Das Steintal im Elsass: Eine geschichtliche Studie über die ehemalige Herrschaft Stein und deren Herren, sowie über die Entwicklung des gesamten Wirtschafts- und Geisteslebens im Steintal [Reprint 2021 ed.] 9783112601105, 9783112601099

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Das Steintal im Elsass: Eine geschichtliche Studie über die ehemalige Herrschaft Stein und deren Herren, sowie über die Entwicklung des gesamten Wirtschafts- und Geisteslebens im Steintal [Reprint 2021 ed.]
 9783112601105, 9783112601099

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DAS

STEINTAL IM ELSASS EINE GESCHICHTLICHE STUDIE ÜBER DIE EHEMALIGE HERRSCHAFT STEIN UND DEREN HERREN, SOWIE ÜBER DIE ENTWICKLUNG DES GESAMTEN

WIRTSCHAFTS-

UND GEISTESLEBENS IM STEINTAL

VON

KARL EDUARD BOCH

MIT EINER KARTENSKIZZE

Gedruckt

mit Unterstützung

der

Canitz-Stiftung.

STRASSBURG VERLAG VON KARL J. TRÜBNER 1914

DAS

STEINTAL IM ELSASS EINE GESCHICHTLICHE STUDIE ÜBER DIE EHEMALIGE HERRSCHAFT STEIN UND DEREN HERREN, SOWIE ÜBER DIE ENTWICKLUNG DES GESAMTEN

WIRTSCHAFTS-

UND GEISTESLEBENS IM STEINTAL

VON

KARL EDUARD BOCH

MIT EINEiR KARTENSKIZZE

STRASSBURG VERLAG VON KARL J. TRÜBNER 1914

ALLE HECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG, VORBEHALTEN

DEN BREUSCHTÄLER LEHRERN GEWIDMET

VORWORT Durch die segensreiche Wirksamkeit eines edlen Menschenfreundes, des Pfarrers Oberlin in Waldersbach, ist das Steintal weit über die Grenzen des Elsaß hinaus berühmt geworden, und in der ganzen Welt gibt es Oberlinverehrer und Freunde des Steintals. Zu letztern rechne ich auch die vielen Sommergäste, die alljährlich in den Steintaldörfern die gewünschte Erholung finden, und die Touristen und Liebhaber des Wintersports, die das Steintal wegen seiner landschaftlichen Reize lieb gewonnen haben. Sie alle möchte dies Buch mit der wechselvollen, bisher wenig bekannten Vergangenheit der ehemaligen Herrschaft Zum Stein vertraut machen. Nicht zuletzt möchte es für die Steintäler Lehrer eine Fundgrube werden, woraus sie schöpfen können bei Erteilung heimatlichen Geschichtsunterrichts. Quellen : 1. Die Gemeindearchive: Wildersbach, Rothau, Solbach, Neuweiler, Fouday, Belmont. 2. Die Pfarrarchive: Waldersbach, Rothau, Neuweiler. 3. Die Kaiserl. Bezirksarchive: Straßburg, Colmar. 4. Die Stadtarchive: Obërehnheim, Straßburg, Schlettstadt, Bischweiler. 5. Das Königl. Kreisarchiv Speyer. 6. Das Großherzogl. Generallandesarchiv Karlsruhe. 7. Das Gräflich Andlaw'sche Archiv in Freiburg i. Br. 8. Das K. k. Statthaltereiarchiv Innsbruck. 9. Die Stadtbibliotheken: Straßburg (Manuskript M 734 II), Trier (Affaires d'Alsace IV, 5 u. VIII, 9). 10. Urkundenbücher, Chroniken, sowie die einschlägige Litenitur 1 ). 1 ) Die Archives départementales des Vosges (Epinal) und die Archives départementales de Meurthe-et-Moselle (Nancy) sollen nach den von dort erhaltenen Auskünften vom 20. Januar 1913 und 30. Mai 1913 kein Material zur Geschichte der Herrschaft Stein enthalten.

VI Quellenbruchstücke sind stets mit der Orthographie des Originals wiedergegeben. Wo eine Übersetzung des französischen Quellentextes angezeigt erscheint, ist dies durch Fußnoten angedeutet. — Aus Versehen wurde in mehreren Anmerkungen (S. 111, 115—118, 120, 139, 141, 142) statt R6gistre Registre gedruckt, was die Leser gütigst entschuldigen wollen. Den Herren: Archivar Prof. Bernays, Universitätsprofessor Dr. Ficker, Oberlehrer Dr. Hund, Archivdirektor Prof. Dr. Kaiser, Kreisschulinspektor Lombard, Oberlehrer Dr. Ploen, Dr. Stenzel, Assistent am Bezirksarchiv Straßburg, Stadtbibliothekar Dr. Teichmann und Pfarrer Werner in Wildersbach, die mir bei der schwierigen Sammelarbeit oder bei der Durchsicht des Manuskripts in zuvorkommendster Weise behilflich waren, spreche ich auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank aus. Wildersbach, Kronenburg,

im

Frühjahr

1 9 R

Der Verfasser.

Abkürzungen. B. A. Str. B. A. C. St. A. Str. St. A. O. Str. Urk. B. Urk. Rapp. Urk.

= = = = = = =

Bezirksarchiv Straßburg. Bezirksarchiv Colmar. Stadtarchiv Straßburg. Stadtarchiv Oberehnheim. Straßburger Urkundenbuch. Basler Urkundenbuch. Rappoltsteiner Urkundenbuch.

INHALTSANGABE

Seite

I. Die Herren 1. 2. 3. 4.

1—73

Älteste Zeit; Allgemeines über die Herren von Rathsamhausen . Die Rathsamhausen zum Stein Die Pfalzgrafen von Veldenz Französische Zeit a) Angervilliers b) Madame de Ruffec c) Voyer d'Argenson d) Baron von Dietrich

II. Das Volk

74 - 237

A. Besiedelung und Sprache im Steintal B. Das Wirtschaftsleben 1. Pflichten und Rechte der Steintäler; Revolution . 2. Kriegszeiten 3. Erwerbsquellen C. Das Geistesleben 1. Kirchliche Zustände 2. Das Schulwesen D. Wohltäter 1. Johann 2. Johann 3. Oirstav

1—15 15—44 44—65 65—73 65— 70 70 70 70— 73

.

.

.

des Steintals Qeorg Stuber Friedrich Oberlin Steinheil und Tommy Fallot

III. Anhang 1. Notizen Uber St. Blaise und Bliensbach 2. Inventar des Rothauer Hofs in Oberehnheim (1640) . 3. Hexenprozesse im Steintal 4. Nachtrag zu Seite 31 und 34 5. Steintäler Sagen

74—101 101-175 101 — 124 124—151 151 — 175 175-216 175—210 210—216 216—237 216—221 221—236 236-238

.

.

.

238-250 238—240 240—242 242—244 244 245—250

ERSTER TEIL.

DIE HERREN. 1. Älteste Zeit. Allgemeines über die Herren von Rathsamhausen. Versteckt im Tannenwalde liegen auf einem steilen Felsen (820 m), oberhalb des Dorfes Bellefosse, die spärlichen Reste der Burg Stein. Durch die Gesellschaft für Erhaltung der geschichtlichen Denkmäler im Elsaß sind sie im Jahre 1886 vermittels Treppen zugängig gemacht worden. Erhalten sind Reste eines Rundturmes in Buckelquaderwerk aus Sandstein, dahinter Reste von Mauern eines Wohngebäudes *). Der Volksmund berichtet, daß einst die Ruine bedeutend größer w a r 8 ) ; doch hätten in früherer Zeit die Bewohner von Bellefosse da ihren Bedarf an Bausteinen gedeckt. Dem der Sage nach einst prächtigen Schloß verdankt das Steintal seinen Namen. Die natürlichen Grenzen der ehemaligen Herrschaft waren im Nordwesten die Breusch, im Nordosten die Rothaine; im Süden grenzte sie an das Weilertal und im Osten auf dem Hochfelde an die Gebiete von Oberehnheim und Barr 3 ). Die Breusch trennte das Steintal von der Grafschaft Salm*), und die Rothaine") bildete die Scheide gegen die Territorien des Bistums Straßburg. Die Herrschaft «Zum Stein» umfaßte ursprünglich außer einigen Höfen folgende zehn Ortschaften: 1. Beifuß (Bellefosse), 2. Blenckesbach (Blancherupt), 3. Hiltwinsgerute (St. Blaise), 4. Neuweiler mit *) F. Wolff, Elsässisches Burgenlexikon. 1908. Besitzer der Ruine: W i t w e Anna Härter, geb. Legrand, zu Straßburg, und Frau Marie Stern in Mülhausen i. E. 3 ") Siehe Anhang: Sagen. ) Schoepflin, Alsatia illustrata, II, 206. *) B. A. Str. 5 C 650, u. ) Dr. J. Fritz, Das Territorium des Bistums Straßburg um die Mitte des XIV. Jahrhunderts und seine Geschichte. 1885. Urkunde Heinrichs IV. vom 15. 10. 1059; «iterum sursum in montem Miltenwag inde iterum ad rivolum Rotaha B o c h, Steintal.

1

2

Die Herren.

den Annexen Ringelsbach (Riangoutte) und Oberrothau (HauteGoutte), 5. Rothau, 6. Schönenberg (Belmont), 7. Solbach, 8. Urbach (Fouday), 9. Waldersbach, 10. Wildersbach. — Dazu tritt noch der angeblich an Stelle des Weilers Freudeneck bei Belmont gelegene abgegangene Ort Qrand-Courteau, der urkundlich nie erwähnt wird, der aber vermutlich mit dem nur in zwei Urkunden des Jahres 1489 genannten Qranso identisch ist. Rothau war der Hauptort. Bedeutend älter als dieses ist jedoch Urbach 9 ). Nach der Bauart zu schließen, stammt der romanische Turm der dem heiligen Johannes geweihten Kirche aus dem 12. Jahrhundert 7 ). Vor einigen Jahren wurden im Turme sehr alte Freskomalereien ") entdeckt, die wegen der Feuchtigkeit der Wände leider sehr notgelitten haben. Im östlichen Abschnitt der gewölbten Decke sieht man einen Adler mit der Inschrift Johannes, im nördlichen einen Ochsen mit der Inschrift Lukas, im südlichen einen Engel; der westliche Abschnitt, in dem sich drei ovale Öffnungen für die Qlockenseile befinden, ist mit Sternen bemalt. Der von einem gotischén Triumphbogen geschmückte Eingang zum Turm befindet sich in der Westwand. Beim Eintreten erblickt man zur Rechten die heilige Richardis von Andlau mit Krone, Szepter und wallenden Haaren, zur Linken den heiligen Petrus mit dem Schlüssel. Im Innern ist über der Tür ein Löwe abgebildet mit der Inschrift Markus. Rechts von der Tür bemerkt man ein Bildnis der heiligen Odilia'), links von derselben den heiligen Patrik 1 0 ) mit der Schlange. An der Nordwand ist über dem Fenster die Krönung der Maria dargestellt. Neben dem Fenster sah man im Jahre 1908 noch einen «Edelmann» und ein Frauengesicht; diese Bilder sind heute verschwunden. Links neben dem bunten Fenster der Ostwand befindet sich ein in die Mauer gebautes Sakramenthäuschen mit Tür aus geschmiedetem Eisen und Schloß; darunter steht der alte Grabstein des Junker Jörg "). Diese Hälfte der Ostwand trug früher das Bild Johannes des Täufers, rechts von dem Fenster kann man noch den unteren Teil des Bildes einer vornehm gekleideten Frau erkennen "). Über dem e et hinc insuper u s i u e ad Pruscham». ) Siehe Kapitel: Siedelung und Sprache 8 im Steintal. ') Das Reichsland Elsaß-Lothringen, III, 206. ) Rabavoie, Notice archéologique sur l'église de Fouday. Bulletin de la Société pour la Conservation 9 des monuments historiques d'Alsace. 1908. ) Von der darunter stehenden Inschrift konnte Rabavoie 1908 noch folgende Zeichen entziffern: NCT DILIA. Heute sind nur noch folgende Buchstaben leserlich: T 10 LIA. ) Inschrift: PATR ") Siehe Kapitel: Rathsamhausen 12 zum Stein. ) Rabavoie meint, es sei eine Darstellung der Maria Magdalena, während der Sakristan von Fouday behauptet, es sei ein Fräulein von Rozen-

3

Älteste Zeit.

Fenster der Südwand, in dessen Gesims ein Weihwasserbecken eingehauen ist, sind die noch sehr gut erhaltenen Wappen der Herren von Andlau und Rathsamhausen zu sehen. Ihr Vorhandensein deutet auf die engen Beziehungen hin, welche zwischen diesen beiden Adelsgeschlechtern bestanden. An dieser Wand waren früher noch drei von Ketten gebundene weibliche Gestalten hinter einem Gitter abgebildet. Die Steintäler nannten sie «les trois Princesses». Es wird erzählt, daß im 11. Jahrhundert die Burg Stein von Raubrittern bewohnt gewesen sei, welche die ganze Gegend unsicher machten. Am schlimmsten soll gehaust worden sein, als drei adelige Schwestern Besitzerinnen der Burg waren, die von ihrem Felsenneste aus die schändlichsten Räubereien ausführen ließen, bis ihnen endlich 1099 durch die Herren von Colroy-la-Roche, Schirmeck und Salm das unsaubere Handwerk gelegt wurde. Darüber schreibt Oberlin " ) : «Endlich gelang es den dreyen benachbarten Landesherren (dem von Schirmeck, dem von Klein Gabrey oder Colroy-la-Roche, Collis Regia ad Rupem und dem von ?) bey einem dicken Nebel das Raubschloß oberhalb Schönfuß (oder corrupte Bellefosse) zu überfallen und zu erstürmen, eben da die eine der Fräulein sich mit einem Edelmann verlobte. Das Schloß wurde zerstört, die 3 Fräulein wurden mit Ketten belegt, und so abgemalt an der Mauer des alten kleinen Kirchleins zu Urbach (Foudai) in Fresco, wo ich sie noch erkennen konnte, indem ich noch 9 Jahre lang in selbiger äußerst kleinen Kirche alle 4 Wochen den Gottesdienst hielt, nämlich von 1767 bis 1776 "). Man sagt: Es existierte eine alte Inschrift in selbiger Kirche in Foudai, die man für die Jahrzahl der Einnahme und Zerstörung des Schlosses hielt"), nämlich 109919).» Schon die Angabe, es seien damals 3 Ritterfräulein im Besitze der Burg gewesen, erweckt Bedenken. Salm ist erst 1190 erbaut worden, und Schirmeck ist nachweislich ebenfalls eine späte Gründung; mithin können die Herren von Schirmeck und Salm die Burg Stein im Jahre 1099 nicht zerstört haben. Herren von Colroy hat es nie gegeben "). Auch ist aus dem allgemeinen Gang der Besiedehusen.

13

) Oberlin, Bericht

20. 11. 1808.

an das Direktorium Augsburgischer

Konfession.

") Bei dem im Jahre 1776—1777 erfolgten Umbau der Kirche

wurden die Gemälde im Turm übertüncht. Ausdrucksweise Oberlins.

") Man beachte die vorsichtige

") J. Wolf, Elsässisches Burgenlexikon. 1908. L. Roeh-

rich, Le Ban-de-la-Roche. Notes historiques et souvenirs. 1890. S. 5. E. Wagner, Les ruines des Vosges. 1910, S. 327. u. a. haben die Notiz Oberlins kritiklos übernommen.

") Das Reichsland Elsaß-Lothringen, III, 529, bringt einige Notizen

über ein Schloß Königsberg (Colroy), die zum Teil falsch sind, zum Teil sich auf

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Die Herren.

lung der Gegend zu schließen, daß die Burg Stein im 11. Jahrhundert höchst wahrscheinlich noch nicht bestand "). Die Zerstörung im Jahre 1099 gehört demnach ins Reich der Dichtung. Wir haben es hier mit einer typischen Bildersage zu tun, zu der jenes Gemälde mit den drei weiblichen Gestalten in der Urbacher Kirche und die Ereignisse von 146918) den Stoff boten. — Die Wahrnehmung, daß Bilder Veranlassung zur Bildung einer Sage gaben, können wir häufig machen. Drei Jungfrauen sind als Kirchenfresken und in daran anschließenden Volkssagen und Legenden mehrfach bezeugt, vor allem in Bayern 50 ) und Tirol*1), aber auch im Elsaß **). Ihre Namen sind Einbet, Wilbet, Warbet ä3 ). Sie werden von manchen Mythologen als heiliggewordene Nomen oder Parzen angesehen"). In manchen Gegenden heißen sie Gaugöttinnen a5). Die Volkssage macht aus ihnen manchmal Ritterfräulein oder Töchter von Raubrittern. Drei Jungfrauen kommen auch in Heiligenlegenden vor, so in der Legende der heiligen Ursula und des heiligen Nikolaus. Dieser rettet durch reiche Geschenke die Seelen von drei Jungfrauen. In der Kirche von Langenzenn (Bayern) stellte ein alter Künstler die drei Jungfrauen «als Kinder in ihren Zellen» dar s°). Der heilige Nikolaus steht außerhalb der Zellen und reicht der ersten einen runden Goldklumpen. Es ist nun sehr wahrscheinlich, daß das leider zerstörte Bild in der Kirche zu Fouday dieselbe Legende darstellte wie jenes in Langenzenn, wenn auch in etwas anderer Form. (Gitter und Ketten statt Zellen.) Die als «Edelmann» gedeutete männliche Gestalt an der gegenüberliegenden Wand konnte recht wohl eine Darstellung des heiligen Nikolaus sein, der die geketteten Jungfrauen hinter dem Gitter erlösen will"). Gerade das Vorhandsein dieser männlichen Gestalt gab jedenfalls dem Volke, das die Bedeutung des Fresken nicht mehr kannte, aber 18 die westliche Hohkönigsburg beziehen. ) Siehe Kapitel: Besiedelung und M Sprache im Steintal. ") Siehe Kapitel : Rathsamhausen zum Stein. ) F. Panzer, Beitrag zur deutschen Mythologie. 1848. M. A. Eysn, Volkskundliches aus dem 21 bayrisch-österreichischen Alpengebiet. 1900. S. 35—62. ) J. V. Zingerle, Sagen aus Tirol. 1891. **) Hertz, Deutsche Sagen im Elsaß. 1910. S. 52 unter AnM merkung 72. Aug. Stöber, Volksbüchlein. 1859. I, S. 127. ) Auch Mechtund, Chunegund, Wibrand; bei Eschau heißen sie Chrischona, Ottilia, Margareta. M ) J. W. Wolf, Beiträge zur deutschen Mythologie. 1857. S. 166—203. 25 26 ) E. L. Rochholtz, Drei Gaugöttinnen. Deutsche Gaue, Bd. XIII. 1912. ) J. W. Wolf, Beiträge zur deutschen Mythologie. 1857. S. 172. ") Der Umstand, daß die Rothauer Kirche, eine Tochterkirche derjenigen von Fouday, dem heiligen Nikolaus geweiht ist, kann unsere Vermutung nur bestätigen. — Großherz. Generallandesarchiv Karlsruhe, Nachlaß Grandidier, Etat du diocèse de Strasbourg,

Älteste Zeit.

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gewisse Ereignisse des Jahres 1469S8) überliefert bekommen hatte, Veranlassung zu der Behauptung: Die Burg wurde erstürmt, «eben da sich eines der drei Fräulein mit einem Edelmann verlobte» "). Nach der Bauart zu schließen, stammt das Schloß Stein aus dem 12. Jahrhundert; angeblich ist es auf römischer Grundlage erbaut worden 30 ). Seine älteste Geschichte ist in fast völliges Dunkel gehüllt. Erst von der Mitte des 14. Jahrhunderts ab liegt sicheres urkundliches Material vor. Die damaligen Besitzer von Schloß und Herrschaft Stein sind die Herren von Rathsamhausen 31 ). Der Ursprung dieses Rittergeschlechtes ist gleich dem vieler anderer von Sagen umwoben; die Tradition verlegt sogar den Stammsitz der Rathsamhausen nach Italien, von w o sie Karl dem Großen ins Elsaß gefolgt sein sollen **). Es wird auch erzählt, daß Eberhard v. Rotzenhusen 935 nach Magdeburg beordert worden sei, w o Heinrich der Vogler mit den Fürsten und Rittern die Einrichtung von Turnieren besprach, und daß er daselbst an dem ersten Turnier teilgenommen habe"). Im Jahre 942 soll die Hausfrau Wilhelms v. R., eine geb. v. Hattstadt, auf dem Turnier zu Rottenburg zur Helmteilung verordnet worden sein 3 '). Alle diese Angaben sind natürlich unrichtig; sie beruhen auf einer der ärgsten Geschichtsfälschungen, die man kennt, auf «Rüxners Turnierbuch», das 1530 in Frankfurt erschien 35 ). M tome III, 641. **) Siehe Kapitel: Rathsamhausen zum Stein. ) Merkwürdig ist der völlige Mangel an alter Überlieferung. Die Sage von den drei Edelfräulein ist vor 1820 (Bericht Oberlins an das Direktorium Augsburgischer Konfession) ao nirgends belegt. ) Das Reichsland Elsaß-Lothringen, III, 1050. — Vergl. Kapitel: 31 Besiedelung und Sprache im Steintal. ) Die Angabe, daß sich das Schloß mit seinen Zugehörungen bis 1304 in Händen der Rappoltstein befand, und daß es dann durch Tausch an die Herren von Girsperg überging, ist unzutreffend. (Roehrich, Le Ban-de-la-Roche. 1890. S. 5.) Der von Schöpflin (Als. illustr., II, § 183) erwähnte Tausch bezieht sich auf Schloß Stein (Qirsberg) bei Rappoltstein. Vergl. >ä Das Reichsland Elsaß-Lothringen, III, 858. — Rapp. Urk., I, 256. ) Q. Erb, M Les châteaux de Hohkönigsbourg. 1889. S. 30. ) Ebenda. — B. A. Str., M E 11161. — Bernhart Hertzog, Edelsasser Chronik. 1592, IV, S. 271. ) Aug. Scheden, Die Herren v. Hattstadt und ihre Besitzungen. 1908. S. 10. Rapp. Urk., I, 36 S. 26. ) Bekanntlich wird in Deutschland erst im Jahre 1127 ein «torneamentum» (Turnier) erwähnt, das Kaiser Lothar in Würzburg abhielt. Aug. Scherlen, Die Herren v. Hattstadt. 1908. S. 10. *) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches 37 Geschlechterbuch, III, S. 348. ) Die Ministerialen waren die Dienstmannen eines Klosters; ihre Pflicht war die Verteidigung der Ehre und Freiheit des Klosters; sie bestanden Gefahren im Dienste der Äbtissin, genossen aber dafür auch besondere Vorteile. Schon früh bildeten sie einen von den übrigen Untertanen geschiedenen Stand. Aus der Ministerialität entwickelte sich nach und nach

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Die Herren.

Es herrschen verschiedene Ansichten darüber, ob Niederrhatsamhausen, ein abgegangenes Schloß in der Gemeinde Müttersholz, oder Oberrhatsamhausen die Wiege des Geschlechtes ist"). Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Rathsamhausen ursprünglich zu den Ministerialen37) des Klosters Hohenburg (St. Odilien) gehörten 38 ). Als dieses zu Anfang des 12. Jahrhunderts bei dem Zuge Friedrichs des Einäugigen zerstört worden war, mögen sie, dem Beispiele vieler Standesgenossen folgend, in staufischen Dienst getreten sein *•), wodurch sie zu immer größerer Macht und höherem Ansehen gelangten. So haben sie mehrfach Beziehungen zu der von den Hohenstaufen gegründeten Probstei St. Fides in Schlettstadt *°). Eberhardus et Bachelmus de Racinhusin unterzeichneten 1127 als Bevollmächtigte von St. Fides die Stiftungsurkunde der Abtei St. Johann bei Zabern 41 ). Während eines Jahrhunderts ist hierauf der Name Racinhusin sonderbarerweise völlig verschwunden, und erst 1227 taucht er wieder auf. Dagegen erscheint zwischen 1127 und 1227 das Geschlecht der De Lapide") oder De Rupe*3). Daß gerade in jener Zeit eine Menge bisher oft unbekannter Herrengeschlechter auftraten, die sich nach ihren neuerbauten Burgen benannten"), ist bekannt. Vermutlich war von Herzog Friedrich II. dem Eberhardus de Racinhusin als Belohnung für treue Dienste ein Stück Land, das nachmalige Steintal, als Lehen des Reichs übergeben worden; dieser erbaute sich alsdann eine Burg "), die, weil auf einem Felsen liegend, den Namen «Zum Stein» erhielt, und legte sich den Namen De Lapide (Zum Stein) bei. Bereits 1135 wird ein Eberhardus de Lapide*6) der Ritterstand, der niedere Adel. Q. Wagner, Untersuchungen über die Standes88 verhältnisse elsässischer Klöster. 1911. ) Zu den Ministerialen von Hohenburg gehörten alle die kleinen Edelfreien in der Umgegend von Oberehnheim, Ottrott, s Rosheim, Vinhege (abgegangener Ort). ') 0 . Wagner, Untersuchungen über die Standesverhältnisse elsässischer Klöster. 1911. S. 59. *°) Qroßh. Generallandesarchiv Karlsruhe, Nachlaß Grandidier, Carton III, Faszikel II. Basler Urkunden41 buch I, 111. ) J. Kindler von Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch, III, S. 348. J. Clauß, Historisch-topographisches Wörterbuch des Elsaß, S. 874—875. Kindler von Knobloch schreibt «Racinhusin», und dies höchstwahrscheinlich auf Grund urkundlicher Überlieferung; dagegen hat eine späte Abschrift der Urkunde von 1127 (B.A. Str. G 1622) und, vermutlich auf ihr fußend, Schcepflin (Als. dipl., p. 205) die Form «Rosselshusen», die aber jedenfalls auf einen Schreib- oder Lesefehler zurückgeht (statt Razenhusen oder Rozenhusen), da Herren v. Rosselshusen sonst nicht belegt sind und es einen Ort dieses Namens überhaupt nicht 4i gibt. ) Von dem lat. Worte lapis = der Stein. **) Von dem lat. Worte rupes = der Fels, vallis rupensis = das Steintal. ") A. Meister, Die Hohenstaufen ¡im Elsaß. 1890. S. 6. *5) Das Buckelquaderwerk und der Rundturm bestätigen es, daß der Bau in jene Zeit fällt. *6) G. Erb, Les chäteaux de Hohkönigsbourg.

Älteste Zeit.

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bezeugt, der nach dem Gesagten mit dem genannten Eberhardus de Racinhusin identisch w ä r e " ) . Ob das Gebiet des nachmaligen Steintals altes Krongut war, oder ob es vielmehr zu jenen Gütern gehörte, welche von Friedrich dem Einäugigen dem Kloster Hohenburg entrissen worden waren *8), um nachher in den Reichsbesitz überzugehen"), läßt sich schwer entscheiden. Gegen ersteres spricht der Umstand, daß die Reichsgüter im Elsaß zur Zeit der sächsischen Kaiser bedeutend an Ausdehnung eingebüßt hatten, und daß unser Gebiet mit dem einen der zwei großen Reichsgüter, welche zu Beginn der staufischen Zeit noch im Elsaß bestanden, mit dem Komplexe Marlenheim, nicht zusammenhing, vielmehr durch einen verhältnismäßig großen Landstrich von ihm getrennt war. Dagegen spricht für die zweite Annahme zunächst die nicht allzu große Entfernung zwischen Hohenburg, zu dessen Besitz ein großer Teil des Hochfeldstockes gehörte, und der Herrschaft Stein, deren Gebiet bis etwa zu dem heutigen Forsthaus Rotlach reichte, von wo aus das Kloster in zwei Stunden bequem zu erreichen ist. Ferner ist hier in Betracht zu ziehen, daß eine fahrbare Straße, die schon 1059 urkundlich strata 50 ) genannt wird, die Odiliengegend mit dem Steintal verband, welches einzig und allein durch diese, den Namen Flodelen führende Straße in direkter Verbindung mit der Ebene stand; denn die große Breuschtalstraße bog bei Schirmeck nach dem Donon ab und ließ das Steintal liegen. Auch das Bild der Odilia im Kirchturm von Fouday könnte auf die ursprüngliche Zugehörigkeit der Gegend zum Klosterbesitz hinweisen. Daß die Herrschaft, wie ein großer Teil des rechten Breuschufers, kirchlich von Oberehnheim abhängig war, verdient an dieser Stelle ebenfalls hervorgehoben zu werden. Von wesentlicher Bedeutung ist aber der Umstand, daß in der Zeit, w o unter dem Schutze und der Fürsorge Friedrich Barbarossas das Kloster Hohenburg wieder zu Blüte gelangte, die den Staufen getreuen De Lapide noch in einem gewissen, wenn auch losen, Abhängigkeitsverhältnis zum Kloster standen; sie sind als Ministerialen der Abtei Hohenburg mehrfach bezeugt. In einer von der berühmten Äbtissin des Odilienklosters, Herrad, ausgestellten Schenkungsurkunde vom 12. Oktober 117851) werden neben vielen anderen Theodoricus et Burcardus de Rupe als Zeugen 48 1889. S. 31. *7) Siehe weiter unten. ) Q. Wagner, Untersuchungen über die Standesverhältnisse elsässischer Klöster. 1911. S. 58. *•) A. Meister, Die 60 Hohenstaufen im Elsaß. 1890. S. 22. ) Urkunde Heinrichs IV. vom 15. 10. 1059. M — Joh. Fritz, Die Territorien des Bistums Straßburg. 1885. ) Würdtwein,

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Die Herren.

aufgeführt. (Hujius igitur testes sunt omnis Hohenburgensis Ecclesiae conventus, & ex ministerialibus Ecclesiae Theodoricus de rupe & Burcardus frater ejus.) In einer anderen hohenburgischen Urkunde gleichen Datums treten die zwei Brüder unter dem Namen Diethericus et Burcardus de Lapide als Zeugen auf ™). Im Jahre 1180 schenkte ersterer dem Kloster Etival einen in Ottenrode M) gelegenen Weinberg; er wird in der Urkunde ausdrücklich castellanus de Rupe genannt. (. . . vineam, quam vobis dedit Theodoricus castellanus de Rupe pro anima Adelinae uxoris suae sitam in villa Ottenroth ").) Die zwei Brüder sind ferner bezeugt in einer Urkunde von 1189 M). Eine Hohenburger Urkunde von 1196 nennt als Zeugen Burcardus de Lapide et Conradus de Rupe M) ; letzterer wird auch noch in den Jahren 1200") und 1210") urkundlich erwähnt. Oben kam bereits zum Ausdruck, daß die De Lapide vermutlich mit den Rathsamhausen identisch sind w ). Mangels an Siegeln kann ein absolut einwandfreier Beweis für die Richtigkeit dieser Vermutung zwar nicht erbracht werden; doch sprechen mehrere Tatsachen für ihre sehr große Wahrscheinlichkeit. Neben dem wohl nicht ganz zufälligen Umstände, daß zu Beginn des 13. Jahrhunderts mit dem Wiedererscheinen des Namens Rathsamhausen die De Lapide verschwinden 60 ), können vor allen Dingen aus dem Besitzstande der Geschlechter wertvolle Schlüsse gezogen werden. Im Jahre 1180 schenkte Theodoricus, castellanus de Rupe, dem Kloster Etival Weinberge bei Ottenrode 91 ), und 1189 empfing das Kloster Hohenburg unter gewissen Bedingungen durch Vermittelung Nova Subsidia diplomatica. pars. X, p. 63. A. Meister, Die Hohenstaufen im Elsaß. 5S 1890. S. 132, Nr. 115. ) B. A. Str. Q 22. Würdtwein, Nova Subsidia diplomatica. pars X, p. 68. A. Meister, Die Hohenstaufen im Elsaß. 1890. S. 132, Nr. 114. M ) Urkunde Kaiser Heinrichs IV. vom 15. 10. 1059. «villa Ottonis que dicitur Ottenrode.» Hier hatte also ein Vornehmer Namens Otto eine Rode (reuten, roden) oder Landgut. M ) Würdtwein, Nova Subsidia diplomatica. pars. X, p. 681. O. Wagner, Untersuchungen über die Standesverhältnisse elsässischer Klöster. 55 1911. S. 65. ) B. A. Str. Q 1229, 1 c. — Str. Urk., I 105 Nr. 37. — Annales de 56 57 l'Est VI 105. ) B. A. Str. O 1229, 1 d; G 2909, 1. ) B. A. Str. Q 2923, 3. M M ) Q. Erb, Les châteaux de Hohkönigsbourg. 1889. S. 31. ) Dieser Ansicht ist auch Oyss, Histoire de la ville d'Obernai. 1866. I 79. Wohl treten auch später noch vereinzelt Herren vom Stein oder De Lapide im Elsaß auf. 1240 ein Domherr Joh. De Lapide (O 2709, 7; Schoepflin, Als. ill. II § 487); 1261 H. De Lapide, canonicus (O 2729, 5); 147» Hans vom Stein (H. 1489, 22); 1500 Conrad zum Stein (Schœpflin. Als. ill. II § 487); 1514 Rosine zum Stein, Äbtissin in Niedermünster (Q 3068, 12 u. 13). Diese können verschiedenen Geschlechtern angehören, die rechts vom Mittelrhein und bei Basel saßen. Rosine zum Stein entstammte z. B. dem Geschlecht der Stein zu Reichenstein. (B. A. Str. Fonds Zabern 175, Bischöfl. 01 Manuale 1530—1533). ) Würdtwein, Nova Subsidia diplomatica, pars X p. 681.

Älteste Zeit.

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der Brüder Diethericus et Burcardus de Lapide von Burcardus de Argentina, der anscheinend ein naher Verwandter der letzteren war, die Nutznießung einer Mühle, mehrerer Äcker, Wiesen und Reben im Bann Ottenrode 62 ). Die De Lapide und ihre Verwandten müssen demnach ansehnliche Güter bei Ottenrode besessen haben. Seit dem Zeitpunkt nun, wo die De Lapide verschwinden, sind die neu auftauchenden Rathsamhausen in Ottenrode reich begütert, und zwar wird ebenfalls mehrfach eine Mühle erwähnt 03 ). Dies berechtigt zu dem Schlüsse, daß die Rathsamhausen mit den De Lapide identisch oder doch mindestens deren Erben sind. Die Tatsache, daß zu allen Zeiten mit dem Lehen zum Stein ein Dinghof und sonstige Rechte und Güter in Ottrott verknüpft waren, kann unsere Vermutung nur bestätigen. Im Jahre 1227 traten Eberhard von Andlau, seine Gemahlin Gertrud und deren Sohn aus erster Ehe, Hartmann von Rathsamhausen, das ursprünglich den Rathsamhausen bezw. De Lapide gehörende Patronatsrecht über die Kirche zu Niederottrott an das Kloster Niedermünster ab M ). Gertruds erster Gemahl, der Vater des Hartmann von Rathsamhausen, könnte mit dem in den Jahren 1196, 1200 und 1210 bezeugten Conradus de Lapide identisch sein" 6 ). Wenn dies zuträfe, müßten aber auch Hartmann von Rathsamhausen und seine nächsten Verwandten nach dem Tode des Conradus de Lapide im Steintal gesessen haben. Wie aus dem allerdings äußerst spärlichen Quellenmaterial geschlossen werden kann, war dies tatsächlich der Fall. Als in den letzten Jahren Kaiser Friedrichs II. die Rathsamhausen nicht mehr treu zu den Hohenstaufen standen 68 ), sondern anscheinend die feindliche Partei unterstützten, versprach Bischof Heinrich III. von Straßburg dem Philipp von Rathsamhausen seinen Beistand gegen Friedrich, «ehemals Kaiser» und dessen Sohn Conrad, wenn er wegen Güter, die seiner Ehefrau angehören, sollte angesprochen werden (Januar 1246) "), und zwei Jahre später (1248) zur Zeit der Händel mit Wilhelm von Holland hielt sich der genannte Bischof einmal in einem befestigten Orte namens Urbach 6!!

) B. A. Str. Q 1229, 1 c. — Str. Urk. I 105 Nr. 37. — Annales de l'Est VI 105. M M ) B. A. Str. G 2909, 1; O 2868, 5. ) B. A. Str. Q 3070, 2; Q. 3071. ) Wie M auch Q. Erb (Les châteaux de Hohkönigsbourg) vermutet. ) Noch 1236, als Friedrich II. den Bürgern von Molsheim ein Privileg vom 4. 2. 1219 bestätigte, befand sich unter den Zeugen ein R. de Razenhusen. — B. A. Str. Q 49. A. Meister, 67 Die Hohenstaufen im Elsaß. 1890. S. 150 Nr. 364. ) Böhmer, Regesten Friedrichs II. Nr. 19464. — J. Kindler von Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch III. 348. Wer die Ehefrau Philipps v. R. ist, und um welche Güter es sich handelt, 63

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Die Herren.

(in castris Urbach) auf" 8 ); es ist sehr wahrscheinlich, daß damit Urbach im Steintal gemeint ist, und im Hinblick auf die noch folgenden Ausführungen können wir annehmen, daß dieser Ort damals den Rathsamhausen gehörte, eine Tatsache, die mit der oben gekennzeichneten Freundschaft zwischen ihnen und dem Bischof in völligem Einklang steht. Unsere Vermutung, daß die Rathsamhausen im 13. Jahrhundert bereits das Steintal besaßen, scheint ferner durch eine Inschrift bestätigt zu werden, die sich in der ehemaligen Kirche des Barfüßerklosters zu Schlettstadt befand. Die Rathsamhausen waren nämlich schon früh auch in Schlettstadt begütert 69 ) und übten dort einen großen Einfluß aus. Schon am 12. November 1227 wird in einer Basler Urkunde 70 ) ein Hartmannus de Razenhusen advocatus de Schlettstadt") bezeugt. Dieser oder dessen Sohn Hartmann ist der Stifter des Barfüßerklosters in Schlettstadt 72 ). Auf der oben erwähnten, allerdings erst aus dem Jahre 1510 stammenden Inschrift wurde er ausdrücklich Hartmann v. R. zum Stein genannt 78 ). Wenn auch diese Gedenktafel aus ziemlich später Zeit stammte, so dürfen wir doch daraus entnehmen, daß die Rathsamhausen bereits im 13. Jahrhundert das Steintal besaßen; denn es darf wohl angenommen werden, daß die Mönche den Stifter ihres Klosters auf Grund der leider jetzt zerstörten Hausakten genau kannten, und daß der Zusatz «zum Stein» Berechtigung hatte. Endlich geht aus einer Urkunde vom 13. März 128471) unzweideutig hervor, daß die Rathsamhausen damals Rechte im Steintal besaßen. Schon kurze Zeit nach der Wiederverehelichung seiner Mutter Gertrud mit Eberhard von Andlau war Hartmann von Rathsamhausen mit dem Anhang seines Stiefvaters in Streit geraten 75 ), und sein Sohn Hartmann scheint ebenfalls in Zwist mit den Andlau gelebt zu haben. Einmal kam es bei Westhausen zu blutigen Auseinandersetzungen. Das Streitobjekt bildete diesmal das Gut e8 war nicht festzustellen. ) Escher u. Schweitzer, Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich. Nr. 756. — Das Reichsland Elsaß-Lothringen III 306. m 70 71 ) Vergl. ihre Beziehungen zu St. Fides. ) B. Urk. I 111. ) Er ist vermutlich identisch mit dem früher genannten Sohn Gertruds, Qemahlin Eberhards von Andlau. J. Geny, Die Reichsstadt Schlettstadt. 1900. S. 14. Berndart 73 Hertzog, Edelsasser Chronik. 1592. VI S. 270; VII S. 23—25. ) Dorlan, Notices 7< historiques sur l'Alsace et la ville de Schlettstadt. 1843. I 192. ) Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins. XXI. Inventar des gräflich Andlaw'schen Archivs, Freiburg i. Br. Nr. 3. Da mir die Originalurkunde nicht zugängig war, benutzte ich eine Abschrift des Barons v. Althaus zu Colmar, die mir Herr August Scherten, Assistent am Bezirksarchiv Colmar, vermittelte. So 1231 wegen d e s Schultheißenamtes in Müttersholz. B. A. Str. H 2335. — G. Wagner, Zeitschrift

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«ienhalb Hochveldes», vor allem das Dorf Hiltwinsgerute (St. Blaise), dessen Bann bis dicht an das im Steintal liegende Urbach reicht. Durch Schiedsspruch vom 13. März 128470) wurden hierauf die Rechte der beiden Parteien folgendermaßen geregelt"): Wir Albrecht der Kage, Hesse der voget, Anshelm der heiden und Bruder Rudolf von Racenhusen tun kunt allen den, die diesen brief sehent oder horent lesen nu oder her nach, daz wir umbe soliche mißhelle78), so uns zwischen hern Hartmann von Racenhusen und sinen Kinden einhalb, und andershalb hern Rudolfe von Andela dem alten und seinen brudern umbe daz gut, daz do lit ienhalb hochveldes und des hages ™) daz an uns gelascen wart, daz han wir also gescheiden aise hie nach geschrieben stat Wir heiscen ouch daz si beidenthalben ir reht M ) haben an dem walde, der uf dem eigen lit, als sie von alter her gesescen sint, e die mißehelle zwischen in wurde. Swo 81 ) si des mißehelle wurden, do suln sie nemen gemeine boten uf den eit in den nehesten vierzehnnahten **), sweder 83 ) die andern drombe manent und swaz 8 4 ) die botten bringent bi irme eide, daz sulnt sie beidenthalb stete han. . : . . . . Wir heiscen öch, daz man den von Racenhusen sol gen alle iar dri Schillinge Pfennige zu cinse von den zwein steinin husern ze hiltwinsgerute, wan si reht erbe sint, swer öch uf den selben husern sitzet, der sol den von Andela dienen. Wir sprechen öch, daz alle die huser of der almeinde ze hiltwinsgerute gemeine sint. Wir sprechen öch daz peters wib und ir gut höret die von Andela an. Swaz cinse ouch von der almeinde gat, die suln si geliche teilen und öch die almeinde, ob si wellent. Die waszer in den selben ban sint ouch gemeine, wellent si ez aber teilen, so suln die von Andela daz vierteil des wascers han. Swenne 86 ) die kornmule korn malet, so sol si niemann irren8') des wascers, so si aber niht malet, so sol die ander mule daz wascer bruchen, ob si ez bedarf. Der Kirchensatz sol gemeine sin, so in einer zweimal lihet, so sol in der ander dar nach lihen, und sol her Hartmann nu anvahen 87 ) ze lihene. Do dro huser of der wideme 88 ) suln si gelich teilen. Wir han och irvarn8"), daz daz hus ze Diezenhuse 90 ) höret, wan ez stat inrehalb der graben. Wir sprechen öch, daz er die lute sol haben in dem rechte, als unz 76 für Geschichte des Oberrheins XXVII S. 467. ) Gräflich Andlaw'sches Archiv jn Freiburg i. Br. Nr. 3. ") Es sind hier nur die für unsere Untersuchung 78 7B wichtigen Stellen der langen Urkunde angeführt. ) Streit. ) Hag, Wald. 80 81 M M ) Recht. ) w o immer. ) in den nächsten vierzehn Tagen. ) wer M 85 86 auch immer. ) w a s auch. ) wenn etwa. ) berauben, belästigen, 87 M stören. ) anfangen. ) «of der wideme» ist wahrscheinlich eine Flurbezeich89 90 nung. ) erfahren. ) Die benutzte Abschrift scheint hier fehlerhaft zu

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Die Herren.

her, daz ist, daz er die bette 91 ) alle von habern und von Pfennigen, die er von lûten nimet, soi halbe gan den von Andela. Der gezog9S) ist, daz ein ieglicher mac von eime herren zu dem andern, mag aber das herren gesinde ienen begrifen, der do enweg vert oder beschrien, e er komt über daz halbe wascer, er soi in widerziehen, komt er aber über, so nimet ime der herre des ersten iares sinen blumen 93 ) und brichet ime sin hus abe, ob er wil, blibet aber ez stände iar und tag, er sol ez wider lascen ieme, der von ime gezogen ist, und soi darnach sinen eins von ime enpfahen; hilfet öch ieman ieme sin gut enweg vùren 94 ), wirt er begriffen oder beschruwen, der wirt die besserunge9 Str. Urk. I. S. 376 10!! 103 Nr. 495. ) Str. Urk. I S. 396 Nr. 520. ) Wiegand, Zur Geschichte der 104 Hohkönigsburg. Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins. Bd. XXVI. ) Dieser Meinung ist, w i e ich nachträglich sehe, auch Prof. Dr. Wiegand, Zur Geschichte der Hohkönigsburg. o. J. S. V. Er schreibt: «Es scheint, daß die Herren v. Rathsamhausen die westlichen und die Hohensteiner [welche nach dem Grafen Sigebert von Werd auf der Hohkönigsburg saßen, 1276] die östliche Burg in der Form 106 der Ganerbenschaft in Besitz hatten». ) B. A. Str. C 306, 5. Wiegand, Zur Geschichte der Hohkönigsburg. o. J. S. 3. Das Reichslang Elsaß-Lothringen III 529 bezieht diesen Vertrag irrtümlich auf ein angeblich im Bann Colroy gelegenes Schloß Königsberg (collis regia). — Daß wirklich die hintere Hohkönigsburg gemeint ist, zeigt uns eine Urkunde vom 25. November 1284. Hierin bekennen 1OT

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Die Herren.

Königsberg» 106). Dieser Umstand kann als neuer Beweis dafür gelten, daß die Rathsamhausen im Jahre 1267, als sie den Vertrag wegen der Hohkönigsburg schlössen, auch das Steintal besitzen mußten. Stets hielten es die Rathsamhausen mit derjenigen Partei, von der sie am meisten Vorteile erhoffen konnten. Zuerst waren sie im Dienste der Hohenstaufen gewesen, und als deren Macht abnahm, fanden wir sie auf Seiten der Bischöfe. Bald nach der Krönung Rudolfs von Habsburg traten sie nun in habsburgische Dienste. Im Jahre 1286 verpfändete der Kaiser den Brüdern Hartmann und Egenolf von Rathsamhausen einen Teil des Reichsgutes Kinzheim um 150 Mk. Silber 107 ). Diese Verpfändung wurde im Jahre 1298 durch Albrecht von Österreich bestätigt 106 ). Für die engen Beziehungen, welche auch in der Folgezeit zwischen den Rathsamhausen und den Habsburgern bestanden, spricht die Tatsache, daß u. a. Diethrich von Rathsamhausen zum Stein Landvogt der Herzogin zu Österreich war 10 "). Vom 14. Jahrhundert ab gab es im Elsaß zwei Linien der Rathsamhausen: die R. zum Stein und die R. zu Ehenweiher, die sich später in mehrere Unterlinien verzweigten. Gemeinsamer Besitz beider Linien war das Dorf Nieder-Ottrott. Außerdem haben wir mit vorwiegendem Qüterbesitz in Baden die Rathsamhausen zu Triberg. Die R. z. Ehenweyer erhielten 1393 die Vorderlützelburg, eines der Ottrotter Schlösser, mit den zugehörenden Gütern in Nieder-Ottrott 110 ). 1561 kam die Hinterlützelburg an die R. z. Stein und heißt von da ab «Rathsamhausen» m ) . Von dem Ansehen, das die Rathsamhausen genossen, zeugt der Umstand, daß sie im 14. und 15. Jahrhundert Inhaber des Keßlerlehens waren 112 ). Wie die Rappoltsteiner über die Pfeifer, so besaßen die Brüder Burkard und Albert von Hohenstein und ihr Neffe Johann, von dem Landgrafen Johann von W e r d und seinen Brüdern die «burc ze Kunegesberc und s w a z darzu höret *, ane w a z die von Razenhusen her Uelriche um sine brudere g a hant **» zu Lehen empfangen zu haben. (* die vordere B u r g ; ** die hintere 10 °) So Burg.) Q. Erb, L e s châteaux de Hohkönigsbourg. 1889. Beleg Nr. VI. genannt seit 1417. ödenburg zum Königsberg = die öde, zerstörte Burg zum Königsberg. Die Zerstörung muß zwischen 1404 und 1417 stattgefunden haben. Die übrigen % gehörten ursprünglich den andern rathsamhausischen Linien. 10i) 1 0 8 ) Das Reichsland J . Gény, Die Reichsstadt Schlettstadt. 1900. ElsaßLothringen III 515. — Siehe ferner Stadtarchiv Schlettstadt AA 100, AA 108, u . 1 1 0 ) Dr. R. J 09 ) B. Urk. VI Nr. 288. Urkunde aus Hagenau vom 23. Dezember 1431. Forrer, Der Odilienberg, seine vorgeschichtlichen Denkmäler und mittelalterlichen Baureste, seine Geschichte und seine Legenden. 1899. S. 17. B. A. Str. G 799 l n ) Familienbuch entsprechende Belehrungsurkunde von 1442. der Freiherren 1 U ) B. A. Str. C 299, ss; 299,88. von Müllenheim-Rechberg II S. 116. Winkel-

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sie das «Königtum» über die «Keßeler», die heißen die «Kaldschmyde» und wohnen zwischen dem Hagenauer Forste und Hauenstein und der «alten Brucken» und zwischen dem Forste und dem Schwarzwalde «als der Snee schmyltzet». Die Kesselmacher mußten dem jeweiligen Inhaber des Lehens einen Monat arbeiten, und zwar vierzehn Tage auf ihre Kosten und vierzehn Tage au! Kosten des Herrn. Diesem mußten sie alljährlich so viele Kessel und Kannen liefern, als er in seinem Hause gebrauchte. Für die Keßlerzunft gab es viele strenge Vorschriften. So durften u. a. «die Kupferschmiede und Kupferknaben» das Handwerk sowohl in der Stadt, als auch auf dem Lande nur ausüben, wenn sie als Sohn eines Meisters und in gesetzlicher Ehe geboren waren. Sie durften ihr Handwerk nicht außerhalb des Hauses betreiben und «Kilchweihe noch Wochen Märe nit suchen, doch frige Jarmerkt mögend sie wol suchen». Alljährlich zum Margaretentag berief der «König der Keßler» die Angehörigen der Zunft zu einem Gerichtstage nach Colmar. Inhaber des Keßlerlehens waren in der Regel die Ratnsamhausen zu Ehenweier; doch waren zeitweilig auch die R. zum Stein im Genuß dieser Würde. Als Ergänzung der in diesem Kapitel gemachten Ausführungen und als Überleitung zur eigentlichen Geschichte des Steintals und der Rathsamhausen zum Stein diene nachstehende Stammtafel 113 ).

2. Die Rathsamhausen zum Stein. Von der Mitte des 14. Jahrhunderts ab beginnen die Nachrichten über die Herrschaft Stein reichlicher zu fließen als bisher. Ihr damaliger Besitzer war Hartmann v. Rathsamhausen 1 ). Zwischen ihm und der Stadt Oberehnheim entbrannte ein heftiger Streit wegen eines auf dem Hochfelde gelegenen Waldes, der den bezeichnenden mann, Regesten der Pfalzgrafen am Rhein Nr. 5337, 5962. Altmann, Regesten Sigismunds Nr. 10022. J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch, 113 Bd. III 5, Lieferung S. 348. ) Die Zahlen unter dem Namen geben jeweils an, in welchen Jahren sein Träger urkundlich erwähnt ist. ') E. Dietz, Documents inédits pour servir à l'histoire de l'ancienne Seigneurie du Ban-de-la-Roche. 1878. S. 327. — Original nicht mehr auffindbar. Er darf nicht verwechselt werden mit dem Gemahl der Else von Andlau. (Vergl. Stammtafel.) Dieser lebte noch 1357. (Qräfl. Andlaw'sches Archiv Freiburg i. Br. Nr. 42.)

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Die Herren. Conradus de Lapide 1196, 1200, 1210

Hartmann v. Rathsamhausen 1227, 1231, 1262, 1267 Hartmann 1280, 1283, 1284

Else 1278 Gemahlin des Cuno v.Jungholz

Ulrich *) 1267, 1278, 1284, 1292, 1300

Dietrich 1303, 1314, 1321

Heinrich ••) vor 1338 f Gemahlin: Anna v. der Dicke.

Konrad 1318, 1321 Bruder d. Johanniterordens.

Hartmann um 1340 t 1382 als Vater des Dietrich genannt.

Friedrich 1338

Heinrich 1338 Hartmann 1338, 1357 Gemahlin: Else v. Andlau

Dietrich Gerotheus Hermann Frene 1355,1360,1382 f 1398, 1399 1374 1387 Gemahlin: Gemahlin: Gemahlin des Else v. Haus Anna v. Hewen. Wilhelm Hummel v. Staufenberg.

*) Ulrich wird 1292 als Dienstmann der Edelfreien von Rappoltstein erwähnt. (J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch III S. 348.) Die Rathsamhausen zum Stein waren bis 1689 Lehensmannen der Rappoltstein. (B. Bernhard, Recherches sur l'histoire de la ville de Ribeauvillé. 1888. S. 238—239.) **) Diese Seitenlinie der Rathsamhausen zum Stein war in Schlettstadt ansässig.

Namen «Kriegwald»®) führte; er erstreckte sich von der «Rothauwegescheide» bis zum Diebstein (?) und von da bis zum Milzwand 3 ). Als Hartmann starb, lag sein Sohn Dietrich noch in der Wiege *). Da bemächtigte sich Oberehnheim des Kriegwaldes und stellte darin eigene Förster an. Auch zog eine Schar bewaffneter Oberehnheimer *) Gemeindearchiv Wildersbach: an IV de la République «Streitwald» genannt. Die Bewohner von Belmont bezeichnen noch heute einen zwischen dem Hochfeld und dem Forsthaus Rotlach liegenden Wald mit dem Namen «Strittwald». 3) Minzfeld oberhalb des Dorfes Natzweiler. *) E. Dietz, Documents inédits pour servir à l'histoire de l'ancienne Seigneurie du Ban-de-la-Roche. 1878. S. 327. — Da

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Die Rathsamhausen zum Stein.

nach «Zenderotow» 6 ), verbrannte daselbst die Wohnhäuser und schleppte die Bürger Robon, Heinrich Seger, Bosch (den alten), Obrecht Vot (den alten und den jungen) und Binckelin nach Oberehnheim ins Gefängnis 6 ). Erst als sie versprochen hatten, einen jährlichen Zins an die Stadt zu entrichten, ließ man sie wieder frei. Der Zins wurde tatsächlich lange Jahre bezahlt; denn der minderjährige Dietrich v. R. konnte seine Untertanen nicht aus der Gewalt Oberehnheims befreien; vielmehr bedurfte er selbst des Schutzes gegen den Vogt Cunemann von Wazzelnheim, der die Ottrotter Güter bedrohte. Durch ausdrücklichen Befehl Kaiser Karls IV. wurde Oberehnheim im Jahre 1355 verpflichtet, Dietrich gegen die Übergriffe des Vogtes zu schützen. «Wir Karl von Gots gnaden römischer kunig ze allen zitten merer dez Reichs und kunig ze Beheim entpieten dem schultheiz, dem Rat und burgern gemeinlich der Stat von Ehenheim unser und dez heiligen Reichs liebe getruwen unser hulte und allez gut I Uns hatt zu wizzen getan unser liebe getruwe Diethrich von Rotzenhusen I daz in Cunemann vogt von Wazzelnheim zu unrecht irre und gehindert habe an seinem gute ze Ottenrode die er von uns ze lehen entpfangen hat und von dem heilige Reiche rüren darumb gebieten wir euwren truwen bei unsern hulten also daz ir den obgen Dietherich von unserm und dez Reichs wegen an denselben guten schirmet und behaldet biz sie uns uzgetragen wenn sie durch recht und die lantsgewohnheit sullen bleiben. Geben Hagenow, den nechsten mitwoche vor aller heiligen tage. In dem achten Jar unser Reiche 7 ).» Im Jahre 1360 vermählte sich Dietrich v. R. mit Else vom Haus, der Tochter Johann Ulrichs 8 ). Der Ehe entsprossen zwei Söhne, Dietrich und Gerotheus, sowie eine Tochter mit Namen Adelheid"). Das wichtigste Ereignis unter Dietrichs Herrschaft ist der Erwerb jener Rechte zu Hiltebe&gerute (St. Biaise), welche durch den bekannten Schiedsspruch von 1284 den Andlau zugefallen waren. Am 15. Juli 1371 nämlich verkauften Eberhard von Andlau und seine beiden Söhne Eberlin und Heinrich für 150 Pfund Pfennig Straßburger Währung 10 ) ihren Anteil an Hiltebesgerute und Blenckesbach (BliensDietrich 1360 heiratete, muß Hartmann spätestens 1340 gestorben sein. 6) «Zenderotow» bedeutet «Zu Ende Rothau»; frühe Bezeichnung für Oberrothau (HauteQoutte). Vergl. Kapitel: Besiedelung und Sprache im Steintal. ") E. Dietz, Documents inédits pour servir à l'histoire de l'ancienne Seigneurie du Ban-de7 la-Roche. 1878. S. 324—328. Original unauffindbar. ) St. A. O. DD 106. 8 ) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Oeschlechterbuch III S. 348. •) Diese vermählte sich am 2. November 1383 mit Rudolf v. Hohenstein; sie starb am 10 Hochzeitstage. — Ebenda. ) Dannenberg, Münzkunde. 1912. S. 179. Das

B o c h, Steintal.

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Die Herren.

bach) an Dietrich v. Rathsamhausen; sie überließen ihm außerdem 2V2 Pfund vom «gewerst» (Gewerf)") und alle Einkünfte, die ihnen im Steintale gehörten. Die Verkäufer garantierten ausdrücklich, keinerlei Rechte mehr in den Dörfern zu haben, und versprachen, die Käufer nie zu belästigen, noch zu dulden, daß dies durch andere geschehe. Der Kauf wurde vor Anselm von Kestenholz, Schultheiß zu Schlettstadt, und den Ratsmitgliedern Nikolas Qlutter, Cuntzelmann Rappenkappf und Hessemann von Kagenheim abgeschlossen "). Angeblich ist Dietrich v. R. 1386 bei Sempach gefallen13). Dies kann jedoch nicht stimmen; denn Else vom Haus war 1382 bereits Witwe "). Gleich nach dem Tode Dietrichs eröffneten die Oberehnheimer aufs neue die Feindseligkeiten wegen des Kriegwaldes, den der Verstorbene um 1360 der Stadt wieder abgenommen hatte. Da Else vom Haus den Frieden wünschte und auch für die Zukunft Streitigkeiten vermeiden wollte, ließ sie durch den Notar Johann Keller von Dieffenthal eine Untersuchung der Streitfrage vornehmen. Dies geschah am 20. Oktober 1382 zu Andela im Hause des Claus Billemann und in Gegenwart des Priesters Conrad von Westhausen, des Ritters Rudolf des Jungen von Andela und des Hansemann Billemann. Als Hauptzeugen waren erschienen der 70jährige Heinrich Werden aus Urbach und Volmar Gotzkene aus Barr, der seit 30 Jahren dortselbst Förster war. Dieser letztere konnte mit Bestimmtheit aussagen, daß die Rathsamhausen zum Stein von jeher im Kriegwalde die gleichen Rechte besaßen wie Oberehnheim. Heinrich Werden berichtete über den Uberfall auf Zenderotow durch die Ehenheimer und die von dem verstorbenen Dietrich bezüglich des Kriegwaldes mit der Stadt gepflogenen Unterhandlungen. Das Ergebnis der Untersuchung lautet: 1. Der Wald, welcher auf der einen Seite von der «RotauwegePfund Silber (®) von rund 367 g wurde in 20 Schillinge (ß) geteilt zu je 12 Pfennig (denarii 4 ) ; 1 -6 also 1,53 g. — Ein Qulden (florin, R) = 10 Schillinge. — Seit der Revolution i. J. 1789 wurde bei Ablösungen das Pfund zu 4 Franken, der Qulden zu 2 Franken, der Schilling zu 4 Sous berechnet. Die Kaufkraft des Qeldes war im Mittelalter bedeutend größer als heute. ") Das Qewerf ist eine Abgabe, 1S die von Müllern, Wirten u. a. bezahlt werden mußte. ) E. Dietz, Documents inédits pour servir à l'histoire de l'ancienne Seigneurie du Ban-de-la-Roche. 1878. ls •S. 319—323. — Original nicht mehr auffindbar. ) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch III S. 348. ") B. A. Str., Steintalakten 0. Nr. «Kundschaft wegen den Wäldern zwischen Ober-Ehenheim und dem Steinthal». 1382. [Original, Pergament; Text deutsch.] — E. Dietz, Documents inédits pour servir à l'histoire de l'ancienne Seigneurie du Ban-de-la-Roche. 1878. S. 324—328.

Die Rathsamhausen zum Stein.

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scheide» bis zum «Hoffelde» 15) geht, und auf der andern bis zum «Miltzwand» 16 ), im Bistum Straßburg gelegen, ist Lehen des römischen Kaiserreichs und gehört seit alters den Herren v. Rathsamhausen. 2. Der Kriegwald gehört eher den Rathsamhausen als den Einwohnern von Ehenheim. Mit diesem Urteil war Oberehnheim nicht zufrieden und nahm darum 22 Ohmen Wein, den Frytelzehnten 17 ), den die Rathsamhausen in Oberehnheim auf dem Frytelhof erhoben, und eine größere Geldsumme in Beschlag, die Elisabeth und ihren Söhnen zustand "). Schon vor diesem Geschehnis hatte sich Elisabeth in einer allgemein gehaltenen Klageschrift an den König Wenzel gewandt. Durch zwei gleichlautende Briefe vom 9. März 1383 aus Nürnberg befahl dieser dem Herzog Johann von Lothringen und dem Bischof von Straßburg, die bedrängte Frau und ihre Söhne zu schützen und ihr den Besitz von Schloß Stein und des Dorfes Ottenrod zu sichern (praefactas Elizabeth et filios suos antedictos in possessione bonorum suorum signanter castri Steyn dicti et Ville Ottenrod cum suis pertinentiis que a nobis et sacro Imperio dependent in feodum tueri et protegere nostro et Imperii sacri nomine)"). Während diese Schreiben den Weg von Nürnberg ins Elsaß und nach Lothringen zurücklegten, war auch schon eine weitere Klageschrift Elisabeths an den Kaiser unterwegs, wegen der beschlagnahmten Zehnten. Ebenfalls von Nürnberg aus forderte König Wenzel am 12. März 1383 den Magistrat der Stadt Oberehnheim auf, alles freiwillig herauszugeben und Else von Rathsamhausen samt ihren Söhnen ungestört in ihren Besitzungen zu lassen. Falls die Stadt Ansprüche an die Rathsamhausen hätte, so müßten ihr diese vor Ulrich von Finstingen, Landvogt im Elsaß, Recht widerfahren lassen. Dies scheint nicht geschehen zu sein. Vielmehr haben die Rathsamhausen und ihre Untertanen im Steintal die Oberehnheimer auf mannigfache Weise belästigt, so daß nun die Stadt ihrerseits Klage erhob. Hierauf schrieb König Wenzel an Else v. Rathsamhausen: 17 [Ubersetzung.] 15 ) Hoffeld = Hochfeld. ") Miltzwand = Minzfeld. ) «fritele» = Pfannkuchen. (Vergl. Lexer, Mittelhochdeutsches Wörterbuch III S. 524 unter «vritele».) Der Fritelzehnte = der Pfannkuchenzehnte (vielleicht Fastnachtsküchlein (?) wie anderwärts der Fastnachtshühnerzehnte). Im 14. Jahrhundert finden wir an Stelle des Pfannkuchenzehnten einen Weinzehnten (vergl. oben); der frühere Namen war jedoch beibehalten worden. ") J. M. Qyss, Histoire de la ville d'Obemai. 1866. I, 144. ") Großherzoglich Badisches General-Landesarchiv: Originale, Pergamente; Selekt der Kaiser- und Königsurkunden Nr. 408 a u. 408 b. — B. A. Str., Austausch mit Baden I 114. — B. A. Str. C 314. — J. M.

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Die Herren.

«Wir Wenzelaw von Qots Gnaden römischer kunig zu allen zitten merer des Reichs und kunig zu Beheim entbieten der Edlen Elzen von Rozhusen un Dietrichen irem sun genant vom Steine unß gnade und alles gute' uns haben fürgelegt unß un des Richs liebe getruwe die burger von Ehenheim wie daz ir sie an iren weiden cinsen die zu irer stat gehörent hindert und irret un in die für haltet/ darumb sie euch ewe wein ufgehalden haben als sie fürgelegt haben / darumb so gebieten wir euch ernstlich un vestichlich bey unß un des Reychs hulden daz ir die egen burger an iren weiden un cinsen nicht hindert noch irret» usw. (Prag 1383) 20). In dem nächsten Jahre scheint sich das Verhältnis zwischen den Nachbarn gebessert zu haben; wenigstens hat Oberehnheim 1385 die beschlagnahmte Geldsumme zurückerstattet" 1 ). Bald aber gab es wieder neue Grenzstreitigkeiten auf dem Hochfelde, und die von den Untertanen im Steintal ausgeübten Gewalttaten mehrten sich; aber auch die Oberehnheimer überfielen oft die Steintäler, die sie im Kriegwalde antrafen. Am 2. Februar 1393 wurde den unerquicklichen Zuständen ein Ende gemacht und durch nachstehenden Schiedsspruch des Unterlandvogts als Grenze zwischen dem Oberehnheimer Gebiet und dem Steintal «die Hohenstraße» nach dem «Miltzewang» iS ) festgesetzt"). «Ich Peter von sant Diedat underlantvogt in Elsaß künde meniglich mit disem briefe der sachenhalp alse etzwas stoßes und gebresten langezit gewesen ist zwischen den erbern wisen meister Rate und den burgern gemeinlich arm und rieh der stat zu Obern Ehenheim an eineteil I darzu der herschaft von Ratzenhusen vom Steine und iren Luten die dazu gehörend am andernteile von der weide wegen so zwischen den beidenteilen der stat von Ehenheim und der vesten zu dem Steine gelegen sint har inne sich vil rede und ouch etzliche angriffe zwischent den beidenteilen verloufen hant» usw. «Do wurdent siben erbar man von disen beidenteilen erweit, gebetten und erkosen das obgent gut, die weide» usw. zu «unterscheiden» «und warent diselbe siben schaffen (Schöffen) Schoenhelm von Andeloh, Heiden Lauwelin und Stirne Burckelin von Berse") I darzu Claus Schiretzing und Rudolff Gerber von Barre / item Strithelm Altenhag und Kistener Hanse von Wilre *6)1 Qyss, Histoire de la ville d'Obernai. 1866.1 144. St A. 0 . DD 106. S1) St. A. O. DD 106. Diese Hohenstraße entspricht dem Höhenweg: Hohenloheturin, Rotlach, Minzfeld (Bechsteinbrunnen). ») St. A. O. DD 106. In dorso: «Vertrag Briff zwischen der Statt Oberehnheimb eins und der Herrschaft von Rathsamhausen von Stein, auch ihrer dazu gehörig Luthen, andern theils p t0 der Wälder so 26 zwischen beiden theilen gelegen sindt». ") Berse = Borsch. ) Wilre =

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die siben ouch anstoßer und umbsaßen sint der beidenteile I und swöret ouch die siben gestabete eyde mit ufgehepte handen liplich zu den heiligen I disselbe gut die weide wunne *) weyde mit aller dar zu gehörde» zu teilen. Die Grenzen sei «uff der Hohenstraße die da gat über daz Hochfeld zwischen Barre und Ehenheim w a l t ' und glich daz gescheide für sich anhin bitz zu dem burne" 7 ) uff miltzewang I und was jensit des gescheides lit I es si walt wunne weyde wasser oder waz es welle wider die Brusch daz gehört allez zu der vesten zu dem Steine und waz dissesit des gescheides lit es si ouch walt weyde wunne wasser oder waz es welle gehört ouch der stat Ehenheim zu.» Der Vertrag «soll gehalten werden getruwelich und ungeverlich. Doch so ist zu wissende als solich vihe daz vonn Ehenheim uff sechs achte oder zehen Rinder über daz gescheide gegen der Brusch gienge und do funden wurde ungeverlich und der hirte dez vihes nachvolgende wer I daz sol man wider über triber. und sollent die hirten noch die banwarten die zu dem Steine und dem lehen gehörent nit recht han anzegriffende und zepfendende». In der gleichen Weise sollen die Förster von Oberehnheim es halten, wenn weniger als 10 Stück Rinder aus dem Steintal die Grenze überschreiten. «Geben in unß frowen abent der lichtmesse des iars als man zalte nach Christus geburt tausend drihundert nuntzig und dri Jare s8 ).» In den Streitigkeiten mit Oberehnheim wird auffälligerweise niemals Gerotheus v. Rathsamhausen, der Bruder des verstorbenen Dietrich 29 ), erwähnt. Gerotheus hatte anscheinend letzterem alle seine Rechte im Steintal abgetreten 30 ), als er sich in bischöfliche Dienste begab. Als Dienstmann des Bischofs vermutlich, w a r er am 16. Juni 1389 Zeuge, als König Wenzel dem Bistum den Besitz des Ortes Haslach bestätigte®1). Schon dies beweist uns, daß er in hohem Ansehen stand. Gerotheus war in der Tat eine hervorragende Persönlichkeit, die in der elsässischen Politik eine führende Rolle spielte. In dem Kriege, welcher nach dem Tode des Bischofs Friedrich im Straßburger Bistum entbrannte (1393/94) stand er auf Seiten 2e Weiler. ) M. Lexer, Mittelhochdeutsches Wörterbuch, «wunne» (wiinne, wund) = Wiesenland; meist in Verbindung: «wum und weyde»; so auch häufig S7 in bildlichem Sinne gebraucht. ) Heute der Bechsteinbrunnen. ™) St. A. 0 . M DD 106. ") Ein anderer Bruder hieß Hermann, ( t 1374.) ) Dagegen war er in Ottrott begütert, woselbst er 1388 dem Götz v. Kageneck einen Weinzins verlieh. — B. A. Str. E 1113, 2. ") Fürstenbergisches Urkundenbuch II Nr. 535.

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des von den Domherren gewählten Burkhard v. Lützelstein, während es die Stadt Straßburg mit dem vom Papste bestätigten Wilhelm v. Diest hielt *). Darum zerstörten die Straßburger 1394 seine Dörfer 33 ). Nach Abschluß des Friedens trafen im Frühjahr 1395 Qerotheus v. R. zum Stein, sein Vetter Lütelmann und mehrere andere elsässische Herren mit der Stadt ein Abkommen über die Regelung aller noch schwebenden Schuldsachen aus der Zeit des Krieges' 4 ). Am 13. Oktober 1395 wurde nach dem Beispiele anderer deutscher Landschaften von Bischof Wilhelm v. Straßburg, dem Landvogt im Elsaß, den 10 elsässischen Reichsstädten und der Stadt Straßburg eine Landfriedens-Einigung beschlossen 36 ). Man traf Bestimmungen über die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Lande selbst3®), faßte aber auch die Abwehr äußerer Feinde ins Auge37). Neben den Hauptleuten für den Fall eines Krieges wurden sieben Obmänner für die inneren Geschäfte ernannt. In diesen Siebenmännerausschuß gehörte auch Qerotheus v. R. zum Stein 38 ). Am 13. Oktober 1395 erklärte er, das Amt als «Siebenter Mann» treu und unparteiisch zu führen, seine Burgen und Schlösser allen Angehörigen des Bundes offen sein zu lassen, Schaden und Unkosten, die ihm im Krieg oder Dienste des Bundes erwachsen, will er nicht im einzelnen vergütet haben, sondern gegen ein, in Vierteljahrsraten zu zahlendes Jahresgehalt von 300 R. selbst tragen"). Am 5. März 1398 wurde eine ähnliche Einigung auf 5 Jahre geschlossen *°), wobei Qerotheus ebenfalls als «Siebenter Mann» gewählt wurde"). Auch als Hauptmann der Rittergesellschaft der Martinsvögel spielte er lange Jahre eine wichtige Rolle *s). Die Gemahlin des Qerotheus war Anna v. Hewen. Dieser wurden von ihren Brüdern Petter und Wölflin 1200 Gulden Ehesteuer auf die Herrschaft Hewen geschuldet. Am 2. Oktober 1398 verpfändeten aber die beiden Brüder ihre Herrschaft dem Herzog Leupold v. Österreich; darum leisteten Gerotheus v. R. und seine Hausfrau S3 ") Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsasses. III S. 37—38. ) Schilteru Königshofen S. 814, 18. — Siehe Kapitel: Kriegszeiten. ) Str. Urk. VII S. 551 35 Nr. 930. ) Str. Urk. VII Nr. 989. — F. W. Müller, Die elsässischen Landstände. 1907. S. 37. ") Sicherung der Straßen vor Räubern, Mördern, Bettlern, MüßigS7 gängern. ) Gründung einer Kriegskasse, Regelung der militärischen Organiae sation. Str. Urk. VII Nr. 989. ) Str. Urk. VII S. 581 Nr. 990. *") Str. Urk. 41 VII S. 713. ) J Weizsäcker, Deutsche Reichstagsakten unter König Wenzel. Dritte Abt. 1397—1400. — Dieser Landfriede wurde nicht perfekt; die 3 ausgefertigten Urkunden liegen alle im Stadtarchiv Straßburg Gup 45/46 Nr. 84\ 84s, 84». 4S *") Str. Urk. VII Nr. 561, 676. ) Fürstenbergisches Urkundenbuch VI Nr. 127.

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am 7. Februar 1399 Verzicht auf Hewen und wurden mit ihrer Forderung von 1200 Gulden Ehesteuer nebst 400 Gulden «versessener Zinsen» auf die Feste und das Amt Landser verwiesen"). Hiermit im Zusammenhang steht vielleicht der Streit, der sich wenige Monate nachher zwischen Qerotheus und dem Herzog Leupold v. Österreich entspann. Gemeinsam mit Heinrich v. Andlau und dem Rat und den Bürgern von Raperwilr") entriß Gerotheus dem österreichischen Landvogt Hans v. Lupfen die «obere stat zu Raperwilr», weshalb Herzog Leupold am 29. Januar 1400 von Ensisheim aus die Straßburger um Hilfe gegen die Genannten anrief"). Die Stadt scheint dieser Bitte schnell entsprochen zu haben; denn schon am 8. Februar 1400 verbürgten ihr Gerotheus und mehrere andere Ritter, den Frieden mit Hans v. Lupfen zu halten M). Gerotheus v. R. hatte anscheinend keine männlichen Nachkommen. Eine Tochter, Namens Clementine, war 1438 Äbtissin zu St. Stefan in Straßburg 4 7 ). Dietrich v. R. und Else v. Haus hatten zwei Söhne, Dietrich M) und Gerotheus, welche 1398 mit dem Steintal belehnt wurden. Der Lehnsbrief' 9 ) lautet: «Friedrich Grave zu öttingen und Borziwoy von Swinar, Hauptmann in Bayern und lantfolgte in Eisassen bekennen und tun kunt offenlich mit diesem brive allermenniglich, das wir von wegen des Allerdurchleuchtigsten Fürsten und Herrn Herrn Wenzlawes römische Kuniges» usw. «Den Erbern besten knechten Gerotheus und Dietrich von Rotsanhawsdi vom Stein diese nachgeschriebenen Güter nemblich zum ersten die purgk zum Stein mit irem burgkbanne und das kirchspiel zu Roto mit allen seinen rechten und zugehörungen als es doselbste gelegen ist, item die zwen hofe zu Ottenrode mit leuten gerichten gütern Zinsen als sie doselbste gelegen sind, item den zehenden zu Obern Ehenheim den man nennet den Frytelczehenden mit allen sein zugehörend als es doselbste gelegen ist, item den teil an der purg czu Kunegesperg mit sampte dem walde der dorczu gehört und besunder andern lehen» usw. «zu lehen geen. geben Strassburg 1398 am nechsten mitwochen vor sant valentinstag ").» M

45 ) Rapperswyl am Züricher See. ) Str. Urk. VII S. 781. *fl) Str. Urk. VII S. 784. *') J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch III S. 348. Qerotheus selbst scheint in der Krutenau zu Straßburg ein Haus besessen zu haben. *") Am 19. September 1384 Bürger zu Schlettstadt. — J. Oeny, Schlettstadter Stadtrechte. 1902. S. 409. ") Älteste bekannte Belehnungsurkunde über 50 M die Herrschaft. ) St. A. O. DD 51. ) Chmel, Regesten Ruprechts Nr. 601.

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Am 26. Juli 1401 verlieh Ruprecht von der Pfalz dem Qerotheus und Dietrich v. R. zum Stein «die Veste zu dem Stein mit Burgbann und das Kirchspiel zu Rotau; item Ottenrode, die Höfe, die sie da haben mit Centen, Gerichten und Rebäckern als von Alters zu den Höfen gehört haben; item die Zehnten zu Ehenheim, heißt das Fritelzehend 51 )». Am 19. August 1404 trug auffälligerweise derselbe Kaiser den beiden Brüdern abermals zu Lehen auf «die Burg zum Stein mit ihrem Burgbann; das Kirchspiel zu Rotowe; den Zehnten zu Oberehnheim und Vinhege, den man nennt den Frytelzehnten «göt von dem alten aigen»; ein Drittel an der Burg zu Kunigsperg mitZugehör; die Höfe gelegen in dem niedern Dorf zu Ottenrode mit Leuten, Gerichten, Reben, Weinpfennigen, Cappunen, Zinsen, so in die Höfe gehören 52 )»Dietrich war in St. Nabor 53 ) und Schlettstadt begütert. Hier war er eine einflußreiche Persönlichkeit. Als 1420 zwischen der Stadt und der Probstei St. Fides Zwistigkeiten entstanden wegen des Ladhofes und Weinzolles, wählte man ihn zum Schiedsrichter 54 ). In den Vorversammlungen zu dem im April 1421 zu Nürnberg abgehaltenen Reichstage, woselbst Sigismund, der seit Anbeginn seiner Regierung die Aufstände der Hussiten in Böhmen mit aller Strenge unterdrückte, mit den Fürsten über die Bekämpfung der Ketzer beraten wollte, spielte Dietrich v. R. z. St. eine wichtige Rolle. Er überbrachte z. B. dem Landvogte in Hagenau den von den vier rheinischen Kurfürsten zu Boppard aufgesetzten Brief, in welchem sich diese nicht nur bereit erklärten, persönlich und nach Vermögen den vom König begehrten Kriegsdienst zu tun, sondern auch die Städte aufforderten, ihre Bewaffneten zu schicken, sobald der König Näheres bestimmt habe, und in welchem sie auch ihr Erscheinen auf dem Reichstage zusagten. In der Einladung der Hagenauischen Räte zu einer Versammlung der elsässischen Reichsstädte, die zu Oberehnheim stattfinden sollte, werden Egenolf v. R. und Dietrich v. R. z. St. ausdrücklich als die Überbringer jenes Schreibens, welches der Einladung beigefügt war, bezeichnet 65 ). Wie manche seiner Vorfahren begab sich auch Dietrich in habsburgische Dienste. Als österreichischer Landvogt vertrat er 1424 52 Regesten der Pfalzgrafen am Rhein. Bd. II Nr. 1209. ) Chmel, Regesten 53 Ruprechts Nr. 1837. ) B. A. Str. Q 2869, 1. — Am 28. 9. 1422 Verkauf von 54 Reben an die Äbtissin von Niedermünster. ) Dietr. Keller, Deutsche Reichs55 tagsakten unter Sigismund. 1421—1426. Bd. 8. II. Abt. S. 1—20. ) Dietr. Keller, Deutsche Reichstagsakten unter Sigismund. 1421—1421. Bd. 8. S. 16, 25; S. 18, 24.

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Katharina von Burgund, Herzogin von Österreich, in ihrem Streite mit Ulman von Masmünster M). Für seine Dienste wurde er von dem Erzherzog Leopold mit dem Qewerf zu «Sei» (Saales) belehnt; wegen der 12 Pfund Pfennig zu «Sei», die bereits seit 1406 den Rathsamhausen gehörten "), geriet Dietrich in Streit mit Jakob v. Falkenstein, der ebenfalls Ansprüche auf dieses Lehen erhob. Durch Schiedsspruch vom 16. November 1427 wurde jedoch das Qewerf zu «Sei» dem Dietrich v. R. und seinen Lehenserben zugesprochen, während Jakob v. Falkenstein mit 50 Schillingen barem Geld abgefertigt wurde 5 8 ). Als österreichischer Dienstmann fiel Dietrich am 2. Juli 1431 bei Bulgnéville in dem Kampfe gegen René von Anjou, Herzog von Bar M ). Er hatte keine Kinder. Bald nachdem Dietrich in österreichischen Dienst gegangen war, trat er seine Rechte im Steintal an Qerotheus v. R. ab. Dieser wurde am 2. Mai 1417 zu Konstanz von Sigismund mit der Herrschaft belehnt 84 ). Seine Gemahlin war Adelheid v. Eptingen. Der Ehe entsprossen drei Söhne, Dietrich, Ulrich und Bernhard* 1 ). Ulrich war schon 1416Besitzer des margräflisch-badischen Lehensgerichtes ")• Am 18. November 1421 kaufte er um 40 Pfund Pfennig Straßburger Währung von Meister und Rat zu Oberehnheim einen geräumigen Hof9®), der lange im Besitze der Rathsamhausen blieb. 1427 war Ulrich im Pfandbesitze der Herrschaft Ochsenstein ") und heiratete die im Ersteiner Kloster erzogene Klara von Ochsenstein. In zweiter Ehe vermählte sich Ulrich mit Schönette (Johanna) Beyer von Boppart, einer Tochter des Dietrich Beyer m ). Sie brachte dem Gatten als Mitgift ihren Anteil an Brackenkopf («Vinstingen die Veste, statt und sloß zu Vinstingen und die Zugehörungen») M ). Ulrich, Dietrich und Bernhard v. R. wurden am 10. November 1430 zu Ulm von Kaiser Sigismund mit dem Steintal belehnt 87 ). Noch in demselben Jahre mußte Ulrich die Burg Stein dem Herzog Anton v. Lothringen öffnen 68 ). Wir wissen nicht sicher, weshalb dieser Burgfriede geschlossen wurde. Jedenfalls 66 Cartulaire de Mulhouse N° 502, 503, 505. ) B. Urk. VI 182. ") B. A. Str., M Austausch mit Baden I Nr. 116, I Nr. 170; C 323, 5. ) B.A.Str. Austausch mit M Baden I Nr. 120. ) Calmet, Histoire de la Lorraine II 769. — Bemoulli, Basler Chroniken, 1872—1890 IV 437—438. W. Altmann, Regesten Sigismunds 61 Nr. 2244. ) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch III, S. 348. 4i Ein vierter Sohn (Bastard, Namens Ulrich) wurde Geistlicher. ) J. Kindler 63 v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch III. S. 348. ) B. A. Str. Austausch mit Baden I Nr. 117. **) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Qen schlechterbuch III S. 348. ") Ebenda. ) Die alten Territorien des Bezirks Lothringen nach dem Stande v. 1. Januar 1648. I 271. "7) W. Altmann, Regesten

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verfolgte aber Anton v. Lothringen militärische Zwecke. Die Burg beherrschte die große Heerstraße, die von Lothringen durch das Breuschtal ins Elsaß und nach Straßburg führte, und sollte wohl dem Herzog bei einem etwaigen Feldzuge als Stützpunkt dienen. Vielleicht hängt der Burgfriede auch mit dem Bündnis zusammen, das der mit Anton v. Lothringen befreundete Bischof Wilhelm v. Diest am 1. Dezember 1430 mit der elsässischen Ritterschaft schloß, und an dem auch Ulrich und Dietrich v. R. zum Stein, sowie mehrere andere Rathsamhausen beteiligt w a r e n " ) . Nachdem die Krönung Sigismus zum Kaiser erfolgt war, wurden Dietrich, Ulrich und Bernhard zu Basel erneut mit dem Steintal belehnt ( 1 4 3 3 / 3 4 ) D o c h schon kurz nachher trat Bernhard in den geistlichen Stand und Dietrich in den Dienst des Bischofs, der ihm schon am 6. September 1429 die Vogtei und Schaffnei in der obern Mundart samt dem Schlosse Isenburg übergeben hatte 71 )- Von 1439 ab war er mehrere Jahre Schultheiß zu Oberehnheim 7! ). Am 24. und 25. Oktober 1448 beteiligte er sich an dem Überfall auf Rheinfelden bei Basel"). Als Bürger zu Schlettstadt spielt er eine wichtige Rolle. Als am 22. April 1456 die Rappoltsteiner und die Stadt Schlettstadt einen Bund auf 30 Jahre schlössen und miteinander das sog. «unerzogene Recht» vereinbarten, wurde Dietrich v. R. zum Obmann bestimmt"). Von 1460 ab war er Vogt zu Rappoltsweiler") und erhielt als solcher im Herbste eine Gült von «30 amen (Ohmen) herbstgewerf»"). Gegen Ende des Jahres 1460 ernannte ihn Wilhelm v. Rappoltstein wegen mehrjähriger Abwesenheit zu seinem Stellvertreter "). Als solcher führte er im August 1462 einen sehr interessanten Briefwechsel mit Jakob von Hohenstein und Schmaßmann v. Rappoltstein, weil ersterer als Dienstmann des Peter von Regeßheim den Bürgern von Ohnenheim «ire pferde und kühe und 6 Sigismunds Nr. 7936. as ) Das Reichsland Elsaß-Lothringen III 1050. ")B. A. Str. 70 71 Q 138, l a . ) W. Altmann, Regesten Sigismunds Nr. 9930. ) Walter, Urkunden und Regesten der Stadt und Vogtei Rufach. 1913. Nr. 167. — St. A. Str. n AA 1475. ) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch III S. 348. n ) Bernoulli, Basler Chroniken IV S. 285. '*) J. Q6ny, Schlettstadter Stadtrechte. 1902. Nr. 127. ™) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch III S. 348. — B. Bernhard, Recherches sur l'histoire de la ville de Ribeauville. 1888. S. 238—239. — K. Albrecht, Urkundenbuch von Rappoltsweiler IV Nr. 722 a. — Die Rathsamhausen zu St. bekleideten dieses Amt bis 1689. — 1465 nahmen sie im Dienste der Rappoltsteiner an dem Kriege zwischen Herzog Carolus voit Burgund und König Ludwig von Frankreich teil. — Rapp. Urk. IV Nr. 816. 7e) Rapp. 77 78 Urk. IV Nr. 679. ) Rapp. Urk. IV Nr. 702. ) B. A. Str., Austausch mit

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anders genommen hat», und weil er seinen Schwager Heinrich Mey von Lambsheim «mit knechten in pfandschaft» hielt 78 ). Als Dietrich v. R. bischöfliche Dienste annahm, trat er anscheinend seine Rechte im Steintal an seinen Bruder Ulrich ab n ) . Diesem erlaubte Kaiser Sigismund durch Schreiben aus Basel (16. 4. 1434), seiner Gemahlin Schönen, 1500 Qulden auf seine Reichslehen, «die Dörfer Beifuß, Urbach, Solbach, Neuweiler (Newilr) durchuß und den Zehnten zu Ober-Ehnheim ^ls Wittum» zu verschreiben M). Am 28. Juli 1442 wurde der Genannte von Kaiser Friedrich III. mit dem Steintal belehnt 91 ). — Ulrich v. R. war ein sehr fehdelustiger Ritter, der in alle möglichen Händel verwickelt war. Auf Klagen des Gilg v. Nesselbach wurde er Fehden halber von Sigismund am 4. August 1434 in die Reichsacht erklärt 82 ), und am 30. Juli 1437 mußte der Kaiser die Aberacht über ihn verhängen M). Als im Jahre 1439 das Elsaß von den Armagnaken so schwer heimgesucht wurde, tat sich Ulrich v. R. bei ihrer Bekämpfung rühmlich hervor. Schon anfangs Februar teilte er dem Bischof von Straßburg mit, daß er erfahren habe, daß die «Gesger» beabsichtigen, ins Elsaß zu ziehen, und daß man darum auf der Hut sein müsse"). Dem bedrängten Städtchen Rosheim eilte er mit einer Schar gewappneter Knechte zu Hilfe, und durch «mechtig geschütz» hat er alsdann gemeinsam mit Syfrit v. Oberkirch die Armagnaken am Bruderberg «abgewehrt» und zum Rückzug ins Weilertal gezwungen 85 ). Am 6. Dezember wurden sie bei «sand Pölten» (St. Pilt) von den Schlettstadtern geschlagen 89 ), und am gleichen Tage überfiel Ulrich mit einer Schar handfester und waffengeübter Steintäler Bauern eine Abteilung Armagnaken, die bei St. Kreuz übers Gebirge ziehen wollten; Ulrichs Leute erschlugen mehrere und nahmen ihnen 60 Pferde und zwei große Weidsäcke mit Silbergeschirr und viele Barschaft ab 87 ). Im Oktober 1443 war Ulrich v. R. auch an einem der zahlreichen Streifzüge beteiligt, die sein Schwiegervater, Beyer v. Boppart, gegen Metz unternahm 88 ). 7t Bayern I Nr. 10; Rapp. Urk. IV Nr. 724—732. ) Ulrich war auch Amtmann zu Heilig-Kreuz, das seit 1415 dem Pfalzgrafen Ludwig bei Rhein gehörte. — CarM tulaire de Mulhouse 611, 625, 644. Das Reichsland III 415. ) W. Altmann, 81 Regesten Sigismunds Nr. 10271. ) Chmel, Regesten Friedrichs III Nr. 805. 82 M ) W. Altmann, Regesten Sigismunds Nr. 10691. ) W. Altmann, Regesten 8 Sigismunds Nr. 10986. *) B. A. Str., Sammlung Witte. ") St. A. Str. AA 186,1. 8e — Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsaß III 218. ) St. A. O. EE 6. 87 ) Dr. O. Witte, Die Armagnaken im Elsaß. 1889. S. 123. — B. Hertzog, EdelM sasser Chronik. 1592. VIII 23. ) Fester, Regesten der Markgrafen von

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In den Jahren 1438—1440 verhandelte Ulrich v. R. mehrfach mit Friedrich zum Rhein wegen der im Jahre 1437 zu Basel stattgefundenen zwiespältigen Bischofswahl. Nach dem Tode des Bischofs Johannes von Fleckstein hatten nämlich die Domherren Friedrich zum Rhein und Ulrichs Bruder, Bernhard, in Zweiung zum Bischof gewählt. Trotzdem das Conzilium die Wahl beider abgelehnt hatte, behielt.Friedrich zum Rhein «mit Gewalt, wider Recht» Bistum und Schloß inne. So «seien bessere Rechte seines Bruders verkümmert worden», schrieb am 22. September 1438 Ulrich v. R. an Friedrich zum Rhein, und er forderte von ihm, daß er alles zurückgebe, bis «rechtlicher Bescheid» gekommen sei, da er sonst mit Gewalt seinem Bruder zum Rechte verhelfen müßte. Nach langen Verhandlungen wurde 1440 der Streit dadurch beigelegt ,daß Bernhard v. R. gegen Empfang etlicher Pfründen seinen Anspruch auf den Bischofsstuhl fallen ließ "). Am 30. September 1450 verschrieb Ulrich v. R. z. St. seinem Vetter Lüttelmann v. R. «die 12 Pfund Pfennig auf der Gemeind zu Sei» T Die Söhne Ulrichs hießen Dietrich, Konrad, Gerotheus der Jüngere und Burkhard"). — Ulrichs Bruder, Dietrich, hatte zwei Söhne: Dietrich und Gerotheus der ältere. Dieser war mit Klara von Andlau verheiratet. Er war lange Jahre Vogt zu Rufach M ), während sein Bruder Dietrich im Breuschtal begütert war. Im Jahre 1466 kaufte letzterer von Berthold Zorn einen Teil von Schloß und Stadt Schirmeck mit den dazugehörigen Gefällen"). 1467 wurde er durch den Grafen Jakob von Salm mit 17 Pfund Pfennig 5 Schillinge Straßburger Münze auf dem Bann Plen (Plaine) und den zugehörigen Orten Dießbach, Put6, Plen Schampanier (Champenay) und Sassir (Saulxures) belehnt **). Wie sein Vater stand auch Dietrich im Dienste des Bischofs. Als bischöflicher R a t " ) spielte er mehrmals erfolglos den Vermittler in den Fehden zwischen Heinrich v. R. und Genossen und dem Bischof Ruprecht von Straßburg m). Nach dem Tode Ulrichs war sein Sohn Gerotheus der Jüngere, ein fehdelustiger Junker, Lehensinhaber des Steintals. Baden Nr. 6250. — Calmet, Histoire de Ia Lorraine, Preuves CCXLII. M ) J. Trouillat, Monuments de l'histoire de l'ancien 6v6che de Bäle. 1852. V 779. — B. Hertzog, Edelsasser Chronik. 1592. VI 270; VII 23. Bernhard v. R. starb vermutlich 1468. — J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch III S. 348. B. A. Str., 91 Austausch mit Baden I Nr. 169. ) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches QeM schlechterbuch III S. 348. •») Ebenda. ) B. A. Str. Q 1155". — J. Kindler M v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch III S. 348. ) B. A. C. E I Nr. 4. 9S ea ) St. A. Str. VDQ 107 Fol. 120. ) St. A. Str. AA 1519. ") Heinrich Mey

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Bald entstanden zwischen der Herrschaft und der Stadt Oberehnheim wieder Grenzstreitigkeiten auf dem Hochfelde, und auch wegen des Neubaues des Hofes zu Oberehnheim gab es keinen kleinen Zwist. Auf dem Schloß Stein aber hauste als Burgvogt der Edelknecht Heinrich Mey 97 ), ein berüchtifeter Räuber. Er gehörte zu jener Klasse, die damals die Plage des Landes war. Ein im Waffenhandwerk emporgekommener roher Abenteurer, saß er in der Mitte der 50er Jahre auf Schloß Ortenberg und trieb von dort aus seine dreisten Räubereien. Die «Gemeinder von Ortenberg», Hans Burkard von Müllheim, Heinrich von Landsberg, Dietrich von Rathsamhausen, Nikolaus Zorn, Berthold von Wilsberg, namentlich aber Heinrich Mey, befehdeten im Jahre 1459 die Stadt Basel und fügten den Bürgern ungeheuern Schaden zu 98 ). Zwar wurde am 10. November 1459 durch Vermittelung des bischöflichen Rates, Dietrich v. Rathsamhausen zum Stein, zwischen der Stadt Basel einerseits und Heinrich Mey und seinen Genossen andererseits ein etwa achtwöchiger Waffenstillstand abgeschlossen ,9 ). Die Überfälle dauerten jedoch fort; deshalb verkündete im Dezember 1459 der Basler Rat auf dem Marktplatze, daß, wer den Heinrich Mey töte, fünfhundert Gulden erhalten solle, wer ihn aber lebend einliefere gar sechs.hundert100). — Nach der allerdings nicht ganz erfolgreichen Belagerung von Ortenberg durch die Straßburger und Basler (September 1461) begab sich Heinrich Mey auf die Hohkönigsburg, welche damals den Hohensteinern gehörte, mit denen er versippt war, und trieb nun hier sein Unwesen gemeinsam mit seinem Bruder Reinhard, der seit 1458 lediglich aus Rauflust und Raublust mit der Stadt Basel in Fehde lag101). Nachdem im Oktober 1462 die elsässischen Städte und Basel in gemeinsamer Aktion die Hohkönigsburg erobert und geschleift und mit den Raubrittern diesmal gründlich abgerechnet hatten, ohne jedoch den schlimmsten Gegner, Heinrich Mey, fangen zu können, wurde dieser Burgvogt auf dem Schloß Stein und begann hier aufs neue sein Räuberhandwerk. Als Heinrich von Lambsheim ist Sohn von Hans von Lambsheim und Katharina (Thyne, Dina) von Lichtenberg (natürliche Tochter Ludemanns IV., Herren von Lichtenberg; yerehelicht 1417). Er war bereits 1462 mit Barbara von Rathsamhausen, Schwester Dietrichs, vermählt [J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch]. — Wie aus einem Briefe Friedrichs III. vom 16. 10. 1487 an die Stadt Straßburg hervorgeht [St. A. Str. AA 228], waren Heinrich Mey und Barbara v. Rathsamw hausen schon damals tot. ) R. Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel. 104 1911. 2. Bd. 1. Teil S. 30—34. ") B. Urk. VIII 127. ) R. Wackernagel, 101 Geschichte der Stadt Basel. 1911. 2. Bd. 1. Teil S. 32. ) Ebenda. — St. A. Str.

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v. R. zu Ehenweier im Jahre 1464 mit dem Bischof Ruprecht in Fehde lag, gehörte auch Heinrich Mey zu dessen Helfershelfern, und 1465 war er selbst mit der Stadt Basel und dem dortigen Bischof in Streit verwickelt 102 ). Mit diesem Räuber und seiner Rotte machte Gerotheus v. R. gemeinsame Sache. Von der Burg Stein aus machten sie die Straße durch das Breuschtal nach Lothringen unsicher und überfielen die Kaufleute und Warenzüge. Am meisten litten darunter die Straßburger. Als im Herbst des Jahres 1467 wieder eine Anzahl Kaufleute aus Lübeck und Qöttingen überfallen und beraubt worden waren, wodurch etlichen Straßburger Bürgern nicht geringer Schaden erwuchs, so schickte die Stadt eine Abteilung ihrer Söldner ins Breuschtal, denen es gelang, mehrere der Rathsamhausischen Knechte gefangen zu nehmen. Vergeblich suchte Qerotheus durch Bitten und Drohungen deren Freilassung zu erwirken. Am 30. Hornung 1468 erklärte er aber, daß er der Knechte wegen, «die in straßburg mit urteil und recht gestraft sind, ires handels halb an etlichen luten von Lubecke und Qöttingen begangen», nichts Weiteres zu unternehmen gedenke10S). Zwei der «vornehmen Räuber» wurden zum Tode verurteilt 104 ). «Stoffel, der jüngere, wurde am ersten enthauptet, aber der Scharfrichter, der seine Profession nicht gut gelernt hatte, mußte ihm den Kopf erst auf dem Boden ganz abschneiden. Nun kam die Reihe an den älteren, Affe, genannt. Diesmal gelang der Streich noch übler als bei dem ersten; er traf mitten am Kopf in das Tuch, mit welchem dem Räuber die Augen verbunden waren.» Obwohl aus einer großen Wunde blutend, konnte sich Affe doch befreien und um Hilfe rufen. Es entstand ein großer Tumult, da viele Leute auf den Richtplatz stürmten, um dem Verurteilten zu helfen. Dabei wurde der Henker von einem Adeligen, Hans Heinrich v. Rechberg, erstochen. Affe aber wurde von den Söldnern wieder eingefangen und ins Gefängnis gebracht, wo er noch gegen zwei Jahre gefangen gehalten wurde. Die Raubritter auf der Burg Stein hatten auch bischöfliche Untertanen ausgeplündert, besonders aber Streifzüge nach Lothringen unternommen, von wo sie reiche Beute zurückbrachten""). Bereits am 12. März 1468 beschlossen darum Ruprecht, Bischof zu Straßburg und Landgraf im Elsaß, und Herzog Johann von Lothringen, AA 1507 Fol. 3. Später (1468) trieb er sein Räuberhandwerk von Nideck aas. — 1M Wiegand, Urkunden zur Geschichte der Hohkönigsburg. 1900. S. 8. ) St. A. Str. 103 1M AA 1515. ) St. A. Str. AA 1521. ) Revue d'Alsace, tome VI, Fratment N° 192. — Friese, Historische Merkwürdigkeiten des ehemaligen Elsasses aus

Die Rathsamhausen zum Stein.

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gemeinsam vor die Burg zu ziehen und sie zu zerstören, falls die Räubereien nicht aufhören sollten 106 ). Da machten im Herbst des Jahres 1468 der Graf von Leiningen und Gerotheus v. R. einen Überfall auf die Gebrüder Jakob und Heinrich von Schönau und den Doktor Matheus Humel, die wegen Rechtsstreitigkeiten mit denen von Ramstein sich zu einem Gerichtstag nach Straßburg begeben wollten und unter bischöflischem bezw. kaiserlichem Geleit reisten; die Überfallenen wurden auf das Schloß Stein geführt und dort geschätzt 107 ). Hierauf setzte sich der Bischof erneut mit dem Herzog von Lothringen in Verbindung, und am 25. Januar 1469 beschlossen sie, im kommenden Sommer, oder sobald es das Wetter gestatte, die Burg zu belagern und zu «zerbrechen» 109 ). In dieser Absicht errichtete Bischof Ruprecht am 2. April zu Nancy mit dem Herzog Johann v. Lothringen ein Bündnis 10 "). Der Graf von Lichtenberg und die Stadt Straßburg sollten auch für das Unternehmen gewonnen werden; doch beschloß man, die Expedition gegebenenfalls auch ohne ihre Mitwirkung auszuführen 110). Als Gerötheus vernommen hatte, daß er mit Krieg sollte überzogen werden, fragte er am Ostermontag (8. April 1469) bei dem Rat der Stadt Straßburg an, «weß er sich zu ihnen versehen soll» U1). Straßburg verhielt sich zwar neutral, unterstützte aber die Belagerer durch Lieferung von Munition und Proviant. So verkaufte die Stadt im April dem Bischof «5 Zentner Bulver je ein Zentner für zwentzig güldin und darzu fünfhundert fiertel rocken und fünfhundert fiertel habern, je vier fiertel eins ins ander ein güldin tut zusammen 450 güldin» "*). Der Graf von Salm (qui Maréchal estoit de la Lorraine) zog am Freitag vor St. Jörgentag (19. April 1469) im Auftrage des Herzogs von Lothringen mit über 500 Mann Fußvolk und Reitern vor die Burg 11S ) ; auch der Bischof schickte eine Abteilung Fußvolk. Aus Nancy waren die größten Büchsen des Arsenals herbeigeschafft worden, und es begann eine heftige Beschießung des Schlosses. Als l0i den Silbermann'schen Schriften gezogen. 1804. S. 41—43. ) Dom Calmet, La 1C9 Chronique de la Lorraine. XV. Jahrh. II 885; Preuves III 36. ) St. A. Str. lm 108 10 AA 1521. ) St. A. Str. AA 210, AA 1521. ) St. A. Str. AA 1521. ») St. A. Str. 110 m AA 1521. ) St. A. Str. AA 1521. ) St. A. Str. AA 1521. — Vergl. auch 1U lls AA 259. ) St. A. Str. AA 1521. ) St. A. Str. AA 1521. — Dom Calmet, La Chronique de la Lorraine II 885; Preuves III 36. — Digot, Histoire de la Lorraine. 1880. III 139. — R. Reuß, Chronique de Meyer. 1873. S. 37. — Friese, Historische Merkwürdigkeiten des ehemaligen Elsasses. 1804. S. 43. — Revue

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nach etwa achttägiger Belagerung die Türme und der Bergfried gefallen waren, ergaben sich die Verteidiger der Burg; man gestattete den meisten freien Abzug 1 "); mehrere Edelknechte und etliche Steintäler Bauern wurden gefangen genommen11B) und erhenkt 11 '). Das Schloß aber wurde durch die Artillerie vollends in eine Ruine verwandelt 117 ). Qerotheus mußte Urfehde schwören "") und geloben, die Burg nicht wieder aufzubauen (1472)119). Seit dieser Zeit ist sie eine Ruine120). Qerotheus v. R. mußte noch auf andere Weise für seine Räubereien büßen. Er war schon im Jahre 1469 von Kaiser Friedrich III. in die Reichsacht getan worden m ) . Am 26. Mai teilte dieser in einem Schreiben aus Qraz 1M ) dem Straßburger Rate mit, wie die zu einem Gerichtstag reisenden «Hurussen von Schonaw» und Doktor Humel von Graf Wecker zu Leiningen, Gerotheus v. Rotzenhusen und ihren Helfern «auf des Reichs freyen strassen nydergeworffen gefangen und in das Sloß Stain gefurt darinn etlich Zeit gefangklich gehalten und umb ein merkliches Sungeltz geschätzt I auch zu anndern unbillichen Glubden und verschreiben gedrungen» worden seien, und daß darum die genannten Ritter der «peen und puß der guidein Bull» und der «königlichen Reformation zit Frannkfort beslossen123), verfallen seien». Sie haben außerdem vollen Schadenersatz zu leisten, und der Kaiser bittet darum die Stadt, ihn zu unterstützen «solang und sovil bis das solch frevel gestroffen und der erlitten Schaden abgetragen sein». Um den auferlegten Verpflichtungen nachkommen zu können, mußten Gerotheus und dessen nächste Verwandten die in den fünf voraufgegangenen Jahrzehnten erworbenen reichen Güter und Zehnten zu Oberehnheim "*) alle verpfänden oder verkaufen 1S6 ). So hängt mit den Ereignissen im Steintal eine rasche Verarmung der d'Alsace. 1892. Tome VI, Fragment 60. "') R. Reuß, Chronique de Meyer. — Dom Calmet, La Chronique de la Lorraine. — Friese, Historische Merkwürdig11S 116 keiten des Elsasses. ) St. A. Str. AÄ 1521 (Liste mit 16 Namen). ) Digot, 11J 11S Histoire de la Lorraine. ) Ebenda. ) Dom Calmet, La Chronique de la ia0 Lorraine. "') Das Reichsland III 1050. ) Schcepflin, Alsatia illustrata II 206 m § 375. ) St. A. Str. AA 1520. Diesbezügl. Mitteilung des Bischofs an den Rat 1S2 12s der Stadt (Mittwoch nach St. Kilian 1469). ) St. A. Str. AA 210. ) Gesetz 1M von 1442. ) B. A. Str., Austausch mit Baden I Nr. 117, 121, 123, 125—129, 2050, 1SS 2052; C 314. — Stadtarchiv Oberehnheim DD 51. ) B. A. Str., Austausch mit Baden I Nr. 133. 24. September 1471 Oültverschreibung Dietrichs und Qerotheus v. R. für Ludwig v. Müllenheim. Nr. 134. 29. September 1474 desgl. für Bernhard Wurmser. Nr. 135. 29. September 1480 Qerotheus d. j. tritt einen Teil des Weinzehnten an Qerotheus d. ä. ab. Nr. 136, 137. 4. August 1481. Qerotheus d. j. verkauft für 100 R. Korngeld an den Schultheiß Hans Rülle. Nr. 139. 15. Juni 1482. Die

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Stein.

Rathsamhausen zum Stein zusammen. Hohe Summen schuldete Qerotheus d. j. anscheinend dem Hans Ludwig v. MüllenheimRechberg und einem gewissen Qerfalk aus Freiburg 12a ). Durch Urteil des Rottweiler Gerichtshofes wurden im Jahre 1480 die meisten seiner Güter zu Oberehnheim dem Hans Ludwig v. Müllenheim und Hans Herlin "') aus Freiburg zugesprochen 1M ). Am Montag vor St. Urban teilte letzterer der Stadt Oberehnheim mit, daß Gerotheus wegen «sin ungehorsamkeit und Verachtung keyserlicher bischofflicher und anderer rechten» ihm von seinen Gütern und Zinsen einen Teil abtreten mußte" 9 ), und Hans v. Müllenheim, der außerdem gegen Gerotheus ein Bannurteil durchgesetzt hatte, daß man an dessen Aufenthaltsorte «weder singen noch lesen, begraben noch taufen» durfte, schickte am 24. August 1481 einen Boten nach Oberehnheim, welcher Haus, Hof, Hausrat des Gerotheus, sowie den Fruchtzehnten beschlagnahmen sollte 18°). Immer tiefer gerieten die Rathsamhausen in Schulden, so daß zuletzt auch das Steintal verloren ging. Durch ein Urteil des Rottweiler Gerichtshofes wurde Gerotheus im Jahre 1484 in die Aberacht erklärt, und auf Grund dieses Urteils wurde am 23. Dezember 1488 Hans Herlin von Bischof Mathias v. Seckau im Auftrag des Kaisers mit einem Teil des Steintals belehnt, nämlich: «mit der bürg zum Steyn, den zwei hoven zu Ottenrode, dem hove zu Obern Ehenheim, auch dem win und treid zehenden daselbst, die man nennt den fridelhov und zehend, auch w a s inn dem Steyn und an den Dorffern Nuwilr, Bullfuß und Grannso 1S1 ) dem Gerotheus gewesen» m ) . Am Weihnachtsabend 1488 machte der Bischof durch Brief aus Basel der Stadt Oberehnheim von dieser Belehnung Mitteilung ia3 ) bei Androhung einer «peene von 40 Mark Goldes» für diejenigen, welche dem neuen. Herrn die Zinsen verweigern würden. Die andere Hälfte des Steintals — also die Dörfer Rothau, Wildersbach, Waldersbach, Fouday, Solbach und Schönenberg — kamen an Hans Ludwig v. Müllenheim 1 "). Nun müssen in der kurzen Zeit zwischen Weihnachten 1488 und dem 3. Januar 1489 wichtige Verhandlungen bezüglich des Steintals stattgefunden haben, die sich leider unserer Kenntnis entziehen. Rathsamhausen v e r s e t z e n für eine Schuld von 75 ® einen Teil des Weinzehnten. Nr. 140. 10. Dezember 1482. Urteilsbrief w e g e n 5 ® jährlichen Korngelds, das der W i t w e B e y e r seit z w e i Jahren nicht gereicht worden. Nr. 143—149. Zahlreiche 1M weitere Verkäufe und Verpfändungen aus den Jahren 1482—1488. ) St. A. O. 127 D D 51. ) Vermutlich Erbe Oerfalks. "") St. A. 0 . DD 51. — Das Reichsland 1M 13 131 Elsaß-Lothringen III 1050. ) Ebenda. °) St. A. O. D D 51. ) Abgegangener Ort, vermutlich an Stelle der Annexe Freideneck bei Belmont. 1M 133 ) B. A. Str., Austausch mit Baden I Nr. 153. ) St. A. O. DD 51. "•) D a s B o c h , Steintal.

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Wir wissen nur, daß der Bischof schon am 3. Januar den Qerotheus d. ä. v. R. zum Stein mit der ganzen Herrschaft und allen ihren Zugehörungen belehnte "'). Hans Herlin leistete am 30. Oktober 1490 endgültig Verzicht auf die Rathsamhausischen Güter, welche er als Lehen besessen hatte1®6). Dagegen bezogen die Müllenheim noch bis zur Reformationszeit im Steintal einen jährlichen Zins von 25 Gulden für ein ihnen geschuldetes Kapital von 500 Gulden1'7). Wegen dieser Summe entstand 1533 zwischen Daniel v. Müllenheim und dem Bischof ein Prozeß, den letzterer gewann, und 1536 sollte das Kapital abgelöst werden. Am Montag nach corporis Christi (19. Juni) erhielt Ulrich v. R. vom Bischof die Aufforderung, die abgelösten 500 Gulden samt verfallenen Zinsen anstatt und für Daniel v. Müllenheim an das Bistum zu entrichten138). Wir wissen freilich nicht, ob er dies tat. Im Zusammenhang mit der Zerstörung der Burg Stein steht vielleicht auch die Belehnung der Rathsamhausen mit dem bischöflichen Schlosse Girbaden. Sicherlich hat Dietrich v. Rathsamhausen, der Hofmeister des Bischofs war, bei diesem für seinen gedemütigten Vetter Fürsprache getan; dem um Gnade flehenden verarmten Gerotheus wollte nun der Bischof einen Ersatz für die zerstörte Burg Stein bieten, und dies war eben Girbaden; es ist nirgends ersichtlich, weshalb dasselbe von den Landsberg, die es seit 1472 besaßen 1 "), an die Rathsamhausen überging. Die Belehnung des Gerotheus mit dem Schlosse Girbaden samt allen Zugehörungen erfolgte am Dienstag nach Palmsonntag 1477, unter der Bedingung jedoch, daß der Bischof und dessen Nachfolger jederzeit, bei Tag und bei Nacht, zu allen ihren Geschäften mit ihren Leuten Einlaß hätten 14°). (Burgfrieden.) Die Burg, welche im dreißigjährigen Kriege (1633 ?) zerstört wurde, blieb im Besitz der Rathsamhausen zum Stein bis 1689, wo dieselben ausstarben1*1). Jedenfalls schon vor der Belehnung mit Girbaden scheint sich Gerotheus d. j. auch mit dem Grafen von Salm versöhnt zu haben. Dieser verlieh ihm 1477 (Sonntag nach Jubilate) 17 Pfund 5 ß Straßburger Münze auf dem Bann Plen (Plaine)"'). Dagegen kam eine Versöhnung mit dem Herzog v. Lothringen so schnell nicht zustande. Noch 1512 führten die Rathsamhausen 1M Reichsland Elsaß-Lothringen III 1050. ) B. A. Str., Austausch mit Baden I Nr. 154; C 314. B. A. Str., Austausch mit Baden I Nr. 157. " 7 ) B. A. Str., 1S8 Fonds Zabern 176, bischöfl. Manuale 1533—1538. ) B. A. Str., Fonds Zabern 176, bischöfl. Manuale 1533—1538. Familienbuch der Freiherren v. Müllenheim1W 1M Rechberg II S. 123 Nr. 1182. ) B. A. Str. Q 672. ) B. A. Str. E 1180. 141 ) B. A. Str. Q 1164. — Das Reichsland III 343. "') B. A. C. E I Nr. 4.

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mit dem damaligen Herzog Verhandlungen «wegen des bruchs zu Steyn, vor Joren durch jetzt benennten Herzogens voreitern beschehen, daran inen nit wenig gelegen» 1M ). Trotz der Belehnung mit Girbaden und dem Qewerf zu Plen mußte Qerotheus v. R. d. j. bis zu seinem1 Ende Schulden machen "*). Er starb im Frühjahr 1491 und wurde in der Kirche zu Urbach begraben. Den Ort, wo seine Gebeine ruhen, bezeichnet heute eine Cementplatte mit der Inschrift:

JUNKER JORG GEROTHEUS VON RATZSSAMHUSENEM ANNO DOMINI MCCCCLXXXXI

An Stelle dieser Cementplatte befand sich früher eine mächtige Sandsteinplatte, die jetzt im Turm der Kirche steht. (Schrift und Zahlen fast völlig ausgetreten.) Sie trug noch die Worte: «Gott genad sinn Ssell» 1 * 6 ). U 4 ) B. A. Str., Austausch mit Baden I Nr. 150, ) B. A. Str. Q 1166. 156—158, 1 W ) Oberlin, Bericht an das Direktorium Augsburgischer Konfession 161. vom 1U

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Die Herren.

Nach dem Tode Qerotheus des Jüngern war Gerotheus der Ältere einige Jahre alleiniger Herr im Steintal. Am 17. Juli 1494 bestätigte ihm Kaiser Maximilian I. den Besitz der Herrschaft" 6 ). Im darauffolgenden Jahre erwarb Qerotheus von Lienhart Eckbrecht v. Dürkheim V» von Schloß und Stadt Schirmeck und den zugehörigen Dörfern "'). Nach seinem Tode belehnte Maximilian Ulrich v. R. — vermutlich Sohn des Qerotheus des Jüngern — mit dem Steintal und seinen Zugehörungen (1498) " 8 ). Ulrich war in Achenheim begütert 149 ). Von Johann Zorn v. Weyersburg kaufte er 1508 um 700 rheinische Qulden ein zu Straßburg am Roßmarkt gelegenes Haus180), und 1510 erwarb er % von dem Korn-, Wein- und Heuzehnten zu Kinzheim1M). Mit dem Steintal scheint Ulrich nur vorübergehend belehnt gewesen zu sein. Albrecht, Samson und Qeorg v. Rathsamhausen, die Söhne Qerotheus des Altern und seiner Gemahlin Clara von Ochsenstein, waren seine Nachfolger. 1505 und 1506 hatten dieselben mit dem Bischof Albrecht allerlei Grenzstreitigkeiten am Minzfeld152); sie scheinen demnach bereits damals das Steintal besessen zu haben. Albrecht v. R. hatte auf der Universität Bologna studiert15*). In erster Ehe heiratete er Elisabeth von Müllenheim. Seine zweite Gemahlin war Apollonia Reich von Reichenstein, die ihm kurz vor seinem 1542 erfolgten Tode einen Sohn schenkte, Wolf Dietrich "'). Samson war einige Jahre bischöflich Straßburg'scher Kanzler. Auch spielte er als Burgvogt zu Avolsheim und Amtmann zu Molsheim eine Rolle155). Im Jahre 1531 wurde er u. a. in einem Waldstreite zwischen dem Stifte Haslach und Molsheim mit Jakob von Oberkirch zum Schiedsrichter gewählt 1M ). Aus seiner Ehe mit Agnes von Uttenheim zu Ramstein" 7 ) entsproß ein Sohn, Jakob. Samson starb am 21. 9. 1540158). Georg lebte zu Schlettstadt und war dort eine sehr einflußreiche Persönlichkeit159). Vom Bischof Albrecht empfing er 1503 im Breusch14e 20. 11.1808. Siehe Anhang: Sagen. ) B. A. Str., Austausch mit Baden I Nr. 159. 147 148 C 314. ) B. A. Str. G 1155, 18. ) Oroßh. Badisches Qeneral-Landesarchiv Karlsruhe; Selekt der Königsurkunden Nr. 1044. B. A. Str. E 1113, 8 a. 150) B. A. Str. 1M 16S E. 1113, 8 b. ") B. A. Str. G 2776, G 2988. ) B. A. Str. G 1166. ) Daselbst 1498 immatrikuliert. — J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Geschlechter1M bnch III S. 348. ) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch 1M 1M III S. 348. ) Ebenda. — St. A. Str. AA 1548. ) B. A. Str. Q 5233. " 0 B. A. Str. o Nr. Im Jahre 1518 führten die Rathsamhausen einen Prozeß 1M mit den Uttenheim von Ramstein. ) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches 1M Geschlechterbuch III S. 348. ) J. Geny, Die Reichsstadt Schlettstadt. 1900.

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tal einen Zins von 35 Schillingen 160 ). Später war er Vogt in Rufach, w o er bereits 1530 starb 161 ). Die Rathsamhausen zum Stein besaßen bis 1507 das Schloß Breitenberg im Oberelsaß als bischöfliches Lehen. Dem Dietrich v. R. z. St. war am 6. 9. 1429 von Bischof Wilhelm die Vogtei und Schaffnei in der oberen Mundat samt dem Schlosse Isenburg übergeben worden 1G2 ). Am 8. 1. 1442 hatte der Domherr Konrad von Busnang dem genannten Dietrich Schloß 16S ) und Dinghof in Sulzmatt als Lehen aufgetragen 164 ), und 1469 war Qerotheus der Ältere mit diesen Stücken belehnt worden 1 " 6 ). Dessen Söhnen erlaubte zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Bischof Albert von Straßburg, dieses Lehen zu verkaufen unter der Bedingung jedoch, daß sie ein gleichwertiges Stück ihres Allodialbesitzes als Ersatz ans Bistum abträten 166 ). Am Tage Inocentum 1507 verkauften hierauf Georg, Albrecht und Samson v. R. ihr Lehen im Sulzmattertal «mit namen Preittenberg, das sloß, mit slner zugehörde» der Bürgergemeinde Sulzmatt 16 ') und traten bald darauf die Dörfer Helmansgereuth und Bliensbach mit allen Rechten ans Bistum ab; doch blieben dieselben als bischöfliches Lehen auch fernerhin in Händen der Rathsamhausen 168). Als Mitglieder der elsässischen Ritterschaft nahmen Jakob und Samson v. R. im Jahre 1521 an dem Reichstag zu Worms teil m ). Zu Anfang des 16. Jahrhunderts entstanden zwischen der Stadt Oberehnheim und den Rathsamhausen zum Stein allerlei Händel und Prozesse wegen der Zehnten I7°), und auch der ewige Streit um die Waldrechte auf dem Hochfelde entbrannte aufs neue. In den Jahren 1515 und 1518 verhandelten Jakob (Sohn Samsons) und Wolf Dietrich (Sohn Albrechts) wegen dieser Angelegenheit mit der S t a d t m ) , und Samson, der freundnachbarliche Beziehungen wünschte, nahm am 22. Juni 1532 mit den Vertretern der Stadt eine Ortsbesichtigung vor 172 ). Trotzdem hörte der Zwist nicht auf, bis durch einen Vertrag, den Jakob und Wolf Dietrich 1545 mit der Stadt abschlössen, die Waldgrenzen beim Minzfeld aufs neue festgesetzt worden waren 17> ). 1

161 "°) B. A. Str. Q 1156,5. ) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Geschlechter162 buch III S. 348. ) Walter, Urkunden und Regesten der Stadt und Vogtei 183 Rufach. 1913. Nr. 167. — Stadtarchiv Rufach CC 1. ) Schloß Breitenberg. 164 1B5 ) B. A. Str. G 609, 4. — Walter, Urkunden Nr. 206. ) B. A. Str. G 825. 16e ) B. A. Str. E 641. — Oberlins Annalen. — Annuaire du Bas-Rhin. 1848. S.342 bis 345. "') B. A. Str. G 307, G 520. "») Siehe Anhang: St. Blaise und Bliensbach. "') Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Bd. II jüngere 17 171 Serie. S. 989. °) St. A. O. DD 51. — B. A. Str. G. 1608. ) St. A. O. in 173 m DD 107, DD 108. ) St. A. O. DD 108. ) St. A. O. DD 107. ) St. A. O.

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Vom «Miltzfeldbrunnen» bis zur Hohenstraße sollten 3 Steine gesetzt werden, mit einem Adler auf der Oberehnheimer Seite und dem Wappen der Rathsamhausen auf der Steintaler Seite. Zwischen denselben sollten zahlreiche «Lochbäume» bestimmt und nach je 20 Jahren revidiert bezw. ersetzt werden. W a s den Weidgang betrifft, blieb es bei den Bestimmungen von 1393 "'). Durch ein im Jahre 1549 getroffenes Abkommen erlangten die Steintäler auch gewisse Rechte auf die Weideflächen bei Ruß 175 ). Die Belehnung von Wolf Dietrich und Jakob v. R. durch Kaiser Karl V. fand 1550 statt 176 ). Am 2. Januar 1563 wurden sie in Freiburg i. Br. durch Ferdinand I."') und am 27. März 1566 zu Augsburg durch Maximilian II178) mit dem Steintal belehnt. Jakob v. R. starb 156817e) und hinterließ aus seiner Ehe mit Margarete v. Fleckenstein einen Sohn, Hans Friedrich, der schon seit 1566 Mitteilhaber an der Herrschaft war 180 ). Da sowohl Wolf Dietrich, als auch Hans Friedrich v. R. keine Söhne hatten, erteilte Kaiser Maximilian II. am 25. November 1573 dem Reichshofrat Andreas Erstenberger die Expektanz auf das Steintal 181 ). Wolf Dietrich starb im Jahre 1574182), nachdem er kurz zuvor mit Hans Friedrich gemeinsam mit dem Steintal belehnt worden war (25. 5. 1574)"'). Nach dem Tode seines Oheims war Hans Friedrich v. R., genannt «der Reiche»18*), alleiniger Besitzer des Steintals. Am 8. August 1577 wurde er von Rudolf II. mit der Herrschaft und ihren Zugehörungen belehnt 1M ). Von geringfügigen Vorfällen abgesehen 186 ) waren seine Beziehungen zur Stadt Oberehnheim äußerst freundschaftlich. Am 30. April 1578 trat er mit dem Rat in Verhandlungen ein wegen Verpachtung des Hofes und der Zehnten; er erklärte sich bereit, der Stadt den Vortritt zu lassen, selbst dann, wenn sich adelige Liebhaber fänden 187 ). Den darauffolgenden 14. Mai pachteten der Rat und die Zunftmeister von Oberehnheim die Zehnten 188 ) und den Hof auf 21 Jahre 18> ), und 176 DD 107. ) B. A. Str Q 1210 — 1623 entstanden ihretwegen nicht geringe 176 Schwierigkeiten zwischen der Herrschaft und dem Bistum. ) J. Kindler 177 v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch III. S. 348. ) B. A. Str. C 323,5. 178 179 ) B. A. Str. Akten aus Bischweiler. Inventar. ) Kindler v. Knobloch, Ober18 badisches Qeschlechterbuch III S. 348. °) B. A. Str. Akten aus Bischweiler. 181 Inventar. ) B. A. Str. Akten aus Bischweiler. Inventar. — K. Kreisarchiv Speyer, Bestand Zweibrücken III Abt. 1 Nr. 7. Schcepflin, Alsatia illustrata II 207. "=) J. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Qeschlechterbuch III S. 348. 18S) B. A. Str. 1M C 323, 5. — Akten aus Bischweiler. Inventar. ) B. A. Str. E 1116. m 186 187 ) B. A. Str. C 314, C 323, 5. ) St. A. O. DD 108. ) St. A. O. DD 51. ".") Weizen 45 Viertel, Roggen 30 Viertel, Gerste 60 Viertel, Hafer 15 Viertel, 1TO Wein 8 Fuder, 6 ® Pfennig vom Heuzehnten. ) St. A. O. DD 51; DD 53.

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mit Einwilligung Hans Friedrichs v. R. fand am 30. Juni eine Unterverpachtung an den Bürger Lorenz Valier statt 190 ). Im Jahre 1579 wurde Hans Friedrich v. R. bei der Reichsritterschaft immatrikuliert 191 ). Da er damals noch keinen Sohn hatte, erbat er von Rudolf II. die Erlaubnis, das Steintal und seine Zugehörungen an irgend einen Lehnsberechtigten verkaufen zu dürfen, und obwohl erst am 2. Januar 1579 dem Andreas Erstenberger die früher erteilte Expektanz bestätigt worden war 192 ), erfüllte doch am 21. März 1580 der Kaiser den Wunsch des Gesuchstellers. Daraufhin bot Hans Friedrich v. R. am Stefanstage 1580 der Stadt Oberehnheim den dortigen Freihof und die Zehnten zum Kaufe an 193 ), obschon sich bereits ein Adeliger darum beworben hatte 1 " 4 ). Als Kaufpreis forderte er 25 400 Qulden. Da trotz längerer Verhandlung *eine Einigung nicht erzielt werden konnte, teilte am 25. Februar 1581 die Stadt Oberehnheim dem Hans Friedrich v. R. mit, daß sie von dem Kaufe absehen und bei der am 14. Mai 1578 mit ihm getroffenen «versigleten und eyn und zwäntzig Jar lang wehrenden Leyhenung» verbleiben wollte 195 ). Daraufhin antwortete am 10. März 1581 der über das Verhalten der Stadt ärgerlich gewordene Herr v. Rathsamhausen, daß er das Lehen bei der ersten Gelegenheit verkaufen werde, da «eyn kauff für eyn Leyhenung gehet» 196 ). Doch auch die im Juni 1582 mit Heinrich v. Müllenheim zu Roßheym gepflogenen Kaufverhandlungen zerschlugen sich 197 ). Um dieselbe Zeit (27. 6. 1582) erließ Hans Friedrich v. R. ein Verbot gegen den Wucher der Juden 199 ), das Kaiser Rudolf II. durch Urteil vom 30. Dezember 1582 bestätigte. Ohne besondere Erlaubnis durften die Juden fortan den rathsamhausischen Untertanen kein Geld leihen, keinen Tausch vornehmen oder sonstigen Kontrakt mit ihnen schließen; nur der Handel mit Lebensmitteln und Dingen, die bar bezahlt werden können, sowie der Besuch der Wochen- und Jahrmärkte war ihnen gestattet. Hans Friedrich v. R. war mit Maria Jakobea Kranz v. Geispolsheim, Tochter Wolfs und der Margareta v. Fleckenstein verheiratet. Bestimmungen für den Fall, daß Mißwachs eintritt. St. A. O. DD 51. 1M 1M ) B. A. Str. E 1292. ) B. A. Str. Akten aus Bischweiler. Inventar. —K. 1M Kreisarchiv Speyer, Bestand Zweibrücken III Abt. 1 Nr. 7. ) Am 30. Oktober 1580 bat Hans Friedrich v. R. die Stadt Straßburg, sie möge ihm sein am Roßmarkt gelegenes Haus entweder abkaufen, oder ihn dasselbe w i e bisher benutzen lassen, bis sich ein Käufer gefunden hätte. Der Rat der Stadt hatte nämlich beschlossen, daß die Adeligen ihre in der Stadt gelegenen Häuser «gänzlich meiden» oder sich 1M mit ihnen «vergleichen» müßten. St. A. Str. J D Q 21. ) St. A. O. DD 52. m im 197 1,s ) St. A. O. DD 52. ) St. A. O. DD 52. ) St. A. O. DD 52. ) B. A. Str.

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Die Herren.

Kurz vor seinem im Jahre 1582 erfolgten Tode erlebte er noch das Glück, daß ihm ein Stammhalter geboren wurde. Dieser erhielt den Namen Samson199). Seine Vormünder M0 ) Blasius von Müllenheim, Philipp von Fleckenstein und Wolfgang Krantz von Qeispolsheim traten zu Beginn des Jahres 1584 mit dem Pfalzgrafen Georg Hans von Veldenz, der bereits seit mehreren Jahren das Bergwerksrecht bei Rothau und Schirmeck besaßS01), in Verhandlungen ein, um ihm das Steintal zu verkaufen. Aber die österreichische Regierung, der Bischof und die elsässischen Stände sahen dies nicht gern und suchten den geplanten Verkauf zu verhindern. Die Gründe hierzu sind teils auf politischem, teils auf konfessionellem Gebiete zu suchen. Schon lange nämlich wurde das politische Verhalten des Pfalzgrafen nicht ganz ohne Grund mit Mißtrauen beobachtet; derselbe war mit einflußreichen Persönlichkeiten Frankreichs eng befreundet **) und hatte schon öfters mit prahlerischen Worten gedroht, deren Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen; auch hatte er bei dem im Jahre 1579 von Frankreich geplanten Anschlag gegen Straßburg die Hand im Spiele gehabt sos ), und sein damaliges Verhalten war entschieden zweifelhaft gewesen 80 '). Darum befürchtete man, daß das Steintal ein offenes Einfallstor für die seit 1552 stets weiter nach Osten vordringenden Franzosen werden möchte. Auch durch seine Stellung in den Hugenottenkriegen war der Pfalzgraf in Mißkredit geraten. Als eifriger Protestant hatte er die vertriebenen französischen Glaubensbrüder nicht nur im Felde unterstützt, sondern auch viele ,9 Wetzlarer Kammergerichtsakten Nr. 1428. *) Im Mai 1585 bat Wolffgang Lang, Rathsamhausenscher Befehlshaber, im Auftrag der Vormünder Samsons, daß Meister und Rat der Stadt Straßburg den Samson als «burger auf- und annehmen, demselben Schutz und Schirm versprechen und gedeyen lassen». Gleichzeitig erklärten sich die Rathsamhausen bereit, das jährliche Schirmgeld zu bezahlen. Am 15. Mai 1584 beschloß der Rat, der Bitte zu entsprechen. (Stadtarchiv Straßburg J D O 20.) Am 27. November 1597 wurde Samson auf der Universität Padua immatrikuliert. Um 1600 diente er bei den Truppen des Herzogs von Württemberg. Er heiratete am 3. Juni 1600 Magdalena v. Seebach. Am 9. Juli 1622 starb er und wurde zu Straßburg auf dem Helenenfriedhof begraben. (J. Kindler v. Knob20 °) B. A. Str. Q. 827, 1. Am loch, Oberbadisches Qeschlechterbuch III S. 348.) 17. Oktober 1583 wurden die Vormünder Samsons für diesen vom Bischof Johann mit verschiedenen Zinsen und Höfen zu Schlettstadt belehnt. ""J Siehe die M2 Kapitel: «Die Pfalzgrafen von Veldenz» und «Erwerbsquellen». > O. Wolfram, Ausgewählte Aktenstücke zur Geschichte der Gründung der Pfalzburg. Jahrbuch m für Lothringische Geschichte. Bd. 20. ) A. Holländer, Ein Anschlag gegen die Unabhängigkeit Straßburg im Jahre 1579. Zeitschr. für Geschichte des Obera04 rheins, neue Folge, Bd. XVII. ) Man darf es jedoch dem Pfalzgrafen nicht

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in seiner Neugründung Pfalzburg aufgenommen. Es war mit Bestimmtheit zu erwarten, daß auch im Steintal, das ans Bistum grenzte, solche Hugenotten angesiedelt würden. Deshalb schrieb am 24. Mai 1584 der Unterlandvogt Nikolaus v. Bollweiler 805 ) dem Erzherzog Ferdinand von Österreich™'), daß der von Georg Hans geplante Kauf dem Lande schädlich sei und «keinen Fortgang» haben dürfe; denn wenn der Lothringer Pfalzburg habe 808 ), würden die dort wohnenden Hörigen, «mehrerteils Franzosen und Niederländer und nit katholisch», in das Steintal ziehen, das zudem der Stadt Schlettstadt und dem Kioster Ebersheimmünster 209) zu nahe liegt. Auch könnten sie in dem nahen Straßburg leicht Böses stiften, «welches dem ganzen Land nit zur geringer beschwerden, schaden und nachteil reichen würde». Man möge darum den Kauf nicht genehmigen. Indessen wurde derselbe am 3. Juni 1584 zu Pfalzburg endgültig abgeschlossen 210 ). Unter ausdrücklicher Berufung auf die im Jahre 1580 dem Hans Friedrich v. R. erteilten Erlaubnis verkauften die Vormünder Samsons alle Reichslehnen ihres Pflegesohns «mit nahmen die bürg zu dem Stein. Item zween hoffe zu Ottenrode; item ein hoff zu Oberehenheim; item den Zehenden daselbst zu Oberehenheim, genannt der Friedelzehend, geht von dem alten aigen; item ein drittheil von der Odenburg zum Königsberg, alles und jedes mit ihren begriffen, recht und gerechtigkeit, gar und gantz nichts ausgenommen, für unbeschwehrt und unverpfändet mit allen zugehörigen dörffern, als Oberroddaw, Niederrodaw, Wilgenspach, Neuweillern, Ringolspach, Schönenberg, Walterspach, Urbach, Solzu hoch anrechnen, wenn er zeitweise mit Frankreich liebäugelte. Das Gleiche tat in jener Zeit noch mancher andere deutsche Fürst; denn der Reichsgedanke war verschwunden, und die Sonderinteressen beeinflußten damals die Politik. Wir dürfen darum kein zu hartes Urteil über Georg Hans fällen, wenn er nach langen inneren Kämpfen dem Beispiele anderer folgte und in seiner Not (siehe nächstes Kapitel) dem französischen Golde nicht widerstehen konnte. In einem seiner Briefe an den Kaiser schreibt er: «Uf der einen Seiten beut man mir aureos montes an, uf der andern Seiten sehe ich, daß w o man mir nit hilft, ich ins verderben und mitten ins feuer gerate. Um mich w e r s ein schlechts, aber soviel liebe kinder für äugen zu sehen bewegt eins Vaters Herz». (Zeitschr. für Geschichte des Oberrheins. 806 Bd. XVII S. 329.) ) Dr. J. Becker, Geschichte der Reichslandvogtei im Elsaß. Nikolaus von Bollweiler war Unterlandvogt zu Hagenau vom 7. 1. 1566 bis zu soe seinem Tode 1588. ) Ebenda. Erzherzog Ferdinand war Oberlandvogt im 208 Elsaß von 1564—1595. *") B. A. Str. C 100, 30. ) Georg Johann von Veldenz wollte das Steintal kaufen als Ersatz für Pfalzburg, das er 1583 an Karl von Lothsw ringen verkauft hatte. ) Ebersmünster, berühmte Abtei von Ebersheim, der S1 S a g e nach 664 von Etticho gegründet. °) B. A. Str. E 641; C 323, 5. — E 1112.

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Die Herren.

baden und Beifuß, und ihres jeden sondern obrigkeit, hoher, niederer, auch aller anderer Jurisdiction und gerechtsame, der collaturen, Pfründen und heiligen gefäll, auch zollen, ungeldern, mannschaften, reysherrlichkeiten, freyheiten, dienstbarkeiten, zu- und angehörungen, rechten und gerechtigkeiten an leuthen, häußern, hoffen, güthern, geleyten, zehenden, nutzungen, waydgäng, hagen, jagen, fischereyen, vögelheyen, gerichten, zwingen, bännen, freveln, büßen, beten, ätzungen, Schätzungen, besserungen, gärthen, wässern, büschen, bergen, schlichten, reinen, steinen, markungen, brüchen, holzrechten, mühlen, mühlstetten, wasser und Wasserfällen, auch allen andern zugehörungen, in wasser, auf dem Land, oben und unter der erden, benants und unbenants, besucht und unbesuchtes, wie und w a s unsers pflegsohns voreitern von Rathsamhaußen vom heiligen reich empfangen, immittelst gebessert, erbauen, und etwa an liegenden güthern eigenthumlich darunter erkaufft, oder sonsten an sich gebracht, und bisher innen gehabt, besessen, genutzet und genossen gehabt, gar und gantz, nichts ausgenommen, weder lehen noch eigen, so unter dem district und bezirck solches lehens gelegen, und mit nahmen auch das Rathsamhausische neulich erbaute hauß zu Roddaw, zu rechten steten kauff umb 47 000 gülden, jeder gülden zu 15 batzen oder 60 kreutzern gerechnet, wie sie dieser zeit in der statt Strasburg in kauffen und verkauften gemeinlich gäng und geb». In den Kauf war auch inbegriffen das zwischen den Lehen gelegene Eigentum (Allodien) Samsons «mit allen zu- und eingehörungen, dörfern auch dem jure gladii und andern hohen und niedern oberkeyten, gerichten, rechten, herrlichkeiten und gerechtigkeiten, geistlichen pfrunden und gefallen auch zollen, ungelten, geleuten, leuten, güthern, häußern, hoffreiten und hoffstätten, ackern, wiessen, gärten, hetzern S11 ), e g e r t h e n m ü h l e n , gülten und zehenden», «doch lehen für lehen und eigenes für eigenes». Unter Bezugnahme auf die Mitteilung der Räte zu Hagenau vom 24. Mai schrieb hierauf am 11. Juni das oberösterreichische Regiment dem Erzherzog Ferdinand" 3 ): Die Regierung glaubt, daß der Kauf wohl nicht mehr hintertrieben werden könne, da er mit kaiserlicher Bewilligung geschehen sei; sie rät aber trotzdem, der Erzherzog möge den Kaiser daran erinnern, welchen Nachteil und Schaden das Haus Österreich und das ganze Land erleiden werden, wenn der Kauf seinen Fortgang nehme; darum möge er den Kaiser 21t Schcepflin, Alsatia diplomtica II 476 Nr. 1491. ) Die Jagd. *1S) Der Ertrag 213 an Früchten. ) Statthalterei-Archiv Innsbruck, Kopialbuch an die fürstliche

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ersuchen, wenn es noch möglich sei, den Kauf nicht fortgehen zu lassen, sondern denselben aufzuhalten und nicht zu bewilligen. In der Tat versuchte Erzherzog Ferdinand alles, um den Verkauf rückgängig zu machen81*), und auf sein Betreiben wurde am 11. Juli 1584 der zweijährige Samson v. R. mit der Herrschaft belehnt 21s ). Inzwischen hatte auch der Bischof als nächster Nachbar des Steintals Stellung zu der Frage genommen und in zwei Berichten an den Kaiser seinen Bedenken Ausdruck verliehen" 6 ). In dem einen vom 25. Juli 1584 hob er besonders hervor, daß das Steintal mit dem einen Ort (Fouday) an die lothringische Grenze und mit dem andern (Rothau) an das Amt Schirmeck stoße, und daß darum für das Bistum Gefahr bestehe, wenn der Kauf aufrecht erhalten bleibe 217 ). Am 27. Juli 1584 beschloß auch der bischöfliche Hof rat zu Zabern, den Kauf abzulehnen «des schürmbs halben mit Ebersheimmünster» 21S). Auch Oberehnheim sprach sich gegen die Abtretung des Steintals an Georg Hans aus und verlangte, daß ein Landtag einberufen werde, der über diese Frage beraten solle 219 ). Nachdem die Untertanen im Steintal bereits dem Pfalzgrafen gehuldigt hatten, bat am 24. September die österreichische Regierung den Erzherzog, er möge den Kaiser ersuchen, nicht zu gestatten, daß der Pfalzgraf den Religions- und Landfrieden störe 220). Von allen Seiten gedrängt, machte Rudolf II. im Oktober 1584 den Vormündern Samsons zwar ernste Vorwürfe wegen des stattgefundenen Verkaufs 2!1 ), aber zu einem weiteren Eingreifen seitens der Reichsregierung scheint es nicht gekommen zu sein" 2 ), und so blieben die Veldenz ungestört im Besitze der Rathsamhausenschen Reichslehen"'). Allerdings wurde dem Pfalzgrafen kein Lehensbrief ausgestellt 22 *). Gegen 1590 scheint Rudolf II. zwar die Absicht gehegt zu haben, ihn zu belehen. Wenigstens schreibt Georg Hans in einem Briefe vom 10. April 1590, daß er wegen seines Leibes 2 216 Durchlaucht, 1584 folio 346 ff. ") B. A. Str. C 100, 30. ) K. Kreisarchiv Speyer, Bestand Zweibrücken III Abt. 1 Nr. 7. B. A. Str. C 323, 5. *") Mittei21? lung des K. und K. Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien. ) B. A. Str. sw sl8 O 828. ) B: A. Str. Fonds Zabern 180, Hofratsprotokolle. ) St. A. O. DD 52. 22°) K. u. K. Statthalterei-Archiv Innsbruck, Kopialbuch an die fürstliche 221 22S Durchlaucht, 1584, folio 629 ff. ) B. A. Str. C 100, 31. ) Mitteilung des K. u. K. Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien. — Statthalterei-Archiv Innsbruck, 22S Kopialbuch «Von der fiirstl. Durchlaucht» 1578—1584 folio 743. ) B. A. Str. E 641. Die Vormünder hofften, daß der Kaiser «Den habenden consens noch ratifi2M cieren würde». ) Lehr, L'Alsace noble. 1870. I S. 212.

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Die Herren.

Zustand und Schwachheit, so ihn seit 1 V 2 Jahren an das Bett fesseln, weder zur Belehnung nach Chur, noch ins Steintal kommen könne M6).

Rathsamhausen zum Stein*). Hartmann Gerotheus Gemahlin : Anna v. Hewen

Hermann

Dietrich f 1382 Gemahlin : Else vom Haus

Klementine Adelheid + 2. 11. 1383 Äbtissin zu St. Steffan heir. Rudolf v. Hohenin Strassburg 1438 stein. 2. 11. 1383

Gerotheus 1 17.6.1427 Dietrich Gemahlin: f 2. 7. 1431 Adelheid v. Eptingen

Bernhard Dietrich Ulrich, ein Ulrich später Geistlicher Schultheiß zu Oberehnheim 1. Gemahlin : Bastard Vogt zu Rappoltsweiler Klara v. Ochsenstein Gemahlin : 2. Gemahlin: Agnes v. Hattstatt. Schönette Beyer v. Boppart. Attala Margarete Blancheflor Dietrich Gerotheus d. ältere Ä "H Gerotheus d. jüng. ë 2 I t 1491 t 1488 .K o S Q * ¿0 Georg + 1530 Albrecht f 1542 Vogt zu Rufach 1. Gemahlin: Elisabeth von Mfillenheim 2. Gemahlin: Apollonia Reich v. Reichenstein Wolf Dietrich f 1574

Samson f 1540 Gemahlin: Agnes von Uttenheim

Ulrich ?

Jakob f 1568

Katharina f 1565

Hans Friedrich f 1582 Gemahlin: Jakobea Kranz v. Geispolsheim

Margarete

Samson f 1622 Gemahlin: Magdalena v. Seebach

*) Nach J. Kindler v . Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch

III S. 348 ff.

Die Auszahlung der Kaufsumme sollte im Oktober 1584 erfolgen S26 ); so war wenigstens am 3. Juni in Pfalzburg festgesetzt worden. Doch erst am 3. Mai 1585 stellten die Vormünder Samsons eine Quittung über den Empfang der 47 000 Gulden aus 227). Zwar hatten sie von Georg Hans keine klingende Münze 225

) B. A. Str. E 641.

S26

) B. A. Str. E 641

m

) B. A. Str. E 641; E 1112. — E. Dietz,

Die Plalzgrafen von Veldenz.

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erhalten; vielmehr hatte er seine Gläubiger an den Herzog von Lothringen verwiesen, der ihm noch eine gleiche Summe für Pfalzburg schuldete. Dieses Verfahren (Wechsel) ist von sämtlichen beteiligten Parteien anerkannt worden. Im Jahre 1623 zahlte der Lothringer endlich die geschuldete Summe an die Rathsamhausen aus. Diese fanden jedoch, daß man ihnen noch einige rückständige Zinsen schulde, und daß die Auszahlung in so hohen Werten erfolgt war, daß sie über die Hälfte verloren. Sie verlangten darum eine entsprechende Entschädigung, und als sie der Lothringer verweigerte, wandten sie sich sowohl an den König von Frankreich und den Kardinal Richelieu, als auch an den Erzherzog von Österreich 228) und den Grafen von Veldenz, daß diese ihn zur Zahlung zwängen. Aber alle Bitten und Gänge blieben fruchtlos229).

3. Die Pfalzgrafen von Veldenz. Die dem mächtigen Geschlechte der Wittelsbacher angehörigen Pfalzgrafen von Veldenz waren alle ohne Ausnahme unternehmungslustige und fortschrittlich gesinnte Männer, die sich im Gegensatz zu den Rathsamhausen durch ihre Fürsorge und ihr Wohlwollen gegen die Untertanen auszeichneten. Es schien, als sollte das Steintal unter ihrer Herrschaft glücklichen Zeiten entgegengehen. Die politischen Ereignisse am Ende des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts vernichteten jedoch diese Hoffnung. Wilde Kriegsstürme durchbrausten das Tal und ließen hinter sich Trümmer, Armut, Elend und Krankheit 1 ). — Im pfalzgräflichen Hause selbst war das Unglück ein nicht seltener Gast. Bevor wir die Geschicke des Steintals und seiner neuen Herren kennen lernen, müssen wir uns mit einem langwierigen Prozesse befassen, der kurz nach 1584 zwischen dem Pfalzgrafen Georg Hans und den Rathsamhausen entstand. Es handelte sich um folgende Güter, die Pfalz-Veldenz, als zum Steintal gehörig, für sich beanspruchte: 1. Die Dörfer Helmsgereuth und Bliensbach, 2. das Gewerf zu Saales, 3. die zwei Höfe zu Ottrott und 4. den dritten Teil an der ödenburg zum Königsberg 2 ). 2ï8 Documents inédits. 1878. S. 337—343. ) B. A. Str., Steintalakten o. Nr. Brief des 229 Erzherzogs Leopold an den Herzog v. Lothringen. (29. 8. 1631.) ) E. Dietz, Documents inédits pour servir à l'histoire du Ban-de-la-Roche. 1878. S. 343—344. 2 ') Siehe Kapitel: Kriegszeiten. ) B. A. Str. E 641; 69 Prozeßakten.

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Die zuletzt genannten Stücke waren in dem Kaufbriefe von 1584 ausdrücklich genannt; auch scheinen die hieraufbezüglichen Forderungen der Veldenz befriedigt worden zu sein, da diese Güter in allen spätem Lehensbriefen wieder aufgeführt sind. Die Qewerf zu Saales war zwar im Lehensbesitze der Rathsamhausen gewesen, gehörte aber nicht zum Steintal, sondern zur österreichischen Herrschaft Weilertal, und fand darum auch in dem Kaufbriefe keine Erwähnung; die Forderung der Veldenz war somit unbegründet, und wenn der Pfalzgraf anfänglich das Qewerf geliefert bekam, so geschah es lediglich aus Unkenntnis der Rechtslage seitens des «Empfängers» in Saales 4 ). Der Anspruch auf die Dörfer Helmsgereuth und Bliensbach, die im Kaufbriefe nicht genannt sind, scheint wenig Berechtigung gehabt zu haben, gehörten doch die zwei Orte seit 1507 bereits dem Bistume. Vermutlich stützten die Veldenz ihre Forderung auf ein Schriftstück, das in Pfalzburg gleichzeitig mit dem Kaufvertrage ausgefertigt und von den Parteien unterzeichnet worden war. Darin heißt es: «Wiewohl sonst Helmßgereuth und Plinßbach, welche beide Dörfer von einem Bischof zu Straßburg zu Lehen gestellen, in diesen Kauf nicht inbegriffen, so tut doch I. K. M. daran reseruiren und ausdrücklich vorbehalten die Erzbelehnung *)». Es scheint also doch den Veldenz der eventl. Besitz dieser Dörfer in Aussicht gestellt worden zu sein. Am 10. April 1590 beklagte sich Georg Hans beim Kaiser darüber, daß er zu teuer gekauft habe, da die Dörfer Helmsgereuth und Bliensbach, welche beinahe ebenso viele Einwohner haben als die andern zusammen"), ihm nicht gehören sollen, und da das Einkommen aus den andern Dörfern sehr gering sei 4 ), und in der «Summarischen Klag der Veldentz gegen Rathsamhausen» (1621) 0 behauptete Pfalzgraf Georg Gustav, daß die Abtretung der zwei Dörfer St. Blaiß und Plinßbach, die — wie aus den Amts- und Zinsbüchern hervorgehe — stets zur Herrschaft gehörten 8 ), ohne kaiserlichen Consens erfolgt sei. Im Verlauf des Prozesses wurden Herzog Ludwig Friedrich von Württemberg und Eberhard von Rappoltstein von dem Kaiser zu Kommissaren ernannt. s

s ) B. A. Str. E 641. *) B. A. Str. E 641. ) Siehe Kapitel: Siedelung und 7 8 Sprache. •) B. A. Str. E 641. ) B. A. Str. E 641. ) «Es hat ein Ambtsbott, Clauß Vony genannt, zu Wilgenspach im Steinthal, die Zinßen viele Jahre einge-

Die Pfalzgrafen von Veldenz.

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Behufs einheitlicher Leitung der zahlreichen Verhöre wurden Fragebogen ausgearbeitet, die alle Fragen enthielten, welche an die Zeugen gerichtet werden sollten. Die «Interrogatoria generalia et specialia in Sachen Pfaltz Veldentz wider Rathsamhausen zum Stein» enthalten 25 Hauptfragen. In einem ähnlichen Schriftstücke finden sich 11 Qeneralfragen und 6 spezielle Fragen, von denen hier einige der interessantesten aufgeführt sein mögen. II. Hauptfrage: Ob der Zeuge weiß, daß die von Bliensbach und Helmsgereuth nach Rothau zur Arbeit gingen, als der neue Hof erbaut wurde. Clauß Schneider aus Wildersbach konnte bezeugen, daß die Einwohner der beiden Dörfer in Rothau gefront haben. VIII. Hauptfrage: Ob der Zeuge weiß, ob es nur einen Schultheißen gab, als das Steintal verkauft wurde, wie er hieß, und wo er wohnte. Christmann Hanß Mougenet von Wildersbach bezeugte: Die zwei Dörfer liegen im Steintal; es gab nur einen Schultheißen und nur ein Gericht, und zwar in Rothau. VI. spezielle Frage: Ob der Zeuge nicht weiß, daß die von Beifuß wie auch die von Fouday immer ihre Toten in St. Blaise begraben und die dortige Kirche besucht haben. Ein Bewohner vom Weiler Truschi") sagte aus, daß dies der Fall war. «Nach geänderter Religion» gingen sie nach Urbach. Der Pfarrer Nikolaus Marmet von Desentans 10 ) sollte «sub 4 generaliter examiniert werden». Das Verhör fand 1623 statt. Die 4. Frage lautete: «Ob, weil vor dem Kauf deß Steinthals die von Rathsamhausen zum Stein auch die beide Dörffer Helmsgereith und Blienspach wegen die naher Gelegenheit (nahe Lage) neben den Steinthalischen Dörffern under ein Ampt und Gerichtszwang gehalden und die Gefäll zü einer Amtung geliefert worden, notwendig folge, daß dieselbe darumb auch, als ein Eingehörung deß Steinthals seyn verkaufft worden, obschon solche Dörffer im Kauff, dessen Anschlag und Liefferungsabscheid nicht begriffen, sondern außtrücklich davon außgescheiden.» Marmet hat diese wichtige Frage verneint"). 9 sammelt.» ) Zwischen Fouday und Waldersbach. «Troutschis heißen im Patois Haselsträucher. Unserer alten Bürger Väter und der jungen Großväter erzehlten, daß an dem Berge, an welchem jetzt der Weiler Trouchy genannt, steht, eine große Menge Haselstauden gestanden. Es waren so dicke Stämme davon da, daß 10 zwey Pferde an einem hätten zu ziehen». — Oberlins Annalen. ) Marmet war vorher 2 Jahre Pfarrer in Rothau gewesen; später kam er wieder ins Steintal. lä ") B. A. Str. E 641. ) Siehe Anhang. — Siehe Kapitel: Kirchliche Zustände.

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Die Herren.

Die Verhöre fanden in Rappertsweiler statt; die Zeugen hatten also jedesmal einen recht beschwerlichen Weg zurückzulegen. Im Jahre 1623 konnte Georg Christmann von Urbach Alters und Schwachheit halber weder zu Fuß, noch zu Pferd nach Rappoltsweiler kommen. Im Jahre 1625 verlief der Prozeß im Sande. Nikolaus von Bollweiler, in dessen Besitz die strittigen Dörfer gelangt waren 1S ), teilte 1630 dem Pfalzgrafen mit, daß «zur Verkennung künftiger mißverstände auch zur Vortpflanzung guter Nachbarschaft Rathsamhuß zu St. Bläß gegen dem Steinthal Bannstein setzen will». (Weiler, 19. Oktober 1630 ").) Gleich nach dem Westphälischen Frieden lebte der Prozeß um die beiden Dörfer wieder auf und kam zuletzt vor dem Conseil Souverain d'Alsace zum Austrag (um 1680)"). Die Forderungen von Pfalz-Veldenz blieben — weil unberechtigt — unerfüllt. G e o r g H a n s " ) v. Veldenz ward am 11. April 1543 als Sohn des Pfalzgrafen Ruprecht des Hinkenden geboren. Beim Tode seines Vaters war er kaum ein Jahr alt. Seiner Mutter Ursula und den Vormündern war somit die Erziehung des Knaben anvertraut. Dieser weilte oft und gern bei den mütterlichen Verwandten in Finstingen, Diemeringen und Obersalm. Die günstigen Eindrücke, die er dort erhalten, mögen viel zu seiner spätem Vorliebe für das elsässische und lothringische Land beigetragen haben. Schon früh besuchte der lernbegierige Prinz die Universität Heidelberg, wo er durch seine außerordentlichen Geistesgaben auffiel. Zum Abschluß seiner Studien machte er große Reisen durch Deutschland, Polen, Dänemark, Frankreich 16 ) und Schweden. Im jugendlichen Alter von 19 Jahren vermählte er sich mit der Prinzessin Anna-Maria, der Tochter des Sphwedenkönigs Gustav Wasa (1562). Diese brachte ihm als Heiratsgut 300 000 Gulden und eine großartige Aussteuer. Das junge Paar bewohnte das Schloß Lützelstein. 13

14 16 ) B. A. Str. E 5529. ) B. A. Str. E 643, C 323, 5. ) Dag. Fischer, Le comté de la Petite-Pierre sous la domination de la maison Palatine. 1879, 1880. S. 96—114. — Lehr, Notice historique et généalogique sur les comtes de la PetitePierre. 1874. — G. Wolfram, Ausgewählte Aktenstücke zur Geschichte der Gründung von Pfalzburg mit einer Einleitung: Pfalzgraf Georg Hans von VeldenzLiätzelstein und seine Lebenstragödie. Jahrbuch für Lothringische Geschichte. Bd. 20, 22, 23. — Th. Gümbel, Geschichte des Fürstentums Pfalz-Veldenz. 1900. — O. Winkelmann, Ein Förderer des Verkehrswesens in Elsaß-Lothringen im ie 16. Jahrhundert. ) Er redete und schrieb mit Leichtigkeit die französische

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Seine Untertanen glücklich zu machen, das war der sehnlichste Wunsch des Pfalzgrafen, der sich durch hohe Sittlichkeit, tiefe Religiosität und große Toleranz auszeichnete. In seinem kleinen Staate führte er eine musterhafte Verwaltung ein und regelte aufs genaueste die gesellschaftlichen und sittlichen Zustände. So war u. a. um 9 Uhr Nachtruhe geboten und das Zutrinken und läster? liches Reden untersagt. Qeorg Hans, der in vielen Dingen seiner Zeit weit voraus war, ließ sich auch die Bildung seiner Untertanen sehr angelegen sein. Durch die Errichtung von Schmelzöfen, Pulverund Papiermühlen, von Waffenschmieden, Münzen und Glashütten suchte er Industrie und Handel und somit den Wohlstand der Bevölkerung zu heben. Im XVI. Jahrhundert bildeten auch die Glashüttenarbeiter eine Brüderschaft; diese war der Gerichtsbarkeit Georg Johanns unterstellt, der darum «König der Glashütten» genannt wurde. Seiner Gutmütigkeit und Leutseligkeit wegen war er beim Volke sehr beliebt, und noch heute sprechen die Waldarbeiter in der Lützelsteiner Gegend mit Verehrung vom «Jerri Hans». Zu seinem Unglück besaß der hochbegabte, aber auch launisch und phantastisch veranlagte junge Pfalzgraf eine krankhafte Liebe für kostspielige Bauten, weshalb ihm seine Zeitgenossen, vielleicht mehr im Spott als im Ernst, den Beinamen «der Ingenieur» gaben. — Seine Projekte überstürzten sich zwar; doch waren sie durchweg im Kern gesund und gut; der größte Fehler des Pfalzgrafen bestand darin, daß er seiner Zeit Jahrhunderte vorausgeeilt war ") und darum unverstanden blieb. Da außerdem mit der Beweglichkeit des Geistes und der Vielfältigkeit der Anlagen des auf allen Gebieten unermüdlich tätigen Pfälzers ein gewisser politischer Größenwahn verknüpft war, der in keinem Verhältnis stand zu seiner Stellung, und die Notlage, in die er durch seine Bauten geraten war, ihn zu den verzweifeisten Mitteln veranlaßte, um sich über Wasser zu halten, darf es uns nicht allzu sehr wundern, daß die Mitwelt über ihn wenig günstig urteilte. Die einen sprachen mit Verachtung von ihm 18 ), andere machten ihn lächerlich, noch andere erblickten in ihm einen charakterlosen, eitlen Prahler. Ein Zeitgenosse nennt ihn «einen Bankerottierer, der mit dem Gelde anderer Leute sein Geschäft von vorn anfangen möchte» "). Keine bessere Beurteilung Sprache. ") Q. Wolfram, Ein v. Veldenz-Lützelstein usw. Jahrbuch Wetzlarer Kammergerichtsakten Nr. grafen Johann Casimir. 1882. I 30. B o c h, Steintal.

Aktenstück des Pfalzgrafen Georg Hans des Vogesenklubs. 1910. S. 218. ") B. A. Str. 960, 961. ") Dr. Bezold, Briefe des Pfalz") Vergl. v. Weech, Ein Projekt zur Reform 4

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wurde ihm von der Nachwelt zu teil80). Am schärfsten äußert sich Bezold, wenn er sagt: «Ein fürstlicher Praktikant ersten Ranges, dessen Gestalt in allen deutschen und außerdeutschen Händeln prahlend, drohend und vor allem bettelnd zum Vorschein kommt. Ein Mann, der mit seinen wunderlichen Einfällen und seiner originellen Grobheit ein gewisses Namenrecht genoß.» Gewiß, es erscheint uns manche Handlung des Pfalzgrafen unbegreiflich, rätselhaft, und wohl ist sein Wesen oft voller Widersprüche; doch hat Georg Hans zweifellos eine günstigere Beurteilung verdient als die obige; er ist entschieden weit besser als sein Ruf"). Zu der falschen Beurteilung des Pfalzgrafen durch die Mit- und Nachwelt haben wesentlich die Gründung und der spätere Verkauf der Sperrfeste Pfalzburg beigetragen. Seit 1552 waren die Franzosen in Lothringen fortgesetzt ostwärts gedrungen. Der vaterlandsliebende Pfalzgraf sah mit Bekümmernis diese französische Expansion, durch die auch seine Besitzungen bedroht wurden"). Darum gedachte er, zum Schutze der Reichsgrenze an Stelle des frühern Dorfes Einhardshausen einen festen Platz zu erbauen, das heutige Pfalzburg. Obwohl ihn sein früherer Präzeptor und damaliger erster Rat Philotus eindringlich vor diesem Unternehmen warnte (5. 1. 1568)ss), gab er zu seinem Unglück den Plan nicht auf, sondern ließ sich durch andere Ratschläge") zu dem Bau verleiten. Kaiser Maximilian II. gab ihm die Zusicherung, daß er zur Deckung der Befestigungskosten später bei der Stadt einen namhaften Zoll erheben dürfe. So wurde 1569 die Gründung Pfalzburgs unternommen, und mit einem ungeheuern Kostenaufwande war in verhältnismäßig kurzer Zeit die Stadt erbaut S5 ). Georg Hans lud alsbald gewerbetreibende Franzosen und Niederländer (Hugenotten) ein, sich in Pfalzburg niederzulassen, und am 27. September 1570 erteilte Maximilian II. der Neugründung verschiedene Privilegien. der Reichsjustiz aus dem 16. Jahrhundert. Neue Heidelberger Jahrbücher III S. 17 ff. — Pfannenschmidt, Die Flößerei in alten Zeiten. Literar. Beilage zur Gemeindezeitung für Elsaß-Lothringen. 1881. — v. Bezold, Briefe des Pfalzgrafen Johann Casimir. 1882. — Holländer, Straßburg und die französische Politik 1574 und 1575. Zeitschr. für Qeschichte des Oberrheins XI S. 496 ff. — Ders., Ein Anschlag gegen die Unabhängigkeit Straßburgs im Jahre 1579. Zeitschr. für Qeschichte des Ober21 rheins XVII S. 291 ff. ) Dieser Meinung scheint auch G. Wolfram zu sein, M a. a. O. ) B. A. Str. E 358. 1566. Der Pfalzgraf schildert seinen Nachbarn die Gefahren, die dem Reiche und ihm selbst durch das Vordringen der Franzosen 2J erwachsen. > B. A. Str. E 355. ") 5. Juli 1569, Denkschrift über die Mittel, Pfalzburg zu einer Handels- und Gewerbestadt zu machen. — Jahrbuch für 25 Lothringische Geschichte Bd. XX S. 213. ) Der Bau war 1578 endgültig

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Der Bau verschlang riesige Summen Geldes, das der Pfalzgraf zum größten Teil leihen mußte 26 ), was er jedoch in Aussicht auf den versprochenen Zoll ohne Bedenken tat. Da aber die Reichsfürsten und die elsässischen Stände von diesem Zoll nichts wissen wollten, zudem das lothringische Kriegsvolk den Pfalzgrafen hart bedrängte "), geriet dieser schon zu Anfang der 70er Jahre in große Geldverlegenheit. In seiner Not schrieb er einen Brief um den andern an den Kaiser und bat in rührenden Worten um Hilfe und um Bewilligung des Zolles. Aber Kaiser und Reich ließen ihn schmählich im Stich. In seiner Bedrängnis wandte sich der Pfalzgraf um 1573 auch an die Stadt Straßburg mit der Bitte um Unterstützung mit Geld, Proviant und Munition, damit er die Vogesenpässe gegen das lothringische und französische Kriegsvolk behaupten könne; auch verlangte er die Verhaftung des sich in der Stadt aufhaltenden Conde, dem er die Schuld an den kriegerischen Verwickelungen beimaß. Seine Bitten waren aber vergeblich; darum verfeindete er sich mit Straßburg und ließ sich sogar dazu verleiten, im Jahre 1579 einen Anschlag Frankreichs auf die Stadt zu unterstützen 28). Da der von seinen Gläubigern bedrängte Pfalzgraf den erhofften Zoll trotz aller Bitten nicht erhielt, mußte er auf Mittel und Wege sinnen, um sich selbst zu helfen; er verlegte sich auf den Handel mit Holz, Eisen und Salz. In seinen "Wäldern befand sich ein großer Reichtum an Holz, das er zu verkaufen gedachte. Im April 1572 finden wir ihn bereits in Unterhandlungen mit dem Bistum wegen der Holzflößerei und der Anlage von Sägemühlen in der Umgegend von Zabern"). Großen Nutzen für seinen Holzhandel versprach er sich von der Anlage eines Kanalnetzes. Vor allem wollte er Saar und Zorn durch einen Kanal verbinden. Sein geniales Projekt, für dessen Ausarbeitung er Friesen herangezogen hatte, wurde jedoch nur von wenigen mit dem nötigen Ernste geprüft; man lächelte darüber und se beendet. ) So schuldete er schon 1570 der Stadt Straßburg größere Summen. St. A. Str. Q U P 172,11 a. ") B. A. Str. Fonds Zabern Nr. 177, Hofratsprotokolle. ä8 ) A. Holländer, Ein Anschlag gegen die Unabhängigkeit Straßburgs im Jahre 1579. Zeitschr. für Qeschichte des Oberrheins, neue Folge, Bd. XVII. — Siehe Kapitel: M Rathsamhausen zum Stein. ) B. A. Str. Fonds Zabern 185. Hofratsprotokolle. Das Projekt ist noch vorhanden; Sachverständige, denen es zur Prüfung vorgelegt wurde, erklärten, daß es wohl ausführbar war, daß man sogar zur Übersteigung des Qebirges 2 Schleusen weniger gebraucht hätte als beim heutigen Rhein-Marne-Kanal. Jahrbuch für Lothringische Qeschichte XX S. 187—190.

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erklärte den Plan für unausführbar 30 ), und die Versammlung der elsässischen Stände sprach sich 1574 gegen diesen Kanalbau aus 31 ). Eine günstige Beeinflußung seiner Finanzen erhoffte Qeorg Hans besonders von der Ausbeutung der Eisenbergwerke in der Grafschaft Hanau-Lichtenberg, im Amte Schirmeck und im Steintal. Durch Brief vom 11. Juni 1577 bat er den Bischof Johann v. Straßburg um Verleihung der Mutungsgerechtigkeit bei Schirmeck "), die ihm auch erteilt wurde. Am 6. August 1582 schloß der Amtmann von Pfalzburg im Namen des Pfalzgrafen mit dem Domkapitel einen Vertrag ab 38 ) über die Ausbeutung der Schirmecker Erzlager. Die Erlaubnis zur Erzgewinnung bei Rothau erlangte Qeorg Hans im Jahre 1579 "). Hans Friedrich v. Rathsamhausen stellte zur Beaufsichtigung der Arbeiten einen eigenen Beamten an und ließ ihm 1582 in Rothau ein Haus bauen "). In dem gleichen Jahre verhandelte der Pfalzgraf mit der bischöflichen Regierung wegen Ableitung der Rothaine und Bau des noch heute bestehenden Kanals "). Trotz der mannigfachen kaufmännischen Unternehmungen konnte Qeorg Hans seine immer ungeduldiger werdenden Gläubiger nicht befriedigen; da die Reichsfürsten aber den Zoll fortgesetzt verweigerten "), und der Kaiser anderweitige Hilfe nicht gewährte, sah sich der Pfalzgraf endlich gezwungen, sein Lieblingswerk Pfalzburg zu veräußern *). Gegen den Willen der Reichsfürsten und trotz des kaiserlichen Verbotes verkaufte er am 24. Juli 1583 die Stadt dem Herzog Karl III. von Lothringen um 400 000 Gulden, behielt sich jedoch für 4 Jahre das Rückkaufsrecht vor "). Von den Agnaten und dem Fürstenkollegium ist er beim Verkauf Pfalzburgs angehalten worden, ein Fideikommißsurrogat zu erwerben *°); darum kaufte er 1584 das Steintal 41 ) und 1586 PetersS1

92 ) Stadtbibliothek Straßburg, Manuskript von Dag. Fischer. ) B. A. Str. 0 1 1 5 8 ; 33 M Fonds Zabern Nr. 178, Hofratsprotokolle. ) B. A. Str. E 1112, 1 e. ) Siehe Kapitel: Erwerbsquellen. * ) B. A. Str. Fonds Zabern 46; Registratur des Amts 36 37 Schirmeck. ) B. A. Str. G 1158. ) B. A. Str. Fonds Zabern 178 c, d; HofS8 ratsprotokolle: ) Es ist bezeichnend für den Charakter des Pfälzers, daß er trotz seiner Notlage gerade in jener Zeit den Plan faßte, eine deutsche Flotte zu gründen, deren Admiral er zu werden hoffte. Nach dem 13. September 1582 richtete er vergeblich eine Bittschrift «um Förderung des Admiralitätswerks» an Kaiser Rudolf. (B. A. Str. E 338). «Die Art seines Vorgehens war dabei wohl erwogen, und das Gelingen seines Planes hätte dem Reiche unendlichen Segen gebracht.» M G. Wolfram, im Jahrbuch des Vogesenklubs 1910 S. 217—224. ) B. A. Str. E 338, C 323, 5. Die alten Territorien des Bezirks Lothringen nach dem Stande vom 1. Januar 1648. I S. 273. ") Siehe Kapitel: Die Rathsamhausen zum

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bach. Letzteres wurde der Grafschaft Lützelstein einverleibt, ersteres durch Personalunion mit ihr verbunden. Kaum waren das Steintal und seine Zugehörungen in den Besitz des Pfalzgrafen übergegangen, so trat er auch dort mit allerlei Bauplänen hervor. Schon 2J12. August 1584 *2) begab er sich nach Oberehnheim, um mit dem Rat wegen Ankauf von einigen Bürgerhäusern zu verhandeln, an deren Stelle er einen neuen Freihof erbauen wollte, «dieweil der vorig an einem ohnbequemen Ort lieget» "). Der neue Hof erhielt die gleichen Rechte wie der frühere und wurde «pfälzischer Hof» oder auch «Rothauer Hof» M) genannt. An dem gleichen Tage (2J12. 8.) bat der Pfalzgraf auch den Rat von Oberehnheim um die Erlaubnis, auf eigene Kosten eine Fahrstraße aus dem Steintal nach Oberehnheim bauen zu dürfen, welche die Wälder der Stadt durchqueren sollte. Oberehnheim widersetzte sich jedoch und beantragte sogar, daß die Wegefrage vor dem Landtage verhandelt würde "). Bei dem am 16./26. Oktober 1584 in Schlettstadt abgehaltenen Landtage der «gemeinen Ständ des Obern und Nidern Elsaß» kamen in der Tat die von Qeorg Hans geplanten Wegebauten zur Sprache. Es wurde dabei die Befürchtung ausgesprochen, die Wege möchten dem Lande zum Schaden gereichen, da sie von den Franzosen als Heerstraßen benutzt werden könnten. Zur Beschlußfassung in dieser Sache wurde zum 28. Dezember 1584 bezw. 7. Januar 1585 eine neue Landtagssitzung zu Oberehnheim anberaumt. Hier erschien der Pfalzgraf ebenfalls, und in der ihm bewilligten Audienz legte er den Nutzen dar, den die Straßen für das ganze Land haben würden; er betonte besonders, daß sie dem Lande nicht schaden könnten, da es ja andere offene Straßen genug gäbe, «dardurch die außländischen zu irem gefallen jeder Zeit ziehen, auch bessere Proviant haben khönnen» M). In einer spätem Sitzung des Landtages wurden jedoch die Straßenbauten untersagt. Da Qeorg Hans aber bessere Zufahrtsstraßen zu den Erzdistrikten unbedingt brauchte, auch in jener unsichern Zeit die Verbindung seiner Schlösser und Besitzungen durch gute Wege für notwendig erachtete, kümmerte er sich nicht um das Verbot, sondern schuf gegen den Widerstand aller Nachbarn mit einem für damalige Zeiten unerhörten Arbeiteraufgebot unter dem Schutz seiner gewaffneten Knechte in unglaublich kurzer Zeit vorzügliche Verkehrsstein. 4i

") 2. August nach dem alten,

) St. A. 0 . DD 52.

") St. A. O. DD 52.

12. August nach dem neuen Kalender. w

) St. A. 0 . DD 52.

«•) B.A.Str.

G 226, G 945. — Siehe auch F. W. Müller, Die elsässischen Landstände. 1907 S. 108.

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wege 4 7 ), die teilweise gepflastert waren. So wurde die alte Hochstraße, welche von der Rheinebene durch das Steintal ins Breuschtal führte ausgebaut 4 8 ). Eine andere Weganlage führte von Haselburg über Walscheid, Alberschweiler, St. Quirin, Türkstein, Raon über den Donon nach Schirmeck 4 "). Teile davon sind heute unter dem Namen Chemin d'Allemagne bekannt 50 ). Dagegen wurde die Straße nach Oberehnheim nicht gebaut. Erbost über die ablehnende Haltung des dortigen Magistrats ließ sich Georg Hans zu allerlei Gewaltmaßregeln gegen die Stadt hinreißen. Wohl darum verweigerte ihm diese die Gewährung einer Anleihe von 5000 Gulden 51 ). Das letztere wiederum hatte zur Folge, daß der Pfalzgraf den Hof und den Zehnten dem Edelmann Nikolas Dürkheim verpfändete, obwohl dieselben noch an die Stadt verpachtet waren **). Die Feindseligkeiten zwischen den zwei Parteien dauerten bis zum Tode Georg Johanns fort. Nachdem am 2J\2. August 1584 der Pfalzgraf seine Geschäfte in Oberehnheim erledigt hatte, begab er sich ins Steintal und ließ sich am 5./15. August von den Untertanen huldigen 53 ). In Rothau begann noch in demselben Jahre eine rege Bautätigkeit " ) . Da erstanden neben mancherlei Fabriken M ) vor allem Mühlen, Hochöfen, Eisenschmieden und eine Münze"). , 8 ) Ebenda. — C. Mündel, " ) Jahrbuch iür Lothringische Geschichte X X S. 190. 4 eo Die Vogesen; Ausg. 1911 S. 436. ») Ebenda. ) C. Mündel, Die Vogesen; Ausg. 1911 S. 338 u. 411. — S. Winkelmann, Ein Förderer des Verkehrswesens in Elsaß-Lothringen im 16. Jahrhundert. [Jahrb. d. Zweigver. d. Vogesenklubs VII M ) St. A. O. DD 52. 62 > St. A. O. DD 52. M ) St. A. O. DD 52. 1891 S . 94.] M ) B. A. Str. Fonds Zabern 38. Schiefersteine und Kalk wurden meistens aus M ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. — Es ist nicht dem Amte Schirmeck bezogen. M ) a) In einem Qüterverzeichnis aus ersichtlich, was für Fabriken es waren. Rothau von 1619 kommt häufig die Flurbezeichnung «Hinter der Münz» vor. — B. A. Str. E 641. — b) Um 1600 beschwerten sich die Münzarbeiter am Rhein (le long du Rhin) darüber, daß in der Rothauer Münze, entgegen dem 1591 erteilten kaiserliche Privileg, französische Arbeiter angestellt seien. — B. A. Str. C 323, 5. — c) Als im Jahre 1600 der Pfalzgraf Georg Gustav mit dem Rat von Straßburg wegen Silberlieferungen verhandelte, beschwerten sich einige Straßburger Bürger darüber, daß der pfalzgräfliche Münzverwalter Münzen schlagen lasse, «die an Schrott ring wehren». Hierauf schrieb am 29. Juni 1600 der Pfalzgraf der Stadt Straßburg, daß der genannte Münzverwalter «solliche Reichsmüntz am Schrott und Korn änderst nicht ausgehen lassen, alß wie in diesem Oberrheinischen Kraiß üblich». — B. A. Str. G U P 203, 6. — d) 1623 schrieb der Amtmann zu Schirmeck der bischöflichen Regierung betr. «Die Rotawischen 3 Bätzner, so man nicht mehr nehmen will»; er fragte an, wie er sich dazu verhalten solle. — B . A. Str. Fonds Zabern 38. — e) Im 30jährigen Kriege ging die Münze ein und wurde nachher

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Das Geld zu diesen Bauten mußte der Pfalzgraf teilweise leihen. Größere Summen erhielt er u. a. von einem gewissen Andreas Lang aus Iiikirch"), dem er zwei daselbst gelegene Häuser (Schlösser) versetzte, die jener um 1587 bewohnte. Auch scheint Lang im Eisenhandel des Pfalzgrafen eine Vertrauensstellung innegehabt zu haben, die er aber mißbrauchte. (Fälschung der Kerbhölzer.) Man gewinnt überhaupt den Eindruck, daß Georg Hans einem ganz geriebenen Schwindler in die Hände gefallen war 5 8 ), der mit prahlerischen Worten überall verkündigte, daß ersterer ihm sehr viel schulde 59 ) und ihm dafür Güter verpfändet habe, die er zu lösen nicht mehr imstande sei 80 ). Auch verleumdete er überall den Pfalzgrafen 81 ) und drohte, dessen Geheimnisse zu verraten , 2 ). Vor allem hatte er aber die Absicht, den Hof zu Oberehnheim und Teile des Steintals an sich zu bringen 63 ); er rechnete dabei auf die Hilfe des kaiserlichen Hofrats Erstenberger, dem 1573 und 1579 der Besitz des Steintals in Aussicht gestellt worden w a r " ) , und der scheinbar jetzt noch hoffte, der Kaiser werde ihn belehnen; es bestand wenigstens zwischen Lang und Erstenberger ein Abkommen, durch welches letzterer sich verpflichtet hatte, im Falle der Belehnung an erstem die Hälfte abzutreten. «Dessen sich Erstenberger gegen Ihme [Lang] verschreiben mußte, ehe und denn er Ihme die Sachen [angebliche Geheimnisse des Pfalzgrafen] offenbarte.» Als Georg Hans von dem Treiben des Andreas Lang Kenntnis erhalten hatte *5), ließ er ihn am 8. März 1587 überfallen und zunächst ins Steintal bringen. Mit geknebeltem Munde, an Händen und Füßen gebunden, wurde der Gefangene hierauf nachts auf geheimen Wegen in einem gedeckten Karren nach Lützelstein geführt, dort geschätzt, gefoltert nicht mehr in Betrieb genommen. ") B. A. Str. Wetzlarer Kammergerichtsakten Nr. 960, 961. ") Das Verhältnis des Pfalzgrafen zu A. Lang erscheint in vielen Punkten dunkel; letzterer nennt selbst den Pfalzgrafen «meinen gnädigen Herrn» und sich «seinen Diener». Der Pfalzgraf verkehrt oft in seinem Haus in Iiikirch; er ist auch der Gevatter von einem Kinde des Lang. Dieser behauptet, der Pfalzgraf habe ihm Geheimnisse anvertraut, hauptsächlich solche politischer Natur. **) Er erzählte öffentlich: «er hätte seiner ersten, w i e auch der nechsten Frauen Gut beinahe alles für den Fürsten versetzt, also daß er schier nimmer könnte». — Einmal sagte er: «Wo wollt' mein Fürst zu fressen haben, wann ich nicht gewesen 60 wehre!» ) Er rühmte sich, «die Häuser Iiikirch alle beide, auch den Hof zu Ober-Ehnheim und etwas vom Steintal an sich zu bringen; denn sein Herr könnt's 61 nit lösen». ) Er sei «ein verdorbener Lumpenfürst». — «Er könne nichts fertig bringen, er hätte denn die Welschen oder Franzosen an sich henken.» M 4 ") «Er halte es mit den Türken.» ) Siehe Anmerkung 60. *) Siehe Kapitel: ,5 Rathsamhausen zum Stein. ) A. Lang hatte noch etliche andere Dinge auf dem Kerbholz; z. B. Beleidigungen und Verleumdungen der Oemahlin des Pfalzgrafen;

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und zum Strang verurteilt. Er entkam jedoch kurz vor der Exekution aus dem Gefängnis und floh nach Iiikirch; darum ließ Georg Hans die beiden Häuser belagern und beschießen, bis die ohnedies mit dem Pfalzgrafen verfeindeten Straßburger ihrem Mitbürger zu Hilfe kamen 68 ). Die Folge dieser Ereignisse war ein langer Prozeß 47 ) gegen den Pfalzgrafen, welcher erst lange nach dessen Tode durch einen Vergleich beendet wurde. — Mag auch Georg Hans allen Grund gehabt haben, gegen den betrügerischen Lang einzuschreiten, so ist doch die Art und Weise, in der dies geschah, nicht ganz einwandfrei. Die ungesetzliche und dazu höchst unmenschliche Behandlung des Lang wirft ein eigentümliches Licht auf den Pfalzgrafen und will zu seinem sonstigen Wesen durchaus nicht passen. Möglicherweise ist aber seine Handlungsweise bereits als ein Symptom der Geisteskrankheit aufzufassen, die kurze Zeit nachher bei dem Pfalzgrafen ausbrach, erlebte doch dieser gerade damals schlimme Tage, weil er sich vergeblich bemühte, Gelder für den Rückkauf seiner Lieblingsgründung Pfalzburg flüssig zu machen ")• Da Pfalzburg von Georg Hans in der vertragsmäßigen Frist nicht gelöst werden konnte, zogen gegen 1588 viele der dort angesiedelten Gewerbetreibenden ins Steintal, wo während einer Reihe von Jahren Industrie und Handel sich mächtig entwickelten. Für die aus Rothau ausgeführten Waren mußte bei Schirmeck ein Zoll entrichtet werden"). Unter der pfalzgräflichen Herrschaft erfuhr auch das geistige Leben im Steintale eine gründliche Umgestaltung 70 ). Nur wenige Jahre aber durfte sich Georg Hans über die Fortschritte in seiner neuen Besitzung erfreuen. Infolge der schweren Sorgen, die er schon in jungen Jahren tragen mußte, und des ewigen Mißtrauens, das man auch den wohlgemeintesten seiner Pläne an maßgebender Stelle entgegenbrachte, wurde sein Körper frühzeitig das Opfer einer langen und schweren Krankheit 71 ). Als sein Ende nahte"), betete er 7 '): 8e Verführung mehrerer gräflicher Frauen. ) Iiikirch war straßburgisch. M ") B. A. Str. Wetzlarer Kammergerichtsakten Nr. 960, 961. ) St. A. 0 . DD 52. CT 70 ) B. A. Str. Fonds Zabern 46, Registratur des Amts Schirmeck. ) Siehe die 71 Kapitel: 1. Kirchliche Zustände und 2. Schulwesen. ) Sein Qeist war zeitweilig umnachtet. ™) Auf dem Sterbebette warnte er seine Kinder nochmals vor der Trunksucht, die er stets verabscheut hat: «Fliehet sonderlich das schändliche Vollsaufen, daraus alle andere Sünde und Laster folgen, Leib und Seele verderbt wird».

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Wenn mein Stündlein vorhanden ist, Und ich soll fahren mein Straßen, So geleit Du mich, Herr Jesu Christ, Du wirst mich nicht verlassen. Mein Seel an meinem letzten End Befehl ich, Herr, in Deine Händ', Du wirst sie wohl bewahren. Am 8. April 1592 beschloß er sein an Enttäuschungen so reiches Leben. Er wurde zu Lützelstein in dem Grabgewölbe beigesetzt, das er sich in der dortigen Kirche hatte erbauen lassen. Das Grabdenkmal, welches 1793 zerstört worden ist, stellte den Pfalzgrafen und seine Gemahlin mit einanderzugekehrtem Gesichte kniend dar und trug die Inschrift"): Von Gottes Gnaden Georg Hanß Pfaltzgrave bey Rhein, Herzog in Bayern, Grave zu Veldentz und Sponheim, ist gestorben den 8. Aprilis, anno 1592, welchem Gott am jüngsten Tag froehliche Auferstehung verleihen wolle. Amen.

Von Gottes Gnaden Anna Pfaltzgrevin bey Rhein, Wittwe, der Koenigreich Schweden, Gothen und Wenden, geborne Princessin und Erben ist gestorben den 30. Marcj, anno 1610, welcher Gott am jüngsten Tag ein froehliche Auferstehung verleihen wolle. Amen.

Von den 11 Kindern des Pfalzgrafen waren mehrere früh gestorben. Vier Söhne überlebten ihn: Georg Gustav, Johann August, Ludwig Philipp und Georg Johann II. Letzterer überließ gegen eine lebenslängliche Rente seinen Anteil am väterlichen Erbe den drei ältern Brüdern und verpflichtete sich zugleich, keine Ehe einzugehen. J o h a n n A u g u s t erhielt bei der Teilung das Steintal und Lützelstein; dagegen fielen Veldenz und Lauterecken an Georg Gustav und Ludwig Philipp. Johann August trat durch Vertrag vom 11. November 1598 mit Zustimmung der Brüder gegen eine Summe von 18 000 Gulden % des Steintals an Georg Gustav ab "). Als im Jahre 1611 Johann August gestorben war, fiel das letzte Viertel des Steintals an Georg Gustav, während Lützelstein an Georg Johann II. kam, der sich alsdann im Jahre 1613 verheiratete, da durch den 73 ) Jahrbuch für Lothringische Geschichte XX S. 181. '*) Groll, Grabmahle des 75 pfalzgraeflichen Hauses. ) K. Kreisarchiv Speyer, Bestand Zweibrücken III

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Tod des Bruders sein Versprechen hinfällig geworden war. Er hatte das Unglück, alle seine Kinder zu verlieren. Im Jahre 1654 starb er und wurde zu Lützelstein begraben. G e o r g G u s t a v 7 6 ) , der 1598 den größten Teil des Steintals in seinen Besitz genommen hatte, vermählte sich 1601 mit der Pfalzgräfin Maria Elisabeth"). Da er bis 1625 in Rothau Hof hielt' 8 ), muß angenommen werden, daß er der Erbauer des dortigen Schlosses ist; das von den Rathsamhausen erbaute war 1592 zerstört worden "). Am 12. März 1604 wurde Georg Gustav von Rudolf II. feierlich mit dem Steintal und seinen Zugehörungen belehnt 80 ); am 11. Juli 1613 fand eine neue Belehnung durch Kaiser Matthias statt 81 ), und am 6. April 1621 erfolgte eine solche durch Ferdinand II.82). Die Beziehungen des Pfalzgrafen Georg Gustav zu der Stadt Oberehnheim waren weit friedlicher als diejenigen seines Vaters. Zwar gab es öfters Unstimmigkeiten wegen der Lieferung des Weinzehnten, so besonders 1605 und 16298>). Im Jahre 1603 schlug die Stadt eine neue Scheidbegehung auf dem Hochfelde vor, und 1618 verhandelte der Pfalzgraf mit ihr wegen Verpachtung der dort liegenden Wälder, auch verständigten sich in dem gleichen Jahre die Parteien zu einer neuen Grenzberichtigung am Minzfelde8*),, und 1629 wurden daselbst neue Marksteine gesetzt 88 ). Das Steintal machte anscheinend unter der fürsorglichen Verwaltung Georg Gustavs eine weitere günstige Entwicklung durch, bis die mansfeldischen Unruhen eingesetzt hatten, durch welche die Rothauer Werke insofern gefährdet wurden, als für die Arbeiter nirgends Nahrungsmittel zu erlangen waren. Im April 1626 bat der Pfalzgraf die Stadt Straßburg, ihm 200 Viertel Frucht zu verkaufen, da in der Gegend von Molsheim solche nicht mehr zu haben sei, und da es den Orten verboten sei, auf einmal mehr als 2 oder 3 Viertel zu verkaufen. Je nach dem Wunsche der Stadt wollte er das Getreide bar bezahlen oder dafür Eisen liefern8"). Am 24. April hat jedoch der Rat der XXI in der Sache einen ablehnenden Beschluß gefaßt"), 76 Abt. 1 Nr. 7. B. A. Str. E 1112. ) St. A. Str. AA 847. — Am 14. 12. 1595 bat Georg Oustav den Magistrat von Straßburg, sich für ihn zu verwenden, daß er mit den 22 Ohmen Wein zu Doroltzheim belehnt werde, die sein Vater inne 77 hatte. ) Stadtarchiv Bischweiler JJ 14, 3. *>) St. A. Str. AA 957; B. A. Str. M O 1166, G 1843. ") Siehe Kapitel: Kriegszeiten. ) B. A. Str. E 1112, Ig. 82 81 ) E. Dietz, Documents inédits. 1878. S. 334. ) Ebenda. 83) B. A. Str. G 1608. — St. A. O. DD 53. M ) St. A. O. DD 108. — B. A. Str. Steintalakten 85 86 87 o. Nr. ) St. A. 0 . DD 108. ) St. A. Str. AA 957. ) St. A. Str. Rats-

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worauf am 25. Mai 1626 der Pfalzgraf von Nürtingen aus folgendes Bittschreiben an die Stadt Straßburg richtete: Trotz der wegen der 200 Viertel Frucht von euch erteilten abschlägigen Antwort «so tringt uns aber die höchste noth auß günstigen zu euch habenden gutten vertrauen, euch abermals günstig und nachbarlich zu ersuchen, sinthemal wir berichtet worden, daß die Theuerung je mehr und mehr zunimmt, und daß nicht allein zu Erhaltung unseres Hüttenwerks, kein früchten käuflich zu erlangen, sondern es haben auch unsere Underthanen selbsten keine früchte, können solche auch anderer Ortten nicht zu bekommen wißen, und auch verursacht werden, Pferd und Viehe zu verkaufen, welches unnß dann schmertzlich vorkompt, sinthemälen neben andern Beschwärungen, hierdurch gleichfalß die fuhren zu unsern Hüttenwerk abgekürzt, und also unser Hüttenwerk in Abgang sehen müßten, ist demnach abermalß, an Euch unser günstig und nachbarliches begehren, unß den nachbarlichen gefallen zu erzeigen und zu vergönnen, daß wir zum wenigsten wöchentlich ein Anzahl früchten, etwan so viel ein Fuhr führen könnte, wenn wir Eyßen in die statt schicken, umb bahre bezahlung, nach unserm belieben, herauß führen lassen möchten» usw. 88 ). Aber auch diese Bitte fand kein Gehör. Da machte die Schwester des Pfalzgrafen, die Herzogin Ursula von Württemberg, einen letzten Versuch und schrieb von ihrem Witwensitz Nürtingen aus an die Stadt Straßburg einen langen Brief, in dem sie zunächst schilderte, wie «bei jetziger Zerrüttung unruwigem weßen und beschwerliche Kriegstumulten» das ganze «geliebte Vatterland Teutscher Nation» notleide, und wie auch des Pfalzgrafen «Landt und Leuthen durch vielfaltige Durchzüge und einquartierung der Soldaten leider auf das äußerste außgesogen, ruiniert und verderbt sei». Dann teilte sie mit, daß auch «an dem orth, da S. Qn. [der Pfalzgraf] sich eine Zeitlang uffgehalten [Rothau], eine solche Teuerung und sonderlich an Früchten entstanden, daß S. Qn. verursacht dero hoffstaden ein Zeitlang zu verrücken, und mit dero geliebten Vorahnen und Kindern sich hiehero auff unserm Wittumb zu begeben, und eine Zeitlang, bei unß — biß es der liebe Qott wieder zur Besserung schicken würdt — uffzuhalten noth halben getrungen worden». Der Pfalzgraf habe aber «ettliche nothwendige Diener zu Haus hinterlassen», besonders aber «zu forttreibung dero Eissenbergwerk zu Rotau im Steinthal eine ziemlich Anzahl Arbeiter zu erhalten», für die er Protokolle der XXI v. 1626.

88

) St. A. Str. AA 957.

8B

) St. A. Str. AA 957.

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keine Frucht zu bekommen weiß bei den teuern Zeiten. Sie würde ihm selbst gerne solche «dahin verschaffen lassen», bei dem weiten Weg wären jedoch die Unkosten zu hoch. «Also ersuchen wir euch hiermit günstig, weil, wie berichtet, das mehrertheil Eissen so zu Rotau geschmitt würdt, den bürgern und handwerkleuthen bei euch zum besten kommen und verkaufft werde», dem Pfalzgrafen die nötige Frucht (200 Viertel) liefern zu wollen8"). Im Jahre 1629 wurden zur Steuerung der Not im Steintale 200 Viertel Frucht in Oberehnheim gekauft. Doch machte die Stadt Schwierigkeiten bei der Lieferung eo ). Trotz der Bemühungen Qeorg Gustavs gingen aber infolge des Krieges die Rothauer Werke mehr und mehr zurück. Am 4. Mai 1631 wurden sie einem gewissen Johann Baum verpachtet 01 ). Im gleichen Jahre ergriffen die Schweden Besitz von der Herrschaft es ), doch blieb sie in den Händen Qeorg Gustavs, dem durch die Krone Schweden bald darauf auch die österreichische Herrschaft Weilertal zu Lehen aufgetragen wurde. Diese blieb bis nach dem Friedensschlüsse im Besitze der Veldenz9S). In ihrem Stammschlosse hausten aber 1633 französische Truppen. Georg Gustav wandte sich an den Stellvertreter des französischen Königs, um zu erlangen, daß das Schloß Veldenz geräumt werde"). Als dies nichts fruchtete, bat er die Fürstenversammlung zu Frankfurt und die Vereinigung der evangelischen Stände um Beistand ,ä ); mit ihrer Hilfe gedachte er auch Pfalzburg wieder zu erlangen M). Im folgenden Jahre schon (1634) starb Georg Gustav. Sein Sohn L e o p o l d L u d w i g war damals erst 9 Jahre alt. Bis er erwachsen war, wurde das väterliche Erbe von der Pfalzgräfin Maria Elisabeth, seiner Mutter, verwaltet"), die hierbei von des Knaben Oheim, Georg Hans II. aus Lützelstein, unterstützt wurde. Die Jugendzeit des 1625 in Rothau geborenen Leopold Ludwig fiel in die schlimmsten Jahre des 30jährigen Krieges, während welcher das Steintal gänzlich ruiniert wurde 98 ). Am 28. August 1651 wurde Leopold Ludwig von Ferdinand III. 91 ") St. A. O. DD 108. ) B. A. Str. Akten aus BiSchweiler. Inventar. s • ) B. A. Str. C 323, 5. ") B. A. Str. C 323, 5. In Straßburg besaßen die Veldenz ein stattliches und mit schönen Gärten umgebenes Haus; es hieß der «Bergherrenhof» und befand sich in einer Seitengasse der Steinstraße, der heutigen Bergherrengasse (la rue des Mineurs). Die Namen «Bergherrenhof» und Bergherrengasse weisen, wie der französische Name deutlich zeigt, auf den von den M M Veldenz betriebenen Bergbau hin. ) St. A. Str. AA 1006. ) St. A. Str. 9S AA 1021. '«) St. A. Str. AA 1021. ") B. A. Str. E 5531, C 323, 5. ) Siehe

Die Pfalzgrafen von Veldenz.

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mit der Herrschaft Stein belehnt"), die sich damals in einem bejammernswerten Zustande befand. Da galt es, die Krieg&schäden zu heilen, die in Schutt liegenden Fabriken und Wohnhäuser wieder aufzubauen, die zerstörten Brücken und Wege auszubessern, die Wiesen und Äcker wieder anbaufähig zu machen. Leopold Ludwig ging eifrig ans Werk. Durch Herzuziehung von Arbeitern aus der Grafschaft Montbeliard und aus der Schweiz, denen er allerlei Vergünstigungen gewährte, suchte der Pfalzgraf das entvölkerte Steintal neu zu besiedeln 100 ). Von 1550—1570 entstanden neue Wege und Brücken 101 ); auch wurden die Hüttenwerke wieder teilweise in Betrieb genommen 102 ). Nach der Wiederinstandsetzung der Meierhöfe Lachamp und Hochfeld wurden dieselben 1652 dem Schultheiß Peter Moppert von Oberehnheim für 400 Gulden auf 9 Jahre verpachtet 103). Auch auf geistigem Gebiete suchte Leopold Ludwig wieder geordnete Zustände zu schaffen, indem er Schulmeister ins Steintal berief und die im Kriege eingegangene zweite Pfarrstelle wieder neu besetzte 104 ). In seiner Kindheit waren auf der Perheux viele der Hexerei angeklagte Personen gerichtet worden 10 '). Der Scharfrichter selbst soll dem Pfalzgrafen einmal erklärt haben, daß er über 70 Unschuldige gehenkt oder gerädert habe 106 ). Mit aller Energie suchte dieser, den krassen Hexen- und Aberglauben zu bekämpfen 107). Aus unbekannten Gründen scheint Leopold Ludwig um 1655 mit dem Gedanken umgegangen zu sein, das Steintal zu veräußern; als Liebhaber meldete sich der Graf von Salm 108 ). Doch fand ein Verkauf nicht statt 100 ). 10 Kapitel: Kriegszeiten. ") B. A. Str. C 323, 5. Inventar. °) Ebenda. 10s 103 > Ebenda. ) Ebenda. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. E 5531. Die Zehnten zu Oberehnheim waren 1645—1649 für jährlich 450 Gulden an H. Bimbel verpachtet, der jedoch vermutlich diese hohe Pachtsumme in jenen Kriegsjahren nicht bezahlen konnte. 1648 wurden sie auf 4 Jahre an H. Kepffler verpachtet. Pachtzins im 1. Jahr 180 Gulden, im 2. Jahr 200 Gulden, im 3. und 4. Jahr 300 Gulden. Nachher wurden die Zehnten auf 9 Jahre der Stadt Oberehnheim übertragen gegen eine Summe von 3150 Gulden. — B. A. Str. C 323, 5. — St. A. O. DD 55 u. DD 53. Brief aus Lützelstein vom 27. 10. 1654. Wegen der Zehntenreichung (bes. wegen des Weinzehnten) gab es von 1647—1661 häufig Klagen, weil sich Bürger eigenmächtig v o m Zehnten frei machten. — St. A. O. 1M 10S DD 53. ) Siehe die Kapitel: Kirchliche Zustände und Schulen. ) Siehe 109 Anhang: Hexenprozesse im Steintal. ) Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins 107 108 1M Annalen. ) Ebenda. ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ) Gemeindearchiv Wildersbach, «Etat des revenus de la Seigneurie du Ban-de-la-Roche» 101

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Irgend eine Änderung muß aber doch erfolgt sein; denn am 7. Juni 1658 stellte der Kurfürst Karl Ludwig als Stellvertreter des Kaisers dem Pfalzgrafen ein Indult (Qnadenbewilligung) über die Zurücknahme des Steintals aus 110 ). Mehr ist aus den Angaben des Inventars der leider verlorenen Steintalakten, dem diese Notiz entstammt, nicht ersichtlich. Leopold Ludwig wurde am 23. September 1659 von Kaiser Leopold I. mit der Herrschaft Stein und ihren Zugehörungen belehnt m ). In den nächsten Jahren finden wir ihn öfters in Verhandlungen mit der Äbtissin von Andlau wegen Berichtigung der an ihr Klostergebiet stoßenden Grenze. Bei einer Scheidbegehung im Jahre 1668 hat der Amtmann Johann Lipp von Rothau «die Markstein und Lochbäum richtig gefunden» 112). Wenn schon der Jugend dieses Pfalzgrafen infolge des frühzeitigen Todes seines Vaters und seiner Brüder, auch wegen des in seinen Erblanden wütenden Krieges ein gewisser tragischer Zug nicht abgesprochen werden kann, so muß erst recht von harten Schicksalsschlägen berichtet werden, die ihn im reifen Mannes- und Greisenalter ereilten. Durch den Frieden von Münster hatte das Haus Habsburg alle seine Hoheitsrechte im Elsaß an die Krone Frankreich abgetreten, jedoch mit dem Vorbehalt, daß der politische Verband des Elsaß mit dem deutschen Reiche nicht gelöst würde. Frankreich hatte sich dagegen unter anderm verpflichtet, eine Anzahl von Lehensträgern, darunter die Pfalzgrafen von Lützelstein in ihren Rechten und Freiheiten zu belassen und dieselben als unmittelbare Reichsfürsten anzuerkennen. Durch diese Bestimmung war das Elsaß ein Zwitterding geworden; und die unerquickliche politische Lage mußte notgedrungen Konflikte heraufbeschwören. Merklich wuchs im ganzen Lande der Einfluß der französischen Regierung, und obwohl der Zehnstädtebund heftig protestierte "*), wurde doch im November 1658 zu Ensisheim, dem Sitz der alten österreichischen Regierung, •ein unabhängiger oberster Gerichtshof (Conseil souverain d'Alsace) -eingesetzt. Eine große Anzahl von Reichsfürsten, unter ihnen Leopold Ludwig, wurden aufgefordert, dort dem französischen v. 1720. Daraus geht hervor, daß der Pfalzgraf 1657 dem Christoffel Marchai Grundstücke in Rothau verkaufte, auf denen dieser eine Köhlerei und «une renarderie» erbauen sollte. Kaufsumme 80 Gulden 5 Schillinge. Außerdem sollte u o ) B. A. Str. Akten aus ihm der Käufer jährlich 4 ® Zins bezahlen. Bisch1 U ) B. A. Str. •weiler. Inventar. «Indult pour la reprise du Ban-de-la-Roche.» 11S ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. m ) Akten aus BiSchweiler. Inventar. Wie

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Könige Ludwig XIV. zu huldigen. Der reichstreue Pfalzgraf konnte sich jedoch zu diesem Schritte nicht entschließen und lud darum in hohem Maße den Zorn des Sonnenkönigs und der katholischen Kirche auf sich, die vergebliche Anstrengungen gemacht hatte, ihn in ihren Schoß zurückzuführen"'). Seine Besitzungen, welche im sog. holländischen Kriege (1672—1678) schwer heimgesucht worden waren, wurden durch Beschluß der Reunionskammer vom 9. August 1681 mit Frankreich vereinigt 115 ). Auf Grund welches Rechtstitels das Steintal von Frankreich einverleibt wurde, ließ sich nicht feststellen. Der Pfalzgraf legte gegen die Annexion seiner Besitzungen vergeblich Protest ein und zog sich noch im Jahre 1681 lebens- und kampfesmüde nach Straßburg zurück, w o seine Gemahlin Agathe Christine, Gräfin von Hanau-Lichtenberg, am 5. Dezember das Zeitliche segnete 11 '). Es war ein herber Verlust zu den vielen andern, die er bereits hatte erleiden müssen. Vier Töchter und ein Sohn waren dem Pfalzgrafen schon in der Wiege gestorben; zwei Söhne, Christian Ludwig und Leopold Ludwig hatte der Tod im jugendlichen Alter hinweggerafft, und sein ältester Sohn Gustav Philipp, der mißraten war, hatte sein durch allerlei Schandtaten beflecktes Leben auf schmachvolle Weise am 28. August 1679 beschlossen 117 ). Bald nach dem Tode der Gattin ereilten den Pfalzgrafen noch weitere Unglücksschläge. Sein vierter Sohn, Karl Georg, fiel im Türkenkriege als Held vor Budapest, und der fünfte, August Leopold starb im pfälzischen Kriege vor Mainz (1689) ,18 ); er war spes ultima patriae. Vielleicht um wieder einen Stammhalter zu bekommen, beabsichtigte Leopold Ludwig im Jahre 1689, eine zweite Ehe einzugehen, führte jedoch den Plan nicht aus11"). Leopold Ludwig wohnte zuletzt in dem Hause, in dem sich heute der Gasthof «Zum tiefen Keller» befindet. Bis zu seinem Lebensende mußte der vom Unglück so schwer heimgesuchte Mann noch zahlreiche Entbehrungen, Quälereien und Schmähungen erdulden, weil er die französische Oberhoheit nicht anerkennen wollte 180 ). Er starb am 29. September 1694 l i l ). die Elsässer gegen die Errichtung des französischen Gerichtshofes, des Conseil souverain d'Alsace in Ensisheim, Protest einlegten. Oemeindezeitung für ElsaßLothringen Jahrg. 1882. 1M) Rœhrich, Le Ban-de-la-Roche. 1890. S. 32/33. l l s ) Dag. Fischer, Le comté de la Petite-Pierre. 1879/80. S. 119. "•) Dag. Fischer, Le comté 117 118 de la Petite-Pierre. 1879/80. S. 121. ) Ebenda. ) D'ag. Fischer, Le comté U9 de la Petite-Pierre. 1879/80. S. 121. ) Stadtarchiv BiSchweiler JJ 14, 3. 1!l0 1S1 ) Rœhrich, Le Ban-de-la-Roche. 1890. S. 34. ) Dag. Fischer, Le comté de

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Drei Töchter überlebten den Pfalzgrafen: Anna Sofie, Johanna Elisabeth und Dorothea. Die katholisch gewordene Anna Sofie starb zu Mörchingen am 12. Juni 1706; sie war nicht verheiratet. Johanna Elisabeth, welche mit dem Rheingrafen Johann vermählt war, beschloß ihre Tage am 5. Februar 1718 zu Diemeringen. Die mißgestaltete Dorothea hat sich am 10. Juni 1707 mit ihrem viel jüngeren Neffen Gustav Samuel Leopold von Zweibrücken vermählt; sie wurde aber im Februar 1723 von demselben unter dem Vorwande zu naher Verwandschaft verstoßen und starb im August desselben Jahres in Straßburg. Da Leopold Ludwig keine männlichen Erben hinterlassen hatte, so entstanden nach seinem Tode langwierige Erbfolgestreitigkeiten" 8 ). Was jedoch das Steintal anbetrifft, so ging dasselbe ohne Schwierigkeiten an die Töchter Leopold Ludwigs über" 8 ) gemäß einer in seinem Testamente von 1692 getroffenen Bestimmung"*). Die Umwandlung des Steintals in ein Kunkellehen zugunsten der drei Pfalzgräfinnen ließ Ludwig XIV. ohne Einwand geschehen, was uns bei seiner ausgesprochenen Feindschaft gegen ihren Vater etwas sonderbar anmutet. Anscheinend vertrug sich dieser Zustand vortrefflich mit den von Frankreich verfolgten Interessen. Die Herrschaft der 3 Schwestern hat im Steintale keine namhaften Spuren hinterlassen. Man gewinnt den Eindruck, daß damals die Beamten in Rothau Mißwirtschaft trieben, weshalb um 1700 die dortigen Hüttenwerke eingingen"'). Da in der Herrschaft eine tatkräftige Verwaltung fehlte, erlaubten sich auch die Nachbarn zuweilen Übergriffe in die Rechte der Steintäler. So gab es u. a. besonders zwischen Natzweiler und Neuweiler öfters Streit wegen des Weidganges" 6 ). Im Jahre 1704 bezw. 1705 erlaubten Johanna Elisabeth und Dorothea unter gewissen Vorbehalten den Einwohnern von Wildersbach, bei dem Eingange des Wildbachtales Holz zu hauen"'). m la Petite-Pierre. 1879/80. S. 121. ) Lehr, L'Alsace noble. 1870. I 212. 1M ) Lehr, L'Alsace noble 1 212. ) Lettres de Mr. d'Angervilliers ä la cour. m 1M ) Siehe Kapitel: Erwerbsquellen. ) B. A. Str. Q 1210, C 323, 5. "') Gemeindearchiv Wildersbach. — Der betr. Ort heißt heute «La Chiäye». Man hat das Wort als eine Verstümmelung von «Kühweide» deuten wollen. In dem Schreiben von 1705 wird der Ort «ClayS» (sprich kläje) genannt, was wohl mit la clei = der Schlüssel zusammenhängt. Die Stelle ist gewissermaßen der Schlüssel 1M

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Johanna Elisabeth erfreute sich im Steintale einer besondern Beliebtheit. Das beweisen die Taufregister" 8 ), in denen sie öfters als Patin eingetragen ist. Als die Pfalzgräfin Johanna Elisabeth gestorben war, blieb Dorothea noch 5 Jahre im alleinigen Besitze des Steintals. Nach ihrem Ableben ( 1 7 2 3 ) f i e l das Lehen an die Krone Frankreichs. 4. Unter französischer Herrschaft. Schon im August 1720 0 hatte Ludwig XV. 2 ) bestimmt, daß nach dem Tode der Pfalzgräfin Dorothea der damalige Intendant des Elsaß und spätere Kriegsminister, Herr von Angervilliers, mit dem Steintal belehnt werden sollte. Die Urkunde sichert gleichzeitig die Herrschaft dessen Tochter und deren männlichen ehelichen Nachkommen für den Fall, daß Herr von Angervilliers selbst solche nicht haben sollte. Das pfalzgräfliche Haus erhob gegen die Belehnung des Herrn von Angervilliers Einsprache 3 ). Schon 1543 hatten nämlich die Pfalzgrafen Wolffgang und Robert, Vertreter zweier pfalzgräflicher Linien, zu Marburg einen Vertrag eingegangen, worin sie sich gegenseitig verpflichteten, bei einem etwaigen Aussterben der männlichen Erben der einen Linie, alle Besitzungen an die andere Linie abzutreten'). In seinem Testamente von 1571 hatte Qeorg Johann v. Veldenz des weitern bestimmt, daß seine sämtlichen Besitzungen für alle Zeiten unveräußerlich bei der Familie verbleiben und nach der geltenden Sukzessionsordnung (männliches Lehen) forterben sollten (fideicommis)'). Am 12. März 1696 war zwischen Christian II. von Pfalz-Birkenfeld und den drei Töchtern Leopold Ludwigs ein Abkommen getroffen worden, demzufolge Christian nach dem Ableben der Pfalzgräfinnen das Steintal erhalten sollte"), und ohne sich um dieses m des Wildbachtales. " 8 ) Pfarrarchiv Rothau. ) B. A. Str. Ordonnances d'Alsace I 606. ') B. A. Str. E 1110, E 1119. Mémoire von 1790. Gemeindearchiv Wildersbach. — Dietz, Documents inédits sur le Ban-de-la-Roche. 1878. S. 335. — Schoepflin, Alsatia diplomática. II 511. — Stadtbibliothek Trier, Affaires d'Alsace IV, 5 S. 125. 2 ) Bezw. der Herzog von Orleans, der an Stelle des minderjährigen Königs regierte. ') B. A. Str. E 642, E 643. — K. Kreisarchiv Speyer, Bestand Zweibrücken III Abt. 1 Nr. 7. — Stadtbibliothek Trier, Affaires d'Alsace IV, 5. ') Ebenda. 6 6 ) Ebenda. ) B. A. Str. E 642, E 643. K. Kreisarchiv Speyer, Bestand Zwei-

B o c h, Steintal.

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Abkommen zu kümmern hatte endlich Dorothea durch Heiratsvertrag von 1707 ihrem Gemahl Gustav Samuel Leopold von Zweibrücken ihre sämtlichen Besitzungen, vor allem das Steintal, geschenkt'). Die pfalz-veldenz'sche Opposition gegen die in Aussicht stehende Besitzergreifung das Steintals durch Herrn von Angervilliers war also, oberflächlich betrachtet, wohl begründet und von zweibrückischem Standpunkte aus vollkommen begreiflich. Man darf jedoch nicht übersehen, daß durch die politischen Ereignisse am Ende des XVII. und Anfang des XVIII. Jahrhunderts Zustände geschaffen worden waren, welche die Familienverträge des pfalzgräflichen Hauses, soweit sie elsässische Gebiete betrafen, illusorisch machten. Wenige Wochen nach der Belehnung des Herrn von Angervilliers, am 11. November 1720, richtete Gustav Samuel Leopold von Pfalz-Zweibrücken an diesen ein Schreiben, in dem er erklärte: Der König von Frankreich ist falsch unterrichtet. Die Herrschaft Steintal fällt auf Grund der Familienverträge an das Haus Veldenz zurück; er müsse sich der Belehnung widersetzen. Er berief sich auch auf seinen Heiratsvertrag und betonte besonders, daß das Steintal durch eine Geldsumme erworben worden sei und darum nicht anders aus den Händen der Erben des Käufers kommen könne als durch Rückzahlung der Kaufsumme. Er könne seine Rechte nicht besser auseinandersetzen, da sich alle diesbezüglichen Urkunden im veldenz'schen Hause zu Straßburg unter Siegel befänden"). Auf das Schreiben Gustav Samuel Leopolds hin antwortete Angervilliers, daß er bereit sei, jedwede Aufklärung der Frage entgegenzunehmen, daß er sofort auf seine Ansprüche verzichten wolle, wenn Pfalz-Zweibrücken die seinigen rechtfertigen könne, und daß er vorläufig davon absehe, von seinem Lehensbrief Gebrauch zu machen. Hierauf erwiderte der Pfalzgraf dem Intendanten, daß er seine Ansprüche in einer ausführlichen Denkschrift darlegen werde. Da diese jedoch zu lange ausblieb, schrieb Angervilliers am 16. Dezember dem Kanzler des Pfalzgrafen, daß es ihm unmöglich sei, die Registrierung länger aufzuschieben, worauf ihm unterm 19. Dezember die Antwort zuteil wurde, daß plötzlich nötig 7 8 brücken III Abt. 1 Nr. 7. ) B. A. Str. E 642, E 643. ) Die Urkunden sind durch Königl. Verordnung von dem Subdelegierten des Intendanten Mr. de la Orange unter Siegel genommen worden. — Angervilliers glaubte nicht, daß der Pfalzgrai die Urkunden nicht kenne; denn Dorothea habe sie lange in Händen

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gewordener dringender Geschäfte wegen die Ausarbeitung der Denkschrift noch nicht erfolgen konnte, daß sie aber umgehend gesandt würde; die Pfalzgräfin kenne übrigens genau die Absichten des Herrn von Angervilliers und werde gegen die von ihm beantragte Registrierung Einspruch erheben. Die Einregistrierung fand am 2.3. Dezember in Colmar statt. Gleichzeitig erschien dort der Einspruch des Pfalzgrafen von Zweibrücken, der von dem Conseil Souverain an das Gericht verwiesen wurde. Am 18. Januar 1721 schrieb Angervilliers in der Angelegenheit an Herrn von Darmenonville") und bat ihn, sich beim Könige zu verwenden, daß er von diesem die Erlaubnis erhalte, beim Conseil Souverain die nötigen Schritte zur Aufhebung der Opposition zu tun (pour parvenir à la levée de l'opposition formée à mes lettres d'investiture). Die vom König erbetene Erlaubnis traf ein, und nach dem Ableben der Pfalzgräfin Dorothea wurde von Angervilliers dem Conseil Souverain eine lange Denkschrift 10 ) zugestellt, in welcher die von Pfalz-Zweibrücken erhobenen Ansprüche auf das Steintal widerlegt wurden. Damit begann ein langwieriger, verwickelter Prozeß "), auf dessen Einzelheiten hier nicht eingegangen werden kann. Im Verlaufe der Verhandlungen wurde mehrmals betont, daß Herr von Angervilliers nicht nur die Feodalien, sondern auch die Allodien in Besitz genommen habe. Es muß hierzu bemerkt werden, daß der Intendant schon in dem Schreiben an Darmenonville anerkannte, daß letztere ohne Zweifel den Erben des frühern Besitzers gehören, und daß, wenn sie sattsam gekennzeichnet würden, er wegen ihrer Abtretung keine Schwierigkeiten bereiten würde. Von einflußreicher Seite wurde den Klägern jedoch zu verstehen gegeben, daß die Trennung von Lehen und Eigen zu langwierigen und sehr kostspieligen Verhandlungen führen würde, worauf um 1747 der Prozeß zu einem vorläufigen Abschlüsse gelangte, ohne für Pfalz-Zweibrücken irgendwelchen Vorteil gebracht zu haben. Bereits 1749 bat aber Pfalzgraf Friedrich von Zweibrücken den französischen König erneut, daß er in den Besitz der in der Herrschaft Steintal gelegenen Allodien gesetzt werde"), und als dies nichts fruchtete, richtete er 1751 ein neues Schreiben an gehabt und gewiß Abschriften genommen. ") Lettres de Mr. d'Angervilliers à 10 la cour. ) Mémoire A Nosseigneurs du conseil souverain d'Alsace. Kaiserl. u Universitäts- u. Landesbibliothek Me I Nr. 14586. ) B. A. Str. E 642, E 643, E 800. K. Kreisarchiv Speyer, Bestand Zweibrücken III Abt. 1 Nr. 7. ") K. Kreis-

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Ludwig XV. mit der Bitte, ihn mit einem Lehensbriefe auszustatten, demzufolge er oder seine Nachkommen beiderlei Geschlechts in den Genuß des Steintals gelangen würden für den Fall, daß die damalige Besitzerin der Herrschaft, Marquise de Ruffec, keine Lehenserben hinterlasse "). Im Jahre 1756 bat Pfalz-Zweibrücken sogar den Herzog de Compiègne, er möchte die Marquise de Pompadour dafür gewinnen, daß sie beim Könige zugunsten des pfalzgräflichen Hauses vermittle 1 '). — Alle Bemühungen der Pfalzgrafen um Wiedererlangung des Steintals blieben jedoch erfolglos. — Zum letzten Male machte Pfalz-Zweibrücken seine Ansprüche auf das Steintal am 14. September 1790 geltend. (Große Denkschrift mit 38 Paragraphen ").) Kehren wir nach diesen Ausführungen zum Todesjahre Dorotheas v. Veldenz zurück. Unbekümmert um die zweibrückische Opposition trat Angervilliers in den Genuß seiner Rechte. Vom 20.—23. September 1723 ließ er zunächst durch den Amtmann Bartmann ein genaues Verzeichnis") der in der Herrschaft liegenden Höfe und Mühlen"), sowie der dem Grundherrn zufallenden Einkünfte aufstellen. In zielbewußter Weise suchte er die in den letzten Jahrzehnten eingerissenen Mängel zu beseitigen und geordnete Zustände zu schaffen. Im Jahre 1724 wurden die Eisenwerke, welche schon über zwanzig Jahre stillstanden, aufs neue in Betrieb gesetzt 18 ). Vor allem wandte Angervilliers der Waldwirtschaft sein Augenmerk zu; denn als er Besitzer des Steintals wurde, befanden sich die Waldungen in einem beklagenswerten Zustande. Nun wurden die Förster angewiesen, über Holzschläge und Holzverkäufe, sowie über die ausgeführten Waldarbeiten genau Buch zu führen. Die sehr gewissenhaften Rechnungen ") des ersten Försters, Joh. Michael Malaisé in Neuweiler, enthalten allerlei für uns interessante Mitteilungen. Im Jahre 1724 betrug z. B. die Gesamteinnahme für an Untertanen 1S archiv Speyer, Bestand Zweibrücken III Abt. 1 Nr. 7. ) K. Kreisarchiv Speyer, Bestand Zweibrücken III Abt. 1 Nr. 7. ") Ebenda. ") K. Kreisarchiv Speyer, ") Gemeindearchiv Wildersbach. — Bestand Zweibrücken III Abt. 1 Nr. 7. Siehe Kapitel: Pflichten und Rechte. ") Im Jahre 1728 erlaubte Angervilliers dem Sieur Perry, neben dem Hüttenwerk eine Mühle zu errichten, die mit denselben Freiheiten ausgestattet wurde w i e jenes (Wasserrechte, keine Frondienste). Im Bedarfsfälle konnten Hüttenarbeiter zu Dienstverrichtungen in der Mühle herangezogen werden. Perry mußte jährlich 60 livre Tournois [in Tours geprägt] Zins 18 bezahlen. — Stadtarchiv Oberehnheim DD 53. ) Siehe Kapitel : Erwerbsquellen. — Über Einführung des Simultaneums 1725 siehe Kapitel: Kirchliche Zustände.

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verkauftes Holz 139 Die Holzpreise waren sehr niedrig. (50 Tonnen à 8 ß = 20 40 Tonnen, die als Bauholz Verwendung finden sollten, 16 5 Eichenstämme 3 ®.) Entsprechend gering waren natürlich auch die Ausgaben; von 1724—1732 wurden für Förstergehälter, für Brücken- und Wegebauten (Holzabfuhrwege), für Waldrevisionen nur 868 ® 16 ß 10 -ô verausgabt. Auf Anordnung Angervilliers fand im Juni 1733 eine gründliche Revision der Waldungen statt. Die hierbei gemachten Beobachtungen sind in einer 40 Seiten starken Denkschrift *") niedergelegt. Aus ihr geht hervor, daß die Wälder bisher sehr schlecht gepflegt und unvernünftig abgeholzt worden waren. Neuanpflanzungen hatten nicht stattgefunden. Man hatte sich einzig und allein darauf verlassen, daß aus den stehengebliebenen Wurzeln neue Triebe aufschössen. Diese waren natürlich wenig zahlreich und wurden häufig vom Vieh abgeweidet. In den Wäldern standen vielfach Holzhütten von Bergleuten, Holzhauern und Köhlern. Trotz ausdrücklichen Verbots ließen deren Bewohner die Kühe und Ziegen im Jungwuchse weiden. Die Pächter der Meierhöfe und die Besitzer der an den Wald grenzenden Feldstücke verwandelten zu ihrem Vorteil da und dort einen Waldstreifen in anbaufähiges Land. «II y a à la Minguette six baraques de mineurs bâties. sur la commune, à ce que nous avons reconût qui y ensemencent comme des bourgeois sur la terre de la dite commune [Wildersbach], ils pâturent et font des troupeaux à part, tiennent deux vaches et trentedeux chèvres et boucs.» «Nous avons trouvé dans ce canton [Messingoutte] cinq baraques de construites avec une écurie à chacune, tant par les. bûcherons que par les charbonniers, ils y ont cinq chèvres dans une de, ces baraques, dans une autre neuf, dans une autre huit, dans une autre encore quatre, dans une autre huit et un bouc, à l'entour de toutes ces baraques sont environ deux jour et demy de terre ensemencés de pommes de terre, de chanvre, de lin, de pois et toutes sortes de légumes. Depuis Messingoutte, serions descendus puis remontés au de la du ruisseau de la Haute-Qoutte dans le canton du champ Anthoine désigné à M rs les fermiers pour une coupe, n'étant encore pas tout à fait exploité, ou se trouvent trois baraques deux avec écuries, l'un de ceux qui y coupe tient une vache et cinq chèvres, l'autre aussy cinq chèvres, dans une de ces baraques demeure un charbonnier qui travaille dans les forêts de l'Eveché et pâture sur les terres de la Seigneurie. Ils ont ensemencé environ deux arpents 1B

) Gemeindearchiv Wildersbach.

M

) Qemeindearchiv Wildersbach.

n

) Siehe

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et demy, orge, seigle, avoine, pommes de terre et autres légumes, depuis cinq ans que ces coupes ont commencé, n'en revient presque point de recrus, à très peu d'aparence, sur le bas et le passage du troupeau de Neuviller.» «Après une baraque il y a autant de bois employé qu'à un bâtiment d'un bourgeois et tous ont bêché à l'entour de leurs baraques enfermé pour faire des prez, semé des avoines et planté des pommes de terre, non-obstant les ordres donnés, deffenses faites, publiées et réitérées.» In der Denkschrift werden auch die Waldgrenzen, das Alter und die Art der Bestände angegeben und Vorschläge zu einer rationellen Abholzung und Verwendung des Holzes gemacht. Jeder Gemeinde wurde ein bestimmtes Waldgebiet zuerteilt, worin ihre Einwohner im Sinne der Waldordnung von 1658 Holz holen konnten "). So wurden u. a. die Holzungen bei der «Berheux» und «la montagne de Merchaohohe» den Einwohnern von Wildersbach zur Verfügung gestellt. Alle diese Maßnahmen und Anordnungen Angervilliers bezweckten vor allem eine Erhöhung dér herrschaftlichen Einkünfte, doch kann man ihm ein gewisses Interesse für das Wohlergehen seiner Untertanen nicht ganz absprechen ; er war es, der den Anbau der Kartoffel im Steintal begünstigte"). Im allgemeinen muß aber der Zeitabschnitt von 1723—1771 als Qünstlingswirtschaft gebrandmarkt werden; in rascher Aufeinanderfolge wechselte das Steintal seine Herren, die wohl alle getreulich die Zehnten heischten, sich aber um das Wohlergehen ihrer Untertanen recht wenig kümmerten. Es waren Zeiten der Not und tiefsten Armut für die Steintäler, Zeiten des Niedergangs in jeglicher Hinsicht. Herr von Angervilliers hatte keine männlichen Erben. Schon am .30. Juli 1728 verzichtete er auf das Lehen zugunsten seiner einzigen Tochter Marie Jeanne Louise u ), die hierauf am 4. August für sich und ihre männlichen Erben mit dem Steintal belehnt wurde"). Trotzdem hat Herr von Angervilliers noch bis 1733 die Geschäfte der Herrschaft geleitet. Seine Tochter verehelichte sich zuerst mit Jean René de Longuevil, marquis de Maison. In zweiter Ehe heiratete sie den marquis de Ruffec und wurde am 10. Januar 1733 als dame de Ruffec aufs neue belehnt mit dem Zusätze, daß ihre männlichen Nachkommen aus der Kapitel: Pflichten und Rechte. ") Siehe Kapitel: Erwerbsquellen. ") E. Dietz, Documents inédits pour servir à l'histoire du Ban-de-la-Roche. 1878. S. 335. StadtM 2S bibliothek Trier, Affaires d'Alsace VIII 9. ) Ebenda. ) Dietz, Documents

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Ehe mit de Ruffec oder aus irgend welcher rechtlich geschlossenen anderen Ehe, das Lehen erben sollten, jedoch ungeteilt. Madame de Ruffec hatte aber keine Söhne. Ihre älteste Tochter hatte den Grafen Antoine René de Voyer d'Argenson, marquis de Paulmy, den damaligen Kriegsminister, geheiratet. Dieser wurde 1758' 5 ) mit der Herrschaft belehnt. Im März 1762 ^ erhob der, König ihm zu Ehren das Steintal zur Grafschaft. Wenige Jahre später ging das Lehen zum letzten Male in andere Hände über. Argenson brauchte Geld und erwirkte sich vom Könige die Erlaubnis, die Grafschaft an einen Lehensberechtigten verkaufen zu dürfen. Im Jahre 1770 fand der Kriegsminister einen dem Könige angenehmen Liebhaber in der Person Johanns von Dietrich, mit welchem er alsbald in Kaufverhandlungen eintrat"). Baron Johann von Dietrich, der Enkel des bekannten Dominik Dietrich und Vater des unglücklichen maire von Straßburg, Friedrich v. Dietrich, stand bei Ludwig XV. in hohem Ansehen und war von ihm für die dem Vaterlande geleisteten Dienste bereits mit Gnaden überhäuft worden 28 ). Auch die Belehnung' mit dem Steintale galt als besonderer Gnadenakt 2e ). Dietrichs Namen hatte im Elsaß einen guten Klang, und im Steintale wurde die Ankunft des neuen Gebieters lebhaft begrüßt; denn von 1723 ab waren die Besitzer der evangelischen Herrschaft katholisch gewesen. Die Bevölkerung w a r darum hocherfreut, wieder einen evangelischen Herrn (un Seigneur «hinneguenot» [huguenot]) 30 ) zu bekommen. Am 15. Juli 1771 zog Dietrich unter großem Jubel der Steintäler in Rothau ein. Während mehrerer Tage fanden Festlichkeiten statt. Oberlin empfing den Baron mit einer Schar seiner Pfarrkinder auf der Perheux, jenem herrlichen Gebirgssattel, von dem aus man einen großen Teil der Grafschaft überblicken konnte. Zwischen den hohen Ginstern versteckt, sangen die Mädchen von Waldersbach dem neuen Herrn folgendes Begrüßungslied 31 ): Grand Dieu, ta sage Providence, Nous donne un seigneur généreux inédits du Ban-de-la-Roche. 1878. S. 336. Ebenda S. 336. — C 323,5. S7 Inventar. ) Gemeindearchiv Wildersbach. — Die Kaufsumme betrug 330 000 Franken. Die Verkehrssteuer beim Conseil souverain d'Alsace belief sich auf 10 000 Franken; 60 000 Franken gab der Baron noch weiter aus zur Instandsetzung der Hüttenwerke. ") Gemeindearchiv Wildersbach, Mémoire von 1790. *•) Ebenda. "O Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. — Rcehrich, Le BanM de-la-Roche. 1890. S. 94. — Siehe Kapitel: Kirchliche Zustände! ) Rœhrich,

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Die Herren.

Dont le pouvoir et la clémence S'accordent à nous rendre heureux. Que ta faveur céleste éclaire Ce jour aimable et salutaire Où nous lui consacrons nos vœux. Remplis son cœur de ta sagesse, Rends-nous dignes de sa tendresse, Et bénis ses jours précieux! Dietrich war über den Empfang sichtlich erfreut, und auch die Steintäler konnten mit ihrem neuen Herrn zufrieden sein. In uneigennütziger Weise überließ der Baron in den Jahren 1771—1788 den Untertanen 50 000 Franken von den Zehnten und Abgaben Durch sehr billigen Verkauf von Brenn- und Bauholz "), durch Aufforstung der Wälder, durch gute Bezahlung der Arbeiter in deg Eisenhütten"), durch Erweisung von Wohltaten an besonders Bedürftige suchte Dietrich das Elend zu mildern und den Wohlstand zu heben. Auch das geistige Wohl der Steintäler lag ihm am Herzen"). Zwischen den Untertanen und der Herrschaft bestand darum auch das beste Einvernehmen bis kurz vor Ausbruch der französischen Revolution*1), die auch im Steintal alle Privilegien hinwegfegte. Bei der Bildung der Departements wurde die ehemalige Grafschaft zum Stein dem Departement du Bas-Rhin, Distrikt Schlettstadt (bezw. Benfeld) zugeteilt. Zu wiederholten Malen (30. ventôse II, 3. 9. 11. und 18. germinal II, 3. brumaire III) baten jedoch die Gemeinden Rothau, Neuweiler, Wildersbach und Waldersbach "). von diesem Departement losgetrennt und mit dem Departement des Vosges vereinigt zu werden. Sie begründeten ihr Gesuch mit der weiten Entfernung bis zu dem Distrikts- und Departementshauptorte, wodurch namentlich im Winter der Verkehr mit den Behörden erschwert würde M). In seiner Sitzung vom 28. nivôse III erkannte das Direktorium des Departement du Bas-Rhin die von den Gemeinden angeführten Gründe an und befürwortete bei dem Comité Sï Le Ban-de-la-Roche. 1890. S. 95. ) Oemeindearchiv Wildersbach, Mémoire von M 1790. — Rœhrich, Le Ban-de-la-Roche. 1890. S. 97. ) Ebenda. ") Siehe Kapitel: Erwerbsquellen. •*) Siehe die Kapitel: 1. Kirchliche Zustände, 2. Schulwesen, 3. Wohltäter des Steintals. *) Siehe Kapitel: Pflichten und Rechte. ") Gemeinsam mit Barenbach, Ruß, Wisch, Schirmeck und Natzweiler. **) B. A. Str. Administration départementale N° 752. Kärtchen, das zeigen soll, daß ein Drittel des Distrikts Benield zu weit vom Hauptorte entfernt und durch eine

Unter französischer Herrschaft.

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de division die Lostrennung S9 ). Durch Beschluß des Nationalkonvents vom 30. pluviôse III wurden die Gemeinden mit dem Departement des Vosges vereinigt* 0 ). Der hauptsächlichste Grund, weshalb die genannten Gemeinden vom Departement du Bas-Rhin losgetrennt werden wollten, war jedoch der Umstand, daß dieses Departement zu zahlreichen außerordentlichen Lieferungen für die Rheinarmee herangezogen wurde, denen man sich durch die Vereinigung mit dem Departement des Vosges entziehen wollte"). Nachdem jene Requisitionen aufgehört hatten, baten die Gemeinden vergeblich, wieder mit dem Departement du Bas-Rhin vereinigt zu werden *s). Durch den Frieden von Frankfurt a. M. wurde die ehemalige Herrschaft Steintal wieder dem deutschen Reiche einverleibt. Neuweiler, Rothau, Waldersbach und Wildersbach bildeten Teile des Kreises Molsheim; Bellefosse, Belmont, Fouday und Solbach gehörten zunächst zum Kreise Schlettstadt. Erst 1873 wurden auch diese Dörfer mit dem Kanton Schirmeck, Kreis Molsheim, vereinigt. 39 Bergkette von ihm getrennt ist. ) B. A. Str. Procès-verbal du Directoire du Département du Bas-Rhin. Bd. 52 Nr. 44576. B. A. Str. Répertoire ou Mé41 morial Périodique des décrets de la Convention nationale N° XXII. ) Kröber, Motifs de l'annexion. [Revue d'Alsace 1868.] Das Reichsland I S. 251. *s) Ebenda. Ober die Zeit von 1794—1870 siehe Teil II.

ZWEITER TEIL

DAS

VOLK.

A. Besiedelung und Sprache im Steintale. In den ältesten Zeiten bildete das obere Breuschtal mit seinen Seitentälern ein großes Waldgebiet, das jedenfalls gar nicht oder doch nur äußerst schwach besiedelt war. Die Flußnamen Breusch und Serva werden zwar als ligurisch gedeutet; demnach müßten die ältesten Bewohner der Gegend Ligurer gewesen sein. Beweise können jedoch nicht erbracht werden 1 ). Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, daß die megalithischen Denkmäler auf den benachbarten Höhen 3 ) von keltischen Volksstämmen erbaut worden sind"), die gegen Ende der vorgeschichtlichen Zeit das Elsaß bewohnten ')• Von den zahlreichen neolithischen Funden im Breuschgebiete interessieren uns vor allem diejenigen am Donon und jene, welche angeblich zwischen Barenbach und Schirmeck gemacht wurden 8 ). Die Funde am Donon lassen deutlich erkennen, daß dieser Berg 6 ) ein keltisches Kultuszentrum war 7 ), zu welchem aller Wahrscheinlichkeit nach mehrere Weganlagen führten 8 ). Ein solcher Keltenweg ging über Wisch ins Breuschtal 9 ), und eine Abzweigung *) J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. S. 106—107. — A. Schwaederle, Vorgermanische Fluß- und Bachnamen im Elsaß. Die Vogesen. 2 ) Schoepflin, Alsatia illustrata. Traduction p. Ravenez Jahrgang 1911 S. 146. II 11. Heidenschloß, Purpurschloß bei Grendelbruch, Qirbaden, Ringelstein, Katzen8 ) Q. Bleicher, Les Vosges. 1890. S. 260 ff. berg. *) C. This, Sprachverhältnisse und Mundarten im französischen Sprachgebiet von Elsaß-Lothringen. 6 ) R. Forrer, Urgeschichte des Europäers. Das Reichsland I S. 98. 1908. — Q. Bleicher, Les Vosges. 1890. S. 260 ff. — J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. S. 104. — O. Bechstein, Der Donon und seine Altertümer. 1891. S. 16. ") «Donon» kommt von 7 ) O. Bechstein, Der Donon Don oder Dun, dem keltischen Worte für «Berg». 8 ) Ebenda S. 66, 67. 9 ) Schoepflin, Alsatia illustrata und seine Altertümer. 1891.

Besiedelung und Sprache im Steintale.

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desselben führte angeblich an der Nordwestgrenze des Steintals entlang nach dem Weilertal 10 ). Unter Voraussetzung der Richtigkeit dieser Angaben sind wir zu der Annahme berechtigt, daß bereits in keltischer Zeit eine, wenn auch schwache, Besiedelung des Steintals und seiner Nachbargebiete stattfand; wegen der Unwirtlichkeit der Gegend ging jedenfalls dieselbe nur sporadisch vor sich und in der bei den Kelten üblichen Form des Einzelhofes 11 ). Die Qehöfte lagen eher in der Talsohle als am Hang. Namen und L a g e " ) von Fouday 13 ) sprechen für die Annahme, daß dieser Ort aus einer keltischen Siedelung hervorgegangen ist; das Dorf liegt am Keltenweg durchs Breuschtal") und an der Einmündung zweier anderer Keltenwege durchs Andlau- und Weilertal ,6)- Auch Bellefosse (älteste Form Belfus) scheint dem Namen nach keltischen oder romanischen Ursprungs zu sein. Da der Ort am Hange liegt, ist er aber sicher viel später gegründet worden als Fouday. Den Namen Bellefosse leitet Ristelhuber ,Ä ) von den angeblich keltischen Wurzeln bill = «klein» und fois = «Ort» ab; Bellefosse bedeutete demnach «kleiner Ort». Ob diese Erklärung richtig ist, mag dahingestellt bleiben 1 '). Einen geringen Bevölkerungszuwachs erhielten vielleicht Steintal und dessen Nachbargebiete, als der deutsche Stamm Triboker in das Elsaß eindrang (um 70 v. Chr.) und die in Ebene sitzenden Kelten von ihnen mehr in die unwirtlichen und Wald bestandenen Vogesentäler zurückgedrängt wurden 18 ).

das der der mit

Durch den Sieg Cäsars über Ariovist wurde das Elsaß im Jahre 58 v. Chr. eine römische Provinz. Das Steintal und seine Nachbargebiete blieben jedoch vermutlich von den Ereignissen am Beginn der gallo-römischen Periode völlig unbeeinflußt. Es entstanden zunächst in der elsässischen Ebene zahlreiche römische Siedelungen, sowie ausgezeichnete Militär- und Handelsstraßen. Erst nach und nach drangen die römischen Ansiedler auch in die 10 I 253. ) Das Reichsland III 306 unter Fouday. ") J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. Eis. Monatsschrift 1911/12. S. 37. ") Das 18 Reichsland III 306. ) Ob Fouday mit dem in der Vita Hidelphi genannten Horbacum (7. Jahrh.) identisch ist, erscheint sehr fraglich. ") Siehe oben. 16 ") Das Reichsland III 306. ) Ristelhuber, L'Alsace ancienne et moderne. 1865. 17 ) Ebenda. — In ähnlicher Weise erklärt Ristelhuber den Namen Belmont; bal = Gipfel; also Belmont = Berggipfel. Es sei hier gleich bemerkt, daß diese Erklärung nicht zutreffend sein kann; Schönenberg (Belmont) ist wahrscheinlich eine 18 späte germanische Siedelung. ) J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nach-

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Das Volk.

Vogesentäler vor. Straßen zweiter und dritter Ordnung wurden angelegt, die auf den Itinerarien leider nicht verzeichnet sind "). Von Argentoratum aus führten zwei Wege auf den Terrassen zu beiden Seiten der Breuschniederung in das Breuschtal"0). Der eine, rechts der Breusch auf der Lingolsheimer Terrasse, hieß später Burgweg S1 ) ; der andere, welcher über Königshofen ging, ist unter dem Namen Herrenweg bekannt **). In der Nähe von Dorlisheim vereinigten sich diese beiden StraßenS3) und führten, wie zahlreiche Funde beweisen"), über Mutzig, Heiligenberg, Wisch zum Dononsattel "), wo ein römischer Meilenstein aufgefunden worden ist"). Vom Donon führte eine Straße in das Mediomatrikergebiet, nämlich nach Saarburg (Pons Saravi, Vicus Saravus) und Tarquinpol ")• Die oben bezeichnete Straße durch das Breuschtal ist vermutlich identisch mit der in zwei Karolingerurkunden genannten Königsstraße (regia s t r a t a ) Z w i s c h e n Heiligenberg und Still wurden Funde von römischen und merowingischen Münzen gemacht M ). Im Mittelalter hieß die Breuschtalstraße Bosselweg (chemin des botteliers) 30 ); Schoepflin nennt ihn Sarazenen- oder Heidenweg ") ; denn vermutlich benutzten die Römer beim Bau dieser Straße bereits vorhandene keltische Weganlagen"). Vor allem an der untern, aber auch an der mittleren Breusch entstanden bald zahlreiche römische Landsitze und Fabrikanlagen. bargebiete. Eis. Monatsschrift 1911/12 S. 38. " ) Schoepflin, Alsatia illustrata, Traduction p. Ravenez II 47. Schoepflin, Alsatia illustrata, Traduction p. Ravenez II 13, 67. — J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. M 1912. S. 110. ) Vergl. Cartes des emplacements historiques. " ) Ravenez, L'Alsace illustrée II 67. — De Morlet, Bulletin de la Société pour la conservation des monuments historiques. 1861. S. 63. " ) Ebenda. M ) Levrault, La vallée de la Bruche. S. 10 ff. — Schweighäuser, Annuaire du Bas-Rhin. 1822. — Oolbéry & Schweighäuser, Antiquités de l'Alsace. 1828. II 28. ") Zwischen Wisch und dem Dononsattel am Abhang des Kohlberges fand Schweighäuser Reste eines alten Pflasters, «das zwar sehr schmal, aber sehr wohl angelegt gewesen zu sein M ) 0 . Bechstein, Der Donon und seine Alterscheint». — Kunstblatt 1823 S. 331. 28 tümer. 1891. S. 66, 67. " ) Ebenda. ) Im Jahre 773 schenkte Karl der Große der Straßburger Kirche den Ort Still (locellum Stilla). 28. 8. 816. Ludwig der Fromme bestätigt auf Bitten des Bischofs Adaloch den Besitz des Ortes Still innerhalb gewisser Grenzen (per regia strata, que pergit super rivolum, qui dicitur Stilla etc.). — Bloch, Regesten der Bischöfe von Straßburg. I Nr. 65. — Grandidier, Histoire d'Alsace. S. 82. — J. Fritz, Die Territorien des Bistums Straßburg. 1885. S. 32 Anmerkung 2. " ) O. Bechstein, Der Donon und seine Altertümer. 1891. S. 70 ff. U. a. a. 0 . *) B. A. Str. G 1158, 1159 («und fürther dem Bosselweg zu, allda doch hievor zu ewigen Zeiten ein Rheinweg gewesen». " ) Schoepflin, Alsatia illustrata I 253. **) O. Bechstein, Der Donon und seine Altertümer. 1891.

Besiedelung und Sprache im Steintale.

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Bei Heiligenberg 33 ) wurden im Jahre 1910 große TerrasigillataFabriken biosgelegt, an die sich anscheinend eine ausgedehntere römische Siedelung (vicus) anlehnte. Sehr wahrscheinlich befand sich bei Heiligenberg auch ein römischer Wartturm (spécula), welcher durch einen gepflasterten Weg mit der am Fuße des Berges vorbeiführenden Breuschtalstraße verbunden war 3 4 ). Ein an Stelle der spätem Burg Qirbaden erbautes Kastell diente vermutlich als Schutz der Straße. Eine Abzweigung derselben soll durch das obere Breusch- und Weilertal zur Rheinebene gegangen sein 31 ). Sie verband also die Breuschtalstraße mit der via salinaria, sowie mit dem anscheinend bei Raon-l'Etape oder Etival gelegenen römischen Standquartier 36 ). Die via salinaria vermittelte lange Jahrhunderte den Salzhandel zwischen Lothringen und dem Elsaß; sie führte von Raon-l'Etape über St. Blaise-sur-Meurthe, Senones, Saales, LaSalcée, Steiger Höhe ins Weilertal 37 ). Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Römer, welche ja allenthalben die strategischen Punkte der Vogesen befestigten, auch zum Schutze der via salinaria Kastelle erbauten. Es wird behauptet, die Burg zürn Stein sei auf römischer Grundlage erbaut worden 39 ). Falls sich an Stelle des spätem Schlosses zum Stein wirklich eine römische Befestigungsanlage befunden hat, so ist es leicht denkbar, daß sich daran eine kelto-romanische Siedelung anlehnte, das spätere Belfus 38 ). Dann darf auch angenommen werden, daß der Höhenweg von der Rheinebene über das Hochfeld zum Schloß Stein, der schon 1059 strata genannt wurde* 0 ), bereits damals bekannt w a r " ) und eine Verbindung herstellte mit den angeblich gallorömischen Befestigungsanlagen bei und auf dem Odilienberg. Das an der Peripherie der nachmaligen Herrschaft zum Stein verlaufende ausgedehnte Wegenetz konnte während der verhältnismäßig langen Römerherrschaft nicht ohne Einfluß auf die Besiedelung der Gegend bleiben. Jedenfalls entstanden damals vor allem dort, wo ein Seitental ins Haupttal mündete (bei St. Biaise, Fouday, S. 66—67. ") R. Forrer, Terrasigillata-Töpfereien von Heiligenberg-Dinsheim und Ittenweiler im Elsaß. 1911. — J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nach34 35 bargebiete. 1912. S. 109. ) Ravenez, L'Alsace illustrée II 82 ff. ) J. B. Masson, 36 s7 Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. S. 110. ) Ebenda. ) Ebenda. M 39 S. 43. ) Das Reichsland III 1050. ) Bellefosse könnte jedoch auch in späterer Zeit vom westlichen Hang der Vogesen aus gegründet worden sein. ") Urkunde Heinrichs IV. vom 15. 10. 1059. ( inde autem per stratam quandam dextrorsum in Floudelen locum et hinc iterum sursum in montem Miltenwag inde iterum ad rivolum quendam Rotaha et hinc insuper usque ad Bruscham etc.) ") J. B. Masson, — Joh. Fritz, Die Territorien des Bistums Straßburg. 1885. Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. S. 110. ™) H. Witte, Das Deutsch-

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Das Volk.

Rothau), kelto-romanische Qehöfte, die Anfänge eines spätem Dorfes. Doch war vermutlich das Steintal auch jetzt noch nur schwach besiedelt, da wohl — von Bellefosse abgesehen — menschliche Behausungen in den Nebentälern kaum errichtet wurden. Als gegen Ende des 4. Jahrhunderts in der germanischen Völkerwelt jene gewaltige Gärung entstand, welche man mit dem Namen Völkerwanderung bezeichnet, wurden die römischen Legionen auf Anordnung des staatsklugen Stilicho vom Rheine zurückgezogen (403), worauf in dichten Scharen die wegen ihrer Wildheit gefürchteten Alemannen (ferox Alemannus) in das Elsaß eindrangen, um hier seßhaft zu w e r d e n " ) . Die Vernichtung des Romanentums geschah anscheinend in der Ebene schnell und vollständig"). Ein Teil der kelto-romanischen Bevölkerung zog sich in die Gebirgstäler zurück, wo sie sich noch längere Zeit erhalten konnte. Damals mögen in der Gegend des Steintals etliche neue kelto-romanische Hofanlagen entstanden sein. Die alemannischen Bauernschaften 4 ') gründeten zweifellos in der Ebene zahlreiche Dörfer mit der Endung «heim»*5). Als sich in dem fruchtbaren Landstriche zu beiden Seiten der III die Bevölkerung verdichtet hatte, begannen die Alemannen eine rege Kolonisationstätigkeit gegen das Gebirge zu*6). Zunächst wurden die noch von Romanen bewohnten Orte in den Vorhügeln der Vogesen und in dem unteren Teile der Täler germanisiert. Sie tragen meistens die Endung «weiler»; dies ist eine Weiterbildung des lateinischen villa oder villare "). Jedenfalls erst nach der Germanisierung der Weilerorte drangen die Alemannen weiter gegen den Kamm der Vogesen vor und gründeten an weniger günstigen Stellen des Haupttales und in den Nebentälern neue Siedelungen, von denen viele auf «bach» und «rod» oder «reut» endigen*8) (11. u. 12. Jahrh.). So entstanden im Breuschtal die Orte*'): W a l t e r s p a c h S t ö r e n b a c h 8 1 ) , Miebach "), Schwartzbach, Muckenbach"), Steinbach, Wackenbach, u tum im Elsaß. 1897. S. 115. ) H. Witte, Zur Geschichte des Deutschtums im Elsaß. 1897. S. 115 ff. ") H. Witte, Ortsnamenforschung und Wirtschaftsgeschichte. [Deutsche Qeschichtsblätter. 1902.] S. 209—211. ") H. Witte, Zur w •Geschichte des Deutschtums im Elsaß. 1897. S. 115 ff. ) Ebenda. S. 127. — J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. S. 135. ") H.Witte, Zur Geschichte des Deutschtums im Elsaß. 1897. S. 127. — J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. S. 121. **) A. Schiber, Die fränkischen und alemannischen Siedlungen in Gallien und besonders im Elsaß. 1894. S. 24. — J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. S. 121. M ) B. A. Str. G 377 Bischöfliches Urbar. (Verfaßt 1351—1353.) B. A. Str. G 129,10. M 61 Kaufbrief von 1366. ) Abgegangener Ort. ) Abgegangener Ort. " VielM H 65 leicht das heutige Mühlbach? ) Abgegangener Ort. ) Bliensbach. ) Der

Besiedelung und Sprache im Steintale.

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Berenbach, Herßbach; im Steintal wurden gegründet Urbach, Solbach, Waldersbach, Wildersbach, Blenckesbach "). Orte auf «rode» bezw. «reut» sind Hiltebesgerute oder Helmsgereut, Rothau und der abgegangene (?) Ort Rotahe 56 ). Von Norden her bis zum Donon wurden die Vogesen vollständig germanisiert, da im Osten die Alemannen und im Westen die Franken gegen das Gebirge vordrangen. In den Mittel- und Südvogesen hatte dagegen die romanische Bevölkerung einen Rückhalt an den am Westhange ansässigen Volksgenossen; darum konnte hier das Deutschtum nur bis zur Kammhöhe vordringen, allerdings nicht so, daß die sich scharf abhebende Kammlinie des Gebirges stets und überall zugleich auch die Sprachgrenze gebildet hätte56). Vor allem im Breusch- und Weilertal ist der Vorstoß nicht bis zur Kammhöhe gelungen "). Die Gründung der im Steintal oder seiner unmittelbaren Nähe gelegenen Orte auf «bach» und «rode» mag etwa im 11. oder sogar 12. Jahrhundert erfolgt sein 68 ). Noch 1059 besaß der Bischof von Straßburg in der Gegend von Schirmeck lediglich Forst- und Jagdrechte. Die Urkunde Kaiser Heinrichs IV. vom 15. Oktober 1059 bezeichnet die Rotahe (Rothaine) als Grenze des bischöflichen Forstgebietes. Die Siedelung Rotahe wird noch nicht erwähnt. Im Jahre 1068 wird zum erstenmal Berenbach (Barenbach) genannt. Aus dem Umstände, daß auch viele andere Orte in nächster Nähe des Steintals bereits im 11. oder 12. Jahrhundert auftreten, kann geschlossen werden, daß die Dörfer im Steintal — wie bereits gesagt — ebenfalls in jener Zeit schon gegründet waren. Eine Ausnahme macht wahrscheinlich nur das hoch gelegene Schönenberg (Belmont). Zwar Ort Rotahe wird zuerst genannt in dem 1351—1353 verfaßten bischöflichen Urbar. «Der Forst über Rotahe zu Bibelenstein» (?). [B. A. Str. Q 377.] Er findet nochmals Erwähnung in einem Kaufbriefe von 1366. [B. A. Str. G 129, 10.] Nach «J. Clauß, Historisch-topographisches Wörterbuch des Elsaß» lag Rotahe vermutlich an Stelle des heutigen Natzweiler oder nicht weit davon. Ich vermute sogar, daß Rotahe eine kleine Siedelung ist, die zu beiden Seiten der Rotahe (Rothaine) lag, dort, wo diese die Serva empfängt, und daß daraus die späteren Orte Natzweiler und Haute-Qoutte hervorgegangen sind. Schon 1383 wird letzteres unter dem Namen Zenterottow erwähnt; später heißt der Ort Ober-Rotaw. Der auf dem linken Ufer der Rothaine im Reichslehen zum Stein gelegene Teil der Siedelung Rotahe änderte also den Namen nur wenig, während der auf dem rechten Ufer im Bistum gelegene Teil anscheinend nach dem Kirchenpatron St. Qenesius den Namen Näßweyler (1629) oder Natzweiler erhielt. M ) H. Witte, Zur Geschichte des Deutschtums im Elsaß. 1897. S. 115 ff. H. Witte, Romanische Bevölkerungsrückstände in deutschen Vogesentälern. [Deutsche Erde. 1907.] S. 8. ") Ebenda. M ) J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. S. 135.

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Das Volk.

werden sie alle ziemlich spät erst erwähnt; das mag jedoch daher rühren, daß das Steintal Krongut war, während die anderen Orte vielfach vom Bistum oder von irgend einem Kloster abhingen oder doch mit dem Leben eines Heiligen verknüpft waren, und die Erfahrung lehrt, daß die Nachrichten über solche Orte, besonders was die ältere Zeit anbetrifft, meistens viel reichlicher fließen als über Orte, die in einem kleinen Reichslehn gelegen sind. Nachstehende Tabelle ") zeigt uns, wann die Dörfer im Steintal zum erstenmal genannt werden.

Ort

( Fouday } Horbacum ? Urbach \ Trouchy Hiltwinsgerute (St. Blaise) Blenckesbach Rottowe (Rothau) Neuweiler ( Zenterottow J Ober-Rothau ( Haute-Goutte i Ringelsbach \ Riangoutte

Solbach Bel fus (Bellefosse) Wildersbach Waldersbach Schönenberg

Zeit der Urkunde ersten oder sonstige Quelle Nennung

7. Jahrh. Vita Hidelfi 12.Jahrh. 1248 1623 1284 1371 1398 1434 1383 1489 1578 1434 1434 1489 1489 1489

Bemerkungen

Vielleicht ist Orbey gemeint. Aus der Bauart des Kirchturmes zu schließen. Befestigter Ort.

R. L. III 306 B. A. Str. E 641 Urk. i. Andlaw'schen 2 Mahlen vorhanden. Archiv in Freiburg Dietz, Doc. inédits. St. A. O. DD 51 Das Kirchspiel zu R. Demnach müssen auch WilR. J. 9930 dersbach u. a. Orte daDietz, Doc. inédits. B. A. Str. Steintalmals schon bestanden Akten. haben. R. L. III 893 | R. J. 10271 ) b . A. Str. Steintal! Akten.

Nebenbei sei hier bemerkt, daß der in einer Schenkungsurkunde der Abtei Hönau vom 21. Juni 810 genannte Ort Rodaheim ") nicht mit Rothau identisch sein kann, wie Ravenez 01 ) ohne jeglichen Beweis 59

) Nebenorte sind eingerückt. B. A. Str. = Bezirksarchiv Straßburg. St. A. 0 . = Stadtarchiv Oberehnheim. R. J. = Regesten Sigismunds von W. Altmann. R. L. = ,0 Das Reichsland. ) Qrandidier, Histoire de l'Eglise de Strasbourg II; Pièces 61 justificatives C L III Nr. 85. ) Ravenez, L'Alsace illustrée III S. 497. Rodaheim ist vermutlich identisch mit dem bereits 778 erwähnten Rodasheim, dem heutigen Rosheim, wo frühzeitig mehrere Abteien begütert waren. (Siehe: Das Reichsland

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Besiedelung und Sprache im Steintale.

irrtümlich behauptet; die Abtei Hönau war nie in der Gegend begütert. Rothau ist vielmehr, wie gesagt, eine späte Alemannensiedelung. Die vermutlich bei Rothau, Fouday, St. Blaise bestehenden wenigen kelto-romanischen Gehöfte wurden jedenfalls von den Alemannen zerstört; ihre Bewohner kamen um oder zogen sich noch weiter ins obere Breuschtal zurück, das ja romanisches Siedelungsgebiet blieb. E s ist eine bekannte Tatsache, daß in der Regel Orts- und Flurbezeichnungen als an der Scholle haftend weiterbestehen trotz aller Völkerstürme und politischer Veränderungen. Der Umstand, daß neben zahlreichen Flurnamen deutschen Ursprungs die Ortsnamen im Steintal mit nur einer Ausnahme ausschließlich deutsch sind, könnte allein schon den Beweis liefern, daß das Steintal durchaus deutsches Siedelungsgebiet war und lange Jahrhunderte deutsches Sprachgebiet geblieben ist. Vom Beginn des 11. Jahrhunderts ab verlief die Sprachgrenze westlich vom Steintal. Sie nahm vom Donon ab in südlicher Richtung dem Kamm der Vogesen folgend etwa folgenden Verlauf: Donon, Grandfontaine, Fr6conrupt, Albet, B a m bois, Plaine, Poutay, Saulxures, Colroy-la-Roche, Ranrupt, Laach, Grube, Wanzel usw. 6 2 ). Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts blieb diese Linie fast völlig unverändert , 3 ). Erst am Anfang des 17. J a h r hunderts 64) treten die welschen Bezeichnungen St. Blaise, B e l m o n t " ) , Haute-Goutte, Riangoutte auf; Urbach bekam den von den umwohnenden Welschen gebrauchten früheren keltoromanischen Namen Fouday. Nachstehende Zusammenstellung soll überhaupt zeigen, welchen Veränderungen die Ortsnamen im Steintale unterworfen waren; gleichzeitig sei deren Etymologie, soweit möglich, angegeben 6 6 ). Bellefosse: Belfus 1434, Beifuß 1584. Belmont: Schönenbefg 1489. S o genannt wegen seiner schönen Lage auf dem Berge. Bliensbach: (franz. Blancherupt, franz. blanc, ahd. blanch = weiß, rupt, ruptus = abgebrochen; die steilen Hänge, dazwischen ein Bach) Blenckesbach 1371, Blensbach 1489, Blancherupt 17. Jahrh. (Weißer Bach). 6 2 ) C. This, Sprachverhältnisse III 913.) und Mundarten im französischen Sprachgebiet von Elsaß-Lothringen. [Das Reichsland I S. 99.] H. Witte, Zur GeM ) H. Witte, Zur schichte des Deutschtums in Elsaß-Lothringen. 1897. Karte. M ) B. A. Str. E 641. Geschichte des Deutschtums im Elsaß. 1897. Karte. ™) Die Bewohner von Natzweiler sprechen noch heute von Schönenberg, seltener m ) J. Clauß, Historisch-topographisches von Belmont. Wörterbuch des Elsaß.

B o c h, Steintal.

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Das Volk.

Fouday: Urbach 1248; Fouday 1623. Haute-Goutte: Rotahe (?) 1351, 1366 (Rode oder Qut und «ach» aqua; also: Qut am Wasser, Bach). Zenterottow 1383 (Zu Ende Rottow) Enderottow, Ober-Rothau 1489, 1578, Haute-Goutte 17. Jahrh. Neuweiler: Nuwilr, Newilr 1434, Neuweyler 1581, Newiller 1632. Riangoutte: Ringelsbach 1578, 1623; Riangoutte 17. Jahrh. Rothau: (Rode oder Gut und «ach» oder au, reuten, mhd. riuten, roden) Das Kirchspiel zu Roto 1398, Rotowe 1404, Engerode 1462 («enge» eis. = unten), Nieder-Rothauw, Nidder-Rodaw, Nieder-Rottaw 1489,1502, 1534,1584. Rotow le Bas 1632. St. Blaise: (Nach dem Kirchenpatron benannt) Blasius ad rupem, Hiltwinsgerute 1284, Hiltebesgerute 1371, Helmannsgereut, Helmßgerütt, Helmsgereut 15. u. 16. Jahrh. (Rode oder Gut des Hiltwin) St. Blaise 1623, Roche-Libre 1793. Solbach: Solbach 1434. Gelegentlich auch Zollbach genannt. Unterhalb des Dorfes bei Pont des Bas, wo es ins Salmische ging, wurde von den Herrschaften Salm und Zum Stein ein Zoll erhoben 67 ). Waldersbach: Walterßpach 1489, 1576, 1623; Oberlin schreibt in der Regel Waldbach. (Bach des Walter.) Wildersbach: Willigenspach, Wilgensbach 1489, Wilgersbach 1623, Wildersbach 1704. (Bach des Williger.) Die auffallend große Zahl der deutschen Flurnamen in den heute im französischen Sprachgebiet liegenden Steintalgemeinden ist ein weiterer Beweis dafür, daß die Gegend früher deutsches Sprachgebiet war. Die meisten dieser Flurbezeichnungen sind zwar verstümmelt oder teilweise französisiert; doch haben sich auch einige in reiner Form erhalten. In den heutigen Katasterbüchern sind folgende Flurnamen deutschen Ursprungs anzutreffen: Bellefosse: Bresthoeff (Höfe), Kalhachchamps (schon 1502 erwähnt: «3 Acker liegend am kalghoffen). Belmont: Steinmatt, Weyhrmatt, Riebland, Wolffenacker, Berhay (Berghag?). Fouday: Heidimont, Au Strilb. Neuweiler: Schliff, Spach, Bouchepre (Buche oder Busch? — (1905 ff.) Das Reichsland Elsaß-Lothringen. III. 1901—1903. — H. Menges und 67 Br. Stehle, Deutsches Wörterbuch für Elsässer. 1911. ) Siehe Kapitel: Pflichten

Besiedelung und Sprache im Steintale.

83

Eine von Buchen und Gebüsch umstandene Waldwiese), Stiermont, Sommerhof, Lochmatt, Hovre (vielleicht von Hub, Huf, Hof oder Hafer abzuleiten; demnach ein Haferfeld. Masson 68 ) ist der Ansicht, es komme von houerie, Hack- oder Reutefeld), Maßwein, Weyermatt, Steige, Berqueval (Bergquelle?) Longumatte, Stiermatt, Beheux (mundartlich Behays = behagt, mit einem Hag bewachsen). Rothau: Heidé, Kohlplatz, Lompenmatte, auch Lumpenmatte. Solbach: Oschwald, Christmann. Waldersbach: Berheux (Berghöh?)° 9 ), Stingoutte (Steinbach) Hayengottel (Hag + gottel, was wohl eine Verkleinerung von «got» 70) ist), Buechamps (Bubenfeld). ^ 71 Wildersbach : Schleiffe, Beurheux, Perheux ), Knabe, Pré Steff. In älteren Katasterbüchern, Qüterverzeichnissen oder Urkunden sind noch zahlreiche andere Flurnamen deutschen Ursprungs zu finden. Ein Qüterverzeichnis von 1619 72) nennt in Rothau Äcker «auff der Renban, am Banwalt, an der Rohrschmitten, hinter der Müntz» ; in Neuweiler liegt ein Acker «uff dem Qeppel». — Bei einer Waldrevision von 1733") werden Orte genannt wie: Le Schaffner, le Neu-prez, la Merchaohohe (auf einer Höhe gelegen; heute im Wildersbacher patois «la Mérchahân»). In einer Urkunde von 17237*) C8 und Rechte. ) J. B. Masson, Das Breuschtai und seine Nachbargebiete. 1912. 'S. 133. ••) Berheux, Beurheux kommt im ganzen Breusch- und Meurthegebiet als Flurnamen sehr häufig vor. Es bezeichnet als solcher wie auch als Gattungsname im Patois die Reutefelder auf den Berghöhen, die tripoux oder trépoux. Vergl. J. B. Masson, Das Breuschtai und seine Nachbargebiete. 1912. S. 135. 70 ) E. Förstemann, Altdeutsches Namenbuch. 1912. S. 1070. Die Silbe «got» kommt in Deutschland sehr häufig vor, z. B. in Gotha; diese Stadt ist auf einer Anhöhe gelegen. Vielleicht bezeichnet «got», Uber dessen Bedeutung man sich noch nicht klar ist, eine Anhöhe. — Die Anhöhen im eigentlichen Steintal zwischen Forsthaus Charbonnière und Belmont, südwestliche Fortsetzung des Hochfeldes, heißen Schirrgut, Patois Chergoutte; der dort entspringende Bach trägt ebenfalls den Namen Chirgoutte; «gut» und «goutte» sind nichts anderes als das oben besprochene «got». Im Jahre 1489 heißt die Chirgoutte Schybegot. (Bezirksarchiv Straßburg, Steintalakten o. Nr.) 71) Die Perheux, Gebirgssattel zwischen Waldersbach und Wildersbach, wird im Patois der Waldersbacher als «Hays de l'ours» bezeichnet, weil angeblich dort der letzte Bär der Gegend erlegt worden sein soll; darum auch die Verdeutschung «Bärhöh». Perheux bedeutet vermutlich «Berghöhe». Im Jahre 1623 wird erwähnt, daß die Missetäter gerichtet wurden «uff dem Berg zwischen Walterspach und Wilgenspach, genannt le Pergè, darauf das Hochgericht steht». Die Bezeichnung «le Pergè» ist höchstwahrscheinlich von dem deutschen «Perg» = Berg abzuleiten und darf wohl nicht mit la perche [die Stange, im weiteren Sinne der Galgen] in Zusammenhang gebracht werden. " ) B. A. Str. 73 74 E 641, 642. ) Gemeindearchiv Wildersbach. ) B. A. Str. Steintalakten

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Das Volk.

findet sich die Flurbezeichnung «Herrengewend près d'Urbach». Bei einer Forstrevision des Jahres 1807 ") werden aufgeführt «le grand Grabe» und «le grand Rain», zwischen Belmont und Bellefosse gelegen. Die Kataster von 1812 76) enthalten noch folgende Flurnamen deutscher Herkunft: Champ Thal, Mättele, Pré Schaffner, Kälberweide, Champ d'Obergouttes. Es mag zugegeben werden, daß einzelne von den zuletzt angeführten deutschen Namen vermutlich nur in den herrschaftlichen Kanzleien gebraucht wurden 77 ). Diesen können aber auch andere gegenübergestellt werden, die nirgend aufgezeichnet sind, sondern lediglich in der Volkssprache fortleben. Es seien hier nur drei solche Bezeichnungen aus dem Bann Wildersbach erwähnt. Les Behays = behagt, mit einem Hag bestanden, zwischen Wildersbach und Neuweiler gelegen; mit Qebüsch bewachsen. Le Heydé = Heide, wildbewachsenes Land. Léyde = eine am Bergabhang hinziehende Dorfstraße. Die Leite (Bergabhang, Halde). Die Häuserform im Steintal deutet ebenfalls darauf hin, daß die Dörfer alemannische Siedelungen sind. Durchgehends ist das alemannische Qebirgshaus die vorherrschende und charakteristisch! Hausform. Bei dieser Bauart befinden sich die Wohnung und die Wirtschaftsräume unter einem einzigen Dache, aber in der Reihenfolge: Wohnung, Scheune, Stallung. An den Stall schließt sich oft noch ein Schuppen an zur Unterbringung des Holzes und der Wagen im Winter. Die Längsseite ist der Straße zugekehrt. Vorderansicht.

D

C

B

A = Wohnung, B = Scheune, C = Stallung, D = o. Nr.

B. A. Str. Steintalakten o. Nr.

A Schuppen.

™) B. A. Str. C 556.

") H. Witte,

85

Besiedelung und Sprache im Steintale. Grundriß.

C/i Ci 3• •a •o n a

CA Ï.

in

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C

3

|

d

1

c

1

n

a

b

a Flur, b Wohnstube, c Kammer (Schlafräum), d Küche; die Tür zwischen a und d fehlt häufig.

Man könnte mit gewissem Rechte einwenden, daß die gegenwärtige Häuserform keinen Beweis dafür bieten kann, daß das Steintal von Alemannen besiedelt worden sei; denn aus begreiflichen Ursachen haben die Häuser im Steintal ausnahmslos ein verhältnismäßig niedriges Alter; die ältesten wurden vor etwa 150—200 Jahren erbaut. Aber sicherlich haben dabei ältere Bauten als Vorbild gedient, und so wurde die alemannische Qebirgshausform beibehalten, die wegen ihrer Anpassungsfähigkeit an die Terrainverhältnisse große Vorteile bietet. Bis vor wenigen Jahren waren noch die meisten Häuser mit Stroh gedeckt und gewährten einen malerischen Anblick 78 ). Wegen der großen Feuersgefahr werden die Strohdächer nach und nach durch Ziegeldächer ersetzt. Endlich beweisen uns die Familiennamen im Steintale, daß dieses in der zweiten Hälfte des Mittelalters ausschließlich deutsches Siedelungs- und Sprachgebiet war. Das schließt nicht aus, daß gelegentlich auch einmal eine romanische Familie in der an der Sprachgrenze liegenden Herrschaft ansässig ist. Bei den Verhandlungen wegen der Qrenzstreitigkeiten auf dem Hochfelde im Jahre 1383 werden genannt : «Heinrich Werden aus Urbach ; Robon, Heinrich Seger (heute Sayer), Bosch, Obrecht Vot, Binkelin (heute Pinquelé) aus Zenterottow» "). Folgende Bürger aus dem Steintal wurden 1460 von Junker Dietrich v. R. nach Oberehnheim vor das Gericht geführt: «Büttel Keltoromanische Bevölkerungsreste in den Vogesentälern. [Deutsche Erde. 1907, Heft 1—4.] — J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. 7S n S. 135. ) Vergl. Carlos Fischer, L'Alsace champêtre. 1907. ) E. Dietz,

86

Das Volk.

von Engerode, Knabe von Nüwilr, Lamprechts Lauwel von Salbache und Hans sin sun, Heintz von Urebach, Heinrich Großhans von Urebach, Claus Trüwe, der bott zu Nüwiller» M). Das Zinsregister von 1489 wurde aufgestellt in Gegenwart von : «Thomas, dem Kirchherr zu Rottow; Jörg v. Dueß, dem Vogt im Steintal; dem Schaffner Hanns Gack; Wunne von Nuwilr; Thumas Schnyder von Urbach; dem Schaffner Jakob Köpfel» 81 ). Die im Zinsbuch aufgeführten Untertanen sind fast alle deutscher Herkunft; es werden u. a. genannt: in Walterspach Jörg Trusim, Claus Nack und Ulrich Göpferlin, in Nuwilr Gerhart Wyrich und Hans Hensel, in Solbach Ulrich Lamprecht und Claus Wyßkopff, in Enderottow Hans Schnyder, in Urbar Peter Kleinhans und Hans Gelle. Einzelne Namen wie z. B. Schandubo (Jean Dubois?) lassen allerdings erkennen, daß damals auch ein gewisser Prozentsatz an romanischer Bevölkerung im Steintal vorhanden war. Es ist aber kaum anzunehmen, daß wir es hier mit Nachkommen jener Keltoromanen zu tun haben, die vor den Alemannen im Steintal angesiedelt waren. Höchst wahrscheinlich sind diese romanischen Bevölkerungselemente aus dem bei der Besiedelung durch die Alemannen nicht germanisierten obern Breusch- oder Weilertal zurückgewandert. Sicher hatte auch im Laufe der Zeit eine Germanisierung dieser Romanen stattgefunden, falls sie das Steintal nicht nur vorübergehend bewohnten; letzteres ist nicht ausgeschlossen. Bei der «Erneuerung des Habern Zinses» (1502) werden jedenfalls ausschließlich deutsche Familiennamen genannt 8 "). Das Zinsregister von 15348S) enthält auch lauter deutsche Namen wie : Blacke, Helwig, Schmidt, Schwab, Müller. Eine Besitzerneuerung vom Jahre 1587 **) erwähnt in Helmsgerieth die Personen «Anton Clauß, des würths söhn, Gabriel Schmidt und Sontag Weidlich». In Rothau urkundet der Schultheiß Michel Vischer noch im Jahre 1612 in deutscher Sprache 86 ). Ein Güterverzeichnis von 1619M) nennt P e r sonennamen wie «Michael Holweckh 87 ), Klein Christmann, Hanß Becker, Schwartz Hanß, Schweitzer Hans, Isaac Blaßbalckhmacher, Bengel Hanß, Clauß Tott von Allenbach» (alle in Rothau), «Peter Trommenschlagen, Clauß Schmidt, Stephan Schirmeck, Philips Hasemanns kindt, Christmann Mayer, Clauß Henselgot» (in Schönenberg), «Petter Weber, Hans Lauer, Clauß Matheiß, Lazarus Matheißen söhn, Christmann Dietherich» ; daneben trifft man aber auch mehrere Documents inédits pour servir à l'histoire du Ban-de-la-Roche. Original unaufm 81 82 findbar. ) St. A. O. DD 108. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ) B. A. Str. 8 84 85 Steintalakten o. Nr. ») Ebenda. ) B A. Str. E 641. ) B. A. Str. 8Ä 87 E 641, 642. ) B. A. Str. E 641, 642. ) Die Familie Holweck (Holweg)

87

Besiedelung und Sprache im Steintale.

Personennamen wie «Lang Qladan, Sontag Moschna, Sontag Diria, Ciladi Georg, Deobald Meliot, Monsch Jandan» (die meisten in Rothau), denen man trotz des stark hervortretenden Einflusses der deutschen Urkundensprache doch deutlich die französische Herkunft ansehen kann. Eine französische Einwanderung muß demnach bald nach 1587 stattgefunden haben; als die Veldenz nicht in der Lage waren, Pfalzburg innerhalb der vereinbarten vierjährigen Frist zu lösen8B), zogen die dort angesiedelten Hugenottenfamilien na£h Bischweiler und ins Steintal (etwa 1588). Die Zahl der damals ins Steintal eingewanderten Franzosen scheint indes nicht besonders Häuserzahl

Ortschaften

l

Beifuß Blier.sbach Helmsgereuth

1489

2 1534

3 1578

4 1905

8

15

25

74

9

9

10

34

22

31

36

61

13

20

167

Neuweiler u. Ringelsbach

g*

Niederrottaw

7

9

17

304

Oberrottaw

9*

10

13

52

Schönenberg

6

10

21

110

6*

8

12

38

3

13

16

55

Walterspach

12*

18

24

89

Willigenspach . .

10*

11

16

123

Solbach

. . . .

Urbach .

. . . .

0 B. A. Str. Steintalakten o. Nr. Bei den Zahlen mit * ist ein «alt hofstat» mit einbegriffen. B. A. Str. Steintalakten o. Nr. 3 ) B. A. Str. E 641. *) Ortschaftsverzeichnis für Elsaß-Lothringen. — Vergl. obige Tabelle mit der Tabelle der Haushaltungen im 17. und 18. Jahrhundert am Schluß dieses Kapitels.

groß gewesen zu sein, wie bereits aus dem Namenverzeichnis von 1619 hervorging. Für die Bewohner von Wildersbach, Ringelsbach, Bellefosse und Urbach, die in dem Prozeß Rathsamhausen-Veldenz als Zeugen auftreten, erfolgten noch 1623 nicht allein sämtliche Ladungen in deutscher Sprache, sondern in ihr fand auch ausschließlich das Verhör statt ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers 89 ). «Etliche (im Steintal) sprechen die französische Sprach», wird in M stammt aus Lützelstein. B. A. Str. E 641. ) Siehe Kapitel: Rathsamhausen und M M Kapitel: Veldenz. ) B. A. Str. E 641, 642. ) Siehe Kapitel: Kriegszeiten.

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Das Volk.

den Prozeßakten einmal hervorgehoben. Die am Ende des 16. Jahrhunderts von den Veldenz im Steintal angesiedelten Franzosen wären aller Wahrscheinlichkeit nach im Deutschtume aufgegangen, wenn nicht Kriegsstürme den ruhigen Gang der Siedelung unterbrochen hätten. Das Ende des Mittelalters war eine Periode des Ausbaues und des Wachstums der bestehenden Siedelungen. Dies zeigt uns die Tabelle auf Seite 87. Infolge des dreißigjährigen Krieges und der darauffolgenden Pest schmolz die Bevölkerung des Steintals so zusammen' 0 ), daß nach Friedenschluß die Herrschaft durch fremde Kolonisten sozusagen neu besiedelt werden mußte. Pfalzgraf Leopold Ludwig zog vorwiegend Reformierte aus der Schweiz und besonders aus der Gegend von Montb61iard herbei" 1 ); bis in die Gegenwart hinein haben einige Steintäler Familien ihre Beziehungen zur Schweiz und zur Freigrafschaft Burgund erhalten. An letztere erinnert z. B. der Flurname «Le Bourguignon» oberhalb Rothau""). Ein Verzeichnis der Untertanen im Steintal vom 11. Juli 1655 *3) nennt 57 Bürger, von denen etwa die Hälfte eingewanderte Romanen waren"*). Am Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts zogen immer mehr welsche Familien ins Steintal, besonders als Herr von Angervilliers die Eisenwerke wieder in Betrieb setzte. Die neuangesiedelten Romanen blieben infolge der eingetretenen Annexion des Steintals durch Frankreich in steter Verbindung mit Volksangehörigen; das brachte schon der Verkehr mit den Beamten mit sich. So konnte das Romanentum in der Gegend erstarken, während das Deutschtum im Kampfe mit jenem allmählich unterging. Zur Illustrierung und Ergänzung des Gesagten diene ein Verzeichnis der in den Kirchenbüchern der Herrschaft vorkommenden Familiennamen von 1643—1720®'). Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. Noch 1700 gab es nur wenige Familien in der Pfarrei Waldersbach, nämlich 4 in' Solbach, 9 in Fouday, 9 in Waldersbach, 91 9 in Belmont, 12 in Bellefosse. ) Siehe Kapitel: Veldenz. — Die Einwanderung der Welschen begann anscheinend schon nach dem Abzug der Schweden, also bald nach 1636. •*) J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. S. 141. In Bischweiler, wo die Veldenz ebenfalls in jener Zeit Franzosen ansiedelten, gibt es noch eine Familie Bourguignon. Vergl. Culmann, Geschichte von M Bischweiler. 1826. S. 145. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. •*) Man erkennt deutlich, wie man in der herrschaftlichen Kanzlei bestrebt war, den französischen Namen eine deutsche Form zu geben; wenige Jahre nachher kann man in den 86 Kirchenbüchern das Gegenteil feststellen. ) Pfarrarchiv Rothau, Kirchenbücher.

Besiedelung und Sprache im Steintale.

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1643. Deutsch ): Ester Faßmannin, Johann Bernhard*, Hainsei Hierig, Hierig [Jörg] Schmidt +, Nikolas Lux * (1707 Louxe, heute Loux). Französisch ") : Nicolas Mannet, Ciadon Mougerat, Vonier * Veitin (Verzeichnis von 1655 Velti Vunia). Gemischt' 8 ): Qladon Ringelspach, Catherine de Steff, Kenielle Parmentier (statt Kenielle steht auch wohl Quenielle oder Königin, Régine). 1644. Deutsch : Französisch : Nicolas Morel *, Nicolas Malaisier * (Verzeichnis von 1655 Mallesy, heute Malaisé). Mougeatte?. Gemischt : 1645. Deutsch : Französisch: Benoît Banset* (heute Banzet). Gemischt: Tabourin Lienard. 1647. Deutsch: Michel Groshaintz * + (1460 Großhans, 1489 Großhenßel, 1698 Groshans, 1712 Grauhens, 1713 Grauhainz, heute Groshens), Hans Hierig [Jörg], Steff Stephan. Französisch: Claudine Charpentier. Gemischt: Hainsei fils de Mougeon Schmidt +, Gladon Marschal *, Christmann Grand Matthis t (Grand ist wohl Beiname, 1619 Matheiß). 1648. Deutsch: Hanß Lipp, Johann Asemann * t (1619 Hasemann, 1676 Hasemann, 1707 Haschelmann, heute Hazemann). Französisch: Jandon Banset* (1650 Banzet, heute Banzet). Gemischt: Johanne Ganniore *, Johann Cacquelin *. 1649. Deutsch: Michel Holweck * + (1619), Hierig Schnad, Michael Kannier * (heute Gagnière). 90

— Alle Namen sind nur einmal aufgeführt, falls sich ihre Schreibweise nicht geändert hat. — Die mit * versehenen Namen existieren noch heute im Steintal. Die mit t versehenen Namen traten schon vor dem dreißigjährigen Kriege auf. Unter «deutsch» stehen die Namen, bei denen Vor- und Zuname in den Kirchen97 büchern deutsch geschrieben sind. ) Unter «französisch» stehen entsprechend 9S die französisch geschriebenen Namen. ) Der Ausdruck «gemischt» ist vielleicht etwas ungenau; er will aber andeuten, daß Vor- und Zuname nicht ein und derselben Sprache entstammen, was in den Kirchenbüchern oft schon durch die

90

Das Volk.

Französisch: Joseph Neuviller *, Qladon Boulengier, David Beurtrin (1655 Birtring). Gemischt: Mougeon Schmidt +, Hanß Heinrich Cacquelin *. 1653. Deutsch: Jakob Krieger* (1666 Quenielle Kriegerin, heute Krieguer), Martin Klein + (Verzeichnis der Einkünfte 1619)» Heinrich Appel (1667 Apffel mit dem Zusatz «Hoffmann»; also Pächter eines Meierhofes). Französisch: Gemischt: 1655. Deutsch: Hansel Jörg, Hans Lang Jörg, Jörg Schmitt, Claus Sieffert, Dietrich Schneider, Maria First. Französisch: Michel Gagnier * (1649 Michel Kännier 9 "), heute Gagnifcre), Ciadon Mougeat. Gemischt: Suisse Elias + (1619, Schweitzer), Dietrich Morel*, Sonntag Colla, Claus Clauling. 1656. Deutsch: Nikolas T r u m s c h l a g e r t (1619 Trommenschlagen, 1655 Claus Trummenschlager, 1676 David Trommelschlag, 1679 Trummelschlager ou Tabourin, von da ab kurz Tabourin), Hanß Peter Hochhauser. Französisch: Gemischt: Hanß Wolff Glode (Glod, Glode, Glad, Glaude, Claude steht sehr häufig hinter dem Namen Wolff; dieses Wort ist der verstümmelte Vorname Claudius; wir müßten oben ergänzen Hanß Wolff, Sohn von Glode (Claudius). Von einer spätem Hand ist in den meisten Fällen «Wolff» gestrichen und mit Claude überschrieben worden; es hat dies vermutlich ein Pfarrer getan, der die oben erklärte Ausdrucksweise nicht verstand; von 1699 ab ist «Claude» ein Familienname; derselbe ist heute noch sehr verbreitet im Steintal). Hierig Vouliat. 1666. Deutsch: Caspar Scheideck * (ein Schweizer), Heinrich Brunner (ein Schweizer, Kanton Bern), Thomas Müller (ein Schweizer), ? Ost (ein Schweizer), Elias Rup (ein Schweizer, noch 1666 Elie Roub), Hanß Warlin (ein Schweizer, vielSchreibweise zum Ausdruck kommt.

") Vergl. damit

das später

Gesagte.

Besiedelung und Sprache im Steintale.

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leicht daraus Verly), Fronelle Petersbach, Hans Hierig Zucker * (vor ungefähr 20 Jahren sind im Steintal die letzten Zoucker gestorben), Elisabeth Bortner, Froneck Aneckerat, Benedikt Vassem. Französisch : Gemischt: Hanß Schilt Seyer (ein Schweizer), Bärbel Johné, Pierre Boshart, Catherine Lauener. 1667. Deutsch: Susanne Haußenriet. Französisch: Marguerite Mouvenat, André Coulas, Quenielle Boulenger *. Gemischt: 1668. Deutsch: Stephan Buechert. Französisch : Gemischt: Pierre Ulrich. 1669. Deutsch: Jehan Ruchti, Elisabeth Rohrbach. Französisch : Gemischt: Oudille Hainseligottt (1619 Henselgot). 1670. Deutsch: Magdalena Lasser, Bärbel Rauen. Französisch: Caspar Balsionner. Gemischt: Anne Schertz. 1671. Deutsch: Jakob Binkel, Christine Ressi. Französisch : Gemischt: Pierre Steckli, Anne Piati. 1672. Deutsch: Christmann Teilenbach. Französisch: Anne Ouetinger (?). Gemischt : 1673. Deutsch: Jehan Beyler. Französisch : Gemischt: Magdeleine Gasser.

92

Das Volk.

1674. Deutsch: Jehanne Lang Jerig (1655 Lang Jörg, daraus vermutlich der heute vorkommende Name Qrandgeorge, 1695). Französisch : Gemischt: Apollonia Siguert (1655 Sieifert, 1678 Sivert). 1676. Deutsch: Michel Stegmüller. Französisch : Gemischt: Anne Pekerine (1619 Becker). 1677. Deutsch: Catherine Schurmännin. Französisch : Gemischt : 1679. Deutsch : Hans Verlich * (heute Verly). Französisch : Gemischt: 1680. Deutsch: Hans Peterbecker, Marie Christine Schäfferin. Französisch: George Malmehu, maître d'école au Ban-de-laRoche. Gemischt : Ulrich Verly, Nannette Wagner, George Schneider t ou Parmentier (1489 Schnyder). 1688. Deutsch : Französisch : Gemischt: Anne Schüllin. 1694. Deutsch: Marie Kinderin, Andreas Scholler (ein Schweizer). Französisch : Gemischt: Anne Roth. 1695. Deutsch: Christmann Naffziger (ein Schweizer, Kanton Bern). Französisch : Agnes George *, ? Grandgeorge *. Gemischt : 1697. Deutsch :

Besiedelung und Sprache im Steintale.

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Französisch: Magdeleine Guillaume. Gemischt: Benoît Hisler * (1714 Hußler, 1715 Hüßler). 1698. Deutsch: Französisch : Gemischt: Jean Pierre Tritt, Anne Fischer (1612 Vischer), Pierre Henner (ein Schweizer). 1699. Deutsch : Französisch : Anne Marie Claude *, ? Malaisi *, ? Ponton *. Gemischt : 1704. Deutsch : ? Rupp * (heute Ropp). Französisch : Jean Anne * (heute Ahne). Gemischt: Anne Cathrine Perschi (eine Schweizerin, Kanton Bern), Christophle Banhauld (von Markirch, daraus vermutlich der heutige Name Baneau). 1707. Deutsch: Joseph Sommer* und Veroni Graber (beide aus Sommniswald, Kanton Bern; Hirt in Wildersbach; die Familie ist noch heute in Wildersbach ansässig), Hans Schwar (ein Schweizer). Französisch: ? Munier, David Jacques, Catherine Valentine* (Valentin). Gemischt : 1714. Deutsch: Peter Schaub (ein Schweizer), Georg Solläderß des Müllers von Wildersbach sein Frau Kunigunde, Georg Widmann *, Jakob Pinckely *, Balthasar Gummert *, Beständer des herrschaftl. Hofguts in Haute-Goutte (1718 Kummer, heute Kommer), Marie Schöplerin, Tochter von Hanß Schöpler * (heute Scheppler). Französisch : Gemischt: Aus diesem Namenverzeichnis ersehen wir zunächst die damalige Zweisprachigkeit des Steintals. Ferner merken wir das Bestreben der meist aus Frankreich stammenden Pfarrer, den deutschen Namen eine französische Form zu geben oder doch wenigstens den

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Das Volk.

französischen Vornamen zu setzen. Einzelne Namen — z. B. Großhaintz — Groshens, Kännier — Gagnier — lassen die allmähliche Französisierung deutlich erkennen. Vielleicht war damals noch ein viel höherer Prozentsatz der Bevölkerung deutsch, als es den Anschein hat. Eine Urkunde von 1685 spricht z. B. von einer Jeanne Neuviller; diese unterschreibt aber mit deutschen Buchstaben «Johanna Neuweiler». In dem gleichen Jahre wird ein Jean Ganier genannt, der aber «Hanß Kännier» unterzeichnet. Der 1676 genannte Bastien Yörg schreibt unter die Urkunde «Bastian Jörg, Kirchen Censor». Meistens steht an Stelle der Unterschrift nur ein Handzeichen; sonst ließen sich wohl noch zahlreiche ähnliche Fälle anführen. Die überaus zahlreichen Beziehungen (Pate, Patin) zu den deutschsprechenden Einwohnern von Barr deuten ebenfalls daraufhin, daß die Bevölkerung des Steintals, noch am Anfang des 18. Jahrhunderts viele deutsche Bestandteile aufwies. Die Namenstabelle zeigt ferner, daß besonders um 1700 viele deutsche Schweizer eingewandert sind. Die meisten der Familiennamen existieren heute nicht mehr. Es ist darum anzunehmen, daß eine Anzahl dieser deutschredenden Reformierten sich nur vorübergehend im Steintal aufgehalten hat und es um 1725 verließ, nachdem die Herrschaft einen katholischen Herrn erhalten hatte. Etliche Familien blieben seßhaft und verwelschten (Sommer, Scheideck, Gummert, Schöpler). Nach 1720 gewann das Romanentum im Steintal immer mehr Macht und Einfluß, bis zuletzt deutsches Wesen und deutsche Sprache ganz verschwanden, jedoch nicht ohne die von den Romanen gebrauchte Umgangssprache merklich beeinflußt zu haben. Das Patois der Steintäler enthält eine auffallend große Anzahl deutscher Lehnwörter. Da schon Jeremias Oberlin in seinem 1775 erschienenen Werke «Sur le patois lorrain» auf diese Tatsache hinweist, liegt es auf der Hand, daß diese Lehnwörter nur etwa in der Zeit zwischen 1650—1750 dem Sprachschatze der Bevölkerung einverleibt werden konnten. Obwohl seinen sprachlichen Merkmalen nach das Patois des obern Breuschtales zu der gleichen Gruppe 100 ) gehört wie dasjenige im Steintal, enthält es doch bei weitem nicht so viele deutsche Lehnwörter wie dieses. Auch auf diese Tatsache wurde bereits von Jeremias Oberlin aufmerksam gemacht. 10e

) A. Horning,

Die ostfranzösischen Orenzdialekte zwischen Metz und Beifort.

Besiedelung und Sprache im Steintale.

95

Nachstehend sei eine g r ö ß e r e Anzahl deutscher L e h n w ö r t e r aus dem P a t o i s der Steintäler in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt 1 0 1 ). battlä (lö) = der Bettler bäeredraeck (lö) = eis. Bäredreck; verdickter Süßholzsaft, ben (do bö) = Bühne, Holzbett'l (lö) = die Bütte [Speicher birhdff (16) = die Bierhefe buob (lö) = der Bube, Knabe buoxä (Ii) = die Buchen crouc (lö) = der Krug däx (lö) = der Dachs düb (16) = die Faßdaube ehäkse = verhexen erfäre = erfahren förschi (lö) = der Pfirsich fiettre = füttern fifcttregäng (lö) = der Futtergang fdriatt (16) = rote Kuh (feuerrot), f ü n ä (lö) = (ebenfalls mit feuerrot zusammenhängend) weiss und roter Ochs, firöb (lö) = eis. Firowe, Feierabend fladermuz (le) = die Fledermaus fraess (Ii vaeches fr.) = die Kühe fressen. gäelö = [gellenj schreien, rufen

gräb (lö) = Rains.

[Graben] Fuß eines

griéss (lö) = der Gries — des knaepf dö griéss — [eis. Griesknäpfle] Griesklöse hák (lé) = die Hacke; im weiteren Sinne das Aushacken der Kartoffeln; én bel häk = eine schöne Kartoffelernte háké = haken haks (lé) = die Hexe, hakseméjster (lö) = der Hexenmeister hélié = Heiligenbild ; im weitern Sinne Bild henke = aufhengen hifflé" = die Kartoffeln häufeln hilé = [heulen] weinen hof (lö) = der Hof um den Mond hov'lbänk (lé) = die Hobelbank Xleifé = schleifen (Holz den Berg herab schleifen) Xleif (lé) = Bodenrinne, in der man Holz schleift

1 0 1 ) Die meisten wurden vom Verfasser selbst gesammelt; andere 1887. S. 2—3. sind entnommen aus: 1. J. Oberlin, Sur le patois lorrain. 1775. 2. C. This, Die deutsch-französische Sprachgrenze im Elsaß. 1888. 3. A. Horning, Glossar der Mundart von Belmont (Beitrag zu einem Idiotikon der Vogesischen Mundarten; Zeitschrift für Romanische Philologie. Bd. 33, 1909. S. 385—430. Bd. 34. 1910. S. 163 bis 181). 4. J. Lombard, Die zweisprachige Schule im Breuschtal. 1911. S. 7—8. — Die Lautbezeichnung ist phonetisch. Für die Lautdarstellung dienten die bereits genannten Arbeiten von A. Horning als Muster. Erklärung einiger Zeichen: h = wie im Deutschen; y entspricht dem «ch» in «ach» (Ach-Laut); s etwa wie «sch» im Deutschen; i = kurzes i; u = u im Deutschen; a = eigentümlicher Laut zwischen a und o ; kleine i oder ü über der Zeile sind Nachklänge. Der Ton klingt in der Regel auf den letztenVokal. Bei Ausnahmen ist die Tonstelle durch einen Apostroph bezeichnet. — Artikel « l o ist männlich; Artikel «le» ist weiblich; Artikel «Ii» ist

96

Das Volk.

Xleifis (lö) = das Schleifeisen; Haken an dem man das Holz schleift. ylimere = schleimrig, klebrig Xlitt (lö) = der Schlitten xmäke = riechen [schmecken] xmire = schmieren, reiben i me xmire = er hat mich beschmutzt xn6tse (Ii) = die Schnitze von Äpfeln oder Birnen xpätz (16) = der Spatz Xtändel (lö) = das Butterfass (eis. Ständel) Xtök (Ii) = die Baumstümpfe Xütle = einen Baum schütteln Xtork (lö) = der Storch Xtike = ein Schwein stechen xufeb (lö) = der Schwefel xwenke = mit Wasser ausspülen; eis. schwenken, käx = [karg] d$> kax tQ = trockene Witterung, wobei die Ernte karg ausfällt; lö frü si ä käx = die Frucht ist kümmerlich (karg), katseu = sich erbrechen;7 eis. kotzen kätz (lö) = die Katze k e i s (16) = die junge Ziege; Geiß k6rtel (lö) = der Gürtel kesele (lö) = ein Kesselchen (zinnerne Büchse) zum Essentragen. kluk (16) = die Henne, Glucke ködre (lö) = der Auswurf, eis. Köder kcebli (lö) = der Kübler; die Familie E. in Wildersbach trägt den Beinamen „koebli"; aus den Rothauer Kirchenregistern geht hervor, daß während langer Zeit

Glieder dieser Familie das Küblerhandwerk betrieben, kochle = sorgfältig kochen; eis. köchle lens (Ii) = die Linsen lustik = lustig mäkemi (lö) = der Kümmel; eis. Makimi melichttep = [Milchdieb]. Augentrost, Euphrasiaofficinalis. Wenn diese kleine Schmarotzerpflanze in größern Mengen auf den Wiesen steht, fügt sie dem Landmann großen Schaden zu; darum heißt sie in manchen Gegenden „Milchdieb" mölev = malen mürlatt (16) = die Mauerlatte, ein auf der Mauer aufliegender Balken. Der Ausdruck „mourlatte" wird selbst in Akten wiederholt angewendet. [Gemeindearchiv Wildersbach.] nüdel (16) = die Nudel, öl = das Öl (Belmont) pl6ss — Kuhname für eine schwarzweiße Kuh (eis.) pourmaydle (6n) = ein Bauermädchen rämäss (lö) = das Rebmesser r6jsle = schaukeln, eis. reitschle r6ngl6 = der Ring rlb6 = reiben (die Wäsche reiben) ribgrle od. rivörle = eis. besondere Art von Hahn am Faß. röts6yn (16) = die Erkältung, Rotschein saltä = schelten seit (lö) = eis. Scheitwecke; Keil zum Spalten des Holzes

97

Besiedelung und Sprache im Steintale.

saresliff (lö) = der Scheerenschleifer sepfr (lö) = der Schöpfeimer schib (¿n) = eine Scheibe slau (lö) = der Schlag slaue = schlagen snäk (Ii) = die Schnecken slacr6 (lö) = der Schlecker slöfkapp (16) = die Schlafkappe smuts(lö) = der Kuß, eis. Schmutz stak (lö) = der Stock, Peitschenstock staempfl§ = Kartoffeln mit einem Holzstößer verstampfen strumpfwaewer (lö) = der Strumpfweber tanke = tunken

tökele = Doggele; ein im Elsaß weitverbreiteter Name eines Kobold. [Vergl. Stöber, Sagen, Ausgabe von Mündel 1892, I, S. 37. — Jahrbuch des Vogesenklubs 1892, S. 175.] trSple = trampeln trdejä (lö) = der Träge, Faule trugs (Ii) = Treberbranntwein; eis. Trüese tröric = traurig wasserstrib (Ii) = eine Mehlspeise; eis. Wasserstriwle wuendöl (Ii) = die Wanzen; els.Wendle wyett = häßlich, wüst

Neben den Lehnwörtern fällt im Patois der Steintäler die Stellung des beigefügten Eigenschaftswortes auf. In der Regel steht dieses — auch wenn es nicht subjektiv gebraucht ist — wie im Deutschen vor dem Dingworte 10S ), während nach französischem Sprachgebrauche das objektiv angewandte Eigenschaftswort hinter das Dingwort gestellt wird. Der Steintäler sagt z. B. du noir ha"/. (Pellkartoffeln), du blanc ha-/ (Salzwasserkartoffeln), du noir café (schwarzer Kaffee), du blanc café (Milchkaffee), le bleu tablier, la blanche robe usw. Zwar tritt diese Erscheinung auch bei anderen ostfranzösischen Grenzdialekten mehr oder weniger zu Tage; aber man vermutet auch dort eine Beeinflussung durch das Deutsche 10i ). Dann finden wir in der Sprache der Steintäler überaus zahlreiche deutsche Ausdrücke und Satzwendungen. So hörte ich erst kürzlich von einem gebildeten Steintäler sagen: «mon père l'a brûlée luimême» (das Kirschenwasser nämlich), statt: «mon père l'a distillée lui-même»; das klingt echt elsässisch. Man sagt im Steintale: «ça tire» (es zieht), statt: «il y a un courant d'air». Ähnliche Germanismen kann man tagtäglich hören. Für «l'évier» sagt der Steintäler «la pierre d'eau»; das ist die getreue Übersetzung des deutschen Wortes «Wasserstein». In Belmont sagen manche Leute noch «lö wässerstein. 10ä Mehrzahl. ) Vergl. J. Oberlin, Sur le patois lorrain. 1775. S. 118. — Das im Reichsland I S. 103. Abs. 5. ) A. Horning, Die ostfranzösischen Grenzdialekte

B o c h, Steintal.

7

98

Das Volk.

Eine starke Beeinflussung der Umgangssprache im Steintal durch das Deutsche läßt sich nach dem Gesagten nicht abstreiten; sie ist in dem geschichtlichen Gang der Besiedelung begründet10*). Die Romanisierung des Steintals nach dem dreißigjährigen Kriege konnte um so leichter vor sich gehen, als sich unter französischer Herrschaft das Breuschtal im allgemeinen einer Zeit des Friedens erfreute, so daß die Besiedelung der Gegend einen ruhigen, ungehemmten Verlauf nehmen konnte, so wie ihn eben die natürlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedingten. Über das Wachstum der Siedelungen gibt nachstehende Tabelle der Bürger und Haushaltungen im 17. und 18. Jahrhundert nähere Auskunft. 1655') 1700») 1720») 1723*) 1730») 1751«) 1770 7 ) 1777 8 ) 1798»)

Ort Neuweiler

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Haute-Goutte

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Steintalakten

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54

Nr.

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>101

der

Untertanen

480

der

Herrschaft

Steintal».

2)

Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. J . B . Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. *) Oemeindearchiv Wildersbach, «Etat des Revenus de la Seigneurie du Ban-de-la-Roche.» e) J. B . Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. 8 ) B . A. S t r . «Dénombrement de l'Alsace. Baillage du Ban-de-la-Roche». 1. 4. 1751. 7 ) Großherz. Generallandesarchiv Karlsruhe, NachlaB Qrandidier, Etat du Diocèse de S t r a s bourg, T . III. 8 ) B . A. S t r . Steintalakten o. Nr. Liste der Holzherechtigtcn. 8 ) J . B . Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. 3)

Von 1700—1800 nahm die Bevölkerung im Steintale so zu, daß 1M ) Seit zwischen Metz und Beifort. (Französische Studien V.) 1887. S. 102. 1870 ist im Steintal ein allmähliches Vordringen des Deutschen zu verzeichnen. Besonders in Rothau wohnen zahlreiche deutschsprechende Qewerbetreibende und Beamte. In den letzten Jahren sind auch deutschredende Arbeiterfamilien in Rothau

99

Besiedelung und Sprache im Steintale.

auf 3570 Geburten nur 2123 Sterbefälle kamen 105 ). in den 5 Dörfern seiner Pfarrei 106 ) im Jahre 1790 1805 1812 181 8 181 9

Oberlin zählte

1500 Seelen 1602 1731 1869 1930

Diese starke Zunahme der Bevölkerung war zum Teil durch die große Kinderzahl der meisten Familien bedingt. Um 1820 wohnten in Oberlins Pfarrei 399 Familien, von denen 135 7 oder mehr Kinder hatten 107 ), nämlich 37 Familien mit 25 ii „ 22 !> „ 17 » „ 16 „ 1) 6 .. >>

7 Kindern 8 9 io 11 12

6 Familien mit 13 Kindern 14 3 >> i» >• 1 > > >i > > 1 17 1 M «i 19 ^ n

Von 1700—1800 wurden in Wildersbach wohl die Häuser des sog. Oberdorfes gebaut. Hausnummer

Heutiger Besitzer

meisten

Zahl und Zeichen

78

Kamillus Loux

J.B. 1769

64

Michael Richert

P. C S 1773 M M

91

Adolf Hilpipre

N C 1773 M B

69

Karl Jeunesse

D W 17

98

Josefine Motel

74

Adolf Masson

MM

1782 RV 1811

Viele Häuser gleichen Alters tragen keine Jahreszahl. Andere wurden durch Feuer zerstört und durch Neubauten ersetzt ,08 ). Wie ansässig geworden. Durch den Unterricht in Schule und Fortbildungsschule wird die Jugend zum mündlichen und schriftlichen Gebrauch der deutschen Sprache befähigt. Vergl. J. Lombard, Die zweisprachige Schule im Breuschtal. Vierzig Jahre 1M deutscher Schularbeit. 1911. ) Annuaire du Bas-Rhin. 1848. S. 340—368. 1M 107 10S ) Oberlins Annalen, Pfarrarchiv Waldersbach. ) Ebenda. ) Als ältester Teil des Dorfes Wildersbach werden die Häuser Nr. 20—30 angesehen und

Das Volk.

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LO Es kann nicht davon die Rede sein, hier auf Einzelheiten einzugehen. Schon die Frage: «Was ist «le mort bois», welche Holzarten sind darunter zu verstehen?» erforderte eine Unzahl von Verhandlungen. Urteile wurden gesprochen und wieder kassiert. — Dann die Kompetenzfrage: «Ist das Gericht vom Département du Bas-Rhin oder das vom Département des Vosges zuständig?» Nachdem sich die Gemeinden endlich für die Gerichte vom Département du Bas-Rhin entschieden hatte, protestierte Solbach ganz energisch dagegen, obwohl diese Gemeinde in dem betr. Département lag. Der dortige Munizipalrat war der Meinung, daß die Gerichte im Département du Bas-Rhin für die Sache der Familie Dietrich Partei ergreifen würden. — Gemeindearchiv Wildersbach 94 Prozeßakten. — Stœber, l'aîné,

Pflichten und Rechte. — Revolution.

121

alljährlich die Prozeßkosten auf die Bürger verteilt "), denen dadurch nicht geringe Opfer auferlegt wurden. Der Prozeß ging von Instanz zu Instanz. Es entstanden die unglaublichsten Haarspaltereien. Die Parteien legten immer wieder Berufung ein. Das Ende war unabsehbar. Endlich sehnte man sich doch nach Frieden. Da durch die Vermittlung der Advokaten dieser so schnell nicht zu erreichen war, schlug im Frühjahr 1812 Oberlin, dem die Beilegung des Streites so sehr am Herzen lag, vor, sich an den Präfekten Lezai-Marnésia in Straßburg zu wenden mit der Bitte, die Frage auf dem Wege eines gütlichen Vergleiches lösen zu wollen. Die Parteien sahen die Vorteile eines solchen ein, und schon am 19. Juni 1812'") konnten in einem Briefe aus Waldersbach die 8 Bürgermeister Herrn Champy die erfreuliche Mitteilung machen, daß der Präfekt auf ihre Bitte hin Schiedsrichter sein wollte. Nachdem die vorbereitenden Unterredungen zwischen den Beteiligten mit Erfolg stattgefunden hatten, kam am 17. Juni 1813 unter dem Vorsitze des Präfekten ein Vergleich zustande, nach welchem den Gemeinden 1/* der Waldungen und das Weidrecht zugesprochen wurde ")• «Cejourd'hui 17 Juin 1813, les soussignés Maires du Ban-de-laRoche d'une part, et Mr. Champy, propriétaire des forges de Framont, d'autre part; s'étant réunis à l'hôtel de la préfecture du département du Bas-Rhin, pour y terminer sous la médiation bienfaisante de Mr. le Préfet du département du Bas-Rhin, et Mr. le Sous-préfet de St. Dié, les contestations qui se sont élevées entre eux et qui sont liées en ce moment au tribunal de St. Dié, ils ont passé la transaction suivante, bien entendu cependant que les conseils municipaux y donneront leur assentiment, sans lequel elle sera regardée comme nulle et non avenue. 1. Au lieu du cantonnement demandé par Mr. Champy et ordonné par le tribunal de St. Dié, il sera procédé par trois experts, dont les parties conviendront, sinon qui seront nommés par le tribunal de St. Dié, au partage des forêts du Ban-de-la-Roche, appartenantes au Sr. Champy et sujettes aux droits d'usage des communes, lequel partage se fera de deux tiers entiers, de manière que le Sr. Champy en conserve deux tiers en toute propriété et affranchis de tous droits d'usage et autre quelconques, et que l'autre XVIII, 323. ") Qemeindearchiv Wildersbach. «Contribution faite par les habitans •de la Commune de Vildersbach pour le procès du bois avec la famille Dietrich.» 10 Listen. ™) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ") Qemeindearchiv Solbach.

122

Das Volk.

tiers en soit assuré aux communes qui en jouiront comme du surplus de leurs propriétés. 2. Les paturages non boisés ne pourront entrer dans ce partage; ils resteront la propriété des communes comme ils le sont dans ce moment. 3. Les Maires desdites communes ayant insisté à ce que les paturages boisés fussent également distraits de ce partage, le Sr. Champy, pour prouver le désir qu'il a de terminer cette discution à l'amiable, à déclaré consentir, comme il consent à ce que les experts allouent aux communes soixante hectares en sus du tiers de la totalité des forêts, mentionnée au premier article; lesdits soixante hectares présente la moitié et quelque chose en sus desdits paturages boisés, évalués à cent dix-sept hectares qui seront réunis à la masse des forêts, pour entrer en partage. 4. Les experts attribueront aux communes leur tiers et les soixante hectares ci-dessus, dans les cantons qui se trouveront le plus à la proximité de chacune d'elle. 5. II prendront en considération non seulement l'étendue, mais encore les qualités des forêts, de manière que les lots soient de l'égalité la plus parfaite, et si les localités nécessitaient impérieusement quelque légère inégalité, il y sera suppléé par forme de soulte de partage par des délivrances en bois que les experts fixeront. 6. Les dispositions retenues en l'article premier, ne pourront porter atteinte au droit du paturage, dont les communes continueront à jouir comme du passé, en se conformant aux lois et règlements. 7. Au moyen de la présente transaction toute contestation sera terminée entre le Sr. Champy et les communes qui renoncent à toute prétention ultérieure, qu'elles ont formée soit de droit d'usage, soit de paturages recrus, soit de bois communaux ou autres quelconques. 8. Les frais seront supportés de deux tiers au tiers, c'est à dire que le Sr. Champy en supportera deux tiers et les communes un tiers. 9. L e partage terminé, il sera procédé à frais communs à l'abornement des propriétés respectives par les mêmes experts. 10. Les communes n'ayant jamais formé prétention sur le Champ-du-feu et les censes du Sommerhoff, ils ne sont point compris dans la présente transaction, devant rester la propriété du Sr. Champy comme ils l'ont toujours été. De tout quoi a été dressé le présent procès-verbal les jour, mois et an que dessus.

123

Pflichten und Rechte. — Revolution.

Et avant de signer les Maires des communes de Belmont et de Bellefosse ont demandé, que le Sr. Champy continue de laisser à ces commune le paturage du Champs-du-feu moyennant loyer de vingt francs par commune, qu'ils en ont acquittés depuis longtemps, le Sr. Champy a accédé à cette demande sans néamoins que cette jouissance puisse le gêner dans l'extraxtion de la tourbe 7 8 ) qu'il y fait et qu'il entend y continuer. S i g n é : Bantzet, Maire; Th. Scheidecker, Qédéon Ahne, Jean Scheppler, F. Claude, David Claude, Maire; Nicolas Caquelin, .1. Charpentier, Denormandie, Champy, et Lezay-Marnésia. Pour copie conforme Lezay-Marnésia.» Die Freude über die glückliche Lösung der Streitfrage war im Steintale sehr groß. Eine Abordnung der Bürgermeister überreichte Oberlin, der zum guten Gelingen das Seine getan hatte, die Feder, mit der das Schriftstück unterzeichnet worden war, mit der Bitte, sie in seinem Arbeitszimmer als Erinnerung aufzuhängen. Die den Gemeinden zugefallenen Wälder blieben zunächst ungeteilte Markwaldungen. Ihre Aufteilung war ein schwieriges Stück Arbeit und gab Veranlassung zu kostspieligen Prozessen zwischen den Gemeinden, von denen jede den Löwenanteil für sich beanspruchte. Schon als die Sachverständigen ernannt werden sollten, konnte man sich nicht einigen; endlich 1817 war man so weit. Bei der Verteilung mußte gar vielerlei berücksichtigt werden: Die Einwohnerzahl der Gemeinden, Alter und Art der einzelnen Waldbestände, ihr Geldwert, die Entfernung der Parzellen vom Dorfe u. a. m. Nach vieler Mühe konnten die Sachverständigen im Jahre 1821 nachstehenden Vorschlag machen: Ort Solbach Fouday Belmont Bellefosse Waldersbach Wildersbach Rothau Neuweiler

EinwohnerVerteilungsDer zugeteilten Waldfläche zahl Im Jahre kosten in Wert in Frcs. Grösse in ha. Franken 1820 208 270 577 445 438 447 702 820

19708,72 24 421,69 50557,18 38 989,00 40 702,81 42416,61 60411,54 71 979,71

44,43 43,93 79,76 81,05 66,89 120,66 125,40 169,02

B . A . Str. Akten der annektierten Gemeinden. P a r t a g e des bois indivis.

46,50 57,65 119,30 92,00 96,05 100,10 142,55 169,85 78

) Auf

124

Das Volk.

Nur die Gemeinden Neuweiler und Rothau erklärten sich hiermit einverstanden. Über den zahlreichen Versuchen, eine allgemein befriedigende Lösung zu finden, kam es endlich zum Prozeß, und erst durch Urteil vom 25. August 1848 (St. Di6) fand die endgültige Teilung der Waldungen, sowie auch der ödländereien statt 79 ). Damit waren die Gemeinden endlich in den Besitz jener Rechte gelangt, die sie schon vor der Revolution erstrebten.

2. Kriegszeiten. Man sollte meinen, daß im entlegenen' Steintale die Bevölkerung weit weniger unter Kriegsunruhen zu leiden hatte als diejenige sonstiger Gegenden unseres Heimatlandes. Dies trifft jedoch nicht zu. Das Steintal war vielmehr häufig der Schauplatz blutiger Fehden und kriegerischer Unternehmungen. Als in dem Kriege zwischen, der Stadt Straßburg und dem Bischof Walther von Geroldseck durch die Hilfe Rudolfs von Habsburg die Städte Colmar und Mülhausen den Bischöflichen entrissen worden waren, fiel der Landvogt Hermann, Walthers Bruder, in der letzten Dezemberwoche 1261 in das Albrechtstal 1 ) ein, das zu den Besitzungen Rudolfs von Habsburg gehörte. Bei dieser Expedition gingen die Orte Sales (Saales), valla Brusca (Bourg-Bruche), Salacie (Salc6e), Stamdoimont (Stampoumont), Ranrumper (Ranrupt), Conretum (Coloroy) in Flammen auf s ). Mit Ausnahme von Saales liegen diese Dörfer alle in so unmittelbarer Nähe des Steintals, daß gewißlich auch hier die Bauern durch bischöfliches Kriegsvolk ausgeplündert wurden. Ob nachstehende Sage als Beweis dafür gelten kann, daß auch im Steintale eine Verfolgung der Juden stattfand (1349), mag dahingestellt bleiben. Auf dem Hochfelde und seinen Abhängen trifft der Wanderer zahlreiche kopfartige Preiselbeerschläge an, welche dicht mit Moos untermischt sind. «Judenköpfe» nennen sie die Steintäler. Bei der großen Judenverfolgung, so erzählt man, wurden die Gefangenen dort oben lebendig begraben; nur ihren Kopf ließ man ,e dem Hochielde wurde bis ums Jahr 1830 Torf gçstochen. ) B. A. Str. Akten der annektierten Gemeinden. Partage des bois indivis. Qemeindearchiv Wildersbach und Solbach. l 2 ) Weilertal. ) Mon. Germ. Script. XVII. Bellum Waltherianum. S. 107.

Kriegszeiten.

125

frei. Seitdem wachsen alljährlich im Herbste ihre roten Haare (Moos) aus der Erde 3 ). In dem Streite des von den Straßburger Domherren zum Bischof gewählten Domprobstes Burkhard von Lützelstein mit Bischof Wilhelm v. Diest standen die Herren von Andlau und Rathsamhausen auf der Seite Burkhards*). Darum zogen 1394 die mit Bischof Wilhelm verbündeten Straßburger ins Andlauer Tal «und zerstörten Andelo das Tal und der Herren von Andelo und Rotzenhusen Dörfer» 5 ); diese Angabe des Chronisten kann sich jedenfalls nur auf die Steintäler Dörfer beziehen. Wie 1439 die Bauern Ulrichs von Rathsamhausen durch den Überfall der Armagnaken bei St. Kreuz das Steintal vor Verheerung bewahrten, fand bereits Erwähnung ")• Ob mit der Belagerung des Schlosses zum Stein 7 ) (1469) eine Plünderung der umliegenden Ortschaften Bellefosse, Waldersbach, Fouday und Rothau verbunden war, ist nicht bekannt; doch ist eine solche sehr wahrscheinlich. Die mutmaßliche Beteiligung der Steintäler an dem großen Bauernaufstände des Jahres 1525 wurde ebenfalls schon erwähnt 8 ). Die bisher angeführten Ereignisse waren alle von geringerer Bedeutung; auch lagen zwischen den verschiedenen Fehden stets etliche ruhige Jahrzehnte, während welcher sich das Steintal von dem erlittenen Schaden wieder erholen konnte. Von der Mitte des XVI. Jahrhunderts aber bis zum Ende des XVII. Jahrhunderts wurde die Bevölkerung fortgesetzt durch kriegerische Operationen beunruhigt, deren Folge der gänzliche Ruin der Herrschaft war. Es wurde schon früher 9 ) darauf hingewiesen, daß sich seit 1552 im nahen Lothringen eine mächtige Expansion Frankreichs fühlbar machte, die zu den sog. Lothringer Wirren führte. In Frankreich selbst aber begannen unter Franz II. (1559—1560) und Karl IX., aus dem Hause Valois, die blutigen Hugenottenverfolgungen und Hugenottenaufstände. Auf Seiten der katholischen Valois stand das mächtige Geschlecht der Quisen, das auch an den Lothringer Wirren stark beteiligt war, und an der Spitze der Reformierten befanden sich Ludwig Cond6 und Heinrich von Navarra, letzterer aus dem Hause Mon. Germ. Script. XXV. Chronicon Senonense. Wiegand, Studien zu elsässischer 8 Geschichte und Geschichtsschreibung im Mittelalter. 1878. S. 69. ) Mündliche Mitteilung. *) Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsaß. III S. 37—38. 6 6 ) Schilter-Königshofen S. 814, 18. ) Siehe Kapitel: Rathsamhausen. 7 ) Ebenda. 8 9 ) Siehe Kapitel: Pflichten und Rechte. ) Siehe Kapitel: Die Pfalzgrafen von

126

Das Volk.

der Bourbonen. Der Gegensatz zwischen den protestantischen Bourbonen und den katholischen Quisen führte schließlich zu den sog. navarresischen Kriegen (Hugenottenkriegen), welche Franz von Quise durch das Blutbad von Vassy (1. 3. 1562) entflammte 10 ). Die Hugenotten wurden von dem Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz durch Geld und Truppen unterstützt, die von seinem Sohne Johann Casimir, dem Vetter des Georg Hans von Veldenz, befehligt wurden "). Auch dieser nahm die Hugenotten tatkräftig in Schutz 1S ). Infolge seiner Lage an der Grenze von Frankreich und Lothringen und unweit der Besitzungen des hugenottenfreundlichen Georg Hans von Veldenz ") wurde das obere und mittlere Breuschtal ein Durchzugsgebiet für die verschiedenen Truppen, und sowohl in den Hugenottenkriegen, als auch in den Lothringer Wirren wurden das Steintal und seine Nachbargebiete von den Guisischen (dem lothringischen Kriegsvolke) schwer heimgesucht. Unter der Führung von De la Coche drang 1568 eine Hugenottenschar ins Breuschtal ein und verwüstete die Dörfer des Bistums, der Grafschaft Salm und jedenfalls auch die im Steintal. Der Duc d'Auniale schlug sie bei Bourg-Br.uche ")• Der Amtmann von Schirmeck ") teilte am 16. Februar 1569 der bischöflichen Regierung mit, er habe erfahren, «daß königliche Khron [Frankreich] im willens, sich ins Theutschlandt zu begeben»; er fürchte, es werde auch Kriegsvolk «durch das verderbte Breuschtal» ziehen und bitte für diesen Fall um Verhaltungsmaßregeln"). Im März desselben Jahres erhielt der genannte Amtmann von seiner Regierung die Nachricht, daß der Prinz von Oranien mit Welschen [Hugenotten] im Anzüge sei; über den Durchzug möge der Amtmann berichten "). Als dieser am 5. März 1569 den Empfang der Mitteilung bestätigte, konnte er gleichzeitig folgende interessante Meldung machen: Ich kann E. G. «unangezeigt nicht lassen, daß die Raffen- 18 ) und Steintheler, auch Weintztheler ") die Straßen Fahr- und Reitweg allenthalben verhauwen und dieselben von ihrer Oberkheit, sonder10 ") Ebenda Veldenz. ) E. Lavisse, Histoire de France. 1904. VI, 1 S. 58. 12 VI, 1 S. 99. ) Siehe die Kapitel: Die Rathsamhausen zum Stein und die Pfalz1S grafen von Veldenz. ) Türkstein, St. Quirin, Haselburg, Pfalzburg, Lützelstein. ") J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. S. 158. ") Die das Steintal betreffenden Akten aus jener Zeit sind leider nirgends mehr auffindbar; darum mußten oft diejenigen des benachbarten Schirmeck herangezogen werden. ") B. A. Str. Fonds Zabern 43, Registratur des Amtes Schirmeck. ") Ebenda. 19 ") Die im Rabodeau-Tal; also die Salmischen. ) Die im Climontaine-Tal [Climont oder Weinsberg]; also die aus der österreichischen Herrschaft Weilertal.

Kriegszeiten.

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lieh die Raffentheler, den Bevehl haben, nicht uffzuthun, auch niemand Bassieren zu lassen, ehr sey gleich wer ehr woll». Ihre Maßnahmen, meinte der Amtmann, könnten großen Schaden verursachen 80 ). Infolge der Truppendurchzüge herrschte bald im ganzen Tale ein großer Mangel an Lebensmitteln. Am 12. Juni 1573 klagte der Amtmann von Salm, daß «Getreide, Frücht, Butter, Eier, Fleisch» in der Grafschaft gänzlich fehlen 21 ). Im Steintale stand es sicher nicht besser. Es ist nicht zu verwundern, daß die Bevölkerung des ewigen Plünderns überdrüssig wurde und die durchziehenden Soldaten bisweilen überfiel. So meldete z. B. am 13. Mai 1574 der Amtmann von Schirmeck seiner Regierung, wie die Bauern drei Welsche erschossen, einen gefangen und vier Pferde, sowie einen Sester Pulver erbeutet haben. Er erhielt hierauf den Befehl, die Pferde und den Welschen «aus dem Tal zu tun», keinen «Anlaß zum Gezänk» zu geben, jedoch das Schloß gut zu bewachen 82 ). Bald darauf wurde dieses belagert"). Es ist klar, daß bei dieser Gelegenheit auch das benachbarte Rothau stark zu leiden hatte. Bis zum Jahre 1579 fanden unaufhörlich Durchzüge von Landsknechten statt. Am 30. März 1576 meldete der Amtmann von Schirmeck seiner Regierung, «daß vil Iandtsknecht durch sein anbefohlen Amt ziehen und sich etwan an die 50 oder 100 versammeln ehe sie furtziehen, auch etliche seiner anbefohlenen burger uffwickeln und ohn seinem Vorwissen mitnehmen» "). Anfangs Mai 1576 nahm das welsche Kriegsvolk etliche Schlösser und Klöster ein, nämlich Schattelun (Chätillon), Dürckstein, St. Quirin. Bei Hohenforst (Haute-Seille), das sie ebenfalls in ihre Gewalt bringen wollten, wurden sie jedoch geschlagen, worauf starke Abteilungen übers Gebirge in die Schirmecker Gegend zu ziehen gedachten 25 ). Ob dies wirklich geschah, ließ sich nicht feststellen. Dagegen zogen im Frühjahr 1577 viele Landsknechte durch das Tal 28 ). Im Sommer 1578 schien Aussicht auf bessere Zustände vorhanden gewesen zu sein, wenigstens ließ die bischöfliche Regierung dem Amtmann von Salm und den Steintälern mitteilen, daß das lothringische Kriegsvolk größtenteils «verlaufen ist» "). !0

) B. A. Str. Fonds Zabern 43, Registratur des Amts Schirmeck. ") B. A. Str. S2 Fonds Zabern 45, Registratur des Amts Schirmeck. ) B. A. Str. Fonds Zabern 2i 177, Hofratsprotokolle. **) Ebenda. ) B. A. Str. Fonds Zabern 178. Hof25 ratsprotokolle. Ebenda Nr. 45. Registratur des Amts Schirmeck. ) B. A. Str. S6 Fonds Zabern 177, Hofratsprotokolle. ) B. A. Str. Fonds Zabern 45, Registratur 27 des Amts Schirmeck. ) B. A. Str. Fonds Zabern 178, Hofratsprotokolle.

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Das Volk.

Aber bereits im nächsten Jahre mußte Pfalzgraf Georg Hans v. Veldenz über die ständigen Truppendurchzüge klagen 28 ), unter denen das ganze Yogesengebiet zwischen Bitsch und dem Weilertal leiden mußte. Um jene Zeit brachen unter Bischof Johann von Manderscheid im Straßburger Domkapitel die sog. bruderhöfischen Händel aus, die den Keim des bischöflichen Krieges in sich trugen. Es kam bald zu schlimmen Fehden. Johann Casimir von der Pfalz, der ein Heer aufgestellt hatte, um Heinrich von Navarra in den Hugenottenkriegen zu unterstützen, ergriff 1587 Partei für die protestantischen Domherren und verwüstete mit seinen Söldnern 8 Wochen lang das bischöfliche Gebiet, wobei auch protestantische Orte Not litten. Die Schirmecker und Rothauer Gegend schien ebenfalls bedroht. Als am 2. Mai 1592 der Bischof Johann von Manderscheid in Zabern gestorben war, wurde von den protestantischen Stiftsherren der junge Markgraf Johann Georg von Brandenburg als Administrator des Bistums gewählt, während von den katholischen Stiftsherren der Kardinal Karl von Lothringen auf den Bischofsstuhl gesetzt wurde. Dieser ließ sogleich die Stadt Straßburg, welche mit den protestantischen Stiftsherren ein Schutz- und Trutzbündnis geschlossen hatte, auffordern, die von ihr besetzten bischöflichen Orte herauszugeben; auch schickte er eine bedeutende Anzahl lothringischer Krieger in das Land, welche die Stadt Zabern besetzten und damit den unheilvollen bischöflichen Krieg eröffneten. Acht Monate lang verwüsteten die Heere des Lothringers und des Brandenburgers die Dörfer des Elsaß und verübten namenlose Greuel 29 ). Das Breusch- und Steintal blieben nicht verschont. Schon im Herbste 1592 zog viel lothringisches Volk durch Schirmeck und Rothau 30 ). Sebastian Holweck in Rothau verriet den lothringischen Reitern das pfalzgräfliche Schloß 31 ), das sie in seiner Gegenwart plünderten und einäscherten 32 ). Bald darauf kam Straßburger Kriegsvolk in die Gegend; dasselbe richtete so großen Schaden an, daß der Amtmann zu Schirmeck die fälligen Gelder nicht einbringen konnte und am 11. Juli 1593 um Frist bis Weihnachten bitten mußte 33 ). 28

) Q. Wolfram, Ausgewählte Aktenstücke zur Geschichte der Gründung von Pfalzburg. Jahrbuch für lothringische Geschichte XXII S. 408. Brief vom 31.12.1579. 2e 30 ) B. A. Str. G 168, G 169. ) B. A. Str. Fonds Zabern 46, Registratur des 31 Amts Schirmeck. ) Es wurde kurz vor dem Verkauf des Steintals von den 32 Rathsamhausen erbaut. — B. A. Str. E 641. ) B. A. Str. C 323,5. Inventar. 33 31 ) B. A. Str. Fonds Zabern 46, Registratur des Amts Schirmeck. ) Pfarrarchiv

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«Eines Tages kam eine Schar Brandenburger» [Söldner des Brandenburgers] ins Steintal. «Der Pfalzgraf gab Befehl, auf sie zu schießen. Man tötete viele. Etwa ein Hundert dieser Marodeure wollten ins Pfarrhaus von Waldersbach eindringen. Aber die Bewohner von Roschbach (Ranrupt), Colroy und Blancherupt jagten sie durch ihr Qewehrfeuer fort. Sie flohen in der Richtung über Belmont und verbrannten dort zwei Häuser. In dem einen lag die Leiche von Steff 34 ).» Bis zum Ende des Jahres 1594 waren das Breuschtal und seine Seitentäler äußerst unsicher. Soldaten aller Parteien durchzogen raubend und mordend die Dörfer; die Wohnhäuser wurden eingeäschert, das Vieh und die Erntevorräte teilweise mitgenommen, «der Rest verderbt» "). Kaum hatte sich das Steintal von diesen Wirren etwas erholt, so brach der alles verheerende 30jährige Krieg aus. In den mansfeldischen Unruhen wurde zwar hauptsächlich das untere Breuschtal stark mitgenommen. Aber auch durch das Steintal zogen Söldnerscharen. In Rothau raubten sie u. a. den Opferstock, und in Belmont nahmen sie die heiligen Gefäße mit 36 ). Es wird aus jener Zeit folgendes berichtet: Der Bürger Jakob Krieger von Bellefosse war im Walde beim Schlosse beschäftigt, als er eine feindliche Reiterabteilung den steilen Hang heraufkommen sah. Der Wackere fürchtete sich nicht. Mit seiner Axt bewaffnet lief er durch den Wald und verursachte einen wahren Höllenspektakel, indem er links und rechts an die Baumstämme hieb und aus Leibeskräften schrie, als hätte er eine ganze Armee zu befehligen: «Owe era, unte eruf, druff! druff!» Die Reiter glaubten, die ganze Bevölkerung des Tales auf ihren Fersen zu haben und machten sich eilig aus dem Staube. Der tapfere Steintäler verfolgte sie bis fast nach Ranrupt"). Durch seine List blieben die Leute von Bellefosse vor Plünderung verschont. Nach den mansfeldischen Unruhen blieb das Elsaß etwa 9 Jahre vor den Schrecknissen des Krieges bewahrt. Doch herrschte im ganzen Lande eine große Teuerung, die sich im Steintale in besonders hohem Maße fühlbar machte 38 ). Waldersbach, Oberlins Annalen. — Dort wird allerdings die Begebenheit in den 30jährigen Krieg verlegt. — In dem Prozesse w e g e n des Zehnten zu Natzweiler (siehe Kapitel: Kirchliche Zustände) wurde behauptet, die Prädikanten in Rothau hätten die «brandenburgischen Unruhen» benutzt, um den Zehnten an sich zu M bringen. — B. A. Str. G 1843. ) B. A. Str. Fonds Zabern 46, Registratur des se Amts Schirmeck. ) Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. ") Pfarr38 archiv Waldersbach, Oberlins Annalen. ) Siehe Kapitel: Die Pfalzgrafen von B o c h, Steintal.

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Schlimmer als in den Jahren 1621—1622 erging es den Steintälern in der schwedischen Periode. Schon seit Frühling 1632 waren im Elsaß die Verhältnisse schwierig geworden. Es befanden sich im Lande viele kaiserliche Soldaten unter dem Obristen von Ossa und auch Lothringer, welche allenthalben große Verheerungen anrichteten. Längere Zeit sollen kaiserliche Truppen, Croaten, in Belmont gehaust haben. Der Bürger, bei dem ihr Anführer, ein wegen seiner Wildheit gefürchteter Mann, wohnte, wurde des Treibens müde, so wird berichtet, und er sann auf eine List, um die schlimmen Qäste los zu werden. Er soll dem Anführer erzählt haben, er wisse einen geheimen Schatz, den sie in nächtlicher Stunde heben könnten; der Anführer möge aber seinen Kameraden nichts davon verraten, damit er ganz allein in den Besitz des Qoldes gelangen könne. In einer dunkeln Nacht führte der mit Hacke und Schaufel bewaffnete Steintäler den Croaten vors Dorf an einen zurückgezogenen Ort und grub ein tiefes Loch; dann bat er den Soldaten weiterzugraben, bis er etwas ausgeruht sei, und als dieser eifrig nach Qold suchte, erschlug er ihn, warf ihn in die Qrube und verscharrte ihn. Den Söldnern aber sagte er am frühen Morgen, ihr Anführer habe eilig nach Weiler aufbrechen müssen und den Befehl hinterlassen, ihm schleunigst zu folgen. So wurde das Dorf von den Feinden befreit. Das Feld aber, wo der Anführer sein Leben ließ, heißt noch heute «Cravattenacker» M). Mag diese Erzählung auch teilweise ins Reich der Dichtung gehören, so charakterisiert sie doch trefflich die damaligen Zustände. Da 1632 das Elsaß ein großer Werbungsplatz für kaiserliche Truppen zu werden drohte, beschloß der schwedische Feldmarschall Gustav Horn nach dem Siege von Wisloch, mit seinen Truppen ins Elsaß zu dringen und die Kaiserlichen dort zu bekämpfen. Am 31. August trafen die ersten Schweden in Straßburg ein, und Gustav Horn rückte alsbald vor die bischöfliche Stadt Benfeld, die sich am 8. November 1632 ergeben mußte und mit einer starken Besatzung unter dem Obristen Quernheim belegt wurde. Von dem Zeitpunkte an wurde das Elsaß der Schauplatz fortdauernder Kriegsstürme. Treffen folgte auf Treffen, und noch vor Jahresschluß waren das untere und mittlere Breusch- und Weilertal in den Händen der Schweden*0). Veldenz. St. A. Str. AA 957. St. A. O. DD 108. — Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsasses. 1844. IV S. 290. ") Mündliche Überlieferung. — Der »Cravattenacker» liegt links von der Straße Belmont-Freudeneck. Strobel, Vaterlän-

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Im Frühjahr 1633 ergriffen sie auch Besitz von der Herrschaft zum Stein, deren Bewohner alsbald dem eigens dazu nach Rothau gesandten Kavallerieobersten von Harpf den Eid der Treue leisten mußten 41 ) . Kurz darauf bemächtigte sich der Obrist Quernheim des Bergschlosses Hoehandlau. Die Bauern im Breusch- und Weilertal lehnten sich wider ihn auf, zogen eine Anzahl kaiserlicher Kriegsleute an sich und taten den Schweden, wo sie nur konnten, Abbruch; diese aber griffen ihre Gegner mit Nachdruck an, und eine große Anzahl der aufgewiegelten Landleute kam dabei um; mehrere Dörfer gingen in Feuer auf; andere Orte, wie das Schloß Schirmeck und das Städtchen Weiler, wurden von den Schweden besetzt"). Bei diesen Ereignissen wurde das Steintal schwer heimgesucht. Die Lage wurde immer verwickelter durch das Auftreten neuer Gegner in den Reihen der sich bekämpfenden Parteien. Anfangs Juli 1633 sammelte der Herzog von Lothringen bei Elsaß-Zabern 8—9000 Mann, um, dem Vorgeben nach, die von ihm angenommene Neutralität zu beobachten; sein Plan war, sich mit bewaffneter Hand in den Gang der Dinge im Elsaß einzumischen*3). Mitten hinein in die geschilderten Kriegsoperationen versetzt uns ein ausgedehnter Briefwechsel zwischen dem Pfalzgrafen Georg Gustav und dem Rothauer Amtmann; wir erhalten durch diese Schreiben einen tiefen Einblick in das Elend im Steintale. Am 5. Juli 1633 schickte Georg Gustav dem schwedischen Reichskanzler Oxenstierna einen Bericht über den Zustand seines «Gott Lob und Dank reocupierten aber ganz ruinierten Steinthals» "), und in einem Schreiben aus Oberehnheim vom 28. Juli schildert der Amtmann Anton Günther Velstein dem Pfalzgrafen den «hochbetrübten Zustand» des Steintals, insbesondere die Not der verarmten Untertanen"). Und noch war der Gipfel des Elendes lange nicht erreicht. «Inzwischen ist der Zustand im Steinthal noch viel erbermlicher geworden», schrieb am 13. August 1633 der Amtmann von Oberehnheim aus dem Pfalzgrafen. «Auch wird ein Einfall der Girbadener Garnison befürchtet. Also daß ich nunmehr stündlich muß zittungsgewertig sein, daß das gantze Thall eingeäschert und die arme verlaßenen Underthanen am Bettelstab davon wandern").» dische Geschichte des Elsasses. 1844. IV S. 305 ff. ") B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ") Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsasses. 1844. IV. S. 351. M *)' Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsasses. 1844. IV S. 353. ) B. A. Str. w E 5530. ) B. A. Str. E 5530. «•) B. A. Str. E 5530. ") B. A. Str. E 5530.

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Im September 1633 reiste Anton Günther Velstein nach Mainz, um dem Reichskanzler Oxenstierna wegen des Steintals Vortrag zu halten und sowohl um Besserung der Zustände, als auch um eine Entschädigung zu bitten. Wie aus seinem Brief vom 28. September 1633 aus Mainz hervorgeht, wurde ihm eine Audienz zunächst ganz abgeschlagen; endlich machte man ihm Versprechungen, denen er nicht allzu großen Wert beilegt; denn er schreibt dem Pfalzgrafen: «Ich will sonst herzlich gern das meinige weiters thun, nur allein Sorge ich, man wird mir an Stat des donationbriefes oder immissions decret nur parolen mit zurückgeben' 7 ).» Während sich der Amtmann aber auf der Mainzer Reise befand, wurden im Steintal neue Qreuel verübt, die der Pfalzgraf am 24. September 1633 nach Mainz berichtet. «Memorial Was der hochgelahrte unser Rath und lieber Getreuer Anton Günther Velstein dem Herrn Reichs Cantzler noch weiters unterthänig vortragen solle. Nemblich wegen unsers Steinthals derweil wir gleich dieser Tage von einem unserer Steinthalischen Underthanen den erbärmlichen Zustand desselben vernehmen müssen, daß nemblich den 15. September des Nachts umb 1 Uhr, die noch zu ElsaßZabern liegende papistische guarnison in 170 stark wiederumb in unser Steinthal eingefallen, mitt morden, rauben, und plündern. Daß es mehr zu erbarmen, als umbeständlich zu erzählen. Wie sie dann einen armen unserer Underthanen Nicolaus Schneider, mit musqueten im beth zu tot geschlagen, und ihm folgendes, nur ihr tyrannisches gemiit zu kühlen, den bauch mitt meßern aufgeschnitten, unsern Berg- und Baumeister Hannß Hofer gefänglich mitt sich weggenommen, und noch halten, eine übermächtige ranzion abgefordert, endlich biß auf 200 Stück fallen laßen, Ingleichen des Langen Davids wirths zu Rodaw weib sambt zweien künder gefänglich mitgenommen, von welchen Sie 170 Stück rantion begehren, Item Sonntag Forrain von Neuweiler, welcher 60 Stück rantion erlegen soll, und noch andere mehr, so sich nicht mitt der Flucht salviert, welchen theils 40, 60 und mehr Stück rantion abgefordert wird. Ferners in unsern 3 Dörfern als Rodaw, Wiltersbach und Neuweiler alles ausgeplündert, alles Vieh mitt sich genommen, neben schrecklicher bedrauung, Sie würden alles noch holen und das thal alsdann in brand stecken, welches auch für dießmahl das Fußvolk

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schon ins Werk gerichtet, so viel nicht von den reitern abgemahnt worden.» Der Rat soll es dem Reichskanzler berichten und «umb hülfliche rettung und mittel anhalten, damit solchen schädlichen excursionibus möchte gesteuert und unsere armen gefangenen Diener und Underthanen widerumb liberiert werden», "). Selbst ein Hauptmann Namens Großen schreibt am 3. November 1633 in einem Brief aus Offenburg: «Im Steinthall ist noch zur Zeit nicht zu wohnen, wegen des streifenden Lothringer und F r a n z ö sischen Volcks» "). Nicht besser war es im folgenden Jahre. Der am 28. April 1634 ernannte neue Amtmann Christian von Unwürden 50 ) berichtet in einem Briefe aus Oberehnheim vom 16./26. Mai 1634 der Pfalzgräfin Maria Elisabeth, daß im Steintal «noch ein übeler Zustand» herrsche, und daß es besonders wegen «des Neuensteinischen Anhanges» 81 ) unsicher sei. Gleichzeitig teilt der Amtmann der Pfalzgräfin mit, daß er nach Straßburg zu fahren gedenke, um von den dort stehenden Möbeln der Herrschaft «2 gebeth und etwas von geringem Haus- oder Küchengeschirr» ins Steintal führen zu lassen"). Als kurz darauf der frühere kaiserliche Kommissar Johann Rudolf Neuenstein für seine Untaten von den Schweden in Benfeld gerichtet worden war, erhielt die Pfalzgräfin am 12./18. Juni 1634 von Friedrich Reichard Mockel, der «Königl. Majestät zu Schweden Rath und Resident im Elsaß», die Mitteilung, daß «von der löblichen Cron Schweden und dem hoch wohlgeborenen H. Reichs-Cantzler wegen des erlittenen schadens und durch den von Newenstein verursachten total ruin des Steinthaies Ihrem Sohn [Leopold Ludwig] alle deß was Newenstein gewesene Gütter, Gülten, Mobilien, renten und Einkommen durch eine Spezial Donation übergeben worden» sei M ). Das Plündern im Steintal hörte aber nicht auf und in einem Brief vom 6. Juli 1634 teilte der Amtmann der Pfalzgräfin mit, daß er «wegen Mangel an Sicherheit» die Weiden und Melkereien nicht verpachten könne, und daß es «noch nicht ratsam ist, viel Vieh ins Steintal zu schaffen» "). Gleichzeitig klagte er, daß die armen Untertanen keine Schätzung erlegen könnten. M M 51 ") B. A. Str. E 5530. ) B. A. Str. E 5530. ) B. A. Str. E 5531. ) Ebenda. 5! Neuenstein war kaiserlicher Kommissar in Schirmeck. ) B. A. Str. E 5531. M ) B. A. Str. E 5531. — Welche Qüter usw. das waren, ließ sich nicht fest-

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In einem Briefe vom 10. August 1634 teilt der Amtmann der Herrschaft mit, daß er wegen der streifenden Breisacher es nicht habe wagen dürfen, dem Boten im Steintal Geld .mitzugeben, noch es ihm heimlich in seine Kleider zu nähen"). «Den Breysachern ist nicht zu trauen», heißt es in einem Briefe des Amtmannes vom 9. September 1634. «Ob das Steinthal mit 50 R könne belegt werden, bezweifle ich sehr; aber sie sollen wenigstens den einen Becher (?) bezahlen1").» Im August und September 1634 erlebten die Steintäler schlimme Tage. Der Amtmann Christian von Unwürden berichtet der Herrschaft am 11. August 1634 von Oberehnheim aus: Gestern Abend kommt mir abermals die Nachricht, «daß die Girrbadener in die 36 stark am Freitag ins Steinthall ankhamen, was noch im Thall vorhanden gewesen geplündert, geraubet, meinem gnädigen Fürsten und Herrn zwei Melkereien auch anders viel Häuser abgebranndt, den Schmeltzoffen, so dem gemein Wesen zum besten hatt kommen mögen, gantz ruiniert, gestern den gantzen Tag im Steinthal verblieben, etwas Frucht auf dem Felde eingeschnitten;, auff Girrbaden geführt, in summa sollche Greuel verübt, daß zur erbarmen, und E. Gn. Excellenz nicht genugsamb zu klagen» usw. Als Nachschrift wird noch folgendes berichtet: «In diesem Moment khommen etzliche Unterthanen außem Steinthall, berichten, daß sie von etzlichen noch wohlmeinenden Preusch-thalischen Bawren, so Ihne verwandt, gewarnt und informiert seien, daß dem Leutenant auff Girrbaden vom Statthalter von Zabern ordre zu khommen, alle Früchte im Steinthall einzuerndten, das Haubt Dorff Rotaw ganz und gar, in den übrigen Dörfern aber alle meinem Herrn zustehenden, auch derselben Bawren, so vor Girrbaden geschantzet, — deren Namen alle consigniert — Ihre Häuser einzuäschern, und liegt der Leutenant von Girrbaden, zu dem Ende allem Anstalt zu machen, schon in den dritten Tag «Vor der Brücken» [Vorbruck], und ist dieses alles zu effectuieren künftigen Dingstags benamst und angesetzet, bestalt dan die Schirmecker Underthanen, die erndte einzumachen, schon 50 Sicheln gekaufft. Die auf dem Schloß Frankenburg im Weilerthal liegende Schwedische guarnison ist willig, den Underthanen zu succurieren; habe auch meines Herrn Underthanen, so auf 50 Mann berechnet, morgen zu abends bey Barr mit Ihre Gewehre in geheim bescheiden lassen; stellen.

") B. A. Str. E 5531.

") B. A. Str. E 5531.

M

) B. A.Str. E 5531.

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dann durch Ihre assistenz khönnte man nicht allein die Qirrbadische guarnison ruinieren, besonders aber das Steinthal retten 57 ).» Wir wissen nicht, welches der Ausgang dieser Angelegenheit ist. Im darauffolgenden Herbste wurden die Dörfer im Steintal und der Umgegend, in denen die Lebensmittel ohnedies schon äußerst knapp waren, mit schwedischen Truppen belegt. Von 1634 auf 1635 bezogen das Regiment Windeis (Wildeisen) im Weilertal und der Baron Degenfeld mit 4 Fähnlein Reitern im Steintal Winterquartiere. Außerdem wurden hohe Contributionen verlangt 58 ). Vergebens wandte sich die Pfalzgräfin Maria Elisabeth am 24. Dezember 1634 an den Herzog Heinrich v. Rohan 5°) mit der Bitte, dahin zu wirken, daß die Einquartierung abziehe 60 ). In der gleichen Angelegenheit schrieb sie am 29. Dezember 1634 an den schwedischen Obristen Quernheim 81 ). Doch blieben ihre Bemühungen erfolglos. Erst im März 1635 zogen die unbequemen Gäste wieder ab. Als «die Nachzügler der Degenfeld'schen Reiter von Weiler durch das Stein- und Preischthal marschiert», brachen auch «die Badillischen Solthaden, so zu Schirmeck gelegen» auf, weil ihnen die Kaiserlichen nachzogen 82). (Brief des Amtmanns zu Schirmeck v. 3./13. April 1635.) Im ganzen Tal konnten die Felder nicht bestellt werden, «weil die Soldathen die Roß genommen»"). «Nachdem die Unsicherheit in dem Stein- und Preischthal groß, daß man mit Sicherheit nit sein könnte», wurde dem Amtmann zu Schirmeck der Dienst gekündet"). (Notiz v. 20./30. Juli 1635.) Mehrmals sind Boten, die von Rothau nach Straßburg oder Weiler gingen, von Söldnern aufgegriffen und «hart geschlagen» worden. Ihr Geld wurde ihnen abgenommen" 5 ). Noch 1636M) und wohl bis zum Friedensschlüsse befand sich das Steintal in einem bedauernswerten Zustande. Unter den Kriegsnöten hatte auch der Pfarrer Nikolas M a r m e t " ) viel zu leiden. Sein Haus in Wildersbach wurde zu wiederholten Malen geplündert. Nach einer solchen Plünderung durch den «Weißenburger», einen gefürchteten Parteiführer, ging er auf einige Zeit nach Mömpelgard 68 ), kehrte aber bald wieder nach Wildersbach zurück 69 ). Hier sind die meisten seiner Kinder geboren. Um die Seinen 70 ) ernähren zu können, mußte Marmet neben dem M ") B. A. Str. E 5530. ») B. A. Str. C 323, 5, E 5531. ) Heinrich v. Rohan, ein Hugenottenhaupt, geb. 25. 4. 1579; gest. 13. 4. 1638 an einer bei Rheinfelden erhaltenen Wunde. — Brockhaus, Konversations-Lexikon. B. A. Str. E5531. M M M ) B. A. Str. E 5529. ) B. A. Str. ) B. A. Str. E 5531. ") B. A. Str. E 5529. 65 M E. 5529. ) B. A. Str. E 5529. ) B. A. Str. C 323,5. Inventar. *') Siehe Kapitel: Kirchliche Zustände. «) B. A. Str. E 641. ") Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins

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Pfarramte einen großen Ackerbau betreiben, und es ist ein wahres Wunder, wie er trotz Unfruchtbarkeit des Bodens, trotz Mißwachs und fortgesetzter Plünderung die große Familie vor dem Verhungern bewahren konnte. Bei den Plünderungen verlor er fast alle seine Bücher, und es blieben ihm «nur einige Compendia zum Studieren» "). Die Kirchenregister gingen gleichfalls verloren. In einem Schreiben von 1661 ™) berichtet er darüber: «Hiernach hat er selbst eins aufgericht, sei aber auch darum gekommen, da der Weißenburger mit seiner Partei sein Haus in Wildersbach plünderte.» Später hat Marmet wieder ein neues Register angelegt, das noch erhalten ist n ). Auf der ersten Seite dieses wertvollen Buches steht von seiner Hand geschrieben: « soldats à piller le Ban-de-la-Roche a esté mis dans les mains de Qeorge de Neuvillers, ancien, pour le cacher, lequel estant mort La paix faicte ce livre de baptesmes a été perdu, et ne li a-on plus retrouvé. Après la paix faicte et publiée, j'ai commencé à inscrire les noms des baptisés comme est mis à la page suivante commençant en l'an 1643.» Die Geburtsregister beginnen mit 1643, die Heiratsregister mit 1640 und die Sterberegister mit 1639. Die ersten Eintragungen waren Abschriften der teilweise zerrissenen losen Blätter, welche Marmet in den letzten Kriegsjahren an Stelle der abhanden gekommenen Kirchenbücher benützt hatte. « desquelles feuilles de papier quelques-unes ont esté déchirées, fouillées, maculées, qu'on ne peux pas lire les noms de baptisés, des pères et mères, parrains et marraines 7').» «En manque encore un, mais le bout de la feuille déchiré . . . . ne peu seavoir qui c'est.» Zeitweise hatte Marmet selbst nicht einmal mehr Papier und Tinte, und es wird erzählt, er habe, um den Wochentag zu wissen, täglich einen Besen gemacht. Wenn er deren sechs hatte, so wußte er, daß der folgende Tag ein Sonntag sei 75 ). Während des Krieges herrschte im Steintal eine große HungersAnnalen. In einem Berichte Marmets an die Herrschaft in Lützelstein heißt es 70 ausdrücklich «seitdem er wieder im Steinthale». ) Seine Gemahlin hieß Esther 71 Faßmannin; sie stammte aus Markirch. ) Oberlins Annalen; Pfarrarchiv 72 Waldersbach. ) Oberlins Annalen. «Kirchenvisitation»; Pfarrarchiv Waldersbach. ™) Pfarrarchiv Rothau Nr. 7 \ ") Blatt 2 des Registers Nr. 7 1 ; Pfarr75 archiv Rothau. ) Bericht Oberlins an das Direktorium Augsburgischer Kon-

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not. Wie selten das Brot gewesen sein muß, ersehen wir aus der Mitteilung, daß die Witwe Hazemann in Bellefosse für einen Laib einen ganzen Morgen Land erhielt ™). Viele Menschen mußten wohl verhungern. So fand man u. a. einen Toten, den Mund voll Gras, vor einem Mausloch liegen"). Die ausgehungerten Steintäler aßen die unmöglichsten Kräuter und begünstigten auf diese Weise die Ausbreitung verheerender Krankheiten. Von 1640—1650 forderte die Pest zähllose Opfer. Ein gewisser Platz zwischen Waldersbach und Trouchi heißt noch heute «la maladrerie» 78); dort wurden in einer Baracke die Pestkranken untergebracht"). Nach dem Kriege gab es in den 5 Dörfern, die zu. Oberlins Pfarrei gehörten, kaum noch 20 Bürger 80 ). In Fouday lebten im Jahre 1650 nur noch zwei Frauen, die Witwe Catherine Milan 81 ) und eine Waise aus Bellefosse. Dreimal im Jahr mähten sie das Qras rings um ihr Haus ab und verbrannten es, um die Vermehrung der Schlangen zu verhindern 8 "). Wie sehr die Bevölkerung abgenommen haben mußte, ersehen wir aus den Kirchenbüchern 8S ). Von 1640—1658 fanden in der ganzen Herrschaft nur 6 Hochzeiten statt, nämlich: 1640 in Waldersbach, 1645 in Bellefosse und Neuweiler, 1650 in Belmont, 1656 in Neuweiler, 1658 in Solbach. Getauft wurden im ganzen Steintal: 1643 7 Kinder 1644 2 1645 3 1646 2 1647 3 9 1648 1649 6 1650 17 7e fession vom 20. 11. 1808. ) Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. ") Ebenda. B. A. Str. o. Nr. Kataster von 1812. ™) Rcehrich, Le Ban-dela-Roche. Notes historiques et souvenirs 1890. S. 43. "O Pfarrarchiv Waldersbach, 81 Oberlins Annalen. ) Diese C. Milan verheiratete sich später wieder mit Jean Bernard von Solbach, dem Großvater jenes Claude Bernard, den Oberlin sein «dictionnaire historique» zu nennen pflegte, und aus dessen Munde zahlreiche Berichte in den Annalen Oberlins stammen. Bekannte nannten ihn wohl auch 82 «la chronique vivante». — Rcehrich, Le Ban-de-la-Roche. 1890. S. 43. ) PfarrM M archiv Waldersbach, Oberlins Annalen. ) Pfarrarchiv Rothau. ) B. A. Str.

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Auch nach Abschluß des Westphälischen Friedens kam die Bevölkerung im Steintale nicht ganz zur Ruhe. Durch den Friedensschluß wurden die Steintäler zur Zahlung einer Kriegssteuer an die Schweden herangezogen. (Imposition pour la satisfaction suédoise stipulée par le traité de Westphalie. 1652—1668 ").) Auch fanden anscheinend in den ersten Jahren nach dem Frieden noch zahlreiche Truppendurchzüge .statt, so besonders im Frühjahr 1650, als über 3000 Weimarische aus Lothringen in das Elsaß zogen. Im sog. Lothringischen Kriege86) (1651—1652) kamen Truppen des Herzogs von Lothringen durch das Steintal. Die Bevölkerung machte sich auf das Schlimmste gefaßt, und es mag dem Amtmann Lipp ein Stein vom Herzen gefallen sein, als er der Herrschaft schreiben konnte: «Qott sey Lob und Dank gesagt; die Herrschaft Steintal ist durch Qott wohl erhalten worden» se ). Um ein von den Söldnern geraubtes Pferd zurückzufordern, mehr aber noch um zu bitten, daß das Steintal auch fernerhin verschont werden möge, begab sich Lipp im März 1652 nach Andlau in das Hauptquartier zu dem Qeneral-Wachtmeister Feldberger, wo er für das gestohlene Pferd zwei andere erhielt und ihm wegen des Steintals «gleich guter Bescheid geworden» ist87). Aber obschon der Pfalzgraf ( ? ? ? ) M ) und Feldberger, denen Lipp mehrere Säugkälber und einige Säcke Hafer, sowie Butter, Eier und Hühner geschenkt, ausdrücklich versprochen hatten, daß den Untertanen im Steintale kein Leid geschehen solle, wurde dasselbe auch in diesem Kriege wieder arg verwüstet 8 "), so daß der Amtmann mehrere Söldner gefangen nehmen und niederschießen ließ80). Als die Gefahr vorüber war, mußten die Steintäler wieder neue Kriegsabgaben entrichten (pour les subsides de l'Empire et l'entretien des soldats de 1653—1666)81). 1656 schlössen die Untertanen im Steintal mit den Bauern aus dem Breusch- und Weilertal ein Bündnis zur gegenseitigen Verteidigung in Kriegszeiten und um sich der blauen Partei (?) zu widersetzen (s'opposer aux Partys bleux; 1656—1668)M). Kaum war etwas Ruhe im Lande eingekehrt, so brach der Krieg zwischen Frankreich und Holland aus, in welchem das Stein8t C 323, 5. Inventar. ) Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsaß V S. 7. 87 M ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ) Statt m «Pfalzgraf» sollte es wohl heißen «Herzog» (von Lothringen). ) Ebenda. C 323, 5. — Q 259. Im bischöflichen Amte Schirmeck betrug der im Winter 1652 durch die Lothringer verursachte Schaden 6830 Qulden. •*) B. A. Str. SteintalM M M akter o. Nr. ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ) Ebenda. ) Ebenda.

M

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tal wieder schwer heimgesucht w u r d e " ) . Auch mußten die Steintäler 1672 und 1674 wieder neue Kriegssteuern aufbringen (une imposition générale pour la levée du contingens des troupes pour l'armée impériale)' 4 ). In den Jahren 1666 bis 1674 starben in der Herrschaft zahlreiche Personen an einer Krankheit, welche in den Kirchenregistern als «flux de sang» M) bezeichnet wird, und die allem Anschein nach von Soldaten ins Steintal verschleppt worden war («de ceste maladie de laquelle plusieurs ont estez malade au Ban de la Roche à cause des soldats») 94 ). In dem Turenne'schen Feldzuge wurde das Steintal wiederholt geplündert; die Untertanen müssen damals bis aufs Blut ausgesogen worden sein; in den Jahren 1673—1675 weigerten sie sich, der Herrschaft die Abgaben zu entrichten (à cause de leur déplorable situation et des pillages, qu'ils ont souffert de 1673 à 1675) "). Auch wiederholten sich die Greuel des 30jährigen Krieges. 1675 wurde «Coulas Steffen von Bémont» von kaiserlichen Truppen tötlich verwundet und am nächsten Tage in seinem Hause verbrannt» 8 ). Am 26. April 1676 wurde der Kübler Démanche Coulas aus Wildersbach von einer Anzahl Soldaten in seinem eigenen Hause getötet M ). Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts kehrten im Steintale wieder bessere Tage ein, und seine Bewohner erfreuten sich bis zur Revolution einer Zeit ruhigen Friedens, während welcher die Bevölkerungszahl mächtig stieg10®). Bald nach Ausbruch der Revolution wurden in den Steintalgemeinden Nationalgarden gebildet. Ihr Übungsplatz war die P e r heux 101 ). Bereits am 9. Oktober 1790 baten Rothau, Neuweiler und Wildersbach um Waffen für die Ausrüstung der Nationalgarden 10S ). Die Steintäler waren begeisterte Vaterlandsverteidiger. Dies geht aus nachfolgendem Schriftstücke hervor1®*): 95 ") B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ) Vergl. auch Ernst Zahn, Die Frauen von 98 97 Tanno. ) Kirchenregister, Pfarrarchiv Rothau. ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ®8) Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. — Rœhrich, Le Banm 10 de-Ia-Roche. 1890. S. 46. ) Oberlins Annalen. °) Siehe Kapitel: Besiedelung 101 des Steintals; Sprache. ) Dort hatte man auch den Freiheitsbaum gepflanzt und einen Altar des Vaterlandes errichtet. Am 14. Juli 1791 wurde daselbst unter 10S Oberlins Leitung das Bundesfest (la fête civique) gefeiert. ) B. A. Str. 103 Registre général du District de Benfeld an 1790 N° 1925. ) Qemeindearchiv

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«Du 22 juin 1791 .Délibération pour la Souscription des Gardes nationales volontaires. Ouï les Procureurs de la Commune. La Municipalité de Vildersbach ayant observé aux gardes nationales, que les ennemis tant intérieurs qu'extérieurs de la Patrie et de la Constitution, ne Cessent de tramer des Complots pour exciter une contre-révolution en france et principalement dans les départements du Rhin a proposé sur une motion faite à la Société des Amis de la Constitution de Rothau en date du 5 juin présent mois d'ouvrir un Régistre pour la Souscription des bons Citoyens amis de la patrie et de leurs frères d'armes françois aux fins de voler au Secours des Citoyens qui pourroient se trouver dans le Cas d'être secourus et protégés contre nos ennemis communs et cela à la première réquisition légale qui leur en sera faite. Surquoi les voués à la défense de la Patrie qui ont signé à l'original envoyé au Directoire du Département du Bas-Rhin, ont observé à la Municipalité: Qu'ils sont surpris que depuis Deux ans qu'ils sollicitent conjointement avec elle, pour l'obtention des armes, les Corps administratifs n'ayent point daignés les armer et les mettre en état de défense tandis qu'ils sont instruits qu'on cherche du secour au dehors du Département, en oubliant des Citoyens robustes et capables de défendre la patrie malgré leur justes demandes souvent réitérés, dans les tems des crises aristocratiques et fanatiques qui ne cessent d'ourdir de noire trahison contre la patrie; qu'ils n'ont jamais eu que le plus pur Sentiment en prêtant le Serment Civique et en se fédérant avec tous leurs frères d'armes françois de maintenir de tout leur pouvoir la Constitution décrétée par l'auguste assemblée nationale et sanctionnée par le Roi d'être fidèles à la Nation à la Loi et au Roi, qu'en conséquence et sitôt qu'ils seront armés, ils sont prêts à verser la dernière goutte de leur sang pour la défense de la Patrie et de la Constitution avec la Devyse vivre libre ou mourir, mais que malheureusement méconnus de la fortune ils sont très mortifiés de ne pouvoir contribuer pécunièrement à leur armement et munitions de guerre ne pouvant offrir que leurs bras à la patrie. Ils sont sains et robustes et crient sans cesse qu'on nous arme et nous nous montreront fidèles à notre serment. De tout quoi nous avons dressé le présent procès-verbal pour être déposé au Bureau de la Société des Amis de la Constitution à Rothau et envoyé par le Président au Directoire du Département du Bas-Rhin, Vildersbach ce 22 juin 1791 et ont signé à l'original

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les suivans qui se vouent comme volontaires à la défense de la Patrie. 1. Didier Hisler, 2. Didier Verly, 3. Michel Christmann, 4. Michel Morel, 5. Didier Qrandgeorge, 6. Michel Vonié, 7. David Claude, 8. Nicolas Morel, 9. Michel Malaisé, 10. Jean Malaisé de Mich., 11. George Qrandgeorge, 12. Jean Malaisé de Quir., 13. George Fortuné Grandgeorge, 14. Jean Loux, 15. Jean Loux de Jaque, 16. Didier Morel, 17. Michel Morel de Pierre, 18. George Malaisé de Quir., 19. Michel George, 20. Thimothé Scheidecker, 21. Didier Malaisé de Did., 22. George Morel de Michel, 23. Frédéric Vonié, 24. Louis Malaisé, 25. Mathis Malaisé de Mathis, 26. Jean Morel de Michel, 27. Chrétien Koeniguer, 28. Michel Marchai, 29. Didier Loux de Nicolas, 30. Clément Hisler, 31. Jean George Denninguer, 32. Désiré Malaisé de Michel, 33. Luois Koéniguer.» Die mit so großer Begeisterung geforderten Waffen wurden am 12. Juli 1791 an die Freiwilligen verteilt. Jeder erhielt eine Flinte mit Bajonett und mußte beim Empfang schriftlich erklären, die Waffe sachgemäß zu behandeln, bei den Übungen stets mitzubringen und sie nur zur Verteidigung des Vaterlandes und zur Aufrechterhaltung der Ordnung zu gebrauchen 104 ). Als 1792 der Krieg losbrach und die verbündeten Gegner Frankreichs unter dem Herzog von Braunschweig die Grenze überschritten, feuerte Ober lin die jungen Leute an, sich freiwillig zum Verteidigungskampfe zu stellen. Am 5. August 1792 wurden die Fortziehenden 106 ) in der Kirche zu Fouday von Oberlin eingesegnet. Sein ältester Sohn, Jeremias, befand sich in ihren Reihen. Am 27. August 1793 wurde er bei Bergzabern verwundet und starb am folgenden Tage in Weißenburg 106 ). Während der Revolutionskriege wurde das Steintal durch Truppenaushebungen und durch Leistung sog. «freiwilliger Beiträge» in Geld und Naturalien stark in Anspruch genommen. Durch Beschluß des Direktoriums des Distrikts Benfeld vom 3. Nivôse II mußten die Steintalgemeinden folgende Mengen Hafer in das Militärmagazin nach Straßburg bringen 107 ): 1M Wildersbach, Beschlußregister. ) Gemeindearchiv Wildersbach. Beschluß105 register. ) Von Wildersbach zogen damals fort : 1. George Malaisé de Quirin, 2. Joseph Scheidecker, 3. Didier Bernard, 4. Samuel Loux, 5. Michel Malaisé, 6. George Loux, 7. Jean Reinhard Müller, 8. George Frédéric Hisler, 9. Louis Koeniguer, cidevant volontaire au 4 m e Bat. du Bas-Rhin, 7 m e Compagnie et qui a obtenu un congé, soit disant qu'il étoit ouvrier dans les mines de fer pour les 106 forges de Rothau. ) Stœber, l'aîné, Vie de J. F. Oberlin, pasteur à Walders107 bach. 1831. S. 247. ) B. A. Str. Registre des Délibérations du Directoire du

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30 Ctr. Waldersbach 80 » Fouday. . 74 » Bellefosse. 25 » Wildersbach Neuweiler . 60 » 15 » Rothau . . In seiner außerordentlichen Sitzung vom 23. Pluviôse II beschloß das Direktorium, daß in dem Distrikt alles Lederzeug zu requirieren sei, sowie alle Decken und Felle, die sich zur Ausrüstung der berittenen Truppen eignen1M). In dem Distrikt Benfeld mußten nach dem Beschluß vom 24. Ventôse II innerhalb 14 Tagen 3000 neue Hemden für die Ausstattung der Truppen requiriert werden; Rothau mußte 12 Stück, die übrigen Steintaldörfer je 4 Stück liefern1W). Infolge des großen Mangels an Brot und andern Lebensmitteln brach bald darauf im Steintale eine Epidemie aus. Über die zur Bekämpfung der Krankheit getroffenen Maßnahmen gibt der Beschluß des Direktoriums vom 9. Fructidor II interessante Aufschlüsse «Vu le rapport fait par le citoyen Dutaillis officier de santé de la commune de Schlettstadt, qu'il règne dans les communes de Belmont, Bellefosse et Waldersbach une maladie Epidémique causée par le manque de pain, et qu'il est instant de secourir les citoyens qui depuis la Révolution n'ont cessé de donner des preuves de leur civisme et ouï l'agent National subsistant, Le Directoire a arrêté que le citoyen Zelly officier employé à l'hôpital de Schlettstadt sera envoyé sur le champ et sous l'approbation du commissaire de guerre de Schlettstadt qui a la surveillance des hôpitaux de cette commune, dans les communes de Belmont, Bellefosse et Waldersbach pour soigner les malades qui s'y trouvent en leur administrant les médicaments nécessaires pour leur rétablissement, que le citoyen Dirion, agent du grenier national à Schlettstadt délivrera d'icelui aux dites trois communes la quantité de dix quintaux de froment pour les dits malades, requiert la municipalité de Barr sous sa responsabilité personnelle de faire délivrer sur le champ aux dites communes 7 mesures de vin blanc vieux et deux mesures de vinaigre bonne et loyale marchandise, à la charge par elle de payer de tout le prix de la taxe, et en cas d'impossibilité l'administration y pourvoira, charge le citoyen Oberlin, cidevant Ministre 109 District de Benfeld; an II. ) Ebenda. Nr. 7298. 110 Dfiliberations VIII. ) Ebenda X Nr. 10160.

m

1M > B. A. Str. Registre des ) B. A. Str. Service de la

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de Waldersbach, dont le patriotisme et l'humanité sont connus de la surveillance de la distribution des dits grains, vins et vinaigre pour qu'il ne s'y glisse pas d'abus.» Während der napoleonischen Kriege mußten die Steintaldörfer alljährlich eine gewisse Menge Heu und Hafer an die Proviantämter liefern m ) . Außerdem wurden sie noch bei außerordentlichen Requisitionen stark herangezogen. So wurden allein in dem kleinen Solbach am 11. 11. 1813 4 Kühe, » 12. 11. 1813 15 Ctr. Heu und 3 Ctr. Stroh, » 19. 11. 1813 11 Ctr. Heu und 3 Ctr. Stroh, » 22. 11. 1813 120 kg geräuchertes Schweinefleisch requiriert "*). Außerdem mußte diese Gemeinde im Jahre 1813 eine Kriegskontribution von 596 Fr. entrichten 11S ). Eine wichtige Rolle spielte das Steintal, als die Truppen der Verbündeten im Frühjahr 1814 durch die Vogesenpässe in Frankreich einrückten. Der Marschal Victor de Bellune, der mit einem schwachen Armeekorps das ganze Elsaß von Basel bis Landau hatte decken sollen, hatte sich schon am 5. Januar genötigt gesehen, den Rückzug über den Donon nach Baccarat anzutreten. So standen die Straßen nach dem Innern Frankreichs, vor allem das breite Breuschtal, den Verbündeten offen. Als darauf Napoleon ein Massenaufgebot (une levée en masse) befohlen hatte, wurden allenthalben im Vogesengebiete Freischaren gebildet, die im März und April einen erbitterten Kleinkrieg gegen die Alliierten führten und ihnen auf jede mögliche Weise Abbruch taten. Von allen diesen Erhebungen war diejenige im Steintale eine der bedeutendsten "*). An der Spitze der Aufständischen stand der damalige Direktor der Rothauer Eisenwerke, Nikolas Wolff. Schon seit dem Weihnachtsabende 1813, als die erste Nachricht von dem Herannahen der Verbündeten nach Rothau gelangt war, hatte Wolff die ganze Gegend durchwandert und die Gebirgsbewohner für eine Verteidigung der Berge zu gewinnen versucht. Nikolas Wolff war am 6. Dezember 1761 in Rothau geboren. Es wird behauptet, er habe als Sergeant in demselben Regimente gedient wie Napoleon; sein Name fehlt jedoch in den Listen. Bis zum 31. Dezember 1813 war er Bürgermeister in Rothau. Seine Stellung und sein bedeutendes Vermögen verschafften ihm einen großen Ein11S grande armée. ) Oemeindearchiv Solbach. "') Ebenda. "') Q. Save, Nicolas Wolff et la défense de Rothau 1814. 1887. — F. Bouvier, Le colonel Wolff. — M. Müller, La défense des Vosges en! 1814—1815. 1911. — A. ChuQuet, L'Àlsacc

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fluß auf die Leute, und obwohl alles, w a s Waffen tragen konnte, bereits unter den Fahnen stand, gelang es ihm doch, eine etwa hundertköpfige Freischar zu gewinnen, die zum größten Teil aus Familienvätern bestand. In aller Eile wurden diese Männer mit Gewehren, Säbeln, Äxten, Sensen und langen Lanzen bewaffnet, die man T a g und Nacht in Framont schmiedete. In der Nacht vom 6. März 1814 erschien Wolff bei Napoleon im Lager von Corbeney und berichtete von der Erhebung der Vogesenbewohner. Der Kaiser ernannte ihn zum Ritter der Ehrenlegion und beauftragte ihn mit der Organisierung des Aufstandes. Als Wolff nach Rothau zurückgekehrt war, forderte er die Bevölkerung im Namen des Kaisers zum Kampfe gegen die Verbündeten auf («de tomber sur ces barbares, sur ces brutes»). In einer P r o klamation vom 3. April versprach er allen Deserteuren, die ihm folgen würden, die Begnadigung durch den Kaiser; den Legionären und Förstern, die ihm nicht folgen würden aber, drohte er mit dem Verlust ihrer Pension. Er durcheilte noch an demselben T a g e die Orte Schirmeck, Natzweiler, Neuweiler, Wildersbach und Waldersbach, um die Leute für sein Unternehmen zu gewinnen, und bald hatte er eine bedeutende Anzahl von Kämpfern um sich geschart. Der Fabrikant Widemann, der den Beinamen «der Deutsche» trug, und Wolfis Bruder Anton, ein sehr besonnener Mann, wollten sich nicht an dem Aufstande beteiligen, und auch die Bürgermeister von Vorbruck und Schirmeck, sowie Herr Champy in Framont mahnten zur Ruhe, weil sie einen bösen Ausgang befürchteten. Am 3. und 4. April kam es deswegen zwischen Nikolas Wolff und Widemann zu scharfen Auseinandersetzungen. Letzterer befüchtete für seine Fabrik und das ganze Dorf Rothau das Allerschlimmste und wollte darum nach Kestenholz reisen, um von General Pappenheim, dem Belagerer von Schlettstadt, einen Schutzbrief zu erbitten für die vorauszusehende Krisis. Wolff erfuhr von diesem Vorhaben und machte Widemann am 5. April heftige Vorwürfe. Auch ohne von Widemann benachrichtigt zu werden, erfuhren die Alliierten von dem Aufstand der Bevölkerung. Schon am 5. April schickte Pappenheim im Eilmarsch den Leutnant Narzissus vom 6. bayerischen Regiment von Scherweiler über Steige und Colroy nach Saales. Dieser traf in der Nacht zum 6. April mit 60 Infanteristen und 6 Reitern in Saales ein, nahm einen Teil der dortigen Aufständischen gefangen und zerstreute den Rest. Der Anführer Bertrand, mit dem Wolff in Verbindung stand, entkam. Darauf marschierte Narzissus bis gegen Rothau vor. Da er aber überall

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auf den Höhen Biwakfeuer aufblitzen sah und in den Dörfern die Sturmglocken läuteten, befürchtete er, mit seiner kleinen Truppenabteilung in der ihm unbekannten Gebirgsgegend angegriffen zu werden und kehrte auf Ranrupt zurück, wo er den inzwischen von Pappenheim gesandten Major Vicenti traf. Nikolas Wolff war schon am 4. April mit seinen Leuten gegen Schirmeck, Wisch, Lützelhausen und Urmatt marschiert, wo er eine starke Patrouille von badischen Dragonern befeuerte. Am Morgen des 5. April eilte darum der in Molsheim stationierte Kriegskommissar Bauer nach Hausbergen und erbat von dem badischen General Neuenstein Hilfe gegen die Aufständischen. Abends 6V2 Uhr kam er wieder in Molsheim an und traf Vorsichtsmaßregeln für die Nacht; denn in Molsheim befürchtete man, die Steintäler würden das Städtchen bezw. dessen schwache Besatzung überfallen. Von einigen Patrouillen verfolgt zogen sich aber diese einzeln und auf geheimen Pfaden auf die Höhen bei Rothau zurück, wo sie sich wieder sammelten. Wolff hatte nun 300—400 Mann; unter ihnen befanden sich der ehemalige Hauptmann Frank, zwei alte Unteroffiziere der ägytischen Armee (Koeniguer aus Wildersbach und Holweck), sowie ein alter Soldat, Moitrier. Die genannten wurden Wolfis Unterführer; sein Sohn Karl versah den wichtigen Nachrichtendienst. Die Freischar wurde in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste besetzte die Hügel am Bannwalde lls ) und das Schloß in Rothau, an dessen Gitter Wolff alte Brunnenrohre legen ließ, welche dem Feinde Kanonen vortäuschen sollten. Die Leute dieser Gruppe hatten den Befehl, ein fortgesetztes heftiges Feuer auf den herankommenden Feind zu eröffnen, damit er glaube, er werde bei Rothau von starken Streitkräften erwartet. Ein aufgegebener Bergwerksstollen, das sog. Trou-du-Renard, war das Versteck für Waffen und Munition. Zur Erinnerung an diese Begebenheit heißt der Ort heute Grotte des Partisans u< ). — Die verwegensten und tapfersten unter der ganzen Freischar bildeten die zweite Abteilung. Diese besetzte den auf einer Terrasse gelegenen Kirchhof am Eingang von Rothau. Die Stellung beherrschte die Breuschbrücke, die man eiligst zerstörte. Die zahlreichen Feuer, welche die Freischar in der Nacht vom 5. zum 6. April auf den Höhen unterhielt, waren es, die Narzissus zur Rückkehr nach Ranrupt bestimmt hatten. Auf die Bitte Bauers schickte General Neuenstein eine starke 115 en 1814. 1900. S. 323—346. — Erckmann-Chatrian, L'Invasion. ) Etwa heutiger lie Vogesenklubpfad Rabenfels bis Haus Waldfrieden. ) Siehe C. Mündel, Die

B 0 c h, Steintal.

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Abteilung Badener unter dem Hauptmann Bodmann ins Breuschtal. Sie trafen am 6. April mittags in Molsheim ein, brachen in der Nacht wieder auf und hatten am 7. April bei Tagesanbruch Schirmeck erreicht. Obwohl Bodmann erkannte, daß sich die Aufständischen in der Übermacht befanden und eine sehr gute Stellung auf dem Kirchhofe inne hatten, beschloß er doch, sie anzugreifen. Einer der Unterführer Wolfis, Koeniguer, versuchte die Feinde zwischen zwei Feuer zu nehmen, geriet aber dabei mit seiner Abteilung in die größte Gefahr, von den Kameraden abgeschnitten zu werden. Wolff eilte sofort herbei, sammelte seine Leute und zog sich, das Gesicht gegen den Feind, Schritt um Schritt auf den mit Mauern umgebenen Kirchhof zurück. Am Fuße der Mauer fiel Koeniguer. Nun begann der allgemeine Angriff auf den Kirchhof, der von der Freischar mit Löwenmut verteidigt wurde. Wolff, barhäuptig, die Pistole in der Faust und in der andern den Säbel, befand sich in der ersten Reihe und tötete mehrere Feinde. Der Schlosser Friedrich Wiedemann an seiner Seite gab wohlgezielte Schüsse ab, als schösse er auf die Scheibe. Inmitten seiner frühern Schüler fiel der alte Lehrer Didier, von mehreren Kugeln durchbohrt; der junge Jacquel, am Fuße der Kirchhofmauer, beschützte mit einer Sense, seiner einzigen Waffe, den Leichnam Koeniguers zu seinen Füßen 117 ). Nachdem der Kampf längere Zeit auf beiden Seiten mit großer Erbitterung geführt worden war, so berichtet die Tradition, gaben die Verteidiger des Kirchhofes mit ihrer letzten Munition Salven auf den Feind ab. Bestürtzt wandte sich dieser zur Flucht und ließ auf dem Kampfplatze 39 Tote; mehrere Soldaten ertranken beim Rückzug in der Breusch. In Wirklichkeit liegt jedoch die Sache anders. Bodmann konnte zwar nichts ausrichten, weil er von der Kavallerie keinen Gebrauch machen konnte, und da er einsah, daß er bei einem Sturm auf den Kirchhof zu große Verluste hätte, zog er sich nach Schirmeck und Urmatt zurück. Wohl ging Wolff als Sieger aus dem Kampfe hervor; aber er war im Rücken und in der Flanke von Bayern unter Major Vicenti und Leutnant Huschberg bedroht. Jonathan Widemann, der die Einäscherung Rothaus und seiner Fabrik befürchtete lief gleich nach dem Kampfe in Rothau zu den Bürgermeistern von Vorbruck und Schirmeck und mit diesen gemeinsam nach Framont zu Champy, um zu beratschlagen, was zu Vogesen. 1911. S. 390.

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) Diese Szene ist au! einem Qemälde von Oridel

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tun wäre. Von dort eilte er nach Urmatt zu dem Hauptmann Bodmann, wo er um 6 Uhr abends eintraf. Widemann bat um einen Schutzbrief für seine Person und seine Qüter und erlangte auch, daß Rothau verschont würde, unter der Bedingung aber, daß es ihm gelinge, die Bevölkerung zu beruhigen und die Aufständischen zur Auslieferung der Waffen zu bewegen. Er gab sein Ehrenwort, noch in der Nacht über den Erfolg seiner Bemühungen Nachricht zu bringen. Bei der Rückkehr nach Rothau traf Widemann in Vorbruck den Anführer Nikolas Wolff, welcher ihm heftige Vorwürfe machte, weil er mit dem Feinde verhandelt hatte. Es gelang jedoch Widemann nach vieler Mühe, Wolff zu besänftigen, der sich endlich bereit erklärte, die Waffen niederzulegen, den Kampf aufzugeben und seine Leute heimzuschicken, wenn der Feind niemanden zu bestrafen und keine Kontributionen zu fordern verspreche. Sofort begab sich dann Widemann wieder nach Urmatt, um weiter mit Bodmann zu verhandeln. Während er sich dort befand, näherten sich aber die Bayern unter dem Befehle des Majors Vicenti dem Dorfe Rothau. Auch er sah, wie Narzissus zwei Tage vorher, auf allen Höhen zwischen Fouday und Rothau zahlreiche Feuersignale aufblitzen ; in St. Biaise und Fouday hatte er außerdem gehört, daß die Aufständischen in starker Zahl Rothau besetzt hielten, und daß sie selbst Kanonen hätten. Er marschierte darum langsam und mit äußerster Vorsicht. Etwa eine Stunde vor Rothau kamen zwei Boten Widemanns, der den Bayern sagen ließ, daß zwischen den Aufständischen und dem Hauptmann Bodmann Vereinbarungen getroffen worden seien. Vicenti behielt einen der Boten zurück und schickte den andern wieder zu Widemann, um ihm sagen zu lassen, daß er ihn persönlich zu sprechen wünsche. Widemann kam jedoch nicht. Um 10 Uhr war Vicenti an der Breuschbrücke (Pont de Charité) angekommen, die teilweise zerstört, aber für Infanterie noch passierbar war. Da blieb er vorläufig stehen und stellte Posten aus; denn er befürchtete, in eine Falle gelockt zu werden. Da aber alles ruhig blieb, schickte er um Mitternacht einen Offizier mit einer kleinen Abteilung ins Dorf. Diese fanden die meisten Häuser leer und deren Fenster zerbrochen. Nun rückten auch die übrigen Bayern in Rothau ein. Die Bewohner waren alle geflohen, und Wolff hatte den Ort geräumt; denn er hatte eingesehen, daß er mit seinen erschöpften Leuten nichts ausrichten könnte; auch hatte er befürchtet, die Bayern

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möchten die von den Badenern gemachten günstigen Bedingungen nicht anerkennen. Major Vicenti besetzte alsbald alle Ausgänge des Dorfes und die Breuschbrücke, und am Morgen des 8. April schickte er einen Offizier mit einer Abteilung über Vorbruck nach Wackenbach und Framont, wo dieser alle Leute an ihrer gewöhnlichen Arbeit fand; der Bürgermeister von Framont hatte bereits Kenntnis von der Kapitulation von Paris. Eine andere Abteilung ging nach Natzweiler und Neuweiler, wo ebenfalls größte Ruhe herrschte. «Tous nos bourgeois sont dans leurs foyers en paix et tranquilles», sagte der Bürgermeister von Neuweiler zu dem Abteilungsführer. Eine Patrouille, die den Wald zwischen Rothau und Wildersbach durchstreifte, wurde von zwei Schüssen empfangen, konnte aber des Schützen nicht habhaft werden. In dem Hause Wolfis, auf dem Kirchhofe und in mehreren Gärten fanden die Soldaten viele Waffen versteckt, die Vicenti zerstören ließ. — Qegen Mittag trafen sich Vicenti und Bodmann in Rothau zu einer Unterredung. Da alles ruhig blieb, kehrte letzterer wieder nach Schirmeck zurück, und als Vicenti am Nachmittage die Frauen und Kinder aus den Wäldern zurückkommen sah, verließ er Rothau und zog nach Scherweiler und Kestenholz ab. Darauf trafen andere bayerische Truppen unter Huschberg in Rothau ein. Nach einer Unterredung mit Bodmann (8. August 1814) befahl ersterer den Gemeinden Schirmeck, Waldersbach, Natzweiler, Neuweiler und Wildersbach, ihm bei der Wiederherstellung der Ordnung behilflich zu sein, wogegen er ihnen versprach, Leben und Eigentum der Bürger zu verschonen. An dem gleichen T a g e erschoß sich Bodmann im Hause des Fabrikanten Müller in Schirmeck; vermutlich waren ihm Vorwürfe gemacht worden, daß er die Rothauer Aufständischen zu glimpflich behandelt habe. Die Tradition berichtet, er habe es getan aus Ärger und Scham darüber, daß er vor einem Häuflein Bergbewohner habe zurückweichen müssen. Als am folgenden Tage (9. April 1814) Huschberg das Haus Wolfis niederreißen ließ, mußten die umliegenden Gemeinden hierzu die nötigen Arbeiter stellen. Nach Huschberg kam am 10. April Mentzingen, Eskadronschef der freiwilligen badischen Jäger, nach Rothau und erhielt den Oberbefehl über die im Steintal zerstreuten badischen und bayrischen Truppen. Er hatte noch viele Kleinkämpfe mit der Bevölkerung zu

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führen, welche durch den über die Zerstörung seines Hauses erbitterten Nikolas Wolff aufs neue zum Aufstande gereizt worden war. Mentzingen gelang es jedoch nicht, Wolff zu fangen. Durch die Hilfe des Pächters vom Sommerhof glückte es vielmehr diesem, über Mollkirch und Rosheim zu entkommen und nach Metz zu flüchten 118 ). Von dem Aufenthalte der Alliierten im Steintale weiß die Tradition mancherlei zu berichten. So soll ein Mann aus Bellefosse eine Abteilung Soldaten durch eine Sumpfwiese geführt haben, wo mehrere derselben jämmerlich umkamen. — Von dem Kosakenfels auf der Höhe über Rothau soll ein Reiter abgestürzt sein. Die Steintalgemeinden mußten an die Verbündeten ziemlich hohe Kriegskontributionen bezahlen. Am 19. April 1814 kam der Leutnant Menzer mit 40 Mann nach Rothau, um eine Summe von 860 Franken zu erheben für ein verlorenes Pferd und Gepäck. Wildersbach mußte für die Truppen der Verbündeten 1400,60 Franken aufbringen u °). Solbach mit nur 42 Bürgern hatte zu demselben Zwecke 1327,93 Franken zu bezahlen 1S0 ). Im Jahre 1815 mußte diese Gemeinde nachstehende Summe für kriegerische Zwecke aufbringen 1 J 1 ) : 25. Mai 165,35 «destinés à l'habillement et équipement des Lanciers du Bas-Rhin.» 9. Juli 139,50 «pour les vaches fournies à Niedernay.» 23. Juli 150,36 «pour le payement de la genisse entre Solbach et Blanchanrupt et le restant pour subvenir aux deux réquisitions de pain et des légumes secs et de sel.» 6. August 1207,20 «suivant la réquisition frappée sur l'arrondissement de Sélestat de 900 000 Fr. dont la sousrépartition a été faite à Benfeld le 28 juillet 1815.»

Fr. » »

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trefflich dargestellt. — M u s e u m in Saint-Dié. " " ) Um Wolff, der f a s t sein g a n z e s V e r m ö g e n verloren hatte, für seinen glühenden P a t r i o t i s m u s zu belohnen, erhielt er v o n König Louis-Philippe eine lebenslängliche R e n t e v o n 1200 F r a n k e n . " • ) G e m e i n d e a r c h i v W i l d e r s b a c h . «Rôle pour la l e v é e d'une s o m m e de Mil q u a t r e cent f r a n c s s o i x a n t e centimes pour les d é p e n s e s qui ont eu lieu pendant l'an 1814 pour fourniture de contingent, f r a i s de convoi et d é p e n s e de t r o u p e s alliés» etc. li0) ûemeindearchiv m ) m ) Solbach. ûemeindearchiv Solbach. Gemeinde-

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4. August 238,70 Fr. «pour l'achat de trois vaches» et «pour les fers 19,00 » à cheval et les clous» 20. August 645,70 » «Savoir 1. pour la cire et le savon 60,40 Fr. — 2. pour le premier contingent en pain, légumes, sel à Châtenoit (Kestenholz) 19,25 Fr. — 3. pour les premiers frais de table des officiers à Châtenoit 46,00 Fr. — 4. pour un contingent en drap 46,00 Fr. — 5. pour la quote-part des neufs chevaux 6,20 Fr. — 6. pour l'achat des viandes et de l'avoine payé à Benfeld 117,00 Fr. — 7. pour les deuxièmes frais de table des1 officiers à Châtenoit 22,30 Fr. — 8. pour la deuxième réquisition en pain et légumes, sel à Châtenoit 100,00 Fr. — 9. pour les frais des deux garnissaires chez Joseph Scheidecker 18,00 Fr. — 10. pour le premier tiers pour le pont de Sponeck 33,55 Fr. — 11. pour une genisse de Joseph Marchai 60,00 Fr. — 12. pour l'achat de la viande et de l'avoine en datte du 16 août.» Außerdem wurden in Solbach vom 21. April bis zum 30. Juni 58 kg gesalzenes Schweinefleisch und 10 Zentner Heu requiriert. Fouday l s s ) wurde in ähnlicher Weise zur Zahlung von Kriegsabgaben herangezogen. Nach 1815 herrschten im Steintal wieder friedliche Zeiten. Eine kaum nennenswerte Unruhe brachte nur die Revolution von 18481M). Aber im deutsch-französischen Kriege wurde die Qegend wieder von Truppen durchzogen "'). Wenige Tage nach der Kriegserklärung ritt unter großer Begeisterung der Bewohner ein französisches Kürassierregiment durch Rothau talwärts. Zwei Wochen darauf schon vernahmen jedoch die Steintäler schweren Herzens die Hiobsbotschaften von Weißenburg und Wörth, und eines Morgens hieß es in Rothau: «Die Preußen, die Preußen kommen!» Mit Schrecken erinnerte man sich der Ereignisse von 1814, und viele Leute flüchteten mit dem Vieh und einigen Lebensmitteln in die Wälder" 6 ). Bald darauf sprengten badische Dragoner durch das Dorf und sperrten durch beigetriebene Wagen die Breuschbrücke zwischen 1SS 1M archiv Fouday. ) Pfarrarchiv Neuweiler. ) P. Dieterlen, Oustav Steinheil ls5 1818—1906. Deutsche Ausgabe von P. Werner, 1910. S. 43—46. ) Mündliche

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Rothau und Fouday. Nach der Übergabe von Straßburg zog ein großer Teil der Belagerungsarmee durch das Breuschtal dem Vogesenkamm zu, wobei es der Bevölkerung und den Gemeinden 126 ) nicht immer leicht wurde, den Ansprüchen den Truppen gerecht zu werden. Eines Tages überfielen Freischärler, die im Walde zwischen Rothau und Fouday versteckt waren, eine kleine Abteilung deutscher Reiter, wobei einer der Soldaten tödlich verwundet wurde. Nur der Ruhe und Besonnenheit des Rothauer Bürgermeisters, des Fabrikanten Gustav Steinheil, welcher der deutschen Sprache mächtig war, ist es zu verdanken, daß Rothau damals nicht in Brand gesteckt wurde. Seit jenen Tagen darf das Steintal die Segnungen des Friedens genießen. Möge es auch fernerhin vor Kriegsstürmen verschont bleiben. 3. Erwerbsquellen. Die wirtschaftliche Lage der Untertanen im Steintale war nie beneidenswert. Neben Herrendiensten und Zehnten, Kriegen und Seuchen erschwerten hauptsächlich ein rauhes Klima und ein karger, steiniger Boden den Leuten das Dasein. Der Winter dauert in diesen Bergen sehr lang. Von dem kalten Wind, der auf den Höhen pfeift, geben die Wettertannen auf dem Hochfelde ein beredtes Zeugnis. Die Niederschläge sind häufig und reichlich. In seinem Berichte vom 29. März 1818 an die Société royale centrale d'agriculture beschreibt François de Neufchâteau die klimatischen Verhältnise mit folgenden Worten: «Ce pays montueux forme trois régions, chaude, tempérée et froide, qui correspondent, savoir: la région chaude au climat de Genève; les régions tempérées au climat de Varsovie; et les régions très froides à celui de Saint-Pétersbourg 1 ). Les brumes, les pluies et les neiges commencent au mois de septembre, et les neiges ne se fondent que dans le mois de mai.» Heute wohnen die Steintäler in festen Häusern mit heizbaren Räumen, in denen sie vor dem strengen Winter geschützt sind; wenn es draußen windet und der Regen an die Scheiben schlägt, 128 Mitteilung. ) P. Dieterlen, Gustav Steinheil 1818—1906, Deutsche Ausgabe von P. Werner. 1910. S. 43—46. — Qemeindearchiv Wildersbach. Beschlußregister. *) Vergl. auch Henri-Qottfried Oberlin, Chorographie ou description géognos-

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oder wenn die weißen Schneeflocken durch die Luft wirbeln, prasselt im Ofen ein lustiges Feuer, und es ist so recht behaglich in der erleuchteten Stube (poêle). Aber bis in die Neuzeit hinein war es anders. In ihren erbärmlichen, rohgezimmerten, ungesunden und schmutzigen Hütten mußten die Bewohner oft unter den Unbilden der Witterung leiden. In den Prozeßakten der Gemeinden mit Dietrich-Champy weisen erstere immer und immer wieder darauf hin, daß in einer so kalten Gegend das den Einwohnern zur Verfügung stehende Holz nicht ausreiche, um sich einigermaßen vor der Kälte zu schützen. Oberlin berichtet, daß im Winter manche Leute den ganzen Tag im Bette bleiben mußten, weil sie ihre Stube nicht heizen konnten. Um ö l und Holz zu sparen, versammelten sich auch regelmäßig mehrere Familien, abwechselnd in je einem anderen Hause, wo man die langen Winterabende ohne nutzbringende Beschäftigung lediglich mit Erzählen von Geschichten und Sagen verbrachte. So war es vor etwa hundert Jahren ; wie mag es erst im Mittelalter ausgesehen haben! In der Zeit, als die Wälder noch nicht gelichtet waren und sich an Stelle der saftigen Waldwiesen noch Sümpfe befanden'), aus denen dicke Nebel aufstiegen, muß der Winter für die armen Bewohner des Steintals äußerst hart gewesen sein. Infolge des rauhen Klimas war von jeher der Ertrag der Felder sehr gering. Nur etwas Roggen,. Gerste, Hafer und Heidkorn [Buchweizen] konnte gedeihen s ). Die Pfalzgrafen von Veldenz mußten darum für die Arbeiter im Hüttenwerk zu Rothau *) Getreide aus der Ebene ins Steintal führen lassen 6 ). Der Kornzehnte wurde im Jahre 1723 auf 267 Sack geschätzt 9 ). In sehr geringen Mengen scheinen im Mittelalter Bohnen, Erbsen, Linsen, Hanf und Lein angebaut worden zu sein. Der kleine Zehnte wurde aber schon ziemlich früh in eine Abgabe in Geld umgewandelt, woraus zu schließen ist, daß wegen des geringen Ertrages der Anbau der genannten Kulturpflanzen sehr beschränkt oder gar eingestellt worden ist 7 ). Um 1700 gab es im Steintal sonderbarerweise auch Reben. Daß in den hochgelegenen Weinberger an den Abhängen des Mont 2 tique, (Economique et médicale du Ban-de-la-Roche § 40—44. 1806. ) Gemeinde3 archiv Wildersbach, Gemeinderatsbeschlußregister 1790—1850. ) B. A. Str. E 343. Im März 1595 galt im Steintal ein Malter Korn 3 Gulden, ein Sester Hafer 6 11 oder 12 Schillinge. *) Siehe unten. ) Siehe Kapitel: Die Pfalzgrafen von Veldenz. 1626. ") Gemeindearchiv Wildersbach. «Etat des revenus de la Sei8 gneurie du Ban-de-la-Rochc». ') Ebenda. ) Westlich von der Bärhöh; 749m.

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Saint-Jean s) und im Bann Belmont 9 ) die Trauben nur äußerst selten reifen konnten, braucht uns nach dem Gesagten nicht zu wundern. Nur im Jahre 1728 erntete man ausnahmsweise 15 Ohmen Wein 10 ). Veredeltes Obst gab es bis zu Oberlins Zeiten nicht. 1751 lebten von den 179 Familien im Steintal nur 14 ausschließlich von Landwirtschaft "). Die Einwohner waren damals nach amtlichen Angaben alle sehr arm und lebten im Elend "). Oberlin berichtet uns geradezu erschreckende Beispiele von Armut in seiner Pfarrei 13 ). «Viele Haußhaltungen müssen sich sobald es finster wird aus Noth, völligem Mangel des Holzes und des Oehls ins Bett legen und sind also dadurch außer Stand gesetzt sich durch Verdienen aus der Noth zu helfen.» «Jean Mart. Loux hat seit 14 Tagen seine kalte Stub nicht mehr wärmen können, obschon seit dem seine Frau beständig Zahnweh hat.» 1770. «Viele Bürger haben nur noch 5, 6 oder 7 Scheider Holz; es ist sehr kalt und der allzuhohe Schnee macht es unmöglich, ein Sprieß Holz zu holen.» 1770. «Verwichenes Jahr hat es wenig Frucht hier gegeben, die von Belmont und obere Bellefosse haben völlig Mißwachs gehabt, das Korn ist verfault, doch hat man daraus Brot gemacht, — mehrere hatten 2 Monate nach der Erndte keins mehr. Man hungerte und machte Schulden.» 1770. «Claude Kommer hat 10 Kinder, 8 daheim, fast alle klein; sie können ihnen die Holtzschuhe nicht anschaffen; 2 Kinder sind also den gantzen Tag baarfuß in der Kälte und Regen auf der Weide. Die Mutter trug letzlich den ganzen Tag Mist mit einem ihrer Kinder, ohne nur einen Erdapfel zur Erlabung zu haben; dann vom Brod redet man schon lange nicht mehr in ihrem Haus. Die Familie muß Erdäpfelkraut essen.» Das Getreide reichte überhaupt in den meisten Häusern nur für 2—3 Monate "). Viele Leute nährten sich monatelang mit in Milch gekochtem Grase, Brot aus Baumrinde und wilden Früchten. Fleisch aßen die meisten das ganze Jahr nicht"). 8

10 ) Eine Flurbezeichnung im Bann Belmont heißt «Rebland». ) Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. — Annuaire du Bas-Rhin, 1848, S. 357. ") B. A. Str. Dénombrement de l'Alsace». ") B. A. Str. «Dénombrement de l'Alsace». ") Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. ") B. A. Str. C 391. Bericht des Amtmanns in Rothau an die Commission intermédiaire des Distrikts Schlett1B stadt. 1788. ) Henri Gottfried Oberlin, Chorographie ou description géognos-

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Heinrich Gottfried Oberlin zählt eine größere Anzahl wild wachsender Kräuter auf, die im Steintale als Nahrungsmittel dienten 19 ). «Les plantes naturelles au pays, qui servent souvent d'aliment à ses habitans, et principalement au printemps, sont: l'Alsine intermédiaire, Alsine tenuifolia, Zarter Meirich; l'Ansérine bon-Henri, Chenopodium bonus Henricus, Gänsefuß (Guter Heinrich); l'Ansérine à graine lisse, Chenopodium opulifolium, SchneeballGänsefuß ; le Céraiste aquatique; les Choux roquettes, Brassica, wilder Kohl; le Dent-de-lion, Leontodon Taraxacum, echter Löwenzahn; les Epilobes, Epilobium, Weidenröschen; la Ficaire renoncule, Ranunculus ficaria, Feigwurz; le Galéobdolon jaune, Lamium Galeobdolon, Goldnessel; les Galéopsis, Galeopsis, Hohlzahn; le Houblon grimpant, Humulus Lupulus, Zaun-Hopfen; la Lampsane commune, Lampsana communis, Zaun-Milchkraut; la Mâche cultivée, Phyteuma, Rapunzel; les Mourons, Anagallis, Gauchheil; les Orties, Urtica, Nessel; les Plantains, Plantago, Wegerich; la Renoncule acre, Ranunculus acer, Scharfer Hahnenfuß; la Renoué bistorte, Polygonum Bistorta, Wiesen-Knöterich; les Rumex, Rumex, Ampfer; le Silené à calice enflé, Silene inflata, aufgeblasenes Leinkraut; le Sisymbre cresson, Nasturtium, Kresse.» Aus Unwissenheit wurde von vielen Steintälern auch das blaue Mutterkorn ") gegessen, das gegen Ende des 18. Jahrhunderts häufig in der Gegend auftrat"). Vergiftungsfälle und Krankheitsepidemien waren die Folge dieser Ernährung. So herrschte beispielsweise im Jahre 1770 in Neuweiler die Dysenterie (Ruhr) "). In den Jahren 1709 und 1725 war völliger Mißwachs eingetreten, tique, ceconomique et médicale du Ban-de-la-Roche § 68. 1806. ") Henri-Qottfried Oberlin, Chorographie ou description géognostique, œconomique et médicale du 17 Ban-de-la-Roche § 53. 1806. ) Hervorgerufen durch den Mutterkornpilz (Claviceps purpurea). Die Steintäler nannten das Mutterkorn «dent de loup». M ) Pfarrarchiv Waldersbach; Oberlins Annalen. ") Henri-Gottfried Oberlin, Chorographie ou Description géognostique, œconomique et médicale du Ban-de-

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und ein Scheffel Korn galt 6 Gulden M) ; für die armen Steintäler war das eine unerschwingliche Summe S1 ). Nach dem Hungerjahre 1709 wurde im Steintale die Kartoffel eingeführt"). Schon etliche Jahre vorher war sie in der Grafschaft Salm und im Schirmecker Tal angepflanzt und hauptsächlich als Viehfutter verwendet worden. 1693 verlangte der Priester Louis Piat in Labroque zum ersten Mal den Zehnten M). Die Menge der 1709 ins Steintal gebrachten Kartoffeln war klein und ihr Ertrag sehr gering, «que l'on ne les mangeait que pour la bonne bouche». Allgemeine Verwendung als Nahrungsmittel fanden sie auch deshalb nicht, weil sie als Viehfutter galten oder für giftig gehalten wurden. Herr v. Angervilliers, der ihre vorzüglichen Eigenschaften als Brot der Armen erkannt hatte, begünstigte ihren Anbau. Der Pfarrer Joh. Jak. Walter in Waldersbach bemühte sich sehr um ihre Verbreitung, und sein Schwager Dr. Johann Heinrich Fels, Großvater Oberlins, brachte 1726 die ersten Kartoffeln aus dem Steintale nach Straßburg, wo sie bald von Armen und Reichen sehr geschätzt wurden. Die aus dem Steintale gebrachte Kartoffelsorte wurde im Elsaß im großen angebaut. Noch heute werden die «Steintäler» wegen ihrer Schmackhaftigkeit vor allen anderen Kartoffelsorten bevorzugt. Im Steintal wurden gegen 1780 die Kartoffeln aus mehrfachen Gründen schlecht und ungenießbar. Als Ersatz für die entarteten und kranken Knollen ließ deshalb Oberlin neue Sorten aus der Schweiz und aus Deutschland kommen. Aber erst nach vieler Mühe und nach unermüdlicher Belehrung seinerseits erlangte nach dem M la-Roche § 68. 1806. ) Pfarrarchiv Waldersbach; Oberlins Annalen. Die Angabe ist eine Mitteilung von Claude Bernard aus Solbach, den Oberlin sein lebendiges 2l «historisches Wörterbuch» zu nennen pflegte. ) Die schon früher gekannte sog. «tripoux»-Wirtschaft wurde damals in der heutigen Gestalt eingeführt. «Tripoux» von extirper = ausrotten. Von den ödländereien werden an die Bürger gewisse Stücke zur Bebauung übergeben. Die Ginster, Hecken usw. werden ausgerottet und verbrannt. Die Asche dient als Dünger. Die Steine werden auf Haufen zusammengetragen. Darauf wird in das umgehackte Land das 1. Jahr Korn gesät; der Ertrag ist oft sehr gering (höchstens das Vierfache des Saatgutes). Das andere Jahr werden Kartoffeln gepflanzt. Nachher dient die Fläche wieder als Weide, und ein neues Stück wird in obiger Weise bearbeitet. Man verfolgt einen doppelten Zweck: 1. Gewinnung neuer Felder, 2. Verbesserung der Bergweiden. [B. A. Str. C 651, C 653], Beides könnte man auf rationellere Weise erreichen. (Berieselung, M Kunstdünger.) ) E. Dietz, Le climat du Ban-de-la-Roche, etc., suivi d'une Notice M sur l'Introduction de la pomme de terre dans cette contrée. 1877. ) Rœhrich,

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Hungerjahre 1817 die Kartoffel den ihr gebührenden Platz. Heute ist sie das Hauptkulturgewächs und das Hauptnahrungsmittel im Steintal, und niemand möchte die geschätzten «kma'tiars» **) entbehren. Trotz der Einführung der Kartoffel w ä r e die Landwirtschaft im Steintal nicht in der Lage, die Bevölkerung zu ernähren, und die Steintäler hoben stets selbst hervor, daß sie bei dem schlechten Ertrag ihrer Felder ohne die Baumwollindustrie nicht leben könnten m). Diese war jedoch nicht die erste Industrie der Gegend. Schon bevor die Veldenz das Steintal kauften, wurde bei Rothau mit dem Bergbau begonnen 2 '). In einem Briefe vom Mai 1558 befahl Kaiser Ferdinand I. den Rittern Johann Jakob und Dietrich v. Rathsamhausen zum Stein, die Kommissare, welche er zur Besichtigung der Bergwerke schicken würde, ungehindert ihre Beobachtungen machen zu lassen. Als diese im Steintale eintrafen, verweigerte man ihnen aber die Aufnahme. Durch Brief vom 12. Juli 1558 aus Lebertal wurde Jakob von Rathsamhausen von den Kommissaren Ferdinands aufgefordert, zur Besprechung der Angelegenheit am 22. Juli oder 4. August nach Weiler zu kommen* 7 ). Am 15. Juli und 19. August beklagten sich die Kommissare beim Kaiser darüber, daß man ihnen alles, selbst die nötigen Lebensmittel verwehre. «Sigmund Valand, Römisch Cayserl. Berggerichts Rath im Lebertal uf lutringischer Sitten» beschwerte sich am 19. August 1558 auch nochmals bei Jakob von Rathsamhausen: «Als wir aber unser nottdurft nach umb unsere Pfennige Gern Essens und Drinken gehabt, hat man uns nit in die häuser lassen noch drinken lassen wollen» 88 ). Am 8. Oktober rügte die kaiserliche Regierung vergebens, daß der Herr von Rathsamhausen denen, welche die Minen geöffnet, Holz und Wohnung verweigert habe"). Dann hören wir etwa zwanzig Jahre nichts mehr über den Bergbau im Steintal. Die Ausbeute scheint damals auch äußerst gering gewesen zu sein. n le Ban-de-la-Roche. Notes historicwes et souvenirs. 1890. S. 64. ) Patois. S5 kma'tiars = pomme de terre = Erdäpfel. ) Gemeindearchiv Wildersbach, Beschluß vom 14. 3. 1791. — Vergl. auch Henri-Gottfried Oberlin. Chorographie M du Ban-de-la-Roche. 1806. ) Dietrich. Gites de minerai. 1789. II S. 211 bis 245. — Müller, Die Eisenerzlagerstätten von Rothau und Framont im Breuschtal. 1905. Desgouttes, Tableau statistique du Departement du Bas-Rhin. 1802. — Massenet, Description du Ban-de-la-Roche. 1798. — Henri-Gottfried Oberlin, Chorographie du Ban-de-la-Roche. 1806. §§ 15—30. — Oberlins Annalen. — Schrepflin, Alsatia illustrata, II 206, hat irrtümlich angenommen, daß der Bergbau im Steintale 1723 begonnen hat. B. A. Str. Steintalakten o. Nr. w ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ") B. A. Str. Steintalakten o. Nr. in dorso: «Der ober-

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Der Pfalzgraf Georg Hans v. Veldenz hätte zur Verbesserung seiner Finanzen gerne die Bergwerke im Steintal ausgebeutet, und vom Erzherzog Ferdinand v. Österreich hierzu ermächtigt, wandte er sich im Herbst 1577 in der Angelegenheit an Hans Friedrich v. Rathsamhausen. Am 31. Dezember schrieb er diesem aus Lützelstein: «Weil wir dann auch vernommen, daß in deinem Gebiet im Steinthal ein fein Erz zu Bergwerken sein soll, so haben wir obgemelten unsern Steiger abgefertigt, bei deinem Schultheißen im Steinthal von deinet wegen um Belehnung gegen den gewöhnlichen Erzzehenden anzusuchen 30 ).» Unter dem gleichen Datum schrieb der Pfalzgraf auch an den Schultheißen in Rothau 31 ), daß er seinen Steiger Thomas Krapp schicken werde; er bat den Schultheißen die von ihm angesuchte Belehnung zu befürworten, da sie dem Herren des Steintals nützen könne. «Zudem so würde sein Landschaft mit dem Zehenden und andern Nahrungen und Hantierungen gebessert.» Zu Anfang des Jahres 1579 erhielt Georg Hans vom Erzherzog Ferdinand von Österreich die Erlaubnis zur Erzgewinnung im Steintale M). Am 29. Januar 1579 sandte der Bergrichter Christian Burger an Hans Friedrich von Rathsamhausen zum Stein ein langes Schreiben, das sich mit der Verleihung des Bergwerks im Steintal beschäftigt M ). Rathsamhausen wollte jedoch von einer Belehnung durch den Erzherzog nichts wissen, sondern beanspruchte für sich als den Besitzer der Herrschaft das Recht, die Bergwerke selbst verleihen zu dürfen. Hierauf schrieb am 9. Februar 1579 der Bergmeister Thomas Heinrich von Lützelstein aus an den Besitzer des Steintals: «Euer Vogt wolle die Sache wohl bedenken, daß Erzherzog Ferdinand die Belehnung zu geben sich nicht würde unterstanden haben, wann er es nicht zu tun Macht hätte» M), und am 6. April 1579S6) befahl der Kaiser durch ein Schreiben aus Insbruck seinem Vasallen Johann Friedrich von Rathsamhausen zum Stein, die Bergleute im Steintal ungestört arbeiten zu lassen und ihnen gegen Entgelt Lebensmittel und Unterkunft zu gewähren. Er verlangte für sich als dem Oberlehensherrn das Verleihungsrecht über österreichisch Regieruns Innsprugg Schreiben an Hans Jakob und Wolff Dietrich von Rathsamhausen, belangend die beholtzung und sonst nöthigen uffenthalt derer so mit den Pergwerk im Steinthal zu thun haben». *°) B. A. Str. Steintalakten 31 3S o. Nr. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ) B. A. Str. Akten aus BiSchweiler. Am 11. 1. 1579 wurde die betr. Erlaubnis erteilt. Das Qebiet zwischen dem Dorfe Wildersbach und dem Bache, welcher die Herrschaft von dem bischöflichen Qebiet M trennt [Rothainel wird besonders erwähnt als sehr erzreich. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ") B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ") B. A. Str. Steintalakten

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die Gruben. Doch Rathsamhausen blieb widerspenstig, obschon auch der Pfalzgraf Georg Hans in einem besondern Schreiben 39 ) seine und seiner Bergleute Verpflichtungen gegen den Inhaber des Steintals, Friedrich von Ratsamhausen festgelegt hatte. Nach langen Zwistigkeiten verzichtete endlich der Kaiser auf sein Recht (7. November 1579) und überließ die Gruben dem Herrn von Rathsamhausen. Zugleich erklärte er das Privileg des Grafen von Veldenz für ungültig. Auf dessen Wunsch (Brief aus Lützelstein vom 27. Mai 1580) fand dann im Sommer zwischen den Rathsamhausen und Veldenz eine Besprechung der Bergwerksangelegenheit statt"), die zur Folge hatte, daß Hans Friedrich v. R., als der Besitzer der Gruben, den Pfalzgrafen gegen Abgabe des Erzzehenten mit dem Bergwerk bei Rothau belehnte 38 ). Georg Hans erhielt auch das Recht «Hütthammer, Puchwerk, Waschen, Schmitthäuser und was sonst zum Bergwerk gehört» an geeigneten Orten zu bauen 3 "). Desgleichen wurde ihm die Entnahme des nötigen Bauholzes aus den Waldungen des Steintals gestattet. Dagegen mußte er sich verpflichten, das Bergwerk «in stetigem Bau zu halten». Sollte er oder seine Nachkommen jemals die Gruben ein halbes Jahr außer Betrieb lassen, so konnten die Rathsamhausen dieselben wieder zurückziehen, «so nicht Wasser, Krieg oder Sterben» hieran schuld wären Die Eisenindustrie brachte den Steintälern manche Vorteile; vViiie und Müller hatten gute Einnahmen, und mancher Arbeiter fand in den Rothauer Werken lohnende Beschäftigung. «Auf den 4. und 5. Juni Anno 1582") ist mit den unterthanen im Steinthal abgerechnet und im Beisein Thomas Heinrich, Bergmeisters, und Abraham Knittel, Hüttenschreibers, alßbald bezahlt worden. Erstlichen Christmann Wolfgang von Walterßbach 21 Sonnen Cronen und dann an dickhen [Pfennigen] 120 Gulden 3 batz. Item Göll Hanß zu Rotauw vermög seiner Zettel, 10 Cronen und dann an dickhen Pfennigen geben 32 Gulden 11 batz 6 Item Sonntag Langen, dem würth 17 Sonnen Cronen und dann an dickhen Pfennigen geben 32 Gulden 8 batz 7 Item Erhart Müllern 18 Sonnen Cronen und dann auch an dickhen Pfennigen geben 38 Gulden 2 batz 7 M ") B. A. Str. Steintalakten o. Nr. o. Nr. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr M »•) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. B. A. Str. Steintalakten o. Nr. 11. September 1580. B. A. Str. Steintalakten o. Nr.

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Item von wegen Abschetzung seiner gueter geben V2 Cronen, das übrige an dickhen 4 Oulden 3 batz. Item Hanß Diria auch wegen seiner abgeschetzten Queter an dickhen geben 1 Qulden — 6 Item Hannß Hilweck 3 Sonnen Cronen das übrig an dickhen geben 6 Qulden 9 batz.» Obschon also der Bergbau sowohl dem Besitzer des Steintals, als auch der dortigen Bevölkerung Nutzen brachte, scheint man aber doch den von Georg Hans gesandten Hüttenarbeitern Schwierigkeiten bereitet zu haben. Am 1. Juni 1582 beklagte sich der in Schirmeck wohnende pfalzgräfliche Bergmeister Thomas Heinrich bei Hans Friedrich v. R. bitter darüber, daß die Arbeiten nicht in der erhofften Weise vorwärts gehen könnten, weil es den Untertanen im Steintal verboten sei, Fremde aufzunehmen "). Die Beschwerde scheint jedoch erfolglos geblieben zu sein, und vermutlich um der Wohnungsnot abzuhelfen und dadurch die Ausbeutung der Gruben leichter und gewinnbringender zu gestalten, plante der Pfalzgraf den Bau von Arbeiterhäusern auf eigenem Grund und Boden. Zu diesem Zwecke beauftragte er am 21. August 1582 einen seiner Beamten, mit dem Grafen von Salm zu verhandeln, daß ihm dieser auf dem linken Breuschufer bei Rothau 100 oder 200 Morgen Land «eigentümlich zukommen lasse», so daß er auch «die hohe Obrigkeit desselben Orts haben möge». Er wollte nach Wunsch das abgetretene Stück bar bezahlen oder dem Grafen von Salm zwei- oder dreimal so viel Land bei Lützelstein dafür geben 4S ). Ähnliche Tauschverhandlungen sollte der Beamte auch mit dem Bischof führen wegen Überlassung einiger dem Bistum gehörigen Grundstücke bei Rothau "). Über den ferneren Gang dieser Angelegenheit haben wir keine Nachricht. Sehr wahrscheinlich ist man auf die Vorschläge des verschuldeten Georg Hans nicht eingegangen. Zwischen den Veldenz und den Rathsamhausen fand am 10. Januar 1583 zu Rothau eine Vereinbarung über sechs strittige Punkte statt, wobei erstere durch den Bergmeister Thomas Heinrich und Johann Philipp, Doktor der Rechte und Rat, die letztern durch Nikolaus Reinboldt, Amtmann zu Andlau und über das Steintal, und den Rothauer Schultheißen Hans North, vertreten wurden* 6 ). Zwar für das Folgende belanglos, aber sehr interessant, ist ein Brief des Bergmeisters Thomas Heinrich, in dem dieser von Pfalz") B. A. Str. Steintalakten 0. Nr. ") B. A. Str. E 342 Memorial. ") Ebenda. ) B. A. Str. Steintalakten 0. Nr. *6) B. A. Str. Steintalakten o. Nr.

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bürg aus (21. März 1583) den Amtmann im Steintal um eine Abschrift der die Bergwerke betreffenden Belehnungsurkunde bat, «dieweil der Herr sie in Kisten in Verwahrung hat, ihm aber ein Unglück widerfahren, daß ihn der Kurfürst von Trier in Verhaftung genommen, er aber zu diesem Mal seine Kisten an verborgenen Orten, und die nicht ohne seinem Beisein öffnen will lassen» **). Im Jahre 1583 trug sich Georg Hans bereits mit dem Gedanken, das Steintal käuflich zu erwerben. Aus jener Zeit stammt ein großzügiger Plan über die Nutzbarmachung der Gegend und der Bergwerke. In dem originellen Schriftstücke") wird zunächst der große Erz- und Waldreichtum (30000 Morgen Wald!) des Steintals hervorgehoben. Man könnte darum in 10 umliegenden Tälern je 2 Öfen errichten und den gesamten Eisenhandel an sich bringen. Es könnten Weißblech und Schwarzblech, gezündes (?) Eisen und Nagelwerk, Harnische und Büchsen hergestellt werden. Ein großer Teil der Eisenwaren würden sicher zu Straßburg im Kaufhaus abgesetzt werden; der Rest ließe sich leicht zu Wasser nach Lion und Marsilia bringen. Da die Gegend aber auch sehr wasserreich ist, könnten «auf's wenigst 100 Hämmer zu Weiß- und Schwarzblech, 24 Zahnhämmer, ein Eisenschmittwerk oder zwei errichtet werden». Der Pfalzgraf habe vom Erzherzog Ferdinand die Erlaubnis erhalten, das Wasser der «Preusch 3 Meillen wegs zu solchen Werken zu benutzen». Nachverzeichnete Handwerker (von jeder Gattung 10 Meister und Gesellen nebst deren Familien) gedachte der Pfalzgraf im Steintal anzusiedeln: «Sensenschmidt, Scheibenzieher, Drotzieher im kleinen Werk, Strigelmacher, Schermeßerer, Schleifer, Drotzieher am groß Werk am Wasser, Trommetmacher, Diegelbrenner zum Zeug, Uhrmacher, Waffenschmidt, Zähner des Eissens, Zirkelschmidt.» Für 50 Handwerker wollte er mit einem Kostenaufwand von 2500 Gulden Wohnhäuser bauen; «nun ist keiner nicht», meint der fürstliche Spekulant, «der nicht gern auf ein Haus so 50 Gulden wert ist, ein Guld fünf jährlich Zins gibt»; also wäre das Kapital gut angelegt. Durch die Errichtung von Warenlagern und den Verkauf von Frucht, Bier, Getüch, Leder und sonstigen Waren an die Handwerker erhoffte Georg Hans ebenfalls Gewinn; «und schlagen sie mit dem Lohn auf, so schlägt man auf mit den Waren, die sie bedürfen». «Vom Steinthall hat man nicht mehr als zwei Meillen wegs gen S. Diebold, da man alle Wuchenmarkt auf 300 Ochsen verkauft. In das Wein- und Kornland auch mehr nicht als ein Dagreiß.»

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Auch den ganzen Kupferhandel hoffte Georg Hans in seine Hände zu bringen. Als die Veldenz Besitzer des Steintals geworden waren, dehnte sich der Bergbau bei Rothau mächtig aus. Es wurden damals mehrere Verzeichnisse aufgestellt von den «Stollen, Schächt, Gäng und Schurpf im Steinthall und Roßbach (Ranrupt), so man bauen kann und auf alle samt Erz bricht». Einige Angaben aus jenen Berichten seien hier angeführt. «In Rothau bei den grünen Tannen sind 5 Gäng.» (Beschreibung derselben.) «Zu Solbach auf dem neuen W e g ein Gang gibt auch Erz.» «Zu Schöneberg ein Eisengang oben am Dorf, da das klein Wässerlein heraus läuft, gibt schöne Erz.» Trotz aller Bemühungen wurde jedoch der Bergbau zu Beginn der neunziger Jahre von den Pfalzgrafen ohne Gewinn betrieben M ), weshalb Georg Gustav die Hüttenwerke zu verpachten gedachte. Am 23. Oktober 1594 schrieb ihm der Bergvogt Adam J ä g e r zu Schonaw, er wisse Leute, die den Bergbau gut verstünden und die W e r k e zu Rothau zu pachten gedächten. Er bittet um Mitteilung, ob er weiter mit ihnen verhandeln und sie die Bergwerke besichtigen lassen dürfe"). Eine Verpachtung fand jedoch nicht statt, sondern der Pfalzgraf schickte einen anscheinend tüchtigen Hüttenverwalter namens Heinrich Weinkauf ins Steintal, der zugleich Schultheiß zu Rothau war, und ließ durch diesen den Betrieb weiter fortsetzen. Dem Genannten gab der Bergvogt Adam J ä g e r am 15. Februar 1595 brieflich Anleitung, wie die Eisengewinnung in Rothau nutzbringender gestaltet werden könnte. Das W e r k könne nur dann einen Gewinn abwerfen, sagte er, wenn das Erz in großen Mengen gegraben würde. Deshalb müßten die Gruben «mit Bergleuten gut versehen» und Holz und Kohlen reichlich vorhanden sein. Im Sommer sollen wöchentlich 25 Fuder Kohlen gebrannt werden; auch an Fuhren, sowie an barem Gelde dürfe kein Mangel sein. Dies alles vorausgesetzt, könnten jährlich etwa 5000 Kübel Erz gefördert werden M ). Der Hüttenverwalter beherzigte die Ratschläge und bat auch den Amtsschaffner von Lützelstein um Geld. In einem Briefe vom 4. März 1595 beklagte er sich jedoch beim Pfalzgrafen darüber, daß er von diesem «mit Müh und Arbeit» nur 100 R empfangen habe, obschon er viel mehr brauche, da ohne genügendes Kapital bei einem solchen W e r k kein Gewinn erzielt werden könne. Zur B e kräftigung seiner Ausführungen fügte er den diesbezüglichen B e " ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. *") B. A. Str. E 343. *•) B. A. Str. E 343. 51 ) Wegen der Kriegswirren. Siehe Kapitel: Kriegszeiten. " ) B. A. Str. E 343. B o c h, Steintal.

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rieht des Bergvogtes bei. Gleichzeitig teilte er dem Pfalzgrafen mit, daß er das Eisen jetzt gut verkaufen könne, da gegenwärtig keins aus Welschland heraufkomme 61 ); er erhoffe sogar noch eine Steigerung des Preises. Zur Verringerung der Betriebskosten gedenke er, den großen Schmelzofen näher an die Gruben zu «rücken», wodurch jährlich etwa 400 Taler könnten erspart werden 62 ). Kurz nachher muß der Pfalzgraf eine Besichtigung der Rothauer Werke angeordnet haben; denn am 23. März 1595 schrieb ihm der Bergvogt Adam Jäger, daß er ins Steintal wolle, um die Bergwerke zu inspizieren63). Von ihm stammt vielleicht eine «Beschreibung, wie man in einer Landschaft Bergwerk aufrichten soll, damit man nit mit vergeblichen Kosten bauen, sondern an gebührenden Orten einschlagen und mit gebührenden Stollen und Schächten die Bergwerk angriff» M) (28 Seiten). Um 1600 waren dann die Rothauer Werke, nur vorübergehend aber, an einen französischen Kaufmann verpachtet, dem der Pfalzgraf anscheinend auch die Münze übertragen wollte. Der Pächter schrieb jedoch an Georg Gustav, daß er die Münze66) aus triftigen Gründen nicht übernehmen könne, daß er aber die Hüttenwerke und Hochöfen, und was damit zusammenhänge, um 3000 Gulden fernerhin behalten werde 64 ). Doch müssen schon kurz darauf die Eisenwerke zu Rothau wieder von dem Pfalzgrafen selbst ausgebeutet worden sein; denn gleich zu Anfang des 17. Jahrhunderts ließen die Veldenz verschiedene Untersuchungen und Begutachtungen über die Bergwerke anstellen, so 1602 «Bedenken über das Steintal»67) von Bergverwalter Joachim Mändler zu Fischbach. Der Inhalt dieses Schriftstückes möge im Auszug folgen. Dem Pfalzgrafen teile ich mit, «daß ich underbenannter mich im May diß 1602 Jars nacher Rothaw im Steinthal begeben, daselbsten die Tag- wie auch die darunter gelegenen darzu gehörigen Gruben genau besichtigt und befahren. Wie dieselben ich befunden, auch was darüber mein einfeltig guttachten und geringfügig Bedenken, das haben Hochgedacht Ihre F. G. her nacher kürzlich zu vernehmen». Die Gruben in Roßbach und Walterßbach, «die befindt ich in aufrichtigem bergmännischem Stand». — Es folgen Vorschläge über Anlage mehrerer Gänge und Stollen, sowie eine rationellere AusM M ") B. A. Str. E 343. ) B. A. Str. E 343. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ) B. A. Str. E 343. 1587 hieß der pfalzgräfliche Münzmeister Jacques de Crumot. 57 ") B. A. Str. E 343. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ") B. A. Str. Stein,5

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beutung der Gruben und bessere Überwachung der Arbeiter, hauptsächlich der Kohlenbrenner und Holzhauer. «Das Schmelzwerk belangent, darbei weiß ich keine Verbesserung. Allein hat man zu bedenken, ob es ratsamer den Schmelzern einen größern Wochen- oder Centnerlohn zu geben. Meines Erachtens hielt ich dafür, wenn man Innen ein Centner Lohn ordnete, Sie sollten sich beßer befleißigen mehr zu schmelzen » Die Schlacken sind sehr grob und «groß außgepucht»; mit denselben werden viele kleine Eisenkörnlein in den Bach geworfen. Man sollte sie sieben und zu Nutzen bringen. «Im Hammerwerk ist nicht genug Wasserkraft, sonderlich wenn die Werk oder Feuer sämtlich in Gang. Darum bleibt das Eisen über Zeit im Feuer und also in Verbrennung desselben und überflüssig Kohlen nicht gering Schaden entsteht; ich hielte dafür, tags das eine Leutterfeuer einzustellen » «Ob es nicht ratsam, daß den Hammerschmieden die Kohlen vorgemessen? » «Was den Kupfergang zu Wilterßpach anlangt, daselbsten ist am ratsamsten, in der First, da sich das Erz vorzeigt ein Klafter zwei, oder so weit sich dasselbig erweist, über sich zu brechen Dann kann der niedergebrochene Schacht durch ein Getrieb ausgehoben werden.» «Sonsten weiß auf dißmal E. F. G. meiner einfalt nach ich ferner nichts zu berichten oder für zuschlagen. Datum Rothaw, den 19. May Anno 1602. Ganz unterthäniger und gehorsamer Bergverwalter zu Fischbach Joachim Mändler.» Ein weiteres, vermutlich auch von Mändler verfaßtes Schriftstück mit dem Titel «Bedenken über das Steintal» M) enthält Vorschläge und Kostenanschläge über den Bau von Hochöfen bei Fouday und Rothau, über die Errichtung zerlegbarer Hütten zur Aufbewahrung der Holzkohlen im Walde, über das Flößen des Holzes aus dem Tal bei Schönenberg, über den Bau von Ochsenställen auf dem Hochfelde (für 40 Ochsen) und Wagenschuppen in Rothau, sowie über eine vorteilhafte Regelung des großen Fuhrbetriebes. Aus dem Jahre 1629 stammt ein 12 Seiten starkes Schriftstück mit dem Titel «Übertriebenes Projekt wegen Anlegung dreier Schmelzöfen im Steintal» "). talakten o. Nr.

M

) B. A. Str. Steintalakten o. Nr.

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) B. A. Str. Steintalakten

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Ein Schreiben aus dem gleichen Jahre beschreibt die Silberbergwerke zu Schönenberg und die Kupferbergwerke zu Wildersbach M). Das Hüttenwesen brachte Verdienst in das Steintal und die wirtschaftliche Lage der Untertanen erfuhr eine, wenn auch geringe Besserung. Infolge des 30jährigen Krieges trat jedoch bald ein Umschwung ein. In einem Brief vom 11. August 1634 aus Oberehnheim meldete der Amtmann der Herrschaft, daß die Schmelzöfen ruiniert sind"), und auf einer Anfrage des Pfalzgrafen vom 10. Oktober 1634 aus Straßburg, ob Eisen im Vorrat sei, und ob Holz zu hauen wäre, steht am Rande der lakonische aber vielsagende Vermerk: «Ist nichts» 0I ). Im Walde und in den Bergwerken waren damals insgesamt nur 12 Personen beschäftigt"). Nach dem Kriege wurde der Betrieb nicht wieder voll aufgenommen, sondern vielmehr nach und nach ganz eingestellt. Am 18. Mai 1720 wurde in Frankreich durch den Beschluß des Königl. Staatsrats jede Eisenausfuhr untersagt" 4 ). Dieses Verbot war für die spätere Entwicklung der Rothauer Werke von großer Wichtigkeit, da das dort gewonnene Eisen jetzt hauptsächlich in den Königl. Waffenfabriken Verwendung fand. Sobald Herr von Angervilliers Besitzer des Steintals geworden war M), bat er den König um die Erlaubnis, die Hochöfen wieder in Betrieb setzen zu dürfen "), und sein Antrag wurde am 3. April 1724 bewilligt"). In den späteren Belehnungsurkunden wird die Verleihung des Bergrechts stets als besondere Qnade und der Bergbau als die wichtigste Einnahmequelle hervorgehoben" 8 ). Hohe Bedeutung erlangten die Bergwerke im Steintale unter der Herrschaft der Herren von Dietrich. In seinem 1789 geschriebenen Werke «Qltes de minerai» zählt Baron von Dietrich 17 "Eisen- und Kupfergruben im Steintal auf. Davon seien hier nur erwähnt der Husarengang im Chenot von Rothau, der Gang im Bannwald (Grotte des Partisans ein Teil davon), der Gang von Wildersbach, der Gang im Minguette-Tal "*), die Gänge bei Waldersbach. 61 4S o. Nr. ) B. A. Str. E 5530. — Siehe Kapitel: Kriegszeiten. ) B. A. Str. M M E 5531. •*) B. A. Str. E 5531. ) B. A. Str. A 7 (alte Nummer). ) Siehe M Kapitel I. ) Durch Beschluß vom 9. 8. 1723 war verboten worden, ohne e7 M Erlaubnis Hochöfen zu errichten. ) Ordonnances d'Alsace I 606. ) B. A. Str. S 7. "•) Fr. Th. Müller, Verfasser von «Die Eisenerzlagerstätten von Rothau und Framont im Breuschtal» hat folgende 7 Gänge aufgefunden und beschrieben:

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Viele dieser Gruben enthielten nur wenig Erz. Den Verlauf der Gänge kann heute auch der Sachkundige nur mit vieler Mühe feststellen. Teilweise war der Betrieb ein Tagraubbau. Die Bergleute verfolgten die Erzadern nur so lange, als sie reichlich Eisenerze lieferten. «Leurs travaux ressemblaient en quelques endroits à des taupinières.» In den Berg drang man selten ein, sondern man begnügte sich mit wenig tiefen, weiten, offenen Gruben 70 ). Das bestätigt auch folgende Notiz Oberlins 71 ): «Winters Zeit kann man meistens nicht durch die Klamm gehen 72 ). Matthias Hasemann von Belmont wollte seiner Frau, die zu Rothau zu thun gehabt, entgegen gehen; oberhalb der Minguette konnte er nicht durch die Klamm, ging daher hinterhand über die Weid und fiel in eine mit frischem Schnee ausgefüllte wenigstens 1 V2 Mannes hohe mineursgrube, deren Wände ganz perpendicular waren, worin er notwendig hätte erfrieren müssen, wo nicht durch göttliche Vorsehung einige Scheide Holz darin gestanden, darauf er heraufgeklettert; es war gegen die Nacht.» Am meisten dürften wohl die Gruben bei Wildersbach und Waldersbach interessieren. Schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts befand sich bei dem zuletzt genannten Orte ein Stollen, der wieder verschüttet und vergessen worden war. Durch einen Bauern wurde er wieder entdeckt und bis 1785 ausgebeutet. Obwohl gerade damals eine reiche und dauernde Ausbeute zu erwarten war, wurde der Kostspieligkeit wegen auf das weitere Graben verzichtet. Um den Bergleuten in dem sehr tiefen Stollen Luft zu verschaffen, hätte man nämlich über der Kirche einen großen Schacht bauen müssen 75 ). «Wegen der Gewalt der unterirdischen Wasser und der zerbröckelten Felsmasse (rocher pourri) wird dieses Bergwerk immer gefährlich sein», bemerkt Dietrich in Gîtes de minerai 7 *). Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde auch auf der Perheux an verschiedenen Stellen nach Eisen gegraben. Da man aber Kupfererze fand, wurden die Gruben wieder zugeschüttet ™). 1. der Husarengang, 2- der Gang im Bannwald, 3. der Qang von Wildersbach, 4. der Qang von Remiancôte, 5. der Qang nördlich von Remiancôte, 6. der Qang Lumpenmatt-Bacpré-Fingoutte, 7. der Qang von Haut-Bacpré. ™) Dietrich, 71 Gîtes de minerai. 1789. II S. 234. ) Oberlins Annalen, Pfarrarchiv Waldersn bach. ) Qemeint ist jedenfalls das Minguette-Tal ; etwa heutiger Vogesenklub7 pfad Rothau-Perheux. ") Dietrich, Gîtes de minerai. 1789. II S. 230. *) Ebenda. — Hinter dem früheren Pfarrhause von Waldersbach und in der Nähe der Mühle 7C sind heute noch einige alte Stollen zu sehen. ) Dietrich, Gites de minerai.

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In der Nähe von Wildersbach sind heute noch zwei alte Schächte zu sehen, von denen der eine ganz unter Wasser steht. (Wegweiser am Pfad Rothau-Wildersbach.) Über diese Erzgänge schreibt Baron von Dietrich : «Mehrere Adern befinden sich in einer kleinen Schlucht im Bann Wildersbach, deren Eingang in einem Seitental der Rothaine oder auf den Bergabhängen ist, an deren Fuß die Schlucht liegt. Manchmal gibt es da und dort «de la minette» 7 ") und sandigen Qranit. Aber an diesen Orten scheinen die Adern dauerhafter und reicher zu sein. Dies ist besonders der Fall in einer Erzgrube, welche dem alten Schmelzofen gegenüberliegt, der sich in der Schlucht von Wildersbach befand» "). Dort wurde hochprozentiges Magneteisen gefunden. Auf den Höhen, die dem genannten Hochofen gegenüberliegen, müssen damals viele Kohlenbrenner gewohnt haben; darum heißt jener Teil des Dorfes Wildersbach im Patois der Bewohner «le charbouni» (im Kataster von 1830 «les charbonniers»). Im Dorfe Wildersbach selbst scheinen sich in schon viel früherer Zeit Bergwerke befunden zu haben; darum trägt die der Fabrik Claude gegenüberliegende Dorf ecke den Namen «Sur les mines». Die Rothauer Werke bestanden aus einem Hochofen, einem Hüttenwerk mit zwei Feuern (une grosse forge), einem Hüttenwerk mit einem Feuer (une petite forge), einem Walzwerk (une platinerie) und einem Hammer (un martinet) 78 ). Der gesamte Betrieb erforderte pro Jahr über 2400 Wagen Holzkohlen. Im ganzen wurden ungefähr 175 Zugtiere (100 Ochsen, 75 Pferde) verwendet. Die Zahl der Arbeiter betrug etwa 3007"). Die Rothauer Werke ") lieferten jährlich etwa 1200 Zentner Gußeisen. Baron von Dietrich w a r sehr stolz auf sein Eisen; er sagt, es stehe keinem anderen nach, und die Waffenmanufaktur des Elsaß und das Arsenal von Straßburg würden es nur sehr schwer entbehren. Selbst der sehr hohe Preis des Metalls übe keinen schädlichen Einfluß auf die Nachfrage aus. Als der Ruf des Rothauer Metalles wuchs, begannen die Konkurrenten, Fälschungen auf den Markt zu bringen. Im Jahre 1788 richtete deshalb Herr von Dietrich an den König ein Gesuch um eine ganz besondere Stempelung für sein Eisen. Dieser bewilligte 7 1789. II S. 231. ") So nannten die Bergleute im Steintal ein schlechtes, aschgraues Erz. ™) Die dem alten Schacht gegenüberliegende Flur trägt den Namen «Les hauts fourneaux». ™) B. A. Str. S 7. — Inventar des Notars Lacombe vom 19. floréal an VI. — Massenet, Description du Ban-de-la-Roche. 7e 1798. S. 13—15. ) Massenet, Description du Ban-de-la-Roche. 1798. S. 13—15. Die heute an Stelle der Eisenwerke stehende Spinnerei und Weberei ist in

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eine neue Fabrikationsmarke, ein R in einem Jagdhorn, und verbot allen Fabrikanten die Nachahmung bei Strafe von 3000 livres und Konfiskation zu Gunsten des Geschädigten. Aber die Konkurrenz machte ihm doch zu schaffen. Und zwar war es Framont, das Rothau zu überflügeln drohte; es konnte nämlich seinen Bedarf an Brennholz in dem nahen Forstbezirk Trois-Evéchés decken, während Rothau infolge des hohen Preises des Steintaler Holzes gezwungen war, sich aus den Herrschaften Lunéville und Saint-Dié mit Brennholz zu versorgen. Nachdem in der Revolutionszeit die Güter des Herrn von Dietrich eingezogen worden waren, standen die Rothauer Werke ausschließlich im Dienste des Vaterlandes 81 ). Das ersehen wir aus den Worten, die der Vorsitzende des Direktoriums des Département du Bas-Rhin am 22. Ventôse II an die Versammlung richtete. «La forge de Rothau, Citoyens, s'exploite pour la République, c'est elle qui doit nous ouvrir une source infiniment importante dans notre guerre contre le despotisme coalisé. Les administrations patriotes comme la vôtre doivent s'empresser de concourir de tous leurs moyens aux succès d'un établissement aussi précieux ").» Zur Erleichterung des Betriebs wurde das nötige Bau- und Brennholz von nun an aus dem nahen Walde von Barenbach verabfolgt, und die im Rothauer Eisenwerk beschäftigten Arbeiter und Angestellten durften nicht ausgehoben werden, damit die zur Waffenfabrikation und sonstige militärische Zwecke erforderliche Quantität Eisen ununterbrochen geliefert werden konnte. (Beschluß des Direktoriums in Benfeld vom 10. Oktober 1793 M).) Außerdem wurden die Arbeiter durch Beschluß der gleichen Körperschaft vom 18. und 22. Ventôse II von jeder Abgabe für Kriegszwecke befreit 8 '). Der Direktor der Eisenwerke, Ziegler, erhielt die Vollmacht, sich im Notfalle die erforderlichen Arbeiter, Pferde und Wagen auf dem Wege der Requisition zu verschaffen (22. Ventôse II) 85 ). Auch konnte er die zum Unterhalt der Arbeiter und Zugtiere nötigen Lebensmittel in der Umgegend requirieren 8 "), und falls er dabei 81 der Umgegend unter dem Namen «la forge» bekannt. ) Schon am 13. nivôse II beschloß das Direktorium des Distrikts Benield, daß alles in Rothau vorhandene Eisen sofort der Leitungi des Fuhrparks der Armee zur Verfügung gestellt werden müßte. B. A. Str. «Régistre des délibérations du District de Benfeld (an II 8ä 2 m e trimestre). ) B. A. Str. Procès-verbal du Directoire du Département du M Bas-Rhin. Bd. 42 Nr. 30086). ) B. A. Str. Régistre des délibérations du DirecM toire du District de Benfeld. Bd. 7 Nr. 6606. ) B. A. Str. Régistre des délibéS6 rations du Directoire du District de Benfeld. Bd. 8. ) B. A. Str. Régistre des

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auf Widerstand stieß, stand ihm die bewaffnete Macht zur Ausführung von Zwangsmaßnahmen zur Verfügung 87 ). Am 4. Prairial II beschloß die Regierung die für die Landesverteidigung so wichtigen Eisenwerke in Rothau ganz in eigene Regie zu nehmen und am 15. Brumaire III wurden dieselben an den bisherigen Direktor verpachtet 8 "). Vor Beginn der Pacht wurde durch einen Kommissar [citoyen Rivet] und zwei Sachverständige [les citoyens Pinot et Champy] eine genaue Besichtigung vorgenommen und der Zustand der Qebäude, Maschinen usw. zu Protokoll genommen m ). Am 2. Vendémiaire IV erfolgte die Zurückgabe der beschlagnahmten Werke an die Familie v. Dietrich die sie am 6. Prairial VII (1799) an Herrn Champy in Framont verkaufte"). Von nun an arbeitete Rothau mit Framont Hand in Hand. Im Jahre 1811 gab es im Rothauer Erzbezirk 4 Schächte und 11 Gänge mit je einer Handpumpe. Das Gewicht des 1811 gegrabenen Erzes M ). betrug 10 879 Ctr. ; das hieraus gewonnene Gußeisen wog 3400 Ctr. t* Nach einem vorübergehenden Stillstand der Werke (1830 ? bis 1837) wurde am 29. Juni 1837 mit einem Aktienkapital von délibérations du Directoire du District de Benfeld. Bd. 8. 8 ") Ebenda. Bd. 10 Nr. 9835. " ) B. A. Str. Régistre général (an III 1 e r trimestre). Requisitionen: Durch Beschluß des Direktoriums Benfeld vom 7. Germinal II: 48 Sack Weizen ie 12 in Kerzfeld, Westhausen, Meistratzheim, Krautergersheim. 13. Thermidor II: Vu la réquisition de l'agent national du District tendant à faire alimenter la forge de Rothau, le Directoire a arrêté que le citoyen Ziegler, Directeur provisoire de la forge de Rothau est autorisé à acheter à Villé 3 sacs de navettes, à Schirmeck 1 sac de navettes, à Barr 15 mesures de vin, à Oberehnheim 15 mesures de vin et 25 sacs de froment ou méteil, à Niederehnheim 25 sacs de froment, à Meistratzheim 25 sacs de froment, à Krautergersheim 25 sacs de froment, requiert en conséquence les municipalités desdites communes sous leur responsabilité personnelle à lui procurer lesdites quantités, etc. — Durch Brief vom 3. vendémaire III bat Ziegler das Direktorium, auf dem Wege der Requisition kaufen zu dürfen: je 50 Liter Hafer (in Barenbach und Ruß), sowie 100 Sack Korn, Wein, 150 Pfund Butter jede Dekade, öl, Schweinefleisch und 400 Pfund Talglichter. — In einem Schreiben vom 2. Frimaire III beklagte er sich, daß einige Gemeinden bei der vorgenannten Requisition nicht Folge geleistet hätten und bittet um Erlaubnis, 80 Sack Korn, Talglichter, ö l und 50 Ohmen Wein requirieren zu dürfen. M ) B. A. Str. Procès-verbal du Directoire du Département du Bas-Rhin. Bd. 45 ee ) B. A. Str. Procès-verbal Nr. 37935. du Directoire du Département du Bas-Rhin. Bd. 50 Nr. 42437. — Régistre général du Directoire du District de Benfeld, an III 1 e r trimestre Nr. 17935. B. A. Str. Procès-verbal du Directoire 91 ) B. A. Str. Régistre du Département du Bas-Rhin. Bd. 50 Nr. 42437. — Q 1468. général du Directoire du District de Benfeld, an IV 1 e r trimestre Nr. 27410 u. 27411. M ) Ebenda. 85 ) Der Rothauer Erz" ) B. A. Str. S 7. •») B. A. Str. S 7.

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1 000 000 Franken die Société anonyme [pour l'exploitation des Mines, Forges et Usines] à Framont gegründet' 4 ) und nach Erteilung einer neuen Konzession (1838) in dem Rothauer Erzbezirk *) das Qraben nach Erz wieder eifrig betrieben. Die Gemeinderäte von Rothau und Wildersbach suchten durch Beschluß vom 10. Februar 1839 die Schürfungen zu verhindern, weil angeblich die gezahlten Vergütungen zu gering waren und nicht im richtigen Verhältnis standen zum Schaden, der auf Gemeindeländereien oder Privatgrundstücken angerichtet w u r d e " ) . 1849 verzichtete die Gesellschaft auf die Konzession der Bergwerke von Rothau und im Bannwald, weil die Erzadern nicht mehr ergiebig genug waren; die Stollen und Schächte wurden den Vorschriften vom 26. April 1850 entsprechend geschlossen, die Eingänge jedoch durch besondere Steine so gekennzeichnet, daß eine Wiederöffnung jederzeit erfolgen könnte. Am 11. Juli 1850 nahm der Inspecteur des mines du Département des Vosges eine Besichtigung der fraglichen Orte vor 87 ). Auf Bitte des Direktors Drion aus Framont vom 18. Dezember 1850 wurde im Bereich des frühern Rothauer Erz;bezirks die Grabung von Eisenkies° 8 ) gestattet w ). 1869 wurde auch dieses Unternehmen aufgegeben und seither sind alle Gruben auflässig 100 ). Eine Konzession ist jedoch noch vorhanden 101\ auch wurden vor einigen Jahren in Waldersbach und in letzter Zeit im Bannwald bei Rothau (Grotte des partisans) Schürfungen vorgenommen. Die Eisenindustrie hatte wohl etwas Verdienst ins Steintal gebracht; aber erst durch die Baumwollindustrie, welche durch die Bemühungen Oberlins gegen Ende des 18. Jahrhunderts dort Eingang fand, konnte die Bevölkerung aus ihrer Armut und Not befreit werden 102 ). bezirk hatte eine Oberfläche von 6 qkm. Er war begrenzt von der Rothaine bis zur Einmündung des Wildbaches (Chiäye), von hier durch eine gerade Linie durch den Chenot von Neuweiler, dann durch eine gerade Linie nach der Perheux, von dort ab durch eine gerade Linie durch Solbach an die Breusch, durch die Breusch bis zur Einmündung der Rothaine. "«) B. A. Str. S 7. »7) B. A. Str. S 7. 98 s ) Eisen- oder Schwefelkies (Fe S ) ; speisgelbe Farbe; wird bei der SchwefelM 10 säurefabrikation verwendet. ) B. A. Str. S 7. °) B. A. Str. S 7. 101 ) Hüttenmeister (Direktoren) in Framont waren zuletzt die Herren Sütterlin und Coulaux. Die Familie des letztern besitzt die Konzession. — Für die im Bann Wildersbach liegenden Qruben haben z. B, die Konzessionäre ohne die Zuschläge für den Bezirk und die Gemeinde an Bergwerkssteuer jährlich 77,00 Mk. zu entira richten. ) J. Klein, Die Baumwollindustrie im Breuschtale. 1905. — J. B. Masson, Das Breuschtal und seine Nachbargebiete. 1912. — P. Dieterlen, Gustav Steinheil.

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Schon in den ersten Jahren nach dem Amtsantritt Oberlins führte der Fabrikant Reber aus Markirch die Baumwollspinnerei im Steintale ein. Es wurden zahlreiche Arbeitshäuser für Baumwollspinnerei und -Weberei mit Handbetrieb (manufactures) eingerichtet, so vor allem in Fouday. Bereits 1785 stand diese Industrie in hoher Blüte. «Vom Mai 1785 bis Mai 1786 hat der Fabrikant Reber in Markirch durch seinen Spinnereidirektor im Steintal für Spinnerei und Weberei 32 000 livres ausgegeben. — Nach Ausweisung von Herrn Rebers Büchern» 10s ). Um die neue Industrie zu fördern, zahlte Oberlin den guten Arbeitern Preise aus; armen Familien verhalf er zu Spinnrädern. «Da so manche arme Kinder gern Baumwoll spinnen wollten, und aber keine Räder dazu bekommen konnten, wegen besonders damahligen gar großen Holtzmangel, so gab ich den Eltern von meinem Holtz dazu, und ließ 18 Eisen machen zu Baumwollspinnrädern, das Stück zu 4 Sols. 1 R 8 ß — d. " V Die Weberei wurde vorwiegend als Hausindustrie von den Steintälern mit Freude begrüßt. Bald stand in jedem Hause ein Webstuhl, und neben ihrer Feldarbeit konnten die Leute noch einiges verdienen. «Claude Kommers 4 bis 5 Kinder, die Baumwoll spinnen, haben diesen Winter bis in die Mitte des Februars ihrem Vater 30 R damit verdient. Das jüngste ist etwan 5 Jahre alt" 8 ).» 1787. Noch heute steht in Belmont und Solbach in jedem Hause beinahe ein Webstuhl und Carlos Fischer hat in seinem Alsace champêtre 10S ) in ansprechender und treffender Weise das Sausen der Spindeln und Geklapper der Webstühle geschildert, das man bei einem Gang durch Solbach vernimmt. Während in den genannten Dörfern besonders die Bandweberei blüht, werden in Neuweiler und Wildersbach hauptsächlich bunte Stoffe für Frauenkleider gewoben. Die von Reber eingeführte Baumwollspinnerei war ein Segen für das arme Steintal. Als aber in Schirmeck die mechanische 1910. — Das Reichsland I S. 109—111. — Stôber, l'aîné, Vie de J. F. Oberlin. 1831. S. 504—510. — Henri-Qottfried Oberlin, Chorographie ou Description 10s du Ban-de-la-Roche. 1806. ) Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. 1 ) Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. ) Pfarrarchiv Waldersbach, loe Oberlins Annalen. ) Carlos Fischer, Alsace champêtre. [Le parfait village.!

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Spinnerei Eingang gefunden hatte 107 ), konnte Reber die Konkurrenz nicht mehr aushalten und mußte allmählich seine so blühende Industrie aufgeben. Der alte Zustand der Not für die Steintäler drohte wieder hereinzubrechen. Heinrich Gottfried Oberlin schreibt unterm 11. Dezember 181.3 aus Waldersbach darüber an einen F r e u n d : «Zu unsern offenbaren Widerwärtigkeiten mußten wir auch den Umstand rechnen, daß die Baumwollspinnerei sehr in Abnahme w a r , w a s manche Familie in die größte Not brachte.» An Stelle der im Sinken begriffenen Baumwollindustrie w u r d e durch Vermittlung Oberlins von dem Schweizer Industriellen Legrand im J a h r e 1813 die Seidenbandfabrikation sowohl als Haus-, wie auch als Fabrikindustrie eingeführt. Johann Lukas Legrand w a r am 1. Juni 1755 in Basel geboren worden, hatte in Leipzig und Qöttingen studiert und später das Amt des Bundespräsidenten bekleidet. Im J a h r e 1798 hatte er in Arlesheim (Schweiz) eine Seidenspinnerei und Seidenbandfabrik gegründet, die er bald darauf in das alte Kloster St. Morand bei Altkirch verlegte. Hier w a r er auf fremde Arbeiter angewiesen, denen er hohe Löhne bezahlen mußte, wodurch die Entwickelung seines Unternehmens gehemmt wurde. Dieser letztere Umstand ist mit ein Grund, weshalb er 1813 seine Fabriken nach den leerstehenden Arbeitshäusern Rebers in Fouday verlegte. Auf diese Weise w u r d e sowohl den Steintälern, als auch ihm geholfen. 1814 w a r e n die Fabriken in Fouday schon im Gang. In demselben Jahre zog er sich von den Geschäften zurück und übergab die Fabrik seinem Sohne Friedrich, um sich mit seinem Freunde Oberlin der Erziehung der Jugend zu widmen. Als er am 4. Oktober 1836 starb, w u r d e er auf dem Friedhofe in Fouday neben Oberlin bestattet. Hohe Tannen beschatten die Gräber der zwei Menschenfreunde, die so auch im Tode noch vereint sind. Bis 1870 blieb das von Legrand gestiftete Fabrikgeschäft in der Familie I.egrand und Fallot und ging dann durch Kauf an die Gebrüder Oschwald über. Wegen des nach der Annexion von Frankreich erhobenen hohen Eingangszolles auf Seide ging den Fabriken in Fouday das Hauptabsatzgebiet verloren und die Seidenbandfabrikation ging allmählich zurück. Um hierfür einen Ersatz zu haben, verlegten sich die Gebrüder Oschwald auf die Herstellung von Tricotwaren, behielten jedoch eine kleine Seidenbandweberei bei 10S ). 1907.

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) B. A. Str. S 1.

"•) In den letzten Jahren hörte das Weben von

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Im Jahre 1806 war von Widemann auch in Rothau eine Baumwollhandweberei ins Leben gerufen worden. Trotz der durch die Kontinentalsperre hervorgerufenen Krisis in der gesamten Baumwollindustrie konnte dieses Unternehmen gedeihen. Mit den französischen Armeen traten nämlich auch die französischen Fabrikate einen Siegeszug durch ganz Europa an. Nachdem aber die napoleonischen Heere geschlagen worden waren, schloß sich der Markt für die französische Ware. Widemann fiel der Krisis zum Opfer und mußte 1815 seine Fabrik an seinen Gläubiger und Qeschäftsteilhaber Pramberger abtreten. Nach dem Tode ihres Mannes führte Frau Pramberger nicht nur das Geschäft weiter, sondern vergrößerte es noch loe ). In Wildersbach und Neuweiler ließ sie Arbeitshäuser errichten. Nachdem durch den Engländer Heywood der mechanische Webstuhl in Schirmeck eingeführt und verbessert worden war, ließ sie in den Jahren 1834 und 1835 ihre Handmaschinen durch mechanische ersetzen und verkaufte die Arbeitshäuser in Wildersbach und Neuweiler an die Fabrikanten Blech in M a r k i r c h I m Jahre 1847 übernahm Gustav Steinheil, dessen Vater durch seine Verehelichung mit einer Nichte der Frau Pramberger Teilhaber am Geschäft geworden war, die Pramberger'sche Fabrik unter der Firma Steinheil, Dieterlen & Cie. Steinheil war bis zu seinem Lebensabende ein Mann des Fortschritts" 1 ). Unter seiner Leitung nahm die Fabrik einen mächtigen Aufschwung. Besonders in den Jahren 1858—1866 wurde sie mit allerlei neuen Einrichtungen (Turbinen, Dampfkesseln, Trocken- und Waschmaschinen) ausgestattet 1 ") und so allmählich ein Musterbetrieb geschaffen. Die bei Gelegenheit des Sezessionskrieges entstandene Baumwollkrisis, welche mehrere Jahre andauerte und wobei die Baumwollpreise ins Ungeheuerliche stiegen, wurde von der Firma gut überstanden. Heute ist die Steinheil'sche Fabrik eine der bedeutendsten im ganzen Breuschtale. Bis 1868 besaß auch Champy in Rothau eine Baumwollspinnerei Seidenbändern ganz auf. Dagegen wurden andere Bandarten gewoben. Vor kurzem ist die Firma Oschwald in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden. Der elektrische Betrieb der Handwebstühle in Belmont und La Hütte ist geplant. "") B. A. Str. S 2. — Die Firma lautete längere Zeit: Pramberger & Portait. — B. A. Str. M 6. Von den zwei Arbeitshäusern in Neuweiler ist eines geschlossen. An Stelle des frühem Arbeitshauses in Wildersbach steht heute das m Schul- und Gemeindehaus. ) P. Dieterlen, Gustav Steinheil. 1910. S. 70—91.

Erwerbsquellen.

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(la Renardière) "'). In diesem Jahre wurde sie von der Firma Steinheil, Dieterlen & Cie käuflich erworben und nach einem im Jahre 1879 stattgefundenen großen Brande wieder neu errichtet. In Rothau wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Karl Marchai und Qédéon Marchai noch weitere Fabriken ins Leben gerufen. In Natzweiler bezw. Haute-Goutte wurde 1840/41 durch Herrn Friedrich Jacquel eine Fabrik gegründet 11 '), die 1865 durch Herrn Paul Jacquel vergrößert wurde 116 ), und bis zum heutigen Tage an Bedeutung gewonnen hat. Um den Bewohnern von Wildersbach Gelegenheit zu geben, im eigenen Dorfe Arbeit und Verdienst zu finden, erbauten die Gebrüder Jonathan und Philipp Claude in den Jahren 1865^66 in Wildersbach eine kleine Fabrik 116 ), die im Laufe der Zeit stets vergrößert wurde und unter der Leitung der Söhne der Gründer zu einem stattlichen Unternehmen mit mehreren Tochterfabriken (Haute-Goutte, Chiäye, Rambervillers) ausgebaut worden ist. In Waldersbach rief Herr Christmann eine Baumwollspinneren ins Leben. Alle diese Fabriken blühen, und Hunderte von Arbeitern und Arbeiterinnen verdienen da ihren Lebensunterhalt. Die Bevölkerung im Steintale — Solbach und Belmont ausgenommen — lebt heute fast ausschließlich von der Baumwollindustrie. Doch sind die Arbeiter mit wenigen Ausnahmen bodenständig, besitzen in der Regel ihr eigenes Haus und bewirtschaften nach Feierabend ihre Felder und Wiesen, die, wie wir oben sahen, allein nicht im Stande wären, die Bevölkerung zu ernähren. Dieses großartige Aufblühen der Industrie im Steintale bedingte auch einen Ausbau der Verkehrswege. Industrie und Verkehr stehen in engster Wechselbeziehung. Das ganze Mittelalter hindurch und bis in die Neuzeit hinein führten nur schlechte Wege ins entlegene Steintal. Die Veldenz planten wohl mehrmals den Bau von Straßen ; aber Krieg und andere Umstände verhinderten die Ausführung der Pläne 117 ). Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Chaussee von Straßburg bis Mutzig und von da nach dem Donon gebaut mit einer kleinen Abzweigung nach Rothau. Zur Unterhaltung dieser Straße wurde m "*) B. A. Str. M 6. ) B. A. Str. M 6. "•) B. A. Str. S 2. B. A. Str. 117 S 4. "') B. A. Str. S 5. ) B. A. Str. C 323, 5. B. A. Str. O 1200—1628 u. 1629 zahlten «die Rottawer» nach Schirmeck «an pruggengeld und erhaltung

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Das Volk.

1782 die Summe von 276 Franken verausgabt (138 Tage à 40 ß). Es mußten aufbringen 118 ): das Amt Schirmeck . . . . 165 9 12 ß Qirbaden 55 9 4 ß das Steintal 55 ® 4 ß. 1788 beklagten sich die 8 Gemeinden des Steintals bei der Commission intermédiaire darüber, daß sich die Straße von Mutzig auf den Donon in außerordentlich schlechtem Zustande befinde"*). Im Steintale selbst waren bis in die neueste Zeit hinein die Wege sehr schlecht und ungangbar. Noch zu Oberlins Zeiten war die heutige Landstraße von Rothau nach Fouday und Waldersbach ein ganz erbärmlicher Weg, der Wagen und Zugtiere ruinierte. Um eine ganz geringe Sendung nach Waldersbach befördern zu können, mußte man sechs oder mehr Zugtiere haben. Brücken gab es nicht. Wenn die Breusch angeschwollen war, geschahen beim Überschreiten derselben auf einem schmalen Stege häufig Unglücksfälle180). Deshalb ließ Oberlin hinter Rothau eine steinerne Brücke bauen, die er Pont de Charité" 1 ) nannte, welchen Namen sie noch heute trägt. Auch verbesserte er den Weg von Waldersbach nach Fouday und Rothau. Ausgebaut wurde die Straße Rothau, Fouday, St. Biaise erst 1848. Die Straße von Rothau nach Natzweiler wurde 1836 angelegt und 1908 klassiert; die Abzweigungen nach Wildersbach und Neuweiler wurden erst lange nach 1870 gebaut und sind noch nicht klassiert. Die Anlage der Straße Fouday-Hochfeld zum Andlau- und Weilertal mit den Abzweigungen nach Belmont und Bellefosse erfolgte 1868—1872 und von Fouday nach Solbach 1885—1886 m ). Im Jahre 1864 wurde die Bahn von Straßburg bis Mutzig gebaut; zwischen Rothau und Mutzig verkehrte ein Postwagen, bis 1877 die Strecke Mutzig-Rothau dem Verkehr übergeben wurde1S>). Erst 1890 wurde das letzte Stück Rothau-Saales gebaut. Nun ist das Steintal an den großen Verkehr angeschlossen. Unzählige Eisenbahnwagen bringen jahraus, jahrein die Rohstoffe, Baumwolle, Kohlen, Lebensmittel und fremde Industrieerzeugnisse nach Rothau und Fouday und führen die Produkte des gewerbfleißigen Tales hinaus in die weite Welt. 118 u weg und Steg» pro Jahr 3 Pfund. ) B. A. Str. C 331. ' ) B. A. Str. C 774 b 1S0 Nr. 2391. ) Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. Pont de 1M Charité = Wohltätigkeitsbrücke. ) J. B. Masson, Die Siedelungen im Breusch1M tal. Eis. Monatsschr. 1910/11 S. 144. ) Qemeindezeitung für Elsaß-Lothringen, Jahrg. 1884, Die Bahn von Mutzig nach Rothau und ihre wirtschaftliche Bedeutung. — Das Reichsland 1 S. 158 u. 159.

Erwerbsquellen.

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An Sonn- und Feiertagen aber führt die Bahn einen wahren Strom fröhlicher Touristen und Naturfreunde ins Steintal, wo sie Erholung finden und in der frischen, würzigen Bergluft neue Kräfte sammeln für die Mühen des Alltags. Zahllose Skiläufer und Rodler finden im Winter auf den weiten Schneefeldern des Champdu-Feu und dessen Abhängen einen willkommenen und von Straßburg aus leicht zu erreichenden Ort zur Ausübung ihres gesunden Sportes. Dank der guten Verkehrswege ist das Steintal ein erschlossenes Gebiet geworden, und es mehrt sich auch alljährlich die Zahl der erholungsbedürftigen Städter, die während der heißen Augusttage, wenn in den Straßen der Stadt die Hitze unerträglich wird, in Solbach, Belmont, La Hütte, Bellefosse oder Rothau ihre Sommerresidenz aufschlagen oder ihre Ferien verbringen. — So wird die Fremdenindustrie in steigendem Maße eine neue Erwerbsquelle für die Steintäler.

C. Das Geistesleben. 1. Kirchliche Zustände. Die Nachrichten über die kirchlichen Zustände im Steintal fließen bis zur Einführung der Reformation äußerst spärlich. Seit Gründung der Dörfer durch die Alemannen 1 ) gehörte die Gegend zum Landkapitel Bruderberg 8 ) (capitulum montis fratrum), das 1202 nach Oberehnheim verlegt wurde 8 ). In der Belehnungsurkunde von 1398 wird zum erstenmal «das kirchspiel zu Roto» genannt *). Seit 1454 war in Rotowe ein Rektor"), und von 1464 ab zahlte die dortige Kirche 1 ® Kirchensteuer an das Bistum Straßburg; später waren nur noch 10 Schillinge zu entrichten 8 ), da 1496 in der ganzen Diözese die Steuer auf die Hälfte des früheren Betrages herabgesetzt worden w a r 7 ) . Nach einem Berichte des Pfarrers Marmet 8 ) an den Pfalzgrafen s *) Siehe Kapitel: Besledelung und Sprache im Steintal. ) Stieve, Qeschichte der Vogesengrafschaft Salm, der Stadt Schirmeck und der Herrschaft zum Stein. 1908. S. 32. ') Bruderberg: Kapelle in der Gemarkung Rosheim, Kreis Molsheim. 4 Früher Einsiedelei. — Das Reichsland Elsaß-Lothringen III 788. ) Stadtarchiv 5 Oberehnheim DD 51. ) Die alten Territorien des Elsaß nach dem Stande vom e s 1. Januar 1648. 1908. ) B. A. Str. Q 1435. *) B. A. Str. Q 1436. ) Siehe

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(1661) gab es vor der Reformation für das ganze Steintal nur einen Meßpriester, der in Rothau, wo er wohnte, und in Fouday, dem zweiten Hauptorte, Gottesdienste abhielt 9 ). Diese Mitteilung bedarf einer Berichtigung insofern, als der Priester von Helmsgereut, wo seit 1464 ebenfalls ein Rektorat bestand 10 ), die Seelsorge in den Teilen der Herrschaft versah, die auf dem linken Ufer der Schirrgut lagen "). So war es auch noch, nachdem 1507 die Orte Helmsgereut und Bliensbach von den Rathsamhausen an das Bistum abgetreten worden waren"). Über die Einführung der Reformation im Steintal liegt nicht das geringste urkundliche Material vor. Sicher ist, daß im Jahre 1536 die Herrschaft noch katholisch war; denn am Abend omnium sanctorum (31. Oktober) ist vom Bischof Meister Heinrich Kobel, Pfarrer zu Niederehnheim, geschrieben worden, «denen von Rottow zwo Glocken zu benedicieren» 1S). Aus der Steuerliste der Diözese Straßburg vom Jahre 1543 ist ersichtlich, daß auch damals die neue Lehre im Steintal roch keinen Eingang gefunden hatte1*). Pfarrer Stuber, Oberlins Vorgänger, glaubte, die Rathsamhausen hätten noch im Steintal reformiert. Er schrieb hierüber in sein Tagebuch: «Als 1584 die Rathsamhausen zum Stein die Herrschaft verkauften, waren sie schon protestantisch und ihr Land scheinbar auch. Aber die Bewohner waren noch außerordentlich unwissend, und der Prinz von Veldenz suchte, ihnen Pfarrer von Monbéillard zu verschaffen ; diese Sorge für ihre Bildung gab Anlaß zu der Annahme, daß er es ist, der die Reformation einführte18).» Oberlin dagegen meinte: «1618 oder 1619 führte der Prinz (Veldenz) die Reformation ein, setzte einen Pfarrer nach Waldersbach und erhob dadurch die Kapelle zur Hauptkirche16).» Er stützte sich jedenfalls auf den bereits erwähnten Bericht des Pfarrers Marmet vom Jahre 1661. Da heißt es: «Hernach als der Fürst von Veldentz reformierte, setzte er einen eigenen Prediger nach Valdersbach vielleicht Anno 1619, welches Jahr über der Thür des hiesigen Waldersbacher Pfarrhauses stehet. Also erhub er die Kirche zu Valdersbach, die zuvor nur eine Chapelle war, zu einer Eglise-Mère, welches ohne Zweifel vor dem Anno Normali 1624 geschehen seyn muß, da Anno 1619 das Pfarrhaus schon stunde ").» 10 weiter unten. •) Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. ) B.A. Str. u Q 1435. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. — E 641, 642. ") B. A. Str. Steintalakten o. Nr. — E 641, 642. ") B. A. Str. Fonds Zabern 176, bischöil. Manuale 1533—1538. ") B. A. Str. Q 1435. (Rothau ein Rektorat, 10 Schillinge Kirchensteuer, wie früher.) ") Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins Annalen. Original französisch. ") Ebenda. ") Pfarrarchiv Waldersbach, Oberlins

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Da Mannet nur 42 Jahre nach dem Verkauf des Steintals als Pfarrer nach Rothau berufen wurde, können seine Angaben über die Einführung der Reformation durch die Veldenz Anspruch auf Richtigkeit erheben. Übrigen waren der letzte Besitzer des Steintals aus dem Geschlechte der Rathsamhausen, sowie dessen Sohn Samson mit den zum Bistum gehörigen Orten St. Blaise und Bliensbach belehnt 18 ). Als bischöfliche Lehnsmannen hatten sie gelobt, dem «Stift Straßburg getreu und hold zu sein», dessen «Schaden zu warnen und zu wenden», sein «bestes zu fördern» 18 ); sie scheinen demnach noch katholisch gewesen zu sein. Man wird zwar einwenden, daß sich bischöfliche Territorien auch zuweilen im Lehensbesitze protestantischer Herren befanden; damit ist jedoch noch nicht gesagt, daß Hans Friedrich v. R. gerade zu diesen gehören mußte, und wir dürfen aus seinem Abhängigkeitsverhältnis dem Bistum gegenüber immerhin schließen, daß er und seine Steintäler wahrscheinlich die neue Lehre noch nicht angenommen hatten. Daß diese Vermutung zutreffend ist, beweisen uns die Vorgänge beim Verkauf des Steintals. Qerade weil dieses noch katholisch war, wollten ja der Bischof zu Straßburg und der Erzherzog Ferdinand hintertreiben, daß der evangelische Pfalzgraf Georg Johann von Veldenz Besitzer der Herrschaft werde" 0 ). In seinem Schreiben an den Kaiser betonte der Erzherzog ausdrücklich, daß der Kauf dem Lande schaden werde, da die Hörigen, welche dann von Pfalzburg ins Steintal zögen, «mehrerteils Franzosen und Niederländer und n i t k a t h o l i s c h » wären, was um so schlimmer sei, als das Steintal der Stadt Schlettstadt und dem Kloster Ebersheimmünster zu nahe liege" 1 ). Daß der evangelische Glaube tatsächlich erst unter den Veldenz im Steintale Eingang fand, ist endlich ersichtlich aus den Verhandlungen, die wegen der Zehnten geführt wurden, welche der Pfarrer von Rothau in Natzweiler und Netzenbach bezog 22 )- Beide Orte wurden bis zur Einführung der Reformation im Steintale von dem Priester in Rothau bedient. In ihrer Klageschrift schreibt die Gemeinde Netzenbach ausdrücklich: «daß zeit hero durch die Herren von Ratzenhausen ein gewisses Dorf, so genannt Rothaw, Ihro Annalen. ") B. A. Str. E 641, Q 825. — Siehe Anhang: St. Blaise und Bliens20 bach. ") B. A. Str. E 641, Q 825. ) Siehe Kapitel: Rathsamhausen. M n ) B. A. Str. C 100. ") B. A. Str. Q 1843. (Jahr 1623—1673.) ) B. A. Str. B o c h, Steintal.

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fürstl. Qnaden von Lützelstein verkauft, kein katholischer Pfarrherr, sondern ein Praedicant daselbsten eingesetzt worden» ra). Nach dem damaligen Grundsätze: «Cujus regio, ejus religio» erfolgte der Übertritt der Steintäler zur evangelischen Lehre, bald nachdem die Veldenz von der Herrschaft Besitz ergriffen hatten, vielleicht 1589"). Nachdem Georg Hans die Reformation eingeführt hatte "), bekam die von ihm am 12. Januar 1574 erlassene Kirchenordnung im Steintal Geltung i e ) ; am 14. August 1627 wurde sie durch Georg Gustav erneuert") und später durch diejenige von Montbéliard ergänzt 28 ). Alte Steintäler erzählten Oberlin, von ihren Voreltern über die Einführung der Reformation folgendes gehört zu haben: «Der letzte Römische Pfarrer hieß Papelier. Da diesem die befohlene Religionsveränderung angekündigt worden, bequemte er sich dazu ohne Schwierigkeit, nahm das neue Costume an und hielt den Gottesdienst auf gut lutherisch, so viel er davon verstund. Er war übrigens von lustigem Karakter und tantzte an den Kirchweihfesten mit den Bauren Mädchen so wacker herum als irgend ein andrer Junggesell. Ja, um sich weniger zu erhitzen, zog er dabey Rock und Kamisol aus*).» Im Jahre 1593 wurde der Pfarrer Michel Sutter aus Lohr"), welches seit 1560 evangelisch war, Pfarrer im Steintale"). Die Kirchenfabrik von Lützelstein zahlte ihm bei seiner Ernennung 10 Gulden aus 3 '). Für die französischen Ansiedler ließen die Veldenz Pfarrer aus Montbéliard kommen. So wurde 1616 Jean Vattelus von Montbéliard zum Pfarrer in Waldersbach ernannt"). Dieser und auch sein 1618 eingesetzter Nachfolger David Charrière scheinen gleichzeitig neben Sutter amtiert zu haben. Q 1843. **) J. B. Masson, Die Siedelungen im Breuschtal. Eis. Monatsschrift 1910/11. M. Schickelé, Etat de l'Eglise d'Alsace avant la Révolution. 1877. S. 144. — Th. W. Rœhricli, Geschichte der Reformation im Elsaß. 1832. III. S. 180. M ) B. A. Str. C 323, 5. ") B. A. Str. C 323, 5. '*) B. A. Str. C 323, 5. M ) B. A. Str. C 323, 5. Mauvaise vie du curé Otton Papelier. 1603. — Oberlin, Bericht an das Direktorium Augsburgischer Konfession vom 20. 11. 1808. — Rœhrich, Le-Ban-de-la-Roche. S. 18. — Stœber, l'aîné, Vie de J. F. Oberlin. 1831. S. 16. — La légende d'Oberlin. [Revue catholique d'Alsace. 1910. S. 3.] — Nach Einführung der Reformation bediente die Kirche zu Natzweiler die Katholiken des Steintals (parochus tatius vallis petrosae, necnon pagi Nassevilleriani). — M. Schickelé, Etat de l'Eglise d'Alsace avant la Réformation. 1877. S. 145. M ) Lohr gehörte damals zur Qrafschaft Lützelstein. ") Stadtbibliothek Straßburg M 734 II. *) Rœhrich, Le Ban-de-la-Roche. Notes historiques et souvenirs.

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Nachdem die Kapelle zu Waldersbach 1618 zur Hauptkirche erhoben worden war 3 4 ), bestanden bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts in der Herrschaft zwei Pfarreien; jedenfalls gab es in der ersten Zeit einen deutschen und einen französischen Pfarrer (SutterVattelus, Charrière). Nach diesen werden genannt Fohr und Querson Cucuel 36 ). Dieser legte 1633 sein Amt im Steintal nieder 36 ). Im gleichen Jahre wurde Hector Qsandry angestellt als «Curé de Rothau du Côté de Waltersbach» "). Ihm folgte als Diakon und Schulmeister zu Waldersbach der wieder aus Montbéliard stammende Nicolas Louis S8 ). Die zuletzt genannten Pfarrer amtierten in der Zeit, wo im Steintal der Hexenaberglaube blühte 3 ") und das religiöse Leben einen erschreckenden Tiefstand aufwies. Bei den Hexenprozessen machten nicht nur die gefolterten Angeklagten, sondern auch die Zeugen die wunderlichsten Aussagen. Eine Fettsalbe, worein die Hexe den Finger taucht, gibt ihr allerlei überirdische Kräfte. Sie verwandelt z. B. Kinder in Schweine, oder sie «hilft ein Hagelwetter machen». Die Angeklagten berichten von «schwarzer Milch», die sie tranken, und von «Zwergpfeifern» und «Buhlinnen», von denen sie bei ihren Zusammenkünften umstrickt wurden. Georg Claß von Neuweiler schildert den Hexensabath «auf der Höhe bei Beifuß»; andere behaupten, im Teufelsloch fWaldgebiet hinter Natzweiler] oder auf der Perheux getanzt zu haben Da war ein Seelsorger nötig, der den Mut besaß, gegen solchen Aberglauben aufzutreten. Das war Nikolas Mannet. Er kam ebenfalls aus der Gegend von Montbéliard, wo er von 1623—1625 in Désandans 41 ) und von 1625—1626 in Clairegoutte gewirkt hat. Ins Steintal wurde er 1626 berufen 42 ); er amtierte also anfänglich neben Hector Gsandry und Nicolas Louis. Später war er alleiniger Pfarrer in der Herrschaft. Während der Kriegsjahre wohnte Marmet in Wildersbach, wo er ein Haus und Güter besaß. Mehrere seiner Kinder sind daselbst geboren und haben sich in diesem Dorfe oder dem benachbarten Rothau verheiratet 43 ). M M 1890. S. 27. ) B. A. Str. C 323, 5. ) Die Kirche von Waldersbach wurde 1751 unter Stuber renoviert. Überschrift Mo Desta e CCL es I a. (Grabinschrift a5 von Stubers Qattin und Büste Oberlins von Ohmacht.) ) Oberlins Annalen; M J9 Pfarrarchiv Waldersbach. ) B. A. Str. C 323, 5. ") Ebenda. ) Ebenda. '•) Siehe Kapitel: Die Pfalzgrafen von Veldenz u. Anhang. Thomasarchiv 41 Straßburg «Hexen im Steintal». ) B. A. Str. E 641. Vorher war er schon 2 M 2 Jahre Pfarrer in Rothäu. * ) B. A. Str. C 323, 5. ) Kirchenregister in

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Energisch bekämpfte der originelle Marmet den Aberglauben seiner Pfarrkinder. Darüber berichtet Oberlin: «Auf dem Altar des Kirchleins zu Urbach stand lange nach Einführung der Reformation noch immer ein hölzernes Haupt Johannis des Täufers, dem die Kirche samt den dazu gehörigen Gütern und dem Berg, an dessen Fuß das Dorf steht, geweiht war. Diesen Kopf küßte jedes zur Kirche kommende Weib oder warf ihm wenigstens eine Kußhand zu. Herr Pfarrer Marmet eiferte sehr gegen diesen abergläubischen Gebrauch. Das half aber nichts, sondern machte das Volk nur noch steifer darüber halten. Darum entfernte er heimlich den Kopf. Man erriet bald, daß nur der Pfarrer ihn beseitigt haben könne, und als Marmet wieder nach Urbach kam, umringten ihn die wütenden Weiber und forderten das heilige Haupt. Da das ohne die gewünschte Wirkung blieb, trieben sie ihn zwischen sich zum Dorfe hinaus, um ihn in die nahe Breusch zu stürzen. Die Männer, die unter sich in Truppen standen, wurden aufmerksam, drangen auf die Weiber zu, erkundigten sich um die Ursache des wilden Geschreis und erretteten den Pfarrer aus ihren Händen. Der Kopf aber blieb von dem an weg**).» Der Johanneskult bestand aber im Geheimen weiter, und die Steintäler beauftragten nicht selten Katholiken der Umgegend, für sie gegen Bezahlung Wallfahrten nach dem Mont St. Jean bei Etival zu unternehmen* 6 ). Der Feuereifer Marmets, der sich im Zorne wohl auch gelegentlich zu heftigen Scheltworten hinreißen ließ, mißviel den Steintälern, und häufig führten sie Klage gegen ihren Pfarrer bei der Herrschaft"). Auch mit dem Amtmann stand Marmet nicht immer gut. Am 6. Juli 1634 schrieb dieser dem Pfalzgrafen: «Einen Pfarrer noch ins Steintal zu setzen, ist nötig, so Er nur bei dem selzamen Marmet bleiben kann» *'). Wegen der steten Anfeindungen trug sich Marmet öfters mit dem Gedanken, einen neuen Wirkungskreis zu suchen*"). Doch verließ er das Steintal nur im dreißigjährigen Krieg auf kurze Zeit*9). Rothau. ") Oberlin, Bericht an das Direktorium Augsburgischer Konfession von 20. 11. 1808. *5) Rcehrich, Le Ban-de-la-Roche. Notes historiques et souvenirs. 1890. S. 36. — Zu Stubers und Oberlins Zeiten noch bezahlten manche Leute katholische Nachbarn, damit diese für sie auf den Mont St. Jean bei Fouday wallfahrteten; diese Wallfahrten «waren der Augenkuren wegen in hohem Kredit». — Oberlin, Bericht an das Direktorium Augsburgischer Konfession vom 20.11.1808. Noch heute soll es vorkommen, daß Kranke auf einem bestimmten Steine zwischen dem Bärhöhsattel und dem Mont St. Jean ein Qeldopfer niederlegen. — Mündliche Mitteilung. Die Kirmes von Fouday und Solbach wird zu Johanni gefeiert. «) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ") B. A. Str. E 5531. ") B. A. Str. C323.5. M Inventar. **) Kapitel: Kriegszeiten. ) Pfarrarchiv Rothau. ") B.A.Str.

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Nach seiner Rückkehr wirkte er noch segensreich bis zum Jahre 1675. In jener Zeit, wo einerseits rohe Sitten mehr und mehr um sich griffen, ist andererseits bei der allzu oft geängstigten Bevölkerung des Steintals ein erfreulicher Zug von Frömmigkeit und Gottergebenheit wahrzunehmen ; davon zeugen die von Marmet geführten Totenregister M). «1652. Jehannon vefue (!) de Hanß Mougeon Schmid de Bellafosse est décédé[e] bien chrestiennement, et a esté [mise] en sa chambre de repos au cemetier de Fouda le 4 Juillet.» «1657. Christmann Qroshaintz de Neuvillers s'est endormi au Seigneur chrestiennement et passé de vie à la vie éternelle, et a esté enterré est mis au cemetier et champ du Seigneur le 19 de Juin à Rote.» «1662. Margueritte femme de Qladon Ringelspach de Neuvillers est décédé[e] et morte chrestiennement en l'invocation du Nom de Dieu, et a esté mise le 21 de Janvier au Cemetier de Rote.» «1663. Elisabeth, femme de Hierig Vouliat, clouxtier, de Valterspacli est décédé chrestiennement, s'est endormie en prières le 1 iour de Février, et a esté mise en terre le 7 iour du dit mois au cemetier de Fouda.» Während der Amtszeit Marmets, im Jahre 1661, fand auf Anordnung des Pfalzgrafen Leopold Ludwig eine Kirchenvisitation statt. "). «Extract der Kirchen-Visitation, welche A° 1661 im May auf Befehl des Pfalzgrafen Leopold Ludwig, Grafen zu Veldentz, durch den Amtmann von Lützelstein, u. den Superintendenten daselbst ist im Steinthal gehalten worden. Es war die erste im Steinthal. [Freitag u. Samstag] die Seniores, w a s noch übrig war. ® [Sonntag] Abschied u. Ermahnungspredigt.

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Interrogatoria. Darüber der Amtmann, Pfarrer, Diacones, Schultheis, Qerichtsschöffen, u. Kirchen Censores abgehört werden. 1. Von des Pfarrers Lehre, ob sie nach Gottes Wort u. der Augsburgischen Confession? 2. W a s , wie, wann, u. wie oft er predige? 3. Ob er auch etwas irriges, falsches, ärgerliches zu Zeiten in predigten mischen od. mit rachgierigen Schmähungen u. Scheltworten sich vernehmen lasse. 4. Ob er die Predigt zu schreiben pflege daß er solche vorweise. 5. W a s für Qebeter in der Kirche. 6. W i e oft die Communion? Ob er auch willig zu den Kranken sich hohlen lasse. 7. Ob er ein Register der Communianten? 8. Ob, wie und wo er den Catechismus mit der Jugend treibe? 9. Wie viel Filialen — wie viel Dörfer — wie weit s i e ? 10. W i e das Gesang in der Kirche. 11. Ob ein Register der Taufen u. Hochzeiten. 12. W a s für Leichen Ceremonien — Register? 13. Ob er junge Eheleute prüfe, ob sie ihren Catechismus u. Christenthum verstehen? 14. W i e ers halte mit dem Verhör der Communianten? 15. Mit den F e y e r t a g e n ? 16. Item mit Besuchen der Kranken. 17. W a s für Bücher — Ob u. was er studiere. 18. Ob er die Zeit mit Spatzieren gehen, fahren u. sonst unnütz zubringe. 19. Ob er keinen Irrthum in der Religion. Papistisch, vinisch etc. 20. Ob er mit wiederwärtigen u. warum.

Religionsverwandten

Cal-

umgehe

21. Wie er mit Weib, Kind, Gesind u. Nachbarn lebe. 22. W i e er mit Diaconen, Diaconen mit ihm u. andern Pfarrern lebe. 23. Ob sie mit jemand in Zank und Hader liegen. 24. Ob muthwillige Leute mit Dräuen etc ihn beleidigen. . 25. W a s seine Besoldung — ob er damit genug — u. zufrieden — ob sie ihm richtig u. gutwillig gereicht werde. 26. Ob er seine Censores allerorten habe etc.

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Wie sich die Amtleute gegen Qottes Wort heil. Sakramente — in ihrem Amt u. Leben — in d. Haußhalt mit Weib, Kind und Qesind verhalten. Ob die Amtleute die Kirchenpolizey etc. handhaben. Ob Pfarrer u. Diacones die Kirchenordnung u. was ihnen vom Fürsten als Episcopos vor der Canzley, u. Superintendend zu besserer Ordnung anbefohlen worden, beobachten. Was für einen Glöckner der Pfarrer habe, wie sich derselbe betrage etc. wie das Morgen u. Abendgeläute gehalten werde. Ob der Pfarrer andere zu predigen aufstelle. (Nein, wisse niemand zu bekommen.) Ob das Volk fleißig bey Kinderlehre etc. in d. Predigt bis zu End bleibe — die saumseligen beobachtet, ermahnet od. gestrafet werden — ob sie den Pf. lieben u. ehren. — Ob unter den Pfarrkindern Irrthümer herrschen als Pap. Calv. Wiedertauf — etc. Ob u. welche unter den Pfarrkindern ärgerlich leben etc. segensprechen über Mensch u. Vieh, wallfahrten gehen — unter den Predigten im Wirtshaus zechen, od. daheim Gesellschaft halten. Ob Faßnachtsspiele, Eyer u. Bratenheischen — Kirchweyhen etc. im schwang gehen. Ob die Eltern die Kind gehörig ziehen etc. Ob die Kind, fromm, züchtig, gehorsam — u. die Eltern im Alter nicht Mangel leiden lassen. Ob Eheleute uneins leben etc. Ob u. wo sonst Uneinigkeit etc. Ob Ehbruch, Hurerey, schandbare Wort etc. vorlaufen, verdächtige Kunkelstuben — Bulereyen etc. Ob u. welche Wucher, Fürkauf, Steigerung etc. treiben — verläumden. Ob ein Gottes Kasten aufgerichtet — Allmosen gesamlet — u. wie angewandt! Wie die Kirchen u. ihr Einkommen. Ob die Kirchen, Capellen, Pfarr u. Schuhlhäuser, Kirchhöfe etc. mit ihren gütern in gutem bau u. ehren — wer sie zu bauen und zu erhalten. Ob Kirchengüter u. Gefälle derselben entzogen werden etc. Ob sie verrechnet u. nützlich angelegt werden, wie die Schuhl bestellt —

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Schuhlmeisters Competence ob er sie richtig empfange. Wie mit den Hebammen? — fleißig, willig? Unnöthige Unkosten bey Kindtaufen? Ob Hochzeit mahlzeiten, Jahrmärkte, Reisen etc. auf den Sonntag angestellt werden. Ob der Pfarrer zu Zeiten jemand pflege namentlich auf der Kanzel zu schelten — u. darin seine Affect spüren zu lassen — denn solches nicht geschehen soll, es sey denn, daß er einen solchen, der es verdienet, zum dritten mahl ermahnet, auch zuvor die Obrigkeit, oder zum wenigsten seinen Superintendenten ersucht u. Befehl empfangen. Ob der Pfarrer den Religionsfriede halte etc. Ob er auch ohne ordentlichen Beruf u. ohne Erlaubnis u. Befehl d. hohen Obrigk. oder Superint. zu verreisen u. seine Pfarrey lange zu verlassen pflege5*). Ob jemand sich an fremde Religions Partheyen verheurathe — od. solche Taufpaten nehme — ob der Pfarrer solches zulasse. Ob unter Amtsleuten, Qerichtspersonen, Censoren etc. Uneinigkeit. Ob d. Pf. Bücher, Hausrath so d. Kirchen zuständig u. bey der Pfarrey verbleiben soll, empfangen — Was für Ornat, u. Geschirr — u. wer es in Verwahr hat. Ob Unterthanen ihre Kind ins Papstth. schicken zu dienen etc. Ob Er sonst noch was zu erinnern.

Directorium abzuhören. H. Amtmann über 1. 2. 3. 5. 6. 8. 18, 19. 20. 21. 22. 23. 29—31. 33 — ad finem. H. Pfarrer u. Diac. über 1. 2. 4. 17. 20. 22. 24 —fin. Reliqui über 1. 2. 3. 5. 6. 8. 18—23. 29 —fin. Responsoria S den 21 May 61 H. Pfarrer M. Nik. Marmet — sagt I. Er predigt wie H. M. David Charrier vor 50 Jahren. M C 323, 5. — Oberlins Annalen. ) Dem Pfarrer wurde 1656 verboten, die Herrschaft ohne Erlaubnis zu verlassen. — Bezirksarchiv Straßburg C 323, 5.

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2. © morgens erklärt er Evang. — nachmittag den Catechism. 4. 5.

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— 8 Epistel. Anfangs geschrieben — nun Dispositions. Gebeter, wie zu Lützelstein etc. — auf die hohe Hauptfeste aber brauche er seine eigene Meditationes. Die Beicht u. Absolution vor dem Altar u. — vor der Predigt, seye nie im Steinthal gebräuchlich gewesen. Deswegen er auch solches vor sich nicht ändern sollen. 5 Communionen — Vorbereitungs Predigt — Beicht — die Ceremonien der Administration wie in Lutheri Catechismus — jedes verrichte seine Beicht knieend. Zu Neuweiler alle © . Kurtze Catechismus Predigt u. dann die Kinderlehre — läßt recitiren Catech. Gebete u. Psalmen — alle 2 oder 3 Wochen examiniert er die Alten. kein Filial — 3 Kapellen, Neuw. Schöneb. Urbach — 2 Kirchen Roth. u. Waldersb. — liegen eine gute starke stund von einander. 9 Dörfer in d. Pfarrey — davon 4 zur Kirche von Roth. u. 5 nach Waldersbach gehören. Er habe die Zuhörer einige Gesänge Lutheri aus dem französ. Mümpelg. Gesangb. u. einige Psalmen aus dem Lobwasser gelehrt. — Ist der einige Singemeister. Das alte Tauf Register war von H. M. Cucuel — der Kirchen Censor hatte es in Verwahr — ist im Krieg verlohren gegangen. — Hiernach hab er selbst eins aufgericht, seye aber auch darum gekommen — da der Weißenburger mit einer Partey sein Haus zu Wildersbach geplündert. Nun schreibt er sie auf Papier, weil er kein Buch bekommen kann. Den Confirmirten ein Leichenpredigt — sonst kleine Vermahnung — Habe ein Register der Leichen, seit dem er wieder im Steinthal. So bald jemand stirbt, läßt man ein Zeichen läuten. — 3 Begräbniß — Todten auf den Schlitten geführt, aus jedem Haus der benachbarten muß der Mann od. die Frau mitgehen — wird nirgend gesungen, als in der Kirche das Cantic. französisch. Im Kriegswesen habe er die meisten Bücher verlohren —nur noch einige Compendia — studiere drin, so viel die Schuhl Zeit läßt.

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25. Besoldung habe er vorhin keine gewisse gehabt — ist erst vor 3 od. 4 Jahren gemacht — bestehet aus 60 R Qeld, 20 V. Weitzen, 20 V. Habern u. 6 Klafter Holz so die Unterthanen machen. Ehe er ins Steinthal gekommen zu Hn. M. Charriere Zeiten und zuvor seye das gantze Steinthal nur aus Einer Pfarrey bestanden — als aber bey Herz. Qeorg Gustav H. sich die Berg. — u. andere Arbeitsleute sehr vermehrt, habe der Fürst die Herrschaft in 2 Pfarreyen abgetheilt — H. Charriöre ist Pf. zu Roth, geblieben — u. H. Marmet zum ersten Pf. zu Wald, verordnet worden. Zuvor seyn Urbach ein Filial von Roth, gewesen. Die Kapell zu Schöneb. u. Kirchhof werden aus ihren Gefällen erhalten — so besser als die von Waldersb. u. Urbach. 47. Er halte die Schuhl zu Wildersb. u. der Diacon zu Waldersb. Es sey jetzt kein besonderer Schuhlmeister im Steinthal. Die Kinder kommen unfleißig Halte alle Tag Schuhl, außer Feyertag u. i> Halte keine ordentliche Stunden, sondern lasse ein jedes Morgens u. Nachmittag seine Lectiones u. Gebet recitiren — also, sind der Kinder viel, währet es lang, sind ihrer wenig, währet es kurz. Lerne keines schreiben, aber das geschriebene lesen. Habe die Eltern unterschiedlich mal erinnert den Kindern Papier, Feder u. Dinte zu kaufen — so aber nicht geschehen. Nur 1 Bub u. 1 Mägdel lernen Teutsch — die andern alle französisch 68 ). Wegen der Schuhlversehung habe er 12 R an Geld u. 4 V. Rocken, von gen. Herrschaft verordnet, wisse aber nicht, ob es die Herrschaft od. Kirche gebe — u. von den Unterthanen 2 Klafter Holtz, wann die Kinder keines in die Schuhl bringen. 48. 2 Hebammen — 49. Gemeiniglich viel Unkosten bey Kindschenken. 53. Im Krieg, habe er auf der Evangelischen Officier Begehren sie einigemal in ihren Quartier besucht u. administrirt — M

) Marmet scheint anfänglich auch deutsch gepredigt und gelehrt zu haben; 1653 weigerte er sich, deutsch zu predigen, weil er nur noch 4 Pfarrkinder habe, die nicht französisch sprechen könnten. — Bezirksarchiv Straßburg C 323, 5.

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aber mit Erlaubnis unsers gen. Fürsten — die er noch schriftlich aufweisen kann — Jetzt gebe es keine Gelegenheit, so komme er auch nicht weiter als Barr. 56. Habe keine Bücher noch Haußrath der Kirchen zugehörig. als einen Kelch u. Patence von Urbach Diacon von Wald, habe ein Kelch u. Patence Did. Schneider Censor zu Schöneb., auch so. Der von Roth, ist im Krieg verlohren. Hans Schmidt der Glöckner von Vald. habe ein Zinnen Taufbeckcn u. kupferne Kann. Did. Schmid zu Schöneb. Zinnen Taufb. u. Kann. 57. Einge Kinder dienen zu Schirmeck. Responsoria Hn. Hochhaussen von Hochhaussen Amtmanns bey der ersten Kirchen Visitation. 44. Die Kirchen u. Kapellen u. Pfarrhäußer, stehen alle im trocknen (außer d. Kap. zu Neuweiler) u. werde alle Jahr dran gebessert. Wisse von keinem Schuhlhauß in d. Herrschaft. 48. Die Schuhl werde zu Wildersb. von dem Pf. u. zu Waldersb. vom Diacono gehalten. Zu des Diaconi Besold. geben um deswillen sowohl als wegen des Pfarrdienstes, die gesamte Unterthanen zu frey willigen Steuer 50 R dazu gn. Herrsch, erlegt 10 R. Daß also seine Pfarr- und Schuhlbesoldung an Geld 60 R. 51.

Mit Namen wisse er niemand den er gemeint hätte. Aber daß er bisweilen die Laster strafe, deren ein Theil nit allein sich bewußt, sondern auch von andern schuldig erkannt sind, u. deswegen dem Pfarrer von ihnen etwas ungütlich ausgelegt wird, dessen könne er nicht in Abrede seyn, u. hielte dafür daß er hierin seinem Amt ein Genügen thäte. Häusel Georg der Schultheiß von Neuweiler — sagt. 30. Dem Glöckner zu Rothau hätte vor diesem die 4 Dörfer von jedem Burger ein halb Thalmeß Korn gegeben. Seyen ohngefähr 60 Burger in den 4 Dörfern gewesen. Den zu Neuweiler hätten die 3 Dorfer ohne zuthun der Roth, allein erhalten müssen, jetztund erhalten sie die beyden Glöckner durcheinander, wie sie können.

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44.

Die Kirchen Güter hätten vordem vielmehr eingetragen. Die Kapell zu Neuweiler müssen die 3 Dörfer ohne Rothau — erhalten, aber er förchte die Armuth werde verursachen daß sie einfalle. 47. Es geschehe Klage von den Pfarrern, daß die Eitern die Kinder nicht in die Schuhle schicken. Hingegen klagen die Leute, daß die Kinder nichts lernen. Wisse nicht, an wem die Schuld seyn. H. Nikolaus Ludovici, Diakon sagt 2. o (Sonntags) Evangel. zuweilen einen andern Text, der sich auf die Zeit schicket. Nachmittag halte er Examen Catecheticum ohne Predigt — einen Sonntag mit den Jungen, den 2ten mit den Weibern, den 3ten mit den Männer.» Aus einzelnen bei der Kirchenvisitation gestellten Fragen war bereits ersichtlich, daß damals eine strenge Kirchenzucht gehandhabt wurde; sie war nötig, da während und nach dem dreißigjährigen Kriege allerorts lockere Sitten eingerissen waren. Die kirchenpolizeilichen Vorschriften und die Strafregister sind leider nicht mehr erhalten; aber aus dem Verzeichnis") der am 15. November 1738 dem Herrn De Ruffec übergebenen Akten können wir folgende interessante Überschriften und Notizen entnehmen: «Register mit Klagen über schlechten Lebenswandel einzelner. (1616—1675).» «Verzeichnis der Kirchenstrafen (1671).» Untertanen, welche von einem fremden Herrn gestraft wurden, mußten auch im Steintal nochmals die gleiche Strafe verbüßen. «Registre contenant les procédures criminelles intentées contre des particuliers pour sorcellerie, meurtre, adultère, incendie, vol d'Eglise, etc. 1592—1674.» «Catalogue des incorrigibles et de ceux qui ne vont pas à l'église.» 1668 wurde dem Coulas Marchai aus Urbach verboten, die Witwe seines Bruders zu heiraten. 1671 wurde Pfarrer Mannet mit mehreren anderen verurteilt, je einen Dukaten zu zahlen, weil sie an einem Sonntage eine Abrechnung vorgenommen hatten. M

) B. A. Str. C 323, 5. Inventar.

M

) Kirchenregister von Rothau. — Der Ver-

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i8g

1671. «Nicolas Vonique de Waltersbach est mis à l'amende de 2 écus pour avoir donné le repas de baptême un jour de dimanche.» 1672/73. «Procès intenté contre Jean Qanier de Rottau qui sous promesse de mariage avoit abusé d'une fille à la St. Louis.» Nachstehende Heiratsurkunden dürften ebenfalls von Interesse sein: 1664. Permission accordée à Clade Ringelsbach d'épouser la veuve Salomé Veltin en se faisant proclamer suivant l'ordonnance, à condition cependant qu'ils ne pourront avoir des violons à leur noces. 1665. «Le mariage de Qladon Ringelspach, vefu de Neuvillers et de Salomé vefue de fut Veltin Vonié à son vivant de Wilderspach a esté confermé en l'Eglise de Neuvillers honteusement par sentence de son Altesse Serenisse, donnée que s'ils n'espousoyent dans 3 semaines, ils deussent mis en prison, et y estre espousés et qu'ils ne devoyent faire aucun festin nuptial ne y inviter aucun garde ou convives sans monestrier et danser, le 9 iour de May ")». «1671 le 14 iour de Mars Didier, fils de Didier Morée de Vilderspach et Catherine fille de Hainsel Schmid Doyen de Valterspach pour leur paillardise ont estez menez de la prison en l'Eglise de Rote pour après y avoir fait une pénitence publique estre espouser avec honte, portant sur leur testes des bouquets d'estrain"). Ils ont donc estez en ce iour là conionts par mariage")». In Zeiten der Not wurden von der Kirche besondere Büß- und Bettage angeordnet und die Musik verboten 68 ). «Prières et jours de pénitence ordonnés par le duc de Veldence dans tous ses baillages en 1673.» «Défenses de ne point avoir de violons pendant le temps de guerre.» In gleicher Weise wurden Dankfeste und Dankgebete befohlen, wenn die Gefahr vorüber w a r " ) . «Fêtes, prières publiques et jeunes ordonnés dans la Seigneurie à l'occasion de la paix de 1650, 1660, 1673.» «Prières publiques faites en 1660 à l'occasion du rétablissement de Charles Stouarde, Roy en Engleterre.» Nach dem dreißigjährigen Kriege befanden sich Kirchen und Pfarrhäuser in schlechtem Zustande; die Kirchengeräte waren abhanden gekommen. Von 1660—1670 wurden die meisten Kirchen fasser in Heft 6 der Eis. Monatsschrift. Jahrg. 1910. Monestrier [patois «ménétrier»"] M = Musik. ) Des bouquets d'estrain = Strohbiische; zum Zeichen der Schande; train ,T ) Kirchen«estrain» hängt zusammen mit «lo x » [patois] = das Stroh. M M register von Rothau. ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ) B. A. Str. C. 323.5.

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und Pfarrhäuser der Herrschaft gründlich ausgebessert; auch wurden Kirchengeräte und Kirchenschmuck angeschafft 80 ). 1657 «Ordre de prendre sur les revenus des Eglises pour faire un fer ä hostie.» 1660 wurde die Kirchuhr zu Rothau repariert. Kurz nach der Kirchenvisitation wurde eine Kollekte veranstaltet für den Unterhalt der baufälligen Kapelle in Neuweiler. 1666 und 1667 wurden größere Ausbesserungen an der Fassade und an dem Dache der Kirche zu Belmont vorgenommen. 1666 wurde für die Kirchen im Steintal ein Abendmahlskelch gekauft. Inzwischen war Marmet alt geworden und bedurfte eines Helfers. Bald nach der Kirchenvisitation wurde Georges Berdot, der frühere Diakon in Lützelstein gewesen war, ins Steintal berufen mit der Bestimmung, daß fortan Marmet in Waldersbach und der Vikar in Rothau wohnen solle' 1 ). Dieser Befehl scheint umgangen worden zu sein; denn wir treffen den Helfer später in Waldersbach und Marmet, der bis zu seinem Tode amtierte, starb in Rothau. Der junge Berdot und Marmet, der im Alter wohl recht wunderlich geworden war, scheinen sich nicht gut vertragen zu haben. Berdot wollte 1665 wegen Streitigkeiten mit Marmet das Steintal verlassen ,!! ), und die Herrschaft sah sich bereits nach einem Nachfolger um. Da erklärte der Vikar, bleiben zu wollen, wenn wieder eine zweite Pfarrei gegründet würde, wie es früher w a r " ) . Das geschah, und Berdot amtierte von 1666—1675 in Waldersbach; er nannte sich «Pasteur et Ministre 6s Eglises de Valdersbach, Urbach et B6mont de la Seigneurie du Ban-de-la-Roche» M). Über die erfolgte Gründung der zweiten Pfarr,stelle war Marmet ärgerlich geworden und wollte 1666 nach Württemberg ziehen"), nahm jedoch nach einiger Überlegung davon Abstand. Nach seinem Tode wurde David Wild, ein kleiner, buckliger Mann, sein Nachfolger. Er war etwas nachlässig, konnte aber gut singen (1675—1681)"). Etwa ein Jahr lang war dann die Pfarrstelle der Herrschaft verwaist. «Alle 8—14 Tage kam Herr Pfarrer Schretzmeyer von Lützelstein und versah den Gottesdienst 67 ).» Als Vikar wird auch noch J. G. Engelhardt genannt"). w 61 Inventar. ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. M M ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ) Oberlins 6S Annalen. Pfarrarchiv Waldersbach. ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. i6 ,7 M ) Oberlins Annalen, Pfarrarchiv Waldersbach. ) Ebenda. ) Rcehrich, Le

,s

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Kirchliche Zustände.

Im Jahre 1685 kam Georges Adam Nigrin als Pfarrer ins Steintal. Er soll ein unzuverlässiger Mensch, wahrscheinlich ein Trinker, gewesen sein. Von ihm erzählte ein alter Steintäler (Claude Bernard aus Solbach), daß er zuweilen die Woche in Barr verbrachte und dann erst am Sonntagmorgen nach Waldersbach geritten kam, wo er scheinbar ohne jegliche Vorbereitung die Kanzel bestieg 69 ). 1691 wurde Jean Duvernoy Pfarrer in der Herrschaft und 1695 D. Nicolas Charrière (1695—1700). Pierre Christophe Morel (1700 bis 1707) nannte sich «Ministre du Ban-de-la-Roche du côté de Valdersbach» und bewohnte das Pfarrhaus zu Waldersbach, in dem «Ph. Houser, Chasseur de Mess. de Landsberg et Oberkirch» bis vor kurzem seine Wohnung hatte. Sein Nachfolger war Léopold-Qeorges Pelletier, der von 1707 bis 1712 im Steintale wirkte. Er fand Zugang zu den Herzen;^ es entstand eine Erweckung; die Bekehrten traten zu Vereinen zusammen und lange lebte das Andenken dieses Mannes segenbringend fort. Von 1704 (1695?) ab bildete das Steintal dauernd zwei Pfarreien: 1. R o t h a u , Neuweiler, Wildersbach; 2. W a l d e r s b a c h , Fouday, Solbach, Belmont, Bellefosse. Die Pfarrer von Rothau sind: David-Nicolas Berdot J. Nicolas Vallet des Barres . . . Conrad Rüger Gaspard Binninger Samuel Nagel Andreas Meyer Johann David Klein Johann Michel Weitknecht . . . Johann Friedrich Schweighäuser. . Jak. Friedrich Kolb Christian Brion Jonas Bockel Theophil Fuchs Charles-Conservé Oberlin . . . . Karl Kuntz

1704—1708 1708—1711 1711—1723 1723—1724 1724—1732 1732—1737 1737—1741 1741—1768 1768—1780 1780—1787 1787—1793 1793—1803 1803—1808 1808—1829 1829—1835

Ban-de-la-Roche, Notes historiques et souvenirs. 1890. S. 57. — Oberlins Annalen, 70 Pfarrarchiv Waldersbach. * ) Ebenda. ) Stadtbibliothek Straßburg M 734 II.

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Das Volk.

Johann Schott Karl Jundt Adolf Buhlmann Emil Dietz Julius North A. Hummel Die Pfarrer von Waldersbach sind: L6opold-Georges Pelletier . . . . Pierre Rayot Qaspard Binninger Joh. Jak. Walter Johann Rapp Pierre Christophe Morel . . . . Joh. Phil. Reinbold David Nikolas Witz Joh. Phil. Ulrich Klauhold . . . . Johann Daniel Bruder Johann Georg Stuber (1. Mal). . . Ernst Heinrich Stöber Johann Georg Stuber (2. Mal). . . Johann Friedrich Oberlin . . . . Phil. Ludwig Rauscher Karl Emmanuel Witz Karl Heinrich Werner Karl Herzog

1835—1836 1836—1854 1854—1865 1865—1902 1903—1908 1908— 1707—1712 1712—1722 1723—1725 1726—1728 1728—1734 1735—1737 1737—1742 1742—1745 1745—1747 1747—1750 1750—1755 1755—1760 1760—1767 1767—1826 1826—1842 1842—1876 1876—1889 1889—

Bis 1726 kamen die Pfarrer aus der württembergischen Grafschaft Montb61iard. Am 16. Oktober 1727 kam das Steintal in den Straßburger Kirchenverband 70 ), und es durften in der Herrschaft nur noch Pfarrer angestellt werden, die im Elsaß geboren waren. Der Straßburger Kirchenkonvent hatte Mühe, Pfarrer für das Steintal zu finden, einmal weil die Zahl der Kandidaten, die imstande waren, in französischer Sprache zu predigen, äußerst gering war, und dann weil sich niemand gern in diese unwirtliche Gegend versetzen ließ. Besonders in der Pfarrei Waldersbach, zu der auch die zerstreuten Bauernhöfe auf dem Hochfelde und jenseits desselben im Hohwald gehörten, war das Pfarramt sehr mühsam. Was gab es da für pastorale Gänge durch hohen Schnee oder durch undurchdringlichen Nebel 71 ), wie unerfreulich war der Umgang mit den armen Leuten, wie gering die Einkünfte! Durch Dekret vom ") Vergl. Oberlins Ritt nach der Barrer Sagemühle. In Mitteilungen aus dem

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29. März 1766 wurde ein im Steintale zugebrachtes Jahr für zwei gerechnet 72 ). Trotzdem kamen die meisten Kandidaten nur, um so bald wie möglich wieder zu gehen. Andern, die sich im Amte ververfehlt hatten, wurde das Steintal als Strafposten zugewiesen. Der erste Pfarrer, der von Straßburg ins Steintal geschickt wurde, ist Johann Jakob W a l t e r " ) . Neben den zwei bestehenden Pfarreien wurden im 19. Jahrhundert noch drei weitere gegründet, nämlich Neuweiler, Fouday und Wildersbach. Neuweiler wurde 1845 zur Pfarrei erhoben. — Auf dem Höhenrücken zwischen Wildersbach und Neuweiler, der heute den Namen A la Chapelle trägt, stand schon vor Einführung der Reformation eine bescheidene Kapelle, das Gottëshaus der beiden genannten Dörfer. Der bauliche Zustand der Kapelle war 1661 so schlecht, daß ihr Einsturz befürchtet und deshalb schleunigst eine Reparatur vorgenommen w u r d e " ) . Trotzdem wurde bald ein Neubau notwendig, und 1704 konnte das mit der Jahrzahl 1573 versehene Glöcklein der Kapelle umgeschmolzen und in das inzwischen in Neuweiler errichtete Kirchlein gebracht werden 76 ). Auf Betreiben Stubers erhielt Neuweiler 1752 eine größere Kirche, die er am 1. Januar 175.3 einweihte. Sie trug die Inschrift: Espéran Ce posa Les fon De Ments, Charité y bâtit (MDCCLII) "). Die frühere Qlocke fand auch in der neuen Kirche wieder Verwendung. Im Jahre 1790 wurde sie von dem Glockengießer Matthieu aus Straßburg umgeschmolzen und vergrößert. Zum ersten Male läutete die neue Glocke am Weihnachtsabend 1790 77). Die jetzige Kirche von Neuweiler ist im Jahre 1859 erbaut worden 7 *). Zur Pfarrei Neuweiler gehört die Annexe Haute-Goutte. Die Pfarrer von Neuweiler sind: G. Büchsenschütz E. Groetzinger A. Matter Claude Roy Geoffroi Roser

1846—1852 1852—1856 1856—1859 1859—1862 1862—1881

Vogesenklub. Nr. 38. 1904. S. 55 u. 56. '») Stadtbibliothek Straßburg M 734 II. ") Über Stuber und Oberlin siehe Kapitel: Wohltäter des Steintals. ") B. A. Str. 75 C 323, 5. ) Gemeindearchiv Wildersbach. Beschlußregister von 1789—1819. ™) Baum, Joh. Georg Stuber, Der Vorgänger Oberlins im Steinthal und Vorkämpfer einer neuen Zeit in Straßburg. 1846. S. 29. " ) Gemeindearchiv Wildersbach. 79 Beschlußregister v o n 1789—1819. ) Das Reichsland Elsaß-Lothringen III 759. B o c h, Steintal.

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Christian Schrumpf August Hering Gustav Kopp August Fischer

1881—1886 1888—1892 1893—1901 1902—1914

Fouday wurde 1861 zur Pfarrei erhoben. — Die dortige Kirche ist die älteste des Steintals. Der Turm stammt aus dem 12. Jahrhundert' 9 ); das jetzige Schiff wurde unter Oberlin errichtet. Die Mittel zu dem Bau spendete in hochherziger Weise der Baron Johann v. Dietrich, in dessen Gegenwart an Johanni 1777 das neue Gotteshaus eingeweiht wurde 80 ). Filialort der Pfarrei Fouday ist Solbach mit seinem kleinen Kirchlein aus dem Jahre 1859. Die Pfarrer von Fouday sind: C. Jordan K. Piepenbring E. Hertzog Eug. Hoffet P. Reichard K. Bricka P. Freund

1761—1872 1872—1880 1880—1885 1885—1891 1891—1896 1896—1900 1901—

1875 wurde auch Wildersbach zur Pfarrei erhoben, nachdem bereits 1862 an Stelle des alten Betsaales die heutige Kirche erbaut worden war. Damals wurde nur ein provisorischer hölzerner Glockenturm errichtet, der 1890 durch den heutigen Turm ersetzt wurde. Die Pfarrer von Wildersbach sind: Tommy Fallot (Pfarrverweser) . . 1875 A. Lindner 1875—1888 P. Mansbendel 1891—1902 P. Werner 1902— Es bestehen also heute 5 evangelische Pfarreien in der ehemaligen Herrschaft, nämlich: 1. Rothau 1 Kirche 2. Neuweiler . . . . mit Haute-Goutte Die Orgel mit Röhrenpneumatik stammt aus dem Jahre 1901. Die Turmuhr wurde 1905 angebracht. ™) Über die Fresken im Chor der Kirche siehe Kapitel: Älteste Zeit. — Über das in der Kirche befindliche Grab des Junker Jörg siehe Kapitel: Die Rathsamhausen zum Stein. "•) Gedenktafel in der Kirche.

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3. Wildersbach . 4. Fouday . . . mit Solbach. 5. Waldersbach . mit Bellefosse mit Belmont

1 1 1 1 1 1

»

und Vereinssaal

» »

und Vereinssaal (erbaut 1913)

Über die Entstehung der Kirche zu Belmont berichtet die Tradition 81 ): «Jedes Jahr stieg ein weißer Vogel auf eine große Eiche herunter, die auf dem Schönenberg stand. Ein frommer Aberglaube trieb die Bewohner von Freydeneck 82 ), welches damals am Fuße des Schönenberg lag, dazu, an jener Stelle eine dem heiligen Qeiste ' geweihte Kapelle zu errichten, die bald das Ziel von großen Pfingstwallfahrten wurde 83 ). Das Dorf Freydeneck, welches auch noch Qrand-Courteau "*) genannt wurde, ist in einem Kriege — man weiß nicht, in welchem — zerstört worden. Beim Herannahen der Feinde haben die Dorfältesten die silberne Glocke der Kapelle in einer Wiese vergraben, und da in dem Kriege alle, welche das Versteck kannten, umkamen, konnte dieselbe bis heute nicht wieder gefunden werden. Die wenigen Bewohner von Freydeneck, welche die Zerstörung ihres Dorfes überlebt hatten, erbauten um die Kapelle auf dem Schönen^ berg einige Hütten. So entstand das Dorf Belmont 86 ). Als man 1775 die jetzige Kirche von Belmont errichtete, wurde die alte Kapelle teilweise eingebaut. Von ihr rühren die zwei Steinsäulen, auf denen die Worte «Terminus chori» eingegraben sind. Das Portal der Kirche trägt die Inschrift: Maneat a e D e s h a e C C e s a L V a . (MDCCLV). Als vor etwa zwanzig Jahren in der Kirche größere Reparaturen vorgenommen wurden, entdeckte man an den Wänden übertünchte Heiligenbilder, die leider zerstört wurden. Auch grub man vier mit dem Kopf nach Osten gelegene Skelette aus "). Wie folgende Tabelle 87 ) zeigt, sind die Bewohner des Steintals fast ausschließlich evangelisch. Bellefosse . . . . 272 Evangelische 3 Katholiken Belmont . . . . 347 » 1 » Fouday 184 » 12 Neuweiler . . . . 601 » 30 » 81

) Annuaire du Bas-Rhin. 1848. Statistique du Ban-de-la-Roche. S. 340—368. ) Der Weiler Bambois (5 Häuser) bei Belmont wird von den Steintälern 8i Freydeneck genannt. ) Die Kirmes von Belmont fällt auf Pfingsten. — B. A. Str. C 323, 5. «Pièces touchant la superstition des offrandes et pellerinages à SchöneM m berg». ) Siehe Kapitel: Älteste Zeit. ) Vergl. Kapitel: Siedelung und 87 Sprache im Steintal. ") Mündliche Mitteilung. ) Zählung von 1905. 8S

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Rothau . . Solbach . . Waldersbach Wildersbach

. . . .

. 969 . 148 . 320 . 591 3432

» » » »

811

1 1 5 864

» » » »

In dem konfessionell gemischten Rothau besteht neben der evangelischen auch eine katholische Pfarrei. Nach 1720 zogen mehrere katholische Hüttenarbeiter mit ihren Familien nach Rothau, und Herr von Angervilliers gewährte ihnen allerlei Vorrechte. So wurde ihnen u. a. die Erlaubnis zum Heiraten unentgeltlich erteilt 98 ). Auch bat Angervilliers den König um Gründung einer katholischen Pfarrei. Seinem Wunsche wurde an Michaeli") (29. September) 1724 entsprochen, und am 22. März 1725 ergriffen die Katholiken Besitz von der Rothauer Kirche. Uber die Einführung des Simultaneums liegt eip ausführlicher Bericht des ersten katholischen Geistlichen von Rothau vor" 0 ), dem wir folgendes entnehmen: Am 22. März 1725 kamen der Rektor Mathias Meyer aus Oberehnheim und ein Königlicher Jesuitenpater-Missionar (un Père Jésuite missionnaire Royal) nach Rothau, um im Auftrage des Weihbischofs von Straßburg das Chor der Kirche zu Rothau in Besitz zu nehmen. Begleitet von dem Priester Berthoumé von Lützelhausen, dem Priester Schnellbach von Haslach und dem Amtmann von Schirmeck, verlangte Herr Meyer die Kirchenschlüssel, die ihm aber verweigert wurden. Eine halbe Stunde später kam der Missionar in Begleitung einer großen Volksmenge, forderte von den Kirchenältesten der Lutheraner dreimal vergeblich die Schlüssel und ließ darauf die kleine Tür der Kirche von einem Schlosser durch Meißelschläge öffnen. Nachher fand mit großem Prunk die Einsegnung der Kirche und des Friedhofes statt. In dem Chor wurden ein Altar und ein Taufstein aufgestellt, welche die Pfarrer von Haslach und Schirmeck reichlich hatten schmücken lassen. Alsdann wurden im Chor fünf Messen gefeiert, denen auch der Priester von Grendelbruch und sein Vikar, sowie zahlreiche Katholiken der Umgegend beiwohnten. Auch hielt der Missionar eine kleine Ansprache in deutscher und französischer Sprache. — Die Rothauer Kirche wurde in den nächsten Tagen von den Stiftsdamen zu Andlau und dem Bischof von Straßburg so reichlich mit Schmuck beschenkt, daß sich keine Nachbarkirche mti ihr vergleichen konnte. So schickte der Bischof u. a. eine u

) Qemeindearchiv Wildersbach. Etat des revenus de la Seigneurie du Ban-dela-Roche. ") Die Kirmes von Rothau wird zu Michaeli gefeiert. ") Qemeinde-

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goldene Monstranz, eine silberne Sonne, ein Meßhemd, drei Altardecken, zwei Teller, zwei Kelchtücher und alles nötige Silbergerät. Am 12. Juli 1725 wurde das Dorf Natzweiler mit der Pfarrei Rothau vereinigt, und am 26. August ordnete der Weihbischof von Straßburg an, daß der in Rothau wohnende Priester und seine Nachfolger einen Sonntag im Monat die Messe in der Kirche von Natzweiler 91 ) zu lesen hätten"). Bald nach Einführung des Simultaneums wurde von dem Oberamtmann Bartmann festgesetzt, wann die verschiedenen Konfessionen die Kirche benutzen durften. Vom Sonntag Quasimodogeniti bis zum 8. September, Mariä Geburt, stand den Katholiken die Kirche bis neun Uhr morgens, und im Winter von neun Uhr bis Mittag zur Verfügung, und das ganze Jahr nachmittags von zwei bis vier Uhr "). Diese Regelung wurde von den beteiligten Parteien angenommen und von dem evangelischen Pfarrer Nagel und 16 lutherischen Familienvätern, sowie von dem katholischen Geistlichen und dem Amtmann unterzeichnet. Durch Verordnung vom 20. Mai 1727 wurden die acht Steintalgemeinden zum Bau eines katholischen Pfarrhauses verpflichtet"*). Sie haben aber von dem Amtmann Jean P e r r y von Schirmeck um 1600 livres ein in Rothau gelegenes altes Haus gekauft und es mit einem Aufwände von 200 livres in Stand gesetzt *5). Mit dieser Lösung der Pfarrhausfrage hat sich am 10. März 1728 der damalige katholische Geistliche für seine Person einverstanden erklärt M ). Obwohl — von Rothau abgesehen — nur 3 Katholiken im ganzen Steintal wohnten"), mußten doch in der Folgezeit sämtliche Gemeinden nicht allein für die Unterhaltung des katholischen Pfarrhauses sorgen, sondern auch dem Priester das Brennholz anfahren und zerkleinern' 8 ). Auch hatten sie das Gehalt des katholischen Lehrers (150 livres) aufzubringen "). Von 1726 ab bezog die katholische Kultusgemeinde der Einkünfte sämtlicher Kirchenfabriken des Steintals 104 ), und sogar die Auslagen für das Pulver, das bei der Prozession am Fronleichnamstage abgebrannt wurde, mußten von den Steintalgemeinden bestritten werden 101 ). ei archiv Rothau. Original französisch. ) Die jetzige Kirche ist 1749 erbaut M worden. Das Reichsland Elsaß-Lothringen III 748. ) Qemeindearchiv Rothau. — M. Schickelé, Etat de l'Eglise d'Alsace avant la Révolution. 1877. S. 145. «Parochus M in Rothau et filialis Natzviller». "3) Qemeindearchiv Rothau. ) B. A. Str. ,7 9t ••) B. A. Str. C 151, 67. ) B. A. Str. C 151, 67. ) B. A. Str. 151, 67. M m 10 C 151, 67. ) B. A. Str. C 651. ) B. A. Str. C 651. °) Stadtbibliothek 101 1M Straßburg M 734 II. ) B. A. Str. C 651. — Oberlins Annalen. ) Stadt-

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Das Volk.

Mehrfach kam es auch zu Reibereien zwischen den Angehörigen oder Geistlichen der beiden Konfessionen. Der evangelische Pfarrer Klein wurde 1740 versetzt, weil er das Venerabile (die geweihte Hostie) nicht gegrüßt hat 108 ). Zwistigkeiten wegen Benutzung der gemeinsamen Kirche wurden 1770 durch Herrn Régemorte geschlichtet. Er entschied: «Die Protestanten haben das Recht, jeden Tag zu läuten und in die Kirche zu gehen, aber wenn der Pfarrer am Gründonnerstag und Karfreitag die Kirche leer lassen und die etwa auf diese Tage fallenden Beerdigungen am Gründonnerstag in aller Frühe oder am Karfreitag abends halten will, so soll man das als Gefälligkeit, aber nicht als Recht ansehen» ira ). Als 1771 Baron von Dietrich mit der Herrschaft belehnt wurde, war die evangelische Bevölkerung hoch erfreut, während die Katholiken in Rothau der Ankunft des protestantischen Herrn mit Bangen entgegensahen 104 ). Bald jedoch verschwand ihre Furcht; denn obwohl der neue Herr die Evangelischen von verschiedenen ungerechten Lasten befreite, schmälerte er doch in keiner Weise die Rechte der Katholiken. Durch Königl. Dekret vom 19. März 1774 wurde verordnet, daß im Elsaß die Kinder aus Mischehen katholisch werden müßten 106 ), und am 23. März 1782 wurde bestimmt, daß im Elsaß die Kinder evangelischer Konfession, sobald sie das 14. Lebensjahr vollendet hatten, zum Katholizismus übertreten konnten 10 "). Diese beiden Dekrete riefen im Steintal große Erbitterung hervor 107 ), umsomehr als gerade in jener Zeit die Pfarrhausfrage von Rothau wieder neue Geldopfer von den fast ausschließlich evangelischen Gemeinden erheischte 108 ); denn am 24. Oktober 1767 war durch Arrêt des Königl. Staats-Rats verordnet worden, «daß die Pfarrherren in der Provinz Elsaß, die im Fall sind zu begehren, daß ihnen von den Städten und Gemeinen neue Häuser gebauen oder ihre Wohnungen ausgebessert werden sollen, sich in solchem Fall bey dem Herrn Intendanten melden sollen»10"). Daraufhin bat «Jean Charles Masson, prêtre curé Royal du Ban-de-la-Roche et de Nasseviller» um Reparatur seines Pfarrhauses, das sich in Wirklichkeit in einem sehr schlechten Zustande 10S bibliothek Straßburg M 734 II. ) Oberlins Annalen; Plarrarchiv Waldersbach. 104 105 10í ) Ebenda. ) B. A. Str. alte Nr. A 13. ) B. A. Str. alte Nr. A 13. 107 1M ) Oberlins Annalen; Pfarrarchiv Waldersbach. ) Oroßherzogl. Generallandesarchiv Karlsruhe, Nachlaß Orand'idier. Etat de la Diocèse de Strasbourg, tome III, 61—62. — Um 1770 gab es in der Herrschaft 418 lutherische, 41 katholische, 1M 21 kalvinistische und 6 anabaptistische Familien. ) B. A. Str. alte Nr. A 1 3 .

Kirchliche Zustände.

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befand; außerdem verlangte er den Bau eines Stalles (für Pferd und Kuh), einer Scheune, eines Holzschuppens und die Errichtung eines Gartenzaunes 110 ). Bereits 1740 hatten eine gründliche Ausbesserung des Pfarrhauses und der Bau der Nebengebäude vorgenommen werden sollen. Natzweiler, wo mehr Katholiken wohnten als in Rothau und dem ganzen übrigen Steintal, sollte ein Viertel der Kosten tragen. Da aber diese Gemeinde trotz mehrfacher Aufforderung durch den Intendanten De Bron sich fortgesetzt weigerte m ) , ihren Verpflichtungen nachzukommen, hatte damals nur eine oberflächliche Reparatur stattgefunden, und der Bau von Stall und Scheune war unterblieben 11S). Auf die Bitte des Pfarrers Masson hin wurde nach längern Verhandlungen der Bau eines neuen Pfarrhauses beschlossen. Auf Grund des Planes und Kostenanschlags vom 15. Juli 1775 schritt man am 9. Januar 1777 zur Vergebung der Arbeiten. Der Kostenanschlag belief sich auf 6000 livres. Mindestfordernder war der Unternehmer André Tourne aus Grendelbruch, dem die Arbeiten zum Preise von 4460 Franken übertragen wurden. Nach Abzug von 600 Franken für die Materialien des alten Hauses blieben an ihn noch 3860 Franken zu zahlen. Davon mußte Natzweiler 965 Franken und das Steintal 2895 Franken aufbringen 113 ). Mittlerweile kam die Revolutionszeit heran, deren Einfluß sich bald auch auf kirchlichem Gebiete geltend machte. Nachdem 1788 der Baron Dietrich sich bei der Commission intermédiaire schwer beklagt hatte, weil die Gemeinden die nötigen Ausbesserungen am katholischen Pfarrhause in Rothau nicht vornehmen wollten "'), kehrten am 2. März 1791 die Gemeinden Rothau, Neuweiler und Wildersbach den Spieß um und forderten kategorisch, daß der frühere Herr, Baron Dietrich, die Kirchen ausbessern lasse, oder daß sie geschlossen würden, bis neue gebaut wären. Ihre Forderung wurde allerdings vom Direktorium des Distrikts Benfeld abgelehnt 1U ). In jener Zeit verlangten auch die Protestanten in Rothau, daß sie während der Karwoche die Kirche in gleicher Weise benutzen dürften wie die Katholiken. Daraufhin entschied das Direktorium des Distrikts Benfeld in seiner Sitzung vom 11. November 179Ì, »qu'il y a lieu d'arrêter que les protestants auront l'usage de l'église ainsi que les cloches les trois derniers jours de la semaine sainte, ainsi B. A. Str. C 151, 67. " ) B. A. Str. C 151, 67. 3

1U

112 ) B. A. Str. C 151, 67. ) B. A. Str. C 151, 67. "') B. A. Str. C 774 a Nr. 484 u. 540. 115) B. A. Str.

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Das Volk.

qu'ils l'ont le reste de l'année et que les catholiques seront invités de ne point troubler la tranquillité publique en gênant leur culte au maintien duquel la loy veille» lie ). Am 16. März 1792 erklärte der katholische Geistliche von Rothau und Natzweiler, daß er keinen Vikar habe, obwohl seine Pfarrei wegen der Annexe eine der schwierigsten sei, und daß er darum zu seinem Qehalte noch dasjenige eines Vikars beanspruche. Diesem Wunsche wurde durch Beschluß des Direktoriums am 10. April 1792 entsprochen 117 ). Durch Beschluß des Nationalkonvents vom 28. Nivôse II (Dezember 1793) war bestimmt worden, daß alles in den Kirchen vorhandene Qetüch nach den Distriktshauptorten gebracht werden solle, um in den Militärspitälern Verwendung zu finden. In der Sitzung vom 8. Ventôse II (Februar 1794) bestimmte das Direktorium des Distrikts Benfeld (Barr), daß die Gemeinden — also auch die des Steintals — diesen Beschluß unverzüglich auszuführen hätten, «considérant qu'il est instant de faire exécuter la dite loy qui intéresse le service le plus important de l'armée, puisque d'un côté il se rapporte au soulagement des frères d'arme malades et blessés en défendant la patrie et que de l'autre elle tend à déraciner le Charlatanisme des prêtres qui ont toujours fait le malheur des citoyens, que différantes communes ont déjà fourni une partie de linge de leurs Eglises qui sont comme supprimées puisque par l'arrêté des Représentants du peuple du 21 nivôse tout rassemblement est défendu»" 8 ). Aus diesen Worten ist ersichtlich, von welchen Gefühlen der Kirche gegenüber man in leitenden Kreisen beseelt war. Am darauffolgenden 9. April wurde im Steintal jeder Gottesdienst verboten "*), und es folgte ein böses Jahr für Geistliche1"0) und Kirche. Damals wurden auch die Kirchengüter im Steintal zum Teil veräußert, jedoch später wieder angekauft" 1 ). Vom Juni 1795 (an III) ab durfte wieder Gottesdienst abgehalten werden. Oberlin gab damals vor der Munizipalität seiner Gemeinde nachstehende Erklärung ab: «Aujourd'hui, le 18 Messidor de l'an III de la République une et indivisible, est comparu Jean-Frédéric Oberlin, lequel a déclaré qu'il Régistre général du Département du Bas-Rhin, von 1791 Nr. 5669. "*) B. A. Str. Régistre des délibérations du Directoire du District de Benfeld III Nr. 2097. 117 ) B. A. Str. Régistre général du Département du Bas-Rhin, von 1792 Nr. 17043. " 8 ) B. A. Str. Régistre des délibérations du Directoire du District de Benfeld lie lso VIII Nr. 7399. ) Stœber, l'aîné, Vie de J. F. Oberlin. 1831. S. 258. ) Siehe m Kapitel: Wohltäter des Steintals. ) Stadtbibliothek Straßburg M 734 II

Kirchliche Zustände.

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se propose d'exercer le ministère d'un culte connu sous la dénomination de religion évangélique ou protestante de la Confession d'Augsbourg, dans l'étendue de cette commune de Waldbach, et a requis qu'il lui soit donné acte de sa soumission aux loix de la république; de laquelle déclaration il lui a été décerné acte, conformément à la loi du 11 Prairial an III123). Signé: Jean-Frédéric Oberlin.» Nach der Revolution bestand in Rothau das Simultaneum weiter, bis 1863 die Kirche den Katholiken übergeben und eine neue protestantische erbaut wurde (Renaissancestil)"*). Die Einkünfte der Geistlichen bestanden vor Einführung der Reformation ausschließlich in Zehnten"'). Über die Bezüge gibt das Zinsregister von 1489 nähern Aufschluß" 8 ). Der Kirchherr (Priester) von Rottowe bekam von dem Pfennigzins, den die Herrschaft auf Füllen, Kälber und Immen erhob. «Was Zehenden sind jenseits der Schybegott""), das ist Schönenberg, Waltersbach, Ober-Urbach "*), Solbach, Nyderrottaw, Wilgensbach, Nuwiler, bekommt mein Herr ein Dritteil, der Jungherr ein Dritteil und der Kirchherr ein Dritteil.» Auch vom kleinen Zehnten fiel dem Priester ein Drittel zu. Der Priester in Helmsgereut bezog die gleichen Anteile an Zehnten von dem Teil der Herrschaft «disseit der Schybegott, nämlich Helmßgerütt, Blinßbach, Beifuß, Urbach disseit des Wassers» (linkes Ufer). Ähnlich verhalten sich die Dinge 1534""). Helmsgereut und Bliensbach waren damals zwar schon abgetrennt 1 "). Trotzdem waren aber das Steintal und die beiden nunmehr bischöflichen Orte zu einem Amte vereinigt 1M ), und auch die beiden Kirchspiele Rothau und Helmsgereut blieben in ihrer früheren Form bis zum Verkauf des Steintals bestehen. Das Gleiche gilt für die Zehntenanteile, welche die zwei Geistlichen bezogen 1J1 ). Wie aus den Saalbüchern von 1489 und 1534 hervorgeht, ia

1M ) Stœber, l'aîné, Vie de J. F. Oberlin. 1831. S. 285. ) Das Reichsland III 917. 1S5 li6 "•) B. A. Str. C 323, 5. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ) Chirgoutte, Nebenfluß der Breusch, der durch das Steintal fließt und bei Fouday mündet. Der auf dem rechten Ufer der Chirgoutte gelegene Teil von Fouday. 15S 129 ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. Saalbuch. ) Siehe Kapitel: Rathsamhausen I3 1S1 zum Stein. °) B. A. Str. E 641. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. Saalbuch. Der Priester von Helmsgereut erhielt die Hälfte vom Pfennigzins und dem kleinen Zehnten im Teil «disseit der Schybegott», «ußgenommen den Hanfzehnden, nimmt die Herrschaft deren 2U — die Wildseil daruß zu machen — und der Priester das

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Das Volk.

empfing der Pfarrer von Rothau auch '/» des Zehnten zu St. Lüdlin (Natzweiler), das Filialort von Rothau war. Die Herrschaft selbst bekam davon */». Nach Einführung der Reformation im Steintal wurde der katholisch gebliebene Ort Natzweiler von dem Priester zu Schirmeck versehen, dem somit V» der Zehnten zufallen sollte, während die Herrschaft im Steintal */» derselben behielt. Im Jahre 1625 entspann sich wegen dieser Zehnten zwischen dem Priester zu Schirmeck und dem Pfalzgrafen Georg Gustav ein langer Streit 1 ' 2 ). Ersterer beanspruchte nämlich */» der Zehnten und ließ auch die Garben in ¿eine Scheune bringen, ohne daß er hierzu ermächtigt war. Er behauptete nämlich, daß eigentlich auch früher schon die Priester in Schirmeck die Seelsorge in Natzweiler hätten versehen müssen, da beide Orte im Bistum liegen; weil aber der Weg dorthin zu weit und zu beschwerlich gewesen sei, hätten die Amtsbrüder von Schirmeck und Rothau vor 60 Jahren ein Abkommen getroffen, wonach der Priester von Rothau den Dienst in Natzweiler zu tun sich bereit erklärte gegen Abtretung der Zehnten, die der Priester von Schirmeck dort zu empfangen hatte; dieser Vertrag sei durch die Religionsveränderung in Rothau von selbst gefallen. Wir sehen, daß diese Auffassung mit den maßgebenden Bestimmungen der genannten Saalbücher nicht im Einklang steht. Am 29. Juli 1625 wandte sich Pfalzgraf Georg Gustav in der Angelegenheit an den Amtmann zu Molsheim und Schirmeck, Rudolf v. Newenstein, und forderte die Zurückgabe der vom Priester unrechtmäßig erhobenen Zehnten. Nach einer sehr parteiisch geführten Untersuchung wurden durch das Gericht zu Molsheim im Februar 1627 die Zehnten dem Priester zu Schirmeck zugesprochen. Der Pfalzgraf erhob jedoch im April und August Gegenklage. Daß die bischöfliche Regierung kein ganz reines Gewissen hatte, geht aus einem Schreiben der bischöflichen Räte in Zabern vom 26. Oktober 1629 hervor, in dem sie den Gerichtspräsidenten in Molsheim ermahnen, beide Parteien nach Gebühr anzuhören, da sonst zu befürchten sei, «das geistliche Gericht möchte in noch größere Veracht» kommen. Welches Urteil in dem neuen Prozeß gefällt wurde, ist nicht bekannt. Vielleicht ist infolge der nun einsetzenden großen Kriegswirren die Angelegenheit im Sande verlaufen; Pfalz-Veldenz blieb im Genuß der Zehnten. Im Jahre 1665 begann der Streit aufs neue; er endigte 1667 mit einem Sieg des Priesters 1 "). 13a DritteiU. ) B. A. Str. O 1843. — Akten aus 1M ) B. A. Str. O 1843. — Akten aus BiSchweiler. —

BiSchweiler. Inventar. Das Reichsland III 748.

Kirchliche Zustände.

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Nach Einführung der Reformation bezog der Pfarrer in Rothau ein Fixum von 60 florins, 20 Sack vom Zehnten zu Oberehnheim und 20 Sack vom Zehnten im Steintal "*). Der Kriegsunruhen halber scheint jedoch Marmet dieses Qehalt nicht bekommen zu haben; den 1653 beschwerte er sich über den Amtmann, weil dieser ihm seine Bezüge nicht regelmäßig aushändige >S6), und bei der Kirchenvisitation erklärte er, bis vor 3 oder 4 Jahren keine feste Besoldung empfangen zu haben" 8 ). Von 1658 ab bezog er 60 Gulden in Geld, 20 Viertel Weizen, 20 Viertel Hafer und 6 Klafter Holz, das die Untertanen anfahren und zerkleinern mußten. 1667 verlangte Marmet, da er in seinem eigenen Hause wohnte, 2 florins 5 Schillinge Entschädigung aus der Kirchenkasse 1 ' 7 ). Über die Bezüge der Pfarrer im Jahre 1723 liegt folgende Aufzeichnung vor "') : «Le premier ministre qui est allemand possède une Maison en très bon état avec un jardin potager de trois quarts de Journal, Deux prairies derrière la maison de deux Journaux, sur lesquelles il peut faire deux chariots de foin. Plus une pièce de Champ ou terre labourable d'un demi journal du côté de la Vieille forge. Plus une prairie appellée Minckette de trois quarts de Journal, sur laquelle il peut faire environ un Chariot de foin. Plus la prairie appellée chaudron pré consistant en un journal et qui rapporte un Chariot de foin. Plus une prairie derrière la Scierie d'un Journal rapportant un Chariot de foin. Plus une prairie au dessous du Village de deux Journaux, rapportant deux Chariot de foin. Plus à Neuviller, qui est un filiale un quart de pré, rapportant un quart de Chariot de foin. Plus un Journal et demi de Champ, qui rapporte annuellement la rente de cinq francs. La Compétence en argent par an est de cent trente francs en en en en 134

Métail de huit rezeaux | Seigle de quinze rezeaux I ,, ,. . . .. > payable en quartiers. avoine de dix rezeaux Bois de vingt Cordes J

1M 1M ) B. A. Str. C 323, 5. ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ) Kirchenvisi137 13S tation, Antwort 25. ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ) Qemeindearchiv

204

Das Volk.

Plus la moitié du tiers de la menue dixme consistante en poids [pois], grosses feves, Chanvre et lin. Toute la Competence cy dessus est à la Charge du Seigneur, mais l'entretien des Eglises, Chapelles et Maisons curiales est à la Charge des revenus des dites églises et qu'en Cas qu'ils ne suffisent point, les habitants y pourvoyent allieurs. La Competence du second ministre, qui est français et qui demeure a Valdersbach, et qui est à la charge du Seigneur, consiste par an en argent quatre vingt francs en métail, c'est à dire moitié froment et moitié seigle dix rezeaux payable par quatiers. et pur seigle dix rezeaux en avoine dix rezeaux Plus il jouit d'un préz dit le pré Saint Jean consistant en quatre Journaux, qui n'a rapporté la présente année parce qu'elle étoit extrêmement sèche et aride, que deux chariots de foin, mais qui peut rapporter dans les communes années trois Chariots de foin. En Bois de Chauffage seize Cordes, dont la façon et livraison est à la Charge des habitants.» Oberlins Qehalt betrug bis zur Ankunft Dietrichs 200 Das Pfarrhaus in Waldersbach war ein «gefängnisähnliches Rattennest». Im Jahre 1787 wurde das heutige Pfarrhaus erbaut. Über die Pfarreinkünfte unter Dietrichs Herrschaft lassen wir die Pfarrer selbst sprechen 1 "). «Jährliche Besoldung des Evangelischen Pfarrers im Steinthal Rothauer Seits in den Jahren 1770 und folgenden da alles theuer war (von dem dasigen Herrn Pf. Schweighäuser entworfen den 24. Jenner 1774) Eine Wohnung 1M ), die angehet, wann es windstill ist. Aber bey Wind und Regen kann man sich im Hause selbst nicht erwehren, Schuppen (!), Brustsucht u. d. Saamen zu andern Krankheiten einzunehmen. Ja man muß oft die nöthigsten Geschäfte und die Nachtruhe beyseite setzen, um wider Wasser, Wind, Schnee u. Kälte zu kämpfen. Wildersbach, «Etat des revenus de la Seigneurie du Ban-de-la-Roche». 13e) Ober1 lins Annalen; Plarrarchiv Waldersbach. *°) Durch Unvorsichtigkeit einer Magd

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Kirchliche Zustände.

An Holz, so viel nur, daß man bey kluger Austheilung mit Noth auskommt, indem man wegen des Hauses und des Landes Beschaffenheit viel braucht. Habern, 10 Fierthel. Davon wenigstens 8 Fierthel wird drauf gehen, vor Pferde auf den Reisen nach Straßburg und vors Futter für Schweine und Geflügels. Bleiben also etwan zum Verkauf 2 Fiertheil, macht etwan 7 R — ß — Schlechten Molzer 8 Fierthel 48 — — Korn, 20 Fierthel (hoch angesetzt) . . . 120 — — an baarem Qeld 90 R — ß — 4 Accidentien für Kindtaufen, Hochzeit, Leichen — u. andere freywillige Verehrungen . . . . 12 — Von der Fabrik 10 — — Zinß für ein Gut zu Neuvillers 9 — — In Hanf u. Flachszehnden 30 — — Etliche Matten, woraus man Futter für soviel Vieh ziehet, daß man für eine kleine Haußhaltung 3 Vierthel Jahr lang Milch u. Butter bekommt. (Die Käse werden von den Taglöhnern wieder verzehrt.) Nebstdem kann der Pfarrer noch Heu verkaufen für etwa

16 R

— ß — •?>

342 R Ferner einen Acker, woran man jährlich ein Vierthel Weitzen ziehen kan, u. soviel an Erdäpfeln, als man für eine kleine Haushaltung in 6 Monaten braucht. Endlich einen Garten, der Gemüs, aber kein Obst ergibt. Von solcher Einnahmen nun müssen die Ausgaben abgezogen werden, die man verwenden muß die Einnahme zu ziehen als 1. Vingtième 6 R 2. Das Vieh, die Matten, den Acker und Garten zu besorgen ist eine besondere Magd nöthig und diese kan mit den hiesigen Kosten kommen auf . . . . 70 » 3. Den Acker zu pflügen, säen, erndten, Besserung führen, wenigstens a u f . . . 5 » 4. Das Heu macht die Gemeinde frohnweise; man muß aber die Arbeiter nähren; kommt auf . 8 »

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Das Volk.

5. Das Ohmt machen und führen . . . . 7 R 6. Die unumgänglichen Reisen auf Straßburg (ohne Heu u. Habern) 24 » 7. Brief- u. Paquet-porto, nebst Belohnung derer die dieselbe zu Neuvillers u. zu Barr besorgen 6 » 8. Da allenthalben Schwierigkeiten, Noth u. Mangel in der Pfarrey ist, so kan ein Pfarrer der kein steinern Herz hat, nicht wohl anders als hier u. dar von seiner Besoldung hergeben bey 20 R 9. Hanf u. Flachs verarbeiten ehe er kan gesponnen werden 10 R 10. Die Matten wässern u. besorgen . . . 2 R 158 R Also macht die Einnahmen 342 R und die dazu nöthigen Unkosten belaufen sich auf 158 R Bleibt 184 R Von diesen 184 R nun also soll man leben u. den Weitzen, Wein, Kleider, Fleisch, Artzneyen, Lichter, Oehl, Zucker, Qewürtz, Haußgeräth anschaffen, u. eine Dienstmagd unterhalten. Zu dem müssen die eben gemeldeten Bedürfnisse mit Mühe u. Unkosten aus der Ebene hinter das Qebirg ins Steinthal gebracht werden. Auch ist zu wissen, daß dem Pfarrer bey Einnahme der gemeldeten Besoldung, theils durch die Armuth des Landes, theils durch die Bosheit der Wiedersacher manche Hindernisse, Schikanen u. oben nicht gemeldete Unkosten verursacht werden. N.B. Die Gemeinde besteht aus 150 Haußhaltungen, von welchen 130 eine bis 2 Stunden vom Pfarrhaus entfernt sind. Es sind 4 Schuhlen zu besuchen.» «Revenus de la Cure de Valdersbach Auf Begehren des Qen. Landes Herrn aufgesetzt. (1779.) I. F e l d e r — a c h t Z u g e , od. Attelées, jeder von IV2 Sester Korn Aussaat. Der Pfarrer muß sie selbst bauen lassen (nicht zu seinem größten

Kirchliche

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Zustände.

Nutzen) sonst werden ihm die versprochenen Zinse nicht bezahlt, u. die Felder selbst werden erschöpft. Die Kosten des Bauens belaufen sich fast so hoch — (und zuweilen wirklich höher) als der Ertrag. Wärens mehr, so könnte man sie bisweilen ruhen lassen, u. die Unkosten würden nach Proportion geringer seyn. Nie hab ich noch das benöthigte Stroh selbst bauen können. II. Q ä r t e n 1. Einer am Haus, auf 9 ® Lehnung geschätzt 2. einer hinter dem Schuhlhaus, auf 6® Lehnung geschätzt. Beyde sind der benachbarten Hühner wegen eine reiche Quelle von Verdruß und Schaden. III. M a t t e n 1. eine schöne, große, im Trouchi, le pré St. Jean. Wird auf 100 ® Lehnung geschätzt. 2. eine kleine zu Solb. trägt 12® Lehnung. IV. F r u c h t

1. von Qen. Herrschaft i. 2. 3. 2. von d. Gemeinde

Molzer 6 Sacs Korn 10 » Habern 10 » Korn 10 »

V. Q e 1 d

1. von Qen. Herrschaft Zulage seit dies Jahr 2. von d. Gemeinde 3. Casuel, beläuft sich schwerlich auf

.

40 R 50 » 60 » . 20 »

VI. K l e i n e r Z e h n d e r an Hanf, Flachs, Erbsen, Linsen, Bohnen etc. wird geschätzt auf 30 R VII. H o 11 z 16 Klafter. B a l a n c e . E i n n a h m . Wann ich alles rechne, was ich theils in baarem Qeld bekomme, theils aus verkaufter Frucht od. andern Producten einnehme, belauft sichs auf 250 bis 270 R u. nun durch die Zulage auf bis 300 bis 320 R.— A u s g a b e . Alles das ungerechnet, was ich bisweilen zur Verbesserung der Pfarr Qüter etc. angewandt u. alles dessen, dessen unumgängliche Nothwendigkeit mir die Steinthäler bestreiten könnten, belaufen sich die übrigen Ausgaben auf 6—8 hundert Qulden in baarem Qeld.» In der Revolution wurden die Geistlichen aufgefordert, ein Verzeichnis ihrer Einkünfte an das Sekretariat des Distrikts zu schicken. Oberlin tat das in folgender Weise.

Das Volk.

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1. Frucht

Was?

2. Korn

1. Molzer

» 3. Habern 2. Geld 140 R =

Wie viel?

3 Säck Weitzen 3 Säck Korn 10 Säck \ 10 Säck / 280 L.

Verfall Zeit

«s*

bezahlt

5) S n

Rothau

Von Vierthel 1790 bezahlt zu Vierthel Jahr

Von d. Freyhof zu auf Martini 1790 bezahlt Ottenroth u. OberEhnheim 1790 n. Von den Zehend- nach d. Helfte Männern z. Valdersb. des jetzt laufenden Jahres.

Woher?

B

Burger Last

Burger hohltens frohnweiß.

Pfarrers Last

Wein u. Brod

Wein u. Brod

1790 geliefert Burger bezahlten Dem Übernehmer d. Macher u. Fuhrlohn Fuhr ein Glas Wein.

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ich mußte ihn hohlen u. zubereiten lassen.

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3. Buchen Holtz

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den 6ten Theil 4. Kleine Zehender Hanf, Flachs, Erbsen, vom gantzen Linsen, Bohnen etc etc. Steinthal

z 8

209

Kirchliche Zustände.

Pfarrer Brion in Rothau, der Bruder von Goethes Friederike, machte folgende Angaben 141 ): I. Champs et prés (2388 verges) . .

227 livres 50 » 130 » 30 »

II. Argent! ) III. Dixmes: IV. Blé

des bourgeois . . . . du Seigneur V« de la menue dixme . 4 rézeaux de froment 24 » de seigle (dont 5 des bourgeois) 10 rézeaux d'avoine . . V. Bois de chauffage: 16 cordes . .

228

»

60

»

192

»

1049 livres Charges I. Deniers royaux II. Travail sur le bien, pour le cultiver, faire foin etc. Il reste donc

12 livres 124 » 136 livres 973 livres

Auf Grund der eingesandten Verzeichnisse wurden die Pfarrgehälter neu geregelt. Für Rothau wurde folgendes bestimmt 1 "): «Le directoire du district de Benfeld estime qu'il y a lieu d'arrêter qu'au remplacement de la menue dixme dont jouissait cidevant le ministre de la cure protestante de Rothau, il lui sera payé annuellement par le receveur du district une somme de . . . 68 8 10 ß — et de la compétence . . . . du décimateur par . . le même receveur 330® — — des 14 cordes de bois de hêtre selon le tarif 18 8 252 18 — — des 4 rézaux de froment de 15 ® 14 ß 62 ® 10 ß — des 19 rézaux de seigle à 10® 9 ß 198® 11 ß — et des 10 rézaux d'avoine 71 8 5 ß 10 S 983 ® 2 ß 10 S Laquelle somme lui sera payée comme dit est à commencer le premier janvier de la présente année (1792) à la fois sur mandat à délivrer, et par la suite de trois mois en trois mois avec un quart chaque fois comme traitement à la charge de la nation.» 141 ist das Pfarrhaus am 1. 11. 1809 abgebrannt. — Oberlins Annalen. ) B. A. Str. ia Administration départementale. Bien public N° 97. ) B. A. Str. Régistre des

B o c h, Steintal.

14

210

Das Volk.

In ähnlicher Weise wurden die Einkünfte Oberlins in ein staatliches Qehalt umgewandelt m ). Das Qehalt des katholischen Pfarrers von Rothau und Natzweiler wurde auf 1200 Franken festgesetzt.

2. Schulwesen. Vor der Reformation gab es im Steintal keine Schulen. Den Rathsamhausen lag nichts ferner, als sich um die Bildung ihrer Untertanen zu bekümmern. Erst Pfalzgraf Qeorg Hans ließ in seiner neuen Besitzung Schulen einrichten, wie er es bereits in Lützelstein und Pfalzburg getan hatte. In seiner Jugend hatte er selbst eine sehr gute Ausbildung empfangen, und er wollte auch allen seinen Untertanen das Rüstzeug tüchtigen Wissens und Könnens mit auf den Lebensweg geben. «Die Schulen,» sagte er, «sollen sein wie ein schöner Qarten, wo man alle Arten herrlicher Blumen säet, so daß die Jugend erzogen wird zur Ehre Gottes und Freude der Menschen und dereinst Qott und dem gemeinen Wohle dienen kann1).» Anfänglich mag wohl nur Rothau eine Schule besessen haben; später wurden aber auch nach Waldersbach und den übrigen Dörfern Schulmeister geschickt. In den Jahren 1614 und 1615 kam es zwischen den Pfarrern, Schullehrern und Gemeinden zu Differenzen wegen Gehaltsangelegenheiten *) (au sujet de divers droits attachés aux compétence et salaires des ministres et autres affaires). Um solche Streitigkeiten für die Zukunft zu vermeiden, hauptsächlich aber um das Schulwesen zu fördern, erließ Pfalzgraf Georg Gustav 1621 ein «Reglement betr. die Schulen und Schulmeister, und wie sie sollen gehalten werden» 3 ). Ein anderes Schulgesetz aus derselben Zeit trägt die Überschrift «Wie die Schulmeister in der Herrschaft Steintal sollen angenommen werden» *). Leider sind uns von beiden Verordnungen nur die Titel erhalten geblieben. 14> délibérations du Directoire du District de Benfeld III Nr. 2258. ) B. A. Str. Procès-verbal du Directoire du Département du Bas-Rhin XIX N° 14812. *) O. Wolfram, Ausgewählte Aktenstücke zur Qeschichte der Gründung von Pfalzburg. Jahrbuch für Lothringische Qeschichte Bd. XX S. 181. ") B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ') B. A. Str. Steintalakten o. Nr. *) B. A. Str. Steintal-

Schulwesen.

211

Die Bemühungen der Veldenz konnten keine Früchte bringen, da bald der alles verheerende 30jährige Krieg ausbrach; die erst ins Leben gerufenen Schulen gingen wieder ein. Erst etwa vom Jahre 1650 ab scheint der Unterricht wieder aufgenommen worden zu sein. Damals bat Marmet die Herrschaft, daß den Leuten befohlen werde, ihre Kinder nicht auf die Weide, sondern in die Schule zu schicken 5 ), und 1656 beklagte er sich, daß die Kinder die Schule nicht regelmäßig besuchen"). Daraufhin verordnete die Herrschaft in den Jahren 1656 und 1658, daß von denen, die ihre Kinder während 8 aufeinanderfolgender Tage nicht zur Schule schicken, 1 florin Strafe zu bezahlen sei 7 ); das war für die damaligen Verhältnisse eine ganz erhebliche Summe. Wir haben es also bereits mit einer Art Schulzwang zu tun, der jedoch nicht streng durchgeführt wurde; denn bei der Kirchenvisitation (1661) berichtete Marmet, daß die Kinder nur «unfleißig» zur Schule kommen, und daß sie keine Tinte und kein Papier mitbringen"). In den Jahren 1668 und 1672 waren erneute Ermahnungen zu regelmäßigem Schulbesuch notwendig 9 ). Zur Förderung des Schulwesens wurden nach der Kirchenvisitation Instruktionen (24 Artikel) und Schulregeln (8 Artikel) erlassen. Eine «Schulordnung für das Steinthal» enthielt 4 Artikel 10 ). Der Inhalt dieser Schulgesetze ist leider nicht bekannt. Der Unterricht selbst beschränkte sich hauptsächlich darauf, den Kindern eine Anzahl von Gebeten und Psalmen aus dem französischen Mümpelgard'schen Qesangbuche einzutrichtern. Marmet machte es sich dabei sehr bequem. Bei der Kirchenvisitation erklärte er selbst: «Halte keine ordentliche Stunden, sondern lasse ein jedes Morgens und Nachmittag seine Lectiones und Gebet recitieren — also sind der Kinder viel, währet es lang, sind ihrer wenig, währet es kurz 11 ).» Die gelernten Psalmen wurden auch gesungen; 1664 wollte Marmet, daß nur 4 Psalmen gesungen würden"). Die Kinder lernten nur Geschriebenes lesen, aber nicht schreiben 13 ). Wenn sie später ein Schriftstück unterzeichnen mußten, so setzten sie ihr Handzeichen darunter. Die nachstehende Auswahl ist den Rothauer Kirchenbüchern entnommen. 5 7 akten o. Nr. ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. •) Ebenda. ) B. A. Str. 8 ') B. A. Str. C 323,5. C 323, 5. Inventar. ) Kirchenvisitation, Antwort 47. 10 Inventar. ) B. A. Str. Steintalakten o. Nr. ") Kirchenvisitation, Antwort 47. 13 ") B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ) Kirchenvisitation, Antwort 47. ") Ebenda.

212

X A\ H i m

Das Volk.

Handzeichen von Jean Wolff »

» Ulrich Werle

»

» Jean Neuvillers

»

» Jean Jacques Krieger » Catherine Schiirmännin

»

» Collas Hasemann

»

» Salomé Qanier

Ob zu den genannten Unterrichtsgegenständen noch etwas Rechnen trat, ließ sich nicht feststellen, ist aber wohl annehmbar. Bemerkt sei noch, daß auch manche Kinder Deutsch lernten "). Die Steintalschulen waren also im 17. Jahrhundert zweisprachig. Seit dem Kriege war der Unterricht nur von Marmet und dem Diakon erteilt worden; aber nach der Kirchenvisitation schickte die Herrschaft aufs neue Lehrer ins Steintal. Von 1663 ab versah Georges Berdot die Schule in Waldersbach und Neuweiler (!) "). Am 20. Dezember 1664 wurde Abraham Pable aus Saarbockenheim (Saarunion) als Schullehrer angenommen 16 ). Die meisten stammten aber aus der Gegend von Montbéliard. Eine Anzahl sei hier genannt") : Um 1682 Jean Georges Malméhu aus Montbéliard. » 1692 Georges Bourgeois. » 1697 Pierre Bohy, «maître d'école du Ban-de-la-Roche du côté de Valdersbach». » 1700 P. Ch. Morel, der damalige Pfarrer; er unterrichtete die Kinder von 5 Dörfern; Seine Tante «hörte die Mädchen ab». » 1708 Pelletier, der damalige Pfarrer. » 1712 Jean Tisseran, maître chantre. — B. A. Str. C 323, 5. ") B. A. Str. C 323, 5. Inventar. l e ) B. A. Str. C 323, 5. 1S Inventar. ") Kirchenbücher von Rothau. — Oberlins Annalen. ) B. A. Str.

Schulwesen.

213

Es ist nicht zu verkennen, daß in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts die Herrschaft ernstlich bemüht war, die Bildung der Untertanen im Steintal zu heben. Zu diesem Zwecke wurde auch 1674 eine Schulvisitation abgehalten 18 ). Zur Bestreitung der Lehrergehälter mußten die Leute, welche Kinder in die Schule schickten, jährlich 1 Gulden bezahlen. Diese Bestimmung stand in gewissem Gegensatz zu dem Gesetz von 1658, welches den Schillzwang einführte. Darum beklagten sich auch 1666 die Eltern, deren Kinder die Schule besuchten, daß sie einen Gulden bezahlen müßten, und forderten, daß die Summe von 50 Gulden für Lehrergehälter von der Gesamtheit der Untertanen aufgebracht werde 1 "). Die Vergütungen für das Schulhalten waren sehr gering. Marmet bekam von 1659—1673 pro Jahr 12 Gulden in Geld und 4 Sack Korn 50 ). 1675 verlangte Georges Berdot eine Gratifikation, weil er von 1665—1675 Schule gehalten habe 21 ). Als unter der französischen Herrschaft in den sieben ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts das Schulwesen im Steintal mehr und mehr vernachlässigt wurde, war auch die materielle Lage der Schulmeister nicht beneidenswert. So empfing Vernier Masson 2 Louis d'or und außer der Nahrung noch Hemden und andere Kleidungsstücke wie ein Knecht (comme un valet)"). Später bezog er als Lehrer von Waldersbach, Fouday und Solbach 26 ® Geld, 8 Säcke Getreide und Brennholz"). Häufig blieb man dem Schulmeister noch einen Teil seines kärglichen Lohnes schuldig. Im April 1770 schreibt Oberlin in sein Tagebuch: «Dem Schuhlmeister von Bellefosse J. J. Masson ist seine Gemeinde 26 ® 13 ß, 2 Sacs et 2 Boisseaux de Seigle schuldig.» — Sein ganzer Lohn betrug nur 60 ® und 5 Sack Getreide. «Dem zu Belmont ist die seinige noch mehr schuldig.» Zur weitern Charakterisierung der pekuniären Lage der Schullehrer im Steintale diene noch folgende Notiz: 1771 gab Oberlin dem «armen Schuhlmeister zu Bellefosse einen Tisch, damit er endlich die Schuhl in seinem Haus halten könnte». «Dem nemlichen», gab er, «um ihm zu seiner armseligen Besoldung von 30 R und 5 Vierthel Korn zu verhelfen, die er sonst unmöglich zusammen M C 323, 5. Inventar. " ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. ) B. A. Str. C 323, 5. S1 Inventar. ) B. A. Str. C 323, 5. Inventar. " ) Oberlins Annalen; Pfarrarchiv M M Waldersbach. ) Ebenda. ) Oberlins Annalen; Pfarrarchiv W a l d e r s b a c h .

214

Das Volk.

bringen würde 8 R 3 ß 6 -$.» «Ohngeachtet dessen hat er doch noch bey den ärmsten in seiner Gemeinde 13 R u. 3 Vierthel Korn ausstehen.» «Dem nemlichen», gab Oberlin, «daß er den Winter hindurch die Schuhle noch besonders in dem obern Dorf gehalten, aus welchem die Kinder des Schnees wegen die Schuhle hätten ermangeln müssen, 6 R s ').» Als Stuber in das Steintal kam, gab es daselbst keine eigentlichen Lehrer mehr, sondern die Lehrerstelle wurde öffentlich versteigert und dem Mindestfordernden übertragen. So kam es, daß zuweilen dem alten Hirten, der selbst weder lesen noch schreiben konnte, die Unterweisung der Jugend oblag; im Sommer hütete er die Kühe und im Winter die Kinder. Es ist das Verdienst Stubers und seines großen Nachfolgers, die Schulverhältnisse im Steintal nach jeder Richtung hin gründlich gebessert zu haben 26 ). Wie gering aber auch zu Oberlins Zeiten noch die Leistungen der Lehrer von den Gemeinden eingeschätzt wurden, zeigt ein Vergleich zwischen den Bezügen der Schullehrer und Kuhhirten im Jahre 1788").

Gemeinde

Qehalt des Lehrers in Geld

in Frucht

Gehalt des Kuhhirten in Geld

g

in Frucht

Bellefosse

60

g

5 Sack

Belmont und La Hütte

66

g

4 Sack

Fouday

36

g

3 Sack

32

g

8 Sack

Solbach

36

g

3 Sack

36

g

8 Sack

60

9 Louisd'or

12 Sack

Nutznießung einer Wiese

Der katholische Lehrer in Rothau bezog außer dem nötigen Brennholze ein Gehalt von 150 ®; diese Summe mußten die Steintalgemeinden gemeinsam aufbringen r r ). Vergeblich versuchten *) Siehe Kapitel: Wohltäter des Steintals. 28 ) B. A. Str. C 651. ) B. A. Str. C 774 Nr. 784.

s7

* ) B. A. Str. C 651, 653. *>) B. A. Str. C 774 Nr. 501.

215

Schulwesen.

sie 1788 bei der Commission Intermédiaire des Distrikts Schlettstadt, sich von dieser Verpflichtung zu befreien" 8 ). Auf die abermalige Klage von Rothau, Neuweiler und Wildersbach hin wurde entschieden: Die Gemeinden mögen vorläufig weiter bezahlen; es solle aber ein Kommissar ernannt werden, welcher untersuchen wird, ob die Katholiken Rothaus zahlreich genug seien, um das Lehrergehalt aufbringen zu können " ) . Die Gemeinden leisteten jedoch keine Zahlung, sondern blieben dem Lehrer Charles Bursin während 20 Monaten das Gehalt schuldig. Auf seine Beschwerde hin wurden sie am 24. Juli 1790 zur Zahlung verurteilt 3 0 ). In der Revolutionszeit wurde die Wichtigkeit der Schulbildung in weiten Kreisen erkannt, und in überschwänglichen Worten der hohe W e r t der Schulen gepriesen. Diese Stimmung konnte nicht ohne Einfluß auf die Lehrergehälter bleiben. Im Jahre 1794 (an II) erfuhren sie eine im Verhältnis zu früher geradezu widernatürliche Steigerung, wie folgende Tabelle z e i g t " ) :

Lehrer

Gemeinde

Bellefosse.... Belmont

Schülerzahl

in Fracht

65

60

g

5 Sack

?

?

66

g

4 Sack

?

36

g

3 Sack

Fouday

Solbach

in Geld

J. Bohy

. . . .

Neuweiler....

Jahresgel ialt 1788

J . Nie. Ahne

36

?

. . . .

?

?

105

g

3 Sack

Gehalt für 3 Monate an II.

438

t

6 ß 8 4

? 60 lï

~

~

500 iÏ

-

-

131 lt 13 ß 4 4

Waldersbach.

.

. JacquesClaude

?

?

?

425 %t 14 ß

-

Wildersbach.

.

.

64

?

?

320 li

-

L. Ahne

-

Dieses Gehalt wurde aus der Staatskasse bezahlt. 30 )

B. A. Str.

31 )

B. A. Str. Régistre des délibérations du District de Benfeld, 10 Nr. 9499, 9500,

Régistre

général

du

Département

du

Bas-Rhin,

1790 Nr. 124.

216

Das Volk.

Durch Gesetz vom 8. Pluviôse II wurde das Lehrergehalt auf 1500® festgesetzt und dasjenige des Schulinspektors auf 3 0 0 0 s "). Am 22. Fructidor II wurde der Bürger Massenet aus Heiligenstein zum Inspektor für den Schulbezirk ernannt, dem das Steintal angehörte 83 ). Vor dieser Ernennung war er beauftragt gewesen, die Emigrantenlisten zu führen und die Inventare über das Vermögen der Emigranten aufzustellen. Weil er nun aber seine ganze Zeit der Schulinspektion widmen sollte (à cette inspection si utile) wurde er von den genannten Verpflichtungen entbunden, und sein bisheriges Amt wurde dem Bürger Jonas Bockel in Rothau übertragen "). Als nach dem ersten Freiheitsrausche wieder eine Ernüchterung eingetreten war, und man die Staatsgelder für kriegerische Unternehmungen brauchte, trat an Stelle des staatlichen Lehrergehaltes von 1500® bald wieder das bescheidene Einkommen von früher, für welches die Gemeinden aufzukommen hatten®6). Im 19. Jahrhundert machten die Schulen im Steintal eine ähnliche Entwicklung durch wie diejenige im übrigen Elsaß. Seit der Annexion des Elsaß zählen die Schulen der ehemaligen Herrschaft Ban-de-la-Roche zu den zweisprachigen Schulen des Kreises Molsheim, die heute in hoher Blüte stehen*4).

D. Wohltäter des Steintals. Von der Entwicklung des gesamten Geistes- und Wirtschaftslebens im Steintale am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts erhält man erst dann ein rechtes Bild, wenn man sich mit dem Wirken des Doppelgestirns Stuber-Oberlin etwas näher befaßt. Es läßt sich schwer sagen, wer von beiden der größere ist. Wenn das Werk Stubers im allgemeinen weniger bekannt ist als dasjenige Oberlins, so rührt dies daher, daß ersterer mit mehrjähriger Unterbrechung nur 12 Jahre in Waldersbach gewirkt hat, während Oberlin mehr als ein halbes Jahrhundert «der Vater» der Steintäler war. «Papa Oberlin. Il a été pendant 59 ans le père du Ban-de-la-Roche», so liest der Vorübergehende auf seinem von 9762. ") B. A. Str. Régistre des délibérations du District de Benfeld, 10 Nr. 10330. M a6 ) Ebenda. ) Ebenda. ) Siehe Kapitel: «Wohltäter des Steintals», Die M Gehälter von 1813. ) J. Lombard, Zweisprachige Schulen im Reichslande. 1909. — J. Lombard, Die zweisprachige Schule im Breuschtal. 1911. — Böhm u. Weiß, Eine Studienreise des pädagogischen Universitäts-Seminars zu Jena. 1912.

M

Schulwesen.

217

hohen Tannen beschatteten Grabe in Fouday. Während seiner langen Wirksamkeit in Waldersbach hat Oberlin das bereits von Stuber begonnene Werk mit der ihm eigenen Energie in genialster Weise fortgeführt und vollendet. Stuber hat in der «vogesischen Wüste» *) gerodet; Oberlin hat das gewonnene Neuland bepflanzt, begossen und vom Unkraut gereinigt. Am 23. April 1722 wurde Johann Georg Stuber 2 ) auf dem alten Weinmarkte zu Straßburg als Sohn des redlichen Posamentiermeisters Johann Ludwig Stuber geboren. Die frommen Eltern stammten aus Calw (Württemberg). Vom 13. März 1730 ab besuchte der Knabe das Gymnasium seiner Vaterstadt und später auch die Universität daselbst. Im Jahre 1750 wurde dem achtundzwanzigjährigen Kandidaten die Pfarrstelle zu Waldersbach übertragen, die er in verwahrlostem Zustande antraf. Bald darauf (1751) verehelichte sich Stuber mit einer Tochter des Professors Reuchlin. Die glückliche Ehe wurde leider durch den am 9. August 1754 erfolgten frühen Tod der sanften Gattin gelöst. Stuber bestattete ihre sterbliche Hülle im Kirchlein zu Waldersbach, «ungewiß, ob er mehr trauern solle, daß er die Verstorbene verloren hat, oder mehr sich darüber freuen, daß er sie besessen hat». Die Grabinschrift lautet: MARGUERITE SALOME FILLE DE MR. F. J. REUCHLIN DOCT. ET PROF. EN THEOL. CHANOINE DE S. THOMA STRASBOURG EPOUSE DE J. G. STOUBER MINISTRE DE CETTE PAROISSE TROUVA AU BAN DE LA ROCHE DANS L'HEUREUSE SIMPLICITE D'UNE VIE PAISIBLE ET INNOCENTE PENDANT TROIS ANS DE MARIAGE LES DELICES DE SON COEUR VERTUEUX *) Jung-Stilling in einem Albumblatt an Oberlin: (2. 4. 1801) «an den Prediger der Gerechtigkeit, in der vogesischen Wüste». — Rœhrich, Rauscher et Haug, JeanFrédéric Oberlin, Extrait de la Revue Alsacienne illustrée, vol. XII, N° II 1910. Seite 5. ') Quellen- und Literaturangabe: 1. Oberlins Annalen, Pfarrarchiv Waldersbach. 2. Baum, Joh. Wilh., Johann Qeorg Stuber, Der Vorgänger Oberlins im Steinthale. 1846. 3. Parisot, Edmond, Jean-Frédéric Oberlin. 1905. 4. Stœber, D. E. l'aîné ,Vie de J.-F. Oberlin, Pasteur à Waldbach. 1831. 5. Leenhardt, Camille, La Vie de J.-F. Oberlin. 1911. 6. Hackenschmidt, K-, Fritz Oberlin, der Vater

218

Das Volk.

ET DANS SES PREMIERES COUCHES LE TOMBEAU DE SA BELLE JEUNESSE A L'AGE DE VINOT ANS LE IX AOUST MDCCLIV SON VEUF SEMA PRES D'ICI POUR L'IMMORTALITE CE QU'ELLE AVOIT EU DE MORTEL INCERTAIN S'IL EST PLUS SENSIBLE A LA DOULEUR DE L'AVOIR PERDUE OU A LA GLOIRE DE L'AVOIR POSSEDEE. Der Schmerz des schwergeprüften Gatten war so groß, daß er nicht länger mehr im Steintale bleiben wollte, wo ihn alles an den herben Verlust erinnerte. Er folgte einem Rufe nach dem jenseits des Hochfeldes gelegenen sonnigen Reborte Barr, wo er von 1755— 1760 weilte. Leider war sein Nachfolger im Steintale ein unwürdiger Mann, der des Amtes entsetzt werden mußte (1760). Durch die Bitten und Tränen seiner frühern Pfarrkinder ließ sich dann Stuber bestimmen, seine bequeme und einträgliche Pfarrstelle in Barr wieder mit der mühsamen und magern zu Waldersbach zu vertauschen. Schon als Stuber das erste Mal ins Steintal kam, legte er Hand an, um die traurigen Zustände daselbst zu bessern. Das Grundübel war der Mangel an Bildung; sein Augenmerk wandte er deshalb vor allem dem Schulwesen zu. Bisher gab es im Sommer gar keine Schule. Im Winter wurde gewöhnlich vom Hirten in den niedern Bauernstuben «Unterricht erteilt». Stubers Bemühungen gingen zunächst dahin, einen eigentlichen Lehrerstand zu gründen, indem er unter den jungen Leuten die intelligentesten heraussuchte und selbst unterrichtete. Um ihnen größere Achtung zu verschaffen, als die frühern maîtres d'école sie genossen, nannte er die neuen Lehrer «Messieurs les Régents». Von einem Gönner wurden Stuber im Jahre 1760 2000 Franken überwiesen. Dieses Kapital legte er an und verteilte alljährlich die Zinsen als Prämien unter die Lehrer, deren Schüler gute Fortschritte gemacht hatten '). Das Ergebnis der Verteilung wurde in der Kirche öffentlich bekanntgemacht. Auf diese Weise suchte Stuber den des Steinthals. 1901.

') Stœber, l'aîné, Vie de J.-F. Oberlin. S. 25. — Parisot,

Wohltäter des Steintals.

219

Ehrgeiz der Régents anzuspornen, so daß diese seine Weisungen mit stets neuem Mute immer besser befolgten. Auf Anregung des Lehrers Vernier Masson *) fanden von 1761 ab monatlich sog. «récitations publiques» statt, bei denen die Schüler zeigen konnten, was sie gelernt hatten. Die Kinder, welche hersagten, erhielten außerdem je ein ß. So wurden auch die Schüler zum Lernen angeeifert. Um Lehrern und Schülern die Arbeit zu erleichtern, schuf Stuber auch gute Schulbücher. Im Jahre 1762 wurde zum ersten Male eine von ihm verfaßte Fibel gedruckt, die den Titel trug: «Alphabet méthodique pour faciliter l'art d'épeler et de lire en français.» Der rührige Pfarrer schrieb für die Schüler auch einen leicht verständlichen Katechismus mit Fragen und Antworten. Damit die fortgeschrittenen Kinder nicht durch jüngere oder schwach begabte im Lernen aufgehalten würden, teilte Stuber die Kinder in Klassen ein. Nachdem die Erwachsenen und Eltern, die anfänglich den Bestrebungen ihres Pfarrers sehr mißtrauisch, ja feindlich, gegenüberstanden, merkten, daß sie viel unwissender waren als die kleinen Kinder, baten sie, auch zum Unterrichte zugelassen zu werden. Daraufhin richtete Stuber Schulen für Erwachsene ein (des cours d'adultes), die bald von 150—200 Personen besucht wurden. Stuber berichtet darüber selbst 5 ): «Non seulement les écoles des adultes ont continué pendant tout l'hiver, mais on en a recommencé de nouvelles le l ier mai 1764 pour ceux qui jusqu'ici avaient été trop timides ou trop paresseux pour en profiter. La plupart des vieux de l'année passée s'y sont encore remis et nous comptons actuellement à Waldersbach 10 hommes mariés qui sont de cette école, 10 garçons, 13 femmes et 12 filles, en tout 45 personnes dont 12 nouveaux apprentis. A Bellefosse il y a 7 hommes, 12 femmes, 13 garçons et 10 filles, en tout 42 dont 29 nouveaux et parmi ces nouveaux quelques-uns auparavant ennemis déclarés de notre alphabet et méthode. A Belmont le nombre des nouveaux n'est pas grand mais les vieux continuent, etc.» Stuber mußte jedoch die Ausgaben für Papier, Tinte, Federn, Bücher selbst bestreiten, so daß aus diesem Grunde die Einrichtung nur bis 1765 bestehen konnte. Edmond, Jean-Frédéric Oberlin. S. 127. *) Parisot, Edmond, Jean-Frédéric 5 Oberlin. S. 128. ) Parisot, Edmond, Jean-Frédéric Oberlin. S. 129. — Notiz, entnommen aus dem Hefte «Fondation scholastique» im Privatbesitz von M m e Andreae-

220

Das Volk.

Weiter wurde für Verbreitung der Bildung gesorgt durch Einrichtung einer Bibliothek von etwa 100 Bänden, die später von Oberlin erweitert wurde. Bei den Predigten bediente sich Stuber einer einfachen Sprache, um von allen verstanden zu werden. Er schreibt darüber selbst*): «Je renonçai à la manière ordinaire de prêcher, je m'abstins surtout de toute fleur de rhétorique, je pris, en leur adressant la parole, le ton d'une conversation amicale Je parlais à mes auditeurs comme un père parle à ses enfants, comme un frère parle à ses frères.» Von dem Gedanken ausgehend, daß die Musik die Menschen veredelt, pflegte Stuber in ausgiebiger Weise den Gesang. Bald gelang es ihm, 20—30 Kinder einen Chor singen zu lassen; die Régents sangen die Begleitung. Stuber schreibt darüber 7 ): «Les enfants témoignèrent tant de docilité et de bonne volonté qu'il fallait les aimer. Notre chant fit beaucoup de plaisir aux Bande-la-Rochois, il émut souvent nos protecteurs de Strasbourg, qui vinrent nous voir; il nous édifiait, nous fortifiait. Bientôt l'assemblée entière réussit à y prendre part pendant le service divin. Je fis apprendre à quelques hommes la basse d'une mélodie, ils suivaient le chant de cette voix, après que les maîtres d'école l'avaient entonné; bientôt les femmes y mêlèrent aussi leur chant, guidées par des voix exercées. C'était toujours une grande jouissance pour moi lorsqu'allant à cheval d'un village à l'autre, j'entendais dans les prés et sur les hauteurs, ces chants que je leur avais appris; je distinguais souvent des voix très-belles et très-harmonieuses.» Für den Gebrauch im Gottesdienste bearbeitete Stuber selbst ein Gesangbuch und Choralbücher. Kurz nach seiner Übersiedelung nach Barr sandte er den Schullehrern zu Waldersbach und Belmont zwei Choralbücher; das erste trug die Inschrift: Amis! de moi-même en dépôt La moitié reste à vous commise. Que dans votre modeste église De ma voix reste cet écho. Auf dem Titelblatt des zweiten standen die apostolischen Worte : Q V ' o n s'aCCorDe enseMbLe Rom. XV, 5. 6 C'est L'aMe De Vos Chants. Witz. ') Oberlins Annalen, Pfarrarchiv Waldersbach. S. 74. — Stœber. l'aîné, 7 Vie de J.-F. Oberlin. S. 28. ) Stœber, l'aîné, Vie der J.-F. Oberlin. S. 29. —

Wohltäter des Steintals.

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welche das Jahr seines Amtsantrittes und dasjenige der Ausfertigung dieser Musikalien enthielten 8 ). Stuber, der ein großer Musikliebhaber und guter Geigenspieler war, brachte auch den Lehrern, vor allem Sebastian Scheidecker, die Kunst des Geigenspiels bei. Bald wurde im Steintal die Instrumentalmusik eifrig gepflegt, und so lesen wir in Oberlins Annalen ') folgende Notiz: «Premier concert à Waldersbach, le 12 mai 1775, en l'honneur de quelques personnes de Strasbourg. Jean-David Bohy, Sébastien Scheidecker et Simon et Jean-Jacques Claude de Trouchi jouèrent du violon, Didier Neuvillers et Georges Bernard de la flûte à bec, Vernier chanta la basse et quelques jeunes filles la prime. M. Schweighaueser joua de la flûte traversée. Dimanche, le 18, au service de Belmont autre concert solennel pour la satisfaction de M. Stuber, alors présent.» Aus dem Gesagten ist ersichtlich in wie weit Stuber seinem großen Nachfolger den Plan geebnet und die zu beschreitenden Bahnen gekennzeichnet hat. Es besteht kein Zweifel, daß er nicht selbst «ein Oberlin» geworden wäre, hätten ihn nicht Gesundheitsrücksichten zur Annahme der Pfarrstelle an St. Thomas in Straßburg bestimmt. Stuber verließ jedoch das geliebte Steintal nicht, ohne zuvor einen tüchtigen Nachfolger gesucht zu haben. — Es ist bekannt, wie er Oberlin in seinem Dachkämmerchen fand, als dieser gerade damit beschäftigt war, sich über seiner Studierlampe sein Nachtessen, aus einer Brotsuppe bestehend, zu bereiten. Neugierig beschaute er sich den primitiven Kochapparat und die papierenen Vorhänge, die das einfache Bett verdeckten, und rief entzückt: «Sie sind der Mann, den ich suche!» Auf sein Drängen entschloß sich Oberlin, den ihm angebotenen Posten im Steintal anzunehmen, und am 1. April 1767 unterzeichnete Herr Voyer d'Argenson das Dekret, durch welches der neue Pfarrer in Waldersbach ernannt wurde. Johann Friedrich Oberlin war am 31. August 1740 als Sohn des Professors Johann Georg Oberlin in Straßburg geboren. Seine Mutter, Marie Magdalena, geb. Felz, war eine geistreiche und herzensgute Frau, die im Verein mit dem Gatten ihren neun Kindern eine gediegene Erziehung zuteil werden ließ. Der fromme Geist im elterlichen Hause konnte nicht ohne Einfluß bleiben auf die Cha8 Parisot, Edmond, Jean-Frédéric Oberlin. S. 131. ) Baum, Joh. Wilh., Johann Georg Stuber, der Vorgänger Oberlins im Steinthale. S. 33—34. •) Oberlins Annalen, Piarrarchiv Waldersbach. S. 127. — Parisot, Edmond, Jean-Frédéric

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Das Volk.

rakterbildung der Kindermund früh schon zeichnete sich Fritz aus, nicht nur durch unermüdlichen Fleiß und eiserne Willenskraft, sondern auch durch Gutherzigkeit und Opferwilligkeit. Es ist bekannt, wie er einmal als Knabe Zeuge war, wie ein Straßenjunge einer Bauerfrau ihren Korb mit Eiern umstieß, und wie er nun schnell nach Hause lief, seine Sparbüchse holte und den Inhalt in die Hände der armen Frau schüttete. — Ein anderes Mal unterstützte er eine arme Frau, der beim Kaufe eines notwendigen Kleidungsstückes einige Pfennige an dem geforderten Preise fehlten, indem er der Trödlerin den geringen Fehlbetrag aus seiner Tasche bezahlte. Schon mit fünfzehn Jahren hatte Oberlin das Gymnasium absolviert und bezog (1755) die Universität seiner Vaterstadt, an der damals berühmte Männer lehrten. Trotz seiner soldatischen Natur wählte er nicht die militärische Laufbahn, obschon er einen Augenblick große Neigung zu derselben verspürte, sondern widmete sich mit freudiger Zustimmung seiner Eltern dem Studium der Theologie. Großen Eindruck auf sein jugendliches Gemüt machten die Predigten des mächtigen Kanzelredners Siegmund Friedrich Lorentz, der in jener Zeit des wachsenden Unglaubens den Mut hatte, unverkürzt und unverhüllt den Ernst des Evangeliums auf die Kanzel zu bringen. Im Geiste dieses Mannes ist ein Verlöbnis mit Gott abgefaßt, das der Zwanzigjährige am 1. Januar 1760 niederschrieb. Der Verkehr mit Anhängern der Brüdergemeinde und in Kreisen, in denen der fromme Züricher Lavater verehrt wurde, machte ebenfalls seinen Einfluß auf die Entwicklung seines Seelenlebens geltend. Schon als Student hat Oberlin einen Teil seiner freien Zeit zur Erteilung von Unterricht verwendet; teils tat er das, um seiner eigenen Ausbildung willen nach dem Grundsatze: docendo discimus, teils um seinen Eltern, deren Vermögen und Einkommen nicht groß waren, weniger zur Last zu fallen. Anfänglich unterrichtete er die Kinder wenig begüterter Leute gegen geringes Entgelt, später bekam er auch reichere Schüler. Von 1762 bis 1765 war er Hofmeister bei dem berühmten Chirurgen Ziegenhagen. Es ist bemerkenswert, wie er sich, bevor er die Stelle annahm, zuvor versicherte, daß er seine Unabhängigkeit in dem Hause nicht einbüße. Als Hauslehrer bei Ziegenhagen erwarb sich Oberlin zahlreiche medizinische und botanische Kenntnisse, die ihm später als Pfarrer im entlegenen Gebirgsdorfe sehr zugute kamen. Zwei weitere Jahre lebte er für sich in einem Dachkämmerchen, das er sich gemietet hatte, um ungestörter seinen Studien obzuliegen. Er war schon 27 Jahre alt und hatte noch immer keine Aussicht auf eine Pfarrstelle. Darum

Wohltäter des Steintals.

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war er nicht abgeneigt, Feldprediger des Regiments Royal-Alsace zu werden. Rechtzeitig noch erschien dann Stuber und bat ihn, die Pfarrstelle im Steintale anzutreten. Es war kein geringes Opfer, das der feingebildete und an regen geistigen Verkehr gewohnte Städter seinem Heiland brachte, als er den Entschluß faßte, nach Waldersbach zu gehen. Auch für die zarte, jugendliche Professorentochter, Maria Salomea Witter, die sich das Jahr darauf (6. Juli 1768) ihm als Gattin und Pfarrfrau anschloß, bedeutete dieser Schritt ein kühnes Wagnis. Oberlin war der rechte Mann am Platze. Anfangs trat er zwar mit einem Feuereifer auf, der ihn in manchen Konflikt mit seinen Gemeindegliedern brachte, und den auch Stuber mißbilligte. «Er weidet mir meine Schafe mit einem eisernen Stabe», sagte dieser einmal. Doch bald sah Oberlin seinen Fehler ein und nahm gerne jede Weisung von seinem väterlichen Freunde Stuber an, der zeitlebens um das Wohl des Steintals besorgt war. Die zwei Männer ergänzten sich in vorteilhaftester Weise: Stuber, der besonnene Berater; Oberlin, der energische Draufgänger. Überall müssen wir dessen großes organisatorisches Talent bewundern und die praktische Art, womit er alle Dinge anfaßte. Neben der Seelsorge widmete er dem Schulwesen den größten Teil seiner Zeit und Kraft. Da galt es, zunächst Schulhäuser zu bauen. Bis jetzt wurde in den niedern Bauernstuben Schule gehalten, w o es an Luft, Licht, Platz und Sitzgelegenheit fehlte 10 ). Nur in Waldersbach gab es ein eigentliches Schulhaus, wenn man die elende, zerfallene Hütte, in der bald der Schulmeister, bald der Hirt wohnte, so nennen darf. Ohne Zögern kaufte Oberlin einen seinem dürftigen Pfarrhause gegenüberliegenden Platz, der sich zum Schulhausbau eignete, und fertigte selbst die Pläne und Kostenanschläge an. Er war überzeugt, daß Gott eine so gute Sache unterstützen werde und nahm den Bau alsbald in Angriff. Gleichzeitig suchte er seine Straßburger Freunde für sein Werk zu gewinnen, und bald war ein Teil der Bausumme durch Legate und Geldspenden ") gedeckt. Der nie rastende Pfarrer aus Waldersbach ritt selbst öfters in der Nacht nach Straßburg, benutzte den Tag, um neue Gönner zu werben und neue Hilfsquellen zu schaffen, und 10 Oberlin. S. 131. ) 1771 waren in Behnont 113 Schüler, in Bellefosse 69, in Waldersbach 85, in Fouday u. Solbach 71, zusammen 338 Schüler; in Rothau u. Wildersbach 102, in Neuweiler u. Haute-Goutte 120, zusammen 222 Schüler. Legat von 2000 Franken, gespendet von einer Straßburger Dame. Anonyme

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Das Volk.

kehrte spät in der Nacht wieder in sein Dorf zurück. Wie schmerzlich mußte es ihn berühren, daß die Waldersbacher, für die er so treu arbeitete, seine Bestrebungen verkannten und den Bau mit allen Mitteln zu hintertreiben suchten, weil sie fürchteten, wenigstens für einen Teil der Baukosten aufkommen zu müssen. Zu ihrer Beruhigung bedurfte es nur des nachstehenden Schriftstückes"), das zugleich ein rührendes Zeugnis bildet von der Solidarität, welche Stuber mit Oberlin verband. Nous soussignés, l'ancien ministre de la paroisse de Waldersbach, et le ministre actuel, assurons avoir trouvé, pour la reconstruction nécessaire et l'aggrandissement de la maison d'école de Waldersbach, dans la charité de quelques bienfaiteurs, les fonds suffisans qui nous permettent de nous engager envers ladite paroisse, et particulièrement envers la communauté de Waldersbach, à entreprendre ladite reconstruction, sans qu'il en coûte rien aux habitans, ni en contributions de derniers, ni en corvées. En foi de quoi, nous avons signé ce présent acte. A Strasbourg, ce 25 Novembre 1768. Signé: Jean-Oeorge Stuber, ci-devant ministre de la paroisse de Waldersbach au comté de la Roche, présentement diacre de l'église St. Thomas à Strasbourg; Jean-Frédéric Oberlin, ministre actuel de la paroisse de Waldbach. Auch später noch brachte Oberlin manches persönliche Opfer. Wie oft hat er nicht Heizung und Beleuchtung oder notwendige Lehrmittel bezahlt! Am 31. Mai 1769 wurde der Grundstein des Waldersbacher Schulhauses gelegt; am 14. August stand es im Rohbau fertig. Bänke, Tische usw. konnten erst 1771 angefertigt werden, weil eß bis dahin an geeigneten Handwerkern fehlte. Als der Bau vollendet war, lasteten auf demselben noch 1000 Franken Schulden, die Oberlin in einigen Jahren abtragen konnte. Nach langem vergeblichem Suchen fand er 1773 in Bellefosse einen geeigneten Bauplatz, den er für 26 florins kaufte. Die Steintäler hatten den in Waldersbach begangenen Irrtum eingesehen und halfen diesmal bei der Herbeischaffung der Steine und des Bauholzes tüchtig mit. Am 11. August 1774 bereits konnte der fertige Bau eingeweiht werden. Belmont erhielt 1779 sein Schulhaus, und wieder war es Oberlin, der es erbauen ließ. Obwohl die Herrschaft das Bauholz lieferte, mußte der Pfarrer poch ungefähr 3000 Franken aufbringen. Qabe

von

500 Franken

durch

Vermittlung

Stubers.

1S

) Stœber,

l'aîné,

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Später erhielten auch Fouday und Solbach ein Schulhaus. Der Präfekt Lezay-Marnésia, der die Bestrebungen Oberlins so gern unterstützte, stellte der Gemeinde Fouday die zum Schulhausbau nötige Summe zur Verfügung. Das Schulhaus in Solbach ließ der kinderlose Bürgermeister des Dorfes, Martin Bernard, auf eigene Kosten erbauen. Den bereits von Stuber gegründeten Lehrerstand suchte Oberlin auf mannigfache Weise zu heben. Nachlässige und untaugliche Elemente wurden beseitigt. «1775 den 5ten Februar unterschrieb der bisherige ehrliche aber allzu ungeschickte Schuhlmeister von Bellefosse, Jean Jaques Masson, seinen Abschied, kraft welchem ihm eine Gesellschaft gutthätiger Freunde 20 Sois die Woche versprochen, bis er anderswoher einen hinlänglichen Lebens Unterhalt bekommen würde 13 ).» Lehrer, die zu spät zur Schule kamen, wurden bestraft. Über jeden Lehrer führte Oberlin genaue Personalakten. So lesen wir in den Annalen ") : «Benoît Louis, de Belmont, intelligent et fidèle, fort serviable, mais ne s'applique pas à la lecture de tant de livres qu'on lui offre. J.-J. Masson, de Bellefosse, toujours de meilleure volonté que capacité. Vernier Masson, de Waldersbach, s'applique toujours à apprendre ce qu'il ne sait pas et à se rendre plus capable et plus utile. Sébastien Scheidecker aime la lecture, s'applique toujours à la lecture des livres de médecine et est prêt à dresser d'autres garçons à servir un jour de maîtres d'école.» Sebastian Scheidecker und David Bohy waren die tüchtigsten Lehrer und Oberlins treue Helfer. Erstem schickte er einige Zeit zu dem Chirurgen Ziegenhagen, damit er sich allerlei medizinische Kenntnisse aneigne. Um von der in den Schulen geleisteten Arbeit stets ein genaues Bild zu haben, behielt Oberlin nicht nur die von Stuber eingeführten récitations publiques bei, sondern führte noch die sog. écoles générales ein. Wöchentlich einmal, gewöhnlich am Mittwoch, mußten sich die Lehrer mit einer ihrer zwei Schülerabteilungen in die Schule nach Waldersbach begeben. Oberlin eröffnete den gemeinsamen Unterricht mit Gebet und einer Religionsstunde. Darauf unterrichteten nach einem für das ganze Jahr aufgestellten Plane die Vie de J.-F. Oberlin. S. 80. ") Oberlins Annalen, Pfarrarchiv Walders14 bach. ) Oberlins Annalen, Pfarrarchiv Waldersbach. — Leenhardt, B o c h, Steintal.

15

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Das Volk.

fünf Lehrer der Reihe nach. Die Lektionen bewegten sich im Rahmen des gewöhnlichen Unterrichts. Die Veranstaltung war eine Art praktische Lehrerprüfung und bezweckte gleichzeitig ein Wetteifern zwischen den Lehrern und Schülern der einzelnen Dörfer. Zuweilen unterrichtete Oberlin selbst, um diesem oder jenem skeptischen Lehrer die Methode vorzuführen, die er angewendet wissen wollte "). Neben der geistigen Hebung des Lehrerstandes erstrebte Oberlin auch dessen materielle Besserstellung. Aus nachstehender Tabelle ist ersichtlich, welches das Einkommen der Lehrer war fl) bei der Ankunft Oberlins in Waldersbach, b) im Jahre 1813. Ortschaft

Einkommen i. J. 1767

Einkommen i. J. 1813

Belmont . .

54 livres, 4 Sack Getreide 300 livres

Bellefosse

60

Waldersbach

60

Fouday





144

5



144 96

. . 60 „

Solbach

5

. .

5 „

3

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"3 O Sack Getreide J= to E 8 » >. >c 3bo c •c

„ 6

I

48

Außerdem suchte Oberlin die Bürger zu bewegen, den Lehrern das Brennholz zu fällen und vor das Haus zu fahren. Nachstehende Notiz aus den Annalen dürfte gewiß von Interesse sein 1 '): «1775 den 19*en Februar wurde S6bast. Scheidecker, bisheriger Schuhlmeister von Foud. u. Solb. mit genehmhaltung einer genädigen Herrschaft zum Schuhlmeister von Bellefosse ernannt. Camille, La Vie de J.-F. Oberlin. Paris et Nancy. 1911. S. 42. ") Der in jener Zeit von Heinrich Pestalozzi gepredigte Satz: «Die Anschauung ist das Fundament aller Erkenntnis» sollte im Steintal in die Praxis umgesetzt werden. Sein in jungen Jahren angelegtes Naturalienkabinett hat Oberlin bedeutend vergrößert und den Schulen zur Verfügung gestellt. Für den heimatkundlichen Unterricht verfertigte Oberlin selbst Karten der Grafschaft Ban-de-la-Roche. Sog. «stumme Karten» wurden unter seiner Leitung von den Schülern ausgeführt. '*) Oberlins Annalen, Pfarrarchiv Waldersbach. ") Leenhardt, Camille, La

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Die Besoldung bleibt 60 ® u. 5 Säck Korn aber 1.) mit der Bedingung, daß es ihm die Burger ins Haus schicken. 2.) daß man ihm das Holtz unentgeltlich fälle und heimführe. Zu gleicher Zeit sollten die Bürger von Foud. u. Solb. mit Jean David Bohy der ehedem durch die Bemühungen Hr. Pf. Stubers ein trefflicher Schuhlmeister war Accord machen. Da er aber eine Zulage von 6 R in Geld u. 1 Sack Korn begehrt, so wurde die Sache verzögert. Ich ließ die Bürger alle kommen, befragte sie um ihre Meinung. Es kamen 44 Bürger — Unter denen waren 3 steif dawieder, 19 waren nicht dawieder aber auch nicht gantz zufrieden — u. 22 sagten Ja und waren wohl zufrieden. Also ging die Sache durch, mit 22 Stimmen, wider 3. Ich verkündigte das Resultat den folgenden Sonntag den 26. Feruar u. den nemlichen Tag trat J. Dav. Bohy seine Stelle an.» Gegen ungerechte Behandlung durch die Gemeinden oder den Schultheißen nahm Oberlin die Lehrer tatkräftig in Schutz. In einem längeren Briefe an den Bürgermeister in Bellefosse schrieb er 1775 : « Je crois que dans votre conduite envers votre ancien maître d'école, vous agissez contre les devoirs d'un homme sage, vertueux, patriotique, chrétien; vous lui faites faire la garde et les corvées et ne lui donnez point de place pour faire du tripoux! Vous agissez en cela contre: 1° la gratitude; 2° la prudence; 3° votre réputation et intérêts; 4° l'intérêt de vos enfants 1 ').» In diesem Zusammenhange sei noch Nachstehendes berichtet: «Im Jahre 1768 zwang der Schultz Wolf durch Drohungen den Schulmeister von Bellefosse zum erstenmal, 5 8 6 ß 9 d zu zahlen für die Frohnscheite und das Brennholz. Zu derselben Zeit wollte er ihn auch das halbe Pfund Fronflachs zahlen machen. Gegen Ende des vergangenen Jahres (1770) drohte er dem Lehrer Weidknecht in Rothau, ihn die königlichen Frohnen tun zu lassen und ihm das drückende Amt als Amtsschaffner zu übertragen.» Pfarrer Schweighäuser von Rothau wandte sich in der Angelegenheit an Herrn Régemorte 18 ), und auch Oberlin war gerade im Begriffe dies zu tun, als er von Stuber die Mitteilung erhielt ") : «Herr von Régemorte, hätte dem Schültz ordre gegeben, die Schuhlmeister mit Friede zu lassen; — keine Herrschaftliche 1S ) Régemorte, königlicher Schultheiß, Kaplan von Vie de J.-F. Oberlin. S. 44. Jung-Sankt-Peter. ") Oberlins Annalen, Pfarrarchiv Waldersbach. Der

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Das Volk.

Frohnen an sie zu begehren; wann der Fermier sich beschweren sollte, so will er selbst für sie zahlen — Der Königlichen Frohnen könnte die Gemeinden allezeit nach Gefallen sie befreyen.» Was nun den Schulbetrieb selbst angeht, so baute Oberlin auf der von Stuber geschaffenen Grundlage weiter. Von nicht zu unterschätzendem Einfluß auf den Pädagogen Oberlin waren dessen Beziehungen zu dem Basedow'schen Philanthropin in Dessau, an dem einer seiner früheren Schüler als Erzieher wirkte. Zu seinem großen Leidwesen war es dem Schulorganisator im Steintale nicht vergönnt, die Anstalt in Dessau zu besuchen. Aber aus zahlreichen Schriften kannte er deren Einrichtungen zur Genüge20) und war in vielen Punkten — ob mit Recht, mag dahingestellt bleiben — ein begeisterter Nachahmer Basedow's. Es ist geradezu erstaunlich, wie sich der unermüdliche Pfarrer in Waldersbach der kleinsten Einzelheiten im Schulbetrieb annimmt. Da ist nichts, was ihm entgehen könnte. Er kümmert sich um Lehrplan, Stundenplan und Methode, um Schulbesuch ") und Betragen der Schüler; er regelt die Disziplin und sorgt für Lehr- und Lernmittel; er inspiziert und korrigiert die Lehrer; er ermahnt die Schüler zu Fleiß und Aufmerksamkeit; er erinnert säumige Eltern an ihre Pflicht; er lenkt und leitet alles; er ist die Seele der Steintalschulen. Der Unterrichtsstoff war auf 9 Klassen verteilt, von denen je drei einen besonderen Kursus bildeten. »I. Ecoles des plus jeunes ou commençants. II. Ecoles moyennes. III. Ecoles des adultes s> ). Bei der Auswahl des Lehrstoffes hat Oberlin mit bemerkenswertem Geschick den Bedürfnissen der Steintaljugend gerecht zu werden versucht. Die beiden ersten Kurse entsprechen etwa der heutigen Elementarschule. Der dritte Kursus war für Schüler von 12 bis 15 Jahren berechnet und kann mit unseren Fortbildungsschulen verglichen werden. Im letzten Jahre wurde u. a. von Ackerbau und Obstbau gesprochen. Überhaupt wollte Oberlin im Unterricht stets die praktische Seite betont wissen. Der Unterricht wurde nach nebenstehendem Plane erteilt. Jede Lektion wurde mit Gebet geschlossen. Die ästhetische Erziehung der Kinder wurde nicht vernachlässigt. Mit großer Strenge hielt Oberlin auf eine gute Schrift; im letzten Schuljahre wurde sogar erwähnte Dessauer Erzieher schenkte ihm 3 Exemplare des Basedow'schen Elen mentarwerkes, worüber er sich ungemein freute. ) Mehrfach hat sich Oberlin sogar mit der Frage beschäftigt, wie er den Schulzwang im Steintal einführen M könnte. Leenhardt, Camille, La Vie de J.-F. Oberlin. S. 38, 39. ) Stceber,

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Wohltäter des Steintals.

das Schneiden von Schreibiedern besonders geübt. Die Schulhefte wurden mit einem schönen Schildchen geschmückt; das Holz, mit dem Oberlin dieselben druckte, wird gegenwärtig im Elsässischen Museum zu Straßburg aufbewahrt und trägt auf der Rückseite die von Oberlins Hand geschriebene Bemerkung: «gezeichnet und gestochen in gelegenen Stunden dreier Tage». W i e die Musik im Steintal gepflegt wurde, fand schon früher Erwähnung. Außerhalb

Lundi

Mardi

1. Calcul

1. Calcul

Mercredi

1. Calcul

Jeudi

1. Calcul.

Vendredi

1. Calcul.

2. Grammaire 2. Composi- 2. Lecture 2. Grammaire 2. Lecture française française et française. française. tion d'un analyse d'un conte moral. passage. 3. Lecture française

Samedi

1. Lire et traduire de l'allemand en français. 2. Grammaire.

3. Grammaire 3. Dicter et 3. Dicter un 3. Analyse 3. Notes corriger le chapitre de chant. française. grammatimots alle« passage cale. analysé. mands.

4. Géographie 4. Lecture française.

4. Catéchisme. 4. Notes et chant.

et

4.Géographie. 4. Catéchisme.

des Unterrichts ermutigte Oberlin die Kinder ganz besonders zum Zeichnen und Malen; er überwachte genau die Leistungen der Schüler. Davon gibt nachstehendes Schreiben an einen Lehrer Zeugnis 23 ). «Presque tous les écoliers ne veulent peindre qu'avec des couleurs brillantes, cependant il y a peu de couleurs brillantes dans la nature: les rochers, les troncs, les arbres n'ont point de couleurs brillantes. S'il y a des écoliers qui sont assez sages pour prendre la nature pour modèle et employer les couleurs mates. . . je prie messieurs les régents de me faire parvenir leurs cahiers de dessin et de peinture.» l'aîné, Vie de J.-F. Oberlin. S. 8S—94.

M

) Leenhardt, Camille, L a Vie de J.-F.

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Das Volk.

Jedenfalls beabsichtigte Oberlin, diesen Schülern eine Belohnung zu teil werden zu lassen. Er führte nämlich einen sog. catalogue des braves, in den alle Kinder eingeschrieben wurden, deren Leistungen oder Betragen 24 ) ihn oder die Lehrer am meisten befriedigten, und welche darum Belohnungen verdienten. Die Preise wurden am Schluß des Jahres ausgeteilt und bestanden in der Regel in Bleistiften, Federn, Farben oder Büchern. Jedes Jahr am Himmelfahrtstage fand außerdem ein großes Fest statt mit Spielen und sonstigen Vergnügungen, wobei ebenfalls Preise verteilt wurden, ö f t e r s versammelte Oberlin die Schüler im Pfarrhause, w o die Fleißzettel gegen Zeichnungen, Silhouetten und ähnliche Dinge eingetauscht wurden. Für die größern Schüler stellte er öfters Preisaufgaben, die schriftlich zu beantworten waren; z. B.: «Quels pourraient être les avantages d'un garçon instruit dans le calcul pardessus un autre qui ne le serait pas? — Un gros écu pour la meilleure réponse». Alle diese Veranstaltungen hatten den Zweck, die Gleichgültigkeit zu bannen und den Lerneifer anzuspornen. Ein großes Hindernis für die Oberlin'schen Bestrebungen auf dem Qebiete des Schulwesens und der Seelsorge war der Umstand, daß die Steintäler fast ausschließlich nur Patois redeten. Bei seiner Ankunft konnten nur wenige Familien geläufig französisch sprechen. Besonders im Unterricht der Kleinen machte sich dies als großer Mißstand geltend. Mit aller Macht suchte darum Oberlin das Patois zu unterdrücken S5 ) und die französische Sprache zur Umgangssprache zu machen. Wo er nur konnte, machte er die Leute auf die Nachteile des Patois-Sprechens aufmerksam. Doch dabei blieb er nicht stehen. Durch Verteilung von Bibeln suchte er mit Qotteswort zugleich die französische Sprache in die Häuser seiner Pfarrkinder zu tragen. Die von Stuber gegründete Bibliothek hat er auf 500 Bände erweitert. Es befanden sich darunter neben religiösen Schriften und Moralgeschichten hauptsächlich Reisebeschreibungen und naturwissenschaftliche Abhandlungen, sowie Bücher über Ackerbau und Obstbau. Viele derselben hat Oberlin selbst in Straßburg auf dem Gimpelmarkt gekauft. Es war für ihn eine Freude zu sehen, Oberlin, Paris et Nancy. 1911. S. 50. ") Die Schuldisziplin (Belohnung und Strafe) wurde ganz in Basedow'schem Sinne gehandhabt. Im Jahre 1778 verfaßte Oberlin ein «Règlement de police et de discipline», nach dem sich die Lehrer zu richten hatten. — Siehe Stœber, l'aîné, Vie de J.-F. Oberlin. Strasbourg. 1831. 26 Seite 86—88. ) Leenhardt, Camille, La Vie de J.-F. Oberlin, Paris et Nancy. 1911. S. 423. Siehe das interessante Schriftstück «Exhortation à bannir le patois»

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wie die Steintäler nach und nach Lust zum Lesen guter Bücher bekamen. Wegen zu starker Nachfrage sah er sich sogar genötigt, eine Bibliotheksordnung einzuführen, worin genau festgesetzt war, wie lange ein Dorf und ein jedes Haus die Bücher behalten durfte. Durch die Ausbildung von lectrices, jungen Mädchen, die den des Lesens unkundigen Leuten in ihrer Wohnung vorlasen, wurde ebenfalls für die Verbreitung der französischen Sprache gesorgt. Doch Oberlin tat noch mehr. Er wollte nicht nur, daß die Leute überhaupt für geistige Nahrung zugänglich wurden; er wollte auch ihren Gesichtskreis erweitern. Zu diesem Zwecke abonnierte er sich auf politische und wissenschaftliche Zeitungen und Schriften, und machte daraus Auszüge, die er den Leuten gelegentlich bei Unterredungen oder in eigens dazu eingerichteten Zusammenkünften, ja selbst von der Kanzel herab mitteilte; dabei wußte er mit einem bemerkenswerten Geschick die Dinge vom religiösen Standpunkte aus zu betrachten und ebenso treffende als originelle Nutzanwendungen zu machen. Die Einrichtung der Kieinkinderschulen ist ein weiteres Verdienst Oberlins. Er hatte bald eingesehen, daß der Schulunterricht allein nicht genüge, um allen Bedürfnissen der Jugend gerecht zu werden. Es fehlte noch die Unterweisung der Mädchen in den weiblichen Handarbeiten; viele Schüler, denen es an einer nutzbringenden Beschäftigung fehlte, waren nach dem Unterrichte sich selbst überlassen und trieben sich mit den noch nicht schulpflichtigen Kindern auf den Straßen herum, stellten dumme Streiche an und redeten das in der Schule verbotene Patois. Da mußte etwas geschehen, und Oberlin besprach die Angelegenheit mit Stuber, der ihm am 3. Februar 1768 schrieb: «Etablissons dans chaque village une maîtresse pour le tricotage et payons-la en raison du nombre de bas qu'auront tricotés ses élèves» M). Der Plan wurde bald verwirklicht. Zunächst machte Oberlin vergebliche Versuche ein Erziehungshaus zu bauen. Da hörte er im Winter 1769, daß Sarah Bernard aus Belmont, die früher bei Stuber Magd gewesen war und dort das Stricken erlernt hatte, bereits aus eigenem Antriebe die Kinder ihres Dorfes stricken lehrte, daß es aber ihr Vater des Zeitverlustes wegen nicht gern sah. Da dingte sie Oberlin im Einverständnis mit ihrem Vater als Stricklehrerin. Nach und nach nahm er noch andere Mädchen in seinen Dienst, die er alle aus eigenen Mitteln bezahlte, und die er gemeinsam aus dem Jahre 1825.

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) Leenhardt, Camille. La Vie de J.-F. Oberlin. S. 59.

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mit seiner trefflichen Gattin als «conductrices de la tendre jeunesse» ausbildete. Gleichzeitig mietete er in den verschiedenen Gemeinden geräumige Stuben, die er poêles à tricoter nannte. Sie waren mehr als das; es waren die ersten Kleinkinderschulen in Frankreich und zugleich Mädchenhorte, von denen sich wahre Segensströme ins Steintal ergossen. Die großen Mädchen hatten die kleinen Kinder zu hüten und zu pflegen; dabei lernten sie allerlei Handarbeiten, biblische Geschichten, Lieder und noch mancherlei angenehme und nützliche Dinge. Die an der Spitze jeder Schule stehende conductrice hatten außerdem die wichtige Aufgabe, der ihr anvertrauten Jugend Anstand, Höflichkeit und gutes Benehmen beizubringen. Mit wunderbarem Geschick haben diese aus dem Volk hervorgegangenen Mädchen den Oberlin'schen Geist erfaßt und sind mit wahrer Hingebung ihrer schwierigen Aufgabe gerecht geworden. Die bekannteste Kleinkinderlehrerin war die am 4. November 1763 geborene Luise Scheppler aus Bellefosse. Schon vor ihrem fünfzehnten Jahre kam sie als Magd in Oberlins Haus. Nach dem frühzeitigen Tode seiner Gattin war sie ihm eine treue Stütze und seinen Kindern eine zärtliche Wärterin. Vor allem aber w a r sie eine eifrige und fromme conductrice, deren Oberlin in seinem Testamente in rührendster Weise gedenkt. Sie starb 1837 und wurde neben Oberlin bestattet. Im Jahre 1829 erhielt sie den von dem Grafen Monthyon gestifteten Tugendpreis. (500 Franken.) Trotz seiner vielseitigen Tätigkeit als Pädagoge vernachlässigte Oberlin niemals sein Pfarramt. Predigt und Seelsorge sah der nie rastende Pfarrer in Waldersbach als seine vornehmste Amtspflicht an. Er predigte in französischer Sprache abwechselnd in Fouday, Waldersbach und Belmont. Einmal monatlich hielt er Gottesdienst im Hohwald in deutscher Sprache. Seine Predigten waren einfache und herzliche Schriftbetrachtungen; es gilt von ihnen dasselbe, ,was von denjenigen Stubers gesagt wurde. «Kern und Stern derselben war die Gnade Gottes in Christo Jesu.» J e d e s einzelne seiner Pfarrkinder trug Oberlin auf betendem Herzen. Wollte er für diesen oder jenen ganz besonders beten, so schrieb er dessen Namen mit Kreide auf die Innenseite der Stubentür. Wenn die Gemeindeglieder noch spät in der Nacht Licht aus seinem Zimmer blicken sahen, so wußten sie: «Er betet für uns». Kein W e g w a r ihm zu weit oder zu mühsam, kein Berg zu steil, kein Wetter zu schlecht, keine Stunde in der Nacht zu spät, wenn es galt, einem Pfarrkinde aus geistiger oder auch leiblicher Not zu helfen.

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Über mancherlei Dinge hatte Oberlin seine besonderen Ansichten, so vor allem über das Leben im Jenseits " ) . Er war Mystiker und Visionär. Bald im wachen, bald im visionären Zustande verkehrte er lange Jahre hindurch mit seiner verklärten Gattin 2 8 ), und feierlich und dankbar erzählt er in seinem Tagebuch von ihren Besuchen und Gesprächen. Von Himmel und Hölle hatte er eine topographische Karte angefertigt, die er sogar unter die Kanzel hing. Mitunter tröstete er bei Trauerfällen die Hinterbliebenen dadurch, daß er ihnen auf der Himmelskarte genau den Ort angab, an dem sich der Verstorbene befand. Seinen Träumen maß er große Bedeutung bei. Wenn er bei schwierigen Fragen im Zweifel war, was er tun sollte, so ließ er das Los entscheiden; zu dem Zwecke trug er in seiner Tasche zwei Täfelchen mit der Aufschrift «oui» und «non». Viele Zeitgenossen Oberlins mißbilligten seine eigenartigen Ansichten über Tod und Leben im Jenseits, belächelten seine Geisterseherci und seine Träume. W i r möchten uns nicht vermessen, in diesem Punkte an dem kindlichen Glauben des «Heiligen der protestantischen Kirche» Kritik zu üben, wie das zuweilen auch heute geschieht. Zu den schönsten Zügen im Wesen des gewissenhaften Seelsorgers im Steintal gehören seine Opferwilligkeit, die keine Grenzen kannte, und die große Toleranz gegen Andersgläubige. Seinen Feinden gegenüber bewahrte er stets einen bewundernswerten Gleichmut, wodurch manch ein Hasser zum eifrigen Anhänger wurde M ). Es erscheint einigermaßen rätselhaft, wie ein Mann, dessen ganzes Sinnen und Trachten auf höhere, geistige Ziele hinsteuerte, auch in so ausgiebigem Maße für das materielle Wohl seiner Pfarrkinder sorgen konnte. Und doch ist andererseits die Handlungsweise Oberlins sehr begreiflich. Wollte er die Steintäler aus der Unwissenheit herausreißen und aus ihnen gute Christen machen, so mußten notwendigerweise mit seinen pädagogischen und seelsorgerischen B e strebungen solche sozialer Natur Hand in Hand gehen. Gesittung und Bildung sind die Töchter eines, wenn auch bescheidenen Wohlstandes, und ein gesunder und bildungsfähiger Geist kann nur in einem gesunden Körper wohnen; dabei ist der Ausdruck «gesunde " ) Seine diesbezüglichen Anschauungen hatte er zum großen Teil durch die Lektüre der phantastischen Schriften des wunderlichen Philosophen Emanuel von S8 ) Oberlins Gattin starb am 17. Januar 1783 nach kurzer Swedenborg gewonnen. M ) Zeichnung Krankheit, acht Wochen nach der Geburt des neunten Kindes. von Theophil Schuler: «Oberlin und der Grobian». Chr. G. Hottinger, Elsaß-

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in seinem weitesten Sinne aufzufassen. Aus diesem Gedankengang heraus ist Oberlins Pietismus nicht zur kalten Weltflucht geworden, sondern zu einer Triebfeder für die mannigfachsten sozialen Unternehmungen. Was tat der nie rastende Pfarrer nicht alles aus Liebe zu seinen Pfarrkindern! Er baute Straßen und Brücken, um Waldersbach und das Steintal mit der Welt zu verbinden und so Handel und Wandel zu stützen ") ; und er war nicht zu stolz, selbst mit Schaufel und Hacke an die Arbeit zu gehen, um durch sein Beispiel andere mitzureißen. Seine Bemühungen um die Einführung der Industrie, welcher die Steintäler ihr Brot verdanken, fand bereits Erwähnung al ). Aus Liebe zu der armen Bevölkerung verlegte sich der feingebildete Städter auf die Landwirtschaft") und lehrte seine P f a r r kinder auch im täglichen bäuerlichen Betrieb neue Handgriffe, um dem kargen Boden Nahrung abzuringen. Nicht allein gute Saatkartoffeln verschaffte er den Steintälern ss ), sondern auch Getreide-, Lein- und Kleesamen. Er lehrte sie ihre Wiesen bewässern und düngen und Obstbäume pflanzen und veredeln. Er verhalf ihnen zu bessern landwirtschaftlichen Geräten und zeigte ihnen, wie der Dünger, der bisher die Dorfstraße verunzierte, in Gruben gesammelt, behandelt und rationell verwendet werden kann. Schon den Kleinen suchte er auf mannigfache Weise Liebe zum Garten- und Ackerbau einzupflanzen. Zur Belehrung der Alten gründete er einen landwirtschaftlichen Verein"); dessen erster Vorsitzender war der Schullehrer Joh. Dav. Bohy und der erste Schriftführer Seb. Scheidecker. Der Viehzucht schenkte Oberlin ebenfalls seine Aufmerksamkeit. Um die Steintäler vor Schaden bei Viehverlusten zu bewahren, gründete er einen Viehversicherungsverein, der noch heute in Waldersbach seinen Sitz hat. Die von Oberlin festgesetzten Vereinsstatuten haben jetzt noch zum größten Teil Geltung. Auch w a s den Häuserbau betrifft, erteilte der rührige Pfarrer gute Ratschläge. Tüchtige junge Leute tat er zu Handwerkern in die Lehre. An die Bürger, welche auf seine Bestrebungen eingingen, verteilte er Preise. «Prix proposés aux bourgeois de la paroisse de Waldbach pour l'année 1778. 30 Lothringen. 1884. S. 243. ) Siehe Kapitel: Erwerbsquellen. ") Ebenda. M ) Stœber, l'aîné, Vie de J.-F. Oberlin. 1831. S. 138—151. ) Siehe Kapitel: Erwerbsquellen. ") Siehe die Statuten des Vereins. — Stœber, laîne, Vie de

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Wohltäter des Steintals.

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1. Quiconque, lorsqu'il bâtit, donne la même hauteur à la chambre en haut qu'au poêle en bas, aura 12 livres, argent comptant. 2. Le tisserand qui jusqu'à la St. Jean aura fait la toile la plus serrée, aura 4 livres de laine. 3. Quatre prix sont destinés à ceux qui jusqu'au printemps auront fait les meilleures pépinières ou places garnies de petits arbres, qu'on y cultive jusqu'à ce qu'ils soient assez grands pour être transportés. Pour chacune des deux meilleures pépinières on recevra une livre de laine et une serpe pliante ou un couteau de jardin; pour les deux suivantes chacune une livre de laine. 4. Un cheval mène ce que 5 à 6 peuvent porter, tout le monde le sait. Ceux qui, au lieu de faire porter leurs marchandises à Barr par des chevaux, les y mèneront sur des voitures, auront pour chaque voiture une livre de laine; et chacun qui confiera à ces voituriers la charge d'un cheval, pour la faire vendre à Barr, aura six sols ").» Faulheit und Bettelei waren Oberlin in der Seele zuwider. Die letztere bekämpfte er mit alier Macht; die Hirtenbuben, die sonst den ganzen Tag auf der faulen Haut lagen oder auf der Weide Schlechtes trieben M), lehrte er stricken, Heilkräuter sammeln, Löffel schnitzen S7 ). Er richtete Warenlager ein und gründete nach dem Muster von Dr. Raiffeisen, zu dem er in freundschaftlicher Beziehung stand 38 ), Leih- und Sparkassen, um zu verhindern, daß die Leute von gewissenlosen Wucherern ausgebeutet würden. Durch Ankauf von Feuerspritzen und Gründung von Feuerwehren, durch Einführung einer bessern Krankenpflege suchte er der Allgemeinheit zu dienen. Oberlin, der Mystiker, war gleichzeitig ein Mann des Fortschritts, und er machte den materiellen Fortschritt seinen Qemeindegliedern zu einer Christenpflicht. Uber sein Verhalten während der Revolutionszeit wurde bereits an anderer Stelle einiges berichtet. Mit freudigem und hoffnungsvollem Herzen hatte er den Anbruch der Freiheit begrüßt. Wie sehr mußte es ihn darum schmerzen, als nach den ersten vielversprechenden Anfängen die schlimmen Tage der SchreckensherrS5 J.-F. Oberlin. 1831. S. 149, 150. ) Stœber, l'aîné. Vie de J.-F. Oberlin. 1831. Ä S. 162. ® ) Oberlins Annalen berichten etliche Male von schweren sittlichen 37 Vergehen der Hirtenjungen. ) K. Hackenschmidt, Fritz Oberlin, Eis. LebensS8 bilder VI. 1901. S. 201. ) Leenhardt, Camille, La Vie de J.-F. Oberlin. 1911.

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Das Volk.

Schaft folgten. — Das eigenartige Benehmen Oberlins während jener Zeit wird nicht von jedermann gebilligt"). Als auf Befehl des Nationalkonventes am 9. April 1794 auch im Steintal der Gottesdienst abgeschafft worden war, verwandelte Oberlin seine Gemeinde in einen Volksverein, dessen Sitzungssaal die Kirche war, und hielt unter der äußern Form einer Klubsitzung auch fernerhin religiöse Versammlungen ab M ). Er schreibt selbst: «j'établis un club à la place du service divin, pour sous ce nom, continuer nos assemblées». Obwohl Oberlin sich sonst freundlich gegen das revolutionäre Regiment stellte und sorgfältig dessen wunderlichste Vorschriften beobachtete, geriet er doch in den Verdacht, ein Feind der Republik zu sein. Bereits am 25. Frimaire an II (15. Dezember 1793) sollte er in Straßburg vor dem Comité de sûreté sein politisches Glaubensbekenntnis (confession de foi politique) ablegen 41 ). Am 28. April 1794 wurde er gemeinsam mit seinem Amtsgenossen Jonas Bockel *s) aus Rothau gefangen genommen und nach Schlettstadt geführt. Von da sollten die beiden mit andern Geistlichen nach Besançon vor das Gericht geschickt werden. An demselben Tage aber, an dem sie nach Schlettstadt wanderten, erreichte durch den Sturz Robespierre's und seiner Genossen die Schreckensherrschaft ein Ende, und die zwei Steintäler Pfarrer konnten wieder wohlbehalten heimreisen. So blieb Oberlin seinen Pfarrkindern erhalten und durfte noch lange Jahre segensreich wirken. Nach kurzer, aber schmerzhafter Krankheit entschlief der Wohltäter am 1. Juni 1826. Am Montag, den 5. Juni wurde seine sterbliche Hülle auf dem Kirchhofe in Fouday beigesetzt**). Sein Geist aber wirkte im Steintale weiter. Auf dem Gebiete der Arbeiterfürsorge besonders wirkte zu Rothau der fromme Fabrikant Gustav Steinheil **) (gest. 1906). Außer zahlreichen andern sozialen Unternehmungen schaffte er die Organisation der Arbeiter,9 S. 115 u. 359. ) Bodemann, Johann Friedrich Oberlin, Pfarrer im Steintal. 1879. S. 162. — Vergl. auch La légende d'Oberlin, Pasteur au Ban-de-la-Roche. [Extrait de la Revue catholique d'Alsace.] 1910. S. 48—59. De Berckheim, 41 Souvenirs d'Alsace. 1889. Bd. I S. 93—140. ) Am 12. Brumaire an IV leistete er den Bürgereid; er lautet: «Je reconnois, que l'Universalité des Citoyens françois est le Souverain, et je promets Soumission et Obeïsance aux Loix de la République. — Eis. Monatsschrift. Jahrg. 1910 Nr. 3 S. 174. ") Siehe Eis. Monatsschrift. Jahrg. 1910 Nr. 12 S. 755. — Boch, K., Der Bürgereid von Jonas Bceckel, Pfarrer in Rothau. ") Uber die Trauerfeier usw. siehe Bodemann, Johann Friedrich Oberlin, Pfarrer im Steintal. 1879. S. 214—224. ") Pierre Dieterlen, Gustav Steinheil, 1818—1906. Übersetzung von Paul Werner. 1910. S. 70—91.

Wohltäter des Steintals.

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hilfsgenossenschaft. Auf Grund der in diesem Musterinstitut gemachten guten Erfahrungen entschloß sich unter Leitung des Direktors Bosse das Reichsamt des Innern, neben der Invalidenversicherung auch die Altersversicherung einzuführen. So gereichte eine im kleinen Steintal geschaffene Einrichtung zum Segen der gesamten deutschen Arbeiterschaft. In seinem Schwiegersohn, Tommy Fallot 45 ), hatte Steinheil einen treuen Gesinnungsgenossen. Die Steintäler gedenken mit aufrichtiger Dankbarkeit dieses geistreichen Mannes, der als Pfarrverweser zu Wildersbach drei Jahre lang (1872—1875) zahlreiche Seelen erweckte und belebte durch seine glänzende, eindringliche Sprache und seine unermüdliche und unersättliche Liebe. Und wieder ist Oberlin'scher Geist am Werke. Nach Überwindung zahlreicher Hindernisse und Vorurteile hat Pfarrer Werner in Wildersbach, ein Nachkomme Oberlins, auf der Perheux einen großen Spielplatz eingerichtet und eine gastliche Blockhütte erbaut. Auf dem Spielplatze tummelt sich an den Sonntagnachmittagen unter Leitung des Pfarrers oder eines Lehrers eine Anzahl junger Leute aus den umliegenden Steintaldörfern. Während der langen Woche arbeiten sie von frühmorgens bis spät am Abend in dumpfen Fabrikräumen. Die Betätigung an Spiel und Sport ist für sie darum eine unaussprechliche Wohltat. Da stärken sich ihre Muskeln und weiten sich ihre Lungen. Mit einem Wort, es gesunden Körper und Geist in der freien Natur. In der Blockhütte aber walten inzwischen fleißige Frauenhände und bereiten für die müden Spieler und die zahlreichen Zuschauer allerlei Erfrischungen. Der vorüberziehende Wanderer findet in der Hütte selbst oder auf den Bänken der sie umgebenden Anlage einen bequemen Ruheplatz, von dem aus er einen herrlichen Blick auf das Dorf Wildersbach, den Struthof und die Breuschtalberge genießt. Auch kann er sich an Milch, Tee oder andern alkoholfreien Getränken erlaben. Am schulfreien Donnerstag wird der Platz von der Schuljugend des Steintals belebt, die unter Leitung eines Lehrers oder einer Lehrerin beim Spiel anzutreffen ist"). Fürwahr ein eigenartiges Unternehmen auf dem Gebiete der Jugendfürsorge, ein Werk, dem der Stempel echt Oberlin'schen Geistes aufgedrückt ist! **) Ebenda. S. 38. ") Am 9. Juli 1913 fand unter Leitung von Herrn Kreisschulinspektor Lombard für die Lehrer des Kreises Molsheim auf der Perheux eine Konferenz statt. (Vortrag über Jugendspiele und Vorführung solcher.)

ANHANG. 1. St. Blaise und Bliensbach. Die zwei Dörfer gehörten ursprünglich zur Herrschaft zum Stein (Blasius ad Rupem). Doch besaßen auch die Herren von Andlau gewisse Rechte in St. Blaise; 1284 fand bezüglich der Rechte dieser und derer von Rathsamhausen zum Stein ein Schiedsspruch statt 1 ). 1371 verkaufte Eberlin von Andlau seinen Anteil an den beiden Dörfern an die Rathsamhausen zum Stein 2 ). Da St. Blaise und Bliensbach nicht ein Reichslehen waren, sondern ein Allod"), konnten 1507 die verschuldeten Rathsamhausen die zwei Dörfer an das Bistum Straßburg abtreten*), von dem sie dieselben nunmehr als bischöfliches Lehen aufgetragen bekamen. 1566, am Donnerstag nach Invocavit, belehnte Bischof Erasmus von Straßburg den Ritter Wolf Dietrich von Rathsamhausen zum Stein mit Bliensbach und Helmsgerieth *). Am 19. April 1570 bat Wolf Dietrich v. R. für Hans Friedrich v. R. um Belehnung mit Bliensbach und Helmsgerieth"). Daraufhin bestimmte am 9. Dezember 1573 der Bischof Johann, daß «nach Absterben weilandt unsers lieben, getruwen Wolf Dietrichen» v. R. z. St. Hans Friedrich für sich und seine Lehnserben belehnt würde mit «Helmanßgerieth und Blienßbach, zwischen Steinthal und Weilerthal gelegen, mit aller Oberkheit, Herrlichkeit und Zugehörungen, mit den Leuten die alle aigen sindt, Häusern, Höven, Ackern, Zinsen, Qülden, feuern, betten, Zollen, Pfennig, Gülten, Cappen und Hüener Zinsen, hohen und niedern Gerichten, Geboten, Verboten und allem andern das dazu gehört, nichts ausgenommen, so weiland Georg, Albrecht und Samson, Gebrüder, auch Jakob v. R. z. St. von unseren Vorfahren und Stift, anstatt und für Breitenberg, das Schloß im Sulzmatter Thal, in der obern Mundat gelegen, so sie vormals von unsern Vorfahren und. s Das Reichsland III 963. — Siehe Kapitel: Älteste Zeit. ) Siehe Kapitel: s Rathsamhausen zum Stein. ) Kreisarchiv Speyer, Bestand Zweibrücken III Abt. 1 Nr. 7. ') Siehe Kapitel: Rathsamhausen zum Stein. "> B. A. Str. Q825. 8 •) B. A. Str. O 825. *) B. A. Str. Q 825. ) B. A. Str. Q 825. — Uber den

St. Blaise und Bliensbach.

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Stift Straßburg zu Lehen gehabt, und mit deren Verwilligung verkauft, vormals unserm Vorfahren und Stift frei lediglich übergeben und zugestellt, zu Lehen gemacht haben, also daß sie und ihre Lehnserben solche Lehenstück und Queter nutzen, nissen und gebrauchen sollen und mögen» usw. «Der genannt Hans Friedrich von Rathsamhausen ist auch auf solliches unser und unser Stift Mann worden und hat auch mit gutem truwen gelobt und ein aid leiblich zu Qott und den hailigen geschworen uns und unserm Stift Straßburg getreu und hold zu sein, unsern Schaden zu warnen und zu wenden, unserm frommen und bestes zu werben und zu fürdern» usw. 7 ). 1583, am Donnerstag nach St. Gallentag, belehnte Bischof Johann zu Zabern Philipp von Fleckenstein und die übrigen Vormünder des jungen Samson von Rathsamhausen mit Blinßbach und Helmannsgereidt 8 ). Am 18. Mai 1602 bat Samson das Stift Straßburg, die beiden Dörfer veräußern zu dürfen 9 ) und trat alsbald in Kaufverhandlungen ein mit dem Freiherrn Rudolf von Bollweiler, dem damaligen Besitzer des Weilertals. Am 26. Mai 1604 kaufte dieser die Dörfer um 12 000 Qulden mit Zustimmung des Bischofs Karl v. Lothringen 1 0 ). Noch im gleichen J a h r e (12. Oktober 1604) scheint Rudolf von Bollweiler die zwei Dörfer um 20 000 Pfund Pfennig an einen gewissen Nikolaus von Weilersberg verkauft zu haben "). Doch erscheinen sie bald wieder im Besitze des Herrn von Bollweiler. Dessen einzige Tochter Margarete verheiratete sich mit dem Grafen Johann Ernst von Fugger 1 2 ) und durch Erbschaft kamen nun St. Blaise und Bliensbach gemeinsam mit der Herrschaft Weilertal an die Fugger (1616) 1S ). 1622 w u r d e Johann Ernst Fugger vom Bistum mit St. Blaise und Bliensbach belehnt 1 4 ). 1648 belehnte der Bischof Leopold Wilhelm den Grafen Christian Rudolf Fugger mit den beiden Dörfern "). Von diesem empfing 1659 Georg Friedrich von Andlau die Dörfer ohne Genehmigung des Bischofs als Unterlehn 1 6 ). Prozeß zwischen Pfalzgraf Veldenz und den Rathsamhausen w e g e n St. Blaise und 9 Bliensbach siehe Kapitel: Die Pfalzgrafen von Veldenz. ) B. A. Str. Q 825. — 10 Kapitel: Die Rathsamhausen zum Stein. ) B. A. Str. Q 553, C 323 6 ; Kreisarchiv Speyer, Bestand Zweibrücken III Abt. 1 Nr. 7. ") B. A. Str. C 323 5 . 1S ) Kreisarchiv Speyer, Bestand Zweibrücken III Abt. 1 Nr. 7. ") Das Reichs14 19 land III 963. ) B. A. Str. Q 553 s . ") B. A. Str. Q 553 s . ) B. A. Str.

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Anhang.

Daraus erklärt sich der Umstand, daß Bischof Franz Egon 1664 wieder Christian Rudolf Fugger mit Bliensbach und St. Blaise belehnte, obwohl die Dörfer in andern Händen waren ")• 1665 beschwerte sich der Bischof, daß die Unterbelehnung der Herren von Andlau ohne seine Zustimmung erfolgt sei 18 ). Fortan blieben die Dörfer im Besitze der Andlau; doch erst 1688 bestätigte der Bischof Wilhelm Egon dem Grafen Franz Jakob von Andlau des Lehen"). Gleichzeitig belehnte er Ernst Friedrich, Franz Jakob, Philipp Hermann und Wolf Ludwig, die Söhne des obengenannten Georg Friedrich von Andlau mit den beiden Dörfern 80 ). Unter den Grafen von Andlau wurden sie in die Matrikel der Reichsritterschaft eingetragen und so reichsritterschaftlich M ). Die beiden Dörfer blieben bis zur Revolution im Besitze der Andlau ").

2. Inventarium *) aufgezeichneter Sachen so sich im fürstl. Rodawisch Freihoff zu Ober Ehenheim befunden. Montagß 27. Juli anno 1640. In d e r S c h e u n e

Früchten.

Jt. ahne Ruhgerst Garben 300 so nit getröschet und so ausgetröschet 55 Garben. Jt. ein eng und ein weitte newe Reuter. Jt. ein Wanne. Jt. ein gefaßt hültzer Roll zum Garben aufzuziehen. Im K e l l e r . Jt. ein mit Jt. ein mit

groß Thürlinß Vaß haltend 78 Ohm 16 Maß Nr. 1. groß Thürlinß Vaß haltend 70 Ohm Nr. 2. '

18 Q 553®. 17) B. A. Str. Q 553 s . ) B. A. Str. Q 553. ") B. A. Str. Q 553. M sl as ) B. A. Str. Q 553. ) Das Reichsland III 963. ) B. A. Str. C 151 ,7 . *) St. A. O. DD 51.

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Inventarium.

Jt. noch ein Thürlinß Vaß haltend auch ohngefähr 70 Ohm mit Nr. 3. Jt. mehr ein Thürlinß Vaß, hält 55 Ohm mit Nr. 4. Jt. noch ein Thürlinß Vaß haltend 64 Ohm mit Nr. 5. Jt. noch ein Thürlinß Vaß haltend 50 Ohm 14 Maß mit Nr. 6. Jt. ein groß Thürlinß Vaß, hält uff 70 Ohm 14 Maß hat H Diebold. Jt. ein halb öhmigen S zuber. Jt. ein Küefferbloßbalckh. Jt. ein Trott Seill. T r o t t h a u ß. Jt. ein Trott, Trottbaum, Seige. Jt. ein Brügel. uff d e r K a s t e . Jt. ohngefähr uff 4 Wegen Hew. Jt. geschnitten Stroh uff 4 Jt. ein Trott Zaum. (?) im S t a l l . Jt. ein lichtbraun Studt. Jt. ein grawe Studt. Jt. 3 Kummet. Jt. 1 Trag Küssen ziemlich guth. Jt. 1 Licht. Jt. 1 Reith Küssen. Jt. 2 Würff Stränge. Jt. 2 schlechte Zäum. Jt. ein Badbütth. Jt. ein Salb büx. Jt. ein Karch so vorm Jahr new gemacht. Jt. ein Wagen daran 2 Vorder Räder. Jt. ein Pflug mit sampt Kärchle, Hammer, Wog, Schar und Sech. J t. i m Vorder K e l l e r . Jt. 2 alte große Vässer ohne Böd. Jt. 7 mittelmäßige Zehendbütten. Im a l t e n S t o c k . Jt. ein eißerner Ofen, vom Simbson, so ein mittel Quß. Jt. ein alt Herdplatt. D o c h , Steintal.

16

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Im G e g e n b a u . Jt. ein eißerer Ofen mittel Guß von der Hochzeit in Cana. mehr fürhanden gewest, so aber zu sehen, ob es verrechnet, t. 2 Wagen Ketten, t. ein Reudhaw. t. ein Karst, t. ein Misthack, t. ein alte Haw. t. ein eißer Herdplatt. t. ein abgebrochen Ofen, mittel Guß vom Simson. t. 2 Flegel.

3. Hexenprozesse im Steintal. «Volgende Personen von Schirmeckh 1 ) und Naßweiler sindt von denen im Steintal der Zauberei wegen iustificirte ahngeben wordten und inn den todt beharrlich uff ihren aussagen verpliben. Ottilia, Hannß Martins frau vonn Oberrottau hat am 25. May 1621 bekhennt, daß sie vor ungefehr acht wochen uff ihrer Zusammenkunft bei dem Steinthalischen hochgericht") des beckhers frau vonn Schirmeckh, die lange Susanna genannt ist, zu nachts gesehen, und getantzt, iedoch nit gewußt, wer derjenige gewesen, so mit ihr getanzt. Von gemelter Ottilia ist auch ahngegeben Clauß Stephan vonn Naßweiler und der alten Magdalenen Sohn auch daselb, daß sie eben uff obernente Zeit bei ein ander uffm Sabath gewesen, fleisch vonn gestorbenem Vieh geßen und salben aus todten Kindern gemacht. Gleichfalls bekhannte sie, daß, vor 2 Jahren ungefehr vor dißer aussag, sie gemeltem Clauß Stephan hab helffen ein Khue umbbringen, dabei er, Stephan, selbsten gewesen. Georg Clauß, Jergen Sohn vonn Neuweiler, so den 26. 7 bris 1622 justificiert worden, hat bekhannt, daß er vor ungefehr 5 Jahren bei St. Ludtwig") in einem Brunnen ein Hagelwetter helffen machen inn dem nahmen des teuffels die früchten zuverderben, welches auch beschehen, dabei er unter andern auch gesehen Clauß Stephan und der alten Magdalenen Sohn, Clat genannt. Mougeatte, Clauß Gremppen frau vonn Neuweiler bekhennt den 30. May 1623, daß ungefehr 3 wochen zuvor der teuffei sie uff a *) B. A. Str. Fonds Zabern, Gerichtsakten o. Nr. ) Auf der Perheux. *) St. Ludwig oder St. Lüdlin-Natzweiler. *) Thomasarchiv Straßburg, «Hexen

Hexenprozesse im Steintal.

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einem bockh gehollt an einen ortt revilla genannt, daselbsten sie mit gerten in einen brunnen geschlagen, ein wetter zu machen, damit die früchten zu Neuweiler zu verderben, dabei gewesen Clauß Stephan und Hannß Zimmermann von Naßweiler, und habe besagter Clauß Stephan uff dem Sabath die salben helffen machen. Margueritte, Claulin Mettiats frau vonn Wiltenspach, bekent den 23. August 1622, daß 2 Jahr vor dißer bekhanntnuß sie in des Christmanns Clauß Martins vonn Naßweiler hauß des nachts inn Katzen gestalt inn die Küch gangen, daselb ein Kind von 1 Jahr mit ihrer salb inn des teuffels nahmen geschmirt, darum es kurtz hernach gestorben, sey unter vilen andern dabei gewesen des langen Matthes frau.» Das Schriftstück enthält noch 8 weitere Aussagen ähnlicher Art. Sie sind übrigens alle ziemlich harmlos. Meistens machten jedoch die angeblichen Hexen — hysterische Personen, deren Nerven durch die Folter vollends zugrunde gerichtet worden waren — Aussagen erotischer und sexueller Natur, und in den Prozeßakten sind oft die haarsträubendsten und perversesten Dinge zu lesen'). In den Jahren 1621 und 1622 waren 49 Personen im Steintal der Hexerei angeklagt; von diesen wurden die meisten gerichtet 5 ). Wie vielen Schmerz und Jammer, welch bittere Not und wie großes Elend und Unglück verraten uns doch die kalten Aufzeichnungen der Gerichtsprotokolle: «Christian Lorentz von Ober-Rotau Wittib ist verbrannt. Ihr Vermögen ist gewesen 92 ß.» «Hans Peter von Ober-Rotau. Ist Mann und Frau verbrannt. Ihre Barschaft ist 399 ß. Ist ein Söhnlein da, das hat man gantz eingezogen» (?). «Hanß Martins Frau von Ober-Rotau 6 ). Ist die Frau verbrannt; hat 5 Kinder.» «Hanß Bernhard und sein Frau von Rotau. Ist Mann und Frau verbrannt; haben 3 kleine Kinder verlassen und an Gütern 107 R 9 ß 4 £ . » «Monsch Andrese 7 ) und sein Frau von Wilterspach. Ist Mann und Frau verbrannt, welche verlassen 6 Kinder und an Gütern 565 ß.» 5 6 im Steintal». ) Ebenda. ) B. A. Str. Fonds Zabern, Qerichtsakten, Die Frau war beschuldigt, mit noch andern ein Schwein mit Salbe geschmiert zu 7 haben, daß es nach 3 Tagen starb. ) Ebenda. Der Mann war beschuldigt, vor 5 Vierteljahren ein Mägdlein von 1 K Jahren umgebracht zu haben; «welches Kindt uff der linge Seiten vonn Salben geschmirt worden, daß es gestorben».

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Von den Qualen, welche die Angeklagten ausstehen mußten, gewinnt man ein Bild aus der «Specification dero Unkosten, was Meister Bernhardt von den 20 letzten hingerichteten Personen, sowohl von der Tortur als auch von den Nachrichten verdient 8 ).» (1621 und 1622.) Da wird eine Person 6 mal «aufgezogen»; eine andere hat die «Beinstroppen angehabt»; andere wurden «gestreckt», noch andere «gebrannt und auf die Leiter gebunden». Der Richtplatz war auf der Perheux. Für das Aufziehen erhielt der Scharfrichter, Meister Bernhardt, je 1 ß und für eine Hinrichtung 10 ß. Bei den oben erwähnten 20 Fällen verdiente er insgesamt 228 ß.

4. Nachtrag zu Seite 31 und 34. Während des Druckes dieser Arbeit erschien die 4. Lieferung des 4. Bandes der Regesten der Markgrafen von Baden; ihr Erscheinen bedingte folgenden Nachtrag: Z u S e i t e 31 A b s. 2. An dem Bündnis gegen Qerotheus d. j. v. Rathsamhausen z. St. war auch der Markgraf Karl von Baden beteiligt. (St. A. Str. AA 1521; Reg. d. Markgr. v. Baden, 4. Band, 4. Lieferung Nr. 9825.) Karl v. Baden trat dem Bündnis bei als Verwalter der Lande Siegmunds von Österreich und für sich selbst. Schon seit langer Zeit bestand ja zwischen den Rathsamhausen und den Markgrafen von Baden eine große Feindschaft. (Vergl. S. 12 Anmerkung 98.) Z u S e i t e 3 4 A b s . 2 Z e i l e 5. Am 1. Januar 1469 [nach dem Regest 1469; es muß aber wohl heißen 1470] erklärt sich Bischof Ruprecht bereit, «Jerotheus v. Rathsamhausen den jungen zum Stein außer Sorgen zu lassen. Da der Bischof aber in Einung steht mit Johann v. Lothringen, Markgraf Karl v. Baden und Herzog Siegmund v. Österreich, soll Jerotheus allen Fleiß anwenden, daß diese ihn aus der Feindschaft entlassen; verharren indessen die genannten Fürsten in der Fehde gegen Jerotheus und mahnen den Bischof laut ihrer Einung wider diesen, so soll das der vorstehenden Beredung keinen Abbruch tun». (Reg. d. Markgr. v. Baden, 4. Band, 4. Lieferung Nr. 9731. — München Reichsarchiv, Lehenbücher 20, c III.) 8

) Thomasarchiv Straßburg, «Hexen im Steintal».

Sagen.

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5. Sagen. Das Steintal ist eine Sagenreiche Gegend 1 ). Zu diesem Umstände trägt in hohem Maße der Landschaftscharakter bei. Steile Bergabhänge mit gigantischen Felspartien, kahle mit Ginster und Heide bewachsene Bergrücken, tiefe, enge Täler mit murmelnden Quellen, einsame, düstere Waldgründe umgeben die Dörfer und Gehöfte. Das Rauschen des angeschwollenen Gebirgsbaches im dunklen Walde, der dichte Nebel, der in trüben und kalten Novembertagen Berg und Tal einhüllt und zuweilen die wunderlichsten Gestalten annimmt, das Echo in den Felsen, der im engen Tal widerhallende Donner, der zuckende Blitzstrahl, der die mächtigsten Bäume zerschmettert, als wären sie Strohhalme, die tanzenden Sumpflichter an schwülen Sommerabenden, der heulende Sturm in der finstern Herbstnacht, des Winters Eisbrücken und Kristallpaläste: das alles sind Erscheinungen, welche den Gemütern der einfachen Gebirgsbewohner Staunen und Furcht zugleich einflößen und zur Sagenbildung reichlich beitragen konnten. Bei den schon erwähnten abendlichen Zusammenkünften2) der Steintäler während der langen Wintermonate erzählten die Alten mit Vorliebe von ihren Erlebnissen im Walde und auf dem Berge. Am nächsten Abend wollte der noch das, und dieser noch jenes gesehen haben. Auf diese Weise mögen die meisten Sagen von Gespenstertieren und vom Talgeist, aber auch solche mit geschichtlichem Anstrich entstanden sein. a) Religiöse Sagen: Weitverbreitet ist im Steintal der Glaube an eine Wanderung der Seelen nach dem Tode, der Glaube an die «revenants» (die Wiederkommenden). Die Geister der Selbstmörder dürfen nicht eher in den Himmel bezw. in die Hölle eingehen, bis die Stunde geschlagen hat, in der sie eines natürlichen Todes gestorben wären. Sie müssen bis zu dem Augenblick ruhelos umhergehen, und an dem Orte, wo sie ihrem Leben gewaltsam ein Ende gemacht haben, hört man nachts oft ein Wehklagen. Auch wer irgend etwas gestohlen oder sonst eine Schuld auf sich geladen hat, darf nach dem Tode nicht ruhen. An der Straße von Rothau nach Natzweiler steht am Waldrande ein kleines Kreuz. Dort, so erzählt man, erscheint zu gewissen Zeiten eine Frau in alter Steintälertracht, welche ein Taschentuch voll Salz trägt, das sie ') B. W. (Boch, Wildersbach.) Von den Steintalsagen. Straßburger Post. 2 3 Jahrg. 1908 Nr. 420. ) Siehe Kapitel: Erwerbsquellen. ) Vergl. Stoeber,

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einst einem Krämer gestohlen hat. Wenn sie jemanden erblickt, seufzt sie schwer. Die Irrlichter sind die Seelen derer, die während ihres Erdenlebens sich an fremdem Qut vergriffen, indem sie die Grenzsteine der Grundstücke versetzten. — Bei der Verteilung der Gemeindeländereien glaubte sich Neuweiler zu Gunsten von Wildersbach benachteiligt; dies gab Veranlassung zur Bildung folgender Sage aus Neuweiler: An gewissen Tagen sind auf dem Bergrücken zwischen Neuweiler und Wildersbach tanzende Lichter zu sehen; das sind die Seelen jener Männer, welche bei der Teilung Neuweiler betrogen und falsch gemessen haben 8 ). b) Natursagen: Der Talgeist (vergl. mit Rübezahl) heißt im Patois 1" sotterö. (Dieser Ausdruck ist allem Anscheine nach von sauter = springen abzuleiten.) Er ist ein kleines, buckliches Männlein, das den einsamen Wanderern und den Holzhauern üble Streiche spielt. Zur Zeit der Heuernte zerstreut es nachts oft in böswilliger Weise die Wetterhäufchen auf den Bergwiesen. (Der Wind.) Wenn eine Gesellschaft abends spät heimgeht, setzt sich der Geist dem letzten auf den Nacken und hindert ihn am Vorwärtskommen. «On porte l'Esprit.» (Die Müdigkeit.) Diesem Spuk ist man am häufigsten ausgesetzt auf dem Wege übers Hochfeld nach Barr. (Die Steintäler gingen früher oft dorthin auf den Markt. Auf dem Heimwege trugen sie nicht selten eine schwere Last Kartoffeln, bei der Rückkehr ein Fäßchen Wein.) Der sotter6 erscheint auch noch unter dem Namen houpin. Es scheint dies eine Personifikation des Echo zu sein (houper bedeutet im Patois «laut rufen»). Der houpin wohnt in dem Frenöt. (Waldparzelle bei Wildersbach.) Wenn man von einer bestimmten Stelle aus gegen den Frenöt ruft, vernimmt man ein langgezogenes, mehrfaches Echo. Die Hirten erzählen, daß sich manchmal plötzlich mitten in der Herde ein kleines Männlein in blauem Kleide zeigt. Sein Erscheinen kündigt schlechtes Wetter an. In einer bestimmten Wiese spielen manchmal drei kleine Knaben, welche rote Zipfelmützen tragen. Sie springen, lachen und lärmen. Beim Nahen von Menschen verschwinden sie; dann gibt es fünf Wochen schlechtes, regnerisches Wetter. Bei den Servafällen werden zuweilen drei nackte Riesen gesehen, die im Wasser baden. Wenn sie da sind, beißen die Forellen nicht an. Aug., Die Sagen des Elsasses. 1851. S. 156. Der gespenstische Feldmesser, u. S. 46,

Sagen.

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Als einmal ein Mann an der Serva Holz holte, begegnete ihm eine schöne, weißgekleidete Frau. Der Gürtel ihres Gewandes war blau. Ohne ein Wort zu sprechen, übergab sie dem Holzhauer einen prächtigen Blumenstrauß, den er wohl schweigend annahm, aber vor Staunen zur Erde fallen ließ. Dort zerrann er zu Silber, und als der Erschrockene dasselbe gierig zusammenraffte, fing die rätselhafte Frau laut zu weinen an und verschwand hinter einem Felsen. Von Gespenstertieren wird mancherlei erzählt. Man soll z. B. niemals nach einem Hasen werfen, der einem über den Weg läuft. — Eine Frau, die am Minzfeld Beeren sammelte, warf einmal mit einem Steine nach einem Hasen, der ihr über den Weg lief, und als sie ihn fangen wollte, blieb ^sie in den Hecken hängen und wurde von unsichtbarer Hand tüchtig durchgeprügelt. Erst am nächsten Morgen befreiten sie vorübergehende Holzhauer aus ihrer schlimmen Lage. Das Minzfeld und das Teufelsloch sind überhaupt gefährliche Orte. Dort erscheinen oft in den sumpfigen Wiesen hüpfende Irrlichter, die den Wanderer vom Wege ablocken und ins Unglück stürzen. Aber sie können auch Glück bringen; doch muß man an einem ganz bestimmten Tage geboren sein und genau wissen, wann die «Schätze blühen»; dies ist nur alle sieben Jahre einmal der Fall. Das Glückskind sieht dann eine bläuliche Flamme, und wer sie mit seiner Schürze bedecken kann, vermag den Schatz zu heben, doch darf er vorher nicht über ein Wasser gehen. Im Herbst und Winter hören die Einwohner von Haute-Goutte und Natzweiler oft einen Wagen und Pferdeschellen. Mit Windeseile fährt das in Nebel gehüllte Fuhrwerk vom Sommerhof her nach dem Struthof. Nur wenige alte Leute wollen dasselbe gesehen haben. Sie erzählen, daß der Fuhrmann einen großen, laut bellenden Hund bei sich führe. Wenn man das seltsame Gefährt hört, gibt es Nebel und im Winter viel Schnee. Auch an der Chiäye zwischen Wildersbach und Rothau hört man an einer bestimmten Stelle das Rollen eines schweren Wagens, das Gestampf der Pferdehufe und das Klingen der Schellen. In der Weihnachtsnacht kann man zuweilen den silbernen Wagen hoch über sich in der Luft erblicken *)• c) Historische Sagen: Mehrere derselben knüpfen sich an das Schloß zum Stein. 1. Von der einst großen und prächtigen Burg führten unterirdiDer Feldmesser auf dem Bolchen. *) Vergl. Stceber, Aug., Die Sagen des Elsasses. 1851. S. 106. Die Teufelskutsche, u. S. 115, Die Gespensterkutsche von

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sehe Gänge nach Bellefosse und Waldersbach ; durch diese schlichen die Raubritter, wenn sie die Kaufleute überfallen wollten. 2. Im Sommer, wenn das Wetter feucht-warm ist, sehen die Leute von Belmont am späten Abend bei Haut-Lachamp 6 ) Lichter ')» die sich in der Richtung nach der Ruine bewegen. Die Ritter wandeln dort oben und weinen über den Untergang ihres Schlosses. 3. Wenn sich das Wetter ändert, kommt vom Schlosse ein großer^ heulender Hund. Er begibt sich ins Pfarrhaus von Waldersbach und winselt vor dem einstigen Schlafgemache Oberlins 7 ); darauf kehrt er lautlos zurück. 4. Wenn Regenwetter und Nebel im Anzüge sind, rennt durch Bellefosse ein großer, schwarzer Hund nach der Ruine, wo er längere Zeit heulend umherirrt; es ist die Seele jenes berüchtigten Jörg von Rathsamhausen, der in seinem Grabe in der Kirche zu Fouday wegen seiner Missetaten keine Ruhe finden kann. An die Rathsamhausenherrschaft erinnern die folgenden Sagen : 1. Der Rathsamhausenstein zwischen Hochfeld und Rotlach hat seinen Namen daher, weil dort einer derer von Rathsamhausen im Zweikampfe gefallen sein soll. 2. Jörg von Rathsamhausen soll in einem Badeorte, es wird Baden-Baden genannt, beim Spielen derart verloren haben, daß er, um seine Schulden bezahlen zu können, genötigt war, Bliensbach und St. Biaise zu verkaufen 8 ). 3. Vor langer Zeit, so erzählt man in Solbach "), wohnte in Bellefosse eine Frau namens «Kate» (Käte). In einer Nacht hatte sie eine Erscheinung. Sie hörte ganz deutlich eine Stimme zu ihr sprechen: «Finde dich zwischen elf und zwölf Uhr nachts auf der Perhöh ein. Nimm «Le Man du Minou» aus Waldersbach und «Vater Didier» von Belmont, die zwei dir gut bekannten Männer, als Begleiter mit; rüstet euch alle drei mit Hacke und Schaufel aus und fangt an zu graben. Während des Grabens werdet ihr rufen und klagen hören. Laßt euch jedoch nicht stören ; denn ihr werdet den Schatz der Rathsamhausen finden». Mutig und erwartungsvoll gingen am nächsten Abend die drei an die Arbeit, und sie verteilten schon in Gedanken das Gold. Da hub ein grauenhaftes Stöhnen an, und je tiefer sie e Hoh-Rappoltstein. ") Meierhof in der Nähe der Ruine «Zum Stein». ) Es sind Irrlichter; vielleicht sind dort Tier- oder Menschenleichen begraben. Vergl. «Das Irrlicht von Krüt». — Die Vogesen. Jahrg. 1911 Nr. 2, 3, 4, 5. — Im Patois der Steintäler diädele genannt; dieses Wort scheint mit «diable» zusammenzuhängen. ') Vergl. Vision von Concorde Claude. Parisot, Jean-Frédéric Oberlin. 8 Seite 61, 62. ) Vergl. Kapitel: Rathsamhausen zum Stein. ") Mitgeteilt von

Sagen.

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gruben, desto stärker wurde es. Gerade als es auf der Kirchuhr von Waldersbach Mitternacht schlug, traf die Hacke des «Man du Minou» eine eisenbeschlagene Kiste. Da wurde das Klagen so entsetzlich, daß der mutige Mann die Hacke fallen ließ und schnell wie der Wind den Berg hinabrannte gegen Waldersbach zu. Sein Gefährte wollte mutiger sein. Aber nach dem ersten Schlage schon nahm er denselben Weg wie sein Geselle, und auch Käte folgte ihm. In seiner Angst traute «Le Man du Minou» nicht mehr zurückzuschauen, und als er die Schritte des Kameraden hinter sich hörte, glaubte er, der Leibhaftige verfolge ihn. Nicht besser erging es Vater Didier, der die ihm folgende Käte für den Teufel hielt. Atemlos langten unsere Schatzgräber in Waldersbach an. Käte aber machte den beiden Männern bittere Vorwürfe wegen ihrer Feigheit. Am andern Morgen gingen sie vergebens wieder auf die Perhöh; von dem Schatz war nichts mehr zu finden. Mehrere Sagen erinnern an die schlimmen Kriegszeiten, welche die Steintäler durchmachen mußten, so die Sagen von der Gründung des Dorfes Belrnont, vom Krawattenacker, vom Kosakenfels, die bereits an anderer Stelle mitgeteilt wurden. Hierher gehört auch die Erzählung von der «Grotte du déserteur». 5. Nicht weit von den Serva-Wasserfällen befindet sich ein schwer zugängliches Felsenloch, la grotte du déserteur 10 ). Davon erzählen die Bewohner von Haute-Goutte: Zur Zeit Napoleons I. war ein Rekrut aus Haute-Goutte fahnenflüchtig geworden. Hier in dieser Höhle, nahe dem heimatlichen Dorfe, hielt er sich zwei Jahre verborgen. Außer seiner Braut wußten nur wenige Leute das Geheimnis. Den Tag über blieb der Unglückliche in der Höhle, des Nachts ging er wie ein wildes Tier auf Raub, d. h. auf den Kartoffeldiebstahl aus. Manchmal wagte er sich auch ins Dorf, um von vertrauten Freunden mit besserer Speise erquickt zu werden oder in den Armen seiner Liebsten zu erwarmen. Um das Mädchen aber freite noch ein anderer Bursche, doch ohne Erfolg. Der verschmähte Liebhaber entdeckte bald den geheimen Grund seiner Erfolglosigkeit, doch nicht den Aufenthalt seines Nebenbuhlers. Endlich erwischte er ihn beim Kartoffeldiebstahl und brachte den Gefaßten zur Anzeige, der nun als Deserteur dem Kriegsgerichte überwiesen wurde. In letzter Stunde erstand ihm ein Retter. Die arme Braut eilte in ihrer Ratlosigkeit zu Papa Oberlin. Dieser ritt nach Straßburg, wo eben Maria Luise von Österreich, die junge Frau Napoleons, 10 Herrn Lehrer Lauth, Solbach. ) Mündliche Uberlieferung. — Theodor Renaud, Mein erster Ausflug ins Breuschtal. 1874. Straßburger Post. Jahrg. 1909.

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angekommen war. Ihr überreichte Oberlin eine Bittschrift für den armen Deserteur, die um so leichter Erhörung finden konnte, als bald nachher zur Feier der kaiserlichen Vermählung ein Generalpardon erlassen wurde. Kurz darauf konnte der Deserteur fröhliche Hochzeit feiern. Auch des Bergbaues wird in der Sage gedacht. Wenn sich schlechtes Wetter einstellt, hören die Leute in La Hutte das Vorbeifahren der schwerbeladenen Kohlenwagen, welche von der Charbonnière herunterkommen. Sie unterscheiden deutlich das Klingen der Pferdeschellen; der Fuhrmann ruft andauernd: «Hü, Hü!» Die Sagen des Steintals erleben das gleiche Schicksal wie so manches elsässische Volkslied. Nur wenige Alte können sie noch so erzählen, wie's die Großeltern taten, wenn man abends gemütlich beisammen saß, und auch der Mund dieser wenigen wird bald verstummen. Das jüngere Geschlecht aber hat in dem allgemeinen Hasten der modernen Zeit alles Interesse für die schönen Sagen seiner Heimat verloren. So ist die Zeit nicht mehr allzu ferne, wo dieselben ganz der Vergessenheit anheimfallen werden.

Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg.

QUELLEN UND FORSCHUNGEN zur Kirchen- und Kulturgeschichte von Elsass und Lothringen Herausgegeben in Verbindung mit Pfarrer ADAM, Professor ANRICH, Pfarrer JACOBY, Archivdirektor KAISER, Pfarrer SCHNEIDER, Professor WIEGAND, Archivdirektor WINCKELMANN

von JOHANNES FICKER

l. Band: K r e u z b ü c h l e i n von G r a f S i g m u n d von H o h e n l o h e . 1525. Neu herausgegeben von Johannes Ficker. Lex. 8°. XLVI, 23 S. Mit 4 Tafeln in Lichtdruck. 1913. J L 4.50 a. Band: E l s ä s s i s c h e A l t e r t ü m e r in B u r g und Haus, in K l o s t e r und Kirlhe. Inventare vom Ausgang des Mittelalters bis zum dreißigjährigen Kriege aus Stadt und Bistum Straßburg. Unter der Leitung von Johannes Ficker und unter Mitarbeit von Dr. Wilhelm Teichmann herausgegeben von Edmund üngerer. Mit Unterstützung der Cunitz-Stiftung. 1. Teil: Erster Halbband. Lex. 8°. III, 183 S. 1911. JC 6.— 2. Teil: Zweiter Halbband'Lex 8°. VI, S. 1 8 5 - 3 7 6 . 1913. Jt 8 — „ . . . Da ich im Rahmen dieser Besprechung auf Eizelheiten nicht eingehen kann, so muß ich mir die Beleuchtung einzelner Seiten der Inventare auf einen andern Ort versparen und begnüge mich hier damit, nachdrücklich auf dieses auch in der äußeren Anlage von manchen Inventarveröffentlichungen vorteilhaft sich abhebende fleißige und an Ergebnissen reiche Werk hinzuweisen. Es ist dringend zu wünschen, daß die Fortsetzung sich nicht verzögere, auch daß eine Auswahl typischer bäuerlicher Inventare der Sammlung angefügt werde.« Historische Zeitschrift. Band 109, Heft 2. „. . . Neben alledem aber finden wir endlich auch mit unverhohlenem Staunen eingehende Nachrichten über die Bestände der Bibliotheken und der Privatsamnilungen. . . . Im ganzen kann man sagen, daß es kaum ein Kapitel aus dem Gesamtbereich des altertumskundlichen Interesses gibt, für das sich hier nicht wichtige Nachrichten fänden . . . So bietet das Buch eine fast unerschöpfliche Fülle kulturgeschichtlicher Einzelheiten". Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichtsund Altertumsvereine. 1912, Nr. 7j8. 3. Band: Die k i r c h l i c h e n R e f o r m b e s t r e b u n g e n des S t r a ß b u r g e r B i s c h o f s J o h a n n von M a n d e r s c h e i d (1569—1592). Ein Beitrag zur Geschichte der Gegenreformation. Von Karl Hahn. Lex. 8°. XVI, 134 S. 1913. JL 6.50 . . . . Aber nicht diese Blicke über die Grenzen des Hahnschen Buchs hinaus sollen seine Anzeige schließen, sondern der dankende Hinweis auf die exakte und peinliche Forschung, die uns hier wertvolles Material neu erschlossen hat und die Hahns Verdienst um die Geschichte der elsässischen Gegenreformation aufs neue vermehrt. Mit Spannung erwarten wir seine Schilderung der Reformtätigkeit des Bischofs Erasmus, des Vorgängers Johanns von Manderscheid." Zeitschrift der Savigny-Stiftung. Band XXXIV.