auch dann verlangen, wenn keine cedula ausgestellt ist. Für die Bank bedeutet die Ausstellung der fides die Garantieerklärung, daß der namentlich Genannte (als Inhaber eines Bankkontos) eine für den Betrag des Scheins zahlungsfähige Person sei, dieser Garantie gemäß übernimmt die Bank „obligationem solvendi illam quantitatem cuicunque fuisset fides girata eandem originaliter praesentanti". Hieraus folgt, daß der Empfänger einer solchen fides auf die Solidität und Zuverlässigkeit der Bank und nicht auf die des Veräußerers baut, und auf dieser fides publica der Banken beruht der ganze Handelsverkehr des Reichs, denn diese Scheine gehen im Verkehr von Hand zu Hand, und daher muß die Bank auf alle Fälle dem gehörig legitimierten Inhaber eines solchen i t a et i n hoc casu per t r a d i t i o n e m i l l i u s fidei . . . t r a n s l a t u m f u i t d o m i n i u m et quasi possessio nominis debitoris i n fide contenti . . .

Das Indossament.

Scheins Zahlung leisten 1 . Diese Auffassung der Stellung der Banken im Verkehrsleben hat auch stets geherrscht, ihre Verpflichtungsscheine haben nach F ο 11 e r i us die Natur einer Erklärung vor einer Behörde; aus solchen Erklärungen vor einer Behörde wird jedem, der ein Interesse hat, eine Klage erworben wie A f f i i c t u s ausgeführt und A l e x a n d e r T a r t a g n u s im einzelnen nachgewiesen hat u n d w i e a l l g e m e i n a n e r k a n n t i s t als das R e c h t der k a u f männischen Verpflichtungsscheine mit altern a t i v e r I n h a b e r k l a u s e l , w e l c h e das V o r b i l d f ü r diese fides bancaria g e b i l d e t haben2. Die Bedeutung der fides für die Interessen des Dritten, zu dessen Gunsten die dispositio erfolgt, des Giratars, ergiebt sich unmittelbar aus dem vorhergehenden. I n engem Anschluß an diese Erörterungen hat Horatius Montanus in seinem 1634 erschienenen Werke de Regalibus unter der Rubrik Argentariae bei N. 27 fgg. dieselben Fragen behandelt. Die entscheidenden Ausführungen des von Rovitus besprochenen Urteils hat er sich wörtlich angeeignet und in einige ihrer Konsequenzen verfolgt. Er entwickelt besonders die juristische Natur der Übergabe der girierten cedula, und die entscheidende Bedeutung dieses Rechtsaktes für den Erwerb des verbrieften Gläubigerrechts. 1 contrahentes postea cum eo (sc. m i t dem I n h a b e r des B a n k kontos) recepta fide o r i g i n a l i cum dispositione i l l i u s summae ad eorum beneficium sequentur potius fidem p u b l i c a m banci quam fidem p r i v a t a m i l l i u s , ex quo sine i l l a fide nullatenus contraxissent, et super hac fide p u b l i c a est f u n d a t u m commercium universale t o t i u s R e g n i , per quod passim tales fides t r a n s m i t t u n t u r commercii causa, et propterea B a n c u m teneatur omnino numerato ( w o h l nominato, d. h. dem Giratar) solvere pecuniam descriptam i n fide i l l a m e x h i b e n t i cum dispositione ad sui beneficium . . . 2 . . . et p r o u t t r a d u n t Doctores i n materia l i t e r a r u m m e r c a n t i l i u m ad quorum exemplum h u i u s m o d i fides bancariae fuerunt introductae, dum mercatores i n i l l i s l i t e r i s p r o m i t t u n t solvere T i t i o seu a l t e r i illas praesentanti de q u i b u s agit Rebuff. T o m . 1. Const. Gall, de l i t t . obi. art. 2 gl. 1 Ν . 75 (oben S. 86). M . D . de A m a t i s dec. 80 (oben S. 87) praes. N . 15, A n t . Monach. dec. Bonon. 52 (oben S. 101) . . .

Zweite Abteilung.

Eine Verfügung, welche der erste Gläubiger ohne die Übergabe der cedula trifft, hat weder gegenüber dem Schuldner noch gegenüber demjenigen, zu dessen Gunsten später mit Übergabe der cedula verfügt w i r d , rechtliche Bedeutung und zwar auch dann nicht, wenn die cedula zwar giriert aber nicht übergeben wird. Denn die Übertragung der fides ist juristisch zu behandeln wie die Übertragung des Eigentums an dem deponierten Gelde und wie zur Eigentumsübertragung außer der causa, dem titulus, auch noch die traditio erforderlich i s t , so ist auch für die Übertragung des Eigentums am Depot außer der Girierung auch noch die Übergabe der Urkunde erforderlich. Die Bank h a t , indem sie vereinbarte, der Depositengläubiger könne „disponere con restitutione della presente" diejenige Form vorgezeichnet, in welcher allein eine Disponierung über das Geld gültig erfolgen könne, und mithin ist jeder Rechtsakt, der dieser Form nicht genügt, unwirksam und der Gläubiger kann auch die einmal durch Hingabe der girierten fides getroffene Disposition nicht mehr rückgängig machen Daß sich diese ganze Argumentation einigermaßen von den Grundsätzen des römischen Rechts entfernt, verhehlt sich Montanus nicht, und er erklärt dann schließlich, nachdem er gefragt hat „sub qua régula fundari potest, quod ex illa virtuali con1

. . . bancum c o n s t i t u i t se debitorem i n fide non simpliciter eius, i n quem fieret d i s p o s i t i o , sed c o n i u n c t i m e x h i b i t a et restituta sibi o r i g i n a l i fide; patet ex i l l i s verbis „de q u a l i p o t r à disponere con restitutione della presente fede". H o c p r i n c i p a l i t e r a t t e n d i t numm u l a r i u s , ut r e s t i t u a t u r sibi fides crediti, i n qua constituit se debitorem i n beneficium eius, i n quem fieret dispositio pecuniae descriptae i n i l l a . Quo fit ut, dum fides g i r a t a et cessa (Cedere ist hier wie häufig bei den J u r i s t e n dieser Z e i t n u r ein allgemeiner A u s d r u c k für jede Forderungsveräußerung u n d bezeichnet n i c h t etwa dasjenige, was die moderne gemeinr e c h t l i c h e D o k t r i n unter Cession verstand) non f u i t t r a d i t a personae descriptae i n cessione seu girata, n o n d i c i t u r translatum dominium p e c u n i a e , quia deficit t r a d i t i o et sie c o n s t i t u t u m banci i n beneficium a b s e n t i s , i n quem fieret d i s p o s i t i o , continet expressam conditionem, q u o d sibi r e s t i t u a t u r ficles, qua conditione non impleta non potest bancum convenir! ex v i i l l i u s c o n s t i t u t i . . .

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Das Indossament.

ventione inita inter depositantem creditorem et bancherium describentem fidem crediti acquiratur actio absenti", diese Klage entspringe „ex persona Regis qui praeposuit bancherium in illa mensa publica et ne decipiantur sui subditi sequentes Regiam fidem in bancherio a se praeposito". Das im vorstehenden dargestellte Rechtsinstitut ist beschränkt auf die cedulae mit der Klausel „dei quali usw.", diejenigen Bankscheine, welche eine solche Klausel nicht tragen, können nur durch einfache Cession veräußert werden. I n den Erörterungen dieser neapolitanischen Juristen scheint mir die eindringende und präzise Erfassung der Verkehrstechnik ebenso bemerkenswert wie die Sicherheit, mit welcher sie unmittelbar aus den Postulaten dieser Verkehrstechnik die derselben adäquaten Rechtsinstitute zu entwickeln verstehen. Der Verkehrszweck der cedula bancaria ist der, daß sie „im ganzen Reiche zu Zwecken des Handelsverkehrs von Hand zu Hand gehen soll". Damit dies möglich sei, muß Sicherheit dafür vorhanden sein, daß die Bank „auf alle Fälle jedem aus einem solchem Schein Berechtigten Zahlung leistet", daß jeder Berechtigte den Schein jederzeit, ohne Hindernisse befürchten zu müssen, zu Geld machen kann. Materiell wird diese Möglichkeit begründet durch den Kredit der B a n k , formell muß sie begründet werden durch eine Gestaltung des Rechts der cedula, welches denjenigen, der den Schein in Händen hat, gegen alle ihm unbekannten Einreden der Bank schützt. Das Problem, ein derartig gestaltetes Recht an den Besitz des Scheins anzuknüpfen. ist es, welches die Juristen hier lösen, und zwar verfahren sie in der Weise, daß sie eine in ihrer Wissenschaft ausgebildete Vertragskategorie, welche es ermöglicht, einer unbestimmten Vielheit von Personen ein von Beschränkungen durch etwaige Verfügungen eines Vorberechtigten freies Recht zu verschaffen, hervorgehen lassen aus der Übergabe des Scheins. Der Kern der Neuerung, welche sie vornehmen, besteht nicht in der Schaffung jener Vertragskategorie, sondern in der Ausgestaltung der herF r e u n d t , Wechselrecht d. Postgl.

II.

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Zweite Abteilung.

gebrachten Übergabe und der auf dem Schein selber erfolgenden Beurkundung derselben zu formalen Entstehungsakten eines Vertrages jener Kategorie. Da d i e s e r Gedanke in Wahrheit in Italien ganz neu ist, so versteht sich von selbst, daß der Versuch, ihn in der bisherigen Literatur und Rechtsprechung nachzuweisen, zu einem ziemlich gewaltsamen Verfahren führt. Doch ist nicht zu verkennen, daß sich die Erörterungen bei R o v i t u s (denen M o n t a n u s hier nichts hinzufügt) bemühen, die Autoritäten für das neue Recht möglichst auf Gebieten zu suchen, welche wenigstens wirtschaftlich dem hier behandelten Verkehrsinstitut verwandt sind. Dies gilt besonders von dem Hinweise auf das Recht der Inhaberklausel. Dieser Hinweis soll im wesentlichen nur besagen, daß die kaufmännischen Verpflichtungsscheine auf Inhaber demselben Verkehrszwecke dienen, wie die Bankbillets, denn daß die juristische Auffassung der Inhaberklausel in den bei Rovitus zitierten Erörterungen eine ganz andere ist als die in der Entscheidung der magna Curia vertretene Konstruktion der cedula bancaria, konnte natürlich diesen Juristen nicht entgehen. W i r dürfen aber wohl in jener Bezugnahme noch weiter eine Andeutung dafür finden, daß auch das Recht der Inhaberklausel den Juristen dieser Zeit so zu erscheinen beginnt, wie bei Rovitus das Recht der fides konstruiert wird und daß die Wandlung, welche sich bei Nicolaus de Passeribus und Monachus in der Auffassung der Inhaberklausel ankündigte, zu derjenigen Rechtsanschauung zu führen begann, welche wir in Neapel bezüglich der fides feststellen können. Die übrigen Versuche unserer Juristen, ihre neuen Rechtssätze an ältere Autoritäten anzulehnen, sind allerdings wenig g l ü c k l i c h 1 und es ist daher nur eine richtige Erkenntnis 1

F o l l e r i u s i n seiner P r a x i s censualis § I n s t r u m e n t a gratiae N r . 47 sagt n u r , daß das Bekenntnis eines zuverlässigen Bankiers dieselbe B e w e i s k r a f t habe wie ein a p u d acta abgelegtes Geständnis; die E n t s c h e i d u n g bei A f f l i c t u s N r . 135 u n d das consilium N r . 114 lb. V I des A l e x a n d e r T a r t a g n u s behandeln ganz spezielle F ä l l e v o n V e r t r ä g e n zugunsten u n b e s t i m m t e r Personen. Bei A f f l i c t u s w i r d

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Das Indossament.

der Sachlage, wenn M o n t a n u s schließlich, alle diese Anknüpfungen verschmähend, das neue Recht einfach aus der persona Regis, dem Willen des Gesetzgebers, herleitet. Die neuen Rechtsprinzipien, welche die niederländische Jurisprudenz für die Inhaberklausel und die neapolitanische Jurisprudenz für die Girata der fides bancaria entwickelt haben, sind diejenigen, unter welche auch die hervortretendsten Vertreter der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts das Recht der Ordreklausel subsumieren. Die Auffassung der Ordreklausel als einer delegatio war die früher vielfach vertretene und die Kategorie des \ 7 ertrages „in beneficium eius cuicumque fuisset fides girata" ist diejenige, welche die jetzt herrschende D o k t r i n , insbesondere B r u n n e r als Vertrag über Leistung an Dritte formuliert. Unsere vorstehenden Erörterungen zeigen, daß die neuen Sätze des Urkundenrechts ins Leben treten, nicht als ein Sonderrecht bestimmter Urkundenklauseln, sondern als ein Sonderrecht bestimmter wirtschaftlicher Institutionen. Die Inhaberklauseln und ein Sonderrecht der Inhaberklauseln existierten lange, ehe die antwerpener Jurisprudenz den Satz entwickelte, daß die Übergabe eines Inhaberschuldscheines ein nach den Grundsätzen der Eigentumsübertragung an körperlichen Sachen zu beurteilender A k t der Forderungsübertragung sei, welchen A k t dann der Gerichtsgebrauch von Amsterdam als Delegation konstruierte. Was diesen Rechtssatz hervorbrachte, war nicht eine bessere Einsicht in die Natur der Inhaberklausel, sondern die Anforderungen neuer einem M o n o p o l i n h a b e r , zu dessen Gunsten ein A u s f u h r v e r b o t erlassen war, ein Recht, die i n diesem V e r b o t angedrohte Strafe von den Ü b e r t r e t e r n d u r c h K l a g e einzufordern, beigelegt m i t der B e g r ü n d u n g , die Strafandrohung w i r k e wie ein zu den A k t e n oder v o r dem N o t a r abgelegtes Versprechen zugunsten eines j e d e n Interessenten, u n d bei T a r t a g n u s w i r d ein A n s p r u c h gegen denjenigen, der bei Gericht allen denen, die sich als Gläubiger einer bestimmten Person l e g i t i mieren würden, Befriedigung versprochen hatte, sämtlichen Gläubigern gegeben, indem die vorbezeichnete E r k l ä r u n g als ein vor dem R i c h t e r geschlossener V e r t r a g m i t einer unbestimmten V i e l h e i t von Personen angesehen w i r d .

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Zweite Abteilung.

Verkehrsformen. Die Technik des Verkehrs in Antwerpen, welche einen Rechtszustand erheischte, der den neu aufgekommenen Handel mit Inhaberschuldscheinen ermöglichen k o n n t e 1 , ist es, welche das Problem aufgab, als dessen Lösung die Statutargesetzgebung und Judicatur Antwerpens und Amsterdams erscheint. Ebenso ist das Rechtsinstitut, welches die neapolitanischen Praktiker entwickeln, nicht das Resultat eines besseren Eindringens in die juristische Natur der Klausel „della quale potrà disponere a suo piacere con restituzione della presente", es ist vielmehr dieser Klausel ziemlich gewaltsam untergelegt 2 , sondern ein Resultat der am Ende des 16. und im Anfange des 17. Jahrhunderts sich vollziehenden Umgestaltung des Bankwesens, einer Umgestaltung, welche ihren prägnanten Ausdruck in der Gründung von Staatsbanken findet, und welche die Zwecke verfolgt, das Bankwesen in den Dienst der Regulierung des Geld- und Zahlungsverkehrs zu stellen. Diesen Zwecken verdankt das neue Recht der seit Jahrhunderten bestehenden Bankschuldscheine seine Ausbildung; weil diese Scheine bestimmt sind, neben oder an die Stelle des Bargeldes zu treten, so entsteht die Notwendigkeit, ihre juristische Natur dieser ihrer neuen Funktion entsprechend zu gestalten. Die Lösung dieser Aufgabe, das neue Recht zu gestalten, liegt sowohl in den Niederlanden wie in Italien durchaus in den Händen der Juristen und erfolgt durchaus mit den Mitteln juristischer Technik. Der \ r erkehr liefert als Grundlage nur die äußere Form seiner Einrichtungen; den Rechtsgehalt, mit welchem diese Formen erfüllt werden, entnehmen die Juristen dem bereits vorhandenen Bestand von Rechtsbegriffen. I n den Kategorien der sachenrechtlichen Tradition, der Zession, der Delegation, des Vertrages zugunsten einer 1

V g l . h i e r ü b e r E h r e n b e r g , Z e i t a l t e r der Fugger Bd. 2 S. 139fgg. D i e K l a u s e l h a t u r s p r ü n g l i c h gar keinen anderen spezifisch j u r i s t i s c h e n I n h a l t als den, die R ü c k g a b e der fides bei R ü c k z a h l u n g des D e p o s i t u m zu vereinbaren. 2

Das Indossament.

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incerta persona, Kategorien, welche sämtlich mit einem festbestimmten Inhalt im Besitz der juristischen Theorie waren, erschöpft sich völlig der juristische Inhalt des Rechts des Inhaberpapieres und der Girata des Bankscheines; ein spezifisch juristischer Satz des Verkehrs, welcher von den Juristen rezipiert würde, ist nicht nachweisbar. I n der verschiedenen A r t , wie die Niederländer und Italiener die ihnen vorliegenden Probleme lösen, spiegelt sich die verschiedene A r t der niederländischen und italienischen Rechtsentwicklung jener Zeiten wieder. Für die Niederländer ist (obwohl ihnen die mittelalterliche Literatur des römischen Rechtes keineswegs unbekannt ist) seit der zweiten Hälfte des 1(5. Jahrhunderts die reine Lehre des römischen Rechtes die Norm des juristischen Denkens, daher greifen sie zu den Kategorien der Tradition, Zession, Delegation auch da, wo das Recht, welches sie unter diese Kategorien einordnen, germanisch oder statutarrechtlich modifiziert ist. I n der italienischen Jurisprudenz dagegen herrscht in ununterbrochener Kontinuität das romanische Recht, welches die mittelalterlichen Juristen aus den römischen Quellen und den Lebensverhältnissen ihrer Zeit entwickelt haben, B a r t o l u s , B a l d u s , A l e x a n d e r und J a s o n (mag auch ihre juristische Kunst neben cler virtuosen Gewandtheit ihrer Nachfolger plump und ärmlich erscheinen) sind noch lebendige Mächte, und die Begriffe, die sie herausgearbeitet haben, sind lebendiger Besitz. Es wird sich nicht leugnen lassen, daß für die Lösung von Problemen, welche die Verkehrsentwicklung der Rechtsbildung stellt, die so gestaltete italienische Jurisprudenz die günstigeren Vorbedingungen bot, und daß die Lösung, welche sie gefunden hat, die bessere ist.

§ IL

Das Indossament der lettera di cambio.

Die ältesten literae clausae über Geldremittierungsgeschäfte (cambia) zeigen in bezug auf die Übertragbarkeit der in ihnen beurkundeten Rechtsverhältnisse keinerlei juristische Besonderheit.

Zweite Abteilung.

Fast sämtliche der in den Schuldurkunden jener Zeit gebräuchlichen Rechtsnachfolge- und Vertretungsklauseln finden sich auch in ihnen vor. Die mit der litera patens combinierten literae clausae des Kaisers Friedrich I I . haben der litera patens auch die Klausel „sive certum nuntium vel procuratorem" entlehnt, und enthalten diese Klausel sowohl i m enuntiativen Schuldversprechen, als auch in der an dieses sich anschließenden Anweisung 1 . Ebenso haben die ohne litera patens erscheinenden literae clausae der Kaiserin Maria die „Inhaberordreklausel" „à celi Escot ou à son comandement, qui ces lettres portera" sowohl im Schuldschein, als auch in der Anweisung; in der von H o l t i us veröffentlichten litera clausa der Margarethe von Flandern findet sich die Inhaberklausel „ u a celui k i ces présentes lettres vous délivrera" in der Anweisung, und die in der Correspondenz des R e i n c k e M o r n e w e c h vorkommende litera clausa, welche von einer litera patens begleitet ist, enthält gleichfalls in der Anweisung die Clausel „ipsis vel eorum alteri aut ipsorum seu unius eorum mandato". Wie sich die Veräußerung der in solchen literae clausae beurkundeten Rechte im Verkehr vollzog, ersehen wir aus den genuesischen Notariatsakten über die Veräußerung der von Ludwig dem Heiligen an genuesische Kaufleute ausgestellten literae clausae und literae patentes. Bei Veräußerung der in diesen Urkunden verbrieften Forderungen wird gegenüber dem Schuldner, also dem Könige von Frankreich, dem Forderungserwerber die Realisierung der Forderung in der Weise ermöglicht, daß der ursprüngliche Gläubiger die beiden Schuldurkunden (litera patens und litera clausa) dem Forderungserwerber übergibt und außerdem noch eine Vollmacht zur Einziehung der in diesen Urkunden verbrieften Forderung ausstellt 2 . Diese Voll1

V g l . T e i l I S. 35 fgg. Das Schema dieser V o l l m a c h t e n ist folgendes: „ E g o . . . facio constituo et ordino . . . meos procuratores et certos nuncios ad p e t e n d u m . . . et ad o m n i a et singula facienda, que i n p r e d i c t i s et circa ipsa expedierint facere et que per me ipsum fieri possent . . 2

Das Indossament.

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machten, in welchen der Bevollmächtigte zum procurator und nuncius, zum gerichtlichen und außergerichtlichen Vertreter bestellt wird, lauten nicht auf den Forderungserwerber selber, sondern auf andere Personen, meistens wohl Sozien oder Faktoren des eigentlichen Forderungserwerbers, was sich ersichtlich daraus erklärt, daß die Forderungserwerber selber nicht nach dem Zahlungsorte Paris zur Einziehung ihrer Forderungen zu reisen beabsichtigten, sondern die Realisierung ihren Beauftragten überließen. Getrennt von dieser Beurkundung, welche der Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Schuldner dienen soll, erfolgt die Beurkundung des Veräußerungsgeschäfts, der Vereinbarung zwischen dem ursprünglichen Gläubiger und dem Forderungserwerber. Diese Veräußerungsverträge werden von den beurkundenden Notaren juristisch als c a m b i a aufgefaßt; der Remittent des ursprünglichen Remittierungsvertrages verpflichtet sich, clie Summe, welche er seinerseits vom Könige zu fordern hat, am auswärtigen Zahlungsorte, in Paris, dem Forderungserwerber zu verschaffen und erhält dafür die Valuta. I n den uns vorliegenden Fällen zeigen diese Veräußerungsgeschäfte die tatsächliche Besonderheit, daß die Valuta nicht bar bezahlt, sondern kreditiert wird ; es findet daher die Beurkundung der aus einem solchen Geschäfte entstandenen Verbindlichkeiten in z w e i Urkunden statt; in der einen bekennt der Forderuugserwerber auf Grund des im Vorstehenden inhaltlich charakterisierten cambium die Urkunden über die Forderung, deren Veräußerung den Gegenstand des Geschäfts bildet, erhalten zu haben, sowie die Valuta schuldig geworden zu sein und verspricht Zahlung dieser V a l u t a 1 ; in der zweiten erklärt der Forderungsver1 V g l . statt aller B e l g r a n o N r . 55 vom 10. J u n i 1253: „ N o s . . . nostro nomine et sociorum n o s t r o r u m . . . confitemur t i b i . . . nos recepisse et habuisse a te i n s t r u m e n t a d u o , u n u m clausum et a l i u m a p e r t u m , sigillo d o m i n i regis franciae s i g i l l a t a i n quibus c o n t i n e t u r , q u o d dominus rex franciae confessus f u i t . . . pro quibus l i b r i s ducentis

Zweite Abteilung.

äußerer, daß er, wenn die Einlösung der übergebenen Urkunden nicht erfolge, seinerseits auch die Forderung auf Zahlung der kreditierten Valuta nicht geltend machen und die über dieselbe ausgestellte Schuldurkunde zurückgeben werde, sofern ihm die nicht honorierten literae patentes und clausae unversehrt zurückgestellt würden 1 . Das juristisch Bezeichnende des hier beurkundeten Veräußerungsmodus besteht darin, daß er lediglich in das Veräußerungsgeschäft (das cambium) einerseits und die Bevollmächtigung der Vertreter des Rechtserwerbers andererseits zerfällt; eine Singularsukzession in die veräußerte Forderung, eine Zession im Sinne des modernen gemeinen Rechts, findet nicht statt, sondern der Forderungserwerber bzw. seine Vertreter erscheinen nach außen hin lediglich als Bevollmächtigte, nicht aber als Rechtsnachfolger des ursprünglichen Gläubigers. I n der italienischen lettera di pagamento di cambio, in der Tratte, fehlt, sofern in ihr die vier Personen genannt werden, welche bei der Ausführung einer Geldremittierung nach auswärts in Tätigkeit treten, jede Rechtsnachfolge-oder Vertretungsklausel. Diese Erscheinung hat aber nicht etwa, q u i n q u a g i n t a T u r o n e n s i b u s c o n t i n e n t i b u s i n ipsis literis nomine c a m b i i quisque nostrum i n s o l i d u m dare et solvere p r o m i t t i m u s lb . . 1 S t a t t a l l e r vgl. B e l g r a n ο N r . 54 vom 10. J u l i 1253: „ E g o . . . confiteor vobis . . . q u i a me confessi fuistis accepisse et habuisse duo i n s t r u m e n t a . . . unde ex pacto i n t e r me et vos a d h i b i t o in hoc presenti c o n t r a c t u p r o m i t t o et convenio v o b i s , si dictas libras ducentas q u i n q u a g i n t a turonenses vos vel n u n c i i vestri non habueritis a nunciis d o m i n i regis franciae, . . . quod tunc i n s t r u m e n t u m , quod habeo contra vos de p r e d i c t i s l i b r i s trecentis sexaginta q u a t t u o r , . . . quas m i h i per c a m b i u m dare p r o m i s i s t i s , . . . vobis reddam et r e s t i t u a m ad cassandum seu i p s u m cassari faciam i n v o l u n t a t e v e s t r a , vobis m i h i r e s t i t u e n t i b u s et dantibus dieta i n s t r u m e n t a d o m i n i regis franciae s i g i l l a t a u n u m clausuni et a l i u d a p e r t u m sana cum sigillis et sine a l i q u a dampnatione et eodem modo et f o r m a , quo vel quibus erant tempore, quo ea vobis t r a d i d i , et a l i t e r d i c t o r u m instrumentorum (sic !) cassari n o n tenear . .

Das Indossament.

11

wie Goldschmidt 1 meint, darin ihren Grund, daß sich die älteste Tratte an den „domizilierten Eigenwechsel" anlehnt, denn gerade diejenigen ältesten literae clausae, welche wirklich in Verbindung mit einem Schuldschein erscheinen, enthalten genau dieselben Rechtsnachfolge- oder Vertreterklausein wie cler Schuldschein selber. Das Fehlen aller dieser Klauseln in der Tratte hat vielmehr seinen Grund darin, daß die Tratte mit vier Per* sonen kraft ihrer urkundlichen Form und gemäß ihrer wirtschaftlichen Funktion zu einer Übertragung der in ihr beurkundeten Rechte nur sehr unvollkommen geeignet und auch nur in sehr beschränktem Maße bestimmt ist. Denn bei dieser A r t der Beurkundung eines Remittierungsgeschäfts, eines cambium, fällt die Ausübung der Rechte aus dem cambium, zu dessen Realisierung die Tratte dienen soll, auseinander auf zwei Personen, nämlich denjenigen, welcher in der Tratte als Remittent und denjenigen, welcher als Präsentant erscheint. Von diesen Personen h a t , wie oben 2 dargelegt, der Präsentant in Ermangelung besonderer aus der Tratte selber nicht zu entnehmender Umstände nur die Rechtsstellung eines mit der Einziehung der beurkundeten · Forderung beauftragten Anweisungsempfängers, d. h. nur das Recht die zur Einkassierung der Remittierungssumme geeigneten Schritte zu tun und das Ausbleiben der Zahlung durch eine notarielle Urkunde (Protest) feststellen zu lassen. Nur diese Rechte könnte er also an andere übertragen. Nach dem Akzept freilich kann er den Anspruch gegen den Akzeptanten, welchen Anspruch er durch das ihm im Akzept geleistete Zahlungsversprechen erworben hat, weiterzedieren wie jede andere Forderung, aber diese Forderung steht ihm eben bei Ausstellung der Tratte noch gar nicht zu, unci die Möglichkeit ihrer Übertragung kann natürlich vom Aussteller gar nicht in Erwägung gezogen werden. Außerdem pflegt bei der echten Geldrimesse das Akzept und die Zahlung 1 2

Universalgeschichte des Handelsrechts I S. 448. T e i l I S. 85 fgg.

Zweite Abteilung.

ziemlich nahe zusammenzufallen, so daß schon praktisch wenig Gelegenheit zu einer Veräußerung der Forderung des Präsentanten gegeben ist. Der Remittent aber hat die Einräumung seines Rechts auf Erfüllung des cambium an einen anderen praktisch eben dadurch vollzogen, daß er den Präsentanten mit der Einziehung der Forderung beauftragt h a t , für ihn kann praktisch als ein auf einen Rechtsnachfolger übertragbares Recht nur noch die Regreßforderung in Betracht kommen, die ihm gegen den Aussteller zusteht, falls die Anweisung der Tratte nicht honoriert wird. Ein solches Recht abzutreten, ist aber ein so fernliegender Gedanke, daß er wohl einem Kautelarjuristen nicht aber einem Kaufmann kommen wird, der doch auf die Einlösung seiner Tratten rechnet. Die Tratte mit vier Personen ist daher zwar eine ungemein zweckmäßig erdachte Einrichtung für die reguläre Gestalt des mittelalterlichen italienischen Geldremittierungsgeschäfts, welches sich unter M i t w i r k u n g von zwei Bankiers vollzieht, aber gerade weil sie für diesen speziellen Zweck völlig zugeschnitten ist, ist sie zum Instrument der Forderungsübertragung fast unbrauchbar. Anders verhält es sich mit denjenigen Fällen der Verbindung von Schuldschein und Anweisung (lettera di pagamento), in welchen der Präsentant fehlt. Als solche Anwendungsfälle lernten wir kennen die Darlehensverträge von Fürsten und Magnaten, welche zur Realisierung der Schuldforderung ihre Kassenverwalter oder sonstigen Depositare anweisen, und aus dem Gebiete des Handelsverkehrs diejenige Form der Geldremittierung nach auswärts, bei welcher der Remittent selber das Geld am Bestimmungsorte erheben w i l l ; hinzuzufügen ist noch der Hinweis auf diejenigen Fälle, in welchen irgendein beliebiger Schuldvertrag beurkundet w i r d , zu dessen Realisierung der Schuldner seinen Bankier anweist; z. B. Schecks mit Valutaklausel. An derartige Fälle und nicht an die Tratte mit vier Personen knüpft denn auch die Entwicklung des Indossaments an.

Das Indossament.

1

U m die juristischen Gedanken zu entwickeln, auf welchen die bis jetzt bekannte älteste Anwendung des Indossaments, die italienische Girata des ausgehenden 16. und des beginnenden 17. Jahrhunderts, beruht, empfiehlt es sich bei der Beschaffenheit des Quellenmaterials, nicht vorab die ersten Spuren dieser Institution, sondern die vollentwickelte Girata der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ins Auge zu fassen. Die italienische Girata dieser Zeit ist nicht ein einheitliches Rechtsinstitut. Der Ausdruck „girare" kann in seiner allgemeinsten Anwendung jede A r t der Weiterübertragung einer Berechtigung bezeichnen; in seiner Anwendung bei beurkundeten Rechten ist „girata" der Name für eine lediglich durch die ä u ß e r e F o r m bestimmte A r t der Übertragung (diesen Ausdruck für die Einräumung irgend einer Befugnis zur Ausübung des beurkundeten Rechts genommen), nämlich für eine Übertragung mittels einer am Fuße der Urkunde erfolgenden, regelmäßig in die Form einer Anweisung gekleideten schriftlichen E r k l ä r u n g 1 . Der juristische Inhalt dieser Erklärungen ist verschieden und fällt nicht unter einen gemeinsamen Rechtsbegriff. Durch eine Girata kann ein einfaches Mandat zur Ein1 Diese F o r m ergibt sich ganz zwanglos aus der M ö g l i c h k e i t einer V e r w e n d u n g des Platzes unter oder a u f der Rückseite der U r k u n d e zu E r k l ä r u n g e n , die a u f den I n h a l t der U r k u n d e Bezug haben. E s findet sich daher zu allen Z e i t e n der P l a t z unter oder a u f der R ü c k seite der U r k u n d e zu a l l e r l e i N o t i z e n verwendet. Z u s ä t z l i c h zu den Nachweisen, welche B r u n n e r ( I n h a b e r p a p i e r S. 87), G o l d s c h m i d t (Universalgeschichte I S. 449) u n d S c h a p s (Wechselindossament S. 81 u n d 82) gegeben haben, sei hingewiesen auf den Schuldschein von 57 v. Chr. i n dem O x y r r h y n c h u s P a p y r i I I N r . 279, welcher n i c h t n u r die „ I n h a b e r k l a u s e l " , sondern auch eine „ a n t i k e G i r a t a " e n t h ä l t (vgl. über die Bedeutung beider meine W e r t p a p i e r e 3. A b s c h n i t t § 4 ) , a u f die der Veräußerungsurkunde angehängten Ü b e r t r a g u n g s n o t i z e n i n a l t englischen G r u n d e r w e r b s u r k u n d e n ( B r u n n e r , U r k u n d e S. 172); eine Sitte, welche sich auch in I t a l i e n findet (Galletti Primicero della santa sede S. 299, U r k u n d e von 1136): „ v e l cui tu, u t i n f r a η ο t a b i t u r , largire et concedere v o l u e r i s " .

4

Zweite Abteilung.

Ziehung der beurkundeten Forderung erteilt sein; dies ist der F a l l , wenn sie ohne weiteren Zusatz einfach lautet „e per noi pagate a . . ." Ein solches Mandat in Anweisungsform kann neben dem Einkassierungsauftrage auch noch das Recht oder die Pflicht zur Protesterhebung oder Notifikation oder zu sonstigen Handlungen begründen. Diese A r t der Girata interessiert hier nicht. Ganz andere (unter sich wieder verschiedene) Rechtsinstitute liegen derjenigen Girata zugrunde, welche sich äußerlich dadurch charakterisiert, daß der Zahlungsaufforderung eine Valutaklausel angefügt ist, und welche im folgenden als Vollgirata bezeichnet werden soll. I n dieser Verbindung von Anweisung und Valutaklausel entspricht diese Vollgirata äußerlich durchaus der Formulierung der Tratte, an welche sie sich anschließt, sie stellt sich dar als eine neue Tratte, in welcher das Objekt der Verfügung dasjenige Recht bildet, welches der Girant auf Grund der ursprünglichen Tratte erw rorben hat. Und dieser äußeren Form der Vollgirata entspricht auch ihr juristischer Inhalt. Dieser juristische Inhalt ist genau derjenige, welchen die Tratte selber ausprägt-, wie die Tratte, so ist auch die Vollgirata eine Verbindung von Schuldschein und Anweisung. Der Schuldschein ist wie in der Tratte in die Form einer enuntiativen Mitteilung des Giranten an den Angewiesenen gekleidet und beschränkt sich wie in der Tratte meistens darauf, den der Anweisung zugrunde liegenden Schuldvertrag in der Weise anzudeuten, daß erklärt wird, der Girant habe die Valuta empfangen oder er habe sie kreditiert oder die Parteien hätten sich über die Valuta verständigt. Dieser Schuldvertrag zwischen dem Giranten und Giratar kann natürlich den verschiedensten Inhalt haben, vielfach wird er ein Geldremittierungsvertrag nach auswärts (cambio) sein, der entweder allein steht oder zur Realisierung eines anderen Vertrages (Kauf, Darlehen usw.) dient; in anderen Fällen kann aber auch ein einfacher Forderungskauf vorliegen u. a. m.

Das Indossament.

1

Diese Funktion der Valutaklausel der Vollgirata wird von den italienischen Juristen häufig erörtert und anerkannt. Ex professo behandelt ist sie von C a s a r e g i s in seinem Discursus 51. E r bespricht hier die „quidditas giratae" und beantwortet z. B. die Frage „ad quam contractus speciem illa reducatur" für diejenige Girata, welche die Valutaklausel „per la valuta avuta" trägt, dahin „quod talis girata contineat implicite aliquem coutractum aut venditionis . . . aut cambii . . . juxta diversam casuum contingentiam". Der Inhalt dieses in der Valutaklausel andeutungsweise beurkundeten Vertrages ist es auch welcher, ganz wie bei der Valutaklausel der Tratte selber, die Regreßpflicht des Giranten gegenüber dem Giratar regelt, und insbesondere beantwortet sich aus der Fassung der Valutaklausel die Frage, ob der Giratar seine Verpflichtung aus diesem Vertrage erfüllt und die Valuta gezahlt hat oder ob ihm die Valuta kreditiert ist, so daß ihm, wenn er Regreß nehmen will, die exceptio non adimpleti contractus bzw. die exceptio non numeratae pecuniae entgegengehalten werden können. Das Objekt dieses in der Valutaklausel beurkundeten Vertrages zwischen dem Giranten und dem Giratar ist, wie schon oben angedeutet, dasjenige Recht, welches der Girant aus dem in der Tratte beurkundeten Vertrage erworben h a t ; dieses Gläubigerrecht ist es, welches veräußert wird. Für die Regreßpflicht des Giranten würde dieser Sachverhalt, wenn das reine römische Recht zur Anwendung käme, die Konsequenz ergeben, daß, wrenn das Veräußerungsgeschäft sich als ein Forderungskauf charakterisiert (und unter die Kategorie eines Forderungskaufes ließe sich möglicherweise jede gegen ein Äquivalent in Geld erfolgende Forderungsveräußerung bringen), der Girant nur für das Bestehen der veräußerten Forderung, nicht aber für ihren Eingang haften würde. In diesem Punkte aber ist das römische Recht abgeändert durch den italienischen Handelsbrauch des 17. Jahrhunderts, nach welchem „intelligi debet tacito quidem pacto

Zweite Abteilung.

promissam fuisse per girantem bonitatem ac exigibilitatem de facto nominis v e n d i t i " 1 . Insofern die Girata eine Verbindung von Veräußerungsvertrag und Anweisung darstellt, reproduziert sie in Form einer Erklärung auf der ursprünglichen Wechselurkunde den juristischen Inhalt derjenigen Urkunden, welche, wie wir oben sahen, im Mittelalter einzeln und von der litera clausa getrennt der Beurkundung einer Veräußerung des in der litera clausa und litera patens enthaltenen Geldremittierungsvertrages dienten. Die Valutaklausel entspricht den beiden Veräußerungsurkunden, welche die genuesischen Kaufleute bei Weiterübertragung der ihnen gegen den König von Frankreich zustehenden Ansprüche ausstellen, und das Zusammenschrumpfen dieser Veräußerungsurkunden zu einer einfachen Valutaklausel findet sein Gegenstück in dein analogen Vorgange des Zusammenschrumpfens der enuntiativen Stipulationsurkunde der litera clausa zur Valutaklausel der lettera di pagamento. Die Anweisung der Girata aber entspricht der Vollmacht, durch welche den Beauftragten der genuesischen Kaufleute dem Schuldner bzw. seinen Vertretern gegenüber die Einziehung der veräußerten Forderung ermöglicht wurde. Auch für die Girata ist wie für die mittelalterlichen Veräußerungsmodalitäten der Umstand bezeichnend, daß eine Cession, eine Forderungsabtretung, nicht erfolgt; auch in der Girata vollzieht sich die Forderungsübertragung dadurch, daß der Forderungserwerber nach außen lediglich als Bevollmächtigter des Veräußerers erscheint; die Anweisung an den Trassaten, dem Giratar zu zahlen, enthält die stillschweigend erteilte Bevollmächtigung des Giratars, die Zahlung in Empfang zu nehmen, welche der Angewiesene, der Trassat, als Erfüllungsvertreter des Trassanten leistet. Durch die Verbindung dieser Bevollmächtigung mit der Beurkundung des Veräußerungsvertrages in der Valuta1

Casaregis indossament S. 112.

Disc.

51 N r .

9

zitiert

bei

Schaps,

Wechsel-

Das Indossament.

1

klausel wird klargestellt, daß der Giratar den in der Anweisung enthaltenen Einkassierungsauftrag in seinem eigenen Interesse unci nicht im Interesse des Giranten geltend macht; es entspricht also der Inhalt der Girata ganz genau dem Tatbestande des antiken Mandats in rem mandatarii, und es ergibt sich daher bei Anwendung des römischen Rechtes auf den uns hier beschäftigenden Tatbestand cler einfachen Vollgirata ganz von selbst clie Einordnung der Rechtsstellung des Giratars in die eines mandatarius in rem suam. Als einen solchen Mandatar betrachten den Giratar denn auch wirklich die ältesten italienischen Schriftsteller, welche das Recht der einfachen Vollgirata erörtern. Hierher gehört zunächst J o h a n n e s L a g a n a r i us in seinen 1649 zuerst erschienenen Anmerkungen zum Pragmatikakommentar des R o v i t u s 1 . E r bespricht zur Pragmatika 63 die Girata der gewöhnlichen apoca Banci, um festzustellen," ob die Geltendmachung einer solchen apoca im Exekutivprozeß, welche dem ersten Gläubiger statutarrechtlich ausdrücklich verstattet ist, auch dem Giratar zustehe. L a g a n a r i u s erklärt ausdrücklich, daß der Girant einer solchen apoca ungeachtet der Girata durchaus nicht gehindert sei, das Recht aus der apoca gegen den Schuldner geltend zu machen, und daß der Giratar ihn erst ausschließt, sofern „intervenit unum cle tribus illis contentis in 1. 3 C. cle novat", d. h. „antequam Iis contestetur vel aliquid ex debito accipiat vel debitori . . . clenuntiaverit". Erst von diesem Zeitpunkt ab erlangt cler Giratar, der, wie L a g a n a r i u s ausführt, „vigore cessionis seu giratae" zum „procurator in rem propriam" bestellt ist, clie Rechtsstellung eines einfachen Cessionars, dem selbstverständlich alle Einreden entgegenstehen, welche gegen den Zedenten, den Giranten, zulässig sind 2 . Unter diesen 1 Benutzt habe ich die Ausgabe N e a p o l i 1718: L u c u l e n t a commentarla in singulas regni N e a p o l i t a n i Pragmaticas, autore Scipione Rovito . . . accesserunt aureae A d d i t i o n e s Jo. L a g a n a r i i . 2 I m Anschluß an L a g a n a r i u s hat nach dem B e r i c h t des C a s a r e g i s ein gewisser S c h e t t i n u s i n einem W e r k e de n o v a t i o n i b u s

Zweite Abteilung.

Einreden sind die praktisch wichtigsten diejenigen, welche sich aus der Valutaklausel ergeben, sofern diese Klausel anzeigt, daß der oder die Rechtsvorgänger des Giranten die Verpflichtungen aus dem Veräußerungsvertrage nicht erfüllt, insbesondere die Valuta noch nicht gezahlt haben. Daß alle diese Einreden, die dem Giranten entgegenstanden, auch demjenigen Giratar gegenüber zulässig sind, welcher sein Recht auf die hier uns beschäftigende einfache Vollgirata gründet, ist denn auch die einhellige Meinung aller italienischen Juristen, wofür auf die Ausführungen des C a s a r e g i s im dritten Kapitel seines „Cambista istruito" besonders unter Nr. 99 fgg. verwiesen sein möge. Ebensowenig wie materiellrechtlich ist die im Vorstehenden erörterte einfache Vollgirata formellrechtlich ein besonderes Rechtsinstitut. Derjenige Rechtseffekt, welcher durch die Anbringung eines Vollgiros auf der ursprünglichen Urkunde erreicht wird, könnte auch dadurch erreicht werden, daß die einzelnen juristischen Bestandteile dieses Giro einzeln und für sich allein beurkundet würden, ja er könnte auch dadurch erreicht werden, daß einzelne oder (was freilich praktisch kaum vorkommen würde) alle diese einzelnen Rechtsgeschäfte durch mündliche Beredung zustande kämen. E i n ganz anderes Rechtsinstitut als das bisher betrachtete ist die Vollgirata in denjenigen Fällen, in welchen kraft einer besonderen Klausel derjenigen Urkunde, an welche sich die Girata anschließt, die Einräumung des in dieser Urkunde beurkundeten Rechts an D r i t t e mit anderen Rechtswirkungen als durch Bestellung eines einfachen Zessionars oder Beauftragten zulässig ist. Hierher gehört z. B. die oben im § 10 besprochene cedula bancaria mit der Klausel „dei quali potrà disponere a suo piacere con restituzione della presente", welche Klausel es ermöglicht, dem dritten Erwerber durch Übergabe der girierten cedula die Rechtsstellung des Gläubigers aus einem Vertrage über diese Girata wesentlich i m Sinne seines Vorgängers b e h a n d e l t ; m i r w a r das W e r k des S c h e t t i n i ! s n i c h t zugänglich.

1

Das Indossament.

Leistungen an Dritte zu verleihen, hierher gehört aber ferner auch vor allem diejenige Urkunde, in welcher das Gläubigerrecht eingeräumt wird „all ordine" des Berechtigten, die Urform der modernen Ordreurkunde. Auch für diejenige Girata, welche sich an derartige Urkunden anschließt, bewahrheitet sich der Satz, daß die Girata als solche lediglich eine bestimmte äußere Form nicht aber der Ausdruck eines bestimmten Rechtsinstituts ist. Denn die Rechtswirkungen der Girata in diesen Fällen bestimmen sich nicht etwa aus einer juristischen Besonderheit der Girata, sondern lediglich aus der besonderen juristischen Natur der Klauseln der Haupturkunde, an welche sich die Girata anschließt. Auch die juristische Natur der Girata, welche sich an eine Urkunde mit Ordreklausel anschließt, cler Ordregirata, bestimmt sich durch die Rechtsnatur der Ordreklausel. Die ganz regelmäßige Form dieser Klausel in den wirklichen italienischen Urkunden, insbesondere in den Tratten des 17. Jahrhunderts, ist die, daß der Trassat aufgefordert w i r d , nicht an eine benannte Person, insbesondere nicht an den Remittenten als solchen, zu zahlen, sondern „an die Ordre" des Remittenten; als Kontrahent wird der Remittent nicht in der Zahlungsanweisung genannt, sondern nur durch die Valutaklausel der Tratte angedeutet. Die grundlegenden Entscheidungen, in welchen die Rechtsnatur einer in Gemäßheit dieser Ordreklausel erfolgenden Girata erörtert i s t , sind drei Urteile der römischen Rota vom 19. Juni 1690, vom 27. Februar 1692 und vom 26. Juni 1 6 9 3 \ die sämtlich denselben Rechtsfall betreifen; einen F a l l , über welchen auch A n s a l d u s , der die eine Partei beriet, in seinen Discursus 2 und 79 berichtet. Das Bankhaus Guidetti Erben hatte eine Tratte ausgestellt „all ordine senza procura di Marco Studendoli", die Valutaklausel lautete einfach „contici" (Wert in Rech1 Sacrae Rotae Romanae Decisiones . . . T h e a t r u m veritatis et j u s t i t i a e C a r d i n a l i s d e L u c a . . . complectentes. Venetiis 1734. L b . V Dec. 18, 19, 20.

F r e u n d t , Wechselrecht d. Postgl.

II.

9

3

Zweite Abteilung.

nung) 1 . Studendoli sandte diesen Wechsel mit einem Blankog i r o 2 an die Firma Zagnoni. Diese füllten das Blankogiro aus mit einer Vollgirata zugunsten des J. Fr. Davia, welcher ihnen die Valuta zahlte. Bei Verfall weigerte der Bezogene im Einverständniß mit den Ausstellern, den Erben Guidetti, dem Davia die Honorierung des Wechsels, weil der Remittent Studendoli, der, wie die Valutaklausel contici ergab, die Valuta noch nicht gezahlt hatte, inzwischen falliert war. Davia nahm Regreß gegen die Zagnoni. Diese befriedigten i h n , ließen sich den Wechsel aushändigen und außerdem noch „quatenus opus sit" eine Zession erteilen und erhoben nunmehr die Regreßklage gegen Guidetti Erben, welche der Klage u. a. die Einwendung entgegensetzten, daß die Valutaklausel „contici" ergebe, der Girant Studendoli schulde ihnen noch die Valuta. Einem solchen Einwände gegenüber beruft sich A n s a i d u s auf die Rechtsnatur der Klausel all' ordine; durch diese Klausel erlange der Remittent das Recht, frei über die im Wechsel verbrieften Rechte zu verfügen und die Zahlung zu Gunsten jeder beliebigen Person anzuordnen 8 . Das Gericht zog Gutachten über die Bedeutung der Ordreklausel von angesehenen Kaufleuten großer Wechselplätze ein. Dieselben besagten: „quod ilia verba a i r ordine s. p. praeseferunt quandam vim ac proprietatem , ut per scribentes data dicatur 1 C a s a r e g i s Disc. 51 N . 12 „ v e r b a c o n t a c i " , vel „ c o n t i i n noi . . ." l i c e t j u x t a veriorem opinionem numerationem pecuniae prae se ferant, verum quia per Actionem ea t a n t u m sequitur, . . . ideo in substantia e t i a m per haec verba fides de pretio inter mercatores h a b i t a videtur . . 2 „ c u m subscriptione ipsius Studendoli relieto spatio sufficienti i n albo ad finem i l l u d replendi pro ea girata . . . " A n s a l d u s Disc. 2

Ν. 81. Disc. L X X I X Ν . 17: duo v i d e b a n t u r sub praefata formula l o q u e n d i i n c l u d i m a n d a t a , u n u m n i m i r u m expresse directum Germano (dem Trassaten) de solvendo i l i i , cui o r d i n a r e t Studendolus, et alterum tribuens facultatem eidem Studendolo c o n t r a c t a n d i super l i t e r i s sibi transmissis, sive ad favorem alterius o r d i n a n d i solutionem i n gratiam ipsius S t u d e n d o l i . cf. auch Disc. I I Ν . 37—40.

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Das Indossament.

facultas ei, in cuius favorem literae scriptae sunt, non solum exigendi sumraam in eis contentam per se eiusque giratarium seu cessionarium, sed etiam super eis libere contrahendi cum aliis et cuicunque vellet dictas literas assignandi „„per ricapito"", ut vulgo d i c i t u r , sine revocabilitatis timore . . . " Darauf wurden die Aussteller in allen drei Instanzen verurteilt. Die Urteile heben nachdrücklich hervor, daß die in Gemäßheit der Ordreklausel mittels der Girata erfolgende Einräumung des Gläubigerrechtes keinerlei Rechtsnachfolgeverhältnis zwischen dem Giranten und dem Giratar begründe, und daß deshalb die Einreden gegen den Zedenten, welche ein gewöhnlicher Zessionar sich allerdings entgegenhalten lassen müsse, gegenüber dem Giratar auf Grund der Ordregirata nicht zulässig seien 1 . Die Zahlungsanweisung der Girata, welche allerdings „regulariter importât cessionem et 2 S u b r o g a t i o n e n ! giratarii in locum e t vicem girantis" , hat i n der Ordregirata nicht die Bedeutung der Bestellung eines Zessionars, sondern charakterisiert sich als eine (durch die Ordreklausel dem Remittenten vorbehaltene und eingeräumte) Benennung eines unmittelbaren Gegenkontrahenten des Trassanten 3 . Der in Gemäßheit dieser Klausel benannte Giratar t r i t t 1 1. c. X V I I I Ν . 6 : . . . quotiens l i t e r a e scriptae essent ad favorem S t u d e n d o l i et ab isto aliis g i r a t a e ; tunc . . . omnes exceptiones, quae c o n t r a ipsum o p p o n i possent, competerent etiam adversus cessionarios sive giratarios . . . a t n o n i n c a s u p r a e s e n t i , in quo dictae literae diverso modo conceptae l e g u n t u r et per haec verba praecisa „Pagate per questa p r i m a d i cambio a l l ' ordine senza p r o c u r a d i M . Studendoli . . 2 1. c. X I X N . 3. 3 1. c. X I X N. 3 : „ N i h i l o m i n u s quia i n eisdem l i t e r i s continebatur m a n d a t u m et facultas n o m i n a n d i alterum, d i c t a verba giratae (nämlich die A n w e i s u n g „e per me pagate . . .") u t concordent cum tenore l i t e r a r u m , r e s o l v u n t u r i n n o m i n a t i o n e m et adjecta d i c u n t u r i n adimplementum m a n d a t i ac i n executionem t r a c t a t u s i n t e r partes uniformiter h a b i t i . . .

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zu dem Aussteller in derselben Weise in ein unmittelbares Rechtsverhältnis, als ob er von Anfang an mit diesem kontrahiert h ä t t e 1 ; und der Girant, welcher gemäß der Ordreklausel durch die Anweisung in der Girata den Giratar zum Gegenkontrahenten des Ausstellers macht, handelt nach Auffassung der Rota als ein Prokurator des Ausstellers, als ein Mandatar, dem die Benennung des Berechtigten aufgetragen ist, unci der durch die Benennung das Mandat „konsumiert" und den Widerruf desselben abseiten des Ausstellers ausschließt. Das Kontrahieren all' ordine ist nach diesen Entscheidungen in materiellrechtlicher Hinsicht nichts anderes als das oben § 7 bei den Postglossatoren nachgewiesene Kontrahieren mit vorbehaltener Benennung des Gegenkontrahenten. Nicht der Versprechensempfänger als solcher, sondern derjenige, welcher in der „nominatio" dieses Versprechensempfängers bezeichnet wird, ist es, der in einen unmittelbaren Vertragsnexus zum Schuldner t r i t t . Die Girata in Gemäßheit der Ordreklausel enthält im Unterschied von der gewöhnlichen Girata in ihrer Zahlungsanweisung eine „nominatio" des Gegenkontrahenten; in der Valutaklausel dagegen, wie jede andere Girata , die andeutende Beurkundung desjenigen Rechtsverhältnisses zwischen Giranten unci Giratar, auf Grund dessen die „nominatio" erfolgt. Aus dieser Funktion der Girata erklärt es sich, daß der Giratar auch bei der Ordregirata Regreßrechte nicht nur gegen den Giranten selber, sondern auch gegen den Aussteller hat, obwohl die Girata keinerlei Abtretung solcher Rechte enthält. I n der juristischen Konstruktion dieses tatsächlichen Inhalts der Ordregirata sind meines Erachtens die drei Urteile 1 D i e Z a g n o n i , heißt es i n X X N r . 2 : „solvendo Studendolo summam i n l i t e r i s contentam secuti sunt fidem dictorum Haeredum (der E r b e n Guidetti) scribentium, quos sibi i t a obligatos efiici sciebant ex ordine d. Studendoli, ae si a p r i n c i p i o cum i l l i s et non cum Studendolo eorum Procuratore contraxissent . .

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cler Rota insofern nicht glücklich gewesen, als sie (geleitet durch das Bestreben, die Vorstellung, als ob der Ordregiratar ein Rechtsnachfolger des Giranten sei, möglichst entschieden zurückzuweisen) die Rechtsstellung des Giranten zu derjenigen eines Prokurators oder Mandatars des Trassanten herabzudrücken suchen. Man braucht, um die Unrichtigkeit dieser Auffassung deutlich zu machen, nur darauf hinzuweisen, daß ja der Girant (was besonders klar hervort r i t t , wenn man die Valutaklausel „per la valuta avuta" in Tratte und Girata unterstellt) einerseits gegen den Trassanten (seinen angeblichen Mandanten) Regreßansprüche geltend machen kann, wenn der Wechsel rückläufig w i r d , und daß er anderseits persönlich den Regreßansprüchen des Giratars ausgesetzt i s t , obwohl er angeblich denselben nur als Beauftragter des Trassanten zum Gegenkontrahenten des Trassanten bestellt haben soll. Glücklicher als die römische Rota hatten die Postglossatoren das hier vorliegende Rechtsverhältnis konstruiert, besonders P h i l i p p u s D e c i u s , der aus dem Vertrage mit vorbehaltener Benennung des Berechtigten zunächst den Kontrahenten selber das Gläubigerrecht „revocabiliter" erwerben ließ, um alsdann dieses Gläubigerrecht durch die \ r ollziehung der Benennung mit rückwirkender Kraft erlöschen zu lassen zugunsten des mit der Benennung ex tunc entstehenden Gläubigerrechts des Benannten. Die vorstehend besprochenen drei Urteile der römischen Rota und die Ausführungen des A n s a i d u s blieben nicht lange die einzigen Rechtsquellen über die Natur der Ordregirata ; dieselbe Rechtsfrage, welche in ihnen behandelt war, tauchte bald darauf in Florenz wieder auf, in einem Rechtsfalle, in welchem C a s a r e g i s für die eine Partei ein Gutachten erstattete. C a s a r e g i s verwirft in seinem als Discursus 48 gedruckten Gutachten mit Entschiedenheit das Resultat, zu dem die Rota und A n s a i d u s gelangt waren. Die Klausel all' ordine s. p. in der Tratte beurkundet auch nach seiner Auffassung allerdings einen Remittierungs-

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vertrag mit vorbehaltener Benennung 1 , immerhin aber einen Remi ttierungsvertrag, der lediglich zwischen dem Trassanten und Remittenten geschlossen sei (dessen Inhalt also auch lediglich durch diesen Vertragsabschluß festgestellt werde), woraus folge, daß der Remittent „girando cedendo aut melius, cui solvi velit, nominando" im e i g e n e n N a m e n die Benennung des Berechtigten vornimmt. Diesen Berechtigten faßt C a s a r e g i s hier wie in anderen vòn ihm zur Vergleichung herangezogenen Fällen als solutioni adiectus auf. Als solche anderen Fälle eines contractus nominationis nennt er zunächst zwei von ihm in früheren Diskursen behandelte Verträge, nämlich den häufig vorkommenden Fall des Versicherungsvertrages mit der Klausel nomine exclarando (per conto di chi spetta, für Rechnung wen es angeht) und den Fall eines Schuldscheines mit der Klausel „darle e pagarle a detta 111. Francesca ο sia a cui ordinerà", auf welche Klausel hin später in ganz singulärer Weise das ordinare vollzogen war, sodann aber ganz besonders den Fall des Kontrahierens auf den Inhaber der Urkunde mittels der Klausel „à chi presenterà i l presente scritto". I n den beiden Wechseln, aus welchen in dem streitigen Falle der Giratar den Aussteller in Anspruch nahm, lauteten nun die Valutaklauseln der Tratte „per la valuta contaci" und „per la valuta cambiata", beurkundeten also im ersten Falle, daß die Valuta in Rechnung gestellt und im zweiten, daß über sie ein Remittierungsvertrag geschlossen sei; in beiden Fällen ersah der Giratar aus dem Wechsel selber, daß die Valuta noch nicht in Bar entrichtet war. Wenn nun auch nach C a s a r e g i s die exceptio non numeratae pecuniae gegenüber einem wirklichen Empfangsbekenntnis durch kaufmännisches Gewohnheitsrecht ausgeschlossen ist·, so müssen doch hier, wo kein solches Bekenntnis vorliegt, diejenigen Einreden dem Giratar entgegenstehen, welche aus 1

Dise. 48 Ν . 16 ea verba (sc. e per me pagate) giratae considerata n a t u r a et veritate c o n t r a c t u s , resolvi debent i n nominationem, q u a m faciebat L a n f r a n c u s (der R e m i t t e n t ) de persona adiecti v i r t u t e eiusdein clausulae „ a l l ' ordine s. p. di Piero Lanfranco . .

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der Valutaklausel für ihn ersichtlich waren. Gegen die oben erwähnten kaufmännischen Gutachten, auf welche die römische Rota ihr abweichendes Urteil gegründet hatte, wendet unser Autor ein, daß die Kaufleute nur über den materiellen Inhalt ihrer Verträge, nicht aber über die hier zur Erörterungstehende juristische Konstruktion dieses Inhalts als Autorität gelten könnten 1 . I n allen bisherigen Argumentationen, sowohl in den Urteilen der Rota Romana als auch bei C a s a r e g i s , erscheint das Recht der Ordreklausel noch durchaus auf dem Entwicklungsstandpunkt des Rechtes des mittelalterlichen Kontraktes „pro eo quem declaravero". Die Benennung des Gegenkontrahenten in der Anweisung der Ordregirata ist keineswegs die notwendige Form der Entstehung des Gläubigerrechts des Benannten, sondern die Benennung könnte auch auf andere Weise erfolgen. Der Inhalt der Rechtsstellung des Benannten ferner ist nicht eine Folge eines in der Girierung sich vollziehenden urkundenrechtlichen Formalaktes der Gläubigerbestellung, sondern lediglich die Konsequenz der materiellrechtlichen Kontrahierungsform mit vorbehaltener Gläubigerbenennung. Gerade in dem Streitfalle, welchen die Rota entschied, t r i t t dieser Sachverhalt klar hervor. Die Klägerin, die Firma Zagnoni, stand überhaupt nicht auf dem Wechsel, sondern leitete ihr Gläubigerrecht als in Gemäßheit der Ordreklausel benannte Person aus der Tatsache her, daß der Remittent durch Übersendung der in blanko girierten Tratte an sie die Gläubigerbenennung vollzogen hatte, nicht aber dadurch, daß er sie in der Girata selber aufführte 2 . 1 M . E . ist diese K r i t i k des C a s a r e g i s durchaus b e r e c h t i g t , sowohl insofern er a u s f ü h r t , daß der R e m i t t e n t einer all' ordine gestellten T r a t t e nicht etwa als M a n d a t a r des T r a s s a n t e n , sondern i m eigenen Namen, als u r s p r ü n g l i c h e r R e m i t t e n t , die Benennung des neuen Gläubigers in der G i r a t a v o r n i m m t , als auch insofern, als er a u s f ü h r t , daß der G i r a t a r l e d i g l i c h i n denjenigen V e r t r a g e i n t r i t t , welcher zwischen dem Remittenten u n d Trassanten u r s p r ü n g l i c h geschlossen war. 2 F r e i l i c h e r w ä h n t der Tatbestand des ersten U r t e i l s der Rota, daß sich die Z a g n o n i „quatenus opus s i t " die Rechte des in der G i r a t a

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Auch auf der bisher betrachteten Entwicklungsstufe fehlt dem Rechte der Ordregirata noch immer der für das Recht des modernen Indossaments wesentliche Bestandteil, daß die Entstehung der Berechtigung des Indossatars angeknüpft wird an den Erwerb des indossierten Papieres und die Ausübung dieser Berechtigung bedingt wird durch den Besitz des Papieres. D i e E n t w i c k l u n g der O r d r e g i r a t a zu einem R e c h t s i n s t i t u t m i t dem v o r b e z e i c h n e t e n Rechtsgehalt, also die Entstehung des modernen W e c h s e l i n d o s s a m e n t s aus der O r d r e g i r a t a der l e t t e r a di cambio, hat sich in der i t a l i e n i s c h e n D o k t r i n d a d u r c h v o l l z o g e n , daß a u f den T a t bestand d e r O r d r e g i r a t a e i n e r l e t t e r a d i cambio dasjenige R e c h t a n g e w e n d e t w u r d e , welches sich für die G i r a t a einer cedula bancaria mit der K l a u s e l „ d e i q u a 1 i ρ ο t r à d i s ρ ο η e r e a suo p i a c e r e con restituzione della presente" schon ini e r s t e n V i e r t e l d e s 17. J a h r h u n d e r t s a u s g e b i l d e t hatte. Derjenige Jurist, welcher diesen Fortschritt hat, ist C a s a r e g i s .

vollzogen

Nachdem er das vorerwähnte Gutachten erstattet hatte, wurden ihm die oben S. 108 besprochene Entscheidung bei R o v i t u s und die Ausführungen des M o n t a n u s bekannt und veranlaßten ihn zu einer erheblichen Revision seiner bisherigen Anschauungen. Er gab zu, daß die vom Aussteller einer mit der Dispositionsklausel versehenen cedula bancaria gegenüber dem ersten Empfänger einer solchen cedula übernommene Verbindlichkeit, demjenigen Zahlung zu leisten „ i n quem ille disposuerit seu giraverit" den gleichen juristischen Inhalt habe, wie die Verbindlichkeit aus einer Tratte, Benannten h ä t t e n zedieren lassen, aber daß diese Zession w i r k l i c h erf o r d e r l i c h gewesen wäre, u m sie zur K l a g e zu legitimieren, w i r d niemals η den U r t e i l e n e r w ä h n t .

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welche all' ordine des Remittenten gestellt s e i 1 , daß mithin derjenige, welcher in Gemäßheit einer solchen Kontrahierungsform als Berechtigter benannt werde, als ein unmittelbarer Gläubiger aus einem constitutum anzusehen sei. Auch hieraus aber folgt nach C a s a r e g i s noch keineswegs ohne Einschränkung, daß dem Aussteller gegen den Giratar diejenigen Einreden versagt seien, welche sich aus dem in der V alutaklausel beurkundeten Inhalt des Rechtsgeschäfts zwischen dem Aussteller und dem Giranten ergeben. Denn das constitutum debiti begründe je nach dem Parteiwillen entweder eine abstrakte Verbindlichkeit oder aber eine Verbindlichkeit desjenigen materiellen Inhalts, welchen das ihm zu Grunde liegende Geschäft habe. Letzteres müsse hier als Inhalt des constitutum angenommen werden, weil ja die Tratte kein abstrakter Schuldschein, sondern, wie die Valutaklausel beweise, eine Urkunde über ein cambium sei. Hierbei macht unser Autor nun eine sich nach dein Vorhergehenden ganz offenbar aufdrängende Einschränkung; wenn nämlich die allgemeine Anschauung der Kaufleute, wie die Gutachten aus der von der Rota romana entschiedenen Streitsache ergäben, die Berechtigung des Giratars nicht als die eines Gläubigers aus einem materiell charakterisierten, sondern als die eines Gläubigers aus einem abstrakten Konstitut auffasse, so sei diese Auffassung maßgebend. I n seinem Cambista istruito (Cap. V Nr. 7 und 8) hat C a s a r e g i s dann ohne jede Einschränkung die Rechtsanschauung der neapolitanischen Juristen über die Girata der cedula bancaria auch für die Girata der all' ordine des Remittenten gestellten Tratte akzeptiert. „ I n quanto alla Lettera [data all' ordine s. p. pare ciò indubitato , . . . che siccome in virtù della suddetta clausula s. p. viene conceduto dallo Scrivente al Remittente ο Ricevitore della Lettera piena facolta di ne1 1. c. N. 28: . . . si quis se o b l i g a v e r i t . . . solvere a l t e r i , i n quem ille disposuerit seu g i r a v e r i t . . . obligatio n o n v i d e t u r dissimilis ab ea concepta „ a l l ' ordine s. p." per ea quae t r a d i t M o n t a n u s . . .

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goziarla e disporne e girarla in chi sia . . . cosi l o Scrivente in v i r t ù di t a l clausula venendo a c o n s t i t u i r s i f i n da p r i n c i p i o d e b i t o r e a f a v o r e d i q u a l u n q u e T e r z o , i n c u i fosse g i r a t a la sua L e t t e r a , e tenuto indispensabilmente a pagarla al G i r a t a r i o . . . " 1 Dieser Weg, auf welchem die juristische Doktrin das Recht der Ordregirata der lettera di cambio zum Rechte der girierten cedula bancaria mit der Dispositionsklausel ausbildete, entspricht, wie ich glaube, durchaus dem Entwicklungswege, welchen auch in der kaufmännischen Praxis jener Zeit die Ordregirata der lettera di cambio genommen hat. Daß die Ordreklausel (soweit das Verhältnis zwischen dem Ordinans und dem Ordinatus in Betracht kommt) von Anfang an nicht die Bestellung eines Zessionars oder eines Bevollmächtigten, sondern die Benennung eines Eigenberechtigten vermitteln sollte, ergibt meines Erachtens sowohl ihre äußere Form als auch ihr ursprüngliches Recht. I n ihrer Form weicht sie, wenigstens in fast sämtlichen Fällen, in denen sie uns in italienischen U r k u n d e n des 17. Jahrhunderts erhalten i s t 2 , insofern von den sonstigen Rechtsnachfolge- und Vertretungsklauseln ab, als sie nicht alternativ neben der Benennung eines Prinzipalberechtigten erscheint; sie lautet nicht etwa „pagate ä Giovanni ο ä chi oidinerà", sondern einfach „pagate à chi ordinerà Giovanni", gibt also schon durch ihre Form zu erkennen, daß derjenige, welcher als „ordine" erscheinen w i r d , zwar kraft einer Erklärung des Ordinierenden, aber nicht als Rechtsnachfolger in ein demselben zustehendes Recht auftritt. 1 V g l . a u c h Disc. 58 Ν . 7 : . . . ciò procede nelle lettere ο girate fatte a l l ' ordine S. P., i n vigore delle q u a l i secondo l ' i n t e l l i g e n z a e stile de' M e r c a d a n t i resta obligato i l datore ο girante non solo a favore del ricevitore ο g i r a t a r i o ma d i qualunque a l t r o , i n cui dal primo g i r a t a r i o fossero d i nuovo girate le lettere . . . 2 E i n e A u s n a h m e m a c h t die K l a u s e l bei Roccus resp. I 6 ( S c h a p s S. 95) „ à Felice Basile ο à c h i in pie d i questa o r d i n e r à " .

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I n dem ältesten Recht der Ordregirata aber spiegelt sich ihre Entstehungsgeschichte wieder in der bekannten Bestimmung der neapolitanischen Pragmatika von 1607, welche nicht von der Girata als solcher, sondern von der Ordregirata redet und nicht die Ordregirata als solche, sondern nur die mehrmalige Girierung verbietet. Diese Bestimmung entspricht durchaus dem Gedanken, daß das Kontrahieren all' ordine ein Kontrahieren mit einer noch zu bezeichnenden Person sei, und daß durch die Bezeichnung dieser Person die Ermächtigung in der Ordreklausel „konsumiert" werde. Das Gesetz gibt dieser Auffassung auch deutlichen Ausdruck, indem es den Giratar bezeichnet als „quello che subentra", denjenigen, der in den Vertrag „eintritt". So erklärt sich auch, weshalb gerade die mehrfache Ausnutzung der Ordreklausel es i s t , die verboten wird, nicht aber etwa eine mehrfache Zession oder Bevollmächtigung 1 . Die Weitergirierung eines „all' ordine" gestellten Wechsels, welche allerdings vom Standpunkt der ursprüng1

N a c h der herrschenden M e i n u n g ( G o l d s c h m i d t , Universalgeschichte I S. 395, S c h a p s , Wechselindossament S. 106) ist dieses V e r b o t mehrfacher G i r i e r u n g eine A n w e n d u n g des Rechts der fränkischlangobardischen K l a u s e l „ v e l cui dederis e x i g e n d a m " , die angeblich n u r eine einmalige Begabung gestattete ( B r u n n e r , Z t s c h r . X X I I S. 108) u n d die h i e r p l ö t z l i c h i n einem Gebiete, welches weder F r a n k e n n o c h L a n g o b a r d e n beherrscht h a b e n , aus m e h r als h a l b t a u s e n d j ä h r i g e m W i n t e r s c h l a f wieder ans L i c h t t r i t t . A b e r die A n n a h m e , die K l a u s e l „ c u i exigendam dederis" gestatte n u r eine einmalige Begebung, w i r d schon dadurch widerlegt, daß diese K l a u s e l n i c h t n u r i n Schuldscheinen vork o m m t , sondern auch in Zessionsurkunden. So ist uns i n den Memorie d i L u c c a V 2 N r . 277 eine U r k u n d e von 799 erhalten, i n welcher eine F o r d e r u n g (von der überdies m i t keinem W o r t e angedeutet w i r d , daß sie dem u r s p r ü n g l i c h e n Gläubiger m i t der K l a u s e l „ v e l cui exigendam dederis" eingeräumt war) zediert w i r d an „tarn vos quam et i l l i s homenis, cui vos hanc cartam dispensationis mee dederitis ad e x i g e n d u m " , woraus sich ergibt, daß n i c h t n u r der u r s p r ü n g l i c h e Gläubiger, sondern auch dessen Zessionar eine F o r d e r u n g ad exigendum weitergeben kann. Näheres über die Bedeutung dieser K l a u s e l in meinen „ W e r t p a p i e r e n ' * A b s c h n i t t I I I § 8.

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lichen Auffassung der Klausel „all' ordine" aus als ein „Mißbrauch", d. h. als eine juristische Unzulässigkeit erscheinen mußte, setzt sich praktisch in der Weise durch, daß an den ersten Vertrag auf Namen einer zu benennenden Person ein zweiter gleicher Vertrag angeschlossen wird, indem der Remittent und Girant das ihm vorbehaltene Recht der Benennung nicht selber ausübt, sondern an eine andere Person, nämlich an den G i r a t a r , in der Weise einräumt, daß er seinerseits wieder die Girata „all' ordine" des Giratars stellt. Nachdem sich sodann auf Grund einer Entwicklung, in welcher die Ordreklausel keine Rolle spielte, die Girata der mit einer Dispositionsklausel versehenen cedula bancaria zu einem Formalakte der Begründung einer einredefreien, auf den Besitz des Papieres begründeten, von den Juristen als abstraktes Konstitut konstruierten, Berechtigung des Giratars herausgebildet hatte, begann der Verkehr, das Recht dieses Falles der Girata auch auf die Girata einer lettera di cambio zu übertragen. Dieses Entwicklungsstadium spiegeln uns die in den Urteilen der Rota romana erwähnten kaufmännischen Gutachten wieder. Die Jurisprudenz folgte diesem Vorgange, indem auch sie die Konstruktion der Girata einer cedula bancaria auf die Konstruktion der Girata einer lettera eli cambio anwandte. Das Resultat dieser Entwicklung ist die oben ausgeschriebene Erörterung des C a s a r e g i s in seinem Cambista istruito. Diese Entwicklung macht nicht bei der Umwandlung des Rechts der Ordregirata H a l t , sondern bringt auch eine Reform des im Vorstehenden dargestellten Rechtes der gewöhnlichen Wechselgirata hervor. Auch hier ist wieder C a s a r e g i s derjenige, welcher das neue Recht der Praxis in die D o k t r i n einzuführen sucht. Während er in seinem Cambista (Cap. I V Nr. 100 fgg.) mit Entschiedenheit den Unterschied der Rechtsstellung beider Arten von Girataren gegenüber den Einreden aus der Valutaklausel hervorhebt, zeigt er uns doch, daß sich

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auch für die gewöhnliche Girata in einer anderen Richtung ein urkundliches Sonderrecht zu bilden beginnt. E r bespricht nämlich im Anfange des fünften Kapitels seines Cambista den F a l l , daß ein Remittent, der seinerseits dem Giratar haftbar ist, den ihm zustehenden Anspruch wegen Nichteinlösung des Wechsels gegen den Aussteller außergerichtlich geltend macht, ohne im Besitze des Wechsels zu sein, und auch vom Aussteller die Regreßsumme bezahlt erhält. Nachdem dies geschehen, geräth dieser Remittent in Konkurs, ehe er seinerseits dem Giratar die Regreßsumme gezahlt hat, und der Giratar nimmt nunmehr auf Grund des Besitzes des Wechsels den Aussteller, der bereits dem Remittenten gezahlt hat, noch einmal in Anspruch. Muß der Aussteller noch einmal zahlen? C a s a r e g i s bejaht diese Frage ohne jedes Bedenken für den Fall, daß die Girata in Gemäßheit der Orderklausel erfolgt ist. Lautete aber die Tratte einfach auf den Remittenten persönlich, so verlangen die bekannten Rechtsgrundsätze über die Zession von Forderungen, daß der Giratar als Zessionar die an seinen Zedenten geschehene Zahlung schlechthin anerkennen muß. Trotzdem er diese Rechtskonsequenz durchaus anerkennt, entscheidet sich C a s a r e g i s dahin, daß der Giratar auch in diesem Falle die nochmalige Zahlung verlangen könne. E r verkennt nicht, daß diese Entscheidung einen offenen Widerspruch gegen die Regeln des gemeinen Rechtes enthält und verzichtet durchaus darauf, sie juristisch zu rechtfertigen; er erklärt vielmehr einfach, die Entscheidung sei geboten durch die Grundsätze von Treu und Glauben sowie durch die Interessen des Handelsverkehrs, und diesen Momenten gegenüber müßten alle Konsequenzen aus Rechtssätzen zurückstehen 1 Camb. instr. V N . 15: „ N u l l a dimeno lettere d i Cambio io credo doversi tenere i l ho fermato sopra i n quelle date a l l ' ordine effetto l a p r i m a ragione della buona fede e mercio considerata nel caso delle suddette

anche i n questa sorta d i medesimo sentimento, che s. p., bastando a questo l i b e r t à del p u b b l i c o comlettere a l l ' ordine s. pr.,

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Der wirkliche Rechtsgedanke, der sich hinter diesem keineswegs auf der Höhe der sonstigen Erörterungen des C a s a r e g i s stehenden Raisonnement von „Treu und Glauben" und „Interessen des Handelsverkehrs" verbirgt, ist m. E. die sich immer vollständiger durchsetzende Wertpapierqualität der T r a t t e ; die Auffassung, claß zur Ausübung des Gläubigerrechts aus der Tratte, einerlei ob dieses Gläubigerrecht von einem Ordregiratar oder ob es von einem gewöhnlichen Zessionar geltend gemacht wird, der Besitz der Tratte Formerfordernis ist. Die Wandlungen zu verfolgen, welche diese Rechtsanschauung (die im wesentlichen mit der Konstruktion der Ordregirata als eines durch den Formalakt der Übergabe der girierten Tratte perfekt werdenden abstrakten Konstituts zur Herrschaft gekommen war) noch weiter im praktischen italienischen Wechselrecht des 18. Jahrhunderts hervorgebracht hat, liegt außerhalb der Aufgabe der vorliegenden Untersuchung, deren Zweck es lediglich war, das Recht der Girata soweit darzulegen als für den Nachweis erforderlich ist, daß das moderne Indossament nicht ein Institut mittelalterlicher , sondern ein Institut neuzeitlicher Rechtsentwicklung ist, ein Institut, dessen wirtschaftliche Grundlage und Voraussetzung ein Zustand des Handelsverkehrs bildet, welcher im Mittelalter entweder überhaupt nicht, oder doch nicht in dem Umfange bestand, daß er sich ein besonderes Recht zu schaifen vermocht hätte. Unter den modernen Schriftstellern hat die Geschichte des Wechselindossaments ausführlich behandelt G. S c h a p s 1 . So sehr man der K r i t i k , welche er an seinen Vorgängern ü b t , zustimmen w i r d , so wenig ist m. E. seine benché n o n vi concorra 1' a l t r a p i ù p a r t i c o l a r e , che nasce da t a l clausola; ed è tanto valevole i l favor del p u b b l i c o commercio, che in t u t t i l i casi delle c o m m u t a z i o n i m e r c a n t i l i ove la buona fede ο la libertà del medesimo doverebbe restare intaccata, come seguirebbe n e l nostro, si deve recedere da t u t t e le regole del ius commune." 1 Z u r Geschichte des Wechselindossaments. 1892.

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prinzipielle Auffassung der italienischen Girata und seine Darstellung der juristischen Einzelheiten dieses Instituts zutreffend. Vor allem mißversteht S c h a p s die juristische Funktion der Valutaklausel der Girata, indem er im Anschluß an die von G o l d s eli m i d t für die Valutaklausel der Tratte aufgestellte Theorie 1 den „Garantieeffekt" der Girata nicht auf die in der Valutaklausel enthaltene dispositive Beurkundung des der Anweisung zugrunde liegenden Geschäfts zurückf ü h r t , sondern auf ein ex aequitate mercatoria „subintellegiertes" Garantieversprechen und der Valutaklausel l e d i g l i c h 2 die Funktion zuweist, festzustellen, daß derjenige Giratar, welcher nach Ausweis der Valutaklausel die Valuta g e z a h l t h a t , die ihm eingeräumte Forderung im eigenen Interesse, in rem suam, geltend mache. Der von S c h a p s unternommene Versuch, die von ihm vertretene Begründung des „Garantieeffektes" aus den Quellen selber herzuleiten, ist widerspruchsvoll und unzulänglich. Widerspruchsvoll insofern, als S c h a p s einerseits 3 meint, C a s a r e g i s bezeichne 4 diese Subintellegierung des Regreßrechts als ein kaufmännisches Gewohnheitsrecht (attento universali mercatorum stilo . . . intellegi debet tacito quidem pacto promissum fuisse per girantem bonitatem ac exigibilitatem de facto nominis debitoris venditi), andererseits aber 5 erklärt die Zession „sub condicione, ut, nisi solutio sequatur, tradens (soll heißen cedens) remaneat obligatus" sei ein Produkt der juristischen D o k t r i n , welche sich, weil ihr die Berufung auf den usus mercatorum nicht genügte, „auf eigentümliche Weise . . . mit der Garantierung des Giranten abzufinden" suchte, indem sie „eine neue Spezies der Zession, 1

V g l . T e i l I S. 92. D a r ü b e r , daß die V a l u t a k l a u s e l nebenbei auch diese F u n k t i o n e r f ü l l t s. oben S. 127. * S. 112 A n m . 12. 4 I n der oben S. 126 zitierten u n d erläuterten Stelle. 5 A u f S. 113 und 114.

Zweite Abteilung.

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die cessio pro solvendo", „als bequemes Aushilfsmittel akzeptierte". I n Wahrheit ist die hier als Aushilfsmittel der Doktrin charakterisierte cessio pro solvendo derjenige allgemeine Begriff, von dem die bei C a s a r e g i s als kaufmännisches Gewohnheitsrecht bezeichnete Haftung des Forderungsverkäufers für die Bonität der verkauften Forderung nur den praktisch wichtigsten Spezialfall bildet. Unzureichend zur Begründung derGarantiehaftung aber ist, wie schon oben S. 125 dargelegt, die Bezugnahme auf den bei C a s a r e g i s vorgetragenen Satz deshalb, weil der Satz, daß der Forderungsveräußerer für die Bonität der Forderung einstehe, nur besagt, daß die Erfüllung des Veräußerungsvertrages nicht schon mit der Zession, sondern erst mit dem Eingange der zedierten Forderung eintrete, daß mithin beim Ausbleiben der Befriedigung der Veräußerungsvertrag nicht erfüllt sei. Für die Rechtsfolgen dieser Nichterfüllung aber kann doch nicht etwa die Tatsache der Nichterfüllung, sondern erst der Inhalt des nicht erfüllten Vertrages die juristische Grundlage abgeben und für die als Folge der Nichterfüllung eintretende Schadensersatz-(Regreß-)Verpflichtung ist mithin das Vorliegen eines stillschweigenden Versprechens der Haftung für den Eingang der übertragenen Forderung zwar eine Voraussetzung, aber nicht der juristische Entstehungsgrund. Wo in den Quellen die cessio pro solvendo in anderem Sinne erörtert wird oder zu werden scheint, liegt eine juristische Ungenauigkeit vor. Das Mißverständnis der juristischen Funktion der Valutaklausel ist die Ursache dafür, daß S c h a p s als e i n a n d e r a u s s c h l i e ß e n d e von den italienischen Juristen aufgestellte juristische Konstruktionen der Girata die „Kausaltheorie" , nach welcher die Girata „nicht immer dasselbe Geschäft ist, sondern die Natur des Kontrakts teilt, welcher der Begebung des Wechsels zugrunde l i e g t " , neben die „Mandats-(Zessions-)Theorie stellt, indem er z. B. behauptet 1 , 1

S. 99 A n m . 7.

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Das Indossament.

„ C a s a r e g i s ist nicht ausschließlich der Mandatstheorie zuzurechnen, er macht auch der Kausal- und der Kambialtheorie gelegentlich Zugeständnisse", und eine Kombinierung dieses Irrtums mit der hergebrachten irrigen Ansicht über die Bedeutung des Wortes cambium 1 liegt vor, wenn S c h a p s als dritte „Theorie der Girata" die „Kambialtheorie" bezeichnet, wobei er ausführt, daß R o c c u s die von ihm in einem Responsum vertretene Kausaltheorie „vollständig über den Haufen w i r f t " , wenn er in einem späteren Responsum den Satz aufstellt, „daß die Girata sich als eine neue . . . Anweisung darstelle, daher der Giratar gegen den Giranten genau dieselben Rechte habe wie der letztere gegen den Aussteller". Indem S c h a p s die „Kausal"- und „Kambialtheorie", welche in Wahrheit Erörterungen über die juristische Natur der Valutaklausel, also des in der Girata dispositiv beurkundeten je nach den Tatumständen verschieden zu charakterisierenden Veräußerungsgeschäfts' sind, als Theorien bezeichnet, welche eines Teils einander und anderen Teils die „Mandats-(Zessions-)Theorie ausschließen, begeht er dieselbe Vermengung von titulus und modus cessionis, um derenwillen er (S. 99) R o c c u s überhaupt nicht als ernsthaften Juristen gelten lassen will. Welche der verschiedenen „Theorien" das wirkliche juristische Wesen der Girata wiedergibt oder welches in Wahrheit die juristische Natur der Girata sei, erfahren wir von S c h a p s überhaupt nicht. Für die juristischen Einzelheiten des Rechts der Girata folgt nach S c h a p s aus der Garantiehaftung des Giranten gegenüber dem Giratar, daß jeder Giratar „sich nur gegen seinen unmittelbaren Vormann hätte wenden können". Die italienische Praxis blieb aber angeblich bei diesem „Reihenregreß" nicht stehen, sondern führte in einer Reihe von Fällen den „Sprungregreß" ein und gelangte dabei zu dem Resultate: „Der Giratar hat Sprungregreß, soweit die ihn bzw. seine direkten Vörmänner legitimierenden Wechselakte 1

Vgl. über dieselbe T e i l I erster A b s c h n i t t .

F r e u η d t , Wechselrecht d. Postgl.

II.

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Zweite Abteilung.

entweder α) die Klausel per la valuta avuta (conta) oder β) die Ordreklausel enthalten. Soweit diese Fälle nicht vorliegen, besteht nur Reihenregreß." Von allen diesen Behauptungen ist keine einzige richtig. Einen Schriftsteller oder eine sonstige Quelle, in welcher der Satz aufgestellt würde, daß der Giratar nur gegen seinen unmittelbaren Vormann Regreßrechte habe, hat S c h a p s nicht angeführt, und wenn wirklich der von ihm behauptete Satz eine Konsequenz der G o l d s c h m i d t sehen Hypothese über den Rechtsgrund der Haftung des Trassanten (bzw. Giranten) wäre, so wäre diese Tatsache ein neuer Beweis für die Unrichtigkeit jener Hypothese. Denn in Wahrheit haften im Prinzip a l l e Vormänner dem gewöhnlichen Vollgiratar, weil der Girant ihm alle Rechte gegen seine Vormänner in Form der Bestellung des Giratars zum mandatarius in rem suam zediert h a t 1 und dem Ordregiratar, weil der Trassant (bzw. Girant) mittels der Ordreklausel Schuldner aus dem gegenüber jedem Giratar unmittelbar eingegangenen abstrakten Konstitut geworden ist. Erst bei der praktischen Durchführung dieser Haftung kommt in Betracht, daß der einfache Vollgiratar ein gewöhnlicher Zessionar ist, welchem mithin die gegen den Giranten begründeten Einreden entgegenstehen, insbesondere die aus dem Inhalt einiger Formen der Valutaklausel ersichtliche Einrede der nicht gezahlten Valuta. Es ist also zwar im Resultate richtig, wenn S c h a p s sagt, daß in der einen Gruppe der von ihm bezeichneten Fälle der Giratar den Sprungregreß habe, aber dieser Regreß ist als solcher keine juristische Besonderheit jener Fälle, sondern er ist derjenige Regreß, welcher an sich jedem Giratar zusteht; unrichtig aber ist es, wenn S c h a p s meint, soweit die von ihm bezeichneten Fälle nicht vorlägen, bestehe Reihenregreß, denn in diesen anderen Fällen besteht 1 D e r R e m i t t e n t u n d erste G i r a n t zediert die i h m gegen den Trassanten zustehenden i n der V a l u t a k l a u s e l der T r a t t e .beurkundeten Rechte, der erste G i r a t a r u n d zweite G i r a n t die i h m zedierten Rechte gegen den Trassanten u n d die i h m gegen den R e m i t t e n t e n zustehenden i n der V a l u t a k l a u s e l der ersten Girata beurkundeten Rechte usw.

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Das Indossament.

i m praktischen Resultat überhaupt kein Regreß, da dem Schuldner in Gemäßheit der von ihm der Girata angefügten Valutaklausel die Einrede der nicht gezahlten Valuta zusteht. Die Differenzierung der Ordregirata sowie der gewöhnlichen Girata mit einer die wirkliche Zahlung beurkundenden Valutaklausel einerseits und cler übrigen Fälle der einfachen Vollgirata andererseits ist also in W i r k l i c h k e i t nicht für die Frage, ob Reihenregreß oder Sprungregreß stattfindet, von Bedeutung, sondern für die Frage des Ausschlusses der Einreden, welche dem Schuldner gegen die Vormänner des Giratars zustehen. Bei Behandlung dieser Frage aber erklärt S c h a p s , weil er die Prinzipien, auf denen das Recht der Ordregirata und die Funktion der Valutaklausel beruhen, nicht erkannt h a t , diese Differenzierungen für „spitzfindige und gar nicht befriedigende Unterscheidungen" 1 und meint, die italienischen Juristen hätten am besten getan, die Frage des Einredenausschlusses nach denjenigen Prinzipien zu beantworten, welche der Kardinal Gianbattista de Luca für die Entscheidung der Frage aufstellt, ob „der A k z e p t a n t einer Tratte dem klagenden Giratar Einreden aus der Person eines Giranten oder des Ausstellers entgegenstellen" könne. Nach S c h a p s beantwortet de L u c a diese Frage dahin, daß solche Einreden nur dem Namens des Giranten klagenden Inkassogiratar (ein F a l l , mit dem wir uns hier nicht beschäftigen) und demjenigen Vollgiratar entgegenstehen, welcher die Forderung ex causa lucrativa erworben hat, nicht aber dem Vollgiratar ex causa onerosa. I n diesen Ausführungen erblickt S c h a p s „wahrlich eine des weitblickenden Praktikers würdige Lösung des Problems, die mit den einfachen Worten des L u c a genügend gerechtfertigt erscheint: ,Alias enim sequi posset,.ut impeditum vel defraudatum remaneat commercium'". Hätte hier S c h a p s den Sinn der Ausführungen seiner Quelle richtig wiedergegeben, so wäre die Lösung, welche de L u c a g i b t , eine ganz willkürliche und unbrauchbare, 1

1. c. S. 122.

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Zweite Abteilung.

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denn weshalb soll der Akzeptant dem Giratar Einreden aus der Person des Giranten entgegenstellen können, wenn der Giratar sein Gläubigerrecht durch einen Liberalitätsakt erworben hat? I n Wahrheit aber ist bei de L u c a die causa onerosa nicht, wie S c h a p s meint, der Gegensatz gegen die causa lucrativa, sondern gegen die causa mandati, und de L u c a sagt, daß der Akzeptant Einreden aus der Person des Giranten zwar dem Prokuragiratar, der als Vertreter des Giranten k l a g t , entgegenstellen könne, nicht aber dem Vollgiratar. Diese Ausführung i s t , soweit sie sich mit der Rechtsstellung des Vollgiratars beschäftigt, nichts als die Anwendung des Rechts, welches für den schon in der ursprünglichen Tratte benannten Anweisungsempfänger, den Präsentanten, im ganzen 17. Jahrhundert, gegolten hatte, auf den in der Tat j a juristisch ganz gleich liegenden Fall, daß der Anweisungsempfänger, der Giratar, nicht schon in der Tratte selber, sondern erst nachträglich in der Girata benannt wird. Dieselben Sätze wie d e L u c a hat z. B. schon 1 R a p h a e l de T u r r i für die Rechtsstellung des Präsentanten gegenüber dem Akzeptanten aufgestellt und aus dem juristischen Prinzip hergeleitet, daß der Trassat dem Präsentanten gegenüber durch das Akzept ein selbständiges Erfüllungsversprechen (constitutum) ableiste (was S c h a p s auch S. 18 erwähnt); die Erörterung des d e L u c a unterscheidet sich von derjenigen R a p h a e l s nur dadurch, daß letzterer für den von ihm vorgetragenen Satz eine juristische Begründung gibt, während sich de L u c a mit einer bequemen Phrase begnügt. Worin aber die Berechtigung dazu liegt, die für das Rechtsverhältnis zwischen Giratar und Akzeptant geltenden Rechtsregeln auf das Rechtsverhältnis zwischen Giratar und den Vormännern des Giranten anzuwenden, ist schlechterdings nicht ersichtlich und auch von S c h a p s nicht dargelegt. Das Recht des Giratars gegen den Akzeptanten entsteht nach der im 17. Jahrhundert 1

S. T e i l I S. 112.

Das Indossament.

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herrschenden Auffassung dadurch, daß sich der Trassat auf Anweisung des Trassanten (Giranten) dem Giratar gegenüber selbständig verpflichtet, und eine juristische Möglichkeit, dem Akzeptanten gegenüber dem Giratar diejenigen Einreden zu v e r s c h a f f e n , welche den Vormännern des Giranten gegen diesen zustehen, besteht überhaupt nicht. Der gewöhnliche Vollgiratar dagegen ist nach S c h a p s (S. 117) ein einfacher Rechtsnachfolger des Giranten; den Rechtsvorgängern des Giranten, einem solchen Giratar gegenüber die Einreden aus der Person des Giranten zu v e r s a g e n , ist nur unter Aufgeben des römischen Zessionsrechts möglich. Die analoge Anwendung der vermeintlichen Doktrin des de L u c a auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Giratar und den Vormännern des Giranten wäre also nichts weiter als eine ganz prinziplose W i l l k ü r . S c h a p s hat sich außer mit der Darstellung der juristischen Einzelheiten des Rechts der Girata auch mit einer Erörterung der Entstehung der Girata beschäftigt. E r meint im Anschluß an B i e n e r , die Girata sei aufgekommen als ein durch die Ordreklausel dem Remittenten vorbehaltener Modus der nachträglichen Benennung eines Präsentanten. Nun ist es zwar richtig, daß die Girata die nachträgliche Benennung eines Präsentanten, eines Anweisungsempfängers, enthält, aber abgesehen davon, daß das Recht zur nachträglichen Benennung eines Präsentanten nicht davon abhängig ist, daß es dem Remittenten in der Ordreklausel vorbehalten i s t 1 , erschöpft sich auch die Rechtsstellung des Giratars nur dann in der eines Präsentanten, wenn er ein Prokuragiratar ist, nicht aber, wenn er ein Vollgiratar ist, und gerade die Erklärung der Rechtsstellung des Vollgiratars ist das eigentliche Problem in der Geschichte 1 Gewöhnliche V o l l g i r a t a · u n d Ordregirata k ö n n e n n i c h t aus einander entstanden sein, u n d schon i n den ältesten Beispielen für die A n w e n d u n g der G i r a t a schließt die Girata sich s o w o h l an U r k u n d e n ohne Ordreklausel an wie an U r k u n d e n m i t O r d r e k l a u s e l .

Zweite Abteilung.

des Indossaments. S c h a p s allerdings scheint durch die Konstatierung der Tatsache, daß der Giratar ein Präsentant ist, die Rechtsstellung desselben deshalb für genügend bestimmt zu halten, weil er zwei Arten von Präsentanten unterscheidet, nämlich außer dem gewöhnlichen Inkassomandatar noch den Präsentanten in rem suam kennt, der sich von jenem dadurch unterscheidet, daß ihm „ein Klagerecht" zusteht. Bei dieser Herleitung der Rechtsstellung des Vollgiratars aus derjenigen des Präsentanten in rem suam konnte sich m. E. S c h a p s nur deshalb beruhigen, weil er uns darüber überhaupt nicht unterrichtet, welche Rechtsstellung denn eigentlich der Präsentant in rem suam, einnimmt. S c h a p s nennt ihn zwar einen adiectus in rem suam, bezeichnet aber selber diesen Rechtsbegriif (nach G o l d s c h m i d t 1 , der von der „juristisch monströsen" Theorie vom adiectus in rem suam gesprochen hatte) als ein „widernatürliches Gebilde" 2 und erklärt dann auch das „Klagerecht" dieses adiectus in rem suam in bezug auf seine juristische Natur überhaupt nicht weiter als durch die Bemerkung „der adi. i. r. s. kann ex proprio jure klagen; natürlich hat er nachzuweisen quod cambium spectat ad ipsum"3. Den Sinn dieses „spectare ad ipsum" scheint S c h a p s für selbstverständlich gehalten zu haben, denn er legt ihn gar nicht weiter d a r , und ebenso wenig sagt er uns, ob das proprium jus des adi. i. r. s. ein ihm vom Remittenten oder Trassanten abgetretenes oder ein von ihm originär erworbenes Recht ist und (wenn letzteres der Fall ist) welchen juristischen I n h a l t dieses Recht hat. Infolge des Unterlassens einer juristischen Analyse der Rechtsstellung des Präsentanten in rem suam entgehen S c h a p s denn auch die juristischen Unterschiede, welche zwischen der Rechtsstellung desselben und derjenigen der verschiedenen Arten der Vollgiratare bestehen.

1 2 3

Universaigesch. I S. 396. S. 28. S. 24.

Das Indossament.

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Als adiectus in rem suam wird nämlich in den Quellen derjenige Präsentant bezeichnet, welcher außer seiner Rechtsstellung als Anweisungsempfänger noch eine andere Rechtsstellung einnimmt, kraft deren er die Anweisung im eigenen Interesse geltend macht, nämlich diejenige Rechtsstellung, welche ich im ersten Teil in § 4 näher dargelegt habe. Auf dieser seiner Stellung im materiellen Remittierungsvertrage und nicht auf der Tatsache, daß er Anweisungsempfänger, Präsentant, ist, beruht sein Regreßrecht gegen den Trassaten. Der Vollgiratar aber ist entweder Zessionar (mandatarius in rem suam) oder Nominatus des Remittenten, er nimmt also stets eine andere Rechtsstellung ein als derjenige in der Tratte selber bezeichnete Präsentant, welchem Regreßrechte gegen den Trassaten zustehen. Als Präsentant oder Adiectus in rem suam kann natürlich auch der Giratar insofern bezeichnet werden, als er die Rechte aus der Anweisung im eigenen Interesse geltend macht. Auch die Erklärung der Entstehung des Indossaments, welche S c h a p s gibt, erweist sich somit als unzulänglich. Nach S c h a p s hat noch G r ü n h u t 1 sich m i t der Entstehungsgeschichte des Indossaments beschäftigt. E r hält das Indossament für die „Bestellung eines Mandatars für den Zahlungsempfang d u r c h d e n P r ä s e n t a n t e n kraft der Ordreklausel nebst antizipierter Quittierung am Fuße oder auf dem Rücken des Wechsels" und meint: „Wie der Präsentant selbst aus einem bloßen Einkassierungsmandatar des Remittenten allmählich zu einem selbständigen Wechselgläubiger geworden w a r " , so sei auch dem Giratar vom Präsentanten das selbständige Gläubigerrecht aus dem Wechsel übertragen worden, und diese Übertragung werde durch die Valutaklausel dokumentiert. Hier ist der schon im ersten Teil S. 88 und 89 besprochene I r r t u m G o l d s c h m i d t s , daß das „subintellegierte Regreßversprechen" des Trassanten ursprünglich dem Remittenten später aber dem Präsentanten gegenüber abgegeben werde, kombiniert mit 1

W e c h s e l r e c h t S. 87 fgg.

Zweite Abteilung.

den beiden weiteren Irrtümern, daß die Girierung ursprünglich von einer Gestattung durch die Ordreklausel abhängig gewesen sei und daß sie ursprünglich eine vom P r ä s e n t a n t e n ausgehende Weitergabe der Anweisung sei. Natürlich kann der Präsentant ebenso gut wie jeder andere Anweisungsempfänger die Anweisung weitergeben und diese Weitergabe durch einen Vermerk auf der ursprünglichen Anweisungsurkunde beurkunden, aber die Rechtsstellung dieses neuen Anweisungsempfängers (Giratars) ist eben lediglich die eines Anweisungsempfängers, und von dieser Rechtsstellung führt kein Weg zum Indossament. Das Wechselindossament, die Vollgirata der lettera eli cambio, knüpft vielmehr, wie auch S c h a p s mit Recht ann i m m t 1 , an eine vom R e m i t t e n t e n ausgehende Weitergabe der Anweisung an und erscheint ä u ß e r l i c h als ein Ersatz der schon bei Ausstellung der Tratte erfolgenden Benennung des Präsentanten. Wie sich aus der Rechtsstellung des vom Präsentanten benannten Giratars in demjenigen Falle, in welchem dieser Giratar durch die Valutaklausel als „selbständiger Gläubiger" gekennzeichnet ist, die Rechtssätze des ältesten Indossaments erklären, hat G r ü n h u t nicht für notwendig befunden darzulegen ; er sagt nicht einmal, in welcher Art von Sukzessionsverhältnis der zum „Wechseleigentümer" gewordene Giratar zum Präsentanten steht. Die vorstehenden Untersuchungen haben gezeigt, daß ein formelles urkundliches Sonderrecht, welches für den mittelalterlichen italienischen Wechsel als solchen oder auch nur für eine bestimmte Kategorie mittelalterlicher Urkunden g i l t , denen der Wechsel als solcher angehört, überhaupt nicht existiert. Weder in bezug auf die Entstehung und Ausübung, noch in bezug auf die Übertragung der beurkundeten Rechte bestehen für die mittelalterliche italienische Tratte andere 1

Wechselindossament S. 25 u n d S. 85.

Das Indossament.

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Rechtssätze als diejenigen, welche sich daraus ergeben, daß sie eine mit einer Anweisung verbundene dispositive Schuldurkunde ist. Diejenigen Rechtssätze aber, welche in beiden Beziehungen für sie gelten, sind durchaus die Sätze des mittelalterlichen römischen Rechts, welches von den Postglossatoren aus dem Corpus iuris entwickelt wird. Diejenigen Rechtssätze und Rechtsinstitute, welche die wesentlichsten Besonderheiten des modernen Wechselrechts ausmachen, sind erst ein Produkt der Rechtsentwicklung seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die juristischen Konstruktionsmittel, mit welchen diese Rechtsentwicklung arbeitet, sind dem römischen Rechte oder der Weiterbildung^ welche dieses Recht durch die Postglossatoren erfahren hatte, entlehnt und beruhen flicht auf germanischen Rechtsprinzipien.