Das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern: Am Beispiel Von MT 8,5-13; Lk 7,1-10; Joh 4,46-54 [Reprint 2019 ed.] 3110143895, 9783110143898

Die Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft (BZNW) ist eine der renommiertesten internatio

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Das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern: Am Beispiel Von MT 8,5-13; Lk 7,1-10; Joh 4,46-54 [Reprint 2019 ed.]
 3110143895, 9783110143898

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der ,Hauptmann von Kapernaum' in den synoptischen Evangelien
3. Literarkritisch-redaktionsgeschichtliche Untersuchung von Joh 4,46-54
4. Vergleich der johanneischen und der synoptischen Traditionen
5. Interpretation des Stoffes in seiner historischen Entwicklung
6. Schluss
Bibliographie

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Stephan Landis Das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern

w DE

G

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche

Herausgegeben von Erich Gräßer

Band 74

Walter de Gruyter • Berlin • New York

1994

Stephan Landis

Das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern Am Beispiel von Mt 8,5-13; Lk 7,1-10; Joh 4,46-54

Walter de Gruyter • Berlin • New York 1994

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Die Deutsche Bibliothek —

ClP-Einheitsaufnahme

Landis, Stephan: Das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern : am Beispiel von Mt 8,5-13; Lk 7,1-10; Joh 4,46-54 / Stephan Landis. Berlin ; New York : de Gruyter, 1994 (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche ; Bd. 74) Zugl.: Zürich, Univ., Akzessarbeit, 1992 ISBN 3-11-014389-5

ISSN 0171-6441 © Copyright 1994 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin

Vorwort Die vorliegende Schrift ist eine leicht Uberarbeitete und ergänzte Fassung meiner Akzessarbeit, die ich 1992 an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich verfasst habe. Dass eine Arbeit, die während des Studiums entstanden ist, publiziert werden kann, ist nicht selbstverständlich und nur dank der Unterstützung und Hilfe mancher möglich geworden. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Erich Grässer für seine Bereitschaft, meine Arbeit in die BZNW aufzunehmen. Ich danke meinem Lehrer, Herrn Prof. Dr. Hans Weder, für die Anregung zur Beschäftigung mit dem Verhältnis des Johannes zu den Synoptikern, die ich in seinen Vorlesungen empfing, vor allem aber für die liebenswürdige Begleitung und Förderung, die er mir zukommen Hess. Herrn lic.phil. Marco Schönenberger danke ich für seine Hilfe bei der Herstellung der Druckvorlage. Meinen Eltern, die mir das Zweitstudium der Theologie ermöglichten, ist die Arbeit zum Zeichen meines Dankes gewidmet. Ürikon, 12. März 1994

Stephan Landis

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung

1

2 Der .Hauptmann von Kapernaum' in den synoptischen Evangelien

4

2.1 2.1.1

Rekonstruktion der Q-Fassung Grundlagen der Rekonstruktion

2.1.2 2.1.2.1 2.1.2.2 2.1.2.3 2.1.2.4

Die einzelnen Verse Lk 7,lb/Mt 8,5 Mt 8,6 Mt 8,7 Lk 7,6c-7/Mt 8,8

6 6 7 9 10

2.1.2.5 2.1.2.6 2.1.2.7 2.1.2.8

Lk 7,8/Mt 8,9 Lk 7,9/Mt 8,10 Mt 8,1 lf Mt 8,13

12 12 13 14

2.1.3

Der rekonstruierte Gesamttext der Q-Perikope

17

2.1.4

Formgeschichtliche Einordnung der Q-Perikope

17

2.2

Die zweite synoptische Überlieferung des Stoffes in Lk 7,2-6.10 Zur Frage eines traditionellen oder redaktionellen Ursprungs des Abschnitts

18

Die einzelnen Verse

19

2.2.1 2.2.2

4 4

18

2.2.2.1 Lk

7,2

19

2.2.2.2 Lk

7,3

21

2.2.2.3 Lk

7,4

22

2.2.2.4 Lk

7,5

23

2.2.2.5 Lk 7,6ab

23

2.2.2.6 Lk 7,10

25

VIII

Inhaltsverzeichnis

2.2.3

Zur Rekonstruktion der gesamten Sondergut-Penkope

26

2.2.4

Formgeschichtliche Einordnung der Sg-Perikope

27

3 Literarkritisch-redaktionsgeschichtliche Untersuchung von Joh 4,46-54

28

3.1

Zur Herkunft von Joh 4,46-54 aus der Semeiaquelle

28

3.2

Die einzelnen Verse

29

3.2.1

Joh 2,12/4,46

29

3.2.2

Joh 4,47

30

3.2.3

Joh 4,48

31

3.2.4

Joh 4,49

32

3.2.5

Joh 4,50

33

3.2.6

Joh 4,51

33

3.2.7

Joh 4,52

34

3.2.8

Joh 4,53

35

3.2.9 3.3

Joh 4,54 Der rekonstruierte Gesamttext der SQ

36 36

3.4

Formgeschichtliche Einordnung der Perikope der SQ

37

4 Vergleich der johanneischen und der synoptischen Traditionen

38

4.1

Grundlagen

Die Frage einer literarischen Abhängigkeit: Übereinstimmungen auf den schriftlichen Werdestufen der Texte 4.2.1 Vergleich der Joh-Fassung mit den redaktionellen Schichten der synoptischen Evangelien 4.2.1.1 Vorbemerkungen 4.2.1.2 Die redaktionellen Elemente der Synoptiker 4.2.1.3 Resultat

38

4.2

4.2.2

Vergleich der joh Tradition mit der Q-Fassung

41 41 41 41 43 43

4.2.2.1 Vorbemerkungen

43

4.2.2.2 Joh Redaktion und Q

43

4.2.2.3 SQ und Q

45

Inhaltsverzeichnis

IX

4.2.3

Vergleich der joh Tradition mit der Fassung des Ik Sg

46

4.2.3.1

Vorbemerkungen

46

4.2.3.2

Joh Redaktion und lk Sg

46

4.2.3.3

SQ

46

4.3

Die traditionsgeschichtlichen Zusammenhänge: Gemeinsamkeiten und Differenzen der ältesten erkennbaren Fassungen Vorbemerkungen

47 47

Die ursprüngliche Erzählung und ihre Entwicklung zu den Fassungen von Q, lk Sg und SQ

48

Bilanz: Geschichte der Überlieferung von der Heilung eines Jungen in Kapernaum

53

4.3.1 4.3.2

4.4

und

lk Sg

5 Interpretation des Stoffes in seiner historischen Entwicklung

57

5.1

Historischer Jesus und alte Wundergeschichte

57

5.2

Jesus und der Heide

58

5.2.1

Vorbemerkungen

58

5.2.2

Der Glaube des Heiden (Q)

59

5.2.3

Der Ausschluss der Juden und der Erstling der Heidenkirche (Mt)

63

5.2.4

Der vorbildliche Heide (lk Sg)

64

5.2.5

a£ios - oux ücavoy (Lk)

65

5.3 5.3.1

Christus und das Wunder des neugeschenkten Lebens (joh Tradition) Das Semeion des Christus (SQ)

66 66

5.3.2

Das rechte Verständnis des Wunderzeichens (Joh)

68

6 Schluss

71

Bibliographie

73

1

Einleitung

Die Frage des Verhältnisses des Johannesevangeliums zu den so ganz anderen synoptischen Evangelien hat die Kirche seit der Antike immer wieder bewegt. Oft erklärte man die unübersehbaren Unterschiede zu den Synoptikern damit, dass Johannes die übrigen Evangelien zwar kannte, sie aber ergänzen, überbieten oder gar verdrängen wollte.1 Dass Johannes die synoptischen Evangelien - oder wenigstens eines oder zwei von ihnen -benutzte, war auch die Überzeugung der Mehrzahl der Exegeten im ersten Drittel unseres Jahrhunderts. 2 Eine Wende bewirkte erst das Erscheinen des Werkes „Saint John and the Synoptic Gospels" von P. Gardner-Smith im Jahr 1938. Gardner-Smith arbeitete die Differenzen zwischen Johannes und den Synoptikern stärker heraus, als es bisher geschehen war, und erklärte die vorhandenen Übereinstimmungen durch die Annahme einer gemeinsamen mündlichen Tradition. Von da an sprachen sich die meisten Forscher (unter vielen anderen Becker, Bultmann, Dodd, Fortna, Haenchen, Lindars und Schnackenburg) für die These der literarischen Unabhängigkeit des Johannes von den Synoptikern aus. Auch in den meisten wichtigen Evangelienkommentaren wird sie vertreten. Jedoch mehren sich gerade in den letzten Jahren auch wieder die Stimmen, die aus der Gemeinsamkeit der literarischen Grossform ,Evangelium' und aus Berührungen in Wortschatz und Struktur zwischen johanneischen und synoptischen Perikopen den Schluss ziehen, der vierte Evangelist habe die Texte der Synoptiker vor sich gehabt und im Sinne seiner Theologie umgeformt. 3 Ausgehend v.a. von Löwen und dort insbesondere von F. Neirynck, beginnt sich nach und nach an vielen Orten die Abhängingkeitsthese wieder durchzusetzen; fast scheint es so, als gelänge es ihren rührigen Verfechtern, einen neuen Konsensus regelrecht herbeizureden.4 Einen wichtigen Markstein bildet dabei wohl das 39. Colloquium Biblicum Lovaniense von 1990, das dem Thema S. Becker Joh, I 36; zum Ursprung der Ergänzungshypothese bei den Kirchenvätern s. Schnackenburg, Joh I 15, Anm. 1. Einen guten Uberblick über die Forschungsgeschichte bietet Dauer, Joh und Lk 16-34; vgl. auch Neirynck, John. Zur Frage der gemeinsamen Gattung, auf die im folgenden nicht näher eingegangen werden soll, vgl. Riniker, Jean 6 66f; er verweist auf den Lk-Prolog, in dem auf „viele", also nicht nur einen oder zwei, Vorgänger Bezug genommen wird. Vgl. dazu Thyen, TRE 17 208: so bahnt sich doch ein neuer Konsensus darüber an, dass jedenfalls derjenige, dem wir das Evangelium in seiner überlieferten Gestalt verdanken, die Synoptiker kannte und benutzte...". S. auch Neirynck, John 8.

2

Einleitung

.Johannes und die Synoptiker" gewidmet war und an dem eine ganze Reihe von Forschern für Abhängigkeit des vierten Evangelisten von den Synoptikern plädierte.5 Allerdings gibt es unter den Gelehrten, die annehmen, dass Johannes oder seine Vorgänger mit synoptischen Evangelien vertraut waren, mancherlei Abstufungen und Meinungsunterschiede, was Ausmass und Intensität dieser Vertrautheit und ihre Lokalisierung auf einer bestimmten Werdestufe der joh Texte betrifft. Hier reicht die Palette etwa von der relativ vorsichtigen Haltung M. Hengeis, der zwar von joh Kenntnis der Synoptiker, aber nur von einem beschränkten synoptischen Einfluss auf den vierten Evangelisten ausgeht, 6 über A. Dauer, nach dem die Synoptiker nur auf die vorjoh Quelle eingewirkt haben, und M.-E. Boismard, nach dessen Uberaus komplizierter Quellen- und Redaktionstheorie der synoptische Einfluss im Gegenteil nicht die joh „Urschicht", sondern erst die späteren redaktionellen Schichten betraf, bis zu F. Neirynck, der unter Ablehnung aller joh Quellentheorien die Benutzung aller drei Synoptiker durch den Verfasser des Johannesevangeliums voraussetzt und in diesem Zusammenhang von einer „relecture originale des Synoptiques" durch Johannes spricht 7 . Das Neuaufflammen der Diskussion Uber die Beziehungen zwischen Johannes und den Synoptikern ist der Anlass für die Entstehung der vorliegenden Arbeit. Das bedeutet aber nicht, dass hier lediglich eine kritische Besprechung der Literatur und eine Evaluation der verschiedenen Positionen und Argumente geboten werden soll. Die Auseinandersetzung mit der Literatur soll vielmehr im Rahmen einer eigenständigen Untersuchung der Zusammenhänge von johanneischer und synoptischer Tradition anhand eines gemeinsamen Stoffes erfolgen. Entsprechend werden auch nur jene Forschungsarbeiten zitiert und in der Bibliographie aufgeführt, die für diese Untersuchung wesentliche Anregungen und Erkenntnisse beigetragen haben. Zum methodischen Vorgehen sollen einige wenige Bemerkungen genügen: Die Frage der literarischen Abhängigkeit des Johannes von den Synoptikern entscheidet sich am ehesten am Vorkommen oder Fehlen redaktioneller synoptischer Elemente bei Johannes. 8 Allerdings stellt sich diese Frage ja nicht nur auf der Ebene der Endfassungen, sondern - angesichts der Mehrschichtigkeit 5 6 7 8

S. Denaux, John passim. S. Hengel, Frage 208f. Neirynck, Jean 120. Dieses methodische Prinzip ist, obwohl an sich keineswegs neu, von Riniker, Jean 6 41f zu Recht in seiner Bedeutung betont und an den Anfang seiner Arbeit gestellt worden. Es wird zwar von jenen Forschern, die eine joh Abhängigkeit von den Synoptikern behaupten, nie explizit bestritten, aber auch kaum konsequent angewendet. Oft werden in flächenhaftem Vorgehen Berührungen zwischen Texten, die nur wenig miteinander zu tun haben, angehäuft, wohl in der Hoffnung auf eine gewisse kumulative Wirkung. Letztlich handelt es sich dabei aber um verlorene Liebesmüh.

Einleitung

3

sowohl des Johannesevangeliums wie der synoptischen Texte - auch auf der Ebene der Quellenschriften. Das heisst, dass die Zusammenhänge zwischen der johanneischen Tradition und den synoptischen Überlieferungen auf allen Stufen gesondert untersucht werden müssen. Ziel der Arbeit aber wird so - über die Klärung der Frage nach allfälligen literarischen Beziehungen zwischen Joh und Mt bzw. Lk hinaus -, eine Traditionsgeschichte unseres Stoffes, der Erzählung von der Heilung eines Jungen in Kapemaum, entwerfen zu können. Damit ergibt sich folgender Aufbau der Arbeit: In den Kapiteln 2 und 3 wird eine Scheidung der traditionellen und der redaktionellen Elemente in den uns vorliegenden Fassungen der Evangelien und eine Rekonstruktion der jeweiligen Quellen versucht; Kap. 2 ist den synoptischen Varianten, Kap. 3 dem johanneischen Text gewidmet. In Kap. 4 werden die verschiedenen Traditionen auf all ihren bis dahin erarbeiteten Stufen miteinander verglichen; dabei soll auch der Versuch gemacht werden, Uber die frühesten schriftlichen Fassungen hinaus zur ältesten Gestalt der Geschichte in der mündlichen Überlieferung vorzustossen, so dass am Ende dieses Abschnitts die gesamte historische Entwicklung unserer Heilungserzählung überblickt werden kann. Der damit in seinem äusseren Ablauf ermittelte Prozess der Entfaltung eines neutestamentlichen Stoffes wird in Kap. 5 zum Gegenstand einer kurzen theologischen Interpretation. Zum Schluss der Arbeit soll dann in Kap. 6 ein Rückblick auf die Hauptergebnisse unserer Untersuchung gegeben werden.

2 Der ,Hauptmann von Kapernaum' in den synoptischen Evangelien

2.1

Rekonstruktion der Q-Fassung

2.1.1

Grundlagen der Rekonstruktion

Innerhalb der drei synoptischen Evangelien erscheint die Perikope von der Heilung des Jungen eines Hauptmanns in Kapernaum bei Mt und Lk, sie fehlt aber bei Mk. Der Abschnitt steht in Lk 7,1-10 unmittelbar nach der auf Q zurückgehenden Feldrede, und auch in Mt 8,5-13 folgt er der grossen Rede, nur durch einen kurzen Einschub von ihr getrennt. Dies alles lässt vermuten, dass die Geschichte von Mt und Lk aus Q übernommen worden ist, zumal die Versionen beider Evangelisten teilweise bis in den Wortlaut hinein miteinander übereinstimmen. 1 Dabei ist nun allerdings ein grosser Unterschied zwischen den einzelnen Teilen der Perikope zu beobachten, denn die wörtlichen Übereinstimmungen finden sich fast ausschliesslich im zentralen Dialogteil, währenddem die narrativen Einleitungs- und Schlussabschnitte (Lk 7,2-6b.lO/Mt 8,5-7.13) erheblich divergieren; und zwar haben wir es hier nicht nur mit unterschiedlichen Formulierungen eines prinzipiell gleichen Handlungsverlaufs zu tun, sondern mit zwei ganz verschiedenen Varianten der Geschichte, von denen nur eine auf die Logienquelle zurückgehen kann. Deshalb ist nun vor dem Versuch einer Rekonstruktion des Q-Textes die Frage zu klären, ob für diese Rekonstruktion bei den Erzählteilen von der mt oder der lk Version auszugehen ist. Die Erzählung des Mt läuft einfach und geradlinig auf ihren Höhepunkt, die Glaubenserklärung des Hauptmanns und die anerkennende Antwort Jesu, zu. Der Hauptmann selbst bittet bei Jesus für seinen kranken Trais. Jesus, für den diese Bitte die Aufforderung impliziert, ein heidnisches Haus zu betreten, reagiert ablehnend: „Ich soll kommen und ihn heilen?" 2 Doch der Hauptmann Den Argumenten, die gegen eine Herkunft des Abschnitts aus der Logienquelle ins Feld geführt werden, begegnet überzeugend Wegner, Hauptmann 286ff. Zum Verständnis von V.7 als ablehnende Gegenfrage s.u. Anm. 28.

Rekonstruktion der Q-Fassúng

5

Uberwindet die Bedenken Jesu, indem er demütig versichert, er sei nicht würdig, dass Jesus unter sein Dach komme; ein Wort aus der Feme, von Jesus in seiner Vollmacht gesprochen, genüge, seinen Trais zu heilen. Jesus bewundert den Glauben dieses Heiden und stellt ihn dem Unglauben Israels gegenüber. Nach einem zusätzlichen Weissagungswort Jesu über Juden und Heiden, der Heilungszusage und der Entlassung des Hauptmanns wird zum Schluss nur noch kurz die tatsächlich eingetretene Heilung des Jungen konstatiert. Bei L k verläuft die Einleitung bis zur demütigen Vertrauenserklärung des Hauptmanns ungleich windungsreicher 3 : In breiter Erzählung - nicht wie bei Mt in knappem Dialog - wird zunächst die Situation geschildert: Der Knecht des Hauptmanns - hier wird die Bezeichnung öovAos statt des mehrdeutigen Wortes Trais verwendet - ist nicht nur krank, sondern gar dem Tode nahe. Der tKaTovTapxqs schickt zunächst, als er von Jesus hört, eine Gesandtschaft von jüdischen Ältesten, um diesen zu bitten, zu ihm zu kommen und seinen Knecht zu retten. Dieirpto-ßvTepoi bemühen sich eifrig, die judenfreundliche Haltung des Hauptmanns und sein gottesfurchtiges Handeln herauszustellen und so allfällige Bedenken Jesu gegenüber dem Umgang mit einem Nichtjuden zu zerstreuen. Jesus, offensichtlich von den Argumenten der Ältesten Uberzeugt, geht mit ihnen. Jetzt aber besinnt sich der Hauptmann seltsamerweise plötzlich anders und schickt eine weitere Gesandtschaft (diesmal von v 'IovbaLuiv epurwv avrov OTTMS (kduiv ... (auxrrjl) rov hovkov avrov.

2.2.2.3

Lk 7,4

Auch in diesem Vers dürfte Lk kaum in seine Vorlage, die sprachlich anderem lk Sondergut nahesteht, eingegriffen haben. •napayLvonai ist zwar ein lk Vorzugswort und wird von Lk bisweilen redaktionell eingesetzt. Es kommt aber auch mehrmals im Sondergut vor, einmal sogar in Verbindung mit -np6s, währenddem Lk allgemein eher •napayivop.a.L+ds zu bevorzugen scheint. 89 Charakteristisch für das lk Sondergut - gerade gegenüber dem Sprachgebrauch von Lk selber - ist die an dieser Stelle nicht unbedingt nötige Nennung des Namens .Jesus'; Lk hat als Redaktor die Tendenz, 'ITJO-OÜS ZU vermeiden. Umso auffallender ist, dass der Name in Lk 7, 2-6b nicht weniger als dreimal erscheint. 90 rrapaKakiu) ist zwar in der Apg häufig, 91 wird aber von Lk im Evangelium zurückhaltend benutzt, v.a. nur selten im Sinn von .bitten', der für unsere Stelle anzunehmen ist. Nie setzt es der dritte Evangelist in dieser Bedeutung in seinen Mk-Stoff ein. 92 Da das Wort auch für das Sondergut bezeugt ist, steht der Annahme eines Ursprungs aus einer lk Sonderquelle an unserer Stelle nichts entgegen. (rnov&aiws erscheint innerhalb der Evangelien und der Apg lediglich hier; stammverwandte Wörter wie airtvbo) und arrcruhri kommen bei Lk fast nur im Sondergut vor. 9 3 Pleonastisches ktywv/-ovres ist im Lk-Evangelium allgemein sehr häufig, sei es nun in der lk Redaktion, sei es im Sondergut. Das folgende OTL recitativum hingegen ist, obwohl es Lk auch sonst nicht fremd ist, eine besondere Eigentümlichkeit des Sondergutes.94 Das Adjektiv afIOJ findet sich innerhalb des Lk-Evangeliums nur in Q- und (noch häufiger) in Sondergut-Abschnitten. Zwar verwendet es Lk in der Apg nicht selten; aber der Gebrauch von afio? an unserer Stelle ohne vom Adjektiv abhängigen Genetiv oder Infinitiv ist unlk. 95

89 90 91 92 93 94 95

S. Wegner, Hauptmann 173. S. Wegner, Hauptmann 163. S. Schulz, Q 238, Anm. 410. S. Wegner. Hauptmann 130. S. Wegner, Hauptmann 178. S. Wegner, Hauptmann 174ff. S. Schürmann, Lk I 392, Anm. 17.

Die zweite synoptische Überlieferung des Stoffes in Lk 7.2-6b. 10

23

TTapey^w schliesslich tritt innerhalb des Lk-Evangeliums Uberwiegend im Sondergut auf. Seine Herkunft aus einer lk Sonderguttradition erscheint daher als durchaus wahrscheinlich, obwohl es auch von Lk selber in der Apg recht häufig verwendet wird. 96 Wir schlagen vor, diesen Lk-Vers als unveränderte Sondergutüberlieferung anzusehen: ol öe TTapa.-ytvofj.evoi npos

kiyovrts

ötl

a£io?

eoriy

tov

iL wape^T]

2.2.2.4

'Iriaovv "naptKakovv

avrov

o-nov&aioos

tovto-

Lk 7,5

Dieser Vers zeigt am deutlichsten die sprachliche Prägung des lk Sondergutes: ayairäw, ein Wort, das von Lk als Redaktor gemieden und aus seinen Vorlagen zum Teil gestrichen wird und das in der Apg nie auftaucht, erscheint häufig in Sondergut-Abschnitten. 97 edvos begegnet zwar auch in der Apg, das Lk-Evangelium aber kennt es nur als Übernahme aus den Vorlagen, und zwar ganz überwiegend aus dem Sondergut. 9 8 Ebenso ist avvaywyi7 ein ausgesprochenes Vorzugswort des Sondergutes, währenddem die lk Redaktion den Begriff - trotz seines häufigen Vorkommens in der Apg - im Evangelium nicht besonders bevorzugt. 99 Schliesslich tritt auch olKohofxetxi, in der Apg selten verwendet und im Evangelium kaum je redaktionell eingefügt, oft im Sondergut auf. 1 0 0 Neben diesen vokabelstatistischen Indizien liefert auch der unlk Stil mit der einfachen Kai-Parataxe einen weiteren Hinweis auf eine vorlk, traditionelle Herkunft des Verses. Auch dieser Lk-Vers gibt also wahrscheinlich genau den Wortlaut der Fassung des Sondergutes wieder: ayaTTÖ. yäp to

edvos i])iwv Kai ttjv

2.2.2.5

avvaywyr]v

amos

äjKoböfirjaev Tjfxiv.

Lk 7,6ab

Es ist nicht anzunehmen, dass Jesus sich bereits in der ursprünglichen Version des Sondergutes zuerst mit den Gesandten auf den Weg machte und dann durch den - von einer zweiten Gesandtschaft übermittelten - Widerspruch des Hauptmanns, der ja vorher um sein Kommen hatte bitten lassen, aufge96 97 98 99 100

S. Wegner, Hauptmann 179. S. Wegner. Hauptmann 182. S. Wegner, Hauptmann 183 S. Wegner, Hauptmann 184f. S. Wegner. Hauptmann 185f.

24

Der .Hauptmann von Kapernaum' in den synoptischen Evangelien

halten wurde (s.o. 2.1.1 und 2.2.1). Darauf, dass in der Gesandtschaft der (pikoi in V.6ab vielmehr eine redaktionelle Einfügung des Lk zur Einbindung des Q-Dialogs von V.6c-9 zu sehen ist, deuten auch sprachliche Indizien hin: So ist iropt.vo}xai - im Evangelium wie in der Apg - ein ausgesprochenes Vorzugswort des Lk. 101 In der Verbindung mit und das Präpositionalobjekt irpoi avröv beschrieben wird, mit der knappen, schlanken Formulierung an unserer Stelle: 7rtju7rw wird hier ganz lk, aber entgegen dem Sprachgebrauch des Sondergutes 104 , ohne Präpositionalobjekt, in der Bedeutung .aussenden', gebraucht. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass Lk mehrmals ein mk a7rooreAAco irp6s/tis zu einem Ausdruck mit irtfj.Trw ohne Präpositionalobjekt umformuliert hat. 105 In ähnlicher Weise hat er wohl in unserer Perikope die vom Sondergut für die erste Gesandtschaft vorgegebene Wendung bei der Gestaltung der von ihm ergänzten zweiten Botenentsendung variiert. An einer Stelle freilich ergeben sich aus der stilkritischen Analyse Bedenken für eine Herleitung des ganzen Versteils 6ab aus der lk Redaktion: Die Formulierung 77677 tk avrov ov fxaKpäu aniypvTos airo r f j s oinias nämlich weist zwar mit der Verwendung des Genetivus absolutus ein lk Stilmerkmal auf; aber anderseits - und dieses Argument wiegt recht schwer - ist das intransitive aktive aire')(c«j Lk selbst eher fremd: Es erscheint in der Apg gar nie und im Evangelium ausschliesslich im Sondergut. Sonst wird das Verb bei Lk nur transitiv oder dann in medialer Form verwendet. Ausserdem ist der Gesamtausdruck ¡xaKpav ¿7r€)(oü im lk Doppelwerk ausser an unserer Stelle nur noch einmal, und zwar für das Sondergut, bezeugt. 106 Es ist demnach damit zu rechnen, dass sich an dieser Stelle im insgesamt sicher lk Versteil 6ab noch ein isolierter Rest der Sonderguttradition erhalten hat.

101 102 103 104 105 106

S. Schulz, Q 238, Anm. 410. S. Wegner, Hauptmann 190 S. Schulz, Q 238, Anm. 410 und Wegner, Hauptmann 195. Vgl. Lk 4,26;15,15;16,27. S. Lk 20,11.12.13 d i f f M k 12. S Wegner. Hauptmann 192ff.

Die zweite synoptische Überlieferung des Stoffes in Lk 7.2-6b. 10

25

Für die Rekonstruktion der Sondergutquelle hat sich damit aus diesem Vers nur der folgende Ausdruck aufgedrängt: . . .77677 de avrov

oi)

paKpav

¿7RE)(OYRO? an0

2.2.2.6

TT)? O I K I A ? . . .

Lk 7,10

Es ist wahrscheinlich, dass die lk Sondertradition unserer Geschichte mit der Erzählung geendet hat, wie die Gesandten zu ihrem Auftraggeber zurückgekehrt sind und den Knecht gesund vorgefunden haben. Der inhaltliche Kern von Lk 7,10 dürfte also aus der Tradition stammen, und auch bei der Formulierung der zentralen Aussage tvpov TOV hovkov spricht nichts gegen die Annahme eines Ursprungs aus der Sondergutvorlage des Lk: evpiaKw wird im Sondergut ausgesprochen häufig verwendet, und bovKos gehört - wie in 2.2.2.1 gezeigt - ohnehin zur Sondergutüberlieferung unserer Perikope. Der Rest des Verses allerdings dürfte stark redaktionell überarbeitet sein. Das zeigt sich besonders an der für Lk typischen Häufung von Partizipien wie virocrTpe\(/avT£i von virotTTpiipw, einem Vorzugswort des L k , 1 0 7 oder vyiaivovTa von vyLaivu, einer Vokabel, die in den Evangelien nur bei Lk vorkommt 1 0 8 . V.a. aber ist wohl der Ausdruck oi iT€fi(pö(vTes von Lk eingesetzt worden. Er nimmt nämlich auf das redaktionelle ( i r e ^ e u cfu'Aous von V.6b (s.o. 2.2.2.5) Bezug. Im Zusammenhang der ganzen Perikope entsteht durch die lk Formulierung eine Unklarheit: Welche Gruppe von Gesandten bezeichnen die 7Te^(pd€VT€i: die Freunde, die jüdischen Ältesten, die ja immer noch bei Jesus sein müssen, oder alle zusammen? Kann man darunter nur jene verstehen, deren Entsendung vorher auch mit dem Verb 7rc/x7rw beschrieben wurde? Dann müssten sich die irptaßvTepoi in Luft aufgelöst haben! Am wahrscheinlichsten ist, dass in der Vorlage des Lk, in der ja nie von der Entsendung einer zweiten Botengruppe die Rede war, oi TrpeaßvTtpoi stand und Lk diese Wendung dann, nachdem er selbst auch noch die